Recht und Organisation: Staatsrecht - Verwaltungsrecht - Europarecht - Völkerrecht. Vorträge und Diskussionen zum Symposion anläßlich des 60. Geburtstags von Prof. Dr. Meinhard Schröder in Trier [1 ed.] 9783428508631, 9783428108633

Die schwierigen Grundsatzfragen des Organisationsrechts bergen für das Öffentliche Recht und seine Teildisziplinen eine

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German Pages 170 Year 2003

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Recht und Organisation: Staatsrecht - Verwaltungsrecht - Europarecht - Völkerrecht. Vorträge und Diskussionen zum Symposion anläßlich des 60. Geburtstags von Prof. Dr. Meinhard Schröder in Trier [1 ed.]
 9783428508631, 9783428108633

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Schriften zum Öffentlichen Recht Band 913

Recht und Organisation Staatsrecht – Verwaltungsrecht – Europarecht – Völkerrecht Vorträge und Diskussionen zum Symposion anläßlich des 60. Geburtstags von Prof. Dr. Meinhard Schröder in Trier

Herausgegeben von Matthias Ruffert

Duncker & Humblot · Berlin

MATTHIAS RUFFERT (Hrsg.)

Recht und Organisation

Schriften zum Öffentlichen Recht Band 913

Recht und Organisation Staatsrecht - Verwaltungsrecht Europarecht - Völkerrecht Vorträge und Diskussionen zum Symposion anläßlich des 60. Geburtstags von Prof. Dr. Meinhard Schröder in Trier

Herausgegeben von Matthias Ruffert

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Duncker & Humblot · Berlin

Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.

Alle Rechte, auch die des auszugsweisen Nachdrucks, der fotomechanischen Wiedergabe und der Übersetzung, für sämtliche Beiträge vorbehalten © 2003 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme: Klaus-Dieter Voigt, Berlin Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0582-0200 ISBN 3-428-10863-9 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706 θ

Vorwort Der vorliegende Band dokumentiert Vorträge und Diskussionen des Symposions, das am 25. Mai 2002 aus Anlaß des sechzigsten Geburtstags von Prof. Dr. Meinhard Schröder auf Einladung seiner Schüler und Mitarbeiter in Trier stattfand. Das Generalthema „Recht und Organisation" ermöglichte es, die unterschiedlichen Arbeitsgebiete des Jubilars im Staats- und Verwaltungsrecht sowie im Völker- und Europarecht miteinander zu verbinden. Gleichzeitig sollte eine stets aktuelle Thematik aufgegriffen werden, die - wie es die einzelnen Beiträge zeigen - das Öffentliche Recht vor eine besondere Herausforderung stellt. Die Teilnehmer wurden vom Präsidenten der Universität Trier, Herrn Prof. Dr. Peter Schwenkmezger, dem Dekan des Fachbereichs Rechtswissenschaft, Herrn Prof. Dr. Peter Reiff, und dem Geschäftsführenden Direktor des Instituts für Umwelt- und Technikrecht der Universität Trier, Herrn Prof. Dr. Michael Reinhardt, LL.M., begrüßt. Der Tagungsort, die Promotionsaula der Theologischen Fakultät Trier, gab dem Symposion einen würdigen Rahmen, das anschließende Abendessen hoch über Stadt und Mosel auf Einladung des Jubilars dem Tag einen festlichen und unvergeßlichen Abschluß. Der Dank des Herausgebers gilt zuerst den Autoren der einzelnen Beiträge für die ausgesprochen rasche Fertigstellung der Manuskripte. Gleichermaßen gedankt sei den Diskussionsteilnehmern für die überarbeitete Schriftfassung ihrer Wortbeiträge. Dank schulde ich auch dem Freundeskreis Trierer Universität e.V. sowie der Nikolaus-Koch-Stiftung für die großzügige finanzielle Unterstützung des Symposions. Herrn Prof. Dr. h.c. Norbert Simon danke ich für die Aufnahme des Symposionsbandes in die „Schriften zum Öffentlichen Recht" im Verlag Duncker & Humblot. Unverzichtbar bei der Vorbereitung des Symposions war die Unterstützung der Trierer Mitarbeiter und Doktoranden von Prof. Dr. Meinhard Schröder. Darüber hinaus haben die studentischen Hilfskräfte Frau Rieke Arndt, Frau Angela Schwerdtfeger und Herr Helge Schoenewolf die technische Bearbeitung der Manuskripte besorgt, Herr stud. jur. Meinhard Schröder (München) die Diskussion aufgezeichnet. Vor allem hat sich Frau Karola Metzger (Sekretariat) - von der ersten Anfrage an einen Vortragenden bis zum letzten Schliff am Symposionsband - um das Symposion und diese Veröffentlichung verdient gemacht. Ihnen allen danke ich sehr herzlich. Trier, im September 2002

Matthias Rujfert

Inhaltsverzeichnis I. Staatsrecht Grundlagen und Reichweite des parlamentarischen Organisationsvorbehaltes Prof. Dr. Fritz Ossenbühl, Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität, Bonn

11

„Starke Männer" oder „starke Frauen" an die Spitze der Universität? Zur Verfassungsmäßigkeit der „neuen Leitungsstrukturen" Prof. Dr. Wolfgang Löwer, Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität, Bonn

25

Diskussion der Vorträge von Ossenbühl und Löwer Leitung: Prof. Dr. Peter Krause, Universität Trier

45

II. Deutsches und Europäisches Verwaltungsrecht Neue Organisations- und Kooperationsformen im europäisierten kommunalen Wirtschaftsrecht - ein Plädoyer für die kommunale Organisationshoheit Prof. Dr. Martin Burgi, Ruhr-Universität, Bochum

55

Verwaltungsorganisationsrechtliche Konsequenzen des integrierten Umweltschutzes Prof. Dr. Christian Calliess, M.A.E.S. (Brügge), LL.M.Eur., Karl-FranzensUniversität, Graz

73

Diskussion der Vorträge von Burgi und Calliess Leitung: Prof. Dr. Reinhard Hendler, Universität Trier

107

III. Europa- und Völkerrecht Institutionelle Kohärenz in der Europäischen Union und der Europäischen Gemeinschaft Prof. Dr. Eckart Klein, Universität Potsdam 119 Die Organisation der Welt. Der Internationale Seegerichtshof im Horizont von Walther Schückings Weltstaatenbund mit Obligatorium Prof. Dr. Dr. h.c. Wolfgang Graf Vitzthum, Eberhard Karls Universität, Tübingen 133

8

Inhaltsverzeichnis

Diskussion der Vorträge von Klein und Graf Vitzthum Leitung: Prof. Dr. Gerhard Robbers, Universität Trier

157

Schlußwort Prof. Dr. Meinhard Schröder, Universität Trier

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Verzeichnis der Vortragenden und Diskussionsteilnehmer

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I. Staatsrecht

Grundlagen und Reichweite des parlamentarischen Organisationsvorbehaltes Von Fritz Ossenbühl, Bonn I. Aktualität des Themas Als Meinhard Schröder im Jahre 1977 seinen Habilitationsvortrag hielt, wählte er sich zum Thema „Die Geiselbefreiung von Entebbe - ein völkerrechtswidriger Akt Israels?". 1 Ein Jahr später folgte im Angesicht des Terrorismus der 70er Jahre in Deutschland und der als Antwort auf ihn ergangenen Gesetze die richtungsweisende Abhandlung im Archiv des öffentlichen Rechts mit dem treffenden Titel „Staatsrecht an den Grenzen des Rechtsstaates", Untertitel: „Überlegungen zur Verteidigung des Rechtsstaates in außergewöhnlichen Lagen". 2 Für die Folgezeit lassen sich vergleichbare Publikationen zu brisanten aktuellen Fragen aus der Feder von Meinhard Schröder anführen. Jüngst der Diskussionsbeitrag in der NJW über „Die Institutionalisierung des Nationalen Ethikrates: Ein bedenklicher Regierungsakt?" 3 - Warum erwähne ich das? Weil der in die Publikationsliste von Meinhard Schröder ziellos vollzogene Griff zeigt, daß drei Kennzeichen im wissenschaftlichen Werk und Wirken von Meinhard Schröder hervorstechen. Erstens der Zugriff auf die aktuellen, aber auch äußerst brisanten Probleme, die sich im Verlauf der politischen Entwicklung und der Rechtsentwicklung gezeigt haben. Hier wird nicht zurückgewichen vor der Hitze des Themas. Und es wird auch nicht abgewartet, bis sich das Problem durch Zeitablauf abgekühlt hat, um dann - wie vielfach zu beobachten - nach Tisch alles besser zu wissen. Zweitens werden die heißen Eisen mit auffälliger und bemerkenswerter Unabhängigkeit und Neutralität in die juristische Zange genommen, von allen Seiten betrachtet, gekühlt und bezähmt. Drittens ist ebenso auffällig wie selten, daß Meinhard Schröder über das völkerrechtliche Gewaltverbot ebenso fundiert und sachverständig schreibt und redet wie über den Verwaltungsvorbehalt. Die Breite seines Wirkens und Wissens 1

Meinhard Schröder, Die Geiselbefreiung von Entebbe - ein völkerrechtswidriger Akt Israels?, JZ 1977, S. 420. 2 Meinhard Schröder, Staatsrecht an den Grenzen des Rechtsstaates, AöR 103 (1978), S. 121. 3 Meinhard Schröder, Die Institutionalisierung des Nationalen Ethikrats: Ein bedenklicher Rechtsakt?, NJW 2001, S. 2144.

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Fritz Ossenbühl

wird von der heutigen Gelehrtengeneration nur noch sehr selten in einer Person repräsentiert. Sie reicht vom Völkerrecht über das Europarecht und Staatsrecht bis zu den Niederungen des Verwaltungsrechts. Und alle diese Bereiche sind gleichmäßig beackert. Sein Spezialistentum liegt in der thematischen Generalität. So ist es denn eine schöne Regie, wenn seine Schüler für heute ein Programm entworfen haben, welches all diese Kennzeichen des Jubilars widerspiegelt. Nun könnte man jedenfalls auf den ersten Blick meinen, an diesen Vorzügen würde ich als erster Referent des heutigen Tages mit meinem Thema weniger partizipieren. Denn nach erstem Hinschauen scheinen organisatorische Fragen nicht gerade zu den sonderlich erregenden juristischen Themen zu gehören, und zum anderen haben wir in den letzten Jahrzehnten so viel zum Thema Vorbehalt gehört, daß man kaum hoffen kann, hierzu noch einen neuen Kammerton zu vernehmen. Mir ging es allerdings umgekehrt. Als mir vor einigen Monaten das Thema genannt wurde, fiel mir zum einen der Nationale Ethikrat ein, zu dem Meinhard Schröder sich gerade geäußert hatte, und natürlich die aufgeregten Beiträge zur Abschaffung des Justizministeriums in Nordrhein-Westfalen und in anderen Bundesländern. Und es schwebte mir im ersten Anlauf vor, zu beiden Komplexen einige Bemerkungen beizusteuern. In der Tat sind die beiden genannten Konfliktfälle neben der schon weiter zurückliegenden Bestimmung der Bundeshauptstadt Berlin durch schlichten Parlamentsbeschluß und neuerdings die Ausgestaltung des Lichthofes des Reichstagsgebäudes mit einem Kunstwerk, welches in monumentaler Leuchtschrift die Widmung „Der Bevölkerung" enthält, 4 die aktuellen Fälle, die eine uralte Verfassungsfrage in ihrer Brisanz wieder auf die Titelseiten juristischer Publikationen gebracht haben. So geht es denn um ein ewiges Problem des Staatsrechts, das uns gestellt ist, eine Frage, die immer wieder in neuartigen Situationen aufkommt und Beantwortung verlangt, und die niemals und zu keiner Zeit als beantwortet und damit erledigt zu den Akten gelegt werden kann, weil die Abgrenzung der Macht- und Kompetenzsphären zwischen den Staatsorganen nicht ein für allemal zu Ende definiert werden kann, sondern sich in ständiger Bewegung befindet und für jede Zeit und Situation neu austariert werden muß.

4 Vgl. Dietrich Murswiek, Parlament, Kunst und Demokratie, in: FS für Hartmut Schiedermair, 2001, S. 211 ff.

Grundlagen des parlamentarischen Organisationsvorbehaltes

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I I . Differenzierungen Betrachtet man den mit dem Thema umgrenzten Problembereich als Ganzes, so ergibt sich ein verwirrendes Bild. Und um hier nicht die Orientierung zu verlieren, ist es von Anfang an zumindest nützlich, sich einige Differenzierungen und Begriffe zu vergegenwärtigen. 1. Zum Spektrum von parlamentarischen Organisationsentscheidungen Solche Differenzierungen sind schon deswegen unvermeidbar, weil die Organisationsentscheidungen des Parlamentes ein breites Spektrum von Organisationsakten abdecken, die verfassungsrechtlich und praktisch ein ganz unterschiedliches Gewicht haben. Organisationsakte können sich zum einen auf sehr spröde Themen beziehen, wie etwa die Errichtung von juristischen Personen und Behörden oder auf die Festlegung von Behördenzuständigkeiten, zum andern aber auch Ausdruck politischer Richtungsgebung sein, wie beispielsweise die Einrichtung eines neuen Ministeriums, in den 70er Jahren etwa die Einrichtung eines besonderen Umweltministeriums oder heute die eines besonderen Europaministeriums. Wieder andere Wirkungen treten ins Blickfeld, wenn durch Organisationsakte neue Gremien geschaffen und damit Macht und Verantwortlichkeit, wenn auch nicht rechtlich so doch zumindest faktisch, auf außerhalb des parlamentarischen Zusammenhangs stehende Sachverständige oder auf korporatistische Gremien der Gesellschaft verlagert werden, was - wie nicht zu übersehen ist - mit den Grundstrukturen der demokratischen Verfassungsordnung in Gegensatz geraten kann. Schließlich geht es auch um Organisationsakte, die in ihren Wirkungen in den Rechtskreis des Bürgers eingreifen und schon aus diesem Grunde nicht ohne parlamentarische Mitwirkung getroffen werden können. 2. Regelungsmonopol, Zugriffsrecht

und Zugriffspflicht

Einen anderen Querschnitt durch unsere Problematik vermittelt die Frage danach, wie der Parlamentsvorbehalt, von dem hier die Rede sein soll, aussieht. Zum ersten geht es darum, was man überhaupt unter einem solchen Vorbehalt zu verstehen hat. Ein Vorbehalt für das Parlament bedeutet, daß alles, was unter den Vorbehalt fällt, nicht ohne Zustimmung des Parlamentes geregelt werden kann. Es besteht insoweit entweder eine ausschließliche Parlamentskompetenz,

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Fritz Ossenbühl

ein Entscheidungsmonopol, oder zumindest eine unverzichtbare, d.h. konstitutive Mitentscheidungsbefugnis. Zu unterscheiden ist also der Parlamentsvorbehalt als Regelungsmonopol mit oder ohne Regelungs/T/Z/c/zi von dem im Zusammenhang mit dem Gesetzesvorbehalt stehenden Zugriffs recht des Parlamentes. Das Zugriffsrecht autorisiert das Parlament, eine Regelung auch dort zu treffen, wo die Exekutive bereits tätig geworden ist. Das Parlament kann diese Regelung dann kassieren oder umgestalten, wenn es mit dieser getroffenen Regelung oder Organisation nicht einverstanden ist. Daraus ergeben sich sozusagen drei unterschiedliche Regelungsmodelle: Erstes Modell: Die betreffende Organisationsmaßnahme steht in der alleinigen Entscheidungsbefugnis des Parlamentes und kann nur von diesem getroffen werden. Es handelt sich um einen ausschließlichen Parlamentsvorbehalt (Regelungsmonopol). Zweites Modell·. Die betreffende Organisationsmaßnahme muß von der Exekutive und dem Parlament oder von Bundestag und Bundesrat gemeinsam getroffen werden. In diesem Falle würde es sich um einen kooperativen Parlamentsvorbehalt handeln. Beispiele für diese Variante sind allerdings eher exotischer Natur. Genannt worden ist in der Diskussion etwa die Bestimmung der Bundeshauptstadt, wenn man die Festlegung der Residenz von Verfassungsorganen als Organisationsmaßnahme qualifizieren will. 5 Außerhalb der Organisationsmaßnahme ist das beste Beispiel etwa der vom Bundesverfassungsgericht nach langem Suchen gefundene oder erfundene konstitutive Parlamentsvorbehalt zum Einsatz der Bundeswehr im Ausland. 6 Drittes Modell: Die betreffende Organisationsmaßnahme kann auch von der Exekutive getroffen werden. Sie hat möglicherweise insoweit sogar die Vorhand. Aber das Parlament kann die Regelung jederzeit an sich ziehen, die exekutive Organisationsentscheidung kassieren, korrigieren oder modifizieren. Dies wäre kein Fall eines echten Parlamentsvorbehaltes mehr, sondern Beispiel eines parlamentarischen Zugriffsrechtes, welches allerdings, wie wir noch sehen werden, an der unantastbaren Organisationsbefugnis anderer Staatsorgane, etwa dem „Kernbereich der Exekutive", ihre Grenze finden kann.

5 Vgl. Joachim Wieland, Verfassungsrechtliche Probleme der Entscheidung über die künftige deutsche Hauptstadt, Der Staat 1991, S. 231 (240); Friedhelm Hufen, Entscheidung über Parlaments- und Regierungssitz der Bundesrepublik Deutschland ohne Gesetz?, NJW 1991, S. 1321 ff. 6 BVerfGE 90, 286.

Grundlagen des parlamentarischen Organisationsvorbehaltes

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Es stehen also drei Modelle nebeneinander: ausschließlicher Parlamentsvorbehalt, kooperativer Parlamentsvorbehalt und Zugriffsvorbehalt. 3. Sach- und Formvorbehalte Ein wieder anderer Schnitt durch die Problematik wird mit der Frage nach Sach- und Formvorbehalten gelegt. 7 Von einem Sachvorbehalt ist dann die Rede, wenn eine Organisationsmaßnahme dem Inhalt und der Sache nach vom Parlament getroffen werden muß, ohne schon darüber zu befinden, in welcher Form dies zu geschehen hat. Die Form, in der die zu treffende parlamentarische Organisationsmaßnahme zu kleiden ist, kann ganz unterschiedlich sein. Es kann sich um ein verfassungsänderndes Gesetz handeln, um ein einfaches förmliches Gesetz, aber auch um einen schlichten Parlamentsbeschluß. Formvorbehalte sind also namentlich als Verfassungsvorbehalte oder Gesetzesvorbehalte bekannt. Zum Verfassungsvorbehalt wird beispielsweise gerechnet die Festlegung der Ministerien durch das Parlament, wenn man die Ressortfestlegung zum originären Organisationsbereich der Bundesregierung rechnet. 8 Denn in diesem Falle kann eine parlamentarische Organisationsmaßnahme nur durch Verfassungsänderungen begründet werden. Der einfache Gesetzesvorbehalt gilt für Organisationsmaßnahmen, wenn diese in ihren Auswirkungen in den Rechtskreis des Bürgers eingreifen und aus diesem Grunde der rechtsstaatliche Gesetzesvorbehalt virulent wird. I I I . Organisationsbereiche Die bisher genannten Differenzierungen haben bereits durchscheinen lassen, daß Grundlagen und Reichweite des parlamentarischen Organisationsvorbehaltes nicht einheitlich beantwortet werden können. Vielmehr ist insoweit unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten nach Sachbereichen zu unterscheiden. Genauer gesagt ergeben sich drei unterschiedliche Sachbereiche, für die eine getrennte verfassungsrechtliche Betrachtung von Grundlage und Reichweite des organisatorischen Parlamentsvorbehaltes notwendig ist. Erstens: der Innenbereich des Parlamentes. Zweitens: die Verwaltungsorganisation. Drittens: der Bereich der Regierung im funktionellen Sinne, auch gern kurz als Staatsleitung apostrophiert. 7

Vgl. Fritz Ossenbühl, Vorrang und Vorbehalt des Gesetzes, in: Josef Isensee/ Paul Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Bd. I I I 1988, § 62 Rn. 39. 8 Vgl. Josef Isensee, Der Verfassungsvorbehalt. Das Grundgesetz als abschließende und als offene Norm, in: FS für Walter Leisner 1999, S. 359 ff.

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Fritz Ossenbühl

Für den Kundigen ist leicht erkennbar, daß die beiden zuerst genannten Sachbereiche, nämlich der Innenbereich des Parlamentes und die Verwaltungsorganisation, bislang den Schwerpunkt der Diskussion gebildet haben. Hier ist es weitestgehend zu geklärten Grundsatzpositionen gekommen, während der Bereich der Staatsleitung, in welchem Parlament und Regierung zusammenwirken, die weichste Stelle bildet. Aus diesem Bereich stammen auch die aktuellen Konfliktfälle. Ich werde entsprechend dieser Aktualität die ersten beiden Bereiche nur kursorisch abhandeln und dem dritten Bereich eine, soweit es die Zeit überhaupt zuläßt, etwas nähere Betrachtung widmen. 7. Parlamentarischer

y,Innenbereich

i(

Zu den klassischen Dauerthemen des Staatsrechts gehört das Selbstorganisationsrecht des Parlamentes. 9 Es findet seine verfassungsrechtliche Grundlage in Art. 40 Abs. 1 Satz 2 GG. Das Parlament ist danach befugt, seine innere Organisation und den Geschäftsgang selbst durch eine Geschäftsordnung zu bestimmen. Das Grundgesetz enthält hierzu eine Reihe inhaltlicher Vorgaben wie beispielsweise über die Einberufung des Bundestages, die Wahlprüfung, die Öffentlichkeit, das Mehrheitsprinzip, läßt aber dem Parlament einen sehr weiten eigenen Gestaltungsspielraum. Die Reichweite des Selbstorganisationsrechts wird durch den Begriff der „Geschäftsordnung" umgrenzt, der in Art. 40 Abs. 1 Satz 2 GG verwendet wird. Erfaßt wird damit der Innenbereich des Parlamentes, also wie gesagt die innere Organisation und der Geschäftsgang innerhalb des Staatsorgans. Deshalb findet die Geschäftsordnungsautonomie ihre prinzipielle Grenze dort, wo der Innenbereich des Parlamentes endet und der Außenbereich beginnt. Der Außenbereich wird durch die Rechtssphären der Bürger einerseits und der übrigen Staatsorgane andererseits markiert. Der Rechtsbereich des Bürgers ist grundrechtlich umhegt. Vor staatlichen Eingriffen ist er durch den rechtsstaatlichen Gesetzesvorbehalt geschützt. Die anderen Staatsorgane, wie Bundesregierung oder Bundesrat, haben einen eigenen, der Disposition des Bundestages entzogenen verfassungsrechtlichen Status. Dieser Status kann nur durch Verfassungsänderung umgestaltet oder modifiziert werden. Die Abgrenzung der Kompetenzsphären zwischen den Staatsorganen und deren rechtlicher Status unterliegen einem Verfassungsvorbehalt. 10 Zitierund Interpellationsrechte des Bundestages auf der einen und Rederechte der 9 Vgl. Thomas Schwerin, Der Deutsche Bundestag als Geschäftsordnungsgeber, 1998. 10 Vgl. Isensee (Fn. 8).

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Bundesregierung und des Bundesrates auf der anderen Seite bedürfen demzufolge einer besonderen verfassungsrechtlichen Grundlage. Bestand und Reichweite solcher Rechte und Befugnisse sind nicht Gegenstand einer Regelung oder Auslegung der Geschäftsordnung, sondern der entsprechenden Vorschriften des Grundgesetzes. Außenwirkungen der parlamentarischen Geschäftsordnung, die den Bürger treffen, bedürfen ihrerseits gemäß dem verfassungsrechtlichen Gesetzesvorbehalt einer formalgesetzlichen Grundlage. Ein entsprechendes Gesetz kann seinerseits nicht ohne weiteres auf die Geschäftsordnungsautonomie als Grundlage des parlamentarischen Selbstorganisationsrechtes gestützt werden. Denn das Selbstorganisationsrecht ist auf den Innenbereich des Parlamentes beschränkt. Deshalb ermächtigt Art. 40 Abs. 1 Satz 2 GG auch nicht zu außenwirksamen Regelungen, die den Bürger in die Pflicht nehmen. Richtiger Ansicht nach ist die Grundlage für entsprechende Verpflichtungen des Bürgers in parlamentarischen Untersuchungsausschüssen demzufolge auch nicht Art. 40 Abs. 1 Satz 2 GG, sondern Art. 44 GG in Verbindung mit den hierzu ergangenen einfachen Gesetzen. Besondere Probleme ergeben sich dann, wenn parlamentarische Regeln, wie beispielsweise Verhaltensregeln, die Bundestagsabgeordneten sowohl in ihrem Status als Parlamentsmitglieder wie auch als Bürger betreffen. 11 Zu allen diesen Fragen existieren bekanntlich zahlreiche Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts und literarische Stellungnahmen, die ich aber hier nicht weiter darlegen oder kritisieren möchte. 2. Verwaltungsorganisation Fragen der Parlamentszuständigkeit für den Bereich der Verwaltungsorganisation sind thematisch eingebunden in die permanente Diskussion um Grundlagen und Reichweite des Gesetzes Vorbehaltes. Der Topos der Organisationsgewalt hat heute keine selbständige zuständigkeitsbegründende Kraft mehr. Auch Organisationsentscheidungen und Organisationsakte, gleichgültig von wem sie erlassen werden, müssen verfassungsrechtlich autorisiert sein. Was den parlamentarischen drei Aspekte zu erwähnen: 12

Organisationsvorbehalt anbetrifft, so sind

Erstens ist darauf hinzuweisen, daß das Grundgesetz selbst eine Reihe von speziellen sogenannten institutionellen Gesetzesvorbehalten enthält, die die Organisationsentscheidung dem Parlament ausdrücklich zuweisen. Sie 11 12

Schwerin (Fn. 9), S. 51 ff. Vgl. Ossenbühl (Fn. 7), § 62 Rn. 26 ff.

2 FS Schröder

18

Fritz Ossenbühl

betreffen zum einen die Ausgestaltung von verfassungsrechtlich gewährleisteten Institutionen wie die kommunale Selbstverwaltung (Art. 28 Abs. 2 GG), zum anderen Organisation und Verfahren der Verwaltung (Art. 84 Abs. 2, 85 Abs. 2, 87 Abs. 3, 87b Abs. 1 Satz 3, 87d Abs. 2, 91a Abs. 2, 108 Abs. 1 Satz 2 GG). Einige dieser Organisationsvorbehalte beschränken sich darauf, die Organisationsentscheidungen ausschließlich dem Parlament zuzuweisen und die Exekutive von eigenen Regelungen auszuschließen, ohne allerdings das Parlament zu einer Regelung zu verpflichten. Eine Regelungspflicht besteht nur für solche Organisationen, deren Existenz verfassungsrechtlich vorausgesetzt wird, wie beispielsweise die Kommunalverwaltung oder die Finanzverwaltung (Art. 28 Abs. 2 und Art. 108 Abs. 1 Satz 3 GG). Die speziellen institutionell-organisatorischen Gesetzesvorbehalte des Grundgesetzes bilden die Grundlage des parlamentarischen Organisationsvorbehaltes und umgrenzen zugleich seine Reichweite. Beides ist Gegenstand der Verfassungsauslegung. Zweitens findet der parlamentarische Organisationsvorbehalt eine weitere eigenständige Grundlage im rechtsstaatlichen Gesetzesvorbehalt. Im Gegensatz zum demokratischen Gesetzesvorbehalt wird der rechtsstaatliche Gesetzesvorbehalt durch die sogenannte Eingriffsformel definiert. Dies bedeutet, daß solche Regelungen eines parlamentsbeschlossenen Gesetzes bedürfen, die in Freiheit oder Eigentum des Bürgers eingreifen. Nachdem der Eingriffsbegriff auch auf die faktischen Eingriffswirkungen erstreckt worden ist, haben sich insoweit allerdings die Grenzziehungen erheblich kompliziert, was sich selbstredend auch auf die Organisationsentscheidungen auswirkt, die dem Eingriffsbegriff unterfallen. Ob beispielsweise auch Zuständigkeitsregelungen hierher gehören, kann man durchaus unterschiedlich beurteilen. In der Rechtsprechung, auch des Bundesverfassungsgerichts, ist nebenbei bemerkt anerkannt, daß Zuständigkeitsregelungen, jedenfalls dann, wenn sie als Behördenzuständigkeiten in Rede stehen, auch ohne gesetzliche Ermächtigung durch die Exekutive geregelt werden können, 13 der parlamentarische Organisationsvorbehalt also nicht Platz greift. Drittens findet der parlamentarische Organisationsvorbehalt seine Grundlage im sogenannten demokratischen Gesetzesvorbehalt. Die demokratische Komponente des Gesetzesvorbehaltes ist an sich verfassungsgeschichtlich uralt, aber in der Anfangszeit des Bonner Grundgesetzes aus dem Blick geraten, weil die rechtsstaatlich orientierte Verfassungsdiskussion alle anderen Themen an den Rand gedrängt hat - eine psychologische Folge des vorausgegangenen Unrechtsstaates. Es war aber seit Beginn des Parlamentarismus 13 Vgl. Fritz Ossenbühl, in: Hans-Uwe Erichsen (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht, 11. Aufl., 1998, § 6 Rn. 45.

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undiskutierter Konsens, daß das Parlament alle politisch bedeutsamen Entscheidungen für das Gemeinwesen ohne Rücksicht auf den jeweiligen Entscheidungsgegenstand zu treffen hat. 1 4 Aus dieser an sich banalen Erkenntnis, die erst in den 70er Jahren wieder zur Renaissance gelangt ist, ist sodann die sogenannte Wesentlichkeitstheorie des Bundesverfassungsgerichts erwachsen, die in Wirklichkeit gar keine Theorie, sondern nur eine praktisch nahezu unbrauchbare Verlegenheitsformel darstellt. Trotzdem hat diese Formel auch im Organisationsbereich Fuß gefaßt. Aber es hat dann lange Zeit gebraucht, bis man sich in ausgiebiger Diskussion auf einige grundlegende Wesentlichkeitspositionen im Bereich der Organisation geeinigt hat. Diese Einigung sieht nach dem derzeitigen Stand so aus, daß etwa folgende Organisationsentscheidungen dem Parlament vorbehalten sind, also von der Exekutive nicht aus eigener Kompetenz getroffen werden können: - Schaffung neuer Behörden mit neuen hoheitlichen Befugnissen, - Entstehung und Beendigung rechtsfähiger Verwaltungsträger, - Beleihung Privater mit hoheitlichen Aufgaben oder Befugnissen, - Verleihung des öffentlichen Status an Sozialgebilde, - Bildung weisungsfreier Organe mit Entscheidungsbefugnis innerhalb der Staatsverwaltung. 3. Bereich der Regierung Nach diesen Skizzierungen wende ich mich nunmehr dem Bereich der Regierung zu. In ihm sind die zuvor genannten aktuellen Fälle der Abschaffung eines eigenständigen Justizministeriums und der Errichtung eines Nationalen Ethikrates thematisch angesiedelt. Wie sieht es also aus mit dem parlamentarischen Organisationsvorbehalt im Bereich der Regierung? Welche Entscheidung kann hier nicht getroffen werden, ohne daß das Parlament die Regelung selbst trifft oder doch seine konstitutive Zustimmung erteilt? Die Antwort ist aus mehreren Gründen schwierig. Zum einen deswegen, weil es - zumindest für die hier in Rede stehenden Fälle, aber auch allgemein - an ausdrücklichen verfassungsrechtlichen Regelungen fehlt. Die Antwort kann also nur aus dem verfassungsrechtlichen Status und der Funktion der Staatsorgane geschlossen werden. Und insoweit tut sich die zweite Schwierigkeit auf. Denn die Regierung im funktionellen Sinne, verstanden 14 Vgl. Jürgen S. 106 ff.

2'

Staupe, Parlamentsvorbehalt

und Delegationsbefugnis,

1986,

Fritz Ossenbühl

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als Staatsleitung, steht nach übereinstimmender Auffassung Parlament und Regierung „zur gesamten Hand" zu. 1 5 Allerdings ist nun wieder die „Gesamthand-Formel" eine sehr ungenaue, ja im Grunde falsche und zu falschen Schlußfolgerungen führende Beschreibung eines Handlungsmodells, welches Meinhard Schröder in seiner jüngsten Kommentierung zu Art. 64 des Grundgesetzes als „bewegliches flexibles System" apostrophiert hat, welches vielfachen Gestaltungen Raum läßt. Wir stoßen nämlich bei der Frage des Zusammenwirkens von Parlament und Regierung im Bereich der Staatsleitung in einen Raum vor, in dem wir uns fragen müssen, ob sich dieser Raum überhaupt noch staatsrechtlich sinnvoll ausfüllen läßt, oder ob er letztlich der politischen Gestaltung überlassen bleiben muß. Ist es nicht vielleicht so, daß wir frei nach Anschütz sagen müssen: „Das Staatsrecht hört hier auf." Mir ist wohl bewußt, daß schon eine solche Frage aus dem Munde eines Verfassungsrechtlers als Verrat an der eigenen Zunft empfunden werden könnte. Trotzdem erhalte ich sie zunächst aufrecht. Und ich glaube mich dazu in gewisser Weise berechtigt und bestätigt durch die Art und Weise des Argumentierens, die man in diesem Bereich durchgehend antrifft. Die Diskussionen sind geprägt durch Großformeln und Großbegriffe wie „Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung", „Organisationsgewalt", „Wesentlichkeit", „Bedeutsamkeit", „Staatsleitung zur gesamten Hand", „Regierungsvorbehalt", die allesamt Problemlösungen durch Bilder vorspiegeln oder in ihrer Begriffsweite für nahezu jede Lösung Argumentationsraum eröffnen. 16 So ist es denn auch eine zu erwartende Konsequenz, daß den Rechtsanwendern, wie zuletzt dem Verfassungsgerichtshof für das Land NordrheinWestfalen, mangelnde Rationalität vorgeworfen wird. Was bedeutet aber mangelnde Rationalität anderes als Mangel an rationalen Entscheidungsmaßstäben und damit an rechtlicher Substanz? Beginnen wir also von vorn, nachdem, wie ich hoffe, ein hinreichendes Maß an Verwirrung und Skepsis verbreitet worden ist. Die Staatsleitung soll Parlament und Regierung „zur gesamten Hand" zustehen. Diese oft zitierte wohlfeile Formel kann selbstredend - und insoweit ist sie eigentlich falsch - nicht bedeuten, daß die Staatsleitung in jedem Akt eines übereinstimmenden Willens von Regierung und Parlament bedarf. „Zur gesamten Hand" kann nur heißen, daß Parlament und Regierung beide Staatsleitung betreiben, diese Aufgabe und Funktion also weder der Regierung noch dem Parlament allein zugewiesen ist, sondern von beiden gemeinsam ausgeübt wird. Wie aber die Aufteilung der Funktion „Staatsleitung" auf Regierung 15

Vgl. VVDStRL 16 Vgl. nissen des

Ernst Friesenhahn, Bericht: Parlament und Regierung im modernen Staat, 16 (1958), S. 9 ff. (33 ff.). Susanne Baer, Vermutungen zu Kernbereichen der Regierung und BefugParlamentes, Der Staat 2001, S. 525 ff.

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und Parlament im einzelnen aussehen soll, dazu gibt das Grundgesetz jedenfalls keine ausdrückliche Auskunft. Es sagt uns weder, ob Anzahl und Zuschnitt der Ministerien nur der Bundesregierung oder auch dem Parlament zur Disposition stehen, und es sagt uns auch nicht ausdrücklich, ob die Bundesregierung einen Nationalen Ethikrat einrichten darf. Als gemeinsame Entscheidungen von Regierung und Parlament sind beispielsweise die Entscheidung über den Auslandseinsatz der Bundeswehr und die Inthronisierung der Landesregierung aufgrund spezifischer Verfassungsregelung in Baden-Württemberg 17 zu nennen, wobei, was den Auslandseinsatz der Bundeswehr anbetrifft, der Mitentscheidungsakt des Parlamentes auf einer kühnen Verfassungsauslegung des Bundesverfassungsgerichts beruht 18 und überdies nichts mit einem Parlamentsvorbehalt zu tun hat, wenn man diesen Vorbehalt als Entscheidungsmonopol des Parlamentes versteht. Eine in gewisser Weise vergleichbare Konstellation findet man bei finanzwirksamen Organisationsmaßnahmen der Regierung, die sich nur durchführen lassen, wenn die hierzu erforderlichen Mittel im Haushalt durch das Parlament bewilligt werden müssen. In diesem Fall besteht zumindest eine indirekte Einflußmöglichkeit des Parlamentes auf die Organisationsmaßnahme. Von diesen eher exotischen Beispielen abgesehen besteht die Staatsleitung von Regierung und Parlament mehr oder weniger in einer konkurrierenden und kooperativen Funktionsteilung, die für das Gemeinwesen leitenden Entscheidungen zu treffen; jedes Organ handelt mit seinen rechtlichen Möglichkeiten und Mitteln, wobei sich schon dadurch gewisse Konturierungen der Funktionsteilung ergeben. Wie die Funktionsteilung im einzelnen aussieht, muß der verfassungsrechtlichen Stellung der konkurrierenden und kooperierenden Staatsorgane entnommen werden. Unbehelflich sind insoweit die für die Zuständigkeitsverteilung in den übrigen Organisationsbereichen maßgeblichen Gesetzesvorbehalte, also der rechtsstaatliche und der demokratische Gesetzesvorbehalt. Der rechtsstaatliche Gesetzesvorbehalt betrifft nur organisatorische Regelungen, die in die Rechtssphäre des Bürgers eingreifen, und deckt damit allenfalls einen Teil der Staatsleitung ab. Der demokratische Gesetzesvorbehalt, nach welchem auf die Wesentlichkeit und Bedeutsamkeit einer Entscheidung abgehoben wird, ist ebenfalls a limine als verfassungsrechtliches Orientierungskriterium ungeeignet, weil die Funktion der Staatsleitung ins17 Dazu Josef Isensee, Ministerentlassung und Ressortzuweisung unter Parlamentsvorbehalt? - Zum parlamentarischen Regierungssystem in Baden-Württemberg, in: FS für Hartmut Maurer, 2001. 18 BVerfGE 90, 286 ff.

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Fritz Ossenbühl

gesamt stets wesentliche Entscheidungen umfaßt. Wollte man deshalb, wie der Verfassungsgerichtshof für Nordrhein-Westfalen dies getan hat, die Wesentlichkeitstheorie in diesem Kontext zur Anwendung bringen, so würde dies eine prinzipielle Präponderanz des Parlamentes bei der Staatsleitung bedeuten, was mit dem Grundgesetz nicht in Einklang zu bringen wäre. Es gibt kein aus dem Demokratieprinzip ableitbares Monopol des Parlamentes für wesentliche Entscheidungen bei der Staatsleitung. Dies hat das Bundesverfassungsgericht schon im Raketenstationierungsurteil deutlich betont. 19 Deshalb kann mit der Wesentlichkeitstheorie im Bereich der Staatsleitung kein parlamentarischer Organisationsvorbehalt begründet werden. Wichtig erscheint mir insbesondere die Argumentationsstruktur zu sein, d.h. wie man gedanklich ansetzt, um im Wege der Verfassungsauslegung zu einem Ergebnis zu kommen. Insoweit wirkt die unmittelbare Anwendung der Wesentlichkeitstheorie gleichsam wie ein Totschlagargument, welches für die Regierung kaum noch Raum läßt. Anders würde sich die Perspektive darstellen, wenn man von den jeweiligen unbestrittenen Organisationsbereichen der Staatsorgane ausgeht: Jedes Staatsorgan hat in gewissem Umfange ein Selbstorganisationsrecht und schafft in seinem Bereich die organisatorischen Voraussetzungen, die es für notwendig hält, um die gestellten Sachaufgaben zu erfüllen, auch solche, die der Staatsleitung zugehören. Aus dieser Sicht ergeben sich auch für die Frage nach der Entscheidung über die Ressortbildung ganz andere Aspekte als sie der Verfassungsgerichtshof für Nordrhein-Westfalen vorgetragen hat. 2 0 Da das Grundgesetz im Gegensatz zu mehreren Landesverfassungen 21 - für die Festlegung von Zahl und Zuschnitt der Ressorts keine ausdrücklichen Zuständigkeiten des Parlamentes vorsieht, muß die Frage nach einem parlamentarischen Zugriffsrecht von dem verfassungsrechtlichen Status der jeweiligen Staatsorgane her erschlossen werden. Insoweit steht der Bundeskanzler, obgleich vom Parlament gewählt, als verfassungsrechtlich eigenständiges Staatsorgan neben dem Parlament, ausgestattet mit eigenen verfassungsrechtlichen Rechten. Zu diesen gehört nach Art. 64 Abs. 1 GG das sogenannte materielle Kabinettsbildungsrecht, d.h. die Befugnis, die Bundesminister auszu19

BVerfGE 68, 1 (108 ff.). VerfGH NW DVB1. 1999, S. 714 m. Anm. Joachim Wieland; = JZ 1999, S. 1109 m. Anm. Josef Isensee; ferner Ernst-Wolfgang Böckenförde, Organisationsgewalt und Gesetzesvorbehalt, NJW 1999, S. 1235; Kurt Rudolph, Justiz- und Innenministerium in Nordrhein-Westfalen - Die umstrittene Fusion, NJW 1998, S. 3094; Eberhard Menzel, Die Organisationsgewalt der Verfassungsrichter im Bereich der Regierung, NWVB1. 1999, S. 201; Ralf Brinktrine, Organisationsgewalt der Regierung und der Vorbehalt des Gesetzes, Jura 2000, S. 123; Winfried Erbguth, Die Ressortierung und der Gesetzesvorbehalt, NWVB1. 1999, S. 365. 21 Vgl. die Nachweise bei Meinhard Schröder, in: Hermann von Mangoldt/Friedrich Klein/Christian Starck, Grundgesetz, Kommentar, Bd. 2, 4. Aufl., 2000, Art. 64. 20

Grundlagen des parlamentarischen Organisationsvorbehaltes

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wählen. Diese Auswahl kann aber, wie Meinhard Schröder in seiner jüngsten Kommentierung zu Art. 64 GG betont, 22 nur dann sinnvoll vorgenommen werden, wenn sie im Zusammenhang geschieht mit der Festlegung von Zahl und Abgrenzung der Ressorts. Mit diesen Entscheidungen profiliert sich die Bundesregierung. Die Einrichtung neuer Ministerien oder die Veränderung der Ressorts kann zugleich Ausübung der dem Bundeskanzler gemäß Art. 65 GG zukommenden Richtlinienkompetenz sein. Die Zerteilung von Ministerauswahl einerseits und Ressortfestlegung andererseits sowie ihre Verteilung auf zwei unterschiedliche Staatsorgane würde nicht nur einen natürlichen Entscheidungszusammenhang zerstören, sondern auch die Eigenständigkeit der Bundesregierung als Staatsorgan in einer Weise beeinträchtigen, die ohne eine ausdrückliche verfassungsrechtliche Anordnung nicht vertretbar erscheint. Mit Recht bemerkt Meinhard Schröder deshalb, daß verfassungsrechtlich unbedenklich nur einzelne Kompetenzzuweisungen des Parlamentes zu bestimmten Ressorts sowie punktuelle Organisationsregelungen sind, aber ein grundsätzlicher Zugriff des Parlamentes auf die Ressortfestlegung verfassungsrechtlich nicht zulässig ist. Die Staatspraxis hat sich hieran stets gehalten und hat damit auch ein Indiz dafür geliefert, daß diese Auffassung der allgemeinen Rechtsüberzeugung entspricht. Was den Nationalen Ethikrat anbetrifft, wird man im Ausgangspunkt zunächst feststellen müssen, daß die Regierung nicht gehindert ist, sich mit sachverständigen oder pluralistisch zusammengesetzten Gremien zu umgeben. Es ist der Regierung ureigenste Aufgabe und auch Pflicht, fehlenden oder unzureichenden Sachverstand auszugleichen. Solange mit solchen Organisationsmaßnahmen keine Kompetenzen abgegeben werden oder in Kompetenzbereiche anderer Staatsorgane eingegriffen wird, ist verfassungsrechtlich kein Einwand zu erheben. Gegen den Nationalen Ethikrat ist vorgebracht worden, er sei neben der im Jahre 2000 eingerichteten Enquête-Kommission des Bundestages „Recht und Ethik der modernen Medizin" des Deutschen Bundestages überflüssig und lediglich ein „Erfüllungsgehilfe politischer Ziele des Kanzlers". 23 Das wird er in der Tat sein. Aber daraus ergibt sich kein Argument für die Verfassungswidrigkeit. Da die Einsetzung des Nationalen Ethikrates aber offenbar das Ziel hatte, der Bundesregierung durch sachverständige Stellungnah22 Vgl. die Nachweise bei Schröder (Fn. 21), Art. 64 Rn. 1; ferner Hartmut Maurer, Zur Organisationsgewalt im Bereich der Regierung, in: FS für Klaus Vogel, 2000, S. 331 (335 f.); Wolf-Rüdiger Schenke, in: Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Band 6, Art. 64 Rn. 64; Eberhard Schmidt-Aßmann, Verwaltungsorganisation zwischen parlamentarischer Steuerung und exekutivischer Organisationsgewalt, in: FS für Hans Peter Ipsen, 1977, S. 333 (347). 23 Hubert Hüppe, Brauchen wir einen nationalen Ethikrat?, Forschung und Lehre 2001, S. 643.

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men Handlungsalternativen offen zu halten und in der Tat von vornherein eine gewollte Konkurrenzlage zur Enquête-Kommission des Bundestages bestand, kann man fragen, ob dies mit dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Organtreue in Einklang zu bringen ist. Aber auch insoweit würde man allenfalls evidente Fallkonstellationen rügen können, die ich hier nicht als gegeben erachten kann. Zugleich wird damit aber deutlich, wie man den regelungsfeindlichen Bereich der Staatsleitung, also der Regierung im funktionellen Sinne mit einem Minimum an rechtlich kontrollierbarer Ordnung durchformen kann. Nicht mit dem Versuch, Kompetenzvorbehalte zwischen den Staatsorganen, die für die Staatsleitung zuständig sind, zu errichten. Vielmehr steht die Staatsleitung jedem zuständigen Staatsorgan, also Regierung und Parlament, offen, und beide können diese Aufgabe mit ihren Mitteln und Möglichkeiten anstreben und erfüllen. Keine Seite hat einen prinzipiellen Vorrang oder eine grundsätzliche Vorhand in der Aufgabenerfüllung. Wenn sie aber ein und dieselbe Aufgabe gleichzeitig angehen, sind sie zur Kooperation verpflichtet, was ohnehin durch die Struktur des parlamentarischen Systems institutionell weitgehend gewährleistet ist. Die verfassungsrechtlich faßbare Seite der Staatsleitung zur gesamten Hand betrifft, von speziellen Verfassungsregelungen abgesehen, nicht die Zuständigkeit des einen oder anderen Organs, sondern vielmehr nur die Art und Weise seiner Wahrnehmung. Verfassungsrechtlich relevant werden insoweit also Kooperationspflichten und Obliegenheiten der Verfassungsorgantreue, die aber ihrerseits nur an der Willkür- und Evidenzgrenze faßbar und kontrollierbar sind. Das übrige ist das Feld, auf dem sich das politische Wechselspiel des parlamentarischen Systems selbständig entfalten darf und muß.

„Starke Männer" oder „starke Frauen" an die Spitze der Universität? Zur Verfassungsmäßigkeit der „neuen Leitungsstrukturen" Von Wolfgang Löwer, Bonn I. 1. Mein Thema hat die notwendige Symposiumslegitimation: Meinhard Schröder hat das Hochschulrecht in seiner Habilitationsschrift 1 unter dem Eindruck der sich damals erst entwickelnden Gruppenuniversität in seine Betrachtung kollegialer Selbstverwaltungsstrukturen unter dem Signum des Parlamentsrechts einbezogen. Der Schrift lag u.a. die Frage zugrunde, ob sich Formprinzipien des Parlamentsrechts auch im Hochschulrecht normativ geltend machen.2 Das Stichwort von der „Demokratisierung der Universität" 3 entfaltete noch seine Wirkung. 2. a) Das Entscheidungssystem der Gruppenuniversität wurde damals vornehmlich unter dem Gesichtswinkel der Bedrohung grundrechtlicher Freiheit des einzelnen Wissenschaftlers betrachtet. 4 Es ging um die richtige Grenzlinie zwischen dem grundrechtlichen Abwehrrecht gegen Kollegialentscheidungen, die nicht mehr allein den Kollegen (aus Professorenperspektive) vorbehalten waren.

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Meinhard Schröder, Grundlagen und Anwendungsbereich des Parlamentsrechts. Zur Übertragbarkeit parlamentsrechtlicher Grundsätze auf Selbstverwaltungsorgane, insbesondere in der Kommunal- und Hochschulverwaltung, 1979. 2 Schröder (Fn. 1), S. 489 ff. 3 s. dazu: die Hinw. bei Schröder (Fn. 1), S. 44 m. Fn. 81 sowie allgemein zum Stichwort „Demokratisierung" gesellschaftlicher Lebensbereiche, S. 70 m. Fn. 10. 4 s. dazu Hochschulverband (Hrsg.), Bilanz einer Reform. Denkschrift zum 450-jährigen Bestehen der Philipps-Universität zu Marburg, 1977. Ich nenne für die substantiierte Kritik nach einem knappen Jahrzehnt Erfahrung die Beiträge von Hans Heinrich Rupp, Auswirkungen der Gruppenuniversität auf Forschung und Lehre, S. 211 ff.; Bernd Rüthers, Auf dem Weg zur Tendenzuniversität, S. 217 ff.; Michael Kloepfer, Über das Recht und die Rechtlosigkeit an den deutschen Hochschulen, S. 256 ff.; Ernst Heuß, Demokratisierung und Verfall der akademischen Selbstverwaltung, S. 267 ff.; Günter Püttner, Über Gremienpsychologie in der Reformhochschule, S. 276.

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I m Zeitpunkt der Niederschrift der Habilitationsschrift stand der Gruppenbesetzung universitärer Kollegialgremien die Bewährungsprobe der A r beit i n ruhigeren Bahnen, die nicht mehr von der 68er Bewegung gekennzeichnet waren, noch bevor. 5 Allerdings haben K r i t i k e r i m m e r befürchtet, daß die Universität m i t einer solchen Binnenorganisation der W i l l e n s b i l dung keine vernünftigen Entscheidungen i n vertretbarer Zeit hervorbringen würde.6 H i n z u k a m eine zweite E n t w i c k l u n g , die die Universitäten zu bewältigen hatten. Sie wuchsen mächtig i n die Breite, 7 w e i l ihnen politische Entscheidungen ein unerhörtes Wachstum beschert haben; das galt auch -

wenn

auch nicht proportional z u m Studentenzahlwachstum - für ihren Personalkörper. b) I n der jüngeren Vergangenheit haben sich also z w e i Entwicklungslinien getroffen, die sich für das Ansehen der Universitäten als verhängnisv o l l erweisen. Wachstum i n die Breite geht ein Stück weit i m m e r zu Lasten der Qualität. E i n Vergleich mag das Breitenwachstum auf der Hochschullehrerseite verdeutlichen: Das letzte Heft der Staatsrechtslehrervereinigung 5 Zur Gesamtentwicklung der Hochschulreform-Wellen s. Hartmut Schiedermair, Deutsches Hochschulwesen der Gegenwart - Eine Bestandsaufnahme, in: Christian Flämig, u.a. (Hrsg.), Handbuch des Wissenschaftsrechts, Bd. 1, 2. Aufl. 1996, S. 37 ff. 6 Das Problem hat Gerhard A. Ritter 1973 verallgemeinernd auf den Punkt gebracht. „Die vorgeschlagenen organisatorischen Änderungen müssen darauf hin geprüft werden, daß sie die Funktionsfähigkeit und Effektivität der betroffenen Institutionen nicht aufheben oder entscheidend beeinträchtigen, zumal sich dann die Gefahr erhöht, daß die Arbeitsfähigkeit der Organisation nur durch die Anwendung raffinierter Manipulationstechniken erhalten bleibt und die Demokratisierung zur „Kulisse" der Herrschaft einer gut organisierten, u.U. Methoden des Terrors anwendenden Minderheit wird". (Gerhard A. Ritter, Die Kontrolle staatlicher Macht, in: ders. (Hrsg.), Vom Wohlfahrtausschuß zum Wohlfahrtsstaat, 1973, S. 69 (109)). Ritter verweist auf Theodor Eschenburg. Dort findet sich gerade im Zusammenhang mit der Gruppenuniversität der Hinweis: „Bei den Ansprüchen auf institutionelle Steigerung und Ausweitung der politischen Selbst- und Mitbestimmungsrechte wird man die Frage stellen müssen - zumindest dürfen - wie die institutionellen Veränderungen funktionieren und welche Effektivität ungeachtet der Richtung sie haben können. Im Zusammenhang damit wird die Frage nach dem Aufwand an Kraft, Zeit und Geld nicht zu umgehen sein. Es handelt sich nicht darum, Vorwände zu suchen oder zu konstruieren, um Demokratisierung zu verhindern, sondern deren mögliche Folgen zu kalkulieren. Wenn man neue Institutionen schafft oder bestehende verändert, muß man deren Organisierbarkeit, Funktionsfähigkeit und Effektivität abwägen. Im Detail steckt der Teufel." (Theodor Eschenburg, Demokratisierung und politische Praxis (zuerst in: Aus Politik und Zeitgeschichte, Β 38/70), hier zitiert nach dem Wiederabdruck in: ders., Zur politischen Praxis der Bundesrepublik III: Kritische Betrachtungen 1965-1970, 1972, S. 234 (241)). 7 s. dazu die Darstellung von Schiedermair (Fn. 5), S. 39-48 und 58 ff.

„Starke Männer" oder „starke Frauen" an die Spitze der Universität?

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in der Weimarer Republik 8 reportiert 93 Namen, gegenwärtig dürfte die Vereinigung sich der Zahl 550 nähern. Ein so gewaltig wachsendes System hält allenthalben elitäre Qualitätsansprüche nur schwer durch. (Nebenbei: Diese Aussage ist noch für den Habilitationszeitpunkt unseres personalen Symposiumsgegenstandes - das Wort Jubilar will mir partout nicht über die Lippen - deutlich zu differenzieren: Der Privatdozent Meinhard Schröder war im Mitgliederverzeichnis 9 die Nr. 229 von 281! Die Staatsrechtslehrervereinigung hat folglich ihre Größe binnen einer Generation verdoppelt.) c) Das Breitenwachstum gilt erst recht für die - wie man heute gerne und unrichtig sagt - Kundenseite: Die Studienberechtigung für ein qualitativ von bestimmten Standards definiertes akademisches Studium 40 Prozent eines Schülerjahrganges zuzusprechen, hat das Abitur, das den verwaltungsrechtlichen Ausspruch der Hochschulreife enthält, 10 in einem nicht präzise ermittelbaren Ausmaß zur schriftlichen Lüge werden lassen. Die Universitäten hätten für diese Erkenntnis die PISA-Studie nicht benötigt. 11 Der durch den numerus clausus bewirkte Notendruck hat zudem die differenzierende Aussagekraft des Abiturs substantiell geschwächt. Für die universitären Abschlüsse bleibt das nicht ohne Folgen. Für die Absolventen gilt, daß die überdurchschnittlich Abschneidenden zwar immer noch gut ausgebildet sind, was sich übrigens darin zeigt, daß sie sich international problemlos im Wettbewerb behaupten; im oberen Segment der in den Noten differenzierenden Abschlüsse geben die Qualitätsansprüche in meinem Fach wohl auch nicht nach, wohl aber im unteren Segment. Als Vorsitzender bei zwei Justizprüfungsämtern gehöre ich insoweit zur Täterseite; ich weiß, wovon ich rede. Die Note „ausreichend" ist in manchem Fall bedenklich dicht an einer Verbrauchertäuschung, wenn man sich den Kandidaten auf dem Rechtsberatungsmarkt vorstellt. 3. Diesem schwierigen Befund entspricht die verbreitete Wahrnehmung der Universität. Sie sei „im Kern verrottet" 12 ist nur der prägnanteste Ausdruck für eine vor allem in Kreisen der Politik verbreitete Grundauffassung, die das im einzelnen Fall Kritikwürdige gerne verallgemeinert.

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s. VVDStRL 7 (1932), S. 206 ff. - Mitgliederverzeichnis. s. VVDStRL 36 (1978). 10 s. dazu Wolfgang Löwer, Aktuelle Probleme einer Neuregelung des Hochschulzugangs, in: Michael Winkler (Hrsg.), FS für Ernst-Joachim Meusel, 1997, S. 175 (176-183). 11 s. nur die Hinweise bei Schiedermair, S. 5, (65 ff.). 12 Als Frage formuliert von Peter Glotz, Im Kern verrottet? Fünf vor zwölf an Deutschlands Universitäten, 1996. Der Verf. muß die Frage dann für sich doch offenbar bejaht haben. Hätte er sonst dem traulichen Erfurt so rasch den Rücken gekehrt und sich St. Gallen zugewendet? 9

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- An dieser Stelle will ich noch eine persönliche Bemerkung einschieben. Als ich bei der Niederschrift des Vortrages an dieser Stelle war, fiel mir die Frage ein, was ich Meinhard Schröder eigentlich zur Feier des Tages - außer meinen unmaßgeblichen Reflektionen - mitbringen würde. Daß es vom Bibliomanen zum Bibliophilen nur ein Buch sein würde, war klar. Wenn ich den Vortragsgegenstand mit dem Buch verbinden wollte, kam im Blick auf die Universitäten zum Beispiel Henry Thackeray, Der Jahrmarkt der Eitelkeiten, in Betracht, im Hinblick darauf, daß der Gegenstand „Universität" angeblich „verrottet" ist, aber auch Victor Hugos Les Misérables. Ich komme auf das Ergebnis meiner Auswahl noch zurück. Die Kritik nimmt weithin jene Fakultät, die heute am wenigsten auf bestimmte Berufe hin ausbildet - die Philosophische - mit ihren gerade daraus resultierenden Schwierigkeiten der Studienorganisation für die ganze Universität und verlangt der Einfachheit halber mehr „Praxisorientierung" zu bestimmten Berufen hin. Dabei übersieht diese Kritik souverän, daß die Universität anderes nie getan hat, als Juristen, Mediziner, Theologen, Chemiker, Wirtschaftswissenschaftler (seit jüngerer Zeit) usw. auszubilden auf ihren Beruf hin; es war immer die Aufgabe der Universitäten, das Personal für die sogenannten akademischen Berufe bereitzustellen, 13 indem sie die Absolventen durch Wissenschaft auf ihren Beruf hin ausgebildet haben, aber nicht zur Wissenschaft als Beruf. Mag manche Kritik deshalb auch schwer verständlich sein, so wird man doch nicht leugnen können, daß es Fehlentwicklungen gibt, die unstrittig sein dürften: Dazu gehört sicher die Erkenntnis, - daß die Universität für ihre Entscheidungen einen (zu) hohen Zeitbedarf hat, - daß sie sehr häufig suboptimale Entscheidungen trifft, weil sie auf Kompromisse gegründet sind, - daß sie Schwierigkeiten hat, ihre eigenen Schwachstellen zu erkennen (Stichwort: Evaluation), - daß sie gegen personales Fehlverhalten bei amtsbezogenem Verhalten unter dem (insoweit verfehlten) Signum hochgehaltener grundrechtlicher Freiheiten nichts tut, 1 4 13 Glotz zitiert (Fn. 12, S. 67) den preußischen Kultusminister Carl Heinrich Becker für das Jahr 1919: „Die Hochschule ist eben auch, und zwar in erster Linie Schule." 14 Typisches Beispiel: Ein Hochschullehrer ist fleißig - bei Vorträgen hier und dort, nur nicht im Hörsaal. In der Terminkollision von Vorlesungspflicht und Vortragsangebot entscheidet er sich für das letztere. Die Universität reklamiert den Vor-

„Starke Männer" oder „starke Frauen" an die Spitze der Universität? - daß sie intern hochgradig bürokratisiert

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ist (was allerdings auch eine

schiere Funktion ihrer Größe ist) und extern hochgradig reguliert ist (was kein unabweisbares Schicksal sein m ü ß t e ) , 1 5 - daß sie die Exzellenz nicht proportional zu ihrem Breitenwachstum hat steigern k ö n n e n . 1 6 D i e Liste ließe sich gewiß fortsetzen. D i e unrichtig und auch richtig angenommenen Schwächen sind für die Politik (Ministerialbürokratie und Parlamente) jedenfalls Grund genug zu demonstrieren, daß eine Konstante universitärer Existenz wahr ist: universitas semper reformanda. 1 7 II. 1. Lassen Sie m i c h nun eine einzelne A n t w o r t dieser Reformmaßnahme vornehmlich m i t dem Maßstab konfrontieren, der „an sich" den Gesetzgeber bindet - gemeint ist der Vorrang der Verfassung - , der i n dem Diskurs u m die richtige Lösung allerdings ersichtlich i n der jüngsten Vergangenheit i m Reformprozeß - und das gilt nicht nur für das Hochschulrecht faktisch an Bedeutung verloren hat. Das liegt daran, daß sich offenbar ein neues supra-konstitutionelles Prinzip etabliert hat: Das Denken v o m Effizie n z p r i n z i p 1 8 her, das Z i e l und Maßstab ist und dem rechtliche Prinzipien, die dazu eher quer stehen, zu weichen haben.

rang der universitären Lehre. Unter Berufung auf Art. 5 Abs. 3 GG wehrt sich der Professor. Das Verwaltungsgericht meint, ohne gesetzliche Grundlage könne der Hochschullehrer nicht dazu gezwungen werden, Studenten vorzutragen, solange er in der fraglichen Zeit dem Beruf der Wissenschaft durch Vorträge nachgeht. Er entscheidet danach über Terminkollisionen offenbar autonom und willkürlich (s. V G Gelsenkirchen, v. 9. August 1996 - 1 Κ 7342/94; OVG Münster, v. 3. Februar 1998 - 6 A 4879/96). Das ist natürlich ein Spiel über die Bande zwischen Verwaltungsgericht und Exekutive: Die Folge des Urteils - beanstandet wurde die fehlende normative Regelung - ist eine Lehrverpflichtungsverordnung, die zu Anwesenheitstagen usw. zwingt. Dabei ist die Grundauffassung des Gerichts substantiell falsch: Selbstverständlich stehen die amtsmäßigen Bindungen der Idee entgegen, es dürften Terminkollisionen zwischen Vorlesungslast und Vortragschance zugunsten der letzteren aufgelöst werden. 15 Das zeigt das Beispiel global zugewiesener Haushaltsmittel, die die Arbeit in der täglichen Praxis der Mittelverwaltung durchgreifend vereinfachen. 16 Der Vorwurf mangelnder Effizienz der Hochschulforschung ist allerdings auch nicht neu; er begleitete sie auch schon vor mehr als 20 Jahren: s. Christian Flämig, Effizienzkontrolle der Hochschulforschung?, in: Hochschulverband (Hrsg.) (Fn. 4), S. 311 ff. Die damalige Sachbehandlung aus dem Jahre 1977 weist übrigens schon den gesamten Argumentationshaushalt der Argumente auf, die für die Problematik einer Effizienzkontrolle der Forschung auch heute ausgetauscht werden. 17 s. dazu die faktenreiche Übersicht bei Schiedermair (Fn. 5).

