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German Pages 212 Year 1991
ERIK GAWEL
Umweltpolitik durch gemischten Instrumenteneinsatz
Finanzwissenschaftliehe Forschungsarbeiten Finanzwissenschaftliches Forschungsinstitut an der Universität zu Köln Herausgegeben von Günter Schmölders, Karl·Heinrich Hansmeyer und Klaus Mackscheidt
Neue Folge Band 58
Umweltpolitik durch gemischten Instrumenteneinsatz Allokative Effekte instrumentell diversifizierter Lenkungsstrategien für Umweltgüter
Von Erik Gawel
DUßcker & Humblot . Berliß
Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Gawel, Erik: Umweltpolitik durch gemischten Instrumenteneinsatz: allokative Effekte instrumentell diversifizierter Lenkungsstrategien für Umweltgüter / von Erik Gawel. Berlin: Duncker und Humblot, 1991 (Finanzwissenschaftliche Forschungsarbeiten; N. F., Bd. 58) ISBN 3-428-07205-7 NE:GT
Alle Rechte vorbehalten © 1991 Duncker & Humblot GmbH, Berlin 41 Fotoprint: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin 61 Printed in Germany ISSN 0430-4977 ISBN 3-428-07205-7
Vorwort Seit langem wird von Ökonomen der Vorwurf erhoben, das gewachsene ordnungsrechtliche Instrumentarium der Umweltpolitik sei ökologisch wie ökonomisch ineffizient. Mit diesem Vorwurf verbindet sich zugleich die Forderung, den Umweltschutz nach marktwirtschaftlichen Prinzipien neu zu gestalten. Bisher haben umweltökonomische Konzepte allerdings kaum Eingang in das vom Ordnungsrecht dominierte, zumeist um Subventionsregelungen angereicherte Instrumentarium gefunden. Dies hat sicherlich viele Gründe, dürfte aber nicht zuletzt auf das umweltökonomische Erklärungsmuster und die daraus abgeleiteten Strategieempfehlungen zurückzuführen sein. Ökonomen verstehen Umweltprobleme als Allokationsprobleme, die dadurch entstehen, daß Umweltwirkungen wirtschaftlicher Aktivitäten im Preissystem nicht abgebildet werden und insoweit extern bleiben. Die ökonomische Antwort lautet daher folgerichtig: das Preissystem muß durch die Internalisierung externer Effekte vervollständigt werden. Im Zuge der umweltökonomischen Entwicklung in der Tradition von Pigou und Coase haben sich unterschiedliche Internalisierungsstrategien herausgebildet. Bei allen Unterschieden liegt ihnen die gemeinsame Vorstellung zugrunde, die Fehlallokation könne in einem einheitlichen Ansatz durch eine einziges Korrekturverfahren beseitigt werden. Die umweltök0nomische Diskussion konzentrierte sich daher auf die Frage, ob die Verhandlungslösung, die Abgabe oder das Zertifikat das überlegene Verfahren sei. In idealtypischen Modellvergleichen konnte zudem nachgewiesen werden, daß alle sogen. ökonomischen Instrumentenkategorien effizienter als das Auflagensystem sind. Die Konsequenz lag auf der Hand: das Ordnungsrecht muß ersetzt werden. Inzwischen ist die Erkenntnis gewachsen, daß die Hoffnung auf eine Ablösung des Ordnungsrechts illusorisch ist und die politische Instrumentenwahl keineswegs ausschließlich nach den Kriterien der statischen und dynamischen Akllokationseffizienz erfolgt. Überdies besteht weitgehend Übereinstimmung darin, daß die einzelnen Internalisierungsstrategien bei einer praktischen Anwendung viel von ihrer modellhaften Vorteilhaftigkeit einbüßen und dem allokationstheoretischen Postulat der optimalen Faktorund Umweltnutzung nicht gerecht werden. Die Umweltökonomik beginnt jedoch nur sehr zögerlich, ihr Forschungsprogramm den daraus folgenden
VI
Vorwort
Konsequenzen anzupassen. Angesichts des Beharrungsvermögens des Ordnungsrechts, der differenzierten politischen Ziel vorgaben und der steuerungspolitischen Defizite der reinen Instrumententypen liegt es eigentlich nahe, sich der Wirkungsanalyse gemischter Instrumentarien zuzuwenden. Zwar gibt es einige pragmatische Konzepte für ein umweltpolitisches Policy Mix. Eine systematische Wirkungsanalyse gemischter Strategien zur Lenkung einzelner Umweltgüter stand jedoch bislang noch aus. Diesem Vorhaben ist die Arbeit von Herrn Dipl.-Volksw. Erik Gawel gewidmet, die ausgehend von den Schwachstellen "gesamthafter" Ansätze die konzeptionellen Grundlagen gemischter Strategien unter polit-ökonomischen und allokationstheoretischen Aspekten entwickelt und anschließend sechs unterschiedliche, zentrale instrumentelle Mischformen exemplarisch einer breiten theoretischen Wirkungsanalyse unterzieht, um Aufschluß über ihre jeweilige steuerungspolitische Leistungsfähigkeit zu gewinnen. Die hiermit vorgelegte Studie macht deutlich, daß zum einen das bestehende, zumeist gemischte umweltpolitische Instrumentarium auch aus ökonomischer Sicht einer differenzierten Beurteilung bedarf und daß es zum anderen - auch ohne eine Totalrevision des Ordnungsrechts - durch zusätzliche Verbundelemente durchaus leistungsfähiger gemacht werden kann. Zugleich bietet die Arbeit - dank ihrer präzisen Abgrenzung aber auch einen Ausblick auf künftige Erweiterungen des umweltökonomischen Forschungsprogramms. So wird es unerläßlich sein, die instrumentelle Wirkungsanalyse durch Berücksichtigung unterschiedlicher ordnungsrechtlicher Regulierungstechniken zu differenzieren, Vollzugsmechanismen und Transaktionskosten stärker einzubeziehen und schließlich auch den Verbund von verursacher- und gemeinlastorientierten Instrumenten vertieft zu untersuchen. Köln, im Juni 1991
Prof. Dr. K.-H. Hansmeyer
Inhaltsverzeichnis 1 Einleitung.............. . .. ...... . . .. . . .. ..... . . . .. .. .. . . . . . . . . . . .. ... . . . . . . . .. ..
1
1.1 Problemstellung und -abgrenzung ............ ................. ............
1
1.2 Gang der Untersuchung .................. .................... ..............
4
2 Globale Schwachstellenanalyse "gesamthafter Ansätze" zur Allokation von Umweltgütern ......................................................
6
2.1 Charakterisierung "gesamthafter Ansätze" ...... .................... ......
6
2.2 Zur Dichotomie von allokationstheoretischem Anspruch und tatsächlichem Optimierungsbeitrag ................................................
8
2.2.1 Probleme der Adäquanz modelltheoretischer Analysen ..........
8
2.2.2 Probleme der politisch-administrativen Implementation .........
9
2.2.3 Der Einfluß marktlich-institutioneller Rahmenbedingungen als restringierender Faktor ..............................................
12
2.3 Die Abwendung von erstbesten Lösungen und ihre Konsequenzen für eine rationale Gestaltung der Umweltpolitik ...................................
13
3 Konzeptionelle Grundlagen gemischter Lenkungsstrategien für Umweltgüter . . . . . . . . ......... ..... ..... . .. . . . . .. . . . .. ... .. .. .. .. . . . ........... . .
19
3.1 Evaluierungskriterien umweltpolitischer Instrumentvariablen . ........
19
3.1.1 Konformitätskriterien .................. .................. ... .........
20
3.1.2 Optimierungskriterien . ..................................... .........
21
3.1.3 Interdependenzbeziehungen einzelner Kriterien..................
23
3.2 Die steuerungspolitische Insuffizienz ausgewählter Instrumenttypen bei isolierter Anwendung .......................................................
24
3.2.1 Der zugrunde gelegte Modellrahmen ........ .................... ...
24
3.2.2 Das ordnungsrechtliche Instrumentarium .........................
26
3.2.3 Ahgabenlösungen .....................................................
33
3.2.4 Handelbare Emissionsrechte ........................................
40
3.2.5 Subventionen als Instrument des Gemeinlastprinzips ...........
46
VIII
Inhaltsverzeichnis
3.3 Die instrumentell diversifizierte Lenkungsstrategie als allokationspolitischer second-best-Ansatz ....................................................
53
3.3.1 Fonnen mischinstrumenteller Steuerung..........................
53
3.3.2 Vorteilhaftigkeitsprofil von Mischlösungen aus der Sicht der praktischen Umweltpolitik .......................................... .....
56
3.3.3 Verbundlösungen und ihre Konsequenzen für eine rationale Gestaltung der Umweltpolitik: Herausforderungen für die Theorie. ..
59
3.3.4 Zusammenfassung .......................... .... ........... ..........
67
4 Wirkungsanalyse ausgewählter Ansätze zur Lenkung von Umweltgütern durch gemischten Instrumenteneinsatz ........................
68
4.1 Überblick über denkbare und bereits realisierte Mischlösungen ........
68
4.2 Die Verknüpfung von ordnungsrechtlichem und transferpolitischem Instrumentarium: Auflagen und Subventionen .............................
72
4.2.1 Konzeptionelle Ausgestaltungsmöglichkeiten und ihre Begründung ...................................................................
72
4.2.2 Modelltheoretische Analyse .........................................
75
4.3 Die Kombination von ordnungsrechtlichen Verfügungen und ökonomischen Anreizinstrumenten: Auflagen und Abgaben .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
84
4.3.1 Konzeptionelle Ausgestaltungsmöglichkeiten und ihre Begründung ...................................................................
84
4.3.2 Modelltheoretische Analyse .........................................
86
4.4 Zur gezielten Ausnutzung von Anreiz- und Subventionierungsfunktion bei Abgabenlösungen: Auflagen, Abgaben und Subventionen ........... 106 4.4.1 Konzeptionelle Ausgestaltungsmöglichkeiten und ihre Begründung ...................................................................
