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German Pages 153 Year 2008
P+P Pöllath + Partners Verdient- unverdient Unternehmerische Arbeit und Vermögen Recht und Steuern
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Verdientunverdient Untemehmer1sche Arbeit und Vennögen Recht und Steuem Symposion zum zehnjährigen Bestehen von P+P Pöllath + Partners München, 25. Januar 2008
Herausgegeben von
P+P Pöllath + Partners
oUs
Verlag
Dr.OttoSchmidt Köln
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Verlag Dr. Otto Schmidt KG Gustav-Heinemann-Ufer 58, 50968 Köln Tel. 02211937 38-01, Fax 0221/937 38-943 [email protected] www.otto-schmidt.de ISBN 978-3-504-06313-9 @2008 by Verlag Dr. Otto Schmidt KG, Köln
Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlages. Das gilt insbesondere fur Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das verwendete Papier ist aus chlorfrei gebleichten Rohstoffen hergestellt, holz- und säurefrei, alterungsbeständig und umweltfreundlich. Einbandgestaltung: Jan P. Lichtenford, Mettmann Satz: A. Quednau, Haan Druck und Verarbeitung: Grosch, Eppelheim Printed in Germany
Vorwort Zehn Jahre Wirtschafts- und Steuerrechtskanzlei P+P Pöllath + Partners: Dazu fand am 25. Januar 2008 in der früheren Allerheiligen-Hofkirche in München ein wissenschaftliches Symposion statt. Unter dem Titel „Verdient – Unverdient, Unternehmerische Arbeit und Vermögen“ ging es um zwei Grundfragen: In welchem Umfang darf und soll der Staat auf die Vererbung insbesondere größerer Vermögen Einfluss nehmen, und welche Rolle spielt dabei die Erbschaftsteuer, deren Reform im Parlament und in der Gesellschaft gerade heftig diskutiert wird? Welche Beziehungen bestehen zwischen Leistung und Vergütung von Unternehmern, Managern und Beratern, und wie sind z. B. Boni für Manager zivil- und strafrechtlich zu beurteilen? Zwar war das Podium überwiegend mit Juristen besetzt, die ihre Praxis aus zivilrechtlicher, steuerrechtlicher, gesellschaftsrechtlicher Gestaltung und strafrechtlicher Verteidigung und Betreuung einbrachten. Aber im Grunde geht es um gesellschaftspolitische Konzepte vor dem Hintergrund politischer Ordnungsvorstellungen. Vorträge und Diskussion sind in dem vorliegenden Band festgehalten. Veröffentlicht wird auch das Gespräch mit dem Physik-Nobelpreisträger Theodor W. Hänsch, das am Abend im Rahmen eines Empfangs in der Max-Planck-Gesellschaft stattfand. Es widmete sich der Frage nach den besten Bedingungen für Höchstleistungen in der Forschung, Motivation von Mitarbeitern und Entwicklung wissenschaftlicher Kreativität. P+P-Mitarbeiter haben zum zehnjährigen Bestehen eine Festschrift mit wirtschafts- und steuerrechtlichen Beiträgen aus der Beratungspraxis der Kanzlei vorgelegt. Im Rahmen des Symposions wurde die Publikation mit dem Titel „Transaktionen, Vermögen, Pro Bono“ der dort versammelten Fachwelt vorgestellt. München/Frankfurt/Berlin, im Juni 2008 Dieter Birk
Reinhard Pöllath
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Inhaltsverzeichnis Seite
Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Begrüßung und Präsentation der Festschrift „Transaktionen, Vermögen, Pro Bono“ Prof. Dr. Dieter Birk, Universität Münster, P+P Berlin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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1. Teil: Unternehmens- und Vermögensübergang im Erbfall I.
Einleitung und Vorstellung der Referenten Dr. Andreas Richter, P+P Berlin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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II. Erbschaft als unverdientes Vermögen und als Kapital für Investitionen und Arbeitsplätze Prof. Dr. Jens Beckert, Max-Planck-Institut für Gesellschaftsforschung . . . . .
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III. Schutz von Unternehmen gegen Zerschlagung durch Pflichtteil oder Zugewinn Prof. Dr. Georg Crezelius, Universität Bamberg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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IV. Erbschaftsteuer zwischen verfassungsrechtlichem Unternehmensschutz und Gleichheitsgeboten Vizepräsident des BFH Hermann-Ulrich Viskorf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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V. Podiumsdiskussion mit den Referenten und Prof. Dr. Rudolf Mellinghoff (Richter des BVerfG), Prof. Dr. Detlev Piltz (Flick Gocke Schaumburg, Bonn), Prof. Dr. Wolfgang Schön (Max-Planck-Institut für Geistiges Eigentum, Wettbewerbs- und Steuerrecht, München) Diskussionsleitung: Dr. Andreas Richter, P+P Berlin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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2. Teil: Leistungs- oder erfolgsabhängige Vergütung und Vermögensbildung I.
Einleitung und Vorstellung der Referenten Dr. Matthias Bruse, P+P München . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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II. Selbstbetroffenheit bei Entscheidungen Erfolgsabhängige Vergütung vs. Unternehmens- und Vermögensertrag Prof. Dr. Reinhard Pöllath, P+P Berlin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Inhaltsverzeichnis
III. Boni für Manager aus zivilrechtlicher Sicht Prof. Dr. Michael Hoffmann-Becking, Hengeler Müller, Düsseldorf . . . . . . . .
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IV. Boni für Manager aus strafrechtlicher Sicht Dr. Sven Thomas, Thomas Deckers Wehnert Elsner, Düsseldorf . . . . . . . . . . .
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V. Die Besteuerung kapital-disproportionaler Gewinnanteile Dr. Andreas Rodin, P+P Frankfurt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 VI. Podiumsdiskussion mit den Referenten und Prof. Dr. Ingo Saenger (Universität Münster, P+P Frankfurt), Dr. Thomas Töben (P+P Berlin) Diskussionsleitung: Dr. Matthias Bruse, P+P München . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112
Abendempfang in der Max-Planck-Gesellschaft I.
Ansprache Prof. Dr. Peter Gruss, Präsident der Max-Planck-Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . 127
II. Management von Höchstleistungen am Beispiel eines Forschungsinstituts Gespräch zwischen Prof. Dr. Theodor W. Hänsch, Max-Planck-Institut für Quantenoptik, und Prof. Dr. Reinhard Pöllath, P+P Berlin . . . . . . . . . . . . . 129
Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 Autorenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141
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Begrüßung und Präsentation der Festschrift „Transaktionen, Vermögen, Pro Bono“ Prof. Dr. Dieter Birk, Universität Münster, P+P Berlin
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich begrüße Sie sehr herzlich zu dem Symposion „Verdient – unverdient: Unternehmerische Arbeit und Vermögen, Recht und Steuern“. Wir feiern heute das zehnjährige Bestehen der Kanzlei Pöllath + Partners. Heute Nachmittag soll aber nicht die Kanzlei im Mittelpunkt stehen, sondern ein gesellschaftspolitisches Thema, welches wir vor allem unter rechtlichen Aspekten erörtern wollen. Es geht um die Frage, welche Folgen die Rechtsordnung an unverdiente und verdiente Vermögenszuwächse knüpft und in welchem Verhältnis die Rechtsfolgen zueinander stehen. Dieses Thema geht zurück auf eine Idee von Reinhard Pöllath. Vor knapp einem Jahr, als wir gemeinsam dieses Symposion planten, konnte noch niemand voraussehen, dass es gerade jetzt eine so heftige, intensive Diskussion zur Höhe von Managergehältern geben würde. Jedermann konnte zwar voraussehen, dass es eine Diskussion zur Reform der Erbschaftsteuer geben würde, weil diese Reform vom Bundesverfassungsgericht aufgetragen wurde, aber niemand konnte wohl die heftige politische Auseinandersetzung zu den Managervergütungen vorhersagen. Insofern ist es ein schöner Zufall, dass wir auch hier einen aktuellen Diskussionsbeitrag leisten können. Ich sagte, dass heute Nachmittag nicht die Kanzlei im Mittelpunkt steht, sondern ein wissenschaftliches Programm. Aber gestatten Sie mir trotzdem, mit ein paar Sätzen auf die Kanzlei und auch auf ihren Namensgeber zurückzukommen. Zehn Jahre erfolgreicher Kanzleitätigkeit spiegeln sich vor allem in einer Festschrift wider, die aus drei Teilen besteht, und die ich heute gerne der Fachöffentlichkeit präsentieren möchte. Die Festschrift trägt den Titel „Transaktionen, Vermögen, Pro Bono“.1 Ich denke, die ersten beiden Teile – Transaktionen, Vermögen, insbesondere Vermögensstrukturierung – erklären sich von selbst. Sie sind Schwerpunkt der anwaltlichen und steuerlichen Beratung von Pöllath + Partners. Aber der dritte Teil – Pro bono – erklärt sich nicht von selbst. Er ist eng verknüpft mit Reinhard Pöllath, dem es stets ein Anliegen war, dass Menschen, die gut verdienen, auch viel Gutes tun müssen. Reinhard Pöllath ist, wie es der Zufall will, einige Tage vor unserer Feier 60 Jahre alt geworden. Deswegen erlauben Sie mir, dass ich von diesem Podium aus noch mal sehr herzlich zum 60. Geburtstag gratuliere. Mit der Festschrift wird zwar auf das zehnjährige Bestehen der Kanzlei Pöllath + Partners aufmerksam gemacht. Aber insgeheim, jedenfalls für mich als Herausgeber und vielleicht auch für die Autoren, ist es eine Festschrift für Reinhard Pöllath, mit der wir seine bisherige Lebensleistung würdigen wollen. Ich weiß, dass er das nicht gerne hört, aber ich möchte mir diese Bemerkung, an der mir viel liegt, nicht verkneifen. Gerne können Sie sich in der Pause ein Exemplar der Festschrift, die im ________________________ 1 Birk (Hrsg.), Transaktionen, Vermögen, Pro Bono. Festschrift zum zehnjährigen Bestehen von P+P Pöllath+Partners, 2008. Die Festschriftbeiträge sind abrufbar unter www.pplaw.com/en/ publications/festschrift.php.
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Begrüßung und Präsentation der Festschrift „Transaktionen, Vermögen, Pro Bono“
Untergeschoss auf einem Stand ausliegt, mitnehmen. Und ich darf auch noch sagen, dass Sie einen weiteren Stand hier vorne finden, der über die Pro-Bono-Tätigkeit der Kanzlei informiert, nämlich insbesondere über die kanzleieigene Stiftung Up Micro Loans und die Exzellenz-Stiftung zur Förderung der Max-Planck-Gesellschaft, die Herr Pöllath maßgeblich mit ins Leben gerufen hat. Ich beschließe diese Einführungsworte mit der Präsentation der Festschrift und überreiche je ein Exemplar symbolisch an die jüngste Partnerin, Frau Volhard, und an den Namensgeber der Kanzlei, Herrn Pöllath, und verbinde diese Überreichung mit den besten Wünschen für die Zukunft der Kanzlei P+P. Ich darf damit das wissenschaftliche Programm eröffnen und übergebe an den Moderator des ersten Teils, Herrn Richter.
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1. Teil Unternehmens- und Vermögensübergang im Erbfall I. Einleitung und Vorstellung der Referenten Dr. Andreas Richter, P+P Berlin
Sehr geehrte Damen und Herren! Vor einigen Wochen befragte der Finanzausschuss des amerikanischen Senats das Orakel von Omaha, ob die Vereinigten Staaten die Erbschaftsteuer abschaffen sollten. Das Orakel antwortete: „Equality of opportunity has been on the decline. A progressive and meaningful estate tax (die amerikanische Erbschaftsteuer) is needed to curb the movement of democracy toward plutocracy.“ Hinter dem Orakel von Omaha verbirgt sich, viele von Ihnen werden es wissen, der legendäre Investor Warren Buffett. Heute einer der vermögendsten Amerikaner, im Alter von fünf Jahren gestartet mit seinen wirtschaftlichen Aktivitäten, als er ein Sixpack Coca Cola für 25 Cent kaufte und jede Flasche dann mit 20 % Gewinn weiterverkaufte. Buffett hat vor kurzer Zeit bekannt gegeben, dass er den größten Teil seines Vermögens an eine gemeinnützige Stiftung übertragen wird. Das Thema, das uns heute Nachmittag hier im ersten Teil des wissenschaftlichen Symposiums beschäftigt – „Unternehmens- und Vermögensübergang im Erbfall“ – weist, und das wollte ich mit diesem Zitat von Warren Buffett beleuchten, weit über die Frage der rechtlichen und steuerlichen Gestaltung hinaus. Es geht auch um die Fragen des Gemeinwohls, und es geht um Fragen der ökonomischen Auswirkungen von Regeln des Zivil- und Steuerrechts. Ich freue mich, Ihnen die Gäste vorzustellen, mit denen wir diese Themen heute erörtern werden. Zunächst unsere Referenten, die Sie aus Ihrer Sicht auf der rechten Seite des Podiums sehen: Herr Professor Jens Beckert, Direktor am Max-Planck-Institut für Gesellschaftsforschung, Herr Professor Georg Crezelius vom Lehrstuhl für Steuerrecht der Universität in Bamberg und weiter der Vizepräsident des Bundesfinanzhofs, Hermann-Ulrich Viskorf, Vorsitzender des u. a. für die Erbschaftsteuer zuständigen II. Senats. Auf die drei Referate von jeweils zwanzig Minuten folgt dann eine Podiumsdiskussion, eingeleitet durch drei kurze Statements der weiteren Podiumsmitglieder. Ich darf ganz herzlich begrüßen Herrn Professor Rudolf Mellinghof, Richter des Bundesverfassungsgerichts, dort im II. Senat, Herrn Professor Detlev Piltz, Präsident der Deutschen Vereinigung für Internationales Steuerrecht und Seniorpartner bei Flick Gocke Schaumburg, und, last but not least, den mitveranstaltenden Direktor Professor Wolfgang Schön, Direktor am Max-Planck-Institut für Geistiges Eigentum, Wettbewerbs- und Steuerrecht. Herzlichen Dank an Sie alle, dass Sie heute dabei sind. Die drei Referate werden unmittelbar aufeinanderfolgen. Sehr geehrte Damen und Herren, wir freuen uns sehr auf den ersten Beitrag von Herrn Professor Beckert.
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II. Erbschaft als unverdientes Vermögen und als Kapital für Investitionen und Arbeitsplätze Prof. Dr. Jens Beckert, Max-Planck-Institut für Gesellschaftsforschung
Die zentrale Konfliktlinie moderner Gesellschaften lässt sich in einer Frage zusammenfassen, die aus nicht mehr als drei Wörtern besteht: „Wer bekommt was?“ Es ist die Frage nach der Verteilung des in der Gesellschaft erwirtschafteten Wohlstands, die einen großen Teil der sozialen und politischen Konflikte ausmacht, die in Gesellschaften durch politische Aushandlung, Machtausübung und immer wieder auch gewaltsam still gestellt werden. Institutionelle Regulierungen lösen nicht nur Koordinationsprobleme in der Gesellschaft, sondern haben Verteilungskonsequenzen, die zu sozialer Ungleichheit führen, und sind deshalb umkämpft. Welche institutionellen Regeln für die Verteilung knapper Güter in der Gesellschaft bestehen, ist dabei allerdings nicht nur eine Frage politischer Macht. Vielmehr müssen Institutionen so gestaltet sein, dass sie in effektiver bzw. effizienter Weise zur Lösung der ihnen zukommenden Aufgaben beitragen. Tun sie dies nicht, geraten sie unter Veränderungsdruck. Darüber hinaus bedürfen Institutionen der Legitimation, also des Glaubens daran, dass sie gerechtfertigt sind. Unterstützung findet eine Institution nur, wenn die Subjekte, deren Handeln durch sie reguliert wird, sie auch für normativ angemessen halten. Während traditionale Gesellschaften die institutionelle Festschreibung sozialer Ungleichheit nach dem Herkunftsprinzip rechtfertigten, hat sich in liberalen Gesellschaften ein ganz anderes Prinzip durchgesetzt: Soziale Ungleichheit ist dann gerechtfertigt, wenn sie Resultat der unterschiedlichen Leistungsbeiträge der Gesellschaftsmitglieder ist. Wer einen großen Beitrag leistet, soll mehr vom gesellschaftlichen Reichtum bekommen als derjenige, der weniger dazu beiträgt. In der Regel wird der Markt dabei als die Instanz verstanden, durch die die Leistungsbeiträge der Individuen bemessen werden. Wie verhält sich die Vererbung von Vermögen zu diesem normativen Prinzip der Rechtfertigung sozialer Ungleichheit? Seit über zweihundert Jahren wird von liberalen Denkern die Frage kontrovers diskutiert, wie die Vererbung von Vermögen mit dem Leistungsprinzip in Übereinstimmung zu bringen ist. Es waren liberale Denker, die einerseits die Vermögensvererbung auf der Grundlage individueller Eigentumsrechte verteidigten, wie andererseits die radikale Beschneidung des Erbrechts forderten, um dem Leistungsprinzip Geltung zu verschaffen. John Stuart Mill1 etwa forderte, das zu erbende Vermögen auf ein Maß zu begrenzen, das die auskömmliche Versorgung der Hinterbliebenen ermöglichen würde. Der amerikanische Stahlmagnat Andrew Carnegie, im späten 19. Jahrhundert der vermutlich reichste Mann der Welt, forderte gar eine konfiskatorische Erbschaftsbesteuerung.2 Weder Mill noch Carnegie waren dem Pri________________________ 1 J.S. Mill, Principles of Political Economy, New York 1961 [1848]. 2 A. Carnegie, The Gospel of Wealth [1889], in: Joseph Frazier Wall (Hrsg.), The Andrew Carnegie Reader. Pittsburgh and London, 1992, 129–154.
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II. Erbschaft als unverdientes Vermögen und als Kapital für Investitionen und Arbeitsplätze
vateigentum gegenüber feindlich eingestellt – sie sahen lediglich den Stachel, den die Vererbung von Vermögen für das liberale Leistungsprinzip bedeutet. Warum wurde dann aber das Erbrecht nicht im Zuge der bürgerlichen Revolutionen des 18. und 19. Jahrhunderts zusammen mit anderen Rechtsinstituten vormoderner Gesellschaftsordnungen aufgehoben oder zumindest radikal beschnitten? Ich werde in meinem Beitrag argumentieren, dass die Vermögensvererbung eine für moderne Gesellschaften zutiefst widersprüchliche Institution ist und sich sowohl unter normativen als auch unter funktionalen Gesichtspunkten einer eindeutigen Lösung versperrt. Dies aber ist genau der Hintergrund für die anhaltenden kontroversen Debatten zu diesem Thema. Ich unterscheide zwischen drei gesellschaftlichen Bereichen und zeige für jeden einzelnen dieser Bereiche die funktionale und normative Widersprüchlichkeit von Regeln der Vermögensvererbung auf. Die drei Bereiche sind die Wirtschaft, die Familie und das Kultursystem, unter das ich die dominanten Wertprinzipien der Gesellschaft fasse.
1. Ich beginne mit der Wirtschaft. Die Vererbung von Vermögen ist unbestreitbar auch eine wirtschaftliche Institution, insofern es um die Motivation zu wirtschaftlichem Handeln, die Verfügung über Finanzkapital und um die Fortführung von Unternehmen geht. Ein erstes wirtschaftliches Argument zur Rechtfertigung der Vermögensvererbung besteht in dessen Bedeutung für die Erwerbsmotivation. Ein Motiv für engagiertes Erwerbsstreben besteht in dem Wunsch, den Erfolg dieser Anstrengung den eigenen Kindern hinterlassen zu können. Ein solches Argument lässt sich z. B. bei Joseph Schumpeter3 finden, der die Motivation für unternehmerisches Handeln unter anderem in dem Traum und dem Willen von Unternehmern sah, „ein privates Reich zu gründen“. Würden Erbschaften konfiskatorisch besteuert, würden Menschen wirtschaftlich inaktiv oder würden ihre Ersparnisse bis zum Lebensende verbrauchen. Dies wäre volkswirtschaftlich verheerend, da die Erwerbsneigung der Wirtschaftssubjekte, ihre disziplinierte Anstrengung beim Erreichen wirtschaftlicher Ziele, eine bedeutende Grundlage wirtschaftlichen Wohlstands ist. Die Frage ist nun, inwiefern ein solcher Zusammenhang zwischen Erwerbsstreben und Vermögensvererbung tatsächlich besteht. Bestehende empirische Forschungen weisen darauf hin, dass die Möglichkeit der Vermögensvererbung allenfalls eine beschränkte Rolle bei der Erwerbsmotivation spielt.4 Erfolgsorientierung wird wesentlich durch soziales Status- und Machtstreben, Sicherheitsbedürfnisse oder auch durch die in der Tätigkeit selbst erfahrene Befriedigung erzeugt. Dies schließt den Zusammenhang zwischen Erwerbsmotivation und Möglichkeit der Vermögensvererbung nicht aus. Doch ist dieser Zusammenhang aufgrund der Pluralität von Erwerbsmotiven sehr viel schwächer zu veranschlagen als das Argument zunächst vermuten lässt.
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3 J. Schumpeter, Theory of Economic Development: An Inquiry into Profits, Capital, Credit, Interest and the Business Cycle, Cambridge 1934 [1911], 134. 4 D. Haslett, Is Inheritance Justified?, in: Philosophy and Public Affairs 15, 1986, 122–155 (147); J.D. Wisman/L. Sawers, Wealth Taxation for the United States, in: Journal of Economic Issues 7, 1973, 417–436 (423 f.).
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1. Teil: Unternehmens- und Vermögensübergang im Erbfall
Dies wird noch bestärkt, wenn man nicht die Erblasser, sondern die Erben selbst in den Blick nimmt. Bei diesen kann die Erlangung oder selbst die Aussicht auf eine bedeutende Erbschaft gerade zur Entmutigung eigenen Erwerbsstrebens führen. Erben großer Vermögen werden in eine materielle Situation gebracht, in der sie ein Leben in Wohlstand allein aus den Erträgen ihres Vermögens bestreiten können. Weshalb sollen sich diese dauerhaft versorgten Erben selbst noch anstrengen? Es gibt nicht nur eine Vielzahl literarischer Schilderungen dieses Buddenbrooks-Effekts, sondern die Frage der Wirkung des zu erbenden Vermögens auf die Kinder ist in erheblichem Ausmaß auch Gegenstand der Besorgnis wohlhabender Familien selbst: „Wie schaffen wir es, dass unser Geld nicht unsere Kinder zerstört?“, wurde ein amerikanischer Multimillionär in der Zeitschrift Fortune5 zitiert. Solche negativen Motivationseffekte von Erbschaften waren ein wesentlicher Hintergrund für die eingangs angeführten kritischen Haltungen zur Vermögensvererbung bei John Stuart Mill und Andrew Carnegie. Die Paradoxie ist, dass die spätere Vermögensvererbung ein Motiv der Erblasser für die Vermögensbildung ist und zugleich möglicherweise genau die Werte in den eigenen Kindern zerstört, die die Erwirtschaftung dieses Reichtums durch die Eltern begünstigt haben. Eine Beschränkung der Vermögensvererbung kann insofern ökonomisch vorteilhafte Konsequenzen haben, als die Erben stärker auf ihren eigenen wirtschaftlichen Erfolg angewiesen bleiben und deshalb ihre Talente besser nutzen. Auf makroökonomischer Ebene spielt das Erbrecht einschließlich des Erbschaftsteuerrechts insbesondere für die Fortführung von Familienunternehmen eine Rolle. Während Aktiengesellschaften von der Erbschaftsbesteuerung insofern nicht berührt werden, als Management und Eigentümer getrennt sind und das Unternehmensgeschäft nicht direkt von der Veränderung der Eigentümerstruktur durch den Tod von Aktionären berührt wird – dies gilt zumindest, wenn sich die Aktien im Streubesitz befinden –, führen Erbschaftsteuerzahlungen bei Familienunternehmen zu Eigenkapitalabflüssen, da im Erbgang i. d. R. von den Erben kein neues Kapital eingebracht wird. Dies kann zur Verschlechterung der Finanzstruktur des Unternehmens führen und beeinflusst dadurch dessen Wettbewerbsfähigkeit. Aus der Perspektive des Unternehmens ist die Erbschaftsteuer eine Substanzsteuer. Da es ein gesellschaftliches Interesse an der Fortführung von Unternehmen über den Tod des Gründers hinaus gibt, kann der Unternehmensbestand nicht durch unbezahlbare Steuerpflichten infrage gestellt werden. Das bisherige Erbschaftsteuerrecht reagiert auf diesen Tatbestand mit einer Fülle von besonderen Bewertungsvorschriften und Stundungsmöglichkeiten, die faktisch dazu führen, dass fast keine Erbschaftsteuern auf Betriebsvermögen gezahlt werden. Von dem erzielten Erbschaftsteueraufkommen von 2,8 Milliarden Euro im Jahr 2002 stammten unter 300 Millionen Euro aus der Besteuerung von Betriebsvermögen.6 Für die Unternehmensnachfolge scheinen die nicht abdingbaren Pflichtteilsrechte und Folgen des Ehegüterrechts bedeutender zu sein als die Erbschaftsteuer,7 außerdem die Probleme, die mit dem Finden geeigneter Nachfolger zu tun haben. ________________________ 5 29.9.1986: 18. 6 C. Schäfer/St. Scherer, Anmerkungen zur Studie zur Erbschaft- und Schenkungsteuer, 2006, 1. 7 K. Schmidt, Pflichtteil und Unternehmensnachfolge – Rechtspolitische Überlegungen im Schnittfeld von Erbrecht und Unternehmensrecht, in: Anne Röthel (Hrsg.), Reformfragen des Pflichtteilsrechts, 2007, 37–56.
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II. Erbschaft als unverdientes Vermögen und als Kapital für Investitionen und Arbeitsplätze
Die geplante Erbschaftsteuerreform nimmt auf das besondere Interesse an der Unternehmenskontinuität Rücksicht, indem die Erbschaftsteuer auf Betriebsvermögen unter der Bedingung der Weiterführung des Unternehmens durch die Erben innerhalb von zehn Jahren um 85 Prozent abgeschmolzen werden soll. Diese Regelung hat freilich den absehbaren negativen Effekt, dass Erben, die das Unternehmen eigentlich verkaufen wollen, dies möglicherweise aus steuerlichen Erwägungen nicht tun werden. Erschwert wird damit der Übergang des Unternehmens an den oder die am besten geeigneten Nachfolger, was möglicherweise gerade den Verkauf des Unternehmens verlangen würde. Es gilt ja durchaus nicht durchgängig, dass die Familienerben auch tatsächlich diejenigen sind, die das Unternehmenskapital am effizientesten nutzen, weshalb der Verkauf wirtschaftliche Wohlstandsgewinne erzeugen kann. Diese Marktlogik kollidiert jedoch zweifelsohne mit einem familiären Kontinuitätsverständnis, das gerade die Fortführung des geerbten Unternehmens in Familienhand verlangt. Die Vermögensvererbung hat darüber hinaus die bedeutende wirtschaftliche Funktion, Kapital für Investitionen kontinuierlich zu erhalten. Die Beschränkung von Erbrechten insbesondere durch Erbschaftsbesteuerung kann zur Reduzierung von Investitionskapital führen, indem Vermögen entweder durch Konsum verbraucht wird oder durch Verlagerung abwandert. Dieser Zusammenhang ergibt sich aus der Mobilität von Kapital einerseits und der Steuerkonkurrenz zwischen Staaten andererseits. Mögliche Ausweichstrategien von Erblassern und Erben müssen fiskalpolitisch ernst genommen werden. Dennoch ist dieser Effekt möglicherweise weniger zwingend als es auf den ersten Blick scheint. Die Hürden für eine effektive Umgehung der Erbschaftsteuer durch internationale Verlagerung liegen hoch: Nicht nur der Erblasser muss seinen regelmäßigen Aufenthaltsort im Ausland haben, sondern auch die Erben; und im Falle von Betriebsvermögen müssen die Betriebsstätten ebenfalls ins Ausland verlagert werden. Für die Vermögensbesitzer und ihre Erben bedeutet dies, ihr lebensweltliches Umfeld verlassen zu müssen, um in den Genuss der Ersparnis von Erbschaftsteuern zu kommen. Hier bedürfte es verlässlicher empirischer Daten, um Aussagen über die tatsächliche Kapitalabwanderung zwecks Vermeidung von Erbschaftsteuern treffen zu können. Wie hoch die Hürden zur Umgehung der Erbschaftsbesteuerung durch Verlagerung des Steuersitzes gelegt werden, ist aber auf jeden Fall eine politische Entscheidung.
2. Wirtschaftliche Argumente spielen in der Diskussion um die Regulierung des Erbrechts eine bedeutende Rolle, sie sind jedoch keinesfalls die einzigen im politischen Diskurs Bedeutung erlangenden Argumente. Dies wird schon bei der Frage des Umgangs mit Familienunternehmen deutlich, wo familienorientierte Argumente durchaus kontrovers auf wirtschaftliche Effizienzüberlegungen treffen. Insbesondere in Deutschland spielen familienbezogene Argumente bei der Bewertung erbrechtlicher Fragen eine herausragende Rolle.8 Hinter dieser starken Familienorientierung steht nicht nur Artikel 6 Grundgesetz, sondern auch ein kulturelles Eigentumsverständnis, das Eigentum nicht als rein individuelles Eigentum versteht, sondern als dem größeren Familienverband bzw. der Sippe gehörend. Beim Tod des „pater familias“ kommt es deshalb diesem ________________________
8 J. Beckert, Unverdientes Vermögen. Soziologie des Erbrechts, Theorie und Gesellschaft. Bd. 54, 2004.
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1. Teil: Unternehmens- und Vermögensübergang im Erbfall
Verständnis zufolge lediglich zu einer Neuverteilung ideeller Anteile des Eigentums innerhalb des Familienverbandes. In die Verteilung wird legitimerweise nur durch das Pflichtteilsrecht eingegriffen – das genau dieses familiäre Eigentumsverständnis stützt –, wohingegen die Besteuerung des geerbten Vermögens als problematisch erscheint, da diese in unzulässiger Weise in die geschützte Vermögenssphäre der Familie eingreift. Diese kulturellen Orientierungen spiegeln teilweise ein vormodernes Familien- und Eigentumsverständnis, das insofern romantisierend ist, als es der Entwicklung moderner Familienstrukturen hin zu voneinander abgeschlossenen Konjugalfamilien, die aus den Eltern und ihren unselbständigen Kindern bestehen, nicht gerecht wird.9 Im Hinblick auf die Funktionalität für die Familie sind Festlegungen des Erbrechts ebenso widersprüchlich wie im Hinblick auf die wirtschaftlichen Folgen. Einerseits hat das Erbrecht im Modernisierungsprozess seine Bedeutung verloren. Die wirtschaftliche Selbständigkeit der Kinder hängt in Gesellschaften mit entwickelten Arbeitsmärkten nicht wie in Agrargesellschaften am Zugang zum (Grund-)Eigentum der Eltern als wirtschaftlicher Existenzgrundlage. Auch verlieren Erbschaften mit der Entwicklung sozialstaatlicher Sicherungssysteme an Bedeutung für die Versorgung wirtschaftlich unselbständiger Familienmitglieder. Dafür weiten sich in modernen Industriegesellschaften die Sphären staatlichen Handelns aus, die aus Steuereinnahmen finanziert werden müssen. Dies gilt für das Bildungssystem, wo die Fertigkeiten für die spätere erfolgreiche Vermittlung am Arbeitsmarkt gelernt werden, ebenso wie für die Finanzierung sozialer Sicherungssysteme, mit denen der Staat zuvor in den Familien geleistete Aufgaben übernimmt. Trotz dieses Funktionsverlusts des Erbrechts10 lässt sich in der Vermögensvererbung zugleich ein bedeutendes Moment der Beförderung familiärer Solidarität erkennen, und es lässt sich argumentieren, dass das Erbrecht seine gesellschaftspolitische Rechtfertigung in der modernen bürgerlichen Gesellschaft gerade in der Beförderung familiärer Solidarität findet.11 Erbschaften und Schenkungen kommt insofern ein sittlicher Wert zu, als der Mittelfluss zwischen Eltern und ihren selbständigen Kindern oder den Enkelkindern die Vergemeinschaftung über die unmittelbare Kernfamilie hinaus befördert.12 Mit Erbschaften wird die solidarische Unterstützung in der Familie gestärkt und damit der Familienzusammenhang selbst, wodurch die Vermögensvererbung zur Stabilisierung der Sozialbeziehungen zwischen den Generationen beiträgt.13 ________________________
9 T. Parsons, The Kinship System of the Contemporary United States. Essays in Sociological Theory, Glencoe 1954, 177–196. 10 R. Schröder, Der Funktionsverlust des bürgerlichen Erbrechts, in: Heinz Mohnhaupt (Hrsg.), Zur Geschichte des Familien- und Erbrechts, 1987, 281–294. 11 J. Beckert, Familiäre Solidarität und die Pluralität moderner Lebensformen. Eine gesellschaftstheoretische Perspektive auf das Pflichtteilsrecht, in: Anne Röthel (Hrsg.), Reformfragen des Pflichtteilsrechts, 2007, 1–21; M. Kohli, Private and Public Transfers Between Generations: Linking the Family and the State, in: European Societies 1, 1999, 81–104; R. Nozick Vom richtigen, guten und glücklichen Leben, 1991. 12 M. Kohli a. a. O. (Fn. 11); M. Kohli/H. Künemund, Intergenerational Transfers in the Family. What Motivates Giving?, in: Vern L. Bengtson (Hrsg.), Gobal Aging and Challenges to Families, 2003, 123–142. 13 Angesichts der gegenwärtigen demografischen Veränderungen und der damit einhergehenden Absenkung sozialstaatlicher Versorgungsleistungen könnte finanziellen Unterstützungsleistungen innerhalb der Familie auch wieder eine bedeutendere ökonomische Rolle zuwachsen.
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II. Erbschaft als unverdientes Vermögen und als Kapital für Investitionen und Arbeitsplätze
Auf der anderen Seite sind Erbschaften eine bedeutende Quelle familiärer Konflikte. Wenngleich diese Konflikte durch Erbschaften eher ausgelöst als verursacht werden, so wird dadurch doch das Bild der Bestärkung familiärer Zusammenhänge durch intergenerationale Transfers zumindest relativiert und die Widersprüchlichkeit der Vermögensvererbung im Hinblick auf ihre funktionalen Folgen auch für die familiäre Sphäre erkennbar.
3. Die bisher vorgestellten Argumente bezogen sich auf die Folgen der Erbschaftsbesteuerung für bestimmte Gesellschaftsbereiche – die Wirtschaft und die Familie – und sind dabei implizit mit Werten der Effizienz und der Solidarität verknüpft. In den Debatten zur Vermögensvererbung werden Werte jedoch auch direkt zum Gegenstand der politischen Auseinandersetzung. Die Vermögensvererbung ist zu befürworten oder abzulehnen, nicht weil sie bestimmte familiäre oder ökonomische Folgen hat, sondern weil damit gesellschaftlich geteilte oder abgelehnte Wertvorstellungen institutionalisiert werden. Ich hatte schon auf die Bedeutung des Leistungsprinzips als normativer Grundlage der Rechtfertigung sozialer Ungleichheit verwiesen. Vermögensvererbung erscheint gesellschaftspolitisch problematisch, weil es sich, aus Sicht der Erben betrachtet, um „unverdientes“ Vermögen handelt, also um Vermögen, das nicht auf eigener Leistung basiert. Eng damit verbunden ist eine weitere Wertvorstellung moderner Gesellschaften, nämlich das Prinzip der Chancengleichheit. Erbschaften führen dazu, dass die Erben im Leistungswettbewerb über bessere Startchancen verfügen, was sich empirisch z. B. daran zeigt, dass die Mehrzahl vermögender Erblasser selbst zuvor größere Vermögen geerbt hatten. Erbschaften führen zu einem Rennen um Anteile am wirtschaftlichen Wohlstand, bei dem die Teilnehmer nicht von derselben Startlinie aus loslaufen.14 Die Vererbung von Vermögen ist nur dann zu rechtfertigen, wenn die sich ergebende Ungleichheit mit dem Prinzip der fairen Chancengleichheit zu vereinbaren ist.15 Doch auch die relevanten Wertorientierungen stehen in einem widersprüchlichen Verhältnis zueinander. Denn neben dem Wert der Chancengleichheit und der damit verbundenen Orientierung am Leistungsprinzip, die auf Beschränkungen der Vermögensvererbung verweisen, ist zugleich das individuelle Freiheitsrecht der Verfügung über Privateigentum ein gesellschaftlich legitimiertes Prinzip, das jetzt aber den Eingriff des Staates in die Dispositionen des Erblassers als problematisch erscheinen lässt. Individuelle Eigentumsrechte lassen sich sogar als dominanter normativer Bezugspunkt von Erbrechtskonflikten verstehen. Privates Eigentum, davon geht auch das Grundgesetz aus, beinhaltet nicht nur das Recht, über dieses zu Lebzeiten frei zu verfügen, sondern auch zu bestimmen, an wen es nach dem eigenen Ableben übertragen werden soll. Diese Position wurde von Kritikern des Erbrechts mit zwei Argumenten in Zweifel gezogen. Zum einen wurde gefragt, inwieweit Eigentumsrechte tatsächlich über den Tod des Eigentümers hinaus bestehen können. In rechtsphilosophischen Debatten des 18. und 19. Jahrhunderts wurde von der „Herrenlosigkeit“ des Eigentums vom Moment des ________________________ 14 D. Haslett a. a. O. (Fn. 4), 144 ff. 15 J. Rawls, Eine Theorie der Gerechtigkeit, 1993 [1971], 311 f.
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1. Teil: Unternehmens- und Vermögensübergang im Erbfall
Todes des Eigentümers ausgegangen.16 Das Erbrecht ist lediglich eine Regelung, mit der pragmatisch die aus der ungeregelten Vermögensübertragung zu erwartenden sozialen Konflikte vermieden werden. Dies bedeutet jedoch auch, dass die Gesellschaft das Recht hat, die Übertragung in beliebiger Weise zu regeln, ohne damit das selbst naturrechtlich geschützte Recht auf Privateigentum zu verletzen. Prägnant wurde diese Auffassung von dem französischen Soziologen Émile Durkheim zusammengefasst. Eine Beschränkung des Erbrechts ist „durchaus kein Angriff auf die Idee des individuellen Eigentums, im Gegenteil. Das individuelle Eigentum ist das Eigentum, das mit dem Individuum beginnt und endet“.17 Auch das Diktum von Thomas Jefferson „The earth belongs in usufruct to the living“ drückt die höhere rechtliche Bedeutung des Willens der Lebenden gegenüber dem Willen der Erblasser aus, die mit ihrem Leben eben auch die Verfügungsmacht über ihr Eigentum verlieren. Die zweite Kritiklinie an der Position unbeschränkter Übertragungsrechte als Realisierung individueller Freiheitsrechte ergibt sich aus der Hinterfragung der Quellen des zu vererbenden Vermögens. Ist individuelles Vermögen nur Resultat individueller Leistung oder gerinnen darin auch gesellschaftliche Leistungen, die dann auch Abgaben an die Gesellschaft zum Zeitpunkt der Vermögensübertragung mortis causa rechtfertigen? Adolph Samter18 sprach im späten 19. Jahrhundert von einem „Doppelprinzip“ des Eigentums, „daß das Eigenthum eines Familienmitgliedes nicht ihm ausschließlich gehört, nicht ausschließlich Privateigentum ist, sondern ihm auch der Charakter des gesellschaftlichen anhaftet.“ Ein weiterer einflussreicher Wertbezug in der Diskussion um die Vermögensvererbung besteht im Verweis auf soziale Gerechtigkeit. Soziale Gerechtigkeit meint die Korrektur ungleicher materieller Lebensbedingungen durch Instrumente staatlicher Umverteilung. Im Unterschied zum Prinzip der Chancengleichheit ist soziale Gerechtigkeit nicht an der Schaffung gleicher Ausgangsbedingungen orientiert, sondern an der Korrektur von Verteilungsergebnissen. Im 19. Jahrhundert gab es dazu bei Sozialreformern noch die Vorstellung, die im Zusammenhang mit der Industrialisierung bestehenden sozialen Probleme könnten mit der Erhebung einer Erbschaftsteuer weitgehend gelöst werden.19 Welche finanziellen Ausmaße sozialstaatliche Umverteilung einmal annehmen würde, konnte von diesen Reformern nicht vorhergesehen werden. Angesichts der relativ bescheidenen Erbschaftsteuereinnahmen, selbst bei ihrer Erhöhung, ist diese Steuer ein nur sehr beschränktes Instrument bei der Finanzierung sozialstaatlicher Ausgaben. Begründet werden muss außerdem, weshalb sozialstaatliche Leistungen gerade aus vererbtem Vermögen finanziert werden sollen.
4. Die im Hinblick auf den Umgang mit vererbtem Vermögen widersprüchlichen Wertorientierungen erfahren in liberal verfassten Gemeinwesen zugleich gesellschaftliche Legitimation. Da auch die oben angeführten funktionalen Folgen der Erbschaftsbe________________________ 16 17 18 19
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J. Beckert a. a. O. (Fn. 8), 345. É. Durkheim, Physik der Sitten und des Rechts, 1991 [1950], 299. A. Samter, Das Eigenthum in seiner sozialen Bedeutung, Jena 1879, 253. J. Beckert a. a. O. (Fn. 8), 249 f.
II. Erbschaft als unverdientes Vermögen und als Kapital für Investitionen und Arbeitsplätze
steuerung berücksichtigt werden müssen, können immer nur Wertkompromisse institutionalisiert werden, die in politischen Aushandlungsprozessen entstehen. Die funktionale und normative Widersprüchlichkeit erbrechtlicher Regelungen trägt wesentlich zur politischen Konflikthaftigkeit dieses Rechtsbereichs bei. Was ich damit zum Ausdruck bringen möchte ist, dass Konflikte um die Erbschaftsteuer nur unzureichend als rein materielle Interessenkonflikte zwischen Erblassern und Erben auf der einen Seite und den Nichterben auf der anderen Seite verstanden werden können. Die widersprüchlichen institutionellen Schlussfolgerungen aus verschiedenen funktionalen Effekten und gleichzeitig gesellschaftlich legitimierten Wertvorstellungen führen zu Positionen, die zum Teil quer zu anzunehmenden materiellen Interessen liegen. Dies gilt ebenso für die Befürwortung hoher Erbschaftsteuern durch einige der größten Vermögensbesitzer – wie dies in den letzten Jahren insbesondere in den USA aber auch vereinzelt in Deutschland geschah – als auch für die Ablehnung von Erbschaftsteuern durch die Mehrheit der Bevölkerung, obwohl die allermeisten dieser Personen nie selbst von Erbschaftsteuern betroffen sein werden.20 Institutionalisiert werden können immer nur Kompromisse zwischen verschiedenen funktionalen Folgen, Wertprinzipien und materiellen Interessen, die das Resultat politischer Aushandlungsprozesse sind. Ich möchte mich am Schluss meines Beitrags aus der strikt analytischen Position des Wissenschaftlers hinauswagen und einige Positionen zur Besteuerung von Erbschaften vertreten. Die durch den Transfer von Vermögen erreichte Stabilisierung von Investitionen und die Beförderung von Familienbeziehungen spielen eine bedeutende wirtschaftliche Rolle und unterstützen familiäre Solidarität. Daraus folgt insbesondere die weitgehende steuerliche Entlastung von Unternehmen im Generationenübergang und prinzipiell die Ermöglichung der Vermögensvererbung innerhalb der Familie. Dies gilt auch vor dem Hintergrund des liberalen Verständnisses der Freiheit fördernden Funktion von Eigentum. Ich möchte jedoch unterscheiden zwischen dem, was sich als „gewöhnliches Vermögen“ bezeichnen lässt und den Großvermögen, die sich auf eine sehr kleine Zahl von Vermögensbesitzern konzentrieren. Weniger als fünf Prozent der Erbschaften in Deutschland haben einen Wert von über einer halben Millionen Euro; ein Drittel des Privatvermögens konzentriert sich in Deutschland in den Händen von nur einem Prozent der Haushalte.21 Es scheint wenig plausibel anzunehmen, dass die Besteuerung dieser Vermögen im Erbgang in Höhe des Einkommensteuersatzes in bedeutendem Maß funktional negative Folgen haben würde und mit den Wertprinzipien einer liberalen Gesellschaftsordnung unvereinbar wäre. Das an die Erben vererbbare Vermögen wäre immer noch so groß, dass die Erwerbsmotivation erhalten bliebe und auch die Erfüllung solidarischer Verpflichtungen innerhalb der Familie möglich bliebe. Zugleich würde durch eine Abminderung der ungleichen Vermögensverteilung dem Prinzip der Chancengleichheit näher gekommen und der Einsicht Rechnung getragen, dass individueller Erfolg immer auch gesellschaftliche Voraussetzungen hat, die jenseits des Individuums und der Familie liegen. Die Besteuerung von Erbschaften in Höhe des Einkommensteuersatzes würde darüber ________________________ 20 L. M. Bartels, Homer Gets a Tax Cut: Inequality and Public Policy in the American Mind, Princeton 2003. 21 R. Hauser/H. Stein, Die Vermögensverteilung im vereinigten Deutschland, 2001; M. Szydlik, Inheritance and Inequality: Theoretical Reasoning and Empirical Evidence, in: European Sociological Review 20, 2004, 31–45.
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1. Teil: Unternehmens- und Vermögensübergang im Erbfall
hinaus dem Leistungsprinzip insoweit Rechnung tragen als geerbtes Vermögen steuerlich gegenüber Arbeitseinkommen zumindest nicht privilegiert würde. Ein Nebeneffekt einer solchen Institutionalisierung wäre außerdem, dass der Transfer von Vermögen an gemeinnützige Stiftungen befördert würde, da die Vererbung innerhalb der Familie „teurer“ würde. Bei einer Erbschaftsbesteuerung von 45 Prozent steht der Erblasser vor der Entscheidung, entweder nur etwas über die Hälfte des Vermögens innerhalb der Familie vererben zu können oder aber sein Vermögen einem von ihm oder ihr gewählten Stiftungszweck zugutekommen zu lassen. In der amerikanischen Diskussion zur Abschaffung der Nachlasssteuer Ende der neunziger Jahre waren Vertreter von Stiftungen Befürworter der Aufrechterhaltung der Steuer, weil sie bei einer Abschaffung mit geringeren Mittelzuflüssen rechnen mussten.22 Soweit ein gesellschaftlicher Konsens besteht, zivilgesellschaftliches Engagement von vermögenden Privatpersonen in Form von Stiftungen fördern zu wollen, sind Erbschaftsteuern ein Lenkungsinstrument hierfür. Der Vorschlag der Integration der Erbschaftsteuer in die Einkommensteuer hat politisch kaum Chancen umgesetzt zu werden. Das entscheidende Argument dagegen wird vermutlich das der drohenden Kapitalabwanderung sein und auch mit steuersystematischen Einwänden ist zu rechnen. Doch mehr als um die Umsetzung dieses konkreten Vorschlags geht es mir um eine Diskussion, die differenzierter ist, als die Erbschaftsteuer mit flinker Zunge als Neidsteuer abzutun. Ich hatte eingangs hervorgehoben, dass die Frage „Wer bekommt was?“ die zentrale Konfliktlinie moderner Gesellschaften ist. Soziale Integration basiert nicht auf Gleichheit aber auf legitimierter Ungleichheit. Und die Vererbung von Vermögen ist ein Stachel in dem legitimierten Prinzip der Leistungsgerechtigkeit. Dies verlangt die Reflexion der Grundlagen von bestehenden Verteilungen und rechtlicher Regulationen nicht allein aus der Perspektive individueller materieller Interessen, sondern auch aus dem Zusammenhang mit der Frage nach den Voraussetzungen gesellschaftlicher Ordnung. Nur so lässt sich der Widersprüchlichkeit der Vermögensvererbung politisch gerecht werden. Dass substantiell höhere Erbschaftsteuern auch von sehr vermögenden Personen gefordert werden und heute mehr Vermögen an gemeinnützige Stiftungen vererbt wird, zeigt einen solchen Prozess des aufgeklärten Nachdenkens über den Umgang mit zu vererbendem Vermögen an.
________________________ 22 Joulfaian, Estate Taxes and Charitable Bequests by the Wealthy, Cambridge 2000.
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III. Schutz von Unternehmen gegen Zerschlagung durch Pflichtteil oder Zugewinn Prof. Dr. Georg Crezelius, Universität Bamberg
Inhaltsübersicht 1. Einleitung 2. Bestandsaufnahme a) Zugewinngemeinschaft b) Pflichtteilsrecht c) Folgerungen 3. Gestaltungen de lege lata a) Zugewinngemeinschaft b) Pflichtteil aa) BGB
bb) Gesellschaftsrecht (1) Personengesellschaften (2) Kapitalgesellschaften (3) Pflichtteilsergänzung 4. Möglichkeiten de lege ferenda a) Erbrechtsreform b) Gewerbliche Unternehmen c) Gemeinnütziges Vermögen 5. Schlussbemerkung
1. Einleitung Befindet sich in einem Nachlass unternehmerisches Vermögen im weitesten Sinne, dann sind nach geltendem Recht vier „Zentrifugalkräfte“ zu beachten, die Einfluss auf den Bestand des Unternehmens nehmen können: Hinzuweisen ist zunächst auf das Institut der Erbengemeinschaft. Schon ein Blick in die §§ 2032 ff. BGB zeigt, dass die Erbengemeinschaft auf Auseinandersetzung gerichtet ist, so dass die Interessen der Miterben mit dem Bestandsinteresse des Unternehmens kollidieren können. Es geht insbesondere darum, dass die (gesamthänderisch gebundene) Vervielfachung der Rechtsträger die unternehmerischen Einflussmöglichkeiten und damit den Bestand des Unternehmens gefährdet. Der zweite Gesichtspunkt ergibt sich aus dem ehelichen Güterrecht. Zwar sind die Regeln des gesetzlichen Güterstandes der Zugewinngemeinschaft primär ein Ausgleichsmechanismus für die vermögensrechtlichen Verhältnisse der Ehegatten bei Beendigung der Ehe, doch führt die Technik der §§ 1931 Abs. 3, 1371 Abs. 1 BGB auch zu erbrechtlichen Auswirkungen, weil sich nämlich über die Erhöhung des gesetzlichen Erbteils des überlebenden Ehegatten auch der grundsätzlich in Geld zu erfüllende Pflichtteilsanspruch (§ 2303 Abs. 1 S. 2 BGB) mit allen Gefahren für unternehmerisches Vermögen erhöht. Damit geht es im Kern auch bei Beendigung des Güterstandes der Zugewinngemeinschaft um die Pflichtteilsproblematik, also um die Frage, ob der nach geltendem Recht als Geldanspruch ausgestaltete Pflichtteilsanspruch das unternehmerische Vermögen beeinträchtigen soll und/oder kann. Zu erwähnen ist schließlich die Erbschaftsteuer. Zum Teil ist die Erbschaftsteuer als staatliches Miterbrecht verstanden worden (Bentham, Mill, Bluntschli, Adolph Wagner), und Art. 154 Abs. 2 WRV hat die Erbschaftsteuer noch als „Anteil des Staates am Erb13
1. Teil: Unternehmens- und Vermögensübergang im Erbfall
gut“ formuliert. Im Ergebnis ist der Gedanke des staatlichen Miterbrechts allerdings abzulehnen, weil der Fiskus durch das Erbschaftsteuerrecht zwar einen Steueranspruch erhält, aber selbst nicht im technischen Sinne Miterbe wird. Die Erbschaftsteuer läuft zwar auf eine Teilnahme der öffentlichen Hand an der Erbschaft hinaus, aber eben durch eine Steuer und nicht kraft anteiligen Erbrechts. Wenn überhaupt, dann lässt sich die Erbschaftsteuer als Parallele zum (privaten) Pflichtteilsanspruch begreifen. Der Unterschied besteht aber darin, dass der Pflichtteilsanspruch durch ein Näheverhältnis zum Erblasser bestimmt wird, demgegenüber die Erbschaftsteuer mit zunehmender Entfernung des Bereicherten zum Erblasser progressiv zunimmt (§ 19 ErbStG). Im Folgenden geht es nur noch um die Zugewinngemeinschaft und das Pflichtteilsrecht. Dabei sollen zunächst der Sinn und Zweck der Zugewinngemeinschaft und des Pflichtteilsrechts erörtert werden. Im Anschluss daran werden die Möglichkeiten, Einflüsse auf das Unternehmensvermögen durch kautelarjuristische Gestaltungen zu vermeiden, diskutiert. Schließlich wird auf Möglichkeiten de lege ferenda eingegangen.
2. Bestandsaufnahme a) Zugewinngemeinschaft Stirbt ein Erblasser im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft, dann müsste es von der Idee der Zugewinngemeinschaft her zu einem rechnerischen Zugewinnausgleich zwischen dem überlebenden Ehegatten und dem/den Erben des verstorbenen Ehegatten kommen. Wird der überlebende Ehegatte allerdings Erbe oder Vermächtnisnehmer (arg. § 1371 Abs. 2 BGB), dann wird ihm als Ausgleichspauschale über §§ 1931 Abs. 3, 1371 Abs. 1 BGB ein Viertel der Erbschaft gewährt. Das ist von der Idee getragen, Streitigkeiten zwischen dem überlebenden Ehegatten und den (anderen) Miterben zu vermeiden. Der Normzweck des § 1371 Abs. 1 BGB weist auf eine güterrechtliche Funktion hin, die jedoch mit Mitteln des Erbrechts verwirklicht wird. In diesem Zusammenhang heißt es bei Palandt/Brudermüller1: „Da es dem Gesetzgeber aber nicht um eine Verstärkung des Erbrechts ging, entscheiden bei der Auslegung von Zweifelsfragen in der Regel die güterrechtlichen Gesichtspunkte.“ Diese Aussage ist zumindest missverständlich und missachtet die Querverbindungen zum Pflichtteilsrecht. Zwar ist der Normzweck des § 1371 Abs. 1 BGB eindeutig güterrechtlich zu verstehen, er wird allerdings mit erbrechtlichen Mitteln (§ 1931 Abs. 3 BGB) und damit mittelbar auch mit dem Pflichtteilsrecht verwirklicht. Rechtssystematisch ist diese Technik des § 1371 Abs. 1 BGB fragwürdig. Der Güterstand der Zugewinngemeinschaft wird denaturiert, weil die Ausgleichspauschale ohne Rücksicht auf einen tatsächlich erzielten Zugewinn und auf die Rollen der Ehegatten beim rechnerischen Zugewinnausgleich gewährt wird.2 Für Erbfälle kann es dazu kommen, dass ein pauschalierter Zugewinnausgleich und eine Erhöhung des Pflichtteilsanspruchs auch dann zu berücksichtigen sind, wenn de facto überhaupt kein Zugewinn gegeben ist. Ein Widerspruch ergibt sich im Übrigen im Verhältnis zu § 1931 Abs. 4 BGB. Leben die Ehegatten im Zeitpunkt des Erbfalls in Gütertrennung (§ 1414 BGB), dann kommt ________________________ 1 BGB, 67. Aufl. 2008, § 1371 Rn. 1; vgl. auch Koch, in: MünchKomm, BGB, 4. Aufl. 2000, § 1371 Rn. 1. 2 Deutlich Koch, in: MünchKomm, BGB, § 1371 Rn. 4.
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es zwar im Grundsatz zur Anwendung des § 1931 Abs. 1 BGB, doch erbt der Ehegatte in Abweichung davon neben ein oder zwei Kindern des Erblassers zu gleichen Teilen.3 Selbst dann, wenn Ehegatten in Gütertrennung leben, kann der gesetzliche Erbteil des überlebenden Ehegatten also ½ betragen und damit auch pflichtteilsrechtlich ebenso hoch sein wie die Position eines Ehegatten, der in Zugewinngemeinschaft gelebt hat. b) Pflichtteilsrecht Geht es um das Pflichtteilsrecht, dann ist zunächst – abstrakt gesehen – die Frage zu beantworten, ob in einer Rechtsordnung ein Pflichtteilsrecht überhaupt existieren soll. Das geltende deutsche Recht folgt einer Kompromisslösung zwischen dem gesetzlichen Familienrecht einerseits und der Testierfreiheit des Erblassers andererseits.4 Dabei ist für den vorliegenden Zusammenhang von Bedeutung, dass noch auf dem Juristentag 1878 für eine Beseitigung des Pflichtteilsrechts mit dem Argument eingetreten wurde, dass vor allem der Handwerker- und Bauernstand durch hohe Abfindungslasten in seiner Existenz bedroht werde.5 Schon damals ist mithin erkannt worden, dass ein Pflichtteilsanspruch unternehmerische Einheiten beeinträchtigen kann. Die zweite vom Zivilrechtsgesetzgeber zu beantwortende Frage besteht darin, ob das Pflichtteilsrecht gleichsam als Noterbrecht, also als dingliche Teilhabe am Nachlassvermögen ausgestaltet werden soll, oder ob der Pflichtteilsberechtigte nur einen schuldrechtlichen Geldanspruch erlangt. Bekanntlich hat sich das (deutsche) BGB für einen Geldanspruch entschieden. Ausweislich der Entstehungsgeschichte6 glaubte man, dass sich die Abfindung in Geld leichter erledigen lässt als die Naturalzahlung und die Liquidierung des Nachlasses aufgrund einer Gemeinschaft. Daraus ergeben sich unmittelbare Querbezüge zur Bestandssicherung unternehmerischen Vermögens. Selbst und gerade dann, wenn der Pflichtteilsanspruch in Geld zu begleichen ist, kann es zu Liquiditätsanspannungen für die Miterben bzw. für das Nachlassvermögen kommen. Daraus ergeben sich „Fliehkräfte“ für den Bestand unternehmerischen Vermögens.7 Häufig wird verkannt, dass das Pflichtteilsrecht rechtspolitisch mit zwei Argumenten gerechtfertigt wird. Zum einen geht es sicherlich um die Sicherung des Unterhalts naher Angehöriger bzw. des überlebenden Ehegatten. Darüber hinaus will das Pflichtteilsrecht aber auch ein „Minimum an Verteilungsgerechtigkeit“ absichern.8 Diese Verteilungsgerechtigkeit soll insbesondere in der Weise verwirklicht werden, dass das geltende Pflichtteilsrecht Vermögenskonzentrationen entgegenwirken soll. Dabei ist allerdings schon an dieser Stelle darauf hinzuweisen, dass sich ein Schutz vor der Konzentration von Vermögensmassen durch das Pflichtteilsrecht ernsthaft nicht begründen lässt.9 Nach hier vertretener Auffassung besteht umgekehrt die Gefahr, speziell bei Familienunternehmen, dass durch die Streuung des Vermögens wirtschaftliche Einheiten in ihrem Bestand gefährdet werden. Die damit verbundenen volkswirtschaftlichen ________________________ 3 4 5 6 7 8 9
Näher Dieckmann, FamRZ 1979, 389. Näher Lange, in: MünchKomm, BGB, 4. Aufl. 2004, § 2303 Rn. 1 m. w. N. Verhandlungen 14. DJT, Bd. 1, S. 50 ff., 72 ff. Prot. V, 497. K. Schmidt, in: Röthel (Hrsg.), Reformfragen des Pflichtteilsrechts, 2007, S. 37 (39). Schiemann, ZEV 1995, 199. Lange, in: MünchKomm, BGB, § 2303 Rn. 5; vgl. auch Hank, in: FS Solms, 2005, S. 205.
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Schäden überwiegen den angestrebten Schutz vor Vermögenskonzentrationen bei Weitem. Unabhängig von der vorstehend angerissenen, gleichsam ordnungspolitischen Komponente des Pflichtteilsrechts, bleibt festzuhalten, dass der insbesondere für Familienunternehmen gefährliche Pflichtteilsanspruch in erster Linie familienbezogen motiviert ist. Was das für die Praxis bedeuten kann, ist vor einiger Zeit von Oechsler10 deutlich gemacht worden: Die Erben unternehmerischen Vermögens können regelmäßig auf die Substanz des ererbten Vermögens nicht zugreifen, weil dieses Vermögen unternehmerisch und/oder durch gesellschaftsvertragliche Gestaltungen gebunden ist. Sie sind vielfach nur „Nießbraucher“, die lediglich über den ausschüttungsfähigen Gewinn disponieren können. Ganz anders liegt es beim Pflichtteilsberechtigten: Er hat einen Anspruch auf die Hälfte (§ 2303 Abs. 1 S. 2 BGB) seines gesetzlichen Erbteils in bar, und zwar sofort und nach Verkehrswerten bemessen. Letztlich folgt dies wohl aus der bei der Entstehungsgeschichte des BGB im Vordergrund stehenden familienrechtlichen Begründung des Pflichtteilsrechts. c) Folgerungen Sowohl das Recht der Zugewinngemeinschaft als auch die Pflichtteilsregeln des geltenden Rechts sind in erster Linie personenrechtlich motiviert. Dass dies auch die Idee des BGB-Gesetzgebers im Jahr 1900 war, zeigt der Umstand, dass die damals noch existierenden Familienfideikommisse weitergeführt werden konnten. Sie wurden erst durch Anordnung der WRV aufgelöst. Daher dürfte es nicht zutreffend sein, den Gesichtspunkt der Verhinderung von Vermögensakkumulationen in die Auslegung des geltenden Rechts zu übertragen.11 Im Gegenteil: Der Umstand, dass sowohl güterrechtliche Vertragsfreiheit besteht als auch die Möglichkeit des Erb- und Pflichtteilsverzichts (§ 2346 BGB), zeigt, dass der Zivilrechtsgesetzgeber privatautonomen Gestaltungen den Vorrang gegenüber ordnungspolitischen Überlegungen gibt. Wenn es aber nicht mehr um die „Entmachtung“ durch Zivilrechtsinstitute geht, dann sind kautelarjuristische Gestaltungen zur Bestandssicherung unternehmerischen Vermögens ein von der Rechtsordnung legitimiertes Mittel.
3. Gestaltungen de lege lata a) Zugewinngemeinschaft § 1408 Abs. 1 BGB eröffnet entsprechend dem Prinzip der Privatautonomie die Möglichkeit, dass die Ehegatten ihre güterrechtlichen Verhältnisse durch Ehevertrag regeln, insbesondere auch nach Eheschluss den Güterstand aufheben oder modifizieren. Bis in die jüngere Zeit hinein sind Rechtsprechung und Literatur relativ einhellig davon ausgegangen, dass auch im Ehevertragsrecht weitestgehende Gestaltungsfreiheit besteht.12 Das war insbesondere deshalb plausibel, weil die Eingehung der Ehe und/oder ________________________ 10 AcP 200 (2000), 603. 11 Vgl. aber Reuter, Privatrechtliche Schranken der Perpetuierung von Unternehmen, 1973, S. 103 ff.; auch Großfeld, Aktiengesellschaft, Unternehmenskonzentration und Kleinaktionär, 1968, S. 34 ff., 85 ff. 12 Zur Entwicklung Kesseler, ZEV 2008, 27.