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Wolfgang Löwer 2. I n diesem Sinne w i l l ich die sog. „neuen L e i t u n g s s t r u k t u r e n " 1 9

mit

dem Vorrang der Verfassung konfrontieren. 2 0 a) D i e strikte und konsequente Version hat Nordrhein-Westfalen 2 1 - ganz ähnlich auch B r a n d e n b u r g 2 2 - eingeführt. Der Senat ist nur noch Kreationsorgan für den Rektor und Co-Kreator für die Prorektoren, Satzungsgeber, in der Gestalt des Erweiterten Senats auch Grundordnungsgeber und Kontrolleur des Rektorats, ansonsten aber bloßes Konsiliargremium des Rektorats. 2 3 A u c h eine Präsidialverfassung ist möglich, sie unterscheidet sich von der Rektoratsverfassung dadurch, daß der (regelmäßig von außen) gewählte 18 „Effizienz als Rechtsprinzip" hat Walter Leisner 1971 eine Studie gewidmet (Recht und Staat, Heft 402/403; Wiederabdruck, in: Josef Isensee (Hrsg.), Walter Leisner, Staat. Schriften zu Staatslehre und Staatsrecht, 1957-1971, 1994, S. 53 ff.). 19 Dazu gehört gewiß auch der Hochschulrat, der als variantenreiche Einrichtung in die Hochschulgesetze der Länder eingefügt worden ist, der aber hier nicht mitbehandelt wird. Vgl. dazu Bernhard Kempen, Bayerische Hochschulräte, BayVBl. 1999, S. 454; Dierk Fittchen, Wider die Einführung von Hochschulräten, Wissenschaftsrecht, Band 30, 1997, S. 325 ff., Volker Schulz/Wilfried Kürschner, Der Hochschulrat an der Hochschule in Vechta, FuL 1997, S. 289; Theodor Berchem, Fremdkörper Hochschulrat, FuL 1998, S. 129; Hartmut Krüger, Der Hochschulrat aus verfassungsrechtlicher Sicht, FuL 1997, S. 287; Udo Fink, Der Hochschulrat in Vechta, in: Wissenschaftsrecht im Umbruch, GS für Hartmut Krüger, Peter Hanau, Dieter Leuze/Wolfgang Löwer, Hartmut Schiedermair (Hrsg.), 2001, S. 111 ff.; einen Überblick über die Vielfalt der Rätemodelle gibt Jürgen Schlegel, Hochschulräte - Diktatur der Funktionäre und Verbesserung der strategischen Planungskompetenz der Hochschule?, in: Brücken bauen und begehen, FS für Knut Ipsen, Volker Epping/Horst Fischer/Wolff Hentschel, von Heinegg, (Hrsg.), 2000, S. 507 (509516). 20 Einen Gesamtüberblick über die Reform durch das HG NRW 2000 (GVB1. 2000, S. 190) geben Wolfgang Lieb (als Staatssekretär im zuständigen Ressort für das Gesetz (mit-federführend) und Joachim Goebel, Autonomie und Verantwortung staatlicher Hochschulen: Gedanken zum neuen nordrhein-westfälischen Hochschulgesetz, in: Wissenschaftsrecht im Umbruch (Fn. 19), S. 205 ff. 21 s. das vorzitierte HG NRW 2000; die Materialen sind greifbar in: Ministerium für Schule und Weiterbildung, Wissenschaft und Forschung des Landes NordrheinWestfalen (Hrsg.), Gesetz über die Hochschulen des Landes Nordrhein-Westfalen (Hochschulgesetz-HG) mit Begründungen, 2000. 22 s. das Brandenburgische Hochschulgesetz, v. 20. Mai 1999 (GVB1. 1999, S. 130); über das Gesetz s. den Bericht von Peter Stahl, das neue Brandenburgische Hochschulgesetz vom 20. Mai 1999, in: FS für Knut Ipsen, (Fn. 19), S. 531 ff.; gegen das Gesetz ist Verfassungsbeschwerde zum Bundesverfassungsgericht erhoben. In Brandenburg kommt - das nordrhein-westfälische Modell gleichsam übertreffend - noch hinzu, daß das Land sich erheblichen Einfluß auf die Bestellung des Rektors vorbehalten hat. S. §§ 65, 66: Präsidentenverfassung mit der Option in der Hand des Präsidenten, ein Präsidialkollegium bilden zu können; der Präsident kann in keinem Fall überstimmt werden. Das Vorschlagsrecht für die Person des Präsidenten hat der Landeshochschulrat; der Senat kann nur eine diesem genehme Person wählen. 23 s. die ausführliche Beschreibung bei Lieb/Goebel (Fn. 20), S. 218-221.

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Präsident im Rektorat nicht überstimmt werden kann. Soweit Entscheidungen nicht der Rechtssatzform bedürfen, ist also das Rektorat unentziehbar allzuständig. Als sanktioniertes Kontrollmittel steht nur die Abwahl des Rektors im Wege eines konstruktiven Mißtrauensvotums zur Verfügung. Die Fachbereichsebene ist sozusagen analog konstruiert. 24 b) Im zunächst rechtspolitischen Blick ist offenkundig: Die Fülle der Entscheidungsgewalt ist aus der Problematik der Gruppenuniversität herausgenommen. Der breite, aufwendige und kleinmütige Entscheidungsweg gruppenparitätisch beschickter Entscheidungsgremien (Senat, Fakultäts- oder Fachbereichsrat) ist verlassen. 25 Es werden jetzt typische Westerwelle-Sätze möglich, und das ist auch intendiert: Zukünftige Rektoren werden mit der Kraft entsprechender gesetzlicher Legitimation sagen: „Während andere reden, habe ich gehandelt". Die auch sonst beobachtbare aktuelle Verlagerung der Entscheidungsverantwortung auf allenfalls kollegial aufgelockerte monokratische Spitzen wird hier rechtlich etabliert. Das entspricht von der rechtlichen Konstruktion her der im politischen Raum - auch in der politischen Rhetorik - wachsenden Bereitschaft, als Legitimation das Amt in Verbindung mit der eigenen Subjektivität („ich") in Anspruch zu nehmen, während in der gewachsenen Kultur der Amtlichkeit das Subjekt hinter dem Amt zurücktritt und die Legitimation (nur) im Amt sucht. 26 Für die Universität steckt darin ein historischer Kulturbruch bezüglich ihrer inneren Verfassung. 27 Sie ist immer durch die auch von Meinhard Schröder herausgearbeiteten Formprinzipien der Amtlichkeit und der Kollegialität 2 8 in republikanischer Gleichheit der Amtsinhaber und Fakultäten bestimmt gewesen. Die Sachentscheidungen werden - soweit sie nicht von allen Kollegen getroffen werden - von einer Repräsentativkörperschaft hervorgebracht; sie ist zugleich eine bündische Vertretung der Fakultäten, die durch ihren Senatsvertreter die Geschicke der Universität regeln. Die Gruppenuniversität hatte in dieses Entscheidungssystem durchaus plausiblerweise die Studenten einbezogen, weil sie - wie die Professoren - das personelle Substrat der Körperschaften ausmachen. Die Gruppenrepräsentation 24

Einzelheiten bei Lieb/Goebel (Fn. 20), S. 221 f. Zu den Gründen s. nochmals zusammenfassend Lieb/Goebel (Fn. 20), S. 218. 26 Zum Amt als Legitimationsgrundlage s. Schröder (Fn. 1), S. 142 ff., 280 ff., speziell im Hochschulrecht, S. 489 ff. 27 Zur historisch gewachsenen Binnenstruktur der Hochschule s. Gerd Roellecke, Geschichte des deutschen Hochschulwesens, in: Handbuch des Wissenschaftsrechts (Fn. 5), S. 3 (15 f.); s. auch BVerfGE 35, 79 (116-118) mit einigen historischen Reflektionen zum Traditionsbestand der Selbstverwaltung. 28 Zur Kollegialität als Formprinzip des Hochschulrechts s. Schröder (Fn. 1), S. 462 ff. und grundlegend zur Kollegialität als Rechtsprinzip S. 157 ff. sowie zuletzt Thomas Gross, Das Kollegialprinzip in der Verwaltungsorganisation, 1999, S. 217 ff. für die Hochschulen. 25

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wissenschaftlicher Mitarbeiter ist schon weniger zwingend, die der nichtwissenschaftlichen Mitarbeiter ist sehr viel schwerer erklärlich 29 ; das mag hier auf sich beruhen. Der Rektor wird von Repräsentativkörperschaften gewählt; er sitzt ihr vor - mit oder ohne Stimmrecht (die gesetzliche Ausgestaltung ist hier in der jüngeren Vergangenheit unterschiedlich gewesen). Er repräsentiert 30 die Universität im ursprünglichen Sinne der „Vergegenwärtigung", und er vertritt sie im organschaftlichen Sinne. Der neue Rektor bündelt alles in sich: Er entscheidet, er vertritt organschaftlich, und er repräsentiert. Allein sein Wort verpflichtet - rechtlich und politisch - die Universität. c) Die Frage ist also, ob ein solcher Kulturbruch in der Binnenorganisation der Universität dem Vorrang der Verfassung genügt. Dabei beginne ich mit den Landesverfassungen, weil diese - zum Beispiel in Nordrhein-Westfalen und in Rheinland-Pfalz - zur Organisationsweise der Universitäten an das eben berichtete historisch gewachsene Modell anknüpfend eine normative Aussage treffen (die im Übrigen auch das Bundesrahmenrecht aufnimmt): Sie haben das Recht der Selbstverwaltung. 31 Die nordrheinwestfälische Landesverfassung drückt sich sogar besonders präzise (und sprachlich gelungen) aus: Sie haben ein ihrem besonderen Charakter entsprechendes Recht zur Selbstverwaltung (Art. 16 LV); Baden-Württemberg hat die Formulierung übernommen. Rheinland-Pfalz denkt im Verfassungstext auch an die Studenten. 32 29 Die nichtwissenschaftlichen Mitarbeiter (in der Universitätsverfassung in Bonn heißen sie jetzt - viel besser - „Mitarbeiter aus Technik und Verwaltung") sind nicht durch das funktionale Band der Wissenschaftsfreiheit mit der Universität verbunden. Ihre Mitwirkung ist im Ergebnis eigentlich „Mitbestimmung im öffentlichen Dienst", so daß dem an sich die Sperrwirkung des Demokratieprinzips entgegenstehen müßte. (S. aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zuletzt BVerfGE 93, 37 (70 ff.) - Schl.-H. MitbestG). Da das Bundesverfassungsgericht aber (ohne nähere rechtliche Reflektion) die nichtwissenschaftlichen Mitarbeiter als Gruppe akzeptiert hat (BVerfGE 35, 79 (124 ff.)), ist die Grundfrage nicht thematisiert worden. Sachlich liegt in der Beteiligung dieser Gruppe auch gewiß kein Problem sondern ein nützlicher Aspekt. Nur für letzteres hatte sich das Bundesverfassungsgericht im Urteil zum niedersächsischen Vorschaltgesetz interessiert. Aber das möglicherweise Vernünftige ist nicht schon Kraft der Vernunft auch schon verfassungsmäßig (so wenig übrigens Unsinn schon per se verfassungswidrig ist). 30 Zur „Repräsentation" in ihrem vielgestaltigen Sinn, s. Schröder (Fn. 1), S. 103 ff., 273 ff. und 485 ff. zum Hochschulrecht. 31 Art. 16 L V NRW; Art. 39 Rh.Pf.; Art. 20 Abs. 2 BW; Art. 31 Abs. 2 VerfLSA; Art. 60 Abs. 1 Satz 2 HV; Art. 32 Abs. 1 BbgVerf; Art. 107 Abs. 2 Satz 1 SächsVerf; Art. 33 Abs. 2 Satz 1 SaarlVerf; Art. 28 Abs. 1 VerfThür; Art. 5 Abs. 3 NdsVerf; Art. 7 Abs. 3 Satz 2 Verf. M - V ; Art. 138 Abs. 2 Satz 1 BayVerf; viel behandelt ist die Selbstverwaltungsgarantie der Hochschulen bislang nicht; s. aber Jörg Detlef Kühne, Die Landesverfassungsgarantien hochschulischer Selbstverwaltung - ein unentfaltetes Autonomiepotential, DÖV 1997, S. 1.

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D i e Gesetzgeber, die die Direktionskraft der Verfassungsnormen übrigens gar nicht thematisieren, 3 3 stehen ganz offenbar auf dem Standpunkt, daß das Selbstverwaltungsrecht der Universitäten gewahrt ist, so lange diese die eigenen Angelegenheiten autonom regeln k ö n n e n . 3 4 Sie haben sogar das Ziel, diesen Raum autonomer Regelungsbefugnis zu erweitern. Das ist aber nicht die hier interessierende Frage. Es geht darum, ob aus der Selbstverwaltungsgarantie auch Direktiven für die Organisation der W i l l e n s b i l d u n g i m Binnenraum der Universität abzuleiten s i n d . 3 5 Dafür sprechen die folgenden sechs Überlegungen: (1) Universitäten sind bekanntlich duale Gebilde: Sie sind Anstalt und Körperschaft. 3 6 D i e finanzielle und personalrechtliche Seite ist staatliche Angelegenheit; sie unterliegt uneingeschränkt dem Prinzip demokratischer, also parlamentarischer Legitimation. Gerade diese A r t der L e g i t i m a t i o n trägt für die körperschaftliche Seite n i c h t : 3 7 Sie ist ministerialfrei, w e i l der eigenartige Typus einer i n der H ü l l e der A m t l i c h k e i t steckenden Grund32 Art. 39 Abs. 2 L V Rh.-Pf.; außerdem Art. 138 I I 2 BayVerf; Art. 60 HessV.; Art. 33 Abs. 2 Satz 3 SaarlVerf.; Art. 107 Abs. 2 Satz 2 SächsVerf.; Art. 32 Abs. 2 BbgVerf. (auch für die Beschäftigten); Art. 28 Abs. 2 VerfThür.: alle Mitglieder. 33 s. etwa die Gesetzesbegründung zum nordrhein-westfälischen Gesetz (Fn. 21), S. 94 ff. Die einschlägigen Verfassungsnormen geraten wenigstens in den Blick bei Lieb/Goebel (Fn. 20), S. 207, ohne indes den Versuch zu unternehmen, die organisatorische Vorgabe etwa des SelbstverwaltungsVersprechens zu ermitteln. 34 Insofern ist der Prüfungsansatz der Arbeit von Oliver Κ Hahnelt, Die Novellierung des hessischen Hochschulgesetzes und ihre Auswirkungen auf die Autonomie der Hochschulen. Eine Analyse der Hochschulreform 2000, S. 202, verkürzt; sie fragt nur nach dem Autonomiegewinn oder -verlust im Verhältnis zum Staat. Das schöpft aber das Versprechen der Selbstverwaltung als Organisationsmodus nicht aus. 35 s. dazu bereits Wolfgang Löwer, in: ders/Peter J. Tettinger (Hrsg.), Landesverfassung NRW, Kommentar, 2002, Art. 16 Rn. 31 ff. 36 Zur dualen Konstruktion s. z.B. Thomas Oppermann, Selbstverwaltung und staatliche Verwaltung, in: Handbuch des Wissenschaftsrecht (Fn. 5), S. 109 ff. 37 Sie ist vom Legitimationszusammenhang des Demokratieprinzips deshalb gelöst, weil an die Stelle der Rückbindung an den Volkswillen - personal und sachlich - eine durch Sachgründe gerechtfertigte autonome Legitimation tritt (so Thomas Emde, Die demokratische Legitimation der funktionalen Selbstverwaltung, 1991, S. 363 ff.) oder eine kollektive personelle Legitimation (in dieser Richtung Winfried Kluth, Funktionale Selbstverwaltung, 1997, S. 374 ff.). Die Begründung über eine Substituierung der demokratischen Legitimation durch autonome Legitimation setzt sich zunehmend durch: s. etwa Karl Peter Sommermann, in: Hermann von Mangoldt/FriedrichKlein/Christian Starck, Grundgesetz, Kommentar, Bd. 2, 4. Aufl. 2000, Art. 20 Abs. 2 Rn. 166; Friedrich Schnapp, in: Ingo von Münch/Philip Kunig (Hrsg.), Grundgesetz, Kommentar, Bd. 2, 5. Aufl. 2001, Art. 20 Rn. 21 f.; Eberhard Schmidt-Aßmann, Das allgemeine Verwaltungsrecht als Ordnungsidee, 1998, Tz. 2/ 90 f. (S. 87 ff.); es gilt dies jedenfalls für den Sektor grundrechtsgebotener Staatsferne der - gleichwohl - staatlichen Einrichtung. 3 FS Schröder

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rechtssubstanz funktionsgerecht verfaßt werden muß. Die Verfassung weiß um den strukturellen Eignungsmangel des dem demokratischen Entscheidungssystem adäquaten hierarchischen Prinzips, 38 wenn es inhaltlich um Fragen der Forschung und Lehre geht. Wenn diese Fragen zugleich solche eines hoheitlichen Amtes sind, ist die adäquate Organisation für die Staatsaufgabe „Veranstaltung universitärer Forschung und Lehre" die Verlagerung der Entscheidungsmacht auf die grundrechtlich legitimierten Amtsinhaber. Ihnen gilt das Vertrauen der Verfassung dafür, daß sie die inhaltlichen Entscheidungen unter Rechtsaufsicht des Staates funktionsgerecht treffen werden. 39 „Selbstverwaltung" ist gerade bei den Universitäten die Anknüpfung an eine bestimmte binnenorganisatorische Verwaltensweise: Wegen ihrer ebenfalls notwendig bündischen Binnenstruktur können die zentralen wissenschaftsrelevanten Entscheidungen, die die Universität als solche betreffen, nur von einer Repräsentativkörperschaft getroffen werden. Aus dem Selbstverwaltungsprinzip heraus sind die Freiheitsbegrenzungen legitimierbar, die der einzelne Wissenschaftler oder die Wissenschaftlergemeinschaft einer Fakultät im Interesse des Abgleichs der Partikularinteressen mit dem Wohl der gesamten Universität hinnehmen muß. Diese Sicht ist einem Selbstverwaltungsprinzip, das dem Charakter der Universität entspricht, geschuldet. (2) Die Überlegung gilt auch für die Fakultätsebene, wie wohl schon hier die Idee repräsentativen Entscheidens an Plausibilität verliert. Der Tradition - aber nicht der Gruppenuniversität - entspricht hier die Selbstverwaltung durch die Betroffenen unmittelbar. Die Entscheidungen müssen erst bei den Erweiterungen um nach bestimmten Schlüsseln zu beteiligenden Gruppen wegen der dann entstehenden zu großen Entscheidungseinheiten auf eine Repräsentativkörperschaft übertragen werden. (3) Dieses Grundmodell binnenorganisatorischer Selbstverwaltung steht allerdings unter einem gesetzlichen Ausgestaltungsvorbehalt; es ist nicht etwa in bestimmter Form pro futuro einbetoniert. Ein sich des Konflikts bewußter Gesetzgeber würde gewiß argumentieren, er gestalte die Selbstverwaltung doch nur in zulässiger Weise aus: Schließlich sei der Rektor oder Präsident jemand, der von der Repräsentativkörperschaft gewählt sei. 40 Es liege an dieser, einen gestandenen Wissen-

38 Zur Entsprechung von Demokratieprinzip und Hierarchie s. etwa Schnapp (Fn. 37), Rn. 20; Gabriele Britz, Die Mitwirkung Privater an der Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben durch Einrichtungen des öffentlichen Rechts, VerwArch 91 (2000), S. 418 (422); Schmidt-,Aßmann (Fn. 37), Tz. 2/82; aus der Judikatur des Bundesverfassungsgerichts: E 83, 60 (71); 93, 37 (66). 39 Für die Universitäten zum Beispiel Schmidt-Aßmann (Fn. 37), Tz. 2/92; Horst Dreier, Hierarchische Verwaltung im demokratischen Staat, 1991, S. 236 f.

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schaftler und Wissenschaftsmanager zu wählen. Außerdem kontrolliere sie die Amtsführung des Rektorats oder Präsidiums und nehme auch die Legislativfunktion wahr. Wenn man die einzelnen Argumente durchmustert, tragen sie nicht: Die Satzungsgebung erfaßt nicht die wissenschaftlich schwergewichtigen Entscheidungen für die Gesamtuniversität. Die Eröffnung und Schließung von Fakultäten, die Eröffnung und Schließung von Studiengängen, Mittelzuweisungen und Universitätsentwicklungspläne sind sämtlich nicht normative Entscheidungen, die im Übrigen alle letztverbindlich beim Rektorat ressortieren. Der Senat kann eine Studienordnung für einen Studiengang beschließen, der morgen vom Rektorat „dicht gemacht" wird. Bleibt die Frage, ob sich die Selbstverwaltung nicht auch in der Kontrolle der Entscheidungsorgane hinreichend manifestieren könnte. Das kommt ganz darauf an, wie solche Kontrolle ausgestaltet ist. Im nordrheinwestfälischen Recht nimmt der Senat den jährlichen Rechenschaftsbericht des Rektorats entgegen.41 Er hat gewiß dabei auch eine Kritikfunktion, ihm steht auch die Drohung mit der Verweigerung der Wiederwahl zu Gebote (was beim über 60-jährigen Rektor aber nichts bewirkt; der 61-jährige Rektor müßte eigentlich der ministerielle Traumkandidat sein: Er ist völlig unabhängig, man kann auch sagen rücksichts-los!). Das einzige sanktionierende Kontrollmittel ist das konstruktive Mißtrauensvotum. Also wohlgemerkt: uno actu muß sich der Senat mit 2/3 Mehrheit einig sein in dem Willen, den Amtsinhaber loswerden zu wollen, und er muß sich „zugleich" auf einen neuen Rektor einigen. Das ist angesichts des Quorums, das die Abwahl allein durch die Gruppe der Professoren verhindert und mehrere Gruppen unter Einigungszwang stellt, und dem Zwang, sich auf einen neuen Rektor zu einigen, faktisch praktisch unmöglich. 42 Neuerdings reicht schließlich in parteipolitisch besetzten Repräsentativkörperschaften ja nicht einmal mehr die Verurteilung wegen Untreue zu Lasten der vertretenen juristischen Person, um einen Amtsverzicht zu erzwingen. 43 Effektive Kontroll40

Für das brandenburgische Modell der Präsidentenverfassung gilt nicht einmal das; s. oben Fn. 22. 41 Der Senat hat noch das bemerkenswerte Recht zum Rechenschaftsbericht des Senats „Stellung zu nehmen" (§ 22 Abs. 1 Nr. 3 HG NRW). Für Hochschulentwicklungsplan und Mittelverteilung bedarf es noch des „Benehmens" mit dem Senat (§§ 20 Abs. 1 und 103 Abs. 3 HG NRW). Benehmen heißt: Miteinander reden im Stande der Ungleichheit, weil die Letztverantwortung beim Rektorat liegt. 42 Wie man bei diesem Befund zu dem Ergebnis kommen kann, es gäbe eine „durchaus schlagkräftige Kontrolle der Hochschulleitung" durch den Senat (so Liebt Goebel Fn. 20, S. 220), ist nicht recht verständlich. Mangels effektiver Drohung mit dem Amtsverlust sind auch alle anderen Kontrollmittel völlig „zahnlos". 43 s. die causa des Saarbrücker Oberbürgermeisters Hajo Hoffmann, der unter Untreue-Verdacht sein Amt als Präsident des Deutschen Städtetages und als Ober3'

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mittel - vor allem solche begleitender Kontrolle wie aufschiebende und hindernde Veto-Rechte (die übrigens dem Rektor in Verhältnis zum Senat zustehen) 4 4 - fehlen vollständig. Das g i l t auch gegenüber den Prorektoren: Gegen den W i l l e n des Rektors sind diese überhaupt nicht aus dem A m t zu entfernen, w e i l der Rektor an der Neubestellung eines zu ersetzenden Prorektors m i t w i r k e n m ü ß t e . 4 5 Es gibt übrigens für die Unterstellung der A b w a h l unter die Bedingung des konstruktiven Mißtrauensvotums überhaupt kein rechtfertigendes Argument. Selbstverständlich hat der Rektor einen ständigen Vertreter. Dieser Prorektor würde das Rektoramt bis zu einer Neuwahl kraft

allgemeinen

Kollegialrechts übernehmen. D i e Konsiliarfunktion würde Bedeutung haben, wenn es sanktionierende K o n t r o l l m i t t e l gäbe, wenn Entscheidungsprozesse zwischen Rektorat und Senat k o n d o m i n i a l konstruiert wären. D i e vorgesehenen Benehmens-Fälle 4 6 verschaffen dem Senat kein Kon-domimum.

E i n selbstbewußter Rektor, der

bürgermeister von Saarbrücken nicht aufgibt und zum Amtsverzicht auch nach einer Verurteilung durch das Amtsgericht Saarbrücken nicht bereit ist, solange über die Berufung noch nicht entschieden ist. Die ihn stützende Ratsmehrheit macht nicht einmal den Weg zu einer Abwahl durch das Gemeindevolk frei. Der Deutsche Städtetag erzwingt dann allerdings doch den Rücktritt, weil sich die Mitglieder offenbar nicht von einem wegen einer Straftat in erster Instanz Verurteilten vertreten lassen wollen. 44 Zu den Kontrollkompetenzen des Rektorats gegenüber dem Senat - diese sind effektiv - s. § 20 Abs. 2-4 HG NRW: „(2) Das Rektorat wirkt darauf hin, daß die übrigen Organe, Gremien, Funktionsträgerinnen und Funktionsträger ihre Aufgaben wahrnehmen und die Mitglieder und die Angehörigen der Hochschule ihre Pflichten erfüllen. (3) Das Rektorat hat rechtswidrige Beschlüsse, Maßnahmen oder Unterlassungen der übrigen Organe, Gremien, Funktionsträgerinnen und Funktionsträger zu beanstanden. Die Beanstandung hat aufschiebende Wirkung. Wird keine Abhilfe geschaffen, so hat das Rektorat das Ministerium zu unterrichten. (4) Die übrigen Organe, Gremien, Funktionsträgerinnen und Funktionsträger haben dem Rektorat Auskunft zu erteilen. Die Mitglieder des Rektorats können an allen Sitzungen der übrigen Organe und Gremien mit beratender Stimme teilnehmen und sich jederzeit über deren Arbeit unterrichten; im Einzelfall können sie sich dabei durch vom Rektorat benannte Mitglieder der Hochschule vertreten lassen." Das nenne ich (Abs. 3 und 4) effektive Kontrollmittel. Abs. 4 Satz 2 geht übrigens über die Befugnisse der Staatsaufsicht gegenüber der Körperschaft hinaus (s. Löwer, in: ders., Peter J. Tettinger (Fn. 35), Rn. 39 ff.; zur Staatsaufsicht über die Hochschulen s. auch Meinhard Schröder, Verfassungsrechtliche Maßstäbe der Staatsaufsicht über die Wissenschaftlichen Hochschulen, WissR, 18 (1985), S. 199 ff.). 45 s. § 20 Abs. 6 Satz 4, 2. Hs.: Auch im Falle der Abwahl eines Prorektors ist ein Vorschlag des Rektors für die Neuwahl eines Prorektors im Wege eines konstruktiven Mißtrauensvotums erforderlich. Macht der Rektor keinen Vorschlag, kann es auch keine Abwahl geben. 46 s. oben in Fn. 41.

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der neuen Amtsverfassung mental - wie man heute gerne sagt - angepaßt ist, wird den Senat reden lassen und sich seinen Teil denken. So werden die Senate dem Schwatzbuden-Vorwurf pro futuro denn auch wirklich gerecht. Es bleibt als einziges Argument von Gewicht, daß der starke Mann an der Spitze und seine kollegiale Auflockerung im Rektorat oder Präsidium in Nordrhein-Westfalen dem Wahlwillen entspricht. (4) Das reicht aber, wenn ich auf den Ausgangspunkt zurückkomme, nicht aus. Die Entscheidungen der autonomen Seite der Universität sind aus Gründen der Grundrechtsrelevanz - aus dem demokratisch-parlamentarisch-hierarchischen Modell herausgenommen. Das ist dann verfassungsrechtlich unproblematisch, wenn an die Stelle solcher Legitimation jenes alternative Legitimationsmodell tritt, das die Entscheidung selbstverwalteter Amtlichkeit anvertraut. In einer Art funktionaler Fraktionierung des Staatsvolkes können bei entsprechendem Sachgrund (hier Grundrechtsausübung in Amtlichkeit) die Funktionalbetroffenen in einem Konzept gleicher Teilhabe durch eine gewählte Repräsentativkörperschaft die Entscheidungen sachlich legitimieren. 47 Es gibt keine Selbstverwaltung, wenn ich das recht sehe, die nicht diesem Baumuster folgte. Würde es denn dem Selbstverwaltungsrecht der verkammerten Berufe entsprechen, wenn die Kammerversammlung den Big Boss wählte und diesem die berufsstrukturellen Entscheidungen allein überließe? Könnte man sich das für die Industrie- und Handelskammern vorstellen, daß die Interessenvertretung letztverbindlich dem Kammervorstand überlassen würde? Für die kommunale Selbstverwaltung wäre schon die Frage jenseits verfassungsrechtlicher Vernunft. (5) Das Rektorat trifft Entscheidungen von Wesentlichkeit für die Universität als Ganzes, die zum Teil unmittelbar auf die Wissenschaftler als freiheitserweiternde oder freiheitsverengende Entscheidungen durchschlagen. Das deutlichste Beispiel ist die leistungsorientierte Mittelvergabe, für die das Rektorat - wenn auch „im Benehmen" mit dem Senat - nach dem Maßstab des eigenen Gutdünkens zuständig ist, oder der Abschluß einer „Zielvereinbarung" mit dem Land, die Schwerpunkt und Arbeitsfelder für Hochschullehrer festlegen kann. Das „Benehmen" mit dem Senat ist jedenfalls immer dann völlig bedeutungslos, wenn das „Benehmen" mit dem Land schon hergestellt ist. Es hätte allenfalls eine gewisse Bedeutung, wenn das Rektorat verpflichtet wäre, das Benehmen für seine Verhandlungsposition - man mag an die komplizierte Welt des Art. 23 GG als Analogon denken - zu suchen.

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s. die Nachw. oben Fn. 37-39.

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Das ist als Entscheidungsverfahren höchst effizient und hat deshalb auch so viele normgebende Freunde in allen politischen Parteien. Wenn es kollegial nicht klappt (davon ist man vorurteilsweise uneingeschränkt - und mit Plausibilität für viele Entscheidungssituationen - auch zurecht überzeugt), verordnet das Gesetz eben (kollegial-aufgelockerte) monokratische Führung, also letztlich Hierarchie. Die Fakultäten werden zähneknirschend - wenn es schlecht läuft - murmeln, wie Shakespeare es den Herzog von Glaucester (später Richard III.) sagen läßt: „We are the Queen's abjects, and must obey!" 4 8 (z.B. wenn man die Schließung des Studiengangs, der für die Lehrenden und Lernenden die Existenz bedeutet, in Händen hält). In dem Wort „abjects", die gehorchen müssen, steckt eine Shakespeare-Neuerfindung: „Abjects" verweist danach wohl auf „abjection", was vielleicht am ehesten „Verwerfung" heißt. „The abjects" wären dann am ehesten „die Verworfenen" 4 9 Ein solcher Übersetzungsvorschlag schöpft aber, wenn ich das recht sehe, das Sprachpotential nicht einmal aus. Das Substantiv „subject", das das für Shakespeare doch ganz selbstverständliche Untertanenverhältnis beschriebe, vermeidet er, weil es das Spezifikum der Situation nicht richtig wiedergäbe. Das Substantiv „abjectness" meint etwa „Erbärmlichkeit", das Adjektiv „abject" steht für „elend", „erbärmlich", aber auch „unterwürf i g " . 5 0 - An dieser Stelle meines Vortrages wuchs meine Überzeugung, daß ich zu Hugos Elenden greifen sollte. Solche Hierarchie ist im demokratischen Prinzip für die Exekutive ausgesprochen angemessen, weil sie den einheitlichen raschen Willen des Staates herstellen kann. 51 Allerdings ist in der Demokratie - anders als dies für die Hierarchie als Formprinzip in der konstitutionellen oder absoluten Monarchie oder in der Diktatur gilt - hierarchisches Entscheiden, soweit es um 48

s. William Shakespeare, Richard III., I 1, S. 106. s. dazu die Übersetzungsanmerkung bei Frank Günther, William Shakespeare, König Richard III. (William Shakespeare Gesamtausgabe. Neuübersetzung von Frank Günther, Band 11, 2002), S. 332 N. 16. 50 August Wilhelm von Schlegel/Ludwig Tieck übersetzen durchaus treffend (verdeutlichen aber nicht die Shakespeare'sehe Sprachkühnheit): „ W i r sind die Verworfenen Der Königin und müssen schon gehorchen." Günther (Fn. 49) übersetzt jetzt, die Sprachspitzfindigkeit aufnehmend: „Der Obrigkeit der Königin sind wir Die Untrigkeit und müssen wohl gehorchen." Die Lösung ist originell, aber nicht eigentlich treffend: Erstens ist das „wohl" (vermutlich der Metrik geschuldet) falsch. Der Gehorsam ist für Richard in der Situation völlig unausweichlich. Die Königin demütigt ihn nämlich mit dem Befehl in der konkreten Situation, zeigt ihm sein Ausgeliefertsein an ihren Willen. Vielleicht wäre es richtiger, „The Queen's abjects" interliniar mit „Wir, die wir von der Königin entrechtet sind, müssen gehorchen!" zu übersetzen. 51 s. neben den in Fn. 38 Genannten noch Eschenburg (Fn. 6), S. 239. 49

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wesentlich Staatsleitendes oder wesentlich Grundrechtsprägendes geht, setzesabhängig.52 Das Gesetz übernimmt - wenn ich etwas vergröbern idealisieren darf - die Vorprägung der exekutiven Entscheidung; sie dort ihre Richtigkeitsgewähr. Sie findet sie nicht in der Subjektivität Entscheiders.

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geund hat des

Was die autonomen Entscheidungen betrifft, die jetzt in der Universität dem hierarchischen Prinzip unterfallen, fehlt jede Richtigkeitsgewähr durch normative Vorprägung. Es gibt die Verpflichtung auf die Effizienz des Entscheidens, auf Ziele - gesteigerte Profilbildung, höhere Wettbewerbsfähigkeit, bessere Lehre, gesteigerte Interdisziplinarität, verbesserte Internationalität usw. - , es gibt also eine bloß finale Programmierung der Arbeit. Da eine konditionale Programmierung in diesem Sektor in der Tat ausscheidet, tritt historisch die Selbstverwaltungsidee auf den Plan: Da die Legitimation auch jetzt nicht aus der Subjektivität des Entscheiders folgen kann, muß sie im Verfahren kollegialer Entscheidung gefunden werden. Die Idee funktionsgerechter Organstruktur - übrigens auch in der Habilitationsschrift von Meinhard Schröder wieder entdeckt 53 - bringt sich hier zur Geltung. 54 (6) Um nicht mißverstanden zu werden: Ich plädiere nicht für eine statische Konstruktion, in der die Entscheidungsprozesse nicht verändert werden können. Dafür bin ich selbst zu sehr auch Opfer solchen diskursiv aufwendigen und häufig unfruchtbaren Entscheidens. Ich habe mit Blickrichtung auf einzelne Kollegen meinem eigenen Senat schon voller Zorn sein Glück vorgehalten, daß der Zeitdiebstahl nicht wie die Wegnahme einer fremden beweglichen Sache strafbar sei; sonst säßen manche Kollegiumsmitglieder ein. Daraus aber die Begründung für monokratische und hierarchische Entscheidungsverantwortung - immer effizient, manchmal inhaltlich optimal richtig, manchmal katastrophal falsch - abzuleiten, ist rechtlich abwegig, wenn Selbstverwaltung die Systemvorgabe ist. Es sind allerdings manche moderierenden Zwischenlösungen möglich, die Effizienz und funktionsgerechte Organstruktur versöhnen könnten. Als Stichwort nenne ich nur ein Vorstands-Aufsichtsratsmodell, in dem der Senat als Aufsichtsrat dem Vorstand in zu normierenden Entscheidungssituationen effektiv in den Arm fallen könnte.

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Zur Wesentlichkeitsrechtsprechung s. die Nachw. bei Sommermann (Fn. 37), Rn. 267 ff. 53 Schröder (Fn. 1), S. 180 f., 181 ff., 302 ff.; für den Hochschulbereich S. 439 f. 54 Zuletzt der Fruchtbarkeit der Idee nachspürend: Thomas von Danwitz, Der Grundsatz funktionsgerechter Organstruktur, Der Staat 35 (1996), S. 329 ff.; Gross (Fn. 28), S. 200 ff.

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d) Meine bisherige Kritik aus dem Vorrang der Verfassung hat sich ganz auf das Landesverfassungsrecht und das dortige Selbstverwaltungsversprechen konzentriert. Dagegen ist - es geht schließlich um Landesrecht - auch nichts zu erinnern. Allerdings gilt das nicht für alle Landesverfassungen; außerdem ist der Zugang zu den Landesverfassungsgerichten für die Universitäten als Grundrechtsträger nicht überall gewährleistet. Insofern ist es eine relevante Frage, ob denn auch das Bundesverfassungsrecht eine entsprechende Sperrwirkung aus Art. 5 Abs. 3 GG heraus entfaltet. (1) Dabei fällt natürlich jedem Betrachter sofort ein, daß das Bundesverfassungsgericht 55 sich bemüht hat, im Grundsatz deutlich zu halten, daß Art. 5 Abs. 3 GG ein Freiheitsrecht gewährt, 56 das dem Staat als Abwehrrecht entgegengehalten werden kann, wenn er die Freiheit eines Forschers oder eines akademischen Lehrers mißachtet. Deshalb beharrt das Gericht darauf, daß die Universitätsorganisation Sache des ausgestaltenden Gesetzgebers sei, daß Art. 5 Abs. 3 GG keine bestimmte Organisationsform der Universität vorschreibe. 57 Art. 5 Abs. 3 GG ist demnach auf den ersten Blick organisationsrechtlich indifferent. Auch in dem Beschluß in der Verfassungsbeschwerde gegen das vierjährige Zwangsdekanat hat das Gericht durchaus erkennen lassen, daß es der Professionalisierung der Leitungsebene offen gegenüber steht. 58 (2) Gleichwohl ist das nur die halbe Wahrheit, weil es auch zu den Grundaussagen des Gerichts gehört, daß die Organisation der Universität wissenschaftsadäquat sein muß, 5 9 anders ausgedrückt: Sie muß die Besonderheit wissenschaftsrelevanten Entscheidens im Entscheidungsverfahren abbilden. Daraus folgt schon nach der Entscheidung zum niedersächsischen Vorschaltgesetz, also zur Gruppenuniversität, daß im Falle repräsentativen Entscheidens, wie es in diesem System letztlich zwingend ist, die Hochschullehrer die Mehrheit haben müssen, wenn es um forschungs- oder lehrbedeutsame Entscheidungen geht. 60 Folgt daraus nicht im Umkehrschluß, daß Hochschullehrer solche Entscheidungen mit anderen Entscheidungsträ55 Beginnend mit BVerfGE 35, 79 - niedersächsisches Vorschaltgesetz; dazu Schröder (Fn. 1), S. 444 ff. m. umf. Nachw. in Fn. 7-10 des damaligen Diskussionsstandes; als Rezension aus jüngster Zeit s. Ralf Müller-Terpitz, BVerfGE 35, 79 - Hochschulurteil, in: Jörg Menzel (Hrsg.), Verfassungsrechtsprechung, 2000, S. 214 ff. 56 BVerfGE 35, 79 (112). 57 BVerfGE 35, 79 (116): „Die Garantie der Wissenschaftsfreiheit hat jedoch weder das überlieferte Strukturmodell der deutschen Universität zur Grundlage, noch schreibt sie überhaupt eine bestimmte Organisationsform des Wissenschaftsbetriebs an den Hochschulen vor." 58 BVerfGE 93, 85 (96). 59 BVerfGE 35, 79 (127 ff.); 43, 242 (269); 95, 193 (210). 60 s. die Nachw. in Fn. 59.

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gern zwar teilen, aber in der Mehrheit bleiben müssen, sie folglich erst recht nicht in toto verlieren dürfen? Wenn sie qualifiziert teilhabeberechtigt sind, kraft Art. 5 Abs. 3 GG, steht dieser einer Kompetenzdepossedierung in toto doch wohl entgegen. Andererseits stehen alle diese Sätze unter einem Soweit-Vorbehalt: „Soweit gruppenmäßig zusammengesetzte Hochschulorgane zu entscheiden haben . . . " . 6 1 Dem könnte man also jetzt entgegenzuhalten versuchen: Hier entscheidet das Rektorat, also gilt der Satz von der qualifizierten Entscheidungsteilhabe der Professoren nicht mehr. Das wäre allerdings eine Fehleinschätzung, wenn man die Judikatur etwas genauer durchmustert. In der Entscheidung vom 20. Oktober 1982 zum NRW-WissHG vom 20. November 1979 62 ging es unter anderem um die rechtliche Bewertung der Rektoratskompetenzen im Verhältnis zum Senat. Zu den Rektoratsaufgabenbereichen, die einer „kritischeren Betrachtung" bedürften, 63 gehörte damals die Zuweisung von Mitteln an die Zentralen wissenschaftlichen Einrichtungen und an die Zentralen Einrichtungen und Betriebseinheiten. Das Gericht hielt diese Rektoratskompetenz damals nur deshalb für verfassungsrechtlich unbedenklich, weil der Senat über die Errichtung, Änderung und Aufhebung von zentralen wissenschaftlichen Einrichtungen und Betriebseinheiten beschloß und weil sie unter der Verantwortung des Senats standen. Nur deshalb hielt sich der Einfluß des Rektorats im Rahmen dessen, was ihm als Hochschulleitung ohnehin zustand. 64 Im Umkehrschluß darf man also sagen: Wäre die Errichtungs-, Auflösungs- und Änderungskompetenz und die Mittelzuweisung in der Hand des Rektorats, wären Angelegenheiten von Forschung und Lehre so intensiv betroffen - so ist es jetzt sogar in Bezug auf die Fakultäten, die das Rektorat bilden und auflösen kann und denen das Rektorat Mittel zuweist - , daß eine bestimmte Mitwirkung der Hochschullehrer über den Senat zwingend wäre. Es ist auch daran zu erinnern, daß die Entscheidung zur (begrenzten) Professionalisierung der Leitungsebene in Nordrhein-Westfalen ebenfalls genau gelesen sein will. Die stärkere Stellung des Dekans verstärke das monokratische Element in der Verwaltung des Fachbereichs. Das sei „nicht von vornherein" mit Art. 5 Abs. 3 GG unvereinbar. Auch das Kollegialitätsprinzip sei „ungeachtet seiner Bedeutung für die Wahrung der Wissenschaftsfreiheit des einzelnen Hochschullehrers auch in diesem Bereich nicht in

61 s. BVerfGE 35, 79 (127): Der Gesetzgeber müsse der besonderen Stellung der Hochschullehrer Rechnung tragen, wenn er die Organisation der Wissenschaftsverwaltung unter Berücksichtigung der Gruppen gestalte. 62 BVerfGE 61, 260. 63 BVerfGE 61, 260 (285). 64 BVerfGE 61, 270 (286).

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vollem Umfang verfassungsrechtlich vorgegeben". Der Senat fährt dann fort: „Die Zuweisung der Kompetenzen für Entscheidungen, mit überwiegend ausführendem oder technischen Charakter, an eine Einzelperson, steht Art. 5 Abs. 3 GG jedenfalls nicht entgegen." 65 Es verdient festgehalten zu werden, daß die Übertragung wesentlicher Leitungsaufgaben auf ein monokratisches Organ nach der Rechtsprechung sehr wohl ein Problem des Art. 5 Abs. 3 GG ist, und daß das Kollegialitätsprinzip für die Wahrung der Wissenschaftsfreiheit Bedeutung hat; folglich ist es verfassungsrechtlich nicht zulässig, sie ihrer Schutzfunktion durch die Depossedierung um die Entscheidungsaufgaben zu entkleiden. Noch viel deutlicher ist die Entscheidung der 2. Kammer des Ersten Senats zum Schleswig-Holsteinischen Hochschulgesetz 1999 vom 7. Mai 2001 6 6 Dort heißt es: Die Leitungskompetenz des Rektorats sei insbesondere durch die Kompetenz des Senats begrenzt. „Bei verfassungskonformer Auslegung überschreiten die Weisungsbefugnisse des Rektorats nicht den Rahmen dessen, was ein Hochschullehrer aufgrund seiner Einbindung in die Institution Universität hinnehmen muß (...)." Zur Zielvereinbarung heißt es dann konkretisierend: „Die Regelungsgegenstände der vom Rektorat abzuschließenden Zielvereinbarungen erscheinen teilweise in der Tat wissenschaftsrelevant (...). Allerdings ist die Befugnis des Rektorats, in den Zielvereinbarungen verbindliche Absprachen zu treffen, inhaltlich durch die Entscheidungskompetenzen sonstiger Hochschulorgane, insbesondere des Senats, begrenzt. ... (ein) hinreichender Einfluß der Gruppe der Hochschullehrer ist dadurch gewahrt, daß die Zielvereinbarungen der Zustimmung des Senats bedürfen (...). Dadurch ist das Rektorat jedenfalls in Angelegenheiten, die für die künftige Ausübung der Wissenschaftsfreiheit von Bedeutung sind und insofern eine kritische Beurteilung im Senat erwarten lassen, gezwungen, sich bezüglich der Inhalte der Zielvereinbarungen mit dem Senat abzustimmen. Der Senat kann damit auf solche Inhalte hinreichend Einfluß nehmen." 67 Wer angesichts solcher Sätze hofft, die Etablierung des hierarchischen Systems nordrhein-westfälischer oder brandenburgischer Prägung habe als Ausfluß der gesetzgeberischen Gestaltungsfreiheit das Bundesverfassungsgericht auf seiner Seite, muß schon so optimistisch sein, daß die drei Richter der 2. Kammer des Ersten Senats nicht zuständig sind. Für diese Drei stünde doch wohl als Schlußfolgerung aus ihrer Schleswig-Holstein-Entscheidung die Verfassungswidrigkeit der nordrhein-westfälischen Lösung schon fest. 65

BVerfGE 93, 85 (96). BVerfG, 2. Kammer des Ersten Senats, vom 7. Mai 2001 - 2 BvR 2206/00 DVB1. 2001, S. 1137. 67 BVerfG, wie vor, S. 1139, 1. Sp. 66

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Letztlich hat Meinhard Schröder in der Analyse zum Thema Wissenschaftsfreiheit und Selbstverwaltungsrecht der Hochschule Recht behalten. In seiner Habilitationsschrift heißt es: „Das Gericht neigt anscheinend einer im Schrifttum vertretenen Ansicht zu, wonach die Wissenschaftsfreiheit zwar „eine gewisse Distanz zur staatlichen Herrschaftsapparatur", nicht notwendig aber eine Selbstverwaltungsgarantie zugunsten der Hochschule fordert. Demgegenüber ist zu betonen, daß die Selbstverwaltung der wissenschaftlichen Hochschulen im engeren akademischen Bereich, abgesehen davon, daß sie historisch überkommen und deshalb landesverfassungsrechtlich durchweg gewährleistet ist, zur Erreichung dieser Distanz unabdingbar ist: Nur der mit ihr verbundene Organisationstyp erreicht in rechtlich gesicherter Form jene Distanz zur Staatsverwaltung, die der Schutz der Eigengesetzlichkeit der Wissenschaft verlangt." 68 Das jetzt etablierte sozusagen caesaristische System ist keine wissenschaftsadäquate Organisation universitärer Binnenwillensbildung. Wissenschaftsbezogene Entscheidungen sind, wenn es z.B. um Wissensinteressen der Studierenden geht, häufig irreversibel: Was ihnen vorenthalten wird oder aufgezwungen wird, ist für diese konkreten Personen nicht mehr korrigierbar. Sorgfalt der Entscheidung muß deshalb Prinzip sein. Es geht nicht nur wie im Unternehmens-Caesarismus um die Mehrung oder den Verlust von Kapital. Deshalb ist die Auswahl des Buches in Anknüpfung an den Vortrag denn doch klar: Ich wähle den Hugo. Sein Buch war damals der republikanische Einspruch gegen den zeitgenössischen Caesarismus. Ich erhebe im Namen der republikanisch-orientierten Universität - freie und gleiche Wissenschaftler, freie und gleiche Fächer - Einspruch gegen die Etablierung des Caesarismus in der Universität!

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Schröder (Fn. 1), S. 456.

Diskussion der Vorträge von Ossenbühl und Löwer Leitung: Prof. Dr. Peter Krause, Trier Krause: Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich darf jetzt den beiden Referenten für ihre sehr schönen und auch sehr anregenden Vorträge danken. Natürlich Herr Löwer, Sie haben Ihrem ehemaligen Chef etwas die Schau gestohlen, weil wir alle hier an diesem Tage so sehr engagiert sind. Was die Diskussionen angeht, sind wir etwas über der Zeit, aber wir sollten doch sofort zur Diskussion schreiten, und ich würde Ihnen nun doch vorschlagen - obwohl wir alle natürlich über Herrn Löwers Vortrag sozusagen unmittelbar diskutieren wollen - , daß wir zunächst einmal vielleicht zu Herrn Ossenbühl etwas sagen. Ich darf dann alle im Raum um Wortbeiträge bitten. Herr Kloepfer. Kloepfer: In der Kürze der Zeit möchte ich eine Frage stellen, die an beide Referenten geht, gleich eine Eingangsfrage, die dem Umweltrechtler sehr nahe liegt, aber auch demjenigen, der sich mit Hochschulfragen befassen muß, nämlich: Wenn wir uns die Partizipation in der Verwaltung anschauen, haben wir hier eine Form der Betroffenheitsrepräsentation, die beachtlich ist. Wie verändert dies die Fragestellung im Hinblick auf den demokratischen Gesetzesvorbehalt? Könnten derartige inhaltliche und organisatorische Fragen auch Gegenstand von Partizipation werden? Die zweite Frage ist eine grundsätzliche. Sowohl bei dem Referat von Herrn Ossenbühl wie auch bei dem von Herrn Löwer fragt man sich doch, wie das Ausland damit umgeht. Mit Blick auf den 60. Geburtstag von Herrn Schröder ist das, glaube ich, eine legitime und gebotene Frage. Was können wir lernen aus Verfassungsrechtsvergleichen bzw. aus Verwaltungsrechtsvergleichen? Das relativiert jedenfalls manche unserer Sichtweisen, ohne daß wir jetzt zur Revision verpflichtet wären. Natürlich ist - wenn man sich etwa die Rechtsprechung des amerikanischen Supreme Court anschaut - der Bereich dessen, was dem Parlament im Ausland vorbehalten ist, doch ganz beachtlich. Und die dritte Frage ist ebenfalls eine grundsätzliche Frage. Wenn ich mich mit Recht und Organisation befasse, muß ich feststellen, daß Organisation eine

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Erscheinung nicht nur in der öffentlich-rechtlichen Sphäre ist. Es geht dabei nicht nur um die Organisation der öffentlichen Verwaltung - sondern auch darum, wie sich die Wirtschaft, wie sich die Gesellschaft organisiert. Inwieweit können Organisationsmaximen aus dem privaten Bereich auf öffentlich-rechtliche Bereiche übertragen werden? Frage: Wie kann man das in eine fruchtbare Betrachtung hereinnehmen? Letzte Frage grundsätzlicher Art: Recht und Organisation. Dies ist ein interessantes Thema, den Veranstaltern ist zu gratulieren. Organisationen beeinflussen den Menschen und umgekehrt. Wenn man überlegt, was das Wort Organisation eigentlich dem Ursprung nach bedeutet, so kommen aus sprachlicher Sicht zwei ganz unterschiedliche Aspekte zutage. Erstens, wie ist eigentlich die Funktion der Organe im Körper, welche Funktionen haben sie, wie spielt das alles zusammen? Hat das Recht hier eine entscheidende Position? Der zweite Aspekt scheint noch interessanter und grundsätzlicher zu sein. Organisation ist auch das Ergebnis des Zusammenwirkens von Organen. Also eine genau umgekehrte Betrachtung, Organisation ist erst das Ergebnis von Zusammenwirken. Dabei stellt sich die hochinteressante Frage, welche Rolle das Recht bei dieser eher faktischen Betrachtung spielt. Wenn staatliche Organisation vor allem ein politisch-faktischer Vorgang ist, wann kommt dann eigentlich das Recht zum Tragen? Also Fragen über Fragen für die kurze Zeit. Schönen Dank.

Krause: Herr Stern bitte.

Stern: Lieber Herr Ossenbühl, es war klar, daß Ihre Worte, ihre Kritik am nordrhein-westfälischen Verfassungsgerichtshof einer gewissen Antwort bedürfen. Ihre Kritik war sehr maßvoll, und ich meine, daß das Thema Organisationsgewalt in seiner gesamten Breite unbedingt einer näheren Erörterung bedarf. Der nordrhein-westfälische Verfassungsgerichtshof hatte diese in dem Bereich, den sie mit Leitungsebene, Regierung angesprochen haben, zu untersuchen im Zusammenhang mit der Zusammenlegung des Justizund des Innenministeriums. Es wäre natürlich sehr leicht gewesen, wir hätten in Nordrhein-Westfalen eine Vorschrift in der Verfassung gehabt, wie etwa im Grundgesetz, daß ein Justizministerium existieren muß. Dann bedeutet eine solche Vorschrift ganz klar, daß das Justizministerium in seiner reinen Gestalt bestehen muß und nicht mit anderen Ressorts zusammengelegt werden darf.

Diskussion der Vorträge von Ossenbühl und Löwer

Wir können uns daran erinnern, daß es schon einmal einen Streit gegeben hat über die Frage, ob das Finanzministerium, das ja ebenfalls im Grundgesetz erwähnt ist, und das Wirtschaftsministerium zusammengelegt werden dürften. Das mag politisch da und dort Sinn haben, aber wenn ein Ministerium in der Verfassung ausdrücklich erwähnt ist, dann ist das eine institutionelle Regelung, die die Organisationsgewalt des Chefs der Regierung beschränkt. Nordrhein-Westfalen hatte diese Aussage in der Verfassung nicht. Also was macht ein Verfassungsgerichtshof, dem die Zulässigkeit der Zusammenlegung vorgelegt wird? Natürlich wäre es leicht zu antworten mit Anschütz, den Sie zitiert haben: „Das Staatsrecht hört hier auf 4 . Aber, wenn man so antwortet, hat das Staatsrecht dennoch nicht aufgehört, denn dann hat nämlich der Recht bekommen, der politisch entschieden hat, ganz gleich wie er entschieden hat. Also mußte die Frage an Hand von allgemeinen Maßstäben der Verfassung untersucht werden. In diesem Zusammenhang möchte ich betonen, daß es einen Unterschied macht, ob beispielsweise das Verkehrsministerium oder andere Ressorts betroffen sind, oder ein Justizministerium, dem eine bestimmte Aufgabe in bezug auf die dritte Gewalt anvertraut ist. Außerdem sind hier Fragen der richterlichen Unabhängigkeit und schließlich auch des grundrechtlich gesicherten Rechtsschutzes betroffen. In diesem Punkt scheint mir eben doch etwas mehr an verfassungsrechtlichen Aussagen enthalten zu sein, als es auf den ersten Blick aussieht. Jedenfalls schien es legitim, daß der Verfassungsgerichtshof sagte, wir wollen sowohl den rechtstaatlichen Gesetzesvorbehalt als auch den demokratischen Gesetzesvorbehalt ins Spiel bringen. Auf dieser Grundlage ist die Entscheidung in der Richtung gefallen, daß das Justizministerium mit dem Innenministerium nicht durch einen Erlaß des Regierungschefs zusammengelegt werden kann. Wie die Entscheidung ausgefallen wäre, wenn es der Gesetzgeber, das Parlament getan hätte, hat der Gerichtshof ausdrücklich offengelassen. Ein Wort zu dem von Ihnen auch angesprochenen Ethikrat, Herr Ossenbühl: Ich meine, es ist nicht nur eine Frage, wer dem Ethikrat die Kompetenzen zumessen darf. Das ist ein verfassungsrechtliches Problem. Es scheint mir aber noch ein zusätzliches Problem zu sein, wenn dieser Ethikrat als Nationaler Ethikrat apostrophiert wird; dann wird nämlich etwas suggeriert, was ihm nicht zukommt. Er ist, wie Sie zu Recht gesagt haben, Beratungsorgan der Regierung. Die Regierung kann sich jederzeit zu eigen machen, daß sie sich Beratungsorgane schafft. Aber in dem Augenblick, in dem die Komponente eines zumindest nach außen hin wirkenden Nationalen Ethikrates hinzukommt, dann meine ich, muß das Parlament eingeschaltet werden. Man könnte auch noch darüber diskutieren, ob etwa der Bundespräsident mit einbezogen werden muß, der die Diskussion mit geprägt hat.

Diskussion der Vorträge von Ossenbühl und Löwer

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Noch ein Wort zu Ihrem Referat, Herr Löwer: Sie haben uns wunderbar das neue nordrhein-westfälische Hochschulgesetz und seine monokratische Lösung vorgeführt und am Schluß gesagt, Sie erheben Einspruch. Wir alle, zumeist Hochschullehrer hier, sind gute Demokraten, in dem Sinne, daß wir immer die Universität in kollegialer Weise verwaltet haben, und diese kollegiale Mitbestimmung hat den Geist der Universität geformt! Nun, die Universitäten sind heute leider - Sie haben es ebenfalls betont - nicht mehr das, was sie in früheren Zeiten gewesen sind. So kam plötzlich die Idee auf, nachdem man zu viel auf Kollegialgremien übertragen hat, dazu mit breitester Mitbestimmung, was nicht funktionieren kann, die Hochschulen monokratisch zu strukturieren. Man könnte sich natürlich mit dieser Situation abfinden, wenn sichergestellt wird, daß der Monokrat auch wirklich die geeignetste Persönlichkeit ist. Vielen Dank. Krause: Herr Klein bitte. Klein: Herr Löwer, Ihr Wort in Gottes oder, was fast dasselbe ist, des Bundesverfassungsgerichts Ohr, denn wir haben Einspruch erhoben in Brandenburg. Es ist eine Verfassungsbeschwerde eingelegt worden beim Bundesverfassungsgericht gegen das brandenburgische Hochschulgesetz, das noch schlimmer ist als das nordrhein-westfälische. Auf alles, was Sie geschildert haben, läßt sich noch etwas „draufsetzen". Der Wissenschaftsminister hat, das war seine Grundidee, von der Universität als bloßem „Bündel von Professoren" gesprochen, das endlich sinnvoll diszipliniert und der Effektivität zugeführt werden müsse. Es ist Kulturbruch, es ist eine klare Hinwendung zum Führerprinzip innerhalb der Universität. Das kann überhaupt gar kein Zweifel sein. Ich will das jetzt nicht alles ausführen. Ich will nur auf eine Besonderheit hinweisen. Der Rektor hat nicht nur das alleinige Vorschlagsrecht über den Dekan, auch wenn der noch im Fakultätsrat zu wählen ist. Wie jedoch wird der Rektor bestimmt? Das alleinige Vorschlagsrecht hat der Hochschulrat. Und der Hochschulrat ist ein ausdrücklich außerhalb der Hochschule bestehendes Organ. Es wird zusammengesetzt aufgrund von Berufungen, die der Ministerpräsident auf Vorschlag des jeweiligen Wissenschaftsministers macht, ist im übrigen aber völlig freigestellt, ist ministerialfrei. Die einzige Verbindung ist also diese Ernennung durch den Ministerpräsidenten, die eine gewisse demokratische Legitimität verbürgt. Aber das ist auch alles. Im übrigen wirkt der Hochschulrat an vielen Dingen mit, und er hat das ausschließliche Vorschlagsrecht für den Präsidenten

Diskussion der Vorträge von Ossenbühl und Löwer

oder den Rektor. Die entscheidende Frage ist: Wie werden wissenschaftsrelevante Angelegenheiten konform mit Art. 5 I I I GG in einer solchen monokratischen hierarchisch-strukturierten Universität noch angemessen behandelt? Das wird durch dieses Gesetz überhaupt nicht beantwortet, und ich hoffe - die Schriftsätze sind gewechselt - , daß noch in diesem Jahr diese Geschichte vom Ersten Senat entschieden wird. Dankeschön. Zils: Eigentlich wollte ich eine Frage an das Referat von Herrn Löwer anknüpfen, aber zunächst möchte ich Herrn Klein beipflichten, daß der Hochschulrat in der Tat schlimm ist, weil er eine Einflußnahme von außen bedeutet. Herr Löwer, Sie leiteten den Anspruch der Professorenschaft, der Hochschullehrer in den Universitäten auf eine qualifizierte Mitwirkung an den Entscheidungen aus Art. 5 I I I GG ab. Dem ist nur beizupflichten. Sie haben den ersten Teil Ihres Referats abgeschlossen mit dem Diktum, Monokratie berge manche Risiken in sich, sei aber immer effizient. Damit knüpften Sie an die kritischen Diskussionen an, die im Vorfeld der Gesetzesreform stattgefunden haben. Jetzt frage ich aber, ist es wirklich so, daß an den Hochschulen in Nordrhein-Westfalen die Monokratie existieren wird? Sie sprachen das ein oder andere Mal verkürzt vom Rektor und seiner Entscheidungsgewalt. Leitungsgremium in Nordrhein-Westfalen ist aber das Rektorat. So frage ich weiter: Kann man sich nicht vorstellen, daß der kumulative Wille, der Korporationswille auf dieses Leitungsgremium bezogen wird, und somit das Rektorat die qualifizierte Mitwirkung der Hochschullehrer in einer Universität sicherstellt? Und noch eine Anmerkung: Es ist ein kleiner und feiner Unterschied zur vorhergehenden Rechtslage, daß das Rektorat seiner Größe nach nicht staatlich festgeschrieben ist, so daß es eigentlich jeder Universität freistünde, ein sehr großes Leitungsgremium, d. h. einen sehr großen Rückhalt innerhalb der Hochschullehrer zu konstituieren. Das wiederum würde natürlich dem Effizienzgesichtspunkt zuwiderlaufen. Krause: Danke schön. Ich glaube, wir müssen die Diskussion etwas abkürzen. Ossenbühl: Ja, meine Damen und Herren, ich fühle mich zunächst durch zwei Fragen von Herrn Kloepfer angesprochen, die allerdings von der Art sind, daß man für ihre Beantwortung zwei Tage bräuchte. Die erste Frage betrifft die 4 FS Schröder

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Diskussion der Vorträge von Ossenbühl und Löwer

Betroffenheitspartizipation in Deutschland. Was hat man davon zu halten, in der jetzigen Entwicklung? Wir haben die Diskussion der Betroffenheitspartizipation ja schon in den 70er Jahren in der Planung breit behandelt. Ich hatte damals eine Position bezogen, die ich auch heute noch für richtig halte: Die Betroffenheitspartizipation ist eine Form der Beteiligung, die auf der Kommunalebene und in engeren Räumlichkeiten durchaus sinnvoll sein kann, aber auch dort nur zur Informationsbeschaffung, nicht als Mitentscheidungsweg oder Mitentscheidungsinstrument. Das vereinbart sich nicht mit demokratischen Legitimationsvorstellungen. Was die Verfassungsvergleiche betrifft, fragen Sie: Was haben wir davon? Wir haben Verfassungsvergleichung, wenn ich das recht sehe, im Verfassungsrecht in den ersten dreißig Jahren nach dem Grundgesetz so nicht gekannt und einigen Spezialisten überlassen. Die Meinung war, Verfassungsvergleichung, das kann nichts bringen, unterschiedliche politische Systeme kann man nicht vergleichen. Dabei hätte man schon in der damaligen verzerrten, exekutivfeindlichen Diskussion über den rechtsstaatlichen Gesetzesvorbehalt, der bei uns dreißig, vierzig Jahre lang die Debatte bestimmt hat - jeder der da ja auch nur versuchte, gegen den rechtsstaatlichen Gesetzesvorbehalt zu intervenieren und die Exekutive etwas anzuheben, dessen rechtsstaatliche Gesinnung wurde in Frage gestellt - , dabei hätte man, wenn man damals nach Frankreich gesehen hätte, feststellen können, daß es dort genau umgekehrt ist. Wenn das Parlament Gesetze erlassen will, muß es einen Kompetenztitel aus der Verfassung heraus begründen. Dadurch entsteht ein genau umgekehrter Regelungsmechanismus, ohne daß jemand sagen würde, daß die Franzosen schlechtere Demokraten wären als die Deutschen. Hätten wir das damals klar erkannt, dann wäre auch unsere rechtsstaatliche Gesetzesvorbehaltsdiskussion sicherlich entkrampft worden. Dann noch ein letztes Wort zu Herrn Stern: Herr Stern, Sie halten natürlich an Ihrer Entscheidung fest. Aber in diesem Punkt muß ich Ihnen sagen, die Entscheidung habe ich politisch begrüßt, aber verfassungsrechtlich kann ich da leider nur mit dem Kopf schütteln. Zur Begründung: Ich habe auch heute noch Probleme zu sagen: Wenn ein Minister explizit in der Verfassung genannt wird, z.B. Justizminister, Finanzminister, sei er bereits verfassungsrechtlich als Institution gewährleistet, das scheint mir doch fraglich zu sein. Was an der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes NRW verfassungsrechtlich besonders schwierig zu begründen ist, ist eben, daß hier ein Zugriff, ein echter Parlamentsvorbehalt aufgestellt worden ist. Danach kann das Parlament dies nur durch Gesetz regeln. Das ist also ein echter, ausschließlicher Parlamentsvorbehalt. Und wenn Sie gesagt hätten, das Parlament hat ein Zugriffsrecht, dann wäre die Sache sicher anders ausgegangen. Dann hätte man sagen können, ein Zugriffsrecht hat das Parlament, davon kann es Gebrauch machen, wenn es will, aber wenn es nicht will, macht es die Exekutive. Beim Nationalen Ethikrat haben Sie die falsche Etikettierung beanstan-

Diskussion der Vorträge von Ossenbühl und Löwer

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det, das gestehe ich Ihnen vollkommen zu. Ich würde nur meinen, wenn man diese falsche Etikettierung als Lücke begreifen wollte, wäre das in der Tat als prozeduales Problem zu verstehen. Aber man sieht schon, natürlich ist dieser „Nationale Ethikrat" bewußt so gewählt worden, das ist ganz klar, und auch mit Begriffen macht man Politik und Meinungen. Im politischen Raum wird mehr mit begrifflichen Argumenten gearbeitet als mit sachlichen. Ich habe da große Zweifel, um das noch mal zu sagen, ob das für eine verfassungsrechtliche Beurteilung ausreicht. Vielen Dank.