84
4.4.2 Modelltheoretische Analyse der Aufstockungswirkungen durch Subventionen ......................................................... 108
4.5 Preis- und Mengensteuerung auf Zertifikatmärkten: Handelbare Emissionsrechte und Abgaben ................................................... 123 4.5.1 Konzeptionelle Ausgestaltungsmöglichkeiten und ihre Begründung ................................................................... 123 4.5.2 Modelltheoretische Analyse ......................................... 125
4.6 Die Anbindung fungibler Umweltnutzungslizenzen an das Ordnungsrecht: Auflagen und handelbare Emissonsrechte ......................... 136 4.6.1 Konzeptionelle Ausgestaltungsmöglichkeiten und ihre Begründung ................................................................... 136
Inhaltsverzeichnis
IX
4.6.2 Modelltheoretische Analyse ......................................... 139
4.7 Abgabenerhebung im Kompensationszusammenhang: Ordnungsrecht, handelbare Emissionsrechte und Abgaben ................................ 160 4.7.1 Konzeptionelle Ausgestaltungsmöglichkeiten und ihre Begründung ................................................................... 160 4.7.2 Modelltheoretische Analyse.........................................
163
5 Zusammenfassende Beurteilung der Leistungsfähigkeit gemischter Lenkungsstrategien ........................................................... 176 Literaturverzeichnis .............................................................
181
Tabellen- und Abbildungsverzeichnis Tabellen Tab. 1:
Konzeptionelle Spannungsfelder zwischen theoretischer Umweltökonomik und praktischer Umweltpolitik .............................
14
Tab. 2:
Überblick über die Modellvarianten ...................................
71
Abbildungen Abb. 1: Wirkungsweise ordnungsrechtlicher Emissionsnormen ..............
28
Abb. 2:
Statische Ineffizienz einheitlicher Emissionsnormen ................
30
Abb. 3:
Wirkungsweise von Emissionsabgaben (marginalanalytisches Kalkül) ....................................................................
44
Abb. 4:
Wirkungsweise von Emissionsabgaben (Kalkül in absoluten Größen)
36
Abb. 5: Wirkungsweise von Zertifikatlösungen (marginalanalytisches Kalkül ....................................................................
41
Abb. 6: Wirkungsweise von Zertifikatlösungen (Kalkül in absoluten Größen)
42
Abb. 7: Veränderung von Umweltnutzungspreisen bei fortschrittsinduziertem Nachfragerückgang in Abgabe- und Zertifikatsystemen ........
44
Abb. 8:
Wirkungsweise der Subventionierung von Emissionsreduktionen (marginalanalytisches Kalkül) .........................................
48
Abb. 9:
Wirkungsweise der Subventionierung von Emissionsreduktionen (Kalkül in absoluten Größen) ...........................................
49
Abb.10:
Implementationspfade umweltpolitischer Programme mit anreizendem (10 a) bzw. gemischtinstrumentellem Kern (10 b) ..............
65
Abb.11:
Einsatzmöglichkeiten von Subventionen im Ziel-Mittel-System der Umweltpolitik ............................................................
73
Abb.12:
Modelltheoretische Wirkung der Subventionierung von Vermeidungskosten ..............................................................
76
Abb.13:
Subventionsinduzierte Anreizwirkung in einem Auflagenverbund
77
Abb.14:
Ineffizienz der Spitzenlast-Subventionierung .........................
80
Abb.15:
Markt- und Preiswirkungen eines Auflagen-Subventions-Verbundes
82
Abb.16: Abgaben als Vollzugshilfe der Auflagenpolitik ........................
87
Tabellen- und Abbildungsverzeichnis
XI
Abb.17:
Abgaben als Anreizinstrument im Auflagenverbund .................
90
Abb.18:
Effizienzauswirkungen des Abgaben-Auflagen-Verbundes ..........
92
Abb.19:
Prinzip eines Abgaben-Auflagen-Verbundes mit dominanter Auflagenkomponente ........................................................
95
Abb.20a: Abgaben-Auflagen-Verbund mit dominanter Auflagenkomponente
97
Abb.20b: Abgaben-Auflagen-Verbund mit dominanter Abgabenkomponente
97
Abb.21:
Belastungswirkungen der Abgabenlenkung ........................... 100
Abb. 22:
Entlastungswirkungen durch Tarifdifferenzierung ................... 102
Abb. 23:
Belastungsveränderung durch Erhöhung des Abgabensatzes ....... 103
Abb. 24:
Anreizwirkungen im Tarifdifferenzierungsmodell .................... 104
Abb. 25:
Dynamische Anreizwirkung im Tarifdifferenzierungsmodell ........ 104
Abb. 26:
Anreizaufstockung durch Subventionen ............................... 109
Abb.27:
Entlastungspotential des Aufstockungsprinzips ...................... 111
Abb.28:
Umwelttechnische Innovationen im Aufstockungsmodell ............ 113
Abb. 29:
Modifiziertes Aufstockungsmodell ......... .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. 113
Abb.30:
Anreizaufstockung im Abgaben-Auflagen-Lenkungszusammenhang 116
Abb. 31:
Preis- und Mengenlenkung auf Zertifikatmärkten ................... 126
Abb. 32a: Wirkungsweise kombinierter Abgaben-Zertifikat-Lenkung bei Preisabsprachen ............................................................... 128 Abb.32b: Wirkungsweise kombinierter Abgaben-Zertifikat-Lenkung bei Verdrängungsstrategien ............... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 Abb. 33a:
~?rrektur des Interventionssystems bei ,Entknappung' der Umweltguter ...................................................................... 132
Abb. 33b:
~?rrektur des Interventionssystems bei Verknappung der Umweltguter ...................................................................... 132
Abb.34a: Angebots- und Nachfragedispositionen eines Emittenten............
140
Abb.34b: Individueller Beitrag des Emittenten i zum Marktgeschehen ....... 140 Abb.35a: Zwei-Emittenten-Kompensationsmarkt ................................ 142 Abb. 35b: n-Emittenten-Kompensationsmarkt ................................... 142 Abb. 36:
Austausch von Emissionsgenehmigungen (marginalanalytisches Kalkül) .................................................................... 143
Abb.37:
Austausch von Emissionsgenehmigungen (Kalkül in absoluten Kostengrößen) ............................................................ 145
Abb. 38:
Emissionsrechtebudgetierung bei diskreten Technologiemengen ... 146
Abb.39:
Statische Allokationseffizienz im Auflagen-Lizenz-Verbund ......... 147
Abb.40:
Markteintritt neuer Emittenten im Verbundsystem aus Auflagen und Zertifikaten ......................................................... 151
Abb.41:
Innovationsanreize im Auflagen-Zertifikat-Verbund ................. 153
XII
Tabellen- und Abbildungsverzeichnis
Abb. 42:
Wirkungen einer Abgabenerhebung auf den Kompensationsmarkt ... 163
Abb.43:
Aufteilung des Effizienzgewinns im Verhandlungsgleichgewicht ... 164
Abb. 44
Belastungswirkungen einer Abgabenerhebung im Kompensationszusammenhang .......................................................... 168
Abb. 45:
Tarifdifferenzierung im Kompensationsverbund ....... . .............. 170
Abkürzungs- und Symbolverzeichnis Abkürzungen Abb. = AbbiIdung(en) AbwAG = Abwasserabgabengesetz Bd. = Band c. p. = ceteris paribus d. Verf. = der Verfasser ders. = derselbe dies. = dieselbe(n) EStG = Einkommensteuergesetz et al. = et alü etc. = et cetera f., ff. = folgende ggf. = gegebenenfalls = Grenzvermeidungskosten GVK HdWW = Handwörterbuch der Wirtschaftswissenschaft Hrsg. = Herausgeber i. e. = id est i. e. S. = im engeren Sinne Jg. = Jahrgang m. a. W. = mit anderen Worten ME = Mengeneinheit(en) N. F. = Neue Folge Nr. = Nummer s. = siehe S. = Seite sog. = sogenannt = Technische Anleitung TA Tab. = Tabelle(n) u. a. = unter anderem u.U. = unter Umständen UGB = Umweltgesetzbuch vgl. = vergleiche = Vermeidungskosten VK = Wasserhaushaltsgesetz WHG z.B. = zum Beispiel
XIV
Abkürzungs- und Symbolverzeichnis
Symbole G
Gewinn
p
k, K c
x
1C
r,X" e
v E t
T B
s
z
z x:.