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ehevertragliche Vereinbarungen außerhalb zwingenden Rechts der freien Willensentschließung unterliegen. Mittlerweile hat aber auch hier eine „Veröffentlichrechtlichung“ eingesetzt, die durch das BVerfG veranlasst und von der Rechtsprechung des BGH fortgesetzt worden ist.13 Aufgrund dessen sind die Schranken der Vertragsfreiheit im ehelichen Güterrecht Gegenstand zahlreicher Judikate und einer breiten Erörterung im Schrifttum. Es ist danach zu unterscheiden, ob es sich um Vereinbarungen bezüglich des Scheidungsfolgerechts, um Regelungen über den Versorgungsausgleich oder um allgemeine Regelungen der güterrechtlichen Verhältnisse geht. Maßstab der Rechtsprechung, also der Wirksamkeitskontrolle durch die Rechtsprechung, ist letztlich § 138 BGB. Dabei wird wiederum danach unterschieden, ob die ehevertragliche Vereinbarung zum Zeitpunkt ihres Abschlusses oder in der Folgezeit zu Ungleichgewichtslagen führt.14 Eher unproblematisch ist der Übergang von der Zugewinngemeinschaft zur Gütertrennung. Allerdings ist hier nochmals auf § 1931 Abs. 4 BGB mit seinen Querverbindungen zum Pflichtteilsrecht zu verweisen. Nicht außer Acht gelassen werden darf auch die Wohltat des § 5 ErbStG. Wer sich für die Gütertrennung entscheidet, verliert die zusätzlichen Freibetragsregelungen im Erbschaftsteuerrecht. In der Praxis ist weitgehend die sogenannte modifizierte Zugewinngemeinschaft anzutreffen. Hauptspielarten der modifizierten Zugewinngemeinschaft sind der Ausschluss des Zugewinns bei Scheidung bzw. die Modifizierung der Zugewinnberechnung in der Art und Weise, dass bestimmte Vermögensteile, speziell unternehmerisches Vermögen, außer Ansatz bleiben. Handelt es sich um eine modifizierte Zugewinngemeinschaft, dann bleibt es auch bei den Privilegien des § 5 ErbStG. Aus allem ergibt sich schon an dieser Stelle folgender grundlegender Ratschlag: Existiert kein Pflichtteilsverzicht (vgl. § 2346 BGB), dann ist die Gütertrennung nur dann ratsam, wenn keine Erhöhung des gesetzlichen Erbteils über § 1931 Abs. 4 BGB mit Auswirkungen auf den Pflichtteil stattfindet. b) Pflichtteil aa) BGB Sowohl die Gefahren durch einen geltend gemachten Pflichtteilsanspruch als auch die mittelbaren Auswirkungen der Zugewinngemeinschaft auf das Pflichtteilsrecht lassen sich vermeiden, wenn es im Ergebnis zu einem Pflichtteilsverzicht des Pflichtteilsberechtigen kommt. Dabei ist die Rechtslage nach BGB eher unübersichtlich. Angesprochen wird der Pflichtteilsverzicht zunächst in § 2346 Abs. 1 S. 2 BGB, und zwar als Annex zum Erbverzicht. Der Abschluss des Erbverzichtsvertrages bewirkt unmittelbar den Ausschluss des Verzichtenden von der gesetzlichen Erbfolge. Damit wird fingiert, dass er den Erbfall nicht mehr erlebt. Von daher gesehen ist es konsequent, dass auch der Pflichtteilsanspruch nicht mehr entstehen kann. Handelt es sich um einen Pflichtteilsverzicht als Konsequenz des Erbverzichts, dann ist § 2310 S. 2 BGB zu beachten. Ist im nachfolgenden Erbfall überhaupt noch eine Per-
________________________
13 BVerfG vom 6.2.2001, NJW 2001, 957; vom 29.3.2001, NJW 2001, 2248; BGH vom 11.2.2004, NJW 2004, 930; näher Brudermüller, in: Palandt, BGB, § 1408 Rn. 7 ff. 14 Kesseler, ZEV 2008, 27 (28).
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son pflichtteilsberechtigt, dann wird der vorher Pflichtteilsverzichtende bei der Berechnung des Pflichtteilsrechts/der Pflichtteilsquote anderer Pflichtteilsberechtigter nicht mitgezählt. Materiell kommt es also zu einer Erhöhung der Pflichtteilsquoten anderer Pflichtteilsberechtigter, so dass insbesondere im Zusammenhang mit den Gefahren für unternehmerisches Vermögen eine Gestaltung entsprechend § 2346 Abs. 1 BGB wenig hilfreich ist. Die überraschende und unangenehme Rechtsfolge, die sich aus § 2310 S. 2 BGB ergibt, lässt sich aus der Entstehungsgeschichte der Norm erklären.15 Unter Hinweis auf die schon im 18. Jahrhundert weitverbreitete Praxis, dass Erbverzichte mit lebzeitigen Zuwendungen des potentiellen Erblassers einhergehen, hat sich der BGB-Gesetzgeber dazu entschlossen, gleichsam als Kompensation für die lebzeitige Vermögensschmälerung die Pflichtteilsquoten der verbleibenden Pflichtteilsberechtigten zu erhöhen. Für die Praxis ist daher allein zu einem isolierten Pflichtteilsverzicht nach § 2346 Abs. 2 BGB zu raten, der nicht in den Anwendungsbereich des § 2310 S. 2 BGB führt. § 2346 Abs. 2 BGB führt zwar dazu, dass der Pflichtteilsanspruch des (isoliert) Verzichtenden nicht entsteht, doch bleibt die gesetzliche Erbfolge unberührt, so dass der Verzichtende Erbe wird, wenn denn der Erblasser nicht anderweitig testiert. Umstritten, für die Zukunft aber auf jeden Fall zu beachten, sind die Probleme, die sich aus einer möglichen Inhaltskontrolle auch bei Erbverzichten und Pflichtteilsverzichten ergeben.16 Die im Familienrecht durch das BVerfG und den BGH entwickelte zweistufige Inhaltskontrolle (Wirksamkeitskontrolle und Ausübungskontrolle) wird neuerdings auch auf Erbverzichte und Pflichtteilsverzichte übertragen. Eine Rechtsprechungsprognose ist derzeit unsicher, doch sollte für die Praxis geraten werden, dass gerade beim isolierten Pflichtteilsverzicht des § 2346 Abs. 2 BGB in der Urkunde die Motivlage der Beteiligten mit aufgenommen wird.17 bb) Gesellschaftsrecht Zu Lebzeiten übertragenes Vermögen wird „pflichtteilsimmun“, wenn es sich um eine vorweggenommene Erbfolge mindestens 10 Jahre vor dem Erbfall handelt. Würden also außerhalb dieser Frist unternehmerische Beteiligungen übertragen, dann kommt eine Pflichtteilsergänzung nach § 2325 BGB nicht in Betracht. Zu berücksichtigen ist aber, dass die Rechtsprechung des BGH zur Fristberechnung nach § 2325 Abs. 3 BGB außerordentlich pflichtteilsfreundlich ist. Der Fristlauf soll erst beginnen, wenn der zukünftige Erblasser einen Zustand geschaffen hat, dessen Folgen er selbst noch 10 Jahre lang zu tragen hat.18 Aufgrund dessen soll es bei Grundstücksschenkungen für den Fristbeginn auf den Zeitpunkt der Umschreibung im Grundbuch ankommen,19 und bei Schenkungen unter Nießbrauchsvorbehalt soll die Frist des § 2325 Abs. 3 BGB nicht in Gang gesetzt werden.20 ________________________ 15 16 17 18 19 20
18
Prot. V, 611 ff.; vgl. auch OLG Hamm vom 18.5.1999, NJW 1999, 3643. Reimann/Bengel, Testament und Erbvertrag, 5. Aufl. 2006, S. 73; Wendt, ZNotP 2006, 1. So Reimann/Bengel, a. a. O. BGH vom 17.9.1986, BGHZ 98, 226. BGH vom 2.12.1987, NJW 1988, 821. BGH vom 27.4.1994, BGHZ 125, 395.
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(1) Personengesellschaften War der Erblasser Personengesellschafter, dann ist nach dem gesetzlichen Regelstatut des Personengesellschaftsrechts bzw. aufgrund der konkreten gesellschaftsvertraglichen Klausel zu klären, was überhaupt in den Nachlass fällt: Geht es um den Gesellschafter einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts, dann führt der Tod nach dem Regelstatut der §§ 705 ff. BGB zur Auflösung der Gesellschaft, wenn denn keine Fortsetzungsklausel oder Nachfolgeklausel existiert. Nachlassbestandteil ist dann das Auseinandersetzungsguthaben. Soll die Gesellschaft unter den verbleibenden Gesellschaftern mit einer technischen Fortsetzungsklausel fortgeführt werden, dann rücken die Erben zwar nicht in die Gesellschafterstellung ein, jedoch erhalten sie im Gegenzug den vollen Abfindungsanspruch. Zwar kann dieser nach ganz überwiegender Meinung für den Todesfall ausgeschlossen werden,21 doch ist mehr als umstritten, ob diese Regelung auch zu Lasten des Pflichtteilsberechtigten geht.22 In der Tat kann man darüber streiten, ob nicht der wirtschaftliche Sinn derartiger gesellschaftsrechtlicher Vereinbarungen dem inneren Grund für das Pflichtteilsrecht und für die Pflichtteilsergänzung zuwiderläuft. Wer dies bejaht, muss die Abfindungsbeschränkungen an § 2325 BGB messen und dem Pflichtteilsberechtigten einen Anspruch inklusive des Verkehrswerts der unternehmerischen Beteiligung gewähren. Orientiert man sich an der parallelen Situation zum Zugewinnausgleich, dann könnte der volle Wert maßgebend sein.23 Jedenfalls die Idee des § 2311 Abs. 2 S. 2 BGB scheint dafür zu sprechen, dass Abfindungsvereinbarungen nicht zu Lasten des Pflichtteilsberechtigten gehen dürfen. Andererseits ist darauf aufmerksam zu machen, dass es ungereimt erscheint, dass sich der Pflichtteilsberechtigte wertmäßig besser stellen soll als der Erbe, der seinerseits durch eine gesellschaftsvertragliche Abfindungsvereinbarung beschränkt ist. Aber selbst dann, wenn man die Abfindungsvereinbarung auf den Pflichtteilsanspruch ausdehnt, muss immer noch die Problematik der Pflichtteilsergänzung (§ 2325 BGB) gelöst werden, wenn denn die Fortsetzungsvereinbarung mit Abfindungsausschluss als Schenkung qualifiziert werden könnte. Dies wird von der h. M. im Regelfall verneint, weil die Klauselvereinbarung nicht als Schenkung, vielmehr als aleatorisches Rechtsgeschäft eingestuft wird.24 Sieht man im Abfindungsausschluss bei personengesellschaftsrechtlichen Fortsetzungskonstellationen – Entsprechendes gilt nach dem Regelstatut der §§ 131 Abs. 3 Nr. 1, 161 Abs. 2 HGB auch für persönlich haftende Gesellschafter einer OHG oder KG – keine Schenkung, die Pflichtteilsergänzungsansprüche auslöst, dann ist an folgende Gestaltung zu denken:25 Die Gesellschafter einer Personengesellschaft nehmen eine Stiftung in die Personengesellschaft auf und vereinbaren, dass die natürlichen Personen im Todesfall ohne Abfin________________________ 21 BGH vom 14.7.1971, WM 1971, 1338; Deckert, NZG 1998, 43 (45). 22 Vgl. Crezelius, Unternehmenserbrecht, 1998, Rn. 100; Lange, in: MünchKomm, BGB, § 2325 Rn. 18 ff. 23 BGH vom 10.10.1979, BGHZ 75, 195. 24 BGH vom 26.3.1981, NJW 1981, 1956; K. Schmidt, in: Röthel (Hrsg.), Reformfragen des Pflichtteilsrechts, S. 37 (52 f.); Winkler, ZEV 2005, 89 (93). 25 K. Schmidt, a. a. O.
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dung ausscheiden. Dann wächst der Stiftung in der Folgezeit das Gesellschaftsvermögen qua Anwachsung an.26 War der Erblasser Kommanditist, dann fällt sein Anteil nach § 177 HGB in den Nachlass. Wird die Vererblichkeit ausgeschlossen, dann kommt es – wie in den Fortsetzungskonstellationen – wiederum zur Anwachsung auf die verbleibenden Gesellschafter. Bei einfachen und qualifizierten Nachfolgeklauseln kommt es aufgrund der einschlägigen Rechtsprechung des BGH27 zur Sondernachfolge in den Gesellschaftsanteilen. Die personengesellschaftsrechtliche Beteiligung geht mit dem Erbfall auf den oder die Erben über. Trotzdem zählt der Anteil unabhängig davon zum pflichtteilsrelevanten Nachlass. (2) Kapitalgesellschaften Anteile an Kapitalgesellschaften (AG, GmbH) sind zwingend vererblich, und zwar unabhängig davon, ob die konkrete Satzung Einziehungsregeln mit oder ohne Entgelt vorsieht. Infolgedessen kann der Pflichtteilsberechtigte bei der Berechnung des Pflichtteilsanspruchs auf die kapitalgesellschaftsrechtliche Beteiligung wertmäßig zugreifen.28 Kommt es zu einer Beschränkung des Einziehungsentgelts, dann ergibt sich eine parallele Situation wie bei den Personengesellschaften, jedenfalls dann, wenn der Zweck der Abfindungsregelung der Erhalt des Gesellschaftsvermögens einer personalistisch strukturierten Kapitalgesellschaft ist.29 (3) Pflichtteilsergänzung Die Pflichtteilsergänzungsregeln der §§ 2325 ff. BGB wollen verhindern, dass der potentielle Erblasser durch lebzeitige Rechtsgeschäfte den Pflichtteilsanspruch aushöhlt.30 Gesetzgebungstechnisch handelt es sich um einen kodifizierten, typisierenden Umgehungsfall, wodurch verhindert werden soll, dass das Substrat des künftigen Pflichtteilsanspruchs am Nachlass vorbeigesteuert wird. Dabei ist allerdings auffällig, dass trotz dieser weiten Regelungsidee der Pflichtteilsergänzung der Wortlaut des Gesetzes (§ 2325 Abs. 1 BGB) nicht gegen unentgeltliche oder teilunentgeltliche Rechtsgeschäfte schützt, vielmehr nur Schenkungen des § 516 BGB erfasst, allerdings mit Ausnahme der Anstandsschenkungen (§ 2330 BGB). Dass die Regelungsidee des § 2325 BGB relativ weit geht, zeigt sich darin, dass es anders als bei §§ 2287 f. BGB nicht auf eine Benachteiligungsabsicht ankommt, und der Pflichtteilsergänzungsanspruch ist auch nicht auf übermäßige Schenkungen oder auf Schenkungen aus dem Stammvermögen des Erblasservermögens beschränkt.31 Obwohl § 2325 Abs. 1 BGB nur lebzeitige Schenkungen des § 516 BGB mit der Konsequenz der Pflichtteilsergänzung sanktioniert, zeigt die einschlägige Rechtsprechung zu § 2325 BGB – und zwar schon seit den Zeiten des RG –, dass im Grundsatz pflichtteilsfreundlich entschieden wird. Hinzuweisen ist beispielsweise auf die Fallkonstella________________________ 26 27 28 29 30 31
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Zweifel bei K. Schmidt, a. a. O. BGH vom 10.2.1977, BGHZ 68, 225. Vgl. BGH vom 16.12.1991, BGHZ 116, 359. BGH vom 20.12.1976, GmbHR 1977, 81; Crezelius, Unternehmenserbrecht, Rn. 326. Statt aller Ebenroth, Erbrecht, 1992, Rn. 971; Lange, in: MünchKomm, BGB, § 2325 Rn. 1. Vgl. Mot. V, 450 f.; Prot. V, 581 f.
III. Schutz von Unternehmen gegen Zerschlagung durch Pflichtteil oder Zugewinn
tion der unbenannten/ehebedingten Zuwendungen unter Ehegatten. Während derartige Rechtsgeschäfte im Grundsatz als besonderes Rechtsgeschäft familienrechtlicher Art qualifiziert werden, soll die unbenannte Zuwendung im Rahmen des § 2325 BGB wie eine Schenkung behandelt werden, wenn sie denn nur objektiv unentgeltlich ist. Auch auf die subjektiven Vorstellungen der Parteien soll es nicht ankommen.32 Damit soll offenbar sichergestellt werden, dass der Pflichtteilsergänzungsanspruch nicht mit dogmatischen Figuren außerhalb des Erbrechts konterkariert wird. In der Sache zeigt sich hier nochmals der personalistische Charakter des Pflichtteilsrechts, weil es letztlich um die Schutzinteressen von Vertragserben oder Pflichtteilsberechtigten geht.33 Handelt es sich um die Zuwendung an eine Stiftung unter Lebenden, dann ist eine direkte Anwendung des § 2325 BGB nicht möglich, weil das Stiftungsgeschäft keinen Vertragscharakter hat und daher nicht unter den konsensualen Schenkungsbegriff subsumiert werden kann. Gleichwohl hat der BGH im Fall „Dresdner Frauenkirche“ selbst die Spende an eine gemeinnützige Organisation/Stiftung als unentgeltliche Zuwendung/Schenkung im Rahmen der Pflichtteilsergänzung eingestuft.34 Obwohl eine gemeinnützige Stiftung satzungsmäßig und steuerrechtlich verpflichtet ist, ihre Mittel für fremdnützige/gemeinnützige Zwecke zu verwenden, meint der BGH, dass § 2325 BGB bei Spenden an gemeinnützige Stiftungen und für Ausstattungen einer Stiftung gelten muss. Es soll sich um unentgeltliche Zuwendungen handeln, die nach der inneren Idee der Pflichtteilsergänzung aus der Sicht der geschützten Anspruchsberechtigten nicht anders behandelt werden können als Schenkungen im streng dogmatischen Sinn. Im Ergebnis führt die pflichtteilsfreundliche Rechtsprechung des BGH dazu, dass die Pflichtteilsergänzungsregeln von vielen als störend empfunden werden. Vor diesem Hintergrund sind Ratschläge zu verstehen, beispielsweise durch einen Wechsel der Staatsangehörigkeit das Erbstatut zu ändern und damit das deutsche Pflichtteilsrecht zu vermeiden, wenn denn die neue Rechtsordnung keine Pflichtteilsregeln kennt. Gedacht werden könnte auch an die Ausnutzung der Regeln des internationalen Privatrechts, an Vermögensverlagerungen und Investitionen in Immobilien in pflichtteilsfreie Rechtsordnungen. Zutreffend wird allerdings darauf hingewiesen, dass es sich dabei „buchstäblich um Borderline-Gestaltungen“ handelt.35
4. Möglichkeiten de lege ferenda a) Erbrechtsreform Im Zusammenhang mit der aktuellen Erbrechtsreform ist zunächst auf die Entscheidung des BVerfG vom 19.4.200536 zu verweisen, mit der die Normen über das Pflichtteilsrecht als verfassungskonform bezeichnet werden. Das BVerfG sieht durch Art. 6 ________________________ 32 Z. B. BGH vom 27.11.1999, BGHZ 116, 167; OLG Koblenz vom 17.10.2001, NJW-RR 2002, 512; Lange, in: MünchKomm, BGB, § 2325 Rn. 15. 33 Einzelheiten bei Lange, in: MünchKomm, BGB, a. a. O., m. N. in Fn. 69. 34 BGH vom 10.12.2003, NJW 2004, 1382; dazu Hüttemann/Rawert, in: Röthel (Hrsg.), Reformfragen des Pflichtteilsrechts, S. 73 (75); Otte, JZ 2004, 973; Schiffer, NJW 2004, 1565; grundlegend schon Rawert/Katschinski, ZEV 1996, 161. 35 Treffend Hüttemann/Rawert, a. a. O., S. 77. 36 BVerfGE 112, 332.
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1. Teil: Unternehmens- und Vermögensübergang im Erbfall
Abs. 1, 14 Abs. 1 GG die grundsätzlich unentziehbare und bedarfsunabhängige wirtschaftliche Mindestbeteiligung der Kinder des Erblassers am Nachlass gewährleistet. Damit dürfte das Pflichtteilsrecht im Grundsatz institutionell verbürgt sein. Eine andere Frage ist es, ob das geltende Pflichtteilsrecht, insbesondere vor dem Hintergrund der möglichen Zerschlagung unternehmerischen Vermögens und damit der Gefährdung von Arbeitsplätzen, abgemildert werden kann. In der Tat sieht § 2325 Abs. 3 BGB-E vor, dass in Zukunft für die Pflichtteilsergänzung die Schenkung innerhalb des ersten Jahres vor dem Erbfall in vollem Umfang, innerhalb jeden weiteren Jahres vor dem Erbfall jeweils um 1/10 geringer berücksichtigt wird. Es kommt also zu einer Abschmelzungsregelung. Je länger die Schenkung zurückliegt, desto weniger spricht dafür, dass die Schenkung erfolgt, um Pflichtteilsansprüche zu minimieren. Dem kann zugestimmt werden, denn wenn § 2325 BGB als kodifizierter Missbrauchsfall begriffen wird, dann verflüchtigt sich der Missbrauchsvorwurf mit zunehmendem Zeitablauf ab der lebzeitigen Zuwendung. Für das zukünftige Recht ist allerdings darauf hinzuweisen, dass bei Schenkungen an Ehegatten die Pflichtteilsergänzungspflicht erst mit Auflösung der Ehe beginnen soll. b) Gewerbliche Unternehmen Für vererbte Unternehmen bzw. unternehmerische Beteiligungen ist zunächst auf eine rechtssystematische Inkonsequenz hinzuweisen. Während nämlich der Erbschaftsteuergesetzgeber der Auffassung ist, dass unternehmerisches Vermögen – in welcher Form auch immer – zu privilegieren ist (§ 13a ErbStG; §§ 13a, 13b ErbStG-E), wird dieses unternehmerische Vermögen durch den Pflichtteilsgeldanspruch unter Liquiditätsdruck gesetzt. Nicht ganz konsequent erscheint es auch, dass aufgrund der Handelsrechtsreform des Jahres 1998 beim Tod eines persönlich haftenden Gesellschafters dem Unternehmenserhalt Vorrang vor der Fortsetzung mit den Erben gegeben worden ist, aber im Gegenzug ein Abfindungsanspruch nach Verkehrswerten geleistet werden muss.37 Nicht überzeugend scheint es – wie schon ausgeführt –, dass das Pflichtteilsrecht in seiner gegenwärtigen Ausgestaltung mit dem Geldanspruch nach Verkehrswerten ordnungspolitisch gerechtfertigt wird, und zwar insbesondere mit dem Argument, Vermögensakkumulationen und Institutionalisierungen privater Unternehmen zu verhindern.38 Zwar mag man auch gegenwärtig noch auf die demokratietheoretische Gefahrenlage hinweisen, die sich aus der Möglichkeit der Umsetzung wirtschaftlicher Macht in politische Macht ergeben kann, doch ist es mehr als zweifelhaft, ob das Erbrecht das geeignete Medium ist, derartige grundlegende gesellschaftspolitische Probleme zu lösen.39 Im Übrigen scheint es mir im Gegenteil so zu liegen, dass die mögliche Perpetuierung des Unternehmensvermögens mit geeigneten Nachfolgern ein erstrebenswertes Ziel ist, um den deutschen Mittelstand zu erhalten. Es geht regelmäßig um in der Rechtsform der OHG, der KG oder der GmbH konstituierte personalistisch geprägte Unternehmen, bei denen sich das Vermögensakkumulationsproblem konkret nicht stellen dürfte. Man muss sich vor Augen führen, dass das immer wieder erörterte Perpetuierungsproblem letztlich ein Problem wirtschaftlicher Macht darstellen soll. Dabei ist ________________________ 37 Kritisch K. Schmidt, in: Röthel (Hrsg.), Reformfragen des Pflichtteilsrechts, S. 37 (44 f.). 38 So neuerdings wieder Beckert, in: Röthel (Hrsg.), Reformfragen des Pflichtteilsrechts, S. 1 (10). 39 So auch Beckert, a. a. O., S. 10.
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es aber mehr als zweifelhaft, ob dieser Gesichtspunkt bei privat geführten und vererbten unternehmerischen Beteiligungen sinnvoll ist. Es darf nicht verkannt werden, dass sich die wirtschaftliche Machtkonzentration in erster Linie in der Rechtsform der anonymen und börsennotierten Kapitalgesellschaft abspielt. Vor diesem Hintergrund sind das Erbrecht im Allgemeinen und das Pflichtteilsrecht im Besonderen untaugliche Mittel zur Verhinderung von Vermögenszusammenballungen. Da es nach Auffassung des BGB-Gesetzgebers auch im Rahmen der laufenden Erbrechtsreform im Grundsatz beim Pflichtteilsrecht bleiben soll und weil dies auch der Rechtsprechung des BVerfG entspricht, ist nach Möglichkeiten zu suchen, unabhängig von privatautonomen Gestaltungen die Liquiditätsgefahren und/oder Zerschlagungsgefahren durch die Geltendmachung von Pflichtteilsansprüchen abzumildern. K. Schmidt40 hat neuerdings den Vorschlag gemacht, § 2307 BGB so zu ergänzen, dass der Pflichtteilsberechtigte als Surrogat zuzulassen hat, dass ihm beispielsweise eine Unterbeteiligung mit Abfindungsmöglichkeit eingeräumt wird. Der Vorschlag ist aus der Sicht des zu schützenden Unternehmens sinnvoll, weil das Einrücken des Pflichtteilsberechtigten in eine Innengesellschaft den Vorteil hat, dass er nicht besser steht als der an dem Unternehmen unmittelbar beteiligte Erbe. Andererseits ist dies eine typisch unternehmensrechtliche Betrachtungsweise, die möglicherweise der Lebenswirklichkeit nicht gerecht wird. Zu bedenken ist nämlich, dass jedwedes Dauerverhältnis den Pflichtteilsberechtigten, der eben nicht Erbe geworden ist, mit den Erben verbindet. Dass dies streitträchtig sein dürfte, liegt auf der Hand. c) Gemeinnütziges Vermögen Schon vor der Entscheidung des BGH im Fall „Dresdner Frauenkirche“41 ist gefordert worden, Zuwendungen an eine gemeinnützige Stiftung aus dem Anwendungsbereich des Pflichtteilsrechts, insbesondere des Pflichtteilsergänzungsrechts herauszunehmen. Nach der BGH-Entscheidung hat sich die Diskussion intensiviert.42 Allerdings muss sich auch der Zivilrechtsgesetzgeber an der Entscheidung des BVerfG orientieren, die das Pflichtteilsrecht im Kern festschreibt.43 Trotzdem wird man die Entscheidung des BVerfG so verstehen müssen, dass der Gesetzgeber einerseits das Pflichtteilsrecht nicht ersatzlos abschaffen kann, dass es aber andererseits an den konkreten Bedürfnissen der Berechtigten zu messen ist.44 Nach allem dürfte Raum für Gemeinwohlinteressen bleiben, doch muss auf einer ersten Ebene geklärt werden, welche Zwecke auch im Rahmen des Normensystems des Pflichtteilsrechts privilegiert werden sollen. Dabei dürfte der Kreis der von den Gemeinnützigkeitsregeln der §§ 52 ff. AO beschriebenen Zwecke zu weit sein. Der derzeitige Katalog der steuerrechtlich privilegierten Sachverhalte „umfasst alles, was das gute Herz eines potentiellen Erblassers zu bewegen vermag“.45 Zu entscheiden ist wei________________________ 40 In: Röthel (Hrsg.), Reformfragen des Pflichtteilsrechts, S. 37 (47 f., 53 f.). 41 BGH vom 10.12.2003, NJW 2004, 1382. 42 Darstellung des Meinungsstandes bei Hüttemann/Rawert, in: Röthel (Hrsg.), Reformfragen des Pflichtteilsrechts, S. 73 (74 ff.). 43 BVerfG vom 19.4.2005, BVerfGE 112, 332. 44 Gaier, ZEV 2006, 2. 45 Hüttemann/Rawert, a. a. O., S. 81.
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ter, ob der Kreis der begünstigten Ziele auslandsoffen ist, wie es der vom BFH bestätigten Rechtsprechung des EuGH entspricht.46 Die entscheidende zivilrechtsdogmatische Frage ist es, wie die Privilegierung gemeinnützigen Vermögens im Vergleich zu den Pflichtteilsberechtigten vorzunehmen ist. Anders formuliert: Inwieweit können subjektive Berechtigungen der Pflichtteilsberechtigten durch objektive am Gemeinwohl orientierte Interessen zurückgedrängt werden? Eine sinnvolle Möglichkeit könnte darin bestehen, dass das Pflichtteilsrecht von jeher nur die Hälfte des Erblasservermögens tangiert. Damit ist die andere Hälfte des Nachlasses frei, so dass es nicht fern liegt, eine weitere Quote für die Verfolgung noch zu definierender gemeinwohlorientierter Zwecke zur Verfügung zu stellen. Schließlich sollte überlegt werden, wie der Kreis der privilegierten Rechtsträger abzugrenzen ist. Üblicherweise denkt man in diesem Zusammenhang zwar an (gemeinnützige) Stiftungen, doch kommen auch andere Rechtsformen des Privatrechts und des öffentlichen Rechts in Betracht.
5. Schlussbemerkung Für die zukünftige Diskussion muss nach allem eine Abwägung zwischen familienrechtlichen Berechtigungen einerseits und Unternehmens- und Gemeinwohlinteressen andererseits geleistet werden. Dabei wird es zu einer Grundsatzentscheidung kommen müssen, ob letztere Begriffe gleichgesetzt werden können.47 Diese Grundsatzentscheidung sollte nicht leichtfertig getroffen werden. Zwar zeigt insbesondere das gegenwärtige und zukünftige Erbschaftsteuerrecht, dass offenbar ein gewisser Konsens dahingehend besteht, dass Unternehmensvermögen schützenswert ist, weil es dem Gemeinwohl dient und den Gemeinwohlinteressen verpflichtet ist, doch darf dabei nicht außer Acht gelassen werden, dass eine gemeinwohlorientierte Betrachtungsweise von Unternehmen auch eine Kehrseite hat: Je stärker die Gemeinwohlgebundenheit unternehmerischen Vermögens akzentuiert wird, desto größer ist die Gefahr, dass das Eigentumsband zum Unternehmensträger gelöst wird.
________________________ 46 EuGH vom 14.3.2006, IStR 2006, 675 („Walter Stauffer“). 47 Dazu schon Rathenau, Von kommenden Dingen, 1917.
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IV. Erbschaftsteuer zwischen verfassungsrechtlichem Unternehmensschutz und Gleichheitsgeboten Vizepräsident des BFH Hermann-Ulrich Viskorf Meine sehr verehrten Damen, meine Herren! Die gegenwärtige steuerpolitische Diskussion über die Neuregelung der Erbschaftsteuer ist fast ausschließlich auf die Frage fokussiert, wie unternehmerisches Vermögen erbschaftsteuerrechtlich zu behandeln, insbesondere zu verschonen ist und welcher Preis dafür in Form von Betriebsfortführungspflichten entrichtet werden muss. Dabei geht die Politik wie selbstverständlich davon aus, dass es verfassungsrechtlich völlig unbedenklich sei, unternehmerisches Vermögen bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen auch ganz steuerfrei zu stellen und im Gegenzug zur Sicherung des Steueraufkommens andere Erwerber umso höher zu belasten. Immer wieder wird in diesem Zusammenhang auch die Auffassung vertreten, die völlige Freistellung des Betriebsvermögens entspreche nicht nur der gesetzgeberischen Freiheit, sondern es bestehe auch verfassungsrechtlich ein den Gesetzgeber bindendes Gebot, Unternehmen vor der Erbschaftsteuer zu schützen. Deshalb möchte ich mich zunächst der Frage zuwenden: Gibt es ein solches verfassungsrechtliches Gebot? Die Verfechter dieser These berufen sich hierzu in erster Linie auf den ErbSt-Beschluss des BVerfG vom 22. Juni 1995. Hierin führt der II. Senat des BVerfG u. a. aus, der Gesetzgeber müsse die Erbschaftsteuerlast so bemessen, dass die Fortführung des Betriebes nicht gefährdet werde. Als verfassungsrechtlicher Anknüpfungspunkt wird vom BVerfG überraschender Weise der Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG genannt. Dieser erfordere, die verminderte Leistungsfähigkeit bei den Erben von Betriebsvermögen zu berücksichtigen. Besondere Belastungen entstünden durch Gemeinwohlgebundenheit und -verpflichtung der Betriebe; sie unterlägen als Garant von Produktivität und Arbeitsplätzen, insbesondere durch soziale und rechtliche Verpflichtungen und durch die langfristigen Investitionen einer gesteigerten rechtlichen Bindung. Die durch die Erbschaftsteuer erfasste finanzielle Leistungsfähigkeit des Unternehmenserben entspreche nicht voll seinem durch den Erbfall erworbenen Vermögenszuwachs. Soweit das BVerfG zum Ausdruck bringt, der Gesetzgeber müsse die Besonderheiten des Betriebsvermögens, insbesondere die mit der Übernahme und Fortführung des Betriebs verbundenen Risiken bei der Besteuerung berücksichtigen, habe ich keine Probleme. Denn Art. 3 GG verlangt nicht nur Gleiches gleich zu behandeln, sondern gebietet auch Ungleiches entsprechend differenziert zu regeln. Bei der Erbschaftsteuer als einer am Vermögens- und Leistungsfähigkeitszuwachs anknüpfenden Steuer ist es deshalb generell geboten, auch alle wert- und leistungsfähigkeitsvermindernden Faktoren zu berücksichtigen. Das ist aber zunächst eine Aufgabe, die auf der Ebene der Bewertung zu lösen ist, und keine Frage einer Steuerverschonungsregelung. Der Gesetzgeber muss bei der Bewertung von Betriebsvermögen alle Chancen aber auch alle Risiken und Belastungen berücksichtigen. Betriebsvermögen darf nicht mit einem Wert in die Steuerfestsetzung eingehen, der der Bereicherung des Erwerbers nicht voll entspricht. 25
1. Teil: Unternehmens- und Vermögensübergang im Erbfall
Es ist bedauerlich, dass der II. Senat des BVerfG in seinem Beschluss nicht weiter darauf eingeht, ob die damaligen und auch heute weitgehend noch geltenden Bewertungsregeln die angesprochenen Belastungen ausreichend berücksichtigen. Entscheidendes und Neues ergibt sich für diese Frage aber aus dem jüngsten Beschluss des I. Senats des BVerfG vom 7.11.2006, der bemerkenswerterweise den Beschluss von 1995 nicht nur in dieser Frage mit keinem Wort oder Zitat erwähnt. Hierin fordert das BVerfG aus Gründen der System- und Folgerichtigkeit nicht nur eine strikte Trennung von Bewertungs- und Verschonungsregeln, sondern auch die durchgehende Bewertung aller wirtschaftlichen Einheiten oder Wirtschaftsgüter mit dem gemeinen Wert im Sinne des § 9 Abs. 2 BewG, weil nur dieser den durch den Substanzerwerb vermittelten Zuwachs an Leistungsfähigkeit zutreffend abbilde. Soweit es der II. Senat des BVerfG in seiner Entscheidung von 1995 noch für möglich gehalten hat oder gar gefordert haben sollte, wegen der „Besonderheiten“ beim Betriebsvermögen Verschonungsregelungen vorzusehen, widerspricht dem der I. Senat des BVerfG in klarer Deutlichkeit. „Besonderheiten“ einzelner Vermögensarten, wie z. B. die geringe Fungibilität oder öffentliche oder soziale Lasten bilden sich bereits im gemeinen Wert ab und rechtfertigen keine zusätzliche Steuerverschonung. Danach scheiden Belastungen und Risiken, die mit dem Erwerb und der Fortführung betrieblichen Vermögens verbunden sind, als Rechtfertigung für Verschonungsregelungen generell aus, weil diese sich bereits im gemeinen Wert abbilden. Ein Investor, der die Wahl hat, sein Geld in Grundvermögen, Betriebsvermögen oder Finanztiteln anzulegen, wird bei seiner Investitionsentscheidung alle Chancen, aber auch alle Risiken, die sich mit der konkreten Anlageform verbinden, berücksichtigen. Legt er sein Geld in Betriebsvermögen an, wird er bei der Preisbildung nicht nur die Substanz und Ertragskraft in den Blick nehmen, sondern auch alle Risiken und sonstigen Bindungen, z. B. auch zu übernehmende Arbeitnehmerverhältnisse berücksichtigen. Derartige Umstände und Besonderheiten bilden sich regelmäßig in den Marktpreisen ab und scheiden deshalb als Rechtfertigung für Verschonungsregelungen generell aus. Soweit in dem jetzt vorliegenden Regierungsentwurf zur Begründung der Verschonungsregelungen für das Betriebsvermögen wiederum auf die „Besonderheiten“ dieser Vermögensart Bezug genommen wird, halte ich dies für nicht unproblematisch. Gibt es demnach kein verfassungsrechtliches Gebot, das die Verschonung von Betriebsvermögen erzwingt, ist nach sonstigen Rechtfertigungsgründen zu fragen. Hier bleibt m. E. nur das volkswirtschaftliche Interesse der Allgemeinheit, wirtschaftliche Einheiten des Betriebsvermögens nicht zu zerschlagen, ihr Fortbestehen zu sichern und Arbeitsplätze nicht zu gefährden, das entscheidende und vom II. Senat des BVerfG bereits genannte Argument. Die Frage ist jedoch, rechtfertigt dieser Gemeinwohlgrund die beabsichtigte flächendeckende und vollständige Befreiung des Betriebsvermögens von der Erbschaftsteuer. Dieser Rechtfertigungsgrund versagt jedenfalls dann und insoweit, wie sich die Erbschaftsteuer auf die Unternehmensfortführung überhaupt nicht auswirkt. Das ist z. B. der Fall, wenn der Steuerpflichtige, d. h. die von Todes wegen oder schenkweise bereicherte natürliche Person, ausreichendes Vermögen zur Bezahlung der Erbschaftsteuer, auch soweit sie auf das Betriebsvermögen entfällt, hat oder mit dem Betriebsvermögen gleichzeitig erwirbt. Auf dieser Überlegung beruht die bisherige Stun26
VI. Erbschaftsteuer zwischen verfassungsrechtlichem Unternehmensschutz und Gleichheitsgeboten
dungsregelung in § 28 ErbStG, die für die Frage, ob die Stundung zur Erhaltung des Betriebs erforderlich ist, nicht nur das BV, sondern das Vermögen des Erwerbers insgesamt berücksichtigt. Diese Regelung spielte bislang in der Praxis praktisch keine Rolle, u. z. in erster Linie deswegen, weil in der Regel genügend übriges Vermögen vorhanden ist, um die Erbschaftsteuer zu zahlen. Hierbei darf nicht ausgeblendet werden, dass die Erbschaftsteuer-Belastung nicht den Betrieb, also die unternehmerische Einheit als solche trifft, sondern allein die dahinterstehende natürliche Person. Muss diese als Folge einer Erbschaftsteuer-Belastung die unternehmerische Einheit verkaufen, bedeutet dies nicht notwendigerweise ihre Zerschlagung oder den Verlust von Arbeitsplätzen. Die Fortführung des Betriebs durch Abkömmlinge kann, muss aber objektiv nicht in jedem Fall die beste und dem Gemeinwohlinteresse am ehesten entsprechende Lösung sein. In diesem Zusammenhang ist auch darauf hinzuweisen, dass die Erbschaftsteuer eine klassische Substanzsteuer ist, die darauf abzielt, den Steuerfiskus am Erbe oder am Geschenk zu beteiligen. Dabei ist – soweit sonstiges Vermögen nicht vorhanden ist – regelmäßig hinzunehmen, dass die Steuer aus dem Erbe oder Geschenk entrichtet werden muss und den Erwerb entsprechend mindert. Die Steuer mutet es dem Erwerber im Zweifel auch zu, den Gegenstand der Zuwendung zu versilbern, um den Steueranspruch zu erfüllen. Die Härte, die im Zwang zur Veräußerung des Zuwendungsgegenstandes liegt, ist von der gesetzgeberischen Entscheidung intendiert. Der Gesetzgeber muss gute Gründe haben, den Erwerber betrieblichen Vermögens vor dieser im Gesetz angelegten und alle übrigen Erwerber treffenden Rechtsfolge zu bewahren. Jedenfalls ist festzuhalten, dass die von der Politik und den Verbänden vertretene These, die Erbschaftsteuer belaste und bedrohe Unternehmen, in dieser Allgemeinheit nicht stimmt. Der BFH hat bereits in seinem Vorlagebeschluss dieser These widersprochen, weil sie durch nichts zu belegen sei und den bisherigen Erfahrungen eindeutig widerspreche. Trotz erheblicher Erbschaftsteuer-Belastung gerade auch auf betriebliche Einheiten – der Anteil des Betriebsvermögens am Gesamtaufkommen der Erbschaftsteuer betrug bis 1995 unter Einbeziehung der im Privatvermögen gehaltenen Beteiligungswerte rd. 58 v. H. –, also trotz dieser erheblichen Wertabschöpfung, sind nach 1945 große Betriebs- und auch Privatvermögen in der Hand von Unternehmern entstanden. Gleichwohl sind bei der Finanzverwaltung in dieser Zeit nur wenige Ausnahmefälle bekannt geworden, in denen unter Hinweis auf eine Gefährdung der Betriebsfortführung Stundung oder Erlass beantragt wurden. Prof. Seer hat in „Steuer und Wirtschaft“ 2005, 353 ff. diesen Befund betriebswirtschaftlich untermauert und unter Hinweis auf die seit 1996 moderate Belastung betrieblichen Vermögens mit Erbschaftsteuer ausgeführt, dass es jedenfalls im zeitlichen Geltungsbereich der bisherigen Regelung den Betriebserben im Durchschnitt aller Fälle möglich gewesen sei, die Erbschaftsteuerschuld bereits im ersten Jahr aus dem laufenden Gewinn, d. h. ohne Minderung der Eigenkapitalbasis zu bezahlen. Übrigens betrug der Anteil des Betriebsvermögens am Gesamtaufkommen der Erbschaftsteuer 2002 nur noch ca. 8 v. H. Der Gesetzgeber hat unbestritten bei der Frage, ob eine Verschonungsregelung erforderlich ist, eine Einschätzungsprärogative; diese darf aber nicht offensichtlich den objektiven Befunden widersprechen. Der Gesetzgeber darf Betriebsvermögen nur dann flächendeckend von der Erbschaftsteuer befreien, wenn in der Lebenswirklichkeit 27
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durch die Erhebung der Erbschaftsteuer generell und im Regelfall die Betriebsfortführung tatsächlich gefährdet wird und in solchen Konstellationen der Verlust von Arbeitsplätzen typischerweise eintritt. Davon kann aber hier nicht gesprochen werden. Ein solcher Regelfall, dem durch völlige Verschonung abzuhelfen ist, liegt erkenn- und nachweisbar nicht vor. Der Gesetzgeber macht hier den Ausnahmefall zum Regelfall, anstatt dem Ausnahmefall durch eine großzügige Stundungs- und Ratenzahlungsregelung zu begegnen. Soweit durch die Verschonungsregelung auch ein Anreiz zum Erhalt von Arbeitsplätzen geschaffen werden soll, erscheint dies verfassungsrechtlich wohl nicht tragfähig. Denn es geht nicht um die Rechtfertigung einer allgemeinen Lenkungsnorm, sondern um die gleichheitsgerechte Ausgestaltung einer Eingriffsnorm, d. h. um die Frage, ob angesichts der steuerlichen Belastung der Erwerber von nicht produktivem Vermögen die Steuerentlastung der Erwerber von produktiven Vermögen zwingend erforderlich ist, um das Lenkungsziel „Arbeitsplatzsicherung“ zu erreichen. Die Erbschaft- und Schenkungsteuer ist jedenfalls als Mittel zur Beeinflussung des Arbeitsmarktes nicht erste Wahl; da gibt es wirksamere und unmittelbarer wirkende Steuerungsinstrumente. Auch liegt der erforderliche Sachzusammenhang zwischen Arbeitsplatzerhalt und Erbschaftsteuerentlastung nicht ohne Weiteres auf der Hand. Ein Gesetzgeber, der Betriebsvermögen von der Besteuerung vollständig ausnimmt, die übrigen Erwerber aber im Generationentakt mit Steuersätzen von bis zu 50 v. H. belastet, bewegt sich nach meiner Auffassung am Rande seiner Gestaltungsbefugnis oder hat sie vielleicht schon überschritten. Auf die ordnungs- und sozialpolitischen Langzeitwirkungen einer solchen Regelung möchte ich hier nur beiläufig hinweisen. Auch die Ausweitung der Verschonungsregelungen als solche ist verfassungsrechtlich nicht unbedenklich. Aus der Erbschaftsteuerstatistik 2002 ergibt sich nämlich, dass schon heute nicht einmal 8 v. H. der Nachlässe von der Erbschaftsteuer erfasst werden und nur rd. 12 % des nach Schätzungen jährlich übergehenden Geld-, Grundstücksund Betriebsvermögens der Besteuerung unterliegen. Von einer gleichmäßigen Erhebung der Steuer und von einer konsequenten Umsetzung der Belastungsentscheidung durch den Gesetzgeber kann schon nach jetziger Rechtslage nicht mehr gesprochen werden. Die Besteuerung ist vielmehr zur Ausnahme geworden. Es ist zu befürchten, dass sich durch die jetzt geplanten Änderungen diese verfassungsrechtlich bedenkliche Entwicklung noch einmal verstärkt. Ein Steuergesetzgeber, der davon ausgeht, dass dem überwiegenden Teil der durch Schenkung oder von Todes wegen Bereicherten selbst eine mäßige Steuerlast nicht zugemutet werden kann, und der hinzunehmen bereit ist, dass selbst Großvermögen, die bestimmten Vermögensarten zuzurechnen sind, ohne jede Steuerbelastung bleiben, sollte die Erbschaftsteuer in Deutschland ganz abschaffen. Ein Steuertorso, der sich nur auf wenige Steuerzahler erstreckt, die das „falsche“ Vermögen oder in einer ungünstigen Steuerklasse erben, hat in einem rechtsstaatlichen Steuersystem nichts zu suchen.
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V. Podiumsdiskussion mit den Referenten und Prof. Dr. Rudolf Mellinghoff (Richter am BVerfG), Prof. Dr. Detlev Piltz (Flick Gocke Schaumburg, Bonn), Prof. Dr. Wolfgang Schön (Max-Planck-Institut für Geistiges Eigentum, Wettbewerbs- und Steuerrecht) Diskussionsleitung: Dr. Andreas Richter, P+P Berlin
Dr. Andreas Richter Den Referenten einen ganz herzlichen Dank für die Beiträge. Soweit es im Rahmen von Referaten möglich ist, haben ja auch die Referenten schon die Diskussion aufgenommen. Ich möchte jetzt zunächst die drei Mitglieder auf dem Podium befragen, die sich noch nicht geäußert haben. Verehrte Damen und Herren, Sie haben es aus den Vorträgen ja schon mitgenommen, es ist natürlich eine Summe von Themen, die man hier behandeln kann, von steuerlichen über zivilrechtliche bis hin zu gesellschaftspolitischen und auch ökonomischen Fragen. Wir werden versuchen, im Rahmen dieser Diskussion das eine oder andere anzusprechen. Vielleicht zunächst die Frage an Herrn Professor Schön: Wenn man nochmal einen Schritt zurückgeht – Vermögen verdient oder unverdient –, dann haben wir bisher sehr stark über das ererbte Vermögen gesprochen, das wir in der Regel als unverdientes Vermögen verstehen. Das war historisch immer sehr umstritten. Die Erbschaftsteuer ist ideologisch besetzt, das wissen wir. Ihr Anteil am gesamten Steueraufkommen ist heute mit ca. 4 Milliarden nicht überragend. Kommt es für die heutige Steuerpolitik überhaupt auf die richtige Gesetzgebung im Bereich der Erbschaftsteuer an, oder sind für die richtigen ökonomischen Anreize im Gesamtsteuersystem nicht andere Steuerarten viel wichtiger? Diese große Diskussion, die wir auch jetzt wieder um die Erbschaftsteuer führen, wird sie nicht eher in die Ecke einer sehr stark von grundsätzlichen Fragen getriebenen Diskussion vis-à-vis der Themen gestellt, die vielleicht aus ökonomischer Sicht bei der Steuerpolitik viel wichtiger wären? – Herr Professor Schön. Prof. Dr. Wolfgang Schön Vielen Dank, Herr Richter. In der Tat ist die Erbschaftsteuer eine ganz singuläre Steuer. Sie ist eine Steuer, die sich sehr viel schwerer als andere in den Gesamtzusammenhang der Steuerordnung einfügen lässt, nämlich des Erwerbs von Einkommen, des Innehabens von Vermögen oder des Verbrauchs von Konsumtionskraft. Sie ist daher auch sehr viel stärker als andere Steuern einer ideologischen Diskussion zugänglich. Diese beginnt mit der Rechtfertigung der Erbschaftsteuer im System, von dem Sie zu Recht sprechen. Für die einen ist eine Erbschaft im Grunde unverdientes Einkommen, das doch mindestens so hoch, wenn nicht sogar noch höher besteuert werden sollte, als das, was man aus eigener Kraft verdient. Ich habe kürzlich einmal einen Blick in die Bayerische Landesverfassung geworfen. Diese enthält eine steuerliche Vorschrift, die besagt, dass Vermögen, das ohne Arbeit erworben wird, höher zu besteuern sei als Einnahmen aus Arbeit. Die eigenartige Formulierung spricht von „arbeitslosem Einkommen“. Das ist wohl etwas altmodisch gemeint, zeigt aber ein bisschen das Denken einer 29
1. Teil: Unternehmens- und Vermögensübergang im Erbfall
Zeit, in der sehr viele Leute mit sehr wenig Vermögen auskommen und von eigener Hand erst einmal ihre Häuser wieder aufbauen mussten. Auf der anderen Seite steht die natürliche Erkenntnis, dass es sich bei der Erbschaftsteuer um eine Substanzsteuer handelt. Eine Besteuerung, die auf der Grundlage eines biologischen Zufalls, des Todes eines Menschen, erhoben wird und eigentlich in keinerlei Zusammenhang zu stehen scheint mit dem, was wir die volkswirtschaftliche Wertschöpfung nennen. Es wird eigentlich ein zufälliger, sehr privater Akt zum Anlass genommen, steuerlich kräftig zuzuschlagen. In ähnlicher Weise verfährt man widersprüchlich, wenn man eine ökonomische Einordnung der Erbschaftsteuer vornimmt. Aus der Sicht des Erblassers hält man es für notwendig, diesen zu motivieren, Vermögen zu bilden und Unternehmen aufzubauen. Wir motivieren den Erblasser auch dadurch, dass wir in Aussicht stellen, dass das Vermögen vererbt werden kann. Und wenn wir die Erben in den Blick nehmen, halten wir es für sinnvoller, dass diese selber kreativ und produktiv sein müssen, um ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Also, was ist nun richtig? Die Erben werden hinterher die Steuern bezahlen müssen, aber eigentlich wollen wir dem Erblasser nicht zumuten, dass er mit dieser Aussicht zu leben hat. Ich bin daher inzwischen zu dem Schluss gekommen, dass wir die Funktion der Erbschaftsteuer gar nicht mehr aus sich selber heraus erklären können. Aber wir können sie vielleicht aus dem Gesamtzusammenhang des Steuersystems erklären, weil ich glaube, dass sie eine relativ wichtige Ventilfunktion, eine Ergänzungsfunktion im Steuerrecht in seiner Gesamtheit besitzt. Das Interessante ist ja, dass es in einem Land wie den USA, in dem über die endgültige Abschaffung der Erbschaftsteuer nachgedacht wird, immer noch eine Vermögensteuer gibt. Bei uns ist das umgekehrt. Und dies ist ein komplementärer Effekt: Wenn ich eine Substanzsteuer habe, die große Vermögen laufend begleitet, ist der zufällige, ergänzende Zugriff durch die Erbschaftseuer umso willkürlicher. Wenn ich eine solche Substanzsteuer nicht habe, wie in Deutschland – hier ist die Vermögensteuer zwar nicht förmlich abgeschafft worden, aber doch aufgrund der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht zu erheben –, so ist die Frage berechtigt, ob eine maßvolle Erbschaftsteuer nicht sogar eine subsidiäre Funktion haben kann. Auch in den USA ist sie ja noch nicht ganz abgeschafft. Sie läuft über zehn Jahre stückweise aus. Wer im nächsten Jahr stirbt, vererbt steuerfrei. Ab 2010 muss der Kongress neu entscheiden. Das ist natürlich eine knifflige Anforderung an die Steuerplanung – dies richte ich an Herrn Pöllath und seine Mitstreiter –, die Leute noch zum richtigen Zeitpunkt sterben zu lassen, und zwar zwischen dem 01.01. und dem 31.12.2009. Wenn wir weiter, und darauf zielt Ihre Frage, Herr Richter, das Gesamtsystem betrachten, sehen wir, dass wir im Bereich der Ertragsbesteuerung (Einkommensteuer) zu einer laufenden Herunterführung der Belastung kapitalgestützter Einkommen gelangen: eine niedrige Abgeltungsteuer auf Zinsen, niedrige Körperschaftsteuern auf Unternehmensgewinne, innerhalb von zwanzig Jahren eine Senkung von 56 % auf 15 %, die Abschaffung der Gewerbekapitalsteuer und anderes. Insofern sollten wir uns fragen, ob es nicht sinnvoll ist, nach Abschaffung der Vermögensteuer, nach Abschaffung der Gewerbekapitalsteuer, bei den Senkungen im Bereich der laufenden Ertragsbesteuerung auf Kapitaleinkommen, diese Erbschaftsteuer als ein letztes Gegenstück zu be30
V. Podiumsdiskussion
lassen, zum Teil auch als sozialpolitisch motiviertes Ventil. Wenn wir das tun, muss sie natürlich verfassungskonform, sozialverträglich, unternehmensschonend ausgestaltet sein. In diesem Punkt bin ich dann mit Herrn Viskorf ganz einer Meinung, Differenzierungen sind problematisch. Sie sind problematisch, weil sie eine Art Sandwich-Bürger schaffen: Wer umfangreiches Betriebsvermögen besitzt, kommt ganz gut davon, wer wenig hat, kommt auch gut davon; und wir werden die mittleren Vermögensgruppen belasten. Die größte Problematik für die Betriebe sehe ich aber in einem Punkt, den auch schon Herr Crezelius angesprochen hat. Man kann für und gegen Verschonungen sein. Ich selber wäre für einen sehr niedrigen Steuersatz, dann aber auch einheitlich auf alle Arten von Erbschaften. Aber es ist jedenfalls nicht sachgerecht, die Verschonung zu kombinieren mit Lenkungszielen, mit Auflagen, die dazu führen, dass über 15 Jahre lang die „verschonten Betriebsinhaber“ an bisherige und sehr schnell veraltete Betriebskonzepte gebunden werden, dass sie Dokumentationspflichten unterworfen werden, die sie überfordern, und in Gesellschafterversammlungen plötzlich wichtige wirtschaftliche Entscheidungen nicht mehr treffen können, weil der Steuerberater mit den erbschaftsteuerlichen Nachforderungen droht. Dann wird wirklich aus Vernunft Unsinn und aus Wohltat Plage. Dann müssen sich auch die Betriebsinhaber überlegen, ob sie nicht auf selbstbewusste Distanz zum besteuernden Staat gehen sollen. Dann doch lieber eine niedrige Regelbesteuerung für alle und sich selber die Freiheit für die Aktivitäten erhalten, die den Unternehmern betriebswirtschaftlich sinnvoll erscheint. Dr. Andreas Richter Herzlichen Dank, Herr Professor Schön. Ich möchte gerne zwei Stichworte aufnehmen, die Sie gerade erwähnten. Zum einen sprachen Sie eingangs von den „Ventilfunktionen“ der Erbschaftsteuer, und zum anderen fragten sie in Bezug auf das gesamte Steuersystem, wie viel Substanzsteuer eigentlich erforderlich ist. Wenn man in die Richtung denkt, dann würde es wahrscheinlich naheliegen, dass eine künftige Erbschaftsteuer deutlich mehr Erbfälle betrifft, als das heute der Fall ist. Die Frage ist sozusagen eine grundsätzliche steuerliche Frage nach der richtigen Steuerpolitik. Darum ist ja auch in den letzten Monaten und Jahren gerungen worden bei der Körperschaftsteuerreform, bei Gewerbesteuerthemen. Die entscheidende Frage ist heute, welche Folgerungen sich aus dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts für die aktuelle Gesetzgebung im Bereich der Erbschaftsteuer ergeben. Herr Viskorf hat dazu ausgeführt, dass er kein Gebot zum Schutz des Bestandes von Unternehmen sieht. Er befürchtet, dass der Steuergesetzgeber sich mit den Vorschlägen, die jetzt diskutiert werden und die im Regierungsentwurf Niederschlag gefunden haben, an die Grenzen seiner Gestaltungsmöglichkeiten begibt. Dass Steuerrecht stark verfassungsrechtlich durchformt ist, ist für uns in Deutschland keine ungewohnte Situation. Wenn man mit Kollegen in anderen Ländern spricht, ist es dagegen sehr ungewöhnlich. Die Frage für diejenigen, die mit Steuerrecht täglich leben und jetzt planen müssen, ist: Wie ist eigentlich das Verhältnis zu formulieren zwischen Verfassung, Verfassungsgerichtsbarkeit und dem Steuergesetzgeber? Was können wir aus dem Beschluss zur Erbschaftsteuer lernen? Was können wir daraus mitnehmen? Die Frage vielleicht an Herrn Professor Mellinghoff.