Löwer: In aller Kürze, Herr Zils, wenn ich von monokratisch gesprochen habe, denke ich natürlich immer an das Rektorat. Das Rektorat zum Senat auszubauen, wäre unzulässig, weil es die Wiedereinführung des bündischen Prinzips wäre, das gerade abgeschafft worden ist, so daß man dies rechtlich nicht machen dürfte. Ich bin aber für den ideenreichen Hinweis dankbar. Herr Klein, ich gebe zu, ich hatte es nur vergessen, es geht noch schlimmer. Herr Kloepfer, zu Ihren Anmerkungen: Ich gehe zuerst der Frage nach, wie organisiert Wirtschaft sich? Ich hätte nichts dagegen, wenn wir so ein Aufsichtsrats- und Vorstandsmodell machen würden, bei dem der Aufsichtsrat dem Vorstand in den Arm fallen kann, das eine laufende effiziente Begleitkontrolle ermöglichen würde; dann wäre die Situation schon wesentlich günstiger. Gerade wenn wir uns an der Wirtschaft orientieren, dann sicher nicht nur an den Schrempps und Sommers, deren segensreiche monokratische Tätigkeit gerade wieder beobachtet werden kann. Es gibt jetzt auch Unternehmungen, die sehr viel kollegialer geführt sind und bei denen das Wort „Ich" noch keine so zentrale Bedeutung hat. Die Frage: Wie macht das Ausland das?, ist auch von hohem Interesse und hoher Relevanz. Nur: alle Verfassungsvergleiche erlösen uns nicht davon, daß wir an die Systembausteine unseres eigenen Rechts zunächst gebunden sind. Und wenn die Hochschulen Staatsorgane sind und nur in einem sehr schmalen Sektor private Konkurrenz entsteht, dann wird der Staat zum unmittelbaren Akteur in einem Raum, in dem er an sich gelähmt ist, nämlich wo es um Wissen und Wissenschaft geht. Da ist er - politisch zugespitzt - blind. Deshalb muß der Entscheidungsprozeß in diesem Raum, wo der Staat, ich überspitze das sehr, nichts verloren hat, muß dieser Entscheidungsprozeß wissenschaftskonform organisiert werden. Daher ist die Lösung über die Idee der Selbstverwaltung so naheliegend, weil jetzt die fehlenden gesetzlichen Entscheidungen durch Selbstverwaltung legitimiert werden. Hier kann jetzt die Wesentlichkeitstheorie wieder fruchtbar gemacht werden. Für die wesentlichen Entscheidungen, für die Richtlinien, wie das Bundesverfassungsgericht in der Entscheidung zu Schleswig-Hol4*

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Diskussion der Vorträge von Ossenbühl und Löwer

stein sagt, muß der Senat zuständig bleiben. Für die Kleinarbeit, die Tagesarbeit muß es bloß ein Aufsichtsgremium geben. Der Blick aufs Ausland könnte zum Beispiel darüber belehren, wie man vernünftig vor allem Privatuniversitäten organisieren kann, aber sehr viel weniger darüber, wie man in einem solchen monopolistisch organisierten Staatsuniversitätssystem agiert. Herr Stern, vielleicht darf ich mir eine Bemerkung auch zu Ihrem Thema erlauben: Daß der Justizminister in der Verfassung erwähnt wird, bedeutet nur, daß es ein Justizressort geben muß. Es muß immer jemanden geben, der Justizminister ist. Ob er zusätzlich etwas anderes tut, danach fragt die Verfassung doch nicht. Klar ist nur, daß es bestimmte Ressorts geben muß. Was einem Ressort weiter zugewiesen wird, ist Sache der Entscheidung im Rahmen der Regierung. Und das Fatale, meine ich, an dieser Entscheidung ist doch, daß der Gesetzesvorbehalt hier neuerlich in der Weise eingesetzt worden ist, wie das nicht selten geschieht: Wenn wir eine Entscheidung inhaltlich nicht wollen, dann stellen wir fest, daß diejenigen, die sie getroffen haben, dafür nicht zuständig sind. Wäre der nordrhein-westfälische Gesetzgeber im Anschluß an die Entscheidung hergegangen und hätte gesagt: So, ich erlasse jetzt ein Fusionsgesetz, dann hätten Sie vor demselben Dilemma wie zuvor gestanden: Sie mochten die Entscheidung nicht. Dafür habe ich viel Verständnis. Ich halte die Entscheidung für rechtspolitisch außerordentlich fragwürdig. Mehrere Stimmen haben sich dahingehend geäußert, die Fusion sei Unsinn, aber Unsinn ist nicht per se verfassungswidrig. Wenn das Parlament eine solche Entscheidung getroffen hätte, hätte man sie dann auch beanstanden müssen?

II. Deutsches und Europäisches Verwaltungsrecht

Neue Organisations- und Kooperationsformen im europäisierten kommunalen Wirtschaftsrecht ein Plädoyer für die kommunale Organisationshoheit Von Martin Burgi, Bochum I. Blick in die Organisationslandschaft Mit der Organisationslandschaft ist es wie mit den Weinbergen: Sie muß geordnet und gepflegt werden, damit ein guter Ertrag gelingt. Dabei gilt es, den Wildwuchs zu beschneiden und die lohnenden Triebe zur Entfaltung zu bringen, was nur gelingen kann, wenn die gärtnerische Fürsorge kultiviert, aber nicht erdrückt. Zum Weingärtner in der Organisationslandschaft ist der Gesetzgeber berufen, dessen Leistungen im kommunalen Wirtschaftsrecht allerdings hinter denen der Trierer Winzer zurückbleiben und der deshalb der kontinuierlichen Begleitung durch die Kritiker aus der Wissenschaft bedarf. Meinhard Schröder ist einer dieser kritischen Begleiter, der sich immer wieder mit Organisationsfragen auf der kommunalen Ebene beschäftigt hat. 1 Während nun die Neuordnung der kommunalen Verfassungsorgane zu einem vorläufigen Abschluß gelangt ist, befindet sich die Organisation der kommunalen Wirtschaftstätigkeit in der Reformdiskussion. Ich möchte daher auf einige neue Erscheinungsformen aufmerksam machen, Anschluß an die Entwicklung des allgemeinen Verwaltungsorgan!sationsrechts gewinnen und schließlich nach dem Beruf unserer Zeit für die Organisationsgesetzgebung im kommunalen Wirtschaftsrecht fragen. Zurück zur Organisationslandschaft, wo vier neue Erscheinungsformen kommunaler öffentlicher Unternehmen Aufmerksamkeit verdienen: Erstens die in einigen (wenigen) Bundesländern geschaffene Option des Kommunalunternehmens in Anstaltsform (vgl. etwa §§ 86a und 86b GemO 1 Beginnend mit der Habilitationsschrift (Meinhard Schröder, Grundlagen und Anwendungsbereich des Parlamentsrechts, 1979), in der es um die „Übertragbarkeit parlamentsrechtlicher Grundsätze auf Selbstverwaltungsorgane, insbesondere in der Kommunal- und Hochschulverwaltung" ging; aus dem beeindruckenden Schriftenverzeichnis genannt seien ferner die Darstellung des „Kommunalverfassungsrechts" in: Norbert Achterberg/Günter Püttner/Thomas Würtenberger (Hrsg.), Besonderes Verwaltungsrecht II, 2. Aufl. 2000, § 16, und die Kommentierung des Art. 49 Verf. Rh.-Pf. in: Christoph Grimm/Peter Caesar (Hrsg.), Verfassung für RheinlandPfalz, Kommentar, 2000.

Martin Burgi

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Rh.-Pf.), allgemein begrüßt als Republifizierung der kommunalen Marktteilnahme. 2 Zweitens

Kooperationsgebilde m i t der Privatwirtschaft jenseits des

seit langem bekannten gemischtwirtschaftlichen Unternehmens, nämlich die Einbeziehung Privater i n eine Anstalt des öffentlichen Rechts, so geschehen bei der Neuordnung der Berliner Wasserbetriebe, w o eine Kapitalgesellschaft aus dem L a n d Berlin und Privaten sich als stille Gesellschafterin gemäß § 230 H G B am Anstaltsunternehmen beteiligt und als „ H o l d i n g " Weisungsbefugnisse gegenüber der Anstalt erhalten hat. 3 D i e Einzelheiten können verbal gar nicht und visuell nur schwer veranschaulicht Drittens

werden.

k o m m t es verstärkt zu sog. horizontalen Kooperationen 4 zwischen

mehreren K o m m u n e n , indem beispielsweise verschiedene Stadtwerke fusionieren und ein neues privatrechtlich organisiertes

Gemeinschaftsunterneh-

men jenseits des Zweckverbandsrechts entsteht. D i e vierte

Erscheinungs-

form ist nicht neu, w i r d aber i n diesen Tagen neu bestätigt, und zwar die Organisation der kommunalen Sparkassen i n der Rechtsform der öffentlichrechtlichen Anstalt. Hier ist interessant, daß die Landesgesetzgeber 5 i m Un2 Läßt man die Stadtstaaten außer Betracht, so gibt es entsprechende Regelungen außer in Rheinland-Pfalz in Bayern (Art. 89 Bay.-GO), Nordrhein-Westfalen (§ 114a GO NRW) und Sachsen-Anhalt (§§ 1 ff. AnstaltsG LSA). Sie sind näher vorgestellt bzw. positiv gewürdigt bei Thomas Mann, Die „Kommunalunternehmen" - Rechtsformalternative im kommunalen Wirtschaftsrecht, N V w Z 1996, S. 557; Dirk Ehlers, Das selbständige Kommunalunternehmen des öffentlichen Rechts, in: Hans-Günter Henneke (Hrsg.), Kommunale Aufgabenerfüllung in Anstaltsform, 2000, S. 47 ff.; Johann Christian Pielow, Zwischen Flexibilität und demokratischer Legitimität: Neue Rechtsformen für kommunale Unternehmen, in: Volker Epping/ Horst Fischer/Wolff Heintschel von Heinegg (Hrsg.), FS für Knut Ipsen, 2000, S. 725 ff.; Franz-Ludwig Knemeyer/Bernhard Kempen, Kommunales Wirtschaftsrecht, in: Achterberg/Püttner/Würtenberger (Fn. 1), § 17 Rn. 73 f. Wie Hans Peter Bull, Formenwahl, Formwahrheit und Verantwortungsklarheit, in: Max-Emmanuel Geis/Dieter Lorenz (Hrsg.), FS Maurer, 2001, S. 545 (556 in Fn. 63) mitteilt, wurde in Bayern für die Anstalt der Begriff des „Kommunalunternehmens" gewählt, weil der Anstaltsbegriff in der Wirtschaft weniger bekannt sei. 3 Zu den Einzelheiten vgl. Benedikt Wolfers, Privatisierung unter Wahrung der öffentlich-rechtlichen Rechtsformen - Der Modellfall Berliner Wasserbetriebe, N V w Z 2000, S. 765; Wolf gang Hecker, Privatisierung unternehmenstragender Anstalten öffentlichen Rechts, VerwArch 92 (2001), S. 261; Benedikt Wolfers/Marcel Kaufmann, Private als Anstaltsträger, DVB1. 2002, S. 507. Der VerfGH Berlin sah die sich aus dem demokratischen Legitimationsgebot (vgl. noch IV 2) ergebenden Anforderungen als erfüllt an (NVwZ 2000, S. 794). Anstaltsträger ist weiterhin das Land Berlin. 4 Gegenwärtig v.a. auf dem Energiesektor, worüber Dieter Attig/Rosa Hemmers/ Eva Wußing, Kommunales Netzwerk versus Anteilsverkauf von Stadtwerken, ZNER 2002, S. 10, und Markus Moraing, Neue Kooperationsstrategien der Stadtwerke, in: Martin Burgi (Hrsg.), Energiepartnerschaften zwischen privaten Versorgungsunternehmen, Stadtwerken und Kommunen, 2002, i.E., berichten. 5 Genannt seien der vom Ministerrat angenommene Entwurf zur Änderung des Sparkassengesetzes Rh.-Pf. und der ebenfalls vom Landtag verabschiedete Entwurf

Neue Organisations- und Kooperationsformen im Wirtschaftsrecht

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terschied zu allen anderen wichtigen Versorgungsbereichen für die Versorgung mit kreditwirtschaftlichen Leistungen unverändert die öffentlich-rechtliche Organisationsform vorschreiben wollen. Der nach diesem kursorischen Blick über die Organisationslandschaft entstandene Eindruck der Zufälligkeit und Gegenläufigkeit der Entwicklungen ist berechtigt: Als Produkt teilweise anzuerkennender, teilweise vermeintlicher praktischer Bedürfnisse, mal mit, mal ohne gesetzgeberische Begleitung, ist ein unübersehbarer Wildwuchs entstanden. Man trifft ihn gegenwärtig vor allem in den Aufgabenfeldern der Versorgung und der Entsorgung an, mit wachsender Tendenz aber auch im Öffentlichen Nahverkehr, bei den öffentlichen Krankenhäusern und bei Kultureinrichtungen. I I . Das kommunale Wirtschaftsrecht in der Reformdiskussion Die seit einigen Jahren intensivierte Reformdiskussion dürfte im Herbst diesen Jahres ein wichtiges Etappenziel erreichen, wenn der 64. Deutsche Juristentag sich u.a. mit der Frage beschäftigt, ob es sich empfiehlt, „das Recht der öffentlichen Unternehmen im Spannungsfeld von öffentlichem Auftrag und Wettbewerb national und gemeinschaftsrechtlich zu regeln". Wir sollten der Versuchung nachgeben, einem kleinen Ausschnitt innerhalb des dort gezogenen Rahmens bereits heute Aufmerksamkeit zu schenken. 7. Kommunales Wirtschaften als Modus kommunaler Aufgabenerfüllung Der Diskussionsschwerpunkt liegt nicht auf der organisatorischen, sondern auf der Ebene der Aufgaben und Modi, die freilich auf die Organisationsebene ausstrahlen kann. Daher sei in aller Kürze bilanziert, daß das Tätigwerden kommunaler Unternehmen nach unverändert herrschender (und richtiger) Auffassung durchgehend als Erscheinungsform der Erfüllung von Verwaltungsaufgaben, d.h. als Kompetenzausübung, anzusehen ist. 6 Damit des „Gesetzes zur Neuregelung der Rechtsverhältnisse der öffentlich-rechtlichen Kreditinstitute in Nordrhein-Westfalen" (LT-Drucks. 13/2124; näher vorgestellt in Eildienst L K T NW Nr. 3/März 2002, S. 104 ff.). 6 Pars pro toto Wolfgang Löwer, Der Staat als Wirtschaftssubjekt und Auftraggeber, VVDStRL 60 (2001), S. 416 (418 ff. m.w.N.). Innerhalb der Selbstverwaltungsgarantie des Art. 28 Abs. 2 GG (bzw. des Art. 49 Verf. Rh.-Pf.) fällt die Befugnis zu einem wirtschaftlichen Tätigwerden nicht in den aufgabenbezogenen Gewährleistungsgehalt (anders wohl aber VerfGH Rh.-Pf., DVB1. 2000, S. 992 (993 f.)), sondern ist Teil der Eigenverantwortlichkeitsgarantie (Matthias Rujfert, Kommunalwirtschaft und Landes-Wirtschaftsverfassung, N V w Z 2000, S. 763; Schröder, in: Grimm/Caesar (Fn. 1), Art. 39 Rn. 9).

Martin Burgi

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ist das Erfordernis eines öffentlichen Auftrags verfassungsrechtlich begründet. Das einfache Recht sieht i n Gestalt von Z w e c k - , Leistungsfähigkeitsund Subsidiaritätsklauseln (vgl. z . B . § 85 Abs. 1 G e m O Rh.-Pf.)

weitere

Anforderungen vor, deren Präzisierung 7 eine ebenso wichtige Aufgabe b i l det w i e ihre Versubjektivierung. 8 Seitdem der B G H den Fluchtweg zur ordentlichen Gerichtsbarkeit über die Brücke des § 1 U W G verbaut hat ( m i t Urteil v o m 25.04.2002), 9 sind Verwaltungsrechtsdogmatik und Verwaltungsgerichtsbarkeit

neu gefordert.

Eine

weitere

wachsende Drang zur Marktteilnahme

bildet

der

„extra muros", nicht nur für

Herausforderung

die

Nachbargemeinden, sondern auch i m H i n b l i c k auf das buchstäblich zurückgelassene eigene G e m e i n d e v o l k . 1 0 W i e d e r u m gilt es, Grenzen zu ziehen, u m die unverwechselbaren

und durchaus zukunftsfähigen

kommunalen Wirtschaftstätigkeit zu erhalten. 7

11

Elemente

der

A u f die Organisationsebene

Zu dieser und den anderen einfachrechtlichen Anforderungen vgl. nur Knemeyer/Kempen (Fn. 2), § 17 Rn. 44 ff.; Jörn Axel Kämmerer, Privatisierung, 2001, S. 246 ff.; Stefan Storr, Der Staat als Unternehmer, 2001, S. 429 ff.; Alexander Schink, Wirtschaftliche Betätigung kommunaler Unternehmen, N V w Z 2002, S. 129. Aus der Rechtsprechung: VerfGH Rh.-Pf., DVB1. 2000, S. 992 ff.; OLG Düsseldorf, NWVB1. 1997, S. 353; OLG München, N V w Z 2000, S. 835. In zahlreichen Gemeindeordnungen findet sich diesbezüglich eine Differenzierung danach, ob es sich um „wirtschaftliche oder nichtwirtschaftliche" Tätigkeiten handelt (vgl. z.B. § 85 Abs. 3 GemO Rh.-Pf.), wobei die Tendenz richtigerweise dahin geht, das Tätigwerden vermittels Unternehmen durchgehend als Modus kommunalen Tätigwerdens anzusehen (näher Kämmerer (Fn. 7), S. 240 f.). 8 Bislang verfährt die Rechtsschutzpraxis der Verwaltungsgerichte bei der Anerkennung des drittschützenden Charakters jener einfachrechtlichen Vorschriften restriktiv (vgl. BVerwG, N V w Z 1984, S. 306; NJW 1995, S. 2938), wobei es erste Ansätze zugunsten einer Versubjektivierung zumindest einzelner Tatbestandsmerkmale gibt, so etwa bei VerfGH Rh.-Pf., DVB1. 2000, S. 992 (995 f.); anders OLG Karlsruhe, DVB1. 2001, S. 832. In der Literatur wird versucht, mit Hilfe der Grundrechte eine Versubjektivierung zu ermöglichen (vgl. stellvertretend Rolf Grawert, Zuständigkeitsgrenzen der Kommunalwirtschaft, in: Klaus Grupp/Michael Ronellenfitsch (Hrsg.), FS für W i l l i Blümel, 1999, S. 134 f.; Löwer (Fn. 6), S. 444 ff.). 9 I ZR 250/00. Bis dahin hatten verschiedene Oberlandesgerichte auf dieser Grundlage den privaten Konkurrenten Rechtsschutz gewährt (vgl. nur OLG Düsseldorf, NWVB1. 2000, S. 356; DVB1. 2001, S. 1283). 10 Insoweit folgt aus Art. 28 Abs. 2 GG jedenfalls das Erfordernis einer expliziten, voraussetzungsvollen gesetzlichen Ermächtigung zu überörtlichem Tätigwerden (vgl. nur Janbernd Ο ebbecke, Die örtliche Begrenzung kommunaler Wirtschaftstätigkeit, ZHR 164 (2000), S. 375; Jürgen Kühling, Verfassungs- und kommunalrechtliche Probleme grenzüberschreitender Wirtschaftsbetätigung der Gemeinden, NJW 2001, S. 177 (179 f.); Löwer (Fn. 6), S. 436 ff.). Großzügig OLG Düsseldorf, NWVB1. 2000, S. 356; kritisch Dirk Ehlers, Das neue Kommunalwirtschaftsrecht in Nordrhein-Westfalen, NWVB1. 2000, S. 1 (5 ff.). 11 Darum haben sich in neuerer Zeit u.a. bemüht (neben den bereits zuvor Genannten) Jens-Peter Schneider, Der Staat als Wirtschaftssubjekt und Steuerungsakteur, DVB1. 2001, S. 1250; Martin Burgi, Verwalten durch öffentliche Unternehmen, VerwArch 93 (2002), S. 255 (aus europarechtlicher Perspektive), und natürlich

Neue Organisations- und Kooperationsformen im Wirtschaftsrecht

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gelangt man jedenfalls nur dann, wenn sich die betroffenen unternehmerischen Aktivitäten in funktionaler wie modaler Hinsicht als statthaft erweisen. Daraus folgt, daß Einwände gegen das Ob eines kommunalen Tätigwerdens oder gegen den Modus des Wirtschaftlichen dorthin und nicht auf die Organisationsebene gehören. 2. Die Ebene der Organisation Da sie zur Erfüllung von Verwaltungsaufgaben eingesetzt werden, sind die kommunalen Unternehmen Teil der Verwaltungsorganisation. Die sie betreffenden Vorschriften der Gemeindeordnungen liegen im Schnittpunkt von Kommunalrecht, Wirtschaftsverwaltungsrecht und eben Verwaltungsorganisationsrecht und reglementieren die Wahl der Organisationsform sowie die Steuerung und Kontrolle der Unternehmen. Sie sind das Ergebnis wiederholter punktueller, teilweise sektoraler Reformen. Im Überblick: 12 Nicht-verselbständigte 13 Organisationsformen sind der sog. Regiebetrieb, dessen Einsatz denn auch keinen besonderen Zulässigkeitsvoraussetzungen unterworfen ist, und der Eigenbetrieb (vgl. z.B. § 86 GemO Rh.-Pf.). W i l l die Kommune vermittels einer verselbständigten Verwaltungseinheit unternehmerisch handeln, also aus der Kommunalverwaltung auslagern, jedoch die öffentlich-rechtliche Organisationsform beibehalten, dann steht ihr neuerdings (in einigen Ländern, darunter RheinlandPfalz) die bereits erwähnte öffentlich-rechtliche Anstalt zur Verfügung. Spezialgesetzlich geregelt ist die zwingend öffentlich-rechtliche Organisation der Sparkassen. Die Intensität der Verselbständigung respektive Ausgliederung nimmt zu, wenn privatrechtliche Organisationsformen verwendet werden, weil diese tendenziell größere Gestaltungsspielräume eröffnen und weil Funktion (Erdas dem 64. Deutschen Juristentag 2002 vorgelegte Gutachten von Dirk Ehlers mit dem Titel „Empfiehlt es sich, das Recht der öffentlichen Unternehmen im Spannungsfeld von öffentlichem Auftrag und Wettbewerb national- und gemeinschaftsrechtlich neu zu regeln?" (i.E.). 12 Zu den einzelnen Entwicklungen und Vorschriften vgl. Knemeyer/Kempen (Fn. 2), § 17 Rn. 49 f.; Matthias Ruffert, Grundlagen und Maßstäbe einer wirkungsvollen Aufsicht über die kommunale wirtschaftliche Betätigung, VerwArch 92 (2001), S. 27. 13 Ungeachtet des weitergehenden verwaltungswissenschaftlichen Begriffsverständnisses (vgl. nur Gunnar Folke Schuppe rt, Verwaltungs Wissenschaft, 2000, S. 832 ff.), wird „nicht-verselbständigt" im vorliegenden Zusammenhang i.S.v. „nicht rechtsfähig" verwendet. In diesem Sinne sind die Eigenbetriebe nicht-verselbständigte Organisationsformen, obgleich sie sich gegenüber den Regiebetrieben durch einzelne Elemente der Verselbständigung („als Sondervermögen mit Sonderrechnung") auszeichnen.

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füllung von Verwaltungsaufgaben) 14 und Form (die eigentlich auf die Privatautonomie zugeschnitten ist) auseinanderfallen. 15 Haupterscheinungsformen der privatrechtlich organisierten Wirtschaftsunternehmen sind die Aktiengesellschaft und die Gesellschaft mit beschränkter Haftung. Beide Formen können eingesetzt werden bei Eigengesellschaften oder bei gemischtwirtschaftlichen Unternehmen. 16 Dabei sind bestimmte Voraussetzungen zu erfüllen (vor allem die der Haftungsbegrenzung); teilweise wird ein Nachrang gegenüber den öffentlich-rechtlichen Organisationsformen statuiert (z.B. in § 102 Nr. 1 GO Schl.-H.). 17 Im Sparkassenrecht ist die Verwendung der Privatrechtsform ausgeschlossen. Dies untermauert den Gesamteindruck, wonach die kommunalen Wirtschaftsgesetze der Verselbständigung und vor allem der Wahl der Privatrechtsform einschließlich der gesellschaftsrechtlichen Kooperation mit echten Privaten mit einer Mischung aus Zurückhaltung und Ablehnung begegnen. I I I . Europarechtliche Determinanten Der gerade im Verwaltungsrecht fast schon zur Gewohnheit gewordene Blick nach Europa scheint im vorliegenden Zusammenhang keine evidenten Determinanten zu erweisen. Zwar sind die verschiedenen Aufgabenfelder der Daseinsvorsorge und vor allem die Modalität der unternehmerischen Aufgabenerfüllung dem kontinuierlichen Zugriff von EG-Kommission und EuGH unter dem Regime des europäischen Binnenmarkts- und Wettbewerbsrecht unterworfen, 18 doch die Organisation all dessen gilt weithin als Restbestandteil nationaler Autonomie. 19 Wenn die Kommission einmal 14

Demnach ändert sich nach heute h.M. nichts am Fortbestehen der verfassungsrechtlichen Bindungen des Staatshandelns, insbesondere am Eingreifen der Grundrechtsbindung (vgl. nur Klaus Stern, Staatsrecht I I I Bd. 1, 1988, S. 1405 ff.; Wolfram Höfling, in: Michael Sachs (Hrsg.), Grundgesetz, 2. Aufl. 1999, Art. 1 Rn. 95 mit Fn. 322). 15 Eingehend problematisiert bei Joachim Burmeister, VVDStRL 52 (1993), S. 218 ff.; Dirk Ehlers, in: Hans-Uwe Erichsen (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht, 11. Aufl. 1999, § 2 Rn. 77 m.w.N. 16 Vgl. nur Roman Loeser, System des Verwaltungsrechts II, 1994, Rn. 138 ff.; Walter Krebs, Notwendigkeit und Struktur eines Verwaltungsgesellschaftsrechts, Die Verwaltung 29 (1996), S. 309 ff., sowie aus gesellschaftsrechtlicher Perspektive Wolfgang Schön, Der Einfluß öffentlich-rechtlicher Zielsetzungen auf das Statut privatrechtlicher Eigengesellschaften der öffentlichen Hand, ZGR 25 (1996), S. 429, bzw. Mathias Habersack, Private public partnerships: Gemeinschaftsunternehmen zwischen Privaten und der öffentlichen Hand, ZGR 25 (1996), S. 544. Eine detaillierte Untersuchung der bei der Erfüllung von Verwaltungsaufgaben zum Einsatz gelangenden privatrechtlichen Organisationsformen hat jüngst Thomas Mann, Die öffentlich-rechtliche Gesellschaft, 2002 (i.E.), § 9, vorgelegt. 17 Zusammengestellt bei Knemeyer/Kempen (Fn. 2), § 17 Rn. 87; Kämmerer (Fn. 7), S. 248 f., sowie noch unten V 2.

Neue Organisations- und Kooperationsformen im W i r t s c h a f t s r e c h t 6 1

selbst von „Neutralität und Gestaltungsfreiheit" spricht und damit u.a. die Wahl der Rechtsform 20 und die Option der überörtlichen kommunalen Marktteilnahme meint, dann droht die Suche nach Europäisierungseffekten zu einem - leider vermehrt zu beobachtenden - bloßen Beschwörungsritual zu werden. Dennoch sind in der Reformdiskussion um das Organisationsrecht der kommunalen Wirtschaftsteilnahme drei Aspekte der Europäisierung beachtlich: Der erste Aspekt betrifft das Umfeld. Das europäische Gemeinschaftsrecht hat einen dynamischen Prozeß der Stimulierung wirtschaftlicher Aktivitäten in Gang gesetzt, durch den bestehende Märkte geöffnet, neue Märkte erschlossen und ganz allgemein Grenzen überwunden worden sind. Im Sog dieser Entwicklung ist ein Anpassungsdruck entstanden, der eine ganz zentrale Ursache 21 für das gegenwärtige Bild der kommunalen Unternehmenslandschaft bildet: Die wachsende Konkurrenz, die teilweise wachsenden Märkte, aber auch das wiedererwachte Interesse am eigenen Unternehmen als Instrument politischer Steuerung 22 führen zu einer strategischen Neuorientierung, die vielfach mit der Suche nach Kooperationspartnern, sei es innerhalb der kommunalen Familie, sei es in der Privatwirtschaft, beginnt. Der zweite Effekt wird durch ganz konkrete Vorgaben im Sekundärrecht der Gemeinschaft bewirkt, nämlich durch die in der sog. Transparenzrichtlinie enthaltenen Verpflichtungen nach außen und - seit der letzten Erweiterung 23 - nach innen, wo v.a. eine nach Geschäftsbereichen getrennte Buchführung verlangt wird. 18 Ausführlich geschildert bei Burgi (Fn. 11), S. 255 ff. m.w.N.; Thomas von Danwitz, Dienste von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse in der europäischen Wettbewerbsordnung - Eine Perspektive für das öffentliche Kreditwesen, NWVB1. 2002, S. 132. 19 Sog. Grundsatz der verfahrensmäßigen und organisatorischen Autonomie der Mitgliedstaaten (vgl. EuGH, Slg. 1971, 49 (59); Slg. 1971, 1107 (1116); Wolfgang Kahl, Das öffentliche Unternehmen im Gegenwind des europäischen Beihilferegimes, N V w Z 1996, S. 1082). 20 Die Neutralität in Bezug auf die Unternehmensorganisation sieht die Kommission in ihren Mitteilungen zu den „Leistungen der Daseinsvorsorge in Europa" durch Art. 295 EG gewährleistet (Mitteilung vom 20.9.2000 ( K O M 2000, 580 endg., Ziffer 21 f.); Bericht vom 17.10.2001 ( K O M 2001, 598 endg., Ziffer 7 ff.). Hierin dürfte auch der Grund dafür Hegen, daß die Kommission die Aufnahme Privater als Gesellschafter in öffentlichen Unternehmen, den sog. Beteiligungswettbewerb, offenbar nicht als Teil von Marktöffnungsprozessen sieht, weswegen es auch keine diesbezüglichen Ausschreibungspflichten gibt (vgl. hierzu Walter Frenz, Ausschreibungspflicht einer Übertragung von Gesellschaftsanteilen?, DÖV 2002, S. 186). 21 Zu weiteren Determinanten vgl. Thomas Edeling u.a. (Hrsg.), Öffentliche Unternehmen. Entwicklung und Privatisierung, 2001. 22 Zu der vielfach übersehenen politischen Funktion der öffentlichen Unternehmen als Steuerungsmedien der Verwaltung vgl. I V 1; zu den diesbezüglichen europarechtlichen Determinanten vgl. Burgi (Fn. 11), S. 264 ff.

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Der dritte Effekt schließlich entstammt dem Primärrecht, das die k o m m u nalen Unternehmen und ihre Träger i m Interesse der Gleichbehandlung m i t den privatwirtschaftlichen Unternehmen den Spielregeln von B i n n e n m a r k t 2 4 und „offenem Wettbewerb" (vgl. Art. 4 Abs. 1 EG) unterwirft (vgl. Art. 86 Abs. 1 u. 2 E G ) . 2 5 Dies z w i n g t zur Rechtfertigung nicht nur von M o n o p o l - , sondern auch von anderen Vorzugsstellungen, gleichgültig ob diese materiellrechtlicher Natur sind (wie etwa der Anschluß- und Benutzungszwang) oder dem Organisationsrecht

entspringen,

w i e die

Gewährträgerhaftung

(vgl. z . B . § 86a Abs. 4 G e m O Rh.-Pf.) und die Anstaltslast. Daß diese in den neuen Sparkassengesetzen (vgl. z . B . § 3 Abs. 2 SparkassenG Rh.-Pf.) modifiziert und jene abgeschafft wird, ist bekanntlich eine Reaktion auf den V o r w u r f der E U - K o m m i s s i o n , ein marktwirtschaftlich denkender Investor würde für sein Unternehmen nicht m i t entsprechender Intensität einstehen, weswegen von einer nach Art. 87, 88 EG-Vertrag rechtswidrigen Beihilfe auszugehen s e i . 2 6 A u c h wenn hier und i m H i n b l i c k auf weitere Bereiche der Daseinsvorsorge noch vieles unklar i s t 2 7 und in Gestalt der A r t . 86 Abs. 2 E G 2 8 und 16 E G Schutzklauseln zugunsten der „Dienste von allge-

23 Richtlinie 80/723/EWG über die Transparenz der finanziellen Beziehungen zwischen den Mitgliedstaaten und den öffentlichen Unternehmen vom 25.6.1980 (ABl. EG Nr. L 195/35), zuletzt geändert durch Richtlinie 2000/52/EG vom 26.7.2000 (ABl. EG Nr. L 193/75), umgesetzt durch Gesetz vom 16.8.2001 (BGBl. I, S. 2141); näher hierzu Gabriele Britz, Staatliche Förderung gemeinwirtschaftlicher Dienstleistungen in liberalisierten Märkten und europäisches Wettbewerbsrecht, DVB1. 2000, S. 1641 (1647 ff.). 24 Dies impliziert vor allem die Bindung an die Grundfreiheitsbestimmungen (EuGH, Slg. 1974, 409 (430); Slg. 1990, 1-4625 (4643); Storr (Fn. 7), S. 298 f.). 25 Neben den sogleich anzusprechenden Beihilfevorschriften betrifft dies die Geltung der Art. 81 u. 82 EG. Eine systematisierende Aufbereitung der Stellung der öffentlichen Unternehmen im Gemeinschaftsrecht bietet Storr (Fn. 7), S. 255 ff. m. w.N. 26 Die „Anstaltslast" betrifft die Verpflichtung, die Anstalt zur Erfüllung ihrer Aufgaben instand zu halten, während die Gewährträgerhaftung zur Folge hat, daß der Gewährträger unmittelbar in Anspruch genommen werden kann, falls sich die Gläubiger nicht aus dem Vermögen der Bank befriedigen können (zu den Einzelheiten vgl. Stern (Fn. 2), S. 815 ff.). A m 17. Juli 2001 haben sich die EG-Kommission und eine Gruppe aus Vertretern der Bundesregierung und der Bundesländer auf eine entsprechende Vereinbarung mit dem Ziel geeinigt, jegliche Verpflichtung des öffentlichen Eigners zur wirtschaftlichen Unterstützung und jeglichen Automatismus wirtschaftlicher Unterstützung zugunsten des Kreditinstituts auszuschließen (vgl. Janbernd Oebbecke, Das Europarecht als Katalysator der Sparkassenpolitik, VerwArch 93 (2002), S. 278 ff.). A m 28.2.2002 erfolgte eine konkretisierende Verständigung zwischen Vertretern der Kommission und der Bundesrepublik. 27

Dies gilt vor allem für den Tatbestand der Beihilfe nach Art. 87 Abs. 1 EG und für den diesbezüglichen Einfluß des Art. 86 Abs. 2 EG (vgl. hierzu zuletzt EuGH, EuZW 2002, S. 48 (Ferring) mit Anm. Reinhard Rüge). 28 Ausführlich hierzu Burgi (Fn. 11), S. 266 ff. m.w.N.

Neue Organisations- und Kooperationsformen im Wirtschaftsrecht

meinem wirtschaftlichem Interesse" 29 vorhanden sind, besteht jedenfalls ein kontinuierlicher Zwang zur organisationsrechtlichen Rationalität. Dabei haben es Pauschalmodelle wie die umstandslos angeordnete Gewährträgerhaftung schwerer als organisatorische Lösungen, die an den Umständen des Einzelfalls, und das heißt vor allem an den Erfordernissen der jeweils zu bewältigenden Aufgabe orientiert sind. Mit anderen Worten und zum verfassungsrechtlichen Teil überleitend: Eine Reform des kommunalen Wirtschaftsrechts, die die Organisationshoheit auf der Ebene vor Ort stärken würde, läge europarechtlich gesehen durchaus nicht falsch. I V . Das kommunale Wirtschaftsrecht als Teil des Verwaltungsorganisationsrechts Sieht man in der kommunalen Wirtschaftstätigkeit einen Modus der Erfüllung von Verwaltungsaufgaben, dann erweist sich deren Organisation zwanglos als ein Teil der Verwaltungsorganisation, für den grundsätzlich die allgemeinen verfassungsrechtlichen Vorgaben gelten. 30 Da diese seit einigen Jahren Gegenstand intensiver, auch verwaltungswissenschaftlich inspirierter Forschungsbemühungen sind, muß sich die Reformdebatte im kommunalen Wirtschaftsrecht öffnen und Anschluß halten. Die gegenwärtige Herausforderung besteht m.E. darin, das kommunale OrganisationsWirtschaftsrecht als „Besonderen Teil" weiterzuentwickeln, anstatt es zu einem isolierten Spezialgebiet werden zu lassen. 1. Verwaltungsorganisationsrecht

als Steuerungsressource

Die kommunalen öffentlichen Unternehmen sind nach allgemeiner Auffassung Steuerungsmedien der Kommunalverwaltungen. Mit ihnen werden 29 Hierzu jüngst von Danwitz (Fn. 18), S. 132; Stefan Storr, Zwischen überkommener Daseinsvorsorge und Diensten von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse, DÖV 2002, S. 357 ff. 30 Deren grundsätzliche Geltung (vgl. bereits Fn. 14) wird nicht durch den Umstand der Verwendung der Privatrechtsform ausgeschlossen, auch nicht durch den Charakter als „lediglich" erwerbswirtschaftlich fiskalisches Handeln (vgl. ErnstWolf gang Böckenförde, Demokratie als Verfassungsprinzip, in: Josef Isensee/Paul Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Bd. 1, 1995, § 22 Rn. 13; Matthias Jestaedt, Demokratieprinzip und KondominialVerwaltung, 1993, S. 226 f., 238 ff.; Martin Burgi, Funktionale Privatisierung und Verwaltungshilfe, 1999, S. 248 f., 316 ff.). Anwendbar ist insbesondere das sogleich zu thematisierende Gebot demokratischer Legitimation (vgl. Hubertus Gersdorf, Öffentliche Unternehmen im Spannungsfeld zwischen Demokratie- und Wirtschaftlichkeitsprinzip, 2000, S. 29 ff.; Rainer Wahl, Organisation kommunaler Aufgabenerfüllung im Spannungsfeld von Demokratie und Effizienz, in: Hans-Günter Henneke (Hrsg.), Organisation kommunaler Aufgabenerfüllung, 1998, S. 15 ff.).

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die Formalziele Gewinn (soweit nach einfachem Recht statthaft), Liquidität, Wachstum und zusätzlich bestimmte Sachziele (geordnete Abfallentsorgung, erfolgreiche Krankenbehandlung, zuverlässiger Nahverkehr etc.) verfolgt. Als Steuerungsmedium bildet das kommunale öffentliche Unternehmen eine Alternative zu den klassischen Steuerungsmedien Aufsicht, Lenkung oder (neuerdings) Regulierung, mit denen die Sachziele im Vollzug gesetzlicher Vorgaben verwirklicht werden sollen. 31 Das kommunale Unternehmen als Organisationseinheit ist somit nicht um seiner selbst willen geschaffen, sondern als Instrument der Gemeinwohlverwirklichung. Die Verwaltung setzt es ein, um bestimmte Ziele zu erreichen, um Aufgaben zu erfüllen. Damit dies gelingt, bedarf es einer adäquaten Organisation und das Recht, daß diese Organisation regelt, hat nicht nur die Funktion, Aufbau und Abläufe festzulegen, sondern ist darüber hinaus Steuerungsressource. Mit ihm werden die organisatorischen Bedingungen der Gemeinwohlverwirklichung festgelegt und ggf. neu angepaßt.32

2. Verfassungsrechtliche

Determinanten

Ganz im Vordergrund der verfassungsrechtlichen Beschäftigung mit dem Verwaltungsorganisationsrecht steht das Gebot demokratischer Legitimation, welches sich allgemein aus Art. 20 Abs. 2 GG ergibt und auf der kommunalen Ebene zusätzlich durch die politische Funktion der Selbstverwaltung als Modus bürgerschaftlicher Teilhabe an der Staatsgewalt33 betont wird. Ist der Tatbestand des Legitimationsgebotes erfüllt, so ist die Erreichung eines bestimmten Legitimationsniveaus Pflicht und die Gemeindeverwaltung daher gehalten, durch Aufsicht (gegenüber öffentlich-rechtlichen Ein-

31 Aus wirtschafts- und sozialwissenschaftlicher Sicht: Theo Thiemeyer, Instrumentalfunktion öffentlicher Unternehmen, in: Klaus Chmielewicz/Peter Eichhorn (Hrsg.), Handwörterbuch der öffentlichen Betriebswirtschaft, 1989, S. 671 ff.; aus dem rechts wissenschaftlichen Bereich: Michael Ronellenfitsch, Wirtschaftliche Betätigung des Staates, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Bd. 3, 1988, § 84 Rn. 16 ff.; Günter Püttner, Die öffentlichen Unternehmen, 2. Aufl. 1985, S. 264; Eberhard Schmidt-Aßmann, Das allgemeine Verwaltungsrecht als Ordnungsidee, 1998, S. 52. 32 Zur Funktion des Verwaltungsorganisationsrechts als Steuerungsressource vgl. Eberhard Schmidt-Aßmann/Wolfgang Hoffmann-Riem (Hrsg.), Verwaltungsorganisationsrecht als Steuerungsressource, 1997; Thomas Groß, Das Kollegialprinzip in der Verwaltungsorganisation, 1999, S. 19 ff.; Matthias Schmidt-Preuß, Steuerung durch Organisation, DÖV 2001, S. 45 f. 33 Pointiert Wolfgang Graf Vitzthum, Gemeinderechtliche Grenzen der Privatisierung kommunaler Wirtschaftsunternehmen, AöR 104 (1979), S. 580 (626), mit dem Hinweis darauf, daß im Recht auf Selbstverwaltung „auch ein Moment der Pflichtigkeit" stecke, und zwar gegenüber der Bürgerschaft.

Neue Organisations- und Kooperationsformen im Wirtschaftsrecht heiten) bzw. gesellschafts- und vertragsrechtliche E i n w i r k u n g

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(gegenüber

privatrechtsförmigen Einheiten) die Verwirklichung des politischen W i l l e n s sicherzustellen. 3 4 Diesem Anliegen sind die eingangs skizzierten organisationsrechtlichen Bestimmungen der Kommunalwirtschaftsgesetze

verpflich-

tet, i h m entspringt insbesondere die konstatierte Zurückhaltung gegenüber Verselbständigungen und gegenüber der Verwendung der Privatrechtsform. Verschiedene Studien erweisen Defizite bei Steuerung, Kontrolle und K o m munalaufsicht, 3 5 allerdings weniger bei den gesetzlichen Vorgaben, sondern mehr bei deren Vollzug. Rechtswissenschaftliche Arbeiten beleben die tradierte Furcht vor der „Flucht ins Privatrecht" neu, indem sie die sog. Formenwahlfreiheit der Verwaltung stärker konditionieren und der Verfassung „ D i r e k t i v e n " zulasten jener Organisations- und Kooperationsformen entnehmen w o l l e n . 3 6 U n d dennoch: Das Gebot demokratischer L e g i t i m a t i o n ist nicht die einzige organisationsrelevante

Verfassungsvorgabe

und es verpflichtet

auch

nicht dazu, sämtliche Organisationseinheiten am L e i t b i l d der Ministerialbürokratie auszurichten. 3 7 Verselbständigungen und die Einbeziehung Privater 34 Das Legitimationsgebot zielt auf die Rückführbarkeit der durch die Verwaltung ausgeübten staatlichen Herrschaft („Staatsgewalt" i.S.d. Art. 20 Abs. 2 GG) auf das Volk als Legitimationssubjekt; sein Tatbestand ist jedenfalls erfüllt, wenn eine Verwaltungstätigkeit eine gewisse Intensitätsschwelle überschreitet. Ob das erforderliche Legitimationsniveau erreicht ist, ergibt sich im Wege einer Gesamtbetrachtung der beiden zentralen Legitimationsstränge, der personell-organisatorischen und der sachlich-inhaltlichen Legitimation; vgl. zum Ganzen Eberhard Schmidt-Aßmann, Verwaltungslegitimation als Rechtsbegriff, AöR 116 (1991), S. 329; Jestaedt (Fn. 30), S. 138 ff., sowie BVerfGE 83, 60 (71 f.); BVerfGE 93, 37 (66). Die Aufsicht (vgl. BVerfGE 93, 37 [67]; Wolfgang Kahl, Die Staatsaufsicht, 2000, S. 349 ff.) ist hierbei ein Medium der Sicherstellung der Bindung der Verwaltung an die inhaltlichen Vorgaben des Gesetzes; mit ihm vergleichbar ist bei privatrechtsförmigen Organisationsformen das Institut der Einwirkungspflicht (Günter Püttner, Die Einwirkungspflicht, DVB1. 1975, S. 353; Dirk Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, 1984, S. 124 ff.; vgl. auch BVerwG, DÖV 2001, S. 124). 35 Eine empirische Analyse der Defizite bietet Gunnar Folke Schuppert, Zur Kontrollierbarkeit öffentlicher Unternehmen, Anlage zur Drucks. 9/4545 der Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg; vgl. ferner Storr (Fn. 7) S. 33 f.; Schneider (Fn. 11), S. 1251 f.; Thomas Mann (Fn. 16), §§ 7, 8 und 9. Zu den Defiziten sub specie der Kommunalaufsicht vgl. Ruffert (Fn. 12), S. 47 ff., 51 ff. 36 Zur Lehre von der sog. Formen wahlfreiheit der Verwaltung vgl. nur Dirk Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, S. 64 ff.; Thomas von Danwitz, Vom Verwaltungsprivat- zum Verwaltungsgesellschaftsrecht - Zu Begründung und Reichweite öffentlich-rechtlicher Ingerenzen in der mittelbaren Kommunal Verwaltung, AöR 120 (1995), S. 595; hierbei handelt es sich freilich nicht um eine Freiheit, sondern um einen „pflichtgebundenen Gestaltungsspielraum" (Ehlers (Fn. 11), E V I I 1). Als Versuche der strengeren Konditionierung in neuerer Zeit: Bull (Fn. 2), S. 55 ff.; Ehlers (Fn. 11), E V I I 1; zu den angeblich „maßgeblichen Organisationsdirektiven": E V I I 2. 5 FS Schröder

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treten m i t wachsender Tendenz bei der Erfüllung ganz unterschiedlicher Verwaltungsaufgaben auf, und zwar i n einem Maße, daß zu Recht von einer „Pluralisierung der Verwaltungsorganisation" gesprochen werden kann. A l s wichtiges Beispiel seien die teilweise m i t privaten Sachverständigen besetzten Gremien und Ausschüsse i m U m w e l t -

und Technikrecht

genannt. 3 8

Diese und andere sog. verselbständigte Verwaltungseinheiten können Vorteile besitzen, die i n die verfassungsrechtliche Gesamtbeurteilung eingestellt werden müssen: Entlastung der unmittelbaren Verwaltung, größere Sachnähe durch Distanz zur Politik, Flexibilität, Ermöglichung einer Abgrenzung von Verantwortung und K o n t r o l l e . 3 9 M i t der Einbeziehung Privater verbinden

sich weitere

Vorzüge.

Neben den stark

einzelfallabhängigen

Steuer- und personalrechtlichen A s p e k t e n 4 0 liegen diese ganz einfach Z u k a u f einer anderen Handlungsrationalität, 4 1

im

m i t der sich die legitime

Hoffnung auf Effizienz- und Rentabilitätsgewinn, 4 2 auf Zuwachs von Strategiekompetenz 4 3 und Kapital verbindet. N i c h t selten mag der Einstieg i n die vollständige Aufgabenprivatisierung intendiert s e i n . 4 4 Kurz: D i e Plurali37 Zwar dürfte die hierarchisch-bürokratische Ministerialorganisation als Regeltypus administrativer Organisation unter dem Grundgesetz anzusehen sein (so wohl BVerfGE 93, 37 (67)), jedoch können abweichende Organisationsformen akzeptabel sein, wenn das verfassungsrechtlich gebotene Legitimationsniveau erreicht wird (BVerfGE 83, 60 (72); BVerfGE 93, 37 (67)). Hierbei ist eine Gesamtsaldierung aller für den Zurechnungszusammenhang relevanter Faktoren, unter Einbeziehung auch der aufgabenbezogenen Verfassungsbestimmungen (vgl. sogleich im Text) vorzunehmen und zu beachten, daß die Verfassung auch die Verwaltung als eigene Gewalt konstruiert hat (sog. institutionell-funktionelle Legitimation; Schmidt-Aßmann (Fn. 34), S. 363 ff.). 38 Insoweit kann die Einbeziehung von definitionsgemäß weisungsfreien privaten Sachverständigen in den entsprechenden Gremien u.U. als Ausdruck eines verfassungsrechtlich legitimierten weisungsfreien Raumes gesehen werden (näher Udo Di Fabio, Verwaltungsentscheidung durch externen Sachverstand, VerwArch 81 (1990), S. 193 (209 ff., 216 ff.); zu den „pluralistisch geprägten Verwaltungseinheiten" vgl. auch Schmidt-Aßmann (Fn. 31), S. 226 ff.). 39 Zu den Vor- und Nachteilen der Schaffung verselbständigter Verwaltungseinheiten vgl. Brun-Otto Bryde, Die Einheit der Verwaltung, VVDStRL 46 (1988), S. 182 f.; Schmidt-Aßmann (Fn. 31), S. 223 ff.; Gunnar Folke Schuppert, Verwaltungswissenschaft, 2000, S. 832 ff. Speziell mit Blick auf die öffentlichen Unternehmen: Storr (Fn. 7), S. 82 m.w.N. 40 Diese und andere einfachrechtliche Parameter untersuchen Ehlers (Fn. 34), S. 292 ff.; Mann (Fn. 16), § 8, der ein eher ernüchterndes Fazit zieht. 41 Vgl. bereits Martin Burgi (Fn. 30), S. 381. Insoweit handelt es sich um ein Konzept der Rekonstruktion des Verhältnisses von öffentlichem Recht und Privatrecht als „wechselseitige Auffangordnungen" (Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Öffentliches Recht und Privatrecht als wechselseitige Auffangordnungen, 1996, und sub specie der unternehmerischen Staatstätigkeit Storr (Fn. 7), S. 484 f f ) . 42 Storr (Fn. 7), S. 83. 43 Ferdinand Kirchhof, Kommunale Aufgabenerfüllung durch ausgegliederte Einheiten, in: Hans-Günter Henneke (Hrsg.), Kommunale Aufgabenerfüllung in An-

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sierung der Organisation kommunalen Wirtschaftens ist keine bloße Modeerscheinung, sondern Folge eines kontinuierlich realisierten Steuerungskonzepts. Nun ist unser Anliegen nicht verwaltungswissenschaftlicher, sondern verfassungs- und verwaltungsrechtlicher Natur. Dabei ergibt sich die Notwendigkeit der Einbeziehung der aufgabenbezogenen Verfassungsaussagen in das Verwaltungsorganisationsrecht. Da die Organisation nicht Selbstzweck ist, sondern der Erfüllung von Verwaltungsaufgaben dient, ist es ein im Rechtsstaatsprinzip verankertes Gebot, eine rationale Zuordnung von Organisationen zu Aufgaben sicherzustellen. 46 Hierbei spielen die jeweiligen materiellrechtlichen Vorgaben ebenso eine Rolle wie das Erfordernis der Effizienz des Verwaltungshandelns und das in Art. 114 Abs. 2 Satz 1 GG verankerte Gebot der Wirtschaftlichkeit. 47 Ob sich nun in der Summe all dessen ein „Grundsatz funktionsgerechter Organisationsstruktur" 48 begründen läßt oder nicht: Die aufgabenbezogenen Verfassungsaussagen sind jedenfalls bei der Beurteilung abweichender Organisations- und Kooperationsformen einzubeziehen und sie können grundsätzlich die Legitimation von Verselbständigungen sowie die Einbeziehung Privater bewirken, weil sie den geschilderten Vorzügen und Hoffnungen verfassungsrechtlichen Halt bieten - im Bereich des wirtschaftlichen Handelns noch eher als sonst. Überdies festigen sie die schon im europarechtlichen Teil gewonnene Einstaltsform, 2000, S. 31 (39), spricht vom Erfordernis des Erwerbs von Fachwissen und Managementkenntnissen. 44 Auch dies ist nicht per se zu verurteilen, da die Vorschriften des kommunalen Wirtschaftsrechts mit ihrer grundsätzlichen Zurückhaltung gegenüber einer Wirtschaftsteilnahme (vgl. I I 1) ihrerseits Raum für die private Aufgabenerfüllung freihalten wollen. 45 Man mag die in diesem Bereich relevanten Bestimmungen mit dem Begriff des „privaten Organisationsrechts" (Rainer Wahl, Privatorganisationsrecht als Steuerungsinstrument bei der Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben, in: Hoffmann-Riem/ Schmidt-Aßmann (Fn. 45, S. 301 ff.)) bezeichnen, wenn man sich nur bewußt bleibt, daß es sich um einen Teil des Verwaltungsorganisationsrechts handelt. 46 Vgl. Walter Krebs, Verwaltungsorganisation, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Bd. 3, 1988, § 69 Rn. 77 ff.; Schmidt-Aßmann (Fn. 31), S. 62 f. 47 Unter Berufung hierauf will Löwer (Fn. 6), S. 443 f., „eine interne Organisationsdifferenzierung innerhalb der Exekutive" legitimieren, mithin eine teilweise Lösung vom hierarchischen Prinzip rechtfertigen, ohne „den Gedanken notwendiger demokratischer Legitimation völlig aufgeben zu können". 48 Näher hierzu Eberhard Schmidt-Aßmann, Zum staatsrechtlichen Prinzip der Selbstverwaltung, in: Peter Selmer/Ingo v. Münch (Hrsg.), GS für Wolfgang Martens, 1987, S. 249 ff., 263 f.; Thomas von Danwitz, Der Grundsatz funktionsgerechter Organstruktur, Der Staat 35 (1996), S. 329 ff.; Thomas Groß, Kollegialprinzip, S. 200 ff., sowie sub specie der unternehmerischen Staatstätigkeit Löwer (Fn. 6), S. 443 f. 5*

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Schätzung, daß letztlich die Umstände der einzelnen Aufgabe, 49 und das heißt die Umstände vor Ort, ausschlaggebend sind. V. Der Beruf unserer Z e i t . . . Diese notwendigerweise knappen Überlegungen führen zu der These, daß die teilweise praktizierte Verbots- und Verleugnungsstrategie nicht fortgesetzt oder gar verschärft werden sollte. Diese These wird durch eine in der bisherigen Reformdiskussion m.E. zu wenig beachtete Verfassungsvorgabe untermauert, nämlich die Garantie der kommunalen Organisationshoheit. 7. Gewährleistung

der kommunalen Organisationshoheit

Die Befugnis, eigenverantwortlich über den Einsatz bestimmter Organisations(rechts)formen sowie über die Kooperation mit anderen Kommunen zu entscheiden, bildet einen seit langem anerkannten Bestandteil der Selbstverwaltungsgarantie aus Art. 28 Abs. 2 GG bzw. den entsprechenden Bestimmungen in den Landesverfassungen (z.B. Art. 49 Verf. Rh.-Pf.). Als Organisations- 50 bzw. Kooperationshoheit 51 ist sie Ausfluß der Eigenverantwortlichkeitsgarantie, dem zweiten Gewährleistungsgehalt des Selbstverwaltungsrechts. Die dadurch erfaßten Freiräume sind umso wichtiger, je mehr in den ersten Gewährleistungsgehalt, betreffend den kommunalen Aufgabenkreis, eingegriffen wird. 5 2 Der Gesetzgeber im kommunalen Wirtschaftsrecht ist hierdurch in zweifacher Hinsicht herausgefordert: Zum ersten bei der Formung und Ausgestaltung der kommunalen Selbstverwaltung, 5 3 konkret bei der Zurverfügungstellung neuer Organisationsrechtsformen, die die Gemeinde wegen des parlamentarischen Organisationsvorbe-

49 Dies betonen auch Ehlers (Fn. 34), S. 292 ff.; Wilfried Erbguth/Frank Stollmann, Erfüllung öffentlicher Aufgaben durch private Rechtssubjekte?, DÖV 1993, S. 798 ff.; Ulrich Cronauge, Kommunale Unternehmen, 3. Aufl. 1997, Rn. 113 ff. 50 Allg. zur Organisationshoheit Edzard Schmidt-Jortzig, Kommunale Organisationshoheit, 1979; BVerfGE 91, 228; Peter J. Tettinger, in: Hermann von Mangoldt/ Friedrich Klein/Christian Starck (Hrsg.), Band 2, 4. Aufl. 2000, Art. 28 Rn. 179. Dazu, daß hiervon auch die Befugnis zur Verwendung der privatrechtlichen Organisationsformen umfaßt ist, vgl. Hans Uwe Erichsen, Kommunalrecht NRW, 2. Aufl. 1997, S. 269 ff. 51 Vgl. BVerfG, N V w Z 1987, S. 123 f.; Tettinger (Fn. 50), Art. 28 Rn. 179; Schröder (Fn. 1), Art. 49 Rn. 10. 52 Hierauf hat bereits Graf Vitzthum (Fn. 33), S. 604 ff., hingewiesen. 53 Dazu, daß die institutionelle Garantie der kommunalen Selbstverwaltung der rechtlichen Form und Ausgestaltung bedarf, vgl. BVerfGE 79, 127 (143); Wolfgang Löwer, in: Ingo von Münch/Philip Kunig (Hrsg.), Grundgesetz, Band 2, 4. Aufl. 2001, Art. 28 Rn. 59.

