PP-Extraktionen: Eine Untersuchung zum Verhältnis von Grammatik und Pragmatik 9783484305076, 348430507X, 9783110921229

This study pursues two objectives, a) to describe the distribution of the extraction of prepositional attributes, and b)

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German Pages 206 [208] Year 2006

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Table of contents :
Vorwort
Inhalt
0. Einleitung
1. Das Phänomen: Beschreibung
2. Die Struktur der Nominalphrase
3. Erklärungsansätze
4. Lexikalische und semantische Faktoren
5. Pragmatische Faktoren
6. PP-Extraktion: Eine einheitliche Analyse
7. Zusammenfassung
8. Literatur
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PP-Extraktionen: Eine Untersuchung zum Verhältnis von Grammatik und Pragmatik
 9783484305076, 348430507X, 9783110921229

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Linguistische Arbeiten

507

Herausgegeben von Peter Blumenthal, Klaus von Heusinger, Gereon Mller, Ingo Plag, Beatrice Primus, und Richard Wiese

Schmellentin, Claudia

PP-Extraktionen Eine Untersuchung zum Verh)ltnis von Grammatik und Pragmatik

Max Niemeyer Verlag Tbingen 2006

n

Die vorliegende Arbeit wurde von der Philosophischen Fakultt der Universitt Zrich im Wintersemester 2004/05 auf Antrag von Prof. Dr. Peter Gallmann und Prof. Dr. Horst Sitta als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet ber http://www.d-nb.de abrufbar. ISBN 13: 978-3-484-30507-6

ISBN 10: 3-484-30507-X

ISSN 0344-6727

6 Max Niemeyer Verlag, Tbingen 2006 Ein Unternehmen der Walter de Gruyter GmbH & Co. KG http://www.niemeyer.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschtzt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulssig und strafbar. Das gilt insbesondere fr Vervielfltigungen, Cbersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Printed in Germany. Gedruckt auf alterungsbestndigem Papier. Druck und EInband: Laupp & Gçbel GmbH, Nehren

Vorwort

Das vorliegende Buch ist die überarbeitete Fassung meiner Dissertation, die im November 2004 von der Philosophischen Fakultät der Universität Zürich angenommen wurde. Zum guten Abschluss der Arbeit haben viele fachlich wie auch persönlich beigetragen: ihnen allen gebührt mein herzlichster Dank. Namentlich erwähnen möchte ich zuerst meinen Doktorvater Prof. Dr. Peter Gallmann: Er hat mich zu dieser Arbeit angeregt, mich in jeder Hinsicht unterstützt und immer wieder wertvolle Denkanstösse gegeben. Danken möchte ich auch meinem zweiten Doktorvater und Förderer, Prof. Dr. Horst Sitta. Mit seiner Persönlichkeit hat er mir an seinem Lehrstuhl ein äusserst anregendes Umfeld geboten. Prof. Dr. Gereon Müller verdanke ich wichtige Impulse für die Überarbeitung der Dissertation. Sein Gutachten zeugt von einer ausserordentlich sorgfältigen und kritischen Auseinandersetzung mit meiner Arbeit und lieferte mir sehr wertvolle Hinweise zu deren Optimierung. Esther Wiesner danke ich für die spontane Bereitschaft, meine Arbeit Korrektur zu lesen, und für ihre, trotz der knappen zur Verfügung stehenden Zeit, äusserst präzise Arbeit. Ganz besonderen Dank schulde ich Prof. Dr. Thomas Lindauer: Er hat mich zur Linguistik und insbesondere zur Generativen Grammatik verführt. Durch sein anhaltendes Interesse an der Nominalgruppe hatte ich in ihm immer einen Partner für fachliche (aber auch persönliche) Gespräche. Auch hat er die unvergesslichen Grammatik-StammtischAbende im «Schwänli» iniziiert, die meinen linguistischen Werdegang stark mitgeprägt haben. Neben Thomas Lindauer und Peter Gallmann gehörten auch Afra Sturm, Guido Seiler, Martin Salzmann, Kathrin Würth, Jürg Fleischer und Eric Graf zum engeren Kreis des Stamms. Widmen möchte ich diese Arbeit zum einen meinen Eltern, die meinen Lebensweg immer mit ihrer ganzen Kraft unterstützt haben, und zum anderen Helmut, der mir in der intensiven Zeit geduldig und verständnisvoll den Rücken frei gehalten hat.

Inhalt

0 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 1 Das Phänomen: Beschreibung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 1.1 Strukturelle Faktoren. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 1.1.1 Funktion der Extraktionsbasis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 1.1.2 Weitere grammatisch-strukturelle Effekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 1.1.3 Funktion der PP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 1.1.4 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 1.2 Lexikalisch-semantische Faktoren. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 1.3 Kontextsensitivität der Extraktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 1.4 Bewegungsarten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 1.4.1 Wh-Bewegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 1.4.2 Scrambling . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 1.4.3 Extraposition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 2 Die Struktur der Nominalphrase . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1 Gallmanns DP-Theorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2 Argumentstruktur von Nomen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.1 Argumentstruktur von Nominalisierungsverbgefügen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.2 Extraktion aus DPs mit nicht-deverbalen Nomen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.3 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

35 35 42 43 48 58

3 Erklärungsansätze. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 3.1 Bewegungstheoretische Erklärung der syntaktischen Faktoren . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 3.1.1 Barrierentheorie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 3.1.2 Dativobjekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 3.1.2.1 Exkurs: Basisposition von IOs. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 3.1.2.2 Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 3.1.3 Subjekte. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 3.1.4 Freezing-Effekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 3.1.5 Spezifizitätseffekt und Specified Subject Condition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 3.1.5.1 Der Spezifizitätseffekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 3.1.5.2 Specified Subject Condition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 3.1.5.3 Zusammenfassung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 3.1.6 LBC-Effekte. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 3.1.7 Vorfeldstellung der unvollständigen DP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 3.1.8 Probleme des bewegungstheoretischen Ansatzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 3.2 Der Reanalyseansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 3.2.1 De Kuthy (2002) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 3.2.2 Kritik am Reanalyseansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 3.3 Basisgenerierungsansatz von Fanselow (2003) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 3.3.1 Kurze Darstellung der wichtigsten Annahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107

VIII

3.3.2 Kritik am Basisgenerierungsansatz. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 3.4 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 4 Lexikalische und semantische Faktoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 4.1 Lexikalisch-semantische Inkorporationsbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 4.2 Weitere semantische Einflüsse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 5 Pragmatische Faktoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.1 Einfluss der Informationsstruktur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.1.1 Informationsstrukturelle Gliederung des Satzes (MOLNÁR 1993) . . . . . . . . 5.1.2 Informationsstruktur und Intonation. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.1.3 Einfluss der Informationsstruktur auf die Extraktion. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.1.4 Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2 Die Interaktion von Informationsstruktur und Grammatik in der Literatur . . . . . . 5.2.1 Pragmatische Merkmale als Bewegungstrigger. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2.2 Zusammenwirken von FHG und Wortstellung in optimalitätstheoretischen Ansätzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2.2.1 Grundannahmen der Optimalitätstheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2.2.2 Fokus, Prosodie und Wortstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2.2.3 Markiertheit vs. Grammatikalität (MÜLLER 1999b) . . . . . . . . . . . . . . 5.3 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

126 127 128 129 136 144 145 145

6 PP-Extraktion: Eine einheitliche Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.1 Grammatikalität, Markiertheit, Angemessenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.2 Optimalitätstheoretische Analyse der PP-Extraktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.2.1 Satzstrukturelle Beschränkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.2.2 Kontextbezogene Beschränkungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

161 161 171 171 175

149 149 151 156 159

5 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 8 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187

0 Einleitung

Die vorliegende Arbeit verfolgt zwei Ziele: Einerseits soll das Phänomen der PP-Extraktion durch eine einheitliche Analyse innerhalb der Theorie der Generativen Grammatik erklärt werden, andererseits soll die Arbeit zum besseren Verständnis der Interaktion grammatischer und pragmatischer Prinzipien im Allgemeinen beitragen. Den Untersuchungsgegenstand bilden Konstruktionen wie die folgenden: 1)

a) b) c) d)

Rudi hat DP[viele Artikel PP[über die Klimaveränderung]] gelesen. PP[Über die Klimaveränderung]i hat Rudi DP[viele Artikel ti] gelesen. Rudi hat PP[über die Klimaveränderung]i DP[viele Artikel ti] gelesen. PP[Worüber]i hat Rudi DP[viele Artikel ti] gelesen?

Präpositionalattribute modifizieren ein Nomen oder werden von diesem thetaregiert. Sie stehen im Normalfall wie in 1a) an postnominaler Position und sind in die Nominalphrase eingebettet. Nun können Präpositionalattribute aber, wie die Beispiele 1b) und 1c) illustrieren, in einer gewissen syntaktischen Distanz zu ihrem Nomen, also ausserhalb der Nominalphrase stehen. Sie können topikalisiert, das heisst, ins Vorfeld bewegt werden (vgl. 1b)), sie können zudem scrambeln, das heisst, sich an eine Mittelfeldposition oberhalb des Nomens bewegen (vgl. 1c)). Daneben ist auch wh-Bewegung möglich, wie 1d) zeigt. In bewegungstheoretischen Arbeiten wird für das in 1) dargestellte Phänomen der Terminus Extraktion verwendet: Bewegungstheoretische Ansätze gehen von der Annahme aus, dass das Attribut aus der Nominalphrase ›herausbewegt‹ (extrahiert) wird. Die Distanzstellung von Nomen und Attribut ist jedoch nicht generell möglich, sondern unterliegt bestimmten Beschränkungen, die im Laufe dieser Arbeit untersucht und erklärt werden: 2)

a) *PP[Mit rotem Einband] i hat Anna DP[ein Buch ti] geschenkt bekommen. b) *PP[Von Glauser]i ist noch nie DP[einem Krimi ti] ein Preis verliehen worden. c) *PP[Über die Royals]i ärgert DP[der ewige Klatsch ti] die Queen masslos.

Bereits frühere Arbeiten zum Thema haben gezeigt, dass verschiedenartige Faktoren einen Einfluss auf die Extraktionsmöglichkeit haben, diese sind sowohl grammatischer als auch pragmatischer Art. Dabei handelt es sich um Restriktionen, die teilweise unterschiedlichen sprachlichen Komponenten zugerechnet werden, was ein Problem für eine einheitliche Analyse des Phänomens darstellt: Generative Theorien gehen von der Annahme aus, dass die Sprachkompetenz modular aufgebaut ist und dass die Grammatikkomponente mit ihren Teilbereichen Phonetik, Morphologie, Syntax und Semantik ein autonomes Modul innerhalb der Sprachkompetenz bildet. Eine Interdependenz der Grammatik- und Pragmatikkomponente ist zwar unbestritten, denn pragmatische Funktionen werden mithilfe von grammatischen Strukturen realisiert und grammatische Strukturen letztlich als pragmatische Einheiten aktualisiert. Allerdings wird ein direkter Einfluss von pragmatischen Prinzipien auf die Grammatik ausgeschlossen, denn Letztere ist ›blind‹ für satzübergreifende Faktoren.

2

Bisher wurde dieses Problem meist dadurch ›gelöst‹, dass je nach zugrunde gelegter Theorie der Fokus auf je andere Faktoren gerichtet wurde: Bewegungstheoretische Arbeiten haben sich auf die grammatischen Faktoren konzentriert, dabei die pragmatischen meist ignoriert, Reanalyseansätze dagegen beschäftigten sich vorwiegend mit den pragmatischen Bedingungen und blendeten die grammatischen weitgehend aus. Beide Vorgehensweisen hatten zur Folge, dass das Phänomen der PP-Extraktion bisher noch nicht befriedigend und vor allem nicht einheitlich erklärt werden konnte. Die Daten zur PP-Extraktion zeigen ein zunächst unlösbar scheinendes Dilemma: Einerseits spricht die Kontextsensitivität und die Optionalität der Extraktion für eine pragmatische Analyse, andererseits deutet die hohe syntaktische Systematik des Phänomens darauf, dass es primär durch grammatische Prinzipien gesteuert wird. In einem ersten Schritt werden in dieser Arbeit zentrale Phänomene der PP-Extraktion aus grammatischen Prinzipien erklärt. Das heisst: Diese Arbeit folgt primär einem syntaktischen und nicht einem pragmatischen Ansatz. Dieses Vorgehen wird empirisch motiviert. Da, wie gesagt, auch pragmatische Prinzipien eine Rolle spielen, geht es in einem zweiten Schritt darum, diese in ein Gesamtmodell, welches den ganzen Problembereich erfasst, zu integrieren. Das Problem eines grammatischen Ansatzes liegt vor allem darin, die Kontextsensitivität und Optionalität der Extraktion zu erklären. In den Kapiteln 5 und 6 wird gezeigt, wie diese beiden Faktoren in ein grammatisches Modell integriert werden können: Sowohl Optionalität als auch Kontextsensitivität betreffen nur den Bewegungstyp Scrambling (vgl. 1c)). Die beiden Eigenschaften Optionalität und Kontextsensitivität sind jedoch nicht die einzigen, in denen Scrambling von typisch syntaxgesteuerten Phänomenen abweicht. Anders als diese ist Scrambling nämlich auch mit der Urteilsopposition Angemessenheit – Unangemessenheit verbunden, und nicht nur mit der Dichotomie grammatisch – ungrammatisch. Dies deutet darauf hin, dass Scrambling-Operationen durch ein anderes System gesteuert werden als die anderen Bewegungsarten: Scrambling wird im Gegensatz zu Topikalisierung (vgl. 1b)) und wh-Bewegung (vgl. 1c)) nicht durch einen Operator ausgelöst, sondern durch den Kontext lizenziert. Das heisst aber nicht, dass Scrambling nicht auch syntaktischen Restriktionen – wie beispielsweise der Lokalitätsbeschränkung Barriere – unterliegt. Scrambling ist also sowohl durch das satzbezogene System der Grammatikalität als auch durch das kontextbezogene System der Angemessenheit gesteuert. Mithilfe einer Weiterentwicklung des optimalitätstheoretischen Subhierachiemodells von Müller (1999b) gelingt es, die Interaktion der beiden Systeme zu beschreiben. Das Modell, welches in Kapitel 6 entwickelt wird, ordnet die Beschränkungen, die zu den unterschiedlichen Urteilsoppositionen Angemessenheit – Unangemessenheit bzw. grammatisch – ungrammatisch führen, unterschiedlichen Teilsystemen zu. Diese beiden Teilsysteme werden aber in ein einheitliches Modell vereinigt, sodass die Verschiedenartigkeit der Faktoren, die die Extraktion beeinflussen, einheitlich erklärt werden kann.

3

Aufbau Die Arbeit ist wie folgt aufgebaut: In Kapitel 1 wird ein empirischer Überblick über die Faktoren gegeben, die das Phänomen der PP-Extraktion bestimmen. Dieser Überblick dient einerseits als Grundlage für die Diskussionen der nachstehenden Kapitel, andererseits bildet er auch die empirische Basis dafür, das Phänomen primär der Syntax zuzuordnen (vgl. Kapitel 3). Die Struktur der Nominalphrase wird in Kapitel 2 diskutiert. Grundlage dafür bildet die DP-Theorie von Gallmann (1996). Zudem wird das semantische Verhältnis zwischen Nomen und extrahierbarem Attribut geklärt. Vor allem die genaue Analyse von Konstruktionen mit Nominalisierungsverbgefügen gibt Aufschluss über dieses Verhältnis: In Nominalisierungsverbgefügen steht die PP sehr häufig in Distanzstellung zum Nomen, allerdings wird die Frage kontrovers diskutiert, ob die PP in Nominalisierungsverbgefügen als Argument des Verbs oder des Nomens in die Syntax eingeführt wird, das heisst, ob die vom Nomen getrennt stehende PP extrahiert oder ausserhalb der DP basisgeneriert ist. In Kapitel 3 steht schliesslich die Frage im Zentrum, mit welchen Theorieansätzen das Phänomen der PP-Extraktion am ehesten einheitlich analysiert werden kann. Es werden drei Ansätze einander gegenüber gestellt: Als Erstes wird die Erklärungskraft der Bewegungstheorie untersucht. Die Basis für diese Untersuchung bildet dabei die von Sternefeld (1991), Müller (1991) und Müller /Sternefeld (1993) erarbeitete Barrierentheorie. Diese Barrierentheorie erklärt die lokale Beschränktheit der PP-Extraktion sehr gut, sie lässt aber Fragen in Bezug auf die lexikalisch-semantischen und pragmatischen Beschränkungen weitgehend offen. Daher werden im Anschluss daran die beiden alternativen Ansätze Reanalyse (De Kuthy 2002) und Basisgenerierung (Fanselow 2001, 2003) diskutiert und kritisch bewertet. Im abschliessenden Vergleich wird der bewegungstheoretische Ansatz favorisiert. Die Integration der lexikalischen und semantischen Faktoren in die bewegungstheoretische Analyse stellt keine grossen Probleme dar, denn auch hier handelt es sich um Faktoren, die der Grammatikkomponente zuzuordnen sind (vgl. Kapitel 4). Grössere Probleme bereitet hingegen die Integration der pragmatischen Faktoren in ein syntaktisches Modell. In Kapitel 5 wird daher der Einfluss der Pragmatik auf die Extraktion fokussiert. Zentral ist dabei die Frage, inwieweit Extraktion durch den Kontext gesteuert wird und wie sich die Kontextsensitivität der Extraktion mithilfe eines syntaktischen Modells erklären lässt. Eine entscheidende Rolle für die Extraktionsmöglichkeit spielt dabei die Informationsstruktur. Durch die Analyse der Gliederungsebenen Topik-Kommentar und Fokus-Hintergrund gelingt es, den Einfluss des Kontextes bzw. der Pragmatik auf die Bewegungsart Scrambling einzuschränken. Entsprechend müssten nur die pragmatischen Faktoren, die Scrambling betreffen, in ein syntaktisches Gesamtmodell integriert werden. Die kritische Analyse von Arbeiten, die kontextsensitive Faktoren mithilfe von syntaktischen Modellen zu erklären versuchen, zeigt allerdings, dass dieses Vorgehen theoretisch äusserst problematisch ist: Die Vermischung von Beschränkungen, die unterschiedlichen Komponenten der Sprachkompetenz zuzuordnen sind, führt zu Problemen der Lernbarkeit und widerspricht auch der Autonomiehypothese. Ein konsistentes Modell, das all die genannten Probleme zu lösen vermag, wird dann in Kapitel 6 entwickelt. Dieses Modell stützt sich im Wensentlichen auf Ansätze der Optimalitätstheorie. Insbesondere die Weiterentwicklung des Subhierarchiemodells von Müller

4

(1999b) erlaubt es, einerseits die kontextsensitiven Beschränkungen von den satzgebundenen eindeutig zu trennen, andererseits diese beiden Beschränkungsarten in einem Gesamtmodell zu erfassen. Damit kann die PP-Extraktion empirisch fundiert und theoretisch befriedigend erklärt werden.

1 Das Phänomen: Beschreibung

In diesem Kapitel geht es darum, einen Überblick über das Phänomen der Extraktion präpositionaler Attribute aus der Nominalphrase zu geben und die Bedingungen systematisch zu beschreiben, die das Phänomen beeinflussen. Die Beispiele 1) und 2) illustrieren, wie sich das Phänomen der Extraktion präpositionaler Attribute zeigt: Als von einem Nomen abhängige Glieder sind Präpositionalattribute im Normalfall in der Nominalphrase basisgeneriert: 1)

a) b) c) d) e)

Rudi hat vor seiner Reise DP[viele Berichte PP[über die Antarktis]] gelesen. Berta hat schon immer DP[viel Interesse PP[für Linguistik]] gezeigt. Anna hat DP[ein Buch PP[mit rotem Einband]] geschenkt bekommen. DP[Einem Krimi PP[von Glauser]] ist noch nie ein Preis verliehen worden. DP[Der ewige Klatsch PP[über die Royals]] ärgert die Queen masslos.

Präpositionalattribute können jedoch unter bestimmten Bedingungen auch getrennt von der sie inkludierenden DP erscheinen:1 2)

a) b) c) d)

PP[Über die Antarktis] i hat Rudi DP[viele Berichte ti] gelesen. PP[Worüber]i hat Rudi DP[viele Berichte ti] gelesen? Rudi hat PP[über die Antarktis]i DP[viele Berichte ti] gelesen. Rudi hat DP[viele Berichte ti] gelesen, PP[über die Antarktis]i.

Die PP kann wie in 2a) und 2b) das Vorfeld besetzen, aber auch wie in 2c) das Mittelfeld oder das Nachfeld wie in 2d).2 Dass die PP ausserhalb der DP erscheint, ist jedoch nicht der Normalfall. Das Phänomen unterliegt gewissen Restriktionen: 3)

a) b) c) d)

PP[Für Linguistik]i hat Berta schon immer DP[viel Interesse ti] gezeigt. *PP[Mit rotem Einband] i hat Anna DP[ein Buch ti] geschenkt bekommen. *PP[Von Glauser]i ist noch nie DP[einem Krimi ti] ein Preis verliehen worden. *PP[Über die Royals]i ärgert DP[der ewige Klatsch ti] die Queen masslos.

In 3a) – 3d) sind die Präpositionalattribute der Sätze 1b) – 1e) topikalisiert. Dies ergibt jedoch nur für das Beispiel 1b) in 3a) einen grammatischen Satz. Das getrennte Erscheinen des Präpositionalattributs von seinem regierenden Nomen ist nur unter sehr eingeschränkten Bedingungen möglich, die in den folgenden Abschnitten beschrieben werden. Da es umstritten ist, ob es sich bei getrenntem Erscheinen einer PP von ihrem regierenden Nomen ––––––––– 1

2

Notation und Terminologie folgen in diesem Kapitel der Bewegungstheorie. Das Phänomen wird also als Extraktionsphänomen dargestellt, demzufolge die aus der DP herausbewegte PP an ihrer Basisposition eine Spur hinterlässt. Sowohl dieser als auch andere Ansätze werden unter 3.2 und 3.3 eingehender diskutiert. In diesem Kapitel soll vorerst das Phänomen möglichst theorieneutral beschrieben werden. Aufgrund der Landeposition und des bewegten Elements unterscheidet man verschiedene Bewegungsarten. Diese werden unter 1.4 dargestellt.

6

tatsächlich um Extraktion, also um ein Bewegungsphänomen handelt, wird vor allem auch untersucht, ob die strukturellen Extraktionsbeschränkungen befolgt werden. Dass Extraktion nicht nur strukturell erklärt werden kann, ist allgemein bekannt. Sowohl lexikalische Faktoren, wie sie erstmals durch Erteschik-Shir (1973) beschrieben wurden, als auch die Diskursabhängigkeit von Extraktionsphänomenen, wie sie beispielsweise von Pesetzky (1987) und De Kuthy (2000) beschrieben wurde, schaffen Probleme für Bewegungsanalysen. Alle drei Einflussarten werden in diesem Kapitel berücksichtigt und es wird untersucht, wie ihr jeweiliger Einfluss für das Gesamtphänomen zu gewichten ist. In Abschnitt 1.1 werden jene Faktoren beschrieben, die traditionell den strukturellen zugeordnet werden. Dabei wird überprüft, ob sich ihre Zuteilung auch bei näherem Hinsehen aufrecht erhalten lässt. Abschnitt 1.2 beschäftigt sich mit den lexikalisch-semantischen Faktoren und in 1.3 kommen die diskursabhängigen bzw. pragmatischen Faktoren zur Sprache. In den Abschnitten 1.1 – 1.3 werden die Faktoren anhand der Vorfeldbesetzung herausgearbeitet, in Abschnitt 1.4 wird dann untersucht, ob sich die anderen Bewegungsarten gleich verhalten.

1.1 Strukturelle Faktoren Eine der typischsten Eigenschaften von Bewegungs- bzw. Extraktionsphänomenen ist, dass sich Subjekte, Adjunkte und Objekte sowohl bezüglich ihrer Bewegungstransparenz als auch bezüglich ihrer Bewegbarkeit unterschiedlich verhalten. Welchen Einfluss die Funktion der Extraktionsbasis hat, wird unter 1.1.1 beschrieben. Die Transparenz einer XP ist jedoch nicht nur von ihrer grammatischen Funktion abhängig. Ross (1967, 1986) beschreibt noch zwei weitere Bedingungen, den Freezing-Effekt und die Left Branch Condition (LBC). Daneben ist auch noch ein Spezifizitätseffekt bei Extraktion bekannt. Diese drei Faktoren, die teilweise konstruktionsbedingt sind, sich zum Teil aber auch DP-intern auswirken, werden unter 1.1.2 beschrieben. Nicht nur die DP als Extraktionsbasis muss gewisse Bedingungen erfüllen, damit Extraktion möglich ist, sondern auch die zu extrahierende PP. Dass die Funktion der PP einen Einfluss auf die Beweglichkeit hat, ist unumstritten. Kontrovers wird jedoch die Frage behandelt, ob es sich beim extrahierbaren Element um ein Adjunkt oder ein Argument handelt. In Abschnitt 1.1.3 wende ich mich dieser Frage zu.

1.1.1 Funktion der Extraktionsbasis Im prototypischen Fall erfolgt Extraktion aus Akkusativobjekten. Allerdings ist sie teilweise auch aus Subjekten unakkusativischer Verben möglich. Im Folgenden wird zunächst die Extraktion aus Subjekten näher betrachtet, danach wird kurz auf jene aus Adjunkten eingegangen und zum Schluss wird noch die Extraktion aus Objekten allgemein, also aus direkten und indirekten, näher untersucht.

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Subjekte Ross’ Subjektbeschränkung (1967, 1986) besagt, dass Subjekte Bewegungsinseln sind. Aus dieser Beschränkung nimmt er jedoch Subjekt-DPs, anders als -CPs, aufgrund des folgenden Beispiels heraus (Ross 1967, 1986: 148; Notation CS): 4)

PP[Of which cars]i were PP[the hoods ti] damaged by the explosion?

Auch im Deutschen scheint die Subjektbeschränkung bei der Extraktion aus DPs nur teilweise erfüllt zu werden: 5)

a) *PP[Über Glauser] i haben Anna DP[viele Artikel ti] beeindruckt. b) * PP[Von einem Einheimischen] i half uns schliesslich DP[eine Wegbeschreibung ti] weiter. b) PP[Über Glauser]i sind in letzter Zeit DP[viele Artikel ti] erschienen. c) PP[Über PP-Extraktionen]i sind dem Professor DP[viele neue Daten ti] eingefallen.

Die Beispiele 5c) und 5d) zeigen, dass Subjekt-DPs anders als Subjekt-CPs nicht generell Inseln für Extraktion sind. Ob Extraktion möglich ist, hängt vom Subjekttyp ab. In 5a) ist aus dem Subjekt eines transitiven Verbs extrahiert worden. Das Subjekt ist agentivisch. In 5b) aus dem Subjekt eines intransitiven nicht-ergativen Verb. In den grammatischen Beispielen 4), 5c) und 5d) wurde aus einem Subjekt eines unakkusativischen Verbs extrahiert. Subjekte unakkusativischer Verben tragen generell die thematische Rolle THEMA. Neben unakkusativischen Verben verlangen auch Verben wie stören, interessieren, ärgern, beeindrucken usw. Subjekte in der THEMA-Rolle, weshalb Grewendorf (1989) diese Verben als thematische Verben bezeichnet.3 Subjekte thematischer Verben sind im Gegensatz zu Subjekten unakkusativischer Verben Bewegungsinseln: 6)

a) *PP[Über Maria] i interessieren mich DP[alle Gerüchte ti]. b) *PP[Über den Unfall]i haben Rudi alle DP[Berichte ti] geärgert.4

Auch Subjekte von reflexiven Verben (7a)) und von intransitiven nicht-ergativen Verben (7b), 7c)) sind generell Bewegungsinseln: 7)

a) *PP[Über Politik]i eignete sich Rudi DP[Kenntnisse ti] an. b) *PP[Von Maria]i hat DP[der Vater ti] gefrühstückt.

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Diese Verben werden häufig auch als Psychverben bezeichnet. Einige wenige SprecherInnen akzeptieren Extraktionen aus thematischen Verben. Nach meinen Befragungen hat von 10 InformantInnen nur jemand einzelne Sätze mit thematischen Verben als grammatisch akzeptiert, 2 andere haben einige einzelne Sätze als stark markiert, aber nicht als ungrammatisch gekennzeichnet. Niemand hat aber systematisch alle Extraktionen aus Subjekten thematischer Verben akzeptiert. Die geringe Anzahl von SprecherInnen, die diese Sätze als grammatisch einstuft und auch die unsystematische Bewertung lassendarauf schliessen, dass es sich um Schnittstellenphänomene handelt (vgl. zu den Indizien für Schnittstellenphänomene 6.1). Ich werde unter 6.1 dafür plädieren, dass gewisse Bedingungen Reparaturmechanismen an den grammatischen Schnittstellen erleichtern. Ich vermute, dass hier die Extraktion dadurch bei einzelnen SprecherInnen leichter repariert werden kann als die Extraktion aus Subjekten transitiver oder intransitiver, nicht-ergativer Verben, weil das Subjekt thematisch und nicht agentivisch ist.

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c) *PP[Über den Unfallhergang]i leuchtete dem Polizisten DP[die Beschreibung ti] nicht ein. Allerdings sind für einige SprecherInnen Extraktionen aus Subjekten von einwertigen intransitiven Verben möglich, wie die folgenden Beispiele aus der Extraktionsliteratur zeigen: 8)

a) Von wem hat der Vater angerufen? b) Von Wittgenstein haben die Erben protestiert.

(Fanselow 1991: 189) (Pafel 1993: 220)

Die folgende Tabelle zeigt die Transparenz von Subjekten: Tabelle 1–1 Subjekt:

Extraktion:

transitiver Verben

nein

intransistiver, nicht-erg. Verben

nein (mit Ausnahmen)

reflexiver Verben

nein

unakkusativischer Verben

ja

Auf die Ausnahmen bei der Extraktion von Subjekten intransitiver, nicht-ergativer Verben werde ich unter 6.1 näher eingehen. Im Folgenden wird untersucht, was der Grund dafür sein könnte, dass Subjekte unakkusativischer Verben sich in Bezug auf die Subjektbeschränkung anders verhalten als die anderen Subjekttypen. Dabei wird vor allem betrachtet, inwieweit sich die Subjekte unakkusativischer Verben strukturell von den anderen Subjekttypen unterscheiden. Das Verhalten von Subjekten unakkusativischer Verben wurde von zunächst von Perlmutter (1978) und in der Folge auch von Grewendorf (1989) und Burzio (1989) ausführlich beschrieben. Sie haben nachweisen können, dass Subjekte unakkusativischer Verben in vielen Bereichen ähnliche Eigenschaften aufweisen wie direkte Objekte, was zur Annahme führt, dass sie diesen auch strukturell ähneln. Die drei wichtigsten Eigenschaften, die Subjekte unakkusativischer Verben mit direkten Objekten gemeinsam haben, werden im Folgenden dargestellt: Attributiv gebrauchtes Perfektpartizip Gleich wie transitive Verben (vgl. 9a)) erlauben auch unakkusativische Verben wie diejenigen in 9c) und 9d) eine attributive Verwendung ihres Partizips II. Allerdings erlauben den Gebrauch des Perfektpartizips nur mit Objektbezug (vgl. 9a) und 9b)), unakkusativische hingegen ausschliesslich mit Subjektbezug. Für intransitive, nicht-ergative Verben wie in 9e) und 9f) ist die attributive Verwendung des Partizips II ausgeschlossen: 9)

a) b) c) d)

Der Artikel hat Anna beeindruckt. → die beeindruckte Anna Der Artikel hat Anna beeindruckt. → *der beeindruckte Artikel Der Artikel ist erschienen. → der erschienene Artikel Die neuen Daten sind dem Professor gestern eingefallen. → die ihm eingefallenen Daten e) Der Journalist hat gearbeitet. → *der gearbeitete Journalist f) Die Wegbeschreibung hat uns geholfen. → *die (uns) geholfene Wegbeschreibung

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Komplexes Vorfeld Direkte Objekte wie in 10a) und Subjekte unakkusativischer Verben wie in 10b) und 10c) können zusammen mit dem nicht-finiten Verb ins Vorfeld gestellt werden, dies auch dann, wenn ein weiteres Argument vorhanden ist, welches nicht mittopikalisiert wird, wie in 10c). Subjekte intransitiver, nicht-ergativer Verben können zwar auch mit dem nicht-finiten Verb ins Vorfeld gestellt werden, wie 10d) zeigt, sobald jedoch ein weiteres Argument hinzukommt, ist die Vorfeldbesetzung von Subjekt und nicht-finitem Verb ungrammatisch, wie in 10e):5 10) a) b) c) d) e)

Gute Artikel gelesen hat Rudi noch nie. Gute Artikel erschienen sind in diesem Käseblatt noch nie. Neue Daten eingefallen sind dem Professor noch nie. Rosen geblüht haben hier noch nie. *Viele Leute zugestimmt haben Reformen noch nie.

Ne-Klitisierung im Italienischen Im Italienischen können direkte Objekte durch das partitive Pronomen ne klitisiert werden. Dies ist in 11) dargestellt. Auch Subjekte von unakkusativischen Verben wie 12b) lassen diese Klitisierung zu, ganz im Gegensatz zu Subjekten anderer intransitiver Verben, wie das ungrammatische Beispiel 13b) zeigt (Renzi et. al. 1991: 636): 11) a) Ho comprato tre mele. habe (1. Pers. Sg.) gekauft drei Äpfel b) Ne ho comprato tre. Davon habe (1. Pers. Sg.) gekauft drei. 12) a) Sono venuti molti amici. sind (3. Pers. Pl.) gekommen viele Freunde b) Ne sono venuti molti. davon sind (3. Pers. Pl.) gekommen viele 13) a) Hanno partecipato alla festa molti amici. haben (3. Pers. Pl.) beteiligt am Fest viele Freunde. b) *Ne hanno partecipato alla festa molti. davon haben beteiligt am Fest viele. Grewendorf (2002) nimmt aufgrund dieser gemeinsamen Eigenschaften an, dass Subjekte unakkusativischer Verben an gleicher Position wie direkte Objekte basisgeneriert sind. Aufgrund der lexikalischen Eigenschaft der Unakkusativität können sie jedoch von ihrem Verb keinen Akkusativ erhalten. Damit würden sie den Kasusfilter verletzen. Sie erfüllen ihn allerdings, indem sie den Nominativ zugewiesen bekommen. Der Nominativ kann bei unakkusativischen Verben deswegen ausnahmsweise der Objektposition zugewiesen wer––––––––– 5

Es handelt sich hier um eine vereinfachte Darstellung der Subjekt- + V-Topikalisierung. Die Datenlage stellt sich im Deutschen etwas komplizierter dar und wurde ausführlicher von Haider (1990) und Frey / Tappe (1991) beschrieben. Als weitere Bedingung gilt beispielsweise, dass das mit dem Verb topikalisierte Subjekt indefinit ist, was bei Objekten nicht unbedingt der Fall sein muss. Auch wird die Topikalisierung von V + Argument umso akzeptabler, je schwerer das Mittelfeld ist.

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den, weil die Subjektposition der unakkusativischen Verben nicht thematisch ist.6 Dieser Theorie zufolge gleichen unakkusativische Strukturen jenen von passiven. Ein Indiz dafür, dass sich diese beiden Strukturen entsprechen, liefern auch die Extraktionsdaten, denn neben den Subjekten unakkusativischer Verben sind auch die Subjekte passiver Verben bewegungstransparent: 14) a) In diesem Sommer wurden DP[einige Berichte PP[über die Klimaerwärmung]] verfasst. b) PP[Über die Klimaerwärmung]i wurden in diesem Sommer DP[einige Berichte ti] verfasst. Die Beispiele stärken den Verdacht, dass das grammatische Verhalten von Subjekten unakkusativischer Verben strukturell bedingt ist. Grewendorfs Annahme, dass Subjekte unakkusativischer Verben die gleiche (Basis-)Position einnehmen wie direkte Objekte, ist einleuchtend und auch mithilfe des Adverbtests nachweisbar. Dies führt allerdings zur Vermutung, dass nicht die Funktion der Extraktionsbasis einen Einfluss auf die Extraktionsdaten hat, sondern lediglich ihre Position. Der Begriff Subject Constraint bzw. Subjektbeschränkung ist etwas unglücklich gewählt, weil nicht alle Subjekte unter diese Beschränkung fallen. Er operiert mit einem aus der traditionellen Grammatik übernommenen Begriff, der jedoch mithilfe verschiedener Merkmale wie Position, semantische Rolle, Kasus usw. definiert ist. Für die Extraktionsdaten ist nur eines dieser Merkmale, eben die Position, verantwortlich. Subjekte unakkusativischer Verben widersprechen daher der Ross’schen Subjektbeschränkung nicht wirklich. Diese muss nur dahingehend modifiziert werden, dass sie die Extraktionsposition und nicht die Funktion der Extraktionsbasis definiert. Sowohl für die Subjekt-Objekt-Asymmetrie als auch für die Subjekt-Subjekt-Asymmetrie ist ein einziger struktureller Faktor verantwortlich, der natürlich auch durch eine strukturelle Beschränkung erfasst werden muss. Der Annahme, dass die Position für die Subjekt-Subjekt-Asymmetrie verantwortlich ist, widerspricht allerdings Haider (1993): Seiner Theorie zufolge gibt es nur eine einzige VPinterne Subjektposition (Haider 1993: 156)) an der beide Subjekttypen basisgeneriert sind. Ist nicht die Position für die Subjekt-Subjekt-Asymmetrie verantwortlich, so kann sie nicht ––––––––– 6

In Grewendorf (1988) wird angenommen, dass SpecIP die Subjektposition ist, der normalerweise auch der Nominativ zugewiesen wird. Satzadverbtests zeigen allerdings, dass Subjekte unakkusativischer Verben und auch Subjekte in Passivkonstruktionen im Deutschen innerhalb der VP stehen bleiben können: i) … dass dem Rudi vermutlich doch kein Buch geschenkt wurde. ii) … dass in diesem Käseblatt vermutlich keine guten Artikel erschienen sind. Damit die DP den Kasusfilter erfüllen kann, nimmt Grewendorf (1986) an, dass in diesem Fall die SpecIP-Position von einem leeren expletiven pro gefüllt ist, das über Koindizierung den Nominativ an die VP-interne DP übermittelt. Nach neuen Theorien kann auch angenommen werden, dass die DP kovert an eine Kasusposition bewegt wird, wo sie das Kasusmerkmal überprüfen kann, oder dass das Kasusmerkmal aufgrund von Übereinstimmung getilgt wird usw. Egal, wie und nach welcher Theorie die Kasuszuweisung bzw. -überprüfung erfolgen soll, wichtig in diesem Zusammenhang ist, dass das Themaargument von unakkusativischen und passiven Verben den Nominativ tragen kann, weil keine thematische Subjektposition vorhanden ist, und dass die Kasuszuweisung bzw. -überprüfung im Deutschen in situ erfolgen kann.

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strukturell begründet werden. Konsequenterweise nimmt Haider (1993) also an, dass das unterschiedliche Verhalten von Subjekten unakkusativischer Verben und von Subjekten (in)transitiver, nicht-ergativer Verben lexikalisch bedingt ist. Haiders Hauptinteresse gilt allerdings weniger dem Nachweis, dass Subjekte unakkusativischer Verben die gleiche Position wie die anderen Subjekte einnehmen, als vielmehr demjenigen, dass auch die anderen Subjekte im Deutschen VP-intern basisgeneriert sind, was eigentlich in neueren Theorien kaum noch bezweifelt wird. Es wird allgemein angenommen, dass Subjekte nicht in SpecIP, sondern in SpecVP basisgeneriert sind.7 Für die Diskussion, ob Subjekte unakkusativischer Verben sich von anderen Subjekten strukturell unterscheiden, ist es vorerst nicht wichtig, ob sie in SpecIP oder SpecVP basisgeneriert sind, denn bei beiden Positionen handelt es sich um solche, die sich klar von der Objektposition unterscheiden lassen, was die Objekt-Subjekt-Asymmetrie strukturell begründen würde. Die Frage stellt sich vielmehr, ob auch die Subjekt-Subjekt-Asymmetrie gleich begründet werden kann. Dies bezweifelt nun Haider (1993: 173) aufgrund folgender Beispiele: 15) a) Über Strauss hat ein Witz die Runde gemacht. b) Zu drastischeren Massnahmen hat ihm der Mut gefehlt. In 15a) bildet das Subjekt eines transitiven Verbs die Extraktionsbasis, in 15b) dasjenige eines intransitiven, aber nicht-ergativen Verbs. Die Subjekte ein Witz über Strauss bzw. der Mut zu drastischeren Massnahmen sind mit Sicherheit nicht an der Objektposition basisgeneriert, sondern gleich wie die ungrammatischen Beispiele 5a) und 5b) an der SpecIPbzw. SpecVP-Position. Die Asymmetrie zwischen den ungrammatischen Beispielen 5a) und 5b) und den grammatischen Beispielen in 15) lässt sich somit nicht strukturell erklären. Es fragt sich allerdings, ob diese Beispiele belegen, dass die in Beispiel 5) dargestellte Subjekt-Subjekt-Asymmetrie grundsätzlich nicht struktureller Art ist oder ob nur die Asymmetrie zwischen 15a) bzw. 15b) und 5a) bzw. 5b) nicht strukturell bedingt ist. Dieser Frage werde ich in Kapitel 6 ausführlicher nachgehen. Hier kann jedoch festgehalten werden, dass der Einfluss der Position auf die Extraktion nachweisbar ist, dass jedoch einige wenige Einzelfälle nicht durch diesen Faktor bestimmt zu sein scheinen. Adjunkte Adjunktphrasen sind generell Bewegungsinseln: 16) a) *[Von Glauser]i hat Rudi PP[mit einem Buch ti im Arm] die Strasse überquert. b) *[Von Trudi]i ist Rudi PP[mit dem Auto ti] nach Rom gefahren. c) *Weni ist Otto nach Rom gefahren, CP[um ti zu besuchen]? ––––––––– 7

Zu den Indizien, die für VP-interne Subjekte sprechen, vgl. 3.1.3. Um verschiedene Phänomene bei Doppelobjektkonstruktionen zu erklären, schlägt Larson (1988) eine geschichtete VP vor. Wenn auch einige Schwachpunkte seiner Theorie aufgedeckt und modifiziert wurden (vgl. Müller 1995a), so hat sich die Grundidee der doppelten VP-Struktur weitgehend durchgesetzt. Als Kern der oberen VP-Schicht wird eine funktionale Kategorie v angenommen, die für die abstrakte Repräsentation der Transitivität angesehen wird (Chomsky 2000). Das Subjekt nimmt in solchen Arbeiten die SpecvP-Position ein. Diese Hypothese widerspricht der VP-Hypothese nicht. Auch hier wird angenommen, dass das Subjekt an die SpecIP- bzw. SpecTP-Position angehoben wird (vgl. dazu detaillierter Abschnitt 3.1.2).

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Die Adjunktbedingung gilt sowohl für Phrasen wie in 16a) und 16b) als auch für Sätze wie in 16c). Im Unterschied zu den Objekten sind Adjunkte in A’-Positionen (Nicht-ArgumentPositionen) basisgeneriert. Zwischen Objekten und Adjunkten besteht also ein eindeutig struktureller Unterschied, daher liegt die Annahme nahe, dass Objekt-Adjunkt-Asymmetrien strukturell bedingt sein könnten. Objekte Neben den bisher genannten Asymmetrien besteht auch eine zwischen direkten und indirekten Objekten: 17) a) *PP[Von Chomsky]i folgte Rudi DP[einigen Artikeln ti] in seiner Argumentation. b) *PP[Über den Nahostkonflikt] i konnten sie nicht DP[allen kritischen Dokumentarfilmen ti] einen Preis verweigern. c) *PP[Über Linguistik]i widmete sie sich DP[vielen Büchern ti]. d) PP[Über Extraktion]i hat Rudi DP[verschiedene Theorien ti] gelesen. e) PP[Von Glauser]i hat uns Rudi DP[einige Krimis ti] gegeben. Indirekte Objekte sind Bewegungsinseln, und zwar sowohl in Doppelobjektkonstruktionen wie in 17b), in Reflexivkonstruktionen wie in 17c) als auch in Konstruktionen mit nur einem Objekt wie in 17a). Grundsätzlich möglich ist die Extraktion nur aus direkten Objekten, und auch hier sowohl in Doppelobjektkonstruktionen wie in 17d) als auch in Konstruktionen mit nur einem Objekt wie in 17e). Es stellt sich auch hier die Frage, ob die Asymmetrie zwischen direkten und indirekten Objekten strukturell oder anders zu begründen ist. Zwar wird die Frage, in welchen syntaktischen Positionen die Objekte in Doppelobjektkonstruktionen basisgeneriert sind, kontrovers diskutiert, Einigkeit herrscht allerdings in allen Theorien darüber, dass es sich um voneinander verschiedene Positionen handeln muss.8 Diese Tatsache, zusammen mit der beobachtbaren Systematik, der die PPExtraktion aus indirekten Objekten folgt, lässt einen strukturellen Faktor vermuten. Diese Vermutung ist allerdings umstritten, weshalb sie in 3.1.2 näher begründet wird. Die Systematik bei der Extraktion aus indirekten Objekten, Subjekten und Adjunkten zeigt sich bei der Extraktion aus direkten Objekten nicht. Zwar ist Extraktion aus Akkusativobjekten strukturell möglich, wie die Beispiele 2) zeigen (hier als 18) wiederholt): 18) a) PP[Über die Antarktis] i hat Rudi DP[viele Berichte ti] gelesen. b) PP[Worüber]i hat Rudi DP[viele Berichte ti] gelesen? c) Rudi hat PP[über die Antarktis]i DP[viele Berichte ti] gelesen. d) Rudi hat DP[viele Berichte ti] gelesen, PP[über die Antarktis]i. Allerdings ist auch die Extraktion aus dem Akkusativobjekt nur beschränkt möglich: 19) a) b) c) d)

*PP[Über die Antarktis] i hat Rudi DP[einen Bericht ti] vermutlich gelesen. *PP[Über die Antarktis] i hat Rudi DP[diesen Bericht ti] schliesslich gelesen. *PP[Über die Antarktis] i hat Rudi DP[Ottos Bericht ti] gelesen. *PP[Über die Antarktis] i hat Rudi DP[einen Bericht ti] weggeschmissen.

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Die Position der Objekte in Doppelobjektkonstruktionen wird in Kapitel 3.1.2 diskutiert.

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In 19) wurde jeweils aus einem direkten Objekt extrahiert. Die Basisposition der Extraktionsbasis ist in 19) die gleiche wie in 18). Gab es für die bisher besprochenen Asymmetrien doch noch einige Indizien, dass die Asymmetrien mit unterschiedlichen Basispositionen zu begründen seien, so ist diese Begründung für die Ungrammatikalität der Beispiele in 19) nicht offensichtlich. Neben der Basisposition scheinen noch weitere Faktoren einen Einfluss auf die Extraktion zu haben. Diese lassen sich in grammatisch-strukturelle Beschränkungen und lexikalisch-semantische unterteilen. Nur die Ungrammatikalität in 19a) – 19c) ist grammatisch-strukturell bedingt, diejenigen in Beispiel 19d) hingegen lexikalischsemantisch. Im folgenden Abschnitt werden zunächst die grammatisch-strukturellen Effekte besprochen, die lexikalisch-semantischen Faktoren werden unter 1.2 näher betrachtet.

1.1.2 Weitere grammatisch-strukturelle Effekte Die in 19a) – 19c) dargestellten Effekte sind unterschiedlich begründet. In 19a) ist die Extraktionsbasis im Gegensatz zu den grammatischen Extraktionen aus direkten Objekten gescramblet worden, das heisst, sie befindet sich an einer derivierten Position. Der Effekt ist hier entsprechend konstruktionsbedingt. Die Ungrammatikalität von 19b) und 19c) ergibt sich aufgrund der veränderten inneren Semantik der DP. Im Folgenden wird zunächst der konstruktionsbedingte Freezing-Effekt, danach die beiden auf die innere Semantik der DP zurückzuführenden Effekte Spezifizität und LBC besprochen. Freezing-Effekt Bereits Ross (1967/1986) hat festgestellt, dass gewisse Bewegungen eine XP in eine Barriere verwandeln können. Müller (1995a) hat den Einfluss der unterschiedlichen Bewegungsarten auf den Barrierenstatus fürs Deutsche untersucht. Seine Ergebnisse werden hier kurz dargestellt: 20) a) b) c) d)

Worüberi ist von keinem DP[ein Buch ti] gelesen worden? Wogegeni ist dem Willi NP[ein gutes Argument ti] eingefallen? *Worüberi ist NP[ein Buch ti]k von keinem tk gelesen worden? *Wogegeni ist NP[ein gutes Argument ti]k dem Willi tk eingefallen? (Müller 1995a: 71f.)

21) a) PP[Über die Antarktis] i hat Rudi gestern DP[ein Buch ti] gelesen. b) PP[Über die Antarktis] i hat Rudi seiner Mutter DP[ein Buch ti] gegeben. c) *PP[Über die Antarktis] i hat Rudi VP[DP[ein Buch ti]k VP[gestern tk gelesen]]. d) *PP[Über die Antarktis]i hat Rudi VP[DP[ein Buch ti]k VP[seiner Mutter tk gegeben]]. 22) a) Ich sagte ihr, CP[DP[welche Bücher PP[über die Liebe]]k C0 er tk geschrieben hat]. b) *Worüberi hast du gesagt, CP[DP[welche Bücher ti]k C0 er tk geschrieben hat]? (Müller 1995a: 81) In allen ungrammatischen Beispielen, 20c), 20d), 21c), 21d) und 22b), erscheint die Extraktionsbasis nicht an ihrer Basisposition, was jeweils durch die Spur tk angedeutet wird. Egal,

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ob die DP aus Kasusgründen NP-bewegt wurde wie in 20c) und 20d), ob sie gescrambelt ist wie in 21c) und 21d) oder ob sie wh-bewegt wurde wie in 22b), alle Bewegungstypen lösen den Freezing-Effekt aus. Müller (1995a) zufolge handelt es sich in 20c) und 20d) um A-Bewegung, das heisst, die DP ist an eine Argumentposition bewegt worden. In 21c), 21d) und 22) hingegen hat A’-Bewegung stattgefunden, das heisst, eine Bewegung an eine Nicht-Argument-Position. Wie die Beispiele zeigen, spielt jedoch die Art der Landeposition für die Transparenz der DP keine Rolle. Trotzdem scheint beim Freezing-Effekt wie bei den in 1.1.1 beschriebenen Asymmetrien der Faktor Position der Extraktionsbasis für die Opakheit verantwortlich zu sein, denn im Gegensatz zu den grammatischen Extraktionen aus Objekt-DPs erscheint die DP in den ungrammatischen Extraktionen an einer abgeleiteten Position. Spezifizitätseffekt Fiengo/Higginbotham (1981: 412) haben eine so genannte ›Specificity Condition‹ definiert, nach welcher jegliche Extraktion aus einer NP mit definiter Referenz blockiert wird. Die Specificity Condition beschreibt die Asymmetrie der folgenden Beispiele: 23) a) PP[Über die Klimaveränderung]i hat der Anzeiger DP[einige/viele/manche Artikel ti] veröffentlicht. b) *PP[Über die Klimaveränderung]i hat der Anzeiger DP[diesen/den/jeden Artikel ti] schliesslich veröffentlicht. c) *PP[Über die Klimaveränderung]i hat der Anzeiger DP[Peters Artikel ti] schliesslich veröffentlicht. d) *PP[Über die Klimaveränderung]i hat der Anzeiger DP[seinen Artikel ti] schliesslich veröffentlicht. Im Gegensatz zur Extraktion aus einer DP mit indefinitem Determinierer wie in Beispiel 23a) sind DPs mit einem definiten Determinierer wie in 23b) und solche mit einem pränominalen Possessor wie in 23c) und 23d) Extraktionsinseln. Bowers (1987) versucht diese Asymmetrie damit zu erfassen, dass er die Determinierer in zwei Gruppen einteilt: in starke und schwache Determinierer. Nominalphrasen mit starken Determinierern werden von einer DP dominiert, solche mit schwachen Determinierern hingegen nicht. Bewegung aus einer Nominalphrase mit starkem Determinierer muss sowohl den NP- als auch den DPKnotenpunkt überwinden, jene aus einer Nominalphrase mit schwachem Determinierer hingegen erfolgt nur über den NP-Knotenpunkt. Daher verursachen Extraktionen aus Nominalphrasen mit starken Determinierern eine Subjazenzverletzung. Diesem Ansatz zufolge ist die Struktur der Nominalphrase für die Extraktionsasymmetrie verantwortlich. Gallmann (1996) hat jedoch gezeigt, dass im Deutschen auch indefinite Nominalphrasen von einer DP dominiert sein müssen, denn nur so lassen sich Kongruenzphänomene innerhalb der Nominalphrase erklären (vgl. dazu detaillierter Kapitel 2). Die Extraktion aus definiten DPs überschreitet somit nicht mehr Knotenpunkte als jene aus indefiniten, sodass nicht eine Subjazenzverletzung für die Asymmetrie verantwortlich sein kann.9

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Da im Deutschen Nominalphrasen immer von einer DP dominiert werden, müsste jeweils immer eine Subjazenzverletzung vorliegen, ausser die NP bildet gar keine Barriere (vgl. dazu näher 2.2).

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Gegen Bowers’ (1987) Ansatz sprechen auch Extraktionen aus Nominalphrasen mit so genannt starken Determinierern. Sie kommen vor allem in Sätzen mit kontrastiver Lesart vor. Die Grossschreibung zeigt, welches Wort im Satz kontrastiv fokussiert wird: 24) a) PP[Über die Klimaveränderung]i hat Otto DP[den Artikel ti im ANZEIGER] gelesen (und nicht den in der Abendzeitung). b) PP[Von der Himalaya-Expedition]i hat er DP[den FILM ti] gesehen (und nicht die Fotos). c) PP[Über die Klimaveränderung]i hat der Anzeiger DP[PETERS Artikel ti] veröffentlicht (und nicht Ottos). In 24a) liegt der Kontrastfokus auf dem PP-Attribut Anzeiger, in 24b) auf dem Nomen Film und in 24c) auf dem pränominalen Genitivattribut. Sobald ein DP-internes Element kontrastiv fokussiert wird, ist die Extraktion auch dann möglich, wenn die DP definit ist. Das Beispiel 24) widerspricht nicht nur Bowers’ Lösungsvorschlag, sondern auch demjenigen von Diesing (1992): Nach Diesing (1992) ist die Extraktionsmöglichkeit davon abhängig, ob die Existenz des vom Nomen Bezeichneten präsupponiert oder ob sie behauptet wird: 25) a) Otto sieht ein Flugzeug. (Es wird behauptet, dass das Flugzeug existiert. = existenzielle Lesart) b) Das Flugzeug nach Frankfurt konnte pünktlich starten, jenes nach Berlin musste mehr als eine Stunde auf die Starterlaubnis warten. (Die Existenz des Flugzeugs bzw. der beiden Flugzeuge wird vorausgesetzt) Präsupposition ist von mehreren Faktoren abhängig, einer davon ist auch Indefinitheit bzw. Definitheit. So sind definite DPs meist präsupponiert. Indefinite DPs sind zwar häufig nicht präsupponiert, sie sind jedoch in dieser Hinsicht ambig. Präsupponierte DPs müssen obligatorisch aus der VP bewegt werden (= Quantifier Rising), nicht-präsupponierte bleiben in situ. Die Asymmetrie der Beispiele in 23) erklärt sich nach Diesing (1992: 128) ähnlich wie der Freezing-Effekt: Die spezifischen DPs in 23b) – 23c) unterliegen aufgrund ihrer Präsuppositionslesart dem Quantifier Rising. Die Extraktion ist ungrammatisch, weil bewegte XPs Bewegung blockieren. Die DP in 23a) hingegen kann aufgrund ihrer existenziellen Lesart VP-intern stehen bleiben, sodass sie die Bewegung zulässt. Auch Diesings Ansatz (1992) würde eine strukturelle Erklärung für den Definitheitseffekt zulassen, jedoch hat auch dieser Lösungsvorschlag Probleme was Sätze mit Kontrastfokus, wie in 24) angeht: In allen Beispielen von 24) ist die Existenz des von den Nomen Artikel bzw. Film Bezeichneten vorausgesetzt. Die DP müsste also dem Quantifier Rising unterliegen, was einen Freezing-Effekt auslösen müsste. Da die Extraktion allerdings grammatisch ist, muss angenommen werden, dass nicht Quantifier Rising für die Grammatikalität von Extraktionen verantwortlich ist. Es fragt sich aufgrund der Grammatikalität der Beispiele in 24) ohnehin, ob die Spezifizitätsbedingung für Extraktion aufrechtzuerhalten ist. Zwar scheint die Spezifizität der DP einen gewissen Einfluss auf die Extraktion auszuüben, dieser scheint jedoch nur sekundärer Art zu sein. Ob der Spezifizitätseffekt eher strukturell, semantisch oder gar pragmatisch bedingt ist, wird in der Literatur kontrovers diskutiert. Eine strukturelle Erklärung wird durch die Tatsache erschwert, dass die Extraktion aus spezifischen DPs unterschiedlich beurteilt wird:

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26) a) ??Worüber i hat Wolfgang DP[das letzte Buch ti] geschrieben? Müller (1995: 392) b) *PP[Worüber]i hat er DP[Antjes Papier ti] gelesen? Müller (1995: 48) c) ?PP[Über Bismarck]i habe ich DP[Galls Buch ti] gelesen? Pafel (1993: 219) Zwar sind sich alle darin einig, dass die Extraktion aus spezifischen DPs stärker markiert ist als jene aus unspezifischen. Die Grammatikalitätsurteile sind allerdings nicht so deutlich wie sie bei strukturell bedingten Phänomenen sein müssten, was die Vermutung nahe legt, dass wir es hier nicht mit einem strukturellen Faktor zu tun haben. Ich werde in 3.1.5 trotzdem dafür argumentieren, dass der Spezifizitätseffekt strukturell bedingt ist. Dort wird auch eine Begründung für die undeutlichen Grammatikalitätsurteile, die für strukturell bedingte Phänomene eher untypisch sind, gegeben. Left Branch Condition (LBC) Ross (1967, 1986: 127) beschreibt die so genannte Left Branch Condition, die besagt, dass keine NP1 aus einer sie dominierenden NP2 extrahiert werden kann, wenn NP1 die am meisten links stehende Konstituente ist. Diesen Effekt kann man auch bei Extraktion pränominaler Genitive im Deutschen beobachten: 27) a) b) c) d)

Rudi hat DP[einen Krimi PP[von Glauser]] gelesen. PP[Von Glauser]i hat Rudi DP[einen Krimi ti] gelesen. Rudi hat DP[Glausers Krimi] gelesen. *Glausersi hat Rudi DP[ti Krimi] gelesen.

Die postnominale Auctor-PP von Glauser kann topikalisiert werden (vgl. 27b)), nicht so jedoch die pränominale Genitiv-DP in 27d). Es fragt sich allerdings, ob es sich hier tatsächlich um einen Left-Branch-Condition-Effekt handelt, denn auch postnominale Genitiv-DPs können nicht extrahiert werden: 28) a) b) c) d)

Rudi hat DP[alle Tagebücher PP[von seinem Vater]] gelesen. PP[Von seinem Vater] i hat Rudi DP[alle Tagebücher ti] gelesen. Rudi hat DP[alle Tagebücher DP[seines Vaters]] gelesen. *DP[Seines Vaters]i hat Rudi DP[alle Tagebücher ti] gelesen.

In 28) zeigt sich die gleiche Asymmetrie wie in 27): Die postnominale possessive von-PP ist extrahierbar, nicht so jedoch die postnominale Genitiv-PP. Müller (1995a) vermutet hinter diesem Phänomen weniger eine Verletzung der LBC als vielmehr des Kasusfilters. Dass es sich hier eher um ein Kasusproblem handeln könnte, ist einleuchtend, denn Genitiv-DPs lassen sich nie extrahieren, egal ob prä- oder postnominal. Auf dieses Problem wird in 3.1.6 näher eingegangen. Im folgenden Abschnitt wird untersucht, ob neben der Funktion der Extraktionsbasis auch die Funktion der zu extrahierenden PP einen Einfluss auf ihre Extrahibilität hat.

1.1.3 Funktion der PP In den Beispielen in 29) sind die aus den vorherigen Kapiteln bekannten Extraktionsbedingungen eingehalten. Trotzdem ist die PP in 29d) im Gegensatz zu jener in 29b) nicht extrahierbar:

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29) a) b) c) d)

Rudi hat DP[viele Bücher PP[über moderne Architektur]] lesen müssen. PP[Über moderne Architektur] i hat Rudi DP[viele Bücher ti] lesen müssen. Rudi hat DP[viele Bücher PP[mit Eselsohren]] lesen müssen. *PP[Mit Eselsohren]i hat Rudi DP[viele Bücher ti] lesen müssen.

Wäre die Asymmetrie in 29b) und 29d) strukturell bedingt, müsste nachgewiesen werden, dass die beiden Attribut-PPs einen unterschiedlichen syntaktischen Status haben. Der syntaktische Status beider solcher Präpositionalattribute ist in der Literatur allerdings sehr umstritten: Müller (1998) geht davon aus, dass die Präpositionalattribute in 29) unterschiedliche syntaktische Positionen einnehmen: Seiner Theorie zufolge handelt es sich bei der extrahierbaren über-Phrase in 29b) um ein Argument, da es vom Nomen die thematische Rolle THEMA zugewiesen erhält und somit an einer A-Position steht (Argumentposition). Bei der nicht-extrahierbaren PP in 29d) handelt es sich um ein Adjunkt, welches im Gegensatz zur PP in 29b) nicht theta-markiert ist. Da nur theta-markierte PPs extrahierbar sind, lässt sich mit dieser Theorie die Asymmetrie in 29) strukturell erklären. Müller (1998) liefert jedoch keine Begründung dafür, weshalb es sich bei den extrahierbaren Elementen um Argumente handelt, obschon diese Frage in der Literatur sehr kontrovers behandelt wird. So widersprechen dieser Annahme auch De Kuthy (2002) und Fortmann (1996). Beide nehmen an, dass es sich sowohl in 29b) als auch in 29d) um ein Adjunkt handelt. De Kuthy (2002) stellt ihre Begründung auf Grimshaws Theorie (1990), nach welcher nur deverbale und deadjektivische Nomen echte Argumente haben können (eine kritische Darstellung zu Grimshaw (1990) findet sich in Kapitel 2). Deverbale und deadjektivische Nomen behalten die Argumentstruktur der ihnen zugrunde liegenden Verben bei: 30) a) Anna spricht mit Otto. b) Annas Gespräch mit Otto, Annas Gespräch, das Gespräch mit Otto 31) a) Rudi versucht, einen billigen Flug zu bekommen. b) Rudis Versuch, einen billigen Flug zu bekommen, … 32) a) Kolumbus entdeckt Amerika. b) Amerikas Entdeckung durch Kolumbus, die Entdeckung Amerikas durch Kolumbus, die Entdeckung Amerikas, Kolumbus’ Entdeckung … Die Argumente der Verbalstruktur aus den a)-Beispielen werden in der Nominalstruktur der b)-Beispiele (fakultativ) übernommen.10

––––––––– 10

Thetamarkierung ist jedoch nicht das einzige Kriterium für Argumenthaftigkeit. Richtige Argumente sind zwar durch Thetamarkierung lizensiert, allerdings können nur Nomen mit einer komplexen Ereignisstruktur Argumente haben. Grimshaw (1991) unterteilt die Argumente deverbaler Nomen in ›Argumente‹ und ›Komplemente‹. Unter ›Komplement‹ versteht sie eine lexikalisch lizensierte XP, die jedoch im Gegensatz zu echten Argumenten fakultativ ist. Hierher gehören beispielsweise auch Subjekte deverbaler Nomen (die Entdeckung Amerikas durch Kolumbus). De Kuthy (2002) macht diese Unterscheidung nicht. Alle PPs, die von einem deverbalen Nomen theta-markiert sind, werden bei ihr als Argumente behandelt, egal ob fakultativ oder obligatorisch.

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De Kuthy (2002) hält aufgrund der folgenden Beispiele fest, dass Argumente deverbaler Nomen nicht-extrahierbar sind (Notation CS): 33) a) *PP[Mit Hans] i würde ich DP[kein Gespräch ti] als erfolgreich bezeichnen. b) *CP[Einen billigen Flug zu bekommen]i ist DP[jeder Versuch ti] gescheitert. De Kuthy (2002: 22) c) *PP[Nach der Uhrzeit]i habe ich DP[eine Frage ti] beantworten müssen. Pafel (1995: 210) d) *PP[Wegen Amtsmissbrauch]i hat der Beamte DP[alle Beschuldigungen ti] zurückgewiesen. Sie schliesst daraus, dass nur Adjunkte oder Modifizierer extrahierbar sind, nicht jedoch Argumente. Damit ist sowohl die extrahierbare PP über moderne Architektur in 29a) und b) als auch die nicht-extrahierbare mit Eselsohren in 29c) und d) ein Adjunkt. Für die Asymmetrie in 29) kann sie keinen strukturellen Faktor verantwortlich machen, denn die PPs haben ihrer Theorie zufolge jeweils den gleichen syntaktischen Status. De Kuthys Theorie (2002) hat den grossen Nachteil, dass sie eine Gruppe von extrahierbaren Elementen definiert, Adjunkte bzw. Modifizierer, von der nur ein kleiner Teil tatsächlich extrahierbar ist. Dieses Vorgehen hat zur Folge, dass eine Regel für einige Ausnahmefälle definiert wird, und dass der Normalfall, nämlich die Nicht-Extrahierbarkeit der meisten Adjunkt-PPs, nicht erklärt werden kann. De Kuthy (2002: 24) räumt zwar ein, dass Adjunkte nicht immer extrahiert werden können: 34) *Mit roten Haaren hat er [eine neue Freundin]. Sie begründet dies jedoch mit lexikalisch-semantischen Einflüssen, wie der semantischen Nähe zwischen Nomen und Verb. Dieser Faktor kann vielleicht Sätze wie Beispiel 34) erklären, nicht aber die Asymmetrie in 29), wo sich weder Kontext noch Nomen oder Verb unterscheiden. Die Nicht-Extrahierbarkeit von Adjunkt-PPs ist so systematisch, dass es meines Erachtens problematisch ist, diese nicht strukturell erklären zu wollen. Da De Kuthy (2002) keinen systematischen Unterschied zwischen extrahierbaren Adjunkten und nicht-extrahierbaren beschreibt, kann ihre Theorie die Nicht-Extrahierbarkeit der meisten Adjunkt-PPs nicht erklären. Folglich ist ihre Theorie viel zu liberal. Pafel (1995b) nimmt eine Zwischenposition zwischen Müllers und De Kuthys Theorien ein: Nach seiner Analyse ist die über-PP in 29b) gleich wie Argumente deverbaler Nomen theta-markiert, sie wird jedoch nicht wie diese als N-Komplement, sondern als DP-internes NP-Adjunkt basisgeneriert. Seiner Theorie zufolge gibt es drei Typen von PP-Attributen: a) Argumente von deverbalen Nomen, die als N-Komplemente basisgeneriert sind und nicht extrahiert werden können (vgl. die Beispiele in 33)), b) Argumente von nicht-deverbalen Nomen, die an einer Adjunktposition basisgeneriert sind und als einzige extrahiert werden können, und c) nicht-thematische Adjunkte, die nicht extrahiert werden können. Die PPs in 29) würden sich somit also lexikalisch unterscheiden, nicht aber strukturell. Pafels (1993, 1995b) Theorie hat gegenüber jener von De Kuthy (2002) den Vorteil, dass sie systematische Unterschiede zwischen den extrahierbaren und den nicht-extrahierbaren PPs beschreibend erfasst und auch den grossen Teil der nicht-extrahierbaren Adjunkt-PPs ausschliesst. Sie hat allerdings 1. den Nachteil, dass sie einen strukturellen Unterschied zwischen Argumenten deverbaler Nomen und Argumenten nicht-deverbaler Nomen bemühen muss und 2., dass Argumente und Adjunkte nicht-deverbaler Nomen strukturell nicht unterscheidbar

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sind. Der Zwang zu dieser Dreiteilung ergibt sich bei Pafel (1993, 1995b) daraus, dass er Argumente deverbaler Nomen grundsätzlich für nicht-extrahierbar hält. Die folgenden Beispiele zeigen jedoch, dass die Extraktion von Argumenten deverbaler Nomen durchaus möglich ist:11 35) a) PP[Für Maria]i hat Peter DP[grosses Verständnis ti] gezeigt. b) PP[Gegenüber dem Makler]i hegten wir von Anfang an DP[grosses Misstrauen ti]. c) PP[In die Ehrlichkeit der Menschen]i sollte man nicht DP[zu grosses Vertrauen ti] haben. d) PP[Gegen UV-Strahlen]i bietet diese Sonnencreme DP[wenig Schutz ti]. e) PP[An alten Kleidern]i hat das Rote Kreuz immer DP[Bedarf ti]. f) PP[Unter den Bewerbern]i musste der Chef DP[eine Auswahl ti] treffen. g) PP[Zum Thema ›Gen-Schutz‹]i wollte Otto DP[keine Meinung ti] äussern. h) PP[Für Linguistik]i hat Berta DP[grosses Interesse ti] gezeigt. Wenn die Extraktion von Argumenten aber möglich ist, dann gibt es keinen Grund mehr, einen strukturellen Unterschied zwischen den unterschiedlichen Argumenttypen zu bemühen. Die Regel würde dann lauten, dass nur Argument-PPs, nicht aber Adjunkte extrahierbar sind. Es ist allerdings fraglich, ob dieser Schluss zulässig ist. Das Problem ist, dass in einigen Arbeiten bestritten wird, dass es sich in Beispielen wie in 35) überhaupt um Extraktion handelt. So lässt auch De Kuthy (2002) die Beispiele 35) nicht als Gegenbeispiele für 33) gelten, und zwar aus folgendem Grund: Im Gegensatz zu den ungrammatischen Argument-Extraktionen in 33) liegt in allen Beispielen in 35) ein Nominalisierungsverbgefüge12 (NVG) vor. Nach De Kuthy (2002: 31ff.) ist jedoch die Argument-PP in Nominalisierungsverbgefügen wie in 35) kein Argument des Nomens, sondern des Nomen-Verb-Komplexes, welches als semantisches Prädikat fungiert. Die PP ist demnach nicht in die DP eingebettet, sodass sie auch nicht aus dieser extrahiert wird. Stimmt diese Analyse für NVG, dann hätte man tatsächlich keine Belege für Argumentextraktionen aus DPs, was bedeuten würde, dass man nur noch schwer einen strukturellen Grund für die Beweglichkeitsasymmetrien von Präpositionalattributen finden würde. Die Argumentstruktur von Nominalisierungsverbgefügen ist also entscheidend für die Beantwortung der Frage, ob Argumente extrahierbar sind oder nicht. Dies wird daher in Kapitel 2 näher untersucht. Egal, ob sich herausstellt, dass in NVGn Extraktion vorliegt oder nicht, es müssen Gemeinsamkeiten – evtl. auch struktureller Art – aller extrahierbaren PPs gesucht werden. Für ––––––––– 11

12

Der Begriff ›deverbales Nomen‹ wird in der Literatur unterschiedlich gebraucht. In dieser Arbeit wird der Terminus weit gefasst. Es werden all jene Nomen zu den deverbalen Nomen gezählt, denen ein Verb zugrunde liegt und deren Argumentstruktur sich von der verbalen Argumentstruktur ableiten lässt. Manchmal werden Nominalisierungsverbgefüge auch als Funktionsverbgefüge bezeichnet (vgl. Helbig 1979). Ich folge hier jedoch der Terminologie von Polenz (1987), nach der Funktionsverbgefüge ein Subtyp von Nominalisierungsverbgefügen sind. Anders jedoch als bei den anderen Nominalisierungsverbgefügen erbringt das Funktionsverb in Funktionsverbgefügen eine gewisse semantische Eigenleistung, dies, obschon die Bedeutung im Vergleich zum entsprechenden Vollverb ›ausgebleicht‹ ist.

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die Suche nach diesen Gemeinsamkeiten ist die Analyse zu den NVGn entscheidend, denn sollte sich herausstellen, dass es sich hier tatsächlich um Extraktion handelt, so müssten diese PPs doch in einigen wesentlichen Merkmalen mit den anderen extrahierbaren PPs übereinstimmen. Damit müssten die Charaktereingenschaften von PPs in NVGn allgemein Aufschluss über die Faktoren geben können, die für die Beweglichkeit von Präpositionalattributen verantwortlich sind. Leider ist bisher versäumt worden, strukturelle Gemeinsamkeiten von extrahierbaren Präpositionalattributen unterschiedlicher Art herauszuschälen. Ein Grund für dieses Versäumnis ist, dass meist nur ein Typ von Extraktion betrachtet wird: Die Literatur zur Extraktion aus DPs (bzw. NPs) konzentriert sich meist nur auf die Extraktion aus DPs mit so genannten picture nouns (vgl. u.a. Erteschik-Shir 1981, Bach/Horn 1976, Catell 1976, Davies/Dubinsky 2003, Müller 1995 und 1998, Chomsky 1973). Picture nouns sind Nomen, die ein Werk im weiten Sinn bezeichnen (Werknomen). Nicht nur die Extraktion aus DPs mit deverbalen Nomen wird vernachlässigt, sondern meist auch die Tatsache, dass noch andere Nomen Extraktion zulassen, wie die folgenden Beispiele zeigen: 36) a) Wer hat sonst noch DP[Lust/Appetit PP[auf Bananen]]? b) PP[Auf Bananen] i hat Otto DP[grosse Lust/grossen Appetit ti]. 37) a) b) c) d)

Marina hat erst DP[ein Kapitel PP[von diesem Buch]] gelesen. PP[Von diesem Buch]i hat Marina erst DP[ein Kapitel ti] gelesen. DP[Alle Wände PP[vom kleinen Zimmer]] müssen noch gestrichen werden. PP[Vom kleinen Zimmer] i müssen noch DP[alle Wände ti] gestrichen werden.

38) a) Oskar hat bereits DP[viele Gläser PP[von diesem Wein]] getrunken. b) PP[Von diesem Wein] i hat Oskar bereits DP[viele Gläser ti] getrunken. c) PP[Vom weissen Wein]i können Sie mir DP[drei Liter ti] geben. Will man den Einfluss der Extraktionsspitze auf die Extraktionsmöglichkeit analysieren, kommt man nicht drum herum zu untersuchen, was die PPs in 36) – 38) mit PP-Attributen von picture-nouns gemeinsam haben. Dabei muss auch das Verhältnis des Nomens zum Attribut Gegenstand der Untersuchung sein, denn nur so lässt sich nachweisen, ob extrahierbare PPs Teil der Argumentstruktur ihres Nomens sind oder nicht. Das Verhältnis des Nomens zum extrahierbaren Attribut wird in 2.3 untersucht.

1.1.4 Zusammenfassung Es hat sich gezeigt, dass die Position, die eine Extraktionsbasis einnimmt, wesentlich für ihre Transparenz ist. So kann nur aus direkten Objekten und aus Subjekten unakkusativischer Verben extrahiert werden. Diese nehmen jeweils die gleiche Basisposition ein. Aus Adjunkten und indirekten Objekten ist Extraktion generell unmöglich. Diese Systematik bestärkt die Vermutung, dass Extraktion starken strukturellen Einflüssen unterliegt. Es hat sich aber auch gezeigt, dass die Position nicht der einzige Faktor ist, der Extraktion ermöglicht oder behindert. Die folgenden Phänomene lassen sich nicht direkt mit diesem Faktor erklären. Bei den meisten ist zudem fraglich, ob dafür eine strukturelle oder eine andersartige Beschränkung verantwortlich ist:

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Die meisten Theorien versuchen den Spezifizitätseffekt strukturell zu erfassen, indem sie dem semantischen Phänomen einen syntaktischen Reflex zuordnen. Beispiele von Extraktionen aus spezifischen, kontrastiv fokussierten DPs legen jedoch die Vermutung nahe, dass ein Phänomen den Spezifizitätseffekt auslöst, das nicht direkt mit Spezifizität oder Definitheit zu tun hat, sondern nur indirekt und oberflächlich, dass also Spezifizität gar nicht der primäre Grund für den Spezifizitätseffekt ist, sondern dass dieser von einem anderen Faktor abgeleitet ist. Für eine strukturelle Erklärung dieses Phänomens kommt erschwerend hinzu, dass der Spezifizitätseffekt keine eindeutige Ungrammatikalität auslöst, sondern dass er schwankenden Grammatikalitätsurteilen unterliegt. Dies könnte ein Indiz dafür sein, dass es sich um ein semantisches oder pragmatisches Phänomen handelt.



Die Left-Branch-Condition scheint im Deutschen wenig damit zu tun zu haben, dass eine vom Kern links positionierte DP nicht extrahiert werden kann. Vielmehr ist es so, dass Genitivphrasen generell nicht extrahiert werden können, ob sie nun links oder rechts von Nomen positioniert sind.13 Für die Unbeweglichkeit von Genitivattributen gibt es bis heute noch keine zufriedenstellende Erklärung, vieles weist allerdings darauf hin, dass kasustheoretische Gründe dafür verantwortlich zu machen sind.



Ob die Funktion bzw. die Position der Extraktionsspitze für ihre Beweglichkeit verantwortlich gemacht werden kann, wird so kontrovers diskutiert, dass bisher noch keine Antwort auf die Frage gegeben werden konnte, welcher Faktor die Beweglichkeit von PP-Attributen bestimmt. Die Struktur der DP ist daher in Kapitel 2 Gegenstand einer genaueren Untersuchung. Zentral ist dabei vor allem die Argumentstruktur von NVGn und von nicht-deverbalen Nomen.



Theorien, welche einen strukturellen Einfluss auf Extraktionsphänomene verneinen, begründen dies meist mit Extraktionen aus Subjekten von transitiven Verben. Strukturell sollte Extraktion aus diesen aufgrund des Faktors Position ausgeschlossen sein. Da der Faktor Position jedoch eine hohe Systematik aufweist und ihm daher ein entsprechend grosser Geltungsbereich zukommt, stellt sich die Frage, ob er aufgrund einzelner Fälle fallen gelassen werden soll. Meines Erachtens muss das Gewicht der unsystematischen Extraktionsfälle näher untersucht werden, um zu vermeiden, dass man Regeln bzw. Erklärungen aufbringt, die zwar den Sonderfall erfassen, dem Standardfall jedoch nicht gerecht werden können. Selbstverständlich kann nur eine Theorie Erklärungsadäquatheit erreichen, die auch den Sonderfall begründen kann. Daher dürfen diese vermeintlich unsystematischen Extraktionen nicht, wie in vielen bewegungstheoretischen Arbeiten, einfach aus der Betrachtung ausgeschlossen werden, sie sollen allerdings auch nicht, wie in Anti-Bewegungsansätzen, überbewertet werden.

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Eine Ausnahme bildet die folgende Konstruktion, auf die mich Peter Gallmann p.c. aufmerksam gemacht hat: i) Der Gründe dafür gibt es viele. Hier handelt es sich allerdings um eine NP-Aufspaltungskonstruktion. Möglicherweise ist sie auch durch die folgende parallele Aufspaltungskonstruktion repariert: ii) Gründe dafür gibt es viele.

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Im Folgenden werden die lexikalisch-semantischen und die pragmatischen Faktoren beschrieben. Vor allem letztere werden in bewegungstheoretischen Ansätzen häufig vernachlässigt.