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1. Teil: Unternehmens- und Vermögensübergang im Erbfall
Prof. Dr. Rudolf Mellinghoff Vielen Dank, Herr Richter. Sie bringen mich natürlich in eine schwierige Situation, denn die Richter sprechen üblicherweise durch ihre Urteile und sonst nicht. Natürlich kann und werde ich nicht die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts erläutern. Lassen Sie mich aber vielleicht doch ein paar allgemeine Grundsätze erwähnen, die – und da gebe ich dann nur einzelne Sätze aus der Entscheidung wieder – man vielleicht doch in die Diskussion einbringen kann. Wir müssen davon ausgehen, dass die Freiheitsrechte und die Gleichheitsrechte im Steuerrecht gelten. Das bedeutet natürlich zunächst bei den Freiheitsrechten, dass eine übermäßige Belastung ausgeschlossen werden muss und soll. Wenn ich die gegenwärtigen Regelungen sehe, dann wird diese Frage bei der Erbschaftsteuer nicht diskutiert. Viel schwieriger ist die Frage einer gleichheitsgerechten Belastung. Das Bundesverfassungsgericht hat insbesondere in seinen neueren Entscheidungen den Gleichheitssatz präzisiert und deutlich gemacht, unter welchen Voraussetzungen Ausnahmen von einer gleichmäßigen Besteuerung gemacht werden können. In diesem Zusammenhang sind zwei Punkte hervorzuheben: Zum einen bestehen große Schwierigkeiten, dem Gesetzgeber vorzugeben, in welchen Bereichen er im Steuerrecht lenken und fördern darf. Das Bundesverfassungsgericht anerkennt in seiner Rechtsprechung seit jeher einen weiten Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers. In der Wissenschaft wird das häufig intensiv angegriffen. Es wird behauptet, Lenkungsnormen im Steuerrecht seien systematisch verfehlt und verfassungsrechtlich verboten. Das Entscheidende – und diese Problematik wird allenfalls ansatzweise in den Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts angesprochen – ist die Frage, unter welchen Voraussetzungen der Gesetzgeber lenken darf. Dass er lenken darf, ist vom Verfassungsgericht stets anerkannt worden. Auch in dem Beschluss zur Erbschaftsteuer führt das Gericht aus, dass der Gesetzgeber auch bei dieser Steuer aus Gründen des Gemeinwohls lenken und fördern darf. Dann steht aber in der Entscheidung, und ich will diesen Satz einfach vorlesen: „Bei Vorliegen ausreichender Gemeinwohlgründe kann die Entlastung dabei im Ausnahmefall in verfassungsrechtlicher zulässiger Weise sogar dazu führen, dass bestimmte Steuergegenstände vollständig von der Besteuerung ausgenommen werden.“ – Ich habe hier, wie Sie merken, die Betonung auf das Wort „Ausnahmefall“ gelegt. Eine Steuer, die nicht mehr den Regelfall, sondern den Ausnahmefall besteuert, bedürfte jedenfalls nach diesen Sätzen einer ganz besonderen Rechtfertigung. Ich glaube, ich belasse es zunächst einmal bei diesem Punkt. Dr. Andreas Richter Danke, Herr Professor Mellinghoff. Ein Aspekt in der ganz praktischen Arbeit ist – und das ist auch in den Referaten angeklungen – die Problematik der Bewertung von Unternehmen, die eben nicht börsennotiert sind, die illiquide sind, für die ein Preis eigentlich nur in der Verkaufssituation gefunden werden könnte. Der Gesetzgeber steht vor dem Problem, wie er im Rahmen des neuen Erbschaftsteuergesetzes die Unternehmen bewerten soll. Die Frage ist, gibt es Vorgaben des Verfassungsgerichts? Wo stehen wir auf diesem Gebiet? Worauf müssen sich die Unternehmer einstellen? Es ist ja wohl so, Herr Professor Piltz, dass man aus der Sicht eines Unternehmers wahrscheinlich heute noch gar nicht überblicken kann, ob die jetzige Erbschaftsteuer das bessere Modell ist, 32
V. Podiumsdiskussion
auch in dem Sinne dieser souveränen Distanz, wie sie Herr Professor Schön gerade in die Diskussion eingebracht hat. Und wenn Sie kurz auf Folgendes eingehen würden, Herr Professor Piltz: Wir hören immer wieder von der Idee der Fortführung, also der Bindung einer besseren oder niedrigeren Besteuerung der Unternehmensnachfolge an eine bestimmte Fortführungsdauer. Was bedeutet das eigentlich? Prof. Dr. Detlev Piltz Ich muss die Erbschaftsteuer jetzt mal wie ein Politiker sehen und möchte noch auf Herrn Schön mit einem Satz eingehen. Erbschaftsteuer ja oder nein? Hier geht es nicht nur um Rechtfertigungsideen. Das ist auch eine eminent politische Sache. Das ist eine politische Willensentscheidung. Eine unserer Regierungsparteien hat sich ausrechnen lassen, welchen Einfluss es auf ihre Wählerquote hätte, wenn sie die Erbschaftsteuer abschaffen würde, entweder ausdrücklich oder durch Auslaufenlassen. Da kamen vier Prozentpunkte weniger raus. Und dann wurde die Akte zugemacht. Die Erbschaftsteuer bleibt, weil sich keine Regierungspartei einen Abschwung von vier Prozentpunkten leisten kann. Und eine andere politische Äußerung, eine Woche alt, des nordrheinwestfälischen Finanzministers Linssen. Er erkennt natürlich, dass die Erbschaftsteuer bundesdeutsch gesamtpolitisch relativ unbedeutend ist – 0,5 % vom Gesamtaufkommen, 4 Milliarden, das ist nicht so viel. Aber landespolitisch ist sie durchaus bedeutend. Nordrhein-Westfalen zum Beispiel kriegt von den vier Milliarden eine. Und Herr Linssen sagt nicht im Hinterstübchen, sondern ganz offiziell: „Wie die neue Erbschaftsteuer aussieht, ist mir völlig egal, aber für Nordrhein-Westfalen muss eine Milliarde rauskommen. Und wenn das nicht rauskommt, stimme ich nicht zu.“ – Nochmal: Es ist nicht ganz so, dass es nur nach den Ideen der Gerechtigkeit usw. geht, sondern das sind eminent politische Dinge. Was den Vergleich angeht, also die praktische Frage: „Was hat der Unternehmer jetzt zu tun?“, meine Damen und Herren, da lässt sich das alte und das neue Recht schwer vergleichen. Das alte, damit meine ich das jetzt geltende, bedeutet ja sehr vereinfacht‚ dass Unternehmen relativ niedrig bewertet werden, und davon gibt es 35 % Wertabschlag. Das neue Recht bedeutet, dass Unternehmen zum Verkehrswert bewertet, aber nur 15 % davon besteuert werden. Wenn Sie versuchen, das formelmäßig aufzudröseln, kommen Sie zu dem Ergebnis, dass die Werte etwa um 430 % steigen müssten, bis das neue Recht genauso wirkt wie das alte. Wenn der Wert eines Unternehmens sich nach neuem Recht verdoppelt, ist die Belastung niedriger als bisher. Wenn er sich verdreifacht, ist sie auch niedriger. Wenn er sich vervierkommadreifacht, dann ist sie genau dieselbe wie im alten Recht. Und wenn er sich versechsfacht, dann ist das neue Recht schlechter als das alte. Nun, meine Damen und Herren, da werden Sie sagen: Das gibt es doch gar nicht, dass sich unter neuem Recht der sechsfache Unternehmenswert herausstellen kann. – Mitnichten! Das sind völlig normale Relationen. Bei ganz bestimmten Typen von Unternehmen, nämlich ertragsstarken Personengesellschaften, wäre eine Verfünf-, Versechsoder Verzehnfachung der Werte völlig normal. Zum Beispiel bei meinem eigenen Unternehmen. Die Anteile an unserem Unternehmen, einer Gemeinschaft von Anwälten, sind natürlich nicht vererblich. Meine Partner wollen ja nichts mit meinen nichtsnutzigen Kindern zu tun haben. Aber, meine Damen und Herren, stellen Sie sich mal vor, mein Anteil wäre vererblich. Dann ist der Wert unseres Unternehmens null, nach den 33
1. Teil: Unternehmens- und Vermögensübergang im Erbfall
Regeln, die wir jetzt haben. Der Verkehrswert ist dagegen mindestens Tausend mal so hoch. Unsere Substanz ist null, aber unser Ertrag ist ordentlich. Und die neue Bewertung richtet sich dann nach dem Ertrag. Alle Werbeagenturen, also alle substanzschwachen, ertragsstarken Unternehmen werden Verzehn- und Verzwanzigfachungen haben. Ganz präzise kann man das noch nicht ausrechnen, weil die Regierung in den jetzigen Gesetzesentwurf nur einen Programmsatz geschrieben hat. Ich glaube, es ist der richtige Satz, es steht dort nämlich, dass alles mit dem Verkehrswert bewertet werden muss. Wie der dann im Einzelnen zu ermitteln ist, soll sich nach einer Rechtsverordnung richten, die man noch nicht kennt. Deswegen kann man nur für ganz bestimmte Typen von Unternehmen sagen, dass das neue Recht schlechter wird. Das sind die ertragsstarken Personengesellschaften, und es werden mit Sicherheit viele, vermutlich sogar alle, Immobilienunternehmen sein. Das sind die beiden Zahler der Reform, gar keine Frage. Und außerhalb des Unternehmensbereichs: die Geschwister. Die Geschwister (!), meine Damen und Herren. 50 % des Erbschaftsteueraufkommens ergeben sich durch Übergänge in der Steuerklasse Eins, das sind Kinder, sehr vereinfacht. 25 % des Steueraufkommens ergeben sich in der Steuerklasse Zwei. Das sind Geschwister, Neffen und Nichten. Und noch einmal 25 %, das sind ganz Fremde. Meine Damen und Herren, die neuen Steuersätze für die Geschwister und die Fremden werden die gleichen sein, bis 6 Millionen 30 %, ab 6 Millionen 50 %. Nichts gegen Sie. Wenn ich in mein Testament schreiben würde: „die Zuhörer dieser Veranstaltung sind meine Erben“, dass Sie dann viel dafür bezahlen müssen, ist in Ordnung. Aber dass meine Schwester genauso viel bezahlt wie Sie, das ist doch ein Skandal. Denn immerhin, nach Kindern ist die Schwester oder der Bruder das Nächste, was man hat. Also für mich geradezu grotesk. Und Geschwistererwerbe im Unternehmensbereich sind äußerst häufig. Im Unternehmensbereich ist das entschärft, weil immer Steuerklasse Eins gilt, aber bei Immobilien und Geld schlägt das voll zu. Und das Entscheidende ist ja, was die Kollegen eben gesagt haben, von den 4 Milliarden Aufkommen entfallen 3,5 Milliarden auf Geld und Immobilien und nur 500 Millionen auf Unternehmen. Das heißt, Geld und Immobilien und Geschwister bezahlen in Zukunft die Erbschaftsteuer. Dr. Andreas Richter Wenn sich also jetzt jemand fragt, ob er in den nächsten Wochen oder Monaten noch etwas tun muss, dann besonders bei ertragsstarken Personengesellschaften und im Immobilienbereich. Herr Professor Crezelius, wenn Sie kurz noch für diejenigen, die die Unternehmensnachfolge einleiten wollen, skizzieren könnten, was die Kautelen, was die Bindungen wären, wenn sie sich auf dieses neue Modell einlassen, unter der Annahme, dass es der Gesetzgeber umsetzt. Wann können wir mit einer Umsetzung rechnen? Was wird es für die Unternehmer bedeuten, die unter das neue Recht fallen? Prof. Dr. Georg Crezelius Es geht Ihnen darum, wann das neue Recht kommt und wie die Bindungskautelen sein werden. Also wann die Reform kommt, das dürfen Sie mich nicht fragen. Aber ich prognostiziere mal mit einer großen Wahrscheinlichkeit erst ab 1. Januar 2009. Ich habe gehört, dass die sogenannten B-Länder, das sind die CDU/CSU-Länder, 30 Ände34
V. Podiumsdiskussion
rungsanträge im Bundesrat gestellt haben. Wenn von den SPD-geführten Ländern auch nochmal 20 kommen, dann haben Sie 50. Die Bindungsfristen des Entwurfs sind nachgerade abenteuerlich. Das muss man einfach sagen. Erst einmal haben Sie ja das Lohnsummenmodell. Also der Beobachtungszeitraum beträgt 20 Jahre. Sie müssen nämlich die Lohnsumme der letzten fünf Jahre vor dem Erb- oder Schenkungsfall 10 Jahre lang fortführen und dürfen nicht unter 70 % rutschen, dann entfällt die Steuer um ein Zehntel der Begünstigung. Das sind 8,5 %, weil 15 % immer besteuert werden. Man hört manchmal, und das war eigentlich mein letzter Hinweis auf das Unternehmen an sich, man hört da manchmal bezüglich der Lohnsummenregel von den Unternehmern: „Ja, da habe ich doch gar keinen Einfluss drauf, auf Trinkgelder, Sozialversicherungsbeiträge. Das sind alles Leistungen, die der Unternehmer gar nicht steuern kann.“ Ja nun, da muss man den Leuten sagen, alle diese Wohltaten sind keine subjektiven Steuerbefreiungen des Reformentwurfs für die dahinterstehenden Unternehmensträger, sondern es sind objektive Steuerbefreiungen für dieses Unternehmen. Das ist keine gesetzgeberische Wohltat für die Erben. Dass die Erben davon profitieren, ist sozusagen ein Kollateralschaden aus der Sicht des Fiskus. Man will das Unternehmen mit den Arbeitsplätzen begünstigen. Noch schlimmer ist eben, dass Sie das Unternehmen 15 Jahre – plastisch, für Politiker verständlich ausgedrückt, dreidreiviertel Legislaturperioden – fortführen müssen. Wenn der Vater der Tochter das Unternehmen im Jahre 2009 überträgt und 2022, im 13. Jahr, die Insolvenz eintritt, ist die Tochter das Unternehmen erst einmal los, qua Insolvenz, und rückwirkend auf das Jahr 2009 fällt noch die höhere Erbschaftsteuer an. Wenn die Tochter dann nicht mehr finanziell leistungsfähig ist, haben Sie den Sachverhalt „Aufruhr im Altenheim“. Dann bekommt nämlich der Vater, weil er als Schenker auch noch für die Schenkungsteuer in Anspruch genommen werden kann, nach § 20 ErbStG einen Steuerbescheid. Also, das ist eine abenteuerliche Regelung. Machen Sie es umgekehrt: Können Sie sagen, wie die Unternehmen, die Sie betreuen, vor 15 Jahren ausgesehen haben? Und das müssen Sie 15 Jahre beobachten. Sie dürfen auch über den 15-Jahres-Zeitraum keine Überentnahmen tätigen, von 150.000 Euro. Und das in Zukunft auch bei Kapitalgesellschaften. All das müssen Sie beobachten. Das führt zu einer Verkrustung der Unternehmen. Dr. Andreas Richter Vielleicht gehen wir noch mit ein paar Worten auf die Frage der Unternehmensbewertung ein. Dazu haben wir gehört, was das Verfassungsgericht in seinem Beschluss vorgibt. Auch hier wieder die Frage: Im Normalfall oder in vielen Fällen ist es ja so, dass ein Erbe nicht das Unternehmen an sich erwirbt oder ererbt, sondern eine Beteiligung. In unserem heutigen Bewertungsrecht ist es eigentlich so, dass Bindungen, die mit der Person des Erben zusammenhängen, sei es durch Vinkulierungen, sei es durch gesellschaftsvertragliche Regelungen, die man praktisch bei allen Familienunternehmen in Deutschland in den Verträgen finden würde, bei der Bewertung nicht zu berücksichtigen sind. Wir haben ja gehört, dass heute die Bewertung in den meisten Fällen weit von den Verkehrswerten entfernt ist und dass es deswegen vielleicht nicht so wichtig ist, auf die 35
1. Teil: Unternehmens- und Vermögensübergang im Erbfall
persönliche Ebene des Erblassers einzugehen. Die Frage an Herrn Viskorf: Wie wird sich das im neuen Recht darstellen? Geht es um die Bewertung des Unternehmens? Wenn ein Erbe tatsächlich nur den Anteil erbt, mit der Bindung, also mit Vinkulierungsklauseln, mit Abfindungsklauseln zum Buchwert – vielleicht ist er auch noch Pflichtteilsansprüchen o. Ä. ausgesetzt –, wie kann das Erbschaftsteuerrecht damit umgehen? Ist nicht von Verfassung wegen geboten, bei einer Bewertung, die anstrebt, beim Verkehrswert zu landen, dort die Punktlandung zu machen? Wie schwierig das ist, wissen wir alle, doch müsste man nicht auch diese persönlichen Verhältnisse des Erwerbers berücksichtigen? Herman-Ulrich Viskorf Persönliche Verhältnisse sind nach § 9 Absatz 3 BewG nicht zu berücksichtigen, und zwar aus gutem Grunde. Denn solche Verfügungsbeschränkungen sind von den Gesellschaftern freiwillig eingegangen worden und können jederzeit zurückgenommen werden. Verfügungsbeschränkungen dienen in erster Linie den Gesellschaftern selbst, weil sie dazu dienen, Fremde aus der Gesellschaft fernzuhalten. Es gibt somit einen sachlichen Grund, warum das Gesetz hier eine Sperre einbaut. Die andere Frage ist natürlich: Wie kann man Betriebsvermögen bewerten? Ich bin ein Verfechter des Stuttgarter Verfahrens, das man sicherlich noch weiter vereinfachen und typisieren kann. Damit haben wir über Jahrzehnte gerade auch im Bereich der Vermögensteuer hervorragende Erfahrungen gemacht – eine relativ geringe Streitanfälligkeit, eine sehr vorsichtige Schätzungsmethode. Vielleicht muss man auch noch darauf hinweisen, dass der Gesetzgeber gerade in diesem Bereich nicht ohne Typisierungen und Pauschalierungen auskommt. Es geht nicht darum, in jedem Einzelfalle noch die letzten Tausend Euro exakt zu bestimmen, sondern wir müssen akzeptieren, dass alles, was wir machen, Schätzung ist und mit Ungenauigkeiten auskommen muss. Wir müssen keinen ganz exakten Wert, sondern ein Preis- oder Wertniveau, d. h. eine bestimmte Preisspanne treffen. Ich hätte auch überhaupt keine Probleme damit, wenn sich die Bewertung im unteren Bereich dieser Preisspanne bewegte; dies würde die Streitanfälligkeit verringern. Wir brauchen eine sehr vorsichtige Bewertungsmethode mit ausreichendem Sicherheitsabstand zum rechnerischen Mittelwert. Dr. Andreas Richter Herr Professor Beckert, in Ihrem Vortrag hatten Sie es recht gut versteckt, dass Sie eigentlich gesagt haben, die Erbschaftsteuer könnte als Teil der Einkommensteuer aufgefasst werden. Jedenfalls könnte die Erbschaftsteuer mit dem Tarif der Einkommensteuer belastet werden. Sie hatten es so formuliert, wenn ich es richtig in Erinnerung habe, dass Sie keine ökonomischen Gründe sehen, warum eine solche Regelung nicht durchaus tragfähig wäre. Wenn Sie vielleicht dazu noch Stellung nehmen? Prof. Dr. Jens Beckert Bei Fragen der ökonomischen Folgen von Erbschaftsbesteuerung ist es sehr schwer, präzise vorauszusagen, welche Folgen das sein werden. Welche Folgen haben Erbschaftsteuern für die Motivation von Unternehmern, von Vermögensbesitzern auf ihre 36
V. Podiumsdiskussion
Leistungsbereitschaft? Genau weiß man das nicht, weil hierfür die empirischen Untersuchungen fehlen und diese auch kaum einzelne Effekte isolieren könnten. Es gibt allerdings einige Untersuchungen, die besagen, dass Erbschaften tatsächlich negative Effekte im Hinblick auf die Arbeitsmarktpartizipation der Erben haben. Für die USA wurde gezeigt, dass Erben sehr viel weniger am Arbeitsmarkt partizipieren als andere Personen. Das ist vielleicht nicht besonders überraschend, aber es zeigt doch, dass Erbschaften möglicherweise ungewollte gesellschaftliche Folgen haben. Dass so wenig präzises empirisches Wissen über die Effekte von Erbschaften bestehen, trägt meines Erachtens auch stark zur Polarisierung der Diskussionen bei. Für die einen ist die Erbschaftsteuer eine Neidsteuer, für die anderen soll soziale Gerechtigkeit durch Erbschaftsbesteuerung durchgesetzt werden. Ich glaube, dass diese Extrempositionen sehr wenig hilfreich sind im Hinblick auf die tatsächliche Ausgestaltung dieser Steuer. Ich würde hier Herrn Schön folgen und würde dafür plädieren: Ja, es soll eine Erbschaftsteuer geben, auch aus den normativen Zusammenhängen, die ich in meinem Vortrag erwähnt habe. Aber gleichzeitig ist klar, dass dies keine Erbschaftsteuer sein kann, die etwa konfiskatorischen Charakter hat. Die Eingliederung in die Einkommensteuer wäre steuersystematisch insofern interessant, als dass es zu einer Vereinfachung des Steuersystems käme, indem eine Steuerart entfallen würde; die höheren Erbschaftsteuereinnahmen wären aber auch ein Ausgleich für die entfallene Vermögensteuer. Dahinter steht der normative Gesichtspunkt, dass geerbtes Vermögen in der Höhe besteuert wird, mit der auch Einkommen besteuert wird. Das würde zu Steuermehreinnahmen aus Erbschaften führen und könnte dazu genutzt werden, den Einkommensteuersatz zu senken. Im Hinblick auf das normative Selbstverständnis unserer Gesellschaft halte ich das für eine plausible und sinnvolle Form der Verteilung von Steuerlasten. Wie gesagt, ich glaube nicht, dass sich das politisch durchsetzen lässt. Den Vorschlag gibt es ja bereits seit Längerem. Er lässt sich vermutlich auch deshalb nicht umsetzen, weil – ich hatte das kurz in dem Vortrag erwähnt, ein überraschender Tatbestand eigentlich – die Erbschaftsteuer in der Bevölkerung auf sehr wenig Unterstützung stößt, obwohl die meisten Menschen davon nie betroffen sein werden. In Umfragen spricht sich über die Hälfte der Bevölkerung für die Abschaffung der Erbschaftsteuer aus. Dr. Andreas Richter Herr Mellinghoff, bitte. Prof. Dr. Rudolf Mellinghoff Ich wollte noch etwas zu den normativen Grundlagen sagen, auf die Herr Professor Beckert verwiesen hat, und die Frage stellen, ob es wirklich sinnvoll ist, die Erbschaftsteuer in die Einkommensteuer einzugliedern. Eigentum und Erbrecht sind aus guten Gründen im gleichen Grundgesetzartikel gewährleistet; sie haben aber dennoch einen unterschiedlichen Gehalt. Wenn man, und das habe ich Ihrem Vortrag teilweise entnommen, davon ausgeht, dass man eigentlich das Erbrecht auf die Testierfreiheit beschränken könnte, dann stellt sich die Frage, ob eine eigenständige Erwähnung des Erbrechts in Art. 14 des Grundgesetzes sinnvoll und notwendig ist. Die Testierfreiheit unterscheidet sich kaum von einer Vermögensverfügung, die auch durch die Eigen37
1. Teil: Unternehmens- und Vermögensübergang im Erbfall
tumsgarantie gewährleistet ist. Das Entscheidende beim Erbrecht ist nach meiner Auffassung das Verwandtenerbrecht, d. h. die familiäre Bindung dieses Vermögens in einem Familienverbund; die Testierfreiheit des Erblassers, der darüber entscheidet, wem er sein Vermögen zuwenden will, tritt natürlich hinzu. Mit Blick auf den Erben wird häufig davon gesprochen, dass die Erbschaft immer unverdient sei. Wir müssen uns fragen, ob diese Aussage wirklich richtig ist. Wenn ich alleine die Ehe nehme, dann ist bereits die Frage, ob die Zuwendung innerhalb der Ehe verdient oder unverdient ist und die Frage, wie die Ehe heute in unserer Gesellschaft gesehen wird, von Bedeutung. Es wird im Einkommensteuerrecht häufig von der Erwerbsgemeinschaft der Eheleute gesprochen; das ist die Gemeinschaft zweier Personen, die sich entschlossen haben, auch das Vermögen gemeinsam aufzubauen. Schon aus diesem Grund ist es nicht gerechtfertigt, das Vermögen, das im Erbfall übergeht, in Höhe des Einkommensteuersatzes zu besteuern, wenn einer der Ehepartner stirbt. Das wäre völlig realitätsfremd. Lassen Sie mich schließlich zu der Frage Stellung nehmen, ob die Vermögensvererbung von untergeordneter Bedeutung ist. Wenn man der Bevölkerung mitteilen würde, wir führen jetzt eine Erbschaftsteuer ein, die die Erbschaften im Regelfall besteuert und nur Restbestände steuerfrei übergehen lässt, dann würde dies zu einem Aufschrei in der Bevölkerung führen. Die Erbschaftsteuer ist eines der sensibelsten Themen überhaupt, ähnlich wie die Zinsbesteuerung, bei der der Staat gewissermaßen auf das Sparbuch der Großmutter zugreift. Es wird als zutiefst ungerecht angesehen, dass der Staat im Normalfall des Vermögensübergangs – und ich rede jetzt nicht von den großen Vermögen, die eher die Ausnahme sind – übermäßig partizipiert. Deswegen müssen wir, wenn wir über die Erbschaftsteuer und über die Erbschaft an und für sich reden, natürlich zunächst mal den Regelfall im Blick haben und vielleicht für die wenigen Großvermögen über andere Besteuerungsmodelle nachdenken. Auch deshalb wende ich mich dagegen, dass man behauptet, die Erbschaftsteuer ließe sich ohne Weiteres in die Einkommensteuer integrieren. Dr. Andreas Richter Herr Professor Beckert, bitte. Und dann Herr Schön. Prof. Dr. Jens Beckert Nur ganz kurz dazu. Was Sie über Ehepartner sagen, ist natürlich völlig selbstverständlich. Für Kinder gilt das, glaube ich, schon in sehr viel geringerem Maße. Ich meine, natürlich gibt es in Familienunternehmen Formen der Mitarbeit, die nicht in dem Sinne „entgolten“ werden. Aber ich würde schon sagen, dass wir in der Generationenfolge davon sprechen können, dass es natürlich zunächst einmal die Leistung der Eltern ist, und wir berechtigt die Frage stellen können, weshalb eben einige Mitglieder der nächsten Generation in eine enorm privilegierte Position kommen sollen, nur weil sie den richtigen Vater oder die richtige Mutter haben. Das widerspricht genau dem, was wir unter einer Leistungsgesellschaft verstehen, das ist eine askriptive Zuteilung von Vermögen, die wir eher mit vormodernen Gesellschaftsformen verbinden. Jetzt sage ich ja nicht, dass es nicht legitim sein soll zu erben, aber dass diese Vermögenszuwächse besteuert werden, so wie Arbeitseinkommen auch besteuert wird, das erscheint mir zunächst einmal zumindest diskussionswürdig. 38
V. Podiumsdiskussion
Prof. Dr. Wolfgang Schön Herr Beckert, ich bin ja immer froh, wenn man in der Max-Planck-Gesellschaft institutsübergreifend einer Meinung ist, und ich glaube in der Grundanlage, dass man im Gesamtkonzept unseres derzeitigen Steuersystems die Existenz einer Erbschaftsteuer noch rechtfertigen kann. Darin sind wir uns auch einig. Wobei ich noch einmal betonen möchte, dass diese Beurteilung anders aussehen kann, wenn man bei Einkommensteuersätzen von 60 % plus Vermögensteuer liegt und dann noch die Erbschaftsteuer draufsetzt. Das ist wirklich eine Frage der Balance und, Herr Piltz, natürlich auch eine Frage der politischen Mehrheiten, aber diese politischen Mehrheiten orientieren sich dann vielleicht auch ein bisschen am Gesamtbild. Einen Erbschaftsteuersatz in Höhe des Einkommensteuersatzes, den hielte ich allerdings für volkswirtschaftlich problematisch. Denn dann sind wir in der Sache bei einer gewaltigen Substanzbesteuerung. Es kann aber hier nur darum gehen, dass gewisse Umverteilungseffekte mit Hilfe einer Substanzbesteuerung bewirkt werden, und die muss von vornherein in ihren Prozentsätzen und auch in der Berücksichtigung familiärer Strukturen oder Vermögenszusammensetzungen anders ausgestaltet sein als die Einkommensteuer. Ich würde gerne bei der Gelegenheit noch einmal auf zwei andere Gesichtspunkte eingehen, die hier teilweise auch schon angesprochen worden sind. Der eine betrifft die Differenzierung zwischen Privatvermögen und Betriebsvermögen. Wenn eine Unterscheidung in ihrer Grundanlage problematisch ist, wirkt sich das häufig auch im Detail problematisch aus. Nehmen wir nur mal einen Fall, an dem ich zwei Merkwürdigkeiten deutlich machen will: Wir gehen von einer großen Aktiengesellschaft aus, die Hälfte der Anteile ist im Familienbesitz, die andere Hälfte im Streubesitz. Da ist zunächst mal ein Effekt der Reform, wenn sie denn so kommt, wie sie kommen soll, dass die vermögende Familie, die die eine Hälfte besitzt, mit einem sehr niedrigen Steuersatz belastet wird, während die Publikumsaktionäre, die die andere Hälfte besitzen, mit einem höheren Satz belastet werden. Dies wird mit der Begründung gerechtfertigt, dass bei der Familie gewissermaßen unternehmerische Verantwortung gebündelt sei. Ich halte das nicht für überzeugend. Was passiert jetzt aber mit dieser Aktiengesellschaft im weiteren Verlauf ihrer Existenz? Diese Aktiengesellschaft, d. h. nicht die Aktionäre, sondern das Unternehmen, wird sich in den kommenden 15 Jahren nach dem richten müssen, was das Erbschaftsteuerrecht an Wohlverhaltensregeln für die Lohnsumme, für die Betriebsführung, für all diese Dinge aufstellt. Ich stelle mir daher den Vorstand in einer solchen Aktiengesellschaft vor, der in 5 Jahren vor der Frage steht, die Hälfte des Unternehmens zu veräußern, und der eine Aktionärsgruppe im Nacken sitzen hat, die bei einer solchen Neuorientierung mit erheblichen Problemen bei der Erbschaftsteuer rechnen muss. Das sind Corporate-Governance-Probleme, mit denen man dann plötzlich fertig werden muss, weil wir uns über die Niedrigbesteuerung eine langfristige wirtschaftslenkende Bindung einkaufen. Ich würde aber gerne noch einen Satz zur anderen Seite der Waage sagen. Wie ist es eigentlich mit den vielen sogenannten kleinen Leuten? Kann es richtig sein, dass wir in eine Situation kommen, in der dann der ganz überwiegende Teil der Bevölkerung, das heißt auch der Wahlbevölkerung, in keiner Weise betroffen wird von der Erbschaftsteuer? Ich halte auch das, genau wie übrigens im Einkommensteuerrecht, für ein demokratietheoretisches Problem. Wenn wir Steuern haben, bei denen über großzügige Frei39
1. Teil: Unternehmens- und Vermögensübergang im Erbfall
beträge die Mehrheit derjenigen, die letztlich über die Wahlen zum Bundestag auch über die Ausgestaltung und Existenz der Steuern entscheiden, nicht mehr betroffen sind, dann sind wir irgendwann in einer römischen Situation von Brot und Spielen. Ich meine, dass bei einem maßvollen Steuersatz auch die kleineren Erbschaften betroffen werden können: Von 100.000 Euro kann man eben auch 5.000 Euro Erbschaftsteuer bezahlen. Aber das führt dann auch dazu, dass die Wahrnehmung dieser Steuer als existierend in der Bevölkerung verstärkt wird und daher insgesamt auch die Defizite, die daraus entstehen, dass die eine Gruppe ausgenommen wird und die andere Gruppe belastet, dass diese Brüche gewissermaßen aufgehoben werden. Also, wir sollten uns überlegen: Die Bevölkerung soll auch im Breiten partizipieren, aber sie soll es maßvoll tun, und dann hätten wir auch, was gewissermaßen die Gleichheitswirkungen angeht, in der Bevölkerung eine größere Sensibilität. Prof. Dr. Jens Beckert Ich möchte ganz kurz dazu etwas sagen. Ich teile das völlig, Herr Schön. Nur muss man sich anschauen, wie die Vermögensverteilung in der Gesellschaft aussieht. Es ist so, dass die untere Hälfte der Haushalte quasi über keinerlei Vermögen verfügen, so dass Sie auch ohne Freibeträge 50 % der „Erben“ nicht steuerlich belasten können, weil schlichtweg nichts da ist. Ich habe dies mal versucht auszurechnen, unter der Annahme eines Freibetrags von nur 60.000 Euro. Selbst dann nimmt man über 70 % der Erben von der Erbschaftsbesteuerung aus. Man muss bei der Frage der Verbreiterung der Steuerbasis die Vermögensstruktur in der Gesellschaft einbeziehen. Wenn man Erbschaftsteuereinnahmen erhöhen will, kommt man nicht umhin diejenigen zu besteuern, die eben das Vermögen haben; das sind wenige. In den USA wurde im Jahr 2000 von den 500 größten Nachlässen (Nachlasssteuer in den USA) ein Viertel der Nachlasssteuer insgesamt aufgebracht. Also, Sie sprechen in den USA noch stärker als in Deutschland von einer Steuer, die von einer sehr kleinen Personenzahl fast ausschließlich aufgebracht wird. Dies ist sehr viel extremer als bei der Einkommensteuer. Prof. Dr. Wolfgang Schön Ja, aber bedenken Sie nur eine andere Zahl, dass nämlich in Deutschland die 10 % der obersten Einkommensbezieher mehr als 50 % des Einkommensteueraufkommens generieren. Das würde ich nicht noch durch eine dramatische Erbschaftsteuer gewissermaßen kumulieren lassen. Dr. Andreas Richter Herr Professor Piltz. Prof. Dr. Detlev Piltz Einkommensteuer und Erbschaftsteuer, meine Damen und Herren, passen nicht zusammen. Das Wesen der Einkommensteuer ist, dass sie eine Wertschöpfung erfasst. Wenn wir jetzt alle ein Unternehmen gründen, jeder tut was rein und wir haben 100. Wenn wir am Ende des Jahres immer noch 100 haben, zahlen wir keine Einkommensteuer, auch keine Körperschaftsteuer. Wenn wir am Ende des Jahres 120 haben, dann zahlen 40
V. Podiumsdiskussion
wir Steuer auf 20. Wenn ich aber einen solchen Vermögensblock von 100 von mir auf andere übertrage, ist die Wertschöpfung null. Dadurch, dass er erst mir gehört, dann einem anderen, entsteht keine Wertschöpfung. Deswegen hat die Einkommensteuer damit nichts zu tun. Dass man trotzdem eine Erbschaftsteuer erheben kann, ist etwas anderes. Aber sie ist dem Gedanken der Wertschöpfung völlig wesensfremd. Und der zweite Punkt: Es wird hier immer gesagt, die Erbschaftsteuer schaffe Chancengleichheit. Meine Damen und Herren, darüber kann man sich unterhalten. Es ist natürlich ganz angenehm, 100 Millionen zu erben. Sie brauchen nie wieder zu arbeiten, keine unsympathische Situation, und wenn Sie sehen, mit welcher Heftigkeit Erbstreitigkeiten für kleinste Gelder durchgefochten werden, dann wissen Sie, wie schön es ist, Geld ohne Arbeit zu kriegen. Aber, meine Damen und Herren, Chancengleichheit wäre doch dann gegeben, wenn das Aufkommen der Erbschaftsteuer benutzt würde, um denen, die nicht erben, ihre Startchancen zu erhöhen. Was bekanntlich ja nicht geschieht. Nur das Wegnehmen bei den einen ist noch nicht das Erhöhen der Chancengleichheit der anderen. Ich will das auseinanderhalten. Man kann trotzdem die Erbschaftsteuer erheben, dagegen ist auch nicht das Geringste zu sagen, das ist weder verboten vom Grundgesetz noch erzwungen, man kann es tun. Aber nicht mit dem Argument der Chancengleichheit. Prof. Dr. Georg Crezelius Ich möchte hinzufügen: Führen wir hier nicht eine ziemlich deutsche Diskussion? Das Erbschaftsteuerrecht und alle diese Argumente stammen aus dem 19. Jahrhundert, aus einer Zeit einer relativ immobilen Gesellschaft. Heute sind die Verhältnisse eben so, dass jeder Freiberufler ins Ausland gehen und seinen Beruf trotzdem hier in Deutschland ausüben kann. Wir müssen einfach wahrnehmen, egal wie systematisch oder unsystematisch das ist, dass andere Länder einen ganz anderen Weg gehen als wir. In Österreich haben wir eine vergleichbare Rechtslage, und Österreich schafft unter einem sozialistischen Bundeskanzler die Erbschaftsteuer ab. In Frankreich ist sie drastisch heruntergefahren worden. Das heißt, wir müssen einfach damit leben, dass es Länder auf dieser Welt gibt, in Europa gibt, die günstigere Situationen haben. Ich befürchte, wenn alle diese Dinge kommen oder noch verschärft werden, dass die Steuerpflichtigen, die über mobiles Vermögen verfügen, Deutschland verlassen, und das ist für den Wirtschaftsstandort schädlicher als der Vorteil, der aus dem Steueraufkommen winkt. Dr. Andreas Richter Jetzt debattieren wir ja schon seit einigen Jahren über die richtige Erbschaftsteuer und die Forderung, die auch hier heute auf dem Podium erhoben wird, die klingt ziemlich vertraut, nämlich eine Verbreiterung der Bemessungsgrundlage, Erhöhung der Steuerfälle und Absenkung der Tarife. Das ist in der Diskussion bis vor einem Jahr, glaube ich, auch noch von dem einen oder anderen Politiker vorgetragen worden. In Fachkreisen ist es eigentlich mehr oder weniger Konsens, dass das der richtige Weg wäre, auch vor dem Hintergrund geringer werdender Substanzsteuerelemente in der Steuergesetzgebung insgesamt. Die Frage an das Podium: Es ist ja nicht gekommen, warum ist es so schwierig in der Umsetzung, woran hapert es? Woran hapert ein Niedrigsteuermodell mit Verbreiterung der Bemessungsgrundlage? Warum wird es nicht umgesetzt?
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1. Teil: Unternehmens- und Vermögensübergang im Erbfall
Prof. Dr. Georg Crezelius Das will die Politik expressis verbis nicht. Und da ist auch das verfassungsrechtliche Problem, Herr Schön hat es, glaube ich, auch gesagt. Ich halte eine Steuer für verfassungswidrig, bei der die gesetzgeberische Vorgabe lautet, es sollen nur 10 % der steuerbaren Sachverhalte/der Erbfälle überhaupt besteuert werden. Das ist die Situation, die wir bei der Grunderwerbsteuer hatten und die dann vor gut 15 Jahren glücklicherweise geändert worden ist. Dr. Andreas Richter Vielleicht doch noch einmal die Frage an Herrn Piltz als Berater, als Begleiter von Unternehmern, die diese Themen angehen. Was ist denn in der Praxis das größere Problem? Ist es tatsächlich die Gestaltung der Gesellschaftsverträge mit den Fragen Abfindungen, Pflichtteil und zum sehr besonderen, eigentümlichen deutschen Ehegüterrecht – wir haben ja im Überblick heute gehört, wo die Besonderheiten liegen – oder ist es die Belastung mit der Erbschaftsteuer, von der wir hören, dass sie doch in der Summe für den Beobachter erstaunlich niedrig ist? Wo drückt den Unternehmer in der Praxis der Schuh? Prof. Dr. Detlev Piltz Der Schuh drückt nicht in der Durchschnittsbelastung der Erbschaftsteuer. Die beträgt auf unternehmerisches Vermögen im Durchschnitt 6 %. Das ist eine unbedeutende Zahl, die jeder bezahlen kann. Diese Zahl stammt nicht von mir, sondern das Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung hat sie mal ermittelt. Das ist eine verhängnisvolle Zahl. Sie entspricht etwa dem, wenn Sie sich, wenn Sie nach Hause gehen, auf eine Herdplatte setzen und die Füße in Eiswasser tun. Dann ist ihre Durchschnittstemperatur ausgezeichnet. Aber, meine Damen und Herren, sonst geht es Ihnen schlecht. Der Nachteil des deutschen Erbschaftsteuerrechts, wie wir es jetzt haben, ist die Erratik. Es kann durchaus sein, dass Sie ein 100 Millionen wertes Unternehmen für einen Steuerwert von 10 oder 20 Millionen für einen Appel und ein Ei durch die Erbschaftsteuer kriegen. Das ist genau das, was Herr Viskorf vor ein paar Jahren in dem berühmten BFH-Beschluss moniert hat. Es kann aber genauso sein, dass Sie, meine Damen und Herren, durch eine Verkettung von Umständen auf 50, 60 oder 70 % und noch mehr Steuer kommen. Als Beispiel nehme ich mich. Nehmen wir mal an, ich sterbe. Dann hinterlasse ich meinen Erben keinen Gesellschaftsanteil, weil der nicht vererblich ist. Die kriegen eine Abfindung. Und diese Abfindung unterwerfen sie erst einmal der Einkommensteuer. Wenn die Abfindung 100 ist, dann sind schon 45 weg. Und auf den Rest, die 55, die übrig bleiben, zahlen sie dann die Erbschaftsteuer. Sind zusammen 65 %. Meine Damen und Herren, der größte anzunehmende Unfall der deutschen Vermögensnachfolge ist die Kombination von Erbschaftsteuer und Verkaufszwang. Dann sind Sie wirklich am Ende. Nehmen Sie an, Sie erben ein Vermögen mit 100 Mio. Euro Steuerwert und 30 Mio. Euro Anschaffungskosten, also einer stillen Reserve von 70 Mio. Euro. Wenn die Erbschaftsteuer 50 % ist (so das geplante Recht für Geschwister, Neffen, Nichten), sind 50 Mio. Euro Erbschaftsteuer fällig. Wenn zu deren Beschaffung für 100 Mio. Euro verkauft wird (was praktisch stets nötig sein wird), fallen auf 42
V. Podiumsdiskussion
die 70 Mio. Euro ca. 33 Mio. Euro Einkommensteuer an. Dem Erben verbleiben sage und schreibe 17 Mio. von 100 Mio. Euro. Die Erratik ist das Problem. Oder denken Sie an die Fälle, wo der Start-up-Unternehmer, solange er aktiv ist, einen fabelhaften Börsenkurs erzielt und stirbt. Und dann die Aktien, die vor seinem Tode noch viel Geld wert waren, plötzlich abstürzen, aber noch zu dem Kurs zum Todeszeitpunkt der Erbschaftsteuer unterliegen. Die Erratik und Unberechenbarkeit der Steuerbelastung ist das Problem. Wenn wir ein Steuerrecht für Unternehmen hätten mit Bewertung zum gemeinen Wert und Steuersätze zwischen 5 und 10 %, vielleicht verbunden mit einer Stundung, dann hätten wir die ganzen Probleme gar nicht. Es sind Extrembelastungen, die es so schwierig machen. Dr. Andreas Richter Es ist das In-Extreme-Gehen und die Summe von Besonderheiten. Wir sprechen ja nicht nur über die erbschaftsteuerliche Belastung, sondern haben uns jetzt nochmal die einkommensteuerlichen Effekte, Pflichtteilsaspekte, Zugewinnaspekte vor Augen geführt. Das sind in der Summe die Besonderheiten, die einer Tätigkeit oder Ansässigkeit in der deutschen Volkswirtschaft anhaften. Wir haben gehört, dass andere Länder die Erbschaftsteuer abgeschafft haben. Ist es denn, Herr Crezelius, nicht doch so, dass es ein gesellschaftliches Interesse daran gibt, die Familienunternehmen zu entlasten? Prof. Dr. Georg Crezelius Das habe ich ja im Vortrag gesagt, das sehe ich in der Tat. Die jetzige wirtschaftliche Situation und alle Umfragen zeigen, dass Familienunternehmen trotz der persönlichen Nachfolgeprobleme eigentlich sehr gut dastehen, weil sie offenbar flexibler agieren können. Diese Familienunternehmen muss man entlasten, und man muss sie meines Erachtens auch von drohenden Pflichtteilsansprüchen entlasten. Meine Erfahrung mit Unternehmern ist, dass sie mehr Angst vor dem Pflichtteilsanspruch als vor der Erbschaftsteuer haben. Deshalb meine ich, hier sollte der BGB-Gesetzgeber tätig werden, dass er den Pflichtteilsanspruch ein wenig beschneidet. Das würden Sie ja wohl auch befürworten, wenn Sie sagen, dass das Pflichtteilsrecht eigentlich durch die Sozialstrukturen des 19. Jahrhunderts bedingt ist, als die Kinder sich mangels Ausbildung noch nicht selbst versorgen konnten. Das haben wir heute alles nicht mehr. Prof. Dr. Jens Beckert Ich selbst habe zu diesem Thema in einem Aufsatz Anfang des Jahres geschrieben, mit genau dieser Forderung einer weitgehenden Abschaffung des Pflichtteilsrechts. Prof. Dr. Rudolf Mellinghoff Also das Pflichtteilsrecht wird man nicht gänzlich abschaffen können. Da stehen das Bundesverfassungsgericht und die Verfassung vor. Gleichzeitig wundert es mich, dass eine Abschaffung oder die Beschränkung des Pflichtteilsrechts – wenn ich es richtig verstanden habe – der Kapitalakkumulation dienen soll und damit dem Erhalt des Unternehmens, nicht aber Gemeinwohlzwecken. Ich will nur noch einmal in Erinnerung rufen, welche unterschiedlichen Positionen hier auf dem Podium vertreten werden. Es 43
1. Teil: Unternehmens- und Vermögensübergang im Erbfall
erstaunt mich ein wenig, Herr Beckert, dass Sie einerseits für die Abschaffung des Pflichtteilsrechts plädieren, aber in dem gleichen Zusammenhang auf das übergehende Vermögen den Steuersatz in Höhe der Einkommensteuer ansetzen wollen. Das bedeutet doch nichts anderes, als dass aus Ihrer Sicht das Vermögen zu erheblichen Teilen nicht in der Familie bleiben, sondern dem Staat zufallen soll. Und aus meiner Sicht würde ich dann erwidern, das Vermögen sollte lieber in der Familie bleiben, ehe es zum Staat geht. Prof. Dr. Wolfgang Schön Ich würde gerne – wir haben ja nicht mehr viel Zeit auf diesem Podium – nochmal einen Punkt aufgreifen, den Herr Beckert im Rahmen seines Einleitungsvortrags erwähnt hat und von dem ich glaube, dass er zu dieser Veranstaltung sehr gut passt. Das ist das Thema Erbschaftsteuerrecht und Gemeinnützigkeit. Herr Richter hat am Anfang Warren Buffett zitiert. Warren Buffett gehört zu einer Gruppe von sehr reichen Amerikanern, die vor zehn Jahren, als das Erbschaftsteuerrecht abgeschafft werden sollte und dann ja auch langsam durch den Kongress zum Ausklingen gebracht wurde, zusammen mit Bill Gates und anderen einen Aufruf unterzeichnet hat: „Behaltet die Erbschaftsteuer, schafft sie nicht ab!“ Dies geschah mit der wesentlichen Begründung, dass die Existenz der Erbschaftsteuer das entscheidende Incentive für vermögende US-Amerikaner sei, große Teile ihres Vermögens gemeinnützigen Einrichtungen zuzuwenden. Ich bin kein Soziologe, der in der Lage ist, die dahinter stehenden gesellschaftlichen Prozesse zu untersuchen. Aber wenn Warren Buffett, Bill Gates und andere einen solchen Aufruf unterzeichnen, der erst einmal kontraintuitiv für uns erscheint, dann dürfen wir annehmen, dass sie wissen, wovon sie reden. Daher möchte ich doch noch einmal auch in das Podium hinein die Frage zurückgeben, ob nicht ein maßvolles Erbschaftsteuerrecht sinnvolle Anreize für gemeinnützigkeitsorientierte Zuwendungen setzen kann, ob das also nicht auch ein Faktor ist, der bei der Neugestaltung oder bei der Frage nach der Abschaffung berücksichtigt werden muss? Dr. Andreas Richter Meinungen dazu? Prof. Dr. Rudolf Mellinghoff Also ich würde mal sagen, da liegt die Gemeinwohlbindung auf der Hand. Wenn solchen gemeinnützigen Institutionen Gelder zugewendet werden, ist es auf jeden Fall gerechtfertigt, diese von der Erbschaftsteuer freizustellen. Prof. Dr. Wolfgang Schön Es geht darum, dass der Spender, d. h. der Schenker, nicht sein Geld in der Familie lässt oder an Geschwister gibt, von denen Erbschaftsteuer gezahlt werden muss, sondern sein Vermögen lieber zu einem gewissen Teil der Harvard University oder anderen großen Einrichtungen überlässt, z. B. dem Metropolitan Museum, wo es dann erbschaftsteuerfrei voll zum Einsatz kommen kann. Das ist das, wovon Gates und Buffett reden, und wovon ich nicht weiß, ob das aus Sicht der deutschen Unternehmensstruktur, der Eigentümerstruktur, auch eine sinnvolle Fragestellung ist. 44
V. Podiumsdiskussion
Dr. Andreas Richter Wir haben in der Praxis in vielen Fällen Verbindungen von gemeinnützigen Stiftungen und Unternehmen. Die gemeinnützige Stiftung ist seit Jahrzehnten schon für Unternehmer eine zu prüfende Option gewesen, und wir haben einige leuchtende Beispiele in Deutschland. Der Schuh drückt, Herr Crezelius, wahrscheinlich beim Zivilrecht im Sinne des Pflichtteilsrechts. Sie hatten ja die eine oder andere Änderung vorgestellt, die kommen soll, die berühmten sieben Paragrafen, die Sie erwähnt hatten, die alle in Aufregung versetzen. Ist denn da vorgesehen, dass es Maßnahmen zur Beschränkung des Pflichtteilsrechts gibt, wenn es um Zuwendungen an gemeinnützige Organisationen geht? Prof. Dr. Georg Crezelius Ein paar marginale Änderungen, aber das ist keine grundsätzliche Reform. Ich glaube, Herr Schön, Sie meinen doch, dass man sowohl zivilrechtlich als auch steuerrechtlich Motive schafft, dass man sozusagen ein „Sonderrecht für Zuwendungen an gemeinnützige Organisationen“ schafft. Prof. Dr. Wolfgang Schön Das existiert ja! Prof. Dr. Georg Crezelius Das existiert schon. Aber dass man es ausbaut, das meinen Sie ja. Wobei ich die Frage stelle, das habe ich ja auch gesagt, soll es denn tatsächlich der Gemeinnützigkeitskatalog der Abgabenordnung sein? Prof. Dr. Wolfgang Schön Also da hat meine Lehrerin, Frau Knobbe-Keuk, schon vor zwanzig Jahren Kritik geübt. Aber von Politikern, die von Trachtenvereinen gewählt werden wollen, wird man sich nicht eine Konzentration auf, sagen wir mal, die reine Wissenschaft versprechen können. Dr. Andreas Richter Und wahrscheinlich müsste man heute auch europarechtlich sehen, dass es nicht nur darum geht, Dinge in Deutschland zu fördern, sondern auch über die deutschen Grenzen hinaus. Jetzt haben Sie noch die letzte Gelegenheit zu abschließenden Bemerkungen zu unseren Themen. Unser Einstieg in die Diskussion war eher die allgemeine Steuerpolitik, wir haben uns dann mit der Erbschaftsteuer auseinandergesetzt und sind übergegangen zu den gestalterischen und den zivilrechtlichen Fragen. Ich bitte die Podiumsteilnehmer um Schlussbemerkungen, wenn hier Bedarf besteht. Prof. Dr. Jens Beckert Vielleicht noch ganz kurz zu der Frage von Stiftungen. Das ist tatsächlich ein Thema in den USA in der Nachlasssteuerdiskussion Ende der 90er Jahre gewesen. Es waren insbesondere Stiftungen, die sich für den Erhalt der Nachlasssteuer eingesetzt haben. Es 45
1. Teil: Unternehmens- und Vermögensübergang im Erbfall
gibt sozialwissenschaftliche Untersuchungen von Ökonomen, Simulationsuntersuchungen, die eben genau solche Anreizstrukturen aufzeigen. Mit dem Absenken der Nachlasssteuer wurde erwartet, dass es auch zu einer Abnahme von Spenden an gemeinnützige Organisationen kommen würde. Also der Zusammenhang, den Herr Schön darstellt, der besteht. Es ist in der Tat die Frage, ob nicht eine Rechtfertigung von Erbschaftsbesteuerung genau darin bestehen kann, dass man damit auch Gemeinnützigkeit fördert. Prof. Dr. Wolfgang Schön Vielleicht wenn ich eine letzte Wortmeldung, die gar nicht mehr fachlicher Natur ist, anschließen kann. Unser Institut freut sich sehr, lieber Herr Pöllath, Mitveranstalter des heutigen Symposions zu sein. Viele wissen, dass Herr Pöllath der Max-Planck-Gesellschaft verbunden ist. Nicht viele wissen, dass er vor 35 Jahren schon Mitarbeiter unseres Instituts war. Wenn man in den Annalen der Schriftenverzeichnisse nachschaut, war er sogar der Allererste, der je dort einen Aufsatz zur Besteuerung geistigen Eigentums geschrieben hat. Insoweit habe ich die Einladung gerne angenommen, diese Veranstaltung mit Ihnen zusammen auszurichten und freue mich, dass wir diskutieren durften. Dr. Andreas Richter Lieber Herr Professor Schön, diesen Dank geben wir sehr gern auch an Sie zurück. Vielen Dank, sehr verehrte Damen und Herren, für Ihre Aufmerksamkeit. Ganz herzlichen Dank an die Teilnehmer des Podiums, an unsere Referenten und die Diskutanten. Wir haben einen weiten Bogen geschlagen. Das Thema Erbschaftsteuer, Nachfolge, Erbe, Vermögen ist nicht nur emotional besetzt, sondern auch ideologisch. Es ist aber auch tagtäglich Gestaltungsaufgabe für rechtliche und steuerliche Beratung. Es wird uns weiterhin beschäftigen. Wir bedanken uns ganz herzlich für Ihre Teilnahme an diesem ersten Teil des wissenschaftlichen Symposions.
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2. Teil Leistungs- oder erfolgsabhängige Vergütung und Vermögensbildung I. Einleitung und Vorstellung der Referenten Dr. Matthias Bruse, P+P München
Meine Damen und Herren! Ich begrüße Sie ganz herzlich zum zweiten Teil unseres Symposions. Thema: Leistungs- oder erfolgsabhängige Vergütung und Vermögensbildung. Professor Birk hat heute Mittag schon kurz darauf hingewiesen: Als Reinhard Pöllath und er und andere dieses Thema Anfang letzten Jahres konzipierten, konnten sie gar nicht ahnen, wie dieses Thema sich im Realleben entwickeln würde. Wir sind jetzt überrascht, oder auch weniger überrascht – das können wir nach dieser Diskussion vielleicht besser feststellen –, dass wir gerade in den letzten Wochen zu einigen Aspekten dieses Themas eine sehr heftige Diskussion erlebt haben. Diese ist natürlich im Wesentlichen politisch motiviert, hat aber auch offensichtlich juristische Implikationen. Wenn man sich nur mal versucht, vor Augen zu führen, welche Stichworte da gefallen sind: Man hat gehört von gesetzlicher Deckelung von Vorstandsbezügen. Man hat gesagt, wir müssen Verhältnisse schaffen wie in Japan. In Japan verdient ein Vorstandsvorsitzender angeblich maximal das Zwanzigfache des durchschnittlichen Arbeitnehmers. Solche Regelungen sollen, und das ist laut Presse empirisch gesichert, von 70 % der Bundesbürger gewünscht sein. Also, da haben wir offensichtlich ein richtiges Thema. Es gab dann andere Einwürfe in der Diskussion, die waren de lege ferenda mehr rechtstechnischer Natur. Man hat gesagt, Transparenz ist wichtig, und wenn es heute immer noch Möglichkeiten gibt, über Hauptversammlungsbeschlüsse Transparenz, z. B. bei Vorstandsvergütungen, einzuschränken, dann möge man doch bitte diese Ausnahmen endgültig zu den Akten legen. Man hat auch gesagt, man müsse sich überlegen, ob die Aufsichtsräte überhaupt noch die richtigen Organe sind, sich über Vorstandsvergütungen Gedanken zu machen, ob man nicht vielleicht die Hauptversammlung irgendwie einbindet. Wie das geschehen soll, war zum Teil unklar. Letztlich wurde die Diskussion natürlich auch in steuerlicher Hinsicht geführt. Einige haben gesagt: Wenn das eben so unverschämt hohe Vergütungen sind, dann möge man doch schlicht und einfach den steuerlichen Abzug verweigern. Andere haben gesagt: Den Abzug zu verweigern ist vielleicht schwierig, aber dann doch bitte schön die Steuern erhöhen. Irgendwo müssen diese „wind falls“ abgegriffen werden. – Dies sozusagen zur Einstimmung aus der aktuellen, eher populistischen denn vernünftig geführten Diskussion.
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2. Teil: Leistungs- oder erfolgsabhängige Vergütung und Vermögensbildung
Ich freue mich sehr, hier auf dem Podium begrüßen zu dürfen, zu meiner Linken die Referenten, mein Seniorpartner Reinhard Pöllath, Prof. Hoffmann-Becking aus Düsseldorf von der Kanzlei Hengeler Mueller und Dr. Thomas von der Kanzlei Thomas Deckers Wehnert Elsner in Düsseldorf, und zu meiner Rechten die Diskussionsteilnehmer, ab hier sozusagen die reine Sozietätswelt, Prof. Saenger, Universität Münster und zugleich Counsel unserer Sozietät in unserem Frankfurter Büro, und meine Partner Dr. Andreas Rodin aus unserem Frankfurter Büro und Dr. Thomas Töben aus unserem Berliner Büro. So weit das Podium. Dann, würde ich vorschlagen, starten wir mit dem ersten Beitrag „Selbstbetroffenheit bei Entscheidungen: Erfolgsabhängige Vergütung vs. Unternehmens- und Vermögensertrag“. Herr Pöllath.
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II. Selbstbetroffenheit bei Entscheidungen Erfolgsabhängige Vergütung vs. Unternehmens- und Vermögensertrag Prof. Dr. Reinhard Pöllath, P+P Berlin
Inhaltsübersicht 1. Überblick 2. Vergütung der Leistung von Unternehmer, Investor, Manager und Berater a) Interessengleichlauf oder Interessengegensatz-Potential? aa) Vergütung = Gegenleistung für vergangene oder künftige Leistung bb) Vergütung = Leistungsanreiz: Interessengegensatz oder -gleichlauf b) Gewinn und Vergütung aa) Unternehmer: Gewinn bb) Mitarbeiter: Vergütung c) Erfolgsbeteiligung durch Wertbeteiligung = ultimativer Leistungsanreiz? aa) Zeitraum bb) Risiko cc) Wert, Zeit, Risiko dd) Aktienoptionen als Beispiel ee) Selbstbetroffenheit 3. Gesellschafts- und wirtschaftswissenschaftliche Studien a) Leistung und Vergütung, z. B. Immobilien-Makler-Provision aa) Lineare Umsatzprovision bb) Progressive Staffel cc) Festpauschale und andere Modelle b) Leistung durch Zeiteinsatz, Erfahrung oder Expertise? aa) Aktien-Prognosen: Laien vor Experten bb) Partielle Unwissenheit und Heuristik cc) Schach: Vielzahl statt Paar c) Zeit und Richtigkeit d) Wisdom of the crowds e) Folgerungen für Vergütungssysteme aa) Zeitbezogene Vergütung bb) Erfolgsbezogenheit cc) Neutralität (Interessengleichlauf, Indifferenz) 4. Immaterielle Leistungsanreize (Motivation) a) Freude an Arbeit und Anerkennung b) Materielle neben immateriellen Anreizen
c) Biochemische und genetische Grundlagen/Reputation 5. Materielle feste oder variable Vergütungen a) Leistungsbezogene Vergütungen b) Erfolgsbezogenheit c) Bestimmung/Messung von Leistung/ Leistungserfolg vs. Festvergütung aa) Verständlichkeit bb) Gewichtigkeit cc) Messbarkeit und Manipulationsschutz dd) Festlegung im Voraus vs. Beurteilung im Nachhinein ee) Einfluss des Mitarbeiters und Gefährlichkeit d) Interessengleichlauf-Mechanik statt Leistungsanreiz 6. Kapitalanlagen und Leistungsanreize für Investmentmanager a) Von der Wertgebühr (Umsatzprovision) zum Erfolgshonorar aa) Gebühren und Provisionen bb) Erfolgshonorare und Risiko b) Interessengleichlauf („alignment of interests“) aa) Managementgesellschaften der Manager bb) Festgebühren mit wenig Gewinn cc) Interessengleichlauf durch Erfolgsbeteiligung und Eigenmittel dd) Manager der Zielunternehmen ee) Private-Equity-Konzepte verallgemeinerungsfähig: Selbstbetroffenheit 7. Recht und Steuer a) Recht aa) Leistungsaustausch (gegenseitiger Vertrag) bb) Gesellschaft cc) Kombinationen dd) Angemessenheitsprüfung (1) Vielzahl von Begründungen der Angemessenheit
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2. Teil: Leistungs- oder erfolgsabhängige Vergütung und Vermögensbildung (2) Weite Grenzen vor allem zum Interessengleichlauf (3) Zulässigkeit im Übrigen b) Steuer aa) Einkunftsart
bb) Gemeinschaftliche Einkunftserzielung cc) Anders bei Kapitalgesellschaften dd) Abweichende Erlösverteilung 8. Zusammenfassung
1. Überblick Dieser Beitrag befasst sich mit fünf Fragenkreisen im Umfeld des Gegensatzes zwischen Unternehmen, Vermögen, Kapital, Gewinn und Wertsteigerung einerseits und Arbeit, Dienstleistung, Leistungsanreiz, Interessenkonflikt und Vergütung andererseits: –
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Ist die Vergütung für Arbeit/Dienstleistung einfach angemessene Gegenleistung (Lohn) für eine erbrachte Leistung, oder ist sie erfolgsorientierter Anreiz für künftige Leistung, und überbrückt oder schafft sie als Leistungsanreiz Interessenkonflikte? Was kann die Unternehmenspraxis aus den – oft spannenden – gesellschafts- und wirtschaftswissenschaftlichen Studien lernen? (Sie sind im Folgenden jeweils in einem Rahmen angegeben.) Was kann man daraus lernen, dass gerade absolute Spitzenleistungen typischerweise „immateriell“ motiviert sind, reputationsgetrieben („Ego“) oder sogar altruistisch? Die (materiell) variable Vergütung als Mittel gegen Indifferenz des Leistungserbringers schafft bestimmungsgemäß Interessiertheit und ist damit Quelle von Interessenkonflikten. Zugleich ist sie als Beteiligung am Erfolg bestimmungsgemäß Mittel zum Interessengleichlauf („alignment of interests“): Was steht wann und unter welchen Voraussetzungen im Vordergrund? Interessengleichlauf bei Vermögensanlagen (zwischen Investor und Manager) ist nicht nur eine Methode, sondern ein inhaltliches Anlage- oder Geschäftsmodell: Freiheit und Verantwortlichkeit des Managers innerhalb seines Anlagekonzepts, das er unternehmerisch umsetzt. Ist das Modell des Interessengleichlaufs bei hoher Transparenz der Erfolgsmessung (wie bei Private-Equity- und anderen „alternativen“ Vermögensanlagen) dem Modell weisungsgebundener Vermögensanlage mit Interessengegensatz in der Vergütung überlegen? Was ergibt sich daraus für Unternehmen? Welche rechtlichen Konsequenzen ergeben sich aus diesen Überlegungen (z. B. zur Frage der Angemessenheit von Managervergütungen)? Welche steuerlichen Konsequenzen ergeben sich (z. B. zur Einordnung von Leistungsvergütungen in die Einkunftsarten)?
Der Beitrag befasst sich nicht mit der Höhe und Angemessenheit von Vergütungen als solcher. Auch dazu gibt es Studien anhand des sogenannten Ultimatum-Spiels zur Messung empfundener Fairness:1 ________________________ 1 Auswertungen des Miterfinders Werner Guth, Direktor am Max-Planck-Institut für Ökonomie, Jena; vgl. Brand Eins 7/2007, S. 146–147.
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II. Selbstbetroffenheit bei Entscheidungen
Zwei Spieler teilen einen Geldbetrag so untereinander auf, dass der eine dem anderen einen Teilbetrag anbietet. Nimmt der andere an, so gilt die Aufteilung; lehnt er ab, so erhalten beide nichts. Statistisch liegt die Aufteilung durchschnittlich bei 62:38 oder 1,62, dem sogenannten Goldenen Schnitt oder Fibonacci-Verhältnis. Bei sieben2 Hierarchie-Stufen ergibt das eine Spanne in Höhe des gut 20-Fachen zwischen dem Facharbeiter und dem Vorstandsvorsitzenden. Beim durchschnittlichen Einkommen von Vollzeit-Angestellten in Deutschland 2005 von 40.000 Euro ergibt das ein als fair empfundenes Jahresgehalt an der Spitze von über 1 Mio. Euro.3
2. Vergütung der Leistung von Unternehmer, Investor, Manager und Berater a) Interessengleichlauf oder Interessengegensatz-Potential? Vergütung im weiteren Sinn hat immer zunächst zwei Seiten, und jede dieser zwei Seiten hat zwei gegenläufige Teile. aa) Vergütung = Gegenleistung für vergangene oder künftige Leistung Einerseits ist Vergütung Gegenleistung: Lohn für in der Vergangenheit Geleistetes, der angemessen sein soll, und Anreiz für in der Zukunft zu Leistendes. Die Frage der Angemessenheit stellt sich entweder bezogen auf den „inneren Wert“ der erbrachten Leistung oder bezogen auf den vom Leistungsempfänger angestrebten künftigen Erfolg, zu dem der Leistende angereizt werden soll. bb) Vergütung = Leistungsanreiz: Interessengegensatz oder -gleichlauf Andererseits ist Vergütung nicht Gegenleistung, sondern Mittel zur Interessen-Steuerung. Das zeigt sich schon in der soeben genannten Bedeutung von Vergütung als Leistungsanreiz: Ein Anreiz schafft Interesse im Leistungserbringer. Der Leistungsempfänger will mit dem Anreiz (Vergütungsversprechen) das (wirkliche oder vermeintliche) Desinteresse des Leistenden am Erfolg seiner Tätigkeit für den Leistungsempfänger beseitigen oder mildern und damit einen Interessengegensatz überbrücken, nämlich den zwischen Erfolgsinteresse des Leistungsempfängers und Erfolgs-Desinteresse des Leistenden. Ein Leistungsanreiz ist insofern immer eine Mechanik zur Herstellung von Interessengleichlauf zwischen Unternehmer/Eigentümer/Investor und Arbeitender/Dienstleister/Manager/Berater. So wie sich der Gewinn des Unternehmers oder Anlegers im Allgemeinen einer Angemessenheitsprüfung entzieht, so mag das auch für den an diesem Gewinn auszurichtenden Dienstleister gelten. Dazu am Ende dieses Beitrags mehr. Ist der Manager oder andere Dienstleister direkt am Gewinn des Unternehmers oder Anlegers beteiligt, so kann tatsächlich ein Interessengleichlauf erreicht werden. Wie wir gleich sehen werden, ist dies aber kaum je der Fall. Mehr noch, selbst wenn es der Fall wäre, ergibt sich daraus noch nicht völlige und oft noch nicht einmal ________________________ 2 Müllersche Zahl; in der Kognitionspsychologie seit den 1950er Jahren Maßzahl der Gedächtnisspanne des Menschen; siehe unten S. 65, 77. 3 Langen, Brand Eins 7/2007, S. 147.
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2. Teil: Leistungs- oder erfolgsabhängige Vergütung und Vermögensbildung
überwiegende Gleichgerichtetheit der Interessen von Leistungsempfänger und Leistenden. Denn schon objektiv werden die beiden kaum je „halbe-halbe“ machen, und je nach Bemessungsgrundlage und anderen Umständen könnten zum Beispiel 50 % (oder 1 %) für den Leistenden ein Überanreiz zur Eingehung von Risiken in Verfolgung der Gewinnchance sein, während ihn 1 % (oder 50 %), weil nicht hinreichend erheblich, uninteressiert lassen könnte. Zudem kommt es nicht nur auf die objektive Seite an, sondern vor allem auf ihre subjektive Wahrnehmung. Die kann sich bei Leistungsempfänger und Leistendem von Zeit zu Zeit (Lebensphase, Lebensumstände, Lebenssituation, Alternativen) grundlegend unterscheiden. Mit anderen Worten, im Leistungsanreiz einer Vergütung, der den Leistenden im Interesse des Leistungsempfängers interessieren soll, steckt sowohl eine Mechanik zur Herstellung von Interessengleichlauf als auch ein Potential für Interessengegensatz, und das in wechselnden Mischungsverhältnissen. b) Gewinn und Vergütung Gewinn und Vergütung sind Gegensätze. aa) Unternehmer: Gewinn Unternehmer und Investoren erzielen Gewinn oder erleiden Verlust. Sie arbeiten (und auch wo sie nicht arbeiten i. e. S., leisten sie), aber nicht für eine Vergütung als Gegenleistung, sondern mit der Aussicht auf Gewinn (und dem Risiko von Verlust). Im Verhältnis Leistung–Gegenleistung stehen, jedenfalls grundsätzlich und gedanklich, die Umsätze (Erlöse) des Unternehmens in den einzelnen Leistungs-Gegenleistungs-Beziehungen (Lieferungen und Leistungen) mit den Kunden oder Lieferanten, nicht dagegen die unternehmerische Leistung insgesamt in ihrem Verhältnis zur Gewinnerwartung. Das wird deutlich am Beispiel des Beraters, der selbst Unternehmer ist: Er erbringt eine Leistung, die durch eine Gegenleistung (Honorar) vergütet wird und die in den Gewinn seines Beratungsunternehmens eingeht, der aber seinerseits nicht Gegenleistung ist. Darüber hinaus löst sich die Vergütung von Leistungen eines Unternehmens auch konzeptionell immer mehr vom konventionellen Denken in Leistung und (angemessener) Gegenleistung: Das Unternehmen, das seinem Kunden etwas liefert oder leistet, kalkuliert das angestrebte Entgelt allenfalls bezüglich der Untergrenze anhand seiner Kosten. Anstreben wird das leistende Unternehmen eine Gegenleistung als Anteil an dem Vorteil, den es dem Kunden verschafft. Wer also z. B. durch einen Zusatzstoff oder Verfahrenseinsparungen seinem Kunden einen Vorteil von 100 verschafft, wird versuchen, sich von den eigenen Kosten von z. B. 1 als Kalkulationsbasis zu lösen und auch eine Spanne von 100 % oder mehr auf die eigenen Kosten anstreben und gegebenenfalls erlangen. Maßstab der Angemessenheit ist nicht der Aufwand des Leistenden, sondern der Vorteil des Leistungsempfängers. „Vergütung“ des Unternehmers oder Investors ist nicht eine Gegenleistung für seine Leistung, sondern ein Gewinn. Mehr als das, angestrebter „Gewinn“ ist nicht der Überschuss oder Mehrwert bezogen auf die Einzelleistung oder bezogen auf alle Einzelleistungen einer Periode (z. B. Geschäftsjahr), sondern der Gesamtertrag („total return“) als Summe der laufenden Einnahmen-Überschüsse und der Wertsteigerung, mit ande52
II. Selbstbetroffenheit bei Entscheidungen
ren Worten: der Kapitalwert der Überschüsse der laufenden Periode und aller künftigen Perioden. Es ist leicht ersichtlich, dass ein Interessengleichlauf mit Mitarbeitern insofern schwer oder nicht erzielbar sein wird und dass das Anknüpfen an Teilgrößen und Kennzahlen (z. B. Umsatz oder Umsatzsteigerung, Börsenkurs, EVA4) zumindest ebenso viel Potential für zusätzliche Interessengegensätze schafft, wie es (teilweise) einen Interessengleichlauf erreicht. Dazu unten mehr. bb) Mitarbeiter: Vergütung Manager, Berater und andere Dienstleister erbringen Dienste (oft: Dienste „höherer Art“) für eine Gegenleistung. Sie ist nicht identisch mit dem angestrebten Erfolg des Leistungsempfängers (Unternehmer, Investor). Mehr noch, zunächst und augenscheinlich ist sie dazu sogar negativ korreliert, nämlich als Kosten, die den Gewinn des Leistungsempfängers mindern. Ganz banal, der Leistungsempfänger ist an der Leistung interessiert, die Gegenleistung ist für ihn zunächst unvermeidliches Übel. Primäres Ziel des Leistungsempfängers ist die Erlangung der Leistung, sekundäres Ziel ist die Minderung oder Vermeidung der Gegenleistung. Positiv beschäftigt sich der Leistungsempfänger mit der von ihm zu erbringenden Gegenleistung nur auf dem Umweg eines angenommenen Zusammenhangs zwischen der Höhe und vor allem der Variabilität der Gegenleistung einerseits und dem Leistungswillen des Leistenden andererseits. Ob und unter welchen Voraussetzungen dieser Zusammenhang überhaupt besteht und ob und wie er positiv im Sinne von Leistungssteigerung genutzt werden kann, das mag man mit Erfahrung und gesundem Menschenverstand in der Praxis sinnvoll einschätzen (nämlich heuristisch, dazu nachstehend). Theoretisch und praktisch sind diese Zusammenhänge aber sehr schwer zu bestimmen, und ihre Ermittlung ist vielen und gravierenden Fehlern unterworfen, nachgewiesenermaßen gerade auch zu Lasten des Leistungsempfängers (Unternehmer, Anleger), der über Leistungsanreize diese Zusammenhänge für sich nutzen möchte. Beispiele dafür gibt es zuhauf: Hohe Vergütungsbestandteile, die starkes Wachstum des Geschäftsvolumens in einer Periode belohnen, reizen an zu nicht profitablem Wachstum. Ebit5- oder EVA6-bezogene Vergütungsbestandteile belohnen den Gewinnausweis in einer Periode zu Lasten künftiger Perioden außerhalb des Bemessungszeitraums; sie reizen also an zum Ausnutzen (Verbrauch) des vorhandenen Geschäftswerts (Desinvestition) statt zur Investition in den gegenwärtigen und künftigen Geschäftswert. Wertbezogene Vergütungsbestandteile (z. B. Aktienoptionen/Stock Options) vergüten Wertsteigerungen, insbesondere kurzfristige, ohne Wertverluste zu bestrafen, und reizen damit an zu nicht risiko-adjustiertem Erfolgsstreben, also genau zum Gegenteil dessen, was die meisten Unternehmer und Anleger beherrscht. Das Wort „Leistungsanreiz“ ist allgemein positiv besetzt. Das täuscht hinweg über die Schwierigkeiten der Definition und Messung von Leistung im Allgemeinen und der Definition von relevanter Leistung im Besonderen, also derjenigen Leistung des Managers oder Dienstleisters, die Einfluss hat auf den vom Leistungsempfänger ange________________________ 4 EVA = Economic Value Added/Wirtschaftliche Wertschöpfung = Ertrag nach Abzug einer Verzinsung des eingesetzten Kapitals. Siehe unten zu Fn. 50. 5 Ebit = Earnings before interest and taxes/Ertrag vor Zinsen und Steuern – operatives oder Betriebsergebnis. Siehe unten zu Fn. 49. 6 Siehe oben Fn. 4.