m
a T
= Preis = (einzel wirtschaftliche) Kosten = (gesamtwirtschaftliche) Kosten = individuelle Zusatzbelastung durch staatlichen Verknappungseingriff = (einzelwirtschaftliche) Ausbringungsmenge = (gesamtwirtschaftliche) Ausbringungsmenge = gesamtwirtschaftliche Nachfrage- bzw. Angebotsfunktion für Gut X = einzelwirtschaftliche Emissionsmenge = vermiedene (oder beseitigte) Emissionen = gesamtwirtschaftliche Emissionsmenge
= (Emissions-)Abgabensatz = Abgabenaufkommen = Subventionssatz = Subventionsvolumen = Zertifikatkurs
= Ausgabenbetrag für Zertifikate gesamtwirtschaftliche Grenzvermeidungskostenfunktion = Kombinationsgrad einer Mischstrategie Zusatzgewinn = Effizienzgewinn (= Kostenerspamis durch Übergang von regulativer zu eftizienzorientierter Lenkung); zugleich: Differenzoperator Anteilssatz (0 < a < 1) (fiktiver) Anreizaufstockungssatz = zulässige Schwankungsbreite von Zertifikatkursen staatlicher Aktionsparameter staatlicher Parameterraum staatliche Verknappungsstrategie staatliche Strategiemenge Preiselastizität des Emissionsrechteangebots = Reallokation von Emissionsrechten Potenzmenge
= = = = =
n 11 (
= =
=
1 1.1
Einleitung
Problemstellung und -abgrenzung
Im Lichte der neueren Wohlfahrtsökonomik stellt sich die zu beobachtende Überbeanspruchung der natürlichen Lebensgrundlagen als Symptom für eine Störung preisvermittelter Allokationsprozesse dar, die prinzipiell knappe und unterschiedlichen Verwendungen zugängliche Umweltgüter infolge verzerrter Preissignale in ihrer Funktion als Aufnahmemedium für Abfallprodukte des Produktionsprozesses übernutzen. 1 Die Wirtschaftstheorie hat sich sehr frühzeitig bereits mit zahlreichen Möglichkeiten der instrumentellen Behandlung des Allokationsproblems der Steuerung konkurrierender Nutzungsansprüche an die Umwelt befaßt. Der ökonomischen Diagnose einer infolge der institutionellen Behandlung der Umwelt als Freigut konstituierten Diskrepanz einzelwirtschaftlicher und s0zialer Nutzungskosten entsprach dabei der von wirtschaftswissenschaftlicher Seite vorgetragene Therapievorschlag, durch Sichtbarmachen von Opportunitätskosten der Inanspruchnahme von Umweltgütern in einzelwirtschaftlichen Kalkülen die Effizienz marktlicher Lenkungsprozesse wiederherzustellen und auf diese Weise zu einem paretooptimalen Grad der Umweltnutzung zu gelangen. 2 Wie die umweltökonomische Diskussion und die umweltpolitische Praxis der letzten Jahrzehnte zeigen, vermögen jedoch weder die zu diesem Zwecke vorgeschlagenen Verhandlungsstrategien, bei denen sich Verursacher und Geschädigte exzessiver Umweltnutzung auf Märkten für externe Effekte begegnen, noch "hoheitliche Interventionsstrategien"3, bei denen direkte oder indirekte staatliche Eingriffe in die private Allokationssphäre zur Internalisierung externer Kosten führen sollen, dem allokationsth~ lStatt vieler siehe Siebert, H. (1911), S. 141 H.; ders. (1983), S. 8 H.; ders. (1985a), S. 1 H. 2Siehe Pigou, A. C. (1932), S. 112 H.; Thrvey, R. (1963), S. 309 H.; Dolan, E. D. (1911), S. 14 H.; zur Dogmengeschichte s. auch Heller, P. (1989), S. 12 fr., und Immler, H. (1985/89). 3Hansmeyer, K.-H. (1981), S. 8. 1 0awe1
2
1. Einleitung
retischen Postulat der optimalen Umweltnutzung im Bereich praktischer Anwendung gerecht zu werden. Bei der instrumentellen Spezifizierung umweltpolitischer Programme, soweit sie von ökonomischen Überlegungen getragen werden, wird in aller Regel von einem Instrumenttypus ausgegangen. Anschauungsmaterial hierzu liefert in jüngster Zeit die Diskussion um den umweltpolitischen Problemfall CO 2 , welcher wahlweise mittels Zertifikatsystemen, diversen Abgabevarianten oder technischer Auflagen in den Griff zu bekommen sein soll. Politische und theoretische Diskussion kreisen damit regelmäßig um einzelinstrumentelle Vorteilhaftigkeitsprofile, die in partialanalytischer Perspektive ermittelt werden. Dies geschieht ungeachtet der Tatsache, daß implementierte Realtypen sich stets in ein Geflecht weiterer, in der Regel bereits bestehender Instrumentvariablen eingebettet sehen und in ihrer Wirkung entsprechenden Seiteneffekten ausgesetzt sind. Die aufgezeigte holistische Tendenz im umweltpolitischen Diskurs reflektiert auch in der ökonomischen Theoriebildung eine lange Denktradition. Den aus ökonomischen Modellbetrachtungen deduzierten Vorschlägen zur instrumentellen Ausgestaltung des Korrekturmechanismus' lag dabei stets die Vorstellung zugrunde, durch Implementierung eines zusätzlichen Korrekturverfahrens lasse sich die Fehlallokation beseitigen. Diese monoinstrumentelle Perspektive hat interessanterweise bis heute alle nachfolgenden evolutorischen Entwicklungen und Paradigmenwechsel der umweltökonomischen Dogmengeschichte unversehrt überstanden und feiert in gegenwärtigen theoretischen wie praktischen umweltpolitischen Konzeptionen fröhliche Urständ. Die gegenwärtige Struktur staatlicher Umwelt eingriffe repräsentiert hingegen im politischen Raum entwickelte instrumentelle Rekombinanten, welche Vorschläge der ökonomischen Theorie allenfalls partiell rezipiert und zugleich konzeptionell nicht unerheblich verfremdet haben. Die sich hieraus ergebende Kluft zwischen wissenschaftlicher Politikempfehlung und konkreter Umweltpolitik hat zur Folge, daß sich die gegenwärtige Bewirtschaftung ökologischer Ressourcen ohne ein geschlossenes theoretisches Fundament vollzieht und daß die nur partielle Rezeption und vielfältige Verfremdung ökonomischer Anreizinstrumente in komplexen Instrumentbündeln in ihrer Wirkungsweise weder intuitiv nachvollzogen noch mit dem bisherigen ökonomischen Analyserahmen adäquat beschrieben werden können. Angemahnt wird daher eine Umorientierung der Theorie in bezug auf eine Öffnung gegenüber dem Gedanken instrumentell diversifizierten Vorgehens sowie eine stärkere Berücksichtigung abweichender Rahmenbedingungen in der realen Sphäre. 4 ·Siehe hierzu Abschnitt 2.3
1.1 Problemstellung und -abgrenzung
3
Zugleich öffnet sich eine Schere zwischen Problemerkennung und tatsächlicher Problembewältigung im theoretischen Raum, da die Erkenntnis der überragenden Bedeutung von Mischlösungen in der Umweltpolitik bislang kaum modelltheoretischen Niederschlag gefunden hat. Offenbar wird der erhöhte theoretische Komplexitätsgrad gescheut, der naturgemäß die Nachvollziehbarkeit der Analyse beschränkt und aufgrund der Vielzahl denkbarer Verknüpfungsmuster die Ergebnisprägnanz zu gefährden droht. Angesichts der theoretisch unbefriedigenden Problemlösungskompetenz und allenfalls bedingten praktischen Eignung holistisch gedachter, punktueller Korrekturkonzeptionen soll in der vorliegenden Arbeit eine systematische, theoretisch fundierte Wirkungsanalyse der in der umweltpolitischen Praxis stets vorzufindenden ,gemischten' Strategien zur Lenkung von Umweltgütern durchgeführt werden. Der Begriff der ,Mischstrategie ' wird im Schrifttum nicht einheitlich verwendet. Das bisweilen als Mischlösung apostrophierte Nebeneinander unterschiedlicher instrumenteller Formen der Umweltpolitik, welchen jeweils spezifische medial oder regional abgegrenzte Wirkungsbereiche zugewiesen sind,s im Sinne einer optimalen Aufteilung von Einzelinstrumenten auf differierende Funktionsfelder (beispielsweise ordnungsrechtliche Regulierung der Luftnutzung, Abgabenerhebung in der Wasserwirtschaft), ist nicht Gegenstand dieser Arbeit. Die vorliegende Untersuchung will vielmehr die sich aus dem gleichzeitigen Einsatz verschiedener Instrumenttypen an ein und demselben Regelungsobjekt ergebenden Wirkungsüberlagerungen und -beeinträchtigungen analysieren, die ein Instrumentenverbund gegenüber der isolierten Anwendung der einzelnen Komponenten hervorbringen wird. Der Schwerpunkt liegt dabei in der Analyse der Verschränkung von Instrumenten des dem oben skizzierten Internalisierungsansatz entspringenden Verursacherprinzips; gemein last orient ier te Maßnahmen finden nur insoweit Berücksichtigung, wie ihnen durch unmittelbare Beeinflussung der für allokative Dispositionen der Privaten relevanten Parameter eine gezielte Lenkungsfunktion zukommt (Subventionen).6 Ausgeklammert bleibt dagegen die Betrachtung einer ergänzenden Anwendung des Gemeinlastprinzips, wo eine Induktion veränderter einzelwirtschaftlicher Verhaltensweisen nicht unmittelbar beabsichtigt oder nicht mehr möglich ist (etwa im Bereich der Sanierung von Altlasten). Unter einer gemischten Lenkungsstra5S 0 etwa Jürgensen, H. (1977), S. 238 und Frey, B. S. (1985), S. 129; s. auch Kohn, S.-Chr. (1971), S. 281. 61n diesem Zusammenhang ist in der Literatur verschiedentlich von der Sonderform des "gelenkten Gemeinlastprinzips" gesprochen worden - vgl. Rat von Sachverständigen für Umweltfragen (1974a), S. 156; Kabelitz, K. R., Köhler, A. (1977), S. 13.
'*
1. Einleitung
4
tegie für Umweltgiiter soll somit im folgenden der kombinative Einsatz von zur Beeinflussung einzel wirtschaftlicher Allokationsentscheidungen konzipierter Instrumentvariablen für umweltpolitische Zwecke in einem medial und regional spezifizierten Wirkungsbereich verstanden werden.