1.2 Lexikalisch-semantische Faktoren Wir haben unter 1.1 gesehen, dass aus indefiniten Akkusativobjekt-DPs mit picture noun PP-Attribute extrahierbar sind. Alle bereits genannten Bedingungen sind in 39) erfüllt: 39) a) PP[Über moderne Architektur] i hat Rudi DP[ein Buch ti] gelesen. b) *PP[Über moderne Architektur] i hat Rudi DP[ein Buch ti] gehasst /gestohlen / zerrissen. Auf den ersten Blick scheint das Verb für die Asymmetrie verantwortlich zu sein, denn der einzige Unterschied zwischen dem grammatischen Beispiel in 39a) und dem ungrammatischen in 39b) ist, dass das Verb lesen durch die Verben stehlen, hassen, zerreissen ersetzt wurde. Dies legt einen lexikalischen Erklärungsansatz nahe, wonach die Transparenz des Objekts irgendwie zur lexikalischen Information ihres Prädikats gehört. Neben der Tatsache, dass ein rein lexikalischer Erklärungsansatz Probleme mit der Lernbarkeitsbedingung hätte, lässt er sich auch empirisch nicht aufrecht erhalten: 40) a) PP[Über die Antarktis] i hat Anna schon DP[viele Dokumentarfilme ti] gesehen. b) *PP[Über die Antarktis] i hat Anna (in der Bibliothek) DP[viele Bücher ti] gesehen. c) PP[Über die Antarktis] i habe ich DP[viele Bücher ti] gelesen. Das Verb sehen lässt, wie 40a) zeigt, Extraktion aus seinem Objekt mit picture noun zu, jedoch nur in Kombination mit dem Nomen Dokumentarfilm und nicht in Kombination mit dem Nomen Buc,h wie 40b) zeigt. Es muss also nicht nur ein bestimmtes syntaktisches Verhältnis zwischen Verb und Nomen bestehen, sondern auch ein enges semantisches, was auch die folgenden Beispiele illustrieren: 41) a) b) c) d) e)

Über die Entdeckungen hat Hans viele Bücher gelesen. Über ihre Hobbys haben die Schüler schon viele Aufsätze geschrieben. Über die Unterwasserwelt hat Cousteau viele Filme gedreht. Über Amerika hat er viele Dokumentationen gesehen. Über den Krieg hat er viele Bilder gemalt.

In all diesen Beispielen beinhaltet die Objekt-DP ein Nomen, welches ein Werk bezeichnet. Werke werden kreiert oder perzipiert. Extraktion ist vor allem dann möglich, wenn das Nomen mit dem ihm entsprechenden Kreations- bzw. Perzeptionsverb kombiniert wird, Bücher werden geschrieben und gelesen, Filme gedreht und gesehen usw. Bereits Sauerland (1995:14) hat darauf aufmerksam gemacht, dass nicht nur Eigenschaften des Verbs für die Extraktionsmöglichkeit von PPs verantwortlich sind, sondern dass ein enges semantisches Verhältnis von V und N für die Extraktion nötig ist. Wie die folgenden Beispiele

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zeigen, muss jedoch das semantische Verhältnis nicht so eng sein, dass die Semantik des Verbs das Vorhandensein des Nomens oder umgekehrt bereits impliziert. Verben des Gebens oder das Verb kaufen lassen ebenfalls Extraktion in Kombination mit Werknomen zu: 42) a) PP[Zum Thema Extraktion]i hat die Professorin den Studierenden DP[mehrere Aufsätze ti] gegeben. b) PP[Von Braque]i hat der Kunstmäzen dem Museum DP[einige Bilder ti] geschenkt. c) PP[Über die Toskana] i hat Anna vor dem Urlaub DP[ein Buch ti] gekauft. Ist das Verb in Kombination mit dem Werknomen jedoch eher unerwartbar, wie in 40b), ist die Extraktion ungrammatisch. Über die Frage, wie die lexikalisch-semantischen Faktoren zu erfassen sind, gibt es in der Extraktionsliteratur verschiedene Lösungsvorschläge. Die meisten beachten allerdings nur Kreations- und Perzeptionsverben wie diejenigen in 41) (vgl. Davies/Dubinsky (2003), Erteschik-Shir (1981), Diesing (1992), Bach /Horn (1976)). Unter 4.1 wird eine Erklärung des lexikalisch-semantischen Effekts vorgeschlagen, die auch weitere Nomentypen miteinbezieht. Neben dem lexikalischen bzw. lexikalisch-semantischen Effekt wird in der Literatur noch ein weiterer Effekt diskutiert, der auf semantische Faktoren zurückzuführen ist. So beobachtet Pafel (1993), dass die Beweglichkeit der PP davon abhängig ist, welche thematische Rolle sie trägt. Bei der Extraktion aus DPs mit picture-noun ist die Themaphrase weniger beweglich als die Auctorphrase, wie das folgende Beispiel zeigt: 43) a) Von seiner Ex-Freundin hat Rudi alle Briefe zerrissen. b) *Über Politik hat Rudi alle Artikel zerrissen. Pafel (1993) schlägt vor, dass thematische Hierarchien die Extraktion beeinflussen. Dieser Vorschlag wird unter 4.2 diskutiert.

1.3 Kontextsensitivität der Extraktion Fanselow (1991: 185) behauptet, dass ungrammatische Sätze wie der in Beispiel 44) akzeptabler werden, wenn sie im richtigen Kontext eingebettet sind, wie in 45): 44) *Über Chomsky hat Britt alle Bücher zerrissen. 45) Schau her, was Britt, deine Tochter, mit meiner Biographiensammlung angestellt hat! Die Bücher sind zerrissen, bemalt und mit Brei bekleckert! Zwei meiner Bände über Carnap sind entzwei! Drei von meinen Biographien über Bloomfield sind zerfetzt und über Chomsky hat sie sogar alle Bücher zerrissen. Eine ähnliche Beobachtung macht auch De Kuthy (2002: 103) mit dem ungrammatischen Satz aus 34), hier wiederholt als 46): 46) *Mit roten Haaren hat Peter [eine neue Freundin].

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47) Auf einer Show in Düsseldorf wurden die neuesten Frisurmodelle vorgestellt. a) Mit kurzen Haaren wurden dabei nur [drei Modelle] gezeigt. Solche Beispiele werden häufig als Argument gegen syntaktisch begründete Analysen des Extraktionsphänomens angeführt. Trotzdem unterscheiden sich diese Beispiele von den grammatischen Extraktionen darin, dass sie ohne Kontextangabe ungrammatisch sind. Es fragt sich daher, ob es sich hier um das gleiche Phänomen handelt wie bei den auch im isolierten Gebrauch grammatischen Extraktionen. Weiter unterscheiden sich die im isolierten Gebrauch ungrammatischen von den grammatischen Sätzen auch darin, dass letztere meist eindeutige Grammatikalitätsurteile erfahren, während erstere bei der Mehrzahl meiner InformantInnen zumindest mit einem Fragezeichen markiert wurden. Die Sätze sind also auch dann umstritten, wenn sie in einen Kontext eingebettet sind.14 Nun sind jedoch auch Sätze, die wir bis anhin isoliert betrachtet und als grammatisch angesehen haben, kontextsensitiv. So sind sie nicht in allen Kontexten gleich angemessen (unangemessene Äusserungen, die im isolierten Gebrauch grammatisch sind, werden mit # gekennzeichnet): 48) Rudi war gestern im Kino. a) #PP[Über die Antarktis]i hat er DP[einen Dokumentarfilm ti] angeschaut. Im Anschluss an den Einleitungssatz ist die Extraktion der PP äusserst unangemessen, dies, obschon sie im isolierten Gebrauch grammatisch ist, wie wir in 2) gesehen haben. Auf die von A gemachte Äusserung in 49) hingegen ist B’s Entgegnung mit extrahierter PP in Ordnung: 49) A: Rudi interessiert sich doch für die Antarktis. a) B: Ja. PP[Über die Antarktis]i hat er schon DP[viele Dokumentarfilme ti] gesehen. Im Gegensatz zu den Beispielen 44) – 47), wo der Kontext die Akzeptabilität eines ungrammatischen Satzes erhöht, hat der Kontext in den Beispielen 48) und 49) nicht Einfluss auf die Grammatikalität, sondern lediglich auf die Angemessenheit. Wir haben bisher nur die Frage gestellt, welche Faktoren Extraktion verhindern, keinen jedoch, was überhaupt die Bewegung auslöst. Vergleicht man 48) mit 49), könnte angenommen werden, dass die Extraktion durch den Kontext ausgelöst bzw. verlangt wird, denn je nach Kontext kann Extraktion erfolgen oder auch nicht. Das Problem ist allerdings, dass in gewissen Kontexten Extraktion zwar unangemessen ist, dass aber kein Kontext die Extraktion obligatorisch verlangt. So ist sie auch in dem von Beispiel 49) vorgegebenen Kontext fakultativ, wie B’s Entgegnung in 50) zeigt: 50) A: Rudi interessiert sich doch für die Antarktis. a) B: Ja. Er hat schon DP[viele Dokumentarfilme PP[über die Antarktis]] gesehen. Das Problem der fakultativen Bewegung und der Einfluss der pragmatischen Faktoren auf die Extraktion werden in den Kapiteln 5 und 6 thematisiert. ––––––––– 14

Grammatikalitätsurteile können, wie ich in 6.1 ausführen werde, durchaus ein Indiz dafür sein, ob es sich um ein strukturell-syntaktisches oder um ein rein pragmatisches Phänomen handelt, welches anderen Gesetzmässigkeiten folgt.

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1.4 Bewegungsarten

Wir haben bereits in der Einleitung zu diesem Kapitel in Beispiel 2) gesehen, dass die PP nicht nur an der Satzspitze stehen, sondern auch andere Positionen einnehmen kann. Je nach Typ des bewegten Elements und je nach Landeposition unterscheidet man verschiedene Bewegungsarten. Diese werden im Folgenden kurz erläutert. Für die Beschreibung der Landepositionen bediene ich mich der etablierten Terminologie, die dem Modell der topologischen Felder entstammt (vgl. dazu Hoffmann e.a. 1997: 1500 ff.): Nach diesem Modell unterscheidet man im deutschen Satz drei Positionen, die mithilfe der Satzklammer definiert sind: Im V1- und V2-Satz bilden die Verbalteile die Satzklammer (im Nebensatz ist es der nebensatzeinleitende Ausdruck und der finite Verbteil). Als Mittelfeld wird jener Satzabschnitt bezeichnet, der sich zwischen dem linken und dem rechten Satzklammerteil befindet, das Vorfeld ist vor dem linken Satzklammerteil positioniert, und der Satzabschnitt hinter dem rechten Satzklammerteil wird als Nachfeld bezeichnet.15 In der folgenden Tabelle ist dargestellt, an welchen Positionen die DP und die von ihr getrennte PP stehen können. 51) Tabelle 1-2 Position PP a) Mittelfeld b) Mittelfeld c) Vorfeld d) Vorfeld e) Nachfeld f)

Mittelfeld

g) Mittelfeld

Position DP Beispiel Mittelfeld Rudi hat DP[einen Bericht PP[über die Antarktis]] gelesen. Mittelfeld Rudi hat PP[über die Antarktis]i DP[einen Bericht ti] gelesen. Mittelfeld PP[Über die Antarktis]i hat Rudi DP[einen Bericht ti] gelesen. Mittelfeld Worüberi hat Rudi DP[einen Bericht ti] gelesen? Mittelfeld Rudi hat DP[einen Bericht ti] gelesen, PP[über die Antarktis]i. Vorfeld DP[Einen Bericht ti] hat Rudi PP[über die Antarktis]i gelesen. *Nachfeld *Rudi hat PP[über die Antarktis]i gelesen DP[einen Bericht ti].

In 51a) ist die PP in-situ geblieben. In 51b) ist sie zwar extrahiert, sie bleibt allerdings im Mittelfeld. Es wird angenommen, dass die PP an eine maximale Projektion (VP) adjungiert bzw. gescrambelt ist.16 In 51c) – d) besetzt die PP das Vorfeld. Man unterscheidet zwei Arten von Vorfeldbesetzung: In 51c) spricht man von Topikalisierung der PP, in 51d), wo ein Fragewort bewegt wurde, von wh-Bewegung. Der Begriff ist aus dem Englischen ab––––––––– 15

16

Dieses Modell ist nicht unumstritten. Für eine Diskussion dieses Modells siehe Höhle (1987) und Reis (1980). Das Modell wird hier nur zu Darstellungszwecken genutzt und soll daher nicht detaillierter diskutiert werden. Diese Annahme wird in 6.2 modifiziert.

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geleitet, wo Fragewörter als wh-Wörter bezeichnet werden. In 51e) ist die PP extraponiert und besetzt die Nachfeldposition. Aufgrund der Landeposition der PP und des Typs des bewegten Elements lassen sich zusammenfassend folgende Bewegungsarten unterscheiden: a) b) c)

Vorfeldbesetzung: Topikalisierung und wh-Bewegung Bewegung ins Mittelfeld: Scrambling Nachfeldbesetzung: Extraposition

All diesen Bewegungsarten ist gemein, dass es sich um A’-Bewegungen handelt, das heisst, die Landeposition der PP ist eine Nicht-Argumentposition.17 In den Beispielen 51f) – g) bleibt die PP im Mittelfeld stehen, dagegen besetzt die unvollständige DP das Vorfeld bzw. Nachfeld. Anders als bei Bewegung der vollständigen PP kann die DP mit der PP-Spur jedoch nur im Vorfeld stehen. Eine Nachfeldbesetzung wie in 51g) ist ungrammatisch. Dieser Extraktionstyp (auch Remnant Movement genannt) ist für die Bewegungstheorie problematisch, da die Spur ti in 51f) von der PP nicht c-kommandiert wird und somit das ECP verletzt. Da die Spur also sowohl auf LF als auch auf der S-Struktur ungebunden ist, müsste 51f) ungrammatisch sein. Müller (1996 und 1998b) versucht trotzdem, das Phänomen bewegungstheoretisch zu erfassen. Dies gelingt dank einer derivationellen Sichtweise. Das Remnant-Movement-Phänomen und Müllers Lösungsvorschlag sowie die Kritik an diesem Ansatz werden unter 3.1.7 ausführlicher besprochen und darum hier nicht weiter thematisiert. Im Folgenden werden die Bewegungsarten näher betrachtet und miteinander verglichen.

1.4.1 Wh-Bewegung Die wh-Extraktion wird im Grossen und Ganzen von den gleichen Faktoren bestimmt wie die Topikalisierung: 52) a) b) c) d) e) f) g) h) i) k)

Worüberi hat Anna DP[viele Artikel ti] gelesen? Von wemi ist DP[ein Artikel ti] erschienen? *Worüberi haben Anna DP[viele Artikel ti] beeindruckt? *Worüberi ist DP[keinem Buch ti] bisher ein Preis verliehen worden? *[Von wem]i hat Anna PP[mit einem Buch ti im Arm] die Strasse überquert? *Worüberi ist DP[ein Artikel ti] von keinem gelesen worden? *Worüberi hat Anna DP[diesen Artikel ti] schliesslich gelesen? * Wessen i hat Anna DP[ti Artikel] gelesen? *Womiti hat Anna DP[einen Artikel ti] gelesen? (mit Eselsohren) *Worüberi hat Anna DP[einen Artikel ti] weggeschmissen?

Nur die Extraktion aus direkten Objekten (52a)) und Subjekten mit unakkusativischen Verben (52b)) ist möglich. Subjekte (52c)), indirekte Objekte (52d)) und Adjunkte (52e)) hingegen sind Bewegungsinseln. Jedoch auch die Extraktion aus direkten Objekten und Subjekten von unakkusativischen Verben ist eingeschränkt durch den Freezing-Effekt ––––––––– 17

Die Asymmetrien der verschiedenen A’-Bewegungen hat Müller (1995) ausführlich untersucht.

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(52f)), den Spezifizitätseffekt (52g)) und durch das Verbot der Extraktion von Genitivattributen (52h)). Weiter sind auch nur jene wh-Elemente extraktionsfähig, die topikalisiert werden können (52i)) und auch die wh-Extraktion folgt den lexikalisch-semantischen Bedingungen. Das Einzige, was die wh-Extraktion von der PP-Topikalisierung unterscheidet, ist der Auslöser der Bewegung. Da es sich beim wh-Wort um einen Träger eines wh-Merkmals handelt, ist die Extraktion im Deutschen obligatorisch, denn das wh-Merkmal muss durch offene Bewegung nach SpecCP überprüft werden. Dementsprechend ist die wh-Extraktion auch nicht kontextabhängig.

1.4.2 Scrambling Webelhuth (1987) hat beobachtet, dass auch die Bewegung der PP ins Mittelfeld durch die gleichen Bedingungen eingeschränkt wird wie die Topikalisierung, denn auch diese ist nur möglich, wenn die Extraktionsbasis das direkte Objekt bzw. das Subjekt eines unakkusativischen Verbs ist, wenn sie indefinit ist und wenn Verb und Nomen eine gewisse semantische Nähe zueinander aufweisen. In 53) sind einige Parallelbeispiele zu 52) aufgeführt: Sie zeigen, dass Scrambling die gleichen Einschränkungen erfährt wie wh-Bewegung und Topikalisierung: 53) a) b) c) d) e) f) g)

Anna hat PP[über Glauser] i bereits DP[viele Artikel ti] gelesen. Gestern ist PP[über Glauser]i DP[ein Artikel ti] erschienen. *Anna haben PP[über Glauser]i DP[viele Artikel ti] beeindruckt. *Gestern ist PP[über Glauser]i DP[keinem Buch ti] ein Preis verliehen worden. *Anna hat PP[über Glauser]i DP[diesen Artikel ti] schliesslich gelesen? *Anna hat PP[mit Eselsohren]i DP[einen Artikel ti] gelesen. *Anna hat PP[über Glauser]i schliesslich DP[einen Artikel ti] weggeschmissen?

Ähnlich wie Topikalisierung ist jedoch auch Scrambling nur in gewissen, in Kapitel 5 ausführlicher beschriebenen Kontexten möglich: 54) A: Was hat Rudi gestern gemacht? a) B: #Er hat PP[über die Antarktis] i DP[einen Dokumentarfilm ti] gesehen. Auf die Frage von A ist eine Antwort mit Scrambling unangemessen, auch wenn der Satz im kontextfreien Gebrauch grammatisch ist. Scrambling der PP ist jedoch, wie auch die Topikalisierung, nicht obligatorisch: 55) A: Worüber hat Rudi einen Dokumentarfilm gesehen? a) B: Er hat PP[über die Antarktis]i DP[einen Dokumentarfilm ti] gesehen. b) B: Er hat DP[einen Dokumentarfilm PP[über die Antarktis]] gesehen. In jenen Kontexten, die Scrambling erlauben, ist auch die in-situ-Variante angemessen.

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1.4.3 Extraposition Es ist allgemein bekannt und wenig bestritten, dass Extraposition sich in den folgenden Punkten von den anderen bisher vorgestellten Bewegungsarten unterscheidet: 1. Die extraponierte XP ist rechts vom Kopf der YP positioniert, in der sie eingebettet ist. Ihre Generierung wird auf mehrere Arten analysiert: a)

Die extraponierte XP wird durch Bewegung rechts an die IP oder CP adjungiert (z.B. Müller 1995b; Büring /Hartmann 1995, 1997) bzw. sie ist an dieser Position basisgeneriert (z.B. Culicover / Rochemont 1990).

b)

Die in YP eingebettete extraponierte XP bleibt an ihrer Basisposition stehen (bzw. wird nach Müllers Remnant-Movement-Analyse zunächst nach links adjungiert). Das YP-Segment mit der XP-Spur wird nach links versetzt (z.B. Müller 1997).18

2. Extraposition ist satzgebunden, das heisst, sie darf nicht über eine CP-Grenze erfolgen:19 56) a)

Antje hat immer zugegeben, CP1[dass NP[der Versuch tj] scheitern muss, CP2[mit vier Bällen zu jonglieren]j], wenn sie guter Laune war.

b) *Antje hat immer zugegeben, CP1[dass NP[der Versuch tj] scheitern muss], wenn sie guter Laune war, CP2[mit vier Bällen zu jonglieren]j20 c) *Ich denke, CP1[der Journalist hätte zunächst DP[einige seriöse Artikel ti] lesen müssen]], um die Anzeige wegen Verleumdung zu vermeiden PP[über den Schlagerstar] i. Die CP2 darf zwar von der sie einbettenden NP (bzw. DP) getrennt erscheinen, wie 56a) zeigt, sie darf jedoch nicht über die sie dominierende CP1 hinaus extraponiert werden, das heisst, sie muss von dieser inkludiert werden. Das gilt sowohl für die Extraposition einer CP wie in 56b) als auch einer PP wie in 56c). Für Linksversetzung gilt diese Beschränkung nicht: Lange Topikalisierung wie in 57a) oder lange wh-Bewegung wie in 57b) ist zulässig: 57) a) PP[Über diesen Schlagerstar] i, denke ich, CP[ti’ C’[müsste der Journalist unbendingt DP[einige seriöse Artikel ti] lesen]], bevor er seinen eigenen schreibt.

––––––––– 18

19

20

Vor allem Theorien, die auf diejenige von Kayne (1994) fussen, analysieren Extraposition analog zur 2. Annahme. Nach der Theorie von Kayne (1994) – hier stark vereinfacht dargestellt – ist die lineare Ordnung der Konstituenten durch die hierarchische Struktur determiniert: Alle Knoten müssen asymmetrisch c-kommandiert sein. Multiple Adjunktion ist verboten. Die universelle Ordnung innerhalb einer Phrase ist SVO, das heisst, Spezifizierer vor Verb vor Komplement. Durch das Verbot der multiplen Adjunktion und das Obligatorium der SVO-Ordnung ist Rechtsadjunktion verboten, und zwar sowohl Adjunktion als Basisgenerierung als auch als Bewegung. Bekannt wurde dieses Phänomen unter dem Begriff Upward Boundedness Constraint (vgl. Ross 1967, 1986: 174–179) oder Right Roof Constraint. Die beiden Sätze sind Müller (1995b: 214) entnommen. Er analysiert hier, wie die Notation zeigt, Extraposition als Bewegung nach rechts.

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b) PP[Über wen]i meinst du, CP[ti’C’[dass der Journalist DP[einige seriöse Artikel ti] lesen sollte]]? 3. Die Inselbeschränkungen werden bei Extraposition nur teilweise eingehalten: 58) a) Schliesslich hat auch DP[jene Frau ti] den Raum betreten, CP[die Otto geküsst hat]i. b) Ihn hat DP[die Tatsache ti] sehr berührt, CP[dass Rudi gelogen haben soll]. c) Er hat [die ganze Nacht ti] geschlafen, [die er im Verliess zubrachte]i. (Haider 1997: 125) In 58a) ist ein Relativsatz aus der Subjekt-DP extraponiert, in 58b) ein CP-Komplement des Subjekt-Nomens. Beide Extrapositionen missachten die für Bewegungsphänomene wichtige Subjektinselbeschränkung. 58c) zeigt, dass Relativsätze auch aus Adjunkt-DPs extraponiert sein dürfen. Nach Pafel (1995b: 151ff.) unterscheidet sich die PP-Extraposition von der PP-Extraktion weiter darin, dass Modifizierer des Nomens extraponiert werden können (vgl. 59a)), was bei Linksversetzung nicht möglich ist (vgl. 59b)) und dass auch eine in eine PP eingebettete XP extraponiert werden kann (vgl. 59c)): 59) a) Ich habe ein Buch gekauft, mit rotem Einband. b) *Mit rotem Einband habe ich ein Buch gelesen/gekauft. c) Sie war in einer Vorlesung gewesen, über Syntax.

(Pafel 1995b: 152) (Pafel 1995b: 152)

Nach De Kuthy (2002: 10) können auch postnominale Genitivattribute extraponiert werden, was (wie wir unter 1.1.2 gesehen haben) für Linksversetzung ausgeschlossen ist:21 60) Ich habe einen Roman gelesen des grossen Naturalisten Theodor Fontane. (De Kuthy 2002: 10) Vor allem die Nicht-Einhaltung der Inselbeschränkungen bei Extrapositionen führt in der Literatur zur Diskussion, ob Extraposition und Extraktion tatsächlich den gleichen Generalisierungen folgen. Im Folgenden werden diese beiden Bereiche daher noch etwas näher berachtet: Aufgrund der Tatsache, dass Extraposition sich anders als Extraktion verhält, argumentiert De Kuthy (2002) dafür, dass Extraposition anderen Generalisierungen folgt. Müller (1995b und 1997) hingegen versucht, Extraposition genau wie Extraktion als Bewegungsphänomen zu erfassen, welches somit auch den gleichen Generalisierungen folgt und dem die gleichen Strukturbeziehungen (z.B. ECP, Subjazenz) zugrunde liegen. Die Asymmetrien zwischen Extraktion und Extraposition werden in Müller (1995b) mithilfe der PUB-Bedingung erklärt: Bei Extraposition handelt es sich um eine sukzessiv zyklische Bewegung, bei der die extraponierte PP zunächst an die NP (bzw. DP) rechts-adjungiert wird und danach an die IP. Durch die Adjunktion an die NP kann diese als Barriere umgangen werden. Bei Linksversetzung ist die zyklische Bewegung ausgeschlossen, da Adjunktion und Topikalisierung desselben Elements eine PUB-Verletzung auslösen würden. In ––––––––– 21

Nur einer meiner 10 dazu befragten Informanten schätzt das Beispiel als grammatisch ein. 2 setzen ein Fragezeichen, die anderen schätzen es als ungrammatisch ein. Auf die Grammatikalitätsurteile bei Extrapositionen gehe ich unten näher ein.

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Müller (1997b) wird Extraktion dann als Remnant-Movement-Phänomen analysiert (vgl. 3.1.7). Eine Analyse, der es gelingen würde, Extraktion und Extraposition als ein Phänomen zu erfassen, welchem die gleichen Strukturbeziehungen zugrunde liegen (wie dies auch Müller (1995b und 1997) versucht) wäre natürlich wünschenswert und erklärungsadäquater als eine Analyse, die für jedes Phänomen eigene Generalisierungen definiert. Es reicht meines Erachtens nicht aus zu zeigen, dass das Phänomen sich oberflächlich anders verhält, um zu belegen, dass es auch anderen Generalisierungen folgt. Pafel (1995b: 152f.) zeigt beispielsweise, dass auch wichtige Gemeinsamkeiten zwischen PP-Extraposition und Extraktion bestehen, die nicht ausser Acht gelassen werden sollten: Eine in eine Dativ-DP eingebettete PP lässt sich weder extraponieren noch linksversetzen (vgl. 61a)) und sowohl Extraposition als auch Extraktion unterliegen lexikalischen Beschränkungen (vgl. 61b) mit 61c)): 61) a) *Das Bild hat dem Vater gefallen von Brueghel. b) Es sind viele neue Bücher erschienen über Bismarck. c) *Es sind viele Bücher verschwunden über Bismarck. (Pafel 1995b: 152) Es fragt sich nun, ob PP-Extraposition aufgrund gewisser Ähnlichkeiten analog zur PPExtraktion behandelt werden kann und muss, oder ob es sich tatsächlich um ein eigenes Phänomen handelt, wie dies De Kuthy (2002) annimmt. Bevor ich auf diese Frage eingehe, möchte ich ein weiteres Problem in Bezug auf die PP-Extraposition ansprechen: Bereits in einigen Arbeiten wurde versucht, das Phänomen der PP-Extraposition theoretisch zu erfassen, allerdings ist die Datenlage im Deutschen völlig ungeklärt. Alle mir bekannten Arbeiten zu PP-Extrapositionen basieren auf unterschiedlichen Daten. Da drängt sich natürlich der Verdacht auf, dass bei der PP-Extraposition mehr noch als bei anderen linguistischen Phänomenen die Daten der Theorie angepasst wurden, statt umgekehrt. Um die Zuverlässigkeit der in der Literatur gefundenen Daten zu überprüfen, habe ich 10 InformantInnen aus Deutschland und der Schweiz, 6 Linguisten und 4 Nicht-LinguistInnen, mit den Sätzen in 62) konfrontiert: 62) a) Ich glaube, dass eine Frau den Raum betreten hat mit blauen Augen. (Müller 1995: 216) b) Hast du Müllers Artikel gelesen über moderne Architektur? c) Otto hat diesen Artikel gelesen über moderne Architektur. d) Er hat den Artikel gelesen über moderne Architektur. e) Es sind viele Artikel erschienen über moderne Architektur. f) Otto hat einige Artikel gelesen über moderne Architektur. g) Einige Artikel hat er geLESen über moderne Architektur, die meisten jedoch hat er zerrissen. h) Sie hat einen Roman gelesen des grossen Naturalisten Theodor Fontane. (De Kuthy 2002: 10) i) Sie hat ein Buch gekauft mit rotem Einband. (Pafel 1995b: 152) k) Er hat eine Frau gesehen mit knallroten Gummistiefeln. l) Sie haben einem Buch einen Preis gegeben von Glauser.

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Die Befragung gab mir nun nicht, wie erhofft, mehr Klärung in Bezug auf die Datenlage, sondern sie brachte zunächst eher noch mehr Verwirrung, wie die folgende Auswertung der kleinen Befragung zeigt:22 Tabelle 1–3 grammatisch a) b) c) d) e) f) g) h) i) k) l)

0 2 1 1 5 3 3 1 4 4 0

nicht grammatisch, aber ungrammatisch (*) akzeptabel (?) 0 10 6 2 7 2 7 2 4 1 6 1 6 1 2 7 2 4 2 4 0 10

Auffällig an den Grammatikalitätsurteilen sind auf den ersten Blick vor allem die grosse Uneinigkeit und auch die hohen Werte in der mittleren Spalte, also die grosse Unsicherheit in der Beurteilung. Einig sind sich die 10 Informanten und Informantinnen nur darin, dass die Extraposition aus der Subjekt-DP in 62a) und dem indirekten Objekt in 62l) ungrammatisch sind. Vergleichen wir diesen Befund mit der bereits angesprochenen, allgemein kaum angezweifelten Annahme, dass Extraposition entgegen Extraktion die Subjektinselbeschränkung missachtet, erstaunt die klare Beurteilung zu 62a). Diese Behauptung gilt entgegen der allgemeinen Annahme nur für CP-Extrapositionen, nicht aber für PP-Extrapositionen. Die Erkenntnisse zur CP-Extraposition aus DPs dürfen also nicht auf die PP-Extraposition übertragen werden, wie dies in Müller (1995b) geschieht. Relativ eindeutig fällt auch das Grammatikalitätsurteil zu 62h) aus: Entgegen De Kuthys Einschätzung werden auch Extrapositionen einer Genitivattribut-DP als mehrheitlich un-

––––––––– 22

Es ging mir in dieser Befragung nicht darum, Extrapositionen empirisch zu erfassen, weshalb ich auch nur so wenig InformantInnen befragt und diese nur mit einer sehr beschränkten Anzahl Sätzen konfrontiert habe. Eine empirisch fundierte Erfassung wäre zwar dringend nötig, kann jedoch im Rahmen dieser Arbeit nicht geleistet werden, da ich mich auf Extraktionsphänomene konzentrieren will und Extraposition wie diese Befragung zeigt, von anderen Faktoren als Extraktion beeinflusst wird. Eine empirische Untersuchung müsste sowohl in Bezug auf die Anzahl InformantInnen als auch in Bezug auf die untersuchten, die Extraposition beeinflussenden Faktoren viel breiter abgestützt sein. Weiter müssten auch mündliche Befragungen durchgeführt werden, da der Faktor ›Akzent‹ eine wichtige Rolle spielt und nur durch eine mündliche Befragung erfasst werden kann. In dieser Befragung hat dieser ›Faktor‹ einen nicht erfassten und somit auch unkontrollierten Einfluss auf die Grammatikalitätsurteile.

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grammatisch eingestuft. Bei allen anderen Beispielen sind jedoch die Grammatikalitätsurteile unklar: In 62b) – 62g) wurde jeweils ein Themaargument aus einem Akkusativobjekt bzw. aus einem Subjekt eines unakkusativischen Verbs (62e)) extraponiert. In 62b) – 62d) aus spezifischen DPs und in 62e) – 62g) aus indefiniten. Zwar scheint auch die PP-Attribut-Extraposition einen leichten Spezifizitätseffekt auszulösen, dieser ist jedoch weit weniger eindeutig als bei der PP-Extraktion. Auf der Basis der hier durchgeführten Befragung kann jedenfalls nicht eindeutig ein Spezifizitätseffekt nachgewiesen werden, dazu wäre eine fundiertere empirische Untersuchung nötig. Was hier jedoch eindeutig festgestellt werden kann, ist, dass im Gegensatz zu den Extraktionsphänomenen auch die Extrapositionen eines Themaarguments aus einem indefiniten Akkusativobjekt (bzw. aus dem Subjekt eines unakkusativischen Verbs) nur von einer Minderheit (bzw. in 62e) der Hälfte) der InformantInnen als grammatisch eingestuft werden. Zwar werden diese Extrapositionen nicht als ungrammatisch eingestuft, aber die Unsicherheit in Bezug auf ihre Grammatikalität überwiegt eindeutig. Darin unterscheidet sich die PP-Extraposition stark von der PPExtraktion, wo Grammatikalitätsurteile generell viel eindeutiger ausfallen. Für die Argumentation in Bezug auf die Frage, ob Extraktion und Extraposition den gleichen Generalisierungen folgt oder nicht, ist dieser Befund zentral. Bevor dies jedoch näher erläutert wird, möchte ich noch kurz eine weitere Auffälligkeit in der Befragung kommentieren, und zwar die Grammatikalitätsurteile der Beispiele 62i) – 62k): Im Gegensatz zu den Grammatikalitätsurteilen bei der Extraposition eines Themaarguments aus einem Akkusativobjekt sind sich die InformantInnen bei der Extraposition eines Modifizierers relativ sicher. Nur 2 InformantInnen haben hier ein Fragezeichen gesetzt, die anderen konnten sich eindeutig zwischen grammatisch und ungrammatisch entscheiden. Allerdings sind sich die InformantInnen in keinem der Beispiele so uneinig wie in diesen beiden. Sind für fast die Hälfte der InformantInnen die Sätze völlig grammatisch, so sind sie für die andere Hälfte völlig ungrammatisch. Über die Gründe für diese Polarisierung kann im Moment nur spekuliert werden: Ich vermute, dass die Polarisierung damit zu tun hat, dass die einen leicht Zugang zu einem Reparaturmechanismus haben, den die anderen nicht anwenden. Dieser Reparaturmechanismus fällt ihnen daher leichter als in 62f), weil, wie mir ein Informant in einem Kommentar zu diesen Sätzen auch bestätigt hat, ›die PP inhaltlich wohl weniger eng beim Nomen ist‹ als das Themaargument in 62f) und sie strukturell und semantisch eher einem extraponierten Relativsatz gleicht. Wie muss man sich aber das Einsetzen eines Reparaturmechanismus vorstellen? Das Konzept der Reparatur wird im Kapitel 6.1 erarbeitet und ausführlich begründet. Hier soll das Konzept nur kurz dargelegt werden, um eine Vorstellung über das Funktionieren und die Eigenschaften von Reparaturmechanismen zu geben: In die Verarbeitung syntaktischer Strukturen sind verschiedene Komponenten oder Verarbeitungssysteme involviert. So werden syntaktische Strukturen einerseits von der Grammatikkomponente erzeugt und errechnet, sie erfüllen aber jeweils auch pragmatische Funktionen. Die Verarbeitung letzterer wird durch die Pragmatikkomponente geleistet. Bei beiden Komponenten handelt es sich um unabhängige Verarbeitungssysteme, die allerdings miteinander interagieren. Die Grammatikkomponente errechnet die Grammatikalität einer syntaktischen Struktur. Wie ich in den Kapiteln 5 und 6 zeige, werden in der Grammatikkomponente keine Grammatikalitätsgrade errechnet. Strukturen, die von der Grammatikkomponente nicht verarbeitet werden können, resultieren in Ungrammatikalität; Strukturen,

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die hingegen verarbeitet werden können, resultieren in Grammatikalität. Die Grammatikkomponente bestimmt also nur die Grammatikalität bzw. Ungrammatikalität eines sprachlichen Ausdrucks.23 Der Grammatikalitätsgrad eines ungrammatischen Ausdrucks kann durch einen Reparaturmechanismus an der Schnittstelle zu einem anderen in die Verarbeitung syntaktischer Strukturen involvierten mentalen Prozess (z.B. Pragmatikschnittstelle) gesteigert werden. Reparatur ist allerdings mit Kosten verbunden, was dazu führt, dass ›reparierte‹ Ausdrücke doch nicht einheitlich als perfekt, sondern häufig als ›markiert‹ beurteilt werden. Das heisst, reparierte Ausdrücke werden nicht von allen Sprechern und Sprecherinnen gleichermassen aktzeptiert. Der Zugang zu Reparaturmechanismen ist individuell verschieden, wenn auch nicht beliebig, denn Reparaturmechanismen können durch sehr unterschiedliche Faktoren begünstigt werden, die bei weitem noch nicht erforscht sind. Solche Faktoren können beispielsweise Parallelkonstruktionen wie diejenige mit extraponiertem Relativsatz in den Beispielen 62i) und 62k) oder die Einbettung eines Ausdrucks in einen passenden Kontext sein usw. Es ist nicht immer leicht zu bestimmen, ob ein Ausdruck repariert ist und daher nicht durch grammatische Beschränkungen zu erfassen ist, oder ob es sich um ein grammatisch bestimmtes Phänomen handelt, denn Grammatikalität wird empirisch durch Befragung der native speakers ermittelt. Native speakers greifen aber bei der Beurteilung nicht unbedingt nur auf die Grammatikkompetenz zurück, sondern es können auch andere mentale Prozesse in die Beurteilung miteinfliessen. Dies ist wohl der Grund dafür, weshalb manchmal Schnittstellenphänomene als Phänomene der Grammatikkomponente analysiert werden, was schliesslich zu falschen Ergebnissen führt. Reparierte Ausdrücke weisen allerdings bestimmte Eigenschaften auf, die den Prinzipien der Grammatikkomponente widersprechen. Diese Eigenschaften liefern Indizien für die Zuordnung sprachlicher Strukturen zu Schnittstellenphänomenen. Hier sollen vorerst nur drei dieser Eigenschaften aufgezählt werden. Die Liste wird in Kapitel 6.1 erweitert: –





Kontexteinbettung: Die Grammatikkomponente verarbeitet sprachliche Strukturen der Grösse ›Satz‹. Sie ist ›blind‹ für Kontexteinflüsse (vgl. dazu detaillierter 6.1). Wenn Sprecher und Sprecherinnen erst durch Kontexteinbettung Urteile über den Korrektheitsgrad eines Satzes abgeben, ist dies ein starker Hinweis darauf, dass es sich um eine reparierte Struktur handelt. Uneinheitliche Grammatikalitätsurteile: Reparatur kann durch verschiedene, auch sprachimmanente, Faktoren begünstigt werden, sie weist jedoch meist individuelle Züge auf. So ist ein Reparaturmechanismus nicht unbedingt für alle Sprecher und Sprecherinnen gleich zugänglich. Unsicherheit bei der Beurteilung: Reparierte Ausdrücke werden bei kontextfreier Befragung von einem grossen Teil der Befragten als ›markiert‹ beurteilt bzw. mit einem Fragezeichen versehen. Sie werden dann als akzeptabel, aber nicht wirklich grammatisch beurteilt.

––––––––– 23

Vor allem optimalitätstheoretische Arbeiten versuchen, auch Grammatikalitätsgrade mithilfe von Beschränkungen der Grammatikkomponente zu erfassen (vgl. Keller (2000) oder Müller (2000)). In Kapitel 6 werde ich zeigen, dass dieses Vorgehen sowohl empirisch als auch theoretisch problematisch ist.

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Diese Eigenschaften liefern natürlich auch nur Indizien für reparierte Ausdrücke. Kommen allerdings mehrere Eigenschaften zusammen, so steigert sich die Wahrscheinlichkeit, dass es sich bei einem vorliegenden Phänomen um ein Reparaturphänomen handelt. Betrachtet man nun die Ergebnisse der Befragung zu extraponierten PPs in 62), so drängt sich der Verdacht auf, dass es sich bei den meisten Sätzen um solche handelt, die von der Grammatikkomponente als ungrammatisch eingestuft werden, die teils aber an der Schnittstelle zu einer anderen Komponente repariert werden können. Evidenz für die Annahme, dass Sätze mit extraponiertem PP-Attribut Reparaturmechanismen unterliegen, liefert meines Erachtens die Tatsache, dass keiner der Sätze mit extraponierter PP in 62) eindeutig als grammatisch eingestuft wird. Vor allem die Unsicherheit in den Grammatikalitätsurteilen ist meines Erachtens ein Zeichen dafür, dass wir es hier nicht mit einem CoreGrammar-Phänomen zu tun haben, welches strukturellen Generalisierungen folgt. Ich vermute, dass PP-Extraposition im Deutschen von der Core-Grammar nicht zugelassen ist, dass jedoch PP-Extrapositionssätze aus noch zu erforschenden Gründen leichter reparabel sind als andere ungrammatische Sätze. Dies würde auch die Unsicherheit in den Grammatikalitätsurteilen erklären. Wären PP-Extrapositionen von der Core-Grammar zugelassen, müsste parallel zu den PP-Extraktionen viel grössere Sicherheit in Bezug auf die Grammatikalitätsurteile herrschen. Die Beobachtungen zu den Grammatikalitätsurteilen bei extraponierten PP-Attributen führen zur Annahme, dass Extraktion und Extraposition zwei voneinander zu unterscheidende Phänomene sind: Handelt es sich beim einen um ein Phänomen, welches grammatischen und strukturellen Generalisierungen folgt und generell auch eindeutige Grammatikalitätsurteile erfährt, folgt das andere eher pragmatischen und noch zu erforschenden Generalisierungen. Es unterliegt bisher unbekannten Faktoren, die Reparaturmechanismen begünstigen, und erfährt deshalb unsichere Grammatikalitätsurteile. Auch wenn sich durch diese kleine, empirisch nicht fundierte Befragung keine Aussagen darüber machen lassen, welche Faktoren einen Einfluss auf die PP-Attribut-Extraposition haben, so hat sie doch gezeigt, dass entgegen bisheriger Annahmen die Grammatikalitätsverhältnisse bei PP-Attribut-Extrapositionen alles andere als klar sind. Die Grammatikalitätsurteile bewegen sich nicht an den Polen grammatisch vs. ungrammatisch, sondern liegen dazwischen (auch feinere Grammatikalitätsgrad-Abstufungen müssten in die weitere Forschung miteinbezogen werden). Auch hat die Befragung gezeigt, dass in Bezug auf PP-Extrapositionen grosser Forschungsbedarf besteht. Durch empirisch fundierte Untersuchungen muss verhindert werden, dass auch in Zukunft theoretische Aussagen zu diesem Thema auf der Basis einer ungesicherten Datenlage gemacht werden. In dieser Arbeit wird die Extraposition von Präpositionalattributen nicht weiter thematisiert, da es sich, wie die Befragung gezeigt hat, mit grosser Wahrscheinlichkeit nicht um ein Phänomen handelt, welches analog zu Topikalisierung bzw. Scrambling der PP zu analysieren ist.

2 Die Struktur der Nominalphrase

Unter 1.1 wurde festgestellt, dass auch DP-interne Faktoren einen Einfluss auf die Extraktionsmöglichkeit von PP-Attributen haben: Einerseits hat der Determinierer der Extraktionsbasis einen Einfluss auf die Extraktionsmöglichkeit der PP, andererseits jedoch ist auch nicht jeder Typ von Attribut gleich beweglich, wie wir unter 1.1.3 gesehen haben. In diesem Kapitel geht es darum herauszufinden, ob die DP-internen Faktoren strukturell begründet sein könnten. Daher werden die Positionen ermittelt, die Attribute und Artikelwörter in der Nominalphrase einnehmen. Als Grundlage für die in dieser Arbeit angenommene Struktur der Nominalphrase dient die DP-Theorie von Gallmann (1996). Diese wird in Abschnitt 2.1 vorgestellt. Wie wir unter 1.1.3 gesehen haben, ist bisher noch nicht klar, ob es sich bei den extrahierbaren Präpositionalattributen um Argumente (Müller 1995a, 1998b) oder um Adjunkte (De Kuthy 2002) handelt. Es wurde dort bereits erwähnt, dass zur Beantwortung dieser Frage sowohl die kontrovers diskutierte Argumentstruktur von Nominalisierungsverbgefügen als auch jene von nicht-deverbalen Nomen näher untersucht werden müssen. Dies wird in Abschnitt 2.2 dieses Kapitels getan.

2.1 Gallmanns DP-Theorie Gallmanns Theorie (1996) stützt sich auf die heute kaum mehr substanziell bezweifelte DPHypothese von Abney (1987), derzufolge nicht das Nomen, sondern eine funktionale Kategorie D (für Determinierer) den Kern von Nominalgruppen bildet. Der DP-Hypothese zufolge entspricht die Nominalgruppe phrasenstrukturell dem IP /VP-System: Die VP bzw. NP mit der lexikalischen Kategorie V bzw. N wird von einer funktionalen Kategorie I (für Inflection) bzw. D (für Determinierer) dominiert:

IP

DP SpecDP

SpecIP

D’ D

NP

I’ VP

I

Grafik 2–1

Neben dem Vorteil, dass Artikelwörter viel besser ins X’-Schema eingebunden werden können, ergibt diese Struktur auch eine Erklärung für die Nicht-Kombinierbarkeit von Pronomen mit Artikel: Pronomen sind keine NP-Proformen, sondern DP-Proformen (vgl. Haider 1988: 41). Die Frage stellt sich nun, welche Elemente die Positionen D0 und

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SpecDP besetzen und welche Merkmale der Kopf D0 aufweist. Diese Frage wird und wurde kontrovers diskutiert: In Anschluss an Abney (1987) wurde meist angenommen, dass die Position D0 phonologisch gefüllt ist, durch den Artikel bzw. durch Flexionsaffixe (vgl. Bhatt 1990, Olsen 1989) oder auch durch Possessiva bzw. Genitiv-s (vgl. Haider 1988, 1992).1 Gallmann (1996) kommt allerdings in seiner Untersuchung zur Steuerung der Flexion in der DP zum Schluss, dass der Kopf D0 phonologisch gesehen leer sein muss und dass die Artikelwörter in SpecDP positioniert sind. Damit kann er u.a. die Verteilung der starken und schwachen Adjektivflexion erfassen: Gallmann stellt fest, dass Determinierer sich im Deutschen in Bezug auf ihre morphosyntaktischen Merkmale gleich wie Adjektive verhalten. Aus morphosyntaktischer Sicht gibt es daher keinen Grund dafür, sie kategoriell anders zu analysieren. Sowohl Gallmann (1996) als auch in seiner Nachfolge Lindauer (1998) analysieren Determinierer als Adjektivphrasen (AP). Zu den Determinierern zählen sie definite, indefinite Artikel, Demonstrativa, Possessivpronomen und gewisse Quantifizierer. Sie alle sind in SpecDP basisgeneriert. Wortformen können morphosyntaktische Merkmale (features) aufweisen. Gallmann (1996: 298f.) nimmt für die attributiven Adjektive und die Determinierer drei Merkmale an: a) b) c)

für Numerus und Genus das Merkmal n, für Kasus das Merkmal k, für starke und schwache Flexion das Merkmal f.

Die syntaktische Verteilung dieser morphosyntaktischen Merkmale wird dabei von der SpecDP-Position gesteuert: Steht in der SpecDP-Position ein unflektiertes (suffixloses) Wort, das heisst ein A0 ohne die Merkmale n, f und k, oder ist die SpecDP-Position leer, so sind die Adjektive, welche dem Determinierer folgen, nach dem starken Paradigma flektiert, das heisst, sie weisen die Merkmale n, f und k auf (vgl. Bsp. 1a)). Ist die SpecDPPosition hingegen mit einem A0 gefüllt, welches die Merkmale n, f und k aufweist, sind die folgenden Adjektive nach dem schwachen Paradigma flektiert, was bedeutet, dass sie nur die Merkmale n und k aufweisen (Bsp. 1b)): 1)

a) ein-Ø A0 b) ein-em A0 (n, f, k)

heiss-er A0 (n, f, k) heiss-en A0 (n, k)

Sommer N0 (n, f, k) Sommertag N0 (n, k)

→ starke Adjektivflexion → schwache Adjektivflexion

Dabei gilt, dass zwischen dem Nomen und dem attributiven Adjektiv ein Kongruenzverhältnis besteht. Das bedeutet, dass das Nomen jeweils dieselben morphosyntaktischen Merkmale wie das attributive Adjektiv aufweisen muss. Wenn also das Adjektiv zusätzlich zu den Merkmalen n und k das Merkmal f für starke Flexion aufweist, dann muss auch das Nomen wegen der Kongruenzbedingung das Merkmal f tragen. Dies wird nur noch an den wenigen adjektivisch deklinierten Nomen sichtbar, die diachron auf nominalisierte Adjektive bzw. Partizipien zurückgehen, wie Gallmann (1996: 299) zeigt:

––––––––– 1

Zu einer Kritik dieses Ansatzes, siehe Lindauer (1995).

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2)

a) manch A0 b) mancher A0 (n, f, k)

kluger A0 (n, f, k) kluge A0 (n, k)

Beamter N0 (n, f, k) Beamte N0 (n, k)

Gallmann (1996) nimmt neben der funktionalen Kategorie D eine weitere funktionale Kategorie AgrN an, in deren Spezifikatorposition die Kongruenz von Nomen und attributivem Adjektiv überprüft wird. Im Weiteren gilt, dass innerhalb der DP auch die funktionale Kategorie D0 in einem Kongruenzverhältnis zum Nomen steht. Die Kategorie D 0 weist die Merkmale n, k und f auf. Auch diese Merkmale müssen über Kongruenz überprüft werden, damit die Konstruktion auf LF interpretierbar ist. Da Merkmale nur über c-Kommando überprüft werden können, nimmt Gallmann an, dass das Nomen im Deutschen sich verdeckt, d.h. auf LF weiter bewegt und an D0 adjungiert, wo die Merkmale hinsichtlich Kongruenz überprüft werden. Wie den beiden folgenden Grafiken aus Gallmann (1996: 299) zu entnehmen ist, sind im Deutschen zwei Konfigurationen zu unterscheiden, welche die Verteilung von starker und schwacher Flexion der Artikelwörter und der Adjektive zeigen: a)

Schwache Flexion: Weist der Determinierer in SpecDP das Merkmal f auf, findet die Überprüfung dieses Merkmals zwischen SpecDP und D 0 statt. Die verbleibenden Merkmale von D, n und k, werden – nach Adjunktion von N an D auf LF – zwischen dem Kopf und D überprüft:

DP AP (SpecDP)

D’ D0 (n,f,k)

AgrNP AgrN’

AP

NP A0 (n,f,k) mancher

N0 (n,k)

D0 (n,f,k)

e

e

A0 (n,k) kluge

AgrN0 (n,k) e

N0 (n,k) Schüler

(LF) Grafik 2–2

b)

Starke Flexion: In diesem Fall kann D0 alle drei Merkmale (n, f, k) aufgrund der Kongruenz von N und D überprüfen:

38

DP AP (SpecDP)

D’ D0 (n,f,k)

AgrNP AgrN’

AP

NP A0

N0 (n,f,k) D0 (n,f,k)

manch

e

e

A0 (n,f,k) kluger

AgrN0 (n,f,k) e

N0 (n,f,k) Schüler

(LF) Grafik 2–3

Auf dieser oben dargestellten Struktur baut auch Lindauer (1998) auf. Im Fokus seiner Arbeit stehen jedoch Genitivattribute bzw. N-Argumente. Lindauer (1998) nimmt an, dass das Subjekt des Nomens in SpecNP, und dass das Objekt unter dem Knoten N’ als Schwester von N basisgeneriert ist. Damit steht also das Nomen, wie auch das Verb im VP-System, zwischen seinem Subjekt und seinem Objekt. Nun muss sich jedoch N nach AgrN bewegen, um dort seine Kongruenzmerkmale zu überprüfen. Dadurch entsteht folgende lineare Ordnung: Matrixnomen + Subjekt + Objekt Dies führt jedoch zu ungrammatischen Syntagmen (vgl. Lindauer 1998: 118): 3)

a) *die Entdeckung durch Kolumbus von Amerika b) *die Entdeckung Kolumbus’ von Amerika

Um die vielfältigen Möglichkeiten der linearen Verteilung des Nomens und seiner Argumente zu erklären, schlägt Lindauer (1998) eine weitere funktionale Kategorie F innerhalb der DP vor, welche zwischen NP und AgrNP steht.2 Die folgende Grafik ist Lindauer (1998: 119) entnommen. Sie zeigt die DP-Struktur mit der funktionalen Kategorie F:

––––––––– 2

Ich werde hier nicht näher auf die Begründung dieser Kategorie eingehen. Lindauer (1998) hat jedoch zeigen können, dass sie nötig ist, um die vielfältigen syntaktischen Möglichkeiten in der Ordnung vom Kopfnomen zu seinem Subjekt und Objekt erklären zu können. Einen weiteren Hinweis für eine solche Kategorie liefert auch das Ungarische, wo das Kopfnomen in einigen possessiven Konstruktionen ein spezielles Affix aufweist, welches mit dem Possessor kongruiert (vgl. Lindauer 1998: 121).

39

DP SpecDP

D’ D (N/F/AgrN)

AgrNP D

SpecAgrN

AgrN’ AgrN

FP SpecFP

F’ F

N/F Kolumbus 3

[e]

AgrN

Entdeckung1

NP Subj N’

N Amerikas2

F t’1

t3

N

Obj

t1

t2

LF Grafik 2–4

Die Kategorie F hat ein starkes Merkmal, welches die Kopfbewegung von N nach F auslöst.3 Der komplexe Kopf N+F wird, wie Gallmann gezeigt hat (vgl. oben), weiter nach AgrN bewegt. Lindauer (1998) stellt ausserdem fest, dass postnominale Genitive durch ein starkes Merkmal nach SpecFP angehoben werden, wo sie ihre Kasusmerkmale überprüfen. Diese Bewegung findet unabhängig davon statt, ob es sich beim postnominalen Genitiv um ein Subjekt oder ein Objekt handelt, wie Lindauer (1998: 122) anhand folgender Beispiele zeigt: 4)

a) das [F/N/AgrN Verständnis] [SpecFP Oskars] [N’ für Maria] b) die Entdeckung Amerikas durch Kolumbus

Werden Subjektphrasen als durch-PPs realisiert wie in 4b) oder Objektsphrasen als für-PP wie in 4a), bleiben sie an ihrer Basisposition stehen, da sie keine Merkmale wie Kasus zu überprüfen haben. Daraus kann geschlossen werden, dass nur die Argumente nach SpecFP bewegt werden müssen, welche als Genitiv-DP realisiert werden. Argumente, welche als PPs realisiert werden, bleiben in ihrer Position stehen, da sie eben keine Kasusmerkmale mehr zu überprüfen haben. Würde diese Annahme stimmen, müsste jedoch die Phrase in Beispiel 3a) *die Entdeckung durch Kolumbus von Amerika grammatisch sein. Sowohl Subjekt und Objekt sind in diesem Fall an ihrer Basisposition stehen geblieben. Die von-PP muss jedoch obligatorisch bewegt werden, dass heisst, sie muss ein Merkmal überprüfen. Bereits in Lindauer (1995) werden gewichtige Gründe dafür angeführt, dass die Präposition ––––––––– 3

Welche grammatische Funktion das Merkmal hat, das in F überprüft wird, bleibt bei Lindauer (1998) noch ungeklärt. In diesem Zusammenhang ist jedoch nur wichtig, dass es genug Evidenz dafür gibt, ein ähnliches Merkmal wie poss (possessiv) an dieser Position anzunehmen.

40

von eine strukturelle Präposition ist, welche ihr strukturelles Merkmal wie die Genitivphrase in SpecFP überprüfen muss. Evidenz dafür, dass die von-PP keine ›volle‹ PP ist, geben auch die Bindungsdaten. Eine DP, welche innerhalb der PP ist, kann ausserhalb dieser PP eine Anapher wie sich binden. Dies bedeutet, dass die PP transparent für die Bindung sein muss, was das folgende Beispiel von Lindauer (1998:12) zeigt: 5)

der Brief PP[von Oskar i] PP[an sich i]

Die von-PP, die sich nach SpecFP bewegt, um dort ihr strukturelles Merkmal zu überprüfen, kann jedoch anders als Genitiv-DPs nicht in SpecDP stehen: 6)

a) *von Amerika Entdeckung durch Kolumbus b) Amerikas Entdeckung durch Kolumbus

Gallmann (1996) konnte zeigen, dass die SpecDP für adjektivische Wortformen reserviert ist. Dies erklärt, weshalb die PP von Amerika nicht nach SpecDP bewegt werden kann. Allerdings stellt sich dann die Frage, weshalb artikellose Eigennamen diese Position einnehmen können. Lindauer (1998: 132) beobachtet, dass Eigennamen mit s-Suffix ein anderes Verhalten zeigen als ›normale‹ Genitive. So können im Gegensatz zu Genitivphrasen artikellose Eigennamen mit s-Suffix nicht nach Präpositionen oder Verben auftreten, die den Genitiv regieren (7b – c)). Zusätzlich ist ihr postnominaler Gebrauch sehr markiert, wenn nicht gar ungrammatisch (7d)):4 7)

a) b) c) d)

Wegen des schlechten Wetters kamen wir zu spät ins Kino. *Wegen Annas kamen wir zu spät ins Kino. *Wir gedachten Annas. %Die Pizzas Annas sind die besten.

Feminine Verwandtschaftsbezeichnungen wie Mutter weisen im Genitiv bei normalem nominalem Gebrauch kein Genitivsuffix auf. Sobald sie jedoch wie Eigennamen gebraucht werden und pränominal auftreten, haben sie ein s-Suffix (Lindauer 1998: 133): 8)

a) der Rat meiner Mutter b) *der Rat meiner Mutters c) Mutters Rat

Aus diesen Beobachtungen schliesst Lindauer (1998), dass es sich beim s-Suffix von Eigennamen (synchron betrachtet) nicht um ein Genitivsuffix handelt. Da artikellose Eigennamen an der gleichen Position wie adjektivische Wortformen auftreten, nimmt Lindauer (1998: 133) an, dass das s-Suffix vielmehr ein adjektivisches Suffix mit possessiver Bedeutung sein könnte: 9)

a) Oskars altes Haus b) wessen altes Haus c) sein altes Haus

––––––––– 4

Demske (2001: 253) macht eine ähnliche Beobachtung: »Und Eigennamen mit s-Suffix erscheinen meines Erachtens nur pränominal; wenn sie dem Kopfnomen folgen, wird die genitivische Form durch eine Präpositionalphrase ersetzt.«

41

Neben den in SpecDP basisgenerierten adjektivischen Determinierern stehen nach Lindauer (1998) noch weitere APs wie artikellose Eigennamen, Possessiv- und Interrogativpronomen in SpecDP. Im Gegensatz zu den basisgenerierten Determinierern handelt es sich aber bei den drei oben genannten APs um Argumente von N, die durch Bewegung nach SpecDP ihr adjektivisches Merkmal an dieser Position prüfen. Im Zusammenhang mit der Extraktion aus der DP sind Gallmanns und Lindauers Beobachtungen in folgender Hinsicht von Bedeutung: – Die innere Struktur von indefiniten und definiten nominalen Syntagmen ist gleich. In beiden Fällen wird die NP von einer DP dominiert. Die These von Bowers (1987), dass nur Nominalphrasen mit so genannt starken Determinierern von einer DP, die eine Barriere für die zu extrahierende PP darstellt, dominiert sind (vgl. dazu Kapitel 1.1.2), widerspricht den Kongruenzverhältnissen innerhalb nominaler Syntagmen und verhindert eine Erklärung der Verteilung starker und schwacher Adjektivflexion im Deutschen.5 Für den Spezifizitätseffekt können strukturelle DP-interne Begründungen ausgeschlossen werden. Dies heisst allerdings nicht, dass der Spezifizitätseffekt nicht strukturell bedingt sein könnte, denn, wie auch Diesing (1992) vermutet, wäre es auch möglich, dass DP-externe Strukturunterschiede dafür verantwortlich sind. –

Die SpecDP-Position ist für adjektivische Wortformen reserviert. Sie kann nicht, wie beispielsweise die SpecCP, als (Zwischen-)Landeposition für Präpositionalattribute dienen. Das heisst, die potenzielle DP-Barriere kann nicht wie bei Extraktionen aus der CP über den Spezifiziererweg umgangen werden.6



Präpositionalattribute unterscheiden sich von Genitivattributen darin, dass sie keine Merkmale innerhalb der DP überprüfen müssen und somit an ihrer Basisposition stehen bleiben. Im Gegenzug sind sie jedoch, anders als Genitivattribute, teilweise extrahierbar. Allerdings kann nicht die obligatorische Bewegung der Genitivattribute nach SpecFP für ihre Unbeweglichkeit verantwortlich sein, denn neben Genitivattributen dürfen auch von-PPs, die alternativ als Genitivattribute realisiert werden können, nicht an ihrer Basisposition stehen bleiben (vgl. 3a)). Trotzdem sind sie aber extrahierbar, wie das folgende Beispiel zeigt:

10) a) Maja hat DP[viele Bücher PP[von Glauser]] gelesen. b) PP[Von Glauser] hat Maja DP[viele Bücher ti] gelesen. Die Nicht-Extrahierbarkeit von Genitivattributen wird bisher von keiner Theorie erklärungsadäquat erfasst.7 ––––––––– 5

6

7

Es wurde bereits unter 1.1.2 dargelegt, dass gegen Bowers’ Theorie auch empirische Gründe sprechen, da die Extraktion aus spezifischen DPs möglich ist, wenn die DP bzw. ein DP-internes Element kontrastiv fokussiert ist (vgl. Beispiel 21) in Abschnitt 1.1.2). Nach neueren Annahmen des minimalistischen Programms sind Mehrfachspezifikatoren möglich. Unter dieser Annahme müsste weiter untersucht werden, weshalb SpecDP nicht als Zwischenlandeposition für nicht-adjektivische Wortformen fungieren kann. Zwar liefert Müller (1995a) eine sehr fundierte kasus- und barrierentheoretische Erklärung des Phänomens, allerdings hat diese schliesslich zu restriktive Auswirkungen. Sowohl Müllers Ansatz als auch die Kritik daran werden in Abschnitt 3.1.6 ausführlich behandelt.

42



Für Präpositionalattribute sind nach Lindauers Struktur drei Basispositionen vorgesehen: a) die SpecNP für Subjekte, b) die Komplementposition von N für Objekte, c) die an NP adjungierte Position für Nicht-Argumente. Damit entsprechen die Verhältnisse innerhalb der NP also jener der VP. Wäre die Extraktionsmöglichkeit von PPs strukturell bedingt, so müsste gezeigt werden, dass die extrahierbaren PPs an einer anderen Position basisgeneriert sind als die nichtextrahierbaren, denn wie bereits oben erwähnt, können keine anderen strukturellen DP-internen Gründe für die unterschiedliche Beweglichkeit von präpositionalen Attributen verantwortlich sein. Die Frage, aus welcher bzw. welchen der oben genannten drei Positionen Extraktion möglich ist, blieb bisher noch offen. Sie wird im folgenden Kapitel behandelt.

2.2 Argumentstruktur von Nomen Wir haben unter 1.1.3 gesehen, dass a) nicht alle Nomen die Extraktion ihres Präpositionalattributs zulassen und dass b) nicht alle Typen von Präpositionalattributen gleich beweglich sind. Über die Bewertung dieser Fakten herrscht in der Literatur alles andere als Einigkeit. Einig sind sich die Autoren und Autorinnen darin, dass so genannte picture nouns oder Werknomen generell die Extraktion von über- und von-PPs zulassen. Der Status dieser beiden Attributtypen wird allerdings völlig unterschiedlich analysiert: In einigen Arbeiten, wie beispielsweise in Grimshaw (1990), De Kuthy (2002) und Fortmann (1996), werden sie als Modifizierer bzw. Adjunkte, in anderen wiederum als Argumente betrachtet (vgl. Müller 1998). Letztere Analyse hat den Vorteil, dass sie Asymmetrien wie in Beispiel 26), Kapitel 1, hier wiederholt als 11) strukturell erklären kann: 11) a) b) c) d)

Rudi hat DP[viele Bücher PP[über moderne Architektur]] lesen müssen. PP[Über moderne Architektur] i hat Rudi DP[viele Bücher ti] lesen müssen. Rudi hat DP[viele Bücher PP[mit Eselsohren]] lesen müssen. *PP[Mit Eselsohren]i hat Rudi DP[viele Bücher ti] lesen müssen.

Kritiker dieser Analyse wenden jedoch ein, dass nur deverbale Nomen über eine Argumentstruktur verfügen und dass gerade echte Argumente von deverbalen Nomen gar nicht extrahierbar sind. Diese Behauptung ist nun, wie in Abschnitt 1.1.3, Beispiel 32) gezeigt wurde, nicht ganz richtig: Argumente von deverbalen Nomen können durchaus getrennt vom Nomen erscheinen, allerdings nur, wenn es sich um Nominalisierungsverbgefüge wie in 12) handelt: 12) a) PP[Für Maria]i hat Peter DP[grosses Verständnis ti] gezeigt. b) PP[Für Linguistik]i hat Berta DP[grosses Interesse ti] gezeigt. Nun wird von den Kritikern der Argumentanalyse bezweifelt, dass es sich bei Nominalisierungsverbgefügen tatsächlich um Extraktion handelt. Sie vermuten, dass die Argu-

43

ment-PP für Maria bzw. für Linguistik im Nominalisierungsverbgefüge als verbabhängiges Element (Argument bzw. Adjunkt) basisgeneriert und also kein N-Argument ist. Um nun entscheiden zu können, ob sich die extrahierbaren Attribut-PPs strukturell von den nicht-extrahierbaren unterscheiden, müssen zwei kontrovers diskutierte Fragen geklärt werden, und zwar erstens, an welcher Position Objekt-PPs von deverbalen Nomen in Nominalisierungsverbgefügen basisgeneriert sind und zweitens, ob nicht-deverbale Nomen Argumente haben können oder nicht. Aus diesem Grund wird unter 2.2.1 die Argumentstruktur von Nominalisierungsverbgefügen diskutiert und in 2.2.2 jene von nicht-deverbalen Nomen.

2.2.1 Argumentstruktur von Nominalisierungsverbgefügen Nominalisierungsverbgefüge (NVG) sind syntaktisch komplexe, aber semantisch einfache Prädikate. Sie bestehen aus einem Funktionsverb (FV) und einem nominalen bzw. präpositionalen Objekt, das meistens mit einem deverbalen Nomen (seltener auch deadjektivischem) gebildet ist (vgl. dazu Hoffmann /Stecker / Zifonun II 1997: 1068, Erbach/Krenn 1994, Namer 1996, Polenz 1987, Helbig 197), Gallmann 1999):8 13) a) b) c) d)

Otto zieht Maria ins Vertrauen. Lisa zeigt grosses Verständnis für Rudi. Dieser Spray bietet Schutz gegen Mückenstiche. Wir haben nicht in Betracht gezogen, dass die Kosten überschritten werden könnten.

Das Objekt trägt die Bedeutung des Gefüges, das Verb steuert dem Gefüge lediglich temporale Information und teilweise Information in Bezug auf die Aktionsart bei. Vergleiche dazu die folgenden Varianten: 14) a) Silvia will noch heute Gewissheit über ihre Leistung haben. b) Silvia erlangte endlich Gewissheit über ihre Leistung. c) Silvia erhält heute Gewissheit über ihre Leistung. Sowohl das deverbale bzw. deadjektivische Nomen als auch das Verb verfügen über eine Argumentstruktur. Es stellt sich daher die Frage, wie die Argumentstruktur des Verbs und jene des Nomens in einem NVG syntaktisch realisiert werden. Da das deverbale Nomen im NVG die bedeutungstragende Einheit ist, könnte vermutet werden, dass dieser Teil auch für die Selektion der thematischen Rollen verantwortlich ist. Tatsächlich wird die Argumentstruktur des deverbalen Nomens (bzw. des ihm zugrunde liegenden Verbs) auch im NVG widergespiegelt: 15) a)

(Anna bewundert) DP1[DP2(Gen)[Ottos] Verständnis PP[für Maria]].

b) DP(Nom)[Otto] zeigt Verständnis PP[für Maria]. c) PP[Für Maria] zeigt DP(Nom)[Otto] Verständnis. ––––––––– 8

Da im hier interessierenden Kontext vor allem NVG mit nominalem Objekt untersucht werden, konzentriere ich mich im Folgenden auf diese.

44

Allerdings erscheinen im isolierten Gebrauch nicht alle Argumente des deverbalen Nomens in gleicher Form wie im NVG: Der Genitivus subiectivus Ottos aus 15a) steht in der NVGKonstruktion in 15b) und 15c) im Nominativ. Er verhält sich wie das Subjekt des Verbs. Die PP hingegen hat ihre Form beibehalten. Die entscheidende Frage ist nun, ob sie in 15b) – wie De Kuthy (2002) vermutet – auch als Verbkonstituente realisiert wird, oder ob sie in die DP eingebettet ist. Wird sie als Verbkonstituente realisiert, so ist sie in 15c) nicht extrahiert. Dies würde bedeuten, dass in NVGn bei allen Argumenten Argument-Sharing vorliegen würde, sodass kein Argument DP-intern realisiert wäre. Somit gäbe es auch keine Belege dafür, dass Argumente von deverbalen Nomen extrahierbar sind. Bestärkt wird diese These durch die Tatsache, dass Nomen und Verb sich nicht nur ihr Subjekt, sondern auch das Objekt teilen können: 16) a)

(Lisa bewundert) DP(Gen)[Peters] Vertrauen PP[zu Paul].

b) DP(Nom)[Peter] schenkt DP(Dat)[dem Paul] Vertrauen. Das Verb schenken im NVG in 16b) ist anders als das Verb zeigen in 15b) ein dreiwertiges Verb, welches eine Dativobjektstelle lizensiert. Das Objekt des deverbalen Nomens zu Paul erscheint im NVG in 16c) als indirektes Satzobjekt dem Paul. Erbach /Krenn (1994: 383) gehen davon aus, dass die Argumente des deverbalen Nomens in NVGn im Lexikon obligatorisch an die Argumentstellen des Verbs angehoben werden. Dies ist auch der Grund, weshalb das Subjekt des deverbalen Nomens in einem NVG im Gegensatz zum isolierten Gebrauch niemals als solches realisiert werden kann (vgl. 17b)). Es wird immer als Satzsubjekt realisiert (vgl. 17c)): 17) a) Der Professor schätzt DP[Ottos Interesse für Linguistik]. b) *Die Studierenden zeigen DP[Ottos/sein Interesse für Linguistik] c) Otto zeigt DP[(ti) Interesse für Linguistik] 9 Nun lizenziert aber das Verb zeigen in 15b) nur eine Objektstelle und diese ist bereits durch die DP mit deverbalem Nomen belegt. Die PP für Maria kann also nicht an einer V-Argumentposition realisiert werden. Es gibt nun zwei mögliche Positionen für die PP: a) b)

Sie wird DP-intern als Präpositionalattribut des deverbalen Nomens realisiert. Sie wird an einer Adjunktstelle des Verbs, d.h. DP-extern, realisiert.10

––––––––– 9

10

Die Spur ist in Klammern gesetzt, da ich hier nicht dazu Stellung nehmen will, ob es sich tatsächlich um Anhebung durch Bewegung handelt oder ob das Subjekt an die Satzsubjektposition gemergt wird. Die Anhebungshypothese wirft einige Fragen bezüglich Kasus- und Theta-Theorie auf, die hier jedoch nicht diskutiert werden sollen. Erbach / Krenn (1994), die NVG mithilfe der HPSG-Theorie analysieren, verstehen unter Anhebung nicht syntaktische Bewegung, sondern Anhebung in der Subkategorisierungsliste, also Anhebung auf lexikalischer Ebene. Ich ziehe den Begriff Argument-Sharing vor, möchte damit jedoch nicht die eine oder andere Theorie favorisieren. Zwar können gewisse PP-Objekte auch nach dem direkten Objekt positioniert sein, sodass es auch möglich wäre, dass die PP an einer Objektstelle realisiert wird. Gegen diese Annahme spricht allerdings, dass das Nomen in NVGn adjazent zum Verb positioniert ist. Vgl. dazu die Diskussion, die folgt.

45

Erbach /Krenn (1994: 383) gehen von der zweiten Annahme aus. Meines Erachtens ist diese Annahme jedoch aus mehreren Gründen problematisch: 1. Mit dieser These lässt sich weder erklären, weshalb das Argument des Nomens angehoben werden muss, noch, was die Anhebung auslöst. Da die Argumentstruktur des Verbs (bzw. des Nomen-Verb-Komplexes) gesättigt ist, ist die Anhebung völlig unnötig. 2. Anders als beim Subjekt und beim Dativobjekt lässt sich bei der PP, die im NVG die gleiche Form behält wie im isolierten Gebrauch, nicht nachweisen, dass sie auf lexikalischer Ebene an einer verbabhängigen Position angehoben wird. Das einzige Indiz für diese These ist die relative Beweglichkeit der PP. Diese lässt sich jedoch auch mit Extraktion (bzw. NP-PP-Splitting) erklären, denn tatsächlich verhält sich, wie der folgende Punkt 3 zeigt, die PP im NVG ähnlich wie Präpositionalattribute von picture nouns. 3. Die Vorfeldstellung des Attributs eines deverbalen Nomens hängt von den gleichen Faktoren ab wie die Vorfeldstellung des Präpositionalattributs eines picture nouns: –

Die PP kann im Mittelfeld nach dem Nomen (vgl. 18a) – b)), im Vorfeld (vgl. 18c) – d)) oder im Mittelfeld vor dem Nomen (vgl. 18e) – f)) positioniert sein:

18) a) b) c) d) e) f)

Anna hat viele Artikel [über moderne Architektur] gelesen. Otto hat grosses Interesse [für moderne Architektur] gezeigt. [Über moderne Architektur] hat Anna viele Artikel gelesen. [Für moderne Architektur] hat Otto grosses Interesse gezeigt. Anna hat [über moderne Architektur] viele Artikel gelesen. Otto hat [für moderne Architektur] grosses Interesse gezeigt.



Die Distanzstellung der PP vom Nomen wird sowohl in NVGn als auch in Fügungen mit picture noun von den gleichen lexikalischen Faktoren beeinflusst: So ist die Extraktion eines Präpositionalattributs nur möglich, wenn Nomen und Verb ein enges semantisches Verhältnis zueinander eingehen (vgl. 1.2). Argumente deverbaler Nomen können, wie erwähnt, nur in NVGn getrennt vom Nomen erscheinen, und NVG zeichnen sich gerade durch eine semantisch sehr enge Beziehung zwischen Nomen und Verb aus.



Die Getrenntstellung ist in beiden Fällen diskursabhängig (vgl. dazu Beispiel 20)).



Zwar lassen sich weder der Spezifizitätseffekt noch der Freezing-Effekt bei Getrenntstellung einer PP im NVG nachweisen, dies ist jedoch kein Beleg dafür, dass die Getrenntstellung hier anderen Faktoren folgt. Der Spezifizitätseffekt lässt sich deswegen nicht nachweisen, weil bei NVGn die D-Komponente häufig fehlt, semantisch leer ist oder Default-Werte aufweist (vgl. Gallmann 1999: 293). Der Freezing-Effekt tritt nicht auf, weil nicht-verbale Elemente von NVGn generell nicht gescrambelt werden dürfen (vgl. dazu Steinitz 1989 und die folgenden Ausführungen). Trotzdem haben die beiden Arten von Getrenntstellung der PP von ihrem Nomen so viel gemein, dass sich der Verdacht aufdrängt, es könnte sich auch bei Getrenntstellung der PP im NVG um Extraktion handeln.



Ein weiteres Indiz dafür, dass die PP in die DP eingebettet ist, liefert die Möglichkeit ihrer gemeinsamen Platzierung im Vorfeld:

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19) a) DP[Angst PP[vor Spinnen]]i hatte Anna ti noch nie! b) DP[Artikel PP[über Politik]]i haben Rudi ti noch nie interessiert. c) *DP[Den Rudi]i PP[für Politik] j konnte Anna niemals ti tj begeistern. Allerdings handelt es sich hierbei nur um ein Indiz, denn wie Müller (2003) zeigen konnte, ist mehrfache Vorfeldbesetzung unter bestimmten, wenn auch nur sehr restringierten Bedingungen möglich.11 Da jedoch 19c) nicht möglich ist, drängt sich der Versacht auf, dass es sich auch in 19a) und 19b) nicht um mehrfache Vorfeldbesetzung handelt. –

Definitiv gegen die Theorie, dass die PP DP-extern als VP-Adjunkt basisgeneriert ist, spricht jedoch ihre Position: Die PP ist bei Normalwortstellung generell hinter dem Objektnomen positioniert:12

20) Was ist geschehen? a) Eva hat endlich DP[Verständnis PP[für Otto]] gezeigt. b) # PP[Für Otto] hat Eva endlich DP[Verständnis ti] gezeigt. c) #Eva hat endlich PP[für Otto] DP[Verständnis ti] gezeigt.13 Das Symbol # markiert, dass der Satz zwar grammatisch, im angegebenen Kontext mit unmarkierter Normalwortstellung jedoch unangemessen ist. Die PP ist demnach bei Normalwortstellung zwischen dem nicht-verbalen und dem verbalen Teil des NVGs positioniert. Nun ist dies jedoch keine übliche Position für Adjunkte: Steinitz (1989) weist darauf hin, dass die nicht-verbalen Teile von NVGn generell adjazent zum Verb stehen müssen (Steinitz 1989: 214): 21) a) Sie hatte einige Kinder zur Ruhe gebracht. b) *Sie hatte zur Ruhe einige Kinder gebracht. Im Anschluss an Bierwisch (1988) nimmt Steinitz (1989) an, dass die nicht-verbalen Teile von NVGn in einer verb-nahen Domäne positioniert sein müssen, die sie Vu nennt. Neben den nicht-verbalen Elementen von NVGn stehen in dieser Domäne einige PP-Komplemente (meist direktive und lokale Argumente) sowie NPs und APs in prädikativer Funktion. Die Elemente in diesem Bereich unterscheiden sich von anderen Mittelfeldelementen (wie beispielsweise normale Objekte oder fakultative Adverbiale) darin, dass sie nicht aus dieser Domäne herausgescrambelt werden dürfen:

––––––––– 11

12

13

Die Bedingungen zur mehrfachen Vorfeldbesetzung sind zwar sehr restringiert, allerdings kann ein direktes Objekt durchaus mit einer PP zusammen das Vorfeld besetzen: i) Die Kinder nach Stuttgart sollst du bringen. (Müller 2003: 116) Müller nimmt an, dass es sich hier um eine komplexe verbale Projektion mit V-Spur handelt, denn die Abfolge der Konstituenten entspricht deren Abfolge im Mittelfeld. Zur Ermittlung der Normalwortstellung durch den Fragetest vgl. Abschnitt 3.1.2, Kapitel 5 und Kapitel 6. 20c) ist kontextuell besser als 20b). Dies lässt sich auf die Scramblingbedingungen zurückführen, die nicht zu so harten Ergebnissen führen wie Topikalisierung. Auf diese Eigenschaft von Scrambling wird in den Kapiteln 5 und 6 ausführlich eingegangen.