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2. Teil: Leistungs- oder erfolgsabhängige Vergütung und Vermögensbildung
strebten Erfolg (z. B. Unternehmenswert-Erhöhung). Schwierig ist auch die Unterscheidung zwischen angestrebter Einflussnahme des Managers auf diesen Erfolg im Unterschied zur „Manipulation“ von Leistungskennzahlen, mit denen dieser Erfolg möglichst gut, aber immer nur annäherungsweise gemessen werden soll. Dabei suggeriert das Wort „Manipulation“ eine Abgrenzbarkeit „guter“ (weil vom Leistungsempfänger gewollter) von „schlechter“ Einflussnahme (die für den angestrebten Erfolg irrelevant oder ihm sogar schädlich ist.) Eben diese Abgrenzung aber ist immer allenfalls über vermutete Zusammenhänge und über Hilfsgrößen möglich. Deshalb liegt es nahe, die Beurteilung der „erfolgreichen“ Leistung im Nachhinein vorzunehmen, wie beim diskretionären oder Ermessensbonus („nach Gutsherrenart“). Die Beurteilung im Nachhinein steht im Konflikt mit dem Leistungsanreiz, den die variable Gegenleistung ausüben soll: Der Leistende wird nur angereizt, wenn er im Voraus den Leistungsanreiz kennt und den Erfolg seiner Bemühungen für sich (nämlich durch Erhöhung seiner Gegenleistung) in Korrelation zum Erfolg seiner Leistung für den Leistungsempfänger (durch Steigerung dessen Unternehmenserfolgs) hinreichend verlässlich erwarten kann. Dieser Erwartung steht der Interessenkonflikt in der Person des die Beurteilung im Nachhinein vornehmenden Leistungsempfängers entgegen: Nach erlangter Leistung reduziert sich dessen Interesse an der Gegenleistung auf deren Minimierung oder Vermeidung, weil sie für ihn (jetzt nur noch) Kostenelement ist. Für ihn zukunftsorientiert und damit seinem Interesse gerecht ist eine höhere variable, im Nachhinein gewährte Gegenleistung nur insofern, wie das seiner Reputation als guter Dienstgeber (Auftraggeber) und verlässlicher Geschäftspartner zuträglich ist und ihm deshalb seinerseits in Zukunft (!) Vorteile in seinen Leistungsbeziehungen bringt. Dazu nachstehend in 5 sowie S. 78. Typisch für die variable Gegenleistung als Leistungsanreiz ist daher ihr Versprechen im Voraus. Daraus hat die Rechtssprechung jüngst sogar strafrechtliche, zumindest aber wohl zivilrechtliche Konsequenzen hergeleitet:7 Um Leistungsanreiz zu sein, müsse der erfolgsbezogene Manager-Bonus im Voraus versprochen sein. Konsequenterweise müsste man dann verlangen, dass er auch im Voraus anhand von Leistungskennzahlen (wohlgemerkt: im normalen Unternehmensleben bloße Hilfsgrößen) vorbestimmt ist. Sollte es also nicht im Unternehmensinteresse und vielleicht sogar strafbar sein, wenn – wie gang und gäbe – der Auftraggeber (Verkäufer) nach einer Transaktion in seinem freien Ermessen Boni an Dienstleister wie Rechtsanwälte („Premium“ als Zusatzhonorar) oder Investmentbanker („discretionary bonus“) gewährt? Für Rechtsanwälte wäre das Dilemma besonders krass: Das im Voraus versprochene Erfolgshonorar war bisher8 berufsrechtlich verboten und unwirksam, das im Nachhinein gewährte Erfolgshonorar wäre mangels Unternehmensinteresses unwirksam und eventuell sogar strafbar. Der Leistungsempfänger neigt dazu, sich Ermessen oder Beurteilungsspielräume ex post vorzubehalten. Denn er weiß um die Unzuverlässigkeit der Leistungsdefinition und -messung (anhand Hilfsgrößen) und um die Fragilität des Zusammenhangs von individueller Leistung und Gesamtleistungserfolg. Er will durch Ermessen ex post seine Kontrolle über Leistung und Leistungserfolg verbessern. ________________________ 7 Siehe dazu die Vorträge von Hoffmann-Becking und Thomas in diesem Band, S. 91 ff., 97 ff. 8 Vgl. seit 1.7.2008 § 4a Abs. 1 RVG n. F., wonach unter bestimmten Voraussetzungen auch im Voraus ein Erfolgshonorar vereinbart werden kann (BGBl. I 2008, 1000).
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II. Selbstbetroffenheit bei Entscheidungen
c) Erfolgsbeteiligung durch Wertbeteiligung = ultimativer Leistungsanreiz? Zusammengefasst, Leistungsanreize sollen den Leistenden im Interesse des Gegenleistenden „interessieren“. Sie sollen das (wirkliche oder vermeintliche) Desinteresse des Leistenden am Erfolg des Leistungsempfängers überwinden und ersetzen durch (unmittelbar) ein Interesse des Leistenden an seiner Gegenleistung, die sich am Erfolg des Leistungsempfängers, wie von ihm definiert, bemisst, und damit (mittelbar) ein Interesse den Leistenden am Erfolg des Leistungsempfängers. Der angestrebte Interessengleichlauf („alignment of interest“) zum Unternehmenserfolg entsteht daraus nur, wenn Messgröße der Gesamtertrag („total return“) des Leistungsempfängers (Unternehmer/ Investor) ist, also dessen Gesamtwertzuwachs (Netto-Vermögensmehrung) über den maßgeblichen Gesamtzeitraum. Die Wertbeteiligung kann sich als gesellschaftsrechtliche „echte“ Beteiligung darstellen oder als „Als-Ob-Beteiligung“ wie beim Phantom Stock. Die unterschiedliche steuerliche Behandlung der „echten“ gegenüber der „quasi“Beteiligung verhindert den Interessengleichlauf vielleicht nicht, schwächt ihn aber um die Höhe der Differenz der Steuerbelastungen und begründet zusätzlich zu diesen quantitativen auch qualitative Interessengegensätze (z. B. in Bezug auf den steuerlich günstigen Zeitpunkt der Gewinnrealisierung und dessen Planbarkeit). Siehe unten 7. aa) Zeitraum Hinzu kommt das Erfordernis der Wertbeteiligung über den Gesamtzeitraum. Ist dieser Gesamtzeitraum unbestimmt, potentiell unendlich, wie beim Familienunternehmen oder strategischen Unternehmen, so braucht deswegen die Manager- oder DienstleisterBeteiligung nicht gleichfalls „unendlich“ zu sein. Zumindest theoretisch könnte sie zwar über die Leistungsperiode hinausgehen (z. B. die Amtsperiode des Managers). Aber auch bei Abrechnung am Ende einer solchen Teilperiode lässt sich die potentielle Unendlichkeit des Eigentums und damit der ihm gleichlaufenden Wertbeteiligung widerspiegeln in der Bewertung. Denn der Ertragswert ist eben der Kapitalwert (Gegenwartswert) aller künftigen Überschüsse oder Wertzuwächse. Mit anderen Worten, die Bewertung am Ende der Teilperiode drückt die zum Interessengleichlauf erforderliche Unendlichkeit der Wertbeteiligung gedanklich zutreffend aus. Verwirklicht wird diese gedankliche Richtigkeit nach Maßgabe der Bewertungsformel, die ihrerseits anhand von Hilfsgrößen (z. B. vergangene, gegenwärtige und geplante künftige Ergebnisse) den Wert zu bestimmen versucht. Wegen der Unschärfen jeder Bewertungsformel gewinnt hier die Person des Bewerters und seine Reputation (dazu nachstehend) besondere Bedeutung. Die Verlässlichkeit des Bewerters, die grundlegend für die Wirksamkeit des Leistungsanreizes ist, beruht ihrerseits wesentlich auf dessen Unabhängigkeit und damit auf den Kategorien von Interessengleichlauf und Interessengegensatz-Potential, also insbesondere nach Maßgabe der Nähe des Bewerters zu demjenigen, der den Leistungsanreiz erhält oder gewährt. Diese Nähe kann durchaus von Zeit zu Zeit mehr zum einen oder mehr zum anderen hin bestehen und ist ihrerseits nicht so leicht bestimmbar, wie es erscheint. Die Bedeutung des soeben erörterten Themas „Unendlichkeit oder Bewertung“ zeigt sich positiv bei Private-Equity-Anlagen9. Private-Equity-Manager-Wertbeteiligungen sind – trotz ihrer kraftvollen Anreizwirkungen – im Unternehmensalltag nicht ohne ________________________
9 Anlagen in nicht börsennotiertem Unternehmenskapital. Siehe unten zu Fn. 51.
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2. Teil: Leistungs- oder erfolgsabhängige Vergütung und Vermögensbildung
Weiteres eins zu eins umsetzbar. Denn bei der Private-Equity-Investition ist der Erfolgsbemessungszeitraum für den Anleger und für den Manager identisch (vorbehaltlich „good leaver“/„bad leaver“10-Regeln). Anders gesagt, weil der Private-EquityInvestitionszeitraum eben endlich, regelmäßig sogar kurz ist, ist der Interessengleichlauf zwischen Investor (Eigentümer/Unternehmer) und Manager (Dienstleister) gesichert. Am Ende des Teilzeitraums der Leistungsperiode des Managers braucht nicht bewertet zu werden, sondern es wird effektiv abgerechnet, weil der Erfolgszeitraum des Investors eher kürzer ist als der des Managers und deshalb ein effektiver Verkauf den Erfolg für beide verbindlich misst. Eine nicht unwichtige Nebenbeobachtung: Zur Perfektionierung des Interessengleichlaufs und zur Vermeidung von Manipulations- oder zumindest fehlerbehafteten Hilfsgrößen akzeptiert der Investor (Leistungsempfänger) die Erfolgsbeteiligung des leistenden Managers anhand des effektiven Verkaufserlöses, obwohl der effektive Erlös keineswegs vollständig und vielleicht noch nicht einmal überwiegend dem Einfluss des Leistenden durch seine Leistung unterliegt.11 Abweichungen ergeben sich nicht nur aus Marktpreis-Unsicherheiten (z. B. Börsenklima, Fremdfinanzierungsmöglichkeiten, nachfolgende Erwerber), sondern auch aus fehlendem oder schwer bestimmbarem Kausalzusammenhang zwischen Leistung und Erfolg: Was hat der Vorstandsvorsitzende des Zielunternehmens durch seine Leistung konkret zu dem Erfolg eines hohen Verkaufspreises beim „Exit“ beigetragen, geschweige denn, was haben andere Mitglieder des oberen Managements oder darunter dazu beigetragen? Der Investor verzichtet bewusst auf alle solchen Kausalitäts-, Angemessenheits- und Gerechtigkeitserwägungen, um den Interessengleichlauf und den von ihm als Interessengleichlauf definierten Leistungsanreiz zu maximieren. Eben darauf beruhen die Kraft von Private-Equity-Managementbeteiligungen und deren erstaunlicher Investitionserfolg. Die Vergütungsordnung des Reichsbankdirektoriums von 1879 brachte gut zum Ausdruck, dass Leistungsanreize und variable Vergütungen allenfalls vorläufig am Teilperiodenerfolg gemessen werden können: Der Reichsbankdirektor musste seine Gewinntantieme bis zu seinem Ausscheiden aus dem Dienst stehen lassen und nahm mit ihr an Verlusten in Folgeperioden teil. bb) Risiko Identität der Erfolgskennzahl (Wert/Erlös) und des Erfolgsmessungszeitraums (Investitions- und Leistungsperiode) ist noch nicht alles. Denn der Erfolg des Investors, gemessen in Gesamtertrag/Wertsteigerung, ist nur risikoadjustiert zu beurteilen. Mit anderen Worten, der Investor strebt nicht einfach den höchstmöglichen Erfolg (die höchstmögliche Wertsteigerung) an, weil sie gedanklich mit dem höchstmöglichen Risiko korreliert. Vielmehr strebt er höchstmöglichen Ertrag bei niedrigstmöglichem ________________________ 10 Manager, der das Unternehmen aus „guten“ oder „schlechten“ Gründen verlässt, z. B. durch Tod oder Berufsunfähigkeit („gut“) oder durch eigene Kündigung (ohne wichtigen Grund) oder Kündigung des Unternehmens aus wichtigem Grund („schlecht“). 11 Zur Sicherung des Interessengleichlaufs gehen in die „Bewertung“ (= Preis, den der veräußernde Anleger erlöst) auch alle Faktoren ein, die dem Manager nicht zuzurechnen sind (z. B. „bezahlte“ Synergien oder andere Verbesserungen des Erwerbers).
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II. Selbstbetroffenheit bei Entscheidungen
Risiko an, oder genauer: höchstmöglichen Ertrag bei definiertem Risiko, also bei dem von ihm gewollten und bewusst in Kauf genommenen, geplanten Risiko. Reale Unterlage dieser Risiko-Inkaufnahme ist der Kapitaleinsatz oder die Haftung des Investors. Der bloße erfolgsabhängige Bonus (z. B. Phantom Stock) enthält keine solche Risikokomponente im Sinne eines Verlustrisikos, sondern nur das Risiko der Enttäuschung der Gewinnerwartung und damit der insofern „erfolglos“ eingesetzten Leistung des Managers (nur Opportunitätskosten). Anders ausgedrückt, der Manager hat in dieser Konstellation nur „upside“, kein „downside“. Die enorme Bedeutung dieser Diskrepanz zeigen Aktienoptionen: Sie reizen Manager bestimmungsgemäß zur Erfolgschancen-Maximierung unter Inkaufnahme beliebigen Risikos. Deshalb werden Aktienoptionen und andere Erfolgsbeteiligungen ohne relevanten Eigeneinsatz des Managers in vielen Unternehmen seit jeher und mittlerweile auch in der Allgemeinheit kritisch gesehen. Dabei mangelt es nicht an nachvollziehbaren Begründungen, weshalb ein Eigenrisiko durch Eigenmitteleinsatz (oder Haftungsübernahme) entbehrlich oder sogar schädlich sein mag. Alle diese Überlegungen kreisen um die Gegebenheit, dass naturgemäß Eigentümer „reich“ und Manager „arm“ sind und dass die Wirkung des Leistungsanreizes eben an diesem Gegensatz von arm und reich hängt: Der reiche Eigentümer kann hohe und damit kraftvolle Anreize gewähren, und je ärmer der Manager, desto kraftvoller wirken sie auf diesen. Ein (z. B. durch eine vorangegangene Transaktion) reich gewordener Manager ist in seiner Leistungsbereitschaft schwerer oder vielleicht gar nicht mehr incentivierbar. Kann trotz des Grundsatzes der Risikogebundenheit jedes Ertragserfolges also auf ein Risiko („downside“) für den zu incentivierenden Manager oder Dienstleister durch Eigenmitteleinsatz oder Haftungsübernahme verzichtet werden? Soll vielleicht sogar darauf verzichtet werden? Dafür spricht nicht schon per se, dass relativ kleine Beträge von Eigenmitteln oder Risikoübernahme für den einzelnen Manager sehr beachtlich sein mögen, die für den Eigentümer auf der Gegenseite als Beitrag zum Risiko-Chancen-Mix unbeachtlich wären. Denn maßgeblich ist die (subjektive) Wirkung auf das Risikobewusstsein des Incentivierten, nicht die (objektive) Teilhabe an der Risikotragung durch den Incentivierenden. Gewichtiger sind da schon Gesichtspunkte wie der, dass es die Leistungsfähigkeit des Managers wesentlich, vielleicht entscheidend beinträchtigen kann, wenn er und sein Ehegatte und beider Familie um das Familieneigenheim fürchten müssen, insbesondere in schwieriger Geschäftslage, die die volle Konzentration verlangt. Gegen Manager-Eigenbeteiligungen spricht auch, dass die objektive Fähigkeit und subjektive Bereitschaft zu solcher Risikoübernahme nichts zu tun haben müssen mit seiner Fähigkeit zur Leistung und zur Beeinflussung des letztlich angestrebten Unternehmenserfolgs. Im Extremen zeigt sich das im gerade genannten Beispiel des „reichen“ Managers: Er hat zwar mehr Risikoübernahme-Fähigkeit, aber nicht notwendigerweise mehr Manager-Leistungsfähigkeit (wiewohl er diese durch frühere Erfolge bewiesen haben mag/track record), und jedenfalls korreliert sein „Reichtum“ eher negativ mit seiner Incentivierbarkeit durch Anreize für künftige Leistungen, aber positiv mit seiner Risikosensibilität. Da die Risikoübernahme des Managers zum Ausbalancieren von Erfolgschancen-Willen und Risikobewusstsein im Sinne des risikoadjustierten Ertrags über seine Psyche wirkt, nicht unmittelbar monetär oder materiell, sind alle Größen, die in die obigen Erwägungen einzugehen haben, ihrerseits subjektiv und individuell. Es liegt deshalb 57
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nahe, dass erfolgsbasierte Anreizsysteme vor alle dem kapitulieren und u. U. auf eine Risikoübernahme durch den zu incentivierenden Manager (fast) völlig verzichten. Das gilt besonders für solche Anreize gewährende Unternehmer, die ihrerseits voll im Geschäft stehen und sich deshalb bewusst oder unbewusst darauf verlassen, dass sie die Risikokontrolle selbst sicherstellen. Der incentivierte Manager mag, ja soll nur dem angestrebten Erfolg nachjagen und sich in seinem Bemühen nicht durch (angemessene oder unangemessene) Risikobedenken behindern lassen. Die Risikokontrolle besorgen andere Stellen, in concreto: der das Unternehmen führende Unternehmer. Da ein solcher Unternehmer seinen eventuellen Irrtum in Form von Verlusten selbst büßt, hat er auch die Legitimation, die Risikoerhöhung solcher Anreizsysteme für sein Unternehmen zu akzeptieren. Auf alle anderen Unternehmen ist das nicht übertragbar. So sind zum Beispiel Aufsichtsräte, denen die Risikokontrolle obliegt, keine hinreichende Absicherung, um im Leistungsanreizsystem für Manager auf Risikokomponenten zu verzichten. Denn weder haben Aufsichtsräte „von außen“ entsprechende Einblicke, noch tragen sie ihrerseits entsprechend Risiko, so dass sie die Risikoerhöhung für das Unternehmen durch nicht risikoadjustierte Anreizsysteme kompensieren könnten. cc) Wert, Zeit, Risiko In allen diesen Normalfällen, bei Weitem die Mehrzahl der Fälle, bleibt es bei der einfachen Grundregel: Interessengleichlauf zwischen Unternehmen/Eigentümer und Manager durch variable Vergütungssysteme erfordert Anknüpfen an dem einzigen für den Eigentümer relevanten Erfolg, nämlich dem Gesamtertrag („total return“/Wertsteigerung) – über eine gleiche Bemessungsperiode (wie bei Private Equity) oder mit einer vertrauenswürdigen Bewertung am Ende eines längeren Bemessungszeitraums und – als risikoadjustierter Ertrag mit einer angemessenen Risikokomponente für den Manager. Die Schwierigkeit, ja die Unmöglichkeit einer präzisen Bemessung dieser Risikokomponente, individuell zugeschnitten auf die subjektive Sensibilität des einzelnen Managers und zugleich systematisch für alle überzeugend („fair“), sollte nicht zum Verzicht auf eine solche Risikokomponente führen. Vielmehr ist die Risikokomponente objektiv vielleicht unvollkommen, aber mit dem Bestreben um Fairness durch Eigenmitteleinsatz oder Haftungsübernahme jedes Managers balanciert einzubauen. Ein Eigenmitteleinsatz liegt auch dann vor, wenn dem Manager die Mittel zuvor als Bonus vom Unternehmen zur Verfügung gestellt werden. Auch die Haftungsübernahme durch den Manager kann in der Aufnahme eines Darlehens von einem Dritten oder vom Unternehmen selbst liegen. Eine Risikoadjustierung nicht durch Eigenmittel oder Haftung, sondern durch Risikomessung und Einbau in die Leistungsanreizformel ist denkbar und bei Vermögensanlagen12 vielleicht sogar praktikabel (Risiko als Volatilität, Sharpe Ratio o. a., ggf. enthalten in der geforderten Mindestverzinsung/Hurdle; bei Unternehmen evtl. enthalten in einem risikoadjustierten Zinssatz für EVA oder Bewertung/ WACC). Im Unternehmen ist damit praktisch wenig zu gewinnen, weil das „Risiko“ eines Unternehmens nicht messbar ist wie das einer Vermögensanlage (für die eine solche Messung auch sehr skeptisch zu sehen ist). ________________________ 12 Siehe dazu unten 6.
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II. Selbstbetroffenheit bei Entscheidungen
dd) Aktienoptionen als Beispiel Der Verzicht auf Risikoadjustierung ist sehr verbreitet. Er liegt allen Boni- und Tantieme-Systemen zugrunde. Aktienoptionen – wie oben dargestellt – leiden also nicht spezifisch unter diesem Verzicht; sie könnten eine Risikoadjustierung sogar eher einbauen als andere Incentivierungen (z. B. Bonus). Spezifisch für Aktienoptionen wie für Beteiligungsmodelle ist vielmehr, dass die Kostenbelastung außerhalb der Gewinn- und Verlustrechnung (GuV) bleibt, dass also Kosten des Unternehmens externalisiert und auf die Gesellschafter verlagert werden. Ausweisgebote wie nach US-GAAP sind eher die Ausnahme und regelmäßig umgehbar. Der Private-Equity-Investor trägt diese Kosten bewusst außerhalb der GuV des Unternehmens, aber innerhalb seiner Renditeberechnung (IRR13 o. a.). Die Externalisierung der Kosten von Aktienoptionen, ihre eher kurze Laufzeit, ihre fehlende Risikoadjustierung und der fehlende Leistungsbezug von Börsenkursveränderungen oder Übernahme-Prämien sind Ausdruck der historischen Ursache von Aktienoptionen: Sie wurden veranlasst von Analysten und Aktionären, deren durchschnittliche Aktienhaltedauern von einigen Jahren bis in die 1970er Jahre hinein auf seither einige Wochen oder Monate zurückgingen. ee) Selbstbetroffenheit Die o. g. Risikoadjustierung (für Eigentümer gegeben, für Manager oder Aufseher fraglich) kann man auch als einen Anwendungsfall des Ordnungskriteriums der Selbstbetroffenheit sehen, das unserer Eigentums- und Wirtschaftsordnung und unserer politischen Ordnung zugrunde liegt: Eigentümer entscheiden über ihr Eigentum „absolut“, nicht weil sie so qualifiziert (z. B. klug) sind, sondern weil sie selbst unter ihren Fehlern (z. B. Verlusten) leiden. Wähler genießen ihr Wahlrecht gleichfalls nicht nach Qualifikation (z. B. Bildung), sondern weil die Politik ihr Wohl und Wehe betrifft. In Anwendung dieses Axioms ist Eigenmitteleinsatz oder Haftung von Manager und Aufsichtsrat als Mittel des Interessengleichlaufs zugleich ein Mittel, Selbstbetroffenheit herzustellen entsprechend wie beim Eigentümer.14
3. Gesellschafts- und wirtschaftswissenschaftliche Studien Für die Entscheidungen im Zusammenhang mit Leistungsanreizen und Interessengleichlauf gibt es wissenschaftliche Grundlagen, und die Studien werden laufend mehr und besser. Hier nur ein paar Beispiele aus populärwissenschaftlichen, laien-geeigneten aktuellen Büchern von führenden Wissenschaftlern, die den Stand der Erkenntnis aufbereiten und zusammenfassen. Die hier ausgewählten Beispiele kreisen um zwei Themen: – –
Leistung (Leistungsbereitschaft) vs. Vergütung (variabel oder fix), Zeitaufwand (z. B. für Analyse) und Erfahrung (z. B. Expertise) als Gegenstand von Leistung vs. Analyse oder Heuristik als Erfolgsgrundlage.
________________________ 13 Internal Rate of Return (interner Zinsfuß der Rendite). 14 Siehe auch unten 6.b)dd.
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Die Themen erscheinen einfach, aber angewandt auf die Komplexität wirtschaftlicher und anderer Sachverhalte in der Wirklichkeit erfordert die folgende Darstellung Vereinfachungen und Vergröberungen, für die ich um Nachsicht bitte. Die Studien kann man ja nachlesen und sich dazu seine eigenen Gedanken machen. a) Leistung und Vergütung, z. B. Immobilien-Makler-Provision Levitt, ein führender Wirtschaftswissenschaftler an der Universität Chicago, berichtet in seinem Buch „Freakonomics“15 von einer Untersuchung der Leistung von Immobilienmaklern im Großraum Chicago. Die Ergebnisse sind auf Investmentbanker und auf alle übertragbar, die Erfolgs- oder auch Pauschalhonorare erhalten wie beim Unternehmenskauf. aa) Lineare Umsatzprovision Immobilienmakler werden mit einem Prozentsatz des (Brutto-)Verkaufserlöses der Immobilie vergütet, in der Regel linear: Sie erhalten denselben Prozentsatz von der ersten bis zur letzten Geldeinheit des Erlöses. Die „letzte“ Geldeinheit vom Mehrerlös bringt dem Makler also ebenso viel wie die erste, obwohl jede zusätzliche Einheit Mehr-Erlös mehr und gerade im oberen Bereich wesentlich mehr Einsatz erfordert als die vorangegangenen. Insbesondere bringt ein Mehrerlös (z. B. zusätzliche 10 %) dem Makler wesentlich weniger als der Verkauf der nächsten Immobilie wiederum mit z. B. 90 % des erzielbaren Maximalerlöses. Deshalb gelten junge Makler am Anfang ihrer Karriere als „hungriger“ (wenn auch als weniger erfahren), denn sie haben vermutlich nicht unbegrenzt die Alternative, anstelle des zusätzlichen Einsatzes für die Erlössteigerung beim Verkauf der einen Immobilie einfach und vielleicht sogar mit geringerem Einsatz eine zweite Immobilie in der gleichen Zeit zu verkaufen. Wie kann man diese Vermutungen messen? Levitt untersuchte anhand von 100 000 Transaktionen diejenigen, in denen der Makler sein eigenes Haus verkaufte, und verglich sie mit den übrigen: Im Durchschnitt erlöste der Makler beim Verkauf seines eigenen Hauses 3 % mehr und brauchte dafür 10 Tage länger bis zum Verkaufsabschluss. Mehr Mühe ergab also mehr Erfolg, aber nur für den Makler als Eigentümer, nicht für den Makler als Makler. Als Eigentümer erhielt er 3 % mehr Erlös, also durchschnittlich 10.000 Euro. Als Makler erhielt er nur die Maklerprovision davon, bei angenommen 3 % Provisionsprozentsatz also 300 Euro. 3 % mehr Erlös für den Eigentümer mag nicht viel erscheinen, aber wenn der PreisSpielraum, zu dessen Ausschöpfung der Eigentümer die Geschicklichkeit und Erfahrung des Maklers sucht, z. B. 10 % beträgt, so wären die 3 % schon ein Drittel dieses Spielraums. Anders herum, 3 % Provision bezogen auf 100 Gesamterlös mögen nicht viel erscheinen, bezogen auf den angenommenen „Spielraum“ der Erlösmaximierung von z. B. 10 % macht die Provision ein Drittel des Spielraums von 10 aus. Die Vergütung des Maklers entfällt aber zu 97 % auf den „selbstverständlichen Normalerlös“ und nur zu 3 % auf den Mehrerlös, dessentwegen der Eigentümer den Makler über________________________ 15 Steven D. Levitt/Stephen J. Dubner, Freakonomics, September 2007, S. 27.
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haupt einschaltete. Anders gesagt, durch eine bloße Provisionsabrede kann man den Unterschied nicht ausgleichen, dass ein Eigentümer (mit 100 % oder jedenfalls 97 % Mehr-Erfolgs„beteiligung“) mehr materielles Interesse am Mehrerfolg hat als der Makler oder Dienstleister (mit 3 % oder auch mit 10 % oder 20 % Mehr-Erfolgsbeteiligung). Allerdings gibt es etliche andere Faktoren, die den Immobilienmakler als Eigentümer und Verkäufer seines eigenen Hauses einen besseren Erfolg erzielen lassen mögen (z. B. bessere Vertrautheit mit den Vorzügen des Hauses, mehr „Feuer“ bei der Präsentation, schlicht mehr Aufmerksamkeit für den Sonderfall). bb) Progressive Staffel Das spricht für progressive Erfolgsbeteiligungen, also z. B. keine oder nur eine BasisVergütung für Erlöse bis zu einem „Normalbetrag“ und einen sehr deutlich höheren Prozentsatz, eventuell progressiv steigend, für ein Übertreffen dieses Betrages. (Richtigerweise, wenn auch komplexer, wäre auf den Netto-Erlös für den Eigentümer abzustellen, also nach Nebenkosten des Verkaufs, Gewährleistungen usw., da sonst der Makler zur Brutto-Erlössteigerung durch Übernahme von Kosten und Risiken vor und bei Verkaufsabschluss incentiviert wäre.) Gedanklich hat auch die Berücksichtigung von Levitts Erkenntnis durch Progressivität der Erfolgsbeteiligung ihre Grenzen. Nicht nur wird der Mehrerfolgsanteil des Dienstleisters immer hinter dem Mehrerfolgsanteil des Eigentümers zurückbleiben, regelmäßig weit dahinter. (Der Prozentsatz der Erfolgsbeteiligung liegt naturgemäß deutlich unter 100 %, aber zur Erzielung der Anreizwirkung bei einem „armen“ Makler wird ja auch viel weniger genügen, als was an materiellem Erfolg erforderlich ist, um den Eigentümer zum Verkauf zu bewegen.) Vor allem aber kann eine (subjektiv für den Makler) unzureichende Vergütung für den Abschluss als solchen im Verhältnis zu einer „übermäßigen“ Vergütung des Mehrerfolgs dazu führen, dass der Makler angereizt wird, den Verkaufsabschluss als solchen zu gefährden, um die Chance auf den für ihn allein lukrativen Mehrerlös zu wahren. Bei Immobilien und anderen Gütern mit einem „Marktpreis“ wird dieses Risiko für den Eigentümer geringer sein als z. B. beim Verkauf eines Unternehmens. cc) Festpauschale und andere Modelle Tatsächlich experimentieren Immobilienmakler mit anderen Vergütungsmodellen, z. B. einer Fix-Provision von 999 Euro je (Privat-)Immobilie.16 Andere Ansätze orientieren sich an Kosten und Gewinn oder Zeitaufwand wie bei Vermögensverwaltern und Versicherungsmaklern (siehe nachstehend). b) Leistung durch Zeiteinsatz, Erfahrung oder Expertise? Gigerenzer, Direktor des Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung in Berlin, berichtet in seinem Buch „Bauchentscheidungen“ („Gut Feelings“)17 über zahlreiche Studien, die Rückschlüsse darauf ermöglichen, ob und inwieweit die Leistung eines Leistungserbringers (z. B. Berater) in Zeit- und Mitteleinsatz besteht (z. B. für Datenerfassung und -analyse) oder in der Beurteilung und Entscheidung aufgrund Expertise und Erfah________________________ 16 So berichtet 2008 in Hessen von dem Makler Blumenauer; wohl nicht übertragbar auf Großobjekte. 17 Gerd Gigerenzer, Bauchentscheidungen – Die Intelligenz des Unbewussten und die Macht der Intuition, 2007 (Originaltitel: Gut Feellings – The Intelligence of the Unconscious, 2007).
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rung (also mehr „heuristisch“). In dem obigen Beispiel der Immobilienmakler wurde nur der Zusammenhang zwischen Zeitaufwand (10 mehr Tage am Markt) und Ergebnis (3 % Mehrerlös) gemessen. Damit ist nicht gesagt, dass nicht andere Faktoren als Zeitaufwand einen gleich großen oder größeren Einfluss auf einen Mehrerfolg haben, z. B. Erfahrung, Geschicklichkeit oder Netzwerk des Maklers. Nur sind diese anderen Faktoren schwer zu messen. Die Beispiele von Gigerenzer beschäftigen sich mit der Abgrenzung zwischen solchen Einflussfaktoren und Ansätzen für ihre Bemessung. aa) Aktien-Prognosen: Laien vor Experten Eine schwedische Studie verglich die Börsenkursentwicklung von 20 TechnologieAktien, die paarweise angeordnet waren. Der Beurteilende sollte vorhersagen, welche Aktie jeden Paares sich besser entwickeln würde als die andere. Nicht weiter erstaunlich lag der Erfolg der Laien als Beurteiler genau auf Zufallsniveau, 50 %. Erstaunlicher war die Erfolgsquote der Aktien-Experten bei derselben Beurteilung, nämlich 40 %, also noch unter Zufallsniveau. Darin mag man eine Bestätigung des Satzes sehen, Planung (oder eben Expertise) ersetze den Zufall durch den Irrtum. Aber was erklärt das Überwiegen des Irrtums? Die Forscher vermuten Wettbewerbsdruck und das Bemühen der Experten, sich von einander abzusetzen, was zu Abweichungen („Volatilität“) und damit zu Misserfolgen führt. Die Meinung, Aktienexperten wüssten nicht mehr Erfolgsrelevantes als Laien, ist Grundlage wirtschaftswissenschaftlicher Theorien von Weltruhm wie „random walk“ des Yale-Professors für Finanzwissenschaft Burton G. Malkiel: Aktienkurse bewegten sich zufällig, ihre Vorhersage gelinge Aktienfondsmanagern nicht besser als Affen, die Pfeile auf eine Liste mit Aktien werfen. Ja, schlimmer noch, Aktienmanager seien Herdentiere, vor allem bei Verkaufsempfehlungen, während sie Kaufempfehlungen misstrauischer sehen. Das schafft oder verstärkt Kurszyklen und Verluste aufgrund des Jigsaw(Sägezahn)-Effekts.18 In der Anlagepraxis führte das z. B. zur Empfehlung der Anlage in Aktienindices (als ETF, passiv oder aktiv oder auch „enhanced“). Ansätze für eine Deutung kann man in eigenen Untersuchungen von Gigerenzer finden, die er zitiert: Beim Capital-Börsenspiel 2000 sollte ein Portfolio aus 50 internationalen InternetAktien gebildet werden, dessen Anlageerfolg gemessen wurde. Der Anlagezeitraum fiel in die Zeit vor und in der Baisse 2000. Gigerenzer und seine Assistenten fragten 100 Passanten, männlich wie weiblich, auf der Straße in Berlin, welche der Aktien sie kannten. Aus den 10 am häufigsten wiedererkannten Aktien bildeten sie ein Portfolio, das vom Anfang bis zum Ende des Anlagezeitraums ohne Veränderung gleichblieb („buy-hold“). Das Portfolio schnitt mit + 2,5 % Anlageerfolg bes________________________ 18 Untersuchung von US-Aktienfonds, 1994–2003, quartalsweise; Brown/Wei/Wermers, Analyst recommendations, mutual fund herding, and over-reaction in stock prices, zitiert nach Süddeutsche Zeitung Nr. 95/2008, S. 30, linke Spalte.
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ser ab als 88 % aller eingesandten Portfolien. Das Portfolio des ungleich besser informierten Capital-Chefredakteurs erlitt einen Verlust von – 18,5 %. Das entsprach ungefähr dem Anlageergebnis der 10 am wenigsten wieder erkannten Aktien bei der Passantenbefragung. Übrigens kannten Frauen weniger Aktien als Männer. Im Anlageerfolg lagen die Frauen mit von ihnen wieder erkannten Aktien etwas besser als die Männer. Letzteres entspricht zahlreichen anderen Studien zum Vermögensanlageerfolg von Frauen gegenüber Männern und erklärt sich vielleicht nicht nur mit der größeren Vorsicht von Frauen (Risikoaversion), die vorstehend ja keine Rolle gespielt haben kann, sondern zumindest auch mit dem Selektionsvorteil eines höheren Grades (relevanter) partieller Unwissenheit, was vorliegend wohl eine entscheidende Rolle spielte, wie Gigerenzer auch anhand anderer Beispiele herausarbeitet. bb) Partielle Unwissenheit und Heuristik Die Bedeutung partieller Unwissenheit (im Gegensatz zu völliger Unwissenheit, die isoliert gesehen zu Ergebnissen auf Zufallsniveau führen muss), zeigt Gigerenzer an einem einfachen Beispiel: US-amerikanische und deutsche Studenten wurden gefragt, ob San Diego oder San Antonio mehr Einwohner habe. Die deutschen Studenten nannten richtigerweise San Diego, deutlich häufiger als die amerikanischen. Erstere hatten häufiger als letztere nur von der einen der Städte bewusst gehört, nämlich von San Diego, und tippten mangels weiterer Kenntnisse auf diese Stadt. Die amerikanischen Studenten dagegen waren informierter, indem sie von beiden Städten typischerweise schon einmal gehört hatten, und waren deshalb weniger „partiell unwissend“. Anders gesagt, von der „Fülle“ ihrer (aber immer noch unzulänglichen) Kenntnisse ließen sie sich eher verwirren. Das bessere Ergebnis der unwissenderen Beurteiler lag m. E. nicht an ihrer Unwissenheit per se, sondern gerade umgekehrt an ihrem Wissen (Kennen der einen Stadt), das – weil partiell (Kennen nur der einen Stadt) – ihnen die richtige Entscheidung ermöglichte, und (!) an der vermutlich positiven Korrelation zwischen Bekanntheit und Größe einer Stadt (entsprechend umgekehrt zwischen Unbekanntheit und Kleinheit einer Stadt). Hinter dem Ergebnis steht die Anwendung (unbewusster) Erfahrungsregeln, wie „im Zweifel das Bekannte“, sogenannte Heuristiken. Sie funktionieren besonders gut bei Unklarheit, also beim relativen Fehlen von relativ verlässlichen Informationen. Diese Unklarheit ist typisch für die Zukunft und ihre Vorhersage. Wie Churchill sagte: „Die Zukunft ist ein verfluchtes, überraschendes Ärgernis nach dem anderen“, oder wie der Sponti-Spruch sagt: „Vorhersagen sind schwierig, besonders solche der Zukunft“. Im Gegensatz dazu stehen Situationen, die sich für Analyse eignen, bei denen also verlässliche Informationen vorliegen, die man aber aufgrund vergangener Mühe kennen oder durch neue Mühe erfahren und herausarbeiten und miteinander verarbeiten muss. Solche Situationen sind typisch für die Beurteilung von Vergangenem oder dann, wenn 63
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die Situation durch Gesetze geprägt wird, seien es Naturgesetze oder menschliche (rechtliche) Gesetze. Innerhalb dessen, was man mit Heuristik bezeichnen kann, sind die Grenzen von Wissen und Unwissen fließend. Eine einzige „Kenntnis“ kann zu einem optimalen Ergebnis führen, weit besser als das Ergebnis von Expertise, z. B. das Wiedererkennen eines Firmennamens bei der Auswahl zwischen zwei Aktien in einem Paar. Dass man von der einen (aber nicht der anderen) Aktie oder Stadt schon etwas gehört hat, führt zum positiven Ergebnis und ist größerer Kenntnis (Expertise) überlegen, wenn zwischen dieser einen Kenntnis und dem Erfolg eine positive Korrelation besteht (Bekanntheit der Firma und Unternehmenserfolg oder Attraktivität für Aktienkäufer, Bekanntheit der Stadt und Einwohnerzahl). Dann tritt der Mehrwert aus weiteren Kenntnissen in den Hintergrund, ja weitere Kenntnisse können sogar den Erfolg stören oder verhindern. Das zeigt der Anlagemisserfolg von Experten in der schwedischen Studie noch unter dem Zufallsniveau: Nicht nur hat Zugehörigkeit zum Expertenkreis (z. B. durch Wettbewerbsdruck) eventuell weitere Nachteile für die Prognose-Richtigkeit, sondern die schieren Mehrkenntnisse als solche können einander aufheben und (bestenfalls) zu Zufallsergebnissen führen. Bei dem weiten Spektrum der „Richtigkeit“ von Managemententscheidungen oder anderer menschlicher Entscheidungen kann das Zufallsergebnis nicht so relativ akzeptabel sein wie die 50 % bei einem einfachen Aktienpaar, sondern es könnte (z. B. bei nur fünf Möglichkeiten) sich wie 20 zu 80 verhalten. Sieht man von der graduellen Relativität von Richtigkeit oder Unrichtigkeit solcher Entscheidungen ab, so sind z. B. 80 % Unrichtigkeitswahrscheinlichkeit sehr gravierend und gegebenenfalls für den unternehmerischen oder anderen menschlichen Erfolg vernichtend. cc) Schach: Vielzahl statt Paar Gegenüber der simplen Erinnerung (Wiedererkennung) einer Aktie oder Stadt (von zweien) liegt am anderen Ende des Spektrums vielleicht die komplexe Erinnerung (Wiedererkennung) von Schach-Spielmustern. Cowen, ein Wirtschaftsprofessor und Schriftsteller in den USA, berichtet in seinem Buch „Discover Your Inner Economist“19 von Studien des Psychologen A. de Groot an Schachspielern. Er setzte Schachmeister und Schachlaien vor ein Schachbrett mit einer aufgebauten Spiel-Situation. Die Schachfiguren wurden dann weggeräumt, und Meister und Laien sollten die Situation rekonstruieren. Erwartungsgemäß konnten das die Meister viel besser als die Laien. Wurden die Figuren aber nicht weggeräumt, sondern beliebig auf dem Schachbrett verteilt, war die Rekonstruktion der Spielsituation durch die Meister nicht besser als die durch die Laien. Andere Studien bestätigten, dass Schachmeister außerhalb des Schachspiels keine bessere Gedächtnisleistung hatten. Schachmeister kennen („können“) 30 000 bis 50 000 Spielmuster (Figuren-Konstellationen und -Abfolgen); d. h. sie haben sie aktiv im Gedächtnis. Mit deren Hilfe rekon________________________ 19 Tyler Cowen, Discover Your Inner Economist – Use Incentives to Fall in Love, Survive Your Next Meeting, and Motivate Your Dentist, 2007, S. 8 ff.; http://www.marginalrevolution.com; http:// www.gmu.edu/jbc/Tyler.
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struieren sie eine Spielsituation („von 0“) besser als Laien, die diese Muster (Pattern) nicht kennen. Sie erinnern nicht etwa eine Konstellation kraft besseren Gedächtnisses als ein anderer Beobachter. Ihr Vorzug gegenüber jedem anderen ist die aktive Erinnerung von 30 000 bis 50 000 Mustern, das Dreißig- bis Fünfzigtausendfache der Wiedererkennung der einen Aktie oder Stadt in den oben genannten paarweisen Untersuchungen. Das Verhältnis gibt das Spektrum wieder, auf dem sich Heuristik abspielt oder partielles Wissen/partielle Unwissenheit. „Expertise“ (als Ansammlung von Kenntnissen) und Erfahrung – Heuristik genannt oder oft „Intuition“ – kann also je nach Entscheidungssituation aus einem oder aus 50 0000 Entscheidungsmustern bestehen. Da das wirkliche Leben wohl komplexer ist als ein Schachspiel, ist auch 50 000 keine Obergrenze. c) Zeit und Richtigkeit Solche Zahlen betonen zugleich die Bedeutung des Elements der Zeit. Die Schachmuster-Kenntnis der Schachmeister bewährt sich am meisten bei höchster Geschwindigkeit. In einer Studie wurden 81 % der Unterschiede in Spielstärke dadurch erklärt, wie Schachmeister in weniger als 5 % der für ein Spiel normal verfügbaren Zeit spielten. Der aus Expertise, Erfahrung oder Intuition Entscheidende geht in kürzester Zeit viele Entscheidungsmöglichkeiten durch, verwirft viele von ihnen, gewichtet die verbleibenden und entscheidet sich für die bevorzugte Variante. Im normalen Leben kennt das jeder. Benjamin Franklin soll um 1800 seinem Neffen in der Qual der Wahl einer Heiratsentscheidung das auch uns heute vertraute Schema angeraten haben, die Vor- und Nachteile jeder Entscheidung in zwei Spalten nebeneinander zu schreiben und die Summe der Plus- und Minuspunkte gegeneinander abzuwägen. Es ist nicht bekannt, ob der Neffe sich verehelicht hat. Nicht nur führt solche Entscheidungsfindung zu erheblichen Verzögerungen, in denen die Entscheidungsmöglichkeit wegfallen oder sich jedenfalls verschlechtern kann. Solche Vorgehensweise führt noch nicht einmal zu „besseren“ Entscheidungen. Es gibt dazu eine Anzahl von Studien, sowohl was die (soweit messbar) objektive Richtigkeit solcher Entscheidungen angeht als auch die „subjektive“ spätere Zufriedenheit des Entscheidenden mit seiner Entscheidung, z. B. einer Partnerwahl. Beides, Richtigkeit und Zufriedenheit, lag tendenziell höher, wenn der Entscheidende seine Entscheidung aufgrund des ersten gegeneinander abzuwägenden Entscheidungspaares traf, das er vor Augen hatte.20 So fand Dijksterhuis21, bestätigt von dem Max-Planck-Forscher Riskamp,22 heraus: Die Aufnahmefähigkeit bewussten Denkens sei gering, mehr als sieben Fakten kann kaum jemand gleichzeitig bewusst im Kopf behalten und verarbeiten.23
________________________ 20 21 22 23
Gigerenzer, a. a. O. (Fn. 17). In Science, Bd. 311 (2006), S. 1005; Süddeutsche Zeitung vom 17.2.2006, S. 20. Max-Planck-Institut für Bildungsforschung, Berlin; Süddeutsche Zeitung, a. a. O. Kognitionsspanne, siehe eingangs vor 2.
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In einer Untersuchung in Amsterdam sollten Studenten von vier fiktiven Automodellen das „beste“ auswählen, und zwar anhand von 4 oder 12 Eigenschaften in zufälliger Reihenfolge. Bei nur 4 Kriterien kamen die Probanden ganz überwiegend zum richtigen Ergebnis. Bei 12 Kriterien aber sank die Quote auf den Zufallswert von 25 %. Aber auch bei 12 Kriterien fanden die Studenten überwiegend das beste Auto, wenn sie die vier Minuten zwischen dem Lesen der Kriterien und der Entscheidung über das Auto nicht konzentriert nachdenken konnten, sondern durch Rätsel abgelenkt wurden. Ein ähnliches Ergebnis berichtet Jungermann24: Zwei Test-Gruppen sollten sich für ein Frei-Abonnement einer Zeitschrift entscheiden, die eine anhand von Fragebögen zur Bestimmung der ihr wichtigen Eigenschaften der Zeitschrift und die andere nach bloßem Durchblättern. Die zweite war ein Jahr nach der Entscheidung mit ihrer Wahl zumindest subjektiv zufriedener. Gigerenzer stellte fest, dass es besser ist, anhand des ersten, in der Beurteilung des Entscheidenden zu einer eindeutigen Entscheidung führenden Kriterienpaares zu entscheiden und alle weiteren Kriterienpaare zu ignorieren.25 Anders gesagt, weitere Kriterien als das erste auf der Liste (wie in Franklins Rat an seinen Neffen) sollte man nur berücksichtigen, wenn dieses erste nicht zu einer eindeutigen Entscheidung führt, entsprechend für das zweite, dritte und so weiter. Je weniger eine Entscheidung der Analyse von Tatsachen und Informationen zugänglich ist, desto höher die Bedeutung von Heuristik, Erfahrung (Expertise) und Intuition. Das ist ganz typisch für zukunftsbezogene Managemententscheidungen im Wirtschafts- und allgemein im menschlichen Leben. Heuristik und Intuition bewähren sich besonders bei zeitgebundenen, eiligen Entscheidungen und sind neurophysiologisch im Gehirn verankert: Hodgkinson26 nennt ein Beispiel aus einem Autorennen: Ein Formel-1-Rennfahrer bremste intuitiv und scheinbar unvernünftig. Das Video zeigte den Grund, den der Fahrer selbst nicht nennen konnte: Die Zuschauer blickten gebannt weg von ihm, dem Führenden, hin zu einem Unfall hinter der nächsten Kurve, die er selbst nicht überblicken konnte.
Ähnlich die richtigen (bestmöglichen) Reaktionen von Handballspielern oder Torschützen: Je erfahrener der Spieler, desto mehr traf er intuitiv die richtige Wahl zwischen mehreren Spieloptionen, die schwächere Spieler verwirrten.27
________________________ 24 Professor der Psychologie an der TU Berlin; Süddeutsche Zeitung, a. a. O. 25 Gigerenzer, a. a. O. (Fn. 17). 26 Im British Journal of Psychology 2008, berichtet im Handelsblatt vom 26.3.2008, S. 9, zusammen mit Berichten über die o. g. Studien von Gigerenzer u. a. 27 Raab, berichtet in Handelsblatt, S. 9, a. a. O.
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II. Selbstbetroffenheit bei Entscheidungen
d) Wisdom of the crowds Benachbart ist das Phänomen, das oft als „wisdom of the crowds“28 beschrieben wurde – als Gegenbegriff zu dem gleichfalls geläufigen Gedankenmuster der „madness of the crowds“29. Eine Menge kann sich von irgendeinem Ereignis oder Eindruck hinreißen lassen und gemeinsam völlig in die Irre rennen. Eine Menge von Beurteilenden kann aber auch im „Durchschnitt“ zu erstaunlich zutreffenden Ergebnissen ihrer Beurteilung kommen. So ist die Trefferquote des Durchschnitts der Meinungen nahezu perfekt, wenn in Studien Menschenmengen beliebiger Zuschauer die Zahl der Münzen in einem Glas oder das Gewicht eines vor einer Fassade hängenden Schinkens schätzen sollten. In einer Studie wurde sogar die Lage einer auf hoher See verloren gegangenen Bombe vom Durchschnitt aller Laien-Beurteiler ähnlich gut bestimmt wie von der Expertenmeinung. Die Differenz zwischen den Einzelmeinungen ist sehr groß (hohe Volatilität), und viele sind weit ab vom Ziel. Die Laienmeinungen verdichten sich aber sehr stark und in ihrem Durchschnitt liegen sie nahe am Ziel. Man mag das Intuition nennen. Die Korrelationen, die die Richtigkeit solcher Beurteilungen durch eine Menge über das Zufallsniveau hinaus heben, sind nicht erforscht. Die Expertenmeinung wäre der Meinung der Menge um so eher überlegen, je mehr Tatsachen über den Gegenstand der Beurteilung zur Verfügung stehen oder ermittelt werden können. Der Experte, der mit einem Scanner das Glas oder den Schinken aus der Entfernung messen und durch Computer oder Taschenrechner mit bekannten Korrelationen aus dem Volumen die Münzenzahl oder das Gewicht jedenfalls überschlägig ausrechnen kann, wird der Meinung der Menge weit überlegen sein. Wo solche Anhaltspunkte aber fehlen oder nicht verwertet werden können, wie oft bei Zukunftsprognosen, bringt Analyse und Datenverarbeitung keine besseren Ergebnisse, oft sogar Ergebnisse noch unter Zufallsniveau (siehe oben). Anders gewendet: Rationalität30, Datenermittlung, Analyse sind gut/erfolgreich, weil sie Richtigkeit anstreben, soweit ihnen das gelingt. Wo Daten aber fehlen oder ihre Verarbeitung den Entscheider überfordert, Richtigkeit also ohnehin nicht erreichbar ist, verwirrt die Beschäftigung mit Informationen und Analyse und verschlechtert sie das Ergebnis. Dann sind heuristisch und intuitiv getroffene Entscheidungen nicht nur schneller, sondern im Ergebnis sogar richtiger. In der Unternehmensführung geht es um beides und um die Abgrenzung von jeder der beiden voneinander. e) Folgerungen für Vergütungssysteme Aus dem Vorstehenden lassen sich einige Schlussfolgerungen ziehen für die Wahl und Ausgestaltung von Management- und anderen Vergütungssystemen. ________________________ 28 Vgl. Surowiecki, James, The Wisdom of the crowds: Why the many are smarter than the few and how collective wisdom shapes business, economies, societies and nations, 2004. 29 Vgl. Mackay, Charles, Extraordinary popular delusions and the madness of the crowds, 1841. 30 Vgl. Pöllath, Verhandeln: Eigennutz und/oder Vernunft, Munich Private Equity Training/MUPET 1.7.2003.
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aa) Zeitbezogene Vergütung Die meisten sogenannten fixen Vergütungen – im Gegensatz zu den „variablen“ – sind tatsächlich nicht fix, sondern zeitbezogen oder zeitlich variabel (siehe unten IV). Das gilt für Gehälter von Managern und anderen Angestellten wie für Zeithonorare von Rechtsanwälten und anderen Beratern. Für die Zeitbezogenheit sprechen Gesichtspunkte empfundener Fairness (Gerechtigkeit, Angemessenheit), weil die einheitliche Ressource, die der Leistungserbringer einsetzt, vor allem seine Zeit ist. Aus der Sicht des Leistungsempfängers spricht entscheidend für die Zeitbezogenheit der Vergütung, wenn der Leistungserfolg abhängig von der eingesetzten Zeit ist, wenn also der Leistende dazu angereizt werden soll, seine Zeit für den Leistungserfolg einzusetzen. Das ist zum Beispiel der Fall bei Beratern, die Vergangenheits- oder Gegenwarts-Tatsachen (Zahlen u. a.) ermitteln und analysieren sollen. Die Leistung des Rechtsberaters, der sich die Zeit nimmt, mehr Rechtssprechung oder Verwaltungsanweisungen zu studieren und dabei auch entferntere, weniger naheliegende in die Betrachtung mit einzubeziehen, wird mit höherer Wahrscheinlichkeit eine besser Leistung erbringen als derjenige, der seine Zeit „spart“ – und nach erfreulich kurzer Zeit und vielleicht geschickt präsentiert – sein „Ergebnis“ mitteilt. Ein Erfolgshonorar wird in einem solchen Fall nicht zu der Leistung anreizen, die der Leistungsempfänger und Vergütende zu seinem Erfolg will. Das Erfolgshonorar mag eher aleatorische Elemente belohnen und von der begehrten Leistung und der mit ihr verbundenen Erhöhung des Leistungserfolgs ablenken oder sie sogar verhindern. Dem Element der Expertise – oft eine Funktion der in der Vergangenheit auf die Ansammlung von Kenntnissen aufgewandten Zeit des Dienstleistungserbringers – kann durch die Höhe der Vergütung je Zeiteinheit Rechnung getragen werden. Das Beispiel der Schachmeister zeigt allerdings, dass dieser Lösungsweg unzulänglich ist. bb) Erfolgsbezogenheit Umgekehrt bietet sich an, nicht an der wie auch immer gemessenen Leistung des Leistenden (z. B. seinem Zeiteinsatz) anzuknüpfen, sondern an dem Erfolg seiner Leistung beim Leistungsempfänger. Je schwächer die nachvollziehbare Korrelation zwischen Einsatz und Erfolg, desto näher liegt es, gleich bei der Messung des Erfolgs anzusetzen und diesen zu honorieren. Darin steckt nicht etwa ein „Leistungsanreiz“ als solcher, da der Erfolg ja auch ohne Leistung eintreten kann. Aber der Leistungsempfänger (Unternehmer, Investor) wird – wiederum heuristisch und intuitiv – anhand ihm erkennbarer Indizien diejenigen Leistungserbringer (z. B. Berater, Manager) aussortieren, die den Leistungserfolg nur zufällig (aleatorisch) zustande brächten. Stattdessen wird er Anhaltspunkte dafür suchen, dass der Leistungserbringer den Leistungserfolg durch seine Leistung – wie schwer sie auch definierbar und messbar sein mag – zustande bringt. An die Stelle von Zeitaufwand (z. B. Fleiß) treten dann andere Talente wie Entscheidungs- und Durchsetzungsfähigkeit, Ansehen (zur Reputation siehe unten) und durch vergangene Erfolge indizierte Expertise, Intuition oder auch „glückliche Hand“ („track record“). Das Talent zu „konzentriertem Zeiteinsatz“ (Fleiß) mag dabei sogar hinderlich sein, auch aufgrund des gleichfalls heuristischen oder intuitiven Erfahrungssatzes, dass Zahl und Ausmaß der Talente in einer Person begrenzt sind. Schlechter als ein mittelmäßiger 68
II. Selbstbetroffenheit bei Entscheidungen
General ist, so sagt man, ein fleißiger mittelmäßiger General. Der Leistungsempfänger wird dann also vielleicht sogar die sogenannte variable, erfolgsbezogene Vergütung größer bemessen als die zeitbezogene oder letztere ganz entfallen lassen. Denn es kommt ihm darauf an, dass der Leistende insbesondere seine Erfahrung (seine Expertise), Intuition, Reputation („Hebel“) und andere Talente zur Geltung bringt. cc) Neutralität (Interessengleichlauf, Indifferenz) Heuristische oder intuitive Fähigkeiten wirken dann, wenn ihnen nicht andere Gesichtspunkte im Wege stehen. Sogar der Aktienexpertise der Aktienexperten stehen Wettbewerbsdruck und Differenzierungswunsch entgegen und bringen ihre Prognose-Ergebnisse unter Zufallsniveau (siehe oben). Besonders schlecht werden die Ergebnisse, wenn der Leistende gegenüber dem vom Leistungsempfänger gewollten Erfolg nicht zumindest indifferent ist. Denn relative, partielle Unwissenheit und andere Talente funktionieren nicht bei Verfälschung durch Fehlanreize. Gegenüber solchen Fehlanreizen ist sogar die sogenannte Festvergütung (also das Festgehalt oder das Zeithonorar) überlegen, weil sie die Erfolgsorientierung – auch die aus immateriellen Gründen (dazu sogleich) – jedenfalls nicht be- oder verhindert. Geläufige Beispiele dafür gibt es bei Vermögensanlagen (siehe unten 6). Anlage- und Finanzberater mit Pauschalhonorar sind für den Anlageerfolg tendenziell besser – oder jedenfalls weniger schlecht – als Berater auf Provisionsbasis.31 Auch Unternehmen und Eigentümer wollen Gesamtertrag, insbesondere Wertsteigerung. Indes hindern sie ihre Manager daran, diesen Erfolg anzustreben, indem sie variable Vergütungen gewähren, die an andere Größen als an die Wertsteigerung anknüpfen, z. B. an Umsatzwachstum (auch ohne Profitabilität) oder an Ergebniswachstum (auch zu Lasten von Investitionen) oder an Kurzfristergebnisse (z. B. Jahr). Für Aktienoptionen ist dieser negative Effekt mittlerweile allgemeine Meinung. Eine Überschrift der New York Times brachte das in einem Bericht über eine Studie im Academy of Management Journal auf den Punkt: „How to Keep The Bosses From Betting“.32
4. Immaterielle Leistungsanreize (Motivation) Erstes und wichtigstes Ziel bei der Gestaltung eines Vergütungssystems mit Leistungsanreizen ist es, Fehlanreize zu vermeiden und andere, bestehende Leistungsanreize nicht zu zerstören. Die wichtigsten Leistungsanreize überhaupt liegen in dem biochemischen gen- und verhaltensgesteuerten Cocktail, den man „intrinsische Motivation“ nennt. Unübersehbar sind gerade Höchstleistungen typischerweise nicht materiell moti________________________ 31 Financial Times Deutschland vom 29.2.2008, „Berater mit pauschalem Honorar sind besser“ von Hubert Beyerle, E-Finance-Lab. 32 New York Times/Süddeutsche Zeitung vom 18.2.2008, S. 1 linke Spalte; etliche weitere Artikel zu diesem Themenkreis in der gleichen Ausgabe. Siehe unten 5.c.
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viert. Das gilt in allen Bereichen menschlichen Wirkens, sollte es nur in der Wirtschaft nicht gelten? Für Kunst und Kultur ist die intrinsische Motivation als die entscheidende unbestritten. Auch für die Wissenschaft wird man ihre entscheidende Bedeutung nicht bezweifeln. Prof. Haensch, Nobelpreisträger 2005, äußert sich dazu näher an anderer Stelle in diesem Band.33 Wilson, der „Entdecker“ der DNA, spricht von der ausschlaggebenden Bedeutung der Besessenheit eines Wissenschaftlers und derer Ausschließlichkeit: „Two obsessions are one too many“. Die epochalen Fortschritte der Medizin illustrieren vielleicht beides: Eine medizinische Klinik produziert Qualität durch fehlerärmste Höchstleistung, die vielleicht nur wirklich würdigen kann, wer selbst Dienstleister ist und den Blick für die Alltäglichkeit von Fehlern im eigenen Betrieb noch nicht verloren hat. Die Klinik und allgemein die Medizin produzieren diese Qualität in erster Linie durch Ethos und Menschenliebe, trotz schlechter Bezahlung und Überarbeitung. Daneben stehen materielle Leistungsanreize wie die Karriereaussicht, Chefarzt zu werden, verbunden mit immateriellen Anreizen wie Sozialstatus und Reputation.34 a) Freude an Arbeit und Anerkennung Die vielleicht wichtigste intrinsische Motivation, die ein Vergütungssystem nicht zerstören darf, ist die Freude an der Arbeit als solche. Einstein sagte von ihr, diese Freude bestimme das ganze Leben:35 „As long as I am able to work, I must not and will not complain, because work is the one thing that gives substance to life.“ Freud definierte das Bedürfnis nach Liebe und das nach Arbeit als die Grundbedürfnisse des Menschen schlechthin: das Bedürfnis nach interpersonaler Verbundenheit und das Bedürfnis nach Wirken, Bewirken, Spuren Hinterlassen. Beides verbindet sich in dem Urwunsch des Menschen nach Anerkennung durch andere („approval of the others“). La Rochefoucauld drehte den Zusammenhang zwischen Leistung und Anerkennung um, indem er formulierte: „Le désir de mériter les louanges qu’on nous donne fortifie notre vertu“, und fuhr fort: Lob steigere Fleiß, Charakter und sogar Schönheit. Eine moderne Studie bestätigte das: Um die Sauberkeit in der Schule zu verbessern, predigte die Schulleitung im einen Fall den Schülern, sie sollten mehr auf Sauberkeit achten, und im anderen Fall lobte sie die Schüler einfach für ihre Bemühungen um Sauberkeit. Das Predigen war wirkungslos, das Lob aber erhöhte das Wegräumen von Abfall um das Dreifache. Geldanreize oder -sanktionen bleiben da oft wirkungslos oder haben sogar den gegenteiligen Effekt. Ein Kindergarten in Israel versuchte, die Eltern dazu anzuhalten, ihre Kinder pünktlich abzuholen, indem der Kindergarten bei verspäteter Abholung ein paar Dollar „Strafe“ erhob. Das Ergebnis war ein deutliches Ansteigen der Unpünktlichkeit.36 ________________________ 33 Siehe unten: Management von Höchstleistungen am Beispiel eines Forschungsinstituts, S. 129. 34 Vgl. auch „Top Business Teams, The Rage to Engage. Giving attention to Workers can pay off as much as pay“, Time April 28, 2008, S. 58, über North Shore-LIJ Health System. 35 Zitiert (mit Nachweis in Fußnote 48) bei Isaacson, Einstein, His Life and Universe, 2007, S. 442. 36 Levitt/Dubner, a. a. O. (Fn. 15), S. 37 ff.