1.2
Gang der Untersuchung
Das sich anschließende Kapitel 2 ist zunächst der Darstellung der Genese des Mischgedankens aus den Unzulänglichkeiten der isolierten Anwendung theoretisch deduzierter Einzelinstrumente heraus gewidmet. Ausgehend von einer Kennzeichnung der Spezifika der aus der theoretischanalytischen Behandlung des Umweltproblems hervorgegangenen Ansätze (2.1) sollen die sich beim Versuch ihrer Anwendung ergebenden Widrigkeiten in allgemeiner Weise beleuchtet (2.2) und die hieraus resultierende Kluft zwischen Politikempfehlung normativer Wirtschaftstheorie und praktischer Umsetzung in umweltpolitisches Handeln problematisiert werden (2.3). Instrumentelle Mischlösungen, die sich hierbei als ein Ansatzpunkt zu deren Überwindung anbieten, erfahren sodann in Kapitel 3 eine konzepti~ nelle Grundlegung. Nach einer kurzen Rekapitulierung der im Schrifttum verbreiteten Kriterien zur Evaluierung instrumenteller Lösungsmöglichkeiten (3.1) sollen ausgewählte Instrumenttypen vor dem Hintergrund des entwickelten Kriterienkataloges in einer einfachen modelltheoretischen Betrachtung in ihrer steuerungspolitischen Begrenztheit bei isoliertem Einsatz vorgeführt werden (3.2). Hierbei wird einerseits die in Kapitel 2 nur global diskutierte Problematik an konkreten Instrumentkategorien spezifiziert, andererseits durch die Präsentation des analytischen Modellrahmens und die Erarbeitung spezifischer Kriterienerfüllungsprofile, deren Komplementaritätsgrad die Eignung zu kombinativen Verknüpfungen entscheidend determiniert, auf die Analyse von Mischkonzepten hingeführt. Abschnitt 3.3 schließlich stellt in allgemeiner Weise die angestrebten Vorteile der Mischstrategie aus praktischer Sicht den möglichen ökonomischen Implikationen einer Lösung des Zweitbesten gegenüber. Kapitel 4 dient der analytischen Vertiefung dieser Problematik. Anhand ausgewählter Kombinationsmuster (4.1) soll jeweils zunächst der Frage nachgegangen werden, welche Überlegungen eine derartige Verknüpfung angeraten erscheinen lassen, um hieran anschließend in der Modellanalyse die behauptete Kompatibilität zu prüfen und mögliche Kontraindikationen aus ökonomischer Sicht zu eruieren.
1.2 Gang der Untersuchung
5
Den Abschluß bilden übergreifende Überlegungen zu den Möglichkeiten der Erhöhung steuerungspolitischer Leistungsfähigkeit in der Umweltpolitik durch den Übergang von Einzelinstrumenten zu Instrumentverbundlösungen sowie zur Eignung alternativer Instrumentenbündel (Kapitel 5).
2 Globale Schwachstellenanalyse "gesamthafter Ansätze" zur Allokation von Umweltgütern
2.1
Charakterisierung "gesamthafter Ansätze"
Die von der Wirtschaftswissenschaft zur Behebung allokativer Dysfunktionalitäten bei der Inanspruchnahme assimilativer Umweltdienste entwickelten Steuerungsinstrumente der ersten Generation reflektieren noch eine in der traditionellen wohlfahrtstheoretischen Analyse wurzelnde Problemsicht. Mit der Identifizierung der Umwelt als ökonomischem Gut, dessen aus konkurrierenden Nutzungsansprüchen erwachsende Knappheit durch seine Unterwerfung unter die marktlichen Allokationsregeln effizient zu begegnen sei, zielt die Modellbetrachtung auf das gesamtwirtschaftliche Optimum der Umweltnutzung, bei dem die Inanspruchnahme assimilativer Umwelt dienste so lange ausgedehnt wird, bis die aus dieser Nutzung erwachsenden marginalen, gesamtwirtschaftlichen Schäden den marginalen Kosten zu ihrer Verhinderung entsprechen. 7 Infolge der bei der Umweltnutzung auftretenden Externalitäten, dem hohen Öffentlichkeitsgrad vieler Umweltgüter und dem Fehlen geeigneter exklusiver Nutzungsrechte, die einen marktlichen Interessenausgleich ermöglichten, werden Umweltressourcen indes unter Abweichung von diesen, maximale gesellschaftliche Wohlfahrt indizierenden Marginalbedingungen alloziiert. 8 Vor dem Hintergrund dieses marginalanalytischen Optimalkalküls sollte das ideale instrumentelle Korrektiv durch Internalisierung sämtlicher bislang externen Opportunitätskosten der Umweltnutzung in einem marktlichen Prozeß die dem Pareto-Kriterium genügende umweltpolitische 7Ygl. Mishan, E. J. (1974), S. 1293. 'Ygl. Buck, W. (1983), S. 96 C.j s. hierzu auch Buchanan, J. M. (1966), S. 404 ff.j Baumol, W. J. (1972), S. 307 ff.j Meade, J. E. (1973), S. 27 ff.j Bössmann, E. (1979), S. 95 ff.j Schlieper, U. (1980), S. 524 ff.
2.1 Charakterisierung »gesamthafter Ansätze"
7
Zielermittlung sowie dessen allokationseffizienteste Realisierung uno actu bewirken. 9 Derartige Strategien können daher insofern als "gesamthaft"lO bezeichnet werden, als sich bei ihrer Anwendung die zentralen Allokationsfunktionen der optimalen Zielfindung und der effizienten, zielgerichteten Lenkung von Ressourcen simultan durch dezentrale marktvermittelte Dispositionen der Wirtschaftssubjekte zu vollziehen vermögen. Hieraus ergibt sich unmittelbar, daß ihre Implementation den Einsatz weiterer, auf die Erreichung paretooptimaler Nutzungsstrukturen der Umwelt gerichteter Instrumente erübrigt. ,Gesamthaften' Lösungen wohnt damit ein gewisser Ausschließlichkeitsanspruch inne, hinreichend für die optimale Ressourcenallokation zu sein. Unter die Kategorie ,gesamthafter' Ansätze lassen sich die auf Coase l l zurückgehenden Verhandlungslösungen auf Märkten für externe Effekte, die Auferlegung hoheitlich verfügter Zwangsabgaben in Höhe des externen Schadens (Pigou-Steuer 12 ) sowie curn grano salis den von Dales13 in die Diskussion eingebrachten Handel mit fungiblen Umweltnutzungsrechten subsumieren. In allen drei Fällen soll durch Generierung von Knappheitspreisen für die potentiellen Nutzer von Umweltgütern ein Indikator der durch die Durchsetzung ihrer Nutzungsansprüche bewirkten Opportunitätskosten institutionalisiert werden, anhand dessen einzelwirtschaftlich disponiert werden kann, ob die individuellen Ansprüche im Lichte gesellschaftlicher Knappheitsverhältnisse gegenüber anderen Nutzungswünschen Bestand haben können. 14 Diese pretiale Lenkung vollzieht sich in den Kooperationslösungen vom Coase- Typ als Ergebnis bilateraler Verhandlungsprozesse, in deren Verlauf durch Koordination der konträren Nutzungsansprüche der optimale Verschmutzungsgrad realisiert wird. Die Pigou-Steuer bedarf zwar förmlich der Zielvorgabe des Staates zwecks Erhebung eines adäquaten AbgabensatzeSj diese ist jedoch nach ursprünglicher Vorstellung Resultante des zuvor beschriebenen Optimalkalküls, in das alle gesamtwirtschaftlich relevanten Kosten der Umweltnutzung Eingang finden. Aufgrund der exakten Kenntnis der Kostenkurven vermag die Allokationsbehörde den optimalen Steu9Vgl. Zirrunermann, H. (1983), S. 18, sowie ders. (1984a), S. 320. lOZirrunermann, H. (1984a), S. 230. 11S. Coase, R. H. (1960). Zu neueren, insbesondere spieltheoretischen Entwicklungen im Bereich des Coa6e-Theorems 8. Weimann, J. (1990), S. 31 fI'. 12Siehe Pigou, A. C. (1932), S. 172 fI'. 13Siehe Dales, J. H. (1968), sowie ders. (1977). HSiehe Bonus, H. (1972), ders. (1976), S. 207-209, ders. (198&), S. 452 r., oder Hansmeyer, K.-H., Schneider, H. K. (1990), S. 14 fI'.
8
2. Schwachstellenanalyse "gesamthafter Ansätze"
ersatz festzusetzen. l5 Ähnliches gilt für die ursprüngliche Vorstellung von Zertifikatmärkten, auf denen Rechtstitel zur Nutzung von Umweltgütern Gegenstand von Tauschprozessen sind, für die unterstellt wurde, auch die präsumptiv Geschädigten würden durch eine marktrelevante Artikulation ihrer Präferenzen zur Bildung optimaler Zertifikatkurse im Sinne automatischer Zielniveaubestimmung beitragen. l6 Zusammenfassend lassen sich somit ,gesamthafte' Lenkungsstrategien kennzeichnen als aus der formal-abstrakten wohlfahrtstheoretischen Analyse hervorgegangene allokative Korrekturmechanismen, welche eine modellendogene Bestimmung der Optimalwerte umweltökonomischer Parameter bei gleichzeitig effizienter, d. h. kostenminimaler Realisierung gestatten und aus diesem Grunde keiner weiteren instrumentellen Ergänzung bedürfen. l7
2.2
Zur Dichotomie von allokationstheoretischem Anspruch und tatsächlichem Optimierungs beitrag
2.2.1
Probleme der Adäquanz modelltheoretischer Analysen
Zur Beurteilung der Frage, inwieweit der allokationstheoretische Optimierungsanspruch wohlfahrtstheoretischer Aussagensysteme bei dem Versuch ihrer Umsetzung in umweltpolitisches Handeln aufrechterhalten werden kann, wurde zunächst die Adäquationsproblematik modellhafter Abstraktionen kritisch analysiert. l8 Die dabei herausgestellte Inoperationalität der zur Ableitung des umweltökonomischen Optimalzustandes verwendeten globalen Kosten- und 15Ygl. Krüger, B. (1975), s. 30. 18So bei Tomann, H. (1977), S. 78 und 81; s. auch Endres, A. (198530), S. 35 f. 17 In der theoretischen Diskussion wurde bisweilen vielmehr auf Ineffizienzen hingewiesen, die sich bei der Erhebung von Pigou-Steuern. in Yerhandlungssituationen durch ,Nachverhandeln' ergeben. Auf das Auseinanderfallen der jeweiligen AllokationsergebniSlle machten erstmals Buchanan, J. M., Stubblebine, W. C. (1962), S. 371 fr., aufmerksam; zu der hierdurch ausgelösten Kontroverse um die (von Buchanan/Stubblebine bestrittene) Pareto-Optimalität des ursprünglichen (Pigou- ) Gleichgewichtszustandes s. Sohmen, E. (1976), S. 271 fr., und Endres, A. (1976), S. 154-158, mit weiteren Nachweisen. 18S. hierzu Rat von Sachverständigen für Umweltfragen (1978), S. 540 fr.; Endres, A. (1981c), S. 2 fr.