47

22) a) b) c) d) e) f)

Eva hat vermutlich Angst gehabt. *Eva hat Angst vermutlich gehabt. Eva hat endlich die Vorteile erkannt. Eva hat die Vorteile endlich erkannt. Mario hat vorher DP[die Bücher] PP[ins Bücherregal] gestellt. *Mario hat vorher PP[ins Bücherregal] DP[die Bücher] gestellt.

Objekt-DPs können im Deutschen vor das Satzadverb gescrambelt werden, wie 22d) zeigt. Dies gilt für das Objekt eines NVGs wie in 22b) und für PP-Komplemente wie in 22f) jedoch nicht. Sie müssen bei Endstellung des Verbs dem Verb adjazent sein (vgl. Steinitz 1989: 210). Diese Beobachtung hat nun Folgen für die Analyse der PPArgumente von deverbalen Nomen in NVGn: Wäre beispielsweise die PP für Otto in 20a) ein VP-Adjunkt, wie Erbach /Krenn (1994) annehmen, würde sie zwischen dem nicht-verbalen Teil des NVGs und dem Verb stehen, wie das Adverbial vermutlich in 22b), was verhindern würde, dass das deverbale Nomen im verbnahen Bereich Vu stehen könnte. Das deverbale Nomen kann nur adjazent zum Verb sein, wenn die PP in die DP eingebettet ist. Die These, dass das PP-Argument des deverbalen Nomens im NVG an einer Adjunktposition des Verbs generiert wird, scheint mir aufgrund der obigen Ausführungen eher unplausibel. Möglich wäre natürlich noch die Annahme, dass es doch nicht eine Adjunkt-, sondern eher eine V-Komplement-Position einnimmt, dass also Nomen und Verb zusammen eine zusätzliche Argumentposition schaffen können. Diese Annahme muss deswegen überprüft werden, weil PP-Argumente durchaus im verbnahen Bereich Vu positioniert sein können, wie wir in Beispiel 22e) gesehen haben. Das heisst, es wäre evtl. möglich, dass sowohl die PP als auch das deverbale Nomen gemeinsam in der Domäne Vu positioniert sind. Gegen diese Annahme spricht jedoch die Tatsache, dass PP-Argumente im Vu-Bereich nicht gescrambelt werden dürfen, wie 23d) zeigt. Die PP in NVGn hingegen kann, wie wir bereits gesehen haben und auch wie Beispiel 23b) illustriert, durchaus im Mittelfeld vor dem deverbalen Nomen positioniert sein: 23) a) b) c) d)

Eva hat durchaus Verständnis PP[für Otto] gezeigt. Eva hat PP[für Otto]i durchaus Verständnis ti gezeigt. Mario hat vorher DP[die Bücher] PP[ins Bücherregal] gestellt. *Mario hat PP[ins Bücherregal] i vorher DP[die Bücher] ti gestellt.

Wenn also die PP in 23a) anders als jene in 23c) nicht in der Vu-Domäne positioniert ist, wie der Scrambling-Test zeigt, kann sie auch kein Komplement des Verbs sein. Sie muss entsprechend in die DP eingebettet sein, denn ansonsten wäre, wie bereits oben gezeigt, das deverbale Nomen Verständnis nicht adjazent zum Verb. Wenn sie aber in 23a) in die DP eingebettet ist, muss sie in 23b) extrahiert sein, was durch die Spur in 24b) angedeutet wird: 24) a) Eva hat durchaus DP[Verständnis PP[für Otto]] gezeigt. b) Eva hat PP[für Otto]i durchaus DP[Verständnis ti] gezeigt. Damit ist die Behauptung, dass Argumente von deverbalen Nomen nicht extrahierbar sind, widerlegt. Dies hat folgende Konsequenzen für die Extraktionstheorie: Diese Behauptung wurde als Hauptargument für die Annahme aufgeführt, dass es sich bei den extrahierbaren Elementen nicht um Argumente handle (vgl. Pafel 1993, 1995b und

48

De Kuthy 2002). Wenn nun aber, wie gezeigt, Argumente von deverbalen Nomen durchaus extrahierbar sind, drängt sich die Annahme auf, dass auch die extrahierbaren PPs von nichtdeverbalen Nomen wie picture nouns Argumente sein könnten. Gestärkt wird diese Annahme zudem dadurch, dass sowohl die Extraktion in Konstruktionen mit NVG als auch jene aus DPs mit picture noun den gleichen Bedingungen folgen, wie oben gezeigt wurde. Dass sie sich dementsprechend auch in Bezug auf den Faktor ›Funktion der Extraktionsspitze‹ gleichen, wäre eigentlich plausibel. Diese These hätte zur Folge, dass die in 11) (hier wiederholt als 25)) angesprochene Asymmetrie strukturell bedingt wäre: 25) a) b) c) d)

Rudi hat DP[viele Bücher PP[über moderne Architektur]] lesen müssen. PP[Über moderne Architektur] i hat Rudi DP[viele Bücher ti] lesen müssen. Rudi hat DP[viele Bücher PP[mit Eselsohren]] lesen müssen. *PP[Mit Eselsohren]i hat Rudi DP[viele Bücher ti] lesen müssen.

Als Argument würde sich die extrahierbare PP in 25b) von der nicht-extrahierbaren Adjunkt-PP in 25d) darin unterscheiden, dass sie an einer Position generiert ist, die thetaMarkiert ist (A-Position vs. A’-Position). Eine strukturelle Erklärung für diese Asymmetrie wäre durchaus erwünscht, denn eine lexikalisch-pragmatische wie sie De Kuthy (2002) anbietet, ist – wie bereits erwähnt – entschieden zu liberal. Sie kann die Nicht-Extrahierbarkeit vieler Adjunkt-PPs nicht erklären, und das obschon diese gegenüber den wenigen extrahierbaren eindeutig in der Mehrzahl sind. Ausserdem kann sie die Extrahierbarkeit von Argument-PPs in NVGn nicht fassen. Nun wird allerdings meist dafür argumentiert, dass nicht-deverbale Nomen generell keine Argumente haben. Im folgenden Abschnitt wird daher die Plausibilität der These überprüft, indem untersucht wird, ob es Indizien dafür gibt, dass gewisse nicht-deverbale Nomen über eine Argumentstruktur verfügen.

2.2.2 Extraktion aus DPs mit nicht-deverbalen Nomen Die Literatur zur Extraktion aus DPs konzentriert sich meist auf die Extraktion aus DPs mit so genannten picture nouns (vgl. u.a. Erteschik-Shir 1981, Bach /Horn 1976, Catell 1976, Davies/Dubinsky 2003, Webelhuth 1992, Müller 1995a und 1998b, Chomsky 1973). Picture nouns sind im weiten Sinn Nomen, die ein Werk bezeichnen (Werknomen). Nicht nur die Extraktion aus DPs mit deverbalen Nomen wird, wie wir bereits gesehen haben, vernachlässigt, sondern meist auch, dass noch andere Nomen Extraktion zulassen, wie die folgenden, nach Nomentypen gruppierten Beispiele zeigen: 26) a) b) c) d)

Philipp hat DP[mehrere Biografien PP[über die Bergmann]] gelesen. PP[Über die Bergmann]i hat Philipp DP[mehrere Biografien ti] gelesen. Sie hat bisher noch DP[keine Filme PP[von Hitchcock]] gesehen. PP[Von Hitchcock]i hat sie bisher noch DP[keine Filme ti] gesehen.

27) a) Kaspar zeigt DP[kein Interesse PP[für Musik]]. b) PP[Für Musik]i zeigt Kaspar DP[kein Interesse ti]. 28) a) Wer hat sonst noch DP[Lust/Appetit PP[auf Bananen]]? b) PP[Auf Bananen] i hat Otto DP[grosse Lust /grossen Appetit ti].

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29) a) b) c) d)

Marina hat erst DP[ein Kapitel PP[von diesem Buch]] gelesen. PP[Von diesem Buch]i hat Marina erst DP[ein Kapitel ti] gelesen. DP[Alle Wände PP[vom kleinen Zimmer]] müssen noch gestrichen werden. PP[Vom kleinen Zimmer] i müssen noch DP[alle Wände ti] gestrichen werden.

30) a) Oskar hat bereits DP[viele Gläser PP[von diesem Wein]] getrunken. b) PP[Von diesem Wein] i hat Oskar bereits DP[viele Gläser ti] getrunken. c) PP[Vom weissen Wein]i können Sie mir DP[drei Liter ti] geben. In Beispiel 26) ist die PP jeweils aus einer DP mit picture noun extrahiert, in 27) ist sie Komplement eines deverbalen Nomens, das Teil eines NVGs ist. In 28) handelt es sich um ein Nomen, welches den deverbalen Nomen in NVGn stark gleicht, indem es semantisch gesehen zusammen mit dem Verb das Prädikat bildet, dem allerdings kein Verb bzw. kein Adjektiv zugrunde liegt. Nach Hoffmann /Strecker /Zifonun (1997: 1975) verfügt es darüber hinaus, wie deverbale Nomen, über eine starke Formselektion. In Beispiel 29) steht das Nomen mit seinem Attribut in einem Teil-Ganzen-Verhältnis und in 30) handelt es sich um Behälter- und Massnomen, die zusammen mit dem PP-Attribut und einer Massangabe eine Partitivkonstruktion bilden.14 Wie im vorherigen Kapitel ausgeführt, wird in Fällen wie in Beispiel 27) das PP-Argument eines deverbalen Nomens extrahiert. Die Frage stellt sich nun, ob auch die anderen extrahierten PPs Argumente des Nomens sind. Dafür spricht die Beschreibung der Konstruktionen: Bei allen Beispielen kann ein (semantisches) Verhältnis zwischen dem Nomen und dem Präpositionalattribut beschrieben werden (Teil-Ganzes-Verhältnis, Partitivkonstruktion, starke Formselektion usw.). Dies ist wohl auch der Grund dafür, dass in Arbeiten, in denen die Nomenkategoriesierung auf die Theorie der lexikalischen Thetarollenrektion abgestützt wird (vgl. Di Sciullo /Williams 1987 oder Marantz 1984), die meisten der obigen Nomen als relationale Nomen analysiert werden. Dies widerspiegelt auch der Ansatz von Bhatt (1990), der folgende Gruppen zu den relationalen Nomen (Nomen mit Argumentselektion) zählt (Bhatt 1990: 77, 89f.): – – – – –

Mass- und Behälternomen in Partitivkonstruktionen: ein Liter (Milch), drei Stapel (Holz), fünf Glas (Bier), … Picture nouns: Buch, Bild, Film, … Deverbale Nomen: Eroberung, Beschreibung, Beendigung, … Nomen, die ein Verwandtschaftsverhältnis bezeichnen: Vater (von X), Sohn (von X), … Nomen wie Idee (das Haus umzubauen), Trick (Details wegzulassen), Appetit (auf Bananen), Autor (des Buches) … Solche Nomen verhalten sich »…wie echte Nominalisierungen und ihre Komplemente wie echte Valenzkomplemente« (Bhatt 1990: 90).

––––––––– 14

Das Komplement einer Partitivkonstruktion kann im Deutschen auch als partitiver Genitiv oder als partitive Apposition realisiert werden (vgl. Lindauer 1995, Gallmann 1996). Nach Löbel (1989) handelt es sich dann um so genannte Pseudopartitive. Partitive Genitive können nicht extrahiert werden (vgl. dazu Abschnitt 3.1.6).

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Bhatts Einteilung beschreibt alle fraglichen Nomen in 26) – 30) als Argumentnomen ausser jene in 29). Zusätzlich erfasst sie auch noch die Nomen, die ein Verwandtschaftsverhältnis bezeichnen. Das Problem an dieser und ähnlichen Beschreibungen ist, dass jeweils keine Kriterien angegeben werden, durch die Argumentnomen bestimmt sind. Die Argumentstruktur von nicht-deverbalen Nomen wird nicht als Reflex von beobachtbaren Merkmalen, die dem Nomen inhärent sind, beschrieben. Die Nomen werden eher intuitiv als relational stipuliert, jedoch nicht nachgewiesen. Dies bemängelt auch Grimshaw (1990) an solchen Theorien. Sie weist ausserdem darauf hin, dass die Theorie der lexikalischen Thetarollenrektion neben den genannten methodischen Mängeln auch empirische aufweist: Weder beachte der Ansatz die Regularitäten im lexikalischen System, noch erkläre er, wie Kinder diese lexikalische Information lernen können (vgl. Grimshaw 1990: 3). Im Anschluss an Grimshaw (1990) wurde in einigen Arbeiten versucht, die Argumentstruktur von nicht-deverbalen Nomen mithilfe unterschiedlicher Kriterien nachzuweisen. Die meisten Analysen konzentrieren sich jedoch nur auf einen einzigen Typ von Nomen. Im Folgenden werden einige dieser Arbeiten referiert. Da sich alle mit einem anderen Typ von Nomen beschäftigen, richtet sich der Fokus vor allem auf die Frage, ob sich in ihnen Gemeinsamkeiten in Bezug auf die Konzeption der Argumentstruktur finden lassen: De Armand /Hedberg (1999) Nach De Armand /Hedberg (1999), die einen lexikalischen Ansatz vertreten, können nichtdeverbale Nomen secondary complements15 selegieren. Die Thetarollen ergeben sich dabei aufgrund von inhärenten Bedeutungsmerkmalen des Prädikats. Sekundäre Komplemente werden von Nomen selegiert, die in ein Set von lexikalischen Merkmalen dekomponiert werden können. Eines dieser Merkmale selegiert das sekundäre Komplement. Primäre Komplemente hingegen werden von einem Prädikat selegiert, welches nicht in weitere Merkmale dekomponiert werden kann. Nicht-deverbale Nomen tragen generell das lexikalische Merkmal ›Objekt‹, welches keine Argumente selegiert. Es gibt aber auch nominale Merkmale, die Argumente selegieren können. Eines davon ist nach De Armand /Hedberg (1999) das Merkmal ›Behälter‹, welches ein Themaargument selegiert. Dieses Merkmal ist Nomen wie Glas, Eimer, Flasche usw. inhärent, diese weisen sowohl das lexikalische Merkmal ›Objekt‹ als auch ›Behälter‹ auf: 31) Otto trinkt ein Glas Bier. Hole bitte zwei Eimer klares Wasser aus dem Brunnen. Diesen Nomen ist jedoch nicht in allen Kontexten das Merkmal ›Behälter‹ inhärent, sie können auch als einfache Ausdrücke realisiert werden und nur das Merkmal ›Objekt‹ innehaben. In diesem Fall sind sie weder quantifiziert noch selegieren sie ein Argument: 32) Die Glasfabrik produziert Flaschen *Bier. ––––––––– 15

Primary complements ergeben sich aus der integrierten Bedeutung eines Prädikats. Gewisse Prädikate haben jedoch eine komponierte integrierte Bedeutung, die aus einem Bündel von lexikalischen Merkmalen besteht. Die von einem einzelnen Merkmal abhängenden Komplemente werden secondary complements genannt. Im hier diskutierten Zusammenhang ist diese Unterscheidung allerdings unwichtig, da deverbale Nomen gar nicht über primary complements verfügen. Secondary complements werden in dieser Arbeit als Argumente und nicht als Adjunkte analysiert.

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Allerdings fragt sich, ob tatsächlich das Merkmal [± Behälter] für die Argumentselektion verantwortlich ist, denn wenn die DP quantifiziert wird, ist auch im Kontext von 32) Argumentselektion möglich, wie Beispiel 33) zeigt: 33) Die Brauerei produziert 10’000 Flaschen Bier pro Tag. Die Theorie von De Armand /Hedberg (1999) erfasst das Nomen in 30a) und 30b) als Argumentnomen, nicht aber dasjenige in 30c). Sie spaltet damit diese Gruppe, und das obschon quantifizierte Behälterausdrücke sich semantisch und syntaktisch sehr ähnlich wie Mass- und Mengenangaben verhalten. Beide bilden so genannte Partitivkonstruktionen (bzw. Numerativkonstruktionen), die sich aus einem quantifizierenden Attribut, dem Behälter- oder Massnomen und einem partitiven Attribut (partitive PP, partitiver Genitiv oder partitive Apposition (vgl. Gallmann 1990, Lindauer 1995)) zusammensetzen. Es besteht meines Erachtens kein Grund dafür, nur die Attribute in DPs mit Behälterausdruck als Argument zu bezeichnen, jene in DPs mit Massangaben hingegen nicht. Es ist eher unwahrscheinlich, dass das inhärente Merkmal ›Behälter‹ für die Argumentselektion verantwortlich ist. Wahrscheinlicher scheint mir bei Partitivkonstruktionen die Theorie von Lindauer (1995) und Gallmann (1990) zu sein, die im Folgenden referiert wird. Gallmann (1990), Lindauer (1995) Gallmann und Lindauer gehen von der Annahme aus, dass das Genitivattribut oder die Apposition in Partitivkonstruktionen vom Nomen selegiert ist, jedoch von diesem keine eigene Thetarolle zugewiesen bekommt (Gallmann 1990: 312). Das Nomen wirkt eher als Funktor, der dem Attribut seine Thetarolle vererbt. Zeigen lässt sich dies am folgenden Beispiel von Lindauer (1995: 187f.): 34) a) Einem Pfund grüner /grünen Bohnen wurden die Stiele abgezwackt. b) Den grünen Bohnen wurden die Stiele abgezwackt. Das Verb abzwacken selegiert eine Dativ-DP, der es die Theta-Rolle THEMA zuweist. Würde nun in Beispiel 34a) alleine die dativisch markierte DP einem Pfund diese ThetaRolle tragen, würde dies zur Interpretation führen, dass einem Pfund und nicht den Bohnen die Stiele abgezwackt wurden, was offensichtlich nicht der intendierten Lesart entspricht. Vielmehr muss angenommen werden, dass das Attribut über Thetarollenkongruenz zu seiner thematischen Rolle kommt. Das Verhältnis zwischen dem Behälter- bzw. Massnomen und seinem quantifizierten Attribut weist jedoch noch weitere Eigenschaften auf, welche Partitivkonstruktionen von anderen komplexen DPs unterscheiden: Das quantifizierte Attribut kongruiert nicht nur in Bezug auf die Theta-Rolle mit der quantifizierenden DP, sondern es kann mit ihr auch kasuskongruent sein. Das Attribut kann nämlich nicht nur als Genitivattribut angeschlossen werden wie in 35a), sondern es kann, was viel häufiger der Fall ist, seinen Kasus über Kongruenz mit dem übergeordneten Nomen erhalten wie in 35b). Gallmann (1990: 315) spricht in diesem Fall von partitiver Apposition: 35) a) ein Glas [italienischen Weins] b) ein Glas [italienischer Wein] Allerdings ist die partitive Apposition immer indifferent in Bezug auf das Merkmal [± definit]:

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36) a) ein Glas [kühles Bier] b) *ein Glas [das/viel kühle/kühles Bier] Die Spezifikatorposition SpecDP muss leer sein, wie 36b) zeigt.16 Der Funktor übermittelt seinem Attribut also nicht nur die Thetarolle, sondern auch noch Definitheitsmerkmale. Zwar können auch DPs oder eine PP (mit eingebetteter DP) angeschlossen werden, die Definitheitsmerkmale tragen, in diesem Falle jedoch kann das Attribut nicht über Kongruenz kasusmarkiert werden: 37) a) ein Glas [dieses italienischen Weins] b) ein Glas [von diesem italienischen Wein] c) *ein Glas [dieser italienische Wein] Das Attribut bekommt hier den Kasus entweder, wie in 37a), strukturell vom übergeordneten Nomen zugewiesen oder es wird als von-PP realisiert, wie in 37b). N hat jedoch in diesem Fall nicht nur seine Eigenschaft verloren, Definitheitsmerkmale zu übermitteln, sondern, auch jene, seine thematische Rolle zu vererben, so die Annahme von Gallmann (1990). Er vermutet daher, dass das Attribut die thematische Rolle ZUGEHÖRIGKEIT lexikalisch erhalten könnte, geht jedoch nicht näher auf diese Konstruktion ein. Auch Löbel (1989) unterscheidet die Konstruktionen in 35) und 36) von jener in 37). Nur bei letzterer handelt es sich ihrzufolge um eine echt partitive Konstruktion, erstere zählt sie zu den Pseudopartitiven. Die Unfähigkeit von so genannt echten Partitiven, die thematische Rolle des Verbs an das Attribut zu übermitteln, hat zur Folge, dass sie auch keine so genannte Constructio ad sensum bilden können. Bei einer solchen Konstruktion kann sich unter bestimmten Umständen die Kongruenz zwischen Verb und Subjekt dem Sinn anpassen, das heisst, das Verb kann sowohl mit dem quantifizierenden übergeordneten Nomen als auch mit dem Attributnomen kongruieren: 38) a) Ein Pfund Erdbeeren kostet /kosten 8 Mark. b) Ein Kilogramm Bohnen wird /werden gekocht.

(Duden IX 1997: 574) (Duden IX 1997: 413)

Der Subjektkern Pfund bzw. Kilogramm ist singularisch, trotzdem kann das Verb auch mit dem untergeordneten pluralischen Attributskern Erdbeeren bzw. Bohnen kongruieren. Diese Ambiguität erklärt Lindauer (1995: 188) ähnlich wie Gallmann (1990): Da beide Nomen über eine Kongruenzkette dieselbe Theta-Rolle aufweisen, kann sowohl der Attributskern als auch der Subjektskern als semantischer Kopf des Syntagmas interpretiert werden. In echt partitiven Konstruktionen ist dies jedoch nicht möglich: 39) a) Ein Pfund von diesen süssen Erdbeeren kostet / *kosten 8 Mark. b) Ein Kilogramm von den langstieligen Bohnen wird / *werden gekocht. Die Massnomen in 39) stehen in einem anderen semantischen Verhältnis zum Attributskern als jene in 38): In echt partitiven Konstruktionen wie in denjenigen aus Beispiel 39) bezeichnet das Attribut eine Quantität, von den langstieligen Bohnen, von welcher ein Teil, ein Kilogramm, genommen wird. Damit stehen das übergeordnete Nomen und sein Attribut ––––––––– 16

Gallmann (1990: 313) nimmt an, dass die übergeordnete DP1 mit der untergeordneten DP2 koindiziert ist, was analog auch für ihre Kerne gilt. D1 und D2 selegieren nur einen einzigen Spezifikator.

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in einem Oppositionsverhältnis, welches man als Teil-Ganzes-Verhältnis beschreiben könnte. Dies erklärt auch, weshalb die beiden Elemente nicht thematisch verbunden sein können wie bei pseudo-partitiven Konstruktionen. Ohne thematische Verbundenheit kann auch die Interpretation des semantischen Kerns nicht je nach Sinn schwanken. Einzig der syntaktische Kern kann in der echt partitiven Konstruktion mit dem Verb kongruieren. Nun fragt sich, welche Auswirkungen diese Beobachtungen auf die hier im Zentrum stehende Diskussion haben, ob extrahierbare PPs Argumente sind oder nicht. Es hat sich gezeigt, dass Attribute in pseudo-partitiven Konstruktionen thematisch markiert sind, ansonsten könnten sie ja nicht thematisch mit dem Kernnomen verbunden sein bzw. wie in 34) als Theta-Rollen-Träger der DP in Frage kommen. Allerdings werden sie, anders als Partitivkonstruktionen, nicht durch das Nomen thematisch selegiert. Vielmehr kann die thematische Rolle des Nomens perkolieren, da das Attribut mit dem Kernnomen eine funktionale Beziehung eingeht. Solche PPs als Argumente zu analysieren ist daher problematisch. Anders ist dies bei echt partitiven Konstruktionen: Die Attribute von echt partitiven Konstruktionen können extrahiert werden, wie Beispiel 30) (hier wiederholt als 41)) zeigt: 40) b) PP[Von diesem Wein] i hat Oskar bereits DP[viele Gläser ti] getrunken. c) PP[Vom weissen Wein]i können Sie mir DP[drei Liter ti] geben. Da diese jedoch, anders als die Attribute in Pseudopartitivkonstruktionen, nicht über Perkolation thetamarkiert sein können, fragt sich, ob sie überhaupt thetamarkiert sind, und wenn ja, wodurch. Anders als in Pseudopartitivkonstruktionen stehen das Kernnomen und sein Attribut in echt partitiven Konstruktionen in einem Oppositionsverhältnis zueinander. Ihnen ist also eine semantische Relation nachweisbar, welche als Teil-Ganzes-Verhältnis beschrieben werden kann. Sie sind semantisch voneinader abhängig, was ein Indiz dafür sein könnte, dass das Attribut in echt partitiven Konstruktionen durch das Kernnomen thematisch markiert ist, also als Argument analysiert werden kann. Neben Partitivkonstruktionen gehen auch andere Nomen ein Teil-Ganzes-Verhältnis mit ihrem Attribut ein. Diese Nomen sind Gegenstand der Argumenttheorie von Barker /Dowty (1993). Ihrer Theorie zufolge gilt ein Teil-Ganzes-Verhältnis als wichtigstes Indiz für Argumentselektion bei Nomen. Barker /Dowty (1993) Nach der Protorollentheorie von Barker /Dowty (1993) sind die thematischen Rollen von Argumenten nicht über die lexikalische Vergabe von Labels wie AGENS, PATIENS, THEMA, GOAL usw. definiert. Die Argumentstruktur wird über ein zur Bedeutung gehörendes Oppositionsverhältnis hergeleitet. Bei Verben stehen eine Menge von ihnen inhärenten Proto-AGENS- und Proto-PATIENS-Eigenschaften in Opposition zueinander, bei Nomen sind dies Proto-Teil- und Proto-Ganzes-Eigenschaften. Je nachdem, ob ein bestimmtes Argument mehr von diesen oder den anderen Proto-Eigenschaften besitzt, erscheint es bei Verben als AGENS (Subjekt) oder PATIENS (Objekt) und bei Nomen als Kopfnomen oder als deren Argument. Als relationale Nomen nennen Dowty / Barker (1993) explizit nur so ge-

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nannte kinship-nouns (Verwandtschaftsnomen) 17 wie Vater, Mutter, Tante, Onkel, König, Präsident, Gast, Feind, Freund usw. und Nomen wie Kapitel, Spitze, Ecke, Teil usw. Zwar scheint mir das Teil-Ganze-Verhältnis bei den Verwandtschaftsbezeichnungen eher aufgezwungen und unplausibel. Da hier jedoch vor allem die Nomen des letzteren Typs von Interesse sind und da auch Barker / Dowty (1993) sich auf diese konzentrieren, möchte ich hier nicht näher auf die kinship-nouns eingehen. Das Komplement von Nomen wie Kapitel, Spitze usw. weist Proto-Ganzes-Eigenschaften auf, während das Nomen selbst Proto-Teil-Eigenschaften innehat: die Spitze des Bleistifts, das Kapitel des Buchs, die Ecke des Tischs usw. Relationale Nomen unterscheiden sich von nicht-relationalen darin, dass das Attribut in ihrer Bedeutung mitenthalten ist: Ein Nomen wie Kapitel oder Vater kann als solches nur definiert sein, wenn es ebenfalls ein Buch bzw. einen Sohn oder eine Tochter gibt. Nach Barker /Dowty (1993) selegieren die Nomen in 29) also aufgrund der ihnen inhärenten lexikalisch-semantischen Eigenschaften ein Argument, welches aufgrund eines Oppositionsverhältnisses bestimmt und dadurch auch thematisch markiert ist. Die Protorollentheorie von Barker /Dowty erfasst bereits bei Verben nur strukturelle Argumente bzw. prototypische direkte Objekte. Indirekte Objekte werden von der Protorollentheorie nicht erfasst. Dieser Kritikpunkt gilt meines Erachtens auch bei ihrer Argumenttheorie für nicht-deverbale Nomen. Es leuchtet nicht ein, weshalb nur ein Teil-GanzesVerhältnis argumentbestimmend ist und nicht auch andere Verhältnisse dies sein könnten. Bereits die kaum begründete Annahme von Barker /Dowty, dass Verwandtschaftsbezeichnungen zu den Argumentnomen zu zählen sind, weist darauf hin, dass Nomen und ihre allfälligen Argumente auch andere Verhältnisse bezeichnen können. Trotzdem zeigt die Theorie, dass auch Nomen über ihnen inhärente beschreib- und beobachtbare Eigenschaften verfügen, mit deren Hilfe Argumentselektion nachgewiesen werden könnte. Allerdings müssen diese Eigenschaften noch erforscht werden. Grimshaw (1990) spricht jedenfalls allen nicht-deverbalen Nomen solche Eigenschaften ab. Ihre Theorie wird im Folgenden kurz dargestellt. Grimshaw (1990) Grimshaw hat eine Theorie entwickelt, nach der Thetarollen aus inhärent semantischen Eigenschaften des Prädikats regulär hergeleitet sind. Die Argumentstruktur ergibt sich aus der dem Prädikat inhärenten Ereignisstruktur und aus der lexikalisch-konzeptuellen Struktur (lcs = lexical conceptual structure). Dies hat zur Folge, dass nicht-deverbale Nomen keine thematischen Argumente haben können, denn nur Verben (bzw. Adjektive) und von ihnen abgeleitete Nomen verfügen über eine komplexe Ereignisstruktur. Grimshaw (1990: 5) unterscheidet jedoch zwischen den grammatischen thematischen Argumenten, die obligatorisch sind, und den rein lexikalischen Teilnehmern (participants), die nur durch die lexikalisch-konzeptuelle Struktur (lcs) bestimmt werden. Nomen werden diesem System zufolge in drei Kategorien eingeteilt (Grimshaw 1990: 49ff.): a)

Process nominals (Prozessnomen): Prozessnomen sind Nominalisierungen. Sie bezeichnen ein Ereignis oder einen Prozess und haben eine komplexe Ereignisstruktur.

––––––––– 17

Der Begriff Verwandtschaftsnomen ist nicht ganz wörtlich zu nehmen, hierher gehören auch Wörter wie Präsident (der USA), König (von Spanien), Freund (von Peter) usw.

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Daher verfügen sie auch über eine Argumentstruktur. Ihre Argumente sind jeweils obligatorisch (Grimshaw 1990: 50): 41) the felling *(of the trees), the destroying *(of the city) b)

Result nominals (Resultatsnomen): Resultatsnomen bezeichnen das Resultat eines Ereignisses oder Prozesses. Sie haben zwar fakultative Teilnehmer, die sich aus ihrer lexikalisch-konzeptuellen Struktur (lcs) ergeben. Da sie jedoch keine Ereignisstruktur aufweisen, sind diese Teilnehmer keine grammatischen Argumente. Dass sie über keine Ereignisstruktur verfügen, lässt sich daran erkennen, dass sie sich nicht mit Modifizierern wie frequent oder constant kombinieren lassen, die jeweils eine Prozessbzw. Ereignislesart forcieren (Grimshaw 1990: 50f.):

42) a) b) c) d)

The expression is desirable. *The frequent expression is desirable. The assignment is to be avoided. *The constant assignment is to be avoided.

Die Teilnehmer von Nominalisierungen sind jeweils fakultativ, ausser jene von englischen Gerundiv-Nominalisierungen wie in 41). Die anderen Nominalisierungen, also auch alle Nominalisierungen im Deutschen, können ambig sein und sowohl Prozesslesart als auch Resultatslesart zulassen. In der Prozesslesart ist der Teilnehmer obligatorisch, also ein Argument: 43) a) b) c) d) b)

*The frequent expression is desirable. The frequent expression of one’s feeling is desirable. *The constant assignment is to be avoided. The constant assignment of unsolvable problems is to be avoided.

Concrete nouns (konkrete Nomen): Konkrete Nomen wie Hund, Haus, Baum usw. haben keine Teilnehmer, die zur lexikalisch-konzeptuellen Struktur des Nomens gehören. Sie haben nur Modifizierer.

Nach Grimshaws Ansatz gehören alle nicht-deverbalen Nomen zu den konkreten Nomen. Die extrahierbaren Präpositionalattribute in 26) und in 28)–30) sind ihrer Theorie zufolge nicht von den nicht-extrahierbaren zu unterscheiden. Bei beiden Typen handelt es sich um Modifizierer. Die extrahierbaren PPs von deverbalen Nomen in NVGn hingegen können je nach Lesart entweder Teilnehmer von Resultatsnomen oder Argumente von Prozessnomen sein. Meines Erachtens ist die Theorie von Grimshaw (1990) für Nomen zu wenig differenzierend: Sowohl das syntaktische als auch das semantische Verhältnis von nicht-deverbalen Nomen zu ihrem Attribut ist dieser Theorie zufolge immer gleich. Vergleicht man jedoch die Attribute in 44), die jenen in den Beispielen 26) – 30) entsprechen, mit denen in 45), so unterscheiden sie sich nicht nur in ihrem syntaktischen Verhalten, indem sie extrahierbar sind, sondern auch in ihrem semantischen. Dies wird auch von den oben vorgestellten Theorien meist als Begründung für die Relationalität der Nomen angegeben:

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44) a) die Biografie über die Bergmann, der Film von Hitchcock, der Bericht über die Klimaerwärmung b) das Kapitel von diesem Buch, die Spitze vom Eisberg c) einige Gläser von diesem leckeren Bier 45) a) das Haus auf dem Hügel, der Hund mit den Hängeohren b) der Film mit Werbeunterbrechungen, die Biografie im 2. Regal Auffällig an den Beispielen in 44) ist, dass das Attribut in der lexikalischen Bedeutung des Nomens meist mitenthalten ist. De Armand /Hedberg (1999) und Barker / Dowty (1993) beschreiben diese den Nomen in 44c) und 44d) inhärente Eigenschaft. Zwar können picture nouns wie jene in 44a) mit diesen Theorien nicht erfasst werden, allerdings lässt sich auch bei den Konstruktionen mit picture noun zeigen, dass das Attribut Teil ihrer lexikalischen Bedeutung sein kann: Davies / Dubinsky (2003: 12f.) weisen daraufhin, dass picture nouns zwei Bedeutungen haben können: 46) a) Sie schlägt mit dem Buch auf den Tisch. b) Sie weiss nicht, wie sie ihre Firma umstrukturieren soll, aber sie liest ein Buch über effektive Reorganisation. In der einen Bedeutung (46a)) referieren sie auf ein Objekt, in der anderen (46b)) fokussieren sie die Information, die im Objekt enthalten ist. Im letzteren Fall ist eine Information, welche durch das Attribut bezeichnet wird, Teil der Bedeutung, die dem Nomen inhärent ist. Um es etwas vereinfacht zu sagen: Einem picture noun ist eigen, dass es ein Produkt beschreibt, welches von jemandem kreiert wurde und ein Thema enthält. Darin unterscheiden sich picture-nouns von anderen Nomen. Sowohl das Thema als auch der Auctor werden vom Attribut bezeichnet, obschon dieses und nicht das Objekt selbst, das Nomen, im Fokus des Interesses steht. Zugegebenermassen ist die Verbundenheit von picture nouns zu ihrem Attribut nicht so leicht beschreibbar, wie auch die etwas diffuse Beschreibung zeigt. Gestärkt wird jedoch die These, dass der Auctor und das Thema der Bedeutung des picturenouns inhärent sind, durch das folgende Beispiel. Es verhilft auch dazu, die noch diffuse Beschreibung von Inhärenz und Verbundenheit konzeptuell zu erfassen: 47) a) Otto hat über das Attentat berichtet. b) Anna hat DP[mehrere Berichte PP[über das Attentat]] gelesen. c) Anna hat DP[mehrere Berichte PP[von Otto]] gelesen. Dem Nomen Bericht, das aus synchroner Sicht nicht als produktive Nominalisierung bezeichnet werden kann, entspricht das Verb berichten, welches zwei Argumente selegiert. Argumente sind von ihrem Selektor thematisch markiert. Die thematische Markierung erfolgt nach Grimshaw (1990) aufgrund der inhärent-semantischen Eigenschaften (Ereignisstruktur und lexikalisch-konzeptuelle Struktur (lcs)) des Selektors, hier also des Verbs berichten. Wenn nun das Verb berichten aufgrund seiner semantischen Eigenschaften fähig ist, seine Argumente thematisch zu markieren, ist es meines Erachtens nicht plausibel, dass das ihm – auch semantisch – entsprechende Nomen Bericht nicht ebenfalls dazu fähig sein sollte und dass somit seine Attribute, anders als die Verbargumente, thematisch nicht markiert sein sollen. Nun könnte es sich nach Grimshaw (1990) in 47) auch um ein Resultats-

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nomen handeln, das aufgrund seiner lexikalisch-konzeptuellen Struktur (lcs) zwar Teilnehmer (participants) selegieren kann, jedoch keine Argumente, weil es über keine Ereignisstruktur verfügt. Allerdings verhält sich das Nomen Bericht gleich wie die picture nouns und diese verfügen nach Grimshaw (1990: 94, 144) als konkrete Nomen keinesfalls über eine lexikalisch-konzeptuelle Struktur (lcs). Es ist meines Erachtens wenig plausibel, für das Nomen Bericht anzunehmen, dass aufgrund seiner lexikalischen Semantik die vonund über-Attribute als Teilnehmer analysiert werden, diejenigen von anderen picture nouns hingegen nicht. Das Problem an Grimshaws Theorie ist, dass sie die Möglichkeit einer lcs bei nicht-deverbalen Nomen prinzipiell ausschliesst, und das, obschon gerade dieses Konzept, welches ihrer Theorie entstammt, die oben beschriebenen Unterschiede der Nomen in 44) und 45) zu ihren Attributen erfassen könnte: Im Gegensatz zu den Attributen der Nomen in 45) werden die Attribute in 44) aufgrund der lexikalisch-konzeptuellen Struktur des Nomens selegiert. Nach Grimshaw (1990) können sie jedoch auch nicht als Argumente analysiert werden, da Nomen aufgrund fehlender Ereignisstruktur über keine Argumentstruktur verfügen. Es fragt sich nun, welche Positionen für die Teilnehmer vorgesehen sind: Sind sie, wie die Modifizierer, Adjunkte und somit nur semantisch, nicht aber syntaktisch, enger dem Nomen verbunden, oder sind sie, wie Argumente, an der Komplementposition von N positioniert? Meines Erachtens weisen nun gerade die Extraktionsdaten darauf hin, dass Teilnehmer, falls überhaupt zwischen Teilnehmern und Argumenten unterschieden werden soll, an der Komplementposition generiert sind: Wie in diesem Kapitel dargelegt, gibt es gute Gründe dafür anzunehmen, dass neben deverbalen Nomen auch gewisse andere Nomen über eine lexikalisch-konzeptuelle Struktur (lcs) verfügen, die beschrieben werden kann. Diesen Nomen ist gemein, dass ihre Argumente bzw. Teilnehmer extrahierbar sind. Wenn man nun davon ausgehen will, dass im Deutschen Argumente deverbaler Nomen an der Komplementposition generiert sind, was eigentlich kaum umstritten ist,18 dann ist es plausibel anzunehmen, dass auch die Teilnehmer nicht-deverbaler Nomen an der N-Komplementposition stehen, denn nicht nur ihr semantisches, sondern vor allem auch ihr syntaktisches Verhalten ist aufgrund ihrer Extrahibilität jenem von Argumenten deverbaler Nomen näher als jenem von Modifizierern. Nachweisen lässt sich jedoch nur schwer, dass die extrahierbaren Teilnehmer eine andere Position als die nicht-extrahierbaren Modifizierer einnehmen, denn die Kombination eines Teilnehmers mit einem Modifizierer ist immer markiert. Allerdings führt die Positionierung eines Modifizierers zwischen dem Nomen und seinem Teilnehmer doch zu eindeutiger Ungrammatikalität, was zumindest ein Indiz für Positionsunterschiede sein könnte:

––––––––– 18

Nach Grimshaw (1990) verfügen deverbale Nomen nur dann über eine Argumentstruktur, wenn sie Prozesslesart zulassen. In diesem Fall ist das Argument obligatorisch. Deverbale Nomen im Deutschen sind ihrzufolge immer ambig, da nur Gerundiv-Nominalisierungen immer über Prozesslesart verfügen. Da das Deutsche keine Gerundiv-Nominalisierungen kennt, ist diese Unterscheidung nicht nötig und hat sich in Arbeiten, die sich mit dem Deutschen befassen, auch nicht durchgesetzt. So unterscheidet auch De Kuthy (2002), die ihre Analyse der extrahierbaren PPs auf Grimshaw (1990) stützt, nicht zwischen Argumenten und Teilnehmern von deverbalen Nomen.

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48) a) ?das Buch über Syntax auf dem Bücherregal, ?das Buch über Syntax mit Eselsohren b) *das Buch auf dem Bücherregal über Syntax, *das Buch mit Eselsohren über Syntax Zumindest weisen einige Indizien darauf hin, dass sowohl Argumente deverbaler Nomen als auch Teilnehmer nicht-deverbaler Nomen an der gleichen Position generiert sind. Somit macht es zumindest aus syntaktischer Sicht wenig Sinn, weiter zwischen Argument und Teilnehmer zu unterscheiden. Extraktion kann als syntaktischer Reflex und damit als Indiz für thematische Markierung bzw. Argumenthaftigkeit eines Präpositionalattributs genommen werden.

2.2.3 Zusammenfassung In diesem Abschnitt konnte gezeigt werden, dass die unterschiedliche Beweglichkeit von Präpositionalphrasen durchaus strukturell begründet werden kann. Es sprechen viele Indizien dafür, dass extrahierbare PPs Argumente sind, nicht-extrahierbare hingegen Adjunkte. Die Annahme, dass Argumente nicht extrahierbar sind, hat sich als falsch erwiesen, denn es konnte durch mehrere Tests gezeigt werden, dass PP-Argumente von Nomen in Nominalisierungsverbgefügen DP-intern basisgeneriert sind und somit extrahiert werden können. Da sich die nicht-deverbalen Nomen, deren PP-Attribut extrahiert werden kann, sehr ähnlich wie die Nomen in NVGn verhalten, ist anzunehmen, dass auch diese über eine Argumentstruktur verfügen. Extrahierbare PPs sind thematisch markiert. Die thematische Markierung lässt sich jeweils anhand der dem Nomen inhärenten semantischen Merkmale begründen. Wie ich in Kapitel 4 zeigen werde, kann jedoch das Nomen, anders als das Verb, nicht von sich aus sein Attribut thematisch markieren. Erst die Verbindung mit bestimmten Verben löst die lcs des Nomens aus.

3 Erklärungsansätze

In Kapitel 1 hat sich gezeigt, dass das Phänomen der PP-Extraktion nicht nur syntaktischen, sondern auch lexikalischen und pragmatischen Einflüssen unterliegt. Die Verschiedenartigkeit der Einflüsse erschwert eine einheitliche Analyse des Phänomens. Dies ist wohl der Grund dafür, dass sich je nach Gewichtung der unterschiedlichen Einflüsse unterschiedliche Erklärungsansätze etabliert haben: Extraktion, Basisgenerierung durch Reanalyse1 und Basisgenerierung durch spezielle Thetarollenzuweisung. Diese drei Erklärungsansätze werden in diesem Kapitel auf ihre Leistung hin untersucht und miteinander verglichen. Die Extraktionstheorie geht von der Annahme aus, dass es sich bei der PP-Extraktion um ein Bewegungsphänomen handelt, welches gleich wie die anderen Bewegungsphänomene durch die beiden Prinzipien ECP und Subjazenz eingeschränkt ist. Vertreter der Extraktionstheorie betonen vor allem die Parallelen zu anderen Bewegungsphänomenen, insbesondere zur langen wh-Bewegung, und legen ihr Hauptaugenmerk auf die syntaktischen Faktoren, die die Extraktion beeinflussen. Unter 3.1 wird gezeigt, wie die syntaktischen Faktoren mithilfe einer auf Inkorporation beruhenden Barrierentheorie erfasst werden können. Anders als die bewegungstheoretischen Ansätze fokussiert der unter 3.2 thematisierte Reanalyseansatz eher die lexikalischen bzw. pragmatischen Einflüsse auf Extraktion. Vertreter des Reanalyseansatzes kritisieren zurecht, dass bewegungstheoretische Erklärungen sowohl die Diskursabhängigkeit von Extraktionsphänomenen als auch die Abweichungen zu den anderen Bewegungsphänomenen ignorieren. Im Anschluss an Horn (1975) wird angenommen, dass grundsätzlich keine Extraktion aus Nominalphrasen möglich sei. Die Getrenntstellung des PP-Attributs von seinem Nomen kommt durch einen Reanalyseprozess im Lexikon zustande, der es ermöglicht, dass die PP nicht als N-Attribut, sondern als V-Komplement basisgeneriert wird. Sie wird also nicht als NP-interne Konstituente in die Syntax eingeführt, sodass sie auch nicht über den NP- bzw. DP-Knoten hinwegbewegt werden muss. Die Konzentration auf die lexikalischen Faktoren ergibt sich daraus, dass der Reanalysemechanismus im Lexikon angesiedelt wird. Vom Reanalyseansatz ist der Ansatz von Fanselow (2001, 2003) zu unterscheiden. Gleich wie beim Reanalyseansatz handelt es sich auch hier um einen Basisgenerierungsansatz. Anders als bei Reanalyseansätzen ist Fanselows Basisgenerierungstheorie allerdings nicht durch Reanalyse zu begründen, sondern folgt den Gesetzmässigkeiten der syntaktischen Operation Merge. Die Aufspaltung wird auf spezielle Regeln der Thetarollenzuweisung zurückgeführt. Dieser Basisgenerierungsansatz wird unter 3.3 thematisiert. Ziel dieser Arbeit ist, eine möglichst einheitliche Erklärung des Phänomens zu finden. Daher werden die drei Theorien zum Schluss dieses Kapitels unter 3.4 daraufhin bewertet, welche diesem Ziel am ehesten gerecht wird.

––––––––– 1

Mit Reanalyse ist diesem Konzept zufolge nicht die Reanalyse auf LF gemeint. Im Unterschied zu dieser ist die hier gemeinte Reanalyse nicht strukturerhaltend.

60

3.1 Bewegungstheoretische Erklärung der syntaktischen Faktoren Wie bereits erwähnt, ist Extraktion ein Bewegungsphänomen. Es handelt sich dabei um Bewegung einer XP über eine sie inkludierende YP hinweg. Nach der GB-Theorie hinterlässt das bewegte Element an seiner Basisposition eine Spur, die nach dem ECP (Empty Category Principle) streng regiert sein muss, um auf der LF wieder auffindbar zu sein. Dies bedeutet, dass es entweder thematisch oder auch antezedensregiert sein muss. Ein weiteres Prinzip, welches nach der GB-Theorie für Bewegungseinschränkung sorgt, ist das Subjazenzprinzip, welches definiert, über wie viele Grenzknoten hinweg Bewegung erfolgen kann. Traditionell liegt beiden Prinzipien die Strukturbeziehung der Barriere zugrunde: Barrieren können Antezedensrektion verhindern, was einer ECP-Verletzung entspricht, sie können allerdings auch als Grenzknoten fungieren und Bewegung blockieren, was einer Subjazenzverletzung gleichkommt. Ein wichtiger Schritt für die Bewegungstheorie war die von Sternefeld und Müller entwickelte Barrierentheorie (vgl. Sternefeld 1991, Müller /Sternefeld 1993, Müller 1991), die auf die Inkorporationstheorie von Baker (1988) aufbaut. Sie ermöglichte es erstmals, die beiden für Bewegungsbeschränkung zuständigen Prinzipien zu vereinheitlichen, indem eine Barrierendefinition gefunden wurde, die für beide Prinzipien gültig ist. Die Barrierenbedingung wird diesen Ansätze zufolge als EinKnoten-Bedingung formuliert:2 Barrierenbedingung: Bewegung darf keine Barriere überkreuzen. Da Sternefelds und Müllers Barrierentheorie auch für den in dieser Arbeit vorgeschlagenen Erklärungsansatz zentral ist, wird sie unter 3.1.1 erläutert. Daran anschliessend wird in den folgenden Abschnitten untersucht, inwieweit diese Barrierentheorie eine Erklärung für die in 1.1 vorgestellten syntaktischen Faktoren zulässt. Unter 3.1.7 wird auf Topikalisierung der unvollständigen DP eingegangen, wie sie in 1.4 beschrieben wurde. Dieses Phänomen zeigt die gleichen Effekte wie die Topikalisierung der PP, weshalb eine einheitliche Erklärung dieser beiden Phänomene nahe liegt. Eine solche bietet Müller (1996, 1998), der das Phänomen als Remnant Movement analysiert. Sein Erklärungsansatz basiert auf der hier angenommenen Barrierentheorie und wird unter 3.1.7 vorgestellt. Unter 3.1.8 wird schliesslich auf die noch offenen Fragen bzw. Probleme des bewegungstheoretischen Ansatzes eingegangen und seine Leistung in Bezug auf die Erklärung der Extraktionsphänomene bewertet.

––––––––– 2

Die ECP-Barrierenbedingung wurde traditionell als Ein-Knoten-Bedingung formuliert, Subjazenz hingegen als Zwei-Knoten-Bedingung (vgl. dazu die Diskussion in Sternefeld (1991)).

61

3.1.1 Barrierentheorie Ich werde mich auf die Darstellung der Barrierentheorie von Sternefeld (1991), Müller /Sternefeld (1993) und Müller (1991) konzentrieren und nicht auf andere Ansätze eingehen. Die in Sternefeld (1991) und Müller (1991) entwickelte Barrierentheorie baut auf die Inkorporationstheorie von Baker (1988) auf. Diese fasst Inkorporation nicht als morphologischen, sondern als syntaktischen Prozess auf: Inkorporation ist nach Baker (1988) Adjunktion eines Kopfes X0 an einen Kopf Y0.3 Da es sich bei Inkorporation um Kopfbewegung handelt, unterliegt dieser Prozess dem HMC (Head-Movement-Constraint), welches besagt, dass eine X0-Kategorie nur bis zum nächst höheren Kopf bewegt werden darf, denn die Spur muss antezedensregiert sein und Antezedensrektion unterliegt der c-Kommando-Bedingung. Vereinfacht kann daher auch gesagt werden, dass Y0 das zu inkorporierende X0 c-kommandieren muss.4 Die c-KommandoBedingung erklärt auch die aus Untersuchungen polysynthetischer Sprachen bekannte Subjekt-Objekt- und Objekt-Adjunkt-Asymmetrie, die in Spencer /Zwicky (1998: 87) folgendermassen beschrieben wird: In summary, incorporated Nouns are typically related to objects or to subjects of inactive predicates, and rarely to locatives, instruments, or passive agents. They do not generally correspond to subjects of active intransitives or transitives, to indirect objects, or to benefactives.5 (Spencer / Zwicky 1998: 87)

Weder das Subjektnomen eines transitiven nicht-ergativen Verbs noch der Kern eines Adjunkts werden von V0 c-kommandiert, sodass ihre Inkorporation in V0 strukturell ausgeschlossen wird. Da nur Objektnomen (bzw. an gleicher Stelle basisgenerierte Subjekte unakkusativischer Verben) von V0 c-kommandiert werden können, ist es auch möglich, zu erklären, weshalb nur diese von V0 inkorporiert zu werden vermögen:6

––––––––– 3

4

5

6

Für eine Kritik dieses Ansatzes vgl. Rosen (1989). Rosen (1989) argumentiert dafür, dass Inkorporation lexikalischen Gesetzmässigkeiten unterliegt. Damit die c-Kommando-Bedingung für die Antezedensrektion erfüllt wird, muss Baker (1988: 55) annehmen, dass Y0, an welches X 0 adjungiert wird, nicht als Knoten zählt. Somit würde X 0 von der Position Y0 aus regieren, was der hier vereinfachten Bedingung gleich kommt, dass Y0 das zu inkorporierende Element c-kommandieren muss. Rosen (1989) bestreitet die Gültigkeit dieser Asymmetrie. Die Argumentationen gegen eine syntaktische Sichtweise von Inkorporation ähneln übrigens jenen gegen eine syntaktische Sichtweise der NP-PP-Aufspaltung. Da es für die c-Kommando-Verhältnisse irrelevant ist, ob man annimmt, dass das Subjekt in SpecIP, SpecVP oder SpecvP basisgeneriert ist, wird im Strukturbaum der Einfachheit halber die SpecIP-Theorie dargestellt, obschon diese in neueren Ansätzen kaum mehr verfolgt wird. Die Basisposition des Subjekts wird unter 3.1.3 näher thematisiert.

62

IP SpecIP (Subjekt)

I’ VP

PP (Adj.)

I VP

V

NP (Objekt)

c-Kommando Grafik 3–1

Extraktion weist, wie auch in Kapitel 1 gezeigt wurde, die gleichen strukturellen Asymmetrien auf wie Inkorporation. Nun konnte Baker (1988) weiter zeigen, dass Inkorporation in polysynthetischen Sprachen zur Folge hat, dass Kasusrektionsbarrieren aufgehoben werden. Diese beiden Sachverhalte lassen die Vermutung aufkommen, dass Extraktions- und Inkorporationsasymmetrien gleich zu begründen sind, eine Vermutung, der Sternefeld (1991), Müller /Sternefeld (1993) und Müller (1991) nachgegangen sind. Müller (1991: 155) geht von der These aus, »dass Inkorporationsphänomene im Deutschen im selben Masse vorhanden sind wie z.B. in nordamerikanischen Indianersprachen oder in den Bantu-Sprachen, nur eben auf einer anderen (nicht sichtbaren) Ebene, auf LF«. Kopfbewegung auf LF ist an der Oberfläche nicht sichtbar, daher wird diese Bewegung in Sternefeld (1991), Müller /Sternefeld (1993) und Müller (1991) ›abstrakte Inkorporation‹ genannt. Durch abstrakte Inkorporation ist es nach Müllers und Sternefelds Barrierentheorie nicht nur möglich, Kasusrektionsbarrieren, sondern auch Bewegungs- bzw. Antezedensrektionsbarrieren aufzuheben. Rektions- und Bewegungsbarrieren werden diesem Ansatz zufolge nicht unterschieden, sondern sie werden jeweils gleich definiert. Im Folgenden ist die Barrierendefinition nach Sternefeld (1991: 149 und 174) angegeben:7 Barriere XP ist eine Barriere für jedes von XP inkludierte α, es sei denn, a) α ist die Fluchtposition von XP oder b) X ist nicht distinkt von Y, wobei YP direkt XP dominiert.8 Dieser Definition zufolge ist jede XP eine potenzielle Barriere, sodass alle XPs in Bezug auf ihren Barrierenstatus gleich behandelt werden. Barrieren können allerdings nach Bedingung a) umgangen oder nach Bedingung b) geöffnet werden. Die beiden Restriktionen werden im Folgenden näher erläutert: ––––––––– 7

8

Bei Müller (1991, 1995a und 1996) sind z.T. andere Formulierungen zu finden, da es hier jedoch vor allem um Bedingung b) der Definition geht und diese in allen Versionen zentral ist, verzichte ich an dieser Stelle auf eine detaillierte Diskussion der verschiedenen Versionen. YP dominiert XP direkt genau dann, wenn XP von einem Segment einer Projektion von Y unmittelbar dominiert wird.

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Bedingung a), Fluchtposition Sternefeld (1991: 162) definiert die Fluchtposition folgendermassen: α ist Fluchtposition von XP genau dann, wenn α = SpecX und SpecX eine A’-Position ist. Es herrscht allgemein Konsens darüber, dass wh-Elemente, die aus CPs extrahiert werden, die SpecCP als Fluchtposition nutzen.9 Umstritten ist, ob auch die DP über eine allfällige Fluchtposition verfügt. Theoretisch stünde für die Extraktion aus der DP die SpecDP-Position als Fluchtposition zur Verfügung. Fortmann (1996) nimmt daher an, dass extrahierbare Elemente, anders als nicht-extrahierbare, in SpecDP zwischenlanden können. Fortmanns Ansatz wirft einige Fragen auf, wobei ich mich hier vor allem auf seine Annahme, dass die SpecDP als Fluchtposition genutzt werden kann, konzentrieren möchte:10 Im Zusammenhang mit der PP-Extraktion aus der DP ist Fortmanns Ansatz vor allem für die ScramblingBewegung ins Mittelfeld wie derjenigen in Beispiel 1) problematisch: 1)

Anna hat PP[über Glauser] i bereits DP[(ti’) viele NP[Artikel ti]] gelesen.

Wie unter 1.4.2 beschrieben, unterliegt die Bewegung der PP ins Mittelfeld den gleichen syntaktischen und lexikalischen Beschränkungen wie ihre Topikalisierung. Würde, wie in Fortmann (1996) angenommen und in 1) dargestellt, die PP in SpecDP zwischenlanden, müsste dieses Beispiel aufgrund des PUB ungrammatisch sein, denn wie Müller / Sternefeld (1993) gezeigt haben, darf einer A’-Bewegung in eine bestimmte Position des Typs α keine A’-Bewegung in eine Position eines anderen Typs β folgen. Müller /Sternefeld (1993: 461) definieren das Prinzip, welches solche ›zweideutigen‹ Bewegungen ausschliesst, folgendermassen: Principle of Unambiguous Binding (PUB): A variable that is α-bound must be β-free in the domain of the head of its chain (where α and β refer to different types of positions). In Beispiel 1) wäre nach Fortmann (1996) die Spur ti von zwei Positionen verschiedenen Typs gebunden, denn PPi steht in einer Scrambling-Position, während die Spur ti’ sich in einer Spec-Position befindet. Die Annahme, dass die PP die SpecDP als Fluchtposition ––––––––– 9

10

Dadurch wäre eine eingebettete CP grundsätzlich immer offen für Extraktion, denn ein wh-Element könnte in SpecCP zwischenlanden. Diese Spur wird von seinem sich in der Matrix-SpecCP befindenden Antezedens c-kommandiert, sodass die CP für ein Element in SpecCP keine Barriere darstellt. Allerdings kann aus Adjunkten und Subjekt-CPs nicht extrahiert werden (CED-Effekt). Sternefeld (1991) erklärt diesen Sachverhalt damit, dass jede eingebettete CP von einer leeren NPbzw. PP-Hülle dominiert wird, wobei ein leerer N- bzw. P-Kopf die CP selegiert. Diese Annahme stützt sich auf eine These der generativen Semantik, nach welcher Subjekte und Objekte immer als NPs bzw. PPs generiert werden. Die NP-Hülle ist eine Barriere, ausser sie kann aufgrund der Bedingung b) geöffnet werden. Und da nur der leere Objektkopf von V c-kommandiert und somit abstrakt inkorporiert werden kann, sind Subjekt- und Adjunktsätze Bewegungsinseln. Eine detaillierte Kritik der anderen in Fortmann (1996) gemachten Annahmen findet sich in De Kuthy (2002).

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nutzt, würde die häufig anzutreffenden Mittelfeldbewegungen der PP fälschlicherweise ausschliessen. Gegen die Annahme, dass SpecDP als Fluchtposition genutzt werden kann, sprechen auch die in Kapitel 2) explizierten Kongruenzverhältnisse innerhalb der DP. Wie Gallmann (1996) gezeigt hat, führen sie – zumindest für das Deutsche – dazu, dass D0 leer ist und dass die SpecDP-Position für Artikelwörter, also für adjektivische Wortformen. reserviert ist (vgl. die Erläuterungen in Abschnitt 2.1). Damit ist ausgeschlossen, dass die PP in 1) die SpecDP-Position als Fluchtposition nutzen kann, denn diese ist bereits durch die AP viele besetzt.11 Steht also die SpecDP nicht als Fluchtposition zur Verfügung, ist anzunehmen, dass die Bewegung aus der DP heraus in einem Schritt erfolgt:12 2)

a) Anna hat PP[über Glauser] i bereits DP[viele e NP[Artikel ti]] gelesen. b) PP[Über Glauser]i hat Anna bereits DP[viele e NP[Artikel ti]] gelesen.

Die PP kann dabei sowohl scrambeln, wie in 2a), als auch topikalisiert werden, wie in 2b). Da sie nicht zwischenlandet, bedeutet dies auch keine Verletzung des PUB-Prinzips. Anders als bei der Extraktion aus der CP ist also die Bedingung a) der Barrierendefinition für die Extraktion aus der DP irrelevant. Bedingung b) Bedingung b) gibt an, dass Barrieren durch Kopfbewegung geöffnet werden können, denn X ist dann nicht distinkt von Y, wenn ein Teil von Y den Index von X enthält (vgl. Sternefeld 1991: 136). Sowohl abstrakte als auch offene Kopfbewegung von X nach Y haben zur Folge, dass die beiden Elemente koindiziert werden und somit nicht mehr distinkt voneinander sind.13 Dies erklärt auch, weshalb im Deutschen VP und IP niemals Barrieren für XPs sind, die sie inkludieren:

––––––––– 11

12

13

Die in neueren Ansätzen des Minimalistischen Programms angenommenen Mehrfachspezifikatoren würden zwar allenfalls auch eine weitere Spezifikatorposition als Fluchtposition zulassen, allerdings würde in diesem Fall die Scrambling-Bewegung zu einer PUB-Verletzung führen, sodass es unwahrscheinlich ist, dass die Extraktion des PP-Attributs über eine Spec-Position führt. Wie die Struktur zeigt, überschreitet die Bewegung auch die NP als potenzielle Barriere. N0 bewegt sich jedoch auf LF obligatorisch nach D0, um dort die Merkmale n und k bzw. n, k und f zu überprüfen (vgl. Kapitel 2.1). Diese Bewegung hat nach Bedingung b) der Barrierendefinition zur Folge, dass N 0 nicht distinkt von D0 ist, sodass die NP keine Barriere für Elemente sein kann, die in ihr inkludiert sind. Neben offener und abstrakter Inkorporation kommt Nicht-Distinktheit auch über Identifikation mit einem leeren Kopf zustande. Diese Operation ist jedoch im Rahmen der vorliegenden Arbeit irrelevant.

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CP SpecCP

C’ C ijk

Vi

IP Ck

Iij

DP

I’

Ij VP DP

Ute1

liebtijk

Iij Vi

t1 schwarze Katzen ti

Vi

Ij tij

Grafik 3–2

Die VP-Barriere wird durch die obligatorische, offene Bewegung des V-Kopfes zum IKopf geöffnet, wodurch I den gleichen Index wie V trägt, die IP wird durch die im deutschen V2-Satz ebenfalls offene, obligatorische Bewegung des komplexen V/I-Kopfes nach C geöffnet. Im deutschen Nebensatz erfolgt diese Bewegung auf LF, also abstrakt. Abstrakte Inkorporation wird gleich wie die offene Inkorporation durch das HMC eingeschränkt. Dies ist mit Bedingung b) der Barrierendefinition sicher gestellt. Für die Extraktion aus der DP hat diese Barrierentheorie folgende Auswirkungen: Da, wie wir in Kapitel 2 gesehen haben, N0 in D0 abstrakt inkorporiert, ist die DP die einzige XP, die als Barriere für die PP-Extraktion fungieren kann (vgl. die Grafik 2–2 und 2–3). Diese ist dann keine Barriere für die Extraktion, wenn der komplexe D/N-Kopf in V inkorporiert. Nach Bedingung b) der Barrierendefinition bedeutet dies, dass sowohl Subjekt-DPs von transitiven und nicht-ergativen Verben als auch von Adjunkt-DPs immer Extraktionsbarrieren sind, weil ihre komplexen Köpfe D/N von V nicht c-kommandiert werden und sie somit auch nicht abstrakt in V inkorporieren können (vgl. dazu die Struktur in der Grafik 3-1). Anders ist dies, wie die Grafik 3–1 zeigt, für Akkusativobjekt-DPs. Ihr komplexer Kopf wird immer von V0 c-kommandiert, sodass der Inkorporation des D/NKopfes in V0 strukturell nichts im Wege steht. Die Subjekt-Objekt- und Objekt-AdjunktAsymmetrie kann mithilfe von Müllers und Sternefelds Barrierentheorie strukturell erfasst werden. Die Barrierentheorie von Müller und Sternefeld ist anderen aus mehreren Gründen vorzuziehen: Sie erfasst strukturelle Asymmetrien auf der Basis struktureller Bedingungen, und durch sie konnten die Prinzipien ECP und Subjazenz dahingehend vereinheitlicht werden, dass eine Subjazenz-Verletzung immer auch eine ECP-Verletzung bedeutet. Ihr hauptsächlicher Vorteil aber besteht darin, dass sie ohne Rektionsbegriff auskommt. Dies ist sicher als grosser Fortschritt gegenüber der Barrierentheorie von Chomsky (1986) zu werten. Erst die Entkopplung des Barrierenbegriffs von dem der Rektion ermöglicht es, Rektions- und Bewegungsbarrieren gleich zu behandeln: Jede einheitliche Barrierendefinition, die mit dem Rektionsbegriff operiert, läuft Gefahr, zirkuläre Erklärungen für gewisse Phä-

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nomene zu liefern. Grund für diese Gefahr ist, dass die Definition von Rektion den Barrierenbegriff mitenthält. Wie wichtig es ist, den Begriff der Barriere ohne Rektionsbegriff zu definieren, zeigt auch die von Huang (1982) aufgestellte Bedingung für Extraktionsdomänen (CED = Condition on Extraktion Domain), die besagt, dass eine Phrase A nur aus einer Domäne B extrahiert werden kann, wenn B strikt regiert ist. Die CED kann zwar erklären, weshalb aus Objekten extrahiert werden kann, denn diese sind vom Verb über c-Kommando thetaregiert, für den Barrierenstatus von Subjekt- und Adjunktphrasen liefert diese Bedingung jedoch eine zirkuläre Erklärung: Subjekt- und Adjunktphrasen können von V nicht streng regiert werden, weil sie weder c-kommandiert noch antezedensregiert werden. Die Antezedensrektion der Spur in Subjekt- und Adjunktphrasen wird durch eine Barriere verhindert. Adjunkt- und Subjektphrasen sind deshalb Barrieren für die Antezedensrektion, weil sie nicht streng regiert sind. Diese zirkuläre Begründung des CED-Effekts illustriert, weshalb eine einheitliche Barrierendefinition möglichst auf den Begriff der Rektion verzichten sollte. In den folgenden Abschnitten wird nun versucht, mithilfe der hier vorgestellten Barrierentheorie eine Erklärung für die in 1.1 beschriebenen syntaktischen Phänomene zu finden. Dabei wird gleichzeitig die Erklärungskraft dieses Ansatzes getestet. Zunächst wird die Extraktion aus indirekten Objekten nochmals näher betrachtet (3.1.2), dann wird eine barrierentheoretische Erklärung für die Extraktion aus Subjekten gegeben (3.1.3). In den darauf folgenden Abschnitten wird eine mit der Barrierentheorie kompatible Erklärung für verschiedene Phänomene zu geben versucht. Unter 3.1.4 für den Freezing-Effekt, unter 3.1.5 für den Spezifizitätseffekt und die Specified Subject Condition und unter 3.1.6 für die LBC (Left Branch Condition).

3.1.2 Dativobjekte Indirekte Objekte sind Inseln für die Extraktion, und dies sowohl in Konstruktionen mit einem einzelnen Objekt, wie in 3a), als auch in Doppelobjektkonstruktionen, wie in 3b). Das konnte schon in Kapitel 1 gezeigt werden. Uns interessieren vor allem Dativobjekte: 3)

a) *PP[Von Chomsky]i folgte Rudi DP[einigen Artikeln ti] in seiner Argumentation. b) *PP[Über den Nahostkonflikt]i konnten sie nicht DP[allen kritischen Dokumentarfilmen ti] den Preis verweigern. c) *PP[Über Linguistik]i widmete sie sich DP[vielen Büchern ti].

Die folgende Asymmetrie aus Müller (1998b: 11), bei der die Extraktion aus einem IO in 4a) ungrammatisch, jene aus dem DO in 4b) hingegen grammatisch ist, lässt eine lexikalische Begründung für den Inselcharakter von indirekten Objekten als sehr unwahrscheinlich erscheinen: 4)

a) *PP[Worüber]i hat man DP[einem Buch ti] einen Preis gegeben? b) PP[Worüber]i hat man Antje DP[ein Buch ti] gegeben?

Nomen von Dativ-DPs können nach Baker (1988: 300) in keiner Sprache in V inkorporieren. Nach Sternefeld sollte allerdings das Vorhandensein offener Inkorporation Voraussetzung dafür sein, dass auch abstrakte Inkorporation möglich ist:

67 Eine sinnvolle Einschränkung für die Koindizierung ohne Bewegung wird daher sein, dass es zumindest eine andere Sprache oder einen Idiolekt geben sollte, bei dem in vergleichbaren Konstruktionen auch offene Kopf-Bewegung möglich ist. (Sternefeld 1991: 139)

Wenn also keine offene Inkorporation von Köpfen indirekter Objekte beobachtet werden kann, ist auch die abstrakte Inkorporation eher unwahrscheinlich. Ohne abstrakte Inkorporation bleibt der Kopf der Dativ-DP distinkt von V0 und somit die DP eine Barriere. Dass Dativobjekte Bewegungsinseln darstellen, ist in einer auf Inkorporation beruhenden Barrierentheorie erwartbar. Schwieriger ist die Begründung, weshalb Inkorporation des Dativnomens ausgeschlossen ist. Nahe liegend wäre natürlich die Annahme, dass Dativobjekte nicht von V c-kommandiert sind und ihr Kopf aus diesem Grund nicht inkorporieren kann. Diese Annahme ist allerdings umstritten, wie der folgende Exkurs zur Diskussion über die Basisposition von indirekten Objekten zeigt.

3.1.2.1

Exkurs: Basisposition von indirekten Objekten

Für die Annahme, dass indirekte Objekte eine verbfernere Position als direkte Objekte einnehmen, sprechen einige Indizien: (A) Bei unmarkierter Wortstellung gehen indirekte Objekte den direkten meist voraus (Lenerz 1977). Der markiertere Satz wird mit einem # gekennzeichnet:14 5)

a) … weil sie dem Kind das Geld geben wird. b) #… weil sie das Geld dem Kind geben wird.

Im Anschluss an Höhle (1982), der versucht hat, Unmarkiertheit nicht nur intuitiv, sondern formal zu erfassen, wird Unmarkiertheit bzw. normale Wortstellung folgendermassen beschrieben (Höhle 1982: 141): Ein Satz Si weist ›stilistisch normale Wortstellung‹ auf g.d.w. er unter allen Sätzen, die sich von Si nur hinsichtlich der Wortstellung und/oder Betonung unterscheiden, bei geeigneter Betonung die meisten möglichen Foki [aufweist], d.h. in den meisten Kontexttypen vorkommen kann.

5a) ist sowohl mit weitem als auch mit engem Fokus angemessen, 5b) hingegen nur mit engem (zu den Begriffen ›enger‹ und ›weiter‹ Fokus vgl. Kapitel 5). Lenerz (1977), Haider (1993b) und Fortmann /Frey (1997) nehmen neben anderen an, dass Transformationen Markiertheit erzeugen. Je mehr syntaktische Transformationen für die Derivation einer Struktur nötig sind, desto markierter ist sie, denn syntaktische Transformationen haben ––––––––– 14

Neben Verben, deren unmarkierte Abfolge IO > DO ist, gibt es auch Verben wie aussetzen oder ausliefern (vgl. i), bei denen die Abfolge DO > IO unmarkiert ist: i) …weil der Mann das Kind der Kälte ausgesetzt hat. (Gallmann 1992: 93) Haider (1993b) nimmt an, dass die Basisabfolge bei diesen Verben DO > IO, bei den anderen Verben hingegen IO > DO sei. Extrahiert werden kann weder aus IOs des ersten noch aus IOs des zweiten Typs. Allerdings ist es bereits aus lexikalischen Gründen schwierig, mögliche Extraktionskonstellationen mit Verben des ersten Typs zu bilden. Gallmann (1992) geht zusätzlich von der Annahme aus, dass der Kasus von IOs die durch Verben wie ausliefern oder aussetzen regiert sind, lexikalisch vergeben wird, der Kasus von Verben wie in 5) hingegen strukturell.

68

einen Einfluss auf die Parsing-Länge. Mit anderen Worten: Bewegung erzeugt Markiertheit. Diesem Ansatz zufolge unterscheiden sich die beiden Sätze in 5) darin, dass die unmarkiertere Struktur in 5a) weniger Bewegungen benötigt als die markiertere in 5b). Demzufolge widerspiegelt die Argumentabfolge IO > DO > V in 5a) jene der D-Struktur.15 (B) Bei VP-Topikalisierung kann das IO nur zusammen mit der Verbform topikalisiert werden, wenn das DO mittopikalisiert wird (6a)). DOs hingegen können auch alleine mit der Verbform topikalisiert werden (6c)). Es wird angenommen, dass eine in der D-Struktur verbfernere Phrase nur zusammen mit der Verbform topikalisiert werden kann, wenn auch die in der D-Struktur verbnahe Phrase mittopikalisiert wird (vgl. Gallmann / Sitta 1992): 6)

a) Dem Kind das Schwimmen beibringen wollte sie schon immer. b) *Dem Kind beibringen wollte sie das Schwimmen schon immer. c) Das Schwimmen beibringen wollte sie dem Kind schon immer.

Bindungsdaten jedoch widersprechen der These, dass indirekte Objekte den direkten vorangehen, denn indirekte Objekte können nicht als Antezedens von Anaphern direkter Objekte fungieren (7)). Umgekehrt können hingegen ein direkte Objekte indirekte als Anaphern binden (8)) (Grewendorf 2002: 58): 7)

a) …, dass der Arzti dem Patientenj sichi/*j im Spiegel zeigte. b) *…, dass man den Gästeni einander i vorgestellt hat.

8)

a) …, dass der Arzti den Patientenj sich i/j im Spiegel zeigte. b) …, dass man die Gästei einander i vorgestellt hat.

Die Bindungsdaten implizieren widerum, dass das direkte Objekt in einer strukturell höheren Position ist, sodass es das indirekte asymmetrisch c-kommandieren kann.16 Damit ergibt sich für die Wortstellung in Doppelobjektkonstruktionen im Deutschen eine paradoxe Situation: Extraktionsdaten zusammen mit den oben genannten Indizien sprechen für die Konfiguration 9a), die Bindungsdaten hingegen für 9b): 9)

a) IP[Subj VP[IO V’[DO V]]] b) IP[Subj VP[DO V’[IO V]]]

Wegen den Bindungsdaten in 7) und 8) ist eine kontroverse Diskussion in Bezug auf die Basisposition indirekter Objekte entbrannt. Im Folgenden wird diese Diskussion illustriert, indem verschiedene Ansätze in groben Zügen referiert und kritisiert werden.

––––––––– 15

16

Das Konzept Markiertheit durch Transformation unterscheidet sich nur scheinbar vom kontextuellen Markiertheitskonzept von Höhle (1982), denn Bewegung geht prosodisch mit Bildung von Akzentdomänen einher, was schliesslich auch einen Einfluss auf die Normalbetonung hat (vgl. dazu detaillierter Kapitel 5 und 6). Auf mich wirken die Daten zwar ziemlich markiert, weshalb man sich fragen sollte, ob diese Bindungsdaten tatsächlich Aufschluss über die Frage nach der Basisposition von direkten und indirekten Objekten geben. Vor allem scheint mir, dass die Bindung des indirekten Objektes durch das direkte Objekt kaum möglich ist, wenn maskuline Nomen durch feminine ersetzt werden: i) ?? …, dass die Ärztin die Patientini sichi im Spiegel zeigte. Daher fragt sich, ob die Bindungsasymmetrie in 7) und 8) tatsächlich strukturell begründet ist.

69

Ia) Müller (1995a) Müller (1995a) nimmt aufgrund der Bindungsdaten die Konfiguration 9b) an, bei der das indirekte Objekt die verbnähere Position einnimmt. Da Müller (1995a) auch eine auf Inkorporation beruhende Barrierentheorie vertritt, muss er eine Erklärung dafür geben, dass das indirekte Objekt trotz seiner verbnahen Position eine Bewegungsinsel darstellt. Dies erklärt er damit, dass der Dativ ein struktureller Kasus ist, das indirekte Objekt jedoch an seiner Basisposition keinen Kasus zugewiesen erhält. Es muss daher in eine Kasusposition bewegt werden. Diese Kasusposition liegt oberhalb der VP: Müller (1995a) nimmt im Anschluss an Larson (1988) an, dass die VP in eine höhere VP, im Folgenden als vP bezeichnet,17 eingebettet ist, in deren Spezifikatorposition das indirekte Objekt seinen Kasus zugewiesen bekommt. Das finite Verb wird nach v angehoben, sodass der Kasus über Spezifikator-KopfKongruenz dem indirekten Objekt zugewiesen wird. SpecvP unterscheidet sich von sonstigen Kasuspositionen darin, dass es eine A’-Position ist. Die obligatorische Anhebung des indirekten Objekts nach SpecvP löst einen Freezing-Effekt für Extraktionen aus dem indirekten Objekt aus (vgl. 1.1.2 und 3.1.4), was deren Opakheit erklärt. Die Transparenz des direkten Objekts, welches nicht von V c-kommandiert wird, begründet Müller (1995a) durch eine Revision des oben vorgestellten barrierentheoretischen Ansatzes, demzufolge XPs, die in die untere VP inkludiert sind, transparent sind für Bewegung. Dies ergibt sich aus der Bedingung b) seiner revidierten Barrierendefinition: b) X is distinct from Y, where Y is the head of YP, and YP is the minimal maximal projection which does not exclude XP. (Müller 1995a: 206)

Das direkte Objekt wird in SpecVP basisgeneriert, damit wird es von der VP inkludiert und kann in V inkorporieren. Die SpecVP-Position ist eine Kasusposition, sodass das direkte Objekt anders als das indirekte nicht aus Kasusgründen bewegt werden muss. Das unterschiedliche Verhalten von direkten und indirekten Objekten in Bezug auf die Extraktion wird in Müller (1995a) durch eine meines Erachtens nicht-triviale Modifikation der Barrierentheorie erklärt (vgl. unten). Diese Modifikation ist jedoch nach Müller (1995a) aufgrund der Bindungsdaten nötig. Allerdings muss er eine weitere Zusatzannahme machen, um diese Daten schliesslich erklären zu können, denn durch die Bewegung nach SpecvP ist das indirekte Objekt auch in seinem Ansatz oberhalb des direkten positioniert, sodass es nicht durch dieses gebunden werden kann. Diesen Widerspruch versucht Müller (1995a) folgendermassen zu lösen: Er nimmt an, dass Reflexivpronomen und Reziprokausdrücke keinen strukturellen Kasus benötigen. Begründet wird diese Annahme durch folgende Beispiele (Müller 1995a: 213f.), die zeigen sollen, dass sich und einander immun sind für die in Passivkonstruktionen obligatorische Kasusabsorption: 10) a) *…, dass den Fritz jetzt gewaschen wird. b) …, dass sich jetzt gewaschen wird. 11) a) *Hier wird den Fritz verprügelt. b) Hier wird einander verprügelt.

(Müller 1995a: 213f.)

––––––––– 17

Um die obere VP von der eingebetteten unterscheiden zu können, werde ich analog zur heute üblichen Bezeichnung, allerdings in Abweichung zu Müller (1995a), die obere VP als vP bezeichnen (vgl. dazu 3.1.3).