Neue Organisations- und Kooperationsformen im Wirtschaftsrecht

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halts nicht selbst schaffen kann. 54 Hier gilt: Je mehr Optionen der Gesetzgeber den Gemeinden eröffnet, desto besser kann sich deren Organisationshoheit entfalten. Zum zweiten und vor allem wirkt die Selbstverwaltungsgarantie gleichsam als Abwehrrecht gegenüber gesetzlichen Einschränkungen der freien Entscheidung für eine der bestehenden Organisationsformen, namentlich im Hinblick auf die privatrechtlichen Formen. Derartige Einschränkungen müssen gemeinwohlgeboten sein und das Übermaßverbot beachten, 55 mit anderen Worten, es entsteht ein Zwang zur Rationalität der kommunalen Organisationsgesetzgebung, was sich teilweise mit den bereits angestellten allgemein-verwaltungsorganisationsrechtlichen Überlegungen deckt und sich insbesondere bei der Überprüfung von Verbots- und Vorrangregelungen auswirken wird (vgl. sogleich 2). Die Garantie der kommunalen Organisationshoheit vervollständigt das Tableau der verfassungsrechtlichen Determinanten, indem sie die Zuständigkeit für das Organisieren innerhalb des durch Demokratie- und Rechtsstaatsprinzip gezogenen Rahmens verteilt: Wer soll entscheiden, wie viel politischer Einfluß aufgegeben wird, wie viel Verselbständigung erwünscht ist und wie viel private Handlungsrationalität zum Zuge kommen soll? Antwort: Grundsätzlich und jenseits des Parlamentsvorbehalts die Kommune selbst. Trifft sie Fehlentscheidungen, die die örtliche Selbstverwaltung schwächen, so schadet sie sich selbst, was politisch bestraft werden mag. Der Staat indes ist nicht zum Schutze der Kommunen gegen sich selbst berufen. 2. Grundsätzlicher Verzicht auf Rechtsformverbote und Vorrangregelungen Wie ist es nun zu beurteilen, daß die neuen Sparkassengesetze unverändert die Rechtsform der Anstalt des öffentlichen Rechts vorschreiben und damit den Einsatz privatrechtlicher Organisationsformen verbieten? Und können die in verschiedenen Gemeindeordnungen enthaltenen Vorrangregelungen zugunsten des Eigenbetriebes fortbestehen? 56 Zusätzlich wurde jüngst vorgeschlagen, diesen Vorrang auch den neueingeführten Kommunal54

Zur Reichweite des sog. institutionell-organisatorischen Gesetzesvorbehalts, der jedenfalls der Einrichtung weiterer Verwaltungsträger unterfällt, vgl. nur Fritz Ossenbühl, Vorrang und Vorbehalt des Gesetzes, in: HdbStR I I I (Fn. 46), § 62 Rn. 28. 55 Außerhalb des Kernbereichs, in dem Einschränkungen gänzlich ausgeschlossen sind (vgl. nur Schröder (Fn. 1), Art. 49 Rn. 12). 56 Belege sind in Fn. 17 enthalten; zur Prüfung am Maßstab des Art. 28 Abs. 2 GG: Graf Vitzthum (Fn. 33), S. 602 ff.; Günter Püttner, Zur Wahl der Privatrechtsform für kommunale Unternehmen und Einrichtungen, 1993, S. 28 ff.; Emst-Otto Schnaudigel, Der Betrieb nichtwirtschaftlicher kommunaler Unternehmen in Rechtsformen des Privatrechts, 1995, S. 89 ff.

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Martin Burgi

unternehmen in Anstaltsform einzuräumen und durchgehend einen Nachrang des gemischtwirtschaftlichen Unternehmens zu statuieren. 57 Sogar die Verwaltungshilfe, d.h. die Übertragung ganzer Teilbeiträge auf echte Private, wird teilweise als vorzugswürdige Option angesehen, obgleich die dort vorhandenen Steuerungs- und Kontrollinstrumentarien weniger gefestigt sind als die Einwirkungsmöglichkeiten innerhalb der gesellschaftsrechtlich geordneten Strukturen des gemischtwirtschaftlichen Unternehmens. 58 M.E. gehören die Rechtsformverbote und alle gegenwärtigen wie künftigen Vorrangregelungen auf den Prüfstand der Garantie der kommunalen Organisationshoheit.59 So fehlt eine tragfähige Begründung dafür, daß die Versorgung der Bevölkerung mit Krediten zwingend der öffentlich-rechtlichen Organisationsform bedürfen soll, während die Versorgung mit den durchaus wichtigeren Gütern Wasser und Strom seit jeher auch durch privatrechtsförmig organisierte kommunale Unternehmen erfolgen darf. Der Hinweis darauf, daß die öffentlich-rechtliche Organisationsform einen Schutz vor der Übernahme durch die private Konkurrenz biete, überzeugt jedenfalls nicht, da der Betrieb einer Sparkasse keine kommunale Pflichtaufgabe ist; wenn eine Kommune auf den Betrieb einer Sparkasse ganz verzichten kann, sollte sie auch Anteile übereignen können. Gegenwärtig bleibt ihr als wichtigste Reaktionsform auf die Strukturveränderungen im Bankensektor nur die Fusion mit benachbarten kommunalen Sparkassen. 60 Sowohl hinter dem Verbot der privaten Rechtsform als auch hinter den Vorrangregelungen steckt ein Mißtrauen des Staates gegenüber dem kommuna57 Ehlers (Fn. 11), J IV 9 b) u. e). Das sonst zugunsten der privaten Aufgabenerfüllung wirkende Subsidiaritätsdenken erhielte damit im Zusammenhang des kommunalen Wirtschaftsorganisationsrechts eine gerade entgegengesetzte Stoßrichtung (Graf Vitzthum (Fn. 33), S. 602). 58 Sympathien für einen Vorrang der Verwaltungshilfe (zu Begriff und Erscheinungsformen ausführlich Martin Burgi, Funktionale Privatisierung und Verwaltungshilfe, S. 100 ff., 145 ff.) läßt Ehlers (Fn. 11), J IV 9 f), erkennen. Zu den Ansätzen eines „Privatisierungsfolgenrechts" der Verwaltungshilfe (nach funktionaler Privatisierung) vgl. Martin Burgi, Kommunales Privatisierungsfolgenrecht, N V w Z 2001, S. 601 (606 f.). 59 Auch Oebbecke (Fn. 26), S. 278 (294), fordert am Ende seiner Untersuchung „mehr Freiraum" auf der Ortsebene der Sparkassenträger. Graf Vitzthum (Fn. 33), S. 605, sieht durch ein pauschales, also sämtliche Bereiche erfassendes Verbot der Verwendung bestimmter Organisationsformen sogar den Kernbereich der Selbstverwaltungsgarantie berührt. 60 Zu dieser und weiteren Reaktionsformen sowie zu praktischen Fragen der Einbeziehung Privater bei Sparkassen vgl. Ferdinand Kirchhof, Entwicklungsperspektiven kommunaler Sparkassen in Deutschland, in: Kirchhof/Henneke (Hrsg.), Entwicklungsperspektiven kommunaler Sparkassen in Deutschland, 2000, S. 11 (61 ff., 63 ff.); Oebbecke (Fn. 26), S. 284 ff.; dort (S. 292 in Fn. 62) sind ältere Überlegungen zur Option der privaten Rechtsformen für die Sparkassen dokumentiert.

Neue Organisations- und Kooperationsformen im Wirtschaftsrecht

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len Urteilsvermögen und zugleich eine Mißachtung der dargestellten neueren Entwicklungen i m allgemeinen Verwaltungsorganisationsrecht. Bei einer Reform des kommunalen Wirtschaftsrechts

sollte daher auf Verbots-

und Vorrangregelungen grundsätzlich 6 1 verzichtet werden. 3. Angebots-

und

Rahmengesetzgebung

a) W i c h t i g wäre hingegen die Verbreiterung des Angebots an Organisationsformen, über deren Einsatz die Gemeinden dann anhand der Umstände der j e w e i l i g e n Aufgabe

und der räumlichen Gegebenheiten

entscheiden

können. Eine solche „ F o r m t y p i k " 6 2 würde die Rechtssicherheit erhöhen und die bisher dominierende Kautelarjurisprudenz 6 3 m i t ihrer Neigung zu A r kan- und Hybridformen (übrigens auch i m öffentlich-rechtlichen B e r e i c h ) 6 4 zurückdrängen. A l s erstes sollte i n allen Ländern die Anstalt des öffentlichen Rechts als O p t i o n der wirtschaftlichen Tätigkeit durch ein verselbständigtes „ K o m m u n a l u n t e r n e h m e n " ermöglicht w e r d e n , 6 5 und zwar von vornherein ohne Gewährträgerhaftung. Diese Unternehmensform sollte so ausgestaltet sein, daß die Einbeziehung P r i v a t e r 6 6 i n geordneten Bahnen m ö g l i c h ist, und zwar unmittelbar auf der Anstaltsebene, nicht erst durch die Beteili61 Zur Determinierung der Auswahl innerhalb der privatrechtlichen Organisationsformen, namentlich im Verhältnis von A G und GmbH, mögen sie sinnvoll sein; vgl. z.B. § 87 Abs. 2 GemO Rh.-Pf. (ebenso Ehlers (Fn. 11), J I V 9 d)). 62 Weiterführend Bull (Fn. 2), S. 552 ff.; ferner Wahl, in: Schmidt-Aßmann/Hoffmann-Riem, Verwaltungsorganisationsrecht (Fn. 32), S. 301 ff. 63 Anschaulich dargestellt bei Hecker (Fn. 3), S. 261 f., 263 ff., am Beispiel der Neuformierung der Berliner Wasserbetriebe. 64 In diesem Bereich sieht etwa § 85 Abs. 5 GemO Rh.-Pf. die Beleihung von „juristischen Personen des Privatrechts, an denen ausschließlich sie und andere kommunale Körperschaften beteiligt sind" mit Befugnissen bei der Erfüllung einzelner Selbstverwaltungsaufgaben anstelle der Gemeinde vor. Hierbei handelt es sich um eine sog. unechte Beleihung, indem einerseits ein nach Organisationsprivatisierung entstandener Träger eingesetzt wird, dieser aber andererseits dann wieder mit den dem Staat vorbehaltenen öffentlich-rechtlichen Befugnissen ausgestattet wird (vgl. hierzu Martin Burgi, Der Beliehene - ein Klassiker im modernen Verwaltungsrecht, in: FS Maurer (Fn. 2), S. 586 mit Fn. 38). 65 Dafür plädieren auch Ehlers (Fn. 11), J I V 9 b), und Thomas Mann (Fn. 16) § 14 C I, der die von ihm vorgeschlagene neue öffentlich-rechtliche Organisationsform als „zusätzliche Gestaltungsoption" einführen will. 66 Entsprechende Vorschläge sind bereits entwickelt worden von Mann (Fn. 16), § 15 D, II, sowie im Hinblick auf die Sparkassen bei Kirchhof (Fn. 60), S. 44 f., 63 ff.; Oebbecke (Fn. 26), S. 288 f.; § 21 Abs. 2 Satz 1 SparkassenG Rh.-Pf. sieht Vermögenseinlagen „privater stiller Gesellschafter" bis zu insgesamt 49 v. H. des haftenden Eigenkapitals vor. Weitergehend müßte die Beteiligung Privater an der Willensbildung in Erwägung gezogen werden. Die bei Hecker (Fn. 3), S. 272; Mann (Fn. 16), § 14 B, diskutierten kompetenzrechtlichen Schwierigkeiten erscheinen überwindbar.

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Martin Burgi

gung an Tochterunternehmen (wie z.B. nach § 114a Abs. 4 GO NRW). Ohne diese Option wird die Anstaltsform gegenüber dem gemischtwirtschaftlichen Unternehmen im Wettstreit der Organisationskonzepte nicht konkurrenzfähig sein. Ihre Konkurrenzfähigkeit würde ferner gestärkt, wenn sie auch bei der horizontalen Kooperation, d.h. bei Unternehmensgründungen durch mehrere Gemeinden, zur Verfügung stehen würde. b) Neben die Verbreiterung des Organisationsangebots hat die Korrektur und Verbesserung der Rahmenbedingungen zu treten. Erkannte Steuerungsund Kontrolldefizite müssen behoben werden, um die Beachtung der demokratierechtlichen Anforderungen noch besser sicherzustellen können. Dabei können Vorlage- und Beratungspflichten (vgl. bereits § 92 GemO Rh.-Pf.) sowie Berichts- und Registerpflichten 67 wichtige Schritte auf dem Weg zu einem Konzept der „Public Corporate Governance" 68 bilden. VI. Schluß Der Einsatz neuer Organisations- und Kooperationsformen im kommunalen Wirtschaftsrecht bedarf der Rahmensetzung bzw. Weiterentwicklung seitens des Gesetzgebers. Diesem sei geraten, die kommunale Organisationshoheit zu stärken und möglichst vorurteilsfrei Anschluß an das Allgemeine Verwaltungsorganisationsrecht zu halten - im Interesse der betroffenen Verwaltungsaufgaben, zu denen nicht zuletzt der Weinbau in kommunaler Verantwortung zählen kann.

67 Dafür plädiert auch Ehlers (Fn. 11), J I V 9 b). Die Verbesserung der Transparenz ist das zentrale Anliegen der Untersuchung von Storr (Fn. 7), S. 537 ff. (mit zahlreichen Vorschlägen); zu neuen Entwicklungen im Hinblick auf „Beteiligungsberichte" vgl. Jörg Meinen, Maßnahmen zur Verbesserung einer transparenten Darstellung der wirtschaftlichen Lage im Beteiligungsbericht gem. § 112 Abs. 3 GO NW, NWVB1. 2002, S. 169; vgl. ferner Martin Will, Die besonderen Prüfungs- und Unterrichtungsrechte der Gemeinden gegenüber ihren Kapitalgesellschaften aus §§ 53, 54 HGrG, DÖV 2002, S. 319. 68 Ansätze hierzu bei Hans-Peter Schwintowski, Corporate Governance im öffentlichen Unternehmen, N V w Z 2001, S. 607; Ehlers (Fn. 11), E V I I 2 e), J I V 6 c). Dies darf nicht verwechselt werden mit dem vom hier eingenommenen vorurteilsfreien, nicht von vornherein auf bestimmte Rechtsformen fixierten Standpunkt abzulehnenden Konzept eines „Verwaltungsgesellschaftsrechts", wie es jüngst wieder von von Danwitz (Fn. 36), S. 595 ff. (vgl. teilweise auch Krebs, (Fn. 16), S. 309 ff.), entfaltet worden ist (kritisch bzw. ablehnend auch Mann (Fn. 16), § 10; Ehlers (Fn. 11), J IV 9 c)).

Verwaltungsorganisationsrechtliche Konsequenzen des integrierten Umweltschutzes Von Christian Calliess, Graz

I. Einführung Bereits aus dem den Umweltschutz prägenden Begriff der „Ökologie" wird deutlich, daß der Gesamthaushalt der Natur ein äußerst komplexes, diffiziles sowie dynamisches System darstellt und damit das Recht mit neuen, veränderten und teilweise nur sehr schwer zu bewältigenden Herausforderungen konfrontiert. 1 So sind die Wirkungs- und Wanderungsketten von umweltbelastenden Schadstoffen - wie etwa im Fall der Waldschadensforschung - im einzelnen nur sehr begrenzt vorhersehbar. 2 Verstärkt werden diese Schwierigkeiten noch durch die in der Regel langen Latenzzeiten zwischen den schadensauslösenden Ursachen und den erkennbaren Schadensfolgen; beispielhaft sei hier nur der die Erdatmosphäre schädigende FCKWEintrag genannt. Dies gilt um so mehr, als das Ökosystem ständigen Veränderungen ausgesetzt ist, so daß Eingriffe Folgen von potenziertem oder exponentiellem Verlauf auslösen können.3 Demgegenüber sind die Möglichkeiten von Wissenschaft und Forschung, die Komplexität und Multikausalität der Umwelt zu erfassen, noch immer begrenzt. Es fehlen Daten, es gibt erhebliche Lücken in der Forschung, Maßnahmen der Umweltbeobachtung und -beschreibung erfolgen in der Regel medial getrennt und unkoordiniert, und es gibt vielfältige Schwierigkeiten im Bereich der Messungen. Nicht zuletzt deswegen muß zum Beispiel im Rahmen von Schwellen- und Grenzwerten zwangsläufig schematisiert bzw. typisiert werden, so daß den biologischen Unterschieden der Menschen bzw. Biosysteme sowie den multikausalen Wirkungen von Umweltbelastungen nur begrenzt Rechnung getragen werden kann. 4 Dies ist der praktische Hintergrund, auf den das Um1

Dazu ausführlich Emst-Hasso Ritter, Von den Schwierigkeiten des Rechts mit der Ökologie, DÖV 1992, S. 641 ff., insbesondere S. 643 f.; Wolf gang HoffmannRiem, Reform des Allgemeinen Verwaltungsrechts: Vorüberlegungen, DVB1. 1994, S. 1381 f. 2 Dazu Birgit Reiter, Entschädigungslösungen für durch Luftverunreinigungen verursachte Distanz- und Summationsschäden, 1998, S. 25 ff. 3 Ritter (Fn. 1), S. 641 f. m.w.N.

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Christian Calliess

weltrecht als Teil der Rechtsordnung stößt. Gleichwohl basiert die Rechtsordnung und das ihr immanente Steuerungsmodell zumeist noch immer auf den überkommenen Eingriffsmustern 5 regulativer Politik 6 : Die Umweltgesetzgebung orientiert sich in aller Regel an den traditionellen Strukturen des Polizeirechts und dessen gewerberechtlichen Abwandlungen, die von der hoheitlichen Konzeption der Eingriffsverwaltung geprägt sind. 7 Trotz Absenkung der Eingriffsschwellen durch Einbeziehung des Vorsorgegedankens und Verweis auf den „Stand der Technik" in den Genehmigungstatbeständen (etwa § 6 Nr. 1 i.V.m. § 5 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG) stehen Umweltgesetze in der Regel auf dem „Boden alter Rechtstradition". 8 Deren Rechtsverständnis basiert schwerpunktmäßig aber auf dem historischen Kontext eines naturwissenschaftlich-technischen Weltbildes, das in strengen linearen Kausalketten dachte, das von der prinzipiellen Erkennbarkeit, von der Eindeutigkeit und Vorhersagbarkeit aller Prozesse geprägt war und von der Aufteilbarkeit der Naturvorgänge in einzeln beherrschbare mediale Aspekte ausging. In den Naturwissenschaften hat sich jedoch - in Entsprechung zu den oben gemachten Feststellungen - zunehmend die Erkenntnis durchgesetzt, daß sich Naturvorgänge in hochkomplexen, dynamischen Systemen vollziehen, die nur in einer Gesamtbetrachtung überhaupt angemessen erfaßbar sind. 9 In der Folge wird zu Recht ein Kontextverlust der Rechtsordnung konstatiert. 10 Vor diesem Hintergrund ist der Ansatz des integrierten Umweltschutzes zu sehen. Mit ihm soll versucht werden, die skizzierte Kluft zwischen Rechtsordnung und ökologischer Wirklichkeit zumindest ein Stück weit zu verringern.

4

Vgl. hierzu Monika Böhm, Der Normmensch, Materielle und prozedurale Aspekte des Schutzes der menschlichen Gesundheit vor Umweltschadstoffen, 1996, S. 20 ff. und 129 ff. 5 Vgl. Ernst-Hasso Ritter, Das Recht als Steuerungsmedium im kooperativen Staat, in: Dieter Grimm, Wachsende Staatsaufgaben - sinkende Steuerungsfähigkeit des Rechts, 1990, S. 69 ff. 6 Kritisch, teilweise allerdings widersprüchlich Rainer Wolf, Zur Antiquiertheit des Rechts in der Risikogesellschaft, in: Ulrich Beck, Politik in der Risikogesellschaft, 1991, S. 378 ff. 7 Zu dieser Entwicklung Michael Ronellenfitsch, Selbstverantwortung im Umweltrecht und Deregulierung, in: Fritz Nicklisch, Umweltrisiken und Umweltprivatrecht im deutschen und europäischen Recht: Heidelberger Kolloquium Technologie und Recht, 1995, S. 191 (193 ff.); Udo Di Fabio, Risikoentscheidungen im Rechtsstaat - Zum Wandel der Dogmatik im öffentlichen Recht, insbesondere am Beispiel der Arzneimittelüberwachung, 1994, S. 11 ff. 8 Dieter Seltner, Immissionsschutz und Industrieanlagen, 1988, S. 1. 9 Ausführlich Ritter (Fn. 1), S. 641 (643) m.w.N. 10 Di Fabio (Fn. 7), S. 24; ebenso Ritter (Fn. 1), S. 641.

Konsequenzen des integrierten Umweltschutzes

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I I . Der begriffliche Rahmen des Themas 1. Zum Begriff

des integrierten

Umweltschutzes

Der Begriff des integrierten Umweltschutzes hat - zumindest in rechtlicher Hinsicht - seinen Ursprung im europäischen Umweltrecht. 11 Erste Hinweise finden sich mit Blick auf das Problem der Schadstoffverlagerung im 3. Umweltaktionsprogramm der EG von 1983 unter den Stichworten „umfassende Strategie" und „gesamthafte" Kontrolle im Umweltschutz, 12 das 4. Umweltaktionsprogramm von 1987 verwendet erstmals den Begriff des „integrierten Konzepts", 13 das 5. Umweltaktionsprogramm von 1993 schließlich bringt den integrierten Umweltschutz mit dem neuen umweltpolitischen Leitbild des „sustainable development" 14 in Zusammenhang, zu dessen Konkretisierung es erforderlich werde, die bestehenden und neuen Instrumente des Umweltschutzes in einem integrierten System zusammenzufassen, damit umweltpolitisches Handeln integriert und koordiniert werden könne. 15 Zwischenzeitlich hatten die projektbezogene UVP-Richtlinie von 1985 mit ihrem übermedialen, umfassenden und die Wechselwirkungen zwischen den einzelnen Umweltmedien erfassenden Ansatz 16 sowie die anlagenbezogene IVU-Richtlinie von 1996 mit ihrem „integrierten Konzept" für die Genehmigung von Anlagen 17 erstmals Elemente eines integrierten Umweltschutzes normiert. Freilich wies bereits Meinhard Schröder zutreffend darauf hin, daß das „Verständnis dessen, was integriertes Umweltrecht ist und leisten soll, [...] in Programmen und Rechtsakten der Europäischen Union nur begrenzt sichtbar" wird. 1 8 In dieser Situation bietet es sich daher

11

Ausführlich dazu Johannes Zöttl, Integrierter Umweltschutz in der neuesten Rechtsentwicklung - Die EG-Richtlinie über die integrierte Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung und ihre Umsetzung in das deutsche Recht, 1998; Marc Röckinghausen, Integrierter Umweltschutz im EG-Recht, Der Begriff des integrierten Umweltschutzes in der Rechtsordnung der Europäischen Gemeinschaft. Schriftenreihe des Instituts für Umwelt- und Technikrecht, 1998, S. 49 ff. 12 3. Umweltaktionsprogramm, AB1EG 1983 C 46 S. 3. 13 4. Umweltaktionsprogramm, AB1EG 1987 C 328, S. 5 (18 ff.). 14 Dazu Meinhard Schröder, Sustainable Development - Ausgleich zwischen Umwelt und Entwicklung als Gestaltungsaufgabe der Staaten, Archiv des Völkerrechts, Band 34, 1996, S. 251 ff. 15 5. Umweltaktionsprogramm, AB1EG 1993 C 138, S. 5 (29). 16 Richtlinie 85/337/EWG über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten, AB1EG 1985 L 175, S. 40. 17 Richtlinie 96/61/EG des Rates vom 24.09.1996 über die integrierte Verminderung und Vermeidung der Umweltverschmutzung, AB1EG 1996 L 257, S. 26. 18 Meinhard Schröder, Europarecht und integriertes Umweltrecht, in: Wilfried Erbguth, Europäisierung des nationalen Umweltrechts: Stand und Perspektiven, 2001, S. 29.

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Christian Calliess

an, wie von Schröder im Anschluß an Überlegungen im Schrifttum 19 vorgeschlagen, zu systematisieren und zwischen Externer und Interner Integration zu unterscheiden. 20 a) Die sog. Externe Integration Unter Externer Integration läßt sich - in Anlehnung an die insoweit maßgebliche Norm des Art. 6 E G V 2 1 - das Erfordernis verstehen, die Belange des Umweltschutzes bei der normativen Ausgestaltung und Durchführung anderer Gemeinschaftspolitiken, wie z.B. Verkehr, Landwirtschaft, Energie, zu berücksichtigen und zur Förderung einer wirtschaftlich, sozial und ökologisch nachhaltigen Entwicklung einzubeziehen. 22 Externe Integration wirkt also politikenübergreifend. b) Die sog. Interne Integration Im Rahmen der Internen Integration rückt demgegenüber das Ziel ins Zentrum der Aufmerksamkeit, die Auswirkungen von umweltbelastenden Stoffen oder Tätigkeiten nicht nur im Hinblick auf ein einzelnes Medium, sondern im Hinblick auf die Umwelt als Ganzes zu regeln. Es geht hier mithin um einen medienübergreifenden ökologischen Ansatz, der im Unterschied zu sektoralen bzw. medialen Umweltschutzkonzepten von einer ganzheitlichen Betrachtung der Umwelt ausgeht und so dem Problem der Belastungsverlagerungen in besonderer Weise Rechnung tragen will. Im Kontext der Internen Integration darf sich integrierter Umweltschutz daher nicht auf die bloße Zusammenführung der einzelnen Umweltmedien bzw. -schutzgüter beschränken, sondern soll, den naturwissenschaftlichen Erkenntnissen der Ökologie korrespondierend, das Beziehungsgeflecht und die Wechselbeziehungen bei der Regelung und Bewertung umweltrelevanter Sachverhalte berücksichtigen. In der Folge gewinnt das Schutzgut „Umwelt" eine eigenständige Qualität, die wesentlich vom Stand der naturwissenschaftlichen Erkenntnisse über die Wirkungszusammenhänge in der Umwelt, also vom Wissen, abhängt. 23 Das Konzept der Internen Integration 19 Hans-Werner Rengeling, Überlegungen zur Qualität des Gemeinschaftsrechts, in: ders., Handbuch zum europäischen und deutschen Umweltrecht (EUDUR), 1998, Bd. II, § 92 Rn. 52; Erika Wagner, Integratives Umweltrecht auf nationaler und europäischer Ebene, RdU 1999, S. 3 (4). 20 Schröder (Fn. 18), S. 29 ff. 21 Dazu Christian Calliess, Die neue Querschnittsklausel des Art 6 ex 3c EGV als Instrument zur Umsetzung des Grundsatzes der nachhaltigen Entwicklung, DVB1. 1998, S. 559 ff. 22 Schröder (Fn. 18), S. 29 f.

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erlaubt in concreto verschiedene Zugangsmöglichkeiten. Im Wege der materiellen Integration können inhaltlich wirksame Pflichten und Entscheidungsdirektiven der Behörde festgelegt werden. Eine produkt- oder prozeßorientierte Integration kann Standards vorgeben, nach denen alle umweltrelevanten Faktoren (u. a. Stoffeinsatz, Energieverbrauch, Abfälle) vorsorgend in das jeweilige Produkt bzw. den jeweiligen Produktionsprozeß einzubeziehen sind. Im Wege der legislatorischen Integration kann die inhaltliche Kohärenz der unterschiedlichen umweltrechtlichen Regelungen bewirkt werden, so daß ihr besseres Ineinandergreifen gewährleistet ist. Und schließlich kann eine formelle bzw. verfahrensrechtliche Integration - angesichts der häufig erforderlichen Mehrfachgenehmigungen für ein Vorhaben und der in der Regel damit verbundenen fachspezifisch differenzierten Behördenorganisation - eine bessere Koordination der Genehmigungsverfahren bzw. eine Kooperation zwischen den verschiedenen zuständigen Behörden im Rahmen eines Genehmigungsverfahrens gewährleisten. 24 Kurz gesagt wirkt Interne Integration - innerhalb der Umweltpolitik - also medienübergreifend. 2. Zum Verständnis

des Verwaltungsorganisationsrechts

Das Verwaltungsorganisationsrecht hat seine historischen Wurzeln im Gedanken der Einheit der Verwaltung. Konfliktträchtige, sachlich nicht gerechtfertigte Differenzierungen im Gefüge der Exekutive sind spätestens im 19. Jahrhundert einer internen Aufgabenverteilung gewichen, die sich an den vom jeweiligen Verwaltungsträger zu erfüllenden Aufgaben ausrichtet. Im Prinzip orientiert sich der innere Aufbau der Verwaltung bis heute an der Vorgabe der Einheit bei der Aufgabenerfüllung. 25 Diese korrespondiert der umfassenden Gemeinwohlverantwortung des Staates, indem gesichert wird, daß in der hochkomplexen, immer wieder Differenzierungen und Kompromisse fordernden, pluralisierten gesellschaftlichen Wirklichkeit (zumindest in den Augen der Öffentlichkeit) die Verwaltung mit einer Stimme spricht. Freilich wird dabei außer Acht gelassen, daß sich die Kom23 Schröder (Fn. 18), S. 30; Röckinghausen (Fn. 11), S. 40; Rengeling (Fn. 19) Rn. 52; Wilfried Erbguth, Integrierter Umweltschutz, DÖV 1984, S. 699. 24 Hierzu Wagner (Fn. 19), S. 1 (3 ff.); Schröder (Fn. 18), S. 30 f., der insoweit von Instrumenten der Internen Integration spricht. 25 Georg-Christoph v. Unruh, „Einheit der Verwaltung" - Betrachtungen über Möglichkeiten und Grenzen eines Organisationsmaßstabes, DVB1. 1979, S. 761; Thomas von Danwitz, Der Grundsatz funktionsgerechter Organstruktur - Verfassungsvorgaben für staatliche Entscheidungsstrukturen und ihre gerichtliche Kontrolle, Der Staat 35 (1996), S. 329 (334); Horst Dreier, Hierarchische Verwaltung im demokratischen Rechtsstaat, 1991, S. 1 ff.; Gör g Haverkate, Die Einheit der Verwaltung als Rechtsproblem, VVDStRL 46 (1988), S. 217 (218 f.).

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plexität der gesellschaftlichen Verhältnisse längst auch in der Verwaltung widerspiegelt, mit der Folge, daß die Rede von der Einheit der Verwaltung die vielfältigen Interessenkonflikte innerhalb der Verwaltung übertüncht. 26 Dies wird mitunter bei den immer wiederkehrenden Koordinierungsproblemen zwischen den verschiedenen Ressorts oder Abteilungen eines Verwaltungsträgers deutlich, etwa wenn sich verschiedene Ministerien bzw. Fachabteilungen größerer Verwaltungen über sachliche Fragen im Kontext des Gesetzgebungsverfahrens streiten, aber auch beim Vollzug von Gesetzen, die politische Interessenkonflikte in Form von unbestimmten Rechtsbegriffen ungelöst gelassen haben. Im Zuge dessen können auf einer zweiten Ebene sodann Konflikte zwischen weiter verselbständigten Verwaltungseinheiten oder gar eigenständigen Verwaltungsträgern auftreten. Etwa wenn Behörden mit je nach Zuständigkeit unterschiedlichen Behördeninteressen vorgesehene Sachentscheidungen vollziehend zu verwirklichen haben. Mit Blick auf die so skizzierte Pluralität der Interessen innerhalb der Verwaltung erlangt in jüngster Zeit verstärkt die Steuerungsfunktion des Verwaltungsorganisationsrechts Aufmerksamkeit. 27 Im Zuge dessen wird anerkannt, daß es Interessenkonflikte innerhalb der Verwaltung geben kann, und daß diese im Interesse des Gemeinwohls dem Gedanken der Einheit der Verwaltung entsprechend gelöst werden müssen. Mit anderen Worten muß die Verwaltung nicht nur effizient und wirtschaftlich organisiert sein, sondern sie muß - im Wege des Verwaltungsorganisationsrechts - auch in die Lage versetzt werden, die erwähnten Interessenkonflikte zu bewältigen. 28 Dabei wird der Begriff der Verwaltungsorganisation vorliegend weit verstanden, so daß auch die Ministerialverwaltung und damit die Rolle der Exekutive im Gesetzgebungsverfahren mitberücksichtigt wird. I I I . Integrierter Umweltschutz und Verwaltungsorganisation 7. Vorgaben des europäischen und deutschen Verfassungsrechts Meinhard Schröder hat darauf hingewiesen, daß die primärrechtlichen bzw. verfassungsrechtlichen Wurzeln des integrierten Umweltschutzes bislang nicht untersucht worden sind. 29 Vor dem Hintergrund dieser Anregung sollen im Folgenden einige Ansätze aufgezeigt und skizziert werden. 26

In diesem Sinne bereits Matthias Ruffert, Interessenausgleich im Verwaltungsorganisationsrecht, DÖV 1998, S. 897 f. 27 Vgl. nur Eberhard Schmidt-Aßmann, in: ders./Wolfgang Hoffmann-Riem (Hrsg.), Verwaltungsorganisationsrecht als Steuerungsressource, 1997, S. 9 ff. sowie die weiteren in diesem Band vereinigten Beiträge; ferner Ruffert (Fn. 26), S. 897 f. 28 Ruffert (Fn. 26), S. 897 (898 ff.).

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a) Vorgaben des Art. 6 EGV - Externe Integration Im Wege der Querschnittsklausel des Art. 6 EGV - und damit im Wege der Externen Integration - sollen die Verpflichtung der EG auf eine wirksame Umweltvorsorge aus Art. 174 Abs. 2 EGV einerseits und die als Kernziel des EGV vorgegebene wirtschaftliche und soziale Entwicklung andererseits in rechtlich verbindlicher Weise zu einander in Bezug gesetzt werden. Im Kern folgt aus der Querschnittsklausel die Verpflichtung von Gesetzgeber und Verwaltung, der komplexen Aufgabe des Umweltschutzes 30 durch deren Verständnis als „problembezogene Querschnittsaufgabe" 31 Rechnung zu tragen und alle Politiken und Maßnahmen so frühzeitig wie möglich auf ihre Umweltverträglichkeit zu überprüfen. Dies verlangt, daß Entscheidungen in umweltexternen Bereichen nicht ausschließlich an deren spezifischen Gegebenheiten ausgerichtet werden, sondern mit Rücksicht auf die Umweltauswirkungen anders oder im Extremfall sogar überhaupt nicht getroffen werden. Mit Art. 6 EGV wird in geradezu idealer Weise den Vorgaben des Grundsatzes der nachhaltigen Entwicklung Rechnung getragen. Jener Grundsatz ist allerdings trotz möglicher materieller Konkretisierungen (insbesondere über das Vorsorgeprinzip) ein Relationsbegriff, der einzelfallbezogener und - mit Blick auf seine materielle Unbestimmtheit - auch prozeduraler Umsetzung bedarf. 32 b) Vorgaben des Art. 20a GG - Externe Integration Durch die Staatszielbestimmung des Art. 20a GG wird der Umweltstaat als gleichwertig neben den anderen in Art. 20 Abs. 1, 3 und Art. 28 Abs. 1 Satz 1 GG genannten Staatsstrukturprinzipien etabliert. Die indikativische Formulierung des Art. 20a GG in Form des Wortes „schützt" weist dem Staat die Funktion eines Treuhänders, der im Interesse der Umwelt handeln muß, zu. Aufgrund dessen sind die staatlichen Organe verpflichtet, den Schutz der Umwelt materiell und prozedural durch die Entwicklung effektiver Schutzkonzepte zu gewährleisten. 33 Materiell hat der Staat durch Gefah-

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Schröder (Fn. 18), S. 32. Dazu Ernst-Hasso Ritter, Umweltpolitik und Rechtsentwicklung, N V w Z 1987, S. 929 ff.; ders. (Fn. 1), S. 641 ff. 31 Rüdiger Breuer, Umweltschutzrecht, in: Eberhard Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Besonderes Verwaltungsrecht, Rn. 36. 32 Ausführlich dazu Calliess (Fn. 21), S. 559 ff. 33 Dietrich Murswiek, in: Michael Sachs, Grundgesetz Kommentar, 2. Aufl. 1999, Art. 20a Rn. 33; Alexander Schink, Umweltschutz als Staatsziel, DÖV 1997, S. 221 (226); Hans-D. Jarass, in: ders./Bodo Pieroth, Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland Kommentar, 2000, Art. 20a Rn. 3; Franz Klein, in: Bruno 30

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renabwehr, aber auch durch Risikovorsorge unterhalb der Gefahrenschwelle 34 zu gewährleisten, daß alle menschlichen Aktivitäten umweltverträglich gestaltet werden bzw. sogar unterlassen werden, wenn irreversible Schäden an Umweltgütern drohen. 35 Die aus Art. 20a GG fließende staatliche Langzeitverantwortung für künftige Generationen unterstreicht dabei die Bedeutung des Vorsorgeprinzips für den Umweltstaat. Sie stellt gleichzeitig die Verbindung zum von der Rio-Deklaration völkerrechtlich vorgegebenen Grundsatz der nachhaltigen Entwicklung her. 3 6 Im „offenen Verfassungsstaat" des Grundgesetzes können Staatszielbestimmungen dementsprechend dort, wo sich Interpretationsspielräume eröffnen, im Wege einer völkerrechtskonformen Auslegung 37 konkretisierende Impulse aus dem internationalen Recht empfangen. 38 In noch größerem Umfang gilt dies für die Vorgaben des Europarechts, die im europäischen Verfassungsverbund über die gemeinschaftsrechtskonforme Auslegung 39 auf Art. 20a GG einwirken. In der Folge sind die aus dem Umweltgemeinschaftsrecht (Art. 6 und Art. 174 ff. EGV) sowie aus dem Umweltvölkerrecht (Grundsatz der nachhaltigen Entwicklung, Rio-Deklaration, Agenda 21) fließenden Vorgaben zur Konkretisierung des Inhalts von Art. 20a GG heranzuziehen. Materiell betrachtet ist der durch Art. 20a GG etablierte Umweltstaat somit zuvorderst Vorsorgestaat 40

Schmidt-Bleibtreu/Franz Klein, Kommentar zum Grundgesetz, 1998, Art. 20a Rn. 9; Tobias Brönneke, Umweltverfassungsrecht, 1999, S. 161. 34 Brönneke (Fn. 33), S. 161 f. 35 Heinhard Steiger, Verfassungsrechtliche Grundlagen, in: Arbeitskreis für Umweltrecht (Hrsg.), Grundzüge des Umweltrechts, 1997, Rn. 78; Murswiek (Fn. 33), Rn. 33; Schink (Fn. 33), S. 221 (226). 36 So auch die ganz überwiegende Meinung in der Literatur: Norbert Bernsdorff, Positivierung des Umweltschutzes im Grundgesetz (Artikel 20a GG), NuR 1997, S. 328 (332); Steiger (Fn. 35), Rn. 87 ff.; Murswiek (Fn. 33), Rn. 32 ff.; Michael Kloepfer, Umweltschutz als Verfassungsrecht: Zum neuen Artikel 20a GG, DVB1. 1996, S. 73 (78); Kay Waechter, Umweltschutz als Staatsziel, NuR 1996, S. 321 (326); auf den Inhalt dieser Begriffe wird später bei der Behandlung des Vorsorgeprinzips ausführlich zurückzukommen sein. 37 Vgl. etwa BVerfGE 74, 358 (370) zur EMRK; 82, 106 (120); 83, 119 (128); 88, 103 (112); Albert Bleckmann, Der Grundsatz der Völkerrechtsfreundlichkeit der deutschen Rechtsordnung, DÖV 1996, S. 137 (140 f.); Christian Tomuschat, Die staatsrechtliche Entscheidung für die internationale Offenheit, in: Josef Isensee/Paul Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, 1992 Bd. VII, § 172, Rn. 27 ff. 38 Einen Überblick über diese Internationalisierung der Staatsziele gibt KarlPeter Sommermann, Staatsziele und Staatszielbestimmungen, 1997, S. 252 ff. 39 Vgl. Peter Häberle, Gemeineuropäisches Verfassungsrecht, EuGRZ 1991, S. 261 ff.; Sommermann (Fn. 38), S. 280 ff. (insbesondere S. 293 ff.) 40 Grundlegend dazu Calliess, Rechtsstaat und Umweltstaat, 2001, S. 74 ff., insbesondere S. 153 ff.

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Die Konkretisierungsansätze des Schutzes aus Art. 20a GG bewegen sich notwendigerweise noch immer auf einer relativ abstrakten Ebene. Dies ist andererseits aber auch gerade typisch für eine Staatszielbestimmung. Denn Staatszielbestimmungen erlegen dem Staat verfassungsrechtliche Handlungspflichten „nur" hinsichtlich der Verwirklichung eines bestimmten politischen Ziels auf. Sie enthalten programmatische Direktiven, die der Staat „nach Kräften anzustreben" und an denen er „sein Handeln ... auszurichten" 4 1 hat. In der Literatur sind Staatszielbestimmungen hinsichtlich ihrer normtheoretischen Struktur daher zutreffend als „Finalprogramme" und „Prinzipien" gekennzeichnet worden. 42 Als Prinzipien sind Staatsziele Optimierungsgebote, also Normen, die „gebieten, daß etwas in einem relativ auf die rechtlichen und tatsächlichen Möglichkeiten möglichst hohen Maße realisiert wird". Zielkonflikte werden also über die Grundsätze der Prinzipienkollision gelöst, wobei die Instrumente der Gewichtung und Abwägung eine entscheidende Rolle spielen. 43 Dabei sind zwar der verbindliche Zielkern des Staatsziels sowie das im Hinblick darauf bestehende Untermaßverbot zu beachten. 44 Um jedoch dort, wo verschiedene Staatsziele im Einzelfall divergierende Entscheidungen fordern, zu einer ausgewogenen Konfliktlösung zu kommen, muß der Gesetzgeber Verfahren vorsehen, in denen die verschiedenen Belange umfassend gegeneinander abgewogen werden können, so daß ein möglichst hohes Maß an rationaler Konfliktbewältigung gewährleistet ist. Diese Verpflichtung zur verfahrensmäßigen Umsetzung, die darauf gerichtet ist, dem materiellen Kern der Norm zur Wirksamkeit zu verhelfen, gilt gerade bei einer Norm, die nur begrenzt einer materiellen Konkretisierung zugänglich ist. 4 5 Art. 20a GG bedarf also auch einer prozeduralen Umsetzung. Diese erfordert institutionelle Vorkehrungen. Dies legt insbesondere die in Art. 20a GG enthaltene staatliche Zukunftsverantwortung nahe. Denn die demokratische Legitimation und Repräsentation bezieht sich primär auf die aktuell lebenden Generationen. 46 Die Abgeordneten orientieren sich mit Blick auf ihre Wiederwahl daher in erster Linie an 41

So Art. 3 Abs. 3 der Verfassung von Sachsen-Anhalt; ähnlich Art. 13 der Verfassung von Sachsen. 42 Sommermann (Fn. 38), S. 358. 43 Sommermann (Fn. 38), S. 360 f.; Β rönne ke (Fn. 33), S. 269 ff.; grundlegend zum Begriff des Rechtsprinzips Robert Alexy, Recht, Vernunft, Diskurs, 1995, S. 177 ff. 44 So auch Sommermann (Fn. 38), S. 439 ff.; Brönneke (Fn. 33), S. 272 ff. und 471 ff. 45 Hierauf weisen auch Rudolf Steinberg, Verfassungsrechtlicher Umweltschutz durch Grundrechte und Staatszielbestimmungen, NJW 1996, S. 1985 (1989, 1991) und Schink (Fn. 33), S. 221 (227) hin. 46 Grundlegend zu dieser Frage einerseits Ernst-Wolfgang Böckenförde, Demokratie als Verfassungsprinzip, in: Josef Isensee/Paul Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, 1987 Bd. I, § 22 Rn. 9 ff.; ferner BVerfGE 53, 30 (56); andererseits 6 FS Schröder

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den relativ kurzfristigen Bedürfnissen der aktuell Wahlberechtigten. Das ist an und für sich legitim, führt aber dort zu Problemen, wo die Interessen von aktuell lebenden und künftigen Generationen divergieren. Wenn aber die Interessen der künftigen Generationen im System der Wahlperiodenund Parteiendemokratie einen vergleichsweise schwachen Stand haben und dem durch Art. 20a GG gebotenen Schutz künftiger Generationen praktische Bedeutung zukommen soll, dann ist der Gesetzgeber verpflichtet, die staatliche Langzeitverantwortung durch geregelte Verfahren und Organisationsformen zu institutionalisieren. Daraus folgt insbesondere, daß eine auf Dauer angelegte (Langzeitpräsenz), sowie auf Integration, Objektivität und Akzeptanz (Legitimation durch Vertrauen) ausgerichtete Institution mit der alleinigen Aufgabe, Langzeitinteressen zu ermitteln und zu vertreten, einzurichten ist. 4 7 Im Ergebnis ist also die von Art. 20a GG aufgegebene staatliche Langzeitverantwortung durch geregelte Verfahren und Organisationsformen zu institutionalisieren. 48 Insoweit gibt es die Möglichkeit, an bestehende Institutionen anzuknüpfen oder neue zu errichten. 2. Vorgaben des Vorsorgeprinzips Externe und Interne Integration

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Das in Art. 20a GG verfassungsrechtlich verankerte und im einfachgesetzlichen Umweltrecht fest etablierte Vorsorgeprinzip vereint in sich Aspekte der Externen und Internen Integration. Vorsorge bedeutet dem Wortsinn nach die Schaffung eines Vorrats für die Zukunft durch Verzicht in der Gegenwart: Mit den zunehmend knapp werdenden natürlichen Ressourcen ist gegenwärtig sparsam umzugehen, um sie künftigen Generationen im Interesse ihrer Lebensfähigkeit als Vorrat zu erhalten. Diese Ressourcenvorsorge erfüllt zugleich den Zweck, Umweltressourcen im Interesse ihrer zukünftigen Nutzung durch Nichtausschöpfung der ökologischen Belastungsgrenzen zu schonen. Hierdurch sollen „Freiräume" in Gestalt „künftiger Lebensräume" für Mensch und Natur sowie in Form von Belastungs- bzw. Belastbarkeitsreserven erhalten werden. Vorsorge ist aber darüber hinaus auf die Bewältigung von durch Ungewißheit und Unsicherheit definierten Risikosituationen (Risikovorsorge) angelegt. In Anlehnung an Ulrich K. Preuß, Politische Verantwortung und Bürgerloyalität, 1984, S. 292; Peter Saladin/Christoph Zenger, Rechte künftiger Generationen, 1988, S. 99. 47 Ebenso Kloepfer (Fn. 36), S. 73 (78); ausführlich Carl-Friedrich Gethmann/ Michael Kloepf e r/Hans G. Nutzinger, Langzeitverantwortung, S. 35 ff. 48 Vgl. auch Bernd Becker, Staatsziel Umweltschutz und öffentliche Verwaltung, ZG 1992, S. 225 (insbesondere S. 231, 234); Brönneke (Fn. 33), S. 368 ff.; Rudolf Steinberg, Der ökologische Verfassungsstaat, 1998, S. 216 ff.

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den tradierten Gefahrenbegriff läßt sich das Risiko als Sachlage definieren, in der bei ungehindertem Ablauf eines Geschehens ein Zustand oder ein Verhalten möglicherweise zu einer Beeinträchtigung von Rechtsgütern führt. Entscheidend ist also die Ersetzung der konkreten, hinreichenden Wahrscheinlichkeit durch die reine Möglichkeit, die abstrakte Besorgnis eines Schadenseintritts. 49 Damit wird ein Handeln unter Unsicherheit, wenn auch nicht „ins Blaue hinein" 5 0 , legitimiert und gefordert. Mit Blick auf seinen vorstehend skizzierten Inhalt läßt sich das Vorsorgeprinzip in einen Tatbestand, der durch die Ermittlung und Bewertung eines Vorsorgeanlasses (Ob-Frage) gekennzeichnet ist, und in eine Rechtsfolge, die durch die jeweils zu ergreifende Vorsorgemaßnahme (Wie-Frage), ergänzt um die Bestimmung eines Vorsorgeadressaten, definiert ist, strukturieren. 51 Ziel muß es sein, den Vorsorgeanlaß so zu bestimmen, daß ein Abgleiten der Vorsorge „ins Blaue hinein" vermieden wird. Vor diesem Hintergrund ist zunächst eine umfassende, möglichst erschöpfende Ermittlung aller für den Vorsorgeanlaß (definiert als dem Risikobegriff immanentes abstraktes Besorgnispotential im Sinne eines auch nur theoretischen, jedoch auf wissenschaftliche Plausibilitätsgründe gestützten Anfangsverdachts) maßgeblichen Informationen geboten. Der Vorsorgeanlaß kann freilich nicht abstrakt festgestellt werden. Vielmehr muß er in Relation zu einem umweltrelevanten Geschehen bestimmt werden. Dieses kann in allgemeinen Programmen, Gesetzentwürfen und Gesetzen sowie allgemeinen Plänen bestehen. Es kann sich aber auch um die Genehmigung konkreter Projekte handeln. Im ersteren Falle ist primär der Gesetzgeber - dies meint alle am Gesetzgebungsverfahren beteiligten Organe - verpflichtet. Im letzteren Falle ist primär die Exekutive gefordert. Der Gesetzgeber hat dem im Vorsorgeprinzip enthaltenen Gebot der Frühzeitigkeit entsprechend schon bei der Gestaltung aller Politiken sowie den sie umsetzenden und konkretisierenden Maßnahmen zu prüfen, ob sie negative Auswirkungen auf die Umwelt haben. Hier ist die Externe Integration gefordert, wie sie, europarechtlich vorgegeben, in der umweltrechtlichen Querschnittsklausel des Art. 6 EGV zum Ausdruck kommt. Ebenso wie die Norm des Art. 20a GG erfaßt auch das (in ihr verankerte) Vorsorgeprinzip (über die Konkretisierung in Form der Querschnittsklausel) den Verwaltungsvollzug des Bundesrechts nach Art. 30, 83 ff. GG. Damit sind nicht nur die Bundesbehörden, sondern auch die Länderbehörden beim Vollzug von Bundes- und Landesrecht an die vorstehenden Vor49

C allie s s (Fn. 40), S. 153 ff. (insbesondere S. 176 ff.). Fritz Ossenbühl, Vorsorge als Rechtsprinzip im Gesundheits-, Arbeits- und Umweltrecht, N V w Z 1986, S. 161 (166). 51 Ausführlich dazu Calliess (Fn. 40), S. 207 ff. 50

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gaben gebunden. Diese wirken in der Folge auch in die Verwaltungsorganisation hinein. 5 2 Die Querschnittsklausel - und damit die Externe Integration - erfordert in Umsetzung des Vorsorgeprinzips eine Exekutive, die sowohl institutionell als auch in ihrer Ausstattung darauf vorbereitet ist, die Erfordernisse des Umweltschutzes im Rahmen umweltrelevanter Politiken und sie konkretisierender Maßnahmen zu integrieren. 3. Vorgaben im Kontext der Umsetzung der UVP-Richtlinie: Interne Integration Ein bedeutsamer Schritt, das Vorsorgeprinzip umzusetzen bzw. zu konkretisieren und, in Verbindung hiermit, den Ansatz der Internen Integration zu normieren, ist in der UVP-Richtlinie der EG und im Zuge ihrer Umsetzung im Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung 53 angelegt. Nach § 1 UVPG soll sichergestellt werden, daß bei bestimmten, im einzelnen aufgelisteten umweltrelevanten Vorhaben zur wirksamen Umweltvorsorge die Auswirkungen auf die Umwelt nach einheitlichen Grundsätzen frühzeitig und umfassend ermittelt, beschrieben sowie bewertet werden; das Ergebnis dieser Prüfung soll bei allen Zulassungsentscheidungen berücksichtigt werden. Das Prinzip des integrierten Umweltschutzes (in Form der Internen Integration) kommt in der erforderlichen Gesamtbewertung der ermittelten Umweltauswirkungen eines Vorhabens zum Ausdruck: Indem nach § 2 Abs. 1 Satz 2 UVPG alle Auswirkungen eines Vorhabens auf Menschen, Tiere und Pflanzen, Boden, Wasser, Luft, Klima und Landschaft einschließlich der jeweiligen Wechselwirkungen ermittelt, beschrieben und bewertet werden sollen, wird ein medienübergreifender und damit integrativer Ansatz im Umweltschutz verfolgt. Über die herkömmliche, fachbezogene, sektorale Prüfung hinaus sollen Umweltauswirkungen gesamthaft betrachtet und bewertet werden. 54 Der Ansatz des integrierten Umweltschutzes, wie er insbesondere in dem Erfordernis der „Gesamtbewertung aller Umwelt-

52 Zu den insofern bestehenden Vorgaben und Möglichkeiten allgemein Ruffert (Fn. 26), S. 897 ff. 53 Vgl. Art. 1 des Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie des Rates vom 27.6.1985 über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten (85/337/EWG), BGBl. I, S. 205, zuletzt g.d.G. v. 20.6.1990 (BGBl. I, S. 1080). Zum Gesetz vgl. Wilfried Erbguth/Alexander Schink, Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung, Kommentar, 1996, Vorbemerkungen zu §§ 5 bis 12 Rn. 1 ff. 54 Ausführlich hierzu Röckinghausen (Fn. 11), S. 64 ff.; Matthias Durst, Die UVP in parallelen und konzentrierten Verfahren: eine Untersuchung unter besonderer Berücksichtigung europarechtlicher Vorgaben am Beispiel immissionsschutzrechtlicher und gentechnischer Anlagen, 1998, S. 109 ff.; allgemein Zöttl (Fn. 11), S. 86 ff.

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auswirkungen, einschließlich der Wechselwirkungen" nach § 2 Abs. 1 Satz 4 UVPG zum Ausdruck kommt, erfordert freilich, daß die Leistungsfähigkeit eines Ökosystems wissenschaftlich operationalisierbar ist. Nicht zu Unrecht wird insoweit vom rechtswissenschaftlichen Schrifttum kritisch angemerkt, daß die Rede von der Gesamthaftigkeit allenfalls das Problem, nicht aber dessen Lösung kennzeichne. 55 Man befinde sich - so wird des weiteren kritisiert - mit der Umweltverträglichkeitsprüfung in einer politischen Arena, die den Behörden und Gerichten einen kaum strukturierten umweltpolitischen Spielraum belasse, den sie nach eigenen Wertungen definieren könnten. Es würden weitgehend normungebundene Metakriterien bemüht, man orientiere sich am Ideal aller Vorsorgestandards, an der Nullbelastung. 56 Fehle es aber an konkretisierenden untergesetzlichen Rechtsmaßstäben, dann müßten außerrechtliche Kriterien bemüht werden. In der Tat gibt es auch der amtlichen Begründung zum UVPG zufolge keinen rechtlichen Maßstab für eine ökologische Gesamtverträglichkeit. 57 Insoweit schafft auch die UVP-Verwaltungsvorschrift, die das Gesetz konkretisieren soll, keine Klarheit. 58 Allerdings hat der Gesetzgeber diese Nachteile im Interesse der eingangs erwähnten Komplexität des Umweltschutzes in Kauf genommen und insoweit Konsequenzen gezogen, als nach § 12 UVPG die Bewertung von Umweltauswirkungen beim Ergebnis von Vorhabensentscheidungen (nur) zu berücksichtigen sind. Dies hat gerade dort seinen Sinn, wo vorhandene Umweltgesetze ohne den Zwischenschritt einer außerrechtlichen Bewertung nicht auskommen. 59 In diesem Rahmen vertraut der Gesetzgeber letztlich darauf, daß die Vorgaben eines integrierten Umweltschutzes im Laufe der Zeit durch Verwaltung, Rechtsprechung und Wissenschaft konkretisiert werden. Ganz in diesem Sinne mehren sich im Zuge der Umsetzung der UVP-Änderungsrichtlinie, 60 die ursprünglich einmal im Rahmen der Realisierung des ebenfalls am integrierten Umweltschutz ausgerichteten UGB erfolgen sollte, 61 diejenigen Stimmen, die eine Möglichkeit sehen, den Ansatz des integrierten Umweltschutzes - wenn auch nur 55

Reiner Schmidt, Der Staat der Umweltvorsorge, DÖV 1994, S. 749 (755) m. w.N. 56 Schmidt (Fn. 55), S. 749 (755) m.w.N. 57 BT-Drs. 11/3919, S. 17. 58 Dazu Thomas Mayen, Die Umweltverträglichkeitsprüfung nach dem UVP-Gesetz und der UVP-Verwaltungsvorschrift, N V w Z 1996, S. 319. 59 So zutreffend Martin Beckmann, Bewertung und Gesetzesanwendung bei der Umweltverträglichkeitsprüfung, DVB1. 1993, S. 1335 ff. (1336). 60 Richtlinie 97/11/EG vom 3.3.1997, AB1EG L 73, S. 5; dazu Franz-Josef Feldmann, Umweltverträglichkeitsprüfung: Die EG-Richtlinie und ihre Umsetzung in Deutschland, in: Hans-Werner Rengeling, EUDUR Bd. I, § 34 Rn. 123 ff. 61 Vgl. aber zu diesem ins Stocken geratenen Umsetzungsvorhaben Andreas Wasielewski, Stand der Umsetzung der UVP-Änderungs- und der IVU-Richtlinie, N V w Z 2000, S. 15 ff. (insbesondere S. 17 ff.).

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begrenzt - materiell operationalisierbar zu machen. 62 Und dort, wo dies nicht möglich ist, kann die vom Gesetzgeber geforderte weitgehende und frühzeitige Einbeziehung der Öffentlichkeit in das Verfahren (§ 2 Abs. 1 Satz 3 UVPG) als Indiz dafür gedeutet werden, daß - angesichts der verbleibenden materiellrechtlichen Ungewißheit - „Interne Integration" nicht abschließend inhaltlich festgelegt, sondern nur prozedural organisiert werden kann. 63 In diesem Sinne ist auch die Regelung des § 14 UVPG über die Koordinierung der UVP in parallelen Verfahren zu verstehen. 64 Eine mit dem integrierten Umweltschutz eng verbundene, ihn weiter konkretisierende Ausprägung stellt der sog. „Grundsatz der bestmöglichen Umweltoption" dar. Jener ebenfalls dem Vorsorgeprinzip korrespondierende Grundsatz zielt darauf ab, nicht nur sicherzustellen, daß der Anfall von Schadstoffen möglichst vermieden wird, sondern auch, daß die unvermeidbaren Schadstoffe möglichst auf dem Entsorgungspfad in die Umwelt entlassen werden, der am umweltverträglichsten ist. 6 5 Der Grundsatz will also ganz im Sinne des integrierten Umweltschutzes Problemverlagerungen von einem Umweltmedium auf ein anderes entgegenwirken. Bisher hat der Grundsatz der bestmöglichen Umweltoption im deutschen Umweltrecht keine besondere Rolle gespielt. Durch das UVPG ist er erstmals in das Planungs- und Anlagenzulassungsrecht eingeführt worden. Indem nach § 2 Abs. 1 Satz 2 UVPG i.V.m. § 12 UVPG die Wechselwirkungen, wenngleich nur nach Maßgabe der anwendbaren Gesetze, auch in der behördlichen Entscheidung zu berücksichtigen sind, muß Problemverlagerungen angemessen Rechnung getragen werden. Diesem Ziel dient auch die Regelung des § 14 UVPG über die Koordinierung der UVP in parallelen Verfahren, sie kann als verfahrensrechtliche Ausprägung der bestmöglichen Umweltoption verstanden werden. 66 Immer geht es dabei darum, zu verhindern, daß durch strenge Maßnahmen der Emissionsverminderung mehr Abwässer oder Abfälle entstehen, die an anderer Stelle zu größeren Umweltbelastungen führen als die, welche durch die Emissionsreduzierung vermieden werden 62

Röckinghausen (Fn. 11), S. 33 ff., 37 ff. und 112 ff.; Uwe Volkmann, Umweltrechtliches Integrationsprinzip und Vorhabengenehmigung, VerwArch 89 (1998), S. 363 ff.; Zöttl (Fn. 11), S. 86 ff.; eher kritisch Johannes Masing, Kritik des integrierten Umweltschutzes, DVB1. 1998, S. 549 ff.; Udo Di Fabio, Integratives Umweltrecht - Bestand, Ziele, Möglichkeiten, in: Gesellschaft für Umweltrecht Dokumentation zur 21. Wissenschaftlichen Fachtagung, 1998, S. 27 ff. 63 Ähnlich Schmidt (Fn. 55), S. 749 (755); Zöttl (Fn. 11), S. 98 f. 64 Dazu Christoph Landet, Die Umweltverträglichkeitsprüfung in parallelen Zulassungsverfahren, 1995, S. 114 ff. 65 Vgl. Meike Jörgensen, Das Reststoffvermeidungs- und Verwertungsgebot: Eine Untersuchung zu § 5 Abs. 1 Nr. 4 BImSchG, 1994, S. 112 f.; Eckard Rehbinder, Das Vorsorgeprinzip im internationalen Vergleich, 1991, S. 93 f., 258 f. 66 Dazu Landet (Fn. 64), S. 114 ff.