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Das Gesamtergebnis der Anerkennung für Mitarbeiter ist dramatisch:37 1998 bis 2005 stieg der Aktienkurs der Fortune 100 Best Companies to Work For um 14 % p. a. gegenüber 6 % im Marktdurchschnitt. Immaterielle Motivationen sind naturgemäß vielfältig und deshalb diffus. Jean Paul bemerkte, die Landesherren meinten, die Heldentaten ihrer Feldherren beruhten auf Patriotismus oder Ehrsucht, dagegen sei deren Quelle oft ein Mädchen zu Hause im Städtchen, das die Zeitung liest. Würth38, der berühmt-erfolgreiche Schrauben- und Befestigungsvertrieb, hat auch dafür eine einfache Formel: Seine Verkäufer erhalten nicht nur eine außerordentlich variable Vergütung in Form einer Umsatzprovision, mit enormen Ausschlägen nach oben und unten, sondern auch einen Dienstwagen, dessen Herauf- oder Herabstufung Ehegatten, Familien und Nachbarn Erfolg oder Misserfolg des Mitarbeiters deutlich vor Augen führt. Beckert, Direktor des Max-Planck-Instituts für Gesellschaftsforschung in Köln, brachte den Vorteil von „Kultur vor Organisation“ einmal auf den Punkt in der Formel „Vertrauen ist gut, Kontrolle ist teuer“. Man könnte den Gedanken weiterführen: Materielle Leistungsanreize sind teuer und gefährlich und wirken oft weniger als Vertrauen auf und Nutzung von Ethos und Anerkennungsbedürfnis. Adam Smith war Moralphilosoph. Dass der Mensch seinen Vorteil verfolge und deshalb anderen diene und etwas leiste, war für ihn mehr als die pretiale Lenkung eines Homo oeconomicus. Die maßgeblichen Zusammenhänge haben die Geisteswissenschaften, z. B. die Wirtschaftswissenschaft, mittlerweile konkretisiert in nachgewiesenen Korrelationen, wie oben von Levitt oder Gigerenzer berichtet, und die Naturwissenschaften arbeiten mittlerweile erfolgreich daran, diese Korrelationen zu Kausalitäten zu konkretisieren, insbesondere über die Biochemie. Zeitgleich zu Adam Smith drückte Lichtenberg den Gedanken der materiellen und immateriellen Leistungsanreize in ihrer ganzen Breite in der Erkenntnis aus,39 „dass die Menschen alles aus Interesse tun, um ihres Vorteils willen, dies Wort gehörig verstanden“; das sei „zur Erhaltung der Welt so nötig als die (Schmerz- und andere) Empfindlichkeit zur Erhaltung des Körpers“. Der Einzelne könne „seinen Vorteil nicht erlangen, ohne 1000 glücklich zu machen“, weil ein höheres Wesen das „Interesse des Einzelnen so weise mit dem Interesse vieler anderer verbunden“ habe. b) Materielle neben immateriellen Anreizen Je weiter die Geldwirtschaft zivilisatorisch voranschreitet, desto mehr Platz ist auch wieder für immaterielle Leistungsanreize. Aber zugleich wird der geldwirtschaftliche Ausdruck von Leistungsanreizen unvermeidlich, gewissermaßen self fulfilling und self selecting. Der Leistende fürchtet, wie Umfragen unter jungen Dienstleistern bestätigen, wenn er keine hohe Vergütung, z. B. einen hohen Stundensatz, auf dem Markt durchsetzen könne, sei er vielleicht doch nicht so gut, wie er selbst meine. Bekannt ist der ________________________ 37 Edman, Finanzprofessor an der Wharton School der University of Pennsylvania, berichtet in „Top Business Teams, The Rage to Engage“, Time April 28, 2008, S. 58, auch unter Hervorhebung, dass das nur die Korrelation, nicht eine Kausalität belege. 38 Siehe Venohr, Wachsen wie Würth. Das Geheimnis des Welterfolgs, 2006. 39 Vgl. Georg Christoph Lichtenberg, Aphorismus E 505, aus: Aphorismen in der Ausgabe von Albert Leitzmann, Leipzig 1930.
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Spruch: „If you are so clever how come you are not rich?“ Wenige können sich dieser Logik in einer geldwirtschaftlichen Ordnung ganz entziehen. Umgekehrt gilt an den Leistungsempfänger und Vergütenden gerichtet die Aufforderung: „Put your money where your mouth is.“ Nur Loben und Anerkennen ohne materielle Hinterlegung begründet Zweifel am Lob und an der Anerkennung, zu Lasten der Glaubwürdigkeit des Leistungsempfängers oder des Leistenden oder beider. Zur Wirksamkeit von Leistungsanreizen bleibt entscheidend, dass materielle Anreize über variable Vergütung zu den vorhandenen immateriellen hinzukommen und diese komplettieren sollen, nicht aber stören oder zurückdrängen. c) Biochemische und genetische Grundlagen/Reputation Intrinsische Motivation, Leistungswille und immaterielle Leistungsanreize sind über Jahrtausende im Menschen gewachsen und gefestigt. Soweit sie aus Zeiten stammen, in denen die einschlägigen menschlichen Gene selektiert wurden, also etwa bis in der Steinzeit, sind sie im Menschen hart verdrahtet („hard wired“). Bis hin zur biochemischen Verankerung von Altruismus wird das immer mehr auch naturwissenschaftlich nachgewiesen. Die obigen Zitate zur Wirkung von Lob haben Max-Planck-Forscher u. a. wissenschaftlich durch den Mechanismus der indirekten Reziprozität erklärt: Man erwerbe sich die Unterstützung anderer durch den eigenen guten Ruf.40 Egoismus schaffe Gemeinsinn, und guter Ruf schaffe immer Vorteile, und guter Ruf entstehe nicht zuletzt aus der Gewährung von Hilfe an andere („eine Hand wäscht die andere“). Indirekte Gegenseitigkeit lasse Egoisten kooperieren, weil die Kooperationsbereitschaft des einen ihm einen guten Ruf (Reputation) verschaffe und damit indirekt die Kooperationsbereitschaft der anderen. Die Verbindung von indirekter Gegenseitigkeit über Reputation durchbreche sogar den „circulus vitiosus“ der Ausbeutung und Zerstörung gemeinsam genutzter Güter („tragedy of the commons“). So werden in Studien vier Spieler (typischerweise Erstsemester) gebeten, je einen Euro in einen Gemeinschaftstopf einzuzahlen. Der Versuchsleiter verdoppelt die eingezahlte Summe und verteilt sie gleichmäßig auf alle vier, also auch an Nichteinzahler. Zahlen alle ein, erhält jeder zwei Euro und erzielt damit einen Euro Gewinn. Zahlt einer der vier nicht ein, mindert sich die Auszahlung auf je 1,50 Euro: Das sind nur noch 0,50 Euro Gewinn für jeden Kooperativen, aber 1,50 Euro Gewinn für den Unkooperativen. Binnen kurzem endet die Kooperation. Spielen die vier Spieler aber abwechselnd eine Runde eines Spiels, in dem sie durch Kooperation Reputation als fair erwarben und diese Reputation durch Kooperation der anderen belohnt wurde („wer gibt, dem wird gegeben“), und eine Runde des soeben genannten Spiels um ein Gemeingut, ging die Kooperation weiter. Spielten sie dagegen die Runde um das Gemeingut nicht mit dem guten Namen aus der Vorrunde, sondern mit einem neuen, neutralen Namen, endete die Kooperation schnell in Egoismus.
________________________ 40 Milinski, Direktor des Max-Planck-Instituts für Evolutionsbiologie in Plön, Max-Planck-Forschung 4/2007, S. 38; Max Planck Research 1/2008, S. 38 (41).
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II. Selbstbetroffenheit bei Entscheidungen
Entscheidend ist die Reputation, d. h. die Kenntnis der anderen vom guten Verhalten des einen. Evolutionsbiologisch scheint das im Hirn fest verankert zu sein.41 Schon ein aufgeklebtes Foto mit einem Augenpaar, das den Benutzer eines Getränkeautomaten „beobachtet“, vervielfacht die Bereitschaft des Benutzers, für das entnommene Getränk ohne Kontrolle zu zahlen, und zwar umso mehr, je stärker das Augenpaar den Benutzer fixiert. Die evolutionären Erklärungsansätze für Altruismus sind strittig.42 Nachgewiesen ist die Wirksamkeit von Ethos, Moral und Reputation. Sie gilt auch im Wirtschaftsleben.43 Reputation begründet Vertrauen44 und entsteht aus Wahrnehmung und deren Mitteilung, auch in Form von Gerüchten45. Auch subjektive Wahrnehmungen und Einschätzungen können das Verhalten bestimmen. So ist nachweislich beim Elfmeter im Fußball die Trefferwahrscheinlichkeit bei Schüssen in die Mitte deutlich höher als bei Schüssen in das rechte oder linke Eck. Dennoch schießen Schützen seltener in die Mitte und bleiben Torhüter seltener einfach stehen.46 Ein Erklärungsversuch ergibt sich aus Interview-Antworten von Schützen und Torhütern, die ihre Reputation in den Vordergrund stellen: In die Mitte schießen sei feige und unehrenhaft; der Torhüter, der stehen bleibe, gelte als „Depp“. Eine gegenläufige „immaterielle“ Quelle von Management-Energie ist Narzissmus. Eine Studie von Professoren der Penn State University47 maß Ich-Bezogenheit von 111 CEOs der US-Computerbranche 1992–2004 und verglich sie mit der Unternehmensleistung: Für diese CEOs wich sie im Durchschnitt kaum von der zurückhaltenderer CEOs ab, aber mit extremen Ausschlägen (Volatilität). ________________________ 41 Siehe oben, Max-Planck-Forschung 4/2007, S. 38 ff. (mit Fotos). 42 Rüschemeyer, Ist Blut dicker als Honig?, Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung vom 20.1.2008, S. 59 ff. 43 Wiebe, Wo bleibt die Moral?, Handelsblatt vom 27.11.2007, S. 11. 44 Siehe oben „Vertrauen ist gut, Kontrolle ist teuer“ (Becker) und vgl. Kühl, Grenzen des Vertrauens, wider eine neue Managementmethode in Universitäten, Forschung und Lehre 12/2007, S. 718 (719): Vorzug der modernen Gesellschaft sei, dass Vertrauen systemisch (organisationsgebunden, z. B. auch hierarchisch, vgl. Luhmann), nicht persönlich sei. Wir kaufen Bananen, denen wir vertrauen, ohne mit dem Supermarktverkäufer durch Komplimente oder Geschenke eine Vertrauensbeziehung aufzubauen; wir verreisen mit Unbekannten und ins Unbekannte usw. 45 Ockenfels, Die Gerüchteküche sorgt für Vertrauen, Süddeutsche Zeitung, 12.2.2008, S. 22, zur Bewertung von Verkäufern bei ebay. 46 Leininger/Ockenfels, The Penalty-Duel and Institutional Design: is there a Neeskens-effect?, abrufbar unter: http://Ockenfels.Uni-Koeln.de/uploads/tx_ockmedia/2007_ockenfels_leininger.pdf; Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung vom 20.1.2008, Wirtschaft, S. 30. 47 Chatterjee/Hambrick, It’s All About Me: Narcistic CEOs and Their Effects on Company Strategy and Performance, Admin Science Q’ly 52 (2007), berichtet nach FAZ 18.03.2008.
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2. Teil: Leistungs- oder erfolgsabhängige Vergütung und Vermögensbildung
Kurzfristige Hilfsgrößen der Leistungsmessung verstärken diese Volatilität, und hohe Volatilität heißt hohes Risiko, was einerseits dem Unternehmerinteresse an Risikokontrolle entgegenläuft und andererseits einen höheren Gesamtertrag zur Vergütung dieses Risikos für den Eigentümer erfordern würde (siehe auch unten 6), aber nicht erreicht.
5. Materielle feste oder variable Vergütungen Fixe Vergütungen sind seit langem selten. In gewisser Weise ist „fixe Vergütung“ ein Widerspruch in sich, weil eine Vergütung immer Gegenleistung und damit leistungsabhängig, also variabel ist. Wer nicht arbeitet, erhält keinen Lohn. (Lohnfortzahlung im Krankheitsfall ist die schwer errungene Ausnahme, die die Regel illustriert.) Feste Vergütungen sind eher Unterhalt und Versorgung als Vergütung und Gegenleistung. Knecht und Magd auf dem Bauernhof gaben ihre ganze Arbeits- und Lebensleistung und erhielten dafür eine Versorgung als Unterhalt ihres Lebens. Staat und Beamter sind in ähnlicher Weise aufeinander bezogen: Geschuldet wird nicht so sehr Arbeitsleistung gegen Vergütung als vielmehr Treue gegen Treue, Einsatz und Hingabe gegen umfassende Versorgung. Solche feudalen Beziehungen bedürfen des gegenseitigen Versprechens im Voraus und laufen auf Lebenszeit. Die gegenseitige Belastung ist also maximiert. Ventil ist die – auch willkürliche – Lossagung. Solche Ordnungsmechaniken funktionieren schlecht, Elend von Bauern-Gesinde und Armut von Beamten waren legendär. Wo eine solche Beziehung wirtschaftlich funktioniert, wie in der Frühzeit des Beamtenstaates, tut sie das mit wenigen Beamten und mit noch weniger hochbezahlten. An die Stelle solcher Beziehungen traten im bürgerlichen Zeitalter Leistungs-Gegenleistungs-Beziehungen. In ihnen ist die Gegenleistung stets variabel, insbesondere arbeitszeitbezogen (siehe nachstehend a) In neuerer Zeit kann auch die Verbindung von Leistung und Gegenleistung in den Hintergrund treten und die Leistungsbezogenheit durch eine Erfolgsbezogenheit ersetzt werden (siehe unten b). a) Leistungsbezogene Vergütungen Die variable, an der Leistung des Leistenden für den Gegenleistenden ausgerichtete Vergütung ist im einfachsten Fall zeitbezogen, z. B. in Stunden- oder Tagessätzen bemessen. Zeiteinheit (Stunde, Tag, Woche, Monat, Jahr) und Zeitmessung (z. B. Stechuhr) unterliegen Konventionen. Tagessätze galten für Tagelöhner und gelten für Unternehmensberater. Fehlende Zeitmessung kann ein Anzeichen für Ausbeutung sein oder ein Zeichen für „höhere“ Dienste, bei denen Überstunden eventuell ebenfalls nicht entgolten werden. Grundproblem der Zeitbezogenheit der Vergütung ist die Ferne vom Erfolg des Zeiteinsatzes. Sich im System tragen lassen, indem man die Zeit am Arbeitsort ohne Leistung verbringt („bummeln“), wird oft mit „niederen“ Diensten assoziiert. Aber Zeitschinden ist – zumindest im Witz – auch ein Phänomen „höherer“ Dienste. Man denke nur an den Wirtschaftsprüfer, der seinen frühen Tod beklagt und dem Petrus anhand seiner eigenen Zeitaufzeichnungen („time-sheets“) ein hohes Lebensalter nachweist. Die Differenz zwischen Zeit und Leistung zeigt auch der ernsthafte Scherz von dem Berater, der das Dreifache seiner Zeit abrechnet, ein zweites Mal wegen seiner hohen Arbeitsgeschwindigkeit und ein drittes Mal, weil die Qualität seiner 74
II. Selbstbetroffenheit bei Entscheidungen
Arbeit dem Leistungsempfänger die Absicherung durch eine zweite Meinung erspare. Das Bummeln oder Zeitschinden ist eine Form unkooperativen Verhaltens, das das System zerstört, wie oben für das Gemeinschaftsgut genannt – und wie dort ausgeführt wirken dem Transparenz und Reputation entgegen. Ist der Leistungserfolg je Zeiteinheit definierbar, standardisierbar und messbar, so entsteht Akkordlohn, weil der Leistende diesen Leistungserfolg bestimmen kann und der Gegenleistende ihn deshalb vergüten will. Ähnliches gilt für eine Umsatz- oder Abschlussprovision. Der Leistungsempfänger muss dann die Profitabilität des Abschlusses oder Umsatzes auf andere Weise sichern.48 Die nächste Stufe ist die gewinnabhängige Vergütung, abhängig vom Roh- oder Reingewinn oder von Zwischenformen, auch in Form von Cash-Flow (EBITDA) oder operativem Gewinn (EBIT49) oder operativem Gewinn nach Kapitalverzinsung (missverständlich Economic Value Added/EVA50 genannt, tatsächlich gerade nicht wertbezogen). Mit dem Verständnis des Unternehmensziels oder Eigentümerertrags als Gesamtertrag („total return“) geht einher die Beteiligung des Dienstleisters an der Summe von laufendem Gewinn und Wertsteigerung. Dazu gehören die oben51 angesprochenen Probleme wie das der Messbarkeit (Wertrealisierung oder Bewertung), der Fristigkeit (Unendlichkeit des Eigentums vs. Endlichkeit von Anstellung oder Amtsperiode), der Risikoadjustierung (Einsatz von Eigenmitteln, Haftung, downside des Managers; aber auch der Unternehmensgründer hatte oft wenig Eigeneinsatz, weil er anfangs selbst wenig besaß). Das Problem der Fristigkeit bringt den baren Mittelabfluss im Abrechnungszeitpunkt mit sich, was bedeutet, dass die Wertbeteiligung des Managers entweder gering und damit auch nur ein geringer Anreiz ist oder aber das Unternehmen wertvernichtend im Abflusszeitpunkt und gegebenenfalls zuvor bei Aufwandsbuchung/Rückstellung belastet. Letzteres Problem lösen Vergütungsformen wie „stock options“ durch Externalisierung aus dem Unternehmen hinaus, aber damit zugleich hinaus aus der Transparenz der Rechnungslegung, mit bekannten und kritisierten Folgen (siehe oben S. 57). b) Erfolgsbezogenheit Die beschriebene Abfolge von Zeit- über Akkord- und Umsatz- bis hin zur Gewinnoder Wert-Vergütung spiegelt die Erfolgsbezogenheit wider, die hinter jeder solchen Bemessung einer leistungsbezogenen Vergütung steckt. Das Verhältnis zwischen Leistung, Leistungsvergütung und Leistungserfolg unterliegt einer Annahme und ist gewissermaßen vor- oder normal-kalkuliert. Beispiele dafür sind die oft empfohlene Bemessung einer Patentlizenzgebühr als ein Drittel des vorkalkulierten Rohertrags oder die angenommene Soll-Rentabilität von Umsatz, die in Unternehmenswert-Formeln zum Ausdruck kommt wie in einem Umsatz-Vielfachen („sales multiple“) oder früher in einem Brauereiwert je Hektoliter. Das Risiko, diese Soll- oder Normal-Rentabilität nicht zu erreichen, trägt dann der Vergütende. Er kann es tragen, wenn er das Erreichen kontrolliert. Diese Voraussetzung ist wohl nicht erfüllt, wenn z. B. ein Unternehmen ________________________ 48 49 50 51
Siehe oben zu Risikomanagement bewusst außerhalb des Leistungsanreizes. Siehe oben Fn. 5. Siehe oben Fn. 4. Siehe oben, 2.c.
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2. Teil: Leistungs- oder erfolgsabhängige Vergütung und Vermögensbildung
den Vorstand nach Umsatzwachstum vergütet. Erfolgsbezogene Vergütungsanteile (Quote) beruhen auf verlässlichen Maßgrößen für Leistungsbeiträge, so z. B. der Gewinnverteilungsschlüssel anhand des eingesetzten Kapitals im Verhältnis zwischen Gesellschaftern, die nichts als ihre Kapitaleinlagen beitragen. Die „Quote“ eines Partners (Sozius) in der klassischen Anwaltssozietät („lockstep“) beruht auf Annahmen über Leistungsbeiträge, die durch Abstufungen („step“ im Wort „lockstep“) nach Berufsoder Betriebszugehörigkeit nur ein wenig verfeinert werden. Letztlich sind alle diese Gewinnquoten jeder Art das Ergebnis von Verhandlungen, Marktmacht anhand Alternativen, Inkaufnahme von Unschärfen und Begrenzung der Unschärfe durch sozialen Druck und am Ende Kündigungsmöglichkeit. Immer liegt der Erfolgsbeteiligung eine Annahme zugrunde über den Zusammenhang zwischen Leistung und Erfolg; das beinhaltet die Möglichkeit auch großen Irrtums oder großer Veränderung bezüglich dieses Zusammenhangs. Die starke und direkte Erfolgsbeteiligung des Managements in der Private-Equity-Transaktion wird dadurch erträglich, dass ihre Laufzeit so begrenzt ist wie die Laufzeit der Private-Equity-Investition als solche. Über längere Perioden, z. B. eine lebzeitige Anstellung eines Managers in einem Unternehmen, bedarf es entweder hoher Toleranz für Unschärfen und Irrtümer oder Korrekturmöglichkeiten. c) Bestimmung/Messung von Leistung/Leistungserfolg vs. Festvergütung Eine aus der Sicht des Leistungsempfängers gute, weil zweckmäßige variable Leistungsvergütung bildet den Zusammenhang von Leistung, Leistungserfolg und Erfolgsvergütung (Erfolgsanteil) angemessen ab, sei es aufgrund Analyse und Messung, sei es mehr heuristisch und intuitiv. Jede Unzulänglichkeit bei der Abbildung dieses Zusammenhangs ist nicht nur unproduktiv (kein Leistungsanreiz, sondern bloßes Profitieren, Mitreiten, „play the system“, was es ja nicht nur bei Hartz IV, sondern auch im Management und im Unternehmen gibt). Mehr noch, eine solche Unzulänglichkeit des Vergütungssystems ist vermutlich kontraproduktiv, weil sie zu anderen als den vom Gegenleistenden verfolgten Unternehmenszielen anreizt (z. B. zu unprofitablem Wachstum oder zu Gewinnausweis durch Investitionsvermeidung) oder die positiven, oft immateriellen Leistungsanreize überlagert und verdrängt. Dann wäre eine Festvergütung für das Unternehmen und den Eigentümer besser. Denn sie vermeidet zumindest die eine „Hälfte“ des Interessenkonfliktes, indem sie das eine Interesse, das des Mitarbeiters, festschreibt und ihn insofern indifferent stellt. Eine relativ feste und hohe Vergütung, wie man sie z. B. der Aldi-Managementvergütung nachsagt, minimiert Fehlincentivierungen gegen das Unternehmensinteresse und die Fehlallokation von Aufmerksamkeit des Managements. Sie maximiert gleichzeitig die Gefahr des „Sich Tragen Lassens“ oder „Mitreitens“, eine Gefahr, die man bei ohnehin hoch Leistungsmotivierten als gering einschätzen und vernachlässigen mag. Gedanklich vorzugswürdig sind also entweder die Beteiligung am Unternehmensgesamtertrag (Gewinn und Wertsteigerung), wiewohl schwer praktikabel, oder die Festvergütung.
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II. Selbstbetroffenheit bei Entscheidungen
Variable Managervergütungen anhand notwendig fehlerhafter oder unzulänglicher Mess-Hilfsgrößen schaffen nicht nur unzulängliche Anreize, sondern sogar Anreize zu Fehlverhalten. Die Leistungsergebnisse eines Unternehmens seien nicht einzelnen Leistenden, z. B. einzelnen Managern, zuzuordnen.52 aa) Verständlichkeit Eine gut gestaltete, weil den Erfolg gut abbildende variable Vergütung ist ein Kunstwerk. Sie muss zunächst einfach sein, intuitiv für den Manager verständlich und damit zur Verhaltenssteuerung geeignet. Einfach ist insbesondere die Zeitbezogenheit, besonders schwierig ist die Wertbezogenheit. Einfach heißt auch, dass ihre Faktoren die Kognitionsspanne von 7 nicht übersteigen sollen.53 bb) Gewichtigkeit Weiter muss die variable Vergütung gewichtig sein, damit sie Verhalten und Leistung des Mitarbeiters beeinflusst, und zwar positiv. Man denke als Gegenbeispiel an die Verspätungsgebühr beim israelischen Kindergarten (siehe oben) oder an unzureichende Variabilitäten, die nur Aufmerksamkeit und damit im Ergebnis Leistung kosten, ohne Leistung zu fördern. cc) Messbarkeit und Manipulationsschutz Je gewichtiger die Variabilität, desto besser ist sie grundsätzlich, aber desto wichtiger sind auch Messbarkeit und Manipulationssicherheit des Zusammenhangs von Leistung und Leistungserfolg, ausgedrückt in einer Skala von Leistungskennzahlen, auf der die leistungsabhängige Vergütung ablesbar ist. Messbarkeit und Manipulationssicherheit sind Grundlage für das Vertrauen54 aller Beteiligten an dem System. Dass die Beteiligten in der Praxis dieser Abbildung des Zusammenhangs von Leistung und Leistungserfolg nicht vertrauen, sieht man an den häufigen Unter- und Obergrenzen (minimum/ maximum, floor/cap) variabler Vergütungen. Beides, insbesondere die Obergrenze ist systemwidrig: Warum sollte das Unternehmen einen höheren Erfolg nicht unbegrenzt höher vergüten, da auch der Mehrerfolg für das Unternehmen doch um ein hohes Vielfaches besser ist als die Mehrvergütung für den Mitarbeiter? Unter- und Obergrenzen der Variabilität sind Ausdruck der Erkenntnis oder Vermutung, dass die variable Skala die variable Realität eben nicht zutreffend und zweckmäßig im Sinne eines positiven Leistungsanreizes abbildet, sondern dass ein Mehrerfolg z. B. auf Konjunktur, Zufall oder Manipulation oder ausschließlich auf der Leistung anderer beruhen kann. Deshalb sollten solche Ober- und Untergrenzen immer eine Überprüfung des Systems insgesamt veranlassen und auch die Frage aufwerfen, ob das System nicht so unzulänglich sein könnte, dass man es besser aufgibt. ________________________ 52 Frey/Osterloh, Yes, Managers should be paid like bureaucrats, CREM Working Paper No. 200503; berichtet in: „Bezahlt Manager wie Beamte“, Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung vom 24.2.2008 Nr. 8. 53 Siehe oben Fn. 2. 54 Zu den Grenzen des Vertrauens siehe oben Fn. 44.
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2. Teil: Leistungs- oder erfolgsabhängige Vergütung und Vermögensbildung
dd) Festlegung im Voraus vs. Beurteilung im Nachhinein Letztlich muss ein Leistungsanreiz-Vergütungssystem im Voraus festgelegt sein. Ein „Gutsherren“-Bonus sei denknotwendig kein Leistungsanreiz, sagt man. Dabei zeigen schon die dargestellten Schwierigkeiten der Bestimmung und Messung von Leistung, Leistungserfolg und Vergütung – wie allgemein die Schwierigkeiten einer Prognose für die Zukunft (siehe oben) –, dass die Beurteilung im Nachhinein alle diese Schwierigkeiten sehr viel besser bewältigen kann als ein im Voraus festgeschriebenes System. Doch steht der Beurteilung im Nachhinein entgegen, dass nach erbrachter Leistung der Leistungsempfänger nur noch an der Minimierung der Gegenleistung (Kosten) interessiert sein könnte. Ein guter Ersatz für ein Leistungsanreiz-Vergütungssystem, im Voraus definiert, ist daher Vertrauen auf die Reputation des Entscheiders, der im Nachhinein die Leistung beurteilt und die variable Vergütung bemisst. Je länger die Beziehung zwischen Leistendem und Gegenleistenden besteht und je mehr Transparenz die Reputation des Entscheiders sichert, desto überlegener ist die Beurteilung im Nachhinein. Beispiel dafür ist eine Gemeinschaft, z. B. unter „Kollegen“ („community“), in der man sich „immer wieder sieht“ und in der solche und andere „checks and balances“ den Interessenkonflikt in der Person des Entscheiders ausbalancieren, der einerseits durch eine hohe variable Vergütung einen echten Leistungsanreiz schaffen will und andererseits durch eine niedrige Vergütung seine Kosten zu minimieren sucht. Ein gutes Modell wird bei Leistungsanreizen in M&A-Transaktionen praktiziert: Der Verkäufer stellt einen Bonus-Topf zur Verfügung, bemessen in einer Staffel je nach Transaktionserfolg (Netto-Verkaufserlös). Bei Erreichen des Erfolgs wird der Gesamttopf in der vorbestimmten Höhe zwingend ausbezahlt. Aber nur ein Teil des Topfs wird anhand eines festen Schlüssels verteilt, z. B. nach dem Verhältnis der Jahresvergütungen der Manager zueinander im letzten Jahr, in den letzten Jahren oder in ihrer gesamten Betriebszugehörigkeit (als Maßstab für das Verhältnis ihrer Leistungsbeiträge zum Unternehmenswert). Die andere Hälfte wird nach dem Ermessen eines reputierlichen Entscheiders verteilt, was Leistungsbeiträge in der Transaktion im Nachhinein zu beurteilen und zu gewichten erlaubt, ohne die Möglichkeit, „Kosten“ zu sparen, weil die Höhe des Bonus-Gesamttopfs ja feststeht. ee) Einfluss des Mitarbeiters und Gefährlichkeit Variable Vergütungssysteme sind bestimmungsgemäß gefährlich, weil sie sich an die Mitarbeiter richten müssen, deren Leistungswille und Position den Unternehmenserfolg beeinflussen und zwar je mehr desto besser. Solche Mitarbeiter finden sich nur oder vor allem im höheren Management. Sie sind besonders wertvoll und besonders gefährlich, nicht nur wegen ihrer höheren Einflussmöglichkeiten auf den Unternehmenserfolg, sondern auch wegen der Schwierigkeit oder Unmöglichkeit, ihre Leistung zu erfassen und zu messen. Es kommt z. B. noch nicht einmal auf die Zeit an, in der sie dem Unternehmen dienten, sondern auf die Entscheidungen, die sie in der Zeit getroffen oder beeinflusst haben, auch wenn sich die Entscheidung erst sehr viel später, nach ihrem Ausscheiden, auswirkt. Je gewichtiger die Entscheidung ist, desto wahrscheinlicher ist ein solches Auseinanderfallen von Entscheidung und Wirkung. Aber nicht nur die Zeit, sondern auch alle anderen Leistungsmerkmale sind gerade bei ihrer Leistung schwer bestimmbar und liegen überwiegend im Bereich von Erfahrung, Expertise, Heuristik oder Intuition (siehe oben). 78
II. Selbstbetroffenheit bei Entscheidungen
d) Interessengleichlauf-Mechanik statt Leistungsanreiz All das legt nahe, auf die Bestimmung und Messung der Leistung und deren Ursächlichkeit für den Unternehmenserfolg ganz zu verzichten und stattdessen ausschließlich an einem Anteil (Quote) am Unternehmenserfolg anzuknüpfen. All die schwer oder nicht bestimmbaren Faktoren von Leistung und Erfolgsursächlichkeit gehen dann in eine einzige Zahl ein, zum Beispiel in einen Prozent- oder Promille-Satz als Anteil am Unternehmenswert in einem Zeitpunkt x. Das Modell ist uralt: Der Unternehmenseigentümer nimmt z. B. einen besonders verdienten und wichtigen Mitarbeiter als Teilhaber auf, wobei die Bedeutung des Schritts nicht im Wert der Teilhabe bei deren Einräumung liegt, sondern in den Zukunftsaussichten der Teilhabe (und evtl. in Anerkennung und Status, siehe oben). In dem hier erörterten Sinne ist eine solche Teilhabe eben nicht Leistungsanreiz, weil sie die Leistung des Mitarbeiters und deren Erfolgsursächlichkeit nicht misst und durch Gegenleistung vergütet, sondern voraussetzt und anerkennt. Derartiges ist nicht etwa altmodisch und durch „moderne“ LeistungsanreizVergütungssysteme überholt, sondern im Gegenteil Ausdruck eines guten Verständnisses solcher Systeme und ihrer Begrenztheit und Unzulänglichkeit.
6. Kapitalanlagen und Leistungsanreize für Investmentmanager Die offenen Finanz- und Kapitalmärkte bieten Informationen und Erfahrungen, von denen Unternehmen viel lernen können, auch für Vergütungssysteme. Denn die Finanzmärkte kennzeichnet ein Gegensatz: –
einerseits höchste Transparenz (Informationsfülle) über Entwicklungen und Erfahrungen in der Vergangenheit und bezüglich der Quantifizierung aller Beurteilungen am heutigen Tag in Form von Bepreisung durch Verkehrswerte und
–
andererseits höchstmögliche Intransparenz bezüglich des Gegenstands dieser Beurteilung und Bepreisung, nämlich die ausschließlich in der Zukunft liegenden, heute zu beurteilenden Verhältnisse.
Zudem behandeln die Finanzmärkte das Thema der Vergütung von Leistung nicht nur anhand der Vergütung angestellter Mitarbeiter, die persönliche Dienste leisten, sondern insbesondere auch anhand der Vergütung von Banken und anderen Unternehmen (einschließlich deren Manager). a) Von der Wertgebühr (Umsatzprovision) zum Erfolgshonorar aa) Gebühren und Provisionen Die klassische Vergütung für Finanzmarktleistungen ist wertorientiert (ad valorem), also bezogen auf den „bewegten“ Kapitalbetrag. Das beginnt schon beim Zins für Kapitalüberlassung und setzt sich fort bei Dienstleistungshonoraren wie Depotgebühren, Wertpapierumsatzprovisionen und anderen Transaktionsvergütungen. Von den Banken und Versicherungen und den ihnen nahestehenden und vergleichbaren Dienstleistern ausgehend wurden diese Vergütungsstrukturen zunächst auch von Fonds und anderen bankunabhängigen Dienstleistern übernommen. Wertbezogene Gebühr bedeutet zwar auch, dass der Dienstleister an der Wertsteigerung unter seiner Ägide teilhat, aber wie
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2. Teil: Leistungs- oder erfolgsabhängige Vergütung und Vermögensbildung
Levitts Beispiel der Immobilienmakler im Raum Chicago zeigt,55 profitiert der Dienstleister nur ganz wenig von der durch seine Mühe (oder aus anderen Gründen) erreichten Wertsteigerung und ganz stark von dem darunterliegenden Wert, der auch ohne ihn da war und bleibt. Die Wertgebühr honoriert also den Anlageerfolg zumindest direkt nur ganz wenig. Direkt und stark honoriert sie den Platzierungserfolg, also die Fähigkeit des Dienstleisters, Anleger dazu zu bewegen, ihm Kapitalien zur Verwaltung oder Beratung anzuvertrauen. Die Gebührenstruktur belohnt also die verkäuferischen Fähigkeiten des Dienstleisters gegen seinen Kunden und nicht so sehr die anlegerischen Fähigkeiten des Dienstleisters für seinen Kunden. Indirekt steckt in dem durch die Wertgebühr vergüteten Platzierungserfolg auch eine Anerkennung für Reputation, Goodwill, „track record“ usw. als Vertrauensbasis des Kunden. Indirekt honoriert der Kunde damit z. B. auch die Fähigkeit des Finanzdienstleistungsunternehmens, seine eigenen Manager zu halten, Begabte anzuwerben, weniger Erfolgreiche auszuscheiden und überhaupt die Mitarbeiter zur Leistung für das Dienstleistungsunternehmen und indirekt für den Kunden anzuhalten. Den größeren und professionellen Anlegern genügt dieser indirekte Zusammenhang nicht mehr. Sie kalkulieren die Wertgebühr nach und vereinbaren mit dem Finanzdienstleister ein wertunabhängiges Fixum (auch wenn es wertabhängig ausgedrückt wird), das die Kosten des Finanzdienstleisters decken und seinen Betrieb aufrechterhalten soll und ihm im Normalfall einen kleinen Gewinn belässt. Im Übrigen soll der Finanzdienstleister durch Anlageerfolg für den Anleger seine Vergütung verdienen (siehe unten zum Erfolgshonorar). Entsprechend ist die Entwicklung der Vergütung von Versicherungsmaklern durch Großkunden: weg von Provision und Courtage hin zu einem verhandelten Zeit-, Leistungs- oder Pauschalhonorar. Die Marktentwicklung hat solche Kalkulationen für Banken und Anlage-Finanzdienstleister durchgesetzt. Auch ist versucht worden, Entsprechendes für Private-Equity- und andere Fonds durchzusetzen, wo zum Beispiel im Buy-out-Bereich ursprünglich die 2 % Managementgebühr einheitlich galt, die heute durch (seltene) abweichende Prozentsätze, (häufige) Verfeinerungen über die Laufzeit mit ihren Investitions-, Halteund Desinvestitionsperioden und (zunehmend) über Co-Investitionsabreden mit Großanlegern modifiziert wird. Ein etablierter, mittlerweile auch sehr groß gewordener Fonds-Initiator mit gutem („festen“) „track record“ mag diesem Druck bisher widerstanden und seinen wertabhängigen Einkommensstrom mit der Größe seiner Fonds sogar vervielfacht haben. Aber neue Fonds, insbesondere „first-time-funds“, sind diesem Druck der Anleger (Auftraggeber) voll ausgesetzt. bb) Erfolgshonorare und Risiko Banken, andere Finanzdienstleister und Fonds sollen heute aus Anlegersicht ihren Gewinn ausschließlich oder ganz überwiegend aus Erfolgshonoraren erlangen, also leistungsabhängig. Was Leistung ist, wurde immer mehr verfeinert, z. B. durch Basisverzinsung (Hürde/„hurdle“ mit oder ohne Catchup, Ratchet, Benchmark, bei längerfristigen Beziehungen High-Water-Mark usw.). Alle diese Bemühungen und Verfeinerungen verfolgen ähnliche Ziele wie bei der leistungsabhängigen Management-Vergütung, und sie alle unterliegen den gleichen Begrenzungen und Unvollkommenheiten. ________________________ 55 Siehe oben 3.a.
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II. Selbstbetroffenheit bei Entscheidungen
Die gewichtigste davon betrifft die Risikoseite. Kapitalrendite (oberhalb der BasisMarktverzinsung für Kapitalüberlassung) ist vor allem Risiko-Vergütung. Ein Erfolgshonorar des Dienstleisters ist also ein Anreiz zur Risikoerhöhung. Klauseln wie HighWater-Marks (Verlustvorträge) lösen das Problem nicht, weil die Dienstleister oder ihre Manager eine Verwaltung oder Beratung ohne Erfolgschance (wegen zu hoher Verlustvorträge) so oder so beenden werden und der Anleger somit auf seinem Risiko alleine sitzen bleibt. Auch anderweitige Risikokontrollen und -begrenzungen wie vorgegebene Volatilitäten, Sharpe-Ratio usw. sind unzureichend, weil sie notwendigerweise auf Vergangenheitsdaten und deren möglicherweise fehlerhafter Beurteilung beruhen, wie Hedgefonds, Subprime-Anlagen usw. in jüngster Zeit bewiesen. Gedanklich zuverlässig sind Verpflichtungen des Managers oder Beraters, eigenes Geld „im Feuer“ zu haben56, insbesondere durch Investitions- und Co-Investitionsverpflichtungen wie bei Private-Equity-Fonds. Der typische 1 %-General-Partner-Kapitalanteil des Managers am Private-Equity-Fonds erreicht insoweit keinen Interessengleichlauf. Denn die Wertgebühr („management fee“) eines einzigen Jahres ist doppelt so hoch, auch wenn man berücksichtigen mag, dass nur ein kleiner (aber bei Großfonds eben doch nicht so kleiner) Teil dieser Gebühr Gewinn ist und auch das nur gemindert um Steuern. Immerhin gibt es erfolgreiche Fonds und Initiatoren, deren „track record“ Reputation begründet und Risikoschutz indiziert und die viel mehr als 1 % Eigenmittel im Fonds investieren, in Einzelfällen bis zu 30 %. Dafür erwarten sie aber u. U. auch einen höheren Gewinnanteil als Erfolgshonorar. Vergröbert gesagt, Interessengleichlauf auf der Risikoseite bietet dem Anleger der Manager oder Berater, der selbst überwiegend Anleger ist, also eigenes Geld anlegt: Nur, warum sollte er, der selbst Vermögen hat, Geld für einen anderen verwalten und diesen, weniger professionellen anderen von seiner eigenen Professionalität profitieren lassen? Im Bewusstsein dieser Unzulänglichkeiten haben die Finanzmärkte die Vergütung von Managern und Beratern weg von der Wert- und Umsatzgebühr (bei Fonds: „management fee“) und hin zur Erfolgsgebühr (bei Fonds: „carried interest“ oder „carry“)57 verschoben. b) Interessengleichlauf („alignment of interests“) In der Weiterentwicklung der erfolgsabhängigen Vergütung für Investmentmanager und Berater haben insbesondere US-Endowments58 in den letzten Jahren den Gedanken, ja das Dogma des Interessengleichlaufs zwischen Anleger und Manager („alignment of interests“) in den Vordergrund geschoben. Investment-Manager-Auswahl nach dem Grundsatz des Interessengleichlaufs gilt dabei als ein Hauptkriterium ________________________ 56 Siehe oben 2.c)ee und unten b)ee zur Selbstbetroffenheit. 57 Siehe näher Rodin, Kapitaldisproportionale Gesellschafterbeiträge und Besteuerung, unten in diesem Band, S. 101 ff. 58 Vgl. vor allem David Swensen, einer der beiden Investment Officer der Vermögensverwaltung der Yale University, in seinen Büchern „Pioneering Portfolio Management“, „Erfolgreich Investieren“, „Die intelligente Asset Allocation“ und „Proaktive Portfolio Strategien“. Aber auch andere führende Endowments verfolgen solche oder vergleichbare Ansätze mit Anlageerfolgen jedenfalls oberhalb von 10 % pa bis zu ca. 25 % pa. Ursache dieser Anlageerfolge sind aber auch andere, weniger publizierte Ansätze wie höhere Anteile eigener Investmenttätigkeit (insbesondere bekannt oder vermutet für das Endowment von Harvard).
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2. Teil: Leistungs- oder erfolgsabhängige Vergütung und Vermögensbildung
für den Anlageerfolg. Das früher gleichwertig daneben genannte Kriterium der Anlagenklassen-Auswahl („asset allocation“ zur Risikostreuung/Diversifikation) scheint nunmehr demgegenüber eher zurückzutreten. aa) Managementgesellschaften der Manager Investmentmanager-Auswahl anhand Interessengleichlaufs beinhaltet mehrere Gesichtspunkte. Ein erster ist das Zurückdrängen von Institutionen wie Banken oder Fonds-Initiatoren und die Betonung der Bedeutung der einzelnen Manager eines Depots oder Fonds. Ausdruck dessen ist die „Privatisierung“ („taking private“) von Managementgesellschaften, die sich bei Private Equity ganz überwiegend von ihren institutionellen Investoren gelöst haben und in den Besitz der aktiven Manager übergegangen sind. Auch innerhalb eines Managementteams bedeutet „alignment of interests“, dass an der Managementgesellschaft die Einzelmanager untereinander nach ihrer Bedeutung für den Anlageerfolg beteiligt sein sollen, also dass z. B. die Anteile nicht überwiegend bei Gründern mit nachlassender Aktivität liegen. Anleger sagen von sich „we back managers“, so wie dies Private-Equity-Fonds im Verhältnis zu den Zielunternehmen sagen. bb) Festgebühren mit wenig Gewinn Ein zweites Kriterium ist die schon genannte Überprüfung der Höhe der Managementgebühr anhand der Managementkosten eines Fonds oder Depots. Banken sollten mit solchen Gebühren auch alle Umsatz- und Transaktionskosten abdecken („all-in“). Fonds sollen Transaktions-, Aufsichtsrats- und alle anderen Honorare auf die Managementgebühr anrechnen. Je stärker die Reputation eines Fonds, insbesondere in den letzten Zeiten der Übernachfrage und des Anlagedrucks, desto mehr konnten sie solchen Anrechnungswünschen auch widerstehen. cc) Interessengleichlauf durch Erfolgsbeteiligung und Eigenmittel Das dritte Kriterium wird oft als das eigentliche oder einzige Kriterium eines „alignment of interests“ gesehen: Der Fonds und seine Manager erhalten keine Gegenleistung für ihre Leistung, da die Kausalität ihrer Leistung für den Leistungserfolg ohnehin schwer bestimmbar ist. Vielmehr tritt eine Erfolgsbeteiligung zur Neutralisierung von Fonds- und Manager-Eigeninteressen an die Stelle eines eigentlichen Leistungsanreizes. Das „alignment of interests“ liegt in dieser Denkweise in der Kombination – –
zwischen einer reinen Erfolgsbeteiligung als Anteil am „total return“ des Anlegers, verbunden mit der Forderung nach Einsatz von Eigenmitteln oder Haftung des Managers oder Beraters, um den Anreiz zu mindern, dass dieser übergroße Risiken eingeht oder sich ohne besondere Einsatzbereitschaft von der Marktentwicklung „tragen“ lässt.
Zum Interessengleichlauf achten professionelle Anleger darauf, dass diese Erfolgsbeteiligung nicht nur der Fonds-Managementgesellschaft zugutekommt, sondern jedem einzelnen Manager, der für den Einzelerfolg der Transaktionen und den Gesamterfolg des Fonds Mitverantwortung trägt, und dass solche Manager auch zumindest wesentliche Teile ihrer in früheren Fonds verdienten Erfolgsbeteiligungen reinvestieren.
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II. Selbstbetroffenheit bei Entscheidungen
dd) Manager der Zielunternehmen Das „alignment of interests“ setzt sich fort bezogen auf die Manager der Zielunternehmen in den einzelnen Private-Equity-Transaktionen. Bei Anlegern und darüber hinaus gilt das als wesentlicher Grund für den erstaunlichen Erfolg von Private Equity. Zwar sagen Kritiker, dieser Erfolg beruhe auf einem außergewöhnlichen Zusammentreffen von stetig steigenden Eigenkapitalmärkten und einem preiswerten Überangebot von Fremdfinanzierung. Aus dieser Sicht ist der Erfolg von Private Equity Ergebnis einer Art von Arbitrage zwischen Fremdfinanzierungskosten und Eigenkapitalrenditen, und die Mehrzahl der Private-Equity-Fonds hätten nicht mehr Anlageerfolg erzielt als ein weitgehend fremdfinanziertes Aktienportefeuille. Jedoch stehen Anleger auch unter dem Eindruck, dass Private Equity als das Management von Unternehmensveränderungen („change management“) Zusatzwert zu reinen Anlagen in Unternehmenseigenkapital geschaffen habe und weiter schaffe. Bemerkenswert ist jedenfalls, dass die großen Anlageerfolge weitestgehend von unternehmensfremdem und oft sogar branchenfremdem Management in Fonds und Unternehmen erreicht wurden.59 Von daher liegt es nahe, die Erfahrung mit den verschiedenen Vergütungsformen, insbesondere mit Erfolgsbeteiligung und Interessengleichlauf, aus den Finanzmärkten und vor allem von Private Equity auch auf die Vergütung von Managern in Unternehmen im Allgemeinen zu übertragen, soweit sie übertragbar sind (zu Einschränkungen siehe oben). ee) Private-Equity-Konzepte verallgemeinerungsfähig: Selbstbetroffenheit Die Betriebswirtschaft60 hält Private-Equity-Strukturen für verallgemeinerungsfähige Modelle der Organisation von Unternehmensführung. Dem mag ein noch über Betriebswirtschaftliches hinausgehender Gedanke zugrunde liegen: der der Selbstbetroffenheit als Grad für Entscheidungsbefugnisse.61 Der Eigentümer entscheidet über sein Eigentum nicht wegen seiner Fähigkeiten (keine Qualifikationsprüfung oder -auswahl), sondern weil Erfolg und Misserfolg ihn betreffen. Die Gesellschafts- und Wirtschaftsordnung sieht darin ein geeignetes Kriterium, Entscheidungsbefugnis zuzuordnen. Noch allgemeiner gilt das für das Wahlrecht in der Demokratie. Übertragen auf Vergütungssysteme spricht das für Modelle zum Interessengleichlauf (nicht zum bloßen Interessenanreiz im engeren Sinne) mit Eigenmitteleinsatz oder Haftung des Managers oder Beauftragten.
7. Recht und Steuer Rechtliche und steuerliche Überlegungen zu dem Obigen werden in anderen Beiträgen dieses Bandes dargestellt. Hier nur einige allgemeine Vorüberlegungen.
________________________ 59 Vgl. oben unter 3.b, zur Leistung bei oder mit partieller Unwissenheit durch Heuristik und Intuition. 60 Z. B. Jensen (Harvard Business School), Handelsblatt vom 8.4.2008, S. 19. 61 Siehe oben 3.c)ee.
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2. Teil: Leistungs- oder erfolgsabhängige Vergütung und Vermögensbildung
a) Recht aa) Leistungsaustausch (gegenseitiger Vertrag) Die rechtliche Grundform der Zusammenarbeit zwischen Unternehmen und Manager ist der auf Leistung und Gegenleistung gerichtete Austauschvertrag, der gegenseitige Vertrag mit gegenläufigen Interessen zwischen Dienstgeber und Dienstnehmer. Im Austauschverhältnis optimiert jede Seite in eigener Verantwortung ihre eigene Position. Dabei schuldet sie der anderen Seite Rücksichtnahme, aber nur in elementaren Belangen oder in wesentlich geringerem Umfang als bei einem Gesellschaftsverhältnis (dazu sogleich). Die Leistung des leistenden Managers (Arbeit, Dienste) definiert den Charakter des Austauschvertrags, den Vertragstyp. Die vom Vertragstyp grundsätzlich unabhängige Gegenleistung besteht in Geld oder Geldeswert. Auch wenn sie sich teilweise (oder ausnahmsweise ganz) als Anteil am Gewinn des Leistungsempfängers bemisst, lässt das den Vertragscharakter und -typ unberührt. Die Bemessung der Gegenleistung (anhand von Zeitaufwand, Abschluss oder Umsatz, Gewinn, Gesamterfolg) indiziert aber, was der Kern der Leistung des Dienstleistenden sein soll, anders gesagt: worauf es dem Leistungsempfänger bei der Leistung ankommt, nicht nur einseitig als Motiv oder innere Veranlassung, sondern als Bestandteil der Vereinbarung beider Seiten. bb) Gesellschaft Gegenbegriff zum Austauschverhältnis/-vertrag ist die Rechtsform der Gemeinschaft oder Gesellschaft in Verfolgung eines gemeinsamen Zwecks und Interesses. Auch bei ihr stehen sich die Interessen gegenüber, vor allem beim Abschluss des Gesellschaftsvertrages (insbesondere in der Differenzierung durch Quoten, Gewinnervorab u. a. und bei der Bestimmung und Bemessung der Einlagen). Im laufenden Leben der Gesellschaft dagegen steht das gemeinsam verfolgte Ziel gemeinsamen Wirtschaftens im Vordergrund. Daraus ergibt sich z. B., dass es weniger darauf ankommt, welchen Leistungsbeitrag jeder Gesellschafter erbringt (z. B. Geldkapital, Patente oder andere Sachwerte, Dienste). Nicht so sehr der Leistungsbeitrag definiert den Gesellschaftstyp (KG, OHG, GmbH, AG, stille Gesellschaft), sondern die Organisation der Zusammenarbeit und die Verteilung der Verantwortlichkeiten. Das Wirtschaften auf gemeinsame Rechnung verlangt mehr Rücksichtnahme im Innenverhältnis und stärkt Treuepflichten, Verhinderung oder zumindest Offenlegung externer Interessenkonflikte u. a. cc) Kombinationen Dabei gibt es seit jeher Mischformen und vor allem Kombinationen zwischen Austausch- und Gesellschaftsverhältnis. Beispiele sind der Privatbank-phG oder überhaupt der angestellte Komplementär, der aktive Gesellschafter ohne oder mit geringer Kapitaleinlage oder der geschäftsführende Gesellschafter (als Gesellschafter mit zusätzlicher Geschäftsführungsbefugnis, auch mit Anstellung ohne eigene Vergütung, oder als angestellter Geschäftsführer mit zusätzlicher Gesellschafterstellung, sei es auch nur für Briefkopf oder Visitenkarte). Auch sind die Übergänge im Grenzbereich fließend, vor allem zwischen den einfacheren Gesellschaftsformen wie der GbR oder der stillen Gesellschaft z. B. gegenüber dem Metageschäft. Ein Gesellschaftsverhältnis kann schuldrechtlich ausgestaltet und „ge84
II. Selbstbetroffenheit bei Entscheidungen
schwächt“ sein, insbesondere durch Möglichkeiten zum Hinauskündigen (nach der Rechtssprechung eventuell nur mit einem weit verstandenen sachlichen Grund möglich, aber jedenfalls auch ohne wichtigen Grund und nicht nur gegenseitig als ordentliche Kündigung). Umgekehrt kann ein schuldrechtlicher Austauschvertrag gesellschaftsrechtlich „verstärkt“ sein, insbesondere durch Mitsprache- und Mitentscheidungsrechte, die den Austauschvertrag zur Gesellschaft machen können. Auf die bloße Bezeichnung und Terminologie des Vertrages kommt es jedenfalls nicht an. dd) Angemessenheitsprüfung Alle Verträge unterliegen von Rechts wegen einer gewissen Angemessenheitsprüfung, jedenfalls zur Einhaltung von Missbrauchsgrenzen oder zur Verhinderung von Wucher. In Einzelfällen ordnen Gesetz oder Rechtssprechung dafür besondere Regularien an, z. B. das Aktienrecht für die Angemessenheit von Vorstandsvergütungen (§ 87 AktG). Wie bei einem allgemeinen Kriterium wie „Angemessenheit“ nicht weiter verwunderlich, ist vieles dabei umstritten, z. B. schon der Schutzzweck oder die Intensität einer solchen Prüfung. Allen Angemessenheitsprüfungen ist gemeinsam, dass der auf seine Angemessenheit zu prüfende Betrag oder Wert (z. B. eine Managervergütung oder ganz allgemein eine Gegenleistung wie beim Wucher) relativ zu etwas anderem zu beurteilen ist, zu dem das zu Überprüfende sich angemessen zu verhalten hat. (1) Vielzahl von Begründungen der Angemessenheit62 Für Managervergütungen ergibt sich aus dem oben Dargestellten, dass der Vielzahl der von Fall zu Fall verfolgten Zwecke und Gesichtspunkte eine ebenso große Zahl von Gründen für die Angemessenheit einer Vergütungsvereinbarung entspricht. Eine Vergütung kann bezogen auf das eine Kriterium (z. B. Zeitaufwand) völlig unangemessen erscheinen, sei es dass die Vergütung gemessen am Zeitaufwand sehr groß oder sehr gering und eventuell sogar Null sein mag. Deswegen ist die Vergütungsvereinbarung noch nicht unwirksam, wenn – soweit erforderlich – sie sich aus einem anderen mit ihr verfolgten Zweck oder Grund heraus rechtfertigt, z. B. durch den erreichten oder verfehlten Erfolg des Leistungsempfängers. Für einfachere Dienste dürfte das anders sein: Auch die für den Arbeitgeber erfolglose Tätigkeit eines Arbeitnehmers wird zeitbezogen oder in anderer vereinbarter Weise honoriert. Schuldet der Dienstleister aber nicht nur seine Zeit, schuldet er insbesondere wie z. B. ein Makler den reinen Erfolg, so kommt es für die Angemessenheit der Vergütung nur darauf an. Das zeigt sich auch am umgekehrten Fall: Der Arbeitgeber schuldet dem Arbeiter oder Berater nicht mehr als den Wochen- oder Monatslohn bzw. das Zeithonorar, auch wenn die Leistung zu einem dazu außer Verhältnis stehenden Erfolg geführt hat. (2) Weite Grenzen vor allem zum Interessengleichlauf Welche Quote der Gegenleistungsempfänger von seinem Erfolg an den Leistenden abzugeben bereit ist, kann einer Angemessenheitsprüfung kaum oder allenfalls in sehr weiten Grenzen unterliegen. Je schwerer der Leistungsinhalt und -erfolg des Leistenden zu bestimmen und zu messen ist, desto weiter sind die Grenzen. Auch eine sehr hohe Quote als Anteil an einem Unternehmenserfolg kann als Gegenleistung für eine Mana________________________ 62 Siehe auch eingangs vor 2 sowie S. 91 ff., 97 ff.
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2. Teil: Leistungs- oder erfolgsabhängige Vergütung und Vermögensbildung
gementleistung angemessen vereinbart werden. Das gilt m. E. auch für die Vereinbarung im Nachhinein, gerade weil Leistung und Leistungserfolg und Zusammenhang zwischen Leistung und Leistungserfolg im Vorhinein schwer bestimmbar sein dürften und die Beurteilung im Nachhinein dieses Problem angemessener lösen kann als im Voraus (siehe oben). Je mehr es auf Erfolgsbeteiligung und Interessengleichlauf („alignment of interests“) ankommt und nicht so sehr auf Leistung- Gegenleistung und Leistungsanreiz, desto schwerer ist es vorstellbar, dass eine solche Vereinbarung unangemessen und unwirksam sein sollte. Dem entspricht die Zurückhaltung der zivilrechtlichen Rechtssprechung bei der Korrektur von Gewinnverteilungsabreden, die gleichfalls dem Interessengleichlauf bei der Betätigung von Gesellschaft und Gesellschaftern dienen. Wie ausgeführt, liegt diese Denkweise im Interesse des Leistungsempfängers, jedenfalls beim Empfang komplexer Leistungen wie Managementleistungen. Dieses allgemeine Interesse des Leistungsempfängers (z. B. des Unternehmens) an der Ausgestaltung der Gegenleistung als Erfolgsbeteiligung rechtfertigt die Beurteilung der Vereinbarung als angemessen, auch wenn im Einzelfall Ablauf, Ergebnis oder andere Umstände die Vereinbarung als unangemessen erscheinen lassen. Auch eine an sich einfache Leistung (z. B. ein Hinweis auf eine Geschäftschance oder die Herstellung eines Kontakts zur Nutzung einer Geschäftschance) kann die Grenzen der Angemessenheit sehr weit oder sogar unbestimmbar machen. Nur bei einfachen und ihrer Art nach austauschbaren Leistungen gibt es keinen Grund zur Herstellung oder Absicherung eines Interessengleichlaufs, und die Grenzen der Angemessenheit können dann auch enger zu ziehen sein. Der Taxifahrer, der eine Person oder ein Schriftstück zu einer Vertragsunterzeichnung befördert, kann seine überhöhte Vergütungsforderung nicht durch den Gesichtspunkt des Interessengleichlaufs rechtfertigen, sondern kann dem Wucherverbot unterfallen. Denn auch wenn er eine Person oder einen Gegenstand lebensrettend ins Krankenhaus befördert, ändert das nichts am Inhalt und noch nicht einmal am Erfolg (im engeren Sinne) der von ihm geschuldeten Beförderungsleistung, und die Lebensrettung (oder die Ermöglichung des Vertragsabschlusses) entzieht seine Vergütung nicht einer Angemessenheitskontrolle und dem Wucherverbot. Dass man als Beispiel für eine Angemessenheitsprüfung zu solchen augenfälligen Beispielen greift, mag andeuten, wie weit die Angemessenheitsgrenzen dort sind, wo es dem Leistungsempfänger auf Leistungsanreiz und insbesondere auf Interessengleichlauf ankommt. (3) Zulässigkeit im Übrigen Die gesellschafts- und dienstrechtliche Zulässigkeit von Transaktionsboni an Manager durch Gesellschafter ist umstritten.63 Unsicher ist auch, ob sich die Zulässigkeit einer Vergütung bei der AG aufgrund der dortigen Organisationsvorschriften (Zuständigkeit des Aufsichtsrats) besonders beurteilt oder ob nicht rechtsformübergreifende Grundsätze gesellschafterseitigen Vergütungen entgegenstehen oder zumindest ihre Offenlegung erfordern können, jedenfalls soweit es sich um die Vergütung der Leistung handelt, die der Manager der Gesellschaft zu erbringen hat. Anderweitige Leistungen an den Gesellschafter selbst können und müssen dagegen anderweitig vergütet werden, gegebenenfalls eben durch den Gesellschafter als Leistungsempfänger selbst, keinesfalls durch ________________________ 63 Siehe dazu Hohaus/Weber, DStR 2008, 104 m. w. N. sowie unten S. 91 ff., 97 ff.
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II. Selbstbetroffenheit bei Entscheidungen
die Gesellschaft. Eine andere Frage ist, ob der im Dienst der Gesellschaft stehende Manager auch dem Gesellschafter solche zu vergütende Leistungen erbringen darf oder ob wiederum Wettbewerbs- oder Tätigkeitsverbote oder Treu und Glauben dem entgegenstehen oder zumindest Offenlegung erfordern. b) Steuer aa) Einkunftsart Auch steuerlich, vor allem ertragsteuerlich, ist zwischen Austauschverhältnissen und gemeinschaftlicher Einkommenserzielung zu unterscheiden. Wiederum definiert sich die Einkunftsart durch die Leistung, nicht durch die Gegenleistung. Auch die erfolgsbezogen vergütete Anstellung führt zu Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit, ebenso das Erfolgshonorar des Beraters zu Einkünften aus selbständiger Arbeit oder Gewerbebetrieb, je nach Art seiner Leistung. bb) Gemeinschaftliche Einkunftserzielung Die Abgrenzung zwischen eigenständiger und gemeinschaftlicher Einkunftserzielung entscheidet das Innenverhältnis mit allen Einzelheiten seiner Ausgestaltung in einer wirtschaftlichen Würdigung, ähnlich wie steuerlich für die Zuordnung wirtschaftlichen Eigentums das Innenverhältnis maßgeblich ist und nicht die Rechtsinhaberschaft im Außenverhältnis. Nach den Kriterien der Rechtssprechung für eine Mitunternehmerschaft wird gemeinschaftliche Einkunftserzielung charakterisiert durch die Kombination der Teilhabe an Entscheidungen und am Erfolg oder Misserfolg. (Das gilt für die gewerbliche Mitunternehmerschaft wie für ihr nichtgewerbliches Äquivalent, auch z. B. in der sogenannten privaten Vermögensverwaltung.) Beide „Teilhaben“ können positiv oder negativ sein, durch die Möglichkeit, eine Entscheidung zu bewirken oder zu verhindern, bzw. durch die Partizipation an Gewinn oder Verlust. Die Anforderungen an die Teilhabe an der Entscheidungsfindung sind nach der Rechtssprechung eher niedrig. Ein Manager oder Berater dürfte sie regelmäßig erfüllen, da dessen Dienste schon ihrem Charakter nach eine Einflussnahme auf Entscheidungen beinhalten, beim Manager mehr als beim Berater. Denn Managen bedeutet gerade Entscheiden, während der Rat dadurch gekennzeichnet ist, dass er – anders als eine Weisung oder eine ähnliche Befugnis – unbeachtet bleiben kann. Über die Abgrenzung zwischen eigenständiger oder gemeinschaftlicher Einkunftserzielung entscheidet im Ergebnis also vor allem die Teilhabe am Erfolg, und zwar am Erfolg oder Misserfolg einer Geschäftsperiode (z. B. Jahresgewinn oder -verlust) und am Erfolg der Gesamtperiode der gemeinsamen Betätigung (z. B. Wertsteigerung oder -minderung des Unternehmens). Die Teilhabe an einem dieser vier Elemente (Gewinn, Verlust; Werterhöhung, -minderung) führt sicher nicht zur gemeinschaftlichen Einkunftserzielung. Die Teilhabe an drei der vier Elemente dürfte immer genügen (also z. B. nur keine Beteiligung am laufenden oder am Wertverlust). Eine Teilhabe an zwei von vier Elementen könnte genügen (z. B. Teilhabe nur an Gewinn und Wertsteigerung, nicht an Verlust und Wertminderung, oder aber Teilhabe an Gewinn, Wertsteigerung und Verlust oder Wertminderung). Die Teilhabe kann dem Umfang nach größer oder kleiner sein. Da sich „groß“ oder „klein“ weder absolut bestimmen lassen (auch der Gesellschafter mit 50 Euro Einlage 87
2. Teil: Leistungs- oder erfolgsabhängige Vergütung und Vermögensbildung
ist steuerlich Gesellschafter) noch relativ im Verhältnis zu den anderen Beteiligten (auch der 1‰-Gesellschafter ist steuerlich Gesellschafter), kann eine allzu kleine und deshalb steuerlich unbeachtliche Teilhabe sich nur relativ zu den Verhältnissen des Teilhabers selbst bemessen. Der Manager mit 1 Mio. Euro Jahres-Festvergütung und hoher Erfolgsbeteiligung, aber einer auf 1.000 Euro begrenzten Verlust- und Wertverlustbeteiligung dürfte nicht gemeinschaftlich Einkünfte mit seinem Dienstgeber erzielen. Denn diese Verlustbeteiligung tut dem Manager „nicht weh“ und ist für ihn unbeachtlich. Riskiert ein Manager mit 100.000 Euro Festgehalt und 100.000 Euro Tantieme eine Verlustbeteiligung bis zu 100.000 Euro, so ist dies bestimmt im Sinne von Gemeinschaftlichkeit der Einkunftserzielung beachtlich. Selbst 50.000 Euro Verlustbeteiligung wären noch sein ganzer Nach-Steuer-Bonus und die Hälfte seiner NachSteuer-Gesamtvergütung eines Jahres und selbst die Hälfte einer solchen Beteiligung erscheint beachtliche Teilhabe. Diese wirtschaftlich orientierte Betrachtung beeinflusst die steuerliche Umqualifizierung einer schuldrechtlich ausgestalteten Beziehung in gemeinschaftliche Einkunftserzielung. Das gilt nicht umgekehrt: Der „angestellte“ Komplementär oder Kommanditist erzielt gemeinschaftliche Einkünfte mit den übrigen Gesellschaftern oder Mitunternehmern, auch wenn sein Gesellschaftsanteil minimal ist und sein Anstellungsverhältnis bei Weitem überwiegt. Das Steuergesetz ordnet sogar an, dass in einem solchen Fall die Gesellschafter-/Mitunternehmer-Stellung die Einkunftserzielung insgesamt charakterisiert und Vorrang hat vor dem Anstellungsverhältnis, das sonst zu Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit führen würde, nun aber zu Sondervergütungen im Rahmen der gemeinschaftlichen Einkunftserzielung.64 cc) Anders bei Kapitalgesellschaften Dies gilt nicht für Kapitalgesellschaften. Hier wird getrennt zwischen Gesellschaftsverhältnis und Anstellungsverhältnis, und beide werden voneinander getrennt besteuert. Die GmbH-Gesellschafterstellung oder die Aktionärsstellung (auch mit maximaler oder minimaler Beteiligung) stehen also steuerlich getrennt neben der Anstellung (auch mit minimaler Vergütung als Gehalt). dd) Abweichende Erlösverteilung Vereinbaren die Gesellschafter der GmbH oder AG untereinander eine vom Kapitalverhältnis abweichende Verteilung eines eventuellen Veräußerungserlöses, zu Lasten oder zu Gunsten des aktiven angestellten Gesellschafters, so ist diese gleichfalls unabhängig von seiner Anstellung im Verhältnis zur Gesellschaft steuerlich zu würdigen. Zwischen Gesellschaftern vereinbart und durchgeführt, beeinflusst eine solche Verteilungsabrede die Höhe der Einkünfte aus dem Gesellschaftsanteil (z. B. einen Veräußerungsgewinn oder -verlust), nicht aber die Natur dieser Einkünfte. Anders gesagt, aus dem Veräußerungsgewinn oder -verlust wird weder positiv noch negativ eine Einnahme aus nichtselbständiger Tätigkeit. Das liegt an der Selbständigkeit des Steuersubjekts „Kapitalgesellschaft“. ________________________ 64 § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG.