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Da Reflexivpronomen und Reziprokausdrücke keinen Kaus benötigen, können sie in der unteren VP verbleiben. An der VP-internen Position wird die IO-Anapher von einem DO-Antezedens gebunden, denn VP-intern geht das direkte Objekt dem indirekten voran. Das in SpecvP bewegte indirekte Objekt hingegen kann keine DO-Anapher binden, denn SpecvP ist eine A’-Position, und aus A’-Positionen ist keine Anaphernbindung möglich. Müllers Ansatz ist in mehrfacher Hinsicht problematisch, wie die folgende Diskussion zeigt. Ib) Kritik Subjekte in SpecIP: Ein grosser Nachteil an Müllers Analyse ist, dass sie keinen Platz für VP-interne Subjekte lässt. Er muss annehmen, dass Subjekte in SpecIP basisgeneriert sind. Die These von VP-externen Subjekten ist jedoch aus empirischen Gründen problematisch. Diese Gründe möchte ich hier nicht im Detail aufführen. Eine detaillierte Zusammenstellung der empirischen Gründe für die Generierung von Subjekten in SpecVP findet sich in Grewendorf (2002: 47ff.): Bindung eingebetteter Anaphern: Empirisch spricht vor allem die Beobachtung von Sabel (1996: 34 bzw. 2002: 238) gegen Müllers Analyse, derzufolge Anaphern, die in ein direktes Objekt eingebettet sind, durchaus von einem indirekten Objekt gebunden werden können: 12) …, dass der Arzti dem Patientenj [ein Bild von sichij] zeigte. Wäre das indirekte Objekt gemäss Müllers Annahme in einer A’-Position, könnte es die Anapher nicht A-binden. Kasustheorie: Um die Bindungsdaten zu erklären, muss Müller (1995a) trotz der angenommenen Abfolge DO > IO auf die problematische Zusatzannahme zurückgreifen, dass SpecvP eine A’-Position ist. Diese Annahme hat nicht-triviale Folgen auf die Kasustheorie, denn generell wird mit guten Gründen angenommen, dass Positionen, an denen Kasus strukturell zugewiesen werden, A-Positionen sind. Die Annahme, dass SpecvP entgegen den anderen Kasuspositionen eine A’-Position ist, wird nicht unabhängig begründet. Liberalisierung der Inkorporationsbedingungen: Für Inkorporationszusammenhänge scheint mir vor allem auch die Annahme problematisch, dass die Inkorporationsdomäne in Müllers Ansatz auf die ganze VP erweitert wird, dass also die restriktivere c-KommandoBedingung für Inkorporation in V aufgegeben wird, obschon für Kopfbewegungen generell die c-Kommando-Bedingung gilt. Gesamthaft gesehen müssen meines Erachtens in Müllers Ansatz zu viele Zusatzbedingungen formuliert werden, um die Basisabfolge DO > IO aufrecht zu erhalten. Diese haben konzeptionell nicht-triviale Auswirkungen, sodass man sich fragen muss, ob die Erklärung der (relativ markierten) Bindungsdaten in 7) und 8) nicht allzu teuer erkauft wird. IIa) Sabel (2002) Sabel (1996, 2002) nimmt an, dass indirekte Objekte direkten auf der D-Struktur vorangehen. Er geht also von der in 9a) dargestellten Konfiguration aus. Im Folgenden werde ich nur Sabel (2002) referieren, da hier wesentliche Mängel von Sabel (1996) behoben sind: Ähnlich wie Müller (1995a) nimmt auch Sabel (2002) an, dass der Dativ ein struktureller Kasus ist und dass Reflexivpronomen und reziproke Ausdrücke keinen Kasus tragen dürfen. Kasuszuweisung erfolgt seinem Ansatz zufolge über Spezifikator-Kopf-Kongruenz in

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einer AgroP. Da struktureller Kasus immer in einer AgroP zugewiesen wird, müssen sowohl indirekte als auch direkte Objekte offen dahin bewegt werden. Anders als bei Müller (1995a) ist jedoch die abgeleitete Kasusposition eine A-Position. Sabel (2002: 239) nimmt für Doppelobjektkonstruktionen folgende Struktur an:

...

AgroP Agro’ vP

Subjekt

Agro v’

VP NPDat /PP/CPIO

v VP

NPAkk / CP DO

V

Grafik 3–3

Die Opazität des indirekten Objekts ergibt sich daraus, dass es an einer Adjunktposition basisgeneriert ist. Trotzdem darf es sich, zumindest für Kasusbelange, nicht um eine A’-Position handeln, denn sonst wäre die Bewegung nach AgrIOP nicht zugelassen. Daher nimmt Sabel (2002) an, dass indirekte Objekte A(rgument)-Adjunkte im Sinn von Grimshaw (1988) sind, die an einer Position basisgeneriert sind, die sowohl Eigenschaften von A- als auch von A’-Positionen aufweisen. Durch diese Annahme ist die Bewegung nach SpecAgrIO erlaubt, denn in Kasusbelangen handelt es sich um eine A-Position. Anders natürlich in Bezug auf die Bindungstheorie: Hier verhält sich die Position wie eine A’-Position. Die Unfähigkeit des indirekten Objekts in 7), die Anapher zu binden, erklärt Sabel (2002) nun folgendermassen: Anaphern müssen lokal A-gebunden sein, das heisst, dass das nächste bindungsfähige Element sich in einer A-Position befinden muss. In seiner Basisposition, die für Bindungsbelange eine A’-Position ist, kann das indirekte Objekt die DO-Anapher nicht A-binden. Dies kann es auch von der abgeleiteten Position SpecAgrIOP nicht, denn seine Spur, die sich in einer A’-Position befindet, interveniert und verhindert so die lokale A-Bindung. Möglich wäre natürlich die Bindung, wenn sich die Anapher nach AgrDOP bewegen würde, aber dies darf sie aus kasustheoretischen Gründen nicht (sie muss kasuslos sein). Anders jedoch, wenn sie in eine DO eingebettet ist, wie in 12). In diesem Fall muss das direkte Objekt mit der eingebetteten Anapher nach SpecAgrDOP bewegt werden, sodass die Anapher des indirekten Objekts lokal A-gebunden wird. IIb) Kritik Freezing-Effekt: Sabels Ansatz macht für die Bindungsdaten zwar die richtigen Vorhersagen, allerdings ist sie in Bezug auf die Extraktion problematisch, denn sie setzt voraus, dass struktureller Kasus nur über offene Bewegung nach SpecAgrDOP oder SpecAgrIOP zuge-

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wiesen werden kann. Sabel (2002) geht jedoch nicht auf die Frage ein, weshalb diese Bewegung keinen Freezing-Effekt auslöst. Wie unter 3.1.3 gezeigt wird, löst nicht nur Scrambling, sondern auch NP-Bewegung einen Freezing-Effekt aus. Dies lässt sich am Beispiel der Extraktion aus Subjekten unakkusativischer Verben und aus Passivsubjekten zeigen, die nur im Deutschen möglich ist, nicht aber im Englischen. Begründen lässt sich diese Asymmetrie damit, dass die Kasusanhebung in Passivkonstruktionen und in Konstruktionen mit unakkusativischen Verben im Englischen offen erfolgt, im Deutschen hingegen abstrakt, sodass hier kein Freezing-Effekt ausgelöst wird (vgl. auch 3.1.3). Unter Sabels Ansatz müsste angenommen werden, dass nur offene Subjekt-NP-Bewegung einen Freezing-Effekt auslöst, nicht aber Objekt-NP-Bewegung, was allerdings nicht unabhängig motiviert und somit auch nur stipuliert werden könnte. Kasuslosigkeit der Anaphern: Problematisch an Sabels Ansatz ist auch die Annahme, dass Anaphern im Deutschen keinen Kasus tragen dürfen. Grewendorf (2002: 62) zeigt an Beispielen mit Kasuskongruenz, dass zumindest Reflexivpronomina durchaus Kasus besitzen: 13) a) Er hat sich als dem Vorsitzenden das erste Wort erteilt. b) Er hat sich als den Chef besonders gut bezahlt. c) Hier wird sich nicht als der grosse Zampano aufgeführt. Die gleiche Kritik gilt natürlich auch für Müllers Ansatz (1995a). Ich möchte hier auf diese Kasusdiskussion nicht näher eingehen. Für die in dieser Arbeit interessierenden Zusammenhänge reicht bereits die Feststellung, dass Sabels Ansatz falsche Vorhersagen für die Extraktionsasymmetrien machen würde und somit nicht übernommen werden kann. IIIa) Grewendorf (2002) Grewendorf (2002) regt an, die Begründung für die Grammatikalität von 10b) und 11b) nicht an der Kasuslosigkeit von Anaphern festzumachen, sondern daran, dass Anaphern auf andere Art als nicht-anaphorische DPs Kasus erhalten. Seinem Vorschlag gemäss wird die DO-Anapher nicht innerhalb der VP generiert, sondern im Kopf einer Agr-Phrase, wo sie eine Inkorporationsbeziehung mit dem Verb eingeht (Grewendorf 2002: 63) und wo sie ihren Kasus zugewiesen bekommt:

Agro’ Agro

VP Subj

Agro

V’ VP

IO Grafik 3-4

t Akk tV

sichAkk

V

73

Indirekte Objekte und somit auch IO-Anaphern erhalten lexikalischen Kasus. Somit werden diese als Argumente innerhalb von VPs generiert. Von dieser Position aus kann das indirekte Objekt die DO-Anapher nicht binden, und falls es gescrambelt wird, befindet es sich in einer A’-Position, von der aus die A-Bindung ebenfalls ausgeschlossen ist. Das direkte Objekt kann hingegen aus der abgeleiteten Position SpecAgrDOP die in-situ verbleibende IO-Anapher lokal A-binden. III b) Kritik Klitische vs. freie Pronomen: Dass Anaphern Kasus über eine Inkorporationsbeziehung mit einem funktionalen Kopf erhalten, wird für Reflexivpronomina in romanischen Sprachen vermutet. Dort kann jedoch die Reflexivbeziehung durch zwei verschiedene Pronomen ausgedrückt werden, wie die folgenden Beispiele aus der rätoromanischen Standardsprache Rumantsch Grischun zeigen: 14) a) Aita sa vesa en il spievel. Aita Refl.ClitDO sieht im Spiegel b) Aita vesa sai /sasez en il spievel. Aita sieht sichAkk /sichselbstAkk im Spiegel. 15) a) Deja sa dat la culpa per l’accident. Deja Refl.ClitIO gibt die Schuld für den Unfall. b) Deja dat a sai /a sasez la culpa per l’accident. Deja gibt PRÄPa sich /PRÄPa sichselbst die Schuld für den Unfall Das klitische DO- und IO-Pronomen kann im Gegensatz zum freien keinen Akzent tragen. Es projiziert auch nicht, sondern sein Kopf inkorporiert an AgrO, wo es seinen Kasus zugewiesen bekommt. Das freie hingegen projiziert und bildet eine XP. Die freie DO-Anapher erhält ihren Kasus strukturell von V bzw. über Spezifikator-Kopf-Kongruenz zu einer AgrOP, das indirekte Objekt bildet in diesem Fall eine PP mit der (strukturellen) Präposition a. Das Romanische besitzt also sowohl für indirekte als auch für direkte Objekte je 2 verschiedene Reflexivpronomen, die jeweils verschiedene Formen aufweisen und die nicht an denselben Positionen stehen, da die Kasuszuweisung unterschiedlich erfolgt. Nach Grewendorf (2002) besässe das Deutsche eine klitische bzw. eine an einen Kopf inkorporierte DO- und eine projizierende freie IO-Anapher. Anders als in den romanischen Sprachen unterscheiden sie sich jedoch nicht in Bezug auf Form oder Akzent, denn auch die DO-Anapher kann Akzent tragen, wie folgendes Beispiel zeigt: 16) Maria gibt SICH (selbst) die Schuld für den Unfall. Dass DO-Anaphern sich von den klitischen Anaphern in romanischen Sprachen wesentlich unterscheiden, muss auch Grewendorf (2002: 63) bekennen, denn »das reflexive direkte Objekt [steht] im Deutschen in der Regel nicht in der präverbalen Position. Seine Dislozierung kann aber ebenfalls auf Fokussierungserfordernisse zurückgeführt werden«. Nun ist jedoch in romanischen Sprachen gerade bei Fokussierung die Verwendung des klitischen Pronomens verboten, stattdessen muss in diesem Fall das freie verwendet werden. Es spricht einiges dafür, dass zumindest in gewissen Kontexten auch im Deutschen eine projizierende und damit freie DO-Anapher eingesetzt wird: Neben der Tatsache, dass sie ak-

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zentuiert werden können, können DO-Anaphern im Deutschen mit der Partikel selbst verstärkt werden. Unter der Annahme, dass es sich um eine klitische, nicht-projizierende Anapher handelt, ist diese Kombination unerwartet und in den romanischen Sprachen auch nicht in dieser Form zu finden.18 Unter Grewendorfs Annahme, dass Anaphern im Kopf einer Agr-Phrase als V-Adjunkte generiert werden, ist ihre Projektion jedoch aus X’-theoretischen Gründen ausgeschlossen, daher muss angenommen werden, dass auch das Deutsche eine an der DO-Position basisgenerierte Anapher besitzt, die projiziert, Akzent tragen und mit selbst kombiniert werden kann. Im Unterschied zum Romanischen jedoch wären die beiden angenommenen DO-Anaphern homophon. Damit nun die Bindungsverhältnisse in 7) und 8) (hier wiederholt als 17) und 18)) auf der Grundlage von Grewendorfs Vorschlag erklärt werden können, müsste man annehmen, dass in 17) nur die klitische DO-Anapher eingesetzt werden darf, denn die freie wird von der IO-Basisposition c-kommandiert und könnte so vom indirekten Objekt gebunden werden. 17) a) …, dass der Arzti dem Patientenj sichi/*j im Spiegel zeigte. b) *…, dass man den Gästeni einander i vorgestellt hat. 18) a) …, dass der Arzti den Patientenj sich i/j im Spiegel zeigte. b) …, dass man die Gästei einander i vorgestellt hat. Die Annahme, dass in 17) eine klitische Anapher obligatorisch ist, würde zwar erklären, weshalb sie vom indirekten Objekt nicht gebunden werden kann, allerdings basiert diese Erklärung auf die nicht nachzuweisende Stipulation, dass das Deutsche über eine klitische Anapher verfügt. Diese Stipulation lässt sich jedoch nicht unabhängig begründen, denn die klitische DO-Anapher ist ausser für die Erklärung dieser Bindungsverhältnisse nicht nachzuweisen. Im Gegenteil: Im Deutschen lässt sich nur die freie Anapher klar nachweisen. Erschwerend für Grewendorfs Vorschlag ist zusätzlich, dass die Anapher einander in 17b) auch als V-Inkorporation in Agro basisgeneriert sein müsste. Zumindest in romanischen Sprachen werden jedoch reziproke Ausdrücke nie klitisch realisiert. Alles in allem weist auch Grewendorfs Ansatz zu viele nicht unabhängig motivierte Stipulationen auf, als dass er als Erklärung für das Paradoxon in Doppelobjektkonstruktionen dienen könnte.

––––––––– 18

Im Italienischen ist zusammen mit selbst nur das freie Pronomen möglich, welches dann die postverbale Position einnimmt: i) Lui vede sé stesso nello specchio. Er sieht sich selbst im Spiegel. Im Rätoromanischen können zwar auch klitische Pronomen durch selbst verstärkt werden, dieses nimmt dann jedoch die postverbale DO-Position ein (Dass es sich um eine nominale Position handelt, kann daher angenommen werden, weil es in Numerus und Genus mit dem Pronomen bzw. dem Subjekt kongruiert; es handelt sich also im Romanischen nicht um eine Partikel): ii) La suprastonza sa constituescha sezza. Der Vorstand CLIT(AKK) konstituiert selbst (fem.sg.)

75

3.1.2.2

Fazit

Sowohl Ansätze, die von der Abfolge DO > IO als auch jene, die von der Abfolge IO > DO ausgehen, können das Paradoxon von Bindungs- und Extraktionsdaten in Doppelobjektkonstruktionen nicht erklären. Es stellt sich die Frage, ob tatsächlich für beide Phänomene die Basisposition verantwortlich ist. Nach Primus (1993) werden syntaktische Relationen durch Hierarchien unterschiedlicher relationaler Systeme bestimmt, sodass es auch denkbar wäre, dass die Bindungsdaten durch ein anderes hierarchisches System, wie beispielsweise durch Kasushierarchie, beeinflusst sind bzw. dass in diesem Fall zwei Systeme korrelieren. Nach Grewendorf (1988: 60) lassen sich die Bindungsdaten im Deutschen auch mithilfe einer universalen Hierarchie grammatischer Funktionen erklären. Bis heute ist es jedenfalls noch nicht geklärt, ob indirekte Objekte aufgrund ihrer syntaktischen Position Bewegungsinseln sind oder eher aufgrund von den ihnen inhärenten Merkmalen wie z.B. lexikalischem Kasus. Dass den indirekten Objekten inhärente Merkmale für deren Opakheit verantwortlich sein könnten, zeigen die Extraktionen aus Konstruktionen mit einem einzigen indirekten Objekt wie in 3a). Gallmann (1992) liefert im Anschluss an Wegener (1991) einige Hinweise darauf, dass der Dativ in Konstruktionen mit intransitiven nicht-ergativen Verben lexikalisch erfolgt, was eine Erklärung für den Inselcharakter von indirekten Objekten in Konstruktionen mit nur einem Objekt sein könnte. Diese Erklärung gibt Grewendorf (2002) für die Opazität aller indirekten Objekte. Ihr widersprechen jedoch Daten mit dem so genannten ›Rezipientenpassiv‹ wie in 19b), die darauf hinweisen, dass zumindest ein Teil der Dativ-DPs strukturell kasusmarkiert ist. Da Extraktion auch aus diesen Dativ-DPs ausgeschlossen ist, kann nicht nur lexikalische Kasuszuweisung für den Inselcharakter von indirekten Objekten verantwortlich sein: 19) a) Rudi hat dem Vater von Otto ein Buch geschenkt. b) Der Vater von Otto hat von Rudi ein Buch geschenkt bekommen. c) *PP[Von Otto] i hat Rudi DP[dem Vater ti] ein Buch geschenkt. Auch wenn hier keine Lösung für das Paradoxon in Doppelobjektkonstruktionen gegeben werden kann, sind die Verhältnisse in Zusammenhang mit der PP-Extraktion dennoch klar: Der Inselcharakter von indirekten Objekten ist barrierentheoretisch erklärbar, denn Extraktion ist nur bei Nicht-Distinktheit möglich, was (abstrakte) Inkorporation voraussetzt. Inkorporationsdaten polysynthetischer Sprachen zeigen, dass die Inkorporation von Nomen indirekter Objekte immer ausgeschlossen ist, was deren Opakheit erklärt. Ob diese Unfähigkeit von Nomen indirekter Objekte, in V zu inkorporieren, jedoch struktureller Art ist und aufgrund der Basisposition begründet werden kann, ist in weiteren Untersuchungen zu polysynthetischen Sprachen unter Einbezug des Dilemmas deutscher Doppelobjektkonstruktionen zu klären. Sollte sich herausstellen, dass Inkorporation nicht dem c-Kommando unterliegt, dass also indirekte Objekte im Deutschen tatsächlich die verbnahe Position einnehmen, dann müsste zwar die Barrierendefinition bzw. die c-Kommando-Bedingung revidiert werden, dies hätte jedoch keine substanziellen Auswirkungen auf die hier vorgestellte Barrierentheorie. Ich werde im Folgenden die c-Kommando-Bedingung aus folgendem Grund aufrecht erhalten: a) Unabhängig von Extraktionsphänomenen gilt die c-Kommando-Bedingung generell bei Kopfbewegungsphänomenen. Eine Änderung dieser Bedingung hätte Folgen, die hier nicht überschaubar sind. b) Meines Erachtens sind die Bin-

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dungsdaten in 8) zu wenig gesichert und können, wie in diesem Abschnitt gezeigt, auch anders als nur mit der Basisposition von Objekten erklärt werden, als ihretwegen eine Bedingung wie die c-Kommando-Bedingung aufgegeben werden sollte.

3.1.3 Subjekte Aus der Grafik 3–1 geht hervor, dass Subjekte als VP-externe Argumente von V nicht ckommandiert werden, was ihre Opakheit erklärt. Nun haben wir jedoch im vorherigen Abschnitt 3.1.2 gesehen, dass sowohl konzeptuelle als auch empirische Gründe für die in neueren Arbeiten kaum noch bezweifelte These sprechen, dass Subjekte VP-intern basisgeneriert sind. Im Anschluss an Larson (1988) hat sich die Idee etabliert, dass die VP nicht nur in Doppelobjektkonstruktionen, sondern in transitiven Strukturen generell in eine VP eingebettet ist. Dabei wird die VP von einer funktionalen Projektion (vP) dominiert. Der Kopf v dieser Projektion wird als ›leichtes‹ Verb bezeichnet (analog zu anderen verbalen Kategorien, die nur wenig semantischen Gehalt besitzen, wie tun, machen, haben). Diese funktionale Kategorie repräsentiert nach Chomsky (2000) auf abstrakte Weise die Transitivität.19 Das Subjekt wird diesem Ansatz zufolge in SpecvP basisgeneriert:

vP Subjekt

v’ VP Obj

v V

Grafik 3–5

Der Kern der Subjekt-DP wird weder von v noch von V c-kommandiert und kann daher nicht inkorporieren. Aufgrund der Bedingung b) der Barrierendefinition ist D/N distinkt von v, sodass die DP eine Barriere für Extraktion ist. Aus Subjekten unakkusativischer Verben und aus Passivsubjekten ist im Deutschen die Extraktion jedoch möglich, wie die Beispiele in 20) zeigen: 20) a) PP[Über Glauser]i wurden in letzter Zeit DP[viele Artikel ti] geschrieben. b) PP[Über die PISA-Studie]i ist gestern schon wieder DP[ein Artikel ti] erschienen. Subjekte unakkusativischer Verben und Passivsubjekte sind, wie bereits in Abschnitt 1.1.1 anhand unterschiedlicher Tests nachgewiesen, im Unterschied zu Subjekten transitiver und nicht-ergativer Verben nicht in der SpecvP-Position basisgeneriert, sondern an der Objektstelle. Unakkusativische Verben weisen jedoch keinen Akkusativ zu und es ist anzuneh––––––––– 19

Für intransitive nicht-ergative Verben kann ebenfalls angenommen werden, dass sie von der vP dominiert sind (vgl. Grewendorf 2002: 64).

77

men, dass Passivsätze und Sätze mit unakkusativischen Verben auch keine vP-Projektion eines abstrakten funktionalen Transitivitätsaffixes (leichtes Verb) haben. Der Nominativ wird aufgrund der Unakkusativität des Verbs durch offene oder abstrakte Bewegung nach SpecTP zugewiesen (NP-Bewegung). An seiner Basisposition wird ein Subjektkopf eines unakkusativischen Verbs gleich wie ein Objektkopf von V c-kommandiert und kann daher inkorporieren, was die Transparenz von Subjekten unakkusativischerer und passiver Verben erklärt. Dies gilt allerdings nicht für das Englische. Im Englischen stellen auch Subjekte passiver Verben Bewegungsinseln dar: 21) a) Who is the class reading a book about? b) *Who is a book about being read by the class?

(Davies / Dubinsky 2003: 32)

Es ist kaum anzunehmen, dass Subjekte in englischen Passivkonstruktionen an anderer Position als im Deutschen basisgeneriert sind. Wenn also nicht die Basisstruktur für die Opazität verantwortlich ist, müssen es die abgeleiteten strukturellen Verhältnissen sein. Tatsächlich befindet sich das Passivsubjekt im Englischen an der präverbalen Position, was darauf hinweist, dass es offen bewegt wurde. Englische Subjekte passiver Verben müssen aus Kasusgründen nach SpecTP NP-bewegt werden. Für das Deutsche lässt sich diese Bewegung oberflächenstrukturell nicht nachweisen, denn das Subjekt kann auch nach einem Satzadverb stehen, was ein Hinweis darauf ist, dass es in der VP stehen bleiben kann (vgl. dazu auch 3.1.5): 22) a) Im Anzeiger wird wahrscheinlich ein Artikel über den Unfall erscheinen. b) In den 80ern wurden hier vermutlich einige Filme gedreht. Diese Beispiele unterstützen die Vermutung, dass Subjekte passiver und unakkusativischer Verben nicht offen angehoben werden müssen. Die Kasuszuweisung erfolgt durch abstrakte Bewegung bzw. durch Übereinstimmung ohne Bewegung. Im Englischen hingegen, muss die Anhebung offen erfolgen. Offene Bewegung löst jedoch, wie Müller (1995a) gezeigt hat, immer einen Freezing-Effekt aus (vgl. 3.1.4). Neben den Subjekten unakkusativischer Verben sind in wenigen Fällen auch Subjekte intransitiver nicht-ergativer Verben transparent für die Extraktion (siehe dazu Kapitel 1, Beispiel 15). Diese lassen sich nicht mit der c-Kommando-Bedingung erklären, denn sie sind mit Sicherheit nicht an der VP-Objektposition basisgeneriert, sondern je nach Ansatz in SpecvP oder SpecVP. Damit sind diese Sätze ein Problem für barrierentheoretische Ansätze. Darauf werde ich in Kapitel 6 näher eingehen. Es wird sich zeigen, dass diese Sätze nicht nur in Bezug auf die Extraktion grammatischen Prinzipien widersprechen, sondern auch eine für grammatische Ausdrücke doch relativ grosse Uneinheitlichkeit in den Grammatikalitätsurteilen erfahren. Neben anderen weisen diese Indizien darauf hin, dass in solchen Fällen ein Reparaturmechanismus vorliegt. Begründet wird diese Annahme in Kapitel 6.

3.1.4 Freezing-Effekt Neben den bereits analysierten Effekten, die durch die Basisposition der DP bedingt sind, wurde in 1.1.2 ein weiterer konstruktionsbedingter Effekt beschrieben, der als Freezing-

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Effekt bezeichnet wurde. Der Freezing-Effekt bezieht sich nicht auf die Basisposition der DP, sondern auf abgeleitete Positionen: Freezing-Effekt: Eine bewegte XP bildet eine Extraktionsbarriere. Müller (1995a, 1998b) zeigt auf, dass es keine Rolle spielt, an welche Position eine XP bewegt wird: Sowohl A’-Bewegungen wie Scrambling (23b)) und wh-Bewegung (23d)) als auch NP-Bewegung (21b)) (hier wiederholt als 23e)) lösen den Freezing-Effekt aus: 23) a) Rudi hat DP[ein Buch PP[über Politik]]k seiner Mutter tk gegeben.20 b) *PP[Über Politik]i hat Rudi DP[ein Buch ti]k seiner Mutter tk gegeben. c) Rudi wusste nicht, DP[welches Buch PP[über Politik]]k er seiner Mutter tk geben sollte. d) *PP[Worüber]i wusste Rudi nicht DP[welches Buch ti]k er seiner Mutter tk geben sollte? e) *Whoi is DP[a book about ti]k being read tk by the class? (Davies / Dubinsky 2003: 32) In 23) wird jeweils sowohl die Extraktionsbasis als auch die PP bewegt. Das bedeutet, dass zwei verschiedene Derivationen möglich sind. Nehmen wir a) an, dass zunächst die DP bewegt wird und danach erst die PP, dann lässt sich der Freezing-Effekt aufgrund der Inkorporationsbedingung erklären: Die DP befindet sich nämlich in diesem Fall auf der S-Struktur entweder in einer Spec-Position (23d)) und 23e)) oder in einer Adjunktposition (23b)). Beide Positionen werden von V nicht c-kommandiert, sodass die Inkorporation des Kopfes der DP ausgeschlossen ist, und damit auch die Extraktion. Geht man hingegen b) von der Annahme aus, dass zuerst die Extraktionsbasis bewegt wird und danach erst die DP, dann kann die Inkorporationsoperation im Grunde genommen an der Basisposition vollzogen werden, sodass keine Verletzung der Barrierenbedingung vorliegt. Der Fall b) wird durch die folgende Derivation in 25) für das Beispiel 23a) illustriert: 24) a) Erster Schritt: Bewegung der PP nach SpecVP: PP[Über Politik] i hat Rudi seiner Mutter DP[ein Buch ti]k gegeben. b) Zweiter Schritt: Scrambling der DP (Adjunktion an VP): PP[Über Politik] i hat Rudi VP[ DP[ein Buch ti] VP[seiner Mutter tk gegeben]]. Die Bewegung der PP nach SpecCP in 24a) ist in Ordnung, denn die DP ist als Komplement von V keine Barriere. Diese Derivation ist allerdings ausgeschlossen, weil die Adjunktion der DP an die VP eine azyklische Bewegung ist. Durch die Bewegung der PP nach SpecCP wird die CP zu einem Zyklusknoten. Die Bewegung an eine Position unterhalb des Zyklusknotens CP ist durch die Bedingung des strikten Zyklus ausgeschlossen, wie in Müller (1998b: 151) folgendermassen definiert:21 ––––––––– 20

21

Der Satz ist zwar kontextuell markiert (vgl. Kapitel 5 und 6), jedoch mit engem Fokus auf Mutter bzw. Politik durchaus grammatisch. Die von Chomsky (1973) formulierte Zyklizitätsbedingung wurde in der generativen Theorie laufend weiterentwickelt und modifiziert. Für die hier interessierenden Daten haben die unter-

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Strict cycle Condition: If a landing site of movement is dominated by a cyclic node, it must belong to the minimal residue of the head of this cyclic node. Unterhalb eines Zyklusknotens XP darf nur in eine bestimmte Checking-Domäne (= minimal residue) bewegt werden. Diese kann etwas vereinfacht mit der Adjunktposition von X, mit SpecXP und mit den Adjunktpositionen der XP gleichgesetzt werden (vgl. Müller 1998b: 69). Da sich die Landepositionen der bewegten Extraktionsbasen in den Beispielen in 23) unterhalb des Zyklusknotens CP und nicht in dessen Checking-Domäne befinden, verletzt eine Derivation, in der die PP zuerst bewegt wird, die Bedingung des strikten Zyklus.22 Vorstellbar wäre natürlich auch eine Derivation, in welcher die PP nicht in einem Schritt nach CP wandert, sondern zunächst an die VP adjungiert, woraufhin die DP über die PP hinaus gescrambelt wird und die PP erst zuletzt nach SpecCP wandert: 25) PP[Über Politik] i hat Rudi VP[DP[ein Buch ti]k VP[ti’ VP[seiner Mutter tk gegeben]]]. Diese Derivation verletzt weder die Barrierenbedingung – denn die Extraktion erfolgt aus einer V-Komplement-DP – noch die Bedingung des strikten Zyklus, da keine Bewegung unterhalb eines Zyklusknotens erfolgt. Allerdings verletzt diese Derivation das PUB, denn die Bewegungskette der PP beinhaltet eine Adjunktions- und eine Topikalisierungsbewegung.23 Der Freezing-Effekt lässt sich diesen Ausführungen zufolge bewegungstheoretisch erklären, egal welche Derivation angenommen wird.

––––––––– 22

23

schiedlichen Definitionen keinen Einfluss. Die azyklische Derivation für die Beispiele in 23) wird allgemein durch die Zyklizitätsbedingung ausgeschlossen. Nach Chomsky (1995b: 412) ist die Derivation auch aufgrund des transderivationellen Prinzips Shortest Path ausgeschlossen, wie er am Beispiel der obligatorischen NP-Anhebung in englischen Passivkonstruktionen und des daraus resultierenden Freezing-Effekts erklärt: »This is a CED violation if passive precedes wh-movement, but it is derivable with no violation (incorrectly) if the operations apply in countercyclic order, with passive following wh-movement. In this case, natural economy conditions might make the relevant distinction between the competing derivations. Passive is the same in both; wh-movement is ›longer‹ in the wrong one in an obvious sense, object being more ›remote‹ from [SpecCP] then subject in terms of number of XPs crossed. The distinction should be captured by a proper theory of economy of derivation …« Sternefeld (1997) hat jedoch gezeigt, dass das derivationelle Prinzip des strikten Zyklus nicht immer durch transderivationelle Ökonomieprinzipien ersetzt werden kann. Neben dem derivationellen Prinzip PUB liesse sich diese Derivation auch durch das transderivationelle Ökonomieprinzip Fewest Steps ausschliessen. Zur Diskussion transderivationeller Prinzipien vs. derivationeller Prinzipien siehe Sternefeld (1997). Er fügt empirische Gründe dafür an, dass im Deutschen derivationelle Prinzipien transderivationellen vorzuziehen sind.

80

3.1.5 Spezifizitätseffekt und Specified Subject Condition Nach der in 1.1.2 erläuterten Spezifizitätsbedingung blockieren DPs mit definiter Referenz Bewegung 26b)), während indefinite, unspezifische DPs Extraktion zulassen (26a)):24 b) *PP[Über Politik]i hat Rudi DP[dieses/das Buch ti] gelesen. Zum Spezifizitätseffekt wird manchmal auch die von Chomsky (1973: 224) formulierte Specified Subject Condition (SSC) gezählt, nach welcher pränominale Subjekte in SpecDP Bewegung blockieren:25 26) *PP[Über Politik]i hat Rudi DP[Ottos Buch ti] gelesen. Müller (1998b) begründet hingegen, dass die SSC gleich wie die Left Branch Condition (LBC, vgl. 3.1.6) zu analysieren sei und nicht wie der Spezifizitätseffekt. Extraktionen aus DPs mit pränominalem Subjekt erfahren unterschiedliche Grammatikalitätsurteile, was als Indiz dafür gewertet werden kann, dass es sich doch nicht um dasselbe Phänomen handelt: wh-Extraktionen werden meist als ungrammatisch eingeschätzt, Topikalisierungen hingegen werden von einigen Leuten akzeptiert. Diese Tatsache wiederspiegeln auch Müllers und Pafels Grammatikalitätsmarkierungen in den folgenden Beispielen: 27) a) *Worüber hat er Antjes Papier gelesen? b) ?Über Bismarck habe ich Galls Buch gelesen.

(Müller, 1995: 49) (Pafel 1993: 219)

In dieser Arbeit wird die SSC trotz diesem Indiz dem Spezifizitätseffekt zugeordnet. Bevor diese Zuordnung jedoch begründet und die unklaren Grammatikalitätsverhältnisse in 27) erklärt werden, gehe ich zunächst auf die in 1.1.2 offen gebliebene Frage ein, ob der Spezifizitätseffekt syntaktisch oder semantisch-pragmatisch zu begründen ist.

3.1.5.1

Der Spezifizitätseffekt

Kritiker einer syntaktischen Analyse argumentieren häufig damit, dass der Spezifizitätseffekt nicht systematisch ist, denn, wie bereits an Beispiel 21) in Abschnitt 1.1.2 (hier wie––––––––– 24

25

Definitheit und Spezifizität sind nach von Heusinger (1997: 93) zwei voneinander unabhängige Kategorien: Definiter Ausdruck: Objekt, »in der einen oder anderen Weise aufgrund der konstituierten Salienzstruktur eines Textes oder eines Diskurses bekannt, so dass auch die anderen Teilnehmer des Diskurses das entsprechende Objekt eindeutig bestimmen können«. Spezifischer Ausdruck: »… ein bestimmtes, durch den Sprecher zu identifizierendes Objekt.« Dieser Definition zufolge kann es auch unspezifische definite bzw. spezifische indefinite Ausdrücke geben. Diese Unterscheidung ist jedoch für den hier interessierenden Zusammenhang nicht relevant. Da die hier interessierenden definiten DPs immer auch spezifisch sind und da, wie die folgenden Ausführungen zeigen, weder Spezifizität noch Definitheit primär einen Einfluss auf die Extraktion haben, wird von dieser Unterscheidung kein Gebrauch gemacht. Definite DPs werden mit spezifischen gleichgesetzt. Dies gilt allerdings nicht für die indefiniten DPs, die in Bezug auf Spezifizität ambig sind (vgl. dazu unten). DPs mit pränominalem Subjekt sind meist spezifisch.

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derholt als 28)) gezeigt wurde, kann aus spezifischen DPs extrahiert werden, wenn eines der DP-internen Elemente kontrastiv fokussiert ist (vgl. auch De Kuthy 2002): 28) a) PP[Über die Klimaveränderung]i hat Otto bloss DP[den Artikel ti im ANZEIGER] gelesen (und nicht den in der Abendzeitung). b) PP[Von der Himalaya-Expedition]i hat er nur DP[den FILM ti] gesehen (und nicht die Fotos). Das Beispiel 28) weist tatsächlich darauf hin, dass nicht Spezifizität der primäre Faktor ist, der Extraktion verhindert. Dies bedeutet jedoch noch lange nicht, dass deswegen die Extraktion nicht durch syntaktische Beschränkungen gesteuert wird. Im Folgenden werde ich zu zeigen versuchen, dass Spezifizität je nach Kontext mit Scrambling einhergeht und dass diese Bewegung für den Spezifizitätseffekt verantwortlich ist. Der Spezifizitätseffekt ist kein spezieller Effekt, sondern er ist als Freezing-Effekt zu analysieren und daher syntaktisch begründet.26 Der Spezifizitätseffekt als Freezing-Effekt Bereits Diesing (1992) geht von der Annahme aus, dass spezifische DPs angehoben werden. Ihrem Ansatz zufolge ist die Bewegung semantisch bedingt, denn DPs mit so genannt starken Determinierern, zu denen auch der definite Artikel gehört, werden obligatorisch durch die Operation ›Quantifier Rising‹ (QR) angehoben, um nicht existenziell gebunden zu werden. Durch die Anhebung wird ein Freezing-Effekt ausgelöst, was die Opazität der definiten DPs erklärt. Beispiel 28) widerlegt allerdings Diesings Annahme, wonach der Determinierer die Bewegung lizenziert. Die DP in 28) ist definit, trotzdem ist sie nicht angehoben, was sich einerseits daran zeigt, dass Extraktion möglich ist, andererseits aber auch daran, dass die definite DP unterhalb eines Satzadverbials positioniert ist, wie das folgende Beispiel zeigt: 29) a) Otto hat wahrscheinlich bloss DP[den Artikel im ANZEIGER] gelesen (und nicht den in der Abendzeitung). Satzadverbiale gelten als Indikatoren für Scrambling. Sie unterscheiden sich von anderen Adverbialklassen nach Frey / Pittner (1998) nicht nur aufgrund ihres semantischen Bezugs, sondern auch aufgrund ihrer Position. Sie sind oberhalb der Grundposition der Argumente positioniert, also oberhalb der vP. Argumente, die sich oberhalb des Satzadverbials befinden, sind aus ihrer Grundposition herausbewegt worden; Argumente, die unterhalb des Satzadverbials positioniert sind, befinden sich an ihrer Basisposition.27 Der Satzadverbialtest in 29) zeigt an, dass die DP vP-intern positioniert ist und somit nicht angehoben wurde. Trotzdem weist die DP nicht Existenzlesart auf.28 Das bedeutet, dass weder der definite ––––––––– 26

27

28

Bereits Mahajan (1992) geht von der Annahme aus, dass der Spezifizitätseffekt ein Epiphänomen ist, dem eigentlich ein Freezing-Effekt zugrunde liegt. Dies nimmt er allerdings nur für das Englische, nicht aber für das Deutsche an. Dies gilt natürlich nur für Satzadverbiale in ihrer Verwendung mit Satzbezug. Einige Satzadverbiale können auch als fokussierende Adverbiale gebraucht werden. In dieser Verwendungsweise sind sie vor der zu fokussierenden Konstituente positioniert. Kontrastive Fokussierung löst nach Diesing (1992: 59) Präsuppositionslesart aus.

82

Artikel noch die definiten DPs inhärente Semantik der primäre Grund für die Anhebung sind. Sekundär scheint Definitheit allerdings schon einen Einfluss auf die Anhebung zu haben, denn wie der folgende Satzadverbialtest zeigt, ist Normalbetonung nur möglich, wenn die definite DP scrambelt (30c)). Eine indefinite DP mit Determinierer viele muss unterhalb des Satzadverbials verbleiben (vgl. 30a) und 30b)): 30) a) b) c) d)

weil Rudi schliesslich DP[viele Bücher] gelesen hat *weil Rudi DP[viele Bücher] schliesslich gelesen hat weil Rudi DP[das Buch] schliesslich gelesen hat. weil Rudi schliesslich DP[das BUCH] gelesen hat (und nicht den Artikel).

Es stellt sich nun die Frage, was der primäre Grund dafür ist, dass definite oder spezifische DPs im Normalfall scrambeln. Dieser Frage wird im Folgenden nachgegangen, wobei auch die Interaktion von Spezifizität und Scrambling in die Betrachtung miteinbezogen wird. Wie Beispiel 30) zeigt, hat Scrambling bzw. Verbleiben in der vP Auswirkungen auf die Prosodie, denn auch in 30a) liegt der Satzakzent auf der in der vP verbliebenen Konstituente. Sowohl Akzentuierung als auch Wortstellung sind Mittel zur Informationsstrukturierung. Ich gehe daher von der Annahme aus, dass Informationsstrukturierung der primäre Grund für Scrambling ist, dass jedoch Spezifizität nicht unabhängig von der Informationsstrukturierung ist. Um diese Annahme zu begründen, werde ich im Folgenden einen Exkurs zur Informationsstrukturierung des Satzes anfügen. Bei der Darstellung werde ich mich nach dem Ansatz von Lambrecht (1994) richten, da dieser explizit auf die Interaktion der semantischen und informationsstrukturellen Merkmale definiter DPs eingeht.29 Exkurs: Informationsstrukturierung des Satzes Nach Lambrecht (1994) spalten Satzadverbiale einen Satz in einen Topik- und einen Fokusbereich auf.30 Oberhalb des Satzadverbials bzw. der vP befindet sich der Topik-, unterhalb der Fokusbereich. Topikfähig sind nach Lambrecht (1994: 154 ff.) nur referierende Ausdrücke, die Existenz präsupponieren. Anders als bei Diesing (1992) hat die Position präsupponierter Ausdrücke oberhalb der vP allerdings nicht mit QR zu tun. Dieses Erfordernis ist pragmatisch zu begründen, denn ein Topik ist »part of the universe of discourse of the interlocutors« (Lambrecht 1994: 154). Ein Topik-Ausdruck muss einen Diskursreferenten bezeichnen und da ein Diskursreferent immer ein präsupponierter Ausdruck ist, erklärt sich die Topikposition präsupponierter Ausdrücke aus den informationsstrukturellen Erfordernissen. ––––––––– 29

30

Es wird sich in Kapitel 5 zeigen, dass dieser Ansatz die Komplexität der Informationsstrukturierung nicht erfassen kann. Für die Sachverhalte, die im aktuellen Kapitel zu diskutieren sind, reicht er allerdings aus. Eine detailliertere und genauere Darstellung der Informationsstrukturierung findet sich in Kapitel 5. Nach Molnár (1993) muss zwischen Topik-Kommentar-Gliederung und Fokus-HintergrundGliederung unterschieden werden. Dabei sind Topik und Fokus keine komplementären Kategorien. Im Folgenden wird auf diese Unterscheidung der Einfachheit halber verzichtet, sie wird allerdings unter 5.1 näher erläutert und in die Analyse der pragmatischen Faktoren miteinbezogen. Für die folgenden Ausführungen wird hier vereinfachend der Topik- mit dem Hintergrundbereich und der Kommentar- mit mit Fokusbereich gleichgesetzt.

83

Im Fokusbereich sind nun jene Elemente positioniert, die neue Information enthalten. Eines davon erhält den Fokusakzent. Bei mehreren Fokuselementen wird der Akzentträger durch so genannte Fokusprojektionsregeln ermittelt (vgl. dazu detaillierter Abschnitt 5.1). Als Ausdruck, der Existenz präsupponiert, und als möglicher Diskursreferent wäre die kontrastiv fokussierte DP in 32d) zwar topikfähig, durch die Fokussierung jedoch wird die Menge der möglichen Referenzobjekte, die die DP bezeichnet, ausgeweitet, sodass durch die Festlegung auf ein bestimmtes Objekt neue Information vermittelt wird. Dies erklärt, weshalb die DP im Fokusbereich positioniert sein darf. Nach Lambrecht (1994) können nämlich nicht nur Referenten, die im Diskurs neu eingeführt werden, im Fokusbereich stehen, sondern auch solche, die bloss eine neue Teilinformation beisteuern: Thus when we say that the phrase […] is the focus of the answer […] what we mean is that the denotatum of this phrase stands in a pragmatically construed relation to the proposition such that its addition makes the utterance of the sentence a piece of new information. […] The function of Focus marking is then not to mark a constituent as new but to signal a focus relation between an element of a proposition and the proposition as a whole. (Lambrecht 1994:261)

Allerdings gibt es nur zwei Positionen, in denen die DP den starken Fokusakzent erhalten kann, der die kontrastive Lesart markiert: 31) a) weil Rudi schliesslich DP[das BUCH] gelesen hat (und nicht den Artikel). b) ??weil Rudi DP[das BUCH] schliesslich gelesen hat (und nicht den Artikel). c) DP[das BUCH] hat Rudi schliesslich gelesen (und nicht den Artikel). Die definite Konstituente kann nur unterhalb der vP-Grenze (31a)) oder dann im Vorfeld (31c)) fokussiert werden, nicht aber im Hintergrundbereich oberhalb der vP-Grenze (31b)) (vgl. zur Beobachtung, dass fokussierte NPs nicht gescrambelt werden können, auch Lenerz (1977)). Die Position von DPs wird also primär durch informationsstrukturelle und damit zusammenhängend prosodische Prinzipien gesteuert. Trotzdem hat ihre Position indirekt auch mit der semantischen Kategorie der Definitheit zu tun, denn definite DPs bezeichnen typischerweise Bekanntes oder Vorerwähntes, steuern daher informationsstrukturell seltener neue Information bei, sodass sie auch typischerweise im Topikbereich positioniert sind. Fazit I Beispiele wie die beiden in 28) widersprechen einer syntaktischen Analyse des Spezifizitätseffekts nicht, wie dies häufig behauptet wird, sie zeigen nur, dass es sich nicht eigentlich um einen Spezifizitätseffekt handelt. Nicht Spezifizität ist der Faktor, welcher die Extraktion verhindert, sondern die syntaktische Position der DP. Diese lässt sich informationsstrukturell begründen und ist indirekt auch ein Reflex der Spezifizität (vgl. dazu auch Mahajan 1992). Die Formulierung einer speziellen Spezifizitätsbedingung (Chomsky 1973, Fiengo /Higginbotham 1981) wird unter diesen Voraussetzungen überflüssig, denn es handelt sich nicht um ein Phänomen, welches speziell erfasst werden muss. Es lässt sich mit den üblichen bewegungstheoretischen Bedingungen erklären. Nun gibt es aber noch ein Problem zu klären: Gegen die eben erwähnte Annahme spricht die in empirischen Untersuchungen festgestellte Tatsache, dass der Spezifiztätseffekt einen schwächeren Grad an Ungrammatikalität aufweist als die anderen auf die Position der DP zurückzuführenden Effekte (vgl. Keller 2000). Wäre der Spezifizitätseffekt tatsächlich gleich wie der Freezing-

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Effekt zu begründen, dann müsste er auch den gleichen Grammatikalitätsgrad aufweisen wie andere Effekte, die konstruktionsbedingt sind. Die hier vorgeschlagene einheitliche Analyse der verschiedenen Effekte kann nur beibehalten werden, wenn die Asymmetrien in Bezug auf die Grammatikalitätsgrade erklärt werden können. Im Folgenden wird daher untersucht, ob es sich beim Spezifizitätseffekt trotz empirisch nachgewiesener ungleicher Grammatikalitätsgrade tatsächlich um ein dem Freezing-Effekt zugrunde liegendes Epiphänomen handeln könnte, und wenn ja, wie die vom Freezing-Effekt abweichenden Grammatikalitätsgrade zu begründen sind. Problematik der Grammatikalitätsgrade Auch Müller (1995a: 392) weist mit dem folgenden Beispiel darauf hin, dass der Spezifizitätseffekt nicht konstruktionsbedingt sein kann, da er sonst den gleichen Grad an Ungrammatikalität aufweisen sollte wie andere Effekte, die auf die Position der Extraktionsbasis zurückzuführen sind:31 32) ??Worüber i hat Wolfgang DP[das letzte Buch ti] geschrieben?

(Müller 1995a: 392)

Wird in diesem Beispiel der Modifizierer letzte weggelassen, sind die Grammatikalitätsverhältnisse allerdings wieder eindeutig: 33) *Worüberi hat Wolfgang DP[das Buch ti] geschrieben? Diese Asymmetrie weist darauf hin, dass der höhere Grammatikalitätsgrad in 32) wohl eher auf den Modifizierer zurückzuführen ist. Nun stellt sich natürlich die Frage, welchen Einfluss ein DP-interner Modifizierer auf den Spezifizitätseffekt hat: Führt man bei Sätzen mit modifizierten definiten DPs den Satzadverbialtest durch, so zeigt sich, dass definite DPs mit Nomen und Attribut auch unterhalb des Adverbials positioniert sein dürfen. Anders als nicht-modifizierte DPs bekommen sie innerhalb der VP jedoch nicht zwingend einen Kontrastfokus. Beispiel 34) zeigt, dass die DP als Ganze im Fokus stehen kann, es reicht aber auch, wie Beispiel 35) illustriert, wenn nur das Attribut fokussiert ist, damit die definite DP unterhalb des Satzadverbials stehen bleiben darf. Der Fokus wird hier mithilfe des Fragetests ermittelt,32 die akzenttragende Silbe wird mit Grossbuchstaben wiedergegeben (vgl. dazu auch Kapitel 5): 34) Was hat Rudi gelesen? a) Er hat vermutlich den Artikel über SYNtax gelesen. b) Er hat vermutlich den Artikel, den ich ihm geGEBen habe, gelesen. 35) Welchen Artikel hat Rudi gelesen? a) Er hat vermutlich den LETZten Artikel gelesen. ––––––––– 31

32

Müller (1995a) vergleicht den Spezifizitätseffekt mit der Extraktion aus Subjekten, die auch in einer Spec-Position positioniert sind, denn er nimmt an, dass spezifische DPs nicht scrambeln, sondern allenfalls an die Spec-Position einer AgrOP wandern. Bei der Extraktion aus Subjekten oder aus gescrambelten DPs, die den Freezing-Effekt auslösen, unterscheidet sich der Grammatikalitätsgrad nicht, weshalb der Spezifizitätseffekt hier mit dem Freezing-Effekt verglichen wird. Höhle (1982: 91) kritisiert den Fragetest, da die Antworten auf die Fragen unnatürlich seien. Trotzdem kann der Test, wie auch Höhle (1982) bekennt, durchaus seine Aufgabe erfüllen.

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b) Er hat vermutlich den Artikel von CHOMsky gelesen. c) Er hat vermutlich OTTos Artikel gelesen. Ohne Attribut allerdings kann die definite DP ohne Kontrastfokus nicht im Fokusbereich positioniert sein: 36) Was hat Rudi gelesen? a) *Er hat vermutlich den ArTIKel gelesen.33 b) Er hat vermutlich einen ArTIKel gelesen. Das Attribut löst in 34) und 35) informationsstrukturell einen ähnlichen Effekt aus wie die kontrastive Fokussierung in 31): Es weitet die Menge möglicher Referenzobjekte aus. Durch die Festlegung auf ein bestimmtes Referenzobjekt innerhalb dieser Menge wird neue Information beigesteuert, sodass die DP im Fokusbereich positioniert sein kann. Nun können Fokuselemente, wenn enger Fokus auf ihnen liegt, auch im Vorfeld positioniert sein wie beispielsweise die fokussierte PP in 37a). Die informationsstrukturellen Bedürfnisse werden auch hier erfüllt. Allerdings wird dann automatisch das zurückbleibende Nomen als Akzentträger im Mittelfeld ermittelt, was für eine indefinite DP wie in 37a) unproblematisch ist. Bei Extraktion aus einer definiten DP würde der Fokusakzent auf ein Nicht-Fokus-Element fallen, auf das definite Nomen, was jedoch durch die Fokusprojektionsregeln ausgeschlossen ist (vgl. dazu genauer Kapitel 5), denn das Element würde somit informationsstrukturell falsch markiert (37b)). Ein Nicht-Fokus-Element darf zwar innerhalb des Fokusbereichs stehen bleiben, aber nur, wenn es Teil einer Konstituente ist, die ein Fokuselement enthält, welches dann auch als Aktzentträger ermittelt werden kann. In 37b) ist das Fokuselement extrahiert worden, sodass die DP die Berechtigung verliert, im Fokusbereich zu verbleiben.34 Wenn sie allerdings aus diesem Bereich herausscrambelt, löst sie, wie bereits mehrfach gezeigt, einen Freezing-Effekt aus (37c)): 37) Worüber hat Rudi einen Artikel gelesen? a) PP[Über PoliTIK]i hat Rudi (schliesslich) DP[einen ArTIKel ti] gelesen. b) *PP[Über PoliTIK] i hat Rudi (schliesslich) DP[den ArTIKel ti] gelesen. c) *PP[Über Politik]i hat Rudi DP[den Artikel ti] (schliesslich) gelesen. Einzig wenn die DP durch ein Attribut erweitert ist, wie in 32) und 38), kann sie unterhalb des Satzadverbials stehen bleiben, denn dieses Element darf, wie oben dargelegt, fokussiert sein:

––––––––– 33

34

36a) ist zwar möglich, allerdings nur in einer Lesart wie in 34b), in welcher der restriktive Relativsatz mitgemeint ist, oder eben mit kontrastiver Lesart. Wir haben an Beispiel 34) gesehen, dass auch die ganze DP Fokus tragen, dass also auch das Nomen ein Fokuselement sein kann. In diesem Fale ist allerdings Extraktion auch dann ausgeschlossen, wenn das Nomen indefinit ist. Auf die Frage, was hat Rudi gelesen?, ist die folgende Antwort unzulässig: i) *Über Politik hat Rudi ein Buch gelesen. Daher gibt es keine Kontexte, in welchen das definite Nomen ohne Kontrastfokus ein fokusakzenttragendes Element sein kann.

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38) PP[Über die KLIMAerwärmung]i hat Rudi (vermutlich) DP[den LETzten Artikel ti] gelesen (über die Überschwemmungen hingegen den ersten).35 Es zeigt sich also, dass immer dann aus einer definiten DP extrahiert werden kann, wenn diese innerhalb der vP positioniert sein darf (vorausgesetzt dass sie die sonstigen üblichen Extraktionsbedingungen – z.B. lexikalische – erfüllt). Dies ist dann der Fall, wenn sie kontrastiv fokussiert ist, wie wir bereits oben gesehen haben, sie kann aber auch in der vP verbleiben, wenn das Nomen durch ein Attribut erweitert ist, welches die Referenzmenge ausweitet und damit informationsstrukturell im Fokus stehen darf. Die folgenden Beispiele illustrieren diesen Sachverhalt. In 41) ist aus der definiten Subjekt-DP eines unakkusativischen Verbs extrahiert worden, in 42) erfolgte die Extraktion aus der Objekt-DP. Die kursiv gesetzten Adverbiale zeigen an, dass die DP unterhalb der vPGrenze positioniert ist. Alle definiten unvollständigen DPs enthalten ein die Referenzmenge ausweitendes Attribut: 39) a) PP[Über die Flüchtlingspolitik der Schweiz]i ist schliesslich DP[das neuste Buch von Bergier ti] erschienen. b) PP[Über die Flüchtlingspolitik der Schweiz] i ist schliesslich DP[das Buch erschienen, von dem ich dir erzählt habe. c) PP[Über die Flüchtlingspolitik der Schweiz] i ist schliesslich DP[das Buch ti] erschienen, das Otto begutachtet hat. d) PP[Über die Flüchtlingspolitik der Schweiz]i ist endlich DP[das ultimative Buch ti] erschienen. 40) a) PP[Über die Flüchtlingspolitik der Schweiz]i habe ich schliesslich DP[das Buch ti] gelesen, das du mir empfohlen hast. b) PP[Über die Flüchtlingspolitik der Schweiz] i habe ich schliesslich doch noch DP[den Bericht von Bergier gelesen (und nicht den von Meier). c) PP[Über die Flüchtlingspolitik der Schweiz]i habe ich gestern wahrscheinlich DP[das informativste Buch ti] gelesen, das auf dem Markt zu finden ist. Die unterschiedlichen Grammatikalitätsgrade beim Freezing-Effekt und beim Spezifizitätseffekt können auf der Basis der hier gemachten Beobachtung folgendermassen erklärt werden: Dass der Spezifizitätseffekt in manchen Kontexten keinen so hohen Grad an Ungrammatikalität auslöst wie der Freezing-Effekt, hat damit zu tun, dass definite DPs – je nach Lesart und Kontext – sowohl oberhalb als auch unterhalb der vP-Grenze bzw. des Satzadverbials positioniert sein können. Dabei wird die Lesart, die das Verbleiben der DP innerhalb der vP verlangt, durch DP-interne Attribute oder durch kontrastive Fokussierung begünstigt. Wenn die Lesart zugänglich ist, bei der die DP in situ verbleibt, wird eben auch kein Freezing-Effekt ausgelöst. In Beispiel 32), das Müller (1995a) als Beleg dafür nimmt, dass der Spezifizitätseffekt nicht aufgrund positioneller Eigenschaften der DP zu begründen ––––––––– 35

38) unterscheidet sich von 32) vor allem darin, dass hier Topikalisierung, in 32) hingegen whExtraktion vorliegt. Aufgrund des Grammatikalitätsgrads unterscheiden sich die beiden Beispiele jedoch wesentlich: Die Topikalisierung in 38) ist um einiges besser als die wh-Extraktion in 32). Auf diese unerwartete Asymmetrie wird unten noch näher eingegangen.

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ist, macht das attributive Adjektiv die Lesart mit VP-interner DP auf markierte Weise zugänglich, in Beispiel 38) ist sie sogar vollumfänglich zugänglich. Wenn aber die DP eindeutig oberhalb des Satzadverbials positioniert ist, dann ist auch Beispiel 32) bzw. 38) eindeutig ungrammatisch: 41

a) *Worüberi hat Wolfgang DP[den letzten Artikel ti] schliesslich gelesen / geschrieben? b) *PP[Über Politik]i hat Wolfgang DP[den letzten Artikel ti] schliesslich gelesen / geschrieben.

Die unterschiedlichen Grammatikalitätsgrade ergeben sich nicht, weil andere grammatische Prinzipien die jeweiligen Effekte bestimmen, sondern, weil im Fall des Spezifizitätseffekts Reparaturmechanismen in Gang gesetzt werden können. Reparaturmechanismen sind allerdings nur eingeschränkt möglich. Im Fall des Spezifizitätseffekts sind sie deswegen zugänglicher, weil hier manchmal Kontexte konstruierbar sind, in denen Extraktion mögoich ist, und zwar eben dann, wenn definite DPs auch eine der oben gezeigten Lesarten zulassen, bei denen die DP in situ verbleibt. Sind diese Lesarten hingegen nicht zugänglich, beispielsweise wenn ein Satzadverb die vP-externe Position eindeutig anzeigt, sind auch keine Reparaturmechanismen vorhanden. In diesem Fall weist die Extraktion einen Grammatikalitätsgrad auf, der durchaus mit dem des Freezing-Effekts vergleichbar ist.36 Unterschiedliche Grammatikalitätsgrade sind nicht nur bei der Extraktion aus definiten DPs festzustellen, sondern, wie eingangs dieses Kapitels bereits angedeutet, auch Asymmetrien bei den Grammatikalitätsgraden sprechen nach Müller (1995a) gegen die Gleichbehandlung des Spezifizitätseffekts und der Specified Subject Condition. Im Folgenden wird gezeigt, dass die Grade der Markiertheit auch hier dadurch entstehen, dass manchmal mehrere Lesarten möglich sind.

3.1.5.2

Specified Subject Condition

Wie wir anhand des Beispiels 27) (hier wiederholt als 42)) gesehen haben, sprechen vor allem die Asymmetrien bei den Grammatikalitätsgraden gegen die Gleichbehandlung von Specified Subject Condition und Spezifizitätseffekt: 42) a) *Worüber hat er Antjes Papier gelesen? b) ?Über Bismarck habe ich Galls Buch gelesen.

(Müller, 1995a: 49) (Pafel 1993: 219)

In 42) liegen ähnliche Verhältnisse vor wie bei definiten erweiterten DPs, denn auch hier beinhaltet die DP ein Attribut, welches das Nomen spezifiziert. Zwar sind DPs mit spezifiziertem Subjekt gleich wie definite DPs bei Normalbetonung oberhalb des Satzadverbials positioniert (43a)), wenn aber die ganze DP (43b)) oder das N-Subjekt im Fokus stehen (43c)), ist auch die VP-interne Position möglich: 43) a) Otto hat Galls Buch (vermutlich) gelesen. b) Was hat Otto gelesen? ––––––––– 36

Ich werde in Kapitel 6 ausführlich auf das Problem von Grammatikalitätsgraden eingehen und auch noch weitere Indizien beschreiben, die Rückschlüsse auf Reparaturmechanismen zulassen.

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Otto hat vermutlich Galls BUCH gelesen. c) Welches Buch hat Otto gelesen? Otto hat vermutlich GALLS Buch gelesen. Bei Zugang der Fokuslesart wird kein Freezing-Effekt ausgelöst, was den Grammatikalitätsgrad von 42b) erklärt. Dass die Extraktion hier trotzdem markiert ist, hat damit zu tun, dass kaum in Kontexten extrahiert werden kann, in denen sowohl Fokus auf der Extraktionsbasis als auch auf dem zu extrahierenden Element liegt. Extraktion ist in diesen Kontexten nur möglich, wenn ein Element I-topikalisiert ist (Jacobs 1997). Bei I-Topikalisierung liegen zwei Akzentpositionen vor, die erste mit steigendem Ton auf dem Vorfeld, die zweite mit sinkendem Tonfall im Fokusbereich. Dieses Muster provoziert eine (durch Umklammerung gekennzeichnete) adversative Ergänzungsäusserung, in welcher Alternativen genannt werden (Jacobs 1997, vgl. dazu auch 5.1.3): 44) a) Über √BISmarck hat er vermutlich bloss \GALLs Buch gelesen (aber über die anderen Staatsmänner hat er bestimmt noch weitere Texte studiert). Die Asymmetrie in 42) und in 32) vs. 38), zeigt die Tatsache, dass wh-Extraktion wesentlich schlechter ist als Topikalisierung. Die Asymmetrie lässt sich aus der Beobachtung ableiten, dass aus definiten DPs und aus DPs mit spezifiziertem Subjekt nur in I-Topikalisierungskontexten extrahiert werden darf, denn I-Topikalisierung ist, wie Jacobs (1997: 94) festgestellt hat, nur in Assertionssätzen, nicht aber in Interrogativsätzen erlaubt. Mit anderen Worten, für die wh-Extraktion aus definiten DPs bzw. aus DPs mit spezifiziertem Subjekt ist der Zugang zu einem Kontext mit vP-interner Lesart erschwert. Weil jedoch die Extraktion nur in diesem Fall möglich ist – ansonsten würde ein Freezing-Effekt ausgelöst – erstaunt es nicht weiter, dass wh-Extraktion doch markierter ist als Topikalisierung. Da die SSC die gleichen Eigenschaften aufweist wie der Spezifizitätseffekt, und zwar auch in Bezug auf die Grammatikalitätsgrade, werden sowohl Spezifizitäts- als auch SSCEffekt als Freezing-Effekte analysiert. Im Folgenden werden die wichtigsten Erkenntnisse der in diesem Abschnitt gemachten Beobachtungen und Ausführungen zusammengefasst.

3.1.5.3

Zusammenfassung

Für die Extraktion aus spezifischen DPs und aus DPs mit spezifiziertem Subjekt braucht es keine zusätzlichen Annahmen und speziellen Bedingungen, wie dies bisher in bewegungstheoretischen Arbeiten häufig vermutet wurde. Beide Effekte kommen aufgrund von syntaktischen Reflexen zustande, die von semantisch-pragmatischen Faktoren provoziert werden. Da es sich bei dem Reflex um syntaktische Bewegung bzw. um Scrambling handelt, ist er für den Spezifizitätseffekt bzw. für die Specified Subject Condition verantwortlich, denn Bewegung löst einen Freezing-Effekt aus, der barrierentheoretisch erklärbar ist, wie 3.1.4 gezeigt hat. Damit ist Spezifizität oder das Vorhandensein eines spezifischen Subjekts kein primärer Faktor, der die Möglickeit zu extrahieren beeinflusst, sodass es unnötig ist, eine spezielle Spezifizitäts- bzw. SSC-Bedingung zu formulieren. Dass allerdings sowohl Spezifizität als auch ein spezifiziertes Subjekt in gewissen Kontexten gar keine Ungrammatikalität bei Extraktion auslösen oder dass sie manchmal einen schwächeren Grad an Ungrammatikalität verursachen als der Freezing-Effekt, erklärt sich

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damit, dass Scrambling spezifischer DPs und von DPs mit spezifiziertem Nomen nicht immer erfolgt, sondern kontextabhängig ist und sich informationsstrukturell erklären lässt. In Kontexten ohne Scrambling wird auch kein Freezing-Effekt ausgelöst. Bei markierter Grammatikalität sind die Lesarten dieser speziellen Kontexte zumindest für Reparaturmechanismen zugänglich, es sei denn, sie sind von vornherein ausgeschlossen, z.B. durch das Vorhandensein eines Satzadverbials, das vP-interne Fokuslesart blockiert. Es hat sich gezeigt, dass scheinbare Ausnahmen, wie beispielsweise Extraktion bei Kontrastfokus, die zunächst bewegungstheoretische Analysen auszuschliessen scheinen, diese am Schluss eher noch stützen, da nachgewiesen werden konnte, dass die spezifische DP in solchen Kontexten eine für Extraktion erwartbare Position einnehmen.

3.1.6 LBC-Effekte Die so genannte Left Branch Condition (Ross 1967 /1986: 127) besagt, dass eine DP, die links vom Nomen positioniert ist, nicht aus der sie dominierenden DP extrahiert werden kann. Damit erfasst diese Bedingung die Unbeweglichkeit von pränominalen Genitiven (vgl. 45b)). Wie wir jedoch unter 1.1.2 festgestellt haben, ist deren Unbeweglichkeit vermutlich nicht mit der pränominalen Position zu begründen, denn 45d) zeigt, dass auch postnominale Genitiv-DPs nicht extrahierbar sind. Dies legt die Vermutung nahe, dass es sich um einen Effekt handelt, der kasustheoretisch zu begründen ist: 45) a) b) c) d)

Rudi hat DP[Glausers Krimi] gelesen. *Glausersi hat Rudi DP[ti Krimi] gelesen. Rudi hat DP[einige Tagebucheintragungen DP[seiner Mutter]] gelesen. *DP[Seiner Mutter] i hat Rudi DP[einige Tagebucheintragungen ti] gelesen.

Auch die Tatsache, dass eine von-PP, die der Genitiv-DP aufgrund ihrer Theta-Rolle entspricht, extrahiert werden kann, spricht dafür, dass dieser Effekt nicht barrierentheoretisch erklärt werden kann:37 46) a) d) c) d)

Rudi hat DP[viele Krimis PP[von Glauser]] gelesen. PP[Von Glauser]i hat Rudi DP[viele Krimis ti] gelesen. Rudi hat DP[einige Tagebucheintragungen PP[von seiner Mutter]] gelesen. PP[Von seiner Mutter]i hat Rudi DP[einige Tagebucheintragungen ti] gelesen.

Anders sieht dies Müller (1995a: 45ff.). Seiner Erklärung der LBC-Effekte zufolge ist ein Zusammenspiel aus Kasus- und Barrierentheorie für die Trägheit der Genitiv-DPs verantwortlich. Er stützt seine Erklärung auf Baker (1988). Der Genitiv wird als struktureller Kasus analysiert, der durch N0 zugewiesen wird. Im Anschluss an Baker (1988) geht Müller (1995a) von der Annahme aus, dass abstrakte Inkorporation zur Folge hat, dass N0 die Fähigkeit verliert, seiner Komplement-DP den ––––––––– 37

Die Vermutung, dass Genitiv-DPs nicht extrahiert werden können, weil sie einen SSC- und damit einen Freezing-Effekt auslösen, könnte nur die Ungrammatikalität in 45b) erklären. Die NichtExtraktion postnominaler Genitive lässt sich so jedoch nicht begründen, wie das Beispiel 45d) im Vergleich zu 46d) zeigt.

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strukturellen Kasus zuzuweisen. Dass abstrakte Inkorporation strukturelle Kasuszuweisung jedoch nicht unbedingt verhindern muss, zeigt die Kasuszuweisung durch V0. Das Verb kann trotz Anhebung nach v0, T0 und C0 strukturell Kasus zuweisen. Anders als bei der NInkorporation, wo in eine lexikalische Kategorie V inkorporiert wird, handelt es sich bei der V-Inkorporation um Inkorporation in funktionale Kategorien. Dieser Unterschied ist nach Müller (1995a) dafür verantwortlich, dass Inkorporation in einem Fall mit Verlust von Kasuszuweisung einhergeht, im anderen nicht. Er vermutet, dass eine Kette X0, die durch Inkorporation in funktionale Köpfe zustande kommt, strukturellen Kasus zuweisen kann, nicht aber eine Kette, die durch Inkorporation in einen lexikalischen Kopf entsteht. Gewisse Evidenz für diese Annahme liefert das in einigen polysynthetischen Sprachen beobachtete ›Possessor Rising‹: Nach offener Inkorporation eines Nomens ins Verb erhält eine Possessorphrase den Akkusativ von V0 zugewiesen und nicht von seinem Regens N0 (Beispiel Baker 1988: 96): 47) wa-hi-nuhs-ahni:nu: John AOR-1sS/rM-Haus-kauf John ich hauskaufte John Ich kaufte Johns Haus. Baker (1988) erklärt dieses Phänomen damit, dass der N-Kopf nach seiner Inkorporation in V0 keinen Kasus mehr braucht, sodass die Possessor-Phrase den strukturellen Akkusativ erhalten kann. Der Kasusfilter wird auch nicht verletzt, denn das Nomen bzw. die Bewegungskette ›Ni, ti‹ weist nach der Inkorporation in V0 keinen Kasus zu. Für das Deutsche nimmt Müller (1995a) an, dass das Nomen bei abstrakter Inkorporation den durch V0 zugewiesenen strukturellen Kasus braucht. Die abstrakte Inkorporation des Nomens hat aber auch im Deutschen zur Folge, dass es den Genitiv nicht mehr zuweisen kann. Auf der Basis dieser Grundannahmen lässt sich nun erklären, weshalb GenitivDPs nicht extrahierbar sind: Damit die Genitiv-DP extrahiert werden kann, muss N0 in V0 abstrakt inkorporieren. Bei Inkorporation kann jedoch N0 der Genitiv-DP keinen Kasus mehr zuweisen. Da diese auch von V0 keinen Kasus erhält, wird durch die Inkorporation der Kasusfilter verletzt. Bei Nicht-Inkorporation hingegen ist die DP eine Barriere, sodass das ECP bzw. das Subjazenzprinzip verletzt wird. Gegen diesen Ansatz sprechen Beispiele mit spezifiziertem Subjekt (vgl. 44)), bei denen trotz pränominalem Genitiv die PP-Extraktion in I-Topikalisierungskontexten zulässig ist. Da die DP die Bewegung nicht blockiert, ist anzunehmen, dass der komplexe D/N-Kopf in V inkorporiert wurde. Dies müsste nach Müller (1995a) jedoch bedeuten, dass das Nomen den Genitiv nicht zuweisen kann, was eine Kasusfilterverletzung bedeuten würde, sodass das Beispiel 44) fälschlicherweise ausgeschlossen würde. Müller (1995a) behandelt die SSC konsequenterweise zusammen mit der LBC. Dass es sich dabei jedoch um verschiedene Phänomene handeln muss, zeigt auch die nicht erklärte Asymmetrie ihrer Grammatikalitätsgrade: Die LBC löst komplette Ungrammatikalität aus, während Extraktion aus DPs mit pränominalem Genitiv zwar markiert, aber in bestimmten Kontexten doch möglich ist. Wie oben vermutet, ist es also wahrscheinlich, dass die Nicht-Extrahibilität von GenitivDPs nicht barrieren-, sondern kasustheoretisch zu begründen sein wird.

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Folgt man der in 2.1 vorgestellten Genitivattributstheorie von Lindauer (1998), so lässt sich die Nicht-Extrahibilität von pränominalen Genitiven erklären, jene von postnominalen hingegen kann nur mithilfe von Zusatzannahmen, die vermutlich den Sachverhalt eher bloss beschreibungs- als erklärungsadäquat erfassen, erklärt werden: Die DP enthält zwei Positionen, in welchen die Genitiv-DP ihren Kasus überprüfen kann: SpecDP und SpecFP, wobei FP von AgrNP dominiert wird. Beide Positionen sind nach offener Anhebung des Nomens nach AgrN oberflächenstrukturell adjazent zu diesem. Artikellose pränominale Eigennamen weisen anders als postnominale DPs ein s-Suffix auf. Lindauer (1998) nimmt an, dass es sich um ein adjektivisches Derivationssuffix handelt, denn SpecDP ist eine Position, an welcher die adjektivischen Determinierer ihre Kongruenzmerkmale mit dem Nomen überprüfen (vgl. Gallmann 1996, erläutert unter 2.1). Pränominale Genitive kongruieren, anders als die anderen APs in SpecDP, nicht in Bezug auf die Merkmale Numerus, Genus und Kasus. Allerdings haben sie mit APs gemeinsam, dass sie die DP in Bezug auf Definitheit determinieren (48a)), was für postnominale Genitive nicht gilt (48b)): 48) a) Mutters Tagebucheintragungen b) einige Tagebucheintragungen seiner Mutter Dies könnte der Grund für ihre Nicht-Extrahibilität sein, denn auch Determinierer, Possessiva und Interrogativpronomen in SpecDP dürfen nicht extrahiert werden. Die DP wäre ansonsten in Bezug auf ihre Definitheitsmerkmale nicht mehr gekennzeichnet. Problematisch bleiben die postnominalen Genitivattribute. Diese haben keinen Einfluss auf die Definitheitsmerkmale der DP. Problematisch ist ihre Trägheit vor allem deswegen, weil die entsprechende von-PP, die nach Lindauer (1998) ebenfalls nach SpecFP angehoben werden muss, um ein funktionales Merkmal zu überprüfen, extrahierbar ist. Eine mögliche, wenn eben auch nicht wirklich befriedigende Erklärung wäre, dass die Kasuszuweisung durch Nomen wie auch durch Präpositionen oberflächenstrukturelle Adjazenz erfordert. Weshalb dies jedoch so ist und wie Adjazenz formalisierbar ist, bleibt ein in generativen Theorien bisher ungelöstes Problem. Für die Erklärung der Nicht-Extrahibilität von Genitiv-DPs bleiben einige Fragen offen, für die keine Antworten gefunden werden können, die den Anspruch nach Erklärungsadäquatheit erfüllen. Trotzdem konnte gezeigt werden, dass nicht eine Barriere ihre Extraktion verhindert, ihre Trägheit also nicht barrieren-, sondern vermutlich eher kasustheoretisch begründet ist.

3.1.7 Vorfeldstellung der unvollständigen DP In vielen Arbeiten wird die Frontstellung der unvollständigen DP bei Verbleiben der PP im Mittelfeld als Problem für den bewegungstheoretischen Ansatz gewertet (vgl. De Kuthy 2001: 27f.). Ich werde daher in diesem Abschnitt auf diese Konstruktion eingehen, obschon ich mich in der vorliegenden Arbeit vor allem auf die Erklärung der Topikalisierungs- und Scrambling-Bedingungen der PP konzentrieren möchte. Das Problem für einen bewegungstheoretischen Ansatz ist, dass die in die DP eingebettete Spur im Vorfeld nicht von ihrem Antezedens, der PP, c-kommandiert wird und somit

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nicht gebunden werden kann. Müller (1996, 1998b) schlägt die im Folgenden erläuterte Erklärung für das Problem vor: Die Bewegung erfolgt zyklisch, dabei wird zunächst die PP aus der DP gescrambelt und an die VP (oder IP) (49b)) adjungiert.38 Hier wird die Spur noch regiert. In einem zweiten Schritt wird die DP topikalisiert (49c)) bzw. wh-bewegt (49d)):39 49) a) b) c) d)

weil Rudi VP[DP[einen Bericht PP[über die Antarktis]] gelesen] hat weil Rudi VP[PP[über die Antarktis]i VP[DP[einen Bericht ti] gelesen]] hat DP[Einen Bericht ti]k hat Rudi VP[PP[über die Antarktis]i VP[tk gelesen]]. DP[Welchen Bericht ti]k hat Rudi VP[PP[über die Antarktis] i VP[tk gelesen]]?

Möglich ist diese Konstruktion nur in Sprachen, die Scrambling der PP im Mittelfeld zulassen, was erklärt, weshalb diese Konstruktion im Englischen nicht möglich ist. Die Spur ti ist in 49c) und 49d) trotz zyklischer Bewegung ungebunden. Ungebundene Spuren sind auf LF nicht interpretierbar und sollten daher zu Ungrammatikalität führen. In Rekonstruktionsansätzen wird von der Annahme ausgegangen, dass die Spur durch Rekonstruktion auf LF regiert wird. Gegen diese Annahme spricht jedoch nach Müller (1996, 1998b) unter anderem die Tatsache, dass eine unvollständige DP nur wh-bewegt oder topikalisiert werden kann, nicht aber wie eine extrahierte PP auch gescrambelt: 50) *dass IP[DP[einen Bericht ti]k IP[Rudi VP[PP[über die Antarktis]i VP[tk gelesen] hat]]. Bei Topikalisierung und Scrambling handelt es sich nach Müller (1998b) im Gegensatz zu wh-Bewegung nicht um Operatorenbewegung. Weder Topikalisierung noch Scrambling weisen einen semantischen Reflex auf. Der Rekonstruktionsansatz würde daher eher implizieren, dass Scrambling und Topikalisierung möglich sind, nicht aber wh-Bewegung. Die Daten zeigen jedoch das gegenteilige Bild. In einem derivationellen Ansatz kann von der Annahme ausgegangen werden, dass Spuren c-kommandiert werden müssen, wenn die Kette gebildet wird. Die Zerstörung des c-Kommando-Verhältnisses zwischen Antezedens und Spur in 49c) und 49d) ist dabei irrelevant. Allerdings unterliegen diese ungebundenen Spuren gewissen Bedingungen, wie Müller (1996: 398, 1998b: 241) zeigen konnte:40 Unambiguous Domination: In its chain domain, an α-trace must not be α-dominated. Unter α-Spur wird eine Spur verstanden, die ein nicht unbedingt c-kommandiertes Antezedens hat, welches sich in einer Position des Typs α befindet. Müller (1996, 1998b) liefert einige empirische Evidenz für diese Bedingung in Bezug auf Vorfeldbesetzung unvollstän––––––––– 38

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Adjunktion ist im Deutschen auch an IP möglich: weil IP[PP[über die Antarktis]i IP[niemand VP[DP[einen Bericht ti] gelesen] hat] DP[Einen Bericht ti]k hatj IP[PP[über die Antarktis]i IP[ niemand VP[tk gelesen] tj]]. Für eine Kritik dieses Ansatzes siehe Fanselow (2002). Zusammen mit dem PUB (vgl. 3.1.1) ergibt sich für die eindeutige Identifikation (Unambiguous Identification) von Spuren folgende Definition (Müller 1996: 399): In its chain domain, an α−variable must not be α−dominated or β-bound.

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diger DPs, VPs, IPs und APs im Deutschen und Englischen, die ich allerdings nicht weiter ausführen will. Für den hier interessierenden Zusammenhang ist wichtig, dass durch Müllers Bedingung die Asymmetrie zwischen den Sätzen in 49) und jenen in 50) erklärt werden kann: Das Antezedens der Spur ti, die PP, befindet sich in 50) gleich wie die Spur in einer Scrambling-Position. Dadurch wird die Bedingung Unambiguous Domination missachtet und der Satz ungrammatisch. In 49) hingegen befindet sich die Spur in einer Spec-Position, sodass sie die Bedingung der unzweideutigen Dominanz erfüllt. Diese Bedingung, die Müller auch unabhängig von der Vorfeldstellung unvollständiger DPs nachweist, greift allerdings nur dann als Erklärung für die Asymmetrie in 49) und 50), wenn die DP tatsächlich eine Spur enthält. Der Grund dafür sieht Müller in der Tatsache, dass die PP-Extraktion aus der DP die gleichen Effekte aufweist wie andere Extraktionsphänomene.Von dieser Annahme wurde auch in diesem Kapitel ausgegangen. Im folgenden Abschnitt wird diese bewegungstheoretische Annahme schliesslich auf ihre Plausibilität hin bewertet. Bei den beiden anschliessend diskutierten Basisgenerierungsansätzen kann die Konstruktion in 50) nicht durch das Prinzip Unambiguous Binding ausgeschlossen werden, da keine Spur in der DP vorhanden ist. Es wird sich herausstellen, dass diese Ansätze die Ungrammatikalität dieses Beispiels nicht strukturell erklären können.