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sollen. 67 Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, ob Zulassungsverfahren mit gebundener Erlaubnis, also insbesondere nach den §§ 5, 6 BImSchG, für eine optimierende Berücksichtigung von möglichen Problemverlagerungen überhaupt offen sind. 68 Im Rahmen der insofern erforderlichen (nachvollziehenden) Abwägung hat die Behörde jedoch erhebliche Entscheidungsspielräume, die auch durch Rechtsverordnung oder Verwaltungsvorschrift eingeschränkt werden können und, um einer Überforderung der Genehmigung durch Saldierung von letztlich unvergleichbaren Belastungen entgegenzuwirken, auch eingeschränkt werden sollten. 69 Trotz der Regelung in § 14 UVPG stößt die Optimierung, insbesondere hinsichtlich der Verwaltungsorganisation, im Verhältnis zum Wasserrecht auf Schwierigkeiten. Darauf wird - im Zusammenhang mit der Umsetzung der IVU-Richtlinie - noch ausführlicher zurückzukommen sein. Interessant ist in diesem Zusammenhang überdies die - Externe und Interne Integration zusammenführende - Richtlinie über die Prüfung der Umweltauswirkungen von Plänen und Programmen, auch als strategische UVP bezeichnet. 70 Sie soll als Rahmen für Genehmigungen UVP-pflichtiger Projekte in den Bereichen Landwirtschaft, Forstwirtschaft, Fischerei, Energie, Industrie, Verkehr, Abfall, Wasserbewirtschaftung, Telekommunikation, Fremdenverkehr, Raumordnung und Bodennutzung erstellt werden (Externe Integration). Die Interne Integration ist wie bei der klassischen UVP umfassend (Art. 5 der Richtlinie betreffend den zu erstellenden Umweltbericht) angelegt, im übrigen aber rein prozedural ausgestaltet (vgl. den 2. Erwägungsgrund). Nach Art. 8 der Richtlinie ist das Ergebnis der Umweltprüfung bei allen Akten zu berücksichtigen, die Plänen und Programmen 67

Vgl. Eckard Rehbinder, Ziele, Grundsätze, Strategien und Instrumente, in: Grundzüge des Umweltrechts, Arbeitskreis für Umweltrecht, 1997, Rn. 48; Klaus Hansmann, Inhalt und Reichweite der Reststoffvorschrift des § 5 I Nr. 3 BImSchG, N V w Z 1990, S. 409 (411 f.); Jörgensen (Fn. 65), S. 114 ff. 68 Dies bejahen Matthias Schmidt-Preuß, Der verfahrensrechtliche Charakter der Umweltverträglichkeitsprüfung, DVB1. 1995, S. 485 (488 ff.); Rudolf Steinberg, Zulassung von Industrieanlagen im deutschen und europäischen Recht, N V w Z 1995, S. 209 (216); Martin Beckmann, in: Werner Hoppe (Hrsg.), UVP-Gesetz, 1995, § 12, Rn. 120 ff.; Klaus Lange, Rechtsfolgen der Umweltverträglichkeitsprüfung für die Genehmigung oder Zulassung eines Projekts, DÖV 1992, S. 780 (784); Jörgensen (Fn. 65), S. 113 ff.; dagegen Erbguth/Schink (Fn. 53), § 12 Rn. 100 ff.; Jörg Schoeneberg, Umweltverträglichkeitsprüfung, 1993, S. 102 f. 69 Vgl. Rainer Wahl/Ivo Appel, Prävention und Vorsorge. Von der Staatsaufgabe zur rechtlichen Ausgestaltung, in: Rainer Wahl, Prävention und Vorsorge, 1995, S. 175 ff.; Steinberg (Fn. 68), S. 209 (211). 70 Vgl. AB1EG Nr. L 197 vom 21.7.2001, S. 30; dazu Michael Schmidt/Nicole Rütz/Sascha Bier, Umsetzungsfragen bei der strategischen Umweltprüfung (SVPL) in nationales Recht, DVB1. 2002, S. 357 ff.; ferner Schröder (Fn. 18), S. 38 f.; Jan Ziekow, Strategische Umweltverträglichkeitsprüfung - ein neuer Anlauf, UPR 1999, S. 287 ff.

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Verbindlichkeit verschaffen sollen. Interessant ist die Konzeption der strategischen UVP insbesondere deshalb, weil sie Interne Integration (vgl. Art. 5 Abs. 2 der Richtlinie) und - in Konsequenz ihres im übrigen rein prozeduralen Charakters - Externe Integration miteinander verbindet. Denn indem sie für alle Pläne und Programme (gedacht wurde anfangs sogar auch an Gesetze) in den umweltexternen Sektoren verbindlich vorgeschrieben wird, müssen in den jeweiligen Fachbehörden, ganz im Sinne der prozeduralen Vorgaben der Querschnittsklausel, verwaltungsorganisatorische Maßnahmen getroffen werden, um die effektive Anwendung der Richtlinie zu gewährleisten. 4. Vorgaben im Kontext der IVU-Richtlinie: Interne Integration Mit Blick auf die skizzierten Schwierigkeiten im Rahmen der UVPRichtlinie kann es nicht verwundern, wenn der insbesondere auf europäischer Ebene verfolgte Ansatz eines integrierten Umweltschutzes 71 im Zusammenhang mit der Diskussion um die gemeinschaftsrechtliche IVURichtlinie 7 2 in ähnlicher Weise mit Problemen behaftet und dementsprechend umstritten ist. 7 3 Dies gilt um so mehr, als die IVU-Richtlinie der EG noch tiefer als die UVP-Richtlinie in das nationale Anlagenzulassungsrecht eingreift, indem sie die Anlagengenehmigung im Bereich der Industrie (vgl. Anhang I der IVU-Richtlinie) umfassend am von ihr verfolgten „integrierten Konzept" ausrichtet (vgl. Art. 3 und Art. 8-10 der IVU-Richtlinie). Dies mit dem Ziel, ein hohes Schutzniveau für die Umwelt insgesamt zu erreichen (vgl. 8. Erwägungsgrund der IVU-Richtlinie). Demnach ist die angestrebte Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung übermedial anzugehen, wobei das integrierte Konzept - infolge des anlagenbezogenen Ansatzes - enger als im Kontext der UVP-Richtlinie ausgestaltet ist: Aus Art. 2 Nr. 2 und Nr. 5 der IVU-Richtlinie wird deutlich, daß Schutzziel nicht die Umwelt als Ganzes (u.a. sind Eingriffe in Flora und Fauna ausgeklammert), sondern „nur" die saldierende Bewertung der Auswirkungen einer Anlage auf die Medien Luft, Wasser und Boden samt der 71

Vgl. dazu Ludwig Krämer, Der Richtlinienvorschlag über die integrierte Vermeidung und Verminderung von Umweltverschmutzung, in: Hans-Werner Rengeling, Integrierter und betrieblicher Umweltschutz, 1996, S. 51 ff. 72 Richtlinie 96/61/EG über die integrierte Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung, AB1EG 1996 Nr. L 257, S. 26; dazu Harald Kracht/Andreas Wasielewski, Integrierte Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung, in: Hans-Werner Rengeling, EUDUR Bd. I, § 35 Rn. 11 ff. 73 Kritisch z.B. Masing (Fn. 62), S. 549 ff.; Di Fabio (Fn. 62), S. 27 ff.; positiver Volkmann (Fn. 62), S. 363 ff.; Zöttl (Fn. 11), S. 86 ff.; Röckinghausen (Fn. 11), S. 37 ff. und 112 ff.

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dabei zu erwartenden Belastungsverlagerungen ist. 7 4 Insoweit, aber auch mit Blick auf ihren jeweiligen Anwendungsbereich, bestehen, wie Meinhard Schröder zu Recht bemängelt hat, 75 erhebliche Zweifel, ob UVP- und IVURichtlinie wirklich als im „Gleichklang" stehende „Zwillinge" 7 6 bezeichnet werden können. Der materielle Integrationsgedanke der IVU-Richtlinie soll letztlich durch ein Bündel medienübergreifend ausgestalteter Begriffe, insbesondere der Immissionen, der Emissionen (vgl. Art. 2 Nr. 5 und Art. 9 Abs. 3 Satz 1 IVU-Richtlinie) sowie - als Element prozeßorientierter Integration - der sog. Besten Verfügbaren Techniken (BVT), zumeist als BATs (für „Best Available Techniques") bezeichnet, erreicht werden. 77 Die BATs bestimmen die für die Genehmigung maßgeblichen Emissionsgrenzwerte (Art. 9 Abs. 3 und 4 der IVU-Richtlinie), sie werden entweder jeweils im Einzelfall mittels konkreter Genehmigungsauflagen oder in Form branchenspezifischer Standards festgelegt. 78 Mit den BATs wird der effizienteste und fortschrittlichste Entwicklungsstand der Tätigkeiten und entsprechenden Betriebsmethoden bezeichnet, der spezielle Techniken als geeignet erscheinen läßt, um Emissionen in und Auswirkungen auf die gesamte Umwelt allgemein zu vermeiden oder, wenn dies nicht möglich ist, zu vermindern. Nach Art. 16 IVU-Richtlinie führt die Kommission mit den Mitgliedstaaten einen Informationsaustausch über die BATs, die aus diesen abgeleiteten Emissionsgrenzwerte sowie die damit verbundenen Überwachungsmaßnahmen durch. Im Mittelpunkt dieses Informationsaustausches steht die Erarbeitung von Referenzdokumenten über die BATs für einzelne Industriezweige, die als „IPPC BAT Reference Documents" (kurz BREFs) bezeichnet werden. Sie sollen die für die Bestimmung der BATs relevanten Techniken sowie Referenzwerte über deren Umweltauswirkungen angeben. 79 Die Informationen, die von branchenspezifischen technischen Arbeitsgruppen im sogenannten Sevilla-Prozeß mit Unterstützung des in Sevilla ansässigen „European IPPC Bureaus" erarbeitet werden, sind gem. Anhang IV Nr. 12 der Richtlinie von den zuständigen Behörden bei den 74

Schröder (Fn. 18), S. 36. Schröder (Fn. 18), S. 37 f.; ebenso Dieter Seltner, in: Klaus-Peter Dolde (Hrsg.), Umweltrecht im Wandel, 2001, S. 401 (402 f.); Röckinghausen (Fn. 11), S. 132 ff.; Zöttl (Fn. 11), S. 160 f.; Pablo Mentzinis, Die Durchführbarkeit des europäischen Umweltrechts, Gemeinschaftsrechtliche Ursachen des Vollzugsdefizits im Anlagenzulassungsrecht, in: Schriftenreihe des Instituts für Umwelt- und Technikrecht, 2000, S. 106 ff. 76 So Udo Di Fabio, Integratives Umweltrecht, N V w Z 1998, S. 329 (333 f.); Bernd Becker, Überblick über die umfassende Änderung der Richtlinie über die Umweltverträglichkeitsprüfung, N V w Z 1997, S. 1167 (1170 f.). 77 Seilner (Fn. 75), S. 411. 78 Ausführlich hierzu Seilner (Fn. 75), S. 409. 79 Dazu Josef Falke, Neueste Entwicklungen im Europäischen Umweltrecht, ZUR 2001, S. 34 f. 75

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Genehmigungsauflagen und den Mitgliedstaaten bei der Festlegung der Emissionsgrenzwerte in Rechts- und Verwaltungsvorschriften zu berücksichtigen. 8 0 Denn mangels einer Festlegung von Emissionsgrenzwerten auf Gemeinschaftsebene (vgl. die Möglichkeit hierzu gem. Art. 18 Abs. 2 IVURichtlinie) ist mit dem Sevilla-Prozeß offenbar die Hoffnung verbunden, die vielfältigen unbestimmten Rechtsbegriffe der Richtlinie sowie den Begriff des integrierten Umweltschutzes europaweit wenigstens ansatzweise materiell zu konkretisieren und zu harmonisieren. Bislang macht die IVURichtlinie also keine konkreten Vorgaben für eine Genehmigungsentscheidung mit materieller Integrationswirkung. Vielmehr vertraut die IVU-Richtlinie insoweit auf die verfahrensrechtliche Integration, als Art. 7 von den Mitgliedstaaten - freilich mit Rücksicht auf ihre Zuständigkeit für Verwaltungsverfahren und -organisation in recht unbestimmter Weise - eine vollständige Koordinierung der Genehmigungsverfahren und -auflagen für den Fall verlangt, daß bei einem Vorhaben mehrere zuständige Behörden mitwirken. 8 1 Die IVU-Richtlinie enthält - anders noch als ihre britisch inspirierten ersten Entwürfe - eine ganze Reihe von aus dem BImSchG vertrauten Elementen. Strukturell neu für das deutsche Recht ist im wesentlichen nur der expressis verbis integrative Ansatz, 82 der sich zum einen in den Begrifflichkeiten (Immissionen, Emissionen, BATs) und zum anderen in der verfahrensrechtlichen Koordinierung Ausdruck verschafft. 83 Dennoch gab und gibt es hinsichtlich der Umsetzung vielfältige Meinungsverschiedenheiten und Probleme, 84 von denen nachfolgend - mit Blick auf das Thema des Vortrags - nur die verfahrensrechtliche Koordinierung, mithin die Frage der Umsetzung von Art. 7 der IVU-Richtlinie, behandelt werden soll. 5. Umweltgesetzbuch und Interne Integration Die Umsetzung von UVP-Änderungsrichtlinie und IVU-Richtlinie war zunächst im Rahmen der Verwirklichung des Umweltgesetzbuchs erwogen worden (sogenannte große Umsetzungslösung).85 Dafür sprachen gute 80 Zu alledem ausführlich Andreas Wasielewski, in: Klaus-Peter Dolde (Hrsg.), Umweltrecht im Wandel, 2001, S. 213 (216 ff.); zum Stand des Sevilla-Prozesses Falke (Fn. 79), S. 34 f. 81 Schröder (Fn. 18), S. 37. 82 Α. A. Manfred Rebentisch, Die immissionsschutzrechtliche Genehmigung - ein Instrument integrierten Umweltschutzes?, N V w Z 1995, S. 949 ff. 83 So zu Recht die ganz überwiegende Meinung, vgl. nur Seilner (Fn. 75), S. 407 ff. m.w.N. 84 Dazu ausführlich Wasielewski (Fn. 80), S. 220 ff. 85 Hierzu und zum Scheitern dieser Bemühungen Wasielewski (Fn. 80), S. 214 f., 219 f., 231; ders. (Fn. 61), S. 15 (17 ff.).

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Gründe, weil der Entwurf der Unabhängigen Sachverständigenkommission sich in einer Kombination aus europapolitischer Voraussicht und umweltpolitischer Einsicht konsequent dem Grundsatz des integrierten Umweltschutzes verschrieben hatte. 86 Demgemäß lautet § 8 UGB-Kommissionsentwurf: „Maßnahmen zum Schutz der Umwelt und des Menschen sollen die Auswirkungen auf die Umwelt in ihrer Gesamtheit berücksichtigen". In concreto stellt die in § 83 Abs. 1 UGB-Kommissionsentwurf geregelte Vorhabensgenehmigung das Kernstück eines medienübergreifenden Umweltschutzes dar. 87 Sie sieht für alle umweltrelevanten Vorhaben eine Regelung vor, mit der einheitlich und medienübergreifend Errichtungs- und Betriebsbedingungen genehmigt werden sollen. Mit dem vorgeschlagenen materiellen Entscheidungsprogramm (vgl. etwa § 80 Abs. 3 UGB-Kommissionsentwurf) sollen das Anforderungsprofil von UVP- und IVU-Richtlinie in einem einheitlichen Verfahren verschmolzen werden. 88 Nach § 83 Abs. 2 Satz 1 UGB-Kommissionsentwurf, bezeichnet auch als „Integrationsgebot", 8 9 sollen die umweltschutzbezogenen Grundpflichten des Vorhabensträgers so erfüllt werden, daß die Umwelt „in ihrer Gesamtheit möglichst wenig belastet" wird, wobei alle „Belastungspfade" und „Wechselwirkungen" zu berücksichtigen sind. 90 Konsequenterweise wird vom UGB-Kommissionsentwurf daher auch die Konzentrationswirkung der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung auf die wasserrechtliche Erlaubnis und Bewilligung ausgedehnt.91 Darüber hinaus spricht der Wortlaut in Form des Ziels der „möglichst geringen" Belastung dafür, daß die Vorschrift nicht nur ein Gebot zu integrierter bzw. gesamthafter Betrachtung der Umweltauswirkungen eines Vorhabens festschreibt, sondern zusätzlich ein „Optimierungsgebot" hinsichtlich des anzustrebenden Umweltschutzes bzw. ein „Minimierungsgebot" hinsichtlich der Umweltbelastung formuliert. Demnach muß die Grundpflichtenerfüllung also integrativ optimiert erfolgen. 92 Dabei geht der UGB-Kommissionsentwurf davon aus, daß die „in den 86 Vgl. dazu etwa Bundesministerium für Umwelt (Hrsg.), Umweltgesetzbuch (UGB-KomE), 1998, Begründung zu § 8. 87 UGB-Kommissionsentwurf, Einleitung, S. 99. 88 Seltner (Fn. 75), S. 403 f. 89 UGB-Kommissionsentwurf, Begründung, S. 627 ff. 90 Michael Kloepfer/Wolfgang Durner, Der Umweltgesetzbuch-Entwurf der Sachverständigenkommission, DVB1. 1997, S. 1081 (1089); Matthias Schmidt- Ρreuß, Veränderungen grundlegender Strukturen des deutschen (Umwelt-)Rechts durch das „Umweltgesetzbuch I", DVB1. 1998, S. 857 (860 f.); Hans-Werner Rengeling, Die Vorhabengenehmigung im UGB-Kommissionsentwurf und im Arbeitsentwurf UGB I, ZfV 1999, S. 322 (324, 327). 91 Kritisch Jürgen Fluch, Die Vorhabengenehmigung im Kommissionsentwurf eines Umweltgesetzbuches aus Unternehmersicht - eine erste Kritik, N V w Z 1998, S. 1016 (1020). 92 So Fluch (Fn. 91), S. 1016 (1018) in seinem in der Sentenz kritischen Beitrag.

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Grundpflichten des Absatzes 1 enthaltenen Anforderungen (...) bei der Anwendung von Absatz 2 als Mindestvoraussetzungen für die Zuverlässigkeit eines Vorhabens zu beachten" sind. 93 I V . Konkrete verwaltungsorganisationsrechtliche Konsequenzen des integrierten Umweltschutzes 1. Externe Integration und Verwaltungsorganisation Vorgaben an die Organisation der Umweltverwaltung ergeben sich zunächst aus der umweltrechtlichen Querschnittsklausel, die ausdrücklich in Art. 6 EGV geregelt ist und sowohl für die EG als auch für die Mitgliedstaaten beim Vollzug des Gemeinschaftsrechts verbindlich ist. Wie bereits dargelegt wurde, korrespondieren ihre Vorgaben überdies mit dem umweltstaatlichen Vorsorgeprinzip, wie es in Art. 20a GG verankert ist. Die Querschnittsklausel - und damit die Externe Integration - erfordert in Umsetzung des Vorsorgeprinzips eine Staats- und Verwaltungsorganisation, die sowohl institutionell als auch in ihrer Ausstattung darauf vorbereitet ist, die Erfordernisse des Umweltschutzes im Rahmen umweltrelevanter Politiken und sie konkretisierender Maßnahmen zu integrieren. Auf europäischer Ebene finden sich insoweit bereits erste konkrete Ansätze. So hat die Kommission zur Umsetzung des Art. 6 EGV ihre Dienststellen angewiesen, bei der Ausarbeitung von Vorschlägen frühzeitig deren ökologische Auswirkungen zu berücksichtigen. 94 Im Zusammenhang hiermit hat sie ihr internes Organigramm geändert und in verschiedenen Generaldirektionen (u.a. Industrie, Landwirtschaft, Transport und Energie) Verwaltungseinheiten geschaffen, die sich mit den spezifischen Umweltfragen der jeweiligen Politik befassen sollen. 95 Darüber hinaus forderte der Europäische Rat von Luxemburg im Dezember 1997 die Kommission auf, eine Strategie zur Umsetzung von Art. 6 EGV zu erarbeiten. Dem kam die Kommission mit ihrer Mitteilung vom 27.5.1998 (KOM (1998) 333 final) unter dem Titel „Partnerschaft für Integration" nach. Zwar bleibt diese Mitteilung über weite Strecken vage und allgemein, jedoch enthält sie die Forderung nach einer Umweltfolgenabschätzung für alle wichtigen politischen Initiativen. Demgemäß sollen sektorale Integrationsstrategien erarbeitet werden. Ganz in diesem Sinne leitete der Europäische Rat von Cardiff (Juni 1998) den sog. „Cardiff-Prozeß" ein und ersuchte unter Nr. 32 ff. seiner 93

UGB-Kommissionsentwurf, Begründung, S. 627. Erste Ansätze sind insofern einer Anweisung der Kommission an ihre Dienststellen zu entnehmen, vgl. DOK. SEC (93), S. 785, dazu EuZW 1997, S. 642 f. 95 Ludwig Krämer/Pascale Kromarek, Europäisches Umweltrecht, Chronik vom 1.10.1991 bis zum 31.3.1995, ZUR 1995, Beilage, S. I (III). 94

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Schlußfolgerungen alle Fachministerräte, „ihre eigenen Strategien für die tatsächliche Berücksichtigung der Belange der Umwelt und der nachhaltigen Entwicklung in ihrem jeweiligen Politikbereich zu entwerfen. Sie sollten die in dieser Hinsicht erzielten Fortschritte beobachten und dabei die von der Kommission vorgeschlagenen Leitlinien berücksichtigen und Indikatoren ermitteln". Nach den Fachministerräten Verkehr, Energie und Landwirtschaft haben diejenigen für Entwicklungspolitik, Binnenmarkt, Industrie, Fischerei, ECOFIN und Allgemeine Angelegenheiten ihre sektoralen Integrationsberichte und -Strategien vorgelegt, die der Europäische Rat von Helsinki (Dezember 1999) evaluierte und deren sofortige Umsetzung er verlangte. Die weitere Umsetzung dieser Vorgaben durch die Fachministerräte verlief bislang allerdings eher schleppend, die Berichte und Strategien blieben oftmals vage Ankündigungen ohne konkrete Handlungsvorschläge und Zeitvorgaben. 96 Daran hat auch der Europäische Rat von Göteborg im Juni 2001, dem eine umfassende Integrationsstrategie für alle Politikbereiche, ergänzt um einen Zeitplan für weitere Maßnahmen sowie ein System von Umwelt- und Integrationsindikatoren, zur Evaluierung unterbreitet werden sollte, nicht viel ändern können. 97 Ganz ähnlich diesen, in die richtige Richtung weisenden Bestrebungen auf EG-Ebene müßte auf der staatlichen Ebene in jedem Ministerium und in jeder Verwaltungsbehörde eine kompetente Stelle eingerichtet werden, die alle sektoralen Maßnahmen politikübergreifend auf ihre Umweltrelevanz - definiert durch Verwaltungsvorschriften - überprüft, die Einbeziehung der Umweltbelange auf Grundlage einer Umweltverträglichkeitsprüfung bewertet und bei einem möglichen Verstoß gegen die Vorgaben der Querschnittsklausel ihr suspensives Veto einlegen kann. Geeignetes Instrument könnten insoweit strategische und projektbezogene Umweltverträglichkeitsprüfungen sein, die freilich entsprechend überarbeitet werden müßten. In verwaltungsorganisationsrechtlicher Hinsicht könnten demnach in allen umweltexternen Bundes- und Landesministerien (ebenso wie in allen sonstigen Fachbehörden) Umweltabteilungen eingerichtet werden, die, ausgestattet mit einem suspensiv wirkenden Vetorecht, das auf Ministerialebene vom Umweltminister auszuüben wäre, 98 auf die Berücksichtigung der Umweltbelange bei der Ausgestaltung und beim Vollzug umweltexter96 Vgl. zum Ganzen Matthias Buck/R. Andreas Kraemer/David Wilkinson, Der „Cardiff-Prozeß" zur Integration von Umweltschutzbelangen in andere Sektorpolitiken, in: Aus Politik und Zeitgeschichte Β 48/99, S. 12 ff.; Rüdiger Wurzel, The EU Presidency and the Integration Principle: an Anglo-German Comparison, E.E.L.R. 2001, S. 7 ff. 97 Vgl. Kommissionsdokument SEC (1999) 1942 final. 98 Vorbild wäre Art. 112 GG bzw. § 26 GOB Reg, der dem Finanz- und Justizminister ein solches Recht zugesteht; vgl. dazu auch Steinberg (Fn. 48), S. 227 m.w.N. sowie Kuratorium, Verfassungsentwurf, S. 45, (128), wonach dem Bundes-

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ner Politiken bzw. Maßnahmen zu achten haben. In der Folge wäre dann unter Einbeziehung des Umweltministeriums und des Umweltbundesamtes, respektive der jeweils zuständigen Umweltfachbehörde, sowie außerstaatlichen Sachverstands, eine umweltverträgliche Lösung zu erarbeiten. Auf diese Weise könnte innerhalb der Verwaltung der notwendige koordinierende Interessenausgleich zwischen den kollidierenden Belangen herbeigeführt werden." Eine andere, in verwaltungsorganisatorischer Hinsicht vielleicht weniger aufwendige Möglichkeit bestünde darin, daß jede - nach Einschätzung der jeweils sektoral zuständigen Fachbehörde - umweltrelevante Maßnahme der Umweltfachbehörde zugeleitet wird, die bei einem Verstoß gegen die Vorgaben der Querschnittsklausel ihr Veto einlegen und Vorschläge zu einer Verbesserung betreffend deren Umweltverträglichkeit unterbreiten kann, die dann in Zusammenarbeit beider Behörden Eingang in die Maßnahme zu finden hätten. Zur Verwirklichung dieser Vorgaben müßte man bei der staatlichen Verwaltungsorganisation im engeren Sinne, mithin bei Behördenzuständigkeit und Behördenaufbau ansetzen. 100 Insoweit lassen sich entweder bestehende administrative Entscheidungsstrukturen im Interesse des Umweltschutzes nutzen, 101 oder aber neu einzurichtende administrative Sondergliederungen mit der Wahrung spezifischer Langzeitinteressen betrauen. 102 Unabhängig davon darf aber auch die gesetzgeberische Ebene nicht unberücksichtigt bleiben. Denn die Ausgestaltung der jeweiligen Gesetze hat sowohl in materieller als auch in prozeduraler Hinsicht maßgeblichen Einfluß auf die Verwirklichung des integrierten Umweltschutzes. 103 Dementsprechend könnten Wege eröffnet werden, auf denen außerstaatlicher Sachverstand verstärkt in den Entscheidungsprozeß eingebracht werden kann. Ziel ist es, den „überforderten Staat" 1 0 4 dadurch zu entlasten, daß die gerade im Bereich des Umweltschutzes bestehende hohe Komplexität und der mit ihr einhergehende Mangel an zur Entscheidung notwendigen Informationen umweltminister gem. Art. 65 Abs. 3 bei ökologisch bedeutsamen Vorhaben ein Vetorecht zustehen soll. 99 Dazu Ruffert (Fn. 26), S. 897 (insbesondere S. 900 f.); Steinberg (Fn. 48), S. 226 ff. jeweils m.w.N. 100 Ausführlich hierzu Ruffert (Fn. 26), S. 897 ff. 101 Ruffert (Fn. 26), S. 897 (900 f.) bezeichnet dies als „Interessenaggregation durch Ressortbildung", die im Wege der Koordination zum Interessenausgleich gebracht wird. 102 Ruffert (Fn. 26), S. 897 (902) spricht hier von Gremien pluraler Interessenrepräsentanz. 103 Dies ist auch eine Konsequenz der prozeduralen Umsetzung des Art. 20a GG; allgemein zu solchen Möglichkeiten der Interessenaggregation und des Interessenausgleichs im Verwaltungsorganisationsrecht Ruffert (Fn. 26), S. 897 (900 ff.). 104 Dazu Christian Calliess, Rechtsstaat und Umweltstaat, 2001, S. 3 ff., 65 ff.

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häufig Auslöser der das Risiko kennzeichnenden Unsicherheit und Ungewißheit - durch die Einbindung verschiedener, oftmals sachnäherer „Informanten" reduziert wird. Mit dieser Implikation von Vorsorgeprinzip und Querschnittsklausel korrespondiert Art. 20a GG insofern, als sein Schutzauftrag wie gesehen zwar an den Staat adressiert ist, dieser aber bei dessen Umsetzung aufgefordert ist, dem umweltrechtlichen Kooperationsprinzip 105 entsprechend auch solche gesellschaftlichen Kräfte zu stützen und zu stärken, die mithelfen können, den Umweltschutz in gesellschaftlicher Verantwortung zu verwirklichen. 106 Entsprechende Möglichkeiten eröffnen sich im Gesetzgebungsverfahren mit der Etablierung eines (unselbständigen) Rates von Sachverständigen für Zukunftsbelange beim Bundespräsidenten und dem Ausbau bzw. der verstärkten Institutionalisierung und Beteiligung der wissenschaftlichen Politikberatung im politischen Entscheidungsprozeß. 107 Als neu zu schaffende Institutionen kommen darüber hinaus ein vom Bundestag einzusetzender ständiger Ausschuß zur Prüfung von ökologischen Folgen von Gesetzen und zur Technikfolgenabschätzung, 108 ein Umweltombudsmann respektive -beauftragter 109 sowie ein selbständiger Rat von Sachverständigen für Zukunftsfragen oder auch Umweltrat 1 1 0 in Betracht, die jeweils als Vertreter der Interessen zukünftiger Generationen in die Entscheidungsprozesse einzubinden wären. 1 1 1 Vorgeschlagen wurde aber auch die verfassungsrechtliche Etablierung eines Ökologischen Rats oder Senats. In seinem mit Blick auf die Herstellung der deutschen Einheit vorgelegten Verfassungsentwurf, 105

Hierzu Udo Di Fabio, Das Kooperationsprinzip - ein allgemeiner Rechtsgrundsatz des Umweltrechts, N V w Z 1999, S. 1153 ff.; Michael Kloepfer, Umweltrecht, 1998, § 4 Rn. 45 ff.; ausführlich Hans-Werner Rengeling, Das Kooperationsprinzip im Umweltrecht, 1988, S. 13 ff. 106 y gi ferner Wolf gang Hoffmann-Riem, Vom Staatsziel Umweltschutz zum Gesellschaftsziel Umweltschutz, Die Verwaltung 1995, S. 425 (430 ff.); Kloepfer (Fn. 105), § 3 Rn. 48; Ritter (Fn. 1), S. 641 (645 f.). 107 Gethmann/Kloepfer/Nutzinger (Fn. 47), S. 38 f.; vgl. dazu auch den - tendenziell kritischen - Überblick zum existierenden institutionalisierten Sachverstand von Hans-Peter Vierhaus, Sachverstand als vierte Gewalt?, N V w Z 1993, S. 36 ff. 108 Vgl. etwa Kuratorium, Verfassungsentwurf, S. 44 f., 114, wonach in Art. 45 vom Bundestag ein Technikfolgenausschuß zu bestellen ist, dem die Rechte eines Untersuchungsausschusses zugestanden werden sollen. 109 Dazu Thomas Schomerus, Ein Ombudsmann mit Klagebefugnis statt Verbandsklage im Naturschutzrecht?, NuR 1989, S. 171 ff.; Steinberg (Fn. 48), S. 347 f.; Ruffert (Fn. 26), S. 897 (903) nennt dies „Interessenrepräsentanz durch Beauftragte". 110 Steinberg (Fn. 48), S. 345 f. 111 Gethmann/Kloepfer/Nutzinger (Fn. 47), S. 39 f.; Saladin/Zenger (Fn. 46), S. 111 ff.; Dietrich Boehler, Gebt der Zukunft ein Recht! Plädoyer für die Technologie- und Zukunftsverantwortung im Sinne des dialogischen Systems, ZRP 1993, S. 389 (392 f.); Steinberg (Fn. 48), S. 344 ff.; kritisch zu solchen Institutionen der Langzeitverantwortung Vierhaus (Fn. 107), S. 36 (41).

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der sich an den Regelungen des Grundgesetzes orientiert, sah das Kuratorium für einen demokratisch verfaßten Bund deutscher Länder in Art. 53b einen Ökologischen Rat vor, dessen an Aufträge und Weisungen nicht gebundene Mitglieder je zur Hälfte von den Volksvertretungen der Länder und vom Bundestag für 9 Jahre gewählt werden sollen. Der Ökologische Rat soll insbesondere durch Stellungnahmen, Empfehlungen sowie ein aufschiebendes Vetorecht bei der Gesetzgebung des Bundes mitwirken. 1 1 2 Solange ein ökologischer Rat/Senat nicht als dritte Kammer mit Mitentscheidungsrechten im Gesetzgebungsverfahren eingerichtet w i r d , 1 1 3 stehen ihm keine grundsätzlichen Vorbehalte aus dem rechtsstaatlichen Gewaltenteilungsprinzip (Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG) entgegen. Sein rein suspensiv wirkendes Vetorecht trägt allein zu einer Verzögerung des Gesetzgebungsverfahrens bei, greift materiell aber weder unmittelbar noch mittelbar in dieses ein. Denn der Ökologische Rat/Senat erhält über das Vetorecht keine Mitentscheidungsbefugnis in der Sache. Vielmehr sollen die Abgeordneten des Parlaments nach einer durch das begründete Veto ausgelösten Phase des Überdenkens - unter Berücksichtigung der Stellungsnahme des Ökologischen Rats/Senats - erneut entscheiden. Dabei sind sie rechtlich in keiner Weise an die Stellungnahmen und Einwendungen des Ökologischen Rats/ Senats gebunden. 114 Daß die vorstehenden Überlegungen nicht so ungewöhnlich sind, wie es zunächst erscheint, beweist u.a. der Konventionsentwurf des Europarates, der sog. „Model Act on the Protection of the Environment" von 1994 1 1 5 , in dessen Art. 16 Abs. 2 lit. A) und Abs. 3 lit. Β) die beratende Mitwirkung eines zu schaffenden Umweltrates vorgesehen i s t . 1 1 6 Mit einem konsultativ konzipierten Ökologischen Rat/Senat könnte im Ergebnis nicht nur den prozeduralen Vorgaben des Art. 20a GG entsprochen werden, sondern es würde auch die immer wieder an die Parlamente herangetragene, von ihnen allein aber kaum zu bewältigende Verantwortung 112 Dazu Brönneke (Fn. 33), S. 101 ff.; Johannes Rux, Intertemporale Strukturprobleme der Demokratie. Die Öko-Diktatur als Ausweg? in: Martin Bertschi u.a., Demokratie und Freiheit, Vorträge der 39. Assistententagung Öffentliches Recht in Zürich, 1999, S. 301 (323 ff.); kritisch Steinberg (Fn. 48), S. 341. 113 Dafür aber Rux (Fn. 112), S. 323 ff., 325, demzufolge dem Ökologischen Rat „zumindest das Recht zugestanden werden (muß), Gesetzentwürfe und andere Beschlußvorlagen einzubringen". 114 Eine gewisse rechtliche Bindungswirkung scheint das BVerfG (NJW 1992, S. 1373 f.) in seiner Entscheidung zur durch Art. 38 Abs. 1 Satz 2 Einigungsvertrag angeordneten Begutachtung der Institute der Akademie der Wissenschaften der DDR durch den Wissenschaftsrat sogar für verfassungsrechtlich zulässig zu halten; dazu Vierhaus (Fn. 107), S. 36 (40). 115 Abgedruckt in UTR 35, Jahrbuch 1995, S. 337 ff. 116 Dazu Rudolf Streinz, Auswirkungen des Rechts auf „Sustainable Development" - Stütze oder Hemmschuh? Ansätze und Perspektiven im nationalen, europäischen und Weltwirtschaftsrecht, Die Verwaltung 1998, S. 449 (473) m.w.N.

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für den technischen Fortschritt 117 und der damit erforderlichen Technologiefolgen- und (strategischen 118 ) Umweltverträglichkeitsprüfungen 119 erleichtern. Letztere stellen ganz in diesem Sinne ein Instrument sachverständiger Politikberatung dar, das die Handlungsfreiheit des Entscheidungsträgers nicht beschränken will; sie wollen vielmehr sein Problembewußtsein schärfen, indem sie unterschiedliche Entwicklungsmöglichkeiten aufzeigen, alternative Handlungsoptionen darstellen und deren Wertgebundenheit verdeutlichen. Damit zielen Technologiefolgenabschätzung und strategische Umweltverträglichkeitsprüfung weniger auf eine Beeinflussung der konkreten Entscheidung als vielmehr auf eine Veränderung der Entscheidungsfindung. Der kritische Hinweis, daß existierende beratende Institutionen wie der bayerische Senat oder der Wirtschafts- und Sozialausschuß zunehmend in Frage gestellt werden bzw. abgeschafft wurden, erscheint im vorliegenden Zusammenhang nicht tragfähig: Denn diese Institutionen haben ganz andere Aufgaben als der Ökologische Rat/Senat (gehabt). Letzterer soll eine verfassungsrechtlich vorgegebene Gemeinwohlverantwortung wahrnehmen, wohingegen bayerischer Senat 1 2 0 und Wirtschafts- und Sozialausschuß 121 in institutionalisierter Form Verbandsinteressen repräsentieren bzw. repräsentierten. In Umsetzung der Externen Integration käme auf Vollzugsebene überdies ein Ausbau der Mitwirkung der anerkannten Naturschutzverbände in Betracht. Ganz in diesem Sinne formulierte das Bundesverwaltungsgericht: „Die anerkannten Naturschutzverbände sollen mit ihrem Sachverstand in ähnlicher Weise wie Naturschutzbehörden die Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege in das Verfahren einbringen. Sie sollen, gleichsam als „Verwaltungshelfer' 4, dafür Sorge tragen, daß diese Belange über die vorgeschriebene Berücksichtigung durch die jeweils zuständige Behörde hinaus in besonderer Weise zur Geltung gebracht werden". 1 2 2 Letzteren 117

Dazu ausführlich Alexander Roßnagel, Die parlamentarische Verantwortung für den technischen Fortschritt, ZRP 1992, S. 55 ff. 118 Gemeint ist hier nicht die projektbezogene UVP nach dem UVPG, sondern eine auf Programme, Pläne und Gesetze ausgeweitete UVP, wie sie derzeit diskutiert wird. Vgl. dazu Ziekow (Fn. 70), S. 287 ff. 119 Hierzu grundlegend Gotthard Βechmann/Juliane Jörissen, Technikfolgenabschätzung und Umweltverträglichkeitsprüfung, KritV 1992, S. 140 ff.; ferner Roßnagel (Fn. 117), S. 55 (58, 60); Dietrich Murswiek, Die Bewältigung der wissenschaftlichen und technischen Entwicklungen durch das Verwaltungsrecht, VVDStRL 48, S. 207 (222 ff.). 120 Ausführlich dazu Walter Schmitt-Glaeser, Der Bayerische Senat - Struktur, Funktion und Bedeutung, in: Bayerische Landeszentrale für politische Bildungsarbeit, 50 Jahre Bayerische Verfassung, 1996, S. 43 ff. 121 Oliver Suhr, in: Christian Calliess/Matthias Ruffert (Hrsg.), EUV/EGV, 2. Aufl., 2002, Art. 257, Rn. 9 ff. 122 BVerwGE 102, 358 (361); ferner BVerwG, N V w Z 1998, S. 395 (396). 7 FS Schröder

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Aspekt hatte das Gericht bereits zuvor wie folgt konkretisiert: „Dies hat seinen Grund darin, daß die genannten Ziele - insbesondere bei der Verwirklichung von in Natur und Landschaft eingreifenden größeren Vorhaben - anderweitig oft nicht hinreichend geltend gemacht werden können' 4 . 1 2 3 Insoweit folgert das BVerwG in seiner neueren Rechtsprechung aus den Mitwirkungsrechten, daß der Gesetzgeber mit der Rechtsfigur des anerkannten Naturschutzverbandes das öffentliche Interesse an Natur- und Landschaftspflege in begrenztem Umfang „subjektiviert" hat, so daß es gerichtlich auch im Wege der sog. Partizipationserzwingungsklage durchgesetzt werden können muß. 1 2 4 Das Gesetz zur Neuregelung des BNatSchG baut die Mitwirkungsrechte der Verbände gegenüber der alten Regelung in § 29 BNatSchG weiter aus. Im Abschnitt 7 unter dem Titel „Mitwirkung von Vereinen" wird in § 61 BNatSchG - nicht zuletzt in Umsetzung 125 der Vorgaben der Aarhus-Konvention - erstmals die Verbandsklage auf Bundesebene eingeführt. In der Gesetzesbegründung wird auf die positiven Erfahrungen in den Bundesländern verwiesen, die belegten, daß die Verbandsklage „zum Abbau von Vollzugsdefiziten im Naturschutz beitragen" könne. Weiter heißt es: „Wenn mit der Möglichkeit einer Klageerhebung zu rechnen ist, werden Verwaltungsentscheidungen in der Regel sorgfältiger vorbereitet und begründet. Zudem erhält die Vereinsmitwirkung mehr Gewicht". Klagebefugt, ebenso wie im Verwaltungsverfahren mitwirkungsbefugt, sind freilich nur die nach § 59 Abs. 2 BNatSchG - unter den strengen Voraussetzungen nach Absatz 1 Nr. 1-6 (u.a. ideelle, auf Dauer angelegte, vorwiegende Förderung des Naturschutzes, seit drei Jahren bestehend, Gewähr für eine sachgerechte Aufgabenerfüllung) - vom Bundesumweltministerium anerkannten Verbände, bzw. die nach § 60 Abs. 3 BNatSchG von den Ländern anerkannten Verbände. Die Sachkunde der Verbände soll freilich vorrangig bereits im Mitwirkungsverfahren nach § 58 BNatSchG bzw. § 60 BNatSchG eingebracht werden. § 58 BNatSchG regelt die Mitwirkung der Verbände auf Ebene des Bundes; der Katalog wird gegenüber dem bisherigen § 29 Abs. 1 BNatSchG auf Plangenehmigungen, die an die Stelle einer Planfeststellung treten, erweitert. § 60 BNatSchG regelt die Beteiligung der Verbände durch die Länder. Der in Absatz 2 Satz 1 geregelte Katalog knüpft an die Mitwirkungsrechte des § 29 Abs. 1 Satz 1 BNatSchG an, erweitert diese aber in Nr. 2 auf die gesamte Landschaftsplanung, in Nr. 3 auf Pläne im Sinne der FFH-Richtlinie der EG, in Nr. 4 auf die Wiederansiedlung von verdrängten Tieren und Pflanzen sowie in Nr. 5 auf Befreiungen in Biosphärenreservaten. Zur Begründung wird zumeist auf den nicht einseitig 123

BVerwGE 87, 62 (72 f.). BVerwGE 87, 62 (72 f.). 125 Kritisch zur Erfüllung der Umsetzungsvorgaben Reinhard Sparwasser, in: Gesellschaft für Umweltrecht (Hrsg.), Umweltrecht im Wandel, 2001, S. 1017 (1052). 124

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an nutzungsbezogenen oder beruflichen Interessen orientierten unabhängigen Sachverstand der Verbände verwiesen, auf deren Zuarbeit der Staat angewiesen sei. 2. Interne Integration und Verwaltungsorganisation am Beispiel der Umsetzung der IVU-Richtlinie Mit Blick auf die mit dem integrierten Umweltschutz verbundene Neustrukturierung der britischen Umweltverwaltung 126 hat sich im Gefolge der Umsetzung der (britisch inspirierten) IVU-Richtlinie auch in Deutschland die Erkenntnis verbreitet, daß Umweltschutz eine Verwaltungsorgan sationsrechtliche Komponente hat, die Reformen in der Verwaltung notwendig macht bzw. nahelegt. 127 Insoweit geht es darum, den Entscheidungsprozeß so zu organisieren, daß eine den Vorgaben des integrierten Umweltschutzes entsprechende medienübergreifende Kontrolle der durch Industrieanlagen und sonstige umweltbeanspruchende Projekte bewirkten Umweltbelastung erfolgt. Diese Einsicht impliziert an und für sich schon die aus der IVURichtlinie fließende Vorgabe, im jeweiligen Genehmigungsverfahren materiell-integrativ zu entscheiden. Denn im Kern liegt der IVU-Richtlinie ein pragmatisch-verfahrensgestaltender Ansatz zugrunde, so daß die Verfahrensebene eine konstitutive Bedeutung für die angestrebte Interne Integration hat. Faktisch werden die materiellen Genehmigungsanforderungen entscheidend durch das Genehmigungsverfahren geprägt. 128 Diese prozedurale Absicherung des materiellen integrativen Ansatzes wird darüber hinaus explizit auch von Art. 7 IVU-Richtlinie eingefordert. Ihm zufolge treffen die Mitgliedstaaten „die erforderlichen Maßnahmen für eine vollständige Koordinierung des Genehmigungsverfahrens und der Genehmigungsauflagen, wenn bei diesem Verfahren mehrere zuständige Behörden mitwirken, um ein wirksames integriertes Konzept aller für diese Verfahren zuständigen Behörden sicherzustellen". Nach Erwägungsgrund 14 der Richtlinie soll die 126

Dazu Klaus Jankowski, Die Neustrukturierung der britischen Umweltverwaltung - Die Environment Agency für England und Wales, ZUR 1998, S. 237 ff. 127 Vgl. nur Wolfgang Köck, Integrativer Umweltschutz im Industrieanlagenrecht: zur Organisation der Entscheidungsprozesse, ZUR 1998, S. 225 ff.; grundlegend dazu die Beiträge in Eberhard Schmidt-Aßmann/Wolfgang Hoffmann-Riem (Hrsg.), Verwaltungsorganisationsrecht als Steuerungsressource, 1997; Ruffert (Fn. 26), S. 897 ff. 128 Christian A. Maaß, Behördenkoordination im immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren, DVB1. 2002, S. 364 (366); Jürgen Staupe, Die vollständige Koordination des Behördenhandelns gemäß der IVU-Richtlinie, ZUR 2000, S. 368; Matthias Schmidt-Preuß, Integrative Anforderungen an das Verfahren der Vorhabenzulassung, Anwendung und Umsetzung der IVU-Richtlinie, N V w Z 2000, S. 252 (253), der insoweit, etwas mißverständlich, von einer dienenden Funktion des Verfahrensrechts spricht. τ

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vollständige Koordinierung das „höchstmögliche Schutzniveau für die Umwelt insgesamt" erreichen. Konkretere Vorgaben sind der IVU-Richtlinie insoweit freilich nicht zu entnehmen; insbesondere was unter der Forderung nach „vollständiger Koordinierung" im Hinblick auf den integrierten Ansatz zu verstehen ist, bleibt vage und mehrdeutig. Die Auslegung von Art. 7 IVU-Richtlinie hat für das deutsche Recht große Bedeutung, sind hier doch oftmals verschiedene Behörden für die jeweiligen Auswirkungen ein und derselben Anlage (oder im Zusammenhang stehender Anlagen) auf unterschiedliche Umweltmedien zuständig. Dies ist eine - letztlich dem Föderalismus geschuldete - Konsequenz der in § 13 BImSchG nur unvollkommen geregelten Konzentrationswirkung der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung, die insbesondere wasserrechtliche Erlaubnisse und Bewilligungen, aber auch die bergrechtliche Betriebsplanzulassung, atomrechtliche Genehmigungen, Planfeststellungen sowie Zustimmungen, wie z.B. das gemeindliche Einvernehmen nach § 36 Abs. 2 BauGB, nicht mitumfaßt. Welche Behörden für die im Rahmen des von der IVU-Richtlinie verfolgten integrativen Ansatzes, der sich ja gerade auf die Wechselwirkungen zwischen den Umweltmedien Luft, Wasser und Boden bezieht, besonders bedeutsamen immissionsschutz- und wasserrechtlichen Verfahren zuständig sind, richtet sich nach den Zuständigkeitsvorschriften der Länder. Dort wo sogenannte Landesumweltämter (z.B. Brandenburg 129 ) oder auch Umweltfachämter (z.B. Sachsen 130 ), in denen alle Umweltmedien unter einem Behördendach vereint sind, bestehen, stellt sich das Problem unterschiedlicher Behördenzuständigkeiten freilich nicht: Hier können Umweltmedienkonflikte unmittelbar innerhalb einer Fachbehörde problematisiert, diskutiert und entschieden werden. Dabei sollte die medienübergreifende Fachbehörde aber zugleich auch Genehmigungsbehörde sein, was bei den Umweltfachämtern in Sachsen z.B. nicht der Fall ist. Ähnlich liegt es in den Ländern, in denen für die beiden Bereiche Immissionsschutz und Wasser die Bezirksregierung oder das Regierungspräsidium zuständig ist. Zu Problemen kommt es jedoch insbesondere dann, wenn die Immissionsschutzbehörde bei der Landesmittelbehörde (z.B. Regierungspräsidium) und die zuständige Wasserbehörde bei der Landesunterbehörde (z.B. Landkreis, kreisfreie Stadt) angesiedelt ist. Durch die Zersplitterung der Behördenkompetenzen wird die geforderte medienübergreifende Gesamtbetrachtung letztlich verhindert und der Vollzug des Umweltrechts erschwert. Wie bereits eingangs geschildert gibt es - abgesehen vom Problem des nur sektoral vorhandenen Sachverstandes - ein strukturelles Interesse der zuständigen Behörde, jeweils „ihr" Umweltmedium optimal zu verbessern. Denn politisch 129 Ines F ehrmann/Andre as Wasielewski, Organisation der Industrieanlagenzulassung im Land Brandenburg, ZUR 1998, S. 232 ff. 130 Staupe (Fn. 128), S. 368 (369).

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wird z.B. die Wasserbehörde eines Landkreises in der Öffentlichkeit an der Qualität des Wassers gemessen, nicht aber an der außerhalb ihrer Zuständigkeit liegenden Verbesserung der Luftqualität. 131 Mit Blick auf die so skizzierte Problematik hatte der Kommissionsvorschlag für die IVU-Richtlinie, inspiriert vom englischen Reformmodell der - allerdings auch nicht mit allumfassenden Zuständigkeiten ausgestatteten Environment Agency für England und Wales 1 3 2 , die Einrichtung einer Einheitsbehörde bzw. einer federführenden Behörde vorgesehen. Diese Lösung wurde jedoch auf Intervention der deutschen Seite letztendlich verworfen. Versteht man die Forderung des Art. 7 IVU-Richtlinie nach „vollständiger Koordinierung" streng formell-verfahrensrechtlich, dann müßte die Immissionsschutzbehörde auch die nach § 13 BImSchG bislang nicht eingeschlossenen Genehmigungen mit erteilen dürfen. Eine solche Konzentrationswirkung wäre geboten, wenn es nach Art. 7 der IVU-Richtlinie nur noch ein einziges Genehmigungsverfahren (Verfahrenskonzentration bzw. Verfahrensintegration) geben dürfte, in welchem über die Zulässigkeit des Betriebes einer Anlage entschieden würde. 1 3 3 Allerdings spricht der Plural in der Formulierung ein „wirksames integriertes Konzept aller für diese Verfahren zuständigen Behörden" dafür, daß eine Vollkonzentration der Genehmigungsentscheidung zwar möglich, jedoch nicht zwingend geboten i s t . 1 3 4 Andererseits könnte man bei einer weniger streng formell-verfahrensrechtlichen Betrachtung der Vorgaben des Art. 7 auch eine bloße verfahrensseitige Abstimmung für ausreichend halten. Mit Blick auf den Begriff der „vollständigen Koordination" darf diese freilich nicht in ein beziehungsloses Nebeneinander von Parallelbehörden ausarten; es muß sich zumindest um eine echte und effektive Behörden-Interaktion unter Gleichen, auf „gleicher Augenhöhe", handeln. Das Koordinationserfordernis unterliegt insoweit einem materiellen und formellen Effizienzgebot, im Zuge dessen das Ziel des integrierten Ansatzes, die Wechselwirkungen und Problemverlagerungen zwischen verschiedenen Umweltmedien rechtzeitig zu erkennen, abzuwägen und so weit wie möglich zu minimieren, nicht aus den Augen verloren werden darf. 1 3 5 Effiziente Koordination bedeutet mit Blick auf den lückenhaften, da medienbezogenen Sachverstand in der jeweiligen 131

Maaß (Fn. 128), S. 364 (365). Jankowski (Fn. 126), S. 237 ff. 133 In diesem Sinne Jürgen Kühling/Marc Röckinghausen, Legislative Umsetzungsdefizite und exekutive Schadensbegrenzung - Zur (in)direkten Wirkung der IVU-Richtlinie in Deutschland, DVB1. 1999, S. 1614 (1621); Zöttl (Fn. 11), S. 374. 134 So die überwiegende Meinung, vgl. nur Maaß (Fn. 128), S. 364 (367); Staupe (Fn. 128), S. 368 (369). 135 In diesem Sinne auch Staupe (Fn. 128), S. 368 (369 f.); Maaß (Fn. 128), S. 364 (367 f.). 132

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Behörde daher, daß eine Pflicht zur Behördenkommunikation und -information dahingehend besteht, daß alle relevanten Dokumente rechtzeitig ausgetauscht werden und diesbezüglich eine gegenseitige jederzeitige Zugriffsmöglichkeit besteht. Effiziente Koordination beinhaltet überdies die Etablierung von Mechanismen zum Ausgleich divergierender medienbezogener Interessen und unterschiedlicher Bewertungen zweier zuständiger Behörden. Sind diese also über den Inhalt der gesuchten optimal integrierten Genehmigungsentscheidung unterschiedlicher Auffassung, so muß über eine intensivere Interaktion hinaus ein Verfahren zur Lösung solcher Fälle vorgesehen werden. Nicht richtlinienkonform wäre insoweit freilich eine Lösung, die einer der zuständigen Behörden eine Letztentscheidungsbefugnis ohne jegliche Rücksichtnahme auf abweichende Ansichten anderer zuständiger Behörden einräumt. 136 Abgesehen hiervon läßt Art. 7 IVU-Richtlinie - in Anerkennung der Verwaltungsautonomie der Mitgliedstaaten 137 - die konkreten Konsequenzen für Verwaltungsverfahren und Verwaltungsorganisation weitgehend offen. Bei der Umsetzung von Art. 7 IVU-Richtlinie in das deutsche Recht bestand vor diesem Hintergrund ganz überwiegend Einigkeit, daß alle Behörden, die für die Kontrolle von Industrieanlagen zuständig sind, über die bislang existierenden Beteiligungsregelungen in § 10 Abs. 5 BImSchG i.V.m. § 11 der 9. BImSchV 1 3 8 hinaus, zusammenzuführen sind. 1 3 9 Nachdem das zunächst von der Bundesregierung angestrebte Ziel, die IVU-Richtlinie und die UVP-Änderungsrichtlinie im Rahmen der Schaffung eines Umweltgesetzbuchs (UGB I) durch die Einführung der erwähnten, von der UGBSachverständigenkommission vorgeschlagenen integrierten Vorhabensgenehmigung umzusetzen, unter (zweifelhafter) Berufung auf fehlende Gesetzgebungskompetenzen gescheitert w a r , 1 4 0 mußte der integrierte Ansatz der Richtlinie in verschiedenen Gesetzen umgesetzt werden. In der Konsequenz dieser Umsetzung mittels eines sogenannten Artikelgesetzes liegt es, daß der integrative Ansatz in recht artifizieller Weise mit bestehenden Regelungen verknüpft werden mußte, er sich überhaupt nur durch eine Zusammenschau der Vorschriften aller betroffenen Gesetze ermitteln läßt und, da das Genehmigungsverfahren nicht einheitlich ist, die begrenzte Konzentrationswirkung des § 13 BImSchG bestehen bleibt. Damit wurde gesetzesmethodisch auseinandergerissen, was eigentlich zusammengehört. 141 Die 136

Maaß (Fn. 128), S. 364 (367 f.). Dazu Matthias Herdegen, Europarecht, 4. Aufl. 2002, Rn. 251 ff. 138 Vgl. dazu F ehrmann/Wasielew ski (Fn. 129), S. 232 ff. 139 Vgl. Köck (Fn. 127), S. 225; ausführlich Maaß (Fn. 128), S. 364 (368 f.) m.w.N.; allgemein dazu Steinberg (Fn. 48), S. 216 ff. mit Beispielen für Reformen der Umweltverwaltung auf S. 222 ff. 140 Hierzu Wasielewski (Fn. 61), S. 15 (17 ff.). 137

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solchermaßen fehlende materielle Integrationsleistung muß daher also um so mehr prozedural in Umsetzung von Art. 7 IVU-Richtlinie bewirkt werden. Hierfür wurde zum einen § 10 Abs. 5 BImSchG um einen neuen Satz 2 ergänzt. Im Zuge dessen ist im immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren nicht mehr nur allen betroffenen Behörden Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben (so Satz 1), sondern vielmehr hat die Genehmigungsbehörde jetzt insoweit als „für das Vorhaben selbst oder für weitere damit unmittelbar in einem räumlichen oder betrieblichen Zusammenhang stehende Vorhaben, die Auswirkungen auf die Umwelt haben können und die für die Genehmigung Bedeutung haben, eine Zulassung nach anderen Gesetzen vorgeschrieben ist ... eine vollständige Koordinierung der Zulassungsverfahren sowie der Inhalts- und Nebenbestimmungen sicherzustellen". Mit der weitgehenden Anlehnung an den Wortlaut von Art. 7 IVURichtlinie auf der Rechtsfolgenseite wollte sich der Gesetzgeber bei der Umsetzung offensichtlich auf „die sichere Seite" begeben. Ob die Regelung tatsächlich richtlinienkonform ist, erscheint dennoch zweifelhaft. Zum einen fehlt ausgerechnet der in Art. 7 der Richtlinie explizit genannte Zweck der vollständigen Koordinierung, ein „wirksames integriertes Konzept aller für dieses Verfahren zuständigen Behörden sicherzustellen". Zum anderen trägt § 10 Abs. 5 Satz 2 BImSchG für sich genommen so gut wie nichts zu einer praktikablen Konkretisierung des Koordinierungserfordernisses im Vollzug bei. Er überträgt der Immissionsschutzbehörde zwar die Aufgabe der vollständigen Behördenkoordination, jedoch nicht die dafür erforderlichen Befugnisse. Damit reicht die Norm de facto nur die in Art. 7 IVURichtlinie an die Mitgliedstaaten gerichtete Verpflichtung zur vollständigen Koordinierung an die Immissionsschutzbehörden weiter. Diese bloße Weitergabe stellt aber insoweit keine Bewältigung dieser Pflicht dar, als der Verwaltungsebene nicht das dafür notwendige Instrumentarium zur Verfügung gestellt w i r d . 1 4 2 Zwar läßt sich aus der Begründung des Gesetzentwurfs entnehmen, daß sich aus der Koordinierungspflicht bestimmte Mindestanforderungen an das Verfahren ergeben sollen: Demnach sollen die beabsichtigten Inhalts- und Nebenbestimmungen den beteiligten Behörden mit einer Aufforderung zur Stellungnahme zugeleitet werden. Sie sollen sodann abgestimmt werden und, soweit dies nicht möglich ist, soll die nächst höhere Behörde die Koordinierung der Entscheidungen durchführen. Diese in der Gesetzesbegründung anklingenden Anforderungen allesamt in die Regelung des § 10 Abs. 5 Satz 2 BImSchG hineinzuinterpretieren, erscheint indes gewagt. Immerhin finden sich die erste und zweite Anforderung in § 11 141

Seltner (Fn. 75), S. 403 ff. Maaß (Fn. 128), S. 364 (369 f.); vgl. auch Rainer Wahl, Die Normierung der materiell-integrativen (medienübergreifenden) Genehmigungsanforderungen, ZUR 2000, S. 360 (366); teilweise kritisch auch Staupe (Fn. 128), S. 368 (371). 142

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Satz 4 der 9. BImSchV wieder. Hiernach soll die Genehmigungsbehörde sich Kenntnis über den Stand der anderweitigen das Vorhaben betreffenden Zulassungsverfahren verschaffen, auf ihre Beteiligung hinwirken sowie mit den für diese Verfahren zuständigen Behörden frühzeitig den von ihr beabsichtigten Inhalt des Genehmigungsbescheides erörtern und abstimmen. Sinnvoll ist insoweit sicherlich auch, daß in § 13 BImSchG der 2. Halbsatz wegfällt, der der Behörde gestattete, die Genehmigung mit dem Vorbehalt einer nachträglichen wasserrechtlichen Erlaubnis zu versehen. Mit dem Wegfall des Vorbehalts wird nunmehr ein verstärkter Druck dahingehend entstehen, daß sich Immissionsschutzbehörde und Wasserbehörde rechtzeitig und genau abstimmen. 143 Dennoch bleibt die Umsetzung der Koordinierungspflicht unvollständig. Zunächst wäre es wünschenswert, den Informationsaustausch, die Koordinierungsberatung sowie die zeitliche Abstimmung hierbei klar und verbindlich zu regeln. Insbesondere aber bleiben verschiedene Probleme, die, mit Blick auf die von Art. 7 IVU-Richtlinie geforderte Sicherstellung eines wirksamen integrierten Konzepts durch Verfahren, dringend einer Lösung bedürfen: Die Immissionsschutzbehörde kann die von ihr geforderte vollständige Koordinierung überhaupt nicht sicherstellen, gerade wenn es um nicht in den Anwendungsbereich des BImSchG fallende Zulassungsverfahren geht. Insbesondere dort, wo die anderen beteiligten Behörden ihr nicht nachgeordnet sind, fehlen ihr die notwendigen Kompetenzen. 144 Daher wäre sie mit all denjenigen Kompetenzen auszustatten, die ihr eine effektive Koordinierung ermöglichen. Dies wiederum dürfte kaum durch Änderungen im Immissionsschutzrecht allein zu bewerkstelligen sein, hier ist das innerstaatliche Umweltrecht insgesamt gefordert. 145 In diesem Zusammenhang wäre mit Blick auf die materielle ratio der Koordinierungspflicht überdies die Frage zu beantworten, wodurch der Beitrag zu der eigentlich angestrebten inhaltlichen Abstimmung und Koordinierung geleistet werden soll. 1 4 6 Vor diesem Hintergrund sollte jedenfalls verstärkt darüber nachgedacht werden, die Verfahrenskoordination im Sinne einer Verfahrensintegration umzugestalten. Die beschriebenen, letztlich artifiziell wirkenden Bemühungen um Koordinierung machen einmal mehr deutlich, daß die beste und naheliegendste Lösung in einem einheitlichen materiellen Entscheidungsprogramm für die Erteilung der Genehmigung (wie es z.B. im UBG-Kom143

Maaß (Fn. 128), S. 364 (369). Staupe (Fn. 128), S. 368 (371); ähnlich Klaus Hansmann, Integrierter Umweltschutz durch untergesetzliche Normsetzung, ZUR 2002, S. 19 (21). 145 A . A . insoweit Hansmann (Fn. 144), S. 19 (21), der auf Absprachen im Länderausschuß für Immissionsfragen (LAI) und Verwaltungsvorschriften setzt; wie hier Staupe (Fn. 128), S. 368 (371). 146 Staupe (Fn. 128), S. 368 (371). 144

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missionsentwurf in Form der integrierten Vorhabensgenehmigung entwickelt wurde), vollzogen von einer Einheitsbehörde, liegt. Dafür spricht bei genauer Betrachtung auch Art. 7 IVU-Richtlinie: Trotz der erwähnten Pluralformulierung im Wortlaut des Art. 7 bleibt die Frage, ob man dessen Vorgaben - mit Blick auf das von Erwägungsgrund 14 der Richtlinie geforderte „höchstmögliche Schutzniveau der Umwelt insgesamt", das aus Art. 10 EGV fließende Effizienzgebot sowie die vom EuGH praktizierte „effet-utile-Auslegung" - dennoch so zu verstehen hat, daß letztlich nur eine Einheitsbehörde organisatorisch in der Lage sein dürfte, ein „wirksames integriertes Konzept sicherzustellen". Freilich stellen sich im Bundesstaat des Grundgesetzes insoweit verschiedene kompetenzielle Fragen, die im Interesse eines funktionsfähigen Föderalismus ernst zu nehmen sind. Mit Blick auf eine verbesserte Verfahrenskoordination oder gar -integration im Wege der Vollkonzentration durch Änderung des § 13 BImSchG stellen sich im Bereich des Immissionsschutzrechts zwar keine Probleme: Hier ergibt sich die Gesetzgebungskompetenz aus Art. 84 Abs. 1 GG, nach anderer Auffassung als Annexkompetenz zur materiellen Regelungskompetenz aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 22 G G . 1 4 7 Umstritten ist aber die mit Blick auf das Wasserrecht bestehende Verfahrenskompetenz, weil es sich insoweit um eine Rahmengesetzgebungskompetenz des Bundes handelt, die zum Ziel einer bundesrechtlichen Verfahrensregelung in Widerspruch stehen könnte. Die ganz überwiegende Meinung folgert jedoch aus der Rahmenkompetenz des Bundes für materielle Regelungen zu Recht auch eine Annexkompetenz für verfahrensrechtliche Regelungen. 148 Folgt man dieser Auffassung nicht, so wären die Länder gegenüber dem (der EG verantwortlichen) Bund aus der Bundestreue verpflichtet, eine richtlinienkonforme Umsetzung des Art. 7 IVU-Richtlinie zu gewährleisten. 149 V. Ergebnis Die begriffliche Unterscheidung von Externer und Interner Integration erlaubt eine erste Annäherung an den wohlklingenden, aber dennoch schillernden Ansatz des integrierten Umweltschutzes, indem er verschiedene Aspekte zu kategorisieren und damit auseinander zu halten hilft. Die Externe Integration nach der Querschnittsklausel unterscheidet sich - ungeach147

Maaß (Fn. 128), S. 364 (370); Staupe (Fn. 128), S. 368 (372). Schmidt-Preuß (Fn. 128), S. 252 (255); Hans D. Jarass, Allgemeine Probleme der Gesetzgebungskompetenzen des Bundes, N V w Z 2000, S. 1089 (1090); HansWerner Rengeling, Gesetzgebungskompetenzen für den integrierten Umweltschutz, 1999, S. 127; BMU, UGB-Kom-E (Fn. 86), S. 86 jeweils m.w.N.; a.A. Maaß (Fn. 128), S. 364 (370 ff.). 149 So im Ergebnis Maaß (Fn. 128), S. 364 (373 f.); kritisch Horst Sendler, Verwaltungsverfahrensgesetz und Umweltgesetzbuch, N V w Z 1999, S. 132 (134 f.). 148

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tet mancher Gemeinsamkeiten - von der Internen Integration in materieller Hinsicht dadurch, daß sie nicht wie diese auf die Umweltmedien hin angelegt ist, sondern vielmehr die frühzeitige und effektive Einbeziehung der Umweltbelange in umweltexterne, gleichwohl aber umweltrelevante Politiken und Maßnahmen verlangt. Im ersteren Falle geht es also darum, Umweltbelange auch außerhalb der Umweltpolitik mit zu berücksichtigen, im letzteren Falle geht es darum, innerhalb der Umweltpolitik nicht nur einzelne Umweltmedien isoliert zu schützen, sondern sie durch Berücksichtigung der Wechselwirkungen zwischen ihnen in ihrer Gesamtheit zu schützen. Kurzum: Externe Integration wirkt politikübergreifend, Interne Integration wirkt umweltmedienübergreifend. Dabei ist die Externe Integration stärker noch als die Interne Integration auf eine prozedurale Verwirklichung angewiesen. Externe Integration verlangt im Rahmen der Verwaltungsorganisation spezielle, mit einem aufschiebenden Vetorecht ausgestattete Instanzen, die nach Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung zur Verteidigung der Umweltbelange in die geplanten sektoriellen Maßnahmen einer umweltexternen Fachbehörde „hineingrätschen". Dies kann von außen geschehen, durch die mit einem Kontroll- und Vetorecht ausgestattete Umweltfachbehörde, idealiter geschieht dies jedoch von innen, indem in der jeweiligen umweltexternen Fachbehörde - gleichsam als „trojanisches Pferd" - eine Umweltabteilung eingerichtet wird, die konsequent und konstant in die Ausarbeitung der sektoriellen Maßnahme eingebunden wird. Interne Integration erfordert demgegenüber die Bündelung und Vernetzung zwischen verschiedenen mit dem Umweltschutz befaßten Umweltfachbehörden. Ziel ist es, sozusagen umweltintern und in Reaktion auf die im wahrsten Sinne des Wortes naturgegebene Komplexität des Staatsziels Umweltschutz, eine medienübergreifende, die Wechselwirkungen zwischen den Umweltmedien berücksichtigende Gesamtbetrachtung zu ermöglichen, mit der Problemverlagerungen so weit wie möglich (Grundsatz der bestmöglichen Umweltoption) vermieden werden. Materiell spricht dieses Ziel für ein einheitliches materielles Entscheidungsprogramm bei der Erteilung einer Anlagengenehmigung, wie es etwa im UBG-Kommissionsentwurf mit der integrierten Vorhabensgenehmigung entwickelt wurde. Dem korrespondierend ist - fast schon zwangsläufig - jede verwaltungsorganisatorische Zersplitterung in nur für einzelne Umweltmedien zuständige Behörden zu vermeiden. Kurzum: Interne Integration spricht für die Einheitsgenehmigung mit umfassender Konzentrationswirkung, die von einer Einheitsbehörde erteilt wird. Daher muß Verwaltungsorganisation im Rahmen der Internen Integration soweit wie möglich Verfahrensintegration ermöglichen. Ist dies nicht möglich, muß es z.B. im Bundesstaat des Grundgesetzes aus kompetenzrechtlichen Gründen bei einer Verfahrenskoordinierung bleiben, so hat sich die dahingehende Verwaltungsorganisation wenigstens am Leitbild der Verfahrensintegration auszurichten.