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II. Selbstbetroffenheit bei Entscheidungen
Aus einem ähnlichen Grund wäre auch eine Abrede über eine anderweitige Verteilung einer Gewinnausschüttung der GmbH oder AG unbeachtlich (egal ob daneben ein Anstellungsverhältnis zur GmbH oder AG besteht oder nicht). Eine außergesellschaftliche Umverteilung ist steuerlich schon deshalb unbeachtlich, weil der Gesellschafter von der Gesellschaft Dividende in dem Betrag erhält, den der Ausschüttungsbeschluss festsetzt, und die Weiterleitung von Dividenden in die eine oder andere Richtung (hin zu dem angestellten Gesellschafter oder weg von ihm) ist regelmäßig steuerlich unbeachtliche Einkommensverwendung, nicht Einkommenserzielung. Eine innergesellschaftliche, z. B. statutarische abweichende Gewinnverteilung erkennen Rechtssprechung und Finanzverwaltung steuerlich nur in sehr engen Grenzen an; so etwas wird in den hier betrachteten Situationen kaum je vorliegen. Entsprechendes gilt für andere gesellschafterseitige Vergütungen, also nicht nur bei Transaktionen.
8. Zusammenfassung (zu 2) Vergütung ist immer Gegenleistung (für erbrachte Leistung) oder Anreiz (für künftige Leistung). Leistungsanreize sollen Interesse wecken und ausrichten. Zugleich schaffen und verschärfen sie Interessengegensätze und erfordern InteressengleichlaufMechanik. Unternehmer und Investoren erstreben Gewinn (Gesamtertrag, „total return“), Mitarbeiter Vergütung. Unternehmer- und Mitarbeiter-Interesse laufen gleich bei Wertbeteiligung des Mitarbeiters. Deren Problematik liegt im Zeitraum oder in der Bewertung und in der Risiko-Teilhabe. (zu 3) Etliche erstaunliche wissenschaftliche Studien belegen beispielhaft Bedeutung und Problematik von Leistungsanreizen. Was ist überhaupt die gesollte Leistung? Management der Zukunft verlangt heuristische (intuitive) Entscheidung mehr als Analyse, oft unter Zeitdruck. Das hat naturgesetzliche (weitgehend biochemische) Grundlagen und Grenzen. Leistungsanreize orientieren sich oft an Hilfsgrößen (Umsatz, Periodengewinn), nicht am Unternehmensziel „Wertsteigerung“. Sie verzerren damit die Interessenausrichtung des Managers, auch gegen das Unternehmer-Interesse. Festvergütung mildert die Gegenläufigkeit; Wertbeteiligung schafft Interessengleichlauf. (zu 4) Immaterieller Leistungswille (Motivation) schafft Spitzenleistung. Materielle Leistungsanreize dürfen sie nicht verdrängen. Auch dazu gibt es Studien, die alte Lebensweisheiten bestätigen. (zu 5) Materielle Leistungsanreize sind kontraproduktiv, wenn und soweit die Leistung, zu der angereizt werden soll, nicht hinreichend bestimmt oder gemessen werden kann. Die Zukunftsbezogenheit der Anreiz- und Leistungsdefinition und die Unsicherheit der Korrelation zwischen beiden sind gefährlich, gerade bei den betroffenen Spitzenmitarbeitern, deren Einflussmöglichkeit sie und Anreizfehler zusätzlich gefährlich macht. Besser als Leistungsanreize anhand von Hilfsgrößen sind Interessengleichlauf-Mechaniken durch reine Erfolgsbeteiligung.
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2. Teil: Leistungs- oder erfolgsabhängige Vergütung und Vermögensbildung
(zu 6) Diese Vorzugswürdigkeit belegen die Vergütungen bei Vermögensanlagen: Interessengleichlauf („alignment of interests“) durch Erfolgsbeteiligung als Anlage- und Geschäftsmodell. (zu 7) Rechtlich ergibt sich aus dem Obigen unter anderem eine Vielfalt von Faktoren zur Begründung der Angemessenheit einer leistungs- und vor allem einer erfolgs-(gesamtertrag-)basierten Vergütung. Steuerlich sind alle solchen Vergütungssysteme gestaltbar auch unter Wahrung der Trennung von Tätigkeitseinkünften und Kapitalgewinn-Beteiligung.
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III. Boni für Manager aus zivilrechtlicher Sicht Prof. Dr. Michael Hoffmann-Becking, Hengeler Müller, Düsseldorf
Meine Damen und Herren! Ich danke Pöllath + Partners für den Bonus, der mir gewährt wird, um Ihnen etwas vorzutragen über die zivilrechtlichen Aspekte der Boni für angestellte Manager. Ich traue mich nicht, an die Überlegungen und Beobachtungen anzuknüpfen, die Herr Pöllath aus hoher Warte angestellt hat. Stattdessen geht es bei mir „back to legal earth“, oder, wie Herr Crezelius sagen würde: „Jetzt machen wir wieder Jura“. Ich will demgemäß versuchen, den Bonus und seine Erscheinungsformen in die gesellschaftsrechtlichen Kategorien einzuordnen und dazu drei Fragen zu beantworten: 1. Was ist der Bonus in Abgrenzung zu anderen Vergütungsformen? 2. Wer befindet nach welchen rechtlichen Maßstäben über die Gewährung des Bonus? 3. Welche Arten von Bonusgewährungen finden wir in der Praxis und wie sind sie rechtlich zu beurteilen?
Zur 1. Frage: Was ist der Bonus in Abgrenzung zu anderen Vergütungsformen? Der Bonus ist im System der Vergütungsformen zum einen abzugrenzen gegenüber dem Festgehalt und zum anderen gegenüber der Versorgungszusage. Über die Versorgungszusage zu sprechen, wäre ein lohnendes Thema, aber es ist mir nicht gestellt. Es wäre wirklich ein lohnendes Thema, denn schon weit vor der massiven Steigerung der Aktivbezüge der Vorstandsmitglieder der großen Gesellschaften in den letzten acht bis zehn Jahren hat es eine erstaunliche Steigerung der Pensionszusagen gegeben. Nach meinem Eindruck ist diese Entwicklung besonders problematisch, denn es ist Folgendes zu bedenken: Wenn durch übermäßige Versorgungsbezüge das finanzielle Arbeitsplatzrisiko des Managers ausgeräumt oder jedenfalls stark gemindert wird, dann wird die Legitimation für besonders hohe Aktivbezüge zweifelhaft. Hohe Aktivbezüge haben ihr Pendant in einem hohen Arbeitsplatzrisiko des Managers. So wie dem hohen Gewinn des Eigentümer-Unternehmers sein Kapitalverlustrisiko gegenübersteht, sollte hohen Bezügen des angestellten Managers ein hohes Arbeitsplatzrisiko gegenüberstehen. Aber ich will das nicht weiter vertiefen, denn über die Versorgungsbezüge wollen wir hier und heute nicht sprechen. Abzugrenzen ist der Bonus schließlich von der Abfindung. Über Abfindungen wird viel, vor allem viel Missverstandenes, geschrieben. Bei der Abfindung geht es, richtig definiert, um die Abgeltung der für die restliche Vertragslaufzeit bestehenden vertraglichen Ansprüche. Abfindungszahlungen, die darüber hinausgehen, sind nach meinem Eindruck in der Praxis nicht mehr anzutreffen, und das mit gutem Grund, denn es würde sich dabei im Zweifel um ex gratia und ohne Rechtsgrund gewährte Leistungen handeln.
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2. Teil: Leistungs- oder erfolgsabhängige Vergütung und Vermögensbildung
Zur 2. Frage: Wer befindet nach welchen rechtlichen Maßstäben über die Gewährung eines Bonus? Der Eigentümer-Unternehmer, dem das Unternehmen allein gehört, kann nach Gutsherrenart entscheiden und besondere Leistungen des angestellten Managers nach eigenem Gusto belohnen, ohne sich um eine Anspruchsgrundlage im Geschäftsführervertrag des Managers scheren zu müssen. Er muss auch nicht befürchten, dass der 3. Strafsenat des BGH dies als eine den Straftatbestand der Untreue erfüllende Verschwendung von Vermögen des Unternehmens ansehen würde, denn es ist sein Geld, das er auch verschenken kann. Anders ist es bei einem Mehrheitsgesellschafter, z. B. dem Mehrheitsgesellschafter einer GmbH. Er darf die angestellten Geschäftsführer der GmbH nicht unbegrenzt vergüten, sondern unterliegt den Beschränkungen, die sich aus seiner gesellschafterlichen Treuepflicht ergeben. Wie ist das bei Beiräten oder freiwillig gebildeten Gesellschafterausschüssen, die wir bei GmbHs und KGs häufig finden? Auch sie sind in ihren Vergütungsentscheidungen rechtlich gebunden, nämlich gebunden an die Sorgfaltspflicht, die sie als Wahrer des Vermögens der Gesellschaft trifft. Im Zweifel ist das dieselbe Sorgfaltspflicht, wie sie im Aktiengesetz für Vorstand und Aufsichtsrat formuliert ist, nämlich die Pflicht zur Wahrung der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters. Nun kommen wir zu den Aufsichtsräten. Weder für die GmbH noch für die KG gibt es eine spezielle Vorschrift zur Festsetzung der Bezüge der angestellten Manager. Anders im Aktiengesetz. Dort haben wir eine ausdrückliche Regelung im § 87 AktG. Danach hat der Aufsichtsrat dafür zu sorgen, dass die Gesamtbezüge der Vorstandsmitglieder in einem angemessenen Verhältnis zu den Aufgaben des Vorstandsmitglieds und zur Lage der Gesellschaft stehen. Das Wort „Leistung“ sucht man in dieser Vorschrift vergeblich. Man könnte deshalb meinen, dem Gesetz liege die Idee einer Art amtsbezogenen Besoldung zugrunde, wonach die Aufgabe und nicht die erwiesene Leistung der Maßstab für die Vergütung sein soll. So hat die Strafkammer des Landgerichts Düsseldorf im Fall Mannesmann den § 87 AktG in der Tat verstanden, und damit gründlich missverstanden. Das Landgericht meinte, der Begriff „Aufgabe“ sei ausschließlich zukunftsgerichtet und deshalb dürfe eine in der Vergangenheit erwiesene Leistung kein Maßstab sein für die Festsetzung der Vergütung. Diese kühne These ist unhaltbar. Selbstverständlich ist die erwiesene Leistung ein wesentliches Richtmaß für die Bemessung der Vorstandsvergütung. Das ist im Deutschen Corporate-Governance-Kodex nachzulesen, und darüber bestand auch schon vor dem Kodex jedenfalls unter Zivilrechtlern nie ein Zweifel. Wenn das Gesetz nur von „Aufgaben“ und nicht von „Leistungen“ spricht, dann liegt das einfach daran, dass der Aufsichtsrat jedenfalls bei der erstmaligen Festsetzung der Bezüge noch nicht weiß, wie gut oder schlecht die Leistung des Vorstandsmitglieds sein wird, und er deshalb darauf angewiesen ist, sich an den künftig zu erfüllenden Aufgaben und den dafür erforderlichen Leistungen auszurichten. Es gibt einige (auf mich recht verkrampft wirkende) Bemühungen, dem Angemessenheitsgebot des § 87 AktG feste Leitlinien für betragsmäßige Grenzen der Vergütung zu entnehmen. Aber das gibt der § 87 AktG nicht her, und wir müssen uns eingestehen, dass die Frage nach „der“ angemessenen Vergütung im Sinne eines bestimmten Betrags nichts justiziabel ist. 92
III. Boni für Manager aus zivilrechtlicher Sicht
§ 87 AktG liefert nicht mehr und nicht weniger als eine Konkretisierung der allgemeinen Sorgfaltspflicht der Aufsichtsräte, wie sie sich aus § 116 in Verbindung mit § 93 AktG ergibt. Zu dieser allgemeinen Sorgfaltspflicht enthält das Aktiengesetz neuerdings in § 93 Abs. 1 S. 2 AktG eine ausdrückliche Formulierung der sogenannten Business Judgment Rule. In Anwendung dieser Formel ist insbesondere anerkannt, dass die Festlegung der Bezüge eines Vorstandsmitglieds eine unternehmerische Entscheidung des Aufsichtsrats ist und der Aufsichtsrat bei der Festsetzung der Bezüge nicht sorgfaltswidrig handelt, wenn er bei seiner Entscheidung vernünftigerweise davon ausgehen durfte, auf der Grundlage angemessener Information zum Wohle der Gesellschaft zu handeln.
Zur 3. Frage: Welche Arten von Bonusgewährungen finden wir in der Praxis und wie sind sie rechtlich zu beurteilen? Ganz im Vordergrund steht die Jahrestantieme. Es gibt sicherlich – Herr Pöllath hat es erwähnt – Gesellschaften, die gar keine variable Vergütung für ihre Vorstandsmitglieder oder Geschäftsführer vorsehen, sondern nur Festgehälter. Aber das ist sicherlich nicht die Regel, sondern eine seltene Ausnahme. Wenn wir bedenken, dass selbst die Verkäuferin im Warenhaus inzwischen ergebnisabhängig bezahlt wird und in den Unternehmen durchweg versucht wird, das Prinzip der ergebnisabhängigen Bezahlung möglichst weit herunter auch auf die unteren Hierarchie-Ebenen zu erstrecken, dann ist die variable Vergütung gerade für Vorstandsmitglieder typisch und in aller Regel auch wirtschaftlich geboten. Zur ergebnisabhängigen Jahrestantieme gab es bis vor einigen Jahren eine zwingende Regelung in § 86 Abs. 2 AktG. Danach musste eine am Ergebnis orientierte Vergütung des Vorstands – gemeint war dabei das „Ergebnis“ im weitesten Sinne – zwingend am Jahresüberschuss ausgerichtet werden, und zwar am Jahresüberschuss des Einzelabschlusses. Der Konzernaspekt blieb dabei völlig ausgeblendet. § 86 Abs. 2 AktG hatte zum Ziel, die Vorstandsmitglieder nach denselben Grundsätzen zu vergüten wie die Aktionäre. Demgemäß sollte für die Bemessung der Vorstandstantieme maßgeblich sein, was auch für die Dividende der Aktionäre maßgeblich ist, nämlich der erwirtschaftete Jahresüberschuss. Die Vorschrift wurde häufig missachtet und noch häufiger übersehen. Der Gesetzgeber hat deshalb mit Recht die Konsequenz gezogen und § 86 Abs. 2 AktG ersatzlos gestrichen. Ich habe den Eindruck, dass der Gesetzgeber schlicht vergessen hat, die entsprechende Vorschrift für die Aufsichtsratstantieme in § 113 Abs. 3 AktG ebenfalls zu streichen. An § 113 Abs. 3 AktG hat sich niemand gestört, weil in der Praxis als Form der Aufsichtsratstantieme über lange Jahre nur die Form der dividendenabhängigen Tantieme anzutreffen war und zur dividendenabhängigen Tantieme durchweg – wenn auch zu Unrecht – die Auffassung vertreten wurde, dies sei keine am Jahresergebnis ausgerichtete Tantieme, bei der § 113 Abs. 3 AktG beachtet werden müsse. Neuerdings finden wir jedoch in vielen Gesellschaften, nicht zuletzt aufgrund einer entsprechenden Empfehlung des Kodex, ergebnisabhängige Aufsichtsratstantiemen, die nicht auf die Dividende abstellen, sondern auf alle möglichen Ergebnisdefinitionen, von EBIT über EBITA und EBITDA bis zum Ergebnis pro Aktie nach der Analystenformel. Der Gesetzgeber hat für den Vorstand § 86 Abs. 2 AktG gestrichen; er sollte alsbald auch 93
2. Teil: Leistungs- oder erfolgsabhängige Vergütung und Vermögensbildung
§ 113 Abs. 3 AktG streichen, um die inzwischen üblich gewordenen Gestaltungen einwandfrei zu legitimieren. Für die Vorstandstantieme besteht jedenfalls seit Streichung des § 86 Abs. 2 AktG die Freiheit, den Maßstab so zu definieren, wie man es für die besonderen Verhältnisse der einzelnen Gesellschaft für angemessen hält. Und davon wird vielfältig Gebrauch gemacht. Neben rechenbaren Tantiemen, die auf ein wie auch immer definiertes Ergebnis abstellen, feiert auch die gute alte Ermessenstantieme fröhliche Urständ. Sie ist sogar wieder häufiger anzutreffen. Nach der alljährlich publizierten Vergütungsstudie der Unternehmensberatung Kienbaum wird die Ermessenstantieme in etwa einem Drittel der Fälle praktiziert. Ich bin ein Freund der Ermessenstantieme und meine, dass es kein besseres Instrument für eine nuancierte flexible Leistungsbemessung gibt, weil die Ermessentantieme ex post nach Ablauf des Geschäftsjahres dem Aufsichtsrat die Möglichkeit gibt, sowohl den Erfolg des Unternehmens als auch vor allem den ganz persönlichen Leistungsbeitrag des Vorstandsmitglieds zu veranschlagen, und zwar unter Berücksichtigung besonderer Schwierigkeiten oder auch besonderer Erleichterungen, die sich aus externen Faktoren ergaben. Natürlich ist die Ermessenstantieme auch ein Instrument, mit dem der Aufsichtsrat und insbesondere der Vorsitzende des Aufsichtsrats Herrschaftsmacht ausüben kann. Vom langjährigen Chef eines der größten deutschen Unternehmen wurde einmal gesagt, dass er alle großen Konzerngesellschaften dergestalt führe, dass er die Ermessenstantiemen der dortigen Vorstandsmitglieder nach Gutsherrenart festlege. Neben dem Festgehalt und der Jahrestantieme gibt es neuerdings eine „dritte Säule“ der Aktivbezüge, nämlich die „Vergütung mit langfristiger Anreizwirkung“, wie sie im Kodex genannt wird, also neudeutsch „long-term incentive“. Dabei stand lange Zeit die Aktienoption im Vordergrund. Am Ende des letzten Jahrzehnts wurde die Aktienoption als das Vergütungsinstrument der Zukunft gepriesen, und auch der Gesetzgeber beeilte sich, dieser Vergütungsform den Weg zu ebnen, indem er durch Änderung von §§ 192, 193 AktG und § 71 AktG die Beschaffung der für die Bedienung der Optionen erforderlichen Aktien erleichterte. Wie die Moden wechseln! Nur sechs Jahre nach dieser Gesetzesänderung hielt es der BGH in der Mobilcom-Entscheidung für angebracht, sich in einem obiter dictum außerordentlich abfällig über die Vergütungsform der kursorientierten Aktienoption zu äußern. Inzwischen werden kaum noch Aktienoptionen ausgegeben, jedenfalls nicht solche, die ausschließlich an die Kursentwicklung des eigenen Unternehmens anknüpfen. Auch solche Aktienoptionen sind zwar von der Rechtsprechung gebilligt worden, aber es hat sich mit Recht die Auffassung durchgesetzt, dass es zumindest nicht sachgerecht ist, die absolute Kurssteigerung der Aktie des eigenen Unternehmens als alleiniges Erfolgsziel zu bestimmen. Interessanter als die Aktienoption finde ich die Vergütungsform der „restricted shares“, wonach die Tantieme zum Teil in Aktien bezahlt wird, die anschließend einer Bindungsfrist unterliegen. Und am interessantesten ist vielleicht ein Instrument, das nicht nur börsennotierte Gesellschaften, sondern auch mittelständische Unternehmen gleich welcher Rechtsform verwenden können und auch zunehmend verwenden. Ich meine die Vergütungskonzepte mit langfristiger Anreizwirkung, die auf eine Steigerung des Unternehmenswerts, einen sogenannten Economic Value Added („EVA“) abstellen, wobei der geschaffene Mehrwert aus der Überschreitung einer vorgegebenen Soll-Verzinsung des eingesetzten Gesamtkapitals errechnet wird. 94
III. Boni für Manager aus zivilrechtlicher Sicht
Meine Damen und Herren, damit komme ich nun endlich zur freiwilligen Sonderzahlung und damit zum Thema Mannesmann. Es geht um eine im Vertrag bislang nicht vorgesehene und in diesem Sinne freiwillige Sonderzahlung, die der Aufsichtsrat meint, als zusätzliche Vergütung für eine ganz besondere Leistung gewähren zu sollen. Der 3. Strafsenat des BGH hält eine solche Leistungsprämie für per se unzulässig, wenn sie nur als Belohnung für erfolgreich geleistete Dienste gewährt wird. Nach Meinung des BGH ist – ich zitiere – „der Erfolg der Tätigkeit des Vorstandsmitglieds kein rechtfertigender Grund, das ursprünglich im Dienstvertrag von den Parteien als angemessen bewertete Verhältnis von Leistung und Gegenleistung nachträglich zum Nachteil der Gesellschaft abzuändern.“ Eine freiwillige, d. h. im Vertrag bislang nicht vorgesehene Sonderzahlung sei nur gerechtfertigt, wenn sie eine Anreizwirkung für die Zukunft entfalte oder sonstige gleichwertige Vermögensvorteile für die Gesellschaft auslöse. Die vom 3. Strafsenat des BGH dekretierten Grundsätze schießen weit über das Ziel hinaus. Wenn es richtig wäre, dass der erwiesene Erfolg des Vorstandsmitglieds nicht ausreicht, um die vereinbarten Bezüge aufzubessern, wären nicht nur nachträglich aufgrund einer ganz besonderen Leistung gewährte Sonderzahlungen unzulässig, sondern schon eine im Vertrag nicht von vorneherein vereinbarte Erhöhung des Festgehalts wäre während der Vertragslaufzeit ausgeschlossen. Das kann nicht richtig sein. Und auch die These, dass nur eine Anreizwirkung für die Zukunft die Belohnung einer außerordentlichen Leistung des Vorstandsmitglieds durch eine Sonderzahlung rechtfertigen könne, ist nicht haltbar. Auch nach und entgegen der Entscheidung des 3. Strafsenats des BGH ist daran festzuhalten, dass es dem Aufsichtsrat auch unabhängig von einer in die Zukunft gerichteten Anreizwirkung erlaubt sein muss, einem Vorstandsmitglied für eine besonders erfolgreich gemeisterte Aufgabe eine im Vertrag bisher nicht vorgesehene Sonderzahlung zuzubilligen, wenn der Aufsichtsrat nach pflichtgemäßem Ermessen der Meinung ist, dass die zuvor vereinbarte Vergütung die besondere Leistung nicht angemessen abdeckt. Die Konsequenzen der Mannesmann-Entscheidung des BGH für die Vergütungspraxis sollte man deshalb nicht überschätzen. Das spezielle Thema der Sonderzahlung lösen wir Kautelarjuristen übrigens ganz einfach, indem wir vorsorglich eine „MannesmannKlausel“ in die Vorstandsverträge aufnehmen, die wie folgt lautet: „Der Aufsichtsrat behält sich vor, bei außerordentlichen Leistungen von Herrn X nach pflichtgemäßem Ermessen über eine Sondervergütung zu entscheiden.“ Mit einer solchen Klausel sind wir auch nach dem BGH-Urteil auf sicherem Boden, denn der BGH stellt darauf ab, ob eine Anspruchsgrundlage im Vertrag besteht, und eine solche Anspruchsgrundlage nimmt er schon dann an, wenn im Sinne von § 315 BGB ein Anspruch des Vorstandsmitglieds auf eine Entscheidung nach billigem Ermessen besteht. Im Übrigen mag die Mannesmann-Entscheidung auch positive Wirkungen insofern haben, als sie als Monitum zum Maßhalten verstanden wird. Aber zugleich muss man feststellen, dass ihr nichts zu entnehmen ist, was Aufschluss geben könnte über die Grenzen, die von Rechts wegen bei der Bemessung der Vorstandsbezüge zu beachten wären. An diese Frage zur Höhe der Vergütung hat sich der BGH mit Recht nicht herangewagt. Stattdessen hat er im Vertrag nicht vorgesehene Sonderzahlungen ohne zukunftsgerichtete Anreizwirkung dem Grunde nach für unzulässig erklärt und dazu Lehrsätze aufgestellt und rigorose Vorgaben formuliert, die das rechte Maß vermissen lassen. Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass die Richter des Strafsenats 95
2. Teil: Leistungs- oder erfolgsabhängige Vergütung und Vermögensbildung
die Höhe gemeint haben, als sie den Grund verurteilten. Sie hätten sich, wenn sie die Höhe der Sondervergütungen im Falle Mannesmann – zu Recht oder zu Unrecht, das sei hier dahingestellt – für ganz übermäßig hielten, an die alte Weisheit erinnern sollen: „bad cases make bad law“.
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IV. Boni für Manager aus strafrechtlicher Sicht Dr. Sven Thomas, Thomas Deckers Wehnert Elsner, Düsseldorf Herzlichen Dank, Herr Pöllath, für die Einladung. Glückwunsch zu diesem Tagungsort1 hier. Als ich heute Mittag hereinkam, habe ich mich gefragt, ob es mit mehr Erleuchtung für den 3. Strafsenat verbunden gewesen wäre, wenn wir im Oktober 2005 die 15 Nettostunden Mannesmann hier verhandelt hätten. Es war nicht so. Wir saßen in der Bibliothek des BGH in Karlsruhe. Rechtzeitig zu dieser Veranstaltung vor zwei oder drei Tagen hat mir Herr Rönnau, Strafrechtslehrer an der Bucerius Law School in Hamburg, mit herzlichen Grüßen einen Sonderdruck zugeleitet, mit dem Titel „Untreue als Wirtschaftsdelikt“. Herr Rönnau war einer jener Autoren, die während des Verfahrens, vorher und nachher, immer wieder erläutert haben, warum dieser „appreciation award“ bei Mannesmann letztlich Untreue sei. Und dann habe ich mir den Aufsatz mal angeschaut, das war sehr interessant. Da hat er alles aufgezählt, was es so an Affären in der Vergangenheit gab: Siemens, VW, Kanther, Kohl, buntes Ensemble. Dann zieht er ein erstes Fazit: Der Untreuetatbestand hat ersichtlich einen weiten Einzugsbereich und entpuppt sich als ein Regelungsinstrument, das in den unterschiedlichsten Bereichen des wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Lebens die Rechtslage mitgestaltet. Also, Herr HoffmannBecking, wieder Kehrtwendung, weg von der Juristerei zu den Regelungsinstrumenten des Strafrechts. Mit Jura hat das möglicherweise nicht so furchtbar viel zu tun. Es wäre denn auch eine Katastrophe, eine schiere Katastrophe, wenn unser wirtschaftliches und soziales Leben denn ernsthaft durch § 266 StGB gesteuert werden könnte. Eine Vorschrift, die unendlich viele Beliebigkeiten und Willkürelemente in der Auslegung enthält. Ich will das kurz an einem Beispiel, einem sehr akutem Beispiel, belegen. Herr Bernsmann, Ordinarius in Bochum, Strafrechtslehrer, hat vor einem Jahr in „Goltdammer’s Archiv“ einen ganz interessanten Aufsatz geschrieben. Da hat er die Frage gestellt, was eigentlich wäre, wenn ein Unternehmen ins Ausland geht, weil dort mehr Rendite erzielt werden kann. Könnte das nicht den Tatbestand des § 266 StGB in Gestalt einer Untreue gegenüber den Arbeitnehmern erfüllen? Seherisch, der Mann. Der wusste natürlich nichts von der Entscheidung, die da jetzt irgendwo in Helsinki getroffen worden ist. Die Bochumer Staatsanwaltschaft wird mit einiger Wahrscheinlichkeit kein Ermittlungsverfahren einleiten deswegen. Man könnte ja auch umgekehrt argumentieren: Darf eigentlich die Unternehmensleitung, wenn sie denn woanders eine bessere Rendite erzielt, darauf verzichten? Sie kennen das Beispiel von Herrn Tolksdorf: Gutsherren, Gutsverwalter, Pflichten eines Gutsverwalters usw. Wenn man woanders eine höhere Rendite erzielen kann, ist es dann nicht Untreue, wenn man darauf verzichtet? Es könnte der Einwand kommen, § 266 StGB schützt ja nur das Vermögen gegen Schädigung, ist aber nicht darauf ausgerichtet, das Vermögen zu mehren. Aber da hat der BGH dann doch die ein oder andere Einschränkung gemacht und hat dann erläutert, dass natürlich dann, wenn eine konkrete Exspektanz vorhanden ist, woanders eine höhere Rendite zu
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1 Frühere Allerheiligen-Hofkirche in der Münchener Residenz (Anm. d. Hrsg.).
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2. Teil: Leistungs- oder erfolgsabhängige Vergütung und Vermögensbildung
erzielen, dass dann durchaus eine Verpflichtung der Unternehmensleitung besteht, wenn sie sich nicht der Untreue nach § 266 StGB schuldig machen will. Das ist die Antithese. Jetzt kommt die Synthese. Nun könnte man sich überlegen: Na ja, diese Entscheidung hat in der Öffentlichkeit einiges an Wirbel verursacht. Heute Morgen im Flugzeug habe ich im Stern von einem großen Boykott gelesen, initiiert durch eine Reihe von Ministerien in Berlin, die alle auf ihre Nokia-Handys für die Zukunft verzichten wollen. Überschrift: „Super-GAU für Nokia“. Jetzt ist die Frage, hat die Unternehmensleitung richtig abgewogen? Auf der einen Seite die Ersparnis dadurch, dass sie nach Rumänien gehen, auf der anderen Seite dieser riesige Imageverlust, der möglicherweise aus dem Boykott resultiert. Ich weiß nicht, ob die 5. Beschlussabteilung des Bundeskartellamtes schon wegen der Boykottaufrufe tätig ist, ich glaube es nicht, aber denkbar wäre es immerhin. Und dann sind wir bei ARAG/Garmenbeck und der Business Judgment Rule, „safe harbour“: Haben die richtig sorgfältig genau geguckt, ob die Entscheidung nun dieses oder jenes zur Folge haben könnte? Was ich damit sagen will: § 266 StGB, der Untreuetatbestand, kann nicht ernsthaft dazu herhalten, unternehmerische Entscheidungen in dieser Form zu beeinflussen. Ich weiß nicht, ob das Verhalten der Unternehmensleitung bei Nokia unanständig ist oder nicht, ich will das überhaupt nicht beurteilen. Dazu fehlen mir die Kenntnisse. Aber selbst wenn es denn unanständig wäre, kann es natürlich nicht ernsthaft in den Bereich einer Strafbarkeit hineinkommen. Das heißt, dafür ist das Strafrecht nicht geeignet. Und jetzt sind wir bei dem Topos, der für die Frage nach der angemessenen Vergütung des Managements auch bei der Mannesmann-Entscheidung von Bedeutung ist, nämlich Anstand. Da hat Herr Hoffmann-Becking in der NZG einen sehr schönen Aufsatz geschrieben und fast in einem Nebensatz gesagt: Gab es da nicht möglicherweise irgendwo eine Anstandspflicht? Wenn jemand überobligatorisch Leistungen erbracht hat, muss man dann nicht auch sagen, da müssen wir in entsprechender Form eine zusätzliche Vergütung gewähren? Martin Pelzer, der eine Menge Aufsätze geschrieben hat gegen diese Mannesmann-Geschichte, hat sich zwei Tage lang die Hauptverhandlung in Karlsruhe angehört und dann einen Aufsatz veröffentlicht. Darin greift er präzise diesen Gedanken auf und formuliert ihn rechtlich noch ein bisschen stärker aus. Die Dankeskategorie, so schreibt Pelzer, gibt es im Recht nicht. Was es aber schon gibt, das ist die Undankbarkeit, nämlich beispielsweise der Widerruf einer Schenkung wegen groben Undanks. Pelzer ist dann auf ein Äquivalenzverhältnis gekommen und hat im Grunde das formuliert, was sich jedem aufdrängt, nämlich dass die nachträgliche Vergütung selbstverständlich auch unter den Aspekten eines solchen Ausgleichs zulässig sein muss. Ich bin mal ein bisschen tiefer gegangen und habe da jemanden rausgesucht, der 1971 ein größeres Werk veröffentlicht hat, das ist John Rawls mit „Theory of Justice“, eine Theorie der Gerechtigkeit. Rawls hat Gerechtigkeit als Fairness interpretiert, das ist die Grundaussage, mal abgesehen von seiner vertragstheoretischen Konstruktion, der Urzustand Schleier des Nichtwissens. Dieser John Rawls, der so unbedeutend ja nicht ist, das Bundesverfassungsgericht hat ihn auch einmal in einer Entscheidung herangezogen, hat nun diesen Begriff geprägt, „Gerechtigkeit als Fairness“. Dann hat er eine Definition gefunden, da heißt es: Wenn sich mehrere Menschen nach Regeln zu gegenseitiger nutzbringender Zusammenarbeit vereinigen und damit ihre Freiheit zum Vorteil 98
VI. Boni für Manager aus strafrechtlicher Sicht
aller beschränken müssen, dann haben diejenigen, die sich diesen Beschränkungen unterwerfen, ein Recht darauf, dass auch die anderen es tun, die Vorteile davon haben. Man darf bei der Zusammenarbeit nicht die Früchte fremder Anstrengung in Anspruch nehmen, ohne selbst seinen fairen Teil dazu beizutragen. Hört sich ein bisschen kompliziert an, ist aber mal umgewendet auf gesellschaftsrechtliche Situationen, auf Körperschaften wie GmbH, juristische Person oder Aktiengesellschaften, nicht so ganz falsch. Da gibt es die Aktionäre, die stellen ihr Kapital zur Verfügung, erwarten, dass daraus eine Rendite erwächst. Dann gibt es die Unternehmensleitung, auch den Aufsichtsrat in seiner Funktion, der umgekehrt bestimmten Beschränkungen unterliegt, nämlich er hat ausschließlich im Unternehmensinteresse zu agieren und zum Unternehmenswohl zu arbeiten, eigene Interessen hintenanzustellen. Und wenn dann überobligatorisch Tätigkeiten entfaltet wurden, dann kann es im Rawlsschen Sinne der richtige Weg sein zu sagen, man kann nicht nur die Früchte genießen, die in einem riesigen Anstieg des Aktienkurses lagen, in einem entsprechenden Umtauschverhältnis bei der Fusion, sondern man muss umgekehrt dann auch als Aktionär seinen Beitrag leisten und die Gesellschaft ist ja nichts anderes als die Versammlung dieser Aktionäre, dann vertreten durch den Aufsichtsrat. Dieses Prinzip, „Gerechtigkeit als Fairness“, ist ein solches, das wir im verstärkten Maße auch für die Wirtschaft benötigen. Sie kennen es für die globalisierte Wirtschaft, nämlich bei der Frage, wie die Wirtschaftssubjekte globalisiert miteinander umgehen. Es gibt das Prinzip des Nobelpreisträgers Stieglitz, der „fair trade for all“ verlangt und dort im Einzelnen die Prämissen herausarbeitet. Es ist, auch dies ist in den letzten Jahren deutlich geworden, ein Prinzip, das im Sport, und der Sport schlägt sich ja in der Wirtschaft nieder, nicht so ganz ohne Beachtung bleiben darf. Jene, die auf Doping gesetzt haben und die Unternehmen, die das letztlich finanziert haben, wissen heute, dass ohne Fairplay und ohne Fairness letztendlich langfristig keine Erträge zu generieren sind. Jetzt suche ich noch ein wunderschönes Zitat, damit ich ein bisschen das wissenschaftliche Niveau von Herrn Pöllath erreiche, das ist Cicero, das ist ja immer Klasse, wenn man sowas hat, „de officies“. Der hat damals Folgendes ausgeführt: „Es ist richtig, wenn ein Wettläufer im Stadion mit allen Kräften danach strebt, den Sieg zu erringen. Es ist aber Unrecht, einem Konkurrenten ein Bein zu stellen oder ihn anzustoßen.“ Fairplay im Sport bei Cicero. Das waren die beiden Bereiche. Fairness in der Wirtschaft, auch das ein Begriff, der installationsfähig ist. Es kann nicht richtig sein, dass § 266 StGB einem Unternehmensführer vorschreibt, bei Lieferantenbeziehungen den letzten Cent rauszupressen, obwohl eine langjährige Beziehung besteht. Es kann nicht richtig sein, dass ihm das Damoklesschwert des § 266 StGB droht, wenn er meint, Lieferantentreue wahren zu müssen, auch wenn er woanders dann möglicherweise ein bisschen für sein Unternehmen tun kann. Das alles sind, verzeihen Sie, bare Selbstverständlichkeiten, die hier in philosophisches Gewand gekleidet worden sind. Aber der BGH hat dann gemeint, sich nicht daran ausrichten zu müssen, der sieht es halt anders. Mannesmann war, auch das will ich klar sagen, ein Ausnahmefall, das war vom ersten Tag des Verfahrens an so. Wir leben ja nun inzwischen in einer Gesellschaft der Sensationen. Jeder muss von möglichst vielen ständig wahrgenommen werden, wie man es gewissermaßen in Flughäfen immer sieht, wo die Leute unendlich laut ins Handy sprechen. Ständig auf Sendung sein, das ist ja die Message, die alle hier trifft. Genauso lief das mit dem Mannesmann-Verfahren. Die 99
2. Teil: Leistungs- oder erfolgsabhängige Vergütung und Vermögensbildung
Staatsanwaltschaft Düsseldorf hat erst einmal richtig schöne Pressekonferenzen gemacht. Dann gab es eine Hauptverhandlung, das war natürlich die ideale Plattform für die Verteidiger, die hatten anschließend mehrere Portraits in den Zeitungen. Dann kam der BGH mit dem Einstieg, mit diesem wunderschönen feudalistischen Vergleich mit Gutsverwaltern und Gutsherren, den der Vorsitzende brachte. Was ein bisschen ernster zu nehmen ist: Bei der Urteilsverkündung im Dezember wurde dann das schriftliche Urteil schon fertig und mit handschriftlichen Korrekturen der versammelten Presse ausgehändigt, bevor es der Verteidigung zugestellt worden war. Ein, verzeihen Sie, Stilbruch, wie er eigentlich in der Geschichte des BGH bislang nicht stattgefunden hat. Was ich damit sagen will: Keiner ist frei von der Erregung des Mannesmann-Verfahrens. Das hat sich auf alle, auch auf den Senat, erstreckt, und insbesondere natürlich auf das strafrechtliche Schrifttum, vorher, während und danach. Die Strafrechtsdogmatik ist jetzt so großartig geworden, die hat sich des Aktienrechts angenommen. Herr Hoffmann-Becking weiß, dass inzwischen sieben oder acht Strafrechtler das Aktienrecht sehr viel besser auslegen können als er. Die haben natürlich sehr viel mehr Erfahrung damit. Letzte Bemerkung: Diese Entscheidung wird, ich sage das sehr apodiktisch, aber in dem Wissen, dass es so sein wird, die Zeitläufte nicht überdauern.
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V. Die Besteuerung kapital-disproportionaler Gewinnanteile Dr. Andreas Rodin, P+P Frankfurt
Inhaltsübersicht 1. Einführung 2. Gesetzliche Regelung 3. Altfälle a) Auffassung der Finanzverwaltung b) Maßgeblichkeit des Gesellschaftsanteils für die Einkünftequalifikation aa) Gesellschaftsrechtliche Grundlagen
bb) Steuerliche Würdigung (1) Abgrenzung zwischen Sondervergütung und Gewinnanteil (2) Keine Zebra-Gesellschaft (3) Kapitalanteil nicht maßgeblich für die Einkünftequalifikation (4) Steuerpolitische Erwägungen und Lösungsansatz
1. Einführung Die vorangegangenen Vorträge befassten sich mit den wirtschaftlichen, gesellschaftsrechtlichen und strafrechtlichen Aspekten direkt gewährter Vergütungen für unternehmerische Tätigkeiten. Gegenstand dieses Beitrags ist die Besteuerung von kapitaldisproportionalen Gewinnanteilen bei Personengesellschaften, einem Phänomen, das insbesondere bei Private-Equity-Fonds von großer Bedeutung ist. Was verbirgt sich dahinter? In einem Private-Equity-Fonds wirken drei Beteiligtengruppen arbeitsteilig zusammen, nämlich die Private-Equity-Gesellschaft, die Initiatoren und die Investoren. Sie schließen sich in einer Personengesellschaft zur Verfolgung eines gemeinsamen Zwecks zusammen, nämlich dem Aufbau, der Verwaltung und Verwertung eines Portefeuilles von Private-Equity-Investitionen. Sie alle sind Gesellschafter des Fonds und erbringen Beiträge; der Private-Equity-Gesellschaft obliegt die laufende Geschäftsführung des Fonds, die Initiatoren bringen ihr Knowhow sowie ihre Expertise ein und tragen die Letztverantwortung für die Investitionsentscheidungen, die Investoren erbringen Geldbeträge. Entsprechend ihrem Zusammenwirken als Gesellschafter verteilen die Beteiligten die Ergebnisse des Fonds untereinander. Die Private-Equity-Gesellschaft erhält einen festen Ergebnis-Vorab für die Geschäftsführung; den Investoren steht so lange zu 100 % das Fondsergebnis zu, bis sie insgesamt ihre geleisteten Kapitaleinzahlungen erhalten haben; den Totalüberschuss des Fonds teilen sich die Investoren und die Initiatoren in einem bestimmten Verhältnis, in der Regel 80 % für die Investoren und 20 % für die Initiatoren. Die Besteuerung des kapital-disproportionalen Gewinnanteils der Initiatoren ist Gegenstand zahlreicher Erörterungen gewesen. Die Finanzverwaltung hat im Dezember 2003 ihre bis zu diesem Zeitpunkt geübte Verwaltungspraxis aufgegeben; der Gesetzgeber hat für eine einzelne Fallgruppe ab 1. Januar 2004 eine gesetzliche Regelung in das Einkommensgesetz aufgenommen; Rechtsprechung zu den kapital-disproportionalen Gewinnanteilen bei Private-Equity-Fonds steht noch aus. In der mir verbleibenden Zeit
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2. Teil: Leistungs- oder erfolgsabhängige Vergütung und Vermögensbildung
möchte ich versuchen, die wesentlichen steuerrechtlichen Grundlagen zusammenzufassen, verbunden mit der Hoffnung, dass sich daran eine lebhafte Diskussion anschließt.
2. Gesetzliche Regelung Mit Gesetz vom 30. Juli 2004 hat der Bundestag für kapital-disproportionale Gewinnanteile aus vermögensverwaltenden Private-Equity-Fonds eine gesetzliche Regelung getroffen. Es wurde der Einkünftetatbestand definiert, eine partielle sachliche Steuerbefreiung angeordnet und eine Bestimmung für den zeitlichen Anwendungsbereich aufgenommen. Dazu kurz im Einzelnen. Der Einkünftetatbestand. Die kapital-disproportionalen Gewinnanteile zählen zu den Einkünften aus selbständiger Arbeit. In einem neu eingefügten § 18 Abs. 1 Nr. 4 EStG wurde der Tatbestand der Erzielung dieser Einkünfte durch folgende Merkmale definiert: (i) Es muss sich um Einkünfte handeln, die ein Beteiligter einer vermögensverwaltenden Gesellschaft oder Gemeinschaft erzielt; (ii) der Zweck dieser Gesellschaft oder Gemeinschaft muss im Erwerb, im Halten und in der Veräußerung von Anteilen an Kapitalgesellschaften bestehen; (iii) die Einkünfte des Beteiligten müssen als Vergütungen für Leistungen zur Förderung des Gesellschafts- oder Gemeinschaftszwecks erzielt werden; (iv) der Anspruch auf die Vergütung muss unter der Voraussetzung eingeräumt sein, dass die Investoren ihr eingezahltes Kapital vollständig zurückerhalten haben. Die partielle Steuerbefreiung. Für die kapital-disproportionalen Gewinnanteile gewährt das Gesetz eine partielle sachliche Steuerbefreiung. Gemäß der neu eingefügten Bestimmung in § 3 Nr. 40 a EStG ist die Hälfte der Vergütungen im Sinne von § 18 Abs. 1 Nr. 4 EStG steuerfrei. Der zeitliche Anwendungsbereich. Die Qualifikation als Einkünfte aus selbständiger Arbeit gilt für alle kapital-disproportionalen Gewinnanteile, die ab dem 1. Januar 2004 erzielt werden. Für die partielle sachliche Steuerbefreiung enthält § 52 Abs. 4 c EStG eine besondere Bestimmung für den zeitlichen Anwendungsbereich. Die Hälfte der ab dem 1. Januar 2004 zufließenden kapital-disproportionalen Gewinnanteile ist nur dann steuerfrei, wenn die vermögensverwaltende Gesellschaft oder Gemeinschaft nach dem 31. März 2002 gegründet worden ist oder soweit die Vergütung in Zusammenhang mit der Veräußerung von Anteilen an Kapitalgesellschaften steht, die nach dem 7. November 2003 erworben worden sind. Regelungslücken. Aus der obigen kurzen Darstellung des Gesetzes vom 30. Juli 2004 wird deutlich, dass die gesetzliche Regelung sehr bruchstückhaft ist. Viele Fragen sind offengeblieben. Wie sind z. B. kapital-disproportionale Gewinnanteile aus gewerblichen Fonds zu qualifizieren oder aus solchen, deren Portefeuille nicht aus Anteilen an Kapitalgesellschaften besteht? Wie werden kapital-disproportionale Gewinnanteile in sogenannten Altfällen besteuert? Dazu zählen die Gewinnanteile, die bis zum 31. Dezember 2003 bezogen wurden. Die Antwort auf diese offenen Fragen ist hoch kontrovers. Es steht zu vermuten, dass sich die Gerichte mit diesen Fragen zu befassen haben. Nachstehend soll wenigstens der Versuch unternommen werden, einer wertungsfreien Antwort für Private-Equity-Fonds den Boden zu bereiten.
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V. Die Besteuerung kapital-disproportionaler Gewinnanteile
3. Altfälle a) Auffassung der Finanzverwaltung Die heute von der Finanzverwaltung vertretene Auffassung zur Besteuerung kapitaldisproportionaler Gewinnanteile ist in Tz. 24 des BMF-Schreibens vom 16. Dezember 2003 zur Einkommensteuerlichen Behandlung von Venture-Capital-Fonds und PrivateEquity-Fonds (das „PE-Schreiben“)1 zusammengefasst. Sie werden als verdecktes Entgelt für eine Tätigkeit qualifiziert. Es liegen deshalb voll steuerpflichtige Vergütungen für erbrachte Dienstleistungen vor. Ungeachtet des Umstands, dass es sich bei den kapital-disproportionalen Gewinnanteilen um eine gesellschaftsvertraglich vereinbarte Ergebnisverteilungsabrede handelt, erfüllen die Initiatoren insoweit nicht den Tatbestand der Erzielung von Einkünften aus Kapitalvermögen. Nur wenn und soweit die Gesellschafter eines Private-Equity-Fonds kapitalmäßig an dem Fonds beteiligt sind, sind ihnen anteilig die Kapitalanlagen des Fonds zuzurechnen. Die Finanzverwaltung stellt also auf den Kapitalanteil des Gesellschafters ab. Bis zum Erlass des PE-Schreibens hatte die Finanzverwaltung eine andere Auffassung vertreten. Die zwischen den Initiatoren und den Investoren gesellschaftsvertraglich vereinbarte Ergebnisverteilung wurde auch steuerlich anerkannt. Für die Erzielung der Einkünfte aus Kapitalvermögen war ausschließlich maßgeblich, ob der Betreffende Gesellschafter des Fonds war, also einen Gesellschaftsanteil hält. Die Höhe des Kapitalanteils war lediglich für die Frage relevant, ob ein Initiator im Sinne von § 17 EStG an einer Portfolio-Gesellschaft wesentlich beteiligt war. Die Höhe des Kapitalanteils war aber nicht relevant bei der Qualifikation der den Initiatoren zuzurechnenden Gewinnanteile. Die in Tz. 24 des PE-Schreibens niedergelegte Auffassung begründet eine wesentliche Verschärfung gegenüber der zuvor geübten Praxis. Deshalb gewährt Tz. 26 des PESchreibens Vertrauensschutz. Der Paradigmenwechsel, nämlich der Wechsel vom Gesellschaftsanteil zum Kapitalanteil für die Qualifikation der kapital-disproportionalen Gewinnanteile, findet keine Anwendung, wenn der Fonds vor dem 1. April 2002 gegründet und die betreffende Portfolio-Beteiligung vor dem 8. November 2003 erworben wurde. Voraussetzung ist allerdings, dass Vertrauen tatsächlich in Anspruch genommen wurde, also für die Einkünftequalifikation auf den Gesellschaftsanteil abgestellt wurde. Wie oben ausgeführt, werden aufgrund des Gesetzes vom 30. Juli 2004 sämtliche ab dem 1. Januar 2004 zufließenden kapital-disproportionalen Gewinnanteile als Einkünfte aus selbständiger Arbeit qualifiziert. Das gilt auch für die sogenannten Altfälle. Lediglich bei der partiellen sachlichen Steuerbefreiung wird auf das Datum der Gründung des Fonds bzw. des Erwerbs der Portfolio-Beteiligung, deren Veräußerungsgewinn kapital-disproportional verteilt wird, abgestellt. Aus den Gesetzesmaterialien2 lässt sich jedoch entnehmen, dass auch nach Inkrafttreten des Gesetzes vom 30. Juli 2004 für die Qualifikation der kapital-disproportionalen Gewinnanteile bei Altfällen ________________________ 1 BStBl. I 2004, 40. 2 Plenarprotokoll 15/115 der Sitzung des Deutschen Bundestags vom 18.6.2004, S. 10591.
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2. Teil: Leistungs- oder erfolgsabhängige Vergütung und Vermögensbildung
der in Tz. 26 des PE-Schreibens angeordnete Vertrauensschutz weiterhin gilt. Dem hat sich die Finanzverwaltung angeschlossen.3 b) Maßgeblichkeit des Gesellschaftsanteils für die Einkünftequalifikation Eine Vielzahl von Fällen, in denen kapital-disproportionale Gewinnanteile bis zum 31. Dezember 2003 bezogen wurden, sind noch nicht bestandskräftig veranlagt. Teilweise reichen die noch offenen Fälle bis in das Jahr 1999 zurück. Unabhängig von dem hier nicht weiter behandelten Vertrauensschutz stellt sich für diese Altfälle die interessante Frage, was denn nun für die Einkünftequalifikation maßgeblich ist, der Gesellschaftsanteil oder der Kapitalanteil. Unseres Erachtens ist der Gesellschaftsanteil maßgeblich. Das ergibt sich aus folgenden Erwägungen. aa) Gesellschaftsrechtliche Grundlagen Gesellschafter von Personengesellschaften sind verpflichtet, Beiträge zu leisten, § 705 BGB. Sie müssen weder für alle Gesellschafter gleich sein, noch sind sie auf Geldleistungen beschränkt. Sachleistungen sind ebenso möglich, § 706 Abs. 2 BGB, wie Dienstleistungen, § 706 Abs. 3 BGB. Beitrag ist also jede Leistung, die gesellschaftsvertraglich zu erbringen ist, um den gemeinsamen Zweck zu fördern.4 Seit fast 90 Jahren ist das Zusammenwirken von Personen, die einerseits Kapital und andererseits Dienstleistungen erbringen, von der Rechtsprechung als Gesellschaft behandelt worden. Dazu ein paar Beispiele: –
Gesellschaft aus einem Wollverarbeiter und einer Person, die im Kriegsjahr 1916 eine entscheidende Bezugsquelle für Baumwollabfälle nennen konnte;5 Gesellschaft aus einem Darm- und Fleischereibedarfshersteller (Einbringung von Betriebsvermögen) und einem Fachmann, der seine Kenntnisse in die Geschäftsführung einbringt (ohne Gehaltsanspruch, aber gegen Gewinnbeteiligung);6 Gesellschaft aus einem Teppichhändler, der Personal und Sachmittel einbringt, und einem Teppichfachmann, der ausschließlich seine Fachkenntnisse und Geschäftsbeziehungen einbringt; der Gewinn wird zunächst 50:50 verteilt, später 60:40;7 Gesellschaft aus einem Hotelier, der seinen Hotelbetrieb einbringt, und einer weiteren Person, die die Geschäfte führt; der Gewinn wird hälftig geteilt;8 Gesellschaft zwischen einem ostdeutschen Verlag, der seinen Abonnentenstamm einbringt, und einem westdeutschen Verlag, der lediglich sein Vertriebs-Knowhow einbringt.9
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Die Einlage- und Beitragsfähigkeit von Knowhow, technischen Kenntnissen, betrieblichen Erfahrungen oder Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen ist wohl unbestritten.10 ________________________ 3 4 5 6 7 8 9 10
FinMin Bayern, Erlass vom 21.6.2004, 31-S2241-101-25 618/0, DB 2004, 1642. BGH vom 26.11.1979, DB 1980, 731. RG vom 14.3.1919, RGZ 95, 147: die Kenntnis sei als „Einlage“ anzusehen. RG vom 10.10.1933, RGZ 142, 13. BGH vom 22.11.1965, NJW 1966, 501. BGH vom 25.9.1972, DB 1972, 2201. KG vom 13.11.1998, NZG 1999, 489. Vgl. statt aller Baumbach/Hopt, HGB, 33. Auflage 2008, § 109 Rn. 7 m. N.
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V. Die Besteuerung kapital-disproportionaler Gewinnanteile
Jüngere Rechtssprechung des BGH dazu gibt es nicht. Das scheint darauf hinzudeuten, dass neben Geldbeiträgen auch Dienstleistungsbeiträge mittlerweile ohne Disput auszulösen als „gesellschaftsfähig“ anerkannt sind. Ebenso anerkannt ist zivilrechtlich natürlich auch, dass ein Gesellschafter neben seinem Beitrag in Form von Dienstleistungen in einen Leistungsaustausch mit der Gesellschaft treten kann. Es muss daher nach den allgemeinen Regeln durch Auslegung ermittelt werden, was im konkreten Fall von den Parteien gewollt ist. Als Indizien für einen Gesellschafterbeitrag sind z. B. die folgenden anerkannt: – –
Die Abrede über die Leistungspflicht ist im Gesellschaftsvertrag selbst getroffen; es gibt daneben keinen separaten Dienstleistungsvertrag; die aufgrund der Leistungspflicht für den Gesellschafter im Gesellschaftsvertrag festgesetzten Ansprüche bestehen nicht in einer festen Geldzahlung, sondern sind abhängig vom Geschäftsergebnis der Gesellschaft.11
In der Bewertung der Beiträge sind die Gesellschafter frei. Dienstleistungen können als laufende Einlage oder kapitalisiert mit dem Barwert der künftigen Dienstleistungen bewertet werden.12 Für die Bemessung des Gewinnanteils für eine Dienstleistungseinlage ist lediglich eine gesetzliche Bestimmung relevant, nämlich § 733 Abs. 2 S. 3 BGB. Danach kann bei Auflösung und nachfolgender Auseinandersetzung einer Gesellschaft für Einlagen, die in der Leistung von Diensten bestanden haben, kein Ersatz verlangt werden. Das hat erhebliche Auswirkungen auf die Interessenlage der Gesellschafter. Deshalb hat es der BGH mehrfach als angemessen bezeichnet, wenn der dienstleistende Gesellschafter auf anderem Wege einen Ausgleich erhält; wegen der bei Auflösung zu erwartenden Bewertungsschwierigkeiten hinsichtlich der erbrachten Dienstleistungen biete es sich an, diejenigen Leistungen eines Gesellschafters, die sich quantitativ und qualitativ von denjenigen anderer Gesellschafter unterscheiden, beim Gewinnverteilungsschlüssel zu berücksichtigen.13 Somit bleibt festzuhalten, dass im Gesellschaftsrecht immaterielle Dienstleistungsbeiträge mit disproportionalem Gewinnanteil nicht nur anerkannt werden, sondern als angemessen gelten. bb) Steuerliche Würdigung Bei gewerblichen Mitunternehmerschaften ist die Differenzierung zwischen Leistungsaustausch und Leistungsvereinigung für die Einkünftequalifikation nicht relevant. Denn in § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG ist klar geregelt, dass zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb neben den Gewinnanteilen auch die von der Mitunternehmerschaft gewährten Vergütungen u. a. für Tätigkeiten im Dienste der Gesellschaft zählen. Ebenso unbestritten ist aber auch, dass diese Einkünftequalifikation für vermögensverwaltende Personengesellschaften nicht gilt und auch nicht analog angewendet werden kann.14 ________________________ 11 12 13 14
Vgl. z. B. Baumbach/Hopt, a. a. O., § 109 HGB Rn. 11. Baumbach/Hopt, a. a. O., § 120 HGB Rn. 17 m. N. BGH vom 22.11.1965, NJW 1966, 501; vom 26.11.1979, DB 1980, 731. So z. B. BFH vom 18.11.1980, BStBl. II 1981, 510; vom 7.4.1987, BStBl. II 1987, 707.
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2. Teil: Leistungs- oder erfolgsabhängige Vergütung und Vermögensbildung
Hier muss also ermittelt werden, ob eine Sondervergütung oder ein Gewinnanteil vorliegt. (1) Abgrenzung zwischen Sondervergütung und Gewinnanteil Eine Vergütung wird steuerlich als Sondervergütung behandelt, wenn sie auf der Ebene der Gesellschaft Aufwand sein soll und auch dann zu zahlen ist, wenn kein Gewinn erwirtschaftet wird.15 Ist dagegen keine auf die Behandlung der Vergütung als Aufwand gerichtete unmissverständliche Vereinbarung getroffen, so ist im Zweifel von einer Gewinnverteilungsabrede auszugehen; in diesem Fall liegen beim Gesellschafter vermögensverwaltende Einkünfte aus der Gesellschaft vor.16 Es gibt also im Steuerecht keine Zwangsläufigkeit in dem Sinne, dass Dienstleistungen eines Gesellschafters gegenüber seiner vermögensverwaltenden Personengesellschaft stets zu gesondert zu qualifizierenden Sondervergütungen führen. Die Gesellschafter haben vielmehr ein Wahlrecht, in welcher Form sie einem tätigen Gesellschafter eine Vergütung zukommen lassen wollen.17 Auf dieser Grundlage hat z. B. die Rechtsprechung die Zahlung an den Gesellschafter einer vermögensverwaltenden Immobilien-Gesellschaft für die Übernahme der Hausverwaltung nicht als Tätigkeitsvergütung, sondern als echten (Zusatz-)Gewinnanteil behandelt.18 Ähnlich wurde für einen stillen Gesellschafter entschieden, der dem Prinzipal seine Verbindungen auf dem Finanzsektor zur Verfügung stellte; seine Entgelte dafür stellen einen Gewinnanteil im Sinne von § 8 Nr. 3 GewStG dar (und keine beim Prinzipal gewerbesteuerlich nicht hinzuzurechnende Sondervergütung).19 Nach dem vom BFH entwickelten Kriterium der Aufwandsbehandlung des Entgelts bei der Gesellschaft für die Abgrenzung ergibt sich, dass der kapital-disproportionale Ergebnisanteil der Initiatoren keine separat zu qualifizierende Sondervergütung, sondern ein Gewinnanteil ist. Die Investoren ziehen den Ergebnisanteil der Initiatoren bei ihrer steuerlichen Ergebnisermittlung nicht ab; zudem setzt er einen Totalüberschuss des Fonds voraus, ist also nur im wirklichen Gewinnfall zu zahlen. (2) Keine Zebra-Gesellschaft Eine Umqualifizierung der auf Gesellschaftsebene zugewiesenen vermögensverwaltenden Einkünfte wird jedoch auf der Ebene des Gesellschafters vorgenommen, wenn seine Gesellschaftsbeteiligung Teil einer vom Gesellschafter ausgeübten gewerblichen oder freiberuflichen Tätigkeit ist. Dann wäre ein Private-Equity-Fonds in Bezug auf die Initiatoren eine sogenannte Zebra-Gesellschaft. Die Annahme eines Gewerbebetriebs der Initiatoren setzt zunächst voraus, dass ihre für den Private-Equity-Fonds ausgeübte Tätigkeit selbständig und nachhaltig ist, mit Gewinnerzielungsabsicht sowie unter Teilnahme am allgemeinen wirtschaftlichen Ver________________________ 15 GrS des BFH vom 10.11.1980, BStBl. II 1981, 164; BFH vom 14.11.1985, BStBl. II 1986, 58; vom 13.10.1998, BStBl. II 1999, 284. 16 BFH vom 23.01.2001, BFH/NV 2001, 827. 17 So z. B. Groh, in: JbFStR 1979/80, 240. 18 BFH vom 18.11.1980, BStBl. II 1981, 510 (513). 19 BFH vom 27.2.1975, BStBl. II 1975, 611.
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V. Die Besteuerung kapital-disproportionaler Gewinnanteile
kehr vorgenommen wird, vgl. § 15 Abs. 2 EStG. Für den Private-Equity-Fonds selbst sind diese vier Positiv-Merkmale regelmäßig erfüllt. Nach unserer Auffassung können sie aber nicht den Initiatoren als Gesellschaftern im Sinne einer eigenen Tätigkeit zugerechnet werden. Werden sie bei Erfüllung ihrer immateriellen Beiträge geschäftsführend tätig, sind sie zwar insoweit selbständig. Diese Selbständigkeit ist aber Ausfluss ihrer Gesellschafterstellung und nicht ihrer persönlichen Tätigkeit.20 Selbständig im Sinne von § 15 Abs. 2 EStG handelt nur, wer auf eigene Rechnung und Gefahr tätig wird. Daran fehlt es aber bei den Initiatoren. Denn sie handeln auf Rechnung und Gefahr des Private-Equity-Fonds. Die Initiatoren beteiligen sich mit der Zurverfügungstellung ihrer immateriellen Werte (Knowhow, Expertise etc.) auch nicht am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr. Denn das setzt voraus, dass die Tätigkeit am Markt gegen Entgelt im Rahmen eines Leistungsaustausches angeboten wird. Die Erbringung von Gesellschafterbeiträgen begründet jedoch keinen entgeltlichen Leistungsaustausch, sondern eine Leistungsvereinigung mit den Beiträgen der übrigen Gesellschafter zur Erreichung des gemeinsamen Zwecks. Eine Teilnahme am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr lässt sich auch nicht damit begründen, dass die Initiatoren Beiträge gegenüber mehreren Private-Equity-Fonds leisten. So hat die Rechtsprechung z. B. bei einem „Berufskomplementär“, der bei sechs Personengesellschaften sowohl die Haftung als auch die Geschäftsführung übernommen hatte, Einkünfte aus Gewerbebetrieb verneint.21 Dieselben Erwägungen sprechen gegen eine Zuordnung des Gesellschaftsanteils der Initiatoren zu einer von ihnen ausgeübten freiberuflichen Tätigkeit. Vor Einfügung der Nr. 4 in § 18 Abs. 1 EStG durch das Gesetz vom 30. Juli 2004 war das Erbringen der immateriellen Beiträge seitens der Finanzverwaltung ab 2003 als sonstige selbständige Arbeit im Sinne von § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG gewertet worden.22 Aber auch der Einkünftetatbestand der Vermögensverwaltung setzt Selbständigkeit voraus, an der es – wie oben gezeigt – bei der Leistungsvereinigung fehlt. Vor diesem Hintergrund bestehen wohl berechtigte Zweifel an dem Bericht des Finanzausschusses des Deutschen Bundestags vom 16. Juni 2004.23 Dort hatten die beiden Berichterstatter in der Einzelbegründung zu § 18 Abs. 1 Nr. 4 EStG ausgeführt, dass es sich bei dem kapital-disproportionalen Gewinnanteil schon nach bisherigem Recht um eine voll steuerpflichtige Tätigkeitsvergütung handele. Durch die neue Regelung würde diese rechtliche Würdigung nun gesetzlich abgesichert, und „Zweifel, die hieran von verschiedener Seite geäußert worden sind“, seien damit ausgeräumt. Entgegen der Auffassung des Finanzausschusses hat die gesetzliche Einkünftequalifikation keineswegs nur deklaratorischen Charakter; sie wirkt vielmehr konstitutiv. (3) Kapitalanteil nicht maßgeblich für die Einkünftequalifikation Die Umqualifikation der kapital-disproportionalen Gewinnanteile der Initiatoren begründet die Finanzverwaltung mit der Dogmatik, dass der Tatbestand der Veräußerung von Anteilen nur erfüllt sei, wenn und soweit der Steuerpflichtige am Kapital der________________________ 20 21 22 23
So auch BFH vom 10.6.1987, BStBl. II 1987, 816. BFH vom 10.6.1987, BStBl. II 1987, 816. So ausdrücklich in Tz. 24 des PE-Schreibens, a. a. O. Fn. 1. BT-Drs. 15/3336.