3.1.8 Probleme des bewegungstheoretischen Ansatzes Es hat sich gezeigt, dass der bewegungstheoretische Ansatz die syntaktischen Faktoren, die die Extraktion der PP bestimmen, mithilfe einer einzigen Einschränkung, der Barrierenbedingung, erfassen kann. Es lassen sich mithilfe dieser Lokalitätsbedingung auch Effekte erklären wie die SSC und der Spezifizitätseffekt, die für herkömmliche bewegungstheoretische Erklärungsansätze problematisch waren und die bisher, wie ihre Benennung auch impliziert, gar nicht immer zu den syntaktisch bedingten Effekten gezählt wurden. Da allerdings Spezifizität bzw. die damit verbundenen informationsstrukturellen Merkmale einen syntaktischen Reflex haben, hat sich ihre Zuordnung zu den syntaktischen Faktoren hier in 1.1 bestätigt. Ausserdem ist deutlich geworden, dass sich die jeweiligen Extraktionsasymmetrien immer auf die Position der Extraktionsbasis zurückführen lassen. Eine Erklä– rung dieser Asymmetrien, die mit einer lokalen Beschränkung operiert, ist entsprechend sehr effizient. Mithilfe einer solchen Erklärung werden alle unter 1.1 beschriebenen Asymmetrien einheitlich erfasst, ausser die LBC, die jedoch auf kasustheoretische Gesetzmässigkeiten zurückgeführt werden muss. Diese Arbeit verfolgt allerdings den Anspruch, nicht nur die syntaktischen Faktoren, sondern auch die ansonsten in bewegungstheoretischen Arbeiten häufig vernachlässigten lexikalischen oder pragmatischen Einflüsse möglichst einheitlich zu analysieren. Die hier verwendete Barrierentheorie mit den bisher genannten Bedingungen vermag jedoch nur Extraktionsasymmetrien zu erfassen, die aufgrund der unterschiedlichen Positionen der Extraktionsbasis begründet werden können. Nun ist aber auch die Extraktion aus dem Akkusativobjekt alles andere als der Normalfall, obschon es sich dabei um jene Position handelt, aus der Extraktion nach den bisher genannten Bedingungen zugelassen sein sollte. Dies illustriert Beispiel 39) aus Kapitel 1, hier wiederholt als 51):

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51) a) PP[Über moderne Architektur] i hat Rudi DP[ein Buch ti] gelesen. b) *PP[Über moderne Architektur]i hat Rudi DP[ein Buch ti] gehasst/gestohlen/ zerrissen. Die DP in 51b) erfüllt die c-Kommando-Bedingung, sodass abstrakte Inkorporation des Nomens und Extraktion der PP möglich sein müssten. Der Barrierenstatus der DP in 51b) lässt sich nicht mithilfe der bisher genannten Inkorporationsbedingungen begründen. Die Ungrammatikalität von 51b) muss entweder auf eine andere, nicht barrierentheoretische Beschränkung zurückgeführt werden oder es müssen weitere Bedingungen für (abstrakte) Inkorporation genannt werden. Im ersten Fall müsste man sich überlegen, ob man die auf Inkorporation beruhende Barrierentheorie als Erklärung der Getrenntstellung des PP-Attributs von seinem Nomen überhaupt aufrecht erhalten möchte, denn eine Theorie, die nur einen kleinen Teil des Phänomens erfassen kann, wird dem Anspruch nach Erklärungsadäquatheit nicht gerecht. Das Ziel, die PP-Extraktion durch eine einheitliche Analyse zu erklären, kann auf der bewegungstheoretischen Grundlage nur erreicht werden, wenn die Begründung der in 51) dargestellten Asymmetrie mit der Barrierentheorie kompatibel ist. Dies bedingt jedoch, dass weitere Bedingungen für Inkorporation definiert werden müssen. Wie ich in Kapitel 4 zeigen werde, kann mit einer zusätzlichen lexikalisch-semantischen Inkorporationsbedingung auch die Asymmetrie in 51) barrierentheoretisch erklärt werden, sodass der Einfluss der lexikalischen Faktoren auf die PP-Extraktion für eine einheitliche bewegungstheoretische Analyse unproblematisch ist. Als weitaus prekärer für bewegungstheoretische Ansätze erweist sich hingegen die Optionalität der PP-Extraktion. Diese wird am Beispiel des folgenden Dialogs deutlich: 52) A: Rudi interessiert sich doch für die Antarktis. B: Ja, … a) PP[über die Antarktis]i hat er schon DP[viele Bücher ti] gelesen. b) er hat schon DP[viele Bücher PP[über die Antarktis]] gelesen. Auf die Feststellung von A in 52) ist sowohl Bs Entgegnung 52a) mit Extraktion als auch 52b) ohne Extraktion möglich. Damit erfüllt die Struktur mit Bewegung vermutlich die gleiche Funktion wie jene ohne, was der ökonomischen Organisation der Grammatik widerspricht. Dieses Problem betrifft nicht nur Extraktionsphänomene. Allgemein bereitet die optionale Wortstellungsfreiheit im Deutschen Schwierigkeiten für generative Erklärungsansätze. Wie das folgende Beispiel zeigt, ist das Deutsche durch einen hohen Grad an Wortstellungsfreiheit charakterisiert: 53) a) dass der Opa dem Enkel den Teddy gegeben hat b) dass der Opa den Teddy dem Enkel gegeben hat c) dass dem Enkel der Opa den Teddy gegeben hat Ich werde in Kapitel 6 eine Theorie entwickeln, die von der Optionalität der PP-Extraktion ausgeht, die aber für die optionale Wortstellungsfreiheit im Deutschen, wie sie in 55) dargestellt ist, generalisierbar ist. Beim Phänomen der Optionalität handelt es sich um ein in der vorliegenden Arbeit zentral behandeltes Problem. Daher möchte ich bereits an dieser Stelle darauf eingehen und zeigen, worin die Schwierigkeiten für eine generative Analyse liegen: Vergleicht man 52b) mit 52a), stellt man fest, dass in 52b) weniger Operationen in die Derivation involviert sind als in 52a). Nach dem transderivationellen Ökonomieprinzip

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Fewest Steps41 sollte entsprechend 52a) ungrammatisch sein, denn unnötige Bewegungen verursachen unnötige Kosten. Optionalität ist jedoch nicht nur wegen Fewest Steps problematisch, sondern sollte auch durch das Last Resort verhindert werden, welches besagt, dass Bewegung nur zulässig ist, wenn sie der Überprüfung von Merkmalen dient. Wenn nun die PP in situ verbleiben kann, dann bedeutet dies, dass sie kein starkes Merkmal hat, welches obligatorisch ihre Topikalisierung triggert. Wenn die Topikalisierung in 52a) nicht der Merkmalsüberprüfung dient, verletzt sie allerdings das Last Resort. Unter der Voraussetzung dieser beiden Bedingungen bleiben eigentlich nur zwei Möglichkeiten, um die Grammatikalität beider Beispiele in 52) zu erklären: (a) Pseudo-Optionalität: Man kann annehmen, dass die Bewegung in 52a) gar nicht optional ist, sondern dass wir hier mit Pseudo-Opotionalität zu tun haben. Pseudo-Optionalität liegt dann vor, wenn die beiden Derivationen, die in einen transderivationellen Ökonomiewettbewerb treten, gar nicht in derselben Referenzmenge sind, dass die Strukturen also auf unterschiedliche Numerationen zurückzuführen sind.42 Fewest Steps wird somit durch 52a) nicht verletzt, denn die beiden Derivationen in 52) treten nicht in einen Wettbewerb miteinander. Damit 52a) auch die Bedingung Last Resort nicht verletzt, müsste weiter angenommen werden, dass sich die beiden Derivationen darin unterscheiden, dass die PP in 52a) im Gegensatz zu jener in 52b) ein starkes Merkmal aufweist, welches die Bewegung auslöst.43 Diese Möglichkeit verfolgt Müller (1998b). Er nimmt an, dass Topikalisierung (bzw. bei Mittelfeldbewegung Scrambling) durch ein starkes [top]- bzw. [scr]-Merkmal ausgelöst wird. Da es sich bei [top] und [scr] um nicht-interpretierbare Merkmale handelt, hat die Bewegung auch keinen semantischen Reflex. Dies erklärt, weshalb sowohl die Insitu-Variante als auch die Topikalisierungs- (bzw. Scrambling-)Variante im gleichen Kon––––––––– 41

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Nach dem Prinzip Fewest Steps ist Derivation D1 Derivation D2 vorzuziehen, wenn D1 in weniger Operationen als D2 involviert ist und wenn die zwei Derivationen D1 und D2 in derselben Referenzmenge sind. Neben der Annahme, dass Strukturen in derselben Referenzmenge sind, wenn sie die gleiche Numeration aufweisen, sind auch alternative Annahmen denkbar (vgl. für eine Auflistung möglicher Referenzmengen Müller 2000: 12). Sternefeld (1997) begründet sowohl aufgrund theoretischer als auch empirischer Gegebenheiten, dass diese Definition der Referenzmenge für das Deutsche falsche Vorhersagen machen würde. Er zeigt am Beispiel der transderivationellen Prinzipien Fewest Steps und Shortest Paths, dass diese für das Deutsche, jedoch nicht für das Englische nur dann richtige Vorhersagen machen, wenn die Kandidaten in derselben Referenzmenge sowohl die gleiche Numeration als auch die gleiche S-Struktur (oder LF) aufweisen. Bei dieser Definition der Referenzmenge würden sich die beiden Derivationen in 52) aufgrund der Spur auf der S-Struktur unterscheiden, sodass sie nicht in der gleichen Referenzmenge wären. Allerdings sind in diesem Fall nach Sternefeld (1997) die transderivationellen Prinzipien trivial. Sternefeld (1997) plädiert aufgrund dieses Problems dafür, die derivationellen Beschränkungen nicht durch transderivationelle zu ersetzen. Ich gehe hier nicht näher auf diese Diskussion ein. Das Problem der Referenzmenge wird unter Kapitel 6 nochmals kurz erläutert. Vorläufig wird im Anschluss an die Standardannahme davon ausgegangen, dass Kandidaten in derselben Referenzmenge die gleiche Numeration aufweisen. Aus diesen Ausführungen könnte gefolgert werden, dass die beiden Bedingungen sich formal unterscheiden, allerdings die gleichen Phänomene ausschliessen, sodass auf die eine verzichtet werden kann. Müller (1998b: 56ff.) zeigt allerdings, dass sie nicht den gleichen Geltungsbereich aufweisen.

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text erscheinen können. Problematisch an dieser Annahme ist meines Erachtens allerdings, dass die Merkmale nicht unabhängig nachgewiesen werden können.44 Somit handelt es sich um eine rein theorieinterne Begründung. Es gibt noch weitere Versuche, funktionale Merkmale zu finden, welche die Extraktion motivieren. Cavar / Fanselow (2002) nehmen beispielsweise an, dass die Extraktion durch ein pragmatisches Merkmal getriggert ist. Auf diesen Ansatz wird unter 5.2 näher eingegangen. Hier sei vorläufig nur darauf hingewiesen, dass Sätze wie 52) auch für diesen Ansatz problematisch sind, denn falls ein pragmatisches Merkmal die Extraktion triggert, ist es um so erstaunlicher, dass die beiden Sätze im gleichen Kontext grammatisch sind. (b) Echte Optionalität: Wenn die beiden Derivationen tatsächlich optional sind, dann gehören sie zur gleichen Referenzmenge. In diesem Fall böte beispielsweise die optimalitätstheoretische Annahme, dass Bedingungen verletzbar sind, eine Erklärungsmöglichkeit für die Grammatikalität beider Derivationen (vgl. 5.2). Unter der Voraussetzung, dass nicht alle Bedingungen untereinander hierarchisch geordnet sein müssen, sondern manche auch gekoppelt sein können, sodass ihre Verletzung jeweils gleichwertig ist, würde die Möglichkeit bestehen, die Optionalität in 52) damit zu erklären, dass die Bedingung, welche Bewegung auslöst, mit jener gekoppelt ist, welche die Bewegung verhindert. Die eine Derivation verletzt die bewegungsverhindernde Bedingung, die andere die bewegungsfördernde. Die Gleichwertigkeit der beiden Verletzungen bedeutet dann, dass beide Derivationen grammatisch sind. Konzeptionell ist allerdings auch die Idee der Beschränkungskopplung problematisch, denn aus der Kopplung könnte folgen, dass zur Erklärung des Phänomens zwei Bedingungen als gekoppelt angenommen werden, die auch in andere Phänomene involviert sind, was zur Folge haben könnte, dass eine allfällige Nicht-Optionalität bei diesen Phänomenen unerklärbar würde. Optionalität ist in der Optimalitätstheorie, in der der Wettbewerb zweier Kandidaten über ihre Grammatikalität entscheidet, per se problematisch, auch wenn die Möglichkeit der Kopplung in optimalitätstheoretischen Ansätzen relativ häufig genutzt wird. Eine detaillierte Darstellung dieser Problematik findet sich in Müller (2000: 189 – 224). Nun ist jedoch die (scheinbare) Optionalität der PP-Extraktion nicht nur für bewegungstheoretische Ansätze problematisch. Das Problem der Optionalität in 52) ergibt sich auch in einem Reanalyseansatz. In diesem wird angenommen, dass die PP getrennt von der DP als Schwesterkonstituente von V in die Syntax eingeführt wird (vgl. Fanselow 1987). Damit involviert ihre Vorfeldbesetzung zwar keine Extraktion aus der DP, aber doch Bewegung von ihrer Mittelfeld- in ihre Vorfeldposition, sodass auch unter diesem Ansatz die Frage aufkommt, weshalb 52a) aufgrund der Bedingung Fewest Steps nicht durch 52b) blockiert wird. Es könnte natürlich auch angenommen werden, dass in 52b) im Gegensatz zu 52a) gar keine Reanalyse stattgefunden hat, sodass sich die beiden Derivationen nicht in der gleichen Referenzmenge befinden. Dann müsste allerdings auch erklärt werden, wo-

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Dies gilt vor allem für Scrambling. Beim Merkmal [top] könnte es sich um ein EPP-Merkmal handeln, welches die Besetzung von SpecCP (bzw. SpecTopP) erzwingt. EPP-Merkmale sind nicht-interpretierbare Merkmale (vgl. Grewendorf 2002). Scrambling erfüllt allerdings keine EPPErfordernisse.

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durch die Reanalyse in 52a) ausgelöst wird, wenn sie – wie 52b) zeigt – in diesem Kontext gar nicht nötig ist. Vorläufig möchte ich es bei dieser kurzen Diskussion der Problematik belassen, denn es handelt sich, wie die Erläuterung gezeigt hat, nicht um ein Problem, welches die eine oder die andere der beiden zur Diskussion stehenden Theorieansätze favorisiert, sondern um eines, welches dem Phänomen der PP-Extraktion als Wortstellungsphänomen eigen ist. In vielen Arbeiten zum Thema wird diese Frage vernachlässigt, sodass sie noch der Klärung bedarf. In Kapitel 5) wird die Problematik der Optionalität der PP-Extraktion ausführlich diskutiert. Aus empirischer Sicht erweisen sich Sätze wie die folgenden als problematisch für bewegungstheoretische Ansätze: 45 54) a) Was hat Rudi über Otto gelesen? 55) a) Von wem hat der Vater angerufen? (Fanselow 1991: 189) b) Über Boris Becker hat ihn der Sieg von Ivan Lendl nicht gestört. (Fanselow 1991: 189) c) Von Wittgenstein haben die Erben protestiert. (Pafel 1993: 220) d) Über Strauss hat ein Witz die Runde gemacht. (Haider 1993: 173) In 56) ist ein einfaches W-Wort topikalisiert worden, während die PP im Mittelfeld stehen bleibt. Würde es sich hier – wie in den bisher diskutierten Beispielen – tatsächlich um Extraktion handeln, müsste angenommen werden, dass die PP zunächst aus der DP gescrambelt, letztere dann mit der PP-Spur topikalisiert wurde (vgl. dazu die Konstruktionen mit Vorfeldstellung der unvollständigen DP, die in 3.1.7 diskutiert wurden). Nun handelt es sich beim W-Wort, wie gemeinhin angenommen wird, allerdings nicht um eine unvollständige DP, sondern um ein Pronomen, welches die DP ersetzt und welches normalerweise keine PPs als Argumente einbettet. Diese Konstruktion weist also zunächst eher darauf hin, dass die DP und die PP unabhängig voneinander in die Syntax eingeführt wurden. Extraktionsansätze können nur aufrecht erhalten werden, wenn gezeigt werden kann, dass das WWort was in 56) durchaus Attribute einbetten kann. Gallmann (1997: 18) nimmt aufgrund der Analyse von was-an-Konstruktionen wie jenen in Beispiel 58) an, dass das W-Wort was zumindest in gewissen Gebrauchsweisen Attribute einbetten kann: 56) a) Was an Beweisen können Sie vorlegen? b) Was können Sie an Beweisen vorlegen? Gallmann (1997) argumentiert dafür, dass es sich bei der PP an Beweisen um eine Art partitives Attribut handelt, denn bei der Präposition an handelt es sich um eine »echte« Präposition, die den Dativ regiert. Das W-Wort wird an die N-Position basisgeneriert und darf nicht als Artikelwort analysiert werden. Es kann also durchaus auch Attribute bei sich haben, die extrahierbar sind, wie auch das Beispiel 58b) zeigt. Tatsächlich kann auch im Falle von Beispiel 56) die PP mit dem W-Wort was topikalisiert werden, was für seine Einbettung in die DP spricht: ––––––––– 45

Die Beispiele in 57) werden teilweise auch in Bezug auf ihren Grammatikalitätsgrad diskutiert. Auf diese Diskussion wird in Kapitel 6 eingegangen. Hier werden die von den jeweiligen Autoren angegebenen Grammatikalitätsurteile wiedergegeben.

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57) a) Was über Otto hat Rudi gelesen? Zwar stehen, wie dies Gallmann (1997) anmerkt, befriedigende Erklärungen zu Was-anKonstruktionen und damit generell zu Konstruktionen mit dem W-Wort was und einem Attribut aus, jedoch spricht einiges dafür, dass dieses W-Wort Attribute einbetten kann. Sätze wie jenes in 56) sprechen demnach nicht unbedingt gegen eine bewegungstheoretische Analyse des Phänomens. In 57) sind Beispiele aus der Extraktions- bzw. NP-Aufspaltungsliteratur aufgeführt, in denen die Extraktion aus der DP die Subjekt-Objekt-Asymmetrie missachtet. Diese Beispiele sind daher aus bewegungstheoretischer Sicht problematisch und werden in diesen auch gerne ignoriert. Ich werde in Kapitel 6.1 ausführlich auf solche Konstruktionen eingehen. Dort wird aufzeigt, dass es sich um markierte Sätze handelt, die nachweisbare Eigenschaften von reparierten Ausdrücken aufweisen. Da es aber eine sehr geringe Anzahl solcher Sätzen gibt, die die strukturellen Extraktionsbedingungen missachten, und da die meisten eine grosse Varianz der Grammatikalitätsurteile aufweisen, werde ich sie bis zu Kapitel 6.1 ausser Acht lassen, denn es geht in den folgenden Kapiteln zunächst darum, die Systematik des Phänomens ›PP-Extraktion aus der DP‹ herauszuarbeiten. Sätze wie die in 55) werden anschliessend auf der Grundlage der an den Regelmässigkeiten des Phänomens erarbeiteten Theorie erklärt. De Kuthy (2002) fügt noch einen weiteren Kritikpunkt in Bezug auf bewegungstheoretische Ansätze an. Sie bemängelt, dass in diesen der Spezifizitätseffekt und die Specified Subject Condition nicht immer beachtet werden. Allerdings führt sie dabei Beispiele mit kontrastiver Lesart auf. Unter 3.1.5 konnte gezeigt werden, dass die Extraktion in diesen Fällen bewegungstheoretisch leicht erklärt werden kann und dass diese Effekte einen auf Inkorporation beruhenden Erklärungsansatz eher noch unterstützen. Empirisch bleiben also nur noch die Extraktionen aus Subjekt-DPs wie in 55) als Problemfälle zurück.46 Diese lassen sich mit dem hier angenommenen bewegungstheoretischen Ansatz tatsächlich nicht erklären. Im nächsten Abschnitt wird die Frage diskutiert, ob der Reanalyseansatz diese Beispiele zu erfassen vermag, ohne dass dabei andere Phänomene unerklärbar werden, denn es lohnt sich nur dann, den bewegungstheoretischen Ansatz zugunsten des Reanalyseansatzes aufzugeben, wenn dieser einen grösseren empirischen Geltungsbereich aufweist.

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De Kuthy (2002: 66) demonstriert zusätzlich an einem Beispiel aus Fanselow (1991: 187), dass auch der Freezing-Effekt nicht immer eingehalten wird: i) Worüber kann [einen Südkurier-Artikel] selbst Peter nicht am Strand verfassen? Da ich keine Informanten gefunden habe, die dieses Beispiel als völlig grammatisch eingestuft hätten, gehe ich nicht weiter darauf ein.

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3.2 Reanalyseansatz Reanalyseansätzen wird häufig vorgeworfen, dass der Reanalysemechanismus selbst nicht konkret beschrieben wird. Dieser Vorwurf trifft auf De Kuthy (2002) nicht zu, weshalb im folgenden Abschnitt 3.2.1 vor allem ihre Arbeit diskutiert wird. De Kuthy nennt Bedingungen, die den Reanalysemechanismus steuern, und beschreibt diesen im Rahmen der HPSGTheorie. Ich werde nicht auf die technischen Details dieses Mechanismus eingehen, wichtig in unserem Zusammenhang ist vor allem die Frage, ob die von ihr definierten Bedingungen die im Kapitel 1 beschriebenen Effekte besser erfassen können als die Bewegungstheorie. Daher wird unter 3.2.2 die Leistung des Reanalyseansatzes kritisch bewertet.

3.2.1 De Kuthy (2002) De Kuthy (2002) baut ihren Ansatz im Wesentlichen auf der Kritik an bewegungstheoretischen Ansätzen auf, indem sie zu zeigen versucht, dass die NP-PP-Aufspaltung47 nicht die für Extraktion erwartbaren Reflexe zeigt. Es handelt sich dabei vor allem um Extraktionen aus Subjekten, wie in den Beispielen in 55), und um Extraktionen aus spezifischen DPs und aus DPs mit spezifiziertem Subjekt. Aus diesen Verletzungen der bewegungstheoretischen Bedingungen schliesst De Kuthy (2002), dass es sich bei der NP-PP-Aufspaltung – im Gegensatz zur Extraktion – um ein Phänomen handelt, welches nicht syntaktischen, sondern lexikalisch-semantischen und pragmatischen Gesetzmässigkeiten folgt. Sie geht von der Annahme aus, dass die PP, die sie als Adjunkt analysiert, bereits getrennt von der NP als deren Schwesterkonstituente in die Syntax eingeführt wird: 58) VP[[NP]V’[[PP]V]] Dass dem so ist, zeigt sich nach De Kuthy (2002) auch daran, dass die PP sich gleich wie die anderen Satzglieder verhält, indem sie an den gleichen Positionen erscheinen kann wie diese: Sie kann wh-bewegt werden wie in 59a), topikalisiert werden wie in 59b), gescrambelt werden wie in 59c) und sie kann sogar stehen bleiben, während die DP alleine topikalisiert bzw. wh-bewegt wird (vgl. 59d)): 59) a) b) c) d)

Worüber hat Maria ein Buch gelesen? Über Politik hat Maria viele Bücher gelesen. Maria hat über Politik viele Bücher gelesen. Wieviele Bücher hat Maria über Politik gelesen?

Nun beschränkt sich De Kuthy (2002) allerdings nicht darauf, einen Reanalysemechanismus aufgrund der Ablehnung der Bewegungstheorie zu stipulieren, sondern sie beschreibt die Bedingungen für die Reanalyse. Reanalyse basiert auf der Beobachtung, dass NP-PPAufspaltung nur dann möglich ist, wenn das Verb und das Nomen eine gewisse semantische Nähe aufweisen, wie dies beispielsweise für Buch und lesen, Foto und anschauen ––––––––– 47

Da es sich nach De Kuthy (2002) nicht um ein Extraktionsphänomen handelt, werde ich in diesem Kapitel den ihren Ansatz besser beschreibenden Begriff NP-PP-Aufspaltung gebrauchen.

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usw. gilt, nicht aber für Buch/Foto und zerreissen/hassen/klauen (vgl. dazu auch Kapitel 4). Diese semantische Nähe triggert im Lexikon die Anhebung der PP in die Komplementliste des Verbs, sodass sie als dessen Komplement in die Syntax eingeführt werden kann. Die semantische Nähe reicht allerdings nicht aus, um die Aufspaltung und damit die Reanalyse zu bewirken. Weiter müssen die NP und die PP auch unterschiedlichen informationsstrukturellen Bereichen angehören, damit die Aufspaltung möglich ist. De Kuthy (2002) nimmt an, dass das Lexikon auch eine informationsstrukturelle Komponente aufweist, in welcher Fokus-Hintergrund-Informationen eines Zeichens repräsentiert sind. Diese Komponente ist dafür verantwortlich, dass manchmal auch PPs von NPs getrennt erscheinen können, wenn keine wesentliche Nähe zwischen Verb und Nomen feststellbar ist, die die lexikalische Anhebung triggern würde, wie dies in Beispiel 62a) der Fall ist, wo die Extraktion bei der Nomen-Verb-Verbindung Buch und geben möglich ist. Diese Komponente ist jedoch auch dafür verantwortlich, dass ein Satz, der in einen Kontext eingebettet wird, in welchem NP-PP-Spaltung informationsstrukturell möglich ist, plötzlich besser wird, obschon er, wenn er ohne Kontext geäussert wird, ungrammatisch ist, wie 62b) zeigt (Beispiele De Kuthy 2002: 105; 25): 60) a) Über Syntax habe ich dir noch kein Buch gegeben. b) Gestern wurde in der Bibliothek eine Anzahl von Linguistikbüchern geklaut. Vor allem Syntaxbücher verschwanden dabei. Über Semantik wurde jedoch nur ein einziges Buch geklaut. Damit kann auch die informationsstrukturelle Komponente alleine die NP-PP-Aufspaltung steuern. Dass dies Konsequenzen für die unter 3.1 behandelten syntaktischen Faktoren hat, versteht sich von selbst. Es stellt sich daher die Frage, ob mit pragmatischen und/oder lexikalisch-semantischen Bedingungen, die keine Lokalitätsbeschränkungen beinhalten, das Phänomen genauso gut erfassbar ist.

3.2.2 Kritik am Reanalyseansatz De Kuthys Ansatz ist in mehreren Punkten problematisch. Die folgende Aufzählung gibt einen Überblick über die Kritikpunkte: a)

Die Grammatikalität gewisser Ausdrücke wird z.T. nur durch pragmatische Bedingungen erfasst. b) Der hohe Grad der strukturellen Systematik bei Extraktionen aus Subjekten und indirekten Objekten kann nicht erklärt werden. c) Die postnominale Position der PP in NVGn verletzt die Adjazenzbedingung, wenn die PP DP-extern in die Syntax eingeführt wird. d) Der Reanalyseansatz kann nicht verhindern, dass die DP an oberhalb von VP steht, während die PP in der VP stehen bleibt (= Scrambling der unvollständigen DP). Diese Punkte werden im Folgenden der Reihe nach erläutert.

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a)

Erklärung von Grammatikalität bzw. Ungrammatikalität mit pragmatischen Bedingungen Es gibt Phänomene, die nach De Kuthy nur mit pragmatischen Bedingungen erklärt werden können. Dies hat Auswirkungen auf das Konzept der Grammatikalität, die meines Erachtens sehr problematisch sind. Im Folgenden wird diese Problematik näher erläutert. Nach De Kuthys Ansatz haben syntaktische Beziehungen keinen Einfluss auf die Spaltbarkeit der DP, denn wenn die Aufspaltung durch syntaktisch-strukturelle Faktoren eingeschränkt wäre, müsste ihrzufolge Extraktion aus Subjekten immer möglich sein. Sie versucht die für bewegungstheoretische Ansätze problematischen Fälle von Extraktionen aus Subjekt-DPs wie in 55), hier wiederholt als 61), damit zu erklären, dass nur lexikalischsemantische und pragmatische Beschränkungen die Aufspaltungsmöglichkeit beeinflussen: 61) a) Von wem hat der Vater angerufen? (Fanselow 1991: 189) b) Über Boris Becker hat ihn der Sieg von Ivan Lendl nicht gestört. (Fanselow 1991: 189) c) Von Wittgenstein haben die Erben protestiert. (Pafel 1993: 220) d) Über Strauss hat ein Witz die Runde gemacht. (Haider 1993: 173) Bei genauerer Betrachtung dieser Beispiele stellt sich allerdings heraus, dass sie auch für De Kuthys Ansatz problematisch sind, denn Verb und Nomen gehen jeweils kein speziell enges Verhältnis zueinander ein. Um diese Beispiele zu erklären, muss De Kuthy annehmen, dass der Reanalysemechanismus auch durch die pragmatische Komponente alleine ausgelöst werden kann. Diese These muss sie nicht nur aufstellen, um Extraktionen aus Subjekten, sondern auch um Freezing-Effekte zu erklären. Freezing-Effekte werden, wie wir in 3.1.4 gesehen haben, dann ausgelöst, wenn die DP im Mittelfeld oberhalb der vP-Grenze positioniert ist: 62) a) Gegen diese Behauptung ist vP[seiner Mutter ein gutes Argument eingefallen]. b) *Gegen diese Behauptung ist ein gutes Argumentk vP[seiner Mutter (tk) eingefallen]. Bei Freezing-Effekten kann das lexikalisch-semantische Verhältnis zwischen Nomen und Verb nicht für die Asymmetrien verantwortlich sein, wie Beispiel 62) zeigt. Somit können auch hier nur noch informationsstrukturelle Bedingungen als Erklärung für den Effekt herbeigezogen werden. Die Annahme, dass die informationsstrukturelle Komponente alleine die Aufspaltung lizensieren kann, ohne von lexikalischen und/oder syntaktischen Bedingungen eingeschränkt zu werden, erzeugt allerdings einige Probleme, wie die folgende Diskussion zeigt. Von der These ausgehend, dass Aufspaltung alleine durch pragmatische Bedingungen lizenziert ist, kann nicht mehr erklärt werden, weshalb manchmal, wie in den Beispielen in 61), die lexikalischen Beschränkungen nicht wirken, in 63a) hingegen schon: 63) a) *Über Politik hat Otto ein Buch geklaut. b) Über Politik hat Otto ein Buch ausgeliehen. Dass die Annahme problematisch ist, wonach lexikalische Bedingungen manchmal die Aufspaltung beeinflussen und manchmal nicht, bekennt auch De Kuthy (2002: 176f.). Sie beschreibt allerdings das Verhältnis der lexikalisch-semantischen und der informationsstrukturellen Beschränkung und die Asymmetrie in 63) schliesslich folgendermassen:

102 What we would like to suggest is that the difference lies in how easy it is to imagine an appropriate context. It is clear that this difference has something to do with the lexical semantic properties of the words in the sentences, because the only difference between the two sentences […] is the lexical meaning of the two transitive verbs ausleihen and klauen. For verb-noun combinations like ein Buch über Mozart ausleihen, an appropriate context is easily imaginable where one of the constituents is in the focus and the others in the topic or background. In the case of ein Buch über Mozart klauen, constructing an appropriate context requires imagining the uncommon situation that stealing books is part of the background of an utterance. De Kuthy (2002: 176f.)

Mit dieser Begründung schiebt De Kuthy die Erklärung vollständig in die Pragmatikkomponente. Damit wird allerdings auch die Möglichkeit aufgegeben, das Phänomen mithilfe formalisierbarer Beschränkungen zu erfassen, denn die Grammatikalität der Sätze hängt dem obigen Zitat zufolge nur noch von der Vorstellungskraft des Einzelnen ab. Wenn aber tatsächlich die Vorstellungskraft der Einzelperson über die Grammatikalität von Ausdrücken bestimmt, dann kann nicht mehr erklärt werden, weshalb die Einheitlichkeit der Grammatikalitätsurteile in vielen Bereichen, wie z.B. bei der Extraktion aus indirekten Objekten, so gross ist. Es darf schliesslich nicht vergessen werden, dass Extraktion der Sonder- und nicht der Normalfall ist und dass diese Operation, ob als Reanalyse oder als Bewegung analysiert, in den meisten Fällen zu eindeutiger Ungrammatikalität führt, was eine restriktive Theorie verlangt. Empirisch zeigt das folgende Beispiel, dass nicht nur der Kontext darüber bestimmt, ob Aufspaltung möglich ist oder nicht. Nach obigem Zitat müsste Aufspaltung möglich sein, wenn ein Kontext konstruierbar ist, bei dem einer der Teile alleine im Fokus steht oder bei dem ein Teil fokus- und der andere topikmarkiert ist (bzw. zum Hintergrund gehört). Die in den folgenden beiden Beispielen dargestellte Asymmetrie zeigt jedoch, dass die Aufspaltung unter diesen kontextuellen Bedingungen nicht immer möglich ist: 64) Anna hat schon so viel über den Ersten Weltkrieg gehört. Sie hat keine Angst vor der anstehenden Geschichtsprüfung. Allerdings hat sie nicht nur in letzter Zeit dafür Interesse gezeigt, a) sie hat über dieses Thema auch früher schon viele Bücher gelesen. b) über dieses Thema hat sie auch früher schon viele Bücher gelesen. c) sie hat auch früher schon viele Bücher über dieses Thema gelesen. 65) a) *ihr haben über dieses Thema auch früher schon viele Bücher Eindruck gemacht. b) *über dieses Thema haben ihr auch früher schon viele Bücher Eindruck gemacht. c) ihr haben auch früher schon viele Bücher über dieses Thema Eindruck gemacht. Die PP kann im gegebenen Kontext aus der Objekt-DP gescrambelt (64a)) oder topikalisiert (64b)) werden, sie kann allerdings auch in situ bleiben (64c)). Aus der Subjekt-DP kann sie bei gleichem Kontext jedoch weder gescrambelt noch topikalisiert werden (65a) und 65b)). Sie muss in situ verbleiben (64f)). Es ist mir schleierhaft, wie mithilfe von De Kuthys Ansatz, bei dem letztlich der Kontext über die Grammatikalität bestimmt, erklärt werden soll, weshalb Scrambling und Topikalisierung in 65a) und 65b) nicht auch als Varianten zugelassen sein sollten. Zudem stellt sich in einem Ansatz, in dem schliesslich der Kontext über die Grammatikalität eines Ausdrucks bestimmt, auch die Frage, weshalb

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kontextuell unpassende Ausdrücke wie derjenige in 68) nicht ungrammatisch sind, sondern lediglich unangemessen: 66) Rudi war gestern im Kino. a) #PP[Über die Antarktis]i hat er DP[einen Dokumentarfilm ti] angeschaut. Wenn die informationsstrukturelle Komponente über syntaktische Grammatikalität entscheidet, müssten informationsstrukturelle Merkmale im Lexikon Reanalyse triggern. Es fragt sich dann aber, weshalb die Aufspaltung wie in 66), die nicht durch ein Merkmal verlangt wird, nicht ungrammatisch, sondern nur unangemessen ist. Die Diskussion zeigt, dass es problematisch ist, zu versuchen, Grammatikalität mit pragmatischen bzw. mit informationsstrukturellen Bedingungen zu erklären. Grammatikalität muss durch grammatische Prinzipien erfasst werden. Pragmatische Beschränkungen haben lediglich einen Einfluss auf die kontextuelle Angemessenheit, sie können aber, wie auch das Beispiel 66) zeigt, nicht die Grammatikalität eines Ausdrucks beeinflussen. b) Strukturelle Systematik Der in 3.1 vorgeschlagene bewegungstheoretische Ansatz hat sich vor allem zur Klärung konstruktionsbedingter Faktoren als sehr effizient erwiesen. Die meisten Asymmetrien liessen sich mithilfe der Strukturbeziehung c-Kommando begründen, da c-Kommando eine wichtige Bedingung für Inkorporation und damit Extraktion ist. De Kuthy (2002) bestreitet nun aber, dass syntaktische Strukturbeziehungen einen Einfluss auf die Aufspaltbarkeit haben. Sie belegt die Behauptung, dass die Aufspaltung nicht syntaktisch bedingt ist, mit Beispielen von Subjektextraktionen wie derjenigen in 55). Die Systematik, die sich bei der Extraktion aus indirekten Objekten zeigt, wird in ihrer Arbeit nicht thematisiert. Dass sich die Nicht-Extrahibilität aus indirekten Objekten nicht nur lexikalisch-semantisch bzw. pragmatisch begründen lässt, zeigt das folgende Beispiel von Müller (1998b: 11f.): 67) a) *Worüberi hat man DP[einem Buch t1] einen Preis gegeben? b) Worüberi hat man Antje DP[ein Buch t1] gegeben? Lexikalisch unterscheiden sich Nomen und Verb in 67) jeweils nicht. Die DP kann als indefinite DP im Fokus stehen, und die PP sollte als wh-Element im Vorfeld stehen können. Damit scheiden sowohl lexikalische als auch informationsstrukturelle Begründungen für die Nicht-Extrahibilität in 67a) aus.48 ––––––––– 48

Die lexikalisch-semantische Nähe zwischen Verb und Nomen ist jeweils gleich. Nomen und Verb gehen allerdings ein unterschiedliches syntaktisches Verhältnis zueinander ein, was durch ihr semantisches Verhältnis beeinflusst ist: In 67a) trägt die DP die Thetarolle REZIPIENT, in 67b) THEMA. Wenn nicht die syntaktische Position für die Asymmetrie in 67) verantwortlich gemacht werden kann, bleibt eigentlich nur noch dieser Unterschied übrig, der die Asymmetrie erklären könnte. In diesem Fall müsste allerdings De Kuthys Theorie dahingehend ausgeweitet werden, dass nicht nur die lexikalisch-semantische Nähe von Verb und Nomen den Reanalysemechanismus auslöst, sondern es müsste weiter auch das thematische Verhältnis miteinbezogen werden. Der Reanalysemechanismus wird dadurch etwas komplizierter. Vor allem aber hätte diese Erweiterung einen ähnlichen Effekt wie die bewegungstheoretische Analyse, denn es müsste festgesetzt werden, welche thematischen Argumente reanalysierbar sind und welche nicht, was vermutlich, um nicht allzu liberal zu werden, darauf hinauslaufen würde, dass nur THEMA-Argumente reanalysier-

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Auch Freezing-Effekte weisen eine hohe strukturelle Systematik auf und auch in diesem Fall kann das lexikalisch-semantische Verhältnis zwischen Nomen und Verb nicht für die Asymmetrien verantwortlich sein, wie bereits unter Kritikpunkt a) gezeigt wurde. Ähnlich wie bei der Extraktion aus indirekten Objekten erweist sich auch hier eine Erklärung für die Blockierung der wh-Bewegung als schwierig, denn die Begründung kann nur noch informationsstruktureller Art sein: Ist die DP gescrambelt, ist sie automatisch im Hintergrundoder Topikbereich. Dadurch aber, dass die PP wh-markiert ist, müsste sie von der DP trennbar sein und nach SpecCP angehoben werden können. 68) a) Wogegeni ist seiner Mutter DP[ein gutes Argument ti] eingefallen? b) *Wogegeni ist DP[ein gutes Argument ti]k seiner Mutter tk eingefallen? Vor allem die grosse Einheitlichkeit der Grammatikalitätsurteile bei den Extraktionen aus indirekten Objekten, bei Extraktionen aus Adjunkten, aber auch zu einem grossen Teil bei Extraktionen aus Subjekten weist darauf hin, dass wir es mit einem Phänomen zu tun haben, welches grammatisch-strukturellen Prinzipien folgt. Bei den Extraktionen aus Subjekten handelt es sich nämlich um eine sehr geringe Anzahl von Fällen, die nicht den strukturellen Bedingungen folgt und genau in diesen Fällen weisen die Grammatikalitätsurteile eine grosse Varianz auf, was, wie ich in Kapitel 6 ausführen werde, darauf hindeutet, dass es sich hier um nicht-strukturbedingte Ausnahmefälle handelt. c) Postnominale Position der PP in NVGn Problematisch erweist sich De Kuthys Ansatz (2002) auch für die Aufspaltung in NVGn. Wie unter 2.2.1 gezeigt wurde, muss die NP-PP-Aufspaltung, anders als De Kuthy annimmt, gleich wie die Aufspaltung in NVGn anaylisiert werden. Unter 2.2.1 konnte weiter gezeigt werden, dass nicht-verbale Teile von NVGn bei Verb-End-Stellung adjazent zu diesem in einer verb-nahen Domäne positioniert sein müssen. Elemente, die in dieser verbadjazenten Domäne positioniert sind, zeichnen sich nach Steinitz (1989) und Bierwisch (1988) dadurch aus, dass sie nicht an einer anderen Mittelfeldposition auftreten können, weder durch Scrambling noch durch Basisgenerierung. Zusätzlich darf kein Element zwischen dem Verb und dem verbadjazenten Element platziert sein (vgl. 69a)). Durch die Reanalyse, die ein lexikalischer Prozess ist, werden nach De Kuthy (2002) die DP und die PP unabhängig voneinander in die Syntax eingeführt. Die PP kann sowohl vor als auch nach der DP im Mittelfeld positioniert sein, wie 69b) und 69c) zeigen. In 69a) ist die PP jedoch zwischen dem Verb und dem Nomen basisgeneriert und verhindert dadurch, dass das Nomen des NVGs verbadjazent ist, was eigentlich ungrammatisch sein müsste, da in NVGn kein Element zwischen Funktionsverb und Nomen intervenieren darf: 69) a) *weil Anna schon immer Angst am Montag hatte. b) weil Anna schon immer DP[Angst] PP[vor Spinnen] hatte c) weil Anna PP[vor Spinnen] schon immer DP[Angst] hatte

––––––––– bar sind. Dadurch erhält auch De Kuthy mit den gleichen Fällen von Subjektextraktionen Probleme wie der bewegungstheoretische Ansatz, sodass ihre Kritik auch auf ihren eigenen Ansatz zurückfallen würde.

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Die einzige Erklärung für die Abfolge in 69b) ist, dass die PP in die DP eingebettet ist, denn nur so kann die DP verbadjazent positioniert sein. Ein weiteres Indiz dafür, dass die PP in die DP eingebettet ist, zeigt sich anhand der Tatsache, dass sie zusammen mit dieser im Vorfeld platziert werden kann: 70) a) DP[Angst PP[vor Spinnen]]i hatte Anna ti noch nie! b) DP[Artikel PP[über Politik]] haben Rudi noch nie interessiert. c) *DP[Den Rudi] PP[für Politik] konnte Anna niemals begeistern. Allerdings handelt es sich hierbei nur um ein Indiz, denn wie die Ausführungen in 2.2.1 gezeigt haben, ist mehrfache Vorfeldbesetzung unter bestimmten, wenn auch nur sehr restringierten Bedingungen möglich (vgl. dazu Müller 2003). Trotzdem weisen diese beiden letzten Beispiele daraufhin, dass die PP zumindest in einigen Fällen DP-intern in die Syntax eingeführt wird. Da jedoch die Reanalyse nicht ein syntaktischer Mechanismus ist, sondern vor der Syntaxkomponente im Lexikon angesiedelt ist und durch lexikalisch-semantische Merkmale ausgelöst wird, ist es unplausibel anzunehmen, dass in 69b) anders als in 69c) keine Reanalyse stattgefunden haben soll. Die Daten in 69) lassen sich nur mit einem Ansatz erklären, bei dem die Aufspaltung erst in der Syntaxkomponente erfolgt, wie dies in der Extraktionstheorie der Fall ist, denn wenn die Aufspaltung erst in der Syntaxkomponente geschieht, besteht die Möglichkeit, dass die PP auch DP-intern in die Syntax eingeführt wird. Mit De Kuthys Ansatz lässt sich die postnominale Stellung der PP in NVGn nicht erklären. d) Scrambling der unvollständigen DP Als weiteres Problem für De Kuthys Reanalyseansatz erweist sich, dass die DP nicht oberhalb der VP positioniert sein darf, wenn die PP in der VP verbleibt. In ihrem Ansatz, nach welchem die PP als V-Komplement in die Syntax eingeführt wird, würde vorhergesagt, dass die selbständige PP und die DP sich gleich verhalten sollten wie die zwei Objekte eines dreiwertigen Verbs. Dem ist aber nicht so, wie die möglichen Konstituentenabfolgen in 71) im Vergleich zu jenen in 72) zeigen: 71) a) dass der Lehrer dem Kind den Bleistift gegeben hat b) dass der Lehrer den Bleistift dem Kind gegeben hat c) dass dem Kind der Lehrer den Bleistift gegeben hat 72) a) dass Rudi einen Artikel über Politik gelesen hat b) dass Rudi über Politik einen Artikel gelesen hat c) *dass einen/den Artikel Rudi über Politik gelesen hat. Die PP und die DP können aufgrund der Reanalyse unabhängig voneinander in die Syntax eingeführt werden. Es gibt keinen plausiblen Grund, der verhindert, dass die PP innerhalb von VP basisgeneriert wird, die DP einen oder der Artikel aber oberhalb. Die Generierung der Struktur 72c) kann durch De Kuthys Ansatz nicht verhindert werden. Wie wir unter 3.1.7 gesehen haben, bieten bewegungstheoretische Ansätze eine Erklärung für die Ungrammatikalität von 72c), denn die durch Bewegung entstehende PP-Spur ti ist nicht eindeutig identifizierbar, wie Beispiel 50), hier wiederholt als 75), zeigt: 73) *dass IP[DP[einen Bericht ti]k IP[Rudi VP[PP[über die Antarktis]i VP[tk gelesen] hat]].

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Das Antezedens der Spur ti, die PP über die Antarktis, befindet sich in 73) ebenso wie die Spur in einer Scrambling-Position, was eine Verletzung der Bedingung Unambiguous Domination darstellt. Fazit Der Reanalyseansatz kann den so genannten Freezing-Effekt und das Faktum der NichtExtrahibilität aus indirekten Objekten nicht erfassen. Auch bei den Subjekten kann der doch sehr hohe Grad an struktureller Systematik nicht erklärt werden. Es handelt sich nämlich um sehr wenige Einzelfälle, bei denen Aufspaltung des transitiven oder intransitiven nicht-ergativen Subjekts möglich ist.49 Nun hat sich jedoch gezeigt, dass De Kuthys Ansatz gerade diese Einzelfälle auch nicht erklären kann, denn sie erfüllen die lexikalisch-semantischen und evtl. thematischen Bedingungen für Reanalyse ebenfalls nicht. Bei den von bewegungstheoretischen Ansätzen nicht erfassten Fällen wie jenem in 61), die nicht den syntaktisch-strukturellen Bedingungen folgen, handelt es sich um zahlenmässig unverhältnismässig weniger, als bei jenen, welche diese Bedingungen erfüllen. Der Reanalyseansatz verneint aufgrund dieser Einzelfälle den syntaktischen Einfluss völlig und schiebt die Erklärung somit auf lexikalisch-semantische und pragmatische Faktoren. Wir wir anhand von De Kuthys Ansatz gesehen haben, läuft aber eine solche Theorie Gefahr, den doch sehr hohen Grad an syntaktischer Systematik des Phänomens nicht mehr erfassen zu können. Selbstverständlich wäre es wünschenswert, auch die Einzelfälle zu erklären, allerdings sollte dies nicht dadurch geschehen, dass man eine Theorie für die Ausnahmefälle entwirft, die dann die Mehrzahl der regulären Fälle und mithin die Regularitäten des Phänomens nicht mehr erfasst. Wie ich in Kapitel 6 zeigen werde, gibt es durchaus eine Erklärung für die wenigen Problemfälle, allerdings weist der bewegungstheoretische Ansatz auch ohne diese eine deutlich grössere empirische Erklärungskraft auf. Der bewegungstheoretische Ansatz ist jedoch nicht nur aus empirischen, sondern auch aus konzeptionellen Gründen dem Reanalyseansatz vorzuziehen. Vor allem der Versuch, Grammatikalität mit pragmatischen Bedingungen zu erfassen, erweist sich als überaus problematisch. Zudem ist De Kuthys Reanalyseansatz zu stark phänomenspezifisch. Er wird vor allem für die Erklärung der NP-Aufspaltung beigezogen. Die bewegungstheoretischen Beschränkungen, auf die zur Erklärung der PP-Extraktion zurückgegriffen wird, lassen sich hingegen auch unabhängig vom Phänomen nachweisen. Dies ist wohl mit ein Grund, weshalb die Bedingungen der Bewegungstheorie einen höheren Formalisierungsgrad aufweisen als jene des Reanalysemechanismus. Die bekannten Reanalyseansätze scheitern daran, dass sie die syntaktischen Faktoren vernachlässigen und auf syntaktische Beschränkungen für Reanalyse verzichten, und das obschon die PP-Extraktion (syntaktisch) lokal stark beschränkt ist, wie die Ausführungen gezeigt haben. Auf den im Folgenden vorgestellten Basisgenerierungsansatz trifft dieser Kritikpunkt nicht zu. Die Aufspaltung ist kein lexikalischer Prozess, sondern ist in der Syntaxkomponente angesiedelt und folgt auch syntaktischen Bedingungen.

––––––––– 49

Diese Einzelfälle werden in Kapitel 6 noch erklärt.

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3.3 Basisgenerierungsansatz von Fanselow (2003) Fanselow (2003)50 vertritt die These, dass die Konstituentenabfolge im Mittelfeld basisgeneriert ist. Dies hat Auswirkungen auf die Thetatheorie. Im Folgenden wird erläutert, wie die Thetavergabe im Basisgenerierungsansatz erfolgt. Danach wird der Ansatz mit Bezug auf die PP-Extraktion kritisiert.

3.3.1 Kurze Darstellung der wichtigsten Annahmen Fanselow (2001, 2003) entwickelt seinen Ansatz am Beispiel der freien Wortstellung im Deutschen, wie sie in 76) dargestellt ist: 74) a) dass der Lehrer dem Kind den Bleistift gegeben hat b) dass der Lehrer den Bleistift dem Kind gegeben hat c) dass dem Kind der Lehrer den Bleistift gegeben hat Das Deutsche zeichnet sich durch einen hohen Grad an Wortstellungsfreiheit aus. Die verschiedenen Konstituentenabfolgen werden nach Fanselow (2003) nicht durch Bewegung (Scrambling), sondern durch die Operation Merge erzeugt. Die Scramblingthese ist deswegen problematisch, weil dem minimalisitischen Programm zufolge Bewegung nur stattfinden kann, wenn dafür ein grammatischer Grund vorliegt (Last Resort). Bewegung muss durch Merkmalüberprüfung erzwungen werden. Da jedoch ein Satz mit Normalwortstellung wie 74a), bei dem kein Scrambling stattgefunden hat, immer grammatisch ist, müssten 74b) und 74c) aufgrund der Bedingung Fewest Steps blockiert sein (vgl. auch 3.1.8), ausser Scrambling würde in 74b) und 74c) durch ein Merkmal ausgelöst. Dies würde bedeuten, dass die Sätze nicht zur selben Referenzmenge gehören. Nun hat sich jedoch sowohl die Annahme von uninterpretierbaren [scr]-Merkmalen (Müller 1998b) als auch jene von pragmatischen Merkmalen (Cavar /Fanselow 2002) als Bewegungstrigger als untauglich für die Erklärung von Wortstellungsphänomenen erwiesen (zur Kritik des ersten Vorschlags vgl. 3.1.8, der zweite wird in Kapitel 5.2 näher erläutert). Dieses Problem kennt der von Fanselow (2001, 2003) vorgeschlagene Basisgenerierungsansatz nicht. Fanselow (2003) nimmt nicht an, dass Argument-XPs zuerst in die Syntax (beispielsweise in die D-Struktur) eingefügt werden, wo sie ihre thematische Rolle erhalten, und sich danach bewegen, um ihre formalen Merkmale zu überprüfen, sondern er geht davon aus, dass die Vergabe von thematischen Rollen mit der Überprüfung formaler Merkmale einhergeht. Damit werden Thetarollen im Verlauf des Strukturaufbaus vergeben. Thetarollen sind verbunden mit Bündeln von formalen Merkmalen, die das Prädikat für seine Argumentpositionen einführt. Die XP muss mit dem Prädikat Z in eine Checking-Beziehung treten, um die Merkmale von Z zu überprüfen. Die thematische Rolle wird während des Überprüfungsprozesses vergeben. Nach Fanselow (2003) tritt XP dann mit Z in eine Che-

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Fanselow (2003) vertritt einen leicht modifizierten Ansatz von Fanselow (2001). Ich werde im Folgenden vor allem auf Fanselow (2003) eingehen.

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cking-Beziehung, wenn sie mit einer Projektion von Z durch Merge verbunden wird.51 Dies bedeutet, dass XP nur dann eine thematische Rolle von Z erhält, wenn XP Z c-kommandiert.52 Die Reihenfolge, in der die thematischen Rollen durch Checking zugewiesen werden, spielt dabei keine Rolle. Somit können durch Merge im Prinzip alle Abfolgen für die Argumente des Prädikats erzeugt werden. Für unseren Zusammenhang ist nun wichtig, dass Fanselow (2001, 2003) im Anschluss an Chomsky (1995a: 268f.) weiter annimmt, dass ein in Z inkorporierter Kopf Y ein sublabel von Z darstellt, sodass seine Merkmale ebenfalls für das Checking zugänglich sind. Dies bedeutet nach Fanselows Ansatz der Vergabe thematischer Rollen, dass die XP von allen Köpfen eine thematische Rolle erhalten kann, die in jenen Kopf K inkorporiert wurden, an dessen Projektion XP durch Merge angefügt wird. Für die NP-PP-Aufspaltung bedeutet dies, dass durch die Inkorporation von N in V die Merkmale von N sublabels von V darstellen. Somit kann die PP die formalen Merkmale auch an einer Projektion von V checken und hier auch ihre thematische Rolle erhalten. Das heisst, die PP kann direkt in die VP gemergt werden. Von dieser Position aus kann sie gleich wie andere V-Komplemente topikalisiert oder wh-bewegt werden.53 Dadurch jedoch, dass V bzw. V/N auch in v und dieser komplexe Kopf weiter in T inkorporiert, kann die PP im Prinzip auch oberhalb von VP in eine Projektion von v oder T gemergt werden, was ihre unterschiedlichen Mittelfeldpositionen erklären würde. Die verschiedenen Positionen, die die PP einnehmen kann, lassen sich diesem Ansatz nach also auch ohne Extraktion und damit ohne das Überprüfen eines bewegungstriggernden Merkmals erklären. Fanselow (2001, 2003) entwickelte diesen Basisgenerierungsansatz für allgemeine Wortstellungsphänomene. In Fanselow (2003) wird im Gegensatz zu Fanselow (2001) nicht auf NP-PP-Aufspaltungskonstruktionen eingegangen. In dem Sinn behauptet er auch nicht, dass diese Konstruktionen basisgeneriert sind. Da aber seinem Ansatz zufolge Inkorporation dazu führt, dass die XP an jede Projektion eines Kopfes gemergt werden kann, die ein Sublabel vom Prädikat Z von XP darstellt, kann sein Ansatz als Konkurrenz zu dem in 3.1 angenommenen Extraktionsansatz verstanden werden, denn beide setzen den Mechanismus der Inkorporation voraus. Fanselow geht nicht darauf ein, ob Inkorporation ein syntaktischer oder lexikalischer Prozess ist. Aus seiner Aussage, dass Inkorporation auf Komplementköpfe beschränkt sei (vgl. Fanselow 2001: 26f.), lässt sich allerdings ableiten, dass er Inkorporation gleich wie Baker (1988) als syntaktischen Prozess analysiert. In diesem Sinn macht sein Ansatz empirisch sehr ähnliche Vorhersagen für die NP-PP-Aufspaltung wie auf Inkorporation beruhende Extraktionsansätze. ––––––––– 51

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In diesem Punkt weicht Fanselow (2003) von Fanselow (2001) ab. Im Unterschied zu Fanselow (2001) kann die thematische Rolle nicht durch spätere Bewegung vergeben werden, sondern muss bereits zum Zeitpunkt des Mergens etabliert werden. Da Checking voraussetzt, dass die beteiligten Kategorien in allen grammatischen Merkmalen übereinstimmen, kann die thematische Rolle genau jener XP zugewiesen werden, welche die Merkmale besitzt, die der thematischen Rolle entsprechen (vgl. Fanselow 2001: 19f.). Damit ist sichergestellt, dass das Argument, welches den Akkusativ trägt, in 74) auch die Themarolle und nicht etwa die Agensrolle erhält. Da es sich nach Fanselow (2003) bei SpecCP um eine Operatorenposition handeln kann, in der die Merkmale [wh], [top] oder [fok] überprüft werden, bzw. ein EPP-Merkmal die Besetzung von SpecCP verlangt, wird das Vorfeld durch Bewegung besetzt und nicht wie das Mittelfeld durch Basisgenerierung.

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Durch die Komplementbedingung für Inkorporation macht der Basisgenerierungsansatz zumindest in Bezug auf die syntaktischen Faktoren sehr ähnliche Vorhersagen wie der Extraktionsansatz: Subjekte können als Argumente von v nicht bereits an VP gemergt werden, denn zum Erwerb der Agensrolle müssen sie v c-kommandieren. Da die Komplementposition von v durch die VP besetzt ist, kann das Subjekt an keine Position gemergt werden, an welcher sein Kopf von v oder V inkorporiert werden kann. Die Aufspaltung der Subjekte transitiver bzw. intransitiver nicht-ergativer Verben wie in 55) ist entsprechend auch für den Basisgenerierungsansatz gleich wie für die Extraktionstheorie problematisch. Ähnlich ist auch der Freezing-Effekt und der mit Beispiel 73) angesprochene Effekt von Unambiguous Domination begründet: Wird die Objekt-DP oberhalb der VP gemergt, befindet sie sich trotz Verbbewegung nie an einer Komplementposition von V, von welcher ihr Kopf inkorporiert werden kann, sodass die PP ihre thematische Rolle nur innerhalb der DP erhalten kann.54 Die beiden Ansätze machen nicht nur die gleichen Vorhersagen in Bezug auf die genannten konstruktionsbedingten Effekte, sondern auch in Bezug auf die lexikalisch-semantischen Faktoren, denn für die Erklärung der lexikalischen Faktoren kann für beide Ansätze im Prinzip die gleiche Argumentation beigezogen werden. Zusätzlich zu den strukturellen Beschränkungen für Inkorporation müssen nur noch lexikalische definiert und nachgewiesen werden. Das Problem stellt sich in beiden Ansätzen gleichermassen und ist auch in beiden mit dem gleichen Mechanismus darstell- bzw. erklärbar (vgl. dazu detaillierter Kapitel 4). Bei allen Entsprechungen weisen die beiden Ansätze doch auch einige Differenzen auf, wie die folgende Kritik des Basisgenerierungsansatzes zeigt.

3.3.2 Kritik am Basisgenerierungsansatz In Bezug auf die NP-PP-Aufspaltung weist der Basisgenerierungsansatz in den folgenden Bereichen einzelne Erklärungsabweichungen zum bewegungstheoretischen Ansatz auf: a) b)

Aufspaltung von Subjekten unakkusativischer und passiver Verben Aufspaltung von indirekten Objekten

––––––––– 54

In diesem Punkt widerspricht Fanselow (2001, 2003) seiner eigenen Theorie, denn er versucht ausgerechnet an fehlenden Freezing-Effekten zu zeigen, dass die Konstituentenabfolge nicht durch Scrambling erzeugt wird. Selbstverständlich ist kein Freezing-Effekt im eigentlichen Sinn in seiner Theorie zu erwarten, da keine Bewegung stattfindet, allerdings sollte trotzdem der gleiche Effekt sichtbar sein, denn auch durch Merge erzeugte Aufspaltungen unterliegen der Komplementbedingung für Inkorporation. Diese würde allerdings missachtet, wenn die DP oberhalb der VP gemergt wird, da hier keine Komplementposition mehr für die DP zugänglich ist. In Fanselow (2003) wird die Komplementbedingung allerdings nicht explizit genannt. Kein Freezing-Effekt wäre zu erwarten, wenn, wie in Fanselow (2001: 118) angenommen, V nach T geht, sodass dann alles nach dort inkorporiert wird. Andererseits nimmt aber Fanselow (2001: 422) explizit an, dass Inkorporation von N nach V geht, was bei VP-externer Basisgenerierung der DP ausgeschlossen ist und wiederum zu einem dem Freezing-Effekt ähnlichen Effekt führen müsste.

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c) d)

NP-PP-Aufspaltung in NVGn Pragmatische Faktoren

Andere Vorhersagen als der bewegungstheoretische Ansatz macht Fanselows Ansatz nur für a). Allerdings unterscheiden sich die beiden Theorien in ihren Erklärungen für die anderen aufgeführten Bereiche. a) Aufspaltung von Subjekten unakkusativischer und passiver Verben Wie unter 3.1.3 erläutert, unterscheidet sich das Deutsche vom Englischen darin, dass es die Aufspaltung von Subjekten unakkusativischer Verben und von Subjekten in Passivkonstruktionen zulässt. Begründet wurde diese Asymmetrie damit, dass das Deutsche anders als das Englische nicht über ein starkes Merkmal verfügt, welches das Subjekt zu einer offenen Bewegung nach SpecTP (bzw. AgrSP) zwingt, um dort sein Kasusmerkmal zu überprüfen. Das Subjekt kann an seiner Basisposition, der V-Komplementposition, stehen bleiben, sodass der Subjektskopf in V inkorporieren kann. Für das Englische hingegen wurde angenommen, dass der Nominativ nur durch offene Bewegung überprüft wird. Die Opakheit englischer Subjekte erklärt sich entsprechend daraus, dass deren Bewegung einen Freezing-Effekt auslöst. Folgt man dem Ansatz von Fanselow (2003), wonach die DP die Merkmale ihres Prädikats dann checkt, wenn sie mit einer Projektion ihres Prädikats gemergt wird, müsste eigentlich angenommen werden, dass im Englischen Subjekte passiver und unakkusativischer Verben, anders als im Deutschen, oberhalb der VP gemergt werden, denn nur so könnte verhindert werden, dass sie in V inkorporieren und so die Aufspaltung lizenzieren. Dies widerspricht allerdings sowohl den Aussagen von Fanselow (2001: 425) als auch der allgemeinen Annahme, dass Subjekte in englischen Passivkonstruktionen innerhalb der VP basisgeneriert sein müssen: In English passives, underlying objects must be generated in VP (and not in the subject position), since passivization eliminates Case-features, but not the strong D-feature of F, which must be checked before FP combines with further heads. The object must therefore move to a position in which the D-feature of V is checked [vgl. 75a) und c); Anm. CS], before it can go to SpecTP. Similarly, the single argument of unaccusative verbs must be merged in VP. (Fanselow 2001: 425)

Dass im Englischen Subjekte VP-intern generiert werden, illustriert Fanselow (2001: 425) mit den folgenden Beispielen: 75) a) b) c) d)

There has been a moose shot t. *There has been shot a moose. There has been a man considered t sick. *There has been considered a man sick.

Für das Deutsche gilt, dass es über kein starkes D-feature verfügt, sodass die DP in situ verbleiben kann. Bei der Annahme, dass auch im Englischen die DP VP-intern generiert wird, lässt sich allerdings mit Fanselows Ansatz nicht erklären, weshalb die DP nicht spaltbar ist, denn wenn die DP in der V-Komplementposition basisgeneriert ist, kann N – wie auch das Deutsche zeigt – in V inkorporieren, sodass die PP in jeder Projektion von V basisgeneriert werden sollte. Die im Englischen obligatorische DP-Anhebung kann dabei

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die Aufspaltung nicht verhindern, denn da die PP bereits DP-extern gemergt wird, löst die Bewegung der DP keinen Freezing-Effekt aus. Bei unabhängiger Basisgenerierung wird durch die Topikalisierung der PP auch keine Verletzung der Strikten-Zyklus-Bedingung ausgelöst. Mit anderen Worten: Mit Fanselows Ansatz lässt sich nicht verhindern, dass Subjekte von passiven und unakkusativischen Verben im Englischen spaltbar sind. Dies liesse sich nur verhindern, wenn angenommen würde, dass die DP im Englischen oberhalb von VP gemergt ist. Welche Konsequenzen diese Annahme allerdings für Fanselows Ansatz und für Wortstellungsphänomene im Englischen hat, vermag ich hier nicht abzuschätzen.55 Die Basisgenerierungsanalyse kann den Unterschied im Englischen und im Deutschen in Bezug auf die Aufspaltung von Subjekten unakkusativischer oder passiver Verben nicht erklären. In diesem Bereich macht eine Extraktionsanalyse bessere Vorhersagen. b) Indirekte Objekte Fanselows Ansatz wirft auch Fragen in Bezug auf die Unspaltbarkeit von indirekten Objekten auf. Zwar macht seine Theorie eine ähnliche Vorhersagen wie der auf Inkorporation beruhende bewegungstheoretische Ansatz, allerdings lässt sich die Opakheit von indirekten Objekten nicht durch die Komplementbedingung erklären: Da Aufspaltung von der Möglichkeit der Inkorporation abhängig und Inkorporation von IO-Köpfen ausgeschlossen ist (vgl. 3.1.2), kann auch Fanselows Ansatz ähnlich wie die Extraktionstheorie erklären, weshalb indirekte Objekte nicht spaltbar sind. Allerdings lässt Fanselows Ansatz keine strukturelle Erklärung dafür zu, dass IO-Köpfe nicht inkorporierbar sind, denn wenn die Reihenfolge, in welcher die Argumente von V gemergt werden, unwichtig ist, wie Fanselow (2003) annimmt, kann auch das indirekte Objekt als V-Komplement gemergt werden.56 ––––––––– 55

56

In Fanselow (2001) können thematische Rollen im Unterschied zum hier vorgestellten, modifizierten Ansatz von Fanselow (2003) auch durch Bewegung an eine Checking-Position vergeben werden. Eine XP kann dabei die Merkmale ihres Prädikats auch durch Bewegung an verschiedenen Positionen checken. Angenommen jedoch, die DP kann die Merkmale von V nur überprüfen, wenn sie mit einer Projektion von V durch Merge verbunden ist, wie dies in Fanselow (2003) in Abweichung zu Fanselow (2001) angenommen wird, dann müsste die Subjekts-DP im Deutschen, die VP-intern verbleiben kann, das Kasusmerkmal [Nom] des passiven und des unakkusativen Verbs in Abweichung zur Standardannahme an der V-Komplementposition überprüfen können, denn die DP tritt aufgrund der c-Kommandobedingung für checking nur mit V und niemals mit I oder T in eine Checking-Relation, dies gilt zumindest, wenn LF-Bewegung zur Überprüfung des Kasusmerkmals ausgeschlossen sein sollte. Die Ausführungen zeigen, dass Fanselows Ansatz in beiden Formen noch Fragen in Bezug auf die Aufspaltung von Subjekten unakkusativischer und passiver Verben aufwirft. Das Subjekt darf generell nicht an eine VP-interne Position basisgeneriert sein. Dies wird durch die Checking-Bedingung verhindert, die voraussetzt, dass die beteiligten Kategorien in allen grammatischen Merkmalen übereinstimmen müssen. Daher kann die thematische Rolle AGENS erst in SpecTP (oder SpecSP) zugewiesen werden, wo auch der Kasus überprüft wird. Falls das indirekte Objekt gleich wie das direkte in Fanselows Ansatz seinen Kasus bereits VP-intern durch die Checking-Relation mit V überprüfen kann, müsste es eigentlich auch an die gleiche Position wie das direkte als V-Komplement gemergt werden können. Allerdings nimmt Fanselow (2003) keine Stellung dazu, ob allenfalls das indirekte Objekt seinen Kasus und somit auch seine ThetaRolle oberhalb von VP checken muss. Dies würde dann erklären, weshalb IO-Köpfe nicht inkor-

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Damit kann nicht ausgeschlossen werden, dass der IO-Kopf von V c-kommandiert wird. Für den Inselcharakter von indirekten Objekten könnten somit nur noch lexikalische oder pragmatische Bedingungen verantwortlich gemacht werden, obschon die Systematik dieses Phänomens eher auf eine strukturelle Erklärung hinweist. Allerdings konnte auch die Bewegungstheorie nicht eindeutig beweisen, dass der Inselstatus von indirekten Objekten strukturell begründet ist. Ihr Vorteil gegenüber jener von Fanselow (2001, 2003) liegt lediglich darin, dass sie prinzipiell eine strukturelle Erklärung des Phänomens zulässt. Da allerdings Fanselow (2003) einige Fragen in Bezug auf die Position, an der indirekte Objekte gemergt werden dürfen, offen lässt (vgl. FN 56), kann hier nicht darüber entschieden werden, welchem der Ansätze in diesem Bereich der Vorzug gegeben werden müsste. c) NP-PP-Aufspaltungen in NVGn Unter 3.2.2 wurde angedeutet, dass die Adjazenzbedingung in NVGn durch den Basisgenerierungsansatz von Fanselow nicht unbedingt verletzt werden muss. Die Adjazenzbedingung verlangt, dass die PP bei postnominaler Position wie in 72a) und 72b) DP-intern positioniert ist: 76) a) weil Otto kein Verständnis für Maria gezeigt hat b) weil Anna schon immer Angst vor Spinnen hatte c) Vor Spinnen hat Anna schon immer Angst t gehabt. Die PP kann nach Fanselows Ansatz ihre thematische Rolle im Prinzip auch DP-intern zugewiesen bekommen, sodass 72a) und 72b) die Adjazenzbedingung nicht unbedingt verletzen müssen. Allerdings ist die Erklärung für die Topikalisierung der PP wie in 72c) unter Perspektive des Basisgenerierungsansatzes komplizierter als die extraktionstheoretische. Da nach Fanselow (2003) nur die Mittelfeldstellungen der Konstituenten basisgeneriert sind, nicht aber die Vorfeldstellung, Aufspaltung der PP und DP jedoch basisgeneriert sind, muss angenommen werden, dass die Topikalisierung der PP in 72c) nicht durch Extraktion aus der DP-internen Position zustande kommt, sondern dass die PP zunächst an eine VPinterne Position gemergt und von da schliesslich in die SpecCP-Position bewegt wurde. Allerdings kann sie nicht an eine beliebige Position in der VP gemergt sein, denn ihre postnominale Position ist in diesem Fall ausgeschlossen, da sonst die Adjazenzbedingung durch die DP-externe Spur verletzt würde. Es muss also irgendeine zusätzliche Bedingung gefunden werden, die verhindert, dass die PP an die postnominale Position gemergt wird. Dies bedeutet, dass die Analyse im Vergleich zur bewegungstheoretischen Analyse komplizierter ist. Die Position, an welcher eine Argument-XP gemergt wird, ist nämlich nach Fanselow (2003) informationsstrukturell beeinflusst. Dies würde dann aber bedeuten, dass die Bedingung, die verhindert, dass die PP an die postnominale Position gemergt wird, wohl auch infromationsstruktureller Art sein müsste. Die Formalisierung einer solchen Bedingung könnte sehr schwierig sein, vor allem da nach Fanselow (2003) keine informationsstrukturellen Operatoren anzunehmen sind, die die jeweilige Mittelfeldposition steuern. Mit ––––––––– porierbar sind. Die andere Möglichkeit wäre, dass im Lexikon aufgrund thematischer Hierarchien die Reihenfolge IO > DO festgelegt ist. Allerdings nimmt Fanselow (2003) auch zu dieser Möglichkeit keine Stellung.

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dem bewegungstheoretischen Ansatz ist es nicht nötig, für die Aufspaltung der DP in NVGn Zusatzannahmen zu machen, denn da die PP an postnominaler Position in der DP enthalten ist, verhindert sie nicht, dass das Nominalisierungsverb die Adjazenzbedingung verletzt. Da die Extraktionsanalyse die NP-PP-Aufspaltung in NVGn, anders als die Basisgenerierungsanalyse, ohne Zusatzannahmen erklären kann, ist ihr in diesem Bereich der Vorzug zu geben. d) Pragmatische Faktoren Fanselow (2003) ist der Meinung, dass sein Ansatz vor allem die pragmatischen Faktoren besser erklären kann als der bewegungstheoretische: Da die PP aufgrund der Inkorporation von N in V und der Verb-Anhebung an eine beliebige Position im Mittelfeld ihre Merkmale überprüfen kann, wird die jeweilige Abfolge informationsstrukturellen oder auch prosodischen Bedürfnissen gerecht. Dies hat nach Fanselow (2003) die folgenden Vorteile: Da die Erfüllung der informationsstrukturellen Bedürfnisse nicht mit der Überprüfung informationsstruktureller Merkmale einhergeht, stellt die Optionalität von Scrambling im Mittelfeld kein Problem dar. Zusätzlich weist der Ansatz auch das Last-Resort-Problem nicht auf, da keine Bewegung stattfindet. Trotz diesen konzeptionell überzeugenden Punkten ist allerdings auch in Fanselows Theorie nicht ganz klar, wie der Einfluss der Informationsstruktur auf die Konstituentenabfolge im Mittelfeld schliesslich technisch repräsentiert ist bzw. welche Faktoren die Position bestimmen, an welcher Argument-XPs gemergt werden. Fanselow (2003: 25) findet eine semantische Erklärung für die Platzierung von Topiks relativ zu Satzadverbien, denn »Topiks sind referenziell, und man kann referenziellen Ausdrücken die Eigenschaft zuschreiben, dass sie ›weiten Skopus‹ relativ zu Operatoren haben müssen. Nun übersetzt das Deutsche im Mittelfeld – wenn möglich – oberflächliche c-Kommando-Relationen in semantische Skopusbeziehungen und umgekehrt. Daraus lässt sich ableiten, dass Topiks den Satzadverbien bereits oberflächlich immer vorausgehen sollten. Täten sie es nicht, so stünden sie im Skopus des Satzadverbs, im Widerspruch zu ihren semantischen Eigenschaften.« Wie allerdings die Platzierung jeweils genau bestimmt wird, wenn keine Satzadverbien vorhanden sind, wird nicht expliziert. In Bezug auf den pragmatischen Einfluss wirft Fanselows Ansatz ähnliche Fragen auf wie bewegungstheoretische Ansätze: Dass die Bedingungen der Informationsstrukturierung einen Einfluss auf Aufspaltungs- bzw. Wortstellungsphänomene haben, ist unbestritten. Die Frage, wie die Bedingungen der Informationsstruktur syntaktische Prozesse steuern und wie die Interaktion von Grammatik und Informationsstruktur beschrieben werden kann, ist in beiden Ansätzen unklar. Ich werde dieser Frage in den Kapiteln 5 und 6 nachgehen. Fazit Fanselows Ansatz macht in Bezug auf die syntaktischen Faktoren, die die Aufspaltung beeinflussen, ähnliche Vorhersagen wie der in dieser Arbeit vertretene bewegungstheoretische Ansatz. Die Asymmetrien werden in beiden Ansätzen gleich begründet, denn sie hängen jeweils damit zusammen, dass sie durch den Prozess der Inkorporation bedingt sind, und dieser ist lokal beschränkt. Daraus ergibt sich, dass auch Fanselow (2001, 2003), gleich wie bewegungstheoretische Ansätze, Extraktion aus Subjekten transitiver oder intransitiver nicht-ergativer Verben nicht erklären kann.

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Der Basisgenerierungsansatz wirft allerdings auch Fragen auf, die für bewegungstheoretische Ansätze unproblematisch sind: Die Aufspaltung von Subjekten unakkusativischer und passiver Verben im Deutschen bzw. die Unfähigkeit der Aufspaltung dieser Subjekte im Englischen kann mit einem bewegungtheoretischen Ansatz besser erklärt werden, da nur in diesem die Bewegung der Subjekt-DP an die Kasusposition einen Freezing-Effekt auslösen kann. Auch die bewegungstheoretische Analyse der DP-PP-Aufspaltung in NVGn weist gegenüber dem Basisgenerierungsansatz grosse Vorteile auf, denn eine Analyse auf Grundlage des Letzteren kommt nicht ohne Zusatzannahmen aus, was die Erklärung des Phänomens unnötig komplizierter macht. Der auf den ersten Blick überzeugende Vorteil des Basisgenerierungsansatzes gegenüber den bewegungstheoretischen in Bezug auf das Last-Resort-Prinzip hat sich als bloss scheinbar erwiesen: Auch im Basisgenerierungsansatz wird nicht erklärt, wodurch die Abfolge der Konstituenten bestimmt wird. Fanselows Ansatz lässt nur die Erklärung zu, weshalb eine XP an einer bestimmten Position platziert sein darf, jedoch kann auch er nicht erklären, wodurch die jeweilige Position erzwungen wird. Zwar konfligiert der Ansatz nicht mit dem Last-Resort-Prinzip, jedoch gewinnt er erst an Erklärungsadäquatheit, wenn formalisierbare Prinzipien formuliert werden, die die Wortstellungsvariationen steuern. Der grösste Nachteil des basistheoretischen Vorgehens gegenüber dem bewegungstheoretischen liegt aber meines Erachtens in seiner Unfähigkeit, das Verhältnis der Nähe zweier Elemente, die an der Oberfläche getrennt voneinander positioniert sind, die aber ihrer semantischen Nähe wegen in umnittelbarer Nähe zueinander stehen sollten, zu kodieren. Mit einem bewegungstheoretischen Ansatz wird einerseits die enge Beziehung zwischen dem Nomen und seinem getrennt von ihm positionierten Attribut durch die mit dem Attribut koindizierte Spur deutlich, andererseits werden durch Bewegungsbeschränkungen auch Aussagen darüber gemacht, wie weit das Attribut sich von seinem Nomen entfernen darf, um dies in der Bewegungsmetapher zu formulieren.57 In Fanselow (2001) wird lediglich die für das Englische festgestellte Diskrepanz zwischen semantischer Nähe einerseits und syntaktischer Distanzstellung andererseits kodiert, die das Verhältnis von Subjekten unakkusativischer bzw. passiver Verben zu ihrem Verb bestimmt. Subjekte passiver und unakkusativischer Verben sind nach Fanselow (2001) im Anschluss an die Standardannahme VPintern basisgeneriert und aus Kasusgründen nach SpecTP bewegt.58 Es fragt sich allerdings, weshalb nur bei diesen die Diskrepanz von Nähe und Distanz durch Kodierung deutlich gemacht werden muss, nicht aber bei der Distanzstellung der PP zu deren Nomen oder beim ›gescrambelten‹ Objekt zu seinem Verb.

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Bewegung ist nichts anderes als eine Metapher für die Darstellung dieser inhaltlichen Nähe von Nomen und Attribut einerseits und deren Distanzstellung in geäusserten Sätzen andererseits. Wie die Position von Subjekten unakkusativischer und passiver Verben im Englischen nach dem modifizierten Ansatz von Fanselow (2003) erklärt wird, ist noch unklar, denn diesem Ansatz zufolge werden die Kasusmerkmale zusammen mit den thematischen Merkmale durch die Operation Merge überprüft. Dies würde bedeuten, dass die Subjekte in SpecTP basisgeneriert wären, was jedoch zur Folge hätte, dass ihre semantische Nähe zum Verb nicht sichtbar wäre.