2.2 Allokationstheoretischer Anspruch und Wirklichkeit
9
Nutzengrößen, denen es an empirisch gehaltvoller begrifflicher Präzision ebenso gebricht wie an der Möglichkeit ihrer quantitativen Bestimmung, führt zur Unbrauchbarkeit des theoretischen Internalisierungskonzepts als Maßstab effizienter Einsatzmöglichkeiten umweltpolitischer Instrumente. Aufgrund der zur Realisierung der postulierten Marginalbedingungen erforderlichen Informationsvoraussetzungen bezüglich der Kenntnis komplexer Emissions-Immissions-Wirkungszusammenhänge, der physischen Schadensfunktion, ihrer interpersonell zu vergleichenden Bewertung nach Maßgabe individueller Nutzenvorstellungen, der volkswirtschaftlichen Kosten der Reallokation von Produktionsfaktoren in den Umweltschutzbereich und der hierbei auftretenden Zieleinbußen anderer gesamtwirtschaftlicher Zielgrößen kommt dem wohlfahrtstheoretischen Ansatz für die praktische Umweltpolitik allenfalls die Funktion eines generellen, gesellschaftliche Idealzustände abbildenden Referenzsystems zu, nicht jedoch diejenige unmittelbar umsetzbarer Lenkungsanweisungen mit endogener Zielbestimmung. 19 2.2.2
Probleme der politisch-administrativen Implementation
Mußten die vorgenannten Überlegungen bereits zu einer erheblichen Reduzierung des normativ-theoretischen Anspruchsniveaus führen, so ist bei der Institutionalisierung allokativ korrigierender Instrumente zu berücksichtigen, daß diese bis zur Anwendung einem Prozeß der politisch-administrativen Implementation ausgesetzt sind, in dessen Verlauf ökonomische Anreizinstrumente ihrer Funktionstüchtigkeit abträgliche Deformationen erfahren, in denen sich vielfaItige Interessenwiderstände der in diesen Prozeß als Aktoren oder Betroffene involvierten Gruppen manifestieren. 2o Dabei begegnen sich in der auf die ökologische Problemerkennung und -artikulation folgenden Phase der Politikformulierung, in der die umweltpolitische Zielfixierung und Entwicklung instrumentell spezifizierter Programmstrukturen angesiedelt sind, politische Entscheidungsträger und planende Exekutive in Gestalt der Ministerialbürokratie einerseits sowie die Interessenverbände und die Wahlbürger andererseits. In der sich anschließenden Implementationsphase im engeren Sinne, der die Durchführung der auf den vorgelagerten Stufen beschlossenen politischen Programme obliegt, interagieren subalterne Vollzugsbehörden mit den Normadressaten. 21 Die jeweilige Interessenlage der politischen Entscheidungsträger, der 19V9l. Buck, W. (1983), S. 191. 20Siehe Fürst, G. (1978), S. 6 f. 21 Siehe Mayntz, R. (1980), S. 238, Wld Fürst, G. (1978), S. 15.
10
2. Schwachstellenanalyse "gesamthafter Ansätze"
Bürokratie, der Verbände als politischen Repräsentanten der Privatwirtschaft sowie jene der Wähler steht jedoch der systematischen und theorieadäquaten Übertragung ökonomischer Lenkungsstrategien in die Realität entgegen. Von den grundsätzlichen politischen Schwierigkeiten, Umweltschutz, verstanden als wie auch immer geartete Regulierung der Nutzung von Umweltgütern, im gesellschaftlichen Zielkatalog zu verankern, soll hier abgesehen werden,22 da an dieser Stelle die Widerstände gegenüber spezifisch ökonomischen Regelungssystemen, speziell den gesamthaften Ansätzen, schlaglichtartig beleuchtet werden sollen. Dabei ist zu unterscheiden zwischen retardierenden Momenten im Implementationsprozeß, die auf eine grundsätzliche Ablehnung marktlicher Lenkungsstrukturen zurückzuführen sind, und solchen Widerständen, die an der als unannehmbar empfundenen Ausschließlichkeit der Lenkungskompetenz ökonomischer Instrumente Anstoß nehmen. Politische Mandatsträger , welche sich in demokratisch verfaßten Gemeinwesen in periodischen Abständen dem Urteil des Wählers zu stellen haben und denen nach dem Paradigma ökonomischer Politiktheorien 23 das Bestreben nach Machterhaltung und Einflußmehrung unterstellt werden kann, werden insbesondere dann mit erfolgreichen Wahlausgängen rechnen können, wenn es ihnen auf umweltpolitischem Gebiet gelingt, sich rasch offenbarende, für den Wähler sichtbare und dem Politiker zu rechenbare Erfolge vorzuweisen, deren hierzu erforderliche Kosten sie indes durch breite Streuung unter die politische Merklichkeitsschwelle zu drücken beabsichtigen werden. 24 Zugleich besteht ein Bedarf an eher symbolischem Aktionismus, der die konsequente Durchführung und Absicherung umweltpolitischer Programmatik hinter deren öffentlichkeitswirksamer Einbringung zurücktreten läßt. Politisches Handeln ist damit I input orientiert '.25 Vor dem Hintergrund derartiger Interessenkonstellationen nimmt es nicht wunder, daß ökonomischen Internalisierungsstrategien, deren Wirksamkeit die Bewältigung komplexer Kausalketten voraussetzt,26 mithin einen gewissen Zeitbedarf erfordert, die ferner durch ihre dezentrale Wirkungsweise an politischer Zurechenbarkeit entbehren und zudem durch Anlastung externer Schäden verteilungspolitisch selektivund merklich belastend wirken, 22Hierzu s. etwa Rat von Sachverständigen für Umweltfragen (1974a), S. 11 f.; Wicke, ~1991), S. 425 !f., und Nowotny, E. (1974), S. 109 !f. 2 Siehe Schumpeter, J. A. (1946), Downs, A. (1968). 24Vgl. Frey, B. S. (1985), S. 135. 2& Frey, B. S. (1985), S. 136; zum Konzept symbolischen Handelns in der Politik s. auch Edelman, M. (1990). 2t1Vgl. Fürst, G. (1978), S. 31. L.
2.2 Allokationstheoretischer Anspruch und Wirklichkeit
11
bei der politischen Behandlung des Umweltproblems keine Priorität zukommt. Auch die Vorstellung bürokratischer Verwaltungsinstanzen als interessenpolitischer pouvoir neutre, der ohne Eigeninteresse lediglich um den Vollzug der von politischen Willensträgern gestellten Aufgaben bemüht sei,27 geht insoweit fehl, als daß ihre Mitwirkung an der Problemdefinition und der instrumentellen Ausgestaltung umweltpolitischer Strategien sowie der ihnen obliegende Vollzug zur Durchsetzung spezifischer Eigeninteressen instrumentalisiert werden. Diese Interessen können in der ständigen Ausweitung der Verfügungsmacht über Sachmittel und Personalbestände sowie der Erringung eines originären Kompetenzbereiches erblickt werden. Bürokratische Kompetenzfelder werden durch weite Ermessensspielräume begründet und durch mittels vorteilszuführender Leistungsgewährung geschaffene Abhängigkeiten gesichert (Interessenharm0nie zwischen Leistungsempfängern und Leistungsverwaltern). Als dominante Verhaltensimpulse gelten daher die Mehrung der Ressourcenkontrolle durch das betreffende Ressort sowie die Vermeidung bzw. Minimierung mit ,politischen Kosten' verbundener Konfliktlagen. 28 Ökonomische Ansätze, die auf einer Reduzierung der allokativen Einflußmöglichkeiten hoheitlicher Instanzen zugunsten marktlicher Selbststeuerung basieren, stehen damit in offensichtlichem Konflikt zum Geltungsbedürfnis exekutiver Organe. Aus der Sicht der Emittenten von Schadstoffen als potentiellen Normadressaten wird der Übergang von freier Nutzung assimilativer Umweltdienste zur entgeltlichen Nutzung durch volle Anlastung externer Kosten sowie das Fehlen von Einflußmöglichkeiten in der Vollzugsphase negativ beurteilt. Die ökonomische Ratio gesamtwirtschaftlich effizienter Faktorallokation tritt zugunsten verteilungspolitisch motivierter Widerstände zurück. 29 In dem Bemühen, die Institutionalisierung ökonomischer Korrektive zu konterkarieren, werden politische Entscheidungsträger und Verursacher gestützt durch Vorbehalte der Öffentlichkeit gegenüber der ökonomischen Bewältigung des Umweltproblems, die in einer nicht problemadäquaten Rezeption des ökonomischen Ansatzes wurzeln. Lediglich pretial gelenkte Individualentscheidungen über die Verschmutzung der Umwelt erscheinen weithin in einer durch juristisch-technisches Eingriffsdenken geprägten 27Zur älteren Neutralitätsthese der Bürokratietheorie, die maßgeblich von Weber, M. (1972) geformt wurde, 8. Roppel, U. (1979), S. 14 H. 28 8. Fürst, G. (1978), S. 30 H. 29 8. Prud'homme, R. (1981), S. 396; Ewringmann, D., Zimmermann, K. (1978),8. 76 f.; Anderson, F. R. et GI. (1977), S. 157 H.