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Leitung: Prof. Dr. Reinhard Hendler, Trier Hendler: Herzlichen Dank Herr Calliess für Ihr Referat, Sie haben uns auf instruktive Weise vertraut gemacht mit dem, wie Sie es genannt haben, wohlklingenden, aber schweren Ansatz des integrierten Umweltschutzes. Sie haben die Strukturen der Unterscheidung zwischen externer und interner Integration herausgearbeitet; es klang auch an, die Unterscheidung zwischen materieller und formeller Integration, also die gesamthaften Betrachtung und die prozedurale verfahrensrechtliche Verwirklichung. Zu Recht, wie ich meine, haben Sie den Schwerpunkt gelegt auf die IVU-Richtlinie und das Artikelgesetz, das diese Richtlinie umsetzt. Sie haben sogar auch die Richtlinie zur Projekt-UVP mit dem entsprechenden deutschen Umsetzungsgesetz und auch die sogenannte Planreform-EG-Richtlinie, also die strategische Umweltprüfung erwähnt, also kurz gesagt genügend Diskussionsstoff für die anschließenden Ausführungen geliefert. Zu danken habe ich auch noch Herrn Burgi für sein profundes Referat zu den Organisations- und Kooperationsformen im kommunalen Wirtschaftsrecht; dieser Dank konnte wegen der an das Referat anschließenden Mittagspause noch nicht ausgesprochen werden. Ich hole diesen Dank aber um so lieber nach, als ihrem Referat ein Appell auch an den Gesetzgeber zu entnehmen war, die kommunale Organisationshoheit zu achten und nebenbei möglichst viele Organisationsoptionen im Bereich des kommunalen Wirtschaftsrechts anzubinden. Der europäische Bezug wurde hergestellt, insbesondere auch durch die Erörterungen zur Neuorganisation der Sparkassen. Hier hat in der Tat das europäische Recht in sehr weitreichender Weise auf den kommunalen Bereich eingewirkt. Damit kann ich die Diskussion eröffnen und um Wortmeldungen bitten. Brohm: Ich habe in der Mittagspause Herrn Schröder das Kompliment gemacht, daß dieses Symposion durchaus mit den Veranstaltungen der Staatsrechtslehrervereinigung in Konkurrenz treten kann, und das nicht nur, weil hier ein kleiner Kreis besteht, der eine Diskussion ermöglicht, sondern auch,

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weil die Referate sehr gut zusammenpassen. So hatte ich es mir eigentlich nicht vorgestellt, als ich die Themen genannt bekommen habe. Jetzt, meine ich, läßt sich deutlich eine gemeinsame Grundproblematik erkennen: Herr Ossenbühl hat heute vormittag klargemacht, daß die Organisationskompetenz nicht getrennt werden kann von der Aufgabe, sondern sich auf die Aufgabe hin orientiert und sich von der Aufgabe her ergibt. Er hat an dem Beispiel des „Ethikrates" der Regierung die Kompetenz zugesprochen, daß sie einen solchen Ethikrat bilden kann. Dagegen wurde der Einwand erhoben: aber nicht einen „Nationalen Ethikrat", und ich glaube, es war damit nicht die Bezeichnung gemeint, sondern der Zweck! Wir haben heute eine Vielzahl von Sachverständigengremien, die gar nicht zur Beratung geschaffen werden. Wenn man die Sachverständigen kennt, weiß man schon bei ihrer Wahl im voraus, welches Ergebnis herauskommt. Ein solches Gremium hat also nicht den Zweck, daß man dort Rat einholt, sondern daß man auf die politische Willensbildung Einfluß nimmt. Mir scheint, die Frage, der wir uns stellen müssen, lautet: Fällt dieser Zweck auch noch in den Aufgabenbereich des jeweiligen Kompetenzträgers? Hier müßten die Zweifel ansetzen. Es kommt nicht nur auf die Kompetenz im Hinblick auf die Aufgabe an, sondern auch darauf, daß die Organisationselemente kompetenzkonform sind und nicht auf ganz andere Aufgabenbereiche übergreifen. Das ist dann m. E. sehr deutlich geworden in dem Referat von Herrn Löwer. Denn daß ein Staat, wenn er staatliche Universitäten schafft, die Kompetenz hat, sie zu organisieren, ist für mich eigentlich kein Problem; vielmehr geht es um die Frage, wie er sie sachgerecht organisieren kann bzw. ob die getroffene Organisationsstruktur etwa dem Wissenschaftsauftrag gerecht wird. Widerspricht sie vielleicht einzelnen Rechten derjenigen, die davon betroffen werden, dann steht die Frage der Wissenschaftsfreiheit zur Diskussion. Herr Burgi hat genau den gleichen Ansatz gewählt. Er hat nämlich gesagt: Wenn der Staat Daseinsvorsorge betreibt, dann liegt diese in seiner Organisationskompetenz oder jedenfalls in der Organisationskompetenz der Gemeinde, wenn sie als Kommune damit beauftragt ist. Dabei kann sie sich, wie er weiter ausgeführt hat, auch privatrechtlicher Organisationsformen bedienen, weil sie auf diese Weise unter Umständen besser ihre Aufgaben zu erfüllen vermag. Dem kann ich in jeder Hinsicht zustimmen, sofern dies durch die jeweilige Organisationsform besser gewährleistet ist. Und da wir bei der Daseinsvorsorge im Unterschied etwa zur Universität sehr stark wirtschaftliche Gesichtspunkte zu berücksichtigen haben und vor allem auch wirtschaftliche Kriterien dafür besitzen, ist es angemessen, daß man solche Organisationsformen heranzieht.

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Das gleiche Grundproblem hat Herr Calliess am integrierten Umweltschutz dargestellt. Auch dieses Thema fügt sich trefflich in den Gesamtrahmen ein. Es zeigt die Schwierigkeiten, einen integrierten Umweltschutz zu organisieren, weil hier so viele einzelne Kompetenzbereiche berührt werden, so viele Sachfragen auftreten, daß eine Integration in der Praxis außerordentlich schwer durchzuführen ist. Wenn ich mir die verschiedensten Behörden vorstelle, die durch irgendeine Genehmigung in umweltrechtlicher Hinsicht in ihrem Kompetenzbereich berührt werden und die deshalb an der Entscheidungsfindung zu beteiligen sind, und wenn ich bedenke, daß nach den neuen Fristenregelungen dafür nur ein kurzer Zeitraum von vielleicht zwei Monaten zugestanden wird, dann frage ich mich: Wie soll eine solche Integration gelingen? Hier scheint mir das Problem dieses Referats zu liegen. Das ist keine Kritik an dem Referat, denn ich glaube, es hat diese Probleme sehr deutlich gemacht.

Kahl: Vielen Dank. Ich möchte eine Anmerkung machen zum Referat von Herrn Burgi, und zwar zu den angesprochenen Reformperspektiven. Hierzu ein ergänzendes Stichwort: Verwaltungsgesellschaftsrecht. Der Hauptgrund für die Kontroll- und Steuerungsdefizite, die wir gegenüber den kommunalen Eigengesellschaften beobachten, liegt im Gesellschaftsrecht begründet, insbesondere im dortigen Ausschluß eines Weisungsrechts der Gemeinde gegenüber den Aufsichtsratsmitgliedern. Daneben entstehen Steuerungsverluste durch die zwingend vorgeschriebene unternehmerische Mitbestimmung der Arbeitnehmer. Nun gibt es im Schrifttum eine im Vordringen befindliche Ansicht, zuletzt etwa wieder von Krebs ins Spiel gebracht, man müsse eine Figur des Verwaltungsgesellschaftsrechts kreieren, angelehnt an das Verwaltungsprivatrecht. Mit anderen Worten: Wir brauchen eine öffentlich-rechtliche Überlagerung und Modifikation des Gesellschaftsrechts. Im Gemeindewirtschaftsrecht müßten dann Weisungsrechte der Gemeindeorgane vorgesehen werden. Zur Begründung wird vor allem auf das Demokratieprinzip verwiesen. Ich habe erhebliche Zweifel, ob diese Ansicht zielführend ist. Ich denke, daß das Demokratieprinzip hierfür zu unbestimmt ist und keine hinreichend konkreten Vorgaben enthält, um eine Lehre vom Verwaltungsgesellschaftsrecht entwickeln zu können. Im Gegenteil: Gebietet nicht gerade der Respekt vor dem parlamentarischen Gesetzgeber, die Entscheidungen, die im Gesellschaftsrecht getroffen worden sind, zu achten? Ich würde diese Sichtweise in Übereinstimmung mit dem BGH vorziehen, im übrigen auch schon wegen Art. 31 GG. Abgesehen davon meine ich, daß man bei den Eigengesellschaften der Frage nicht länger ausweichen sollte, ob diese nun demokratiewidrig sind

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oder nicht. In der Literatur stößt man in diesem Punkt auf zu viele unbestimmte Aussagen. Häufig liest man, die Eigengesellschaften begegneten „Zweifeln", sie seien „nicht frei von Bedenken" unter den Gesichtspunkten des Demokratie- und des Rechtsstaatsprinzips. Selten wird klar Farbe bekannt, ob die Eigengesellschaften noch mit der Verfassung vereinbar sind oder nicht. Wenn man aber der zweiten Ansicht folgt, muß man konsequent auf diese Unternehmensform insgesamt verzichten und auf öffentlich-rechtliche Formen setzen, insbesondere auf die rechtsfähige Anstalt, die zu Recht in einzelnen Kommunalgesetzen, etwa in Bayern, eingefühlt worden ist. Dieser Organisationsform könnte dann möglicherweise die Zukunft gehören. Sind die Eigengesellschaften aber mit dem Demokratieprinzip konform, dann führt kein Weg daran vorbei, daß die Kommunen über eine uneingeschränkte Wahlfreiheit verfügen. Hendler: Herr Rebentisch, danach Herr Löwer, bitte. Rebentisch: Herr Calliess, Sie werden es mir nachsehen, vielleicht haben Sie es aber auch schon erwartet, daß ich zu Ihrem Vortrag doch ein paar Kontrapunkte setzen will. Ich meine, Sie haben vielleicht in Ihrem Grundansatz eines übersehen, das ist der fundamentale Unterschied zwischen der Umsetzung des integrativen Umweltschutzes im deutschen nationalem Recht im Verhältnis etwa zum übrigen europäischen, insbesondere zum angelsächsischen Recht. Die Richtlinie hatte ihren Ursprung im angelsächsischen Bereich, wo solche Vorhabensentscheidungen im Wege eines iterativen Findungsprozesses, also allein auf der administrativen Schiene geschaffen werden. Sie haben, glaube ich, übersehen, daß wir im Rahmen des Artikelgesetzes, aber auch schon im vorhandenen deutschen Umweltrecht, insonderheit im Immissionsschutzrecht, den aus meiner Sicht viel ertragreicheren und vielversprechenderen Weg der materiell-rechtlichen Integration gegangen sind, was immer „integrativ" auch heißt, das wird ja in der ganzen Richtlinie nirgendwo gesagt, das ist letztlich eine Nebelkerze. Es verbirgt sich im Grunde nichts anderes dahinter, als der triviale Ansatz: Man darf durch die Umweltpolitik nicht mit Scheuklappen gehen. Das heißt, die Luftreinhalter können nicht das Postulat der Nullemission erheben, die Gewässerschützer ebenfalls, und dann kommen obendrein die Bodenschützer und die Abfallleute und sagen: da wollen wir auch nichts haben - jeweils zu 100%. Dann ginge die Rechnung nicht auf. Das heißt, das schlichte Problem ist: Ich muß bei der Bewältigung meiner umweltrechtlichen Probleme die Konse-

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quenzen sehen. Der Lateiner hat das mal genannt „respice finem". Das heißt, wenn ich Luftreinhaltung betreibe, muß ich wissen, was bewirkt das, welche Konsequenzen hat das? Belaste ich, verschiebe ich das Problem schlicht aus der Luftreinhaltung ins Gewässer oder in den Boden? Problemverschiebungen finden logischerweise immer statt, aber die müssen ausgewogen sein. Ich glaube, dieses Problem läßt sich nicht administrativ bewältigen, sondern im Grunde nur normativ. Und deswegen haben wir im deutschen Recht den Weg der untergesetzlichen Konkretisierung gewählt, dort ist die Integrationsproblematik zu lösen. Wenn ich bestimmte Maßnahmen zur Emissionsbegrenzung festschreibe, will heißen, wenn ich den unbestimmten Rechtsbegriff Stand der Technik, der ja Vorsorgemaßstab ist, untergesetzlich konkretisiere, dann muß ich wissen, was hat es für Folgen, wenn ich bestimmte Anforderungsprofile stelle und setze. Das haben wir im deutschen Recht erreicht, was vielfach übersehen wird. Vielleicht haben wir eigentlich nur ein Transparenzproblem, Herr Calliess. Wir haben in der nationalen Definition des Standes der Technik immer gesagt, das sind fortschrittliche Entwicklungsverfahren, die für die Emissionsbegrenzung praktisch geeignet sind, und der integrative Steuerungsmechanismus, gleichsam das Scharnier, befindet sich versteckt, das gebe ich gerne zu, in dem Begriff der praktischen Eignung. Das heißt, eine Maßnahme, die unausgewogen das Problem auf den Gewässerpfad verschiebt und dort zu Belastungen führt, die nicht akzeptabel sind, ist praktisch nicht geeignet, oder Sie können stattdessen sagen: unvernünftig. Das muß man normativ bewältigen und nicht exekutiv, und deswegen glaube ich nicht, daß man allzu großes Zutrauen in diesen holistischen Ansatz, in eine EinheitsVerwaltung setzen darf, man muß ja die praktischen Konsequenzen sehen. Herr Calliess, was heißt eine Einheitsbehörde? Ich habe nichts dagegen, aber dann haben Sie zehn Abteilungen, das bekommen Sie nämlich nicht anders gelöst. Es gibt nicht den ökologischen Über-Humboldt, der von der Luftreinhaltung so viel versteht wie vom Gewässerschutz, vom Bodenschutz und vom Stoffrecht. Sie haben verschiedene Abteilungen und müssen froh sein, wenn die miteinander reden. Aber das materielle Problem muß vorstrukturiert sein, d.h. das materielle Entscheidungsprogramm, das normative Entscheidungsprogramm muß die Integrationspotentiale in sich tragen. Und ich behaupte, der deutsche Erfolg in der Umweltpolitik beruht im wesentlichen auf der Konditionalstruktur unseres materiellen Umweltrechts und nicht auf irgendwelchen Zirkeln, wo am runden Tisch etwas ausgekungelt wird in diesem iterativen Prozeß, wie die Engländer das machen. Wenn man zudem noch verlangt, daß die Entscheidung vorhersehbar und rechtssicher ist, und das unter Einhaltung von Fristen, dann kann das alles nur über das materielle Recht, d.h. auf der untergesetzlichen Ebene und nicht eben auf der administrativen Ebene bewältigt werden.

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Hendler: Vielen Dank Herr Rebentisch. Wir haben jetzt viel zum umweltrechtlichen Schwerpunkt gehört und fahren fort mit Herrn Löwer. Löwer: Eine knappe Anmerkung, im Grunde genommen eine Frage. Die knappe Anmerkung: Daß die Sparkassen Anstalten sein sollen, ist erstens darin begründet, daß es im Wirtschaftsrecht der Weimarer Republik ein Fortschritt war, daß die Anstalten abgetrennt wurden von den Gemeinden, zur Begrenzung des Haftungsrisikos für beide Seiten und zweitens - viel wichtiger im Verbot, daß sie keine Banken sein durften. Wenn die Sparkasse eine private Rechtsform bekommt, wird es schwierig, die Abgrenzung von Landessparkassenrecht und Bundeskreditwesenrecht, die jetzt additiv anwendbar sind, vorzunehmen. Meine Frage ist eine ganz andere. Sie haben zu Recht auf jenes Problem hingewiesen, das aus Europa kommt, daß nämlich die Gewährträgerhaftung wegfällt. Damit fällt natürlich ein wichtiger Baustein der Anstaltskonstruktion weg. Die Gewährträgerhaftung ist aber ein tragendes Prinzip; denn Verwaltung mit beschränkter Haftung ist eine uns fremde Vorstellung. Für Verwaltung muß der Staat einstehen. Wenn etwas Verwaltung ist, dann wird dafür auch gehaftet. Das geht natürlich weit über den Sparkassensektor hinaus, das gilt zum Beispiel auch für die kommunale Energiewirtschaft, die dann auch die unbedingte Gewährträgerhaftung nicht mehr für sich in Anspruch nehmen kann. Meine Frage ist an Sie, Herr Burgi, wie Sie das einschätzen? Können wir die Frage überhaupt nur für die Anstalten diskutieren? Denn wenn die privatwirtschaftlichen Versorgungsunternehmen der Kommunen über die Rechtsfigur der Haftung im qualifiziert faktischen Konzern eigentlich auch in einer Art privatrechtlicher Gewährträgerhaftung stehen, müßte dann nicht auch diese Form der Gewährträgerhaftung, die auf Konzernrecht basiert, eine unerlaubte Beihilfe darstellen? Hendler: Herzlichen Dank Herr Löwer, ich habe jetzt noch eine Wortmeldung von Herrn Huber. Es ist spät, doch bestehen noch weitere Wortmeldungen? Wenn das nicht der Fall sein sollte, dann würde ich jetzt gerne schließen. Huber: Eine kurze Bemerkung vorweg. Herr Rebentisch, der Unterschied zu der deutschen Konkretisierung auf untergesetzlicher Ebene, die durch Rechts-

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Verordnungen und normkonkretisierende Verwaltungsvorschriften erfolgt, ist, daß dies in generell-konkreter Weise geschieht, während das Europarecht den Einzelfall, also die individuell-konkrete Entscheidung im Blick hat. Wir haben uns öfters darüber unterhalten - Deutschland hat es verschlafen, als mit der IVU-Richtlinie auch der Paradigmenwechsel im Umweltrecht kam. Da kann man jetzt nicht daherkommen und sagen, weil wir uns damals nicht rechtzeitig organisiert haben, wollen wir trotzdem unser europarechtlich überholtes, auf materiellen Qualitätsstandards aufbauendes Konzept aufrechterhalten. Meine Frage, Herr Calliess: wenn man die interne Integration nicht hinbekommt, wäre doch vermutlich die Konsequenz, daß die Immissionsschutzbehörde die Genehmigung ablehnen muß, weil sie die Einhaltung der Anforderungen des integrierten Umweltschutzes und damit die Tatbestandsvoraussetzungen des BImSchG nicht feststellen kann. Solange sie aber die Genehmigung ablehnen muß, sehe ich kein Problem, was die Europarechtskonformität angeht. Noch eine Bemerkung zu Herrn Brohm und den Fristen. Aus dem Verwaltungsprozeßrecht wissen wir, daß der EuGH auch die Klagefrist des § 74 VwGO unter dem Blickwinkel des Effektivitätsgebotes geprüft und gebilligt hat. Ich bin mir daher nicht sicher, daß die Fristen für die Genehmigung im Immissionsschutzrecht etc. am Anwendungsvorgang des Unionsrechts scheitern müssen. Hendler: Vielen Dank Herr Huber, da weitere Wortmeldungen nicht mehr vorliegen, darf ich mit den Schlußworten der Referenten beginnen, in der umgekehrten Reihenfolge der Referate, das bedeutet, daß Herr Calliess mit dem Schlußwort beginnt. Calliess: Vielen Dank. Herr Rebentisch, wie Sie zu recht vermutet hatten, habe ich eine andere Ansicht zum Thema. Ihre veröffentlichte Auffassung habe ich natürlich mit verarbeitet, war aber nicht überzeugt und bin es auch jetzt noch nicht. Ich meine, zunächst einmal, daß der materiell-integrative Anlaß trotz der Unbestimmtheit und der Schwierigkeiten, das macht die IVURichtlinie deutlich, ein verbindliches Leitprinzip ist, das es sowohl materiell als auch prozedural zu verwirklichen gilt. Art. 7 der Richtlinie macht mit der Vorgabe der vollständigen Koordinierung und der genauen Bestimmung, welchem Zweck diese dienen soll, ganz deutlich, daß hier kombinatorisch vorzugehen ist, daß also die materielle Integration mit prozedualen Vorkehrungen verwirklicht werden soll. Es geht hier, wenn man so will, um 8 FS Schröder

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eine Optimierung, man weiß aber letztlich, daß das Leitziel des integrierten Umweltschutzes niemals perfekt zu verwirklichen sein wird. Eines scheint mir aber doch recht klar zu sein: daß man mit unterschiedlichen Behörden, die jeweils ihre eigenen Interessen mit Blick auf „ihr" Umweltmedium verfolgen, diesem Leitziel nicht gerecht werden kann. Nun hat Herr Huber zu Recht auf den weiteren Aspekt hingewiesen, daß man den konkreten Ansatz der IVU-Richtlinie in den Blick nehmen muß. Allerdings gibt es auch auf europäischer Ebene Bestrebungen, über die Best Available Techniques und deren Umsetzung im sogenannten Sevilla-Prozeß gem. Art. 15 Abs. 3 der IVU-Richtlinie mittels der erwähnten REPS, das Finden gemeinsamer, abstrakt-genereller Standards zu fördern. Dies ist letztlich eine versteckte Harmonisierung, mit welcher auf der tatsächlichen, materiell relativ unbestimmten Ebene der Richtlinie eine faktische, abstrakt-generelle Konkretisierung auf der technischen Ebene vorgenommen wird. Ja, dann sagen Sie Herr Huber, wenn ein integrierter Umweltschutz im Einzelfall nicht nachgewiesen werden kann, dürfe aus europarechtlicher Sicht eigentlich die Genehmigung nicht erteilt werden. So weit kann man mit Blick auf die Unbestimmtheit des Begriffs des integrierten Umweltschutzes meiner Auffassung nach nicht gehen. Man wird sich hier wohl mit einer prozeduralen Annäherung an dieses Leitprinzip zufrieden geben müssen, so daß zur Verwirklichung der materiellen Integration eine effektive Kommunikation zwischen den für die jeweiligen Umweltmedien zuständigen Behörden stattzufinden hat. Damit kommt natürlich die von Herrn Brohm in die Diskussion gebrachte Fristenproblematik ins Spiel. Deswegen hatte ich mich am Ende ja auch für das Modell der Einheitbehörde bzw. der federführenden Behörde entschieden, da nur dieses eine möglichst effektive und zeitnahe Verwirklichung der internen Integration gewährleisten kann. Alle anderen Konzeptionen setzen Art. 7 der Richtlinie daher auch nicht vollständig um. Rebentisch: Der setzt das materiell-rechtlich genauso um. Calliess: Also, ich persönlich bleibe da skeptisch. Der Sevilla-Prozeß hat eben erst begonnen. Rebentisch: Hier spielt der integrative Ansatz überhaupt keine Rolle. Sie müssen sich einmal ansehen, was technisch gemacht wird. Ob das sinnvoll ist oder

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nicht, der Integrationsansatz wird dort überhaupt nicht berücksichtigt. Da gibt es inzwischen REPS, die haben einen Umfang von 80 Seiten, da wird schlicht die Technik beschrieben. Aber ob das vernünftig ist unter dem Integrationsgesichtspunkt, gerät völlig aus dem Blickfeld, ist auch gar nicht beabsichtigt. Hendler: Wir machen im IUTR eine eigene Tagung! Calliess: Genau diese Suche nach der besten Technik, die praktisch geeignet ist, müßte doch auch ihrer Meinung nach dem integrierten Umweltschutz dienen. Man muß das, was wir aus dem deutschen Bundesimmissionsschutz gewohnt sind, insoweit neu denken. Das ist die Herausforderung. Burgi: Ich bin von Herrn Kahl und von Herrn Löwer angesprochen worden. Zunächst zur Thematik des Verwaltungsgesellschaftsrechts. Die Lehre vom Verwaltungsgesellschaftsrecht ist von der von mir kritisierten Furcht, von der unberechtigten Angst vor der „Flucht" ins Private geprägt, und es ist ferner Ausdruck von Hybris, wenn „wir" Öffentlich-Rechtler glauben sollten, daß wir es schaffen könnten, das Gesellschaftsrecht, welches seinerseits eine gewachsene Materie ist, mit solchen Überlegungen in irgendeiner Weise überformen oder beeinflussen zu können. Die konkreten Gegengründe sind folgende: Kompetenzrechtlich ist nicht davon auszugehen, daß das kommunale Wirtschaftsrecht das Gesellschaftsrecht des HGB etc. überformen kann. Ferner: Die Lehre vom Verwaltungsgesellschaftsrecht erhebt eigentlich nur für die Eigengesellschaft zu gelten Anspruch. Damit werden die noch problematischeren und viel wichtigeren gemischtwirtschaftlichen Unternehmen bereits ausgeblendet. Probleme treten vor allem dann auf, wenn die Eigengesellschaft sich zu einem gemischtwirtschaftlichen Unternehmen wandelt, indem Anteile verkauft werden. Das ist ja der eigentlich interessante Punkt der Integration echter Privater, und dort ist diese Lehre schon im Ansatz am Ende. Zum zweiten Punkt: Die Eigengesellschaft ist nach meiner Einschätzung nicht mit dem Demokratieprinzip unvereinbar und auch das gemischtwirtschaftliche Unternehmen nicht, wenn einige Bedingungen eingehalten werden. Ich denke, wir haben es bei diesem Thema damit übertrieben, immer neue Legitimationsketten zu bilden und sie dann auch noch miteinander zu 8*

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verknüpfen, bis hin zu einem Standard, der sich der Verfassung so unmittelbar nicht entnehmen läßt. Mein Anliegen war es, aufzuzeigen, daß es in der Verfassung auch Gründe gibt, die die Einbeziehung Privater in diese Unternehmen legitimieren können und mit einem „Grundsatz der funktionsgerechten Organisationsstruktur" käme man zu diesem Ergebnis. Herr Löwer hat nun richtigerweise auf die Entstehungsgeschichte der Anstaltsform bei den Sparkassen hingewiesen. Hierzu will ich sagen, daß ich nichts dagegen hätte, wenn die Sparkasse sagt, wir machen das weiter als Anstalt, was mich nur stört ist, daß der Staat dies zwingend vorschreibt. Was die einzelne Institution, d.h. die einzelne Kommune als Träger dann macht, würde ich ihr gerne überlassen. Ich könnte mit staatlichen Vorgaben besser leben, wenn die Anstaltsform so ausgestaltet wird, daß auch bei ihr die Integration Privater möglich ist, so daß man gar keine privatrechtliche Form braucht. Das wäre mein Hauptwunsch an den neuen Gesetzgeber des kommunalen Wirtschaftsrechts. Die letzte Frage, betreffend die Konzernhaftung, ist hochinteressant. Sie werden aber Verständnis dafür haben, daß ich nicht so unvorsichtig bin, in wenigen Sätzen und ungeschützt diese hochkomplexe Frage hier zu beantworten. Trotzdem will ich versuchen, über das nachzudenken, was Sie gesagt haben, ob nämlich nicht infolge konzernrechtlicher Grundsätze über die Kommune als Träger mit Beherrschung ein Ergebnis erzielt würde, welches wirtschaftlich einer Gewährträgerhaftung entspräche. Was würde dazu das europäische Recht sagen? Nun ist es so, daß wir schon keine gesicherte europarechtliche Auskunft über die Qualifizierung der herkömmlichen Gewährträgerhaftung als Beihilfe haben; wie Sie wissen, ist es ja nicht zu einer EuGH-Entscheidung gekommen, sondern der Streit ist mit einer Vereinbarung aus der Welt geschafft worden, und wir setzten das jetzt eben um. Es spricht freilich sehr viel dafür, daß es sich im Falle der Gewährträgerhaftung tatsächlich um eine Beihilfe handelt. Was bedeutet dies für die Frage? Die Qualifizierung als Beihilfe im Bereich von öffentlichen Unternehmen erfordert immer den Vergleich mit dem Privatinvestor. Die Anstaltslast und die Gewährträgerhaftung sind unmittelbar für den öffentlichen Sektor geschaffene, nur in ihm vorhandene Institute. Die Haftung qua Konzernrecht hingegen ist kein Institut, das gerade auf den Staat zugeschnitten ist, weil es ja nun auch Private gibt, die beherrschende Unternehmen sind, weswegen jene Haftung eingreift. Wenn man also von dieser Linie aus herangeht, müßte man sagen, es handele sich hier zwar um eine Begünstigung, aber nicht gerade dieses einen Marktteilnehmers, sondern um eine Begünstigung in der Folge von allgemeinen gesellschaftsrechtlichen Vorschriften und Grundsätzen, welche für alle Marktteilnehmer, auch für die Privaten gelten, so daß man sich hier ein unterschiedliches Ergebnis vorstellen könnte. Soviel an Ungeschütztem zu dieser Frage.

I I I . Europa- und Völkerrecht

Institutionelle Kohärenz in der Europäischen Union und der Europäischen Gemeinschaft Von Eckart Klein, Potsdam I. Einführung Jede Zeit definiert sich gern als Zeit des Übergangs. Meistens ist dies übrigens richtig, mag diese Richtigkeit auch erst ex post manifest werden. Auch wir haben dieses Bewußtsein heute sehr stark. Die Welt, in der wir leben, wandelt sich „ i m Sauseschritt" 1, und das betrifft keineswegs nur die alltägliche Umwelt, sondern greift tief in die unser Leben bestimmenden politischen und rechtlichen Strukturen ein. Meinhard Schröder hat jüngst, um nur ein Beispiel zu nennen, zu Recht festgestellt, daß der Verfassungsbegriff nicht länger quasi naturnotwendig nur auf die staatliche Einheit bezogen werden muß, sondern auch in sinnvoller Weise für die Grundordnung der Europäischen Union nutzbar gemacht werden kann. 2 Auch wenn sich unsere juristische Zunft so offenkundig schwer tut, eben diese Europäische Union mit hergebrachter Terminologie angemessen zu definieren - recht eigentlich nicht nur schwer tut, sondern letztlich scheitert - , dann ist dies gewiß ein unübersehbares Zeichen eines von uns noch nicht, jedenfalls nicht völlig begriffenen Wandels.3 In diesem Umfeld sind meine folgenden Überlegungen angesiedelt, die nachfragen wollen, was es bedeuten kann, 1

Wilhelm Busch, Julchen, 1877. Meinhard Schröder, Die Entstehung einer europäischen Verfassungsordnung Das Ineinandergreifen von nationalem und europäischem Verfassungsrecht, Die Verwaltung, Heft 1, 2002, S. 138 ff. (138 f.) 3 Ist die Europäische Union ein „Staatenverbund" (BVerfGE 89, 155 (181, 188) dazu Paul Kirchhof, Der deutsche Staat im Prozeß der europäischen Integration, in: Josef Isensee/Paul Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Bd. VII, 1992, § 183 Rn. 69) oder ein „Verfassungsverbund" (so Ingolf Pernice, Der europäische Verfassungsverbund auf dem Wege der Konsolidierung, JöR N.F. 48 (2000), S. 205 ff.) oder ein „Verband offener Nationalstaaten" (so Eckart Klein, Der Verfassungsstaat als Glied einer europäischen Gemeinschaft?, VVDStRL Bd. 50, 1991, S. 56 ff. (59)). Zur Problematik der begrifflichen Erfassung neuer rechtlicher Phänomene vgl. Eckart Klein, Auf dem Weg zum „europäischen Staat"?, in: Dieter Holtmann/Peter Riemer (Hrsg.), Europa: Einheit und Vielfalt. Eine interdisziplinäre Betrachtung, 2001, S. 261 ff. (262). 2

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daß die Union, wie es Artikel 3 EUV sagt, über einen „einheitlichen institutionellen Rahmen" verfügt. Lassen sich hieraus genauere Vorstellungen von Union und Gemeinschaft gewinnen, auch Aussagen zur europäischen Integrationsentwicklung insgesamt? Ich gehe bei meinen Ausführungen von der keineswegs unbestrittenen Prämisse aus, daß im Rahmen der Europäischen Union vergemeinschaftete und (noch) nichtvergemeinschaftete Bereiche bestehen und daß diese von den beteiligten Staaten gewollte Unterscheidung und Trennung nicht in einer - ich möchte sagen: unpolitischen - Einheitslösung von vornherein aufgehoben werden darf. 4 Sie wäre auch rechtlich nicht tragfähig, wie sich vor allem aus der über Maastricht hinaus (d.h. in Amsterdam und Nizza) aufrechterhaltenen Differenzierung ergibt. 5 Verwirrung rührt häufig daher, daß mit „Europäischer Union" einerseits der auf den Grundlagen der Gemeinschaftsverträge und der zwei Zusammenarbeitsbereiche bestehende Gesamtverband verstanden wird (Art. 1 Abs. 3 EUV), andererseits und viel spezieller allein auf diese zwei nichtvergemeinschafteten Bereiche - heute: Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik und Polizeiliche und Justitielle Zusammenarbeit in Strafsachen - gezielt wird. Beide Betrachtungsweisen haben ihre Berechtigung. Wenn sich Staaten bei der „Europäischen Union" vertreten lassen wollen, wird dadurch ihr Wunsch zum Ausdruck gebracht, Kontakte im Hinblick auf alle Arbeitsfelder des Gesamtverbands aufzunehmen, was aus der Sicht dieser Drittstaaten ohne weiteres sowohl bezüglich der vergemeinschafteten wie auch nichtvergemeinschafteten Bereiche verständlich ist; 6 denn auch bei letzteren ist - aller Intergouvernementalität zum Trotz - ein integrativer Faktor am Werk, welcher der Willensbildung und Entscheidungsfindung eine besondere Note verleiht, weil sie eben in ganz bestimmter Weise „organisiert" sind.

4

So aber Armin v. Bogdandy/Martin Nettesheim, Die Europäische Union: Ein einheitlicher Verband mit eigener Rechtsordnung, EuR 31 (1996), S. 3 ff. (12 ff.); diess., Die Verschmelzung der Europäischen Gemeinschaften in der Europäischen Union, NJW 1995, S. 2224 ff.; Armin v. Bogdandy, Die Europäische Union als einheitlicher Verband, EuR, Beiheft 2, 1998, S. 165 ff.; Manfred Zuleeg, Die Organstruktur der Europäischen Union - Eine Analyse der Klammerbestimmungen des Vertrags von Amsterdam, EuR, Beiheft 2, 1998, S. 151 ff. (153). 5 Ulrich Everling, Folgerungen aus dem Amsterdamer Vertrag für die Einheit der Europäischen Union und der Gemeinschaften, EuR, Beiheft 2, 1998, S. 185 ff. (187 f.), weist zu Recht darauf hin, daß die Beibehaltung der formellen Trennung von Union und Gemeinschaften „auf dem Widerspruch einiger Mitgliedstaaten gegen weitergehende Bestrebungen und demgemäß auf einer grundsätzlichen politischen Entscheidung der Vertragsparteien (beruhte)". Diese Entscheidung kann nicht einfach wegdiskutiert werden. 6 Vgl. Meinhard Hilf in: Eberhard Grabitz/Meinhard Hilf (Hrsg.), Kommentar zur Europäischen Union, Art. A EUV Rn. 31 (Stand: Mai 1995).

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Die bewußte prinzipielle Trennung von vergemeinschafteten und nichtvergemeinschafteten Bereichen, die im Gesamtverband nebeneinander stehen - in der Metapher von der Säulenkonstruktion übrigens sehr hübsch zum Ausdruck gebracht - , führt zu einem Abstimmungsbedarf, der in sehr verschiedener Weise befriedigt wird. 7 Zu nennen ist zunächst der Mechanismus weitgehend identischer Ziele, die ihre „Strahlung" von den den Gesamtverband übergreifenden Wertvorstellungen beziehen (Art. 6 EUV). Maßnahmen der intergouvernementalen Ebene werden ohne weiteres zu Anknüpfungspunkten für Handlungen der Gemeinschaft; ich verweise insoweit nur auf die Bestimmungen über die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik (Art. 11 ff. EUV) und die sie gegebenenfalls wie ein Echo aktualisierenden Artikel 60 und 301 EGV. Auch der profane Aspekt der Finanzierung der intergouvernementalen Bereichsaktivitäten - jedenfalls regelmäßig - durch das Gemeinschaftsbudget läßt die Trennung in einem milderen Licht erscheinen. 8 Was uns aber hier das meiste Interesse abverlangt, ist der Aspekt der institutionellen Verklammerung der vergemeinschafteten und nichtvergemeinschafteten Bereiche, die in einer bemerkenswerten Weise aufgrund der Artikel 3, 4 und 5 EUV hergestellt wird. In der 6. Präambelerwägung zum EU-Vertrag wird der Wunsch der Parteien ausgedrückt, „Demokratie und Effizienz in der Arbeit der Organe weiter zu stärken, damit diese in die Lage versetzt werden, die ihnen übertragenen Aufgaben in einem einheitlichen institutionellen Rahmen (cadre institutionnell unique/single institutional framework) wahrzunehmen". Nach Art. 3 EUV „verfügt (die Union) über einen einheitlichen institutionellen Rahmen, der die Kohärenz und Kontinuität der Maßnahmen zur Erreichung ihrer Ziele unter gleichzeitiger Wahrung und Weiterentwicklung des gemeinschaftlichen Besitzstandes sicherstellt". Die systematische Abfolge der Art. 3-5 EUV weist schwer übersehbar darauf hin, daß das mit dem Begriff des institutionellen Rahmens in Bezug genommene „Organgefüge" einerseits auf den Europäischen Rat (Art. 4 EUV), andererseits auf die Gemeinschaftsorgane (Art. 5 EUV, Art. 7 EGV) verweist. 9 Art. 4 und 5 konkretisieren Art. 3 EUV. Welche Erkenntnisse ergeben sich hieraus für die Qualifizierung der Europäischen Union und die Zuordnung dieser Organe? Bevor diese Fragen beleuchtet werden, soll ein sehr knapper Überblick über die Aktionsfelder und Handlungsmöglichkeiten der bezeichneten Organe gegeben werden. 7

Dazu Horst G. Krenzler/Henning C. Schneider, Die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik der Europäischen Union - Zur Frage der Kohärenz, EuR 29 (1994), S. 144 ff. 8 Vgl. Art. 28 und 41 EUV. 9 So auch Cordula Stumpf, in: Jürgen Schwarze (Hrsg.), EU-Kommentar, 2000, Art. 3 EUV Rn. 5.

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I I . Bestandsaufnahme Der Europäische Rat gibt „der Union die für ihre Entwicklung erforderlichen Impulse und legt die allgemeinen politischen Zielvorstellungen für diese Entwicklung fest" (Art. 4 Abs. 1 EUV). Ungeachtet der noch zu klärenden organisationsrechtlichen Zuordnung zeigen Vorschriften des EU- wie des EG-Vertrags, daß der Europäische Rat sowohl im nichtvergemeinschafteten als auch im vergemeinschafteten Bereich tätig wird. Für den nichtvergemeinschafteten Bereich sei auf Art. 13 und 17 EUV hingewiesen, für den vergemeinschafteten auf Art. 99 EGV. Diese spezifische Einbeziehung des Europäischen Rats in die Tätigkeitsfelder Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik und Wirtschaftspolitik macht schon an konkreten Beispielen seine übergreifende Kompetenz deutlich. 10 Es ist darüber hinaus unbestritten, daß die in Art. 4 EUV genannten Funktionen der Impulsgebung im Sinne innovativer, integrationsfördernder Anstöße und der Steuerung durch die Festlegung der allgemeinen politischen Zielvorstellungen sich ebenso auf den intergouvernemental strukturierten wie den vergemeinschafteten Bereich beziehen, „Union" im Sinne dieser Bestimmung - ebenso wie im Sinne des Art. 3 EUV - daher den Gesamtverband meint. 11 Was die in Art. 5 EUV genannten (Gemeinschafts-)Organe angeht, so bedarf es keines näheren Hinweises auf ihre Aktivitäten im Rahmen der Gemeinschaften. Für den intergouvernemental strukturierten Bereich soll jedoch auf einige Vorschriften aufmerksam gemacht werden, die ihre Tätigkeit dort belegen. Vor allem dem Rat kommen entscheidende Handlungsbefugnisse bei der Durchführung der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik zu; 1 2 nach Art. 13 Abs. 3 EUV, näher durchdekliniert in den folgenden Bestimmungen, empfiehlt er dem Europäischen Rat gemeinsame Strategien und nimmt gemeinsame Aktionen und gemeinsame Standpunkte an. Der Generalsekretär des Rates ist zugleich der Hohe Vertreter für die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik und unterstützt in dieser Eigenschaft den Rat in Angelegenheiten der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (Art. 18 Abs. 3, 26 EUV; 207 Abs. 2 EGV). 1 3 Die Kommission wirkt gleichfalls mit (Art. 14 Abs. 4, 18 Abs. 4 EUV). Insbeson10

Hierzu Matthias Pechstein/Christian 2000, Rn. 175 ff. 11

Koenig, Die Europäische Union, 3. Aufl.

Stumpf (Fn. 9), Art. 4 EUV Rn. 4; Hilf (Fn. 6), Art. D EUV Rn. 2. Vgl. etwa

Art. 80 Abs. 2, Art. 210 und Art. 272 Abs. 3 UAbs. 3 EGV. 12 Peter-Christian Miiller-Graff, EPZ/GASP im System der Europäischen Union - Kohärenzgebot aus rechtlicher Sicht, in: Elfriede Regelsberger (Hrsg.), Die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik der Europäischen Union, 1993, S. 53 ff. (59); Günter Burghardt/Gerd Tebbe, Die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik der Europäischen Union - Rechtliche Struktur und politischer Prozeß, EuR 30 (1995), S. 1 ff. (8).

Institutionelle Kohärenz in der Europäischen Union

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dere kommt ihr nach Art. 22 Abs. 1 EUV neben den Mitgliedstaaten das Initiativrecht zu; nach Art. 27 EUV wird sie „in vollem Umfang an den Arbeiten im Bereich der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik beteil i g t . " 1 4 Auch das Europäische Parlament ist - allerdings schwach - einbezogen (Art. 21 EUV). Der EuGH freilich kommt hier nicht zum Zuge, was keineswegs unproblematisch ist - schon im Hinblick auf Art. 24 E U V . 1 5 Eine ähnliche Lage ergibt sich für den Bereich der Polizeilichen und Justitiellen Zusammenarbeit in Strafsachen. 16 Auch hier kommt dem Rat wieder die maßgebliche Entscheidungsfunktion zu; so nimmt er auf Vorschlag eines Mitgliedstaates oder der Kommission gemeinsame Standpunkte an, faßt Rahmenbeschlüsse und erstellt Übereinkommen, die er den Mitgliedstaaten zur Annahme empfiehlt (Art. 34). Die Kommission hat nicht nur das genannte Initiativrecht, sie wird auch „in vollem Umfang" an den Arbeiten in diesem Bereich beteiligt (Art. 36 Abs. 2 EUV). Das Europäische Parlament ist bei zahlreichen vom Rat anzunehmenden Maßnahmen anzuhören; es kann Anfragen oder Empfehlungen an den Rat richten (Art. 39 EUV). Auch bei der Vergemeinschaftung von Maßnahmen der polizeilichen und justitiellen Zusammenarbeit in Strafsachen wird das Europäische Parlament im Wege der Anhörung beteiligt (Art. 42 EUV). Sogar der Europäische Gerichtshof kann nach Maßgabe des Art. 35 EUV in diesem Zusammenarbeitsbereich aktiv werden. Das Zurverfügungstehen des Europäischen Rats einerseits und der als Gemeinschaftsorgane bekannten Organe andererseits in allen drei die Union tragenden Säulen konstituiert ein Organgefüge, das vom EU-Vertrag als einheitlich (single, unique) bezeichnet wird. Dieser Bezeichnung kann man meines Erachtens nicht die Komplexität des institutionellen Systems entgegenhalten. 17 Schon in der Europäischen Gemeinschaft gibt es kein Initiativrechtsmonopol der Kommission, 18 und das Parlament wird immer noch sehr unterschiedlich an der Rechtsetzung beteiligt. 19 „Einheitlich" sollte daher 13

Rudolf Streinz, Der Vertrag von Amsterdam - Die institutionellen Veränderungen für die Europäische Union und die Europäische Gemeinschaft, Jura 1998, S. 57 ff. (63 f.); Dieter Kugelmann, Die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik, EuR, Beiheft 2, 1998, S. 99 ff. (102 f.); Christian Koenig/Andreas Haratsch, Europarecht, 3. Aufl. 2000, Rn. 805. 14 Vgl. Burghardt/Tebbe (Fn. 12), S. 10 ff. 15 Kugelmann (Fn. 13), S. 117 f. 16 Vgl. dazu Lothar Harings, Die Zusammenarbeit in den Bereichen Justiz und Inneres, EuR, Beiheft 2, 1998, S. 81 ff.; Klaus-Dieter Borchardt, Die rechtlichen Grundlagen der Europäischen Union, 2. Aufl. 2001, Rn. 962 ff. 17 Vgl. auch Meinhard Hilf, Der einheitliche institutionelle Rahmen der Europäischen Union, in: Siegfried Magiera/Heinrich Siedentopf (Hrsg.), Die Zukunft der Europäischen Union, 1997, S. 207 ff. (209 f.). 18 Vgl. etwa Art. 205 Abs. 2, 67 Abs. 1 EGV.

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nicht mit identischer Kompetenzausstattung und Identität der Entscheidungsfindung verwechselt werden. Der Begriff stellt vielmehr auf die Handlungsträger ab, 2 0 die Akteure: Der Europäische Rat und die in Art. 5 EUV genannten Organe verlieren ihre Identität nicht, unabhängig davon, in welchem Bereich der Union - vergemeinschaftet oder nicht - sie tätig werden. I I I . Auswertung I. Institutionelle

Kohärenz

In dieser Identitätswahrung liegt der Kern der in den Art. 3-5 EUV verankerten institutionellen Kohärenz. 21 Neben die inhaltliche, auf sachliche Abstimmung, Gleichgestimmtheit der verschiedenen Maßnahmen abzielende Kohärenz tritt der den Gesamtverband organisatorisch zusammenhaltende einheitliche institutionelle Rahmen, dessen Elemente, die verschiedenen Organe, zum Einsatz kommen, ohne dabei ihren rechtlichen Charakter zu verändern. Damit werden Aspekte supranationaler und intergouvernementaler Art bewußt miteinander und ineinander verwoben; dies macht ein spezifisches Gestaltungsprinzip der Union sichtbar. 22 Das ist im Folgenden näher auszuleuchten. 2. EU als Organisation und Organzuordnung Über die Ein- und Zuordnung von Europäischem Rat und Rat, Kommission, Europäischem Parlament und Europäischem Gerichtshof zur Union besteht heftiger Streit. Die insoweit die Diskussion bestimmenden Begriffe sind (Völker-)Rechtsfähigkeit der Europäischen Union, Zurechnungsendsubjekt, Doppelorgan, Vertragsorgan, Vertragsanwendungsorgan und Organleihe. Zwischen den Meinungspolen, der strikten Trennungsthese, vertreten vor allem von Pechstein/Koenig 23 (wonach etwa der Rat als Gemeinschaftsorgan mit dem im Rahmen der GASP auftretenden Rat außer dem Namen nichts gemein habe), und der Einheitsthese, vertreten von v. Bogdandy/Nettesheim 24 (wonach die Vertragsgrenzen leugnende Organidentität im Gesamtbereich der Union angenommen wird), liegen zahlreiche weitere Kon19

Anhörung (z.B. Art. 308), Kooperation (z.B. Art. 99 Abs. 5), Kodezision (z.B. Art. 40 Abs. 1) und Zustimmung (z.B. Art. 310 i . V . m . Art. 300 Abs. 3 UAbs. 2 EGV). 20 Stumpf (Fn. 9), Art. 3 EUV Rn. 5. 21 Stumpf (Fn. 9), Art. 3 EUV Rn. 8. 22 Vgl. Hilf (Fn. 17), S. 217. 23 Pechstein/Koenig (Fn. 10), Rn. 186. 24 v. Bogdandy/Nettesheim (Fn. 4).

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struktionen. 25 Sie sollen hier nicht ausgebreitet werden. Statt dessen soll meine eigene Ansicht entwickelt werden. Ich gehe davon aus, daß die Europäische Union keine Rechtspersönlichkeit besitzt - weder im innergemeinschaftlichen noch im völkerrechtlichen Sinn. Diese Ansicht entspricht der Haltung der Mitgliedstaaten und der Auffassung der Gemeinschaftsorgane. 26 Die gegenteilige These läßt sich nicht damit begründen, daß die Europäischen Gemeinschaften als zweifelsfrei rechtsfähige Organisationen, weil sie Grundlage der Union sind (Art. 1 Abs. 3 EUV), ihre Rechtsfähigkeit der Union vermitteln. 27 Eine solche Behauptung übersieht neben der formalen Trennung von Gemeinschaftsverträgen und Unionsvertrag, daß die Fundierung der Union auch durch die vom Unionsvertrag eingeführten - intergouvernemental strukturierten - Politiken und Formen der Zusammenarbeit geschehen ist. Die Tatsache, daß manche Entwicklungen darauf hindeuten, daß die Europäische Union ein werdendes Rechtssubjekt ist, 2 8 kann den Endpunkt dieser durchaus denkbaren Entwicklung nicht antizipieren. Allerdings ergibt sich aus dieser Analyse - die Europäische Union hat keine Rechtspersönlichkeit - nicht, daß sie keine eigenen Organe haben kann. 29 Das schematische, Organ und juristische Person exklusiv aufeinander beziehende Organisationsmodell, wie es etwa dem Verständnis von Hans Julius Wolff zugrundelag, ist heute, wie Ernst-Wolfgang Böckenförde in Auseinandersetzung mit Wolff gezeigt hat, überholt. 30 Als Zurechnungseinheit, als maßgeblicher Bezugspunkt des Organbegriffs ist die juristische Person von der „Organisation" abgelöst worden. 31 Diese ist als reale Gege-

25 Vgl. etwa Deidre Curtin, The constitutional structure of the Union - A Europe of bits and pieces, CMLR 1993, S. 17 ff.; Oliver Dörr, Zur Rechtsnatur der EU, EuR 30 (1995), S. 334 ff. 26 Vgl. die Nachweise bei Ulrich Everling, Überlegungen zur Struktur der Europäischen Union und zum neuen Europa-Artikel des Grundgesetzes, DVB1. 1993, S. 936 ff. (941); anders Georg Ress, Ist die Europäischen Union eine Juristische Person?, EuR, Beiheft 2, 1995, S. 27 ff. Meine ursprüngliche Rechtsauffassung habe ich korrigiert, vgl. Eckart Klein, in: Kay Hailbronner/Eckart Klein/Siegfried Magiera/Peter-Christian Müller-Graff, Handkommentar zum Vertrag über die Europäische Union (EUV/EGV), Art. A Rn. 17 ff. (Stand: 1997). 27 So aber v. Bogdandy/Nettesheim (Fn. 4), S. 23 ff. 28 Zur „personnalité embryonnaire" der EU vgl. Joel Rideau , Droit institutionel de l'Union et de la Communauté Européenne, 1994, S. 213. 29 So aber Pechstein/Koenig (Fn. 10), Rn. 171. 30 Ernst-Wolfgang Böckenförde, Organ, Organisation, Juristische Person, in: Christian-Friedrich Menger (Hrsg.), Fortschritte des Verwaltungsrechts, Festschrift für Hans J. Wolff, 1973, S. 269 ff. (274 ff.) zu Hans J. Wolff, Verwaltungsrecht II, 3. Aufl. 1970, S. 45 ff. 31 Böckenförde (Fn. 30), S. 292 ff. unter Hinweis auf Hermann Heller.

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Eckart Klein

benheit, als bestimmter aufgabenbezogener, von anderen abgegrenzter Wirkungszusammenhang erkennbar, der als Träger seiner Aufgaben und Kompetenzen identifizierbar ist und sich in den Funktionseinheiten, über die er verfügt, als Einheit konstituiert. Die Anleihe bei Hermann Heller ist unübersehbar. 32 Er hat den Staat nicht als naturbedingt gegeben angesehen, sondern als „politische Wirkungseinheit", die „vielfach", d. h. durch die Leistung vieler, planvoll und bewußt hervorgebracht wird. Dieser Wirkungszusammenhang ist real und beruht nicht konstitutiv auf normativer Zurechnung. 33 Es soll hier nicht erörtert werden, ob ein festgefügtes, normativ verfaßtes Gebilde wie der Staat mit der Lehre Hellers ausreichend erfaßt ist. Sie unabhängig hiervon für das Verständnis der Europäischen Union als eines neuen, schwer faßbaren Phänomens nutzbar zu machen, erscheint mir freilich möglich. 3 4 Heller verlangt für das Zustandekommen einer als „geordnetes Handlungsgefüge" 35 charakterisierten Organisation die bewußte und planmäßige Einheitsbildung durch Leistung vieler, wobei es der beständigen Aktualisierung konkreten Handelns bedarf. Diese Aufgabe setzt zumindest ein planendes, leitendes Organ voraus, in dessen Tätigkeit sich der schöpferische nämlich die Organisation schaffende - Akt organisierenden Handelns niederschlägt. 36 Zur Sicherung der Dauerhaftigkeit des Handlungsgefüges bedarf es ferner einer „regelgeforderten Ordnung". 37 Wenden wir diese Entstehungsvoraussetzungen auf die Europäische Union, den Gesamtverband an, so läßt sich als das leitende Organ, in dessen Tätigkeit „das Schöpferische des organisierenden Handelns" erkennbar wird, 3 8 ohne weiteres der Europäische Rat bestimmen, der übrigens - kraft der notwendigen Mitgliedschaft des Kommissionspräsidenten - keineswegs als bloße Staatenkonferenz bezeichnet werden kann. Auch die „regelgeforderte Ordnung" begegnet uns in den Normen des Unionsvertrages. 32

Hermann Heller, Staatslehre, 4. Aufl. 1970, S. 228 ff. Heller (Fn. 32), S. 238. 34 Schon v. Bogdandy/Nettesheim (Fn. 4), S. 16 f., haben auf Heller zurückgegriffen, allerdings mit dem hier gerade nicht verfolgten Ziel, die „Einheitsthese" zu begründen. Schroff ablehnend zu den organisationssoziologisch orientierten Überlegungen Hellers als Elemente einer rechtlichen Argumentation Pechstein/Koenig (Fn. 10), Rn. 16. Allerdings ist es gerade die Frage, ob die Hellerschen Überlegungen nicht helfen, die Zurechnung „richtig" vorzunehmen; dazu Böckenförde (Fn. 30), S. 288 ff., 292 ff. 35 Heller (Fn. 32), S. 231. 36 Heller (Fn. 32), S. 230, 233. 37 Heller (Fn. 32), S. 233 f.; vgl. auch Böckenförde (Fn. 30), S. 293 f. 38 Heller (Fn. 32), S. 230. 33

Institutionelle Kohärenz in der Europäischen Union

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Noch ein weiteres fällt auf: Böckenförde meint im Anschluß an Heller, die staatliche Einheit als Wirkungszusammenhang entstehe dadurch, „daß die Leistung und das Verhalten vieler durch ein „bewußt auf die Einheit der Tat gerichtetes Handeln" kontinuierlich vereinheitlicht und einheitlich aktualisiert wird". 3 9 Art. 3 Abs. 1 EUV greift - nach den vorausgegangenen Erörterungen vielleicht nicht mehr völlig überraschend - die Begriffe der Einheitlichkeit und Kontinuität seinerseits auf und macht sie als Bausteine, als Elemente einer Organisation nutzbar. Der Befund, daß auch eine nichtrechtsfähige Handlungseinheit Organe haben kann, wird auch im übrigen bestätigt. Dem Völkerrechtler sind nichtrechtsfähige Internationale Organisationen bekannt, die gleichwohl Organe haben, durch die sie Aktivitäten entfalten. 40 Entsprechendes findet sich im Privatrecht. Auf den nichtrechtsfähigen Verein finden zwar nach § 54 BGB die Vorschriften über die Gesellschaft Anwendung. Diese Vorschrift wird jedoch allgemein als gesetzgeberische Fehlentscheidung angesehen, da auch der nichteingetragene Verein körperschaftlich organisiert, d.h. auf eine Verselbständigung der Vereinigung gegenüber ihren Mitgliedern angelegt ist. 4 1 In der Tat gehen Rechtsprechung und Lehre heute von der analogen Anwendung der Bestimmungen über den rechtsfähigen Idealverein auf nichtrechtsfähige Idealvereine aus, 42 wodurch insbesondere die Haftung der Mitglieder für das Verhalten der Vereinsrepräsentanten auf das Vereinsvermögen beschränkt wird. Auch die Zurechnung von durch Organe verursachte Schäden erfolgt analog § 31 BGB. Wir können danach feststellen, daß die fehlende Rechtssubjektivität der Europäischen Union der Zuordnung von Organen nicht entgegensteht. Der Europäische Rat kann daher zunächst als Organ der Union identifiziert werden. 43 Er ist jedenfalls kein „Gemeinschaftsorgan" (Art. 7 EGV), aber doch eine - sogar die leitende - Funktionseinheit der Organisation Europäische Union. In bestimmten Hinsichten mag er auch als gemeinsame Erscheinung der Mitgliedstaaten, als Vertragsorgan erscheinen, 44 doch ließe eine in diese Richtung gehende ausschließliche Charakterisierung die organisationsrelevante Funktion des Europäischen Rates außer Acht. 39

Böckenförde (Fn. 30), S. 292. Die Hervorhebung im Text stammt von mir. Beispiele bei Eckart Klein, in: Wolfgang Graf Vitzthum (Hrsg.), Völkerrecht, 2. Aufl. 2001, 4. Abschnitt, Rn. 93 f. 41 Vgl. dazu RGZ 113, 169 (170); Β GHZ 50, 325 (329); SoexgeM Hadding, Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, Bd. I, 13. Aufl. 2000, Bd. I, § 54 Rn. 1. 42 Vgl. etwa Karsten Schmidt, Gesellschaftsrecht, 3. Aufl. 1997, S. 747, wonach sich ein Sonderrecht der nichtrechtsfähigen Vereine entwickelt hat, das anfangs als Ergebnis konkreter Satzungsauslegung, später als Ausdruck des Rechtsempfindens und schließlich als von der Natur der Sache geleiteter Rechtsfortbildungsprozeß angesehen wird. Vgl. auch BGH, Urt. vom 02. 04. 1979, NJW 1979, S. 2304 f. 43 So auch zutreffend Stumpf (Fn. 9), Art. 4 EUV Rn. 1. 40

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Eckart Klein

Die in Art. 5 EUV in Bezug genommenen Organe sind offenbar die in Art. 7 EGV genannten Organe der Gemeinschaft. 45 Dies beweist die in Amsterdam erfolgte Reparatur des Art. 5 EUV, der zunächst (als Artikel E) die Einbeziehung des Europäischen Rechnungshofs in die Gemeinschaftsorgane nicht nachvollzogen hatte. Wenn die Union nun auch über diese Organe als Teil ihres Organgefüges verfügt, so ist zweierlei zu erläutern. Zunächst muß geprüft werden, wie - bei der grundsätzlich bestehenden Trennung der Verträge - die Einbeziehung der Gemeinschaftsorgane in die intergouvernementalen Zusammenarbeitsbereiche erklärt werden kann. Ganz überwiegend und zu Recht wird insoweit zur Rechtsfigur der Organleihe gegriffen. 46 Daß die Europäische Union keine Rechtspersönlichkeit hat, steht auch hier ihrer Position als Entleiher und der Zuordnung der entliehenen Organe zu ihr als Handlungseinheit nicht entgegen. Die andere Frage ist, ob die Gemeinschaftsorgane, wenn sie in den zwei intergouvernementalen Zusammenarbeitsbereichen tätig werden, diese Funktion (immer noch) als GemeinschaftsoxgdLi\z erfüllen. Dies wird von der strikten Trennungslehre bestritten, die unerbittlich darauf beharrt, daß Gemeinschaftsorgane im intergouvernementalen, den Mitgliedstaaten als Zurechnungsendsubjekten zugeordneten Bereich nicht tätig werden können. 47 Ihre Indienstnahme erfolge allein aus ökonomischen Gründen, um die Schaffung weiterer Vertragsorgane zu vermeiden. Wie bereits ausgeführt, verkennt diese Interpretation die Bedeutung der von Art. 3 EUV angeordneten institutionellen Kohärenz, die sich in der Einheitlichkeit des institutionellen Rahmens, eben des Organgefüges, für den Gesamtverband Europäische Union ausdrückt. Es ist gerade der Kern dieser Aussage, daß die jeweiligen Organe ihre Identität - sei es der Europäische Rat als originäres Unionsorgan, seien es die in Art. 5 EUV genannten Organe als Gemeinschaftsorgane - nicht verlieren, wenn sie in den verschiedenen Säulen tätig werden. 48 Werden sie im intergouvernementalen Bereich tätig, kann die 44 Etwa Meinhard Hilf/Eckhard Pache in: Eberhard Grabitz/Meinhard Hilf (Hrsg.), Das Recht der Europäischen Union, Art. D Rn. 9; anders Pechstein/Koenig (Fn. 10), Rn. 172 ff. 45 Stumpf (Fn. 9), Art. 5 EUV Rn. 6. 46 Vgl. etwa Curtin (Fn. 25), S. 26; Dörr (Fn. 25), S. 337; Peter M. Huben Das Recht der Europäischen Integration, 1996, S. 71; Christian Pippan, Die Europäische Union nach Amsterdam: Stärkung ihrer Identität auf internationaler Ebene, in: Aus Politik und Zeitgeschichte (Das Parlament) Β 47/97, S. 30 ff. (31, 32); Torsten Stein, Europäische Union: Gefahr oder Chancen für den Föderalismus in Deutschland, Österreich und der Schweiz?, VVDStRL 53 (1994), S. 27 ff. (29); anders (contra Organleihe): Stephan Semrau, Die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik der Europäischen Union, 1998, S. 32; Zuleeg (Fn. 4), S. 152. 47 Pechstein/Koenig (Fn. 10), Rn. 186 (zum Rat). 48 Ebenso Stumpf (Fn. 9), Art. 5 EUV Rn. 8.