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3.4 Zusammenfassung In diesem Kapitel wurden drei Ansätze auf ihre jeweilige Leistung für die Erklärung von PP-Extraktionsphänomenen untersucht. Dabei hat sich gezeigt, dass nur ein Ansatz das Phänomen erfassen kann, in den grundsätzlich sowohl syntaktische als auch lexikalische und pragmatische Bedingungen integrierbar sind, denn PP-Extraktion unterliegt den Einflüssen aller dieser drei Komponenten. Vor allem die Verneinung syntaktischer und struktureller Einflüsse, wie sie der dargestellte Reanalyseansatz praktiziert, hat sich als falsch erwiesen. PP-Extraktion ist nachweislich lokal beschränkt. Die doch sehr geringe Anzahl an Ausnahmefälle weist deutlich darauf hin, dass das Phänomen durch syntaktische Strukturbeziehungen bestimmt wird. Die wenigen Ausnahmefälle haben sich schliesslich für alle Ansätze als problematisch erwiesen. Extraktion führt im Standardfall zu eindeutiger Grammatikalität bzw. Ungrammatikalität. Diese kann nur durch grammatische Prinzipien erfasst werden, denn kontextuelle Faktoren können zwar den Grammatikalitätsgrad erhöhen bzw. herabsetzen, keinesfalls aber erklären. Ansätze, die Grammatikalität nur auf der Basis von kontextuellen Bedingungen erklären wollen, sind deshalb als äusserst problematisch einzustufen. Anders ist die Lage beim Basisgenerierungsansatz von Fanselow. Dieser Ansatz vermag im Prinzip sowohl syntaktische als auch lexikalisch-semantische und pragmatische Bedingungen zu integrieren, sodass das Phänomen ganzheitlich erfasst werden kann. Der Ansatz weist empirisch vor allem in Bezug auf die syntaktischen Faktoren eine ähnlich grosse Erklärungskraft auf wie der auf Inkorporation beruhende Extraktionsansatz. Allerdings hat sich gezeigt, dass weder die Unfähigkeit zur Aufspaltung von Subjekten passiver und unakkusativischer Verben im Englischen noch die Aufspaltung in NVGn mit dem Basisgenerierungsansatz annähernd gleich befriedigend erklärt werden kann. Als grösster konzeptioneller Nachteil an Fanselows Basisgenerierungsansatz erweist sich meines Erachtens die Unmöglichkeit, die Diskrepanz von semantischer Nähe und syntaktischer Distanzstellung des Nomens zu seinem Attribut zu kodieren. Der bewegungstheoretische Ansatz scheint mir bis zum heutigen Zeitpunkt der effizienteste zur Erklärung der PP-Extraktionsphänomene zu sein. Nur dieser kann auch die Parallelen zu anderen Extraktionsphänomenen, wie beispielsweise der wh-Extraktion aus der CP, erfassen. Von den drei besprochenen Ansätzen lässt somit nur der bewegungstheoretische zu, dass die Erklärung nicht phänomenspezifisch erfolgt. Allerdings darf auch eine bewegungstheoretische Analyse des Phänomens sich nicht damit begnügen, die grammatisch-strukturellen Bedingungen zu erklären, wie dies häufig der Fall ist, sondern auch sie sollte das ganze Phänomen erfassen. Wie wir in Kapitel 1 gesehen haben, unterliegt die PPExtraktion auch lexikalisch-semantischen und kontextuellen bzw. pragmatischen Bedingungen. In den folgenden Kapiteln 4 und 5 werden diese Bedingungen näher beschrieben. In Kapitel 6 werde ich versuchen zu zeigen, dass mit einer bewegungstheoretischen Gesamtanalyse das Phänomen mit all seinen unterschiedlichen Einflüssen erklärt werden kann.

4 Lexikalische und semantische Faktoren

In Kapitel 3 haben wir vor allem die strukturellen Konfigurationen bestimmt, die Extraktion der PP zulassen. Dabei hat sich gezeigt, dass eine wichtige Bedingung für Extraktion Inkorporation ist. Inkorporation ist allerdings lokal beschränkt, und zwar auf c-kommandierte Köpfe. Für die N- bzw. genauer die D/N-in-V-Inkorporation bedeutet dies, dass Extraktion nur aus direkten Objekten möglich ist. Allerdings unterliegt auch diese restriktiven Beschränkungen, denn im Normalfall stellen direkte Objekte ebenfalls Bewegungsinseln dar. Diesen Sachverhalt zeigt das folgende Beispiel mit wh-Extraktion: 1)

a) PP[Worüber]i hat Rudi DP[ein Buch ti] gelesen? b) *PP[Worüber]i hat Rudi DP[ein Buch ti] geklaut?

Wie bereits mehrfach angedeutet, scheint die Asymmetrie in 1) lexikalisch-semantisch bedingt zu sein. Ziel dieses Kapitels ist es, die lexikalisch-semantischen Bedingungen näher zu untersuchen. Da in der vorliegenden Arbeit ein auf dem Mechanismus der Inkorporation beruhender bewegungstheoretischer Ansatz vertreten wird, muss nach einer Erklärung der lexikalisch-semantischen Faktoren gesucht werden, die mit den Annahmen der hier vertretenen Barrierentheorie übereinstimmt. Neben dem in Beispiel 1) dargestellten Einfluss lexikalisch-semantischer Bedingungen wurde unter Punkt 1.2 noch ein weiterer Effekt beschrieben, der semantisch begründet ist: Wir haben beobachtet, dass bei der Extraktion aus DPs mit picture nouns die thematische Rolle der PP einen Einfluss auf ihre Beweglichkeit hat. Dieser Einfluss wird unter 4.2 thematisiert.

4.1 Lexikalisch-semantische Inkorporationsbedingungen Die Asymmetrie in Beispiel 1) ist offensichtlich auf die Substitution des Verbs zurückzuführen, weshalb sich in vielen Arbeiten die Annahme durchgesetzt hat, dass die Inkorporationsfähigkeit im Lexikoneintrag des Verbs repräsentiert ist. Diese Annahme ist, wie in diesem Abschnitt gezeigt wird, problematisch. Die These, wonach die Inkorporationsfähigkeit im Lexikon des Verbs vermerkt ist, kann die folgende Asymmetrie nicht erklären. In 2a) scheint das Verb betrachten inkorporationsfähig zu sein, in 2b) hingegen nicht: 2)

a) PP[Über Himalayaexpeditionen]i hat die Klasse DP[einige Fotos ti] betrachtet. b) *PP[Über Himalayaexpeditionen]i hat die Klasse DP[einige Bücher ti] betrachtet.

Die Beispiele legen viel eher nahe, dass das semantische Verhältnis zwischen Verb und Nomen entscheidend für die Inkorporationsmöglichkeit ist, und nicht alleine die Semantik

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oder der Lexikoneintrag des Verbs.1 Diese Sichtweise wird auch von den folgenden Beispielen gestützt: 3)

a) Über die Entdeckungen hat Hans viele Bücher gelesen. b) *Über die Entdeckungen hat Hans viele Bücher gemocht.

4)

a) Über ihre Hobbys haben die Schüler schon viele Aufsätze schreiben müssen. b) *Über ihre Hobbys haben die Schüler schon viele Aufsätze wegwerfen müssen.

5)

a) Über Amerika haben sie viele Filme betrachtet. b) *Über Amerika haben sie viele Bücher betrachtet.

In allen a)-Beispielen, in denen extrahiert werden konnte, gehen Nomen und Verb ein semantisch sehr enges Verhältnis zueinander ein. Es zeigt sich, dass weder die semantischen Merkmale des Nomens noch die des Verbs alleine den Mechanismus der Inkorporation auslösen können. Dies wird vor allem in 5b) ersichtlich: Das Verb betrachten kann grundsätzlich Inkorporation und damit Extraktion zulassen, wie 5a) illustriert. Auch aus DPs mit dem Nomen Bücher kann in gewissen Kontexten extrahiert werden, wie Beispiel 3a) zeigt. Trotzdem ist 5b) ungrammatisch, was bedeutet, dass Inkorporation bzw. Extraktion erst legitimiert ist, wenn die semantische Relation stimmt. Dass das Nomen bzw. der komplexe D/N-Kopf nur bei engem semantischem Verhältnis zum Verb inkorporiert werden kann, zeigt sich nicht nur bei der Extraktion aus DPs mit picture noun, sondern auch bei der Extraktion aus DPs mit deverbalem Nomen: 6)

a) *PP[Für Maria]i bewundert Anna DP[Ottos Verständnis ti]. b) PP[Für Maria]i hat Anna DP[viel Verständnis ti] gezeigt. c) *PP[Wegen Amtsmissbrauch]i hat der Politiker DP[alle Beschuldigungen ti] zurückgewiesen. d) PP[Gegen UV-Strahlen]i bietet diese Sonnencreme DP[wenig Schutz ti].

Nicht nur PP-Argumente von picture nouns, sondern auch solche von deverbalen Nomen können extrahiert werden, allerdings nur in NVGn. Nun zeichnen sich NVG gerade durch ein sehr enges Verhältnis zwischen Verb und Nomen aus. Sie werden in den Grammatiken meist als zwar syntaktisch komplexe, semantisch aber einfache Prädikate beschrieben (vgl. von Polenz 1987, Hoffmann / Stecker /Zifonun (1997: 1068f.)). Gallmann (1999: 292 ff.) beschreibt dieses Verhältnis syntaktisch als N-in-V-Inkorporation, was aufgrund der Extraktionsfähigkeit der PP auch in dieser Arbeit vorausgesetzt wird.2 Die Inkorporation in NVGn hat zur Folge, dass ein semantisch einfaches Prädikat gebildet wird. Dadurch lässt sich die semantische Nähe von Nomen und Verb in NVGn auf der Grundlage von beobachtbaren Fakten wie etwa semantischer Prädikatsbildung beschreiben. Die in den ––––––––– 1

2

Eine ähnliche Beobachtung macht auch Sauerland (1995: 14): Er stellt fest, dass das Verb sehen Extraktion nur in Kombination mit bestimmten Nomen zulässt. Von dieser Beobachtung leitet er ab, dass Nomen und Verb ein bestimmtes semantisches Verhältnis eingehen müssen, damit Inkorporation und damit auch Extraktion möglich sei. Dieses Verhältnis beschreibt er allerdings nicht näher. Neben Extraktion und Prädikatsbildung fügt Gallmann (1999: 292) noch weitere Indizien hinzu, die für Inkorporation sprechen, wie beispielsweise Lexikalisierung der Fügung, häufig fehlende bzw. semantisch leere D-Komponente und Argumentsharing.

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Beispielen 3) – 5) beschriebene semantische Nähe ist hingegen noch etwas diffus definiert. Anders als bei NVGn ist nämlich die Fügung nicht lexikalisiert. Daher stellt sich die Frage, wie die Information der semantischen Nähe repräsentiert ist, denn schliesslich löst diese Nähe den syntaktischen Mechanismus der Inkorporation aus und sollte daher auch formal erfasst werden können. Dieser Problematik wird im Folgenden nachgegangen. In den Beispielen 3) – 5) besteht das Gefüge aus Nomen und Verb jeweils aus einem picture noun, welches ein Werk bezeichnet, und dem diesem Werk entsprechenden Perzeptions- bzw. Kreationsverb. Aus dieser Beobachtung kann geschlossen werden, dass Inkorporation und damit Extraktion dann lizenziert sind, wenn die dem Verb inhärenten semantischen Merkmale mit den dem Nomen inhärenten übereinstimmen. Die These muss jedoch noch präzisiert werden. Vor allem der Begriff der Übereinstimmung ist noch nicht geklärt, denn erstens widersprechen die semantischen Merkmale von Nomen und Verb einander auch in den b)-Beispielen von 3), 4), und insbesondere 5) nicht; Bücher kann man nämlich mögen, man kann sie wegwerfen und man kann sie vor allem auch betrachten; zweitens ist diese Übereinstimmung auch nicht immer so offensichtlich, wie das folgende Beispiel zeigt: 7)

a) PP[Über die Toskana]i hat Anna ihrer Mutter schon DP[viele Bücher ti] geschenkt. b) PP[Worüber]i hat Anna ihrer Mutter DP[ein Buch ti] gegeben?

Das Nomen Buch ist in 7) nicht in das entsprechende Kreations- oder Perzeptionsverb inkorporiert, sondern in ein Verb des Gebens. Betrachtet man allerdings Beispiel 8), kann man dafür argumentieren, dass die Bedingung der Übereinstimmung aufrecht erhalten werden kann und dass auch in 7) die semantischen Merkmale durchaus übereinstimmen: 8)

a) *Vom Kuchen habe ich ihm ein Stück geschenkt.3 b) Vom Kuchen habe ich ihm ein Stück abgeschnitten und gegeben. c) Vom 93er habe ich ihm drei Flaschen geschenkt.

In 8) ist jeweils aus einer DP extrahiert worden, die als Partitivkonstruktion ein TeilGanzes-Verhältnis bezeichnet (vgl. 2.2.2). Das Verb schenken scheint zwar das Nomen Flasche inkorporieren zu können, nicht aber Stück, obschon (wie 8b) zeigt) Extraktion aus DPs mit diesem Nomen durchaus möglich ist. Im Gegensatz zu einem Stück Kuchen gehören aber sowohl Bücher als auch Weinflaschen zu den typischeren Geschenkgegenständen, die als solche eine gewisse Tradition aufweisen. Damit kann zwar begründet werden, dass auch zwischen einem Nomen wie Buch und einem Verb des Gebens zumindest aus Tradition eine gewisse semantische Nähe nachzuweisen ist, allerdings lässt sich mit einer Begründung von solchen Einzelfällen nicht vorhersagen, weshalb z.B. ein Verb wie betrachten in 5b) das Nomen Buch nicht inkorporieren kann, obwohl auch dieses durchaus semantische Eigenschaften aufweist, die zu den semantischen Eigenschaften passen, die ––––––––– 3

Mit kontrastiver Lesart ist der Satz möglich: i) Von DIEsem Kuchen habe ich ihm ein Stück geschenkt, und nicht von jenem. ii) Vom Kuchen habe ich ihm EIN Stück geschenkt, und nicht zwei. Kontrastive Lesart löst allerdings, wie ich in Kapitel 5 zeigen werde und wie das folgende Beispiel illustriert, sehr häufig Reparaturmechanismen aus: iii) Er hat doch über SYNtax einige Bücher weggeschmissen, und nicht über Pragmatik.

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dem Nomen inhärent sind. Um die Frage zu beantworten, wie Inkorporation bei Übereinstimmung der semantischen Merkmale schliesslich ausgelöst wird, greife ich auf die in Abschnitt 2.2.2 gemachte Beobachtung zurück, dass nur Nomen die Extraktion ihres Präpositionalattributs zulassen, die über lexikalisch-konzeptuelle Struktur (lcs) verfügen ( zur lcs vgl. Grimshaw 1990, Speas 1990). Davies/Dubinsky (2003: 12f.) vertreten die These, dass picture nouns nur dann über eine lcs verfügen, wenn sie nicht auf das Objekt als solches referieren, sondern auf die Information, die das Objekt enthält. Auch wenn diese These meines Erachtens unpräzise formuliert ist, so zeigt doch das folgende Beispiel, dass relationale Nomen wie das picture noun Buch nicht in jedem Kontext über eine lcs verfügen (vgl. dazu auch 2.2.2, Beispiel 46)): 9)

a) Sie schlägt mit dem Buch auf den Tisch. b) *Sie schlägt mit dem Buch über effektive Reorganisation auf den Tisch. c) Sie weiss nicht, wie sie ihre Firma umstrukturieren soll, aber sie liest ein Buch über effektive Reorganisation.

Da in 9b) das Nomen Buch nicht über eine lcs verfügt, kann es auch nicht ein Themaargument selegieren. In 9c) hingegen ist die lcs aktiviert, sodass die Selektion möglich ist.4 Aus diesen Beobachtungen leite ich folgende These ab, die das Verhältnis von ›Übereinstimmung semantischer Merkmale‹ und Inkorporation bzw. Extraktion umschreibt: Gewisse konkrete Nomen verfügen über eine lcs. Diese wird allerdings erst aktiviert, wenn ein Verb, welches die dazu nötigen semantischen Merkmale aufweist, die lcs auslöst. Das konkrete Nomen erhält dadurch die Lesart eines relationalen Nomens. Verben wiederum können nur Nomen inkorporieren, die in Bezug auf ihre Selektionsmerkmale verbale Merkmale aufweisen, das heisst, sie sind schliesslich nur fähig, Nomen zu inkorporieren, die Argumente zu selegieren vermögen. Durch diese These lässt sich auch der sowohl in De Armand / Hedberg (1999) als auch in Davies/Dubinsky (2003) beschriebene Umstand erklären, dass bei aktivierter lcs nicht auf das Objekt referiert wird, welches das Nomen bezeichnet, sondern dass der ›Inhalt‹ des Objekts fokussiert ist: Aufgrund der Aktivierung der lcs durch das Verb und aufgrund der Inkorportion sind die verbalen Selektionsmerkmale des Verbs und des Nomens verbunden. Die durch das Verb bezeichnete Aktion richtet sich nicht auf das Nomen, sondern auf das Attribut.5 In den folgenden Beispielen ist das Objekt fokussiert, und die Aktion richtet sich auf das Nomen. Die PP ist hier kein Argument sondern ein Modifizierer: 10) a) Otto hat das Buch mit rotem Einband weggeschmissen. b) Otto hat das Buch über Syntax weggeschmissen. Damit abstrakte N-in-V-Inkorporation und letztlich auch Extraktion möglich sind, muss auf verschiedenen Ebenen eine Beziehung der Nähe zwischen den involvierten Elementen ––––––––– 4

5

Eine ähnliche These wie Davies / Dubinsky (2003) vertreten auch De Armand / Hedberg (1999) in Bezug auf so genannte Behälternomen (vgl. 2.2.2, Beispiel 33)). Dies könnte eine Erklärung dafür sein, weshalb in gewissen Fällen das Nomen sogar fehlen darf: i) Otto hat über Maria geschrieben. ii) Ich habe auch über diesen Unfall gelesen.

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etabliert werden: Neben syntaktischer Nähe, die durch die Strukturbeziehung c-Kommando beschrieben werden kann, ist auch semantische und kategoriale Nähe nötig. Semantische Nähe drückt sich dadurch aus, dass die dem Verb inhärenten semantischen Merkmale mit den dem Nomen inhärenten übereinstimmen müssen. Bei deverbalen Nomen wird die semantische Nähe darin sichtbar, dass Nomen und Verb semantisch ein Prädikat bilden, bei nicht-deverbalen Nomen darin, dass ihre lcs aktiviert wird. Die kategoriale Nähe zeigt sich daran, dass das Verb nur Nomen abstrakt inkorporieren kann, die in Bezug auf die Selektionsmerkmale verbale Merkmale aufweisen, indem sie über Argumentselektion verfügen. Die Bezeichnung ›Übereinstimmung semantischer Merkmale‹ erfasst die für Inkorporation nötige Wechselbeziehung zwischen Nomen und Verb: Das Nomen braucht ein Verb mit bestimmten semantischen Eigenschaften, um seine lcs auszulösen, und das Verb braucht ein Nomen mit aktivierter lcs, um inkorporieren zu können.

4.2 Weitere semantische Einflüsse In Abschnitt 4.1 konnte gezeigt werden, dass Inkorporation nur möglich ist, wenn die dem Verb inhärenten semantischen Merkmale mit denen des Nomens übereinstimmen. Folglich ist Inkorporation und damit auch Extraktion ausgeschlossen, wenn Nomen und Verb kein semantisch enges Verhältnis aufweisen. Beispiel 11) zeigt allerdings, dass diese Folgerung für die Extraktion der Auctor-Phrase eines picture nouns, anders als für die der Themaphrase, nicht immer gilt: 11) a) Von seiner Ex-Freundin hat Rudi doch noch alle Briefe zerrissen. b) *Über Politik hat Rudi alle Artikel zerrissen. Nach der in Abschnitt 4.1 erarbeiteten semantischen Bedingung für Inkorporation kann das Verb zerreissen in 11) kein picture noun inkorporieren, da es die dafür nötige semantische Nähe nicht aufweist. Die Asymmetrie in 11) bedeutet entweder, dass (a) die in 4.1 erarbeitete These nicht zutrifft, wonach die DP eine Barriere darstellt, wenn kein enges semantisches Verhältnis zwischen Verb und Nomen vorliegt oder, dass (b) die DP zwar in 5) eine Extraktionsbarriere darstellt, dass jedoch Auctorphrasen diese aus bestimmten Gründen überschreiten dürfen. Die Annahme (a) hätte die folgenden Konsequenzen: Man müsste annehmen, dass der Kopf von Objekt-DPs immer inkorporiert werden kann und dass schliesslich andere Bedingungen als die in 4.1 angegebenen die Extraktionsunfähigkeit des Themaarguments in 5b) bestimmen würden. Sowohl die Formalisierung der Extraktionsbedingungen als auch eine einheitliche Analyse des Phänomens dürften unter diesen Umständen ausgeschlossen sein, denn auch die Extraktion aus der Objekt-DP ist nur der Sonderfall, und wenn diese nicht durch eine formalisierbare Restriktion, wie der in 4.1 genannten Inkorporationsbedingung, erfasst werden kann, läuft der Ansatz Gefahr, mehrere Bedingungen formulieren zu müssen, die nur noch Einzelphänomene erfassen. Eine erklärungsadäquate Analyse scheint mir unter Annahme (a) ausgeschlossen, weil diese zu liberal ist. Daher ist (b) aus theoretischen

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Gründen (a) vorzuziehen. In der folgenden Diskussion werde ich zeigen, dass es auch empirische Indizien dafür gibt, dass Annahme (b) zutrifft. Pafel (1993) geht aufgrund von Asymmetrien wie jener in Beispiel 11) davon aus, dass Extraktion durch eine Theta-Rollen-Hierarchie bestimmt ist. Er nimmt für das Deutsche folgende Hierarchie an: 12) POSSESSOR > AGENS6 > THEMA Wenn eine Theta-Rollen-Hierarchie die Extraktion bestimmen würde, müsste man sich fragen, ob eine lexikalisch-semantische Inkorporationsbedingung überhaupt noch nötig ist, oder ob nicht die Theta-Rollen-Hierarchie die Extraktion aus direkten Objekten steuert. Im Folgenden wird zunächst Pafels Theta-Rollen-Hierarchie diskutiert, wobei ich mich dabei auf die Auctor- und Themaphrase konzentrieren möchte. Diese Einschränkung ist legitim, denn auch Pafel (1993) relativiert seine Hierarchie für Possessorphrasen, da diese aus DPs mit picture nouns nicht extrahierbar sind bzw., wenn sie extrahiert werden, meist als Auctorphrase interpretiert werden: 13) a) Maria hat viele Bücher von Rudi lesen dürfen. (Rudi = POSSESSOR oder AUCTOR) b) Von Rudi hat Maria viele Bücher lesen dürfen. (Rudi = AUCTOR) Im zweiten Teil dieses Abschnitts wird untersucht, was die Asymmetrie in 11) für die bisher aufgestellten Extraktionsbedingungen bedeutet. In Konstellationen, in denen Verb und picture noun eine gewisse semantische Nähe aufweisen, sodass Inkorporation nach den Ausführungen in 4.1 wahrscheinlich ist, sind sowohl Thema- als auch Auctorphrase extrahierbar. Ein Theta-Rollen-Effekt lässt sich in dieser Konstellation auch dann nicht feststellen, wenn beide Phrasen vorhanden sind, zumindest nicht, wenn die Themaphrase keine von-Phrase ist:7 14) a) Über Syntax hat Eva viele Bücher von Chomsky gelesen. b) Von Chomsky hat Eva viele Bücher über Syntax gelesen. Nach Pafel (1993: 214) bestimmt jedoch die Theta-Hierarchie AUCTOR > THEMA die Extraktion dann, wenn es sich bei beiden Phrasen um von-Phrasen handelt, was er mit den folgenden Beispielen zu zeigen versucht. Von-Phrasen sind aufgrund ihrer Lesart ambig. Sie können die thematischen Rollen POSSESSOR, AUCTOR oder THEMA repräsentieren:8 15) a) Von Leonardo mag ich das Bild von der Mona Lisa. b) *Von der Mona Lisa mag ich das Bild von Leonardo. Das Nomen Bild in den Beispielen 15a) und 15b) ist gemäss den Ausführungen in 4.1 nicht in das Verb mögen inkorporiert. Entsprechend ist die Themaphrase auch dann nicht extrahierbar, wenn sie das einzige Attribut ist, wie das folgende Beispiel zeigt: ––––––––– 6 7

8

Die Auctorphrase wird in Pafel (1993) als Agensphrase bezeichnet. Zwar sind diese Sätze für einige Sprecher und Sprecherinnen markiert, jedoch wird die Stufe der Markiertheit für beide Phrasen gleich eingeschätzt. Ich übernehme hier das Grammatikalitätsurteil von Pafel (1993: 214), da hier sein Ansatz erläutert wird. Das Grammatikalitätsurteil von meinen mehrheitlich schweizerischen Informanten ist allerdings nicht so eindeutig wie Pafels. So wird von all meinen Informanten auch 15a) als stark markiert bis zu ungrammatisch gekennzeichnet.

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16) *Über moderne Architektur mag ich viele Bücher. Beispiel 16) belegt, dass die Extraktion der Themaphrase nicht durch die Auctorphrase bzw. nicht durch die Theta-Rollen-Hierarchie verhindert wird, sondern durch die semantische Konstellation. Somit liefert Pafels Beleg keine Evidenz dafür, eine spezifische ThetaHierarchie für von-Phrasen anzunehmen. Um eine thematische Hierarchie bei Extraktion zu belegen, müsste eine Konstellation gewählt werden, in der die Themaphrase im Prinzip extrahiert werden kann. Sie müsste also an Extraktionsasymmetrien in einer ›Inkorporationskonstellation‹ nachgewiesen werden. Nur wenn in dieser Konstellation die Extraktion der Themaphrase durch das Vorhandensein der Auctorphrase blockiert würde, kann eine Theta-Hierarchie angenommen werden. Es zeigt sich allerdings, dass die Realisierung zweier von-Attribute bereits markiert ist, so dass die Extraktion sowohl der Auctor- als auch der Themaphrase als ungrammatisch eingestuft wird: 17) a) ?Rudi hat viele Fotos von Messner vom Himalaya gesehen. b) *Von Messner hat Rudi viele Fotos vom Himalaya gesehen. c) *Vom Himalaya hat Rudi viele Fotos von Messner gesehen. Auch wenn einzelne Sprecher und Sprecherinnen 17b) etwas akzeptabler als 17c) finden, so ergibt sich daraus noch keine Evidenz für die Annahme einer Theta-Hierarchie. Grund für diese leichte Verbesserung der Grammatikalität von 17b) im Vergleich zu 17c) ist, dass die Realisierung einer Themaphrase mit von im Allgemeinen vermieden wird, wenn noch eine Auctorphrase hinzukommt. Der Einfluss der thematischen Rolle auf die Extraktion kann folgendermassen zusammengefasst werden, wobei a) Syntagmen mit Inkorporationsverhältnis von b) Syntagmen ohne Inkorporationsverhältnis unterschieden werden: a)

In Syntagmen mit semantischem und syntaktischem Inkorporationsverhältnis zwischen Verb und Nomen sind sowohl Thema- als auch Auctorphrase gleichermassen extrahierbar, sodass hier nicht von einer Theta-Rollen-Hierarchie die Rede sein kann (vgl. Beispiel 14)). Wenn es sich bei beiden PPs um von-PPs handelt, ist zwar ein leichter Theta-Rollen-Effekt zu beobachten, diese Sätze sind jedoch bereits ohne Extraktion stark markiert, wenn nicht gar ungrammatisch. Vermutlich handelt es sich bei der leichten Asymmetrie in 17) um ein Parsing-Phänomen, welches auf die Ambiguität der von-Phrasen zurückzuführen ist.

b)

Bei der Extraktion in Sätzen, in denen semantisch kein Inkorporationsverhältnis vorhanden ist, lässt sich ein gewisser Theta-Rollen-Effekt nachweisen, wie Beispiel 18) (Wiederholung der Sätze aus 11)) zeigt:

18) a) Von seiner Ex-Freundin hat Rudi alle Briefe zerrissen. b) *Über Politik hat Rudi alle Artikel zerrissen. Da jedoch für andere PP-Extraktionskontexte im Deutschen keine Theta-Rollen-Hierarchie beobachtet werden kann, ist es eher unwahrscheinlich, dass eine solche nur für Asym-

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metrien wie in 18) zu stipulieren ist.9 Es spricht wenig für die Annahme, dass die Extraktion der Themaphrase in 18b) aufgrund ihrer Theta-Rolle verhindert wird. Viel näher liegt die Annahme, dass diese ganz regulär aufgrund der Inkorporationsbedingung ausgeschlossen ist. Nicht 18b), sondern 18a) ist demzufolge die Ausnahme. Diese These wird auch durch den Vergleich der Extraktion aus DPs mit picture noun und der Extraktion aus DPs mit anderen relationalen Nomen gestärkt, denn die semantische Nähe ist ja auch bei diesen Extraktionen eine Inkorporations- und damit Extraktionsbedingung, wie hier vor allem am Beispiel der Extraktion in NVGn klar nachgewiesen werden konnte. Es ist daher wahrscheinlicher anzunehmen, dass die Extraktion der Auctorphrase die Ausnahme darstellt und nicht die Extraktionsunfähigkeit der Themaphrase. Dies bedeutet, dass die semantischlexikalische Inkorporationsbedingung aufrecht erhalten werden kann, dass also die DP auch bei der Extraktion in Nicht-Inkorporationskontexten eine Barriere darstellt. Wie bereits erwähnt, ist diese These theoretisch wünschenswert, denn nur so ist eine restriktive Extraktionsanalyse überhaupt möglich. Die These wird darüber hinaus auch empirisch gestützt, wie die folgenden Ausführungen zeigen. Ohne semantisch-lexikalische Inkorporationsbedingungen müsste angenommen werden, dass die Akkusativobjekt-DP nie eine Barriere darstellt. Dann müsste aber die von-PP immer extrahierbar sein. Dass die Extraktion allerdings nicht immer möglich ist, zeigt das folgende Beispiel: 19) a) *Vom Spiegel zerreisst der Professor viele Artikel über die Rechtschreibreform. b) *Von diesem Journalisten mag der Professor alle Artikel im Wochenblatt. Wenn neben der extrahierten Auctorphrase noch eine Themaphrase wie in 19a) oder ein NAdjunkt wie in 19b) hinzukommt, ist die Extraktion ungrammatisch. Die Extraktion wird auch dann verhindert, wenn im Satz noch eine weitere DP-externe von-Phrase vorkommt: 20) a) Ich habe damals VP[DP[einige Artikel PP[von Chomsky]] PP[von Peter] erhalten]. b) *[Von Chomsky]i habe ich damals VP[DP[einige Artikel ti] PP[von Peter] erhalten]. Strukturell können weitere Argumente des Verbs wie die PP von Peter in 20) die Extraktion aus dem Akkusativobjekt nicht verhindern, wenn dieses tatsächlich transparent für Extraktion wäre. In diesem Beispiel wird die Extraktion wahrscheinlich aus semantischen Gründen blockiert: In einem Satz mit einem Verb, welches eine von-Phrase selegiert, wird eher erwartet, dass das V-Argument, die Donatorphrase, topikalisiert ist als die Attribut-PP. Zwar kann die Phrase von Chomsky topikalisiert werden, wenn die Donatorphrase von Peter fehlt, in diesem Fall wird jedoch die Auctorphrase als Donatorphrase uminterpretiert, sodass es sich in diesen Fällen nicht um Extraktion handelt: 21) a) *PP[Von Chomsky]i habe ich DP[einige Artikel ti] erhalten.

––––––––– 9

Es muss weiter auch bedacht werden, dass eine solche nur die Extraktion aus DPs mit picture nouns beeinflussen würde, bei Extraktionen aus DPs mit anderen Argumentnomen bzw. in NVGn ist noch nie eine Theta-Rollen-Hierarchie beobachtet worden.

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b) PP[Von Chomsky] i habe ich [einige Artikel] ti erhalten. 10 Anders als bei der Extraktion in so genannten ›Inkorporationskonstellationen‹ wird die Extraktion der Auctorphrase bei nicht-inkorporierendem Verb beeinträchtigt, wenn noch ein weiteres von-Argument vorhanden ist. Allerdings verhindert nicht nur eine weitere vonPhrase die Extraktion der Auctorphrase in ›Nicht-Inkorporationskonstellationen‹, sondern Präpositionalphrasen im Satz blockieren allgemein die Extraktion in diesen Fällen: 22) *Von Chomsky hat er einige Artikel im Zug nach Luzern zerrissen. Dieser Effekt wird weder bei der Extraktion der Auctor- noch bei der Extraktion der Themaphrase beobachtet, wenn das Verb zerreissen durch das dem Nomen semantisch näher stehende Verb lesen ausgetauscht wird: 23) a) Von Chomsky hat er einige Artikel im Zug nach Luzern gelesen. b) Über Politik hat er einige Artikel im Zug nach Luzern gelesen. Fassen wir diese Beobachtungen zusammen: Die Extraktion der Auctorphrase in Sätzen ohne lexikalisch-semantisches Inkorporationsverhältnis unterliegt Restriktionen, denen die Extraktion in Sätzen mit solchem nicht unterliegt. Sie ist nur möglich, wenn keine zusätzlichen DP-internen bzw. DP-externen Präpositionalphrasen hinzukommen. DP-interne oder DP-externe PPs haben generell keine Auswirkung auf den Barrierenstatus der DP. Dass weitere Präpositionalphrasen einen Einfluss auf die Extraktion haben, kann auf zwei sich widersprechende Arten erklärt werden: (I)

Die DP in 19), 20b) und 22) stellt eine Barriere für die Extraktion dar. Die Unfähigkeit zur Extraktion ist barrierentheoretisch begründbar. Ist allerdings die DP hier eine Barriere, ist sie auch in 18a) eine, denn dieses Beispiel unterscheidet sich syntaktisch und lexikalisch-semantisch nicht von den ungrammatischen Beispielen 19), 20b) und 22). Die Extraktion in 18a) ist auf nicht-strukturelle Begebenheiten zurückzuführen. Eine mögliche Begründung wäre, dass die Extraktion der von-PP und damit die Übertretung der Barriere aufgrund von semantischen und pragmatischen Einflüssen repariert werden kann, dass also in diesem Fall so etwas wie eine Reanalyse stattfindet. Reanalyse wird jedoch hier als Schnittstellenphänomen betrachtet. Für diese Annahme spricht, dass die Reparatur stark kontextabhängig ist, dass also auch phänomenfremde Elemente den Reparaturmechanismus stören können, was bei strukturell bedingten Mechanismen nicht der Fall ist, wie ich in Abschnitt 6.1 zeigen werde. Dass die Reparatur nur für von-, nicht aber für über-Phrasen möglich ist, könnte mit der Ambiguität der Ersteren zu tun haben.

––––––––– 10

Nach Cinque (1990) handelt es sich bei der von-PP generell um ein optionales Quasi-Argument des Verbs. Es wird hier für die Topikalisierung der von-PP also eine ähnliche Struktur wie in 21b) angenommen. Für das Deutsche lässt sich diese Annahme jedoch nicht übernehmen, denn wenn von-Attribute generell als Quasi-Argumente des Verbs in die Syntax eingeführt würden, sollten sie auch gleich beweglich wie andere Argumente sein. Dies sind sie jedoch nicht. Auch bei Extraktion über eine DP-Barriere hinaus wird ihre Beweglichkeit durch ein hinzukommendes Adjunkt eingeschränkt (vgl. Beispiel 22). Diese Tatsache weist eher darauf hin, dass die Uminterpretation zum Quasi-Argument zwar in manchen Fällen möglich ist, jedoch nicht generell zugelassen ist. In Fällen, in denen diese nicht möglich ist, wird die von-PP innerhalb der DP basisgeneriert.

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(II) Die DP ist in 18a) keine Barriere, was bedeutet, dass sie es auch in 19), 20b) und 22) nicht ist. Dies würde bedeuten, dass Inkorporation und damit der Barrierenstatus der DP nicht semantisch bedingt sind. Diese Annahme verhindert jedoch eine einheitliche Analyse der Extraktionsphänomene. Auch lassen sie sich unter dieser Annahme kaum durch formalisierbare Beschränkungen erfassen, denn den Einfluss DP-externer PPs auf die Extraktionsmöglichkeit durch formalisierbare Bedingungen zu erklären, ist wohl kaum möglich. Diese Annahme, bei der die semantische Inkorporationsbedingung wegfällt, verhindert zudem, dass die Extraktion der über-Phrase im Gegensatz zu ihrer Nicht-Extraktion strukturell erklärt werden kann. Unter diesen Voraussetzungen müssten andere Bedingungen für die Extraktion aus DPs mit picture nouns als für die Extraktion in NVGn oder aus DPs mit anderen Argumentnomen aufgestellt werden, denn vor allem die Extraktion bei NVGn hat gezeigt, dass semantische Nähe durchaus eine Bedingung für Extraktion darstellt. Sowohl aus theoretischen als auch aus empirischen Gründen ist Annahme (I) der Annahme (II) vorzuziehen. Vor allem die Tatsache, dass die Extraktion der Auctor-Phrase in NichtInkorporationskonstellationen sich anders verhält als die ›normale‹ Extraktion und dass sie auch wichtigen grammatischen Prinzipien widerspricht, ist meines Erachtens ein starkes Indiz dafür, dass es sich hier um ein Phänomen handelt, welches nicht der Grammatikkomponente zuzurechnen ist. Gestärkt wird diese Annahme nicht zuletzt dadurch, dass schliesslich auch die Extraktion von von-PPs wie in 18a) nicht so eindeutige Grammatikalitätsurteile erfährt. Wie ich in Kapitel 6 zeigen werde, weist das Phänomen der Extraktion von Auctophrasen mehrere Eigenschaften auf, die für Ausdrücke typisch sind, die ausserhalb der Grammatikkomponente repariert werden. Da solche Ausdrücke nicht den grammatischen Prinzipien folgen, können sie nicht als Argument gegen diese verwendet werden. Die in 4.1 vorgeschlagenen Inkorporationsbedingungen werden daher im Folgenden aufrecht erhalten. Fazit Es hat sich in diesem Kapitel gezeigt, dass die Extraktion durchaus semantischen Einflüssen unterliegt. Die semantische Beziehung zwischen Nomen und Verb hat einen grossen Einfluss auf die Inkorporationsmöglichkeit. Damit hat der semantische Einfluss einen syntaktischen Effekt, was erklärt, weshalb sie auch die Grammatikalität eines Ausdrucks mitbestimmt. Der Einfluss der thematischen Rolle der PP auf ihre Beweglichkeit ist allerdings nur sehr klein. Die Annahme, dass die Extraktion durch Theta-Hierarchien bestimmt wird, konnte nicht nachgewiesen werden. Einzig bei der Extraktion aus DPs mit picture noun konnte beobachtet werden, dass die Auctorphrase die DP-Barriere unter sehr restringierten Bedingungen übertreten darf. Es hat sich allerdings gezeigt, dass es sich dabei um ein Reparatur-, also um ein Schnittstellenphänomen, handelt. Ungrammatische Extraktionen mit Auctorphrasen sind also leichter reparabel als solche mit Themaphrasen, was wohl aller Wahrschienlichkeit nach damit zusammenhängt, dass Auctorphrasen als von-Phrasen realisiert werden, welche aufgrund ihrer Abiguität leichter uminterpretiert werden können.

5 Pragmatische Faktoren

In diesem Kapitel werden die unter 1.3 nur kurz angedeuteten pragmatischen Effekte genauer beschrieben. Extraktion ist, wie bereits mehrfach gesehen, kontextsensitiv. Allerdings müssen zwei verschiedene pragmatisch bedingte Effekte unterschieden werden: (I) Im ersten Fall handelt es sich darum, dass Extraktion nicht in allen Kontexten gleich angemessen ist, wie das Beispiel 44) aus Kapitel 1, hier wiederholt als 1), zeigt. Die Äusserung 1a) ist zwar im isolierten Gebrauch grammatisch, im gegebenen Kontext allerdings unangemessen, was durch # signalisiert wird: 1)

Rudi war gestern im Kino. a) #PP[Über die Antarktis]i hat er DP[einen Dokumentarfilm ti] gesehen.

(II) Im zweiten Fall handelt es sich um Sätze, die kontextfrei als ungrammatisch einzustufen sind, deren Grammatikalitätsgrad jedoch durch Einbettung erhöht werden kann, wie die folgende Asymmetrie illustriert, die Fanselow (1991: 185) entnommen ist: 2)

*Über Chomsky hat Britt alle Bücher zerrissen.

3)

Schau her, was Britt, deine Tochter, mit meiner Biographiensammlung angestellt hat! Die Bücher sind zerrissen, bemalt und mit Brei bekleckert! Zwei meiner Bände über Carnap sind entzwei! Drei von meinen Biographien über Bloomfield sind zerfetzt und über Chomsky hat sie sogar alle Bücher zerrissen.

Ziel dieser Arbeit ist es, die PP-Extraktion als Gesamtphänomen zu erfassen. Dazu gehören auch die in bewegungstheoretischen Arbeiten häufig ausgeblendeten pragmatischen Faktoren, die, wie die Beispiele zeigen, einen nicht wegzudiskutierenden Einfluss auf die PPExtraktion haben. Der Grund für diese Ausklammerung liegt in der Annahme generativer Theorien, wonach Grammatik und Pragmatik zwei voneinander unabhängige, autonome Module sind. Dass eine Interdependenz zwischen Grammatik und Pragmatik besteht, wird zwar kaum bestritten, denn einerseits werden – wie auch die obigen Beispiele zeigen – pragmatische Funktionen mithilfe von grammatischen Strukturen realisiert, andererseits können auch grammatische Strukturen nur als pragmatische Einheiten aktualisiert werden. Allerdings ist unklar, wie die Prinzipien des grammatischen und des pragmatischen Moduls miteinander interagieren. Vor allem fragt sich, wie diese Interaktion formal zu begründen ist. Bevor jedoch der Einfluss pragmatischer Faktoren auf die Extraktion formal erfasst werden kann, muss er zunächst systematisch beschrieben werden. Dabei konzentriere ich mich auf Beispiele des Typs 1), denn nur hier ist der Einfluss pragmatischer Faktoren systematisch. Er lässt sich anhand der Regularitäten der Informationsstruktur bzw. anhand der Interaktion von Informationsstruktur und Prosodie beschreiben. In 5.1 werden daher zunächst diese Regularitäten vorgestellt. Ich beziehe mich dabei auf die Untersuchungen von Molnár (1993), Uhmann (1991) und Féry (1993). Die aus diesen Arbeiten entstandenen Modelle bilden die Basis für die Analyse zum Zusammenhang von Informationsstruktur, Prosodie und Extraktion. In 5.2 wird dann anhand unterschiedlicher Theorien diskutiert,

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wie der Einfluss von Informationsstruktur und Prosodie auf die Syntax formal beschrieben werden kann. Es zeigt sich bei kritischer Anwendung der Theorien auf die PP-Extraktion, dass keine von ihnen die Komplexität dieser Interaktion erfassen, dass jedoch jede einen Teilbereich beschreiben kann. Aus der Beschäftigung mit den unterschiedlichen Theorien lassen sich Thesen zum Einfluss informationsstruktureller und prosodischer Prinzipien auf die PP-Extraktion ableiten. Diese bilden dann die Basis für die in Kapitel 6 präsentierte Analyse des Gesamtphänomens. Der Einfluss pragmatischer Faktoren auf die Verbesserung der Grammatikalität, wie er in Beispiel 3) dargestellt ist, wird in Kapitel 6 behandelt.

5.1 Einfluss der Informationsstruktur Sätze werden geäussert, um Informationen zu vermitteln, und wie bereits unter 3.1.5 angedeutet, sind Sätze auch informationsstrukturell gegliedert. So konnte der Spezifizitätseffekt dadurch erklärt werden, dass definite DPs aufgrund informationsstruktureller Bedürfnisse meist aus der vP herausgescrambelt werden müssen und einen Freezing-Effekt auslösen. Begründet wurde dies dadurch, dass der Satz in zwei verschiedene informationsstrukturelle Bereiche aufgeteilt ist. Nach Lambrecht (1994) handelt es sich dabei um einen Fokus- und einen Topikbereich, wobei im Fokusbereich jene Elemente positioniert sind, die neue Information beisteuern, im Topikbereich hingegen jene, die bereits in den Diskurs eingeführt bzw. für die Diskursteilnehmer eindeutig identifizierbar sind. Da definite DPs im typischen Fall keine neuen Diskursreferenten einführen, müssen sie in den Topikbereich oberhalb der VP oder der vP gescrambelt werden. Die in 3.1.5 angedeutete Darstellung der informationsstrukturellen Gliederung des Satzes wird im folgenden Abschnitt 5.1.1 präzisiert, vor allem werden hier nun die Begriffe Fokus und Topik klarer definiert. Ich folge bei der Beschreibung der informationsstrukturellen Gliederung der Theorie von Molnár (1993). Dabei wird sich zeigen, dass die in 3.1.5 beschriebene Aufteilung in zwei komplementäre Kategorien Topik und Fokus nicht ausreicht, um die informationsstrukturellen Gliederungsmöglichkeiten zu erfassen. Die informationsstrukturelle Gliederung des Satzes ist eng mit dessen Prosodie verbunden, sie kann durch die Intonation markiert werden. Der Zusammenhang von Intonation und Informationsstruktur wird unter 5.1.2 erläutert, wobei ich mich dabei auf die für PPExtraktion relevanten Sachverhalte beschränken werde. Die in 5.1.1 und 5.1.2 dargelegten Hintergründe bilden die Basis für die Untersuchung des informationsstrukturellen Einflusses auf die PP-Extraktion in 5.1.3. Durch die strikte Trennung von Fokus-HintergrundGliederung und Topik-Kommentar-Gliederung unterscheidet sich meine Beschreibung der informationsstrukturellen Bedingungen für die Extraktion teilweise von jener De Kuthys (2002). Dabei zeigt sich, dass erst eine konsequente Unterscheidung in satzgebundene und kontextgebundene Informationsstruktur die Basis für eine umfassende Analyse des Phänomens bilden kann.

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5.1.1 Informationsstrukturelle Gliederung des Satzes (Molnár 1993) Die informationsstrukturelle Gliederung eines Satzes kann sowohl diskurs- als auch satzbezogen vorgenommen werden. In Bezug auf den Diskurs kann ein Element »neue«, im Kontext nicht vorhandene Information vermitteln oder es kann »alte«, im Kontext bereits genannte Information enthalten, wobei »neue« Information dem Fokus zugeordnet wird und »alte« dem Hintergrund. Wie wir bereits unter 3.1.5 gesehen haben, müssen die Begriffe »neu« und »alt« präzisiert werden. Nach Molnár (1993: 164) wird »die Abgrenzung der Bereiche des Hintergrunds und des Fokus aufgrund der vom Sender entschiedenen ›Relevanz‹ durchgeführt«. Auch Lambrecht (1994) hat gezeigt, dass ein Element nicht einen neuen Diskursreferenten einführen muss, um im Fokus zu stehen. Ein Element ist dann relevant und kann im Fokusbereich sein, wenn es einen neuen Aspekt beinhaltet (vgl. dazu auch 3.1.5). Ich gehe zusammen mit Féry (1993) von der Annahme aus, dass eine Konstituente bzw. ein Teil einer Konstituente ein Fokusmerkmal [+F] erhält. Eine solche Konstituente bildet dann die Fokusdomäne, wobei alle Elemente darin fokusmarkiert sind. Nicht-fokusmarkierte Elemente gehören zum Hintergrund. Die folgenden Sätze illustrieren die Fokus-Hintergrund-Gliederung (FHG), wobei der Fokus mithilfe des Fragetests ermittelt wird: Die erfragte Konstituente bildet den Fokus:1 4) 5) 6)

Gibts was Neues? a) [Rudi und Marta gehen zusammen ins KIno.]F

Fokusdomäne = CP

Was macht Rudi? a) [Rudi]H [geht mit Marta ins KIno.]F

Fokusdomäne = VP

Wohin gehen Rudi und Marta? a) [Sie gehen]H [ins KIno.]F

Fokusdomäne = PP

Beispiel 4) könnte auch ein textinitialer Satz sein. Er besitzt keinen Hintergrund, da alle Elemente neu eingeführt werden. Kontextbezogen besitzt der Satz nur einen informationsstrukturellen Bereich. Satzbezogen, also auf einer anderen Strukturierungsebene, kann jedoch auch 4) informationsstrukturell unterteilt werden: Mit dem Subjekt Rudi und Marta wird ein Interpretationsrahmen (= Topik) gesetzt, der durch den Kommentar ausgefüllt wird. Das Topik bildet den Satzgegenstand, das, worüber etwas ausgesagt wird. Beispiel 7) zeigt, dass die Topik-Kommentar-Gliederung in die Fokus-Hintergrund-Gliederung eingebettet sein kann. 7)

Gibts was Neues? a) [[Rudi und Marta]T [gehen zusammen ins KIno.]K]F

Fokus und Topik sind diesem Modell zufolge nicht wie bei Lambrecht (1994) zwei komplementäre Kategorien.2 Ein Topik gehört zwar häufig zum Hintergrund, es kann je––––––––– 1

2

Die informationsstrukturellen Bereiche Fokus–Hintergrund und weiter unten auch Topik-Kommentar werden durch eckige Klammern angegeben, die mit den entsprechenden Initialbuchstaben indiziert sind. Die fokusakzenttragende Silbe wird mit Grossbuchstaben signalisiert. Lambrecht (1994) definiert Topik sowohl als aboutness-Topik (Gegenstand worüber etwas ausgesagt wird) als auch als familiarity-Topik. Das familiarity-Topik entspricht nach Molnárs Konzept dem Hintergrund.

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doch durchaus auch zum Fokusbereich gehören, bzw. ein Fokus kann unter bestimmten Bedingungen auch gleichzeitig ein Topik sein, wie folgendes Beispiel von Molnár (1993: 167) zeigt (vgl. dazu auch weiter unten): 8)

Was ist das für eine Demonstration? a) [[UMweltschützer]F]T [[demonstrieren]H [gegen den BRÜCKenbau.]F]K

TKG und FHG gehören, wie Molnár (1993) gezeigt hat, unterschiedlichen Ebenen der kommunikativen Strukturierung des Satzes an und sind daher auch nicht komplementär verteilt.3 Topik und Fokus nehmen auf verschiedene Aspekte der Informationsstruktur Bezug. Allerdings unterliegt die Kompatibilität von Topik und Fokus bestimmten Restriktionen. Ein fokussiertes Element kann nur gleichzeitig auch als Topik fungieren, wenn das fokusmarkierte Topik, wie in 4), in einen grösseren Fokusbereich integriert ist oder wenn, wie in 8), eine mehrteilige Fokusstruktur vorliegt. Diese Struktur wird obligatorisch durch einen zusätzlichen Topikakzent begleitet (vgl. dazu 5.1.2). Allerdings kann eine topikalisierte, minimal fokussierte Konstituente (≠ Subjekt) nicht am Satzanfang stehen und den Satzfokus bilden, wie das folgende Beispiel von Molnár (1993: 168) illustriert:4 9)

Wen besucht Peter in Bonn? a) #[Seinen BRUder]F [besucht er.]H

Die minimal fokussierte topikalisierte Konstituente in 9) erhält Kontrastfokus: 10) Seinen BRUder besucht er (nicht seinen Opa). Die obigen Beispiele zeigen, dass Informationsstruktur und Intonation eng miteinander verbunden sind. Diese Interaktion wird im folgenden Abschnitt näher betrachtet.

5.1.2 Informationsstruktur und Intonation Die Informationsstruktur kann auf verschiedene Weisen markiert werden. Im vorherigen Abschnitt und auch unter 3.1.5 sind wir bereits den beiden für das Deutsche relevanten Strategien zur Markierung der Informationsstruktur begegnet: Wortstellung und Prosodie.

––––––––– 3

4

Neben der TKG auf der sachbezogenen Darstellungsebene und der FHG auf der senderbezogenen Ebene nimmt MOLNÁR (1993) auf der Empfängerebene noch die informationsstrukturelle ThemaRhema-Gliederung an, die die Opposition ›neu‹–›alt‹ auf Empfängerebene beinhaltet. Diese Ebene wird hier vernachlässigt, da für die Extraktionsdaten vor allem die Abgrenzung der FHG und der TKG wichtig sind. Wenn allerdings die Topikalisierung der Disambiguierung dient, ist sie meines Erachtens möglich (vgl. auch 5.1.2): Worüber hat Peter ein Buch geschrieben? i) Über ExtrakTIOnen hat er ein Buch geschrieben. ii) Er hat ein Buch über ExtrakTIOnen geschrieben. Der Satz ii) ist in Bezug auf die Fokusinterpretation ambig. Diese Konstruktion wird unter 6.2 näher analysiert.

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Topiks befinden sich beispielsweise meist in satzinitialer Position,5 wobei ein satzinitiales Element nicht zwingend ein Topik sein muss.6 Auch haben wir gesehen, dass Objekte, die nicht Fokus sind, oberhalb der VP positioniert bzw. aus der VP herausgescrambelt werden. Es stellt sich unter diesen Voraussetzungen natürlich die Frage, ob die Satzstruktur über informationsstrukturelle Positionen wie TopP (Topikphrase) oder FP (Fokusphrase) verfügt. Dieser Frage wird unter 5.2.1 nachgegangen. Hier wird zunächst die Interaktion von Informationsstruktur und Intonation näher betrachtet. Fokus wird im Deutschen durch Akzentuierung markiert. Innerhalb einer Fokusdomäne können fakultativ alle lexikalischen Elemente einen Akzentton tragen, wie das aus Uhmann (1991: 221) entnommene Beispiel 11) zeigt: 11) Was ist geschehen? a) [KARL hat dem KIND ein BUCH geschenkt.]F b) [Karl hat dem Kind ein BUCH geschenkt.]F Allerdings kommt einem Element innerhalb einer Fokusdomäne obligatorisch ein Akzentton zu, hier dem Nomen Buch, wie Beispiel 11b) zeigt. Dieses Element trägt auch in 11a) den stärksten bzw. prominentesten Akzent, was durch Unterstreichung angezeigt ist. Dieser prominente Akzentton, auch ›nuklearer‹ Akzent genannt, kommt also innerhalb einer Fokusdomäne nur einem Element zu, und zwar jenem Element, welcher als Fokusexponent ermittelt wird. Es darf nur eine fokusmarkierte Konstituente als Fokusexponent ermittelt werden und keine Hintergrundkonstituente. Dies geht aus einer Beschränkung hervor, die bereits Selkirk (1984) definiert hat und die hier adaptiert wird: Fokusprominenzregel: Die prominenteste Konstituente ist ein Fokus. Die Fokusdomäne kann eng sein und sich auf das Wort beschränken, welches den Akzent trägt, wie in 12), sie kann allerdings auch weit sein und beispielsweise den ganzen Satz beinhalten, wie in 11), oder die VP, wie in 13): 12) Wem hat Karl das Buch geschenkt? a) Er hat das Buch [dem KIND]F geschenkt. ––––––––– 5

6

Frey (2000) bestreitet, dass Satztopiks zwingend satzinitial positioniert sind. Er versucht, oberhalb des Satzadverbs im Mittelfeld eine weitere Topikposition nachzuweisen. Hintergrundkonstituenten, die im Mittelfeld oberhalb des Satzadverbials positioniert sind, können tatsächlich eine worüber-Relation ausdrücken (FREY 2000: 140): Ich erzähl dir mal was von Otto. i) Nächstes Jahr wird Otto wahrscheinlich seine Kollegin heiraten. Diese worüber-Interpretation ist jedoch nur durch den Kontext möglich und nicht bei satzbezogener Betrachtung. Es handelt sich also bei Frey (2000), anders als bei Molnár (1993), beim (Mittelfeld-)Topik um ein kontextbezogenes Topik. In einem Satz wie »Peter kommt.«, der holistisch verarbeitet wird, wird kein Element ausgezeichnet, über das die Prädikation erfolgt. Auch thetische Sätze gelten als Paradebeispiel für topikfreie Konstruktionen. In unserem Zusammenhang sind jedoch weder holistisch verarbeitete Sätze noch thetische Sätze relevant.

131

13) Was hat Karl gemacht? a) Er hat [dem Kind das BUCH geschenkt.]F Ein Satz mit weitem Fokus ist in Bezug auf die Fokusinterpretation ambig. Dies zeigt Beispiel 14). Der Satz in 14) kann eine Anwort auf alle in 15) aufgeführten Fragen sein. Dies bedeutet, dass alle in 16) dargestellten Foki möglich sind: 14) Otto kauft ein Buch über PINguine. 15) a) b) c) d)

Welches Buch kauft Otto? Was kauft Otto? Was macht Otto? Was läuft da ab?

16) a) b) c) d)

Fokus 1 = Attribut-PP (über PINguine) Fokus 2 = DP (ein Buch über PINguine) Fokus 3 = VP (kauft ein Buch über PINguine) Fokus 3 = CP (Otto kauft ein Buch über PINguine.)

Grund für diese Ambiguität ist, dass in diesem Satz im Sinne von Höhle (1982) Normalbetonung vorliegt. Normalbetonung liegt nach Höhle (1982:141) dann vor, wenn ein Satz »bei geeigneter Betonung die meisten möglichen Foki [aufweist], d.h. in den meisten Kontexttypen vorkommt«. Wenn der ganze Satz die Fokusdomäne bildet, liegt automatisch Normalbetonung vor. Nun fragt sich allerdings noch, wie ein Fokusexponent bei weitem Fokus, also dann, wenn mehrere Konstituenten im Fokus sind, ermittelt wird.7 Betrachtet man die Darstellungen in 16), wo die akzenttragende Silbe des Fokusexponenten innerhalb der Fokusdomäne mit Grossbuchstaben markiert ist, könnte man von der Annahme ausgehen, dass jeweils das letzte Element der Fokusdomäne als Fokusexponent ermittelt wird. Dem widersprechen allerdings Sätze mit Verb-Endstellung wie diejenigen in 11) und 13), hier wiederholt als 17) und 18): 17) Was ist geschehen? a) [Karl hat dem Kind das BUCH geschenkt.]F 18) Was hat Karl gemacht? a) Karl hat [dem Kind das BUCH geschenkt.]F Das Verb ist in beiden Beispielen in die Fokusdomäne integriert. Trotzdem wird es nicht als Fokusexponent ermittelt. Uhmann (1991: 215/274) erfasst dieses Phänomen mit einer Fokusprojektionsregel für Prädikat-Argument-Strukturen:8

––––––––– 7

8

Bei engem Fokus wird nicht von Fokusexponent gesprochen, sondern von Fokuskonstituente. Hier fällt der prominenteste Akzent dem letzten Element der Konstituente zu. Diese Fokusprojektionsregel geht auf die Nuclear Stress Rule von Selkirk 1982 und Chomsky/Halle 1968 zurück.

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Fokusprojektionsregel I (Uhmann 1991: 215/274): In einer Struktur [F … α … β …] oder [F … β … α …], in der α Argument von β ist, fungiert α als Fokusexponent, wenn es das am weitesten rechts stehende interne Argument von β ist. Dieser Regel zufolge wird in einer Prädikat-Argument-Struktur, in der ein oder mehrere Argumente und das Prädikat im Fokus stehen wie in 17) und 18), das am weitesten rechts stehende interne Argument, hier das direkte Objekt das Buch, als Fokusexponent ermittelt, wobei der Akzentton der prominentesten Silbe zukommt.9 Diese Regel legt allerdings noch nicht fest, wie der Fokusexponent ermittelt wird, wenn wie in 14), 16c) und 16d) das Prädikat zusammen mit einem komplexen Argument oder wenn, wie in 16b), eine komplexe DP im Fokus liegt. Für solche Fälle definiert Uhmann (1991: 208/274) die folgende Fokusprojektionsregel: Fokusprojektionsregel II (Uhmann 1991: 208/274): In einer Struktur [F …α …β…] oder [F… β…α …], in der α Modifikator ist, ist immer die letzte der beiden Konstituenten α und β der Fokusexponent. Uhmann (1991) bezeichnet alle N-Attribute als Modifikatoren, egal ob theta-markiert (wie die PP in 14)) oder nicht (wie beispielsweise attributive Adjektive). Diese Fokusprojektionsregel für ›Modifikator‹-Kopf-Strukturen erklärt nun die Intonationsverhältnisse in 14) und 16). Die Fokusprojektionsregel für Prädikat-Argument-Strukturen ermittelt in 16c) und 16d) das komplexe direkte Objekt ein Buch über Pinguine als Fokusexponent. Die Fokusprojektionsregel für ›Modifikator‹-Kopf-Strukturen ermittelt dann das am weitesten rechts stehende Element Pinguine als Fokusexponent, weshalb seine prominenteste Silbe den nuklearen Akzent trägt. Für Beispiel 16b) kommt alleine die Fokusprojektionsregel für ›Modifikator‹-Kopf-Strukturen zum Zug. Nun haben wir an Beispiel 11b) gesehen, dass innerhalb einer Fokusdomäne nur ein Akzentton verteilt werden kann. Der ganze Fokusbereich bildet dann eine Akzentdomäne (AD), wie in 19a) durch Klammern angezeigt: 19) Was ist geschehen? a) AD[Karl hat dem Kind ein BUCH geschenkt.]F

––––––––– 9

Eine Ausnahme dieser Regel bilden Sätze, in denen die Fokusprojektionsregeln keinen Fokusexponenten bestimmen können. Uhmann (1991: 225f.) zeigt, dass es gewisse Verben gibt, wie beispielsweise in i) beneiden, die keinen Fokusexponenten auswählen, sodass sie obligatorisch eigene Akzentdomänen für Prädikat und Argument bilden müssen. In diesen Fällen kommt allen Argumenten und auch dem Prädikat obligatorisch ein Akzentton zu (AD = Akzentdomäne): Warum ist Maria sauer? i) Weil sie [AD1[ihren FREUND] AD2[beNEIdet].]F Da solche Verben in Zusammenhang mit der PP-Extraktion nicht vorkommen, wird nicht näher auf diese Sätze eingegangen.

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Nach Uhmann (1991) liegt integrierende Akzentuierung wie in 19a) dann vor, wenn mehrere Konstituenten in eine Akzentdomäne integriert sind. Wir haben in 11a) jedoch gesehen, dass es bei Normalbetonung auch möglich ist, den Fokusbereich in mehrere Akzentdomänen aufzuteilen. Uhmann (1991) spricht in diesem Fall von fakultativer isolierender Akzentuierung: 20) Was ist geschehen? a) [AD1[KARL] AD2[hat dem KIND] AD3[das BUCH geschenkt].]F Obschon der Fokusbereich in mehreren Akzentdomänen aufgeteilt wird, fällt nur einem Element der prominente Akzent zu. Der Fokusexponent wird in der letzten Akzentdomäne ermittelt. Dies wird durch Uhmanns Prinzip der Endakzentstärkung vorausgesagt (Uhmann 1991: 229): Bei isolierender Akzentuierung, d.h. bei mehreren Konstituenten mit jeweils eigenem Akzentton, erhält die am weitesten rechts stehende von diesen Konstituenten einen Schlag mehr als die anderen Akzentton-Konstituenten.

Ein nuklearer Akzent bildet phonologisch den Kern einer Intonationsphrase (IP). Das bedeutet, dass in 20) genau gleich wie in 19) nur eine Intonationsphrase gebildet wird, wobei der Fokusexponent die prominenteste Konstituente darin sein muss (vgl. Uhmann 1991: 229). Mithilfe der Begriffe der Akzentdomäne und der Intonationsphrase lässt sich Uhmanns Prinzip einfacher formulieren:10 Prinzip der Rechts-Prominenz: Innerhalb einer Intonationsphrase wird der nukleare Akzent dem prominentesten Element seiner finalen Akzentdomäne zugewiesen. Dieses Prinzip erklärt zusammen mit der Fokusprominenzregel, weshalb in einer Struktur, in der ein Element im Vorfeld eng fokussiert wird – wie das Subjekt in 21) –, keine weiteren Elemente einen Akzentton tragen dürfen: 21) Wer wird dem Kind ein Buch schenken? a) IP(AD1[KARLF wollte ihm ein Buch schenken.]) b) #IP(AD1[KARL]F AD2[wollte ihm ein BUCH schenken.]) In 21b) ist das direkte Objekt akzentuiert, obschon es zum Hintergrund gehört. Dies ist allerdings nicht der Grund, weshalb die Konstruktion ausgeschlossen ist. Wie das folgende Beispiel zeigt, können auch Hintergrundkonstituenten Akzentdomänen bilden, sie dürfen nur keinen prominenten Akzent tragen: 22) Was schenkt Karl dem Kind? a) IP([AD1[KARL] AD2[schenkt dem KIND]]H AD3[ein BUCH.]F) 21b) verletzt das Prinzip der Rechts-Prominenz indem der nukleare Akzent nicht innerhalb der finalen Akzentdomäne der IP zugewiesen wird. Dieser kann da allerdings nicht zuge––––––––– 10

Dieses Prinzip entspricht der Beschränkung IP-HEAD-RIGHT von Büring (2001). Vgl. dazu auch 5.3.

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wiesen werden, weil nur Fokuselementen der nukleare Akzent zukommen darf und nicht Hintergrundelementen. In einem anderen Kontext ist ein Satz mit einer ähnlichen Intonation wie in 21b) jedoch möglich, wie das folgende Beispiel zeigt: 23) A: Wer wird dem Kind was schenken? B: Ich weiss nicht, wer was schenken wird, a) IP(AD1[aber KARL]F AD2[schenkt ihm bestimmt [ein BUCH]F].) In diesem Satz gibt es zwei rhythmisch etwa gleich starke Akzentpositionen. Der Satz weist zwei enge Foki auf, Karl und ein Buch. Jedem Fokusbereich kommt ein prominenter Akzent zu. Dies widerspricht eigentlich dem Prinzip der Rechts-Prominenz, denn rechts von einer AD mit prominentem Akzent befindet sich nochmals eine AD. Das Prinzip der Rechts-Prominenz ist nur dann nicht verletzt, wenn beide Akzentdomänen jeweils eine eigene Intonationsphrase bilden, deren Kern ein nuklearer Akzent ist. Gegen diese Annahme spricht jedoch, dass den beiden Akzentpositionen jeweils unterschiedliche Akzente zukommen. Der nukleare Akzentton zeichnet sich nach Féry (1993) dadurch aus, dass er zweitonig ist und einen sinkenden Tonfall aufweist (H*L). Diesen Akzentton hat in 23) nur die zweite Akzentposition Buch, die erste hat einen steigenden zweitonigen Akzentton (H*L). Dies bedeutet, dass 23) zwar zwei prominente Akzentpositionen hat, jedoch nur die letzte den Nukleus bildet. Die IP in 23a) umfasst entsprechend den ganzen Satz. Die Frage, wie bei Vorhandensein einer einzigen IP trotzdem zwei Akzentdomänen mit jeweils prominenten Akzenten gebildet werden können, erklärt Féry (1993) damit, dass Intonationsphrasen in mehrere Zwischenintonationsphrasen (iP) aufgeteilt sein können. Kern dieser Zwischenintonationsphrasen ist jeweils ein prominenter Akzent, wobei der Kern der ersten iP Karl einen steigenden pränuklearen Akzent erhält (durch ›/‹ vor der Akzentsilbe angezeigt) und der Kern der finalen iP Buch einen sinkenden nuklearen Akzent (durch ›\‹ angezeigt):11 24) Ich weiss nicht, wer was schenken wird, … a) IP(iP([aber /KARL]F) iP(schenkt ihm bestimmt [ein \BUCH]F)). 24) ist gleich wie Beispiel 8) ein Satz mit einem mehrteiligen Fokus, wobei der erste Fokus nach Molnárs Modell auch ein Topik ist. Die Realisierung des pränuklearen Akzents zur Markierung des Topiks ist in diesem Fall obligatorisch. Allerdings weisen nicht nur Konstruktionen mit mehrteiligem Fokus einen steigenden pränuklearen Akzent auf. Nach Féry (1993) sind solche so genannten ›Hutkonturen‹ auch bei topikalisierten Konstituenten üblich, wie sie anhand der im Folgenden abgedruckten Beispiele mit topikalisiertem Verb bzw. topikalisierter VP zeigt (Féry 1993: 129):12 25) IP(iP(Ge/SCHLAFen) iP(hat \KEIner von uns)). Mit der angegebenen Betonung kann der Satz 25) eine Antwort auf die Frage Wer (von uns) hat geschlafen? repräsentieren. Im Fokus liegt damit die Konstituente keiner oder keiner ––––––––– 11

12

Im Folgenden werden der Einfachheit halber nur einfache Sätze mit maximal 2 iPs betrachtet. Es können allerdings auch mehr als zwei iPs in einer IP enthalten sein. Die Akzentverteilungen sind in diesem Fall etwas komplizierter, so können beispielsweise bei Aufzählungen auch mehrere Elemente einen zweitonigen sinkenden Akzentton haben (vgl. dazu Féry 1993). In Abweichung zu Féry (1993), allerdings in Anlehnung an JACOBS (1997), wird das Akzentton– zeichen vor der Akzentsilbe notiert.

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von uns. Die topikalisierte Konstituente gehört zum Hintergrund, ist aber ein worüberTopik und wird auch intonatorisch als solches markiert.13 Als weitere Konstruktion mit Hutkontur nennt Féry (1993) die so genannten i-Topikalisierungen (Beispiel aus Jacobs 1997: 92): 26) A: Kann man denn alle Romane von Grass empfehlen? B: Na ja, /ALle kann man sicher \NICHT empfehlen (aber sein ERSter ist zweifellos ein MEISterwerk).14 I-Topikalisierungen weisen nach Jacobs (1997: 92) neben den angegebenen intonatorischen Eigenheiten die folgenden prototypischen Eigenschaften auf: – – – –

Die erste Akzentposition liegt im Vorfeld, die zweite im Mittelfeld. Sie provozieren häufig eine adversative Ergänzungsäusserung (in Klammern angegeben), wobei zu jedem akzentuierten Satzteil eine inhaltliche Alternative genannt wird. Die zweite Hervorhebung markiert neue Information, die erste gehört zum Hintergrund und ist ein Topik. Die beiden hervorgehobenen Satzteile stehen in einer inversen Skopusbeziehung: Die Negation in 26) hat Skopus über den Allquantor.

Von den I-Topikalisierungen zu unterscheiden sind nach Jacobs (1997) so genannte ISpezifizierungen (Beispiel aus Jacobs 1997: 101): 27) Ich glaube, dass man /JUgendlichen vor allem \EInen Roman von Grass empfehlen kann (nämlich die »HUNdejahre«). Anders als I-Topiks können i-spezifizierte Konstituenten auch in Mittelfeld-Positionen stehen. Zudem provoziert I-Spezifizierung nicht wie I-Topikalisierung Alternativen zum Determinator, sondern zur ganzen NP. Es handelt sich auch nicht um adversative Alternativen, sondern um solche, die wie im obigen Beispiel den intendierten Referenten durch nämlich näher festlegen. Der in 5.1.1 und 5.1.2 gegebene Überblick über die Interaktion von Intonation und Informationsstruktur beschränkt sich auf jene Sachverhalte, die für die PP-Extraktion relevant sind. Er ist daher nicht vollständig. Im folgenden Abschnitt wird auf der Basis der obigen Ausführungen untersucht, unter welchen Bedingungen Extraktion möglich ist. Die folgende Beschreibung der Bedingungen weicht dabei teilweise von jener De Kuthys (2002) ab. De Kuthy konzentriert sich vor allem auf die FHG. Als Topik zeichnet sie nur I-Topiks aus, sodass sie die Interaktion von FHG und TKG nicht erfasst. Da, wie sich zeigen wird, gerade die TKG-Ebene zur Lizenzierung der Extraktion entscheidend ist, werde ich beide Ebenen in die Untersuchung miteinbeziehen. ––––––––– 13

14

Eine Ausnahme bilden hier Parallelantworten wie in FN 4): Worüber hat er ein Buch gelesen? i) Über Syntax hat er ein Buch gelesen. Eine erfragte Konstituente kann in diesem Fall auch nur Fokus sein. Es handelt sich hier allerdings um eine Ausnahmekonstruktion. Diese wird unter 6.2 diskutiert. Nach Jacobs (1997) weist der erste Akzent eine so genannte Wurzelkontur auf, die er nicht durch ›/‹, sondern durch √ notiert.

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5.1.3 Einfluss der Informationsstruktur auf die Extraktion Die Untersuchung zum Einfluss der Informationsstruktur und der Intonation auf die Extraktion wird mit dem folgenden Beispiel exemplarisch durchgeführt, wobei je nach Kontext gewisse Modifikationen vorgenommen werden: 28) Rudi hat DP[ein Buch PP[über moderne Kunst]] gelesen. Dabei werden nur informationsstrukturelle Kategorien wie T = Topik und F = Fokus bzw. prosodische Kategorien (IP und iP) speziell notiert. Auf die syntaktische Notation wird zugunsten der Übersichtlichkeit verzichtet, also auch auf die Notation von Spuren. Zur Eruierung der Fokuskonstituente wird meist mit dem Fragetest operiert, obschon dieser häufig unnatürliche Anworten provoziert (vgl. dazu auch Höhle 1982). Manchmal wird auch ein Kontext angegeben, welcher die informationsstrukturellen Verhältnisse illustriert. Die Akzenttöne werden wie oben durch ›/‹ bzw. ›\‹ vor der jeweiligen Akzentsilbe notiert. Die Akzentsilbe selbst wird durch Grossbuchstaben gekennzeichnet. Auf die Angabe fakultativer Akzenttöne wird verzichtet, einzig nukleare und pränukleare Akzente werden ausgezeichnet. Da in diesem Kapitel untersucht wird, unter welchen pragmatischen Bedingungen Extraktion möglich ist, sind nur Sätze in die Untersuchung involviert, bei denen Extraktion durch die strukturellen Bedingungen legitimiert ist. Extraktion führt in diesem Fall nicht zu Ungrammatikalität, sondern allenfalls zu pragmatischer Unangemessenheit. Dies wird durch # signalisiert. Zunächst wird auf Kontexte mit weitem Fokus, danach auf solche mit engem eingegangen. Es wird untersucht, ob unter den angegebenen informationsstrukturellen Bedingungen die PP a) topikalisiert werden, b) scramblen und c) in situ bleiben kann. Um den Überblick zu erleichtern, werden Beispiele mit topikalisierter unvollständiger DP nur dann (unter d)) aufgeführt, wenn Topikalisierung möglich ist. Fokus = IP 29) Was gibts Neues über Rudi zu berichten? a) #IP([Über moderne Kunst]F hat Rudi [ein \BUCH gelesen]F). b) #IP(Rudi hat [über moderne Kunst]F [ein \BUCH gelesen]F). c) IP(Rudi [hat ein Buch über moderne \KUNST gelesen]F). Fokus = VP 30) Was hat Rudi gemacht? a) #IP([Über moderne Kunst]F hat Rudi [ein \BUCH gelesen]F). b) #IP(Rudi hat [über moderne Kunst]F [ein \BUCH gelesen]F). c) IP(Rudi hat [ein Buch über moderne \KUNST gelesen]F). Fokus = DP 31) Was hat Rudi gelesen? a) #IP([Über moderne KUnst]F hat Rudi [ein \BUCH]F gelesen). b) #IP(Rudi hat [über moderne Kunst]F [ein \BUCH]F gelesen). c) IP(Rudi hat [ein Buch über moderne \KUNST]F gelesen).

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Den Beispielen 29) – 31) ist gemein, dass die DP und die PP Foki sind und sie der gleichen Fokusdomäne angehören. Die Fokusprojektionsregel II besagt, dass in diesem Fall der nukleare Akzent der PP zukommt. Bei Extraktion ist jedoch die Zuweisung des nuklearen Akzents an die PP nicht möglich. Extraktion ist bei weitem Fokus unangemessen: Bedingung A (1. Variante): Extraktion ist nicht möglich, wenn beide Teile (PP und N) der gleichen Fokusdomäne angehören. In den folgenden beiden Beispielen gehört die ganze DP zusammen mit ihrem PP-Attribut zum Hintergrund: Fokus = V (Kontrastfokus) 32) A: Hat Rudi ein Buch über moderne Kunst gekauft? B: Nein, a) IP(iP([über moderne /KUNST] T) hat er ein Buch [\AUSgeliehen]F. b) (#)IP(er hat über moderne Kunst ein Buch [\AUSgeliehen]F). c) IP(er hat ein Buch über moderne Kunst [\AUSgeliehen]F). Fokus = Subjekt (Rudi) 33) Wer hat ein Buch über moderne Kunst gelesen? a) IP(iP([Über moderne /KUNST]T) iP(hat [\RUdi]F hat ein Buch gelesen)). b) #IP([\RUdi]F hat über moderne Kunst ein Buch gelesen). c) IP([\RUdi]F hat ein Buch über moderne Kunst gelesen). Gleich wie in den Beispielen mit weitem Fokus gehören auch hier beide Teile zum gleichen FHG-Bereich, allerdings in diesem Fall zum Hintergrund. Topikalisierung ist möglich, jedoch nur wenn die PP zusätzlich topikmarkiert ist, also nur, wenn sie einen steigenden Akzentton erhält und so eine Hutkontur bildet. Scrambling ist zumindest markiert, jedoch scheint es mir vor allem bei Kontrastfokus auf dem Verb recht akzeptabel zu sein, weshalb ich das Zeichen # in Beispiel 32) in Klammern gesetzt habe.15 Ich werde auf dieses Phänomen unter 6.2 näher eingehen. Wichtig in diesem Zusammenhang ist, dass nicht nur die FHG-Ebene, sondern auch die TKG-Ebene die Extraktion lizenzieren kann: In 32) und 33) gehören die Elemente auf der diskursbezogenen FHG-Ebene zwar zum selben informationsstrukturellen Bereich, nicht aber auf der satzbezogenen TKG-Ebene. Die Bedingung A, die nur für den Fokusbereich definiert ist, kann so ausgebaut werden, dass sie für alle informationsstrukturellen Ebenen gültig ist: Bedingung A (2. Variante): Extraktion ist nur möglich, wenn die beiden Teile (PP und N) zu unterschiedlichen informationsstrukturellen Bereichen gehören. ––––––––– 15

Vor allem wenn der Kontext noch etwas geändert wird, wie im folgenden Beispiel, scheint mir bei Kontrastfokus auf das Verb die PP durchaus scrambeln zu können, ohne dabei kontextuell unangemessen zu sein: A: Hat Rudi ein Buch über moderne Kunst ausgeliehen? B: Ja, aber nicht nur das, … i) er hat über moderne Kunst sogar ein Buch ge\LEsen.