12
2. Schwachstellen analyse "gesamthafter Ansätze"
Ordnungsvorstellung bei der Tragweite der Problematik verfehlt und werden als sozialethisch desorientierend wahrgenommen. 3o In dem Maße, wie auf der Zielebene noch Konsens über eine an der ökonomischen Internalisierung orientierte Verursacherregel hergestellt werden kann, verlagern sich unausgetragene Konflikte, die sich aus den vorgenannten Interessenstrukturen ergeben, auf die Ebene instrumenteller Ausgestaltung und des Vollzuges31 und führen spätestens dort zu Abweichungen von der theoretischen Konzeption. 2.2.3 Der Einfluß marktlich-institutioneller Rahmenbedingungen als restringierender Faktor Selbst wenn es gelänge, in idealer Weise verursacherbezogene Maßnahmen aus dem (im normativen Anspruch gemäß 2.2.1 entsprechend reduzierten) theoretischen Konzept ohne Abstriche durch den politischadministrativen Implementationsprozeß zu schleusen, so fänden die solchermaßen installierten Mechanismen in der Realität nicht die in der Modellbetrachtung zum Nachweis ihrer Effizienz unterstellten Rahmenbedingungen vor. 32 Vielmehr werden die aus der theoretischen Analyse deduzierten Steuerungserfolge maßgeblich durch das Abweichen realer Wirkungsbedingungen von den Modellprämissen hinsichtlich der Einbettung der Internalisierungsvorgänge in ein insgesamt marktlich organisiertes System ökonomischer Tauschhandlungen, der marktstrukturellen Bedingungen konkurrenzwirtschaftlicher Interaktionen, unendlich rascher Anpassungsgeschwindigkeiten und der Abwesenheit von Transaktionskosten sowie spezifischer Verhaltensannahmen der Wirtschaftssubjekte, um nur einige zu nennen, stark beeinträchtigt. Die somit abschließend in der Wirkungsphase erfolgende Konfrontation mit gänzlich veränderten Rahmenbedingungen, etwa in Gestalt von Verhaltensrigiditäten, vermachteten Märkten oder nicht-marktlichen Bezugsrahmen, in denen staatliche Allokationsentscheidungen einzelwirtschaftliche Dispositionen in vielfältiger Weise prädeterminieren, führt zu (unter 3.2 näher zu spezifizierenden) Wirkungsbrüchen in der Lenkungsfunktion33 30So etwa Nagel, G. (1980), S. 3511., und Kelman, St. (1981), S. 27 11. Für empirische Untersuchungen zur ,Amoralität des Preissystems' 8. Frey, B. S. (1990), S. 139 11., mit weiteren Nachweisen. Der Problematik hat sich auch Bonus immer wieder angenommen 8. z. B. Bonus, H. (1981), sowie ders. (1985). 31Ygl. Rat von Sachverständigen für Umweltfragen (1978), S. 564. 32S. Hansmeyer, K.-H. (1981), S. 18. 33Ygl. Siebert, H. (1976&), S. 5511., und ders. (1976b), S. 41 11.
2.3 Abwendung von erstbesten Lösungen
13
und damit zu erheblichen Modifikationen im Wirkungsspektrum, deren wohlfahrtssteigernder Effekt damit in Frage gestellt ist.
2.3 Die Abwendung von erstbesten Lösungen und ihre Konsequenzen für eine rationale Gestaltung der Umweltpolitik Der in 2.2 gegebene Überblick zeigt, daß das von der Wirtschaftswissenschaft ursprünglich vorgesehene Instrumentarium -
hinsichtlich der Optimierungsfunktion durch modellendogene Bestimmung paretooptimaler Werte umwelt relevanter Aktionsparameter inoperabel war und eine informationelle Überforderung der praktischen Umweltpolitik bedeutete,
-
seine Chancen zur theorieadäquaten Umsetzung in die ökonomische Realität durch interessenbedingte Widerstände minderte, die dem Konflikt zwischen den Interessen der am Implementationsprozeß Beteiligten und dem hiermit konfligierenden Anspruch des pretialen Lenkungsparadigmas auf ausschließliche Lenkungskompetenz entsprangen; ökonomische Konzepte besaßen damit von vorneherein allenfalls Aussicht auf stark modifizierte, vom theoretischen Konzept abweichende Ausgestaltungen, und schließlich durch Vernachlässigung in der Realität abweichend von der Modellbetrachtung vorzufindender Rahmenbedingungen die behauptete allokative Superiorität in praxi nicht entfalten konnte.
Die Gründe für die aufgezeigte konzeptionelle Dichotomie zwischen Theorie und Praxis der Umweltpolitik zerfallen damit grob in drei Abteilungen: 34 Es hat sich zum einen gezeigt, daß ökonomische Ansätze durch den Anspruch auf vollständige Reorganisation bisheriger Umweltschutzbemühungen zugunsten einer erschöpfend regelungsfahigen marktlichen Steuerung ihre Erprobungsmöglichkeit weitgehend verwirkt hatten. Das Erfordernis inkrementaler Fortentwicklung umweltpolitischer Programmstrukturen35 kühn ignorierend, liefen Vorschläge der theoretischen Umweltökonomik faktisch auf eine Totalrevision bestehender Lenkungsinstitute hinaus. Einen weiteren Erklärungsansatz liefern Überlegungen zur politischen Akzeptanz pretialer Steuerungsmuster an sich, welche in vielfaItiger Weise auf das staatliche Eingriffs- und politische Interessengeflecht verändernd einwirken: die hiervon erwarteten Vorteile in 34 8. hierzu auch Blümle, G. (1981). 358iehe hierzu den interessanten Beitrag von Lindbiom, eh. E. (1975).
14
2. Schwachstellenanalyse "gesamthafter Ansätze"
Gestalt verbesserter Lenkungseffizienz oder höherer Umweltqualität fallen dabei in Form öffentlicher Güter an, von deren Genuß kein Ausschluß möglich scheint; die mit ihrer Implementation verbundenen Belastungswirkungen inzidieren hingegen in wohldefinierbaren Interessenkreisen. Ein dritter Grund mag in der mangelnden Realitätsnähe von auch im allokationstheoretischen Anspruchsniveau ermäßigten Ansätzen erblickt werden. Somit lassen sich schematisch drei konzeptionelle Spannungsfelder zwischen theoretischer Umweltökonomik und praktischer Umweltpolitik ausmachen (Tab. 1). Tab. 1: Konzeptionelle Spannungs/elder zwischen theoretischer Umweltökonomik
und praktischer Umweltpolitik
~ Systeme
theoretische
praktische
Umweltökonomik
Umweltpolitik
Sp&IUlungsfelder
1) Regelungsanspruch
a) Eingritfsparameter b) Lenkungskompetenz c) Implementationsmodus
a) einzelinstrumentell b) umfassend c) substitutiv
a) mischinstrumentell b) partiell c) inkremental
a) outputorientiert b) dezentral/selbststeuemd c) belastend d) Artikulation über Märkte
a) inputorientiert b) zentral/steuerungsbedürftig c) belastend/vorteilszuführend d) informelle Verhandlungen/ politischer Raum
a) gering b) restriktiv c) hochspezifisch
a) hoch b) weich c) universal
2) Politikmuster a) b) c) d)
Wirkungsziele Steuerungsverfahren Verteilungswirkung Interessenberücksichtigung
3) Integration von Rahmenbedingungen a) institutionelle Detailtreue b) Prämissensetzung c) Anwendbarkeit
Die von der ökonomischen Theorie bereitgestellten Ansätze, die all~ kative Potenz marktlicher Steuerungsmechanismen zu umweltpolitischen Zwecken zu instrumentalisieren, fanden dementsprechend in der Praxis kaum Resonanz. Die diesen Instrumenten von seiten der Ökonomen zuteil werdende Beachtung stand lange Zeit in krassem Gegensatz zu der ihnen
2.3 Abwendung von erstbesten Lösungen
15
in der Umweltpolitik entgegengebrachten Skepsis und Reserve. 36 Zu den in der Zwischenzeit eingetretenen Veränderungen im Verhältnis marktlicher und außermarktlicher Lenkungsparadigmen in der Umweltpolitik, bei denen Mischkonzepte eine zentrale Rolle spielen, wird unter 3.3 noch ausführlicher zu sprechen sein. Unverändert ist freilich die Dominanz traditioneller ordnungsrechtlicher Gestaltungselemente zu konstatieren, die das Umweltproblem durch zentrale staatliche Allokationsentscheidungen mit Hilfe von Ge- und Verbotsnormen anzugehen suchen, in Kombination mit gemeinlastorientierten Maßnahmen. Sofern überhaupt ökonomisch inspirierte Elemente Eingang in die praktische Politik fanden, sahen sie sich in ein Geflecht weiterer, dem Ordnungsrecht zugehöriger sowie dem Gemeinlastprinzip verhafteter instrumenteller Strategien eingebettet, welches somit als Instrumentenbündel im eingangs beschriebenen Sinne zu charakterisieren ist. Somit hat sich die Theorie mit dem Faktum auseinanderzusetzen, daß praktische Umweltpolitik stets durch gemischten Instrumenteneinsatz unter Einbeziehung von dem wohlfahrtstheoretischen Optimierungskalkül prinzipiell wesensfremden Korrekturmechanismen gekennzeichnet war und dies bei realistischer Einschätzung der Sachlage wohl kaum zu ändern sein dürfte. Angesichts der geringen praktischen Relevanz idealer ökonomischer Internalisierungsstrategien hat die Theorie zunächst von der Vorstellung einer modellendogenen Zielfindung Abstand genommen. An die Stelle automatischer Generierung paretooptimaler Zielniveauwerte ( Optimierungs/unktion) trat die effiziente, d. h. zu minimalen volkswirtschaftlichen Kosten bewirkte Erreichung aus dem politischen System exogen vorgegebener Zielwerte (K ostenminimierungs/unktion )37 unter pragmatischer Orientierung an quantifizierbaren Vermeidungskosten. 38 An der auf diese Weise ihrer wohlfahrtsmaximierenden Funktion entkleideten ,gesamthaften Strategie' wurde jedoch insoweit festgehalten, als daß zur Zielerreichung weiterhin jeweils nur ein Instrument als ausreichend betrachtet wurde und bei der Analyse von (im Anspruchsniveau entsprechend ermäßigten) Ansätzen in für die praktische Politik unbefriedigendem Maße von der Existenz abweichender Rahmenbedingungen in der Realität abstrahiert wurde. Das zwischen konkreter Umweltpolitik und wirtschaftswissenschaftlicher Politikempfehlung bestehende Spannungsverhältnis bedeutet für die Aufgabenerfüllung im Bereich des Umweltschutzes, daß die gegenwärtige 36 80 noch die Einschätzung bei Hansmeyer, K.-H. (1981), S. 15; ähnlich äußert sich auch Kabelitz, K. R. (1984a), S. 54. 37Siehe Baumol, W. J., Oates, W. E. (1971), S. 44 ff., und dies. (1988), S. 159 ff., insbesondere S. 163 f. 38S. Rat von Sachverständigen für Umweltfragen (1978), S. 541.