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2. Teil: Leistungs- oder erfolgsabhängige Vergütung und Vermögensbildung
jenigen Gesellschaft beteiligt ist, deren Anteile veräußert werden.24 Ausgehend von dieser Prämisse ist es dann logisch und zwangsläufig, dass der kapital-disproportionale Gewinnanteil nicht als Veräußerungsgewinn qualifiziert werden kann. Dieses „Dogma“ gilt es zu hinterfragen. Bei Beteiligungen an Kapitalgesellschaften, die nicht in einem steuerlichen Betriebsvermögen gehalten werden, ist der Gewinn aus einer Veräußerung nach Ablauf der Spekulationsfrist nur dann steuerbar, wenn der „Veräußerer“ in einer bestimmten Höhe am „Kapital“ der Gesellschaft beteiligt war, § 17 Abs. 1 EStG. Zwei Dinge sind in diesem Zusammenhang mittlerweile durch BFH-Rechtsprechung geklärt und unstreitig: Hält eine vermögensverwaltende Personengesellschaft in ihrem Gesamthandsvermögen eine Beteiligung, wird sie gemäß § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO anteilig zu Bruchteilen den Gesellschaftern zugerechnet.25 Zwingend ist das nicht. Denn Personengesellschaften wird begrenzte Steuerrechtssubjektivität zuerkannt.26 Insbesondere die den Gesellschaftern zuzurechnenden Einkünfte werden auf der Ebene der Personengesellschaft nach den dort verwirklichten Merkmalen qualifiziert. Eine kurze Zeitspanne hatte der BFH auch in der Tat die Frage offengelassen,27 bis er sich im Mai 2000 endgültig zur sogenannten Bruchteilsbetrachtung bekannte. Bei der Prüfung, ob der Veräußerer in der gemäß § 17 Abs. 1 EStG geforderten Höhe an der Gesellschaft beteiligt ist, ist ausschließlich der nominelle Anteil am Grund- oder Stammkapital der betreffenden Gesellschaft maßgeblich.28 In der Satzung der Kapitalgesellschaft verankerte Sonderrechte wie z. B. erhöhte Stimmrechte oder eine erhöhte Dividendenberichtigung oder ein erhöhter Anteil am Erlös aus der Liquidation der Kapitalgesellschaft sind dagegen nicht zu berücksichtigen. Wer also zu 0,5 % am Stammkapital beteiligt ist, aber 100 % der Stimmrechte hält, erfüllt gleichwohl bei Veräußerung seiner 0,5 %-Beteiligung nicht den Tatbestand gemäß § 17 Abs. 1 EStG. Vordergründig betrachtet bestätigen die beiden BFH-Urteile von 1997 und 2000 die neue Auffassung der Finanzverwaltung in Tz. 24 des PE-Schreibens. Aber der Schein trügt. Die gemäß Bruchteilsbetrachtung anteilig den Gesellschaftern zuzurechnende Quote am nominellen Grund- oder Stammkapital ist nur maßgeblich bei der Prüfung, ob die in § 17 Abs. 1 EStG geforderte Beteiligungshöhe erreicht oder überschritten ist, mit der Folge, dass der Veräußerungsgewinn steuerpflichtig ist. Zwei Dinge ergeben sich jedoch nicht daraus. Zum einen folgt aus der Maßgeblichkeit der Beteiligung am nominellen Grund- oder Stammkapital nicht, dass eine Veräußerung von Anteilen nur vorliegt, soweit der Veräußerer kapitalmäßig an der Gesellschaft beteiligt ist. Zählt zum Gesamthandsvermögen einer Personengesellschaft die Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft, ist diese Beteiligung (steuerlich zu Bruchteilen) denjenigen zuzurechnen, die als Gesellschafter an der Personengesellschaft beteiligt sind. Gesellschafter ist, wer einen Beitrag leistet. Dazu zählen – wie dargelegt – neben Sach________________________ 24 25 26 27 28
So Tz. 24 des PE-Schreibens, a. a. O. Fn. 1. BFH vom 9.5.2000, BStBl. II 2000, 686. BFH vom 25.6.1984, BStBl. II 1984, 751. BFH vom 13.7.1999, BStBl. II 1999, 820. BFH vom 25.11.1997, BStBl. II 1998, 257.
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V. Die Besteuerung kapital-disproportionaler Gewinnanteile
leistungen auch Dienstleistungen. Das gilt für das Steuerrecht ebenso wie für das Gesellschaftsrecht. Jeder Beitrag vermittelt einen Gesellschaftsanteil, aber nur aktivierungsfähige Sachleistungen gewähren einen Kapitalanteil. Gesellschaftsrechtlich ist unbestritten, dass der Kapitalanteil streng vom Gesellschaftsanteil zu unterscheiden ist. Seit dem Urteil des Reichsgerichts vom 28. Dezember 1923 ist anerkannt, dass der Kapitalanteil eine bloße Rechnungsziffer ist, die den Anteil jedes Gesellschafters an dem nach bilanzrechtlichen Grundsätzen ermittelten Eigenkapital der Personengesellschaft darstellt.29 Für die Gesellschafterstellung, also die Gesamtheit der Rechte und Pflichten aus dem Gesellschaftsverhältnis, ist jedoch der Gesellschaftsanteil maßgeblich; in ihm ist der Anteil des Gesellschafters am Gesellschaftsvermögen enthalten, nicht im Kapitalanteil.30 Was bedeutet das nun? Hält eine Personengesellschaft eine Beteiligung, erfüllt derjenige den Tatbestand der Veräußerung (eines Bruchteils) der Beteiligung, dem ein Anteil an dem Gesellschaftsvermögen zuzurechnen ist. Diesen Anteil vermittelt der Gesellschaftsanteil, aber nicht der Kapitalanteil. Der in Tz. 24 des PE-Schreibens von der Finanzverwaltung vollzogene Wechsel bei der Einkünftequalifikation vom Gesellschaftsanteil zum Kapitalanteil hatte im Jahre 2003 keine Rechtsgrundlage. Sie ist erstmals geschaffen worden durch die Einfügung der Bestimmung des § 18 Abs. 1 Nr. 4 EStG; das war konstitutiv, aber nicht deklaratorisch. Dass die Beteiligung am nominellen Grund- oder Stammkapital nur für die Ermittlung der für § 17 Abs. 1 EStG relevanten Beteiligungshöhe maßgeblich ist, aber für nichts anderes, ergibt sich noch aus einer weiteren Erwägung. Liegt eine relevante Kapitalbeteiligung vor, stellt sich die Frage, in welchem Verhältnis der nach § 17 EStG steuerpflichtige Gewinn auf die Gesellschafter der Personengesellschaft zu verteilen ist. Dazu werden in der Literatur verschiedene Auffassungen vertreten. Einige Autoren sind der Meinung, dass der im Gesellschaftsvertrag der Personengesellschaft vereinbarte Gewinn- bzw. Liquidationserlösverteilungsschlüssel maßgeblich sei.31 Die wohl herrschende Meinung dagegen stellt auf den durchgerechneten Anteil am nominellen Grund- oder Stammkapital ab.32 Nachdem der BFH die anteilige Zurechnung zu Bruchteilen bei vermögensverwaltenden Personengesellschaften ausdrücklich bestätigt hat,33 dürfte wohl Folgendes richtig sein: Zunächst ist zu prüfen, ob der Gesellschafter der Personengesellschaft durchgerechnet zu 1 % oder mehr am Grund- oder Stammkapital der Kapitalgesellschaft beteiligt war. Ist dies zu bejahen, ist derjenige Gewinnanteil in seiner Person gemäß § 17 EStG steuerpflichtig, der auf ihn gemäß dem im Gesellschaftsvertrag der Personengesellschaft vereinbarten Gewinnverteilungsschlüssel entfällt. Genau in dieser Weise ist die Finanzverwaltung bis zur Änderung ihrer Auffassung in Tz. 24 des PE-Schreibens vorgegangen. Für die Frage, ob die Initiatoren überhaupt in ________________________ 29 30 31 32
RGZ 117, 238 (242). Baumbach/Hopt, a. a. O., § 120 HGB Rn. 13 und § 124 HGB Rn. 16. So z. B. Hörger, in: Littmann/Bitz/Pust, § 17 EStG Rn. 72; Ebling, in: Blümich, § 17 EStG Rn. 101. So z. B. Weber-Grellet, in: Schmidt, EStG 26. Auflage 2007, § 17 Rn. 60; Eilers/R. Schmidt, in: Herrmann/Heuer/Raupach, § 17 EStG Rn. 102. 33 BFH vom 9.5.2000, BStBl. II 2000, 686.
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2. Teil: Leistungs- oder erfolgsabhängige Vergütung und Vermögensbildung
ihrer Person den Tatbestand der Veräußerung von Anteilen erfüllen, war nur entscheidend, dass sie Gesellschafter des Private-Equity-Fonds sind und über ihren Gesellschaftsanteil am Gesellschaftsvermögen beteiligt sind. Für die Frage, ob sie die gemäß § 17 Abs. 1 EStG relevante Beteiligungshöhe erreicht oder überschritten haben, wurde auf ihren durchgerechneten Anteil am nominellen Grund- bzw. Stammkapital abgestellt. Solange die Schwellenwerte bei 25 % bzw. 10 % lagen, ergab sich nie eine Steuerpflicht ihres (kapital-disproportionalen) Gewinnanteils. Auch nach der Absenkung der relevanten Beteiligungshöhe auf 1 %, tritt in der Mehrzahl aller Fälle keine Steuerpflicht gemäß § 17 EStG ein. (4) Steuerpolitische Erwägungen und Lösungsansatz Bei nüchterner systematischer Analyse scheint die bis Ende 2003 geltende Rechtslage wohl eindeutig zu sein. Da die Initiatoren als Gesellschafter Beiträge leisten, haben sie einen Gesellschaftsanteil und erfüllen deshalb den Tatbestand der Veräußerung von Anteilen. Für die (Um-)Qualifikation ihres kapital-disproportionalen Gewinnanteils als Tätigkeitsvergütung fehlt es an einer Rechtsgrundlage. Denn für die Tatbestandserfüllung ist nicht der Kapitalanteil, sondern der Gesellschaftsanteil maßgeblich. Eine Sondervergütung liegt nicht vor, da es sich nicht um Leistungsaustausch handelt, sondern um Leistungsvereinigung. Diese Rechtslage gilt wegen des gewährten Vertrauensschutzes auch über den 1. Januar 2004 hinaus, soweit aus Altfällen kapital-disproportionale Gewinnanteile nach dem 1. Januar 2004 realisiert werden. Dass diese Analyse – systemkonform oder nicht – steuerpolitisch schwer vermittelbar ist oder war, dürfte nicht überraschen. Die Diskussion über die Angemessenheit völliger Steuerfreiheit der kapital-disproportionalen Gewinnanteile haben wir nicht nur bei uns in Deutschland geführt. Seit einiger Zeit ist sie auch in anderen Ländern entbrannt. In der britischen Presse hieß es dazu plakativ: „Private-Equity-Manager zahlen weniger Steuern als ihre Putzfrauen!“ Für Neufälle hat das Parlament eine Regelung getroffen, die einen vermittelnden Weg darstellt. Die Betroffenen haben nicht „Hurra“ gerufen. Aber die Besteuerung nach dem Halbeinkünfteverfahren war konsensfähig. Private-Equity-Manager sind vernünftige Menschen und haben die gesetzliche Regelung akzeptiert. Aber wie geht man nun mit den Altfällen um? Wie eingangs erwähnt, sind sie in zeitlicher Hinsicht in zwei Gruppen zu unterteilen: Eine große Anzahl von kapital-disproportionalen Gewinnanteilen aus Altfällen, die bis Ende 2003 realisiert wurden, ist noch nicht bestandskräftig veranlagt. Heute, also im Jahre 2008, sind z. B. noch Fälle aus dem Jahr 1999 (!) offen. Sie wird man nur systemkonform lösen können. Natürlich bleibt es der Finanzverwaltung unbenommen, ihre Auffassung zu ändern. Dann wird der BFH in ein paar Jahren zu entscheiden haben, ob der Kapitalanteil oder der Gesellschaftsanteil nach bisherigem Recht für die Einkünftequalifikation maßgeblich war. Die Finanzverwaltung hat die hier zusammengefassten gesellschaftsrechtlichen und steuerlichen Grundlagen jahrelang selbst praktiziert. Völlig abwegig sind sie nun sicherlich nicht. Etwas Augenmaß bei der Abwägung, wie weit man die vermeintlich geläuterte neue Rechtsauffassung rückwirkend für lange zurückliegende Jahre auf bereits geflossene kapital-disproportionale Gewinnanteile anwendet, scheint das Gebot der Stunde zu sein. Die in der Vergangenheit vorgenomme110
V. Die Besteuerung kapital-disproportionaler Gewinnanteile
ne Rechtsauslegung war jedenfalls vertretbar (und nach unserer Auffassung auch richtig). Jahre später für die noch offenen Fälle eine Kehrtwendung um 180 Grad zu machen, ist kein Zeugnis für politische Klugheit. Die darin zum Ausdruck kommende Beliebigkeit der Rechtsanwendung durch die Verwaltung trägt einen Zug von Zynismus in sich, der einem Gemeinwesen nicht gut tut. Verbitterung ist keine Basis für Rechtsfrieden. Ein letztes Wort noch zur Lösung von kapital-disproportionalen Gewinnanteilen aus Altfällen, die nach dem 1. Januar 2004 realisiert wurden. Hier lässt sich der Gedanke fruchtbar machen, den Hörger und Ebling in der Kommentarliteratur aufgezeichnet haben. Er muss nur systematisch konsequent zu Ende gedacht werden: (i) Aus dem BFH-Urteil vom 25.11.199734 ergibt sich, dass für die relevante Beteiligungshöhe bei § 17 Abs. 1 EStG auf den Anteil am nominellen Grund- oder Stammkapital abzustellen ist. (ii) Aus der Entscheidung des Großen Senats des BFH vom 25. Juni 198435 ergibt sich, dass die den Gesellschaftern zuzurechnenden Einkünfte nach Maßgabe der Verhältnisse zu qualifizieren sind, die auf der Ebene der Personengesellschaft verwirklicht sind. Das lässt den Schluss zu, dass für die bei § 17 Abs. 1 EStG relevante Beteiligungshöhe der Anteil der Personengesellschaft am nominellen Grund- oder Stammkapital der Kapitalgesellschaft maßgeblich ist. (iii) Aus dem Urteil des BFH vom 9. Mai 200036 ergibt sich, dass Beteiligungen, die im Gesamthandsvermögen einer vermögensverwaltenden Personengesellschaft gehalten werden, den Gesellschaftern zu Bruchteilen anteilig gemäß § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO zugerechnet werden. Da sich die Anteile der Gesellschafter am Gesellschaftsvermögen nach dem Verhältnis ihrer Gesellschaftsanteile richten, und nicht nach dem Verhältnis ihrer Kapitalanteile, sind die Gesellschaftsanteile für die Bruchteilszurechnung maßgeblich. Das Verhältnis der Gesellschaftsanteile drückt sich im Gewinnverteilungsschlüssel aus. Denn die Gesellschaftsanteile sind das Korrelat der Gesellschafterbeiträge. (iv) Die Bruchteilszurechnung nach dem Verhältnis der Gewinnanteile steht nicht im Widerspruch zum BFH-Urteil vom 25.11.1997. Das systematische Bindeglied ist die Entscheidung des Großen Senats vom 25. Juni 1984. Der Anteil am nominellen Grund- oder Stammkapital ist für die Beteiligungshöhe bei § 17 Abs. 1 EStG maßgeblich. Wegen der begrenzten Steuerrechtssubjektivität von Personengesellschaften wird die relevante Beteiligungshöhe auf der Ebene der Personengesellschaft ermittelt. Ergibt sich dabei, dass der gesetzliche Schwellenwert erreicht oder überschritten ist, erfolgt die Bruchteilszurechnung der Kapitalgesellschaftsbeteiligung nach § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO auf die Gesellschafter in dem Verhältnis ihrer Personengesellschaftsanteile zueinander. Auf der Rechtsfolgenseite hätte dies zur Folge, dass auch die nach dem 1. Januar 2004 realisierten Gewinnanteile aus Altfällen ebenso wie diejenigen aus Neufällen nach dem Halbeinkünfteverfahren besteuert werden. Auch das wird im Ergebnis konsensfähig sein. ________________________ 34 BStBl. II 1998, 257. 35 BStBl. II 1984, 751. 36 BStBl. II 2000, 686.
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VI. Podiumsdiskussion mit den Referenten und Prof. Dr. Ingo Saenger (Universität Münster, P+P Frankfurt), Dr. Thomas Töben (P+P Berlin) Diskussionsleitung: Dr. Matthias Bruse, P+P München
Dr. Matthias Bruse Vielen Dank. Ich möchte die Diskussion damit beginnen, doch noch einmal dieses Mannesmann-Urteil anzusprechen. Sie haben uns ja recht gut beruhigt, nach dem Motto „Das müssen wir vielleicht nicht allzu ernst nehmen“, oder besser gesagt, wir können es kautelarjuristisch in den Griff bekommen. Aber, wenn ich es richtig verstehe, hat dieses Urteil grob gesagt diese Unterscheidung gemacht: „Vergangenheitsbezogen ist schlecht, zukunftsbezogen ist gut.“ Aber im Aktienrecht ist davon die Rede, dass die Vergütung des Vorstands angemessen sein soll. Im Grunde ist diese Angemessenheitsdebatte vielleicht verdeckt auch im Urteil des Landgerichts und im Urteil des BGH geführt worden. Professor Saenger, gibt es Kriterien, gibt es Hilfestellungen zur Bestimmung dessen, was aus juristischer Sicht angemessen sein kann? Offensichtlich hat sich an dieses Kriterium so recht keiner rangetraut, sondern man hat versucht, andere Kriterien zu entwickeln, die dann entscheidend waren für die juristische Analyse. Prof. Dr. Ingo Saenger Vielleicht muss man diese Frage sogar anders stellen: Soll man überhaupt Kriterien für die Angemessenheit entwickeln und niederlegen? Ich glaube, die Antwort ist aus dem, was Herr Hoffmann-Becking und Herr Thomas gesagt haben, recht deutlich geworden. Wir haben ja auch über Fragen des Anstandes gesprochen: Im öffentlichen Recht gibt es etwa den Begriff der öffentlichen Sicherheit und Ordnung. Diesen wollen wir auch nicht abschaffen und fordern, es müsse eine Regelungsdichte entstehen. Wenn Sie den entsprechenden Abschnitt 4.2 des Corporate-Governance-Kodex anschauen, sehen Sie, dass erst im Juli letzten Jahres von dessen 13 Absätzen drei eingefügt bzw. verändert worden sind. Und Sie erkennen auch eine gewisse Hilflosigkeit, wenn Sie lesen, dass die Vergütung der Vorstandsmitglieder in angemessener Höhe ausfallen muss (Ziff. 4.2.2.). Und an anderer Stelle erfahren Sie etwas über die fixen und variablen Bestandteile der Vergütung – in der Überschrift zu unserer Podiumsdiskussion heißt es „Leistungs- oder erfolgsabhängige Vergütung“. Spiegelt das etwas wider, was Herr Pöllath zuvor gesagt hat? Erst einmal: Kann man in diesem Bereich überhaupt von einer „Leistungsvergütung“ sprechen oder geht es nicht von vornherein um eine Erfolgsvergütung? Das findet sich auch im Kodex (Ziff. 4.2.3.): Die einmaligen sowie wiederkehrenden erfolgsgebundenen Komponenten müssen am Ende „insgesamt angemessen“ sein. Zum zweiten Mal taucht hier das Wort „angemessen“ auf. Wie kann man diese Angemessenheit aber letztlich konkretisieren? Dies ist ja keine Frage, der wir uns sonst nicht auch nähern. Selbstverständlich, das ist angesprochen worden, gibt es die gesellschaftliche Treuepflicht. Und diese gesellschaftliche Treue112
VI. Podiumsdiskussion
pflicht ist nicht in der Aktiengesellschaft so und in der BGB-Gesellschaft anders ausgestaltet, sondern sie ist jeweils individuell. Es gibt Personengesellschaften, wo sie ganz stark ist, es gibt andere Personengesellschaften, wo sie ganz schwach ist. Und so sieht das auch bei Familiengesellschaften aus. Selbst bei Aktiengesellschaften – Sie hatten bereits ARAG erwähnt – gibt es mit Blick auf die Rolle der Gesellschafter durchaus Unterschiede. Der Frage, wie wir es mit der Treuepflicht halten und wie mit dem Anstand dann letztlich umgegangen wird, muss man sich nähern. Nur wie? Das kann man natürlich im Rahmen einer Debatte machen, die man jetzt gerade recht unselig und mit trauriger Aktualität führt. Ich verstehe gar nicht, wieso. Denn letztlich ist der Anlegerschutz hier überhaupt nicht infrage gestellt. Etwas überspitzt formuliert könnte man sogar fragen: Gibt es heute überhaupt noch Anleger? In der Presse war zu lesen, dass wir gerade die geringste Quote von Aktionären haben – vielleicht auch wegen der Ereignisse der vergangenen Tage. Dabei entwickelt sich im Moment die Konjunktur ja gerade so, dass man viele Anleger erwarten könnte. Möglicherweise schafft es die Politik, durch die Diskussionen, die hier geführt werden, einen Popanz aufzubauen, und erweist damit dem Anlegerverhalten der Bürger einen Bärendienst. Wie kann man sich also der Thematik nähern? Sicherlich nicht durch eine Neiddebatte. Ein Weg wäre der Corporate-Governance-Kodex. Ich befürchte aber, dass allein aufgrund der Veränderungen der letzten Zeit hier ein monströses Wortgebilde aufgetürmt wird. Sicherlich, man schafft Gutes, wenn man klarmacht, was in die Bezüge einfließt. Es ist selbstverständlich, dass auch die Leistung in der Vergangenheit beurteilt wird. Aber man sollte das auch nicht zu dicht regulieren, weil es natürlich immer Zweifelsfragen aufwirft bzw. am Ende auch wieder kontraproduktiv ist. Nein, man muss es im Einzelfall prüfen und sollte sich auch nicht auf die Schaffung von Straftatbeständen oder die Ausweitung von Straftatbeständen verlegen. Es ist dort zu verorten, wo es hingehört, nämlich in der Gesellschaft. Und wir haben ja gehört, dass es zu einem Interessenausgleich kommen muss zwischen dem Eigentümer auf der einen und dem Manager auf der anderen Seite. Diese Principal-Agent-Diskussion ist hinlänglich bekannt. Und dann gibt es auch den Stakeholder, über den man nachdenken kann. Was wir gar nicht angesprochen haben, ist die Rolle des Aufsichtsorgans, also der Aufsichtsrat. Dort sind beispielsweise auch die Arbeitnehmer vertreten. Es gibt genügend Möglichkeiten, auch hier die Angemessenheit zu überprüfen. Und endlich soll es ja auch noch eine Hauptversammlung geben, ein weiteres Organ, das die Angemessenheit prüfen und entsprechende Konsequenzen ziehen kann. Also ist die Diskussion letztlich an der ganz falschen Stelle ausgetragen worden und hat damit sehr viel Unsägliches bereitet. Vielleicht könnte man, nachdem ich den Vorrednern zustimme, noch fragen, ob das Auditorium falsch zusammengesetzt ist: Man hätte möglicherweise einen Gesellschaftsrechtler hinzunehmen sollen, möglichst jemanden, der Herrn Hoffmann-Becking einen ebensolchen Sonderdruck zugeschickt hätte, wie ihn Herr Thomas erhalten hat. Der wird sich aber schwerlich finden lassen: Tatsächlich wird in der Wissenschaft das Ganze so gesehen, dass es dort zu verorten ist, wo es hingehört, nämlich in der Gesellschaft. Und mit dem Kriterium der Angemessenheit hat sich der Gesetzgeber auf Bewährtes und zugleich auch Flexibles verlassen, und das sollte auch weiterhin so bleiben.
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2. Teil: Leistungs- oder erfolgsabhängige Vergütung und Vermögensbildung
Dr. Matthias Bruse Vielen Dank. Vielleicht zwei kleine Folgefragen noch zum Thema Angemessenheit. Wenn wir Angemessenheit im Zusammenhang mit der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht sehen, wie Sie es gerade beschrieben haben, heißt das dann, dass das Kriterium der Angemessenheit losgelöst von der Rechtsform im Grunde im Gesellschaftsrecht allgemein gilt? Also dass eine angemessene Vergütung für einen GmbH-Geschäftsführer letztlich ungeschrieben den gleichen Grundsätzen unterliegt, oder gibt es da Unterschiede? Prof. Dr. Michael Hoffmann-Becking Es sind mit Sicherheit dieselben Kriterien, nur kennen wir sie nicht als Rechtskriterien. Es gibt tatsächlich ein paar Versuche, Kriterien für betragsmäßige Grenzen zu entwickeln. Auch Marcus Lutter hat einen solchen Versuch unternommen. Er sagt zwar selbst, es handele sich nicht um eine verbindliche Rechtsregel, aber man solle dennoch Regeln entwickeln, etwa im Sinne der Wahrung einer bestimmten mathematischen Relation zu den Bezügen der höchstbezahlten Angestellten des Unternehmens. Wie gesagt, solche verbindlichen Rechtsregeln gibt es bislang nicht, und ich halte auch nicht viel von Versuchen, sie zu entwickeln. Ich möchte auch davor warnen, solche Regeln im Kodex auszubreiten. Dabei möge auch im Blick behalten werden, dass der Kodex mit dem Anspruch gestartet ist, durch das „soft law“ werde es möglich sein, gesetzliche Regulierungen zu verringern oder zu vermeiden. Wenn wir noch mehr in den Kodex schreiben, tritt der gegenteilige Effekt ein, indem das Netz der Regulierung immer enger wird. Die Wirkung der Empfehlungen des Kodex ist nun einmal faktisch gesetzesgleich aufgrund der „Prangerwirkung“ einer Erklärung der Gesellschaftsorgane, dem Kodex nicht entsprechen zu wollen. Bei der Vermeidung überzogener Vorstandsvergütungen geht es, so könnte man meinen, um den Anlegerschutz, und auch im Falle Mannesmann, so könnte man meinen, sei es letztlich um den Schutz der Aktionäre gegangen. Aber ging es wirklich um Aktionärsschutz? Ich habe einmal einem Engländer den Mannesmann-Fall in groben Umrissen erläutert. Dann hat er mich gefragt: Wie war die Reaktion der Aktionäre? Haben sie sich gewehrt? Nein, habe ich gesagt, es gab keinerlei Rückforderungsklage oder Opposition in der Hauptversammlung, weder bei Mannesmann noch bei Vodafone. Darauf bemerkte mein englischer Gesprächspartner: „It sounds like a detective story by Agatha Christie, it’s a crime without victim“. Hier zeigt sich die typisch angelsächsische Sicht, die immer den Aktionär im Auge hat, während wir die juristische Person verabsolutieren und den Aktionär ausblenden. Dr. Matthias Bruse Zweite kurze Folgefrage. Wenn denn doch ein Gericht feststellen würde, dass eine Vergütung unangemessen ist, ist es dann Untreue? Wenn die sonstigen, insbesondere subjektiven Tatbestandsmerkmale erfüllt sind, haben wir dann Untreue, mit Beihilfe zur Untreue? Prof. Dr. Michael Hoffmann-Becking Ich plädiere für die Maßgeblichkeit des Handelsrechts. Nicht nur vor Steuerrecht, sondern auch vor Strafrecht. 114
VI. Podiumsdiskussion
Dr. Sven Thomas Also der 1. Strafsenat hat ja in einer Reihe von Entscheidungen unter seinem alten Vorsitzenden Gerhard Schäfer verdeutlicht, dass eine zweistufige Prüfung erfolgen muss. Erstens nach aktienrechtlichen oder gesellschaftsrechtlichen Regeln und in einem zweiten Schritt – selbst wenn § 87 AktG, der die Frage der Angemessenheit regelt, verletzt wäre – danach, ob dann eine gravierende Pflichtverletzung im Sinne des § 266 StGB vorliegt. Der 3. Strafsenat in der Mannesmann-Entscheidung hat versucht, sich vorbeizulavieren, indem er einerseits sagte, diese Rechtsprechung sei weiterhin valide, beziehe sich aber nicht auf diesen Fall, andererseits aber deutlich von ihr abrücken wollte. Insofern haben wir eine etwas ungeklärte Rechtslage, wie das Verhältnis Strafrecht – Aktienrecht sich jetzt darstellt. Strafrecht ist und muss ultima ratio bleiben. Nicht jeder Verstoß gegen aktienrechtliche Vorschriften kann in § 266 StGB einmünden. Wir wären dann in einem unhaltbaren Zustand und die Korrektur über subjektive Tatbestandsmerkmale, d. h. über Vorsatz, ist eine äußerst schwierige, weil sie letztendlich vom Gericht abhängt, und wie immer wird es dann in den großen Abfallkorb des Prozessrechts geworfen, d. h. die Verfahren werden dann nach § 153 und § 153 a StPO eingestellt. Zur Angemessenheitsfrage: Erstens, klare aktienrechtliche Regelung, § 87 AktG: ausgerichtet an Lage und Ertrag der Gesellschaft, wenn ich es richtig aus dem Kopf zitiere. Zweitens, bei der Frage nachträglicher „appreciation award“, wenn ich an das, was ich eben ausgeführt habe, anknüpfen darf, wenn man sagt, gerecht und fair, dann muss ich die Fairness-Entscheidung auch begründen können. Ich habe dann einen Begründungszwang, warum die Gewährung einer Prämie in einem rationalen Begründungszusammenhang angezeigt war oder nicht. Da mögen andere andere Auffassungen dazu vertreten, die wird es immer geben. Aber wenn ich diesen Begründungszusammenhang erfüllen kann, nämlich sagen kann, es entspricht dem Gerechtigkeitssinn, das und das zu machen, dann muss ich mich außerhalb strafrechtlicher Kategorien bewegen. Prof. Dr. Michael Hoffmann-Becking Lassen Sie mich, auch zur Vermeidung von Missverständnissen, Folgendes anmerken. Ich äußere mich hier nicht zur Angemessenheit der Höhe der Vergütung im konkreten Fall Mannesmann, sondern ich äußere mich nur zu den dem Grunde nach geltenden aktienrechtlichen Grundsätzen. Und die aktienrechtlichen Grundsätze können nicht so lauten, dass der Aufsichtsrat gehindert ist, einem Vorstandsmitglied bei besonderer Leistung eine zusätzliche Vergütung zu gewähren, selbst dann, wenn sie im ursprünglichen Vertrag nicht vorgesehen war. Der Aufsichtsrat ist nach § 87 AktG verpflichtet, die Angemessenheit der Vergütung laufend unter Kontrolle zu halten. Das ist nicht eine einmalige Entscheidung, die für fünf Jahre unabänderlich getroffen wurde, sondern die Richtigkeit und Angemessenheit dieser Entscheidung muss laufend beobachtet werden. Es ist zwar richtig, dass der Aufsichtsrat nur in dem Sonderfall des § 87 Abs. 2 AktG bei einer schweren Notlage der Gesellschaft zu einer Reduzierung der vereinbarten Bezüge berechtigt ist. Aber das ändert nichts daran, dass sich der Aufsichtsrat gerade dann, wenn er die Vergütung zu Beginn vorsichtig und niedrig bemessen hat, während der Vertragslaufzeit der Frage stellen muss, ob die Höhe der Bezüge noch angemessen ist. Dafür kann nicht entscheidend sein, ob das Vorstandsmitglied, das eine außerordentliche Leistung erbracht hat, die nach Einschätzung des Aufsichtsrats eine Son115
2. Teil: Leistungs- oder erfolgsabhängige Vergütung und Vermögensbildung
dervergütung rechtfertigt, noch mehrere Dienstjahre vor sich hat oder bereits kurz vor dem Wechsel in den Ruhestand oder dem Ausscheiden aus den Diensten des Unternehmens steht. Lassen Sie mich folgenden Beispielsfall bilden: Der Vorstandsvorsitzende schafft es im letzten Jahr seiner Vorstandszeit, eine andere Gesellschaft zu erwerben, die strategisch hervorragend zum Unternehmen passt und die schon seine Amtsvorgänger erwerben wollten, es aber nie geschafft haben. Ihm ist dieses gelungen, mit viel Geschick und viel Mühe, und zwar kurz vor seinem Wechsel in den Ruhestand. Der Aufsichtsrat billigt ihm dafür eine Sondertantieme zu. Folgt man dem BGH, erfüllt der Aufsichtsrat den Tatbestand der Untreue. Eine persönliche Anreizwirkung konnte die Sondertantieme nicht mehr entfalten, denn der Vorstandsvorsitzende stand kurz vor dem Wechsel in den Ruhestand. Nun sagt der BGH zwar, es reiche auch die Anreizwirkung für Dritte im Sinne eines Signals an die „Mannschaft“, dass sich besondere Leistungen im Unternehmen lohnen. Auch das würde hier nicht weiterhelfen, denn diese Sondertantieme wird natürlich nicht publiziert, so dass von ihr auch keine Anreizwirkung für Dritte ausgehen kann. In diesem Fall eine Untreue anzunehmen, kann nicht richtig sein. Dr. Matthias Bruse Soweit zum Thema Mannesmann. Wenn wir ein anderes Thema streifen wollen: Herr Pöllath, Sie hatten verschiedene Vergütungsformen angesprochen. Unter anderem ist ja gerade in den letzten Jahren, parallel zum Niedergang der Beliebtheit von Aktienoptionen, jedenfalls im Bereich von Private-Equity-Investitionen, die Managementeigenkapitalbeteiligung sehr beliebt oder praktisch Standard geworden. Wenn man sich Szenarien vorstellt, Transaktionsszenarien, Bietungsszenarien, da ist es praktisch ein Muss, dass ein Private-Equity-Investor dem Managementteam eine solche Managementbeteiligung einräumt. Wenn aber der Private-Equity-Investor in einer Wettbewerbssituation steht, zum Beispiel mit einem strategischen Bieter, wie könnte ein strategischer Bieter mit der Managementbeteiligung, die der Private-Equity-Investor bereit ist dem Management einzuräumen, in Wettbewerb treten und damit versuchen, seinerseits attraktiv zu sein für das Managementteam des Unternehmens? Gibt es da irgendwelche Usancen, oder muss man sagen, dass zunächst einmal der Stratege im Nachteil ist, weil er diese Gestaltungsopportunitäten, die der Private-Equity-Investor hat, dem Management gar nicht so einräumen kann? Prof. Dr. Michael Hoffmann-Becking Ich kenne mich da nicht aus. Ich möchte umgekehrt eine Frage stellen an die Kenner des Private-Equity-Geschäfts. Aber zunächst will ich die Antwort abwarten, die Sie auf Ihre Frage von den Experten erhalten. Prof. Dr. Reinhard Pöllath Das ist ein ganz schönes Beispiel für etwas, was ich vorhin in einem anderen Zusammenhang versucht habe zu sagen. Entscheidend ist Interessengleichlauf („alignment of interests“). Ob es richtig oder falsch ist, dass diese Manager eine solche „Beteiligung“ oder so ein „Incentiv“, vulgo „viel Kohle“, bekommen – da kann man lange drüber nachdenken, ob so etwas angemessen ist. Die Realität auf dem Markt ist: Wenn ich ein Unternehmen verkaufen möchte und da ist ein Private-Equity-Investor möglicherweise 116
VI. Podiumsdiskussion
mit am Horizont oder gar im Bietungsprozess drin, dann werde ich als Verkäufer bei meinen strategischen Kaufinteressenten einen Nachteil haben, weil mein Management voreingenommen sein müsste. Das ist keine Kritik an Managern, sondern die sind halt auch Menschen: Sie können sich nicht völlig davon freimachen, dass sie, wenn das Unternehmen an den einen geht, anschließend eine Beteiligung kriegen, und wenn der Deal an den anderen geht, dann kriegen sie vielleicht einen neuen Job in Turkestan. Die Begründung dafür, dass der Manager jetzt eine Beteiligung oder z. B. einen Bonus bekommt, weil der strategische Käufer ihm keine Beteiligung geben kann oder will, ist nicht, dass die Beteiligung oder der Bonus angemessen sind, sondern die Begründung ist nur: Ich, der Verkäufer, möchte Neutralität in meinem Management herbeiführen und möchte, dass das Marktgeschehen sich so abwickelt, wie es für mich, den Eigentümer, am besten ist. Nicht „am besten“ im Sinne von „übersteigert“, sondern einfach, dass die Marktkräfte zwischen den Bietern wirken können. Das ist ein Gesichtspunkt, der, so wie ich es verstehe, möglicherweise sogar vorwerfbar oder strafbegründend gedeutet werden könnte. Denn er löst sich überhaupt von dem Gedanken der Angemessenheit. Ich prüfe gar nicht, ob es angemessen ist. Ich halte diese Vergütungen für unangemessen. Aber verdammt nochmal, ich möchte mein Unternehmen verkaufen, zum richtigen Kurs, und deshalb bin ich bereit, ein Incentive zu gewähren. Ich glaube, das ist halbe-halbe auch die Praxis. Prof. Dr. Michael Hoffmann-Becking Darf ich eine Frage an die Private-Equity-Experten stellen? Ich habe kürzlich einen Vortrag eines Finanzwissenschaftlers zur Vergütungsstruktur von Private-Equity-Fonds gehört. Der Referent, es war der Münchener Finanzwissenschaftler Rudolph, vertrat die These, dass durch Koppelung der vom Ergebnis unabhängigen Management Fee mit dem Ertrag, der über die Mindest-Kapitalverzinsung der Einlagen der Investoren hinausgeht, dass durch diese Koppelung die Risikobereitschaft des Managements des Fonds derart gesteigert werde, dass daraus – jedenfalls latent – das Risiko eines Excessive Leverage entsteht. Ist das plausibel? Dr. Andreas Rodin Ich meine, wie üblich im Leben, natürlich ist da etwas dran. Herr Pöllath hat es ja eingangs auch gesagt, das Einzige, was jetzt übrig bleibt, ist schlicht und ergreifend das Spiel mit dem Risiko. Das Risikoelement ist jeder erfolgsabhängigen Kompensation immanent. Risiken, nämlich unternehmerische, werden bewusst und gewollt eingegangen. Nicht das Spiel mit dem Risiko steht im Vordergrund, sondern das Sichbewusstmachen, dass an dieses Element bestimmte finanzielle Folgen geknüpft sind. Das bedingt dann bestimmte Techniken und, je nachdem wie stark die Besicherungswünsche der Banken sind, wirkt der Leverage-Effekt ohne Haftung für den Fonds perfekt. Für den Mandanten, nämlich meinen Private-Equity-Fonds-Investor, besteht das geringste Risiko. Mann kann es auch brutal sagen: Es gibt natürlich auch einige Fälle, in denen aufgrund welcher Fehler auch immer eine Transaktion sich nicht so entwickelt hat, wie man sich das vorgestellt hatte, sondern zum Desaster wurde. Angesichts der Relationen zwischen eingesetzten Eigenmitteln und Fremdkapital, kann man sich leicht vorstellen und ausrechnen, wer eigentlich das größere finanzielle Desaster zu verkraften hatte, nämlich meistens der Fremdkapitalgeber, aber nicht der Eigenkapitalinvestor. 117
2. Teil: Leistungs- oder erfolgsabhängige Vergütung und Vermögensbildung
Dr. Thomas Töben Ich möchte gerne auch das Thema „Steuern“ noch aufgreifen. Man mag da leicht in ein Wespennest stoßen, wenn zu einem Thema, das u. a. bereits strafrechtlich besetzt ist, auch noch Steuerthemen sensibilisiert werden. Herr Professor Hoffmann-Becking hat da eine Brücke gebaut. Er stellte drei Fragen an den Anfang seines Beitrages, darunter die Frage: „Wer befindet über die hier diskutierten Zahlungen?“ Vielleicht ist dies auch die Ausgangsfrage, die über die Folgen einer gegebenenfalls auch steuerrechtlich unangemessenen Zahlung entscheidet? Es geht dabei nicht allein darum, dass die Zahlungen auf der „Empfängerseite“ voll steuerpflichtig sind. Das dürfte unstreitig sein. Gewissermaßen schon auf einer Vorstufe ist zu klären, ob die Vergütungen (erst) bei den Vergütungs-Empfängern der vollen Einkommensbesteuerung unterliegen oder aber (schon) bei den Gesellschaftern, eventuell also beim Alleinunternehmer oder gar bei allen Aktionären der zahlenden Gesellschaft als eine ihnen zugerechnete verdeckte Gewinnausschüttung (ggf. mit korrespondierendem Aufwand). Eine steuerliche Erfassung einer verdeckten Gewinnausschüttung bei allen Aktionären einer großen börsennotierten AG ist indes schwer vorstellbar. Weniger Störgefühle mag man aber schon bei einer begrenzten Anzahl von GmbH-Gesellschaftern haben, jedenfalls beim Alleingesellschafter einer GmbH. Letztendlich könnten diese Gesellschafter aus dem, was ihnen direkt oder eben indirekt „gehört“, ja auch schenken, statt „ihre“ GmbH zu veranlassen, die Zahlung zu leisten. Die Regel ist indes, dass sich Unternehmer, Unternehmen und sonst unternehmerisch handelende Personen in aller Regel nichts schenken. Gleichwohl stößt man auch in diesem Umfeld oft auf solche Gedanken. Auch die in der Tat drakonischen Bemerkungen des BGH im Mannesmann-Urteil mögen solche Gedanken beflügeln. Danach handele es sich bei den streitigen Zahlungen, so der BGH, um eine kompensationslose Anerkennungsprämie, die nichts anderes sei, als eine treuepflichtwidrige Verschwendung des anvertrauten Gesellschaftsvermögens. In der Tat: ziemlich starker Tobak. Jedoch kommt man bei dieser Sichtweise natürlich auch schnell auf Themen wie: Ist denn die Zahlung tatsächlich (noch) eine Betriebsausgabe? Liegt nicht doch eine Schenkung vor? Der Gesellschaft oder ihrer Gesellschafter? Wenn nicht einmal die Bezahlung eines Strafzettels am Auto, mit dem der Manager zum Gericht fährt, abzugsfähig ist, wie stellt es sich dann erst bei solchen Zahlungen dar, die ggf. unter Verstoß von § 87 AktG gezahlt wurden? Ich möchte das gar nicht vertiefen. Jedenfalls steuerrechtlich mag es, wie schon bemerkt, auf die Frage hinauslaufen: „Wer befindet über solche Zahlungen?“ Ich habe den Eindruck, dass man da bei einer Aktiengesellschaft insoweit sogar besser gestellt ist. Denn bei der AG liegt hinsichtlich der hier fraglichen Zahlungen die Kompetenz nicht bei den Gesellschaftern, sondern eben beim Aufsichtsrat, also zunächst einmal bei Dritten. Stets anzunehmen, diese Dritten überschritten ihre Kompetenz zu Lasten der Gesellschaft und zugleich auch der Aktionäre, wird wahrscheinlich schwierig sein. Das spricht zunächst einmal für betrieblichen Aufwand bei der AG und gegen verdeckte Gewinnausschüttung an die Aktionäre. Was ist aber dann mit anderen Unternehmen, wie etwa der GmbH, wenn alle oder nur einige Gesellschafter über solche Zahlungen an die Manager, also die GmbH-Geschäftsführer entscheiden. Handelt es sich auch dann immer (noch) um steuerlichen 118
VI. Podiumsdiskussion
Aufwand der Gesellschaft, ganz oder teilweise? Schließlich: Wie ist es etwa bei einer GmbH & Co. KG? Wann kommt es hier auf die Angemessenheit einer (Sonder-)Zahlung durch die GmbH & Co KG an ihre Geschäftsführer an? Insbesondere, wenn diese zugleich Gesellschafter sind? Hier stellen sich interessante Fragen. Wenn etwa Gesellschafter einer Anwaltskanzlei in der Rechtsform einer steuerrechtlich mit der GmbH & Co KG vergleichbaren GbR oder Partnerschaftsgesellschaft Einkommen beziehen, dann ist das sehr erfolgsorientiert. Wirtschaftlich und auch steuerlich verdienen die Gesellschafter das, was am Markt erlöst wird. Alles wird von ihnen – nach Abzug der Kosten – als Einkommen versteuert. Würden sie die GmbH als Rechtsform für ihre berufliche Tätigkeit wählen, z. B. wegen Verbesserung des Haftungsschutzes, läge es bei einem Vergleich mit der GbR oder Partnerschaftsgesellschaft doch nahe, als GmbH-Gesellschafter mit Einstimmigkeit über die Vergütungen als GmbH-Gesellschafter-Geschäftsführer zu entscheiden. Die Entscheidung könnte lauten: Jedes Jahr erhalten die Geschäftsführer als Gehalt alles das, was in der GmbH verdient wird und nach Kosten noch übrig ist. Ist das dann sofort auch eine Frage des angemessenen Gehalts bei der Gesellschaft und ihren Geschäftsführen, wenn diese zugleich auch Gesellschafter sind? Oder überschreiten gar die GmbH-Gesellschafter hierdurch eine ihnen zustehende Kompetenz im Hinblick auf die Verwendung des GmbH-Vermögens, obwohl die Vergütung, die gezahlt wird, die gleiche ist, wie im Ausgangsfall bei der GbR oder der Partnerschaftsgesellschaft? Wo und an welcher Stelle fängt die Trennung an zwischen Selbständigkeit der Gesellschaft und ihren Gesellschaftern, steuerrechtlich und/oder zivilrechtlich? Prof. Dr. Michael Hoffmann-Becking Die Frage gebe ich an den Steuerrechtler zurück. Da gibt es doch eine Angemessenheitsprüfung durch das Finanzamt wegen der Gewerbesteuer. Dr. Thomas Töben Aber es gibt im Steuerrecht auch eine Regel, wonach Zahlungen unter Verstoß gegen eine Zivilrechtsnorm wie z. B. § 30 GmbHG auch steuerlich verdeckte Gewinnausschüttung sein sollen, auch wenn die Zahlungen der Höhe nach an sich angemessen sind. Gilt das auch in den hier diskutieren Fällen? Prof. Dr. Michael Hoffmann-Becking Das sind keine Zahlungen unter Verstoß gegen § 30 GmbH-Gesetz. Denn die Zahlungen erfolgen immer noch aus dem Vermögen oberhalb des Stammkapitals. Das ist nicht das Thema. Dr. Thomas Töben Ja, aber was ist, wenn eine solche Zahlung gegen § 87 AktG oder eine vergleichbare Norm verstößt? Sind solche Zahlungen unter Verstoß gegen andere aktienrechtliche Vorschriften oder gegen andere GmbH-Normen als § 30 GmbHG stets kein (steuerlicher) Aufwand mehr bei der zahlenden Gesellschaft? Noch einmal zu meinem Beispiel: Besteht wirklich ein Unterschied, wenn ein Anwalt seine Berufstätigkeit als GmbH-Gesellschafter in der GmbH vergütet bekommt oder als 119
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Gesellschafter einer GbR oder Partnerschaftsgesellschaft? Wo ist die Rechtfertigung dafür, bei der GmbH Vergütungen an die Gesellschaftergeschäftsführer, die (nahezu) den gesamten Gewinn mindern, als unangemessen anzusehen, wenn bei einer GbR oder Partnerschaftsgesellschaft niemand auch nur ansatzweise auf solche Gedanken kommt? Prof. Dr. Michael Hoffmann-Becking Wirtschaftsrechtlich nicht, steuerrechtlich sehr wohl, weil Sie den Gewerbeertrag nicht kürzen können durch eine übermäßige Geschäftsführervergütung an den Geschäftsführergesellschafter der GmbH. Das ist doch das Problem, deshalb gehen wir doch alle nicht in die GmbH oder die AG. Ich meine übrigens, wenn schon Rechtsanwaltskapitalgesellschaft, dann bitte schön auch Rechtsanwalts-AG. Das ist was Feineres. Dr. Thomas Töben Wird eine Vergütung nur dadurch „unangemessen“, weil das Steuerrecht für eine andere Rechtsform andere Steuerregeln vorsieht, hier die Gewerbesteuer? Nein: Angemessene Zahlungen dürfen auch den Gewerbeertrag einer GmbH mindern. Alle Anwälte sind in ihrer jeweiligen Berufsgemeinschaft sicherlich der Auffassung, die Vergütungen, die sie beziehen, sind angemessen, jedenfalls nicht unangemessen hoch. Damit bleibt die Frage, was ist „angemessen“ und wer entscheidet, d. h. befindet darüber? Können und/oder müssen solche Entscheidungen bei unterschiedlichen Rechtsformen (z. B. AG, GmbH oder GbR) unterschiedlich ausfallen und/oder beurteilt werden? Mit anderen Worten: Was ist das Gut, das aus der Perspektive allein der Gesellschaft ohne Berücksichtigung auch der Belange und Interessen ihrer Gesellschafter einen besonderen Schutz verdient bzw. beansprucht? Dr. Matthias Bruse Das Thema Abzugsfähigkeit ist durchaus ernst zu nehmen. Denn es wird jedenfalls politisch im Augenblick ja auch diskutiert, für übermäßige Vergütungen steuerlich möglicherweise überhaupt keinen Abzug zuzulassen. Das ist aus meiner Sicht gar nicht handhabbar. Können wir aus dem steuerlichen Umfeld vielleicht noch einen Punkt vertiefen: Es bestehen für die Zahlung von Boni und dergleichen an Gesellschaftergeschäftsführer sehr rigorose steuerliche Vorschriften, was die Angemessenheit angeht. Die gehen ja deutlich über das hinaus, was man wahrscheinlich zivilrechtlich als unangemessen charakterisieren würde. Ist da auf der steuerlichen Seite ein bisschen Bewegung sichtbar oder gelten da doch die relativ starren Verwaltungserlasse, die da Relationen bilden zwischen Fixeinkommen und variabler Vergütung usw.? Dr. Thomas Töben Ich weiß nicht, was der aktuelle Stand der letzten BMF-Schreiben dazu ist. Aber es gibt jedenfalls BMF-Schreiben, in denen versucht wird, die Angemessenheit solcher Zahlungen zu fixieren: Sind etwa nur erfolgsabhängige Vergütungen möglich oder darf ein bestimmter Split zwischen fester und erfolgsabhängiger Vergütung nicht über- bzw. unterschritten werden usw.? Für bestimmte Branchen, auch unsere Beraterbranche, scheinen mir solche Grenzen und Regeln nicht angebracht. Das versuchte ich mit meinem Beispiel deutlich machen. In anderen Situationen kann ich mir solche Grenzen in120
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des vorstellen, nämlich dann, wenn eine Gesellschaft eine Zahlung nur auf Veranlassung der Gesellschafter leistet, der Empfänger dafür aber keine adäquate Gegenleistung erbracht hat. Es müssen also immer zumindest zwei Dinge zusammenkommen: die Veranlassung durch die Gesellschafter und die Unangemessenheit. Wenn man als Berater um Aussagen zur Angemessenheit von Zahlungen gebeten wird, fragt man i. d. R. erst einmal: „Was ist im Markt üblich?“ In der Regel handelt es sich ja um Situationen, in denen sich die Angemessenheitsfrage deshalb stellt, weil die Zahlung an einen maßgeblich beteiligten Gesellschafter oder einen Nahstehenden fließt. Man vergleicht dann mit „Drittgeschäften“. Stößt man dabei dann auf ein „Drittgeschäft“, bei dem u. U. schon gegen aktienrechtliche oder sonstige Vorschriften im Zivilrecht, ggf. sogar Strafrecht, verstoßen wird, dann wird man im Steuerrecht in diesem Fall vermutlich sagen: „Ja dann erst recht.“ Aber stimmt das wirklich? Mag die Latte bei Geschäften zwischen Nahestehenden im Steuerrecht in aller Regel auch tiefer hängen, und mag es oft auch richtig sein, die Angemessenheit von Zahlungen zwischen Nahestehenden an dem zu testen, was der Markt bei Dritten zulässt (was soll man sonst machen), mag es ebenso Fälle geben, bei denen es anders sein kann; bei denen ein Verstoß gegen zivil- oder gesellschaftsrechtliche Normen also eben keine verdeckte Gewinnausschüttung nach sich zieht. Mit andern Worten: Die umstrittene Zahlung bleibt steuerlicher Aufwand bei der Gesellschaft und (nur) steuerpflichtiges Arbeitseinkommen beim Manager. Prof. Dr. Ingo Saenger Wir hatten uns zuvor ja schon einmal darauf geeinigt, dass letztlich das Gesellschaftsrecht die Richtschnur ist. Dem muss das Strafrecht folgen: Was im Gesellschaftsrecht anständig ist, bleibt auch im Strafrecht anständig. Freilich hat das Steuerrecht nichts mit Anstand zu tun. Es gelten ganz andere Kriterien und es ist ja auch ein ganz anderer Schutzbereich betroffen. In dem Zusammenhang will ich noch einmal auf das zurückkommen, was Herr Pöllath bezüglich Private-Equity-Fonds eingeworfen hat: Ist es denn zwingend, dass die Gewährung einer bestimmten Leistung unanständig ist? Das ist doch auch unter dem Aspekt der Business Judgment Rule zu sehen. Wenn man als Geschäftsleiter sagt, diese Leistung ist nötig, um Frieden in den Laden hineinzubekommen und überhaupt die Grundlage für späteres Wirtschaften zu schaffen, kann man doch von Angemessenheit sprechen. Ein anderer würde an meiner Stelle vielleicht genauso verfahren. Es müssen doch lediglich Plausibilitätsgründe vorgebracht werden können. Dies hat ja auch Herr Thomas gesagt: Ich muss als Entscheidungsträger plausibel machen, warum ich etwas gemacht habe. Es geht darum, dass ich nicht aus einer Laune heraus Geld ausgebe, sondern damit bestimmte Gründe verfolge. Das mögen meine ethischen Vorstellungen sein, die andere vielleicht nicht teilen, möglicherweise bin ich auch der Einzige in Deutschland, aber ich habe sie eben. Und dann sollte dies auch angemessen sein. So könnte man das tatsächlich eingrenzen. Prof. Dr. Michael Hoffmann-Becking Ich möchte noch einmal die Frage aufwerfen, ob wir, wenn wir schon die angemessene Höhe der Vorstandsbezüge nicht justiziabel definieren können, jedenfalls Schutzmechanismen einbauen können, um das Unternehmen vor überhöhten Bezügen zu schützen. Der Kodex hat die individuelle Offenlegung der Vorstandsbezüge empfoh121
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len, und als die Befolgung des Kodex in diesem Punkt dem Gesetzgeber nicht ausreichend erschien, hat der Gesetzgeber selbst gehandelt und die individuelle Offenlegung erzwungen. Es ist noch zu früh, um den Effekt dieser gesetzlichen Regelung beurteilen zu können. Aber ich habe den Eindruck, der Gesetzgeber wird massiv gedrängt, noch mehr zu tun. Wenn er noch einmal tätig wird, wird das möglicherweise in Richtung der „englischen Lösung“ gehen: Die Hauptversammlung beschließt über den Vergütungsbericht, jedoch ohne bindende Wirkung für den Aufsichtsrat. Glücklich wäre ich über eine solche Lösung nicht, denn damit würde ein plebiszitäres Element in einen Entscheidungsbereich gelangen, den der Gesetzgeber in der Kompetenzordnung der AG aus guten Gründen dem Aufsichtsrat vorbehalten hat. Die Hauptversammlung ist nicht qualifiziert, die Vergütungsregelungen, die der Aufsichtsrat getroffen hat, sachkundig und verantwortungsvoll zu beurteilen. Aber das wird den Gesetzgeber möglicherweise nicht daran hindern, in diese Richtung tätig zu werden. Dr. Matthias Bruse Vielen Dank. Leiten wir jetzt vielleicht die letzte Fragerunde ein. Mich würde nochmal die Meinung des Podiums zu Folgendem interessieren: In Transaktionssituationen ist es ja durchaus üblich, dass auch transaktionsbezogene Boni und Ähnliches an Vorstände und Management gezahlt werden. Käufer sind eigentlich immer besorgt, dass das Gesellschaftsvermögen damit belastet wird, sprich, dass die Gesellschaft möglicherweise diese Boni zahlt. Das passiert immer wieder und spielt dann auch vielleicht in der Kaufpreisverhandlung eine Rolle. Aber es gibt ja auch Ausweichreaktionen, dahingehend, dass zum Beispiel solche Boni von dritter Seite gezahlt werden, zum Beispiel von dem Verkäufer, einem Großaktionär, der sein Paket verkaufen oder den Verkauf des Gesamtunternehmens initiieren möchte. Dieser Großaktionär wäre z. B. bereit, an den Vorstand eine substantielle Vergütung zu zahlen. Und da wäre vielleicht nochmal meine Frage ans Podium: a) Ist das aktienrechtlich verträglich? b) Haben wir dabei vielleicht auch noch ein steuerliches Thema? Aber erst die Frage: Ist es aktienrechtlich koscher, wenn der Großaktionär dem Vorstand einen Transaktionsbonus anlässlich des erfolgreichen Abschlusses, nämlich des Verkaufs dieser Gesellschaft, auszahlt? Prof. Dr. Michael Hoffmann-Becking Anlässlich, vorher zugesagt oder nachher gewährt? Dr. Matthias Bruse Vorher zugesagt. Prof. Dr. Michael Hoffmann-Becking Wenn der Großaktionär den Bonus zahlt, haben wir kein aktienrechtliches Problem. Auf den Mannesmann-Fall angewendet: Wenn Herr Esser das Angebot des chinesischen Aktionärs angenommen hätte, ihm die „Anerkennungsprämie“ zu zahlen, und nicht stattdessen zur Vermeidung einer schiefen Optik darauf bestanden hätte, nur eine Zahlung von der Gesellschaft anzunehmen, hätte er rechtlich kein Problem bekommen.
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Dr. Sven Thomas Es hätte eine zivilrechtliche Herausgabepflicht bestanden, weil in das Arbeitsverhältnis hinein gezahlt worden wäre, das wäre dann nach Auftragsregeln gelaufen, schlicht Herausgabepflicht. Aber in der Tat, keine Untreue, da differenziert der BGH. Prof. Dr. Michael Hoffmann-Becking Ich habe den Eindruck, die Incentivierung des Führungspersonals des zu verkaufenden Unternehmens ist vor allem eine Frage im Verhältnis zwischen Käufer und Verkäufer, nämlich der Offenlegung, weil ja der incentivierte Vorstand oder der incentivierte Geschäftsführer der zu verkaufenden Unternehmung durch diese Zusage geneigt sein kann, die Braut schöner zu reden als sie ist. Er soll sie gut präsentieren, aber es könnte ja sein, dass er dadurch „überincentiviert“ wird. Da ist meines Erachtens Transparenz das erste Mittel, d. h. solche Zusagen müssten dem Käufer offengelegt werden. Dr. Matthias Bruse Aber über die Offenlegung hinaus: Wenn wir zum Beispiel in einer Übernahmesituation sind, und da ist der Vorstand auf der einen Seite gefordert, eine Stellungnahme für die Gesellschaft abzugeben, dass das Übernahmevorhaben aus Sicht der Gesellschaft sinnvoll ist etc. – kann der Vorstand noch eine objektive Stellungnahme abgeben, wenn der Verkäufer alles tut, um den Vorstand zu motivieren, dass diese Transaktion zum Abschluss kommt? Beißt sich das vielleicht ein bisschen? Also insofern ist es vielleicht kein unmittelbar aktienrechtliches Thema, aber doch ein übernahmerechtliches Thema im weiteren Sinne. Prof. Dr. Reinhard Pöllath Und das ist nicht nur in einer Übernahmesituation so, also bei der Übernahme via Wertpapiere, sondern in jeder Transaktion ist es so. Erstens: Dass eine Offenlegungspflicht besteht, scheint mir sowieso klar zu sein. Üblicherweise wird ja auch in einer Vertragsklausel verlangt, dass Incentivierungen offengelegt werden. Aber selbst wenn das nicht verlangt wird, glaube ich, besteht eine spontane Offenlegungspflicht. Zweitens ist es ein Gesprächsthema, dass da so viel Geld weg ist. Das scheint mir das geringste Problem zu sein, weil in der Transaktion geht so viel Geld weg, da kommt es auf einen Bonus auch nicht mehr an. Das sollte keinen Menschen stören dabei. Das, was wirklich stören kann, ist ein Drittes, und das führt wieder zurück zu dem Ausgangspunkt des Ganzen: Der Sinn dieser Zahlungen, Sinn und Zweck solcher Anreize ist Einflussnahme, das Ziel ist Einflussnahme. Nun mag man sagen, die Einflussnahme gelingt ja sowieso nicht, und die Anreize sind Fehlleistungen. Aber man kann ja nicht systemisch annehmen, dass ganze Branchen darauf beruhen, dass sie dauernd Fehlentscheidungen machen, im Sinne von Incentive-Gewährungen, die nutzlos sind. Vielmehr wird es ja wahrscheinlich so sein, dass irgendein gewisser Anlass für die Annahme schon besteht, dass die Einflussnahme auch gelingt. Wenn ein Gesellschafter – nicht alle Gesellschafter, das wäre etwas anderes – aber wenn z. B. ein Mehrheitsgesellschafter dem Management etwas zahlt, das ist doch haarsträubend, oder? Der Vorstand ist angestellt, um im Unternehmen zu arbeiten. Er hat keine zweite Beschäftigung für den Gesellschafter, dessen Vermögensinteressen zu besorgen, unterstelle ich jetzt mal.