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Betrachten wir nun Fälle, in denen nur das Nomen oder die PP zum Fokus gehören: Fokus = NBuch (+V) 16 34) A: Rudi interessiert sich doch für moderne Kunst. B: Ja, … a) IP(([über moderne /KUNST]T) iP(hat er gerade [ein \BUCH gelesen]F)). b) IP(er hat über moderne Kunst gerade [ein \BUCH gelesen]F). c) IP(er hat gerade [ein \BUCH]F über moderne Kunst gelesen). Fokus = NBuch 35) A: Was hat Rudi über moderne Kunst gelesen? a) IP(([Über moderne /KUNST]T) iP(hat er gerade [ein \BUCH gelesen]F)). b) IP(Er hat über moderne Kunst [ein \BUCH]F gelesen). c) IP(Er hat [ein \BUCH]F über moderne Kunst gelesen). d) (#)IP([Ein \BUCH]F hat Rudi über moderne Kunst gelesen). Bei fokussiertem Nomen sind alle Varianten optional, wobei 35d) mit Topikalisierung der unvollständigen DP eher markiert ist. Diese Tatsache bestätigt auch die Bedingung von Mólnar (1993), dass minimal fokussierte Konstituenten, die nicht topikmarkiert sind, generell nicht am Satzanfang stehen dürfen, ausser sie sind kontrastiv fokussiert (vgl. die Ausführungen zu Beispiel 9) in 5.1.1 und Beispiel 44) weiter unten). Betrachten wir jedoch die Verhältnisse in den anderen Beispielen von 35): Nach der Fokusprominenzregel darf in 35) nur das Nomen als Fokusexponent ermittelt werden. Die Fokusprojektionsregel II bestimmt allerdings die PP als Fokusexponenten. Deren Extraktion verhindert dies, somit ist die DP die am weitesten rechts stehende Konstituente. Das Deutsche verfügt jedoch, wie Beispiel 35c) zeigt, noch über eine weitere Strategie, um den Konflikt zwischen Fokusprojektions- und Fokusprominenzregel zu lösen, und zwar die der Akzentverschiebung. Der Fokusakzent wird entgegen der Rechtsprominenz auf das Nomen verschoben, wobei die PP dann auch fakultativ keine Akzentdomäne mehr bilden darf. Anders als im Deutschen verfügen romanische Sprachen nicht über diese beiden Strategien. Akzentverschiebung ist hier nur bei kontrastivem Fokus möglich, ansonsten kann das Nomen den nuklearen Akzent nur dadurch erhalten, dass die PP extrahiert wird:17 Puter (rätoromanischer Dialekt): 36) Was hast du gelesen? a) Eau d’he let [divers cudeschs sur da LANsel]F. Ich habe gelesen einige Bücher über LanselF ––––––––– 16

17

Das Verb lesen ist in diesem Beispiel zwar nicht vorgenannt, sondern neu. Nach Molnàr (1993) muss es jedoch nicht zwingend im Fokus sein, denn ihrem Modell zufolge sind jene Konstituenten Foki, die der Sender als relevante Information einstuft. Dieses Beispiel zeigt, dass Fokus mit Molnàrs Fokuskonzept besser erfasst werden kann als mit einem Konzept von Neu vs. Alt, denn in 34b) kann das Verb nicht zusammen mit dem Nomen Fokus sein. Einfache Fokusdomänen können nicht aufgebrochen werden und die Intonationsverhältnisse zeigen, dass hier auch kein mehrteiliger Fokus vorliegt. Im Spanischen gelten ähnliche Akzentverhältnisse wie im Rätoromanischen. Diese werden in Büring / Gutiérrez-Bravo (2001) ausführlich diskutiert und mit jenen im Deutschen verglichen.

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37) Was hast du über Lansel gelesen? a) Sur da Lansel d’heja let [divers CUdeschs]F. Über Lansel hab-ich gelesen einige BücherF b) #Eau d’he let [divers CUdeschs]F sur da Lansel.18 Ich habe gelesen einige BücherF über Lansel Dies hat Auswirkungen auf die Fokusprojektionsregeln. Zubizarreta (1998: 150) definiert für romanische Sprachen folgende Fokusprojektions- und Fokusprominenzregel: NSR [Nuclear Stress Rule]: Given two sister nodes Ci and Cj, the one lower in the asymmetric c-command ordering is more prominent (the C-NSR). FPR [Focus Projection Rule]: Given two sister nodes Ci (marked [+F]) and Cj (marked [-F]), C i is more prominent than C j.

Die durch Zubizarreta formulierte NSR hat gegenüber den Fokusprojektionsregeln von Uhmann (1991) den Vorteil, dass sie nicht nur auf Prädikat-Argumentstrukturen restringiert ist. Allerdings gilt sie nur für romanische Sprachen. Diese lösen, wie Beispiel 37) zeigt, den Konflikt zwischen den beiden Regeln durch Bewegung. Für das Deutsche, welches sowohl über die Strategie der Bewegung als auch über jene der Akzentverschiebung verfügt, würde die NSR falsche Vorhersagen machen. Der Vergleich mit den romanischen Sprachen liefert einen Hinweis in Bezug auf das Problem der Optionalität der Bewegung. Im Romanischen lösen die prosodischen Prinzipien obligatorische Bewegung aus, im Deutschen hingegen ist bei engem Fokus auf das Nomen optional auch Akzentverschiebung möglich. In 6.2 wird ein Vorschlag zur Analyse der Optionalität von prosodischen Bedingungen gemacht. Fokus = PP 38) Worüber hat Rudi ein Buch gelesen? a) IP([Über moderne \KUNST]F hat er ein Buch gelesen). b) IP(Er hat vermutlich [über moderne \KUNST]F ein Buch gelesen). c) IP(Er hat ein Buch [über moderne \KUNST]F gelesen). d) IP(iP([Ein /BUCH]T) iP(hat Rudi [über moderne \KUNST]F gelesen)). Auch bei eng fokussierter PP sind grundsätzlich alle Abfolgen möglich. Allerdings erhält die topikalisierte unvollständige DP meines Erachtens in Abweichung zu De Kuthys Beschreibung einen pränuklearen Akzent. Auch scheint mir diese Abfolge ziemlich markiert. Die in-situ-Variante in 38c) ist in Bezug auf die Fokusinterpretation ambig. Die Betonung in 38c) repräsentiert die Normalbetonung. Unter diesen Akzentbedingungen können CP, IP, VP oder die ganze DP die Fokusdomäne bilden (vgl. 29c), 30c) und 31c)). Bei extrahierter PP wie in 38a) und 38b) ist diese Ambiguität aufgehoben. 38a) widerspricht Molnárs Behauptung, dass minimal fokussierte Konstituenten, die nicht topikmarkiert sind, nur topikalisiert sein dürfen, wenn sie Kontrastfokus haben (vgl. 5.1.1). Einerseits hat hier die Topikalisierung jedoch den Zweck der Disambiguierung, andererseits könnte es sich jedoch ––––––––– 18

Nur möglich mit Kontrastfokus: Eau d’he let divers CUDeschs sur da Lansel (e na be artichels) (Ich habe einige BÜcher über Lansel gelesen und nicht nur Artikel).

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auch um eine Ausnahmekonstruktion handeln, denn die Anwort widerspiegelt die Abfolge der Frage. Auf diese Konstruktion wird unter 6.2 näher eingegangen. Auch in 38) hat die Extraktion also eine bestimmte pragmatische Funktion: Sie ermöglicht eindeutige Fokusinterpretationen und hat daher den Zweck der Disambiguierung. Den Beispielen 34) – 38) ist gemein, dass das Nomen und die PP nicht zum gleichen informationsstrukturellen Bereich gehören. In diesem Fall ist Extraktion möglich, sie ist allerdings jeweils optional. Neben der Bedingung A können wir also noch folgende Bedingung B definieren: Bedingung B (Variante 1): Extraktion ist optional, wenn das Nomen und die PP zu unterschiedlichen informationsstrukturellen Bereichen gehören. Nun sind noch drei Kontexte ausgeklammert worden, in denen die Interaktion von Intonation, Informationsstruktur und Wortstellung eine entscheidende Rolle spielt. Dabei handelt es sich um jene Kontexte, in denen die IP in Zwischenintonationsphrasen iPs aufgebrochen wird. Im Folgenden werden die Bedingungen der PP-Extraktion in Kontexten mit mehrteiligem Fokus, Kontexten mit I-Topikalisierung und solchen mit I-Spezifizierung näher betrachtet. Im Anschluss daran wird noch kurz auf Kontexte eingegangen, in denen Kontrastfokus auf einem der beiden in die Extraktion involvierten Teile liegt. Eine mehrteilige Fokusstruktur liegt vor, wenn ein Satz zwei unterschiedliche Fokusdomänen hat und ein Fokus topikmarkiert ist (vgl. Uhmann 1991). Für die PP-Extraktion sind entsprechend jene Fälle von mehrteiligem Fokus relevant, in denen entweder die PP oder das Nomen alleine Teil eines mehrteiligen Fokus ist. Dies ist in den folgenden Beispielen der Fall: Fokus 1 = PP, Fokus 2 = Nomen 39) A: Rudi hat sich doch über die verschiedenen Künstler informiert. Kannst du mir sagen, über wen er was gelesen hat? B: So genau weiss ichs auch nicht, aber a) IP(iP([über Pi/CASso]F+T) iP(hat er jedenfalls [eine Biogra\FIE]F gelesen)). b) # IP(er hat [über PiCASso]F [eine BiograFIE]F gelesen)). c) # IP(er hat [eine BiograFIE]F [über PiCASso]F gelesen)). Die Extraktion der PP ist bei mehrteiligem Fokus auf das Nomen und die PP nicht optional. Die beiden Elemente müssen in diesem Fall voneinander getrennt werden. Bei mehrteiligem Fokus ist eines jeweils topikmarkiert, sodass seine Topikalisierung obligatorisch ist. Dies erklärt, weshalb die PP in 39b) nicht scrambeln kann. Der Kontext in 39) lässt die Topikalisierung der unvollständigen DP nicht zu. Nach De Kuthy (2002) ist diese allerdings bei so genannten Echofragen möglich: 40) Was hat Rudi über wen gelesen? ?IP(iP([Eine Biogra/FIE]F+T) iP(hat er [über Pi\CASso]F gelesen)). Die Topikalisierung der unvollständigen DP ist meines Erachtens bei mehrteiligem Fokus eher eigenartig. Ich vermute allerdings, dass dies damit zusammenhängt, dass man auf-

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grund der semantischen Eigenschaften beider involvierten Teile eher die PP als das Nomen als Topik etablieren würde. Fokus 1 = Subjekt, Fokus 2 = PP 41) A: Am Ende der Gruppenarbeit müssen die Studierenden einen Vortrag über moderne Künstler halten. Die eine Gruppe hat sich die Lesearbeit aufgeteilt, weisst du wer über wen eine Biografie gelesen hat? B: So genau weiss ich es auch nicht, aber … a) IP(iP([über Pi/CASso]F+T) iP(hat bestimmt [\RUdi]F eine Biografie gelesen)). b) IP(iP([/RUdi]F+T) iP(hat bestimmt [über Pi\CASso]F eine Biografie gelesen)). c) IP(iP([/RUdi]F+T) iP(hat bestimmt eine Biografie [über Pi\CASso]F gelesen)). Bei mehrteiligem Fokus auf die PP und das Subjekt wie in 41) wird die PP topikalisiert, wenn sie sowohl fokus- als auch topikmarkiert ist. Wenn jedoch das Subjekt sowohl fokusals auch topikmarkiert ist, kann die PP wie in 41b) optional scrambeln. Die in-situ-Variante 41c) ist möglich, allerdings – und im Gegensatz zu 41b) – ist in diesem Fall die Fokusinterpretation ambig, denn es könnte auch die ganze DP im Fokus sein. Interessant ist, dass die PP nicht aus der VP herausscrambelt, sondern VP-intern verbleibt. Diese Bewegung hat ähnlich wie die Topikalisierung und das Scrambling in 38) einen Disambiguierungeffekt. Fokus 1 = Subjekt, Fokus 2 = Objektnomen 42) A: Weisst du, wer was über Picasso gelesen hat? B: So genau weiss ichs auch nicht, aber a) #IP(iP(über Picasso hat [/RUdi]F+T) iP([eine Biogra\FIE]F gelesen)). b) IP(iP([/RUdi]F+T) iP(hat über Picasso [eine Biogra\FIE]F gelesen)). c) IP(iP([/RUdi]F+T) iP(hat [eine Biogra\FIE]F über Picasso gelesen)). d) (Weisst du was wer über Picasso gelesen hat?) IP(iP([Eine Biogra/FIE] F+T) iP(hat [\RUdi] F über Picasso gelesen)). Bei Fokus auf das Subjekt und das Objektnomen ist nur die in-situ- und die ScramblingVariante möglich, wobei bei der in-situ-Variante der Akzent verschoben wird. Topikalisierung der PP ist daher ausgeschlossen, weil das Subjekt topikmarkiert ist. Die Topikalisierung der unvollständigen DP in 42d) ist zwar möglich, allerdings aus den zu Beispiel 40) genannten Gründen eigenartig. Sind entweder die PP oder die DP bzw. beide Elemente Teil eines mehrteiligen Fokus, erfüllt die Extraktion die Bedingung A trivial. Bedingung B trifft allerdings bei Konstruktionen mit mehrteiligem Fokus nicht zu, denn die Extraktion ist nicht immer optional. Der Grund für die Nicht-Optionalität ist, dass bei mehrteiligem Fokus einer der Foki topikmarkiert ist. Das topikmarkierte Element muss im Vorfeld positioniert sein. Bedingung B muss entsprechend präzisiert werden: Bedingung B (Variante II): Extraktion ist optional, wenn das Nomen und die PP zu unterschiedlichen informationsstrukturellen Bereichen gehören und wenn keines der beiden Elemente topikmarkiert ist.

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I-Topikalisierungen unterscheiden sich von mehrteiligem Fokus dadurch, dass die Konstituente, die topikmarkiert ist, zum Hintergrund gehört. Die nukleare Konstituente ist Fokus. Sie unterscheiden sich weiter auch darin, dass sie einen adversativen Ergänzungssatz provozieren. Diese Eigenschaft kann als Erkennungsmerkmal für I-Topiks genutzt werden. Die folgenden Beispiele in 43) illustrieren das Zusammengehen von PP-Extraktion und I-Topikalisierung: 43) a) IP(iP([Über mo/DERne Architektur]T) iP(hat Rudi [\EInige Bücher]F gelesen)) (aber für ÄLtere hat er sich NIE interessiert). b) IP(iP([Biogra/FIen]T) iP(hat Rudi [über \EInige Künstler]F gelesen)) (aber SAchtexte haben ihn KEIne interessiert). c) IP(iP([Über mo/DERne Architektur]T) iP(haben [\EInige Studierende]F eine Semesterarbeit geschrieben)) (aber für ÄLtere hat sich KAUM jemand interessiert). d) IP(iP([/RUdi]T) iP(hat [über \EInige Künstler]F eine Biografie gelesen)) (aber OTto hat sich für NIEmanden begeistern können). e) IP(iP([/RUdi]T) iP(hat eine Biografie [über \EInige Künstler]F gelesen)) (aber OTto hat sich für NIEmanden begeistern können). f) IP(iP([/RUdi]T) iP(hat [\EInige Bücher]F über moderne Architektur gelesen)) (aber OTto hat nicht EIne ZEile gelesen). g) IP(iP([/RUdi]T) iP(hat über moderne Architektur [\EInige Bücher]F gelesen)) (aber OTto hat nicht EIne ZEIle gelesen). h) IP(iP([Eine Biogra/FIE] T) iP(haben [\EInige Studierende]F über Picasso gelesen)) (aber an SACHtexte hat sich KEIner gewagt). i) IP(iP([Eine Biogra/FIE] T) iP(haben über Picasso [\EInige Studierende]F gelesen)) (aber an SACHtexte hat sich KEIner gewagt). Die Bedingungen für Extraktion in I-Topikalisierungskontexten sind ähnlich wie jene in Kontexten mit mehrteiligem Fokus. Auch hier ist die Topikalisierung der PP obligatorisch, wenn sie topikmarkiert ist und entweder das Objektnomen (vgl. 43a)) oder das Subjekt (vgl. 43c)) fokusmarkiert ist. Die Topikalisierung der unvollständigen DP ist in I-Topikalisierungskontexten pragmatisch weniger erzwungen als in Kontexten mit mehrteiligem Fokus (vgl. 43b), 43f) und 43g)). Wenn das Subjekt topikmarkiert und die PP Fokus ist, kann letztere optional scrambeln (vgl. 43d) und 43e)). Das Gleiche gilt auch, wenn die PP Hintergrund ist und das Objekt oder das Subjekt topik- oder fokusmarkiert sind (vgl. 43f) – 43i)). Gleich wie bei mehrteiligem Fokus ist jedoch nur Scrambling optional, Topikalisierung ist obligatorisch für topikmarkierte Elemente. Ohne Topikalisierung können sie keinen steigenden Akzentton haben. Weitere Kontexte, in denen Extraktion möglich ist, sind solche mit Kontrastfokus oder I-Spezifizierung. Auf Extraktion in Kontrastfokuskontexten wird hier nicht eingegangen, weil sie die gleiche Distribution aufweist wie Extraktion bei engem Fokus auf Nomen oder PP. Dabei ist Topikalisierung einer unvollständigen DP bei Kontrastfokus auf das Nomen eindeutig besser ist als Topikalisierung einer eng fokussierten, unvollständigen DP. Diese Beobachtung stützt die Behauptung von Molnár (1993), dass minimal fokussierte, nicht topikmarkierte Konstituenten am Satzanfang nur möglich sind, wenn sie kontrastiv fokussiert sind:

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44) Eine Biogra\FIE hat Rudi über Picasso gelesen (und nicht einen ArTIkel) Auch die Extraktion in I-Spezifizierungskontexten folgt den Bedingungen A und B, daher sollen die folgenden Beispiele lediglich die Möglichkeit der Extraktion in I-Spezifizierungskontexten illustrieren: 45) a) Ich glaube, dass man über Pi/CASso vor allem \EIN Buch lesen sollte (nämlich seine BiograFIE). b) Über Pi/CASso sollte man vor allem \EIN Buch lesen (, nämlich seine BiograFIE) c) Ich glaube, dass man vor allem \EIN Buch über Picasso lesen sollte (nämlich seine BiograFIE). d) *Ich glaube, dass man eine Biogra/FIE vor allem über \EInen Künstler lesen sollte (nämlich über PicASso). e) Eine Biogra/FIE sollte man vor allem über \EInen Künstler lesen (nämlich über PicASso). I-Spezifizierung gleicht stärker Kontexten mit Kontrastfokus als solchen mit I-Topikalisierungen, denn die PP kann sowohl scrambeln als auch topikalisiert werden. I-Spezifizierung geht nicht wie I-Topikalisierung automatisch mit Topikmarkierung einher. Scrambling hat, wie dies auch Uhmann (1991) beschreibt, zur Folge, dass zusätzliche Akzentdomänen obligatorisch gebildet werden. Dies illustrieren die Beispiele 45a) und 45b). Die Extraktion der PP hat zur Folge, dass sie fokussiert wird. Bleibt sie allerdings in-situ wie in 45c), so ist nur die i-spezifizierte Konstituente fokussiert. Bei i-Spezifizierung der PP ist Scrambling der unvollständigen DP wie in 45d) nicht aus intonatorischen oder informationsstrukturellen Gründen ausgeschlossen, sondern hier wird das grammatische Prinzip der Unambiguous Domination verletzt (vgl. 3.1.7). Da der Satz also auch ohne Kontext nicht möglich ist, wird er als ungrammatisch markiert. Kontrastfokus Wenn eines der beiden in die Extraktion involvierten Elemente kontrastiv fokussiert ist, liegen ähnliche Verhältnisse vor wie bei engem Fokus auf das Nomen oder die PP, wie die folgenden Beispiele zeigen: 46) a) IP(([Über moderne /KUNST]T) iP(hat er gerade [ein \BUCH gelesen]F)) (und nicht einen Artikel). b) IP(Er hat über moderne Kunst [ein \BUCH]F gelesen) (und nicht einen Artikel). c) IP(Er hat [ein \BUCH]F über moderne Kunst gelesen) (und nicht einen Artikel). 47) a) IP([Über moderne \KUNST]F hat er ein Buch gelesen) (und nicht über moderne Architektur). b) IP(Er hat vermutlich [über moderne \KUNST]F ein Buch gelesen) (und nicht über moderne Architektur). c) IP(Er hat ein Buch [über moderne \KUNST]F gelesen) (und nicht über moderne Architektur).

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Obschon also Sätze mit Kontrastfokus auf eines der beiden Elemente ähnlich analysiert werden könnten wie Sätze mit engem Informationsfokus, werden sie aus der Analyse in 6.2 ausgeschlossen. Grund dafür ist, dass Sätze mit Kontrastfokus anderen Regularitäten folgen als Sätze mit Informationsfokus. Bei Kontrastfokus auf eines der beiden in die Extraktion involvierten Elemente wird die Extraktion häufig auch in Sätzen akzeptiert, in denen sie bei Informationsfokus relativ einheitlich als ungrammatisch bewertet wird: 48) a) *Von Martin hat mich der Gesang gestört. b) ??Von MARtin hat mich der Gesang gestört, nicht von Daniel. Die Extraktion aus thematischen Subjekten (vgl. 3.1.2) wie in 48a) wird mit relativ hoher Übereinstimmung als ungrammatisch bewertet. Die Extraktion mit kontrastiv fokussierter PP ist jedoch von einigen meiner InformantInnen akzeptiert worden. Allerdings sind die Urteile zu 48b) sehr uneinheitlich. Neben der uneinheitlichen Beurteilung weist auch die Unsystematik der Daten darauf hin, dass Sätze wie 48b) nicht aufgrund grammatischer Prinzipien von einigen Leuten akzeptiert werden, sondern dass Kontrastfokus evtl. aus pragmatischen Gründen Reparaturmechanismen fördern kann (vgl. dazu detaillierter Abschnitt 6.1). Da Kontrastfokus die Analyse der grammatischen Prinzipien von Extraktionsphänomenen verfälschen würde, werden Sätze, in denen Kontrastfokus auf eines der in die Extraktion involvierten Elemente liegt, aus der Analyse ausgeschlossen. In der in 6.2 vorgeschlagenen Analyse wird vor allem die Interaktion von grammatischen Prinzipien und von solchen der Informationsstrukturierung fokussiert.

5.1.4 Fazit Nach der detaillierten Betrachtung der Kontexte, in denen Extraktion möglich ist, lassen sich zusammenfassend folgende Generalisierungen formulieren, die auch die Bedingungen A und B widerspiegeln: 1.

Extraktion ist nur möglich, wenn die PP und die DP mit der Spur unterschiedlichen informationsstrukturellen Bereichen angehören, wobei dies sowohl für die FHG- als auch für die TKG-Ebene gilt.

2.

Extraktion ist optional, wenn keiner der beiden Teile topikmarkiert ist. Topikmarkierte Elemente werden obligatorisch topikalisiert.

3.

Scrambling ist immer optional und hat den Zweck der Defokussierung oder Disambiguierung. Im ersten Fall entflieht die PP der Akzentmarkierung, wobei neben Extraktion im Deutschen auch Akzentverschiebung möglich ist. Im zweiten Fall sorgt die Extraktion für eindeutige Fokusinterpretation.

4.

Topikalisierung ist im Normalfall mit dem Merkmal Topik verbunden, welches satzbezogen bestimmt ist, Scrambling wird durch die Fokus-Hintergrund-Ebene lizenziert, die durch kontextuelle Faktoren bestimmt ist.

5.

Der Faktor Fokus hat keinen Einfluss auf die Grammatikalität eines Ausdrucks, sondern lediglich auf dessen kontextuelle Angemessenheit.

145

Die Untersuchung zum Einfluss informationsstruktureller Faktoren auf die Extraktion hat eindeutig ergeben, dass Extraktion durch informationsstrukturelle Funktionen lizenziert wird. Noch offen ist, wie der Einfluss dieser Funktionen auf die Syntax formal erfasst werden kann. Diese Frage wird im folgenden Abschnitt anhand verschiedener Vorschläge aus der Literatur diskutiert.

5.2 Die Interaktion von Informationsstruktur und Grammatik in der Literatur Die Beobachtung, dass die in die Extraktion involvierten Elemente unterschiedliche informationsstrukturelle Funktionen erfüllen, führt in einigen, meist minimalistischen Arbeiten zu der Annahme, dass pragmatische Informationen durch syntaktische Operatoren wie [fok] (Fokus) oder [top] (Topik) repräsentiert sind, die die Bewegung auslösen. Diese Annahme wird unter 5.2.1 kritisch diskutiert. Es wird sich zeigen, dass sie die Interaktion von Grammatik und Informationsstruktur in Bezug auf die PP-Extraktion nur zum Teil erklären kann. Vor allem der Einfluss der diskursbezogenen informationsstrukturellen FHG-Ebene lässt sich nicht durch Operatoren erfassen. Dies erschwert eine minimalistische Analyse des Phänomens. Es ist daher nicht verwunderlich, dass vor allem optimalitätstheoretische Arbeiten in letzter Zeit versucht haben, den Einfluss der FHG-Ebene auf die Wortstellung zu beschreiben, denn die Optimalitätstheorie lässt die Möglichkeit zu, dass Beschränkungen wie beispielsweise Last Resort verletzt und durch andere Beschränkungen überschrieben werden können. Die Möglichkeiten, die die Optimalitätstheorie eröffnet, um die Interaktion von Informationsstruktur, Prosodie und Wortstellung zu erfassen, werden unter 5.2.2 diskutiert.

5.2.1 Pragmatische Merkmale als Bewegungstrigger Grammatische Ökonomieprinzipien wie Last Resort verlangen, dass Bewegung grammatisch motiviert ist, denn ohne Merkmal, welches die Bewegung auslöst, verletzt eine Derivation stets das transderivationelle Prinzip Fewest Steps (vgl. 3.1.8). Bis zum jetzigen Zeitpunkt konnten wir noch kein Merkmal bestimmen, welches die Extraktion auslöst. Die in 5.1.3 gemachte Beobachtung, dass Extraktion dann erfolgt, wenn das Nomen und die PP zu unterschiedlichen Bereichen der Informationsstruktur gehören, also informationsstrukturell unterschiedlich markiert sind, führt zur folgenden, in diesem Abschnitt zu überprüfenden These: These I Extraktion der PP erfolgt, wenn das Nomen und die PP unterschiedliche pragmatische Merkmale tragen, die durch offene Operatorenbewegung überprüft werden müssen. Diese These verfolgen auch Cavar /Fanselow (2002) in ihrer Untersuchung zu NP-SplitKonstruktionen wie der folgenden:

146

49) Interessante Bücher hat sie keine empfohlen. Ihrer Theorie zufolge tragen die trennbaren Elemente einer XP unterschiedliche pragmatische Merkmale (p, q) (die Beispiele 50) – 52) sind Cavar /Fanselow (2002: 80ff.) entnommen): 50) XP = [ap[b c]q] Bei diesen Merkmalen handelt es sich um Operatorenmerkmale, die an funktionalen Köpfen H überprüft werden müssen (vgl. Chomsky 1995): 51) [H2 … [H1 …XP[ap[b c]q]]] Der Kopf H1 kann nur das Merkmal p anziehen, da dieses näher zu H1 ist als q (Minimal Link Condition). In einem ersten Schritt wird also das Merkmal p durch Bewegung bzw. nach Cavar /Fanselow (2002) durch Kopieren nach SpecH 1 überprüft, in einem zweiten Schritt wird dann das Merkmal q an H2 überprüft. Bei NP-Split-Konstruktionen kann ihrer Theorie zufolge dabei die ganze XP (XP = DP) mitgezogen werden, da das Nomen N das Merkmal p nicht c-kommandiert. Schliesslich werden die Kopien vor Spell-out getilgt, wobei die Stärke des Merkmals darüber entscheidet, welche der Kopien getilgt bzw. phonologisch realisiert werden. Für das Beispiel 49) würde die Derivation schliesslich zu folgender Konfiguration führen: p q 2 p q 1 p q 52) [[XP a [b c] ] [H … [[XP a [b c] ] [H … [XP a [b c] ]]]]] Die PP wird jedoch, anders als die aufgespaltenen Elemente bei NP-Split-Konstruktionen, von N c-kommandiert. Falls sie ein Merkmal wie p oder q trägt, muss sie daher aus der DP extrahiert werden, denn sie kann nicht die ganze DP mitziehen. Dies erklärt nach Cavar /Fanselow (2002) das unterschiedliche Verhalten der beiden Konstruktionen in Bezug auf Inseleffekte. Cavar / Fanselow (2002) gehen zwar nicht näher auf PP-Extraktionen ein. Gerade in Bezug auf diese wirft ihre Theorie allerdings sowohl einige technische als auch empirische Fragen auf, die es zu diskutieren gilt. Ich werde mich vor allem auf die empirischen Probleme konzentrieren und die technischen nur kurz anschneiden. Cavar /Fanselow (2002) nehmen an, dass jeweils beide Teile, die voneinander getrennt werden, Träger unterschiedlicher Merkmale sein müssen. Angenommen, N trägt das Merkmal p und die PP das Merkmal q, dann müsste in einer Konstruktion, in der die PP topikalisiert wird, zunächst das Nomen zusammen mit dem Artikel bewegt werden, da dieses näher zu H1 ist als die PP. Erst in einem zweiten Schritt würde dann die PP nach H2 bewegt. Dies würde jedoch bedeuten, dass zuerst entweder a) eine unvollständige Kategorie, bestehend aus Nomen und Determinierer, oder dann b) die ganze DP zusammen mit der PP nach H1 bewegt werden müsste, obschon N die PP c-kommandiert. Zu a): Wie wir unter 3.1.7 gesehen haben, wird die Bewegung der unvollständigen DP dadurch erklärt, dass zunächst die PP aus der DP herausscrambelt. Erst danach kann die DP mit der PP-Spur nach H1 bewegt werden. Abgesehen davon, dass damit die Erklärung für die Topikalisierung unnötig verkompliziert wird und dass auch unklar bleibt, wodurch das Scrambling der PP lizenziert ist, würde diese Annahme fälschlicherweise die Topikalisierung der PP ausschliessen, denn die Bewegung der PP von der Scrambling-Position nach H2 bzw. SpecCP würde das PUB-Prinzip verletzen (vgl. Kapitel 3). Zu b): Nun ist aber auch die Annahme b)

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problematisch, denn wenn die PP bei der Bewegung der DP nach H1 tatsächlich mitgezogen werden könnte, müsste ihre zweite Bewegung nach H2 einen Freezing-Effekt auslösen. Fazit: Die Annahme, dass zwei unterschiedliche pragmatische Merkmale die PP-Extraktion triggern, erweist sich für die PP-Extraktion als falsch. Dies bedeutet jedoch meines Erachtens nicht, dass die These I völlig ausgeschlossen werden muss. Es besteht noch immer die Möglichkeit, dass nur eines der Elemente ein Merkmal trägt, welches die Extraktion triggert.19 Diese Annahme wird im Folgenden diskutiert. Die in 5.1.3 gemachte Beobachtung, dass topikmarkierte PPs obligatorisch jeweils ins Vorfeld bewegt werden, stützt die These, dass Extraktion der PP durch Merkmalüberprüfung legitimiert ist. Die Annahme, dass es sich beim Topikmerkmal um ein Operatorenmerkmal handelt, das im Vorfeld an der Spezifikatorposition eines Kopfes überprüft werden muss, ist meines Erachtens sehr plausibel.20 Dies würde auch die Parallelen zwischen Topikalisierung der PP und ihrer wh-Bewegung erklären. Trotzdem spricht auch einiges gegen die Annahme, dass PP-Extraktion durch ein pragmatisches Merkmal getriggert ist: Wie wir an den Beispielen 34), 35) und 38) gesehen haben, erfolgt die Extraktion der PP in den meisten Fällen optional, und zwar immer dann, wenn sie kein Topikmerkmal hat. Die Beispiele 35) und 38), die die Optionalität illustrieren, werden hier nochmals als 53) und 54) wiederholt: 53) Was hat Rudi über moderne Kunst gelesen? a) IP(([Über moderne /KUNST]T) iP(hat er gerade [ein \BUCH gelesen]F)). b) IP(Rudi hat über moderne Kunst [ein \BUCH]F gelesen). c) IP(Rudi hat [ein \BUCH]F über moderne Kunst gelesen). 54) Worüber hat Rudi ein Buch gelesen? a) IP([Über moderne \KUnst]F hat er ein Buch gelesen). b) IP(Er hat schliesslich [über moderne \KUNST]F ein Buch gelesen). c) IP(Er hat ein Buch [über moderne \KUNST]F gelesen). In 53a) ist die PP topikmarkiert, sodass hier die Topikalisierung obligatorisch erfolgt.21 Sowohl die Extraktion in 53b) als auch jene in 54a) und 54b) scheinen jedoch fakultativ zu sein, denn wenn Extraktion zur Überprüfung eines [+fok]-Merkmals obligatorisch wäre, ––––––––– 19

20

21

Auch die Möglichkeit, dass die Merkmale p und q nicht sowohl an H1 als auch H 2 überprüft werden können, sondern dass die Köpfe als Hp bzw. H q spezifiziert sind, sodass die PP zuerst aus der DP herausbewegt würde, ohne dass eine MLC-Verletzung erfolgte, würde keine Lösung des Problems bringen, denn wenn die PP zunächst ins Vorfeld bewegt würde, um dort ihr Merkmal zu überprüfen, und erst danach die unvollständige DP, würde dies das Prinzips des strikten Zyklus verletzen (vgl. Kapitel 3). Ich gehe von der Annahme aus, dass C sowohl mit den Merkmalen [± wh] als auch [± Top] verbunden sein kann, sodass auch das [+top]-Merkmal in SpecCP überprüft werden kann. Auf die Möglichkeit der geschichteten linken Satzperipherie (vgl. Rizzi 2002) wird hier nicht eingegangen. Die hier vorgestellte Theorie liesse sich allerdings auch auf die Theorie der geschichteten Satzperipherie übertragen. Man erinnere sich, dass dem hier angenommenen informationsstrukturellen Konzept zufolge die Topik-Kommentar-Gliederung eine satzgebundene Gliederung ist, weshalb der Kontext nichts über die Topikmarkierung aussagt. Der Satz 53a) kann daher Kandidat eines anderen ReferenzSets sein, auch wenn es möglich ist, ihn im gleichen Kontext zu realisieren.

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dann müsste eine entsprechende Position auszumachen sein, an der das Merkmal überprüft wird. Fokusmarkierte Elemente können jedoch, wie diese Beispiele zeigen, in-situ bleiben, sie können VP-intern scrambeln und sie können unter restringierten Bedingungen auch topikalisiert werden. Dies bedeutet, dass im Deutschen keine eindeutig definierte Position zu finden ist, an welcher ein allfälliges Fokusmerkmal überprüft wird. Gegen die Annahme eines allfälligen [fok]-Operators spricht auch Beispiel 53b). Dieses zeigt, dass die Extraktion zumindest auch negativ ausgelöst wird: Die PP scrambelt hier nicht, um ein eigenes informationsstrukturelles Merkmal zu überprüfen, sondern um dem Nomen zu ermöglichen, den nuklearen Akzent durch die Fokusprojektionsregeln für Normalbetonung und ohne Akzentverschiebung zu erhalten (vgl. dazu die Ausführungen in 5.1.3). Die Annahme, dass pragmatische Merkmale in der Syntax die Extraktion triggern, kann die in 5.1.3 beschriebenen Einflüsse informationsstruktureller und prosodischer Faktoren auf die PP nur zum Teil erfassen. Sie macht für die Topikalisierung der PP in den meisten Fällen die richtige Vorhersage, und zwar immer dann, wenn diese mit Topikmarkierung verbunden ist.22 Beim Topikmerkmal muss es sich allerdings nicht zwingend um ein pragmatisches handeln, das heisst um ein Merkmal, das immer einen pragmatischen Effekt auslöst. Es könnte durchaus auch ein rein formales syntaktisches Merkmal – beispielsweise ein EPP-Merkmal – sein, welches die Bewegung auslöst. In diesem Fall wären alle Topikalisierungen merkmalgetriggert. Anders als Topikalisierung scheint jedoch Scrambling zu funktionieren. Scrambling wird häufig negativ ausgelöst. Es hat entweder die Funktion der Defokussierung oder der Disambiguierung. Diese Bewegung hat keine Operatorposition zum Ziel, die sich nachweisen lässt. Topik und Fokus sind in der Syntax unterschiedlich repräsentiert. Dies ist ein weiterer Beleg dafür, dass die satzbezogene Informationsstruktur (TKG) von der kontextuellen (FHG) zu trennen ist. Diese beiden Ebenen haben nämlich unterschiedlichen Einfluss auf die Syntax. Nur bei der satzbezogenen Gliederungsebene TKG kann die syntaktische Bewegung aufgrund eines vorhandenen Operators erklärt werden. Die FHGEbene verfügt über keine formalen Merkmale, die grammatische Bewegung triggern. Damit können kontextuelle Operatoren in der Syntax ausgeschlossen werden. Der Einfluss kontextueller Merkmale auf die Syntax muss anders erfasst werden als durch Operatoren. Kontextuelle informationsstrukturelle Merkmale unterscheiden sich von satzgebundenen auch in Bezug auf die Optionalität. Topiks müssen wie auch wh-Elemente bewegt werden. Fokusbedingte Bewegung hingegen ist optional. Weder ihre Unterlassung, noch ihre Realisierung führt zu Ungrammatikalität, wenn nicht eine syntaktisch-strukturelle Bedingung wie Barriere die Bewegung behindert. Die These, dass pragmatische Merkmale die Extraktion triggern, gilt nicht. Topiks sind satzgebunden und werden daher nicht zu den pragmatischen Merkmalen gezählt. These I wird durch These II ersetzt.

––––––––– 22

Einzig die Topikalisierung der eng fokussierten PP scheint optional zu sein, also nicht durch ein Merkmal getriggert. Dieses Problem wird vorläufig noch vernachlässigt und erst unter 6.2 ausführlicher diskutiert.

149

These II Die satzbezogene Gliederungsebene TKG ist in der Syntax durch [top]-Operatoren repräsentiert, die im Vorfeld an einer Operatorposition überprüft werden und die Topikalisierung auslösen. Die FHG-Ebene kann zwar Extraktion lizenzieren, sie verfügt allerdings nicht über Operatorenmerkmale, die die Extraktion triggern. Extraktion ist entsprechend nicht immer als Operatorenbewegung zu analysieren. These II führt letztlich auch dazu, dass zwischen Topikalisierung und Scrambling unterschieden werden muss. Scrambling wird durch die FHG lizenziert, Topikalisierung generell durch die TKG. Der Einfluss der TKG konnte dank konsequenter Trennung beider informationsstrukturellen Ebenen bei der Untersuchung der PP-Extraktion formal, mithilfe eines bekannten syntaktischen Konzepts der Operatorenbewegung erfasst werden. Schwieriger wird dies für die FHG-Ebene, deren Einfluss auf die Grammatik im folgenden Abschnitt näher betrachtet wird.

5.2.2 Zusammenwirken von FHG und Wortstellung in optimalitätstheoretischen Ansätzen Der Einfluss der FHG-Ebene auf die Grammatik wurde vor allem am Beispiel von Doppelobjektkonstruktionen häufiger untersucht. Schon seit längerem ist bekannt, dass neben Kasus (bzw. syntaktischer Funktion des Objekts), Definitheit und Belebtheit auch der Fokus einen Einfluss auf die Wortstellung im Mittelfeld hat (vgl. Lenerz 1977, Jacobs 1988). Wie die obigen Ausführungen gezeigt haben, kann Scrambling nicht dadurch erklärt werden, dass es durch Merkmalüberprüfung legitimiert ist. Dies widerspricht den minimalistischen Theorien, denn diesen zufolge ist Bewegung nur zulässig, wenn sie der Überprüfung von Merkmalen dient (Last Resort). Es ist daher nicht verwunderlich, dass das ScramblingPhänomen immer häufiger auf der optimalitätstheoretischen Grundlage analysiert wird (z.B. Choi 1999; Müller 1998a, 1999b; Büring 2001a, 2001b; Gouskova 2001). Die Optimalitätstheorie eignet sich deswegen zur Analyse dieses Phänomens, weil sie von der Annahme ausgeht, dass Beschränkungen verletzbar sind, also auch eine allfällige ÖkonomieBeschränkung wie das Last Resort. Im folgenden Abschnitt werden die Grundannahmen der Optimalitätstheorie kurz erläutert. Anschliessend werden zwei Analysen zum Scrambling im Mittelfeld, die auf der Optimalitätstheorie basieren, diskutiert. Die erste stammt von Büring (2001b). Er konzentriert sich darauf, den Einfluss des Faktors Fokus mithilfe mehrer prosodischer Beschränkungen zu erfassen. Die zweite Analyse von Müller (1999b) macht einen Vorschlag dazu, wie die durch Scrambling erzeugten Markiertheitsgrade optimalitätstheoretisch erklärt werden können.

5.2.2.1

Grundannahmen der Optimalitätstheorie

Die Optimalitätstheorie basiert auf folgenden Grundannahmen (vgl. u.a. Grimshaw 1997 und Müller 2000):

150

Jener Teil der Grammatik, der Generator (GEN) genannt wird, erzeugt eine Menge von Kandidaten {K1, K2 , …}, wobei G EN aus nicht verletzbaren, ungeordneten Beschränkungen im Stil einer einfachen Standardgrammatik besteht. Die von GEN erzeugte Kandidatenmenge wird nicht willkürlich generiert, sondern basiert auf einem Input. Welche Informationen dem Input gehören, ist umstritten, der Input definiert jedoch schliesslich, welche Kandidaten zur gleichen Referenzmenge zählen, denn der auf der Basis des Inputs in GEN erzeugte Output bildet schliesslich die Menge der Kandidaten, die in H-EVAL (Harmony Evaluation) evaluiert werden.23 H-EVAL bestimmt den optimalen Kandidaten innerhalb der Kandidatenmenge {K1, K2, …} auf der Basis von Beschränkungen, die universal, verletzbar und geordnet sind. Die Grammatikalität eines Kandidaten ergibt sich nicht nur aufgrund der ihm inhärenten Eigenschaften, sondern auch im Vergleich zu den anderen Kandidaten innerhalb der gleichen Referenzmenge, denn die Kandidaten treten innerhalb von H-EVAL in einen Wettbewerb und der ›Beste‹ unter ihnen wird schliesslich als optimal bestimmt. Optimalität und Grammatikalität sind synonyme Begriffe. Die Definition von Grammatikalität von Grimshaw (1997: 373) wird in Müller (2000: 10) folgendermassen wiedergegeben: Grammatikalität Ein Kandidat K i ist optimal hinsichtlich einer Beschränkungsordnung ›B1 >> B2 >>… >> Bn‹ gdw. er beim Wettbewerb mit jedem anderen Kandidaten Kj in derselben Kandidatenmenge die höchst-geordnete Beschränkung besser erfüllt, wo K i und Kj sich unterschiedlich verhalten. Diese Definition von Grammatikalität bietet nun gerade für Scrambling-Phänomene im Deutschen, die – wie bereits erwähnt – mit dem Last Resort konfligieren, neue Erklärungsmöglichkeiten. Da in der Optimalitätstheorie nämlich nicht nur den Kandidaten inhärente Eigenschaften über die Grammatikalität entscheiden, sondern auch der Wettbewerb mit anderen Kandidaten, sind Beschränkungen grundsätzlich verletzbar. Ein Kandidat Ki, welches eine Scrambling-Operation beinhaltet, ist entsprechend nicht automatisch ungrammatisch, weil er eine Ökonomiebeschränkung (ÖKON) verletzt, sondern er kann grammatisch sein, wenn innerhalb der Kandidatenmenge {K i, K j} K j eine höher geordnete Beschränkung Bk verletzt, die K i nicht verletzt, und wenn Ki zusätzlich keine Beschränkung verletzt, die höher geordnet ist als Bk , ausser Kj verletze diese Beschränkung auch. Das folgende Beispiel illustriert den Wettbewerb der Kandidatenmenge {K i, Kj}, wobei folgende Beschränkungsordnung angenommen wird: ›Bk >> ÖKON‹. K i verletzt ÖKON, weil ein Element gescrambelt ist, erfüllt hingegen Bk. Ki ist optimal (durch ☞ signalisiert) und damit grammatisch, wenn K j Bk verletzt: 55)

Bk ☞

Ki Kj

ÖKON *

*!

––––––––– 23

Zu möglichen Festlegungen der Referenz- bzw. Kandidatenmenge und deren Problematisierung vgl. u.a. Müller (2000) und Sternefeld (1997).

151

Dieses Beispiel illustriert, dass in einem optimalitätstheoretischen Ansatz eine höher geordnete Beschränkung als die Beschränkung ÖKON Scrambling indirekt lizenzieren kann. Dies ist für die Analyse von Mittelfeld-Scrambling sehr vorteilhaft, denn wie wir an Beispiel 53) gesehen haben, wird Scrambling häufig auch negativ ausgelöst und lässt sich damit nicht aufgrund der dem gescrambelten Element inhärenten Eigenschaften erklären. Der im Folgenden vorgestellte Ansatz von Büring (2001b) definiert prosodische Beschränkungen als indirekte Auslöser für Scrambling.

5.2.2.2

Fokus, Prosodie und Wortstellung

Büring (2001b) analysiert den Einfluss des Faktors Fokus auf die Stellung von direkten und indirekten Objekten in Doppelobjektkonstruktionen. Er geht von der Annahme aus, dass Fokus nicht durch einen syntaktischen Operator repräsentiert ist: First, focus and word order do not interact directly. There are no grammatical rules that relate focus to specific phrase structural positions. Rather, focus interacts with prosodic phrasing, which in turn may interact with word order. Büring (2001b: 69)

Freie Wortstellung wird dadurch erklärt, dass zwei verschiedene Arten von Beschränkungen interagieren, die im Konflikt zueinander stehen. Die einen sind morphosyntaktischer Art und definieren Wortstellungspräferenzen in Relation zu den Kategorien Kasus und Definitheit, die anderen sind prosodischer Art und definieren Wortstellungspräferenzen in Bezug zum Faktor Fokus. Büring (2001b) konzentriert sich auf die Interaktion von Kasus und Prosodie bzw. Fokus. Er klammert den Einfluss des Faktors Definitheit aus, indem er nur definite Objekte in die Untersuchung miteinbezieht. Dadurch kann er den Faktor Fokus präziser erfassen. Er nimmt folgende Beschränkungen an, die Wortstellungsvariation in Doppelobjektkonstruktionen bestimmen: Als einzige morphosyntaktische Beschränkung definiert Büring (2001b) die Beschränkung DAT: 56) DAT: Dative NPs precede accusative NPs. Diese Beschränkung DAT hat einen bewegungseinschränkenden Effekt: Büring (2001b) nimmt an, dass indirekte Objekte direkten auf der D-Struktur vorangehen, sodass Scrambling des direkten Objekts jeweils zu einer Verletzung der Beschränkung DAT führen würde. Damit hat diese Beschränkung den gleichen Effekt wie beispielsweise die Beschränkung ECONOMY OF MOVEMENT (STAY oder ÖKON) von Grimshaw (1997: 374), die besagt, dass Spuren verboten sind. Neben dieser morphosyntaktischen Beschränkung, die auch als Ökonomiebeschränkung formuliert werden könnte, werden die folgenden prosodischen Beschränkungen angenommen, wobei sie nach ihrem Platz innerhalb der Beschränkungshierarchie geordnet, vorgestellt und anschliessend kurz erläutert werden: 57) iP-HEAD-RIGHT: ALIGN(iP,right,head(iP),right)

152

Die Beschränkung iP-HEAD-RIGHT entspricht dem in 5.1.2 vorgestellten Prinzip der Rechts-Prominenz, wonach der Hauptakzent innerhalb einer iP bzw. einer IP der prominentesten Silbe in der finalen Akzentdomäne zukommt. Auch der folgenden Beschränkung sind wir bereits in modifizierter Form unter 5.1.2 begegnet. Anders als dort ist jedoch nach Bürings Definition ein Fokus immer prominent: 58) FOCUS PROMINENCE (FP): Focus is most prominent. FP hat unter dieser Definition zur Folge, dass weiter Fokus immer mit Verletzungen dieser Bedingung einhergeht, denn alle fokusmarkierten Konstituenten, die nicht den nuklearen Akzent tragen, verletzen sie. Dies ist allerdings in einem optimalitätstheoretischen Ansatz, wo Beschränkungen verletzbar sind, nicht weiter problematisch. Die folgende Beschränkung regelt die Akzentdomänenbildung: 59) ADF (ACCENTDOMAINFORMATION): a) PRED: A predicate shares its AD with at least one of its arguments. b) XP: AD contains an XP. If XP and YP are within the same AD, one contains the other (where X and Y are lexical categories). 59a) besagt mit anderen Worten, dass das Prädikat in die Akzentdomäne eines seiner Argumente integriert wird, was in 5.1.2 durch die Fokusprojektionsregel I vorhergesagt ist. In 59b) wird zusätzlich bestimmt, dass eine XP mit X als lexikalischer Kategorie eine Akzentdomäne bildet. Im Fall, dass zwei Konstituenten mit lexikalischem Kopf in derselben AD sind, ist die eine in der anderen enthalten. 59b) erklärt die Möglichkeit der isolierenden Akzentuierung, die bei Normalwortstellung fakultativ, bei Umstellung hingegen obligatorisch ist. Da fakultative isolierende Akzentuierung vor dem nuklearen Fokus immer möglich ist, scheint die Annahme, dass lexikalische Elemente eine Akzendomäne bilden, plausibel. Die Realisierung des Akzents ist jedoch manchmal fakultativ, wie dies auch Uhmann (1991) feststellt (vgl. 5.1.2). Die Realisierung des Akzents bei mehreren lexikalischen Elementen wird durch die Beschränkung 60) geregelt: 60) A/P (ARGUMENT-OVER-PREDICATE): Within AD, an argument is more prominent than a predicate. Die prosodischen Beschränkungen von Büring (2001b) entsprechen inhaltlich im Grossen und Ganzen den in 5.1.2 präsentierten Prinzipien und Regeln. Vor allem die Beschränkungen 57), 59) und 60) zusammen gleichen inhaltlich der Fokusprojektionsregel I, wobei Büring (2001b) expliziter auf die Bildung von Akzentdomänen eingeht. Das folgende Beispiel illustriert sowohl die Bildung von Akzentdomänen und von iP als auch die Akzentverteilung auf den verschiedenen Stufen: 61) …

X

) iP )AD

(

x

)AD

(

x

(

x

)PW

(

x )PW

dem KasSIErer

das GELDF

(

x

)PW

gegGEben

153

Das Beispiel enthält 3 lexikalische und entsprechend prosodische Wörter (PW). ADF-PRÄD verlangt, dass das Verb in die Akzentdomäne (AD) seines Objekts integriert wird, wobei der Akzent nach der Beschränkung A/P dem Objektnomen Geld zukommt, was durch das X angezeigt ist. Das indirekte Objekt bildet nach ADF-XP eine eigene Akzentdomäne. IPHEAD-RIGHT verlangt, dass der nukleare Akzent der letzten AD zukommt, also dem Objektnomen Geld. Das direkte Objekt ist fokusmarkiert, ihm kommt auf der iP-Ebene ein prominenter Akzent zu, sodass auch keine FP-Verletzung vorliegt. Ähnlich wie bei der PP-Extraktion ist nun auch die Objektumstellung unter gewissen informationsstrukturellen bzw. prosodischen Bedingungen optional, wie das folgende Beispiel mit engem Fokus auf das indirekte Objekt zeigt: 62) Wem hast du das Geld gegeben? a) Ich habe dem KasSIErer das Geld gegeben. b) Ich habe das Geld dem KasSIErer gegeben. Diese Optionalität erfasst Büring (2001b) dadurch, dass er die beiden prosodischen Beschränkungen ADF und A/P in eine einzige zusammenfasst und diese mit der Beschränkung DAT koppelt, wobei die Hierarchie von ADF und A/P beibehalten wird. Büring (2001b: 99) schlägt für seine Kopplungsart folgende Notation vor: 63) IP-HEAD-RIGHT

FP

DAT

pros. Beschr. ADF

A/P

Die Beschränkungen können natürlich nur Wirkung zeigen, wenn angenommen wird, dass Fokus im Input vermerkt ist, das heisst, es treten nur Kandidaten in den gleichen Wettbewerb, die dieselben Fokusmarkierungen aufweisen. Die folgenden beiden Tableaus von Büring (2001b: 100) illustrieren das Zusammenwirken der unterschiedlichen Beschränkungen bei weitem und bei engem Fokus auf das IO. Da die Verletzung von IP-HEAD-RIGHT immer dazu führt, dass ein Kandidat suboptimal ist, wird diese Beschränkung und werden auch die Kandidaten, die IP-HEAD-RIGHT verletzen, der Einfachheit halber in Büring (2001b) nicht in die Betrachtung miteinbezogen: 64) Enger Fokus [Wem hast du das Geld gegeben?]

FP

DAT

pros. Beschr.

i: {DatOF AccO, V} ADF ☞( X )AD a. (dem KassiererF)(das Geld)(geben)PW

*

☞( x )( X )AD b. (das Geld)(dem KassiererF)(geben)PW

*

( X )AD c. (das Geld)(dem KassiererF)(geben)PW

*!

*!

A/P

154

Durch die Kopplung von DAT und den prosodischen Beschränkungen sind 64a) und 64b) optimal. In 64a) ist die Beschränkung ADF(XP) verletzt, da das indirekte Objekt keine eigene Akzentdomäne bildet, obschon es nicht in das direkte Objekt integriert ist. 64b) hingegen verletzt DAT. Durch die Abfolge DO vor IO wird allerdings die Bildung je eigener Akzentdomänen für DO und IO zusammen mit dem Prädikat ermöglicht. IO ist in der VP enthalten, sodass keine Verletzung der prosodischen Beschränkungen erfolgt. Da die Verletzung von DAT und jene von ADF durch die Kopplung gleichwertig sind, gewinnen beide Kandidaten. 65) Weiter Fokus [Was willst du tun?]

FP

DAT

pros. Beschr.

i: {DatOF AccOF, VF} ADF

A/P

☞( x )( X )AD ** a. (dem KassiererF)(das GeldF)(gebenF)PW ( x )( X )AD ** b. (dem KassiererF)(das GeldF)(gebenF)PW

*!

( x )( x )(X )AD ** c. (dem KassiererF)(das GeldF)(gebenF)PW

*!

( x )( X )AD ** d. (das GeldF)(dem KassiererF)(gebenF)PW

*!

( X )AD ** e. (das GeldF)(dem KassiererF)(gebenF)PW

*!

*!

( x )( x )(X )AD ** f. (das GeldF)(dem KassiererF)(gebenF)PW

!*

!*

Bei weitem Fokus gibts nur einen optimalen Kandidaten, 65a). Wie alle anderen Kandidaten verletzt dieser zwar zweimal die Beschränkung FP, da er im Gegensatz zu den anderen Kandidaten jedoch gegem keine weitere Beschränkung verstösst, ist dieser Kandidat der Optimalste. Es stellt sich nun die Frage, inwieweit die Wortstellungsvariationen in Doppelobjektkonstruktionen denen von Präpositionalattributen gleichen und inwieweit Bürings Analyse auch die Verhältnisse bei der PP-Extraktion erfasst. Wie bereits erwähnt, entsprechen Bürings Beschränkungen im Grossen und Ganzen den in 5.1.2 thematisierten Prinzipien und Regeln, die, wie die Untersuchung in 5.1.3 gezeigt hat, die PP-Extraktion beeinflussen. Dies weist darauf hin, dass beide Phänomene durch die gleichen prosodischen Faktoren bestimmt sind, was eine Scrambling-Analyse, die beide Phänomene erfassen kann, wünschenswert macht. Zwar spielt die morphosyntaktische Kategorie DAT keine Rolle für die PP-Extraktion, diese könnte jedoch als ÖKON-Beschränkung definiert werden, ohne dass deshalb die Analyse der Doppelobjektkonstruktionen

155

modifiziert werden müsste. Im Gegenteil: Durch den Austausch von DAT durch ÖKON würde der Geltungsbereich von Bürings Analyse erweitert. Damit allerdings Bürings Beschränkungsordnung PP-Scrambling erfassen kann, müsste sie noch modifiziert werden. Wie oben beobachtet, umfassen Bürings Beschränkungen die Fokusprojektionsregel I, nicht aber die Fokusprojektionsregel II, die bestimmt, wie ein Fokusexponent ermittelt wird, wenn ein lexikalischer Kopf durch ein Attribut erweitert ist. Wie die Beschreibung des Phänomens in 5.1.3 gezeigt hat, bestimmen sowohl Fokusprojektionsregel I als auch II die PP-Extraktion. Dadurch, dass Bürings Beschränkungsordnung jedoch nur die Fokusprojektionsregel I umfasst, kann sie die Akzentverhältnisse in Sätzen mit komplexem Argument und postnominalem Attribut nicht erklären, im Gegenteil, sie würde in diesem Fall sogar die falschen Vorhersagen machen: Die Beschränkungen ADF(XP) und ADF(Präd) verlangen, dass N, die PP und V eine AD mitteinander teilen, denn die PP ist in der DP enthalten und diese ist wiederum ein Argument des Prädikats V. Nach A/P erhält die DP den nuklearen Akzent, wobei nicht bestimmt wird, ob dieser dem Nomen oder der PP zukommt, ausser das Nomen wird als Prädikat definiert, dann würde der Akzent der PP zukommen. Wenden wir nun die Beschränkungsordnung auf Konstruktionen mit komplexem Argument und engem Fokus auf das Nomen an, würde vorausgesagt, dass nur die in-situ-Variante zugelassenist, denn Bewegung führt zur Bildung von ADs (vgl. Uhmann 1991): 66)

[Was liest du über Picasso?]

FP

ÖKON

pros. Beschr.

i: {[NF, PP], V} ADF

(*)24

☞( X )AD a. (ein BuchF)(über Picasso)(liest)PW ( x )( X )AD b. (über Picasso)(ein BuchF)(liest)PW

A/P

*

*!

Wie wir aus der Beschreibung in 5.1.3 wissen, ist bei engem Fokus auf das Nomen im Deutschen sowohl Scrambling als auch Akzentverschiebung gleich angemessen, sodass auch 66b) optimal sein sollte. Beispiel 66) zeigt, dass mit Bürings Beschränkungsordnung PP-Scrambling nicht erfasst werden kann. Allerdings scheint es mir durchaus möglich, dass durch eine Modifikation der Beschränkungsdefinitionen auch die Fokusprojektionsregel II in die Beschränkungsordnung miteinbezogen werden könnte, sodass die PP-Extraktion und die Wortstellung in Doppelobjektkonstruktionen auf die gleiche Weise erklärt werden könnten. Weitaus problematischer an Bürings Analyse erweist sich hingegen die Tatsache, dass auch der nicht als optimal ausgewählte Kandidat nicht ungrammatisch ist. Nach der Grammatikalitätsdefinition in 5.2.2.1 bestimmt H-EVAL den optimalen Kandidaten, der damit ––––––––– 24

Es ist nicht ganz klar, ob eine A/P-Verletzung nach Büring (2001b) vorliegen würde. Falls N nicht als Prädikat analysiert wird, wäre A/P nicht verletzt. In beiden Fällen würde jedoch der Kandidat ohne Scrambling gewinnen, denn ADF is höher als A/P geordnet.

156

auch gleichzeitig grammatisch ist. Nicht-optimale Kandidaten sind ungrammatisch. Nun sind jedoch die nicht-optimalen Kandidaten in 64) und 65) nicht ungrammatisch, sondern nur markiert bzw. nach der in dieser Arbeit gebrauchten Terminologie pragmatisch ›unangemessen‹. Dies entspricht auch den zu PP-Scrambling gemachten Beobachtungen: Wenn die Barrierenbedingung nicht verletzt wird, kann Scrambling bzw. Nicht-Scrambling höchstens Markiertheit bzw. Unangemessenheit auslösen, nicht aber Ungrammatikalität. Mit Bürings Analyse kann jedoch der Unterschied von Grammatikalität und Markiertheit bzw. Unangemessenheit nicht erklärt werden. Zwar versucht Büring (2001b) diesen Konflikt zu lösen, indem er per Stipulation annimmt, dass eine fatale Verletzung der Beschränkungen {DAT, ADF, A/P} bzw. aller Beschränkungen tiefer als FP nur zu Markiertheit, nicht aber zu Ungrammatikalität führen. Diese Stipulation lässt sich allerdings mit dem Lernbarkeitskriterium nur schwer vereinbaren: Wie soll ein Kind lernen, welche fatalen Beschränkungsverletzungen zu Ungrammatikalität und welche nur zu Markiertheit führen? Diese Stipulation hat noch weitere Folgen, denn unter der Annahme, dass Beschränkungen unterschiedliche Effekte haben, müsste irgendwie erklärt werden können, weshalb nicht alle Strukturen, die erst durch die Verletzung einer niedrigen Beschränkung suboptimal sind, nur markiert und nicht ungrammatisch sind. Die Vereinigung von Beschränkungen, die die Grammatikalität eines Ausdrucks bestimmen, und solchen, die nur seine Markiertheit definieren, ist meines Erachtens problematisch. Die Beschränkungen, die die Grammatikalität des Ausdrucks bestimmen, müssen von denjenigen, die die Markiertheit definieren, separiert werden. Dies verlangt auch Müller (1999b). Sein Lösungsvorschlag zum Problem der Markiertheit wird im folgenden Abschnitt diskutiert.

5.2.2.3

Markiertheit vs. Grammatikalität (Müller 1999b)

Müllers Analyse (1999b) beruht auf zwei Beschränkungen: ÖKON und SCR-KRIT, wobei erstere Scrambling verbietet und letztere diese Operation auslöst. SCR-K RIT ist höher als ÖKON geordnet. SCR-KRIT ist keine einfache Beschränkung. Sie setzt sich aus einer Subhierarchie aus verletzbaren, zueinander geordneten Teilbeschränkungen zusammen. Die interne Ordnung von SCR-KRIT entscheidet nicht über Grammatikalität, sondern über Markiertheit (vgl. dazu unten). Die Teilbeschränkungen sind (morpho-)syntaktischer, semantischer, struktureller und informationsstruktureller Art, wobei die letzte nur durch eine Beschränkung FOK repräsentiert ist, die besagt, dass ein [–Fokus] einem [+Fokus] vorangeht. Die Beschränkungen der Subhierarchie triggern letztlich Scrambling, denn Scrambling ist möglich, wenn es durch mindestens eine der Beschränkungen der SCR-KRIT-Subhierarchie legitimiert ist. Erreicht wird diese Möglichkeit durch eine modifizierte Definition von Grammatikalität, die in Müller (2000: 244) folgendermassen, auf Deutsch übersetzt, wiedergegeben ist: Optimalität (Grammatikalität II) Ein Kandidat Ki ist optimal1 (grammatisch) gdw. es keinen anderen Kandidaten K j in derselben Kandidatenmenge gibt, der hinsichtlich der Matrixhierarchie ›B1 >> B2 >>… >> Bn‹ ein besseres Beschränkungsprofil hat, wobei Bi durch ein Ci aus ›C1 > C2 > … > Cn‹ ersetzt ist, falls Bi eine Subhierarchie ›C1 > C2 > … > Cn‹ ist.

157

Die Beschränkung SCR-KRIT kann dieser Definition zufolge durch eine Beschränkung seiner Subhierarchie ersetzt werden, sodass diese letztlich Scrambling legitimieren kann. Nun gibt es auch innerhalb der Subhierarchie einen Wettbewerb, nur wird hier nicht ein optimaler Kandidat im Sinn der obigen Definition ausgewählt, sondern hier wird der unmarkierte Kandidat unter den grammatischen Kandidaten erkoren. Müller (1999b) definiert zwei Arten von Optimalität: Optimalität1 ist mit Grammatikalität gleichzusetzen und ergibt sich aus der Matrixhierarchie, Optimalität2 wird mit Unmarkiertheit gleichgesetzt und ist von der Subhierarchie ableitbar (Zitat nach der deutschen Übersetzung von Müller (1999b) in Müller (2000: 244)): Unmarkiertheit (»Optimalität2«) Ein Kandidat Ki ist optimal2 (unmarkiert) gdw. es keinen anderen Kandidaten Kj in derselben Kandidatenmenge gibt, der hinsichtlich der Matrixhierarchie ›B1 >> B2 >> … >> Bn‹ ein besseres Beschränkungsprofil hat, wobei Bi durch ›C1 > C2 > … > Cn‹ ersetzt ist, falls Bi eine Subhierarchie ›C1 > C2 > … > Cn‹ ist Die Unterscheidung von Matrix- und Subhierarchie spielt zur Ermittlung von Unmarkiertheit keine Rolle, denn der Kandidat, der unter Ersetzung aller Teilbeschränkungen einer Subhierarchie inklusive ihrer Ordnung das beste Beschränkungsprofil aufweist, ist unmarkiert. Zusammen mit der Definition von Grammatikalität ergibt sich schliesslich, dass ein Kandidat, der nur innerhalb der Subhierarchie als suboptimal bestimmt wird, nur markiert ist und nicht ungrammatisch. Die Idee der Subhierarchie, welche schliesslich über die Markiertheit bestimmt, hat gegenüber der Stipulation von ›weicheren‹ Beschränkungen den Vorteil, dass nicht ein und dieselbe Beschränkungsordnung sowohl über Grammatikalität als auch über Markiertheit entscheidet. Die Trennung von zwei verschiedenen Hierarchien für diese beiden Urteilsunterscheidungen scheint mir gegenüber Büring (2001b) ein grosser Vorteil zu sein. Ein weiterer Vorteil besteht darin, dass sich mit diesem Konzept auch Markiertheitsgrade erfassen lassen, denn diese sind durch die Beschränkungsordnung der Subhierarchie bestimmt: »Je schlechter gemäss [der Unmarkiertheitsdefinition] das Beschränkungsprofil eines nach [der Grammatikalitätsdefinition] grammatischen Kandidaten im Vergleich zu den Konkurrenten ist, desto markierter ist er.« (Müller 2000: 244). Auch wenn es schwierig sein wird, im Einzelfall die Grade der Markiertheit nachzuweisen (vgl. unten), da diese auch individuell verschieden sein können, so bietet die Idee der Subhierarchie eine gute Möglichkeit, mit dem Problem der Grammatikalität bzw. Markiertheit umzugehen. Allerdings ergeben sich auch für Müllers Ansatz (1999b) Probleme, wenn man ihn auf die Daten der PP-Extraktion anwendet. Von all den in Müller (1999b) definierten Beschränkungen kann nur FOK Scrambling der PP legitimieren, denn PP-Scrambling ist weder durch morphosyntaktische Faktoren wie Kasus oder Definitheit noch durch semantische Faktoren wie Belebtheit beeinflusst. Die Beschränkung FOK, wie sie in Müller definiert ist, reicht jedoch nicht aus, um das Mittelfeld-Scrambling der PP zu erklären. Müllers Beschränkungsordnung verhindert die Möglichkeit, PP-Scrambling gleich wie Scrambling in Doppelobjektkonstruktionen zu analysieren. Das Ziel, diese beiden Phänomene mithilfe der gleichen Analyse zu erfassen ist, wie unter 3.2.2.1 gezeigt wurde, empirisch fundiert. Eine rein phänomenorientierte Analyse kann Mittelfeld-Scrambling nicht erklären. PP-Scrambling zeigt, dass der Faktor Fokus alleine die Bewegung lizenzieren kann. Dies bedeutet, dass der Einfluss dieses Faktors auf

158

die Wortstellungsphänomene doch komplexer und auch stärker ist, als Müller (1999b) annimmt. Das Ziel, Mittelfeld-Scrambling durch eine einheitliche Analyse zu erklären, kann nur durch eine Aufspaltung des Faktors Fokus erklärt werden, ähnlich wie dies Büring (2001b) vorschlägt. Der Vorteil an Müllers Ansatz ist allerdings, dass er die Urteilsoppositionen, welche die Verletzungen der jeweiligen Beschränkungen bedingen, separiert. Durch die Separation werden zwei unabhängige Verarbeitungssysteme sprachlicher Strukturen angenommen, die zwar interagieren, die aber jeweils unterschiedliche Urteilsarten errechnen. Trotz dieser Separation weist allerdings auch Müllers Ansatz Probleme mit dem Lernbarkeitskriterium auf. Es stellt sich hier ähnlich wie in Bürings Ansatz die Frage, wie ein Kind lernen kann, welche Beschränkungen zu welcher Hierarchie gehören. In Müller (1999b) umfasst die Subhierarchie (morpho-)syntaktische, semantische, strukturelle und informationsstrukturelle Beschränkungstypen. Diese Typen von Beschränkungen sind mit Ausnahme der informationsstrukturellen auch in der Matrixhierarchie vorhanden. Meines Erachtens ist das Lernbarkeitsproblem vor allem durch die Vermischung unterschiedlicher Beschränkungstypen in der Subhierarchie begründet. Bei einer Restriktion von Beschränkungstypen in der Subhierarchie, die in der Matrixhierarchie nicht zu finden sind, liesse sich das Problem der Lernbarkeit merkbar abschwächen. In Kapitel 6 werde ich zu zeigen versuchen, dass die Subhierarchie nur Beschränkungen beinhaltet, die informationsstruktureller Art und kontextbestimmt sind. Ein weiteres Problem an Müllers Ansatz ist sein widersprüchliches Markiertheitskonzept: Empirisch sind Markiertheitsgrade nach Müller (1999b: 783) entweder durch Sprecherurteile nachweisbar oder – im Anschluss an Höhle (1982) –, indem die Anzahl möglicher Kontexte, in denen ein Kandidat möglich ist, verglichen wird. Syntaktisch wird Markiertheit mithilfe der Subhierarchie ermittelt. Für die Beispiele in 67) gibt die Subhierarchie mit FOK > D AT folgende Grammatikalitätsgrade an (vgl. Müller 2000: 248):25 67) a) ??dass der Fritz der MARIA den Karl vorgestellt hat b) ?*dass der Fritz den KARL der Maria vorgestellt hat Dem Markiertheitskonzept von Höhle (1982) zufolge sind beide Kandidaten gleich markiert, denn beide sind nur in einem Kontext mit engem Fokus auf das jeweils fokussierte Objekt möglich. Zum empirischen Nachweis dieser scheinbaren Asymmetrie kann also Höhle (1982) nicht herangezogen werden. Dies bedeutet, dass letztlich ein unterschiedlicher Markiertheitsgrad hier doch nur mithilfe von Sprecherurteilen empirisch nachgewiesen werden kann. Bei einer satzbezogenen Beurteilung sind beide Kandidaten markiert, denn als kontextlose Ausdrücke müssten sie Normalbetonung aufweisen, was jedoch beide nicht tun. Somit müssen die SprecherInnen zur Beurteilung des Markiertheitsgrads auf den Kontext rekurrieren bzw. einen Kontext konstruieren. Je nach Kontext kann nun sowohl 67a) markierter als 67b) sein als auch umgekehrt, denn, sobald der Kontext hinzugezogen wird, erfolgt Fokusmarkierung, und jener Kandidat, der aufgrund seiner angegebenen Intonation dieser Fokusmarkierung widerspricht, ist markierter. Bei Fokusmarkierung gehören jedoch die beiden Kandidaten auch nicht mehr zur selben Kandidatenmenge. Dies erklärt, weshalb ––––––––– 25

Nach Müller (1999b) kommt Fokus erst auf der S-Struktur hinzu, sodass unterschiedlich fokusmarkierte Kandidaten zur selben Kandidatenmenge gehören können.

159

je nach Kontextkonstruktion ein jeweils anderer Kandidat als optimal bzw. unmarkiert erkoren wird. Nun will jedoch Müller (1999b) diskursbezogene Inputspezifizierungen ausdrücklich vermeiden, um der Gefahr der Untergenerierung zu entgehen.26 Darin liegt aber auch der Widerspruch in seinem Markiertheitskonzept: Markiertheitsgrade sollen ohne Kontextbezug, alleine mithilfe der Subhierarchie bestimmt werden, sie sind jedoch, wie die Ausführungen gezeigt haben, nur mit Kontextbezug empirisch nachweisbar, da eben auch die Sprecherurteile auf den Kontext zurückgreifen. Somit werden beim Nachweis die Kandidaten nicht mit denselben Ellen gemessen, denn je nach Fokusmarkierung, die bei der Kontextkonstruktion vorgenommen wird, variiert der Markiertheitsgrad. Dies zeigt, dass Markiertheitsgrade nicht rein satzbezogen bestimmt werden können, sondern auf Fokusindikation und damit auch auf Kontextbezug angewiesen sind. Die Probleme von Müllers Ansatz liegen mehrheitlich darin begründet, dass er kontextuelle Faktoren möglichst aus der Analyse ausschliessen will. Damit verstrickt sich der Ansatz jedoch in empirische Schwierigkeiten, denn wie vor allem auch das Scrambling der PP zeigt, haben der Faktor Fokus und die damit verbundenen prosodischen Prinzipien einen stärkeren und komplexeren Einfluss auf Scrambling, als dies durch Müllers Beschränkungen erklärt werden kann; und dieser Faktor ist nun mal kontextbestimmt. Auch die Widersprüche in Bezug auf das Markiertheitskonzept ergeben sich aus dem künstlichen Ausschluss kontextueller Faktoren. Diese sind jedoch nachweisbar vorhanden, denn Markiertheit kann empirisch, im Gegensatz zu Grammatikalität, gar nicht kontextfrei ermittelt werden.

5.3 Zusammenfassung Die Untersuchung zum Einfluss informationsstruktureller Faktoren auf die PP-Extraktion hat ergeben, dass man je nach involvierter informationsstruktureller Ebene zwei Arten von Extraktion unterscheiden muss: Topikalisierung wird (mit Ausnahme von einfachen Echofragen) durch die satzbezogene informationsstrukturelle Ebene TKG bestimmt. Diese verfügt über einen Operator, welcher die Bewegung ins Vorfeld triggert. Topikalisierung weist typische Merkmale von Operatorenbewegung auf, indem sie obligatorisch ist und – wie die wh-Bewegung auch – ins Vorfeld zielt. Scrambling hingegen ist, wie die Untersuchung gezeigt hat, optional. Diese Bewegungsart wird durch die FHG-Ebene bestimmt. Damit wird Scrambling durch kontextuelle Faktoren (mit-)beeinflusst. Der kontextuelle Einfluss lässt sich jedoch nicht über Operatoren erklären. Dies zeigt sich auch daran, dass Scrambling-Bewegung nicht mit Grammatikalität verbunden ist, sondern lediglich mit Markiertheit bzw. Angemessenheit.

––––––––– 26

Je spezifischer der Input, desto weniger Kandidaten befinden sich im Wettbewerb und je weniger Kandidaten im Wettbewerb sind, desto weniger gut funktioniert das optimalitätstheoretische Auswahlprinzip.

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Die Unterschiede dieser beiden Bewegungsarten lassen sich nicht mit den gleichen Beschränkungen erklären. Will man beide Bewegungsarten jedoch mit einem einzigen syntaktischen Modell erfassen, braucht es ein Modell, das zwischen Beschränkungen unterscheidet, die zu Grammatikalität führen, und solchen, die lediglich Markiertheit bzw. Angemessenheit bestimmen. Wie die Arbeiten von Büring (2001b) und Müller (1999b) gezeigt haben, läuft ein Modell, welches die Beschränkungen vermischt, Gefahr, das Lernbarkeitskriterium nicht erfüllen zu können. Ich möchte im folgenden Kapitel einen Vorschlag machen, nach welchem die Trennung der Hierarchien nicht nur in Bezug auf die unterschiedlichen Verarbeitungsarten vorgenommen wird, also nicht nur in Bezug auf die Urteilsarten Markiertheit oder Grammatikalität, sondern auch in Bezug auf die Beschränkungsarten. Satzbezogene Beschränkungen werden von den kontextbezogenen klar getrennt. Diese Trennung lässt sich nicht nur besser mit dem Lernbarkeitskriterium vereinbaren, sie ist vor allem auch empirisch gerechtfertigt, wie die nähere Betrachtung der Eigenschaften von Markiertheit, Angemessenheit und Grammatikalität in Abschnitt 6.1 zeigen wird. Die unterschiedlichen Beschränkungen interagieren allerdings miteinander, wie die in diesem Kapitel gemachten Beobachtungen deutlich gemacht haben, denn kontextuelle Beschränkungen haben einen Einfluss auf die syntaktische Operation Scrambling. Mit anderen Worten, sie beeinflussen die Stellung der Konstituenten im Satz. Um die Interaktion der beiden getrennten Hierarchien beschreiben zu können, müssen sie schliesslich wieder in ein Modell vereinigt werden. Ich werde daher in 6.2 eine Analyse vorschlagen, die auf Müllers Subhierarchiemodell beruht. Dieses Modell ermöglicht es, das eingangs dieser Arbeit gestellte Ziel zu erreichen, das Phänomen der PP-Extraktion einheitlich zu analysieren.

6 PP-Extraktion: Eine einheitliche Analyse

In den bisherigen Kapiteln wurden die verschiedenen Faktoren, die Extraktion bestimmen, gesondert beschrieben und analysiert. In diesem Kapitel geht es nun darum, den Anspruch nach einer einheitlichen Analyse für das Phänomen der PP-Extraktion zu erfüllen und die verschiedenen Analysen in ein einheitliches Modell zu bringen. Im letzten Kapitel ist die Frage aufgetaucht, ob es aufgrund der unterschiedlichen Urteilsoppositionen, welche die verschiedenen Faktoren auslösen, überhaupt sinnvoll ist, die PP-Extraktion einheitlich zu erklären. Im folgenden Abschnitt 6.1 wird zunächst dieser Frage nachgegangen, indem die Eigenschaften von Grammatikalität, Markiertheit bzw. Angemessenheit näher betrachtet werden. Dabei wird sich zeigen, dass tatsächlich mehrere, teils voneinander unabhängige Verarbeitungssysteme anzunehmen sind, dass es aber sinnvoll ist, diese in einem Modell zu vereinen, denn nur so kann die Interaktion zwischen ihnen beschrieben werden. Unter 6.2 wird eine Analyse des Gesamtphänomens vorgeschlagen, die mithilfe einer Modifikation des Subhierarchiemodells von Müller (1999) dem Anspruch nach Einheitlichkeit genügt.

6.1 Grammatikalität, Markiertheit, Angemessenheit In Kapitel 5 wurde aufgezeigt, dass die Verarbeitung von Extraktionsstrukturen auf unterschiedliche Weisen erfolgt. Einerseits ist das Phänomen mit der Opposition ›grammatisch – ungrammatisch‹ verbunden, andererseits aber auch mit ›markiert – unmarkiert‹ 1 oder ›angemessen – unangemessen‹. Die kritische Betrachtung des Markiertheitskonzepts von Müller (1999b) hat gezeigt, dass verschiedene Arten von Markiertheit zu unterscheiden sind, die jeweils unterschiedliche Konzepte des Begriffs repräsentieren. Ich werde in diesem Abschnitt dafür argumentieren, dass die Verarbeitung syntaktischer Strukturen zu drei unterschiedlichen Ergebnisarten führen kann. Diese werden jeweils von verschiedenen Verarbeitungssystemen, denen auch unterschiedliche Beschränkungen und Prinzipien zugrunde liegen, errechnet. In den Kapiteln 1 – 5 sind wir unterschiedlichen Asymmetrien begegnet. Diese ergeben jeweils eine der folgenden Urteilsoppositionen: Fall I: Grammatikalität vs. Ungrammatikalität 1) a) Über den Irakkrieg hat Marta viele Berichte gelesen. b) *Über den Irakkrieg hat Marta vielen Radioberichten zugehört.

––––––––– 1

Der Markiertheitsbegriff wird hier nicht im Sinn von Höhle (1982) gebraucht (vgl. dazu auch 5.2.2.3), sondern parallel zum Begriffspaar angemessen vs. unangemessen. Die Begriffe Markiertheit und Angemessenheit werden weiter unten präzisiert.