16
2. Schwachstellenanalyse "gesamthafter Ansätze"
Bewirtschaftung von Umweltgütern einer geschlossenen theoretischen Fundierung mit ökonomischem Rationalitätsanspruch nahezu vollständig enträt. Da die gesellschaftliche Transformationsrate zwischen dem Grad der Umweltqualität und anderen Wohlfahrtskomponenten vor allem vom Preis bzw. den Opportunitätskosten des Umweltschutzes bestimmt wird, folgt hieraus logisch notwendig auch eine vergleichsweise geringere Umweltqualität als die gesamtwirtschaftlich optimale: die umweltpolitische Strategie wirkt so auf das umweltpolitische Ziel zurück. Die in diesem Zusammenhang Verwendung findenden komplexen Instrumentenbündel, die durch nur partielle Rezeption und vielfaItige Verfremdung ökonomischer Anreizinstrumente hervorgegangen sind, können zudem in ihrer Wirkungsweise weder intuitiv nachvollzogen noch mit dem bisherigen ökonomischen Analyserahmen adäquat beschrieben werden. Um zu einer Überwindung der steuerungspolitischen Ineffizienz des gegenwärtigen praktischen Vorgehens und ihrer Gefahren für die Bewältigung des Umweltproblems beizutragen, werden an die Umweltökonomik nunmehr die Forderungen herangetragen, -
von der bislang unter theoretischen Idealbedingungen erfolgenden Instrumentenanalyse durch Ausrichtung an den realiter gegebenen ökonomischen Verhältnissen zu Aussagen zu kommen, wie die allokative Überlegenheit ökonomischer Lenkungsstrategien "angesichts der bestehenden Restriktionen und Rahmenbedingungen durch bestimmte Formen der instrumentellen Ausgestaltung möglichst weitgehend erhalten werden (kann)"39,
-
und sich bei der Analyse gegenüber dem bestehenden umweltpolitischen Instrumentarium zu öffnen sowie im Sinne einer stärkeren Akzentuierung positiver Ökonomik die nur schrittweise Verkürzung des Abstandes zum Pareto-Optimum durch Ergänzung bestehender Regelungen als die sich unter den gegebenen Umständen eigentlich stellende Aufgabe zu betrachten. 4o
Nur wenn es gelingt, sich von der rein normativ motivierten Beschreibung "der Bedingungen erster Ordnung für einen nicht existenten Zustand"41 zu lösen und verstärkt den sukzessiven Annäherungsprozeß an den imaginären Optimalzustand mit den sich hierbei ergebenden Widrigkeiten und Konflikten zum Gegenstand umweltökonomischer Forschung 39Hansmeyer, K.-H. (1981), S. 19; s. auch Kabelitz, K. R. (1984a), S. 60. ~oSo Kabelitz, K. R. (1984a), S. 24 und 60, Endres, A. (1985a), S. 27, sowie Hansmeyer, K.-H. (1981), S. 18. 41 Krüger, B. (1975), S. 29.
2.3 Abwendung von erstbesten Lösungen
17
zu machen, kann die Wirtschaftswissenschaft ihren Einfluß bei der praktischen Gestaltung der Umweltpolitik geltend machen. 42 Dabei kann die Beschäftigung mit instrumentellen Mischlösungen einmal entsprechend der zweiten Forderung als Ausdruck der durch das gesellschaftlich-politische System erzwungenen Notwendigkeit des Aufbauens auf die vorhandene instrumentelle Infrastruktur aufgefaßt werden, andererseits aber auch (wie in 3.3 noch zu diskutieren ist) als die der ersten Forderung entsprechende Möglichkeit, sich durch widrige Wirkungsbedingungen der realen Sphäre ergebende Effizienzeinbußen einzelner Instrumente durch ergänzenden Instrumenteneinsatz abzufedern. Nun ist der Mischgedanke längst auch von den Ökonomen entdeckt worden und hat dementsprechend, parallel zur Praxis, auch in der theoretischen Diskussion Resonanz gefunden. Policy-mix-Überlegungen sind mithin weder als ganz neues Element in der umweltökonomischen Diskussion anzutreffen noch als vereinzelt vorgetragene Mindermeinung im Schrifttum vertreten. Vielmehr finden sich in nahezu allen umweltökonomischen Beiträgen Hinweise auf die Vorzüge gemischter Instrumenteneinsätze,43 deren Popularität im ökonomischen Diskurs der jüngsten Zeit geradezu dramatisch angestiegen ist und deren Notwendigkeit mithin kaum mehr strittig sein dürfte. 44 Allerdings kontrastiert die allseits beifällige Aufnahme der Idee von Mischkonzeptionen als adäquater Problemlösungsstrategie für die umweltpolitische Praxis auffällig mit dem Ausmaß ihrer Behandlung bei Wirkungsanalysen umweltökonomischer Instrumentarien. Üblicherweise wird dabei einer ausführlichen Evaluierung einzelner Instrumenttypen, in deren Verlauf sich keine Maßnahme als in jeder Hinsicht überlegen herausschält, die wirkungsanalytisch nicht weiter problematisierte Forderung angefügt, .2Ebenso: Zohlnhöfer, W. (1981), S. 56 . • 3S. Gerhard, P. H. (1972), S. 153, 160, 169 f.; Jürgensen, H. (1912), S. 4; den. (1911), S. 221, 239; Rehbinder, E. (1913), S. 40 C., 96 C., 128, 161, 115; den. (1915), S. 516; Schatz, K W. (1914), S. 130; Rincke, G. (1914), S. 126 H., 153 C.; Oberhauser, A. (1914a), S. 42 C.; Rat von Sachverständigen Cür UmweltCragen (1914), S. 162; den. (1918), S. 536, 564 C.; Baumol, W. J., Oates, W. E. (1988), S. 200 H., 206; KabeIitz, K. R., Köhler, A. (1911), S. 48 H.; dies. (1918), S. 56 H., 60; Osterkamp, R. (1918), S. 253; Bea, F. X. (1918), S. 191, 206; Frey, B. S. (1918), S. 55; ders. (1985), S. lOS, 123, 129; Kösters, R. (1919), S. 191; Kötzle, A. (1980), S. 11, 122 H.; Bonus, H. (198Oc), S. 16-18; Binswanger, H. C., Bonus, H., Timmermann, M. (1981), S. 130 C., 131, 152 H.; Hanameyer, K-H. (1981), S. 18 C.; Fischer, H. P. (1981), S. 412; Nießlein, E. (1981), S. 153 H.; Buck, W. (1983), S. 223,251,313,311; Kabelitz, KR. (1984a), S. 23, 60, 178 C., 196, 201 C.; Sprenger, R.-U. (1984a), S. 11; Zimmermann, H. (1984b), S. 71 f.; Ewringmann, D., Schafhausen, F. (1985), S. 3, 55, 59 H., 398; Endres, A. (1985a), S. 14,19 f., 27; Buttgereit, R. (1991), S. 192. uSo etwa die Beiträse in: Deutsche Stiftung für UmweltpoIitik (1984), S. 11, 20 H., 33 f., 71 f., sowie Bonus, H. fit 41. (1984), S. 43, 51. 2 Oawe1
18
2. Schwachstellen analyse "gesamthafter Ansätze"
zwecks umweltpolitischer Optimierung diese und jene Instrumente zu einem Verbund zusammenzuführen. 45 Der Erkenntniswert aus einer derartigen Betrachtung gewonnener Aussagen bleibt naturgemäß begrenzt, wenn diese sich nicht sogar schon in dem Hinweis erschöpfen, "in der wohldosierten Mischung der ,reinen Strategien' liegt die Kunst der praktischen Umweltpolitik"46, ohne der für die Praxis essentiellen Frage nachzugehen, wie denn ein solcher Verbund auszusehen habe bzw. mit welchen ökonomischen Wirkungen jeweils zu rechnen ist. Die in der Literatur nur sporadisch anzutreffenden Überlegungen zur Wirkung instrumenteller Verbundsysteme sollen daher in dieser Arbeit systematisiert und vertieft werden. Dabei soll zugleich der Versuchung widerstanden werden, die Wirkungsanalyse durch abermalige Unterwerfung des Problemfeldes unter wohlfahrtstheoretische Optimierungskalküle zu dem theoretisch ebenso unwiderlegbaren wie praktisch unbrauchbaren und kontraproduktiven Resultat zu führen, daß" the optimal combination of these methods [of environmental policies, d. Ver/.] is attained when the marginal costs of reducing pollution are equal for all methods used. "47
USo etwa bei Rehbinder, E. (1973), S. 128, oder Buck, W. (1983), S. 313. "'Bonus, H., in: Binawanger, H. C., Bonus, H., Timmermann, M. (1981), S. 130 C. 4TShibata, H. (1981), S. 441; vgl. auch den. (1977), S. 104 ff. Auch Baumol/Oates beschreiten einen ähnlichen Weg zur Analyse einer Abgaben-Auflagen-Synthese - s. Baumol, W. J., Oatell, W. E. (1988), S. 190 ff.