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Er kriegt die Vergütung für seine Tätigkeit in dem Unternehmen, und die kriegt er nun einmal vom Unternehmen und nicht vom Gesellschafter. Und zwar aus dem Grund, weil Vergütung auch Einflussnahme ist. Dieses Grundproblem zieht sich durch alles durch, auch durch die normale Managementvergütung, nicht nur transaktionsbezogen oder so. Das Ziel eines Anreizes ist Einflussnahme, und dieser Einfluss auf unternehmensbezogene Entscheidungen ist ein viel größerer Effekt als das bisschen Geld, was da weg geht. Wenn der Manager eine Million oder ein paar Millionen zu viel kriegt, gut das kann jeder nachrechnen, es steht auch in der Gewinn- und Verlustrechnung drin, jeder weiß das ja, alles in Ordnung, darüber regen sich aber alle auf. Das, was man nicht ausgewiesen sieht, was viel viel schlimmer ist, das ist, dass der Vorstand oder Geschäftsführer angereizt wurde, z. B. die Immobilie zu verkaufen und im Saleand-Lease-Back zu erhöhten Finanzierungskosten zurückzunehmen. Und das sind die eigentlichen Schäden, Verzerrungen, die im Unternehmen eintreten. Viel schlimmer, als das bisschen Geld, was weg ist. Dr. Sven Thomas Herr Pöllath, man muss jetzt natürlich differenzieren: Erstens, GmbH, mehrere Gesellschafter. Zweitens, Aktiengesellschaft. Drittens, wann kommt ein solches Angebot, eine Prämie entgegenzunehmen? Im Mannesmann-Fall war es so, dass es nach der erfolgten Übernahme war, als die Entscheidung getroffen war. Insofern wäre es völlig anders gewesen, wenn es vorher erfolgt wäre. Prof. Dr. Reinhard Pöllath Der Witz ist aber, im Nachhinein gewährt regt mich das weniger auf, weil der Bonus dann ja keinen Einfluss gehabt haben kann; er war kein „Anreiz“, denn der müsste im Voraus versprochen werden. Im blödesten Fall war der nur nachträgliche Bonus einfach eine unsinnige Aufwendung, aber beeinflusst hat er nichts. Dr. Sven Thomas Wenn es vorher erfolgt, möglicherweise auch noch durch die andere Partei, sind wir natürlich relativ rasch bei der Bestechung und Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr angelangt. Dr. Andreas Rodin Wir haben bisher über Incentives für das Management durch den oder die Gesellschafter gesprochen. Damit will der Gesellschafter Einfluss nehmen, wie wir gehört haben, und das wirft allerlei Fragen auf. Private-Equity-Fonds gehen strukturell einen anderen Weg, das Interessengeflecht zwischen Management und Finanzinvestor zu ordnen. Ausgangspunkt ist das Schlagwort des „alignment of interests“. Dahinter verbirgt sich wiederum die spezifische Sichtweise des Finanzinvestors als Gesellschafter, dass das Management doch bitte seine Interessen an denen des Finanzinvestors ausrichtet. Am perfektesten lässt sich dies erreichen, wenn auch der Manager – wie der Finanzinvestor – Gesellschafter ist und zusammen mit dem Finanzinvestor Kasse beim Exit macht. Die Einflussnahme verfolgt einen gemeinsamen Zweck, nämlich den EquityWert für beide Beteiligten zu steigern. Unter diesem Blickwinkel haben ManagementBeteiligungsmodelle einen sehr positiven Effekt, weil sie den Interessengleichklang 124
VI. Podiumsdiskussion
voraussetzen und vielleicht ein weniger großes Risiko von unternehmensrelevanten Schäden in sich bergen. Strukturell sind also die Private-Equity-Incentives immer in ein gesellschaftsrechtliches Konstrukt eingebettet, aber das Incentive als solches bezieht sich auf die unternehmerische Tätigkeit, deren Erfolg sich in einem hohen Erlös beim Equity-Exit niederschlägt. Hier wird jetzt deutlich, dass in der Private-Equity-Branche die bisher diskutierten Themen deutlich weniger relevant sind. Der Schwerpunkt liegt vielmehr auf den steuerlichen Fragen: Der Manager realisiert einen Gewinn bei der Veräußerung seiner Gesellschaftsanteile, und dieser Gewinn wird durch besondere Techniken „gehebelt“, je nach dem wie erfolgreich die unternehmerische Leistung des Managers während der gemeinsamen Gesellschafterphase war. Mit der steuerlichen Behandlung dieses gewissermaßen „ambivalenten“ Sachverhalts tut sich die Finanzverwaltung sehr schwer. Gerade in der letzten Zeit stehen Management-Beteiligungsmodelle auf dem steuerlichen Prüfstand, ob nicht die Konditionen der gesellschaftsrechtlichen Beteiligung doch „lohnsteuerpflichtige“ Teile enthalten. Die steuerlichen Fragen sind so komplex wie die Modelle. In jüngster Zeit kann man sich manchmal nicht des Eindrucks erwehren, dass hier seitens der einen oder anderen Betriebsprüfung nach dem Motto verfahren wird, dass nicht sein kann, was nicht sein darf, also auf Biegen und Brechen (in einzelnen Fällen bis zum Vorwurf der Steuerhinterziehung) Lohn anzunehmen und einen Equity-Veräußerungsgewinn abzulehnen. Dr. Thomas Töben Bei Managerstrukturen im Bereich Private-Equity-Fonds mag das anders sein als bei Vergütungen, die der Gesellschafter, der Verkäufer dem Geschäftsführer der verkauften Gesellschaft, so habe ich es verstanden, zusagt und die entweder von der Gesellschaft oder dem Gesellschafter gezahlt werden. Dann stellt sich die Frage, ob die Zahlungen als Kosten bei den Zahlenden abzugsfähig sind? Das ist manchmal nur suboptimal, weil der Zahlende vielleicht „nur“ steuerfreie Gewinne hat und deshalb ein Abzug ins Leere läuft. Auch hier ist die Frage: War die Zahlung vorher schon vereinbart oder wurde sie erst nachträglich ausgemacht? Hat sie ihre Ursache im Arbeitsverhältnis mit der Arbeitgebergesellschaft? Daran können sich weitere Fragen anschließen: Für wen wird eigentlich gezahlt? Zahlt der Gesellschafter für die Gesellschaft, mit der Folge, dass Lohnsteuerhaftungsfragen im Raum stehen usw.? Wer erklärt für wen welches Einkommen? In welcher Steuererklärung wird/muss die Zahlung berücksichtigt werden usw.? Es gibt nicht selten Sachverhalte, in denen mit besten und honorigen Absichten der Unternehmensveräußerer dem Geschäftsführer im Zusammenhang mit dem Unternehmensverkauf Sonder-Zahlungen zusagt – auch, aber nicht nur aus Dankbarkeit und Anerkennung für vom Geschäftsführer geleisteten Dienste und dessen Verdienste. Hier geht es dann eben immer auch um diese steuerlichen Fragen, die irgendwie gelöst werden müssen. Dr. Andreas Rodin Vielleicht darf ich kurz zu der steuerlichen Seite noch etwas nachtragen. Zum einen merkt man, dass in dem Private-Equity-Bereich ein gewisser steuerintellektueller Nachholbedarf besteht. Es ist eben etwas anderes, ob man als Gesellschafter einem Manager 125
2. Teil: Leistungs- oder erfolgsabhängige Vergütung und Vermögensbildung
für eine spezifische Leistung einen besonderen Bonus zahlt, oder ob man für einen Zeitraum von mehreren Jahren eine gesellschaftsrechtliche Beziehung eingeht, bei der der Manager den „tätigen“ Part übernimmt. Das ist nicht nur eine andere Struktur, es ist auch inhaltlich etwas anderes. Warum ist nun dieser „Paradigmenwechsel“ vom dienstleistenden Manager zum Gesellschafter-Manager steuerlich so brisant? Die Antwort ist ganz einfach: Dahinter verbirgt sich aus steuerlicher Sicht der Wechsel von der Tätigkeitsvergütung zum Kapitalgewinn. Die Unterschiede in der Besteuerung sind fulminant, nämlich volle Steuerpflicht für Tätigkeitsvergütungen und nur „halbe“ Steuerpflicht für Kapitalgewinne. Vor diesem Hintergrund mag die eine oder andere Überreaktion der Finanzverwaltung verständlich sein, wenn sie prüft, ob es bei dem Kapitalgewinn steuerlich wirklich mit rechten Dingen zuging, oder ob vielleicht doch in Wahrheit eine Tätigkeitsvergütung vorliegt. Hier wird es sicher noch sehr interessante steuerrechtliche Erörterungen geben. Dass Kapitalgewinne anders – nämlich günstiger – als Tätigkeitsvergütungen besteuert werden, ist eine globale Binsenweisheit. Da überrascht es nicht, dass auch im Ausland genau dieselben Fragen diskutiert werden wie bei uns in Deutschland. Eines fällt aber doch auf: Unternehmertum hat in Deutschland offenbar keinen besonderen Stellenwert. Unternehmerisches Risiko erfolgreich zu meistern ist vielleicht doch etwas anderes als bloße Dienstleistung. Jede Gesellschaft braucht Personen, die bereit (und befähigt) sind, solche Risiken zu übernehmen. Irgendwie muss man dem auch bei der Besteuerung Rechnung tragen. Hier ein ausgewogenes Ergebnis zu finden, fällt uns schwerer als dem einen oder anderen Nachbarland. Dr. Matthias Bruse Meine Damen und Herren, ich glaube wir haben das Ende dieser Runde erreicht. Wir haben versucht, Ihnen einen kleinen Überblick zu geben über gesellschaftsrechtliche, zivilrechtliche, strafrechtliche, steuerrechtliche Aspekte von verschiedenen Vergütungsformen, insbesondere auch von verschiedenen Boni. Das Thema ist aktuell, es wird aktuell bleiben. Ich glaube, wir sollten die Diskussion weiterverfolgen. Vielleicht haben wir hier oder da einen kleinen Beitrag dazu leisten können. Ich danke Ihnen ganz herzlich für Ihre Aufmerksamkeit und dafür, dass Sie so lange durchgehalten haben. Das Thema hat ja viel Reiz, aber auch viel technische Raffinesse. Ich möchte mich ganz herzlich hier am Podium bedanken für alle Beiträge und vor allem auch für die einführenden Referate zu diesem Thema und wünsche Ihnen und uns jetzt eine entspannte Fortsetzung unseres Programms.
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Abendempfang in der Max-Planck-Gesellschaft I. Ansprache Prof. Dr. Peter Gruss, Präsident der Max-Planck-Gesellschaft
Meine Damen und Herren! Ich möchte Sie zunächst ganz herzlich willkommen heißen hier im Max-Planck-Haus am Hofgarten. Ich freue mich, dass die Kanzlei Pöllath + Partners dieses Ambiente gewählt hat, um das Symposium heute zu einem entspannenden Abschluss zu bringen. Ich hoffe sehr, dass Sie sich alle wohl fühlen und freue mich, dass die Stimmung gut ist. Wir haben Sie besonders gern eingeladen, denn diese Feier ist ein weiteres Zeichen der großen Verbundenheit zwischen der Max-Planck-Gesellschaft und Herrn Pöllath. Es sollen also heute nicht die Leistungen von Herrn Pöllath als Anwalt oder als Vermögensverwalter im Vordergrund stehen, ebenso wenig als Aufsichtsratsmitglied oder -vorsitzender oder als Honorarprofessor an der Universität Münster. Ich glaube, das können andere besser vermitteln. Wir möchten Ihnen danken, Herr Pöllath, für eine ganz andere Tätigkeit. Denn vor etwa zweieinhalb Jahren sind Sie wie ein guter Stern in den Orbit der Max-Planck-Gesellschaft gelangt. Natürlich hatten wir uns bereits bemüht, die Strukturen aufzubauen, die nötig sind, um Mäzene, um private Stifter und Spender für die Arbeit der Max-Planck-Gesellschaft zu interessieren. Aber ohne Ihre Mitwirkung, ohne Ihre Hilfe, ohne Ihre Initialzündung wäre das nicht mit diesem Ergebnis möglich gewesen. Dieser Erfolg hat uns alle überwältigt. Sie sind dem Fundraising-Komitee beigetreten, Sie haben selbst großzügige Spenden beigesteuert und Sie haben eine glänzende Idee umgesetzt: nämlich außerhalb der Max-Planck-Gesellschaft eine Exzellenzstiftung zur Förderung der Max-Planck-Gesellschaft anzusiedeln. Sie sind eine Person, die das Vertrauen von Stiftern und Spendern genießt. Es ist, glaube ich, nicht übertrieben, wenn ich sage, Herr Pöllath, Sie sind der gute Stern der Max-Planck-Gesellschaft. Sie wissen, ich bin Biologe, und insofern passt für mich in Bezug auf die Sterne, was Woody Allen gesagt hat: „Mich erstaunen Menschen, die das Universum begreifen wollen, wo es doch schon schwierig genug ist, sich in Chinatown auszukennen.“ Mir selbst genügt in diesem Sinne unser Sonnensystem mit den acht Planeten. Aber, meine Damen und Herren, es gibt außer diesen Planeten auch Hunderttausende von „Miniplaneten“, sogenannten Asteroiden. Die sind in der Regel wenige Hundert Meter bis zu einigen Hundert Kilometern groß. Dieser Befund ist noch nicht sehr alt, er stammt aus dem 19. Jahrhundert: Inzwischen sind etwa 400 000 von diesen Miniplaneten bekannt, die sich im Orbit um unsere Sonne drehen. Zum Teil haben sie sehr schönen Namen, etwa Cleopatra, Minerva, Planckia. Viele haben aber auch nur eine profane Ordnungsnummer, zum Beispiel 7448AA. Wie viele von diesen Asteroiden nun in die Kategorie „guter Stern“ fallen, ist unklar. Einen aber, das kann ich Ihnen versichern, der fällt in diese Kategorie „guter Stern“. Denn dieser eine wurde vor 60 Jahren entdeckt, um genau zu sein, am 14. Januar 1948. Also einen Tag vor dem Geburtstag von Herrn Pöllath. Der Entdecker war Walter Bade, ein 127
Abendempfang in der Max-Planck-Gesellschaft
deutscher Astronom. Der Asteroid dreht sich mit einer Geschwindigkeit von 20 Kilometer pro Sekunde um die Sonne. Das sind also umgerechnet etwa 70 000 Kilometer pro Stunde, und das wiederum, meine Damen und Herren, erinnert an das Tempo, mit dem Herr Pöllath seine Geschäfte tätigt. Lieber Herr Pöllath, Sie ahnen es vielleicht, Nummer 7448AA ist Ihrer. Seit Dienstag letzter Woche heißt 7448AA offiziell „Pöllath“. Lieber Herr Pöllath, mit diesem nicht mehr nur im übertragenen Sinne guten Stern sind Sie nun offiziell der gute Stern der Max-Planck-Gesellschaft am Firmament. Damit übermittele ich Ihnen noch einmal nachträglich die besten Glückwünsche unserer Gesellschaft und natürlich auch die Glückwünsche zum Jubiläum Ihrer Kanzlei, mit meinem herzlichsten Dank für Ihr Engagement. Die zuständige Kommission hat erst vor zehn Tagen diese Entscheidung gefällt. Die Urkunde bekommen Sie nachgeliefert. Aber für Ihre Orientierung, Herr Pöllath, haben wir hier ein Buch über unser Sonnensystem. Und des Weiteren können wir Ihnen anbieten, sich an unseren Instituten, die wir im Bereich der Astronomie haben, über das Universum als Ganzes zu informieren. Herr Pöllath, noch einmal ganz herzlichen Dank für Ihre Aktivität. Meine Damen und Herren, Ihnen allen wünsche ich einen unterhaltsamen und gelösten Abend und sage noch einmal meinen allerherzlichsten Dank für Ihre Mitwirkung.
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II. Management von Höchstleistungen am Beispiel eines Forschungsinstituts Gespräch zwischen Prof. Dr. Theodor W. Hänsch, Max-Planck-Institut für Quantenoptik, und Prof. Dr. Reinhard Pöllath, P+P Berlin
Prof. Dr. Reinhard Pöllath Guten Abend! Schönen Dank. Vielen Dank! Die Ehrung fällt unter die aktienrechtlich problematischen nachträglichen Incentivierungen. Aber ich verstehe schon, die eigentliche Bedeutung liegt im In-die-Pflicht-nehmen für die Zukunft und deshalb ist das Unternehmensinteresse absolut gewahrt. Wir unterhalten uns ja dauernd über Geld, Managementanreize und dergleichen. Hier und heute aber würden wir uns gerne mal anschauen, wie Menschen ticken, die von Besessenheit getrieben sind, von Wissbegier – und wie sie ihren Betrieb führen. Ein Max-Planck-Institut ist ein Betrieb. Die ideale Auskunftsperson dazu steht hier, Herr Professor Hänsch, den Sie alle kennen als den Nobelpreisträger 2005 vom Max-Planck-Institut in Garching. Meine Bitte wäre, Herr Professor Hänsch, wenn Sie jetzt einfach mal anfangen würden und erzählen, was so ein Institut ist, welche Leute da drin sind und wie man die motiviert. Prof. Dr. Theodor W. Hänsch Lieber Herr Pöllath, herzlichen Dank für diese Gelegenheit, etwas aus unserem Leben zu erzählen. Ich bin ja gewissermaßen ein Exot in dieser Runde, also kein Jurist, sondern ein Physiker. Trotzdem, ich habe die Nachmittagssitzung des Symposiums sehr genossen. Ich fand insbesondere Ihren Vortrag hoch interessant und habe auch feststellen müssen, dass Juristen doch sehr viel schöner reden können als Physiker. Ich muss um Ihre Nachsicht bitten, wenn ich jetzt aus unserer Welt ein bisschen was erzähle. Unser Institut ist das Max-Planck-Institut für Quantenoptik in Garching, nördlich von München. Es ist eines von 80 Max-Planck-Instituten, die sich hier in Deutschland der Grundlagenforschung verschrieben haben. In unserem Institut geht es um das Licht, um Laserlicht, um Atome, um Quantenphysik. Getrieben sind wir von Besessenheit, wenn man so will, von Wissensdurst und natürlich interessiert auch mich die Frage: Wo kommt denn diese Motivation her? Um Ihnen noch etwas mehr zu veranschaulichen, was so ein Institut ist: An unserem Institut arbeiten im Augenblick ungefähr 330 Menschen, davon 41 Wissenschaftler, sieben Festangestellte, 34 haben Zeitverträge, dazu kommen etwa 100 Doktoranden. Wir haben eine enge Verflechtung zu den Münchner Universitäten: Es gibt insgesamt vier Abteilungen, drei experimentelle, eine theoretische, und zwei der experimentellen Direktoren sind im Hauptamt Professoren an einer der Münchner Universitäten, der Ludwig-Maximilians-Universität. Wie kommen die 330 Mitarbeiter zustande? Wir haben 67 nichtwissenschaftliche Mitarbeiter, viele Diplomanden, etwa 50 Gäste, und natürlich ist ein dauernder Fluss, also wir haben sehr viele Gäste, die kurze Zeit bei uns bleiben, Wochen, Monate, manchmal ein oder zwei Jahre. Die Doktoranden bleiben typischerweise etwa drei oder vier Jahre. Post-Docs, die sich habilitieren oder qualifizieren wollen, verbringen vielleicht fünf Jahre am Institut. 129
Abendempfang in der Max-Planck-Gesellschaft
Natürlich ist es in der Wissenschaft wichtig, an der Spitze zu sein. Das ist, wenn man so will, ein bisschen wie im Sport. Die Belohnungen gehen sehr nichtlinear mit dem Erfolg. Wer die Ergebnisse eine Woche vorher publiziert, der ist der Sieger, und wer eine Woche zu spät ist, der hat das Nachsehen. Das ist eine extrinsische Motivation, dass man sich einfach in einem internationalen Wettbewerb behaupten muss. Wir sind eine Abteilung von etwa 40 Mitarbeitern, die unmittelbar mit mir zusammenarbeiten, und etwa nochmal 40, die wie Asteroiden um uns herum kreisen. Dazu gehören ein so genannter W2-Professor an der Universität und im Augenblick drei unabhängige Nachwuchsgruppen, die ihre eigenen Gelder haben und eigene Mitarbeiter, die aber irgendwie zu unserem Umfeld gehören. Zur Frage, was treibt uns? Es ist sicher nicht das Geld. Die Besoldung der Wissenschaftler im öffentlichen Dienst ist sehr bescheiden. Ich habe mir sagen lassen, dass im Augenblick die Durchschnittsgehälter für Wissenschaftler in Indien in Euro umgerechnet höher liegen als bei uns. Es muss also etwas anderes sein, das uns antreibt. In der Max-Planck-Gesellschaft haben wir das Privileg, unserem Wissensdurst nachzugehen. Wir können uns Fragen verschreiben, die uns wirklich brennend bewegen. Wir können versuchen, Gleichgesinnte zu finden, die sich auch für diese Fragen begeistern können, wo man dann versuchen kann, im Team neues Wissen zu schaffen. Es gibt Menschen, die sind musikalisch, die können sich enorm freuen, wenn sie eine Beethoven-Symphonie hören, und es gibt andere, denen gibt das überhaupt nichts. Ähnlich ist es wohl in der Wissenschaft. Es gibt Leute, die können eine unbändige Freude verspüren, wenn sie etwas verstehen, was sie vorher nicht verstanden haben. Vielleicht zum ersten Mal: Ein Mensch versteht etwas, was allen bisher unklar war. Oder man erfindet etwas, das auf einmal möglich macht, was in der Vergangenheit unmöglich oder nur sehr schwer möglich war. Das ist sicher eine ganz starke Motivation. Warum hat die Evolution ein paar von uns mit dieser Besessenheit ausgestattet? Ich weiß es nicht. Aber ich habe mir überlegt, was ich machen würde, wenn ich ganz allein auf einer einsamen Insel wäre, keine Menschen, kein Geld. Ich würde wahrscheinlich eine Art Wissenschaft betreiben, ich würde versuchen, meine Umwelt zu verstehen, vielleicht auch Werkzeuge zu erfinden, die meine Überlebenschancen verbessern, die mir das Leben vielleicht einfacher machen. Es mag sein, dass Gesellschaften, die solche Menschen hatten, über die Jahrmillionen der menschlichen Evolution, bessere Überlebenschancen hatten als solche, wo es diese Anlagen nicht gab. Vielleicht kommt daher dieser biochemische Cocktail. Als wir uns vorbesprochen haben, haben Sie die Frage gestellt, wie man denn Mitarbeiter aussucht, die diese gleiche Besessenheit verspüren. Die Besessenheit allein reicht leider nicht. Man braucht natürlich auch das notwendige Talent, aber auch Energie, Durchhaltevermögen. Schulnoten bei Doktoranden spielen schon eine Rolle, denn jemand, der im Abitur lauter Einser hat, das ist zumindest jemand, der nach Vorgaben diszipliniert arbeiten kann und sich dieses erwartete Wissen aneignen kann. Aber das allein reicht nicht aus, um in der Physik erfolgreich zu sein. Bei uns sind eigentlich viele Talente notwendig, die man in der Schule nicht lernt. Sehr wichtig für mich ist ein Bauchgefühl. Ich kann das auch gar nicht genau beschreiben. Ich kann kein Rezept angeben, wie man die richtigen Mitarbeiter erkennt, aber es ist das Gefühl, dass man auf der gleichen Wellenlänge ist, wenn man ihnen seine Arbeiten beschreibt oder sie fragt, was sie selbst gemacht haben. Wenn jemand Hobbys hat, die zeigen, aha, er kann sich für so etwas begeistern, das ist ein wichtiges Kriterium. Wenn jemand vielleicht 130
II. Management von Höchstleistungen am Beispiel eines Forschungsinstituts
im Jugend-forscht-Wettbewerb gewonnen hat, das kann ein wichtiges Indiz sein. Aber wirklich bewusst habe ich mir eigentlich nie Gedanken gemacht, wie man Mitarbeiter aussucht. Trotzdem habe ich, glaube ich, ein ganz gutes Händchen gehabt, wenn ich zurückdenke. Über 30 meiner Mitarbeiter sind inzwischen Professoren an den verschiedensten Universitäten, führen ihre eigenen Labors, darunter ist auch ein Nobelpreisträger, Carl Wieman. Es gibt Professoren auch an den angesehenen Universitäten, die in den internationalen Rankings unter den ersten laufen, also an der Harvard Universität, am MIT, in Europa Cambridge England, der ETH Zürich. Also irgendetwas muss da schon stimmen. Ich glaube, ein Grund ist vielleicht, wenn man erst einmal das Glück gehabt hat, ein paar sehr exzellente Mitarbeiter zu haben, dass die andere exzellente anziehen. Die Besten fühlen sich da wohl. Auf die Art und Weise ist es am Ende fast wie ein Selbstläufer: Wenn ich eine Gruppe habe, in der ich ein solches Klima aufgebaut habe, dass jeder den anderen respektiert wegen seiner wissenschaftlichen Erfolge, wegen seines Einsatzes, dann motiviert das natürlich auch. Das ist eine extrinsische Motivation, die Gruppendynamik, die dann greift. Und natürlich sportliche Aspekte, internationaler Wettbewerb. Geld gibt es ab und zu mal in Form von Preisen, aber die Preise sind natürlich auch eine Motivation für die ganze Gruppe. Es ist so, wie wenn man mit der Fußballmannschaft einen Pokal nach Hause bringt: Das Team hat sich wieder einen Preis geangelt, das kann mit motivieren. Publikationen, die Resonanz, die Zitate in den wissenschaftlichen Zeitschriften, die Einladungen zu internationalen Konferenzen, all das motiviert. Und jetzt neuerdings für junge Leute die Möglichkeit, relativ schnell Verantwortung zu übernehmen, selbständig zu arbeiten, so wie man das in den USA beim Assistant Professor kennt. In der Vergangenheit war es bei uns in der Max-Planck-Gesellschaft natürlich anders. Wir hatten sehr hierarchische Strukturen. Das hat gut funktioniert, wenn man den richtigen Chef hatte, aber es konnte natürlich schon vorkommen, dass junge Leute sich nicht voll entfalten konnten. Da versucht man jetzt also zusätzliche Motivation zu schaffen. Das funktioniert in gewisser Weise schon, dass Leute jetzt zum Teil wirklich doppelt so viel arbeiten, wie wenn sie für einen Chef arbeiten müssen. Leider nehmen sie sich die alten Chefs zu sehr zum Vorbild und fangen zu früh an, sich in Gremien zu betätigen, mit administrativen Fragen, mit Geldbeschaffung, so dass die eigentliche Wissenschaft dann manchmal zu kurz kommt. Von daher ist das alte Modell mit dem Professor als Mentor, der seinen jungen Leuten den Rücken freihält und sie motiviert, den spannenden Fragen nachzugehen, vielleicht sogar noch erfolgreicher. Man wird es in einigen Jahren sehen. Jetzt habe ich sehr viel geredet und habe Ihnen gar keine Gelegenheit gegeben, Herr Pöllath, Fragen zu stellen. Prof. Dr. Reinhard Pöllath Sie sagen, Auslese machen Sie intuitiv, unbewusst. Sie können es auch nicht näher darstellen. Machen Sie sich Gedanken über Motivation, gibt es Regeln darüber? Gibt es Beurteilungsgespräche? Gibt es Zielvereinbarungen? Prof. Dr. Theodor W. Hänsch Für die nichtwissenschaftlichen Mitarbeiter, für die Techniker machen wir so etwas. Ein großer Teil der Forschung wird von Doktoranden getragen. Die haben das natürliche Ziel zu promovieren. Innerhalb von drei Jahren oder so müssen sie etwas Neues 131
Abendempfang in der Max-Planck-Gesellschaft
entdeckt haben, das von dem Kaliber ist, dass man dafür einen Doktorgrad zuerkennen kann. Das ist, glaube ich, Motivation genug. Tatsächlich sind viele der Doktoranden Tag und Nacht im Labor, auch am Wochenende, so dass man manchmal sagen muss, entspannt euch doch mal, die Gesundheit muss ja auch eine Rolle spielen. Prof. Dr. Reinhard Pöllath Bei einem Laser im Labor weiß man gar nicht, ob es Tag oder Nacht ist, das ist immer gleich. Spielen wirtschaftliche Gesichtspunkte überhaupt eine Rolle? Es ist festgelegt, ob jemand ein Stipendium kriegt, nehme ich einmal an? Welche Vergütung er bekommt, ist festgelegt? Prof. Dr. Theodor W. Hänsch Wir haben die Möglichkeit, zum Beispiel die Doktorandenvergütung schon ein bisschen zu steigern und das auch nach Erfolg. Aber wenn jemand nur wegen des Geldes motiviert ist, dann ist die Wissenschaft sowieso nicht der richtige Ort. Das spielt, glaube ich, eine untergeordnete Rolle. Natürlich gibt es Leute, die sagen, das ist ja gut und schön, hier Grundlagenforschung zu machen, aber ich will sehen, wofür es gut ist. Reine Erkenntnis reicht mir nicht, ich will sehen, wo das angewendet wird. Wir sind in der glücklichen Lage, dass die Werkzeuge, die wir erfinden müssen, um unsere Forschungsziele zu erreichen, unter Umständen auch anderswo wirklich praktische Anwendung finden können. Das ist dann eine Chance für junge Leute, vielleicht Firmen zu gründen und diesen Weg zu gehen. Tatsächlich haben wir vor sieben Jahren in Martinsried ein Spin-off-Unternehmen gegründet, das jedes Jahr 30 % gewachsen ist, wo inzwischen relativ viele unserer Absolventen tätig sind und das Frequenzkammgeneratoren, also Messinstrumente, mit denen man die Farbe von Licht extrem genau bestimmen kann, in alle Welt vertreibt. Das ist ein Weg. Mein Kollege Ferenc Krausz ist an ultrakurzen Lichtpulsen interessiert, Pulsen unvorstellbar kurz, aber mit sehr hoher Intensität. Er hat die Vision, dass man mit diesen Lasern vielleicht medizinische Anwendungen realisieren kann, Diagnostik von Tumoren in einem Frühstadium, aber vielleicht auch Behandlung von Tumoren mit schnellen Protonen, die mit Laserlicht beschleunigt werden, dass man nicht mehr Riesenanlagen braucht wie heute für diese Tumortherapie, sondern dass vielleicht jedes Krankenhaus sich so etwas leisten kann. Da gibt es Berührungspunkte zur wirklichen Welt. Als Forscher kann man nicht zu viele Besessenheiten gleichzeitig haben. Wenn ich besessen bin vom Erkenntnisdrang, dann sollen andere das dann in die Hand nehmen. Vielleicht fehlt es an der Stelle ein bisschen: Man braucht Hilfestellung, wie man Ideen aus dem Frühstadium, wie sie bei uns in der Grundlagenforschung eben da sind, wie man diese zarten Pflänzchen am Anfang düngt und behütet, so dass sich daraus dann etwas wirtschaftlich Interessantes ergeben kann. Prof. Dr. Reinhard Pöllath So ein Max-Planck-Institut muss doch eigentlich der ideale intellektuelle Steinbruch für die Industrie sein. Hoch motivierte Leute, brillant, schlecht bezahlt, überarbeitet – denen kann man Angebote machen. Wie wehren Sie sich dagegen?
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II. Management von Höchstleistungen am Beispiel eines Forschungsinstituts
Prof. Dr. Theodor W. Hänsch Das passiert. Nicht nur von der Industrie, sondern auch von Unternehmungsberatungsfirmen. Es ist mehrfach vorgekommen, dass Leute sagen, ich will jetzt gar nicht zu Ende promovieren, obwohl die Doktorarbeit in einem halben Jahr fertig sein könnte, sondern sie geben diesen Verlockungen nach. Dagegen kann man sich, glaube ich, nicht wehren. Ich kann ja nicht die Lebensplanung eines Mitarbeiters durchkreuzen. Ich kann versuchen zu argumentieren, habe das natürlich auch ausgiebig gemacht, aber manchmal doch ganz ohne Erfolg. Prof. Dr. Reinhard Pöllath Wie viel Fluktuation haben Sie in etwa? Unfreiwillige Fluktuation. Prof. Dr. Theodor W. Hänsch Fluktuation haben wir sowieso, weil die Doktoranden, wenn sie fertig sind, gehen müssen. Wir haben gar nicht die Stellen, die alle aufzunehmen. Es ist jedesmal schmerzlich, so als wenn in einer Familie ein Kind in die weite Ferne geht und nicht mehr da ist. Man gewöhnt sich ja doch auch aneinander während der Ausbildung der Mitarbeiter. Aber Fluktuation heißt auch, dass neue junge Leute nachkommen, die neue Begeisterungsfähigkeit mitbringen, die neue Fragen stellen. Insgesamt, glaube ich, hält es auch einen selber jung und hält die ganze Mannschaft hoch motiviert. Prof. Dr. Reinhard Pöllath Sie haben Preise angesprochen. Als Laie von außen denkt man sich, dass das eine Rolle spielt in der Motivation. Oder auch zitiert zu werden, und Preise nicht nur in Geld, aber gerne auch mit Geld versehen. Es gibt den immer wieder zitierten Fall von Herrn Einstein, der bei seiner Scheidung den Nobelpreis seiner Frau als Abfindung versprochen hat. Er hat ihn dann gottseidank zehn Jahre später auch bekommen und es ging alles gut aus. Welche Rolle spielen Preise oder Auszeichnungen? Prof. Dr. Theodor W. Hänsch Man freut sich natürlich darüber, insbesondere über den Nobelpreis. Aber man kann sich den Nobelpreis realistischerweise nicht zum Ziel nehmen, andere Preise vielleicht schon. Es war für mich nie ein wichtiger Beweggrund, auf Preise hinzuarbeiten. Im Gegenteil, ich bin früher ein paar Mal vorbeigeschrammt an diesem Nobelpreis. Ich habe mich damit getröstet, dass ich gesagt habe, so habe ich wenigstens weiterhin Zeit für die Forschung, danach wird das sehr viel schwerer. Und das war dann auch so. Prof. Dr. Reinhard Pöllath Wir haben hier ein Mikrofon und jemanden, dem man Fragen stellen kann. Fragesteller Herr Hänsch, ich habe einen Artikel von Ihnen gelesen, da haben Sie über Ihre Zeit in den USA berichtet. Und Sie sind zurückgekommen. Können Sie sagen, warum?
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Abendempfang in der Max-Planck-Gesellschaft
Prof. Dr. Theodor W. Hänsch Also ich war 16 Jahre lang in Kalifornien an der Stanford Universität, die ersten zwei Jahre als Post-Doc, dann hat man mir eine Stelle als Associate Professor dort angeboten und 1975 dann als Full Professor. Es war eine aufregende Zeit, das war sozusagen die Geburtsstunde der Mikroelektronik, der ersten Mikroprozessoren. Steve Jobs, der Gründer von Apple, war einer der Studenten oder Hörer in einer meiner Vorlesungen. Es war auch für unsere Wissenschaft eine sehr aufregende Zeit. Ich habe mich sehr wohl gefühlt, es ist ein Reizklima dort, eine ganze Menge Nobelpreisträger an der Stanford Universität, auch in der Physik. Man lernt, dass ein Einzelner mit der richtigen Idee die Welt aus den Angeln heben kann. Man sieht einfach so viele, die es geschafft haben. Entweder mit wissenschaftlichen Ideen, z. B. die Erfindung des Lasers, ich habe mit Herrn Arthur Schawlow zusammengearbeitet, der Miterfinder des Lasers ist. Aber auch wirtschaftliche Ideen: die Gründer von Intel und später Ebay, Google usw., die kommen alle aus diesem Umfeld. Ich hätte mich tatsächlich dort sehr wohl fühlen können. Aber wenn man besessen ist von Grundlagenforschung, dann, glaube ich, bietet die Max-Planck-Gesellschaft Vorteile gegenüber dem amerikanischen System. Das amerikanische System erwartet schnelle Erfolge. Ich kann mir dort nicht leicht ehrgeizige, langfristige Ziele stellen, Strecken, wo ich vielleicht erst nach zwei Jahren erkenne, ob ich auf dem richtigen oder auf dem falschen Weg bin. Das können wir hier in der Max-Planck-Gesellschaft. Das war ein wichtiger Beweggrund für mich, die Kombination Max-Planck-Gesellschaft – Universität München. Prof. Dr. Reinhard Pöllath Ein Kollege von Ihnen, den wir auch ganz gut kennen über die MPEF-Stiftung1, Prof. Axel Ulrich, ist nach Singapur gezogen und hat dann gesagt, in Deutschland ist es vielleicht doch ganz gut; er ist jetzt weniger in Singapur und mehr hier. Das ist ja ein dauerndes Hin und Her. Übrigens ist das auch ein Zwiespalt, in dem die MPEF-Stiftung steht, einerseits die Internationalisierung fördern zu wollen und zu sollen und dass die Leute rauskommen aus Deutschland, aber andererseits natürlich auch der mit leichtem Chauvi-Verdacht behaftete Ansatz, dass man die Leute auch wieder hier zurück haben will. Können Sie dazu nochmal etwas sagen, was die Einbindung in das Internationale angeht? Prof. Dr. Theodor W. Hänsch Die Naturwissenschaft insbesondere ist extrem international. Es geht um die Wissenschaft und nicht um die nationale Zugehörigkeit. Deswegen kann die Wissenschaft ja auch eine völkerverbindende Rolle spielen, unabhängig von Religion, politischen Überzeugungen. Selbst im Kalten Krieg konnte man sehr gut mit Wissenschaftlern und Kollegen in der Sowjetunion reden und zusammenarbeiten. Ich finde es im Prinzip sehr erfreulich, dass auch junge Leute heute die Möglichkeit haben, in anderen Ländern an dem Abenteuer Forschung mitzuwirken. Man sagt oft, dass wir dabei auf der Verliererseite stehen, weil viele der jungen Leute nicht mehr zurückkommen, brain drain. Man kann es auch anders sehen: Wenn wir Deutsche Professoren an den führenden amerika________________________ 1 Exzellenzstiftung zur Förderung der Max-Planck-Gesellschaft; www.exzellenzstiftung.de (Anm. d. Hrsg.).
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II. Management von Höchstleistungen am Beispiel eines Forschungsinstituts
nischen Hochschulen haben, dann helfen die, deutsche Kultur auch dort zu verbreiten. Das muss nicht unbedingt ein Nachteil sein. Es wäre aber schön, wenn wir im Gegenzug Harvard-Professoren hier nach Deutschland holen könnten. Prof. Dr. Reinhard Pöllath Das gelingt uns ja gelegentlich. Fragestellerin Würden Sie denn sagen, dass in Deutschland der Stellenwert der Wissenschaft in der Gesellschaft so ist, wie Sie ihn sich wünschen? Zusatzfrage: Haben Sie, wenn es denn vielleicht nicht so sein sollte, Wünsche an die Politik, um das gegebenenfalls zu verbessern? Prof. Dr. Theodor W. Hänsch Im Augenblick kann ich mich nicht beklagen. Nach dem Nobelpreis hören sogar Politiker und Journalisten zu. Ich weiß nicht, ob es so wichtig ist für den Wissenschaftler, der besessen ist von der Wissenschaft, von der Gesellschaft akzeptiert zu werden. Einstein hat seine wichtigsten Entdeckungen als kleiner Angestellter im Schweizer Patentamt gemacht. Die Gesellschaft nutzt das natürlich aus. Sie merkt, ach, die Wissenschaftler arbeiten ja von allein, die müssen wir nicht anerkennen, denen müssen wir auch nicht viel bezahlen, die machen das ja sowieso. Bisher hat das einigermaßen funktioniert, aber jetzt gibt es natürlich einen wachsenden weltweiten Wettbewerb um die besten Köpfe. Wie bei den Fußballspielern. Es gibt Institutionen in Singapur und wo auch immer, die einfach sagen, mit genügend viel Geld holen wir die besten Leute weg. Gut, das ist halt der Markt, da müssen wir irgendwie antworten. Wahrscheinlich werden wir es uns nicht leisten können, unsere besten Wissenschaftler auch weiter so zu vernachlässigen, weil sie sonst woanders hingehen. Fragesteller Wann und wie, Herr Professor Hänsch, haben Sie die Besessenheit, von der Sie wiederholt gesprochen haben, bei sich selbst entdeckt? Prof. Dr. Theodor W. Hänsch Wann habe ich die entdeckt? Eigentlich schon früh, ich würde sagen in der Schulzeit, vielleicht in den ersten Gymnasialjahren habe ich meine Liebe für die Naturwissenschaften entdeckt, für Mathematik, für Chemie, für Physik. Ich habe auch für dieses Hobby zu Hause all mein Taschengeld ausgegeben. Ich habe lange gespart, um mir den ersten Transistor zu kaufen und habe mit Geigerzählern und solchen Dingen experimentiert. Man muss wahrscheinlich mehr tun, um jungen Leuten in so einem frühen Stadium die Möglichkeit zu geben, ihre Talente zu entdecken und ihre Neigungen. Vielleicht kann da auch die Max-Planck-Gesellschaft mehr tun, um die Talente frühzeitig zu entdecken. Es ist wohl wie im Sport: Man muss den Tennisstar schon, na vielleicht nicht im Kindergarten, aber in der ersten Klasse entdecken.
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Abendempfang in der Max-Planck-Gesellschaft
Prof. Dr. Reinhard Pöllath Schönen Dank. Man wusste ja auch schon zuvor wahrscheinlich aus der Zeitung, dass es ganz tolle Menschen in Deutschland gibt, in der Wissenschaft, hoch motiviert usw. Es ist aber trotzdem beruhigend, wenn man dann sieht, dass es sie wirklich gibt. Deshalb vielen Dank, Herr Professor Hänsch, und alles Gute weiterhin, vor allem auch an Ihre jüngeren Kollegen. Danke.
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Stichwortverzeichnis Abfindung 15, 20, 42, 91, 133 Abfindungsanspruch 22 Abgeltungsteuer 30 Aktionärsschutz 114 Angemessenheitsgebot, § 87 AktG 85 Angemessenheitsgebot, § 87 AktG 92 arbeitsloses Einkommen 29 Arbeitsplätze 22, 25 ff., 35 Austauschvertrag 84 f., 87 Beschluss zur Erbschaftsteuer 25 f., 31 f., 35 Fortführungsdauer/Bindungsfristen 35 Besteuerung geistigen Eigentums 46 Betriebsfortführung Siehe Unternehmenserhalt Betriebsvermögen 6 f., 13, 17, 18, 22, 25 ff., 31, 36, 42, 104, 108 Anteil am Gesamtaufkommen der Erbschaftsteuer 27 Differenzierung von Privatvermögen 39 steuerliche Freistellung 25 f. Trennung von Bewertungs- und Verschonungsregeln 26 Verschonungsregelungen 25 ff. Bewertung von Unternehmen 6, 25 f., 32, 34 ff. Bonus Siehe Manager-Boni Buffett, Warren 3, 44, 45 Bundesverfassungsgericht 1, 30 ff., 44, 98 Business Judgment Rule 93, 98, 121 Chancengleichheit Prinzip der Chancengleichheit 9 ff., 41 Corporate-Governance-Kodex 92 ff., 112 ff., 121 Ehevertrag 16 f. Eigentumsrechte 4, 9, 37 Einkommensteuer 12, 30, 38 ff.
Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit 106 Einkünfte aus Gewerbebetrieb 105 ff. Einkünfte aus Kapitalvermögen 103 Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit 87 f. Einkünfte aus selbständiger Arbeit 102 f. Einkünfte aus Vermögensverwaltung 106 f. Erbengemeinschaft 13 Erbfolge gesetzliche Erbfolge 18 vorweggenommene Erbfolge 18 Erbrecht 4 ff., 14, 16, 21 ff., 37 f. Erbrechtsreform 21, 23 Erbschaft- und Schenkungsteuer 28, 145 Erbschaftsteuer Anteil am Gesamtsteueraufkommen 29, 33 Erbschaftsteuer als staatliches Miterbrecht 13 Erbschaftsteuer als Substanzsteuer Siehe Substanzsteuer Erbschaftsteuer vs. Vermögensteuer 30 Erbschaftsteuerbeschluss Siehe Beschluss zur Erbschaftsteuer Erbschaftsteuern im europäischen Ausland 41 Freibeträge 17, 40 Integration in die Einkommensteuer 11 f., 36 ff., 44 Nachforderungen 31 Niedrigbesteuerung 39, 42 Regelbesteuerung 31 Umgehung durch internationale Verlagerung 7, 41 Vergleich zw. altem und neuem Recht 33 Verschonungsregelungen für Betriebsvermögen Siehe Betriebsvermögen Erbschaftsteuerrecht 6, 14, 24 f., 36, 39, 41 f., 44, 141 Stundungsregelung 27 137
Stichwortverzeichnis
Erbschaftsteuerreform 1, 7 Erbverzicht 17 f. Erfolgsbeteiligung 56, 61, 76, 82 f., 86, 88 ff. Siehe auch Leistungsanreiz Ertragsbesteuerung Siehe Einkommensteuer Erwerbsmotivation 5, 11, 30 negative Motivationseffekte von Erbschaften 6, 37 Erwerbsstreben Siehe Erwerbsmotivation familiäre Solidarität 8 f., 11 Familienrecht 15, 18 Familienunternehmen 6 f., 15 f., 36, 38, 43, 55, 143 Freiheitsrechte 9 f., 32 gemeinnütziges Vermögen 24 Gemeinnützigkeit 23, 44 ff. gemeinschaftliche Einkunftserzielung 87 f. Gemeinwohlbindung 24 f., 44 Gemeinwohlinteresse 23 f., 27, 32, 44 Gesellschaftsrecht 18, 105, 109, 114, 121, 142, 144 Gesellschaftsvertrag 84 Gewerbekapitalsteuer 30 Gleichheitsrechte 25, 32 Großvermögen 11, 28, 38, 143 Grunderwerbsteuer 42 Grundlagenforschung 129, 132, 134 Güterrecht, eheliches 6, 13 f., 16 f., 42 Gütertrennung 14, 17 Incentive 44, 117, 123, 125 Incentivierung 59, 123 nachträgliche Incentivierung 129 Interessengegensatz 50 ff., 55 Interessengleichlauf 50 ff., 55 f., 58 f., 69, 79, 81 ff., 85 f., 89 f., 116 Kapitalgesellschaften 20, 23, 35, 88, 102, 108 Körperschaftsteuer 30, 41 Körperschaftsteuerreform 31 kulturelles Eigentumsverständnis 7 ff. 138
Leistungsanreiz 50 ff., 68, 75 ff., 82, 86, 89 immaterielle Leistungsanreize 50, 69 ff., 89, 129 Leistungsanreize für Investmentmanager 79 Risikoadjustierung 57 ff., 75 Leistungsfähigkeit 25 f., 57 Leistungsprinzip 4 f., 9, 12 Manager-Boni 57 ff., 78, 86, 88, 91 f., 117, 122 ff., 126 Ermessenstantieme 94 Fall Mannesmann 92, 95 ff., 112, 114 ff., 118, 122, 124 im Nachhinein gewährte Boni 124 im Voraus versprochene Boni 54 Jahrestantieme 93 rechtliche Bindung bei Vergütungsentscheidungen 92 Managervergütungen 1, 47, 50, 98 Angemessenheitskriterien 112 Angemessenheitsprüfung 85 f., 113 Anstandspflicht 98 steuerliche Abzugsfähigkeit 120 steuerlicher Abzug 47 Mannesmann-Entscheidung Siehe Manager-Boni/Fall Mannesmann Max-Planck-Gesellschaft 3, 39, 46, 61, 71, 127 f., 130 f., 134 f., 141 ff. Mitunternehmerschaft 87, 105 Motivation 5, 37, 130 ff. Siehe auch Leistungsanreiz extrinsische Motivation 130 f. intrinsische Motivation 69 f., 72 Nachlasssteuer 12, 40, 46 Nobelpreis 70, 99, 129, 131, 133 ff., 142 Noterbrecht 15 Personengesellschaften 19 f., 33 f., 101, 104 f., 107 ff., 111, 113 Pflichtteilsanspruch 13 ff., 43 Pflichtteilsberechtigter Unterbeteiligung mit Abfindungsmöglichkeit 23 Pflichtteilsergänzung 18 ff.
Stichwortverzeichnis
Pflichtteilsergänzungspflicht 22 Pflichtteilsrecht 6, 8, 14 f., 17, 19, 21 ff., 44 Abschaffung des Pflichtteilsrechts 43 f. Geldanspruch 22 Pflichtteilsverzicht 16 ff. isolierter Pflichtteilsverzicht 18 Private Equity 50, 55 f., 58 f., 67, 76, 80 ff., 101 ff., 106 f., 110, 116 f., 121, 124 f., 141, 143 Altfälle 103 Anteil am nominellen Grund- oder Stammkapital 109, 111 Besteuerung nach dem Halbeinkünfteverfahren 110 f. Einkünftequalifikation 103 ff., 107, 109 f. Einkünftetatbestand 102 Initiatoren 81, 101, 103, 106 f., 109 Investoren 52, 82, 89, 101 ff., 106, 117 kapital-disproportionaler Gewinnanteil 101 ff., 107, 110 f. Managementbeteiligung 56, 116 partielle Steuerbefreiung 102 Regelungslücken 102 Sondervergütung vs. Gewinnanteil 106 Zebra-Gesellschaft 106 zeitlicher Anwendungsbereich 102 Pro bono 1 f., 127 f. Quantenphysik 129, 142 Rawls, John 9, 98 Schenkung 8, 19 ff., 28, 35, 118, 143 Grundstücksschenkungen 18 konsensualer Schenkungsbegriff 21 lebzeitige Schenkung 20 Schenkung im Rahmen der Pflichtteilsergänzung 21 Schenkung unter Nießbrauchsvorbehalt 18 Widerruf wegen groben Undanks 98 Schenkungsteuer Siehe Erbschaft- und Schenkungsteuer
Selbstbetroffenheit 59, 83 soziale Gerechtigkeit 10, 37 soziale Ungleichheit 4, 9 Stiftung, gemeinnützige 3, 12, 21, 45, 46, 143 Strafrecht 98, 114 f., 121 Stuttgarter Verfahren 36 Substanzsteuer 6, 27, 30 f., 39, 42 Testierfreiheit 15, 38 total return 52, 55, 58, 75, 82, 89 Treuepflicht 84, 92, 112, 114, 118 Unternehmensbestand 6 f., 13, 15 f. Schutz des Bestandes 25, 31 Unternehmenserhalt 22, 26 ff. unternehmerisches Vermögen Siehe Betriebsvermögen Untreue 92, 97 f., 114, 116, 123 verdeckte Gewinnausschüttung 118 f., 121 Verfassung 31, 36, 44 Vergütung Aktienoptionen 53, 57, 59, 69, 94 Anreiz für künftige Leistung 50 f. Beurteilung im Nachhinein 54, 78, 86 Eigenmitteleinsatz 57 f., 75, 81 ff., 117 erfolgsbezogene Vergütung 68, 75 Festvergütung 74, 88 f. freiwillige Sonderzahlung 95 für Erfahrung 61, 66, 69 für Expertise 59, 61 f., 64, 66, 68 f., 101, 107 für Zeiteinsatz 61, 68, 74 Gegenleistung für erbrachte Leistung 50 f. Gewinn und Vergütung 52 Jahrestantieme 94 Leistung vs. Vergütung 59, 112 Leistungsmessung 76 Lineare Umsatzprovision 60 nachträgliche Vergütung (siehe auch Manager-Boni) 98 Progressive Staffel 61 restricted shares 94 Risikobeteiligung 81, 89, 117 139
Stichwortverzeichnis
Transaktionsvergütungen 79, 122 variable Vergütung 50, 53 f., 56, 71 f., 77 f., 93 zeitbezogene Vergütung 68, 74 Zusammenhang zw. Leistung u. Erfolg 54, 56, 77, 86 Vermögensakkumulation 22 Vermögensteuer 30, 36 f., 39 Vermögensvererbung unter Geschwistern 34 unverdientes Vermögen 9, 29, 38 Versorgungsausgleich 17 Versorgungszusage 91 Verteilungsgerechtigkeit 15 Vorstandsbezüge Siehe Managervergütungen
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Wertbeteiligung Siehe Leistungsanreiz Zivilrecht 45, 54, 86, 91 f., 105, 119 ff., 126 Zugewinnausgleich 14, 19 Zugewinngemeinschaft 13 ff. modifizierte Zugewinngemeinschaft 17 Zuwendung 27 an gemeinnützige Stiftung 23 an Stiftung unter Lebenden 21 ehebedingte Zuwendung 21, 38 gemeinnützigkeitsorientierte Zuwendungen 44 f. lebzeitige Zuwendungen 18, 22 unbenannte Zuwendung 21 unentgeltliche Zuwendungen 21
Autorenverzeichnis Prof. Dr. Jens Beckert Professor für Soziologie und Direktor am Max-Planck-Institut für Gesellschaftsforschung in Köln. Studium der Soziologie und der Betriebswirtschaftslehre an der Freien Universität Berlin und der New School for Social Research in New York. Von 1993 bis 1999 wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Soziologie der FU Berlin. Visiting Fellow an der Princeton University (1994–95) und dem Center for European Studies der Harvard University (2001–02). Fernand Braudel Fellow am Europäischen Hochschulinstitut Florenz (2007–08). Associate Professor für Soziologie an der International University Bremen (2002–2003) und Professor für Gesellschaftstheorie an der Universität Göttingen (2003–2005). Forschungsschwerpunkte: Wirtschafts- und Organisationssoziologie, Soziologie der Erbschaft, Soziologische Theorie. Prof. Dr. Dieter Birk Seit 1982 Direktor des Instituts für Steuerrecht an der Universität Münster; 1985–1997 Richter am Finanzgericht Münster im Nebenamt; seit 1998 Steuerberater bei P+P, Berlin. Dr. Matthias Bruse, LL. M. Rechtsanwalt und Gründungspartner bei P+P, München; zuvor seit 1984 Rechtsanwalt in München, Promotion 1985, LL.M. 1988 (University of Miami), ab 1990 Partner einer deutschen Großsozietät; Tätigkeitsschwerpunkte: rechtliche und steuerliche Beratung für Unternehmenskäufe, Beteiligungen, Joint Venture, Umstrukturierungen, Finanzierungen und Börsengänge, insbesondere im Bereich von Private-Equity-Investitionen. Prof. Dr. Georg Crezelius Inhaber des Lehrstuhls für Steuerrecht an der Universität Bamberg. Erstes juristisches Staatsexamen 1973, zweites juristisches Staatsexamen 1976. Promotion (Erbschaftsteuerrecht und Zivilrecht) und Habilitation (Steuerrechtliche Rechtsanwendung und allgemeine Rechtsordnung) in Bielefeld. Ab 1983 Universität Mainz (Bürgerliches Recht und Handelsrecht). Ab 1985 Universität Bamberg, Lehrstuhl für Steuerrecht. Mitglied der Unternehmenssteuerreformkommission der Bundesregierung (1990/91). Vorsitzender des Wissenschaftlichen Beirats des Deutschen Steuerberaterinstituts. Prof. Dr. Peter Gruss Seit 2002 Präsident der Max-Planck-Gesellschaft, am 28. Juni 2007 von deren Senat für eine weitere Amtsperiode von 2008 bis 2014 wiedergewählt. Zuvor Direktor am Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie in Göttingen, dort ab 1986 unter anderem Erforschung molekularer Kontrollmechanismen der Entwicklung. Auszeichnung seiner wissenschaftlichen Arbeiten u. a. mit dem Leibniz-Preis, dem Louis-Jeantet-Preis für Medizin und dem Deutschen Zukunftspreis des Bundespräsidenten. Forschungsaufenthalt an den amerikanischen National Institutes of Health (NIH). Von der Universität 141
Autorenverzeichnis
Heidelberg 1982 zum Professor ernannt. Seit 1990 Honorarprofessor der Universität Göttingen. Prof. Dr. Theodor W. Hänsch Direktor am Max-Planck-Institut für Quantenoptik und Professor an der Ludwig-Maximilians-Universität München seit 1986. 1969 Promotion an der Universität Heidelberg. 1970 bis 1986 Forschung und Lehre an der Stanford Universität, Kalifornien. Mehr als 400 Publikationen zur Laserphysik, Quantenphysik und zur Wechselwirkung von Licht und Materie. Mitglied vieler Akademien und Träger zahlreicher Preise und Auszeichnungen. Nobelpreis für Physik im Jahr 2005 gemeinsam mit John Hall und Roy Glauber. Dank der Exzellenz-Stiftung zur Förderung der Max-Planck-Gesellschaft und der Carl Friedrich von Siemens-Stiftung kann Prof. Hänsch seine Forschungsarbeit auch nach seiner formalen Pensionierung fortsetzen. Prof. Dr. Michael Hoffmann-Becking Studium der Rechtswissenschaften in Freiburg, München und Münster. Referendarexamen beim OLG Hamm 1966, Assessorexamen in Nordrhein-Westfalen 1970. Promotion zum Dr. jur. in Münster 1968. Wissenschaftliche Hilfskraft bei Prof. Dr. Hans J. Wolff in Münster von 1966 bis 1968, wissenschaftlicher Assistent bei Prof. Dr. Hans-Uwe Erichsen in Bochum 1970/71. Rechtsanwalt in der Sozietät Hengeler Mueller in Düsseldorf seit 1971, Partner seit 1975. Schwerpunkte der anwaltlichen Tätigkeit im Gesellschaftsrecht, insbesondere im Aktien- und Konzernrecht, und in der Beratung von börsennotierten Unternehmen und Familiengesellschaften. Mitwirkung an Stellungnahmen des Handelsrechtsausschusses zu zahlreichen Gesetzesvorhaben insbesondere auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts. Honorarprofessor an der Universität Bonn seit 2002. Mitherausgeber der Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht (ZHR) seit 1981 und Mitherausgeber der Neuen Zeitschrift für Gesellschaftsrecht (NZG) seit 1998. Mitglied zahlreicher Aufsichtsräte und Beiräte. Auszeichnung mit dem Bundesverdienstkreuz 1. Klasse in 2001 und dem Chambers Award for Lifetime Achievement in 2003. Richter des Bundesverfassungsgerichts Prof. Dr. h.c. Rudolf Mellinghoff Studium in Münster, Referendarzeit in Baden-Württemberg, 1984–1987 wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Heidelberg. 1987 Richter in Nordrhein-Westfalen (Finanzgericht Düsseldorf). 1987–1991 wissenschaftlicher Mitarbeiter am Bundesverfassungsgericht. 1989 Ernennung zum Richter am Finanzgericht. Juli 1991 – Juni 1992 Referatsleiter im Justizministerium Mecklenburg-Vorpommern. Juli 1992 Richter am Finanzgericht Mecklenburg-Vorpommern. 1996 Ernennung zum Vorsitzenden Richter; daneben 1992–1996 im zweiten Hauptamt Richter am Oberverwaltungsgericht. 1995– 1996 Mitglied des Landesverfassungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern. 1997–2001 Richter am Bundesfinanzhof. Seit Januar 2001 Richter des Bundesverfassungsgerichts (II. Senat). 2006 Verleihung der Ehrendoktorwürde der Universität Greifswald. 2007 Honorarprofessor an der Eberhard Karls Universität Tübingen.
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Prof. Dr. Detlev Piltz Rechtsanwalt/Fachanwalt für Steuerrecht. Partner der Partnerschaft Flick Gocke Schaumburg, Rechtsanwälte Wirtschaftsprüfer Steuerberater. Schwerpunkte: Internationales Steuerrecht, Familienunternehmen, Vermögensnachfolge, Unternehmenssteuerrecht, juristische Unternehmensbewertung. Honorarprofessor der Universität Mannheim. Präsident der Deutschen Vereinigung für Internationales Steuerrecht. Vorsitzender des Fachinstituts der Steuerberater. Mitherausgeber der Zeitschriften Internationales Steuerrecht und Zeitschrift für Erbrecht und Vermögensnachfolge. Autor und Herausgeber zahlreicher Bücher zu den o. a. Themen, zuletzt „Der Internationale Erbfall“ (zusammen mit H. Flick), 2. Aufl. 2008. Zahlreiche Aufsätze und Vorträge. Prof. Dr. Reinhard Pöllath, LL. M. 1969–1974 Studium in Regensburg, München und Harvard (Studienstiftung des Deutschen Volkes, Max-Planck-Institut München); seit 1977 Rechtsanwalt in München, Frankfurt a. M. und Berlin; 1980–1997 Partner in deutscher und internationaler Sozietät; 1993–1997 Geschäftsführer eines Immobilien- und Hotelunternehmens; 2002/ 2003 Vorstandsvorsitzender eines Konsumgüter- und Handelsunternehmens; Vorsitzender und Mitglied in Aufsichtsräten; Berater insbesondere für Familienunternehmen und Großvermögen, bei Unternehmenskauf und -nachfolge, Stiftungen und Trusts; zahlreiche Veröffentlichungen und Lehraufträge; Dissertation und Honorarprofessur an der Universität Münster; gemeinnützige Stiftungen (Venture Capital/Private Equity; Kleinstdarlehen; Förderung kultureller Beziehungen zu Osteuropa und Ostasien, insb. der chinesischen Sprache; Förderung der Max-Planck-Gesellschaft; www.pplaw.com/ en/practice_areas/pro_bono.php). Dr. Andreas Richter, LL. M. Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht und Partner bei P+P, Berlin; Ausbildung zum Bankkaufmann bei der Deutschen Bank; Studium der Rechtswissenschaften, u. a. am Trinity College in Cambridge (B. A. Hons, M. A.) und an der Yale Law School (LL. M.); Stipendium der Studienstiftung des Deutschen Volkes; Dissertation zum deutschen und US-amerikanischen Stiftungs- und Trustrecht bei Prof. Reinhard Zimmermann (Max-Planck-Institut, Hamburg); 1996–1997 Tätigkeit in der Transaktionspraxis Cleary, Gottlieb, Steen & Hamilton in New York; verschiedene Lehraufträge; Tätigkeitsschwerpunkte: rechtliche und steuerliche Beratung von privaten Großvermögen und Stiftungen (Familiengesellschaften, Unternehmensnachfolge, Schenkungen, Wegzug, Vermögensanlage, Aufbau von Family Offices, Gemeinnützigkeit). Dr. Andreas Rodin Studium der Rechtswissenschaften in München; Promotion im Einkommensteuerrecht; Rechtsanwalt seit 1986; Partner in einer deutschen und einer großen internationalen Sozietät; Gründungspartner bei P+P, Frankfurt; Tätigkeitsschwerpunkte: Strukturierung von Fonds, Private Equity, deutsches und internationales Steuerrecht sowie privates Großvermögen; zahlreiche Veröffentlichungen zu Themen aus den Arbeitsgebieten sowie Referententätigkeit auf Seminaren.
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Prof. Dr. Ingo Saenger Seit 1997 Direktor des Instituts für Internationales Wirtschaftsrecht an der Universität Münster, Inhaber des Lehrstuhls für Bürgerliches Recht, Zivilprozessrecht und Gesellschaftsrecht; 1999–2006 Richter am OLG Hamm im Nebenamt; seit 2002 Leiter der Forschungsstelle Anwaltsrecht der Universität Münster; seit 2002 Akademischer Leiter des LL. M./EMBA-Studiengangs Mergers & Acquisitions an der Universität Münster; seit 2007 Of Counsel bei P+P, Frankfurt. Prof. Dr. Wolfgang Schön Direktor am Max-Planck-Institut für Geistiges Eigentum, Wettbewerbs- und Steuerrecht, München; Honorarprofessor an der Ludwig-Maximilians-Universität München; Vorsitzender des Wissenschaftlichen Beirats der Deutschen Steuerjuristischen Gesellschaft; Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats des Bundesministeriums der Finanzen (2003–2006); Mitglied der Ständigen Deputation der Deutschen Steuerjuristischen Gesellschaft; Mitglied des Permanent Scientific Committee der International Fiscal Association; Mitglied des Board of Trustees des International Bureau of Fiscal Documentation. Mitglied der Global Faculty der New York University und Research Fellow des Centre for Business Taxation der Universität Oxford. Herausgeber der Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht und Wirtschaftsrecht. Dr. Sven Thomas Studium an den Universitäten Münster und Bochum. Von 1976 bis 1978 Wissenschaftlicher Assistent am Lehrstuhl für Straf- und Strafprozessrecht der Universität Bochum. Promotion 1984 mit einer strafrechtlichen Arbeit. Zugelassen als Rechtsanwalt seit 1978. Zahlreiche Veröffentlichungen zum Straf- und Strafprozessrecht, u. a. zu Themen des Steuerstrafrechts und des europäischen Strafrechts. Von 1984 bis 1995 Mitglied diverser Gremien im Deutschen Anwaltverein. Mitglied des Vorstands des DAV von 1991 bis 1997, Vizepräsident von 1994 bis 1997. Vorträge u. a. auf mehreren Deutschen Anwaltstagen, bei Symposien und Foren des Strafrechtsausschusses, auf dem Deutschen Lebensmittelrechtstag 1994 und dem Deutschen Richtertag 1995. Von 1992 bis 1997 Dozent im Rahmen der Ausbildung zum Fachanwalt für Strafrecht bei den Fachlehrgängen der Arbeitsgemeinschaft Strafrecht im DAV. Seit 2007 Richter am Anwaltsgerichtshof (AGH) des Landes Nordrhein-Westfalen. Dr. Thomas Töben Studium an den Universitäten Marburg und Hamburg; Promotion; seit 1987 Steuerberater in München, jetzt Berlin; Partner bei P+P, Berlin; intensive Praxistätigkeit in den Bereichen nationale und internationale Steuerplanung, Unternehmensübernahmen und -umstrukturierungen; zahlreiche Publikationen in diesen Themengebieten; Mitautor des Münchener Handbuchs des Gesellschaftsrechts, Band 2, Kommanditgesellschaft, Stille Gesellschaft; Lehrbeauftragter an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster. Vizepräsident des BFH Hermann-Ulrich Viskorf Studium der Rechtswissenschaften in Münster und Tübingen; 1977 bis 1980 Rechtsanwalt in Münster und OLG-Anwalt in Hamm; 1980 bis 1991 Richter am Finanzgericht 144
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Münster; 1987 bis 1989 wissenschaftlicher Mitarbeiter am BFH; seit 1991 Richter am BFH und Mitglied des für die Erbschaft- und Schenkungsteuer, Grunderwerbsteuer und Bewertung zuständigen II. Senats; seit 2007 Senatsvorsitzender und ab 2008 Vizepräsident des BFH; zahlreiche Vorträge und Veröffentlichungen; Mitautor im „Boruttau“, GrEStG und im Viskorf/Glier/Hübner/Knobel/Schuck, ErbStG/BewG; Mitherausgeber der ZEV und geschäftsführender Herausgeber der BFH/NV.
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