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Fall II: Ungrammatikalität vs. Markiertheit I (Beispiel aus Fanselow 1991: 185) 2) a) *Über Chomsky hat Britt alle Bücher zerrissen. b) Schau her, was Britt, deine Tochter, mit meiner Biographiensammlung angestellt hat! Die Bücher sind zerrissen, bemalt und mit Brei bekleckert! Zwei meiner Bände über Carnap sind entzwei! Drei von meinen Biographien über Bloomfield sind zerfetzt und [?]über Chomsky hat sie sogar alle Bücher zerrissen. Fall III: Markiertheit II vs. Unmarkiertheit 3) Was hat Rudi gelesen? a) #Rudi hat über Picasso eine Biogra\FIE gelesen. b) Rudi hat eine Biografie über Pi\CASso gelesen. Die Eigenschaften dieser Urteilsoppositionen werden nun im Folgenden der Reihe nach näher betrachtet. Zu Fall I: Die Asymmetrie in 1) ergibt sich daraus, dass die Barrierenbedingung verletzt ist, denn der DP-Kopf eines indirekten Objekts ist nicht in V inkorporierbar (vgl. 3.1.2). Die Verletzung der lokalen Beschränkung Barriere in 1b) führt dazu, dass die Spur auf LF nicht auffindbar ist, sodass die Struktur durch die Grammatikkomponente nicht verarbeitet werden kann. Von der Grammatikkomponente nicht-verarbeitbare Strukturen resultieren in Ungrammatikalität, verarbeitbare hingegen in Grammatikalität. Da die Barrierenbeschränkung in Beispiel 1) alleine für die Asymmetrie verantwortlich ist und die Asymmetrie eine eindeutige Opposition repräsentiert, ist anzunehmen, dass die Beschränkung Barriere zu den Grammatikalitäts- und nicht zu den Markiertheitsbeschränkungen gehört. Diese Annahme wird allerdings durch die empirische Untersuchung von Keller (2000) in Frage gestellt: Keller (2000) belegt, dass Extraktionen aus definiten DPs von wesentlich mehr Sprechern akzeptiert werden als Extraktionen des Typs aus Beispiel 1). Keller schliesst daraus, dass Extraktion aus definiten DPs einen schwächeren Grad an Ungrammatikalität aufweist als beispielsweise Extraktion aus indirekten Objekten.2 Nach Keller (2000) erklärt sich die Graduierung der Grammatikalität dadurch, dass die Grammatikkomponente über härtere und weichere Beschränkungen verfügt, die die Grammatikalität bestimmen. Die Beschränkungen, welche in die Extraktion aus definiten DPs involviert sind, sind somit seiner Theorie zufolge schwächer als jene, die die Extraktion aus einem indirekten Objekt verbieten.3 Diese Erklärung kann für die in der vorliegenden Arbeit begründete Annahme, dass Extraktion aus definiten DPs generell einen Freezing-Effekt auslöst, nicht herangezogen werden, denn in Kapitel 3.1.5 wurde aufgezeigt, dass die Beschränkung Barriere sowohl die Ungrammatikalität von Extraktionen aus indirekten Objekten als auch jene aus definiten DPs bestimmt. Dass die Beschränkung Barriere einmal stark und einmal schwach sein soll, ist eher unwahrscheinlich. Es stellt sich daher die

––––––––– 2

3

Das Gleiche gilt nach Keller (2000) für Extraktionen aus DPs, deren Kopf aus lexikalisch-semantischen Gründen nicht in V inkorporierbar ist. Die in diesem Fall erzeugte Markiertheit wird unter (b) besprochen. Kellers Grammatikalitätsdefinition zufolge, gibt die hierarchische Beschränkungsordnung gleichzeitig auch die Graduierung der Grammatikalität an.

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Frage, wie die unterschiedlichen Grammatikalitätsgrade bei gleichem Beschränkungsprofil zustande kommen können. Im Gegensatz zu Keller (2000) gehe ich nicht davon aus, dass innerhalb der Grammatikkomponente die unterschiedlichen Grade der Grammatikalität erzeugt werden, sondern ich nehme an, dass die Schnittstelle zur Pragmatikkomponente für die Steigerung der Akzeptabilität verantwortlich ist. In Abschnitt 3.1.5 habe ich diese Annahme ausführlich begründet. Diese Begründung wird im Folgenden zusammengefasst wiedergegeben: Der Spezifizitätseffekt ist konstruktionsbedingt und lässt sich dadurch begründen, dass definite DPs im prototypischen Fall zur Hintergrundinformation gehören. Sie scrambeln häufig aus der vP, um der Fokusinterpretation zu entgehen. Damit befinden sie sich nicht an einer Komplementposition von V und können auch nicht inkorporieren. Im Gegensatz jedoch zu indirekten Objekten stehen definite DPs nicht grundsätzlich an einer NichtInkorporations-Position. Scrambling definiter DPs ist kontextabhängig und lässt sich informationsstrukturell erklären. In sehr spezifischen Kontexten, in denen die definite DP im Fokus steht, z.B. bei Fokus auf eines ihrer Elemente, verbleibt die DP an der V-Komplementposition, wo sie in V abstrakt inkorporieren kann. Extraktion ist in diesem speziellen Kontext möglich, wie in 3.1.5 gezeigt wurde. Der höhere Grammatikalitätsgrad von Extraktionen aus definiten DPs im Gegensatz zu solchen, aus indirekten Objekten erklärt sich nun dadurch, dass es im Fall definiter DPs Kontexte gibt, in denen die DP VPintern verbleibt, sodass PP-Extraktion zu keiner Barrierenverletzung führt; im Fall indirekter Objekte hingegen führt Extraktion in jedem Kontext zu einer Verletzung der Barrierenbedingung. Bei der Extraktion aus definiten DPs sind also, im Gegensatz zu jener aus indirekten Objekten, Lesarten zugänglich, bei denen die Extraktion aus der definiten DP grammatisch ist. Daraus schliesse ich, dass die Grammatikkomponente keine Grammatikalitätsgrade errechnet. Sie bestimmt nur die Grammatikalität bzw. die Ungrammatikalität eines sprachlichen Ausdrucks. Die Prinzipien der Grammatikkomponente verhindern sowohl die Extraktion aus definiten DPs (im Normalfall) als auch jene aus indirekten Objekten. Nun wird jedoch Grammatikalität empirisch durch Befragung von native speakers ermittelt. Diese greifen bei der Beurteilung nicht unbedingt nur auf die Grammatikkompetenz zurück, sondern es können auch andere mentale Prozesse in die Beurteilung miteinfliessen. Der Grammatikalitätsgrad eines ungrammatischen Ausdrucks kann durch einen Reparaturmechanismus an der Schnittstelle zu einem anderen mentalen Prozess gesteigert werden. Bei der Extraktion aus definiten DPs handelt es sich dabei um die Pragmatikschnittstelle, denn der Grammatikalitätsgrad erhöht sich, wenn ein Kontext konstruiert werden kann, in dem der ungrammatische Ausdruck interpretierbar wird, und sinkt wieder entscheidend, wenn dieser entsprechende Zugang verhindert wird. Dies lässt sich auch daran erkennen, dass die Akzeptabilität bei der Extraktion aus einer definiten DP zurückgeht, wenn die DP oberhalb eines Satzadverbs platziert ist wie in 4a), denn dadurch wird die Interpretation dahingehend disambiguiert, dass keine Fokuslesart mehr möglich ist: 4)

a) *Über den Irakkrieg hat er den kürzeren Bericht wahrscheinlich doch noch gelesen. b) ?Über den Irakkrieg hat er den kürzeren Bericht gelesen.

Dieses Beispiel zeigt, dass nicht die Beschränkungshierarchie den Grad der Grammatikalität angibt, sondern dass er von anderen Faktoren, wie beispielsweise Disambiguierung,

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Kontextrekonstruktion usw., beeinflusst wird. Ein weiterer Punkt, der gegen die Annahme spricht, dass Grammatikalitätsgrade in der Grammatikkomponente erzeugt werden, ist, dass auch bei Extraktionen aus definiten DPs nicht alle Sprecher und Sprecherinnen jeweils die gleichen Grammatikalitätsabstufungen angeben. In Kellers Untersuchung wird die Extraktion aus definiten DPs von einigen Sprechern und Sprecherinnen als ungrammatisch, von anderen als markiert und wiederum von anderen als grammatisch eingestuft. Würden alle über die gleiche Beschränkungshierarchie verfügen, was ja in Bezug auf die Grammatikkomponente generell für die Sprecher und Sprecherinnen einer gemeinsamen Sprache angenommen wird, sollten diese Differenzen nicht auftreten. Die Individualität der Grammatikalitätsgrade spricht dafür, dass es sich um reparierte Ausdrücke handelt, denn der Zugang zu Reparaturmechanismen ist individuell verschieden, wenn auch nicht beliebig. Bei der Extraktion aus definiten DPs handelt es sich um ungrammatische Strukturen, die durch den Rückgriff auf Reparaturmechanismen einen erhöhten Grammatikalitätsgrad aufweisen können. Sie wiederspiegeln damit die Opposition ungrammatisch – markiert, die im Folgenden diskutiert wird. Fall II: In 2b), hier wiederholt als 5), wird der Grad der Ungrammatikalität, gleich wie bei der Extraktion aus definiten DPs, durch Kontexteinbettung verbessert: 5)

a) *Über Chomsky hat Britt alle Bücher zerrissen. b) Schau her, was Britt, deine Tochter, mit meiner Biographiensammlung angestellt hat! Die Bücher sind zerrissen, bemalt und mit Brei bekleckert! Zwei meiner Bände über Carnap sind entzwei! Drei von meinen Biographien über Bloomfield sind zerfetzt und [?]über Chomsky hat sie sogar alle Bücher zerrissen.

Dies weist wiederum darauf hin, dass es sich hier um ein Phänomen handelt, bei dem die ungrammatische Struktur an der Pragmatikschnittstelle repariert wird. Der Ausdruck ist ungrammatisch aufgrund lexikalisch-semantischer Faktoren. Das Nomen Bücher und das Verb zerrissen weisen nicht die für Inkorporation nötige semantische Nähe auf, da das Verb zerreissen die lcs des Nomens nicht aktivieren kann. Nun könnte man zwar sagen, dass semantische Nähe durch den Kontext temporär erzeugt wird. In Kapitel 4 wurde allerdings gezeigt, dass die lcs des Nomens durch Merkmale aktiviert werden kann, die dem Nomen und dem Verb inhärend sind; und nur PPs von Nomen mit aktivierter lcs können extrahiert werden. Zudem müsste bei der These temporär erzeugter semantischer Nähe konsequenterweise doch angenommen werden, dass die Grammatikkomponente kontextsensitiv ist, was, wie bereits ausführlich gezeigt, schwerwiegende theoretische Folgen hätte. Weil die Grammatikkomponente satzgebunden ist, kann der Kontext keine echte Grammatikalität4 erzeugen. An der Pragmatikschnittstelle kann jedoch aufgrund des Kontextes ein ungrammatischer Ausdruck repariert werden. Reparatur ist allerdings mit Kosten verbunden, was dazu führt, dass ›reparierte‹ Ausdrücke doch nicht als perfekt, sondern eben als ›markiert‹ eingestuft werden. Durch Reparatur erzeugte Markiertheit ist nicht Gegenstand der Grammatikkomponente, wie ich oben begründet habe. Somit darf sie auch nicht mithilfe grammatischer Prinzipien erfasst werden. Um allerdings unterscheiden zu können, welche Ausdrücke in die grammatische Analyse miteinbezogen werden müssen und bei ––––––––– 4

Als ›echte Grammatikalität‹ wird in dieser Arbeit Grammatikalität verstanden, die in der Grammatikkomponente erzeugt wird.

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welchen es sich um Schnittstellenphänomene handelt, die anderen Prinzipien folgen, müssen die dabei involvierten Phänomene unterschieden werden. Reparaturmechanismen können durch sehr unterschiedliche Faktoren begünstigt werden, die bei weitem noch nicht erforscht sind. Daher ist die Bestimmung der Phänomene, die aus der grammatischen Analyse ausgeschlossen werden müssen, nicht immer einfach. Trotzdem weisen aber ›reparierte‹ Ausdrücke bestimmte Eigenschaften auf, die den Prinzipien der Grammatikkomponente widersprechen. Diese Eigenschaften liefern Indizien für die Zuordnung sprachlicher Strukturen zu Schnittstellenphänomenen. Die Grammatikkomponente verarbeitet sprachliche Strukturen der Grösse Satz. Sie ist ›blind‹ für Kontexteinflüsse. Wenn Sprecher und Sprecherinnen erst durch Kontexteinbettung Urteile über den Korrektheitsgrad eines Satzes abgeben, ist dies ein starker Hinweis darauf, dass es sich um eine reparierte Struktur handelt. In Befragungen lässt sich die Reparatur dadurch nachweisen, dass ein Satz wie in 2a) kontextfrei als ungrammatisch eingestuft wird. Manchmal können Reparaturmechanismen auch daran festgemacht werden, dass Informanten die Grammatikalität des zu beurteilenden Satzes durch Kontextangabe oder durch Angabe von kontrastiven Betonungen einschränken. Ungrammatische Extraktionen können anscheinend durch starke Kontrastierung der PP oder eines ihrer Elemente an der Pragmatikschnittstelle repariert werden, sie werden jedoch auch nach der Reparatur nicht als völlig grammatisch bewertet (vgl. 5.1.3). Ein weiteres Indiz für das Vorliegen eines Reparaturmechanismus ist die grosse Uneinheitlichkeit von Grammatikalitätsurteilen bei Befragungen. Reparatur kann durch verschiedene, auch sprachimmanente Faktoren begünstigt werden, sie weist jedoch zudem meist individuelle Züge auf. So ist ein Reparaturmechanismus nicht unbedingt für alle Sprecherinnen und Sprecher gleich zugänglich. Dieses Faktum lässt sich nicht nur an der bereits besprochenen Extraktion aus definiten DPs illustrieren, auch das Beispiel 2b) wird in meinen Befragungen individuell unterschiedlich beurteilt: Als grammatisch haben diesen Satz keine meiner Informanten eingestuft. Allerdings fanden ihn einige wenige einigermassen akzeptabel. Reparatur kann sich auch daran zeigen, dass ein einfacher Satz zwar als grammatisch beurteilt wird, jedoch sofort als ungrammatisch eingestuft wird, sobald sich die Komplexität des Satzes erhöht; und das, obschon sich die strukturellen Bedingungen für die grammatische Operation nicht verändert haben. Die Extraktion der von-PP aus DPs, die aus lexikalisch-semantischen Gründen nicht inkorporieren können, weist diese Eigenschaft der Reparatur auf, wie die Beispiele 19) und 20) aus Kapitel 4, hier wiederholt als 6) und 7), zeigen: 6)

a) Von Chomsky hat er einige Artikel im Zug nach Luzern gelesen. b) Über Politik hat er einige Artikel im Zug nach Luzern gelesen.

7)

a) ?Von Chomsky hat er einige Artikel zerrissen. b) *Von Chomsky hat er einige Artikel im Zug nach Luzern zerrissen.

Bei Inkorporation des DP-Kopfes ist die Extraktion möglich, auch wenn zusätzliche Elemente wie die lokale PP hinzukommen, denn diese hat strukturell keinen Einfluss auf den Barrierenstatus der DP (vgl. Beispiel 6)). In einer einfachen Konstruktion ist die Extraktion der von-PP für einige Sprecher auch möglich, wenn die DP eine Barriere darstellt (7a)), der

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Grammatikalitätsgrad sinkt jedoch stark, wenn eine weitere PP hinzukommt (7b)). Die erhöhte Komplexität des Satzes verhindert, dass der Reparaturmechanismus in Aktion treten kann. Zusätzliches Material überfordert den Mechanismus, obschon dieses, wie auch die Adjunkt-PP in 7b), keinen strukturellen Einfluss auf die Extraktionsbedingungen hat. Das Beispiel der von-Extraktion weist auf eine weitere Eigenschaft von Reparaturphänomenen hin, nämlich auf ihr unsystematisches, oder besser, ihr nicht-algorithmisches Verhalten. Dies zeigt sich unter anderem daran, dass Asymmetrien auch unter parallelen strukturellen Bedingungen auftreten können. Die Beobachtungen zur Opposition Markiertheit I vs. Ungrammatikalität lassen sich folgendermassen zusammenfassen: Markiertheit I wird dadurch erzeugt, dass an einer Schnittstelle zu einem anderen mentalen Prozess ungrammatische Ausdrücke so repariert werden können, dass sie als akzeptabel, wenn auch nicht als perfekt eingestuft werden. Bei Zusammenkommen mehrerer Indizien lässt sich mit relativ hoher Wahrscheinlichkeit annehmen, dass es sich bei der fraglichen Struktur um ein Reparaturphänomen handelt, welches nicht durch die Beschränkungen und Prinzipien der Grammatik erklärt werden kann. Reparaturphänomene werden daher aus der in 6.2 vorgeschlagenen grammatischen Analyse der PP-Extraktion ausgeschlossen.5 Die Bestimmung der Reparaturphänomene wird in der vorliegenden Arbeit auf der Basis der in diesem Abschnitt genannten Indizien vorgenommen. Neben den bereits besprochenen Fällen – die Extraktion aus definiten, nicht-modifizierten und fokussierten DPs und jene von Auctorphrasen in Nicht-Inkorporationskontexten – weisen auch die Extraktionen aus Subjekten transitiver bzw. intransitiver nicht-ergativer Verben die Eigenschaften von Markiertheit I auf. Die fraglichen Sätze, denen wir bereits häufiger begegnet sind, stammen aus der Extraktionsliteratur und sind hier nochmals aufgeführt: 8)

a) Von wem hat der Vater angerufen? (Fanselow 1991: 189) b) Über Boris Becker hat ihn der Sieg von Ivan Lendl nicht gestört. (Fanselow 1991: 189) c) Von Wittgenstein haben die Erben protestiert. (Pafel 1993: 220) d) Über Strauss hat ein Witz die Runde gemacht. (Haider 1993: 173)

Ich habe meine 10 Informanten und Informantinnen, die ich bereits zu den extraponierten PPs befragt hatte (vgl 1.4.3), unter anderem mit diesen Sätzen konfrontiert. Diese kleine Grammatikalitätsuntersuchung hat ergeben, dass nur 8d) von einem grossen Teil der Befragten als grammatisch eingestuft wird (7 = gramm., 2 = ungrammatisch, 1 = markiert). 8b) und 8c) wurden von niemandem akzeptiert, 8a) wurde von 6 Leuten als ungrammatisch eingestuft, von 2 als grammatisch und von 2 als markiert, wobei letztere eine Kontextangabe hinzugefügt haben. Die Sätze in 8) weisen mehrere beschriebene Eigenschaften von Reparaturphänomenen auf:6 ––––––––– 5

6

Die Analyse dieser Phänomene erfordert eine andere als die hier verfolgte Methodik. Zur Bestimmung der Faktoren, die Reparaturmechanismen begünstigen, sind breit angelegte empirische Parsing-Untersuchungen nötig. Es ist mir bewusst, dass diese Befragung keinen repräsentativen Wert aufweist, allerdings zeigt sie doch eindeutige Tendenzen. Die Zuordnung dieser Sätze zu den Reparaturphänomenen kann jedoch nicht nur auf der Basis dieser Befragungen begründet werden. Sie lässt sich auch dadurch rechtfertigen, dass die wenigen Ausdrücke, die den grammatischen Prinzipien widersprechen,

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a) Der Reparaturmechanismus ist nicht für alle Sprecher und Sprecherinnen zugänglich, sodass viele die Sätze als ungrammatisch bewerten, b) sie widersprechen der ansonsten doch hohen Systematik des Phänomens und c) sie werden teilweise durch Kontexteinbettung repariert. Einzig 8d) weist diese Merkmale von Reparaturphänomenen nicht auf. Da es aber das einzige mir bekannte Beispiel bleibt, welches trotz Verletzung der Barrierenbeschränkung als grammatisch eingestuft wird, nehme ich an, dass es sich auch hier um einen reparierten Ausdruck handelt, bei welchem allerdings anscheinend der Reparaturmechanismus sehr leicht zugänglich ist. Ein Grund dafür könnte sein, dass die Äusserung eine idiomatisierte Wendung beinhaltet. Die Tatsache, dass die Menge der Ausdrücke, die der Barrierenbedingung widersprechen, sehr klein ist und dass jene Ausdrücke, die in dieser Menge vereinigt sind, keine Systematik erkennen lassen, spricht dafür, die Elemente dieser Menge als Reparaturphänomene zu betrachten. Zu Fall III: Anders als die oben besprochene Markiertheit I weist die in Beispiel 3) dargestellte und im Folgenden wiederholte Markiertheit II eine hohe Systematik auf und ist auch nicht in dem Mass individuell bestimmt: 9)

Was hat Rudi gelesen? # a) Rudi hat über Picasso eine Biogra\FIE gelesen. b) Rudi hat eine Biografie über Pi\CASso gelesen.

9a) ist zwar pragmatisch unangemessen, der Ausdruck ist jedoch als solcher nicht ungrammatisch. Dies kann man daran erkennen, dass er anders als 5a) keinen Stern erhält, wenn er ohne Kontextangabe geäussert wird. Markiertheit II wird im Gegensatz zu Markiertheit I nicht dadurch erzeugt, dass ein Ausdruck, der kontextlos ungrammatisch ist, durch Kontexteinbettung verbessert werden kann, sondern die Kontexteinbettung kann zur Folge haben, dass ein an und für sich grammatischer Ausdruck als unpassend oder passend bewertet wird. Grammatische Strukturen werden in der Grammatikkomponente erzeugt bzw. errechnet, sie erfüllen aber schliesslich pragmatische Funktionen. So kann beispielsweise die Fokus-Hintergrund-Gliederung mithilfe der Wortstellung und Intonation markiert werden. Im gegebenen Kontext kann eine grammatische Struktur diese Funktion besser erfüllen als eine andere. Die grammatische Struktur 9b) erfüllt die verlangte pragmatische Funktion besser als 9a), da die Wortstellung die verlangte FHG repräsentiert. Daher ist 9b) in diesem Kontext unmarkierter als 9a). Dies gilt allerdings nicht in allen Kontexten, wie das folgende Beispiel zeigt: 10) Was hat eigentlich \RUdi über Picasso gelesen? a) Rudi hat über Picasso eine Biogra\FIE gelesen. b) #Rudi hat eine Biografie über Pi\CASso gelesen. c) Rudi hat eine Biogra\FIE über Picasso gelesen. In dem hier gegebenen Kontext, ist 9b) – hier wiederholt als 10b) – markierter als 9a) – hier wiederholt als 10a). 10c) hingegen, wo der Akzent auf das Nomen verschoben wurde, ist kontextuell unmarkiert. Der Grad der Markiertheit wird durch den Kontext bestimmt. Ich möchte für diese Art der Markiertheit den Begriff Angemessenheit gebrauchen. Von der ––––––––– keine Gemeinsamkeiten aufweisen, die eine Systematik erkennen lassen und die eine Modifizierung der Theorie berechtigen würden.

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kontextuell bestimmten Angemessenheit muss nämlich die bereits mehrfach diskutierte Markiertheit im Sinn von Höhle (1982) unterschieden werden (vgl. 3.1.2, 5.1 und 5.2.2.3) und auch die satzbezogene Markiertheit im Sinn von Lenerz (1977), Haider (1992) und Fortmann /Frey (1997). Der folgende Exkurs widmet sich der Unterscheidung dieser drei Arten der ›Markiertheit‹, wobei dadurch auch die Eigenschaften der jeweiligen Urteilsprozesse herausgearbeitet werden. Damit soll verhindert werden, dass verschiedene Konzepte von Markiertheit in die anschliessende Analyse einfliessen. Exkurs: Markiertheit vs. Angemessenheit Höhle (1982) bestimmt Markiertheit nicht in Bezug zu einem gegebenen Kontext, sondern indem er ähnliche Strukturen miteinander vergleicht. Diese Strukturen unterscheiden sich lediglich aufgrund der Wortstellung und/oder Betonung. Er betrachtet somit, welche der vergleichbaren Strukturen in mehr Kontexten vorkommen kann, wobei diejenige, die in den meisten Kontexten angemessen ist, unmarkiert ist. Damit unterscheidet sich dieses Markiertheitskonzept von der Angemessenheit darin, dass es eine andere Bezugsgrösse hat. Angemessenheit wird in Bezug zum gegebenen Kontext bestimmt, Markiertheit im Sinn von Höhle (1982) hingegen in Bezug zum unmarkierten Kontext. Dies hat schliesslich zur Folge, dass bei Höhles Konzept von Markiertheit nicht die Markiertheit des Ausdrucks selbst satz- oder kontextbezogen betrachtet wird, sondern dass die Markiertheit von Kontexten definiert ist. Um die Markiertheit des Satzes zu bestimmen, wird der Satz dann zwar isoliert betrachtet, allerdings wird seine Markiertheit anhand der jeweiligen Kontexte, in denen der Satz einsetzbar ist, gemessen. Dem Markierheitskonzept von Höhle (1982) zufolge ist 10b) ungeachtet seiner Unangemessenheit unmarkierter als 10a), 10c) hingegen ist genau wie 10a) auf den in 10) gegebenen Kontext beschränkt, sodass beide den gleichen Grad der Markiertheit aufweisen. Die Bestimmung der Markiertheit nach Höhle (1982) kommt für Beispiel 10) zu einem anderen Ergebnis als die Bestimmung der Angemessenheit. Die satzbezogene Markiertheit wie sie durch Lenerz (1977), Haider (1992) und Fortmann /Frey (1997) vorgeschlagen wurde, kommt für die Sätze in 10) zum gleichen Ergebnis wie Höhle (1982). Dem satzbezogen betrachteten Konzept zufolge erzeugen (Bewegungs-)Transformationen Markiertheit, was bedeutet, dass Strukturen mit Scrambling immer auch markierter sind als solche ohne. Dies erklärt auch, weshalb die beiden Konzepte in Bezug zu Scrambling zum gleichen Markiertheitsergebnis führen, denn Scrambling (wie auch Akzentverschiebung) geht mit Defokussierung oder Disambiguierung einher (vgl. Féry 1994). Sowohl Defokussierung als auch Disambiguierung führen dazu, dass die möglichen Fokusinterpretationen eingeschränkt werden. Dies hat automatisch zur Folge, dass Sätze mit Scrambling-Operationen oder mit Akzentverschiebung in weniger Kontexttypen verwendet werden können und sowohl nach Höhle (1982) als auch nach dem satzbezogenen Markiertheitskonzept zum gleichen Ergebnis führen, auch wenn sich natürlich die Betrachtungsperspektiven unterscheiden. Meiner Ansicht nach sind die Begriffe Grammatikalität, Markiertheit und Angemessenheit zwar unterschiedlich bestimmt, sie stehen jedoch folgendermassen zueinander in Beziehung: Die Grammatikkomponente erzeugt verschiedene grammatische Strukturen, wie beispielsweise die Sätze in 10), wobei die Grammatikalität satzbezogen auf der Basis

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grammatischer Prinzipien und deren Beschränkungen bestimmt wird. Eine grammatische Struktur wie beispielsweise 10a) weist im Vergleich zu ähnlichen Strukturen wie 10b) und 10c), die sich von ihr nur durch die Wortstellung und /oder Intonation unterscheiden, einen höheren oder niedrigeren Markiertheitsgrad auf. Bewegung wie in 10a) und /oder Akzentverschiebung wie in 10c) erzeugen zwar Markiertheit, beide Operationen haben allerdings auch zur Folge, dass der Ausdruck in einem bestimmten Kontext (wie in 10)) angemessener ist als der unmarkierte. Satzbezogen markierte Ausdrücke können kontextuell betrachtet unmarkiert sein, wenn sie angemessen sind. Es fragt sich nun, ob die Analyse der PP-Extraktion in Bezug zur satzbezogenen Markiertheit bzw. zur Markiertheit im Sinn von Höhle (1982) oder aber in Bezug zur Angemessenheit durchgeführt werden soll. Dieser Frage wird im Folgenden nachgegangen. Es hat sich in dieser Arbeit gezeigt, dass PP-Extraktion in grossen Teilen durch grammatische Bedingungen bestimmt ist. So wird beispielsweise Topikalisierung oder wh-Bewegung der PP durch Operatoren erzwungen und sie wird durch die Lokalitätsbeschränkung Barriere eingeschränkt. Scrambling hingegen kann zwar durch grammatische Beschränkungen wie Barriere verhindert werden, jedoch lösen nicht grammatische Bedingungen Scrambling aus, sondern prosodische, die kontextuell bestimmt sind. Durch Scrambling wird eine informationsstrukturelle Funktion erfüllt, nämlich die Fokus-Hintergrund-Gliederung der Struktur. Für das Verarbeitungssystem, welches auf der Basis grammatischer Beschränkungen die Grammatikalität von Strukturen errechnet, sind alle Strukturen in 10) gleichwertig. Sie unterscheiden sich lediglich in ihrer kontextuellen Einsetzbarkeit. Das bedeutet einerseits, dass die pragmatischen Funktionen, die durch die Scrambling-Operation erfüllt werden, die grammatische Ökonomiebeschränkung zu überschreiben vermögen, andererseits bedeutet dies auch, dass die Legitimation für Scrambling durch den Kontext gegeben wird und dass die Scrambling-Bedingungen nur kontextbezogen erfasst werden können. Da nur das Angemessenheitskonzept kontextbezogen ist, eignet sich dieses besser als die anderen zur Analyse der ScramblingBedingungen. Dass sich die Markiertheitskonzepte nicht als Grundlage für die Analyse von Scrambling-Strukturen eignen, ergibt sich daraus, dass diese immer markierter sind als jene ohne Scrambling-Operation. Damit ist unter dieser Perspektive ein Kandidat mit Scrambling im Vergleich zu einem ohne Scrambling immer schlechter, was zur Folge hat, dass die informationsstrukturellen Funktionen, die Scrambling erfüllen kann, nicht erfasst werden. Fazit Die PP-Extraktion wird durch zwei unterschiedliche Verarbeitungssysteme bestimmt, die auch unterschiedliche Eigenschaften aufweisen: Ein System bestimmt und errechnet die Grammatikalität der Struktur, und zwar satzbezogen, das andere ihre Angemessenheit in Bezug zu einem gegebenen Kontext. Der Grad der Angemessenheit ergibt sich aus den Gesetzmässigkeiten der FHG-Ebene. Man könnte nun annehmen, dass die PP-Extraktion durch zwei autonome Systeme bestimmt ist, die auch unterschiedliche Arten der Beschränkung umfassen. Dem widerspricht allerdings die Tatsache, dass die Systeme miteinander interagieren. Sichtbar wird die Interaktion darin, dass das kontextuell bestimmte Verarbeitungssystem die satzbezogene Ökonomiebeschränkung überschreiben kann, die wohl unbestritten dem Grammatikalitätssystem zuzuordnen ist. Diese Interaktion lässt sich unter Beibehaltung der Trennung der beiden Systeme meines Erachtens am

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besten mit dem Subhierarchie-Modell von Müller (1999b) erfassen. Mithilfe dieses Modells kann jedoch nur eine erklärungsadäquate Analyse vorgenommen werden, wenn sich die Beschränkungen der jeweiligen Teilsysteme klar voneinander abgrenzen, sodass im Lernprozess nicht einzelne Beschränkungen dem jeweiligen Teilsystem zugeordnet werden müssen, sondern dass die Zuordnung der Beschränkungen sich aufgrund der ihnen inhärenten Eigenschaften ableiten lässt. Nach den in diesem Kapitel erarbeiteten Eigenschaften der Angemessenheit, lässt sich diese Gruppierung der Beschränkungen relativ einfach bewerkstelligen: Angemessenheit unterscheidet sich von Grammatikalität darin, dass sie kontextbezogen ist und dass sich die Bestimmung ihrer Gradabstufung aus den Gesetzmässigkeiten der kontextbestimmten Fokus-Hintergrund-Gliederung ergibt. Satzbezogene Beschränkungen hingegen werden der Matrixhierarchie zugeordnet, sie bestimmen die Grammatikalität des Ausdrucks. Dies erklärt, weshalb sich die informationsstrukturelle Ebene der TKG anders als jene der FHG verhält. Die Topik-KommentarGliederung wird, wie Molnár (1993) gezeigt hat, satzbezogen vollzogen. Damit sind die Gesetzmässigkeiten dieser Ebene in der Matrixhierarchie repräsentiert. Die Zuordnung der beiden informationsstrukturellen Gliederungsebenen zu verschiedenen Hierarchien lässt sich auch empirisch begründen, denn wie wir in Kapitel 5 gesehen haben, ist nur die eine Ebene durch eine Operatorposition in der Syntax vertreten. Die Trennung der beiden Teilhierarchien lässt sich nicht nur in Bezug auf die jeweiligen Urteilsoppositionen Grammatikalität vs. Angemessenheit begründen, sondern auch aufgrund ihrer jeweiligen Bezugsgrössen Satzbezogenheit vs. Kontextbezogenheit und aufgrund der Bewegungsart, die sie schliesslich beeinflussen, nämlich Topikalisierung vs. Scrambling. Diese systematische, auf allen Ebenen durchführbare Trennung ist nicht nur theoretisch wünschbar, sondern sie ist empirisch fundiert, wurde sie doch auch in diesem Abschnitt (auf der Grundlage der in Kapitel 5 gemachten Beobachtungen zum Einfluss der Informationsstruktur auf die PPExtraktion) systematisch erarbeitet. Meines Erachtens sollte dieses Modell auch auf Objektscrambling, vielleicht in modifizierter Form, übertragbar sein: Objektscrambling lässt sich nämlich, wie in Büring (2001a und b), durchaus mithilfe prosodischer Beschränkungen erfassen. Mit Müller (1999b) ist die Trennung der unterschiedlichen Beschränkungen aufgrund von Vorannahmen nicht möglich; diese sind jedoch meines Erachtens sowieso unnötig: Müller (1999b) muss deswegen morphosyntaktische Beschränkungen für die Subhierarchie annehmen, weil er eine rein satzbezogene Analyse vornehmen will und die Subhierarchie für die Berechnung der Markiertheitsgrade zuständig ist. Dass dies jedoch problematisch ist, habe ich in 5.2.2.3 bereits ausführlich begründet. Die Trennung der Beschränkungen wird in Müller auch durch die Annahme verhindert, wonach direkte Objekte auf der D-Struktur indirekten vorangehen; einer Annahme, an die er festhält, obschon meist die umgekehrte Abfolge IO vor DO als unmarkiert bewertet wird. Diese Bewertung ergibt sich nach Müller (1999b) daraus, dass Kasusbeschränkungen diese S-strukturelle Abfolge verlangen. Die Abfolge DO vor IO nimmt er aufgrund der Bindungsdaten an. Diese sind jedoch, wie ich in 3.1.2 gezeigt habe, ausgesprochen problematisch. Unter der Annahme, dass die Grundabfolge IO vor DO ist, werden Müllers Kasusbeschränkungen unnötig, denn in diesem Fall ist die Dstrukturelle Abfolge auch gleich die unmarkierte: Bewegung erzeugt Markiertheit, ist aber

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durch kontextuelle Faktoren begründet.7 Auch die Definitheitsbeschränkung lässt sich durch informationsstrukturelle und prosodische Beschränkungen erfassen. Wie ich in 3.1.5 gezeigt habe, müssen definite DPs nicht aufgrund ihrer Definitheit scrambeln, sondern aufgrund der damit verbundenen informationsstrukturellen Bedürfnisse. Daher können sie bei entsprechendem Kontext auch VP-intern verbleiben. Dieses Phänomen lässt sich nur erklären, wenn der Definitheitsfaktor durch informationsstrukturelle Beschränkungen erfasst wird. Dass dies möglich ist, hat Büring (2001a) bewiesen. Einer einheitlichen Analyse von Objektscrambling und Scrambling der extrahierten PP sollte damit also nichts mehr im Weg stehen. Im folgenden Abschnitt wird nun die Analyse der PP-Extraktion mithilfe des in diesem Abschnitt begründeten Modells durchgeführt.

6.2 Optimalitätstheoretische Analyse der PP-Extraktion Die Beschränkungen, welche die PP-Extraktion bestimmen, wurden im Grossen und Ganzen bereits in den vorherigen Kapiteln beschrieben. In diesem Kapitel werden sie nun zueinander in Beziehung gesetzt und hierarchisiert. In 6.2.1 wird die Hierarchiesierung der satzstrukturellen Beschränkungen vorgenommen und danach in 6.2.2 jene der kontextuellen. Ziel dieser Analyse ist es, zu zeigen, wie die Interaktion von kontextuell bestimmten Faktoren mit grammatischen Faktoren dargestellt werden kann. In Kapitel 7 wird schliesslich die empirische Kraft der Analyse bewertet.

6.2.1 Satzstrukturelle Beschränkungen Ich gehe von der Annahme aus, dass der Input eine Numeration im Sinn des Minimalistischen Programms ist. Daneben ist auch Fokusmarkierung im Input spezifiziert. Die im Wettbewerb befindlichen Outputs sind S-Struktur-Repräsentationen. Die PP-Extraktion ist, wie die Kapitel 1 – 5 gezeigt haben, durch die Interaktion von Beschränkungen, die Bewegung auslösen, und solchen, die sie verhindern, bestimmt. Verhindert wird die Bewegung durch die Beschränkungen 11) und 12): 11) BAR: Bewegung darf keine Barriere überschreiten.8 12) ÖKON: Spuren sind nicht erlaubt. ––––––––– 7

8

Die Abfolge IO vor DO gilt nicht immer. Verben wie aussetzen oder ausliefern verlangen die Abfolge DO vor IO (vgl. dazu 3.1.2): i) … weil sie die Pflanzen der Hitze ausgesetzt haben. Die Definition der Barriere entspricht jener, die in 3.1 erläutert wurde. Dieser zufolge ist die DP eine Extraktionsbarriere, ausser der Kopf D/N ist abstrakt in V inkorporiert.

172

Die Tatsache, dass PP-Extraktion existiert, bedeutet, dass Ö KON tiefer geordnet sein muss als die Beschränkungen, die Bewegung auslösen. Wie wir in den Kapiteln 5 und 6.1 gesehen haben, wird Bewegung sowohl durch satzstrukturelle Beschränkungen als auch durch informationsstrukturelle ausgelöst. Erstere lizenzieren Topikalisierung (TOP-KRIT) und whBewegung (WH-KRIT), letztere Scrambling (SCR-KRIT). SCR-KRIT ist im Anschluss an Müller (1999b) ein komplexes Prinzip, welches aus einer Subhierarchie von Beschränkungen besteht. Die Subhierarchie von SCR-KRIT wird unten näher betrachtet, sie umfasst die Kontext-Faktoren. TOP-KRIT und WH-KRIT sind satzstrukturelle Beschränkungen. TOPKRIT ist gleich wie die allgemein bekannte Beschränkung WH-KRIT definiert, weshalb die folgende Beschränkung für beide gilt: 13) WH-KRIT/TOP-KRIT: Wh- und topikmarkierte Phrasen müssen auf der S-Struktur in SpecCP stehen.9 WH-KRIT bzw. TOP-KRIT ist niedriger als BAR geordnet, denn ansonsten müsste 14b) grammatisch sein: 14) Soll ich dir das Neuste über Chomsky erzählen? a) Über IHN habe ich nämlich mehrere BÜcher gelesen. b) *Von IHM ist an der Messe einem BUCH ein Preis verliehen worden. c) ?Einem Buch von IHM ist an der Messe ein Preis verliehen worden. 14b) ist ungrammatisch, weil das Verb das Nomen Buch des indirekten Objekts nicht inkorporieren kann. Die Tabellen 16) und 15) illustrieren den Wettbewerb für die Beschränkungsordnung ›BAR >> TOP-KRIT/WH-KRIT >> ÖKON‹ für den Input mehrere Bücher über ihn[+Top] gelesen, wobei Tabelle 16) den Wettbewerb für das Beispiel 14a) illustriert, Tabelle 15) hingegen für die Beispiele 14b) und 14c): 15)

i: mehrere Bücher über ihn[+Top] gelesen

BAR

TOPKRIT

ÖKON

☞ K1 CP[Über ihn … VP[mehrere Bücher ti gelesen]]

*

☞ K2 CP[Mehrere Bücher über ihn … VP[ti gelesen]]

*

K3 CP[… VP[mehrere Bücher über ihn gelesen]]

*!

––––––––– 9

Dass Topiks gleich wie wh-Phrasen ihr Operatorenmerkmal in SpecCP überprüfen, ist nicht unumstritten. Rizzi (2002) nimmt beispielsweise an, dass die linke Satzperipherie geschichtet ist. Dieser Annahme zufolge müssten Topiks in SpecTop stehen. Die PP-Extraktion selbst liefert keine Evidenz für die Theorie der geschichteten Satzperipherie. Fanselow (2003) führt für das Deutsche gar einige empirische Argumente gegen diese Annahme an. Ich möchte hier nicht weiter auf diese Diskussion eintreten, denn für die PP-Extraktion spielt es keine Rolle, ob das Topikmerkmal in SpecCP oder in einer allfälligen SpecTopP überprüft wird. Die Beschränkung TOP-KRIT gilt in modifizierter Form auch für die Theorie der geschichteten linken Satzperipherie. Neben der Annahme, dass die linke Satzperipherie geschichtet ist, gibt es auch Ansätze, denen zufolge unterhalb von CP Topikpositionen anzunehmen sind (vgl. Frey 2000). Die in diesen Ansätzen nachgewiesenen Topikpositionen beherbergen jedoch nicht satzbezogene Topiks, wie sie in dieser Arbeit verstanden werden. TOP-KRIT gilt nur für Topiks, wie sie in Kapitel 5 definiert sind.

173 16)

i: ein Preis einem Buch von ihm[+Top] verleihen K1 CP[Von ihm ein Preis VP[einem Buch ti verleihen]]

BAR

TOPKRIT

*!

ÖKON

*

☞ K2 CP[Einem Buch von ihm ein PreisVP[ti verleihen]]

*

K3 CP[Ein Preis VP[einem Buch von ihm verleihen]]

*!

Im Wettbewerb von Tabelle 15) resultieren sowohl K1 als auch K2 als optimal. Damit macht die angegebene Beschränkungsordnung jedoch die falsche Vorhersage, denn wie das folgende Beispiel zeigt, darf nicht die ganze DP topikalisiert werden, wenn nur die PP topikmarkiert ist: 17) Soll ich dir das Neuste über Chomsky erzählen? a) *Mehrere Bücher über IHN habe ich nämlich gelesen.10 17) verletzt das von Chomsky (1995: 262) definierte Ökonomieprinzip, welches verlangt, dass nur Material bewegt werden darf, welches bewegt werden muss: 18) F carries along just enough material for convergence.

(Chomsky 1995: 262)

Dieses Prinzip kann mit anderen Worten als Verbot für Pied-Piping wiedergegeben werden: 19) *PIED-PIPING:11 Pied-Piping ist verboten. Wäre *PIED-PIPING höher als TOP-KRIT/WH-KRIT geordnet, wäre in 16) K3 statt K2 optimal. Es muss entsprechend folgende Hierarchie der satzstrukturellen Beschränkungen angenommen werden:12 20) BAR >> TOP-KRIT/WH-KRIT >> *PIED-PIPING >> ÖKON Dies ergibt dann folgende Tabellen für die Kandidaten von und 15) und 16):

––––––––– 10 11

12

17a) ist nur möglich, wenn die DP tatsächlich als ganze topikmarkiert ist. Gouskova definiert eine ähnliche Beschränkung, um Split-Konstruktionen im Russischen zu erklären. Eine Pied-Piping-Analyse im Rahmen von OT, die die Pied-Piping Beschränkung präzisiert, findet sich in Heck (2004). Für wh-Extraktion lässt sich der Wettbewerb nicht testen, da in diesem Fall bei Extraktion aus einer DP-Insel die alternative Variante mit welches Buch statt der Variante mit Pied-Piping vorgezogen wird: i) Welches Buch haben die Demonstranten verbrannt? ii) ?Ein Buch über was haben die Demonstranten verbrannt? iii) *Über was haben die Demonstranten ein Buch verbrannt?

174

21) i: mehrere Bücher über ihn[+Top] gelesen

BAR

TOP-

*PIED-

ÖKON

KRIT PIPING

☞ K1 CP[Über ihn … VP[mehrere Bücher ti gelesen]]

*

K2 CP[Mehrere Bücher über ihn … VP[ti gelesen]]

*!

K3 CP[… VP[Mehrere Bücher über ihn gelesen]]

*

*!

22) i: ein Preis einem Buch von ihm[+Top] verleihen

BAR

TOP-

*PIED-

ÖKON

KRIT PIPING

K1 CP[Von ihm ein Preis VP[einem

Buch ti *!

*

verleihen]] ☞ K2 CP[Einem Buch von ihm ein Preis VP[ti

*

*

verleihen]] K3 CP[Ein

Preis

VP[einem

Buch

von

ihm

*!

verleihen]] Tabelle 21) illustriert jeweils den Wettbewerb für jene Beispiele, in denen die DP die lexikalisch-semantischen und strukturellen Inkorporationsbedingungen erfüllt und somit keine Barriere darstellt. 22) steht für alle Beispiele, in denen die DP aufgrund der Barrierendefinition eine Bewegungsinsel ist.13 Die Beschränkungsordnung erfasst damit alle in den Kapiteln 3) und 4) beschriebenen syntaktischen und lexikalisch-semantischen Faktoren, die einen Einfluss auf die Topikalisierung bzw. die wh-Bewegung der PP haben. Einzig die Topikalisierung der eng fokussierten PP wie im folgenden Beispiel, wirft einige Probleme auf: 23) Worüber hat Rudi einen Artikel gelesen? a) Über Pi\CASsoF hat Rudi einen Artikel gelesen. Nach Molnár (1993) ist es unmöglich, dass in diesem Beispiel die PP topikmarkiert ist, denn ihrzufolge kann ein fokussiertes Element nur gleichzeitig auch als Topik fungieren, wenn das fokusmarkierte Topik in einen grösseren Fokusbereich integriert ist oder wenn eine mehrteilige Fokusstruktur vorliegt. Eine topikalisierte, minimal fokussierte Konstitu-

––––––––– 13

Wie auch das Fragezeichen in 14c) signalisiert, wird dieser Satz nicht von allen Sprechern und Sprecherinnen akzeptiert. Dies würde bedeuten, dass es bei engem PP-Topik im Input keinen Output gibt: Dieses Problem der absoluten Ungrammatikalität (Ineffability) stellt ein in OT bisher ungelöstes Problem dar.

175

ente kann ihrzufolge nicht am Satzanfang stehen und den Satzfokus bilden.14 Molnár (1993: 168) illustriert diesen Sachverhalt mit dem folgenden Beispiel: 24) Wen besucht Peter in Bonn? a) #[Seinen BRUder]F [besucht er.]H Diesen Bedingungen widerspricht Beispiel 23). In 23) ist die PP eng fokussiert, also nicht in einen grösseren Fokusbereich integriert. Die angegebene Intonation spricht auch dagegen, dass es sich hier um einen mehrteiligen Fokus handelt, denn in diesem Fall müsste sie einen steigenden Akzentton erhalten, wobei im Mittelfeld noch ein Element einen nuklearen Akzent haben müsste. Wenn aber die PP nicht Topik sein kann, fragt sich, was ihre Extraktion auslöst, denn weder SCR-KRIT noch TOP-K RIT können die Topikalisierung lizenzieren. Ich vermute, dass in diesem Fall die durch WH-KRIT lizensierte Bewegung des Fragesatzes für die Extraktion verantwortlich ist, denn ein Satz wie 23) ist nur als ›Echoantwort‹ möglich. In einer Echoantwort ist auch die Topikalisierung des direkten Objekts möglich, wie das folgende Beispiel zeigt: 25) Wen besucht Peter in Bonn? Seinen BRUder besucht Peter in Bonn. Echoantworten verhalten sich ähnlich wie Echofragen: 26) a) Peter hat ein Buch über Picasso gelesen. b) Wie bitte? Peter hat ein Buch über WEN gelesen? Sowohl Echofragen wie in 26) als auch Echoantworten wie in 23) und 25) widerspiegeln die Struktur des direkt vorangehenden Satzes. Beide widersprechen wichtigen grammatischen oder prosodischen Prinzipien: Echofragen widersprechen dem Prinzip, dass wh-Elemente im Deutschen nach SpecCP bewegt werden müssen, und Echoantworten dem Prinzip, dass topikalisierte Elemente Intonationsphrasen aufbrechen und topikmarkiert sind (vgl. Féry 1993). Die Struktur von Echoantworten und von Echofragen ist nicht unabhängig vom vorangehenden Satz generierbar. Ich nehme daher an, dass Echoantworten wie auch Echofragen nicht produktiv auf der Basis grammatischer Prinzipien generiert werden. Als nicht-generierte Strukturen treten sie auch nicht in einen grammatischen DerivationsWettbewerb. Sie werden deshalb aus der strukturellen Analyse ausgeschlossen.

6.2.2 Kontextbezogene Beschränkungen Die FHG-Ebene wird im Deutschen durch Intonation und Wortstellung markiert. Es geht hier also darum, prosodische Beschränkungen mit den syntaktischen in Beziehung zu setzen. Da die kontextbezogenen Beschränkungen Scrambling auslösen können, müssen diese Beschränkungen oberhalb von ÖKON geordnet sein. Sie sind aber unterhalb von BAR ––––––––– 14

Dies gilt nicht für Subjekte und einige Adverbien. Als Topiks können meist nur diese in einen grösseren Fokusbereich integriert sein. Topikalisierte Elemente brechen die Fokusdomäne generell auf (vgl. Féry 1993, Uhmann 1991, Molnár 1993), was prosodische Auswirkungen hat. Nach Féry (1993) werden in diesem Fall zwei iPs gebildet.

176

geordnet, denn eine Verletzung von BAR verhindert auch Scrambling. Die Beschränkungen TOP-KRIT/WH-KRIT >> *PIED-PIPING haben, da es sich nicht um Operatorenbewegung handelt, keinen Einfluss auf das Scrambling. Wie wir in Kapitel 5.1.3 gesehen haben, lösen die prosodischen Beschränkungen im Deutschen nicht nur Scrambling aus, sondern alternativ dazu auch Akzentverschiebungen. Ich will daher die Beschränkung oberhalb von ÖKON nicht wie in Müller (1999) SCR-KRIT nennen, sondern FOKUS. Es ergibt sich also folgende hierarchische Ordnung, wobei ich in den Tabellen in diesem Abschnitt nur den unteren Bereich betrachten werde, da es vor allem um die Interaktion von FOKUS und ÖKON geht: 27) BAR >> (TOP-KRIT/W H-KRIT >> *PIED-PIPING) >> FOKUS >> Ö KON Die Beschränkung FOKUS ist aus mehreren Teilbeschränkungen zusammengesetzt, die im Anschluss an Müller (1999b) als Subhierarchie dargestellt wird. Die Subhierarchie beinhaltet prosodische Beschränkungen, die sich aus den Prinzipien der FHG-Ebene ergeben. Im Anschluss an die Optimalitätsdefinitionen von Müller (1999b) kann die satzstrukturelle Beschränkung FOKUS durch eine Beschränkung ihrer Subhierarchie ersetzt werden, sodass diese letztlich Scrambling lizenzieren kann (vgl. 5.2.2.3). Nun gibt es auch innerhalb der Subhierarchie einen Wettbewerb. Dieser wählt den angemessensten Kandidaten aus. Um die Ordnung der Subhierarchie von jener der Matrixhierarchie unterscheiden zu können, gebrauche ich zu ihrer Kennzeichnung gleich wie Müller (1999) das Zeichen > statt >>. Ähnlich wie bei Büring (2001b) ergeben sich auch in der folgenden Analyse die Scrambling-Beschränkungen aus der Interaktion von Informationsstruktur und Intonation. Bürings Beschränkungen können allerdings nicht einfach in modifizierter Form hier übernommen werden, denn ich gehe von der Annahme aus, dass Scrambling durch prosodische Beschränkungen lizenziert wird. Büring (2001b) hingegen koppelt die prosodischen Beschränkungen an ÖKON (vgl. 5.2.2.2). Dies hat zur Folge, dass Scrambling nicht durch die prosodischen Beschränkungen lizenziert, sondern nur legitimiert werden kann. Auch wenn dies auf den ersten Blick nach einem geringen Unterschied aussieht, so hat diese Annahme doch nicht-triviale Auswirkungen auf die Art der Beschränkungen. Diese müssen zumindest teilweise bewegungsauslösende Kraft haben. Wie wir in 5.1.3 gesehen haben, hat Scrambling vor allem eine Defokussierungs- bzw. Disambiguierungsfunktion. Die folgenden Beschränkungen konzentrieren sich auf diese Funktionen von Scrambling. Daneben müssen allerdings auch die Möglichkeiten der Akzentverschiebung mitbedacht werden.15 Nach Molnár stehen Elemente, die vom Sender als relevant betrachtet werden, im Fokus. Fokus wird intonatorisch durch Akzent markiert. Hintergrundelemente hingegen sind weniger relevant und werden daher auch nicht intonatorisch hervorgehoben. Die Beschränkung FP (FOKUS-PROMINENZ) ist von der Fokusprominenzregel in 5.1.1 abgeleitet und entspricht auch der Fokusprominenzbeschränkung von Büring (2001b): 28) FP (FOKUS-PROMINENZ): Ein Fokus ist prominent.

––––––––– 15

Im Gegensatz zu Büring (2001b) verzichte ich vor allem auch auf Beschränkungen, die die Akzentdomänenbildung vorschreiben. Diese sind in seinem Ansatz meines Erachtens deswegen problematisch, weil Akzentdomänenbildung, wie sie Bürings Mechanismus vorschreibt, nach Uhmann (1991) meist fakultativ ist.

177

FP geht von der Annahme aus, dass jedes lexikalische Element, welches Fokus ist, ein Fokusmerkmal erhält. Dieses wird durch Akzent markiert. Nun haben wir allerdings gesehen, dass aus Gründen der Rhythmisierung bei weitem Fokus nicht jedes Fokuselement prominent ist, sondern jeweils eines, quasi stellvertretend für die anderen, als Fokusexponent ermittelt wird. Die Beschränkung, die die Ermittlung des Fokusexponenten regelt, steht in Konkurrenz zur FP und lässt sich von Uhmanns Fokusprojektionsregeln (1991) ableiten: 29) FOK-EXP (FOKUS-EXPONENT): Fokusexponent ist das am weitesten rechts stehende, in VP inkludierte lexikalische X, wobei X ≠ V ist, ausser VP enthält neben V keine weitere XP. FOK-EXP erfasst damit sowohl die Fokusprojektionsregel I als auch II, denn nur V-Argumente sind in VP inkludiert, sodass nur diese als Fokusexponenten ermittelt werden können. Da VP-Adjunkte nicht inkludiert sind, sind sie nicht Träger des nuklearen Akzenttons. Ein rechts vom Argument-Kopf positioniertes lexikalisches Wort, welches in die Argument-XP inkludiert ist, ist gleichzeitig auch in VP inkludiert und wird FOK-EXP entsprechend als Fokusexponent ermittelt. FP muss höher als FOK-EXP geordnet sein, wie die Asymmetrie in 30) und die dazugehörige Tabelle 31) zeigen. In den Tabellen wird der Fokusexponent jeweils unterstrichen: 30) Was hat Rudi über Picasso gelesen? a) Er hat eine BiograFIEF über Picasso gelesen. b) #Er hat eine BiografieF über PiCASso gelesen. 31) FP > FOK-EXP i: eine BiografieF über Picasso lesen

FOKUS FP

☞ K1 VP[DP[eine BiografieF PP[über Picasso]] lesen] K2 VP[DP[eine BiografieF PP[über Picasso]] lesen]

ÖKON FOKEXP *

*!

Neben der in-situ-Variante von K1, bei der FP Akzentverschiebung erzwingt, ist bei dem angegebenen Input auch eine Variante mit gescrambelter PP möglich, wie wir unter 5.1.3 gesehen haben. Bei der angegebenen Beschränkungsordnung würde die Scramblingvariante als einziger optimaler Kandidat der Subhierarchie und damit als angemessenster ausgewählt, denn dieser verletzt im Gegensatz zu K1 FOK-EXP nicht. Die folgende Beschränkung verhindert aber die Bevorzugung der Scrambling-Variante:

178

32) FOK-INT (FOKUS-INTERPRETATION): 16 a) Wenn der am weitesten rechts positionierte lexikalische Kopf X prominent ist, dann ist YP Fokus, wenn XP in YP enthalten ist und wenn YP XP direkt dominiert. Ist XP im Argument von ZP enthalten, kann ZP Fokus sein. b) Ein prominentes X steht alleine im Fokus, wenn i) XP links von einem lexikalischen Kopf Y positioniert ist, wobei Y≠V oder wenn ii) X = V ist. Die Beschränkung FOK-INT ist im Deutschen mit FOK-EXP gekoppelt, denn das Deutsche verfügt zur eindeutigen Fokusinterpretation sowohl über die Strategie der Akzentverschiebung (wie in 31) dargestellt) als auch über jene des Scramblings.17 33) FP > FOK-EXP FOK-INT Der Wettbewerb bei einem Input mit Fokus auf das Nomen ist in Tabelle 34) dargestellt. Die optimalen Kandidaten weisen eine der beiden Defokussierungsstrategien auf. 34) Defokussierung: Scrambling vs. Akzentverschiebung i: eine BiografieF über Picasso lesen

FOKUS FP

☞ K1 VP[DP[eine BiografieF PP[über Picasso]] lesen]

ÖKON FOKEXP

FOKINT

*

K2 VP[DP[eine BiografieF PP[über Picasso]] lesen]

*!

K3 VP[DP[eine BiografieF PP[über Picasso]] lesen]

*!

* *

☞ K4 PP[über Picasso] VP[DP[eine BiografieF] lesen]

* *

*

K5 PP[über Picasso] VP[DP[eine BiografieF] lesen]

*!

*

*

*

K6 PP[über Picasso] VP[DP[eine BiografieF] lesen]

*!

*

*

*

––––––––– 16

17

In der Subhierarchie spielt FOK-INT eine ähnliche Rolle wie sonst ÖKON, wobei sie auf prosodische Positionen eingeschränkt ist. Kopplung scheint mir in der Subhierarchie nicht so problematisch zu sein wie in der Matrixhierarchie, denn die Subhierarchie bestimmt nicht Grammatikalität und folgt somit auch nicht den Ökonomieprinzipien, die Optionalität verbieten. Die Beschränkungen der Subhierarchie haben einen schwächeren Effekt, als jene der Matrixhierarchie. Denkbar wäre aber auch, dass die Beschränkungen nicht gekoppelt sind, sondern dass individuelle Hierarchiesierungen möglich sind. Dies würde bedeuten, dass Sprecherinnen und Sprecher je nach Idiolekt entweder die Variante mit Akzentverschiebung oder jene mit Scrambling vorziehen würden, sodass idiolektal keine Optionalität vorhanden ist.

179

Betrachten wir nun den Wettbewerb des Inputs mit Fokus auf der PP. Hier erfolgt Scrambling nicht zum Zwecke der Defokussierung, sondern der Disambiguierung. Die optionale in-situ-Variante ist ambig in Bezug auf ihre Fokusinterpretation. 35) Disambiguierung vs. ambigue Fokusinterpretation i: eine Biografie über PicassoF lesen

K1 VP[DP[eine Biografie PP[über PicassoF]] lesen]

FOKUS

ÖKON

FP

FOKEXP

FOKINT

*!

*

*

☞ K2 VP[DP[eine Biografie PP[über PicassoF]] lesen]

*

K3 VP[DP[eine Biografie PP[über PicassoF]] lesen]

*!

K4 PP[über PicassoF] VP[DP[eine Biografie] lesen]

*!

☞ K5 PP[über PicassoF] VP[DP[eine Biografie] lesen] K6 PP[über PicassoF] VP[DP[eine Biografie] lesen]

*

* *

* *!

*

* *

*

*

Die Notation in den obigen Beispielen impliziert die gängige Annahme, dass eine gescrambelte Konstituente VP- bzw. vP-extern positioniert ist. Dass diese Annahme falsch ist, wurde bereits in 5.1.3 konstatiert. Der im folgenden Beispiel illustrierte Satzadverbialtest zeigt, dass die fokussierte PP vP-intern verbleibt: 36) Über wen hat Rudi eine Biografie gelesen? a) #Rudi hat über PiCASso vermutlich eine Biografie gelesen. b) Rudi hat vermutlich über PiCASso eine Biografie gelesen. Die Landeposition der gescrambelten PP ist jedoch nicht immer vP-intern. Wenn sie aus Defokussierungsgründen scrambelt wie in K4 in 34), ist sie vP-extern positioniert: 37) Was hat Rudi über Picasso gelesen? a) Rudi hat über Picasso vermutlich eine BiograFIE gelesen. b) #Rudi hat vermutlich über Picasso eine BiograFIE gelesen. Dies bedeutet einerseits, dass in 34) und 35) nicht die vollständige Kandidatenmenge aufgeführt ist, andererseits bedeutet dies jedoch auch, dass eine zusätzliche Beschränkung vorhanden sein muss, die die jeweilige Landeposition bestimmt. Im Unterschied zur vPextern positionierten PP ist die vP-intern positionierte Fokus und Träger des nuklearen Akzenttons. Dass im Mittelfeld positionierte prominente Konstituenten generell vP-intern stehen, entspricht auch den in 3.1.5 gemachten Beobachtungen zur Position von definiten DPs, wonach diese vP-intern verbleiben müssen, wenn sie eng fokussiert sind und den Fokusakzent tragen. Eng fokussierte XPs sind zwar beweglicher als XPs, die in eine grössere Fokusdomäne integriert sind, allerdings ist ihre Beweglichkeit lokal eingeschränkt. Ich nehme an, dass die folgende Beschränkung für die Einschränkung von PP-Scrambling verantwortlich ist:

180

38) PROM-IN-VP: Ein im Mittelfeld positioniertes prominentes X ist in vP. PROM-IN-VP ist oberhalb von FOK-EXP und FOK-INT geordnet. Die Asymmetrie in Bezug auf die Angemessenheitsgrade der Kandidaten K5 und K 4 impliziert, dass PROM-IN-VP unterhalb von FP geordnet ist: 39) Über wen hat er eine Biografie gelesen? a) #Er hat über Picasso vermutlich eine Biografie gelesen. (K5) b) ##Er hat vermutlich über Picasso eine Biografie gelesen. (K4) Unter der Annahme, dass die Subhierarchie auch Grade der Angemessenheit ermittelt, ist die in 40) angegebene Beschränkungsordnung wahrscheinlich, denn 39b) verletzt FP, 39a) hingegen PROM-IN-VP. 39a) ist angemessener als 39b), obschon die beiden Kandidaten aufgrund der Kopplung von FOK-EXP und FOK-INT sonst das gleiche Beschränkungsprofil aufweisen. 40) FP > PROM-IN-VP > Fok-Exp Fok-Int Die folgende Tabelle zeigt den Wettbewerb bei fokussierter PP unter Einbezug von PROMIN-VP. 41) Fokus = PP i: eine Biografie über PicassoF lesen

FOKUS FP

ÖKON PROMIN-VP

K1 VP[DP[eine Biografie PP[über PicassoF]] *! lesen]

FOKEXP

FOKINT

*

*

☞ K2 VP[DP[eine Biografie PP[über PicassoF]] lesen]

*

K3 VP[DP[eine Biografie PP[über PicassoF]] *! lesen]

*

K4 PP[über PicassoF] vP[DP[eine Biografie] *! lesen] K5 PP[über PicassoF] vP[DP[eine Biografie] lesen]

K6 vP[PP[über PicassoF] VP[DP[eine Biografie] lesen]]

* *

*!

☞ K8 vP[PP[über PicassoF] VP[DP[eine Biografie] lesen]] K9 vP[PP[über PicassoF] VP[DP[eine Biografie] lesen]]

* *!

K6 PP[über PicassoF] vP[DP[eine Biografie] *! lesen]

*

* *

*

*

*

* *!

*

*

* *

*

181

Nicht K5, sondern K8 ist nach der Einfügung von PROM-IN-VP neben K2 der optimale Kandidat. Da für die Ermittlung des angemessensten Kandidaten bei NF in 34) PROM-INVP keinen Einfluss hat, wird die Tabelle hier nicht wiederholt und angepasst. Eine Besonderheit zeigt sich, wie unter 5.1.3 festgestellt, wenn das Verb eng fokussiert ist: In diesem Fall gehören sowohl Nomen als auch PP zum Hintergrund, sodass Scrambling eigentlich nicht unbedingt nötig wäre. Wie wir in 5.1.3 gesehen haben, ist in diesem Fall Scrambling entgegen der allgemeinen Annahme jedoch durchaus akzeptabel: 42) A: Rudi hat doch eine Biografie über Picasso gelesen. B: Nein, … a) Rudi hat eine Biografie über Picasso AUSgeliehen (aber nicht gelesen). b) Rudi hat über Picasso eine Biografie AUSgeliehen (aber nicht gelesen). Dies widerspricht der Generalisierung von De Kuthy (2002: 149): The overall conclusion that one can draw […] is that a sentence with an NP-PP split construction can only be a felicitous utterance if the NP and the PP are not both part of the same focus projection and if they are not both part of the background.

Da De Kuthy (2002) zufolge die Zugehörigkeit zu unterschiedlichen informationsstrukturellen Bereichen im Lexikon repräsentiert ist und als Hauptauslöser für die Aufspaltung der DP gilt, sollte 42b) viel stärker markiert sein. Die Beschränkungsordnung 40) ermittelt auch die Scrambling-Variante 42b) als angemessen, wie der in der folgenden Tabelle dargestellte Wettbewerb des Inputs eine Biografie über Picasso ausleihenF zeigt. 43) Fokus = V i: eine Biografie über Picasso ausleihenF

FOKUS FP

K1 VP[DP[eine Biografie PP[über Picasso]] ausleihenF]

*!

K2 VP[DP[eine Biografie PP[über Picasso]] ausleihenF]

*!

PROM- FOK- FOKIN-VP EXP INT *

* *

☞ K3 VP[DP[eine Biografie PP[über Picasso]] ausleihenF]

*

K4 PP[über Picasso] vP[DP[eine Biografie] ausleihenF]

*!

K5 PP[über Picasso] vP[DP[eine Biografie] ausleihenF]

*!

☞ K6 PP[über Picasso] vP[DP[eine Biografie] ausleihenF]

ÖKON

*

* *

*

*

*

* *

182

i:

eine Biografie über Picasso ausleihenF

FOKUS FP

ÖKON

PROM- FOK- FOKIN-VP EXP INT

K7 vP[PP[über Picasso] VP[DP[eine Biografie] *! ausleihenF]] K8 vP[PP[über Picasso] VP[DP[eine Biografie] *! ausleihenF]]

*

☞ K9 vP[PP[über Picasso] VP[DP[eine Biografie] ausleihenF]]

*

*

*

*

*

*

K9 und K6 unterscheiden sich lediglich in Bezug auf ÖKON von K3, innerhalb der Subhierarchie weisen sie jedoch dasselbe Beschränkungsprofil auf. K9 und K6 unterscheiden sich damit zwar in Bezug auf die satzbezogene Markiertheit im Sinn von Lenerz (1977), Haider (1992) und Fortmann /Frey (1997) vom Kandidaten ohne Scrambling, aber nicht in Bezug auf die Angemessenheit. Nun bleibt noch zu untersuchen, ob die angegebene Beschränkungsordnung auch für weiten Fokus die richtigen Vorhersagen macht. 44) illustriert den Wettbewerb für Inputs, in denen alle Elemente der VP oder der DP fokusmarkiert sind. Da die beiden Wettbewerbe sich nicht voneinander unterscheiden, verzichte ich darauf, sie gesondert aufzuführen: 44) Fokus = DP bzw. VP i: eine BiografieF über PicassoF lesenF; eine BiografieF über PicassoF lesen

FOKUS FP

K1 VP[DP[eine BiografieF PP[über PicassoF]] lesen(F)]

*(*)

☞ K2 VP[DP[eine BiografieF PP[über PicassoF]] lesen(F)]

*(*)

K3 VP[DP[eine BiografieF PP[über PicassoF]] lesen(F)]

*(*)

K4 PP[über PicassoF] vP[DP[eine BiografieF] lesen(F)]

*(*)

K5 PP[über PicassoF] vP[DP[eine BiografieF] lesen(F)]

*(*)

K6 PP[über PicassoF] vP[DP[eine BiografieF] lesen(F)]

*(*)

PROMIN-VP

*!

ÖKON FOKEXP

FOKINT

*!

*!

*!

*! *!

*

*

*

*

*!

*!

*

183

i: eine BiografieF über PicassoF lesenF; eine BiografieF über PicassoF lesen

FOKUS FP

K7 vP[PP[über PicassoF] VP[DP[eine BiografieF] lesen (F)]]

PROMIN-VP

ÖKON FOKEXP

*(*)

FOKINT

*!

*

K8 vP[PP[über PicassoF]VP[DP[eine BiografieF] *(*) lesen(F)]]

*!

*!

*

*(*)

*!

*!

*

K9 vP[PP[über PicassoF] VP[DP[eine BiografieF] lesen (F)]]

K2 ist optimal. Der Kandidat verletzt zwar einmal bzw. zweimal FP, dies ist jedoch bei allen Kandidaten der Fall, sodass diese Verletzungen nicht fatal sind. Ansonsten werden keine Beschränkungen durch K2 verletzt. Die Kandidaten K4 und K7 sind zwar unangemessen, weil sie die Beschränkung FOKINT dadurch verletzen, dass die PP nicht in der DP enthalten ist und somit auch nicht als Fokus interpretiert werden kann, aber hier zeigt sich, dass der Grad der Unangemessenheit nicht so hoch ist, wie beispielsweise bei Kandidat K3 , der neben FP noch zwei weitere Beschränkungen verletzt: 45) Was hat Rudi gemacht? a) #Er hat über Picasso eine BiograFIE gelesen. b) ##Er hat über Picasso eine Biografie geLEsen. Die Tabellen zeigen, dass mit der hier angenommenen Subhierarchie nicht nur der angemessenste Kandidat ermittelt werden kann, sondern dass durchaus auch Grade der Angemessenheit ermittelbar sind. Die Beschränkungshierarchie macht die richtige Vorhersage: Unangemessene Intonation, das heisst Akzentuierung eines Elementes, welches nicht Fokus ist, hat fatalere Folgen als Scrambling eines nicht-akzentuierten Elements, welches nicht unbedingt scrambeln müsste. Dies ist ein weiterer Hinweis darauf, dass die kontextbezogenen prosodischen Beschränkungen von den satzbezogenen zu trennen sind: Die Matrixhierarchie ist ›blind‹ für prosodische Faktoren, sodass ohne Kontextbezug alle Kandidaten grammatisch sind, auch wenn sie markierte Intonation im Sinn von Höhle (1982) aufweisen.18 Die Subhierarchie hinge––––––––– 18

Eine Ausnahme bildet der Hierarchie zufolge vP-externes Scrambling der prominenten PP (K5). Da diese in 45) alle Beschränkungen verletzt, kann keine Beschränkung FOKUS ersetzen, sodass der Kandidat im Vergleich zu einem Kandidaten ohne Scrambling besser wäre. Tatsächlich sind fokussierte vP-externe PPs auch ohne Kontextangabe sehr ›markiert‹: i) Otto hat über SYNtax vermutlich ein Buch gelesen. Mit Kontrastfokus sind sie jedoch meines Erachtens möglich. Kontrastfokus kann allerdings, wie wir mehrfach gesehen haben, ungrammatische Ausdrücke retten. Ob die Interaktion von Wortstellung und Kontrastfokus auch mithilfe einer Subhierarchie erfasst werden kann bzw. wie Kontrastfokus mit syntaktischer Bewegung in Zusammenhang steht, müsste noch untersucht werden. Wie in 5.1.3 festgestellt, kann bei Kontrastfokus auch die Beschränkung BAR unter Umständen

184

gen ist ›blind‹ für Spuren, sodass unmotivierte Spuren nicht zu fatalen Angemessenheitsverletzungen führen, wie Scrambling bei weitem Fokus oder bei Fokus auf das Verb gezeigt hat.

––––––––– überschrieben werden. Kontrastfokus auf N oder PP hat eine grössere bewegungsauslösende Kraft als Informationsfokus und wurde daher nicht in die Analyse miteinbezogen.

7

Zusammenfassung

In dieser Arbeit wurde die PP-Extraktion einer einheitlichen Analyse unterzogen, zudem trägt diese Analyse zum besseren Verständnis der Interaktion grammatischer und pragmatischer Prinzipien bei. Dabei wurde zuerst das Phänomen der PP-Extraktion möglichst umfassend und unter Einbezug aller involvierten Faktoren untersucht und beschrieben. Diese Untersuchung hat ergeben, dass die PP-Extraktion syntaktischen, lexikalisch-semantischen und pragmatischen Restriktionen unterliegt, wobei die Frage, welche Komponente das Phänomen steuert, noch offen blieb (vgl. Kapitel 1). Um diese Frage beantworten zu können, musste zunächst die Struktur der Nominalphrase geklärt werden. Es konnte gezeigt werden, dass vor allem das in der Literatur zu PP-Extraktionen kontrovers diskutierte syntaktische und semantische Verhältnis vom Nomen zum PP-Attribut einen entscheidenden Einfluss auf die Analyse des Phänomens hat. Durch den Einbezug aller Nomentypen, die Extraktion zulassen, gelang in Kapitel 2 der Nachweis, dass es sich auch bei der Extraktion aus DPs mit einem picture noun um Argumentextraktion handeln muss. Vor allem die strukturelle Analyse von Nominalisierungsverbgefügen hat entscheidend zu diesem Nachweis beigetragen: In vielen Arbeiten wurde bisher angenommen, dass die thematisch vom Nomen abhängige PP als Verbkomplement in die Syntax eingeführt wird. Diese Annahme wurde in Kapitel 2 widerlegt: Es konnte gezeigt werden, dass das Nomen in Nominalisierungsverbgefügen adjazent zum Verb stehen muss, was nur möglich ist, wenn die PP in die DP eingebettet ist. In Kapitel 3 wurde der Frage nachgegangen, welche sprachliche Komponente das Phänomen primär steuert. Die hohe syntaktische Systematik weist darauf hin, dass es sich um ein syntaktisches und nicht pragmatisches Phänomen handeln muss. PP-Extraktion ist nachweislich lokal beschränkt und diese Beschränkung lässt sich durch einen Ansatz, der das Phänomen nur durch pragmatische und lexikalische Prinzipien zu erklären versucht, nicht erfassen. Es hat sich gezeigt, dass die auf der Inkorporationstheorie von Baker (1986) beruhende Barrierentheorie von Sternefeld (1991), Müller (1991) und Müller /Sternefeld (1993) die lokale Beschränktheit des Phänomens am besten zu erfassen vermag. Die kritische Auseinandersetzung mit verschiedenen Erklärungsansätzen hat zudem ergeben, dass der bewegungstheoretische Ansatz die grösste Erklärungskraft besitzt. Allerdings lässt auch er einige Fragen offen: Es haben neben syntaktischen sowohl lexikalisch-semantische als auch pragmatische Faktoren Einfluss auf die Extraktion. Ohne die Integration dieser Faktoren in die Analyse kann dem Anspruch, das Phänomen durch ein einheitliches theoretisches Modell zu erfassen, nicht auf befriedigende Weise nachgekommen werden. Die Integration der lexikalisch-semantischen Faktoren in die auf Inkorporation beruhende bewegungstheoretische Analyse hat sich in Kapitel 4 als unproblematisch erwiesen. Als weit problematischer für bewegungstheoretische Ansätze, wie dem in dieser Arbeit verfolgten, erwies sich jedoch die Integration der pragmatischen Faktoren. In Kapitel 5 konnte gezeigt werden, dass die Extraktion informationsstrukturelle Bedürfnisse erfüllt. Die Informationsstrukturierung erfolgt auf zwei Ebenen, der satzbezogenen Topik-Kommentar-Gliederung (TKG) und der diskursbezogenen Ebene Fokus-Hinter-

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grund-Gliederung (FHG). Es konnte nachgewiesen werden, dass Topikalisierung der PP durch die satzbezogene informationsstrukturelle Ebene TKG bestimmt wird. Topikalisierung ist obligatorisch und weist somit typische Merkmale von Operatorenbewegung auf. Bei der Topikalisierung der PP handelt es sich um ein syntaktisch erklärbares Phänomen. Anders ist dies bei der Scramblingbewegung. Diese wird durch die diskursbezogene Ebene FHG bestimmt, das heisst, der Kontext hat Einfluss auf die Bewegungsmöglichkeit. Zudem ist sie, anders als Operatorenbewegung, optional. Für eine bewegungstheoretische Analyse stellen sowohl die Optionalität der Bewegung als auch ihre Kontextsensitivität ein Problem dar: Dem bewegungstheoretischen Ansatz zufolge handelt es sich bei der PP-Extraktion um ein allein von grammatischen Prinzipien gesteuertes Phänomen. Der Autonomiehypothese zufolge ist aber die Grammatikkomponente ›blind‹ für kontextuelle Einflüsse. Die Integration von kontextbestimmten Prinzipien oder Beschränkungen in ein grammatisches Modell ist daher theoretisch höchst problematisch. Für eine einheitliche Analyse der PP-Extraktion zeigt sich ein in bisherigen Arbeiten ungelöstes Dilemma: Empirisch kann nachgewiesen werden, dass die Scramblingbewegung kontextsensitiv ist, gleichzeitig ist sie aber auch lokal beschränkt, das heisst, durch die gleichen syntaktischen Prinzipien wie Topikalisierung und wh-Bewegung gesteuert. Erst eine genaue Analyse, die die involvierten Beschränkungen in Bezug zu bestimmten Urteilsoppositionen setzt, bringt Klärung in das Verhältnis von kontext- und satzbezogenen Beschränkungen: Die Verstösse gegen die kontextbezogenen Beschränkungen der Fokus-Hintergrund-Gliederung führen nicht zu Ungrammatikalität, sondern lediglich zu kontextueller Unangemessenheit. Verstösse gegen die satzbezogenen Beschränkungen wie die Lokalitätsbeschränkung Barriere hingegen erzeugen immer absolute Ungrammatikalität. Die unterschiedlichen Urteilsoppositionen, mit denen satz- und kontextgebundene Prinzipien verbunden sind, legen die These nahe, dass zwei unterschiedliche Systeme in die Verarbeitung von Extraktionsstrukturen involviert sind: Das satzbezogene System errechnet die Grammatikalität eines Ausdrucks, das kontextbezogene seine Angemessenheit. Da jedoch zumindest bei Scramblingbewegung das kontextbezogene System direkt auf das satzbezogene wirkt, indem es die Bewegung lizenziert, muss weiter angenommen werden, dass die beiden Verarbeitungssysteme miteinander verschränkt sind. Die Interaktion der beiden Systeme konnte in Kapitel 6 mithilfe eines optimalitätstheoretischen Modells, welches auf dem Subhierarchiemodell von Müller (1999b) basiert, theoretisch befriedigend erklärt werden. Die Trennung der satz- und kontextbezogenen Beschränkungen in zwei unterschiedliche Hierarchien, die jedoch als Matrix- und Subhierarchie miteinander verbunden sind, verhindert einerseits die in Bezug zum Lernbarkeitskriterium und zur Autonomiehypothese problematische Vermischung von kontext- und satzbezogenen Beschränkungen in ein Modell, sie erlaubt aber andererseits, das Phänomen der PP-Extraktion und alle auf das Phänomen wirkenden Faktoren mithilfe eines einheitlichen Modells zu erfassen. Zudem kann mithilfe dieses Modells das Verhältnis von syntaktischen und pragmatischen Prinzipien beschrieben und somit ihre Interaktion auch für andere Sprachphänomene (so z.B. Wortstellungsphänomene) besser verstanden werden.

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