Institutionelle Kohärenz in der Europäischen Union

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Verantwortungszurechnung an die Europäische Union als handlungsfähige (nichtrechtsfähige) Handlungseinheit erfolgen, aber unter Umständen auch an die Mitgliedstaaten. (Nur in Parenthese: Auch die Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft können unter Umständen für Akte der Gemeinschaft verantwortlich gemacht werden.) 49 Die „Verantwortungszurechnung in Kooperationsgeflechten" ist komplex. 5 0 Das gefundene Ergebnis, daß die Gemeinschaftsorgane auch in den Zusammenarbeitsbereichen des EU-Vertrages ihre Identität als - wenngleich entliehene - Gemeinschaftsorgane beibehalten, entspricht durchaus dem Sinn der vom Vertrag gewollten institutionellen Ummantelung. Zweck soll zunächst sein, eine Verzahnung der unterschiedlich strukturierten Politikbereiche herbeizuführen. 51 Dem einheitlichen institutionellen Rahmen wird eine dienende Funktion zugemessen, indem die Organe zur besseren Wahrnehmung ihrer Aufgaben ertüchtigt werden. 52 Dies ist gewiß nicht falsch. Problematisch wird es jedoch, wenn Art. 3 EUV als darin erschöpft betrachtet wird, also wenn dem einheitlichen institutionellen Rahmen allein die Rolle zugemessen wird, materielle Kohärenz der Aktionen innerhalb des Gesamtverbandes Europäische Union zu sichern. 53 Diese Sicht der Union als eines bloß „materiell-rechtlichen Verbundrahmens" 54 genügt deshalb nicht, weil Kohärenz oder Abgestimmtheit inhaltlich neutral ist. Abgestimmtheit kann in eine integrierende oder desintegrierende Richtung weisen. Die Einheitlichkeit des institutionellen Rahmens mit der bewußt-gewollten Einbeziehung von Gemeinschaftsorganen in die intergouvernementalen Agenden will aber gerade diese Ambivalenz vermeiden. Vielmehr wird bewußt in den Zusammenarbeitsbereichen auf so viel Integration wie möglich gesetzt mit dem Ziel eventueller Vergemeinschaftung. Art. 3 Abs. 1 EUV spricht ausdrücklich von der Wahrung und Weiterentwicklung des gemeinschaftlichen Besitzstandes. Art. 3-5 EUV stehen daher nicht nur in engem 49 Das ergibt sich aus ihrer „Schöpfer"qualität: Akte der Organisation müssen sich die Mitgliedstaaten unter Umständen als eigenes Versagen (da bei der Gründung nicht bedenkend) zurechnen lassen; vgl. EGMR, EuGRZ 1999, S. 207 ff. (Waite/Kennedy) sowie den derzeit beim EGMR anhängigen Fall Senator Lines, EuGRZ 2000, S. 234 ff. 50 Udo Di Fabio , Das Recht offener Staaten, 2001, S. 126. 51 Hermann-Josef Blanke, in: Christian Calliess/Matthias Ruffert (Hrsg.), Kommentar zu EU-Vertrag und EG-Vertrag, 2. Aufl. 2002, Art. 3 EUV Rn. 1. 52 Stumpf (Fn. 9), Art. 3 EUV Rn. 5; Müller-Graff (Fn. 12), S. 59. 53 So Matthias Pechstein, Das Kohärenzgebot als entscheidende Integrationsdimension der Europäischen Union, EuR 30 (1995), S. 247 ff. (258). 54 So Christian Koenig, Die Europäische Union als bloßer materiellrechtlicher Verbundrahmen, EuR, Beiheft 2, 1998, S. 139 ff. 9 FS Schröder

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Eckart Klein

Zusammenhang mit Artikel 1 Abs. 2 EUV, wonach eine immer engere Union der Völker Europas erreicht werden soll, sondern etwa auch mit Art. 47 einerseits und 42 EUV andererseits, wo Abstriche vom acquis communautaire verhindert oder die Überführung in die Vergemeinschaftung angeregt werden. Die institutionelle Klammer mag schließlich auch Schutz bieten gegen eine sich aus der sogenannten „verstärkten Zusammenarbeit" möglicherweise ergebende Desintegrationstendenz. 55 Ich sehe hier übrigens in der Tat ein erhebliches, Interessengegensätze aufreißendes Gefährdungspotential, 56 dessen Beherrschung allenfalls mit der sachlichen Involvierung der Gemeinschaftsorgane kalkulierbar sein dürfte. Die Identität der Union ergibt sich aus formaler Trennung und inhaltlicher und institutioneller Verschränkung gleichermaßen - neben den vergemeinschafteten Bereichen stehen die nichtvergemeinschafteten Zusammenarbeitsbereiche, aber in die vergemeinschafteten Bereiche hinein erfolgen die Impulse des originären Unionsorgans Europäischer Rat, in die nichtvergemeinschafteten Bereiche wirken die Gemeinschaftsorgane hinein. Es ist diese letztlich auf Integrationsfortschritt angelegte gesamtheitliche - gleichwohl die grundsätzliche Sphärentrennung respektierende - Betrachtungsweise, die der Botschaft des Art. 3 EUV zugrunde liegt. IV. Ausblick Die so geschilderte oder besser: gedeutete Rechtslage ist nicht nur komplex, sondern höchst kompliziert. Sie ist dem Verständnis der Unionsbürger kaum zugänglich. Verständnisdefizit aber führt zu Legitimationsdefizit. Politisch, letztlich jedoch auch rechtlich, ist die Vereinheitlichung - im Sinne der Zusammenführung und Straffung - der Verträge erforderlich mit dem Ziel, eine (rechtsfähige) Organisation an die Stelle der bisherigen verschiedenen Organisationseinheiten zu setzen. 57 Dies würde nicht ausschließen, in den verschiedenen Politikbereichen die Kompetenzen dieser Unionsorgane im Verhältnis zueinander, aber auch im Verhältnis zu den Mitgliedstaaten unterschiedlich zu regeln. Die institutionelle Kohärenz wäre dann ohnedies gewährleistet. Ein solcher Schritt ist Voraussetzung für eine Verfassunggebung auf europäischer Ebene, würde zumindest die Europäische Union diesem Prozeß 55 Vgl. Art. 40, 4 3 ^ 5 EUV, Art. 11 EGV und die im Vertrag von Nizza vom 26. 02. 2001 enthaltenen weitergehenden Möglichkeiten (Art. 40-40b, 43-45 EUV, Art. 11, I I a EGV). 56 Vgl. dazu E. Klein, Auf dem Weg zum „europäischen Staat?" (Fn. 3), S. 279 f. 57 Dazu etwa Everling (Fn. 5), S. 186.

Institutionelle Kohärenz in der Europäischen Union

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näherrücken. Alle Voraussetzungen für diesen Schritt wären damit aber gleichwohl noch nicht erfüllt. Kann die Europäische Union eine Verfassung erhalten, bevor Klarheit über ihre politische Finalität besteht?

Wer immer heute über die Europäische Union oder die Gemeinschaften und ihre Organstruktur nachdenkt, zweifelt oder wundert sich oder tut beides. Zweifeln und Sichwundern sind die Ursprünge der Philosophie. 58 Es wäre nicht das schlechteste Resultat unserer Bemühungen, wenn wir darüber zu Philosophen würden.

58 Viktor von Weizsäcker, A m Anfang schuf Gott Himmel und Erde. Grundfragen der Naturphilosophie, 1955, S. 5. 9*

Die Organisation der Welt D e r Internationale Seegerichtshof i m Horizont von W a l t h e r Schiickings Weltstaatenbund m i t Obligatorium Von Wolfgang Graf V i t z t h u m , Tübingen „Allmählich war [er] über [neunundfünfzig] Jahre geworden ... Aber so alt er war, er fragte sich dies und das. Ein Drängen nach dem Sinn des Daseins warf sich ihm wiederholt entgegen [...] Was schlug die Uhr? Zwölf. Es war Mitternacht. Er wurde [sechzig] Jahre. In der Ferne rauschte ein Gewitter. In Maiwälder brach die Wolke auf. Nun ist es Zeit, sagte er sich, daß ich beginne ... Dann wollte er sich etwas Bildhaftes zurufen, aber es mißlang. Dies wieder fand er bedeutungsvoll und zukunftsträchtig: vielleicht sei schon die Metapher ein Fluchtversuch, eine Art Vision [...]." So beginnt Gottfried Benns (1886-1956) expressionistischer und surrealistischer, w o h l auch selbstironischer Text „ D e r Geburtstag" aus dem Jahr 1916, 1 zitiert anläßlich des Geburtstagssymposiums

„Recht und Organisa-

t i o n " für Meinhard Schröder. A c h t Jahre zuvor, 1908, skizzierte der damalige Marburger,

später Kieler Völkerrechtler

Walther Schücking

(1875-

1935) seine V i s i o n eines republikanischen Weltstaatenbundes m i t obligatorischem Schiedsgericht, unter dem von m i r heute geborgten T i t e l „ D i e Organisation der W e l t " . 2 Vor diesem virtuellen, bisher nicht geschichtsmächtig

1 Sämtliche Werke I I I (Prosa 1), hrsg. v. G. Schuster, Stuttgart 1987, S. 50 Meinhard Schröder, ein Liebhaber und Kenner der Literatur, veranstaltet regelmäßig Seminare zum Thema „Recht und Literatur". Das nächste wird der französischen Literatur gewidmet sein: „Stendhal und Balzac", schrieb er mir, „haben auch dem Juristen viel zu sagen". Der Benn-Text bezieht sich natürlich in Wirklichkeit, wie bekanntlich auch Kafkas „Prozeß", auf den 30., nicht auf den 60. Geburtstag. 2 In: Staatsrechtliche Abhandlungen, FG für P. Laband, Tübingen 1908, Bd. I, S. 533; hier zitiert nach Selbständige Ausgabe, Leipzig 1909. Dazu auch H. Wehberg, Walter Schücking und das Problem der internationalen Ordnung, in: FS für W. Schätzet Düsseldorf 1960, S. 535; J. ter Meuten, Walter Schücking als Historiker der Friedensbewegung, Die Friedenswarte 35 (1935), S. 217; U. Scheuner, Die internationale Organisation der Staaten und die Friedenssicherung, Die Friedens warte 58 (1975), S. 7; H. Wehberg, Das Leben Walter Schückings, ebd., S. 162. Die intensivere Organisation des Staatenverbandes war zu Schückings Zeit ein Hauptthema der Fachvertreter, vgl. nur G. Jellinek, Die Lehre von den Staatenverbindungen, Wien 1887; H. Triepel, Völkerrecht und Landesrecht, Leipzig 1899 (ND Aalen 1958); F. von Liszt, Das Wesen des völkerrechtlichen Staatenverbandes und der Internatio-

Wolfgang Graf Vitzthum

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gewordenen rechts- und organisationspolitischen den

seit

1.

August

1996

ganz

realen

Horizont behandele ich

Internationalen

Seegerichtshof

(ISGH).3 Bewegt sich die Internationale Gemeinschaft m i t diesem neuen Organ ein Stück

weiter

i n Schückings

„weltorganisatorische",

gar

„weltschiedsge-

richtliche" Richtung? Geht es bereits u m die Kontrolle des Handelns der Internationalen Organisationen selbst an Hand einer globalen Rechtsstaatl i c h k e i t ? 4 Sehen w i r gar schon den Weltstaat kommen, die U N O auf dem Weg z u m Gewaltmonopol? Ich erörtere diese Fragen anhand des Prince-Falles,

Grand-

den der I S G H vor einem Jahr entschieden hat. 5 „ ( N ) i c h t un-

interessant", heißt es bitter-ironisch i n j e n e m „Geburtstags"-Text von Benn, „aber natürlich belanglos, kleiner Beitrag z u m großen Aufbau des Wissens und Erkennens des W i r k l i c h e n , ha! ha!".

I . Einleitung: D e r Grand

Prince-FM

des Internationalen Seegerichtshofs (2001) An dem diesigen, feucht-schwülen Morgen erschien am Horizont die Silhouette eines Fischtrawlers. Das unter der Flagge von Belize fahrende Schiff, in Durban/ Südafrika ausgelaufen, befand sich auf langsamer Fahrt durch den Indischen Ozean, in der Nähe der Inselgruppe der Kerguelen. Sie gehört zum „kolonialen Konfetti" Frankreichs, zu den über die südlichen Meere verstreuten kleinen Inseln also, die, trotz Frantz Fanons antikolonialem Aufschrei, 6 nicht in die Unabhängigkeit entlassen, mithin nach wie vor französisches Hoheitsgebiet sind. Der spanische Kapitän naie Prisenhof, in: FG der Berliner jurist. Fakultät für Otto von Gierke, Bd. 3, Breslau 1910 (ND Frankfurt M. 1969). 3 Allgemein zum ISGH vgl. etwa S. Talmon, Der ISGH in Hamburg als Mittel der friedlichen Beilegung seerechtlicher Streitigkeiten, JuS 41 (2001), S. 530 ff.; Ph. Sands (Hrsg.), Manual on International Courts and Tribunals, London u.a. 1999, S. 39. Zur Rechtsprechung vgl. A. Erdogan, Die Rechtsprechung des Internationalen Seegerichtshofes im Jahre 2001, G Y I L 44 (2001), S. 635 (646 ff. Schiffsfreigabeverfahren; S. 657 f. der Grand Prince- Fall). 4 Dazu E. Klein, Die Internationalen und Supranationalen Organisationen, in: W. Graf Vitzthum (Hrsg.), Völkerrecht, 2. Aufl. Berlin 2001, S. 267. Bei der gerichtlichen Kontrolle der Rule of Law ergeben sich schon jetzt Kollisionen, ohne daß sich abzeichnet, wie dies zu vermeiden ist. Das Problem der gerichtlichen Kontrolle internationaler Verwaltungstätigkeit hat im übrigen Tradition. So wurde bereits 1920 in Saarlouis ein Oberster Gerichtshof und ein OVG für das vom Völkerbund verwaltete Saargebiet gebildet. 5 Text der Entscheidung auf der Homepage des ISGH, www.itlos.org. Zum Judikat s. B. Oxman/V. Bantz, The „Grand Prince", AJIL 96 (2002), S. 219; zum Freigabeverfahren Sands (Fn. 3), S. 51 f.; R. Lagoni, The Prompt Release of Vessels and Crews before the ITLOS, IJMCL 11 (1996), S. 147. Vgl. auch R. Wolfrum, Provisional Measures of the International Tribunal for the Law of the Sea, IJIL 37 (1997), S. 420 ff.

Die Organisation der Welt

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des Trawlers hatte gerade seine Crew - Chilenen und Spanier - angewiesen, die kilometerlangen Fangnetze einzuholen, als plötzlich steuerbords eine Fregatte der französischen Marine auftauchte. Schnell wurden die Leinen des letzten noch nicht geborgenen Netzes gekappt, der Fang verlorengegeben - alle Beweise sollten vernichtet werden. Reger Funkverkehr setzte ein. Der Kommandant der Fregatte beschuldigte den Kapitän des Trawlers, unerlaubt in der Ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ) der Kerguelen gefischt zu haben. Der Spanier bestritt dies. Daraufhin erklärte der Franzose, das Fangschiff werde aufgebracht, Fluchtversuche mit Gewalt unterbunden, notfalls durch scharfen Schuß. Der Kapitän des Trawlers gab nach, stoppte die Motoren. Die Fregatte ging längsseits. Besatzungsmitglieder sprangen an Bord und inspizierten den Fang: 20 Tonnen des wegen Überfischung in seinem Bestand gefährdeten Schwarzen Seehechts, im Wert von insgesamt mehreren 100.000 Euro. Der Kommandant beschlagnahmte Schiff, Ausrüstung, Ladung. Die Fregatte geleitete den Trawler zum Hafen der ebenfalls französischen Insel La Réunion. Gegen den Widerspruch des Kapitäns wurde das Fangschiff per Gerichtsbeschluß festgesetzt - ein schwerer wirtschaftlicher Verlust für die (spanischen) Eigner.

Was wie das Skript eines Actionfilms wirkt, ist in Wirklichkeit die - vereinfachte - Skizze eines realen Sachverhalts: des 2001 vom ISGH entschiedenen Grand Prince- Falles. Belize als Antragsteller wollte vom Antragsgegner Frankreich die Freigabe seines festgesetzten Schiffes erreichen. Noch vor wenigen Jahren wäre diese Streitigkeit allenfalls - wenn beide Streitparteien sich unterworfen hätten oder unterwerfen würden und nicht auf Selbsthilfe zurückgreifen würden - dem Internationalen Gerichtshof (IGH) in Den Haag unterbreitet worden. Nun aber erfolgte die Anrufung des ISGH in Hamburg. Was ist Grundlage, was Grenze der Gerichtsbarkeit der noch jungen Institution? Inwieweit ist dieses spezielle Rechtsprechungsorgan ein generell interessierender Baustein im System der friedlichen Streitbeilegung, ja der Durchsetzung des Völkerrechts allgemein? Was können wir aus Existenz und Bilanz der ISGH-Judikatur für unser Gesamtthema „Recht und Organisation" ableiten? Bricht mit dem neuen Organ gar eine neue Periode in der Entwicklungsgeschichte des (See-)Völkerrechts an - oder hat sich nichts Wesentliches geändert, ist der ISGH also nur eine Arena mehr, gar eine 2. Klasse? I I . Walther Schückings Weltstaatenbund mit Obligatorium (1908) Der letztlich utopische Versuch des bürgerlichen, aktiven Pazifisten Schücking, „das nationale Ideal mit dem internationalen zu vereinen", setzte ein mit einer Skizze des „Weltstaates der Antike", folgte dem „Weltstaatsgedanken" bis zu den „neuen Organisationsideen im ausgehen6 Les damnés de la terre, Paris 1961. Die Kerguelen, nicht allzu weit von der Antarktis gelegen, sind freilich unbewohnt.

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Wolfgang Graf Vitzthum

den Mittelalter" und verurteilte die Neuzeit als „Zeitalter der Desorganisation". 7 Das 19. Jahrhundert dagegen qualifizierte der spätere Richter (19301935) am Ständigen Internationalen Gerichtshof (StIGH) in jener Studie hoffnungsvoll als Epoche „der wieder angeknüpften internationalen Organisation". Er konstatierte die zunehmende Verrechtlichung der internationalen Beziehungen sowie die Herausbildung einer „völlig neuen Rechtsdisziplin": des „internationalen Verwaltungsrechts" i.w.S., bezogen auf die Tätigkeit „internationaler Behörden", etwa die der Fluß-, Sanitäts- und Finanzkommissionen. Die Mitglieder der internationalen Behörden und der Ämter der völkerrechtlichen Verwaltungsgemeinschaften hätten, so Schücking, nicht mehr allein die Interessen ihres Heimatstaates zu berücksichtigen, sondern in „freier Überzeugung [auch die] des Staatenvereins, den sie vertreten", 8 des jeweiligen besonderen Zweckverbandes also. Das „dédoublement fonctionnel" klingt hier an, das Schema der funktionellen Verdoppelung also, das Konzept der „zwei Hüte" (primär freilich gebraucht für die Durchsetzung des Völkerrechts). Schücking 9 , mit Hans Wehberg 10 der völkerrechtliche Kopf der deutschen Friedensbewegung (die Nationalsozialisten drängten ihn, der 1919 in der Weimarer Nationalversammlung als Mitglied der Deutschen Demokratischen Partei mitgearbeitet hatte, Ende 1933 aus seinem Universitätsamt), propagierte 1908 vor allem die Errichtung eines „obligatorischen Welt7

Schücking (Fn. 2), S. 10 ff., 17 ff., 26 ff., 38 ff. Er sah ganz allgemein im schiedsgerichtlichen Denken die Basis für eine internationale Verständigung. Vor der grassierenden Überschätzung der Schiedsgerichtsbarkeit warnte demgegenüber in seiner Tübinger Antrittsvorlesung Heinrich Triepel (Die Zukunft des Völkerrechts, Leipzig und Dresden 1916, S. 11 ff.), vgl. U. Gassner, Heinrich Triepel. Leben und Werk, Berlin 1999, S. 495 f. - Das Abkommen zur friedlichen Erledigung internationaler Streitfälle vom 18. 10. 1907 ist u.a. abgedruckt in: W. G. Grewe (Hrsg.), Fontes historiae iuris gentium, Bd. 3/1, Berlin/New York 1992, S. 600 ff.; ebd., S. 621 ff. das Abkommen über die Errichtung eines internationalen Prisenhofes vom 18. 10. 1907; ebd., S. 637 ff. die Londoner Seerechtsdeklaration vom 26. 2. 1909. 8 Schücking (Fn. 2), S. 61 f. Vgl. auch ders., Der Staatenverband der Haager Konferenzen, München und Leipzig 1912. 9 Er interessierte sich auch für ein Phänomen, das heute primär Non-Governmental Organisations (NGOs) genannt wird. Sie, die NGOs, verknüpfen „die einzelnen Berufs- und Interessenschichten der verschiedenen Staaten miteinander", von den „Akademien der Gelehrten" bis hin zu den „Verbänden der Bergarbeiter" (Schükking [Fn. 2], S. 62). Die Erfahrung lehre, „daß der private Internationalismus sich auf allen Gebieten in den offiziellen und staatlichen umzusetzen pflegt" (ebd.). Schücking zählte seinerzeit 300 NGOs. Heute gibt es allein für den Bereich des internationalen Umweltschutzes über 6000; einigen kommt durch Konsultativstatus bei ECOSOC oder UNESCO besondere („offizielle") Bedeutung zu. 10 Zu ihm P. Keiner, Bürgerlicher Pazifismus und „neues Völkerrecht" - Hans Wehberg (1885-1962), Freiburg 1976.

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Schiedsgerichts". Selbst für die m'c/zf-rechtlichen Interessenkonflikte zwischen Staaten sollte es zuständig sein 11 - ein „das Völkerrecht hört hier auf 4 (um das bekannte, auf die staatsrechtliche Situation von 1918 gemünzte Diktum von Gerhard Anschütz abzuwandeln) kannte Schücking nicht (die kontinental-europäische Völkerrechtsdoktrin verneint ja im Unterschied zur angloamerikanischen die Existenz von Lücken im Völkerrecht). 12 „Too much too soon"! „Bedingungsloses zu wollen in einer bedingten Umwelt", Carl J. Burckardts Beschreibung unglücklicher deutscher Neigungen, verfehlte auch hier sein Ziel. Die Idee eines umfassenden Obligatoriums im schiedsrichterlichen Verfahren hat sich bis heute nicht durchgesetzt 13 - nachzulesen in Meinhard Schröders magistralem Abschnitt in unserem Völkerrechtslehrbuch; 14 die anderen Mitautoren sind Philip Kunig, Kay Hailbronner, Eckhart Klein, Rudolf Dolzer und Michael Bothe, allesamt glanzvolle Namen, der passende Rahmen für unseren Jubilar. Rüstungskontroll- und abrüstungspolitisch war den Haager Friedenskonferenzen von 1899 und 1907, trotz Ständigem Internationalen Schiedsgerichtshof und Landkriegsordnung, ein Durchbruch letztlich nicht gelungen. Es folgte nicht die u.a. von Schücking geforderte „3. Haager Konferenz der 46 Kulturstaaten", es kam erst recht nicht zur Gründung eines „Weltstaates" mit obligatorischer Schiedsgerichtsbarkeit, sondern es kam der Rückfall in den Naturzustand, der Erste Weltkrieg, die europäische Urkatastrophe. Der 11

Vgl. allgemein F. Bodendiek, Walther Schückings Konzeption der internationalen Ordnung, Berlin 2001; M. Stolleis, Geschichte des öffentlichen Rechts in Deutschland, Bd. 3, München 1999, S. 80 ff., 86 ff., 254 ff. - 1914 war dann freilich auch Schücking davon überzeugt, daß die Hauptverantwortung für den Kriegsausbruch gewiß nicht beim Deutschen Reich lag, vgl. F. Herrmann, Das Standardwerk. Franz von Liszt und das Völkerrecht, Baden Baden 2001, S. 103 m.w.N. (ebd., S. 104 ff. zum bürgerlichen Pazifismus im wilhelminischen Deutschland als Gegenbewegung zum Aufstieg der radikalen, nationalistischen Vaterlandsbünde und imperialistischen Agitationsvereine. 12 Vgl. V. Bruns, Politische und Rechtsstreitigkeiten, ZaöRV 4 (1932), S. 445 ff.; Fastenrath, Lücken im Völkerrecht, Berlin 1991. - Lücken im Recht (anders steht es mit solchen im Gesetz) kann es von der Logik her nicht geben. Rechtspolitisch dagegen lassen sich „Lücken" der jeweiligen Rechtsordnung finden. Eine Kompetenz zur freien Rechtsetzung ordnete selbst Schücking der internationalen Gerichtsbarkeit nicht zu ([Fn. 2], S. 139 f.). - Zur Wiedergeburt der Schiedsgerichtsbarkeit im 19. Jahrhundert W. G. Grewe, Epochen der Völkerrechtsgeschichte, Baden-Baden 1984, S. 606 ff. (613: Die unter dem Stichwort „obligatorische Schiedsgerichtsbarkeit" zusammengefaßten Bestrebungen kamen erst nach dem Ersten Weltkrieg zum Zuge; dazu dann S. 719 ff.). 13 Im EMRK-Bereich freilich doch: mit dem Protokoll Nr. 11 seit 1998, allerdings sehr spezifisch, sowohl räumlich als auch materiell. 14 Verantwortlichkeit, Völkerstrafrecht, Streitbeilegung und Sanktionen, in: W. Graf Vitzthum (Fn. 4), S. 583 ff., 587 ff. Das Buch (und mit ihm der Beitrag Schröder) ist im Jahre 2002 auch auf chinesisch erschienen.

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Völkerbund entsprach dann Schückings Konzeption schon mangels Universalität nur zum geringsten Teil. Der StIGH entwickelte sich nicht zum unumgehbaren, unparteilichen, machtvollen Weltgerichtshof; sein „Obligatorium" war unvollständig, bzgl. der Unabhängigkeit der Richter gab es Fragen, und er besaß nicht die Befugnis, die Befolgung seiner Entscheidungen notfalls zu erzwingen. Schückings Einrücken auf die Richterbank erfolgte zu spät, um seinem Gedankengut angesichts des Niedergangs des Völkerbundes noch richterliche Weihe geben zu können. 15 Das Kriegsverhütungsrecht erwies sich, als es darauf ankam, als Fehlschlag. Auch die diversen Streitschlichtungsinstrumente haben letztlich „den Gang der politischen Entwicklung nicht beeinflussen können". 16 In Schückings „Weltstaatenbund" sollte „in allen wichtigeren Angelegenheiten [...] das völkerrechtliche Prinzip der Einstimmigkeit gelten", mit der Möglichkeit - über die „nur eine entferntere Zukunft entscheiden [kann]" einer „Entwicklung vom Staatenbund zum Bundesstaat". 17 Der Gedanke der Souveränität, „geboren im Kampfe gegen die Idee der kaiserlichen oder päpstlichen Weltmonarchie", sei mittlerweile „nicht mehr zu fürchten, vielmehr würden die Einzelstaaten für die Aufgabe ihrer Einzelsouveränität heute [...] einen Anteil an der Souveränität des Ganzen gewinnen." Ist das nicht - später - Legitimation und Baugesetz der europäischen Integration geworden? Gewiß, Rechtlichkeit, Freiheitlichkeit, Sicherheit, Wohlfahrt, 15 Vgl. Bodendiek (Fn. 11), S. 76 ff. - Die Wiener rechtstheoretische Schule, die ein neues reformiertes Völkerrechts Verständnis entwickelte, sah demgegenüber im System des Völkerbundes eine Chance, eine „Projektionsfläche der Hoffnungen auf eine friedlichere Weltordnung", vgl. J. von Bernstorjf, Der Glaube an das universelle Recht. Zur Völkerrechtslehre Hans Kelsens und seiner Schule, Baden-Baden 2001, S. 6 (vgl. dann insbes. S. 169 ff.: „Die Gerichtsbarkeit als funktionales Zentrum des universalen Rechts"). 16 Grewe (Fn. 12), S. 725. - „ M i t der Zunahme der internationalen Spannungen rückte das bellizistische Völkerrecht nach vorne, während Vertreter der Friedensbewegung (W. Schücking, H. Wehberg) zu Außenseitern wurden", Stolleis (Fn. 11), S. 88. 17 (Fn. 2), S. 81 f.; ebd., S. 82 das nachfolgende Zitat. - Auf beiden Haager Konferenzen (zu ihnen die Beiträge in AJIL 94 [2000], S. 1 ff.) war es die deutsche Seite gewesen, die ein Schieds-Obligatorium verhindert hatte. Nach dem Ersten Weltkrieg dagegen wurde „die Schaffung der obligatorischen Schiedsgerichtsbarkeit mit ihren durch Sanktionen auch erzwingbaren Urteilen [...] zum Hoffnungsschimmer in einer Zeit, in der die Befürchtung immer mehr vordrang, Deutschland könne der Willkür der Alliierten ausgeliefert werden", Herrmann (Fn. 11), S. 247. Das Genfer Protokoll über die friedliche Beilegung internationaler Streitigkeiten vom 2. 10. 1924 ist abgedruckt bei W. G. Grewe (Hrsg.) Frontes historiae iuris gentium, Bd. 3/2, Berlin/New York 1992, S. 941 ff. Vgl. ders. (Fn. 12), S. 726 : „In den großen Krisen und Spannungen der letzten Jahre vor dem zweiten Weltkrieg hat man nicht einmal den Versuch gemacht, von den zahlreichen Möglichkeiten der Schiedsverträge Gebrauch zu machen. Man hatte den Schiedsgedanken so stark überspannt, daß niemand mehr an seine Wirksamkeit glaubte."

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einschließlich einer immer dichter werdenden Rechtspflege in Straßburg und Luxemburg und einer immer stärker zupackenden, Wettbewerb und Reformen erzwingenden Rechtsetzung in Brüssel - das sind entscheidende, auch noch hinreichend demokratisch vermittelte Leistungen; zu einem wichtigen Teil legitimieren sie heute unsere Staaten. Aber sind die souveränitäts- und demokratiepolitischen Kosten der Vertiefung der europäischen Integration nicht zu hoch? Wie Walther Schücking bzgl. eines Weltstaatenbundes hat mein Lehrer Werner von Simson 18 bzgl. des europäischen Staatenverbundes die „Gerechtigkeit" des entsprechend zu entrichtenden Preises bejaht: „Es handelt sich (beim europäischen Integrationsprozeß) nicht um die Delegation einer Befugnis, die früher bei einer Stelle war, an eine andere Stelle, sondern um die Einbringung der Befugnis in eine rechts- und verwaltungsschöpferische Organisation, die etwas tun kann, was der Einbringende nicht hätte tun können".

Es geht also bei dieser - um Schückings Begriff dem anzupassen - „Organisation Europas" um die Einbringung von Hoheitsrechten zur gemeinsamen Ausübung; der Gemeinschaft (dem Staaten verbünd, der Union, dem prä- oder parastaatlichen Verband o.ä.) wird eine grenzüberschreitende Kompetenz verliehen, die dem übertragenden Staat selbst nicht zu Gebote stand. Modisch formuliert: eine win-win-Situation, nicht ein Nullsummenspiel. Anders als in der Weltstaatengesellschaft ist in diesen stärker integrierten Gemeinschaften - ohne dauernde Organisation keine Verfassungspläne - der Ausbau der gemeinsamen Gerichtsbarkeit, ja das Obligatorium ganz selbstverständlich. 19 Zurück zu Schückings „w/istaatlichem" und „weltsc/i/edsgerichtlichem" Ansatz! Die von Völkerbund wie bürgerlicher Friedensbewegung kanonisierte gedankliche Sequenz lautete: arbitrage - sécurité - désarmement. Der friedenssichernde Abbau der Streitkräfte sollte, das war die Pointe, Folge des Sicherheitsgewinns aus dem Ausbau des Schiedgerichtswesens sein „Herrschaft des Rechts" als Kern etwa der Völkerbundsdenkschrift von Politis/Bénès aus dem Jahre 1924. Bei diesem Grundansatz war es z.B. konsequent, Abrüstung ohne Verifikation zu vereinbaren, also auf Vertragstreue ohne Kontrolle zu vertrauen. Das zäumte das Pferd vom Schwänze auf, führte jedenfalls in die Sackgasse. Die modernen Abrüstungs- und Rüstungskontrollverträge suchen mittels Verpflichtung zur institutionalisierten Kommunikation und Einhaltungskontrolle demgegenüber erst zu Vertrauens- und Sicherheitsgewinn zu führen, dann zum Funktionszuwachs für die internationale Gerichtsbarkeit. 20 Formulierten Bénès/Politis und die Genfer 18 Er sicherte Ende der 60er Jahre (mit Hilfe der VW-Stiftung und J. H. Kaiser) der Bibliothek des Freiburger Instituts für öffentliches Recht die Genfer Privatbibliothek von Hans Wehberg, des Mitstreiters von Schücking. 19 Vgl. Klein (Fn. 4), S. 343.

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Abrüstungskonferenz von 1927 ganz i.S.v. Schücking: „keine Abrüstung ohne Schiedsverfahren", 21 heißt das heutige Schema umgekehrt: ohne (verifizierte) Abrüstung keine Schiedsverfahren (in existentiellen Fragen). I I I . UN-Seerechtsübereinkommen (1982): Konstitutionalisierung und Institutionalisierung des Seerechts Die 3. UN-Seerechtskonferenz, im Jahre 1967 mit der Frage nach der Zuordnung und Nutzung des küstenfernen Meeresbodens angestoßen, 1973 eröffnet, 1982 dann mit dem UN-Seerechtsübereinkommen (SRÜ) abgeschlossen, schuf eine Rechtsordnung, die der „Beilegung von Streitigkeiten" besondere Aufmerksamkeit widmet. Neben der fortbestehenden Zuständigkeit von IGH und der Sicherung der Zugangsmöglichkeit zu Schiedsgerichten wird ein ISGH errichtet. Die „sofortige Freigabe von Schiffen und Besatzungen", Gegenstand des einleitend skizzierten Grand Prince-Falles, regelt Art. 292 SRÜ. Von Anfang an zielte die Seerechtsreform auch auf „new institutions", ja auf „machinery". So wurde die Ausbeutung des als „gemeinsames Erbe der Menschheit" qualifizierten rohstoffreichen Meeresbodens seewärts des Festlandsockels internationaler Verwaltung i.w.S. unterworfen. 22 Die „Internationale Meeresbodenbehörde" besitzt sogar einen operativen Arm - „Enterprise" genannt - , ist also nicht nur beherrschender Administrator, sondern auch Zwangspartner nationaler Gewinnungsvorhaben „dort unten". 23 Bei der Ausgestaltung des Regimes wurden die Interessen der Industriestaaten zunächst so kraß mißachtet, daß die Legitimationskette Menschheit - Meeresbodenbehörde - Enterprise bereits an ihrem ersten Glied riß. Erst das Durchführungs-Übereinkommen von 1994 ermöglichte u.a. Deutschland die Ratifikation des SRÜ. Die wiederum war Voraussetzung für die Errichtung des ISGH in Hamburg. 20

Vgl. W. Graf Vitzthum, Rechtsfragen der Rüstungskontrolle im Vertrags Völkerrecht der Gegenwart, BerDGVR 30 (1989), S. 95 ff. 21 Vgl. nur die Dokumente des Abschnitts „Abrüstung und Rüstungskontrolle" in Grewe (Fn. 17), S. 990 ff., sowie die (Genfer) Generalakte für die friedliche Regelung internationaler Streitigkeiten vom 26. 9. 1928, ebd., S. 1067 ff. 22 Vgl. W. Graf Vitzthum, Der Rechtsstatus des Meeresbodens, Berlin 1972, S. 179 ff., 311 ff. 23 Zu möglichen institutionellen Reformen s. E. Mann Borgese, Mit den Meeren leben, Hamburg 1999, S. 230 ff. Die Meeres-Expertin, als deren Seerechts-Assistent ich Ende der 60er/Anfang der 70er Jahre arbeiten durfte, hat unter „Ocean Governance"-Stichworten, z.T. zusammen mit Arvid Pardo, die seerechtspolitische Debatte weltweit seit Ende der 60er Jahre inspiriert. Die offensichtliche geistige Linie bis zurück zu Schücking bzw. zur „bürgerlichen Friedensbewegung" der 20er Jahre und zu den „Weltregierungs"-Konzepten der europäischen Emigranten der 40er/50er Jahre in den USA (Th. Mann, E. v. Kahler, H. Broch u.a.) wäre nachzuzeichnen ein Forschungsdesiderat.

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Als „Verfassung der Meere", mit dem ISGH als „Verfassungsgericht", ist das SRÜ in vieler Hinsicht eine bloße Grund- und Rahmenordnung. Als solche verlangt sie nach institutioneller Ausgestaltung durch neue Internationale Organisationen, nach Kooperation der (auch) meeresbezogenen Internationalen Organisationen (IMO, FAO, UNESCO usw.) untereinander sowie vor allem nach Ausfüllung durch Speziai- und Regionalabkommen und spezielle Streitschlichtungsverfahren. Das Neue Seerecht, das im Unterschied zum Alten („Genfer") Seerecht bei Gemeinschaftsinteressen Konstitutionalisierungsansätze aufweist, ist nicht nur im SRÜ enthalten, und es wird nicht ausschließlich, ja nicht einmal in erster Linie durch den ISGH durchgesetzt. 24 IV. Der Internationale Seegerichtshof (1996): Grundlagen, Zuständigkeit, Verfahren Die Errichtung des ISGH erfolgte im normativen Kontext von Art. 2 Nr. 3 UN-Charta. Danach legen „alle Mitglieder [...] ihre internationalen Streitigkeiten durch friedliche Mittel so bei, daß der Weltfriede, die internationale Sicherheit und die Gerechtigkeit nicht gefährdet werden". Das Mittel dieser Streitbeilegung ist, aus der Perspektive unseres Gesamtthemas, das streitabschließende Entscheidungsverfahren; zu ihm gehören insbesondere die Judikate internationaler Gerichte oder Schiedsgerichte (vgl. auch Art. 33 Abs. 1 UN-Charta). Wie Art. 36 Abs. 3 UN-Charta unterstreicht, sollen völkerrechtliche Streitigkeiten im allgemeinen dem IGH unterbreitet werden. Selbst nach Konstituierung des ISGH wurden Fälle mit seerechtlichen Bezügen deshalb legitimerweise nicht nur in Hamburg, sondern auch im Haag anhängig gemacht. Letztere betrafen in erster Linie - gewichtige Fragen maritimer Gebiets- und Hoheitsrechte. Auf das jeweilige maritime Aquitorium bezogen, also auf den Meeresanteil des Staatsgebiets als Staatselement, weisen diese Fälle 2 5 eine andere Qualität auf als die Schiffahrtsbzw. Fischerei-Streitigkeiten, die Hamburg bisher zu entscheiden hatte. Die Aushandlung des SRÜ hatte 9 Jahre gedauert. Als einer der „expert advisors" der Bonner Delegation war ich (teilweise) „present at the creation". Auf der Konferenz war die Notwendigkeit eines „eigenen", genauer: 24 Vgl. bereits W. Graf Vitzthum, Friedlicher Wandel durch völkerrechtliche Rechtsetzung, in: J. Delbrück (Hrsg.), Völkerrecht und Kriegsverhütung, Berlin 1979, S. 123 ff. (168 ff.). 25 Sovereignty over Pulau Litigan and Pulau Sipadan Islands (Indonesia ν. Malaysia); Maritime Delimitation between Nicaragua and Honduras in the Caribbean Sea (Nicaragua ν. Honduras); Territorial and Maritime Dispute (Nicaragua v. Colombia). Einzelheiten über den Stand der Verfahren auf der IGH-Homepage: www.icj-cij.org.

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eines in Zuständigkeit und Verfahren entsprechend sachlich-funktionell spezialisierten justitiellen Organs deutlich geworden. Ohne Spezialgericht keine politische Akzeptanz des Neuen Seerechts, ohne Akzeptanz keine Direktionskraft, ohne diese: „chaos in the oceans" - das war die verbreitete Grundüberzeugung, besonders die des so klugen wie engagierten HarvardProfessors Louis B. Sohn. Er war schon früher, ganz in der Tradition von Walther Schücking und Hans Wehberg, mit Entwürfen für eine Weltverfassung hervorgetreten: „World Peace through World Law" hieß sein 1958 zusammen mit Clark verfaßter Bestseller, detaillierter und ein halbes Jahrhundert jünger als Schückings „Organisation der Welt", aber keineswegs wirklichkeitsnäher. In Anspielung auf einen damals vielgelesenen Roman über einen sextollen Tycoon, „The Love Machine", nannten wir Jüngeren das „Egghead" Sohn auf der Konferenz liebevoll-spöttisch „The Law Machine". Der ISGH ist nicht zuletzt sein „baby". Daß die neue maritime „rule of law" anders als die alte auch durchgesetzt würde, letztlich, wenn gewünscht und konsentiert, mit gerichtlicher Hilfe, das war die Geschäftsgrundlage des Abschlusses des SRÜ, 2 6 die Voraussetzung auch für seine Ratifikation. Konsequenterweise erhielt der ISGH gemäß Art. 288 Abs. 1 SRÜ grundsätzlich die Zuständigkeit „für jede Streitigkeit über die Auslegung oder Anwendung [des SRÜ]". Der Hamburger Gerichtshof übt seine Zuständigkeit nur alternativ aus: alternativ zum Haager IGH, vor dem freilich nur Staaten parteifähig sind, alternativ zu einem Schiedsgericht nach Anlage V I I SRÜ, alternativ zu einem besonderen Schiedsgericht nach Anlage V I I I SRÜ. Der ISGH besitzt also keineswegs ein Zuständigkeitsmonopol für Seerechtsfragen. Er befindet sich vielmehr im offenen Wettbewerb. „Forum shopping is part of the game". 27 Die Vermehrung der Foren soll die Chancen der „Gerichtsfindung" und der Rechtsdurchsetzung erhöhen. Die konkurrierenden Gerichte sind ja u.a. unterschiedlich besetzt. Der ISGH etwa weist relativ mehr Richter aus der Dritten Welt auf als sein „älterer Bruder", der von unterindustrialisierten Staaten traditionellerweise gelegentlich eher skeptisch 26 Auch des Pacem in Maribus-Konvokations-Projektes, dessen Wurzeln bis in Weltstaatsideen europäischer Emigranten in den USA während des Zweiten Weltkriegs zurückreichen (s.o., Fn. 23); vgl. E. Mann Borgese, The Ocean Regime, Santa Barbara 1968. Vgl. auch die Ergebnisse der Hamburger Pacem in MaribusKonferenz 2001 in P. Ehlers/E. Mann Borgese/R. Wolfrum (Hrsg.), Marine Issues, The Hague u.a. 2002. Zu seinen Grundüberzeugungen bzgl. Streitschlichtungsverfahren L. B. Sohn, The Importance of the Peaceful Settlement of Disputes Provisions of the U N Convention on the Law of the Sea, in: M. H. Nordquist/J. N. Moore (Hrsg.), Entry into force of the Law of the Sea Convention, 1995, S. 265 ff. 27 Zum „Forum Shopping" im Umweltvölkerrecht s. etwa A. Gillespie, Forum Shopping in International Environmental Law: The IWC, CITES, and the Management of Cetaceans, ODIL 33 (2002), S. 17 ff.

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betrachtete IGH. Das mag ein Grund dafür sein, daß z.B. die traditionellen Seemächte Großbritannien und Norwegen für Den Haag optiert haben, Dritte-Welt-Länder dagegen für Hamburg. Aus anderen, mit dem SRÜ „zusammenhängenden internationalen Übereinkünften" (Art. 288 Abs. 2 SRÜ) können (und sollen) sich weitere ISGH-Zuständigkeiten ergeben. So ist das Gericht etwa zuständig für Streitigkeiten aus dem am 11. Dezember 2001 in Kraft getretenen Übereinkommen vom 4. Dezember 1995 zur Durchführung der Bestimmungen des Seerechtsübereinkommens der Vereinten Nationen vom 10. Dezember 1982 über die Erhaltung und Bewirtschaftung von gebietsübergreifenden und weit wandernden Fischbeständen (Straddling Stocks Agreement), 28 soweit die Streitparteien ihn gewählt haben. 29 Der ISGH findet seine Rechtsgrundlage im SRÜ. Anlage V I SRÜ enthält sein Statut. SRÜ und ISGH sind also verschränkt. 30 Die Errichtung des ISGH trägt auch dem Umstand Rechnung, daß mit Inkrafttreten des SRÜ es deckt räumlich mehr als 70% der Erdoberfläche und sachlich einen singulär großen Regelungsumfang ab - der IGH, langfristig gesehen, überfordert wäre. Andererseits gefährdet die ja auch im Bereich des Menschenrechtsschutzes zu beobachtende Tendenz der Parallel-Errichtung von Spezialgerichten die Einheit der Rechtsprechung und damit letztlich auch der Rechtsordnung. 31 Im „Kind als Schaden"-Fall etwa waren sich bekanntlich nicht einmal die Zwillingssenate des Bundesverfassungsgerichts einig. 3 2 28 Text: BGBl. 2000 II, S. 1023 ff.; vgl. J. Ziemer, Das gemeinsame Interesse an einer Regelung der Hochseefischerei, Berlin 2000; M. Hayashi, The 1995 Agreement on the conservation and management of straddling and highly migratory fish stocks: significance for the Law of the Sea Convention, OCM 29 (1995), S. 51 ff.; D. F reestone /Z. Makuch, The New International Environmental Law of Fisheries: The 1995 United Nations Straddling Stocks Agreement, Y I E L 7 (1996), S. 3 ff. 29 Vgl. Art. 30 Abs. 1 Straddling Stocks Agreement. - Zum internationalen Fischereiregime vgl. auch Southern Bluefin Tuna (New Zealand ν. Japan; Australia v. Japan), I L M 38 (1999), S. 1624 ff. Dazu B. Kwiatkowka, Southern Bluefin Tuna (New Zealand ν. Japan; Australia ν. Japan), AJIL 94 (2000), S. 150 ff. 30 Vgl. G. Jaenicke, The Interpretation of the Law of the Sea Convention in the Jurisprudence of the International Tribunal for the Law of the Sea, in: N. Ando/ E. Me Whinney/R. Wolfrum (Hrsg.), Liber Amicorum Judge Shigeru Oda, Bd. 1, The Hague u.a. 2002, S. 683 ff. 31 Kritik etwa von den IGH-Richtern G. Guillaume , La mondialisation et la CIJ, Institut du droit international 2 (2000), S. 242 ff. sowie S. Oda, The ICJ viewed from the Bench 1976-1993, RdC 244 (1993-VII), S. 9, 244 f. Eindringlich auch Κ. Oellers-Frahm, Multiplication of International Courts and Tribunals and Conflicting Jurisdiction - Problems and Possible Solutions, Max Planck Y U N L 5 (2001), S. 67 ff. (91 ff.: „The ICJ as Guarantor of the ,Unity' of International Law' 4 ); T. Treves, Le Tribunal International du Droit de la Mer et la multiplication des juridictions internationales, Riv. Dir. Int. 83 (2000), S. 726 ff.; J. L Charney, Is International Law threatened by Multiple International Tribunals?, RdC 271 (1998), S. 101 ff. 32 Vgl. BVerfGE 96, 375 ff.; BVerfGE 88, 203 ff.

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Wieviel größer ist die Gefahr auseinanderlaufender, Völkerrecht und internationale Gerichtsbarkeit damit delegitimierender Rechtsprechung von IGH und ISGH! 3 3 Im Unterschied zum IGH ist der ISGH zudem kein UN-Organ i.e.S. (vgl. Art. 92 UN-Charta), sondern institutionell eigenständig. 34 Erfüllt der ISGH Schückings hochgreifende Obligatoriums-Forderung? Die Parteien des SRÜ sind zwar zur friedlichen Streitbeilegung verpflichtet; diesbezüglich ist aber weder die Gerichtsbarkeit insgesamt noch gar die des ISGH obligatorisch. Auch die Zuständigkeit des ISGH hängt vielmehr grundsätzlich davon ab, daß sich die Streitparteien seiner Rechtsprechung unterwerfen. Von dieser gravierenden Einschränkung gibt es neben dem Schiffsfreigabeverfahren eine einzige, sprechende Ausnahme. Bei ihr wird die „genealogische" Verbindung über Pacem in Maribus und Louis B. Sohn bis zurück zu Politis/Bénès und Schücking/Wehberg deutlich: Streitigkeiten aus der Erforschung und Ausbeutung der Ressourcen des „Gebiets" ziehen automatisch die Zuständigkeit des ISGH nach sich. Die Ressourcen „dort unten" sind eben „Erbe der [gesamten] Menschheit" (Art. 136 SRÜ die Menschheit als neues Handlungssubjekt?). Wegen der entsprechenden Vorgabe des SRÜ (Art. 186 ff.) wurde zum Zweck der Durchsetzung dieses neuartigen Internationalisierungskonzepts eine ISGH-Kammer für Meeresbodenstreitigkeiten gebildet. Nur bzgl. des Meeresbodenregimes gibt es also das Obligatorium. Natürlich ist dieses auf Rechtsfragen beschränkt. Art. 189 SRÜ legt Wert darauf, die rechtsstaatliche Binsenweisheit zu betonen, daß die ISGH-Meeresboden-Kammer „keinesfalls das Ermessen der (Meeresboden-)Behörde durch ihr eigenes ersetzen [darf]". Auch wurde der Kammer ausdrücklich kein Normenkontrollrecht eingeräumt. Insgesamt also nur ein prinzipieller „Sieg Schückings", kein Obligatorium von größerer praktischer Bedeutung; vitale Interessen sind eben bis auf weiteres nicht involviert. Von den 138 Vertragsstaaten des SRÜ (Stand: 1. 8. 2002) haben bisher nur 30 eine Erklärung i.S.v. Art. 287 Abs. 1 SRÜ abgegeben. Von diesen wiederum wählten lediglich 19 Staaten (zu diesem harten Kern der bedingungslosen Freunde des ISGH gehört der Sitzstaat Deutschland) den ISGH, allein oder neben anderen gerichtlichen Streitbeilegungsverfahren, weitere 3 Staaten anerkennen die Gerichtsbarkeit des ISGH (nur) für Schiffsfreigabeverfahren. Erst wenn die Gerichtsbarkeit des ISGH von mehr Staaten anerkannt sein wird, kann er zum wirklichen „Verfassungsgericht der Meere" 33 R. Wolfrum, Konkurrierende Zuständigkeiten internationaler Streitentscheidungsinstanzen: Notwendigkeit für Lösungsmöglichkeiten und deren Grenzen, in: Ando/Mc Whinney/Wolfrum (Fn. 30), S. 651 ff. 34 Der Umstand, daß der ISGH seit Ende 1996 Beobachterstatus in der UN-Generalversammlung genießt (auf gleicher Stufe dort wie etwa die PLO), unterstreicht, daß er in den UN-Apparat nicht organschaftlich eingebunden ist. Nichts anderes ergibt sich aus dem 1997 geschlossenen Kooperations-Übereinkommen UN-ISGH.

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werden. Sachlich erstreckt sich seine Zuständigkeit dafür grundsätzlich weit genug: auf Streitigkeiten bzgl. der maritimen Aquitorien der Küstenstaaten (innere Gewässer, Archipelgewässer, Küstenmeer), bzgl. der küstenstaatlichen Funktionshoheitszonen (Anschlußzone, Festlandsockel, AWZ) sowie bzgl. der globalen Staatengemeinschaftsräume (Hohe See und „internationalisierter" Meeresboden). Neben die Streitigkeiten, die insofern an räumliche Kategorien anknüpfen, treten die spezifisch nutzungsorientierten Fälle, bezogen etwa auf Meeresforschung, Technologietransfer oder Meeresumweltschutz. Allerdings schlägt das SRÜ selbst klaffende Breschen in die Zuständigkeit des ISGH: Wichtige Streitigkeiten werden gezielt seiner Gerichtsbarkeit entzogen („ipso iure-Ausnahmen", Art. 297 SRÜ). Art. 298 SRÜ erlaubt zudem, für andere Streitigkeiten Ausnahmen von seiner Zuständigkeit herbeizuführen („fakultative Ausnahmen"). Aus der Sicht von Schückings „Organisation der Welt" sind diese Ausnahmen überaus schmerzlich; aber insgesamt bleiben dem ISGH hinreichend weit gezogene, bedeutende Zuständigkeiten, 35 die es nun weise, Vertrauens- und autoritätsbildend wahrzunehmen gilt. Was ist zum Verfahren zu sagen? Der ISGH bildet jährlich eine aus fünf seiner insgesamt 21 Richter - sie werden auf neun Jahre von den Vertragsstaaten des SRÜ gewählt, deutsches Mitglied ist von Beginn an Rüdiger Wolfrum - bestehende Kammer für abgekürzte Verfahren; sie kann auch vorläufige Maßnahmen anordnen. Der ISGH hat auch die Option auf weitere Kammern (Art. 15 seines Statuts). So wurden zwei mit je sieben Richtern besetzte Sonderkammern gebildet: eine für Fischerei-, eine für Umweltstreitigkeiten. Bezüglich ersterer ist aus europäischer Perspektive anzumerken, daß die EU-Mitgliedstaaten vereinbart haben, alle unionsinternen Fischereistreitigkeiten nur dem EuGH zu unterbreiten. Der Sinn jener Zellteilung des ISGH liegt auf der Hand. Das Gericht ist in hohem Maße auf Akzeptanz angewiesen; andernfalls bleiben „Klientel" und normative Kraft der Judikate aus. So dienen die Kammern (wie die des BVerfG im Verfahren der Verfassungsbeschwerde) der Erhöhung der Prozeßökonomie - sieben oder gar fünf Richter entscheiden prinzipiell schneller als 21. Die Errichtung sachgebietsspezifischer Kammern (die gibt es in Karlsruhe nicht) erhöht zudem die fachliche Spezialisierungsmöglichkeit der Richter. Das kann die professionelle Autorität des Gerichtshofs, seine Funktionsadäquanz stärken. Eine 5- oder 3-Richter-Kammer wäre zudem die organisatorische Analogie zu einem Schiedsgericht. 36

35 T. Treves, The Law of the Sea Tribunal: Its Status and Scope of Jurisdiction after November 16, 1994, ZaöRV 55 (1995), S. 421 ff.; P. Chandras e khara Rao, The International Tribunal for the Law of the Sea: An Evaluation, in: Ando/ Me Whinney/Wolfrum (Fn. 30), S. 667 ff. 10 FS Schröder

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V. Das Verfahren der Freigabe von Schiffen und die Frage der Sanktionen W i l l man dem Aspekt „Akzeptanz und Autorität des ISGH" am Beispiel einer bestimmten Zuständigkeit nachgehen, bietet sich in Anknüpfung an den Ausgangsfall das Verfahren zur Freigabe von festgesetzten Schiffen an. 3 7 Im Kern geht es um das den Küstenstaaten gemäß Art. 73 Abs. 1 SRÜ zustehende Recht, bei Ausübung ihrer - funktional begrenzten Rechte in der A W Z „die erforderlichen Maßnahmen einschließlich des Anhaltens, der Überprüfung [und] des Festhaltens" von unter fremder Flagge fahrenden Schiffen zu ergreifen, um die Einhaltung ihrer Vorschriften sicherzustellen. Gem. Art. 292 Abs. 1 SRÜ können die Parteien ihren Freigabefall einem Gericht ihrer Wahl vorlegen. Kommt diesbezüglich binnen zehn Tagen nach Zurückhaltung des Schiffes kein Einvernehmen zustande, kann die Frage dem Gericht vorgelegt werden, dem sich der zurückhaltende Staat unterworfen hat, oder eben dem ISGH. Dieser ist gem. Art. 292 Abs. 3 SRÜ dann zur „unverzüglichen" Behandlung des Antrags verpflichtet. Was das bedeutet, konkretisiert die Verfahrensordnung [VO] des ISGH. Sie ordnet in Art. 112 Abs. 3 an, daß innerhalb von 15 Tagen, beginnend mit dem ersten Werktag nach Eingang bei Gericht, die mündliche Verhandlung stattzufinden hat. Sie dauert i.d.R. zwei Tage. Spätestens 14 Tage nach ihrer Beendigung muß das Urteil schriftlich vorliegen und verkündet werden (Art. 112 Abs. 4 VO): insgesamt eine Verfahrensdauer von maximal 33 Tagen ab Antragseingang. 38 Für die Richter, die allesamt noch in anderen Funktionszusammenhängen stehen, und die - mit Ausnahme von Präsident und Kanzler (Art. 12 Abs. 3 ISGH-Statut), die (wie die entsprechenden Amtsträger beim IGH) Residenzpflicht haben - i.d.R. weitab von Hamburg wohnen, ist dies eine wahre Terminpeitsche. In der Rechtsprechung des ISGH hat die Verfahrensart der Schiffsfreigabe erhebliche praktische Bedeutung. Die große Mehrzahl der bislang in Hamburg entschiedenen Fälle betraf die sofortige Freigabe von Schiffen und Besatzungen.39 Die Voraussetzungen des Art. 292 SRÜ spielten des36 Schiedsgerichte nach Anlage V I I SRÜ verfügen grds. über 5 Mitglieder. Vgl. im übrigen auch Art. 26 IGH-Statut; dort ist ebenfalls eine „Zellteilung" möglich (Umweltkammer seit 1993). 37 Zum Verfahren s. T. Treves, The Proceedings Concerning Prompt Release of Vessels and Crews before the ITLOS, IJMCL 11 (1996), S. 179 ff.; R. Wolfrum, Verfahren zur Freigabe von Schiffen vor dem ISGH, in: FS für R. Herber, Neuwied u.a. 1999, S. 567 ff.; R. Lagoni, Freigabeklage und vorläufige Maßnahmen vor dem ISGH: die Fälle M / V „Saiga" (Nr. 1) und (Nr. 2), in: FS für G. Jaenicke, Berlin u.a. 1998, S. 543 ff.; B.H. Oxman, International Decisions - the M / V „Saiga", A H L 92 (1998), S. 273 ff. 38 Fristen nach dem Stand der (novellierten) Verfahrensordnung vom 15. 3. 2001.

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halb im Hinblick auf die Verfahren vor dem ISGH bisher eine Schlüsselrolle. Dem ISGH-Freigabeverfahren wird von den betroffenen Staaten also offenbar ein hoher, positiver Stellenwert eingeräumt - ein Zeichen bereits für einen Autovitätsanstieg des ISGH? Jedenfalls ein Beleg für die bekannte Regel, daß, zumal bei so hohen wirtschaftlichen Werten, schnelles Entscheiden gutes Entscheiden ist. Aus zwei Gründen ist das Freigabeverfahren in unserem „Recht und Organisation"-Kontext besonders illustrativ. Mit seiner Dauer von maximal 33 Tagen ist das Verfahren - erstens - eine prozessuale Sensation. Es handelt sich ja nicht um ein Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes, sondern um ein echtes Hauptsacheverfahren, freilich mit stark eingeschränktem Gegenstand (Art. 292 Abs. 3 SRÜ). Die Schnelligkeit fällt besonders auf im Vergleich zu den normalen Hauptsacheverfahren. Sie nehmen i.d.R. mindestens zwei Jahre in Anspruch. 40 Das Frei gäbe verfahren korrespondiert - zweitens - mit den ökonomischen Interessen der Antragsteller. Während der Festsetzung können Schiffseigner mit ihrem Investitionsmittel Schiff nicht arbeiten; auch die fortlaufenden Personalkosten schmerzen - deshalb der Wunsch nach schnellem Entscheiden. So verdeutlicht das Freigabeverfahren die Affinität von Seerecht und politisch-wirtschaftlichen Lagen. „Form folgt Funktion": Der ISGH judiziert nicht in einem politikfreien, wirtschaftsblinden Raum; auch das Neue Seerecht ist wirklichkeitsnahes, „politisches" Recht. Die häufig kritisierten Schwierigkeiten des Hamburger Gerichtshofs, „to put itself on the map", werden vor allem auf zwei Beobachtungen gestützt: Der ISGH habe es in mehr als fünf Jahren nur auf zehn Fällen gebracht, und weder SRÜ noch ISGH-Statut sähen die Vollstreckung der ISGH-Entscheidungen vor, geschweige denn Sanktionen für den Fall der Nichtbefolgung. Beide Kritikpunkte sind leicht zu entkräften. So ist die bloß numerische Bilanz beim ISGH noch aussageschwächer als bei anderen Spruchkörpern. Der Vergleich mit EuG, EuGH, EuGMR und IGH hinkt. Die Zuständigkeit des ISGH ist unter räumlichen Gesichtspunkten im Unterschied zu jenen europäischen Gerichten universell; entspre39 The M / V „Saiga" (St. Vincent and the Grenadines ν. Guinea), ITLOS Rep. 1997, S. 1 ff.; The „Camouco" (Panama ν. France), I L M 39 (2000), S. 666 ff. (dazu Β. H. Oxman/V. P. Bantz, The „Camouco" [Panama v. France], AJIL 94 [2000], S. 713 ff.); The „Monte Confurco" (Seychelles ν. France); The „Grand Prince" (Belize v. France), die beiden Letzterwähnten abrufbar über die ITLOSHomepage (www.itlos.org.); The „Chaisiri Reefer 2" (Panama v. Yemen), Fall wurde zurückgezogen. 40 Verfassungsbeschwerden in Karlsruhe können sogar mehr als 5 Jahre dauern. Der EuGMR hat das BVerfG deshalb, zu Recht oder zu Unrecht, schon mehrfach gerügt, vgl. etwa Klein v. Germany, EuGMR, NJW 2001, S. 213 f. 10*

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chend heterogen und geographisch überwiegend „entlegen" ist seine „Kundschaft". Andererseits ist die Zuständigkeit des IGH auch unter sachlichen Gesichtspunkten universell; Staaten können also bei ihm bzgl. weit zahlreicherer Rechtsfragen „arbeiten lassen" als beim ISGH. Zudem steht der IGH auf den Schultern des StIGH (in dessen Stab arbeitete übrigens der nach dem 20. Juli 1944 hingerichtete Völkerrechtler Berthold Stauffenberg, ein Bruder des Attentäters, z.T. zur gleichen Zeit im Haag wie Schücking, der dort der erste deutsche Richter war). 4 1 Der IGH konnte die u.a. von Stauffenberg kommentierte Verfahrensordnung und Judikatur des StIGH übernehmen, der ISGH mußte bei Null beginnen. Im übrigen ist es zwar richtig, daß das SRÜ keinen ISGH-Durchsetzungsmechanismus zur Verfügung stellt. In Art. 296 Abs. 1 SRÜ heißt es lediglich - die Parallele zu Art. 94 Abs. 1 UN-Charta liegt auf der Hand - , daß „jede Entscheidung [u.a. des ISGH] endgültig [ist] und [...] von allen Streitparteien befolgt [wird]" (erneut mit Ausnahme der Kammer für Meeresbodenstreitigkeiten: So wie ihre Gerichtsbarkeit obligatorisch ist, sind ihre Entscheidungen auch vollstreckbar [Art. 39 ISGH-Statut]). Bzgl. der Autorität eines europäischen oder internationalen Gerichts ist indes das tatsächliche Verhalten der Völkerrechtssubjekte bzw. Mitgliedstaaten entscheidend, nicht das etwaige Vorhandensein einer normativen Sanktionskeule. Hierzu ist festzustellen: alle bisherigen ISGH-Judikate wurden von den Streitparteien befolgt. 42 Gemäß Art. 94 Abs. 2 UN-Charta kann sich zwar für den Fall, daß eine Partei ihren Verpflichtungen aus einem IGH-Urteil nicht nachkommt, die andere Partei an den UN-Sicherheitsrat wenden; der mag dann seinerseits reagieren, um dem Urteil Biß zu verleihen. Angesichts des Ermessens des Sicherheitsrates sowie seiner bekannten Asymmetrien und darüberhinaus (Selbst-)Blockademöglichkeiten dürfte seine Einschaltung allerdings auch künftig schwerlich ein wirksamer Hebel sein. Die Mechanismen der Rechtsdurchsetzung im Völkerrecht sind, wie auch Meinhard Schröder analysiert hat, 4 3 i.d.R. subtiler, indirekter. Ich erinnere etwa an die von meinem New Yorker Lehrer Wolfgang Friedmann 44 sogenannte „sanction of non-partici41 Vgl. A. Mayer, Berthold Schenk Graf von Stauffenberg (1905-1944). Völkerrecht im Widerstand, Berlin 2001, S. 53 ff., 103 ff.; W. Graf Vitzthum, Berthold Schenk Graf von Stauffenberg, in: J. Mehlhausen (Hrsg.), Zeugen des Widerstands, 2. Aufl. Tübingen 1998, S. 1 ff. (11 ff.). 42 Im Fall „Chaisiri Reefer 2" (Panama v. Yemen) hat offenbar bereits der bloße Antrag auf Freigabe des Schiffes zum Erfolg geführt. - Zur Sanktion bei Nichterfüllung von EuGH-Urteilen vgl. Art. 228 EGV; zur Vollstreckbarkeit der EuGH-Urteile vgl. Art. 244, 256 EGV, Art. 159, 164 Euratom. - Zum (gerichtlichen) „Zwang im Völkerrecht", als eine „Lehre" aus dem Ersten Weltkrieg, vgl. Herrmann (Fn. 11), S. 246 ff. 43 (Fn. 14), S. 595 ff. 44 The Changing Structure of International Law, New York 1964, S. 88.

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pation". Sie wirkt durchaus effektiv z.B. bei der EU-Erweiterung, auf dem Balkan (Beitritt zum Europarat), im WTO-Bereich (Beitritt Chinas, das bezüglich der innerstaatlichen Durchsetzung seiner Vertragspflichten noch auf große Schwierigkeiten stoßen dürfte) und ganz allgemein bei der Weltbankgruppe. Warum nicht auch im Seerechts-„Club"! V I . Das Grand-Prince-Judikat: Kampf den Billigflaggen mit Mitteln des Registerrechts Das dem Grand Prince- Fall zugrunde liegende Problem betraf, wie angedeutet, folgende Doppelfrage: - Wann darf ein unter fremder Flagge fahrendes Schiff vom Küstenstaat festgehalten werden? - Wie kann der Flaggenstaat die Freigabe seines festgehaltenen Schiffes erreichen? Die Antworten gibt im wesentlichen Art. 73 SRÜ. Während in Abs. 1 die Voraussetzungen des Festhaltens umrissen werden, macht Abs. 2 die Freigabe von der „Hinterlegung einer angemessenen Kaution" abhängig. Hinter diesen speziellen Aspekten stehen Probleme von genereller Tragweite. Ich beschränke mich auf das der Billigflaggen. Im Kern geht es um eine Entwicklung, derer das Seerecht seit Jahrzehnten sowenig Herr geworden ist wie bzgl. der Piraterie seit Jahrtausenden. Fischerei- und Schiffahrtsnationen - u.a. auch die EU-Mitgliedstaaten Spanien und Griechenland umgehen Fischereischutzabkommen, Schiffssicherheitsverträge u.ä., unterlaufen also die Regulierungsanstrengungen insbesondere von FAO und IMO, indem sie ihre Schiffe in „Billigflaggenstaaten" registrieren lassen, etwa in Liberia, Panama, Kambodscha, auf den Bahamas oder in Antigua. 45 Unter diesen „Schwarzen Schafen" des Flaggenrechts befindet sich mit Malta zumindest ein künftiger („südlicher") EU-Mitgliedstaat. Mangels Zustimmung sind diese Staaten nicht an jene Schutzabkommen gebunden; einschlägiges, detailliertes Völkergewohnheitsrecht hat sich nicht gebildet. So vergeben diese Staaten in großem Stil und „ganz legal" etwa Fanglizenzen an formell unter ihrer Flagge fahrende, sachlich aber „fremde" Schiffe. Weltweit operieren derzeit bis zu 1.200 derartige Fangschiffe, rund 350 allein vor der west-afrikanischen Küste, in überwiegend ohnehin bereits hoffnungslos überfischten Gewässern. Vergegenwärtigt man sich, daß der Groß45 Zum Problem B. Vukas/D. Vidas , Flags of Convenience and High Seas Fishing: The Emergence of a Legal Framework, in: O. Stokke (Hrsg.), Governing High Seas Fisheries, Oxford 2001, S. 53 ff. - Billigflaggen-Anbieter werden auch von Zigaretten-, Öl-, Drogen- und Menschenschmugglern genutzt. Billigflaggen-Gesellschaften garantieren den Schiffseignern niedrigere Steuern und das Durchsetzen von Hungerlöhnen bei miserablen Arbeitsbedingungen.

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händlerpreis für ein Kilogramm des seltenen Roten Thuns bei 200 Euro liegt - das ist schon fast halb so viel wie für die gleiche Menge Kaviar - , dann wird neben dem deprimierenden Bestandschutzaspekt deutlich, wie dominierend das wirtschaftliche Motiv ist. In der ISGH-Judikatur spielen die Billigflaggen bisher eine eher diskret und nur mittelbar deutlich werdende Rolle. 4 6 Wird ein Fangschiff gemäß Art. 73 SRÜ vom Küstenstaat festgehalten, kann der Antrag auf Freigabe nach Art. 292 Abs. 2 SRÜ „nur vom Flaggenstaat des Schiffes" gestellt werden. Folgerichtig war im Grand Prince- Fall der (Billig-)Flaggenstaat Belize der Antragsteller. Obwohl das Fangschiff zum Zeitpunkt seines Aufbringens unter belizianischer Flagge fuhr, verneinte der ISGH aber im Ergebnis seine Zuständigkeit - und damit die Möglichkeit rascher internationaler Abhilfe zugunsten des Flaggenstaates. Um dieses für Belize und die Trawler-Eigner kostspielige Verdikt bewerten zu können, sind zunächst Wesen und Bedeutung der Flagge zu rekapitulieren. Nach Art. 91 Abs. 1 S. 2 SRÜ besitzen Schiffe „die Staatszugehörigkeit des Staates, dessen Flagge zu führen sie berechtigt sind". Letzteres ist ebenso wie die Registereintragung eine innerstaatliche Angelegenheit (S. 1). Rechtsfolge der Flaggen Verleihung ist u.a., daß Schiffe auf Hoher See der ausschließlichen Hoheitsgewalt des Flaggenstaates unterstehen. Ähnlich der Staatsangehörigkeit natürlicher Personen begründet das Führen der Flagge darüber hinaus - wie in Art. 94 ff. SRÜ niedergelegt - ein ganzes Bündel von Pflichten. 47 Angesichts dieser hohen Bedeutung der Flagge ist die ISGH-Zuständigkeit (auch) im Rahmen des Freigabeverfahrens durch den richtigen Antragsteller, eben den Flaggenstaat, bedingt. Zur Begründung der Ablehnung seiner Zuständigkeit im Grand-PrinceFall rekurrierte der ISGH auf die Registrierung des Schiffes. Der Trawler war nur bis Ende des Jahres 2000 im Schiffsregister von Belize eingetragen; der Freigabeantrag stammte vom Frühjahr 2001. Warum aber nahm der ISGH an der fehlenden Registrierung Anstoß? In Art. 91 Abs. 1 S. 1 SRÜ werden Registrierung und Nationalität von Schiffen doch nebeneinander genannt; und S. 2 knüpft die Staatszugehörigkeit eines Schiffes ausdrücklich an das Recht zur Führung der Flagge. Dem Regelungsgehalt dieser Vorschrift widerspräche es, die Staatszugehörigkeit eines Schiffes primär anhand seiner Registrierung (oder Deregistrierung) zu beurteilen. 46

Vgl. R. Wolfrum, Billigflaggen - Schadensersatz - Nachteile. Fragen an den ISGH, ZEuS 3 (2000), S. 1 ff.; zum Flaggenrecht vgl. R. Herber, Seehandelsrecht, Berlin/New York 1999, S. 89 ff. 47 Vgl. auch BVerfGE 92, 26 - „Zweitregister". Zum Registerrecht vgl. Herber (Fn. 46), S. 97 ff. - Natürlich läßt sich die Frage aufwerfen, ob Art. 292 SRÜ wirklich sinnvoll abgefaßt ist, ob nämlich nicht eher auf die Registrierung im Zeitpunkt des Ereignisses, nicht erst in dem der Klageerhebung abgestellt werden sollte.

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Entscheidend ist aber folgendes. Art. 91 Abs. 1 S. 1 SRÜ geht davon aus, daß die Staatszugehörigkeit von Schiffen mrcerstaatlich geregelt wird: „Jeder Staat legt die Bedingungen fest, zu denen er Schiffen seine Staatszugehörigkeit gewährt [...]". Abs. 1 der Vorschrift ist also (was der ISGH freilich nicht ausdrücklich sagt) dahingehend auszulegen, daß S. 2 (die Flagge entscheidet ...) die Grundregel bildet. Aus konkretisierenden bzw. gar abweichenden innerstaatlichen Regelungen kann sich mit Außenwirkung ausnahmsweise freilich etwas anderes ergeben. Das war hier der Fall. Nur bis zum Zeitpunkt der Deregistrierung des Schiffes konnte Belize als Flaggenstaat auftreten. Nach seinem eigenen Recht folgt das Recht eines Schiffes, die belizianische Flagge zu führen, unmittelbar aus dem Akt der Registrierung. Anknüpfungspunkt der Staatszugehörigkeit der Grand Prince war daher letztlich die Registrierung. Zum Zeitpunkt der Antragstellung war der Trawler aber längst aus dem Register gestrichen worden. Belize war deshalb kein zulässiger Antragsteller im Schiffsfreigabeverfahren. Eine elegante Lösung. Einerseits verbeugt sich der ISGH vor der ja erst kürzlich erlangten Souveränität des Neustaates; dessen innerstaatliche Regelung wird respektiert. Andererseits verhindert dies mittelbar die schnelle und damit „billige" Freigabe des Schiffes. Dies mag generalpräventive Wirkung haben: eine weithin sichtbare „gelbe Karte" im üblen „Spiel" pflichtenvermeidender Ausflaggung oder Deregistrierung. 48 Die Hamburger Richter - allesamt bedeutende Praktiker und/oder Theoretiker des See- und Völkerrechts - hätten auch eine andere Begründung in Betracht ziehen können: das bekannte Gebot in Art. 91 Abs. 1 S. 3 SRÜ: „Zwischen dem (Flaggen-)Staat und dem Schiff muß eine echte Verbindung bestehen". Auf den ersten Blick mag diese „klassische" Formel überflüssig erscheinen. Indiziert nicht das Recht, die Flagge zu führen, stets eine solche „echte Verbindung"? In Wirklichkeit bedeutet diese Regel aber, daß zwischen Schiff und Flaggenstaat über das innerstaatlich begründete Flaggenrecht hinaus ein genuine link bestehen muß. Dies Erfordernis erinnert an das Institut des diplomatischen Schutzes, besonders an das berühmte Nottebohm-Uricii des IGH aus dem Jahre 1955, in welchem es heißt: „nationality is a legal bond having at its basis a social fact of attachment, a genuine connection of existence, interests and sentiments, together with the exi48 Vgl. F.A.Z. v. 21.4.2001, 4 - „Schwarzer Seehecht". Skeptisch Wolfrum (Fn. 46), S. 9. Zum ganzen siehe auch M. Nünez-Müller, Die Staatszugehörigkeit von Handelsschiffen im Völkerrecht, Berlin 1994, S 173-175 m.w.N. - Aus unserer Gesamtperspektive (Weltstaatenbund mit Obligatorium) zeigt der Grand Prince -Fall Grenzen des Obligatoriums. Denn obwohl Belize grundsätzlich dem ISGH unterworfen ist, konnte Gerichtsbarkeit nicht ausgeübt werden. Ganz allgemein heißt das: Das Obligatorium, wenn es besteht oder wir uns ihm nähern, hat Lücken, die im nationalen Recht so niemals auftreten könnten. Stellen sie gar die Möglichkeiten eines echten Obligatoriums in Frage?

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stence of reciprocal rights and duties". 49 Auch von dieser Entscheidung inspiriert wurde das genuine link-Erfordernis erstmals in Art. 5 der Genfer Konvention über die Hohe See vom 29. April 1958 kodifiziert, in einem Schlüsseltext also des Alten Seerechts. 50 Für eine völkergewohnheitsrechtliche Geltung fehlt es freilich nach wie vor an hinreichender Staatenpraxis. Bezogen auf den Grand-Prince-Fall bedeutet das: Gilt ein Schiff ohnehin nur noch zu Zwecken eines Prozeßes als (nachträglich) registriert (wie von Belize im Grand-Prince-Fall versucht), ist also die Registrierung eine „Fiktion", so fehlt es an einem hinreichenden „link". Die Flagge ist ja gegenüber der Registrierung völkerrechtlich Ausdruck des „stärkeren", des „engeren" Verhältnisses von Staat zu Schiff (Art. 91 Abs. 1 S. 2 SRÜ). Die völkerrechtlichen Konsequenzen des Fehlens einer „echten Verbindung" zwischen Flaggenstaat und Schiff lassen sich Art. 91 Abs. 1 SRÜ allerdings nicht eindeutig entnehmen. Im Fall M/V „Saiga" Nr. 2 hatte der ISGH diesbezüglich Stellung bezogen: „The Tribunal concludes that there is no legal basis for the claim of Guinea that it can refuse to recognize the right of the Saiga to fly the flag of Saint Vincent and the Grenadines on the ground that there was no genuine link between the ship and Saint Vincent and the Grenadines". 51

Läßt sich aus der Judikatur des ISGH eine allgemeine Erkenntnis mit Bezug auf Billigflaggen gewinnen? Das könnte man bezweifeln, bedeutet doch die „judicial self-restraint"-Auslegung des genuine link seitens des ISGH vordergründig eine Stärkung der Billigflaggen. 52 Sie bleiben bezüglich der Schiffsfreigabe aktivlegitimiert; das schützt die Interessen der (Billig-)Flaggenstaaten. Die Zuständigkeit des ISGH ist, wie angedeutet, auch seitens der Schiffseigner erwünscht; die negativen Folgen des Festhaltens von Fangschiffen und Besatzungen würden die Vorteile der Ausflaggung und Deregistrierung wirtschaftlich i.d.R. bei weitem übersteigen (auch wegen der extrem hohen Kaution, die etwa das französische Gericht auf La Réunion festgesetzt hatte). 53 Würde demgegenüber ein „judicial activist"ISGH auf einem „echten" genuine link bestehen, also eine materielle Kontrolle mit ggf. negativem Ergebnis durchführen, könnten Billigflaggen sich mangels „link" ihrer flaggenrechtlichen Pflichten entziehen. So gesehen ermöglicht erst die (womöglich „zähneknirschende") gerichtliche Hinnahme 49

ICJ Reports, 1955, 4, 23. Text: BGBl. 1972 II, S. 1091 ff. 51 Ziffer 86 des Urteils. - Der ISGH akzeptierte also das naheliegende Argument nicht, daß ein Staat eine Flagge nicht zu achten habe, wenn es an einem genuine link fehlt. Das Gericht sah sich im Grand Prince- Fall insofern gezwungen, seine Zuständigkeit über den „Umweg" der innerstaatlichen Deregi strierung zu verneinen (und damit eine Billigflagge „nur" indirekt finanziell zu „bestrafen"). 52 So etwa Wolfrum (Fn. 46), S. 9. 53 Die Kaution betrug 11.400.000,- FF (Ziffer 45 des Urteils). 50

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von Billigflaggen ihre wenigstens marginale Kontrolle, eben auch eine solche durch den ISGH. Dieser Umstand mag die Richter daran gehindert haben, im Fall M/V „Saiga" Nr. 2 das offensichtliche Fehlen eines genuine link zwischen Schiff und Flaggenstaat inhaltlich zu prüfen und förmlich festzustellen. Im Grand Prince- Fall wurde das genuine link-Erfordernis dann gar nicht mehr erwähnt. Die Seuche der Billigflaggen wurde indirekter, wenn auch langfristig womöglich (endlich!) wirkungsvoller bekämpft. So oder so, das Problem der Billigflaggen ist ein politisches. Der ISGH allein kann es nicht lösen. Er entscheidet auf der Grundlage des vorhandenen Rechts. Fehlt es am politischen Abhilfewillen der Staaten, sind auch dem ISGH die Hände gebunden. Immerhin kann und soll er freilich innerhalb des vorgegebenen Rahmens Maßstäbe setzen. Das hat der ISGH im Grand-Prince-Fall getan. Die dort erfolgte Verneinung der eigenen Zuständigkeit kann als ein gegen die Billigflaggen gerichtetes Signal verstanden werden, ein Signal zur Ächtung der Piratenfischerei als rechtskulturlos. Ob die Staaten dieses Signal hören, und ob dann wirksame Abhilfeschritte unternommen werden, liegt nicht in der Hand des Gerichts. Mittelfristig ist zu Pessimismus kein Anlaß. Der Druck von NGOs und öffentlicher Meinung steigt. 54 Wenn „Völker" bzw. von ihnen gedeckte nichtstaatliche Akteure (Firmen, Fischer, Händler, Forscher usw.) heute überhaupt „Signale hören", dann die einer neutralen Instanz: die des ISGH, ja der Internationalen Gerichtsbarkeit überhaupt. Dies mag dann letztlich einem Aspekt der „Organisation der Welt" aufhelfen, wie ihn Walter Schücking bereits vor einem knappen Jahrhundert mit den Worten Mark Aurels skizzierte: „Die Staaten werden sich zueinander verhalten wie die Häuser einer Stadt". V I I . Ausblick: Gerichtliche Streiterledigung, Rule of Law und Organisation der Welt Diese Metapher - „eine Art Vision" (Benn) - lenkt den Blick zurück zu Schückings „Weltstaatenbund" mit Obligatorium. Je mehr Internationale Organisationen geschaffen und - Schückings Wunsch entsprechend - die Staaten der Welt miteinander dauerhaft zu einem „Bund" oder eben Staatenverbund verschränkt werden, desto dringender stellt sich die Frage nach der Rechtskontrolle der internationalen Wirkungseinheiten. Eckart Klein hat die Frage - wie etwa auch das BVerfG im Maastricht-Urteil 55 - in unserem Lehrbuch bereits für die Supranationalen und die Internationalen Organisa54 Beispiel Walfang. Vgl. dazu die pointierten Positionen von A. D'Amato/ S. Chopra, Whales: Their Emerging Right to Life, AJIL 85 (1991), S. 21 ff. einerseits, W. Aron/W. Burke/M. Freeman, The Whaling Issue, MP 24 (2000), S. 179 ff. andererseits. 55 BVerfGE 89, 155 ff.

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tionen allgemein 56 gestellt. Andere formulieren das Thema im Hinblick auf die diversen internationalen Übergangsverwaltungen und sonstigen neuen Strukturen des UNO-, NATO-, OSZE- und EU-Krisenmanagements. Die Stichworte Bosnien-Herzegowina, Osttimor, Kosovo mögen hier genügen; demnächst kommt vielleicht, als Zwischenstation auf dem Weg zur Staatswerdung, ein „Protektorat Palästina" hinzu. Nicht Notwendigkeit und Sinn von Engagements und Interventionen der Internationalen Gemeinschaft (mit ggf. nachfolgender internationaler Interimsverwaltung, etwa in multiethnischen Staatsgebilden auf dem Balkan) sind in unserem Kontext das Thema, sondern die etwaige Kollision der für die Internationale Gemeinschaft agierenden Einrichtungen bzw. ihrer Organe mit dem völkerrechtlichen Prinzip der Rule of Law. Derartige Konflikte sind denkbar. Auch die Organe der internationalen Gemeinschaft, auch die UN-Friedenstruppen, auch die WTO-Panels, auch die EU-Helfer sind dem Rechtsstaatsprinzip unterworfen und bei der Ausübung ihrer Befugnisse vor Irrtümern nicht gefeit; genausowenig sind sie immer zu eigenen Berichtigungen imstande. 57 Als Grundlagen und Maßstäbe für diese Rechtskontrolle und ihr Verfahren kommen hier etwa in Frage: die UN-Charta (Art. 1 Abs. 1: „[...] Situationen, die zu einem Friedensbruch führen könnten, durch friedliche Mittel nach den Grundsätzen der Gerechtigkeit und des Völkerrechts zu bereinigen [...]"), der Internationale Pakt über Bürgerliche und Politische Rechte oder soft law wie die Jahrtausenderklärung der UNO vom 8. September 2000 mit ihrem ja etwa auch von WTO und EU propagierten Prinzip der „good governance". Vor allem ließe sich an einen allgemeinen Rechtsgrundsatz der Rechtsstaatlichkeit i.S.v. Art. 38 Abs. 1 lit. c IGH-Statut denken. Entscheidend ist: Derzeit ist nicht ersichtlich, vor welchen Foren und in welchen Verfahren die Einhaltung dieser internationalen Rule of Law justiziell kontrolliert werden kann; wahrscheinlich wird man hier zu nach Sachbereichen und Organisationen differenzierenden Lösungen kommen 56 (Fn. 4), S. 331 ff., 342 f., 347 ff. Vgl. auch M. Ruffert, Zuständigkeitsgrenzen internationaler Organisationen im institutionellen Rahmen der internationalen Gemeinschaft, AVR 38 (2000), S. 129 ff.; L. Caflisch (Hrsg.), The Peaceful Settlement of Disputes between States: Universal and European Perspectives, 1998; Advisory Opinion v. 29.4.1999 betr. Difference relating to Immunity from Legal Process of a Special Rapporteur of the Commission on Human Rights, ICJ Reports 1999, S. 62 ff.; C. Stahn, The U N Transitional Administration in Kosovo and East Timor: A First Analysis, Max Planck Y U N L 5 (2001), S. 105 ff. (162 ff.: „Observance of Human Rights Standards"). 57 Vgl. I. Winkelmann, Bosnien und Herzegowina: Protektorat der Internationalen Gemeinschaft?, Kiel 2002, S. 18 ff.; Chr. Tietje, Internationalisiertes Verwaltungshandeln, Berlin 2001, S. 164 ff. (Global Governance), 265 ff. (Rechtsdurchsetzung), 488 ff. (Einbindung in die - nationale - rechtsstaatliche Ordnung). - Wer, so ist etwa zu fragen, kontrolliert das Setzen von WTO-Standards? Wo sind die Rechtskontrollen der „Global Governance"? Was ist mit dem „universellen Rechtsstaat"?

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müssen, um etwa Grundelemente der Gewaltenteilung zu sichern. 58 So oder so: Fortschritte bei der „Organisation der Welt" müssen flankiert werden von Fortschritten bei der Entwicklung entsprechender, auch gerichtlicher Kontrollmechanismen und in ihren Grundzügen miteinander verwandter Verfahrensordnungen. Schon für die früheren Treuhandgebiete unter Art. 81 UN-Charta, ja bereits für die Mandate und Protektorate des Völkerbundes 59 stellte sich diese Aufgabe. Auch die Organe der Internationalen Gemeinschaft sind der globalen Rechtsstaatlichkeit unterworfen! Schückings Forderung nach internationaler (Schieds-)Gerichtsbarkeit zeigt insoweit den Weg. Sein Obligatorium war diesbezüglich Weitsicht, keine „Vision" (Benn). Ob Meinhard Schröder mir in dieser Einschätzung Recht geben wird, etwa in seinem Großkapitel in der bevorstehenden 3. Auflage unseres nun ja auch ins Chinesische übersetzten Lehrbuchs? Ich habe da meine Zweifel. „[Er] lauschte", heißt es am Ende des eingangs zitierten Gottfried Benn-Geburtstagstextes, „Tieferes mußte es noch geben. Aber der Abend kam schnell vom Meer". 6 0

58 Zugleich ist das Recht, zusammen mit einem dieses durchsetzenden, effizienten Verwaltungsapparat, das Instrument, das die Befriedung, Einung und Entwicklung der regelmäßig zerstrittenen, heterogenen und stagnierenden Staatswesen leisten soll. Umso wichtiger ist, daß die internationalen Organe ihrerseits Recht und Gesetz unterworfen sind, daß ihre Eingriffsbefugnisse eingrenzbar sind. 59 Dokumente bei Grewe (Fn. 17), S. 1136 ff. 60 (Fn. 1), S. 60.

Diskussion der Vorträge von Klein und Graf Vitzthum Leitung: Prof. Dr. Gerhard Robbers, Trier Robbers: Lieber Graf Vitzthum, lieber Herr Klein, wir haben Ihnen zwei außerordentlich anregende Vorträge zu verdanken. Die Organisation Europas, die Organisation der Welt - und das in seltener Konkretheit. Vielen Dank. Es ist zur Sprache gekommen Hermann Heller, es ist zur Sprache gekommen Walther Schücking. Es ist vielleicht ein Bezug, lieber Herr Kollege Schröder, zum Anlaß dieses Tages, wie wichtig Persönlichkeiten, akademischen Persönlichkeiten für die Rechtskultur und die Rechtsentwicklung in der Welt sind. Wir haben Gelegenheit, Ihre Vorträge zu diskutieren. Wer möchte anfangen? Herr Ress, bitte. Ress: Mich hat die Darlegung von Herrn Klein außerordentlich fasziniert. Wirkungseinheiten, ein Begriff, der oft als Ersatz dient für staatliche Organisationsformen, oder für juristische Persönlichkeit, um Probleme daraus zu bewältigen. Wir steigen mit diesem Begriff, ganz im Sinne Hellers natürlich, auf eine soziologische Betrachtung herunter - ich nehme das jetzt nicht wertend - und verlieren damit natürlich ein Stück normativer Klarheit. Darin lag der große Gegensatz zwischen Kelsen und Heller, die sich ja wissenschaftlich intensiv bekämpft haben. Man muß die Frage noch einmal wiederholen, wir tragen doch mit unserer normativen Betrachtung - und das ist ja auch ein Stück Bewältigung der Welt - durch normative Begriffe etwas zur Deutung und Klarheit bei. Der Begriff der Rechtspersönlichkeit, auch wieder untergliedert in einzelne Unterbegriffe, dient doch der Bewältigung von Phänomenen wie Zurechnung, Verantwortlichkeit - und dient damit der Klarheit, die ich, bei dem Begriff der Wirkungseinheit nicht so ganz finde. Wirkungseinheiten gibt es viele. Jede Gruppe von Menschen, die sich irgendwie einheitlich verbinden, ist eine Wirkungseinheit. Erklären wir damit schon das Phänomen der Europäischen Union? Jedenfalls habe ich erhebliche Zweifel. Herr Klein hat mit Recht auf die Un Verständlichkeit dieser Begriffsbildungen für den normalen Bürger hingewiesen. Etwas an

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Klarheit, an normativer Stringenz halte ich doch für sinnvoll, um hier die Europäische Union zu deuten. Und warum nicht den Begriff der differenzierten juristischen Person? Ich würde das persönlich für ein besseres Erklärungsmodell halten als den Rückgriff auf die Heller'sehe Wirkungseinheit. Ich gebe zu, natürlich ist das Leben nicht so einfach, wie man sich das in den Köpfen gerne zurechtmacht. Ich gebe zu, daß es im Recht Erscheinungsformen gibt, nicht nur im Europarecht, sondern auch im Völkerrecht, wo wir mit der juristischen Person Probleme haben. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte ist dafür ein gutes Beispiel. Es ist nicht von ungefähr, daß der Europarat versucht, diesen Gerichtshof organisatorisch zu erobern, um Unterlassung der Vertragsstaaten zu kompensieren. Der Gerichtshof ist ein Organ, das durch einen völkerrechtlichen Vertrag, die Menschenrechtskonvention, gegründet wurde. Die Konvention hat als einziges originäres Organ den Gerichtshof und eine Reihe von anderen Organen, ganz im Sinne von Herrn Klein, werden im Wege der Organleihe, als Hilfsorgane, nämlich aus dem Bestand des Europarates zur Erfüllung von Aufgaben hinzugezogen. Über das Problem der sogenannten völkerrechtlichen Vertragsorgane ist eigentlich überhaupt noch nicht viel geschrieben worden. Es ist nicht viel darüber nachgedacht worden, ob nicht hinter dieser Vorstellung, wenn auch in nuce, die Zurechnung zu einer, wenn auch begrenzten, juristischen Person steht. Und meine zweite Bemerkung betrifft Graf Vitzthum und Walther Schükking. Die Idee von der obligatorischen Gerichtsbarkeit ist ja nicht tot. Sie haben dies an dem Seegerichtshof sehr deutlich demonstriert. Es ist ein langsamer Prozeß, der sich ausbreitet, und wenn man das 11. Protokoll zur EMRK nimmt, so ist doch mit der Einführung der obligatorischen Gerichtsbarkeit für diesen Gerichtshof ein gigantischer Schritt für die Menschheit getan worden, daß jeder von Wladiwostok bis nach Reykjavik sich letztlich an eine obligatorische Gerichtsbarkeit wenden kann, einen Gerichtshof mit obligatorischer Gerichtsbarkeit, dem sich kein Staat entziehen kann, es sei denn er kündige die Konvention, was auch ein langwieriger Prozeß ist. Das ist doch schon ein Schritt, vor dem die Staaten etwa vor fünfzig Jahren noch fassungslos gestanden wären. Man kann heute vielleicht sagen, sie wußten gar nicht, was sie taten, als sie dem Europarat und der EMRK beitraten, aber dieser Schritt ist gegangen worden. Ich kenne sehr wohl die kritischen Bemerkungen von Guillaume zur Frage der zu starken Ausbreitung von internationalen Gerichten. Wir werden eine Phase haben in den nächsten Jahren, in denen wir eine ganze Reihe von sachlich begrenzt wirkenden, internationalen Gerichten haben werden. Der Internationale Strafgerichtshof wird natürlich judizieren. Langsam, auch ohne die USA. Wir stehen, so sehe ich das, in den nächsten vielleicht fünfzig Jahren in einer Phase, in der sich sektorell, regional begrenzt, obligatorische Gerichtsbar-

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keit ausbreiten wird. Ob es jemals einen Weltstaat - so diese etwas utopische Vorstellung - geben wird, das ist nicht die Fragestellung. Aber wir werden eine Ausbreitung obligatorischer Kontrollinstanzen haben. Robbers: Vielen Dank Herr Ress. Maurer: Das Referat von Graf Vitzthum fand ich sehr beeindruckend; aber ich möchte jetzt nicht dazu Stellung nehmen, sondern zu dem ebenfalls schönen Referat von Herrn Klein. Der Prozeß der europäischen Integration ist historisch nicht so einmalig, wie es vielleicht erscheinen mag. Es gibt in der Geschichte manche vergleichbare Fälle. Zu nennen ist vor allem die Entwicklung zum Deutschen Reich im 19. Jahrhundert. Sie verlief zunächst im wirtschaftlichen und auch im militärischen Bereich und mündete dann in die Staatsgründung. Es kam bereits in den dreißiger Jahren zum Zollverein, dann - allerdings erst nach mehreren Jahrzehnten - zum Zollbundesstaat und schließlich zum Deutschen Reich als Gesamtstaat. In militärischer Hinsicht wären die sog. Schutz- und Trotzbündnisse Preußens mit den süddeutschen Staaten seit 1866 zu erwähnen. Der Vergleich darf freilich nicht darüber hinwegtäuschen, daß auch wesentliche Unterschiede bestehen, die von den jeweiligen politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Verhältnissen abhängen. So erfolgte etwa die letzte Phase der Reichsgründung gleichsam in einem Zwei-Stufen-Verfahren, in dem zunächst der Norddeutsche Bund als Bundesstaat gegründet wurde, dem sich dann einige Jahre später die süddeutschen Länder anschlossen. Man kann insoweit auch eine Parallele zur Nachkriegsentwicklung Deutschlands ziehen: wirtschaftlicher Zusammenschluß der Westzonen, Entstehung der Bundesrepublik Deutschland und Wiedervereinigung gem. Art. 23 GG. Die europäische Integration verläuft unter ihren Voraussetzungen und nach ihren Regeln. Die Probleme sind sicher erheblich größer, zumal nach und im Blick auf die verschiedenen Erweiterungen. Daher ist es auch schwierig, sie mit den traditionellen staatsrechtlichen und völkerrechtlichen Begriffen zu fassen. Das BVerfG hat sich für den Ausdruck „Staatenverbund" entschieden. Die EU ist danach kein Staatenbund und kein Bundesstaat, sondern ein Staatenverbund. Was ergibt sich daraus aber positiv? Überhaupt nichts! Jedenfalls kann man allein aus dem Begriff „Staatenverbund" keine rechtlichen Konsequenzen ziehen. Es handelt sich mehr um eine Umschreibung, die sich vielleicht im Laufe der Zeit zu einem Rechtsbegriff verdichtet.

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Sie haben, Herr Klein, in Ihrem Referat, wenn ich es richtig verstanden habe, im Blick auf eine europäische Verfassung gesagt, daß zunächst die Ziele festgelegt werden müßten und dann erst die Verfassungsgebung möglich sei. Das ist m.E. nicht zwingend. Man könnte auch umgekehrt sagen, daß sogleich eine verfassungsgebende Versammlung einberufen wird, die nicht nur die Organisation und die Kompetenzen, sondern auch - vorweg und zugleich - die zu verfolgenden Ziele bestimmen sollte. Die Chance der Verfassungsgebung besteht darin, daß nicht nur Bürokraten entscheiden, sondern ein demokratisch legitimiertes Organ als Träger der künftigen Entwicklung geschaffen wird. Bemerkenswert für die gegenwärtige europäische Entwicklung ist, daß die Europäische Gemeinschaft zwar die große Linie im Auge haben mag, aber sich doch sehr intensiv mit vielen Einzelfragen beschäftigt. Damit verfehlt sie die eigentlichen und typischen Aufgaben eines förderativen Zusammenschlusses. Üblicherweise ist ein solcher Zusammenschluß, wie sich in historischer und rechtsvergleichender Sicht zeigt, zuständig für allgemeinpolitische Fragen und Entwicklungen, etwa die Außen- und Sicherheitspolitik, die Wirtschafts- und Währungspolitik in ihren Grundzügen und die Schaffung einheitlicher Rechtsvorschriften für das Wirtschaftsleben. Die Detailfragen, insbesondere die Verwaltung, blieben den Mitgliedstaaten überlassen. Sicher wird das Grundsätzliche oft erst im Detail virulent. Aber die Effektivität und die Akzeptanz der Europäischen Gemeinschaft würde zweifellos gewinnen, wenn sie mehr der traditionellen Abschichtung im föderativen Bereich folgen würde. Kloepfer: Ich würde es vielleicht nicht ganz so skeptisch sehen, um an den letzten Diskussionsbeitrag anzuknüpfen. Auch ein Begriff wie Staatenverbund sagt doch eines sehr deutlich: Daß die Kategorien, die wir haben, nicht oder nicht direkt zutreffen. Das ist immerhin doch schon ein ganz wesentlicher Erkenntnisfortschritt, und ich will auch nicht ganz unterschreiben, daß die Union sozusagen nur für Nebensächlichkeiten zuständig ist; dies war so, aber es hat sich doch zunehmend verändert. Wir sind ja hier in einer Art Feiertagsstimmung. Ich weiß nicht, ob wir uns vielleicht ein bißchen anstecken lassen und sozusagen in eine Organisationseuphorie fallen. Ist die Organisation, die Idee von Organisation, die Vorstellung von Organisation, wirklich die Leitidee in einer modernen rechtspolitischen Ordnung? Da hätte ich doch, auch im Hinblick auf manche Referate, meine Fragen: Ich würde die Gegenthese wagen: Die Organisation hat eine dienende Funktion. Man muß sich ganz deutlich fragen, welchen Zweck die Organisation erfüllen soll. Das scheint mir das Primäre zu

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sein. Ich muß die dienende Funktion der Organisation betonen und klären, was will ich damit erreichen, und dann entscheiden, wie ich die Organisation gestalten will. Das ist in der Realität aber häufig anders. Wenn wir die Politik ansehen und etwa auch an das Referat von Herrn Ossenbühl denken, gibt es eine ganz typische Reaktion der parlamentarischen Demokratie in diesem Zusammenhang: Es tritt irgendein politischer Mißstand auf, und deshalb wird eine neue Behörde oder mindestens ein neuer Behördenzweig, also eine Organisationsmaßnahme ergriffen. Eine Kommission bzw. ein Beauftragter wird bestellt oder eine Behörde geschaffen, man weiß aber noch gar nicht, wie man das Problem der Sache nach angehen soll, aber das Bedürfnis nach schneller Reaktion läßt sich entweder durch die Bildung einer Kommission oder eben durch eine Behördenneugliederung regeln. Das scheint mir problematisch zu sein. Es fällt mir dann schon das Wort ein, ob hier bisweilen das Mündel Vormund sein will, als ob die Organisation schon die Lösung der Probleme wäre. Sie ist vielleicht die Möglichkeit, zur Lösung einer Frage zu kommen, ist aber nicht die Lösung der Frage selbst. Wenn ich beispielsweise noch mal anknüpfen darf an den Vortrag von Herrn Löwer: natürlich ist es ein Grundproblem unserer ganzen hochschulpolitischen Debatten seit dreißig Jahren, daß sie letztendlich Organisationsdebatten sind. Eine Vorstellung über eine Leitidee - was will ich eigentlich erreichen? - wird bisweilen auch ventiliert, aber sie tritt eigentlich regelmäßig in den Hintergrund, zumal dabei nur mehr oder weniger weiche Formeln herauskommen. Damit bin ich vielleicht auch bei dem Referat von Graf Vitzthum. Das internationale Recht, das internationale Zusammenleben, kann Zielformen entwickeln. Die Vorstellung, daß Weltinstitutionen entstehen, ist wiederum kein Zweck für sich, sondern ich muß fragen, was soll mit diesen Organisationen erreicht werden. Zum Beispiel: Verteilungsgerechtigkeit bei Bodenschätzen im Fall des Seegerichtshofs. Verteilungsgerechtigkeit, Vermeidung von ungerechtem Zugriff auf die Schiffe fremder Staaten im Interesse der Friedenserhaltung? Die Besinnung auf den leitenden politischen oder administrativen Zweck wäre ein gewisses Korrektiv, um der Organisation zu geben, was sie verdient, nämlich eine respektable Beachtung, aber eben doch nur eine dienende Funktion. Robbers: Herzlichen Dank Herr Kloepfer. Dann darf ich damit die Diskussionsrunde schließen und den beiden Rednern Gelegenheit zu einem Schlußwort geben. Vielleicht Sie zunächst, Graf Vitzthum.

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Graf Vitzthum: Vielen Dank für die hilfreichen, meinem Nachdenken aufhelfenden Fragen und Kommentare. Ich beschränke mich aus Zeitgründen auf vier Bemerkungen. Erstens: Herr Ress hat die Terminologie angesprochen: „Wirkungseinheiten". Ich erinnere daran - das wissen Sie als Ex-Heidelberger besser als ich als Ex-Freiburger - daß dieser Begriff, jedenfalls nach meinem Wissen, von Hermann Mosler verwendet worden ist bei seiner Suche nach einer deutschen Begrifflichkeit für den englischen Begriff entity. Wirkungseinheiten/entities ist begrifflich zunächst einmal breit und unspezifisch und wird etwa auch im innerstaatlichen Bereich für Gebietskörperschaften verwendet. Der Terminus sagt also an sich noch wenig Konkretes. Das war ja auch eine weitere Aussage von ihnen, Herr Ress, die ich unterstreichen möchte. Zweite Bemerkung: Obligatorische Gerichtsbarkeit dringt langsam vor, sektoriell wie regional, gewiß. Ich möchte aber doch darauf hinweisen, daß natürlich die Ausweitung der obligatorischen Gerichtsbarkeit genauso wie die Ausweitung des Kreises der Vertragsstaaten, der EMRK oder der Mitgliedsstaaten im Europarats auch zu Verwässerungsprozessen führt und bereits geführt hat. Rußland etwa hat gewiß gewußt, was es tat, als es in den Europarat aufgenommen werden wollte und der EMRK beitratt. Ob die rechtsstaatlich traditionsreicheren Länder im Europarat die Probleme, die Rußland noch mit der Rule of Law nach wie vor hat, richtig eingeschätzt und bewertet haben? Vielleicht bereut man mancherorts die schnelle Aufnahme Moskaus bereits? An der Richtigkeit der seinerzeitigen Einschätzung, daß eine frühe Aufnahme dazu führt, daß sich die Situation etwa in den russischen Gefängnissen schneller „normalisiert", habe ich meine Zweifel. Wenn Sie etwa an die verzögerte Aufnahme des Landes BosnienHerzegowina in den Europarat denken - das Land ist gerade eben erst aufgenommen worden, obwohl es seit zehn Jahren existiert - , dann haben hier berechtigte Zweifel - man hatte mehrfach entsprechende Gutachterkommission ins Land geschickt - eine Rolle gespielt, Zweifel daran, daß das Land in der Lage ist, die rechtlichen Verpflichtungen, die es mit der Aufnahme in den Europarat übernimmt, auch zu erfüllen und durchzusetzen. Diese Zweifel finden nach wie vor Nahrung, etwa bezüglich der Behandlung der sog. Minderheitenrückkehrer im serbischen Teil des Landes. Dritte Bemerkung noch in Bezug auf Herrn Ress. Es ist, glaube ich, deutlich geworden, daß wir uns noch stärker als bisher für den Zusammenhang von Sein und Sollen interessieren sollten. Ich habe eine Zeitlang am Center for the Study of Democratic Institutions in Santa Barbara gearbeitet, einem wunderbaren Friedensforschungsinstitut, das sich u.a. mit der

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UNO, der Dritten Welt und dem Seerecht befaßte, und dort in der kalifornischen Idylle hatte man die Vorstellung, es müsse nur überall in der Welt schnell Demokratie eingeführt werden, dann würde schon alles gut. Was aber die Voraussetzungen dafür sind, daß dieses so komplizierte wie voraussetzungsreiche System der Herrschaftsorganisation Legitimation und Leistung erbringen kann - diese Voraussetzungen, diese empirischen Zusammenhänge wurden nicht bearbeitet. Man sah sie gar nicht. Die zu frühe, zu schematische oder zu übergangslose Einführung der Demokratie in demokratiefernen Ländern hat dort bekanntlich nicht selten mehr Unglück als Glück gebracht. Mehr Interesse für das „Sein", oder wie es Dietrich Schindler sen. formulierte, für die „Ambiance" der Normen, ist notwendig, gerade im Völkerrecht und in der Rechts- und Organisationspolitik. Die Funktion einer Institution müssen wir kennen - darauf bezieht sich meine vierte und letzte Bemerkung - , um die Organisation richtig skizzieren, fundieren und adaptieren zu können. Sie, Herr Kloepfer, haben mit dieser These, gewiß nicht unbewußt, die Grundphilosophie des Bauhauses repetiert: Form folgt Funktion. Mehr Interesse ist deswegen nicht nur für die Ambiance von Normen geboten, sondern auch für die Ziel- und Zweckbestimmung von Gesetzen und für die entsprechende Situierung und Konstruktion von Organisationen. Institutionen sehe ich dabei nicht so pejorativ dienend, wie das hier angeklungen ist. In einer heterogenen Welt, in der materielle Fragen schwer einheitlich zu beurteilen sind - die „Internationale Gemeinschaft" ist ein Euphemismus - , kann die Einigung auf Verfahrensvorschriften und Interimsinstitutronen, mit denen man erst testen kann, was geht und was nicht geht, eine wichtige Rolle spielen. Das Dienen ist dann eher als ein solches zu verstehen wie das von Friedrich d. G. als dem - in seinen Augen - ersten Diener seines Staates. Die Institution dient in diesem Sinne materiellen Zielen und Zwecken, etwa der Friedenssicherung, der Durchsetzung des Rechtsstaates, der Effektivitätssteigerung, der Demokratisierung. Meinhard Schröder, unser Jubilar, hat zu all dem Wichtiges gesagt. Auch dafür sei ihm gedankt, wie auch neben anderen Herrn Ruffert, denn dieser hat ihm, jedenfalls im Kontext dieser schönen Trierer Symposiums-Begegnung, sein Wissen abverlangt - wie der wißbegierige Zöllner dem Chinesischen Weisen in dem berühmten Gedicht von Bertold Brecht. Klein: Ich beginne mit den Fragen von Herrn Maurer. Natürlich, Herr Maurer, man kann alles vergleichen, und die Frage ist nur, was bringt einem das für die Erkenntnis gegenwärtiger Probleme? Die rechtliche Bedeutung eines 11*

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Staatenverbunds oder was wir immer haben - ich gebe Ihnen zu, der Begriff sagt nichts - wird durch den Vergleich mit dem 19. Jahrhundert nicht deutlicher. Ich meine auch, ich glaube Herr Kloepfer hat das gesagt, daß der Begriff jedenfalls zeigt, daß wir in einem terminologischen Dilemma stehen, und das haben Sie auch angedeutet. Unsere gegenwärtige Begrifflichkeit reicht nicht aus, das noch irgendwie zu erfassen, und dann versucht man, einen neuen Begriff zu bilden. Der Begriff „Bundesstaat" ist im Laufe der Zeit mit einem Begriffsinhalt gefüllt worden, aber zunächst sagte er vielleicht auch nicht mehr aus als Staatenverbund. Nicht, daß ich diesen Begriff verteidigen möchte - ich hatte viel früher die Europäische Gemeinschaft als Verband offener Staaten bezeichnet. Über Begriffe kann man streiten, aber der neue Begriff zeigt, daß man mit den alten offenbar nicht mehr zurecht kommt. Zur europäischen Verfassungsgebung: Ich weiß nicht, ob wir eine europäische Verfassung haben können, die offen läßt, ob der Zug in Richtung eines europäischen Bundesstaats geht, oder ob es mehr oder weniger mit dem heutigen integrierten Verband endet, vielleicht mit zusätzlichen Übertragungen von Kompetenzen an den Gesamtverband. Ich meine, da nützt uns die Verfassung nichts. Die Verfassung will doch Klarheit schaffen. Wir haben auch in unserer Verfassung stehen - wenn ich das einmal vergleichen darf - , daß die Bundesrepublik Deutschland ein Bundesstaat ist, daß sie eine Republik ist, daß sie ein Rechtsstaat ist. Die Essenz wird in der Verfassung festgelegt, und wenn man genau das offen läßt, und das ist doch das Entscheidende dessen, wohin Integration gehen soll, dann meine ich, daß Verfassung verfrüht ist für diesen Verband. Hierzu paßt, was Herr Kloepfer gesagt hat. Wenn Organisation eine dienende Funktion hat, dann muß ich doch wissen, was wir haben wollen, um dann entsprechend die Organisation, also die organisatorischen Bestimmungen der Verfassung, darum herum zu bilden. Auch dies zeigt, daß wir uns zunächst inhaltliche Klarheit verschaffen müssen, bevor wir eben etwas festschreiben können. Eine Verfassung, die alles offen läßt, ist in meinen Augen keine, verfehlt ihren normativen Sinn als Verfassung. Ein Wort zu Herrn Ress. Ich teile seine Sehnsucht nach normativer Klarheit. Wir kommen aus derselben Schule, und wir teilen diesen Wunsch. Aber es gibt eben Felder - das ist schon angedeutet worden - , wo diese Klarheit nicht möglich ist. Wenn wir in einer Phase des Wandels, der Entwicklung sind, dann läßt sich nicht auf jeder Stufe der Entwicklung bereits mit klaren Begriffen arbeiten. Ich weiß, Herr Ress und andere gehen davon aus - ich früher übrigens selber - , daß die Europäische Union eine Rechtsperson ist. Ich habe diese Auffassung aufgegeben, weil ich sehe, daß sie von den maßgeblichen politischen Entscheidungsträgern, d.h. den Mitgliedsstaaten, aber auch von den Organen der Gemeinschaft, nicht geteilt wird. Ich glaube, es hat wenig Sinn, der Begriffsklarheit wegen darauf zu beharren, die Europäische Union sei eine Rechtsperson, wenn alle maßgeb-

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liehen Entscheidungsträger dies ablehnen. Ich glaube, dann begeben wir uns wirklich in den wissenschaftlichen Elfenbeinturm. Wenn aber die Europäische Union keine Rechtspersönlichkeit hat, dann muß alles, wenn wir in dem herkömmlichen Gedankengebäude verharren, auch den Staaten, die diese Union tragen, zugerechnet werden. Das wiederum scheint mir jedoch auch nicht der Lebenswirklichkeit gerecht zu werden, zum Teil genau aus den Gründen, die Herr Ress dazu geführt haben, eine Rechtspersönlichkeit anzunehmen. Also müssen wir etwas dazwischen suchen. Die Entwicklung ist offenkundig nicht zum Abschluß gekommen. Nun können wir sagen, Organisation hat dienende Funktion. Wir können fragen, was wollen wir erreichen, und wir schaffen dazu die passende Organisation, aber wir sind als Juristen doch auch gefragt, etwas, was da ist, was sich entwickelt hat, rechtlich zu deuten. Wir als Juristen haben keine Möglichkeit - oder ich jedenfalls nicht - , jetzt zu sagen, was die Union wirklich ist. Wir müssen uns mit dem begnügen, was die Politiker uns an rechtlichem, oder politischem Material vorgeben, und haben das zu deuten, und da können wir nicht einfach sagen, wir warten jetzt bis etwas geschieht. Und wenn wir weder sagen können, die Union ist eine Rechtsperson, noch daß alles auf die einzelnen Staaten bezogen werden muß, dann ist eben die Frage, ob man etwas dazwischen sucht und findet, und ich habe einfach vorgeschlagen, dies mit diesem Begriff der Wirkungseinheit, der von Heller entlehnt ist, zu tun. Daß das vielleicht nicht überzeugend ist für alle, das gestehe ich gerne zu. Aber um es noch einmal zu sagen: Es gibt Phänomene, die wir nicht erklären können, während sie im Fluß sind. Ich erinnere - wir haben darüber vorhin schon in der Pause geredet - an die Deutschlandproblematik, wie sie zwischen 1945 und 1990 bestanden hat. Zu Recht hat, ausgehend von dem Willen nach Begriffsklarheit, Scheuner einmal von dem unbekömmlichen begrifflichen Brei gesprochen, als das Bundesverfassungsgericht versucht hat, die durch den Grundlagenvertrag geschaffene Rechtslage darzustellen. Von der begrifflichen Schärfe her gesehen, hatte Scheuner natürlich vollständig recht. Trotzdem glaube ich, war seine Kritik der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nicht gerechtfertigt, denn das Bundesverfassungsgericht mußte etwas in dieser Form Nichtdagewesenes bewältigen, und dazu reichte einfach die vorhandene juristische Terminologie nicht aus. Und an einem solchen ähnlichen Punkt befinden wir uns jetzt. Es genügt nicht, uns auf feststehende Begrifflichkeiten zurückzuziehen, wenn sie einfach nicht passen, entweder weil sie von den maßgeblichen Akteuren nicht getragen werden, oder weil sie evident der sozialen, politischen Wirklichkeit nicht entsprechen. Und deswegen eben mein Versuch, etwas dazwischen anzusiedeln. Herzlichen Dank.

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Robbers: Vielen Dank Herr Klein, vielen Dank Graf Vitzthum, es ist ein an Höhepunkten reiches Kolloquium gewesen, und der Höhepunkt, zu dem alle diese Punkte hinauslaufen sollten, kommt jetzt. Herr Schröder, wir dürfen auf Ihr Schlußwort gespannt sein.

Schlußwort Prof. Dr. Meinhard Schröder, Trier Liebe verehrte Kollegen aus den verschiedenen Fakultäten Deutschlands, aus dem richterlichen Nebenamt, liebe Freunde, liebe Schülerinnen und Schüler, meine Damen und Herren! Die Grundfrage, die heute immer wieder aus verschiedenen Blickwinkeln gestellt wurde, scheint mir zu sein, welche rechtlichen Anforderungen und Maßstäbe die Organisation des staatlichen, kommunalen, europäischen und internationalen Raums bestimmen und bestimmen sollen. Sie hat mich seit langem beschäftigt, zuerst und bis heute im Verhältnis: Parlament/Regierung und Verwaltung, dann zunehmend im europäischen und internationalen Kontext. Daß diese Bemühungen seitens der Universität, der Fakultät und des Instituts für Umwelt- und Technikrecht mit so persönlichen und ehrenden Worten bedacht wurden, daß sie in der Veranstaltung einen so faszinierenden thematischen Widerhall gefunden haben, erfüllt mich mit großer Freude und Dankbarkeit. Herrn Ruffert habe ich ganz besonders für die Idee, das Konzept und die Realisierung des Symposions, den Referenten und Diskussionsteilnehmern für reiche Belehrung und neue Einsichten zu danken. Es wäre vermessen, die vielfältigen Aspekte, die in den Vorträgen und in Diskussionsbeiträgen zu Tage getreten sind, auf den Punkt zu bringen oder sie gar zu resümieren. Ich erlaube mir statt dessen, ein paar Gedanken, gewissermaßen als Fußnote, zum Gegenstand des Symposions hinzuzufügen. Immer deutlicher tritt als Folge grenzüberschreitender Kooperation und der Integration im europäischen Raum die Entgrenzung der nationalen Administrationen hervor. Sie kompliziert die Bindungsmaßstäbe der Verwaltung. Sie erfaßt die Verwaltungsstrukturen, bis hin zur Pflicht, neue, gar weisungsunabhängige Instanzen zu schaffen. Sie verschiebt bei transnationalen Verwaltungsvorgängen die EntscheidungsVerantwortung. Das alles hat Auswirkungen auf das Recht und die Organisation des nationalen Bereiches. Die Rolle der Parlamente verändert sich, Entscheidungsspielräume der öffentlichen Verwaltung und der kommunalen Gebietskörperschaften werden enger. Neue Abgrenzungen der Aufgaben und Kompetenzen, wie sie im Zuge der Reform des europäischen Einigungswerkes erwogen werden, Präzisierungen oder institutionelle Umhegungen des Subsidiariätsprinzips

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können diesen Wandel nur bedingt aufhalten. Denn er steht wesentlich unter dem Vorzeichen der im Einzelfall für notwendig gehaltenen, einheitlichen und effektiven Anwendung des europäischen Rechts und entzieht sich dadurch generalisierender Einschränkung. Ich neige zu der Annahme, daß auch die nationalen Verwaltungsrechte auf längere Sicht nur noch Teilordnungen innerhalb eines vom Fortgang der europäischen Integration bestimmten Gesamtsystems sein werden. Dabei dürfen freilich Transparenz, Bürgernähe und das jüngst von der Europäischen Grundrechtscharta eingeforderte Recht der Bürger auf eine gute Verwaltung nicht auf der Strecke bleiben. Wertvorstellungen und Maßstäbe, die die Struktur, die Organisation und das Handeln der Verwaltung bisher prägten, stehen andererseits unvermeidlich auf dem Prüfstand, können womöglich nicht immer bewahrt werden. Wir müssen uns auch darauf einstellen, daß die Kenntnis des ausländischen Verwaltungsrechts wichtiger wird, mit Folgen bis hinein in die Ausbildung des Verwaltungspersonals. Überhaupt muß der Rechtsvergleichung mehr Gewicht zugemessen werden als dies bisher im allgemeinen der Fall war. Wie wir alle diese Herausforderungen einer gesamteuropäischen Verwaltungsrechtordnung bewältigen, könnte - insoweit teile ich die Auffassung mancher Beobachter - auch Aufmerksamkeit außerhalb Europas finden und für die „Organisation der Welt" in administrativ bedeutsamen Bereichen Anstöße geben.

Verzeichnis der Vortragenden und Diskussionsteilnehmer Prof. Dr. Winfried Brohm, Universität Konstanz Prof. Dr. Martin Burgi, Ruhr-Universität, Bochum Prof. Dr. Christian Calliess, M.A.E.S. (Brügge), LL.M.Eur., Karl-FranzensUniversität, Graz Prof. Dr. Dr. h.c. Wolfgang Graf Vitzthum, Eberhard Karls Universität, Tübingen Prof. Dr. Reinhard Hendler, Universität Trier Prof. Dr. Peter M. Huber, Ludwig-Maximilians-Universität, München/Universität Bayreuth Prof. Dr. Wolfgang Kahl, Μ . Α., Justus-Liebig-Universität Gießen Prof. Dr. Eckart Klein, Universität Potsdam Prof. Dr. Michael Kloepfer, Humboldt-Universität zu Berlin Prof. Dr. Peter Krause, Universität Trier Prof. Dr. Wolfgang Löwer, Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität, Bonn Prof. Dr. Hartmut Maurer, Universität Konstanz Prof. Dr. Fritz Ossenbühl, Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität, Bonn Dr. Manfred Rebentisch, Ministerialrat a.D., Frankfurt am Main Dr. iur. Dr. rer. pol. Dr. iur. h.c. mult. Georg Ress, Universität des Saarlandes, Saarbrücken/Richter am Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, Straßburg Prof. Dr. Gerhard Robbers, Universität Trier Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Klaus Stern, Universität Köln Dr. Hans-Peter Zils, Neuss