3
Konzeptionelle Grundlagen gemischter Lenkungsstrategien für Umweltgüter 3.1
Evaluierungskriterien umweltpolitischer Instrumentvariablen
In der wohlfahrtstheoretischen Betrachtung konnte die Vorteilhaftigkeit instrumenteller Lösungsvorschläge durch das eindimensionale Kriterium allokativer Effizienz beurteilt werden, das infolge automatischer Zielfindung ökologische Effektivität ex dejinitione implizierte und durch modellhafte Abstraktion rechtliche oder politisch-administrative Probleme aus der Analyse hinwegdefinierte. 48 Für die praktische Umweltpolitik bedarf es jedoch der Untersuchung eines ganzen Kriterienbündels, das dem veränderten Anspruchsniveau ökologischer Lenkungsstrategien und ihrer verstärkten Ausrichtung an realen Rahmenbedingungen im Bemühen um institutionelle Detailtreue entsprechend Aspekte der politischen Durchsetzbarkeit ebenso umgreift wie Fragen rechtlicher Zulässigkeit. Der zur Evaluierung umweltpolitischer Instrumente in der Literatur herangezogene Kriterienkatalog49 zerfällt nach Sprenger 50 in , Konformitätskriterien " mit deren Hilfe zunächst die Adäquanz einzelner Instrumente vor dem Hintergrund eines bestehenden rechtlichen und wirtschaftspolitischen Ordnungsrahmens sowie im Hinblick auf die beabsichtigte Lenkungsrichtung abgeschätzt werden soll, sowie 48Vgl. Krüger, B. (1975), S. 29. 49S. z. B. Rehbinder, E. (1973), S. 41 C.; SchürInann, H. J. (1978), S. 401 H.; Kohn, s.-ehr. (1972), S. 336 H.; Rat von Sachverständigen Cür UmweltCragen (1974a), S. 162; Siebert, H. (1976a), S. 111 C.; Stamer, P. (1976), S. 34 H.; Baumol, W. J., Oates, W. E. (1979), S. 232; Knüppel, H. (1989), S. 74 H. 50Vgl. Sprenger, R.-U. (1984a), S. 46. 2·
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3. Konzeptionelle Grundlagen
-
,Optimierungskriterien', denen die Aufgabe zukommt, als ,konform' klassifizierte Instrumente durch Gegenüberstellung anwendungsbezogener Vor- und Nachteile in ihrem jeweiligen tatsächlichen Optimierungsbeitrag bei der Zielerfüllung zu analysieren.
3.1.1
Konformitätskriterien
a) Das Kriterium der Zielkonformität: Als grundsätzlich zielkonform kann ein umweltpolitisches Instrument dann gelten, wenn die von diesem Instrument gewählten Ansatzpunkte und die von ihm theoretisch ausgehenden Wirkungen im ökonomischen Prozeß die Gewähr dafür bieten, auf die Erreichung der gesetzten umweltpolitischen Ziele zweckentsprechend hinzuwirken. Somit wird eine allgemeine Zielkonformität der Instrumente durch Gesichtspunkte der rein technischen Eignung zu zielorientiertem Regelungsvermögen bestimmt (umweltpolitische ,Geeignetheit'). b) Das Kriterium der Rechts- und Systemkonformität: Instrumente zur Lenkung von Umweltgütern sind ferner auf ihre Kompatibilität mit dem bestehenden rechtlichen Normengefüge 51 ebenso zu prüfen wie auf möglichst friktionslose Einfügung in die ordnungspolitische Konzeption marktlieher Steuerung wirtschaftlichen Handeins. Das Kriterium wirtschaftspolitischer Systemkonformität soll darüber Aufschluß geben, ob einzelne Instrumente" unter dem Aspekt der wertenden Vorentscheidung über die wirtschafts- und umweltpolitische Generallinie zur Lösung des betreffenden Umweltproblems zugelassen werden können. ,,52
c) Das Kriterium der Widerspruchslosigkeit: Das Kriterium der Widerspruchslosigkeit bringt zum Ausdruck, daß das verwendete Instrumentarium in dem Sinne konsistent sein muß, daß Einzelmaßnahmen unter Berücksichtigung ihrer spezifischen Wirkungsweise stets nur sinnvoll komplementär verbunden werden, um sicherzustellen, daß die von ihnen ausgehenden Wirkungen sich nicht in unbeabsichtigter Weise wechselseitig konterkarieren oder durch kombinierten Einsatz zu einer unerwünschten Übersteuerung führen. 53 Das Konsistenzkriterium hat damit zwar in die Kriterienkataloge einiger Autoren Eingang gefunden, wird aber in seiner zentralen Bedeutung für die Beurteilung des Koordinationserfolges innerhalb einer instrumentell diversifizierten Steuerungspolitik nicht weiter verfolgt. Das speziell auf gemischte Strategien abzielende Kriterium der Widerspruchslosigkeit wird daher folgerichtig bei der Analyse einzelner Ver51 Vgl. Rehbinder, E. (1973), S. 43 ft'. 52Sprenger, R.-U. (1984a), S. 50. 53So auch Jürgensen, H. (1977), S. 227.
3.1 Evaluierungskriterien
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bundsysteme in Kapitel 4 zum entscheidenden Beurteilungsmaßstab für deren potentielle Leistungsfcihigkeit. 3.1.2
Optimierungskriterien
a) Das Kriterium des ökologischen Wirkungsgrades: Im Hinblick auf die nunmehr politisch fixierten Umweltqualitätsziele ist von den jeweiligen Instrumenten zu fordern, daß sie
-
die vorgegebene Zielnorm mit möglichst hoher Sicherheit und Präzision erreichen, der erzielte Umweltqualitätsstandard mithin keine unbestimmte Erwartungsgröße darstellt,
-
hierzu erforderliche Anpassungsprozesse rasch bewirken und durch Vermeidung inter- bzw. intramedialer Schadstoffsubstitutionsvorgänge nicht zu einer nur punktuellen oder temporären Entlastung der Umwelt führen. 54
b) Das Kriterium statischer Allokationseffizienz: Nach dem Kriterium der statischen Allokationseffizienz hat die Erreichung umweltpolitischer Ziele mit dem geringstmöglichen gesamtwirtschaftlichen Ressourcenverzehr zu erfolgen (kostenminimale Zielrealisierung). Diesem Effizienzkriterium haftet dabei insofern ein statischer Charakter an, als daß bei einer zu einem bestimmten Zeitpunkt vorzufindenden ökonomischen Datenkonfiguration durch kostenoptimale Strukturierung gesamtwirtschaftlicher Emissionsminderungsanstrengungen ein minimaler Aufwand das gegebene Ziel zu erfüllen gestattet. Hinzu tritt die Forderung, durch geeignete mediale oder regionale Differenzierung der Instrumentvariablen alternativen Knappheitsverhältnissen von Umweltgütern Rechnung zu tragen. 55
c) Das Kriterium dynamischer Allokationseffizienz: Die Fähigkeit umweltpolitischer Instrumente, allokative Effizienz vor dem Hintergrund eines sich ständig wandelnden ökonomischen Datenkranzes auch im Zeitablauf durch Induktion geeigneter Anpassungsprozesse zu bewahren bzw. fortzuentwickeln, kennzeichnet ihre dynamisch-allokative Potenz. Sie sollen dabei erstens vermittels einer ihnen zukommenden dynamischen Anreizfunktion eine dezentrale Hervorbringung umwelttechnischer Innovationen, d. h. eine Induktion technischen Fortschritts im Umweltbereich, bzw. die Implementation sich autonom vollziehender umwelttechnisch relevanter Fortschritte bewirken. 56 Denn technischer Fortschritt in der 54Vgl. Siebert, H. (197&), S. 42 f. 55Vgl. Siebert, H. (1978), S. 123 ff. 56Vgl. Cansier, D. (1978&), S. 150 f.
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3. Konzeptionelle Grundlagen
Emissionsvermeidungs- bzw. -beseitigungstechnologie erlaubt die Zielerreichung zu geringeren Kosten bzw. eröffnet die Möglichkeit, eine kontinuierliche Senkung der Inanspruchnahme der Umwelt als Aufnahmemedium für Abfallstoffe und damit einen zunehmenden Grad an ökologischer Zielverwirklichung zu realisieren. 57 Zweitens soll von umweltpolitischen Instrumenten keine wettbewerbsverfaJschende, d. h. die relative Leistungsfähigkeit der Wirtschaftssubjekte beeinträchtigende Wirkung ausgehen; ferner gilt es, durch die instrumentelle Spezifizierung von Umweltschutzprogrammen die Reibungslosigkeit des volkswirtschaftlichen Strukturwandels nicht zu behindern oder gar zu gefährden. 58 d) Das Kriterium distributiver Effizienz: Da die allokative Fehlsteuerung von Umweltgütern vor der staatlichen Korrektur der Rahmenbedingungen aus distributiver Sicht in externen Lastverschiebungen von Verursachern zu Geschädigten manifest wird, tangieren entsprechend korrigierende umweltpolitische Eingriffe zwangsläufig in vielfältiger Weise die verteilungspolitische Sphäre. 59 Soweit hierbei lediglich Verteilungsgerechtigkeit durch Internalisierung externer Kosten beabsichtigt ist, koinzidiert distributive Effizienz mit dem Kriterium allokativer Effizienz im Sinne des ursprünglichen Optimierungsansatzes, da aus dieser Perspektive Verteilungsänderungen als effizient zu betrachten sind, wenn sie einen allokationsoptimalen Zustand zu bewirken in der Lage sind. In der praktischen Umweltpolitik werden Instrumente jedoch auch daran gemessen, inwieweit sie von allokativen Zielfixierungen gelösten, genuin verteilungspolitischen Zielsetzungen gerecht zu werden vermögen. Mit der Ausrichtung umweltpolitischer Instrumente an Zielvorgaben anderer Politikbereiche6o wird zwar der bisherige umweltpolitische Optimierungsrahmen verlassen, angesichts der überragenden Bedeutung der von umweltpolitischen Instrumenten ausgehenden Verteilungswirkungen für ihre politische Wertschätzung erscheint dieses Vorgehen indes gerechtfertigt.
e) Das Kriterium der politischen Durchsetzbarkeit: Wie unter 2.2.2 dargelegt, erfordert der praktische Einsatz umwelt politischer Instrumente das Passieren eines politischen Prozesses, in dessen Verlauf die Wirkungen alternativer Instrumente interessenpolitisch gewogen werden. Da der konkrete Optimierungsbeitrag einzelner Instrumente entscheidend von der 57Ygl. Cansier, D. (1918b) , S. 451. 58Ygl. Emires, A. (1985a), S. 21 und 15. 59Ygl. Osterkamp, R. (1915), S. 153. Zu den Yerteilungswirkungen der Umweltpolitik s. z. B. Zimmermann, K. (1984), ders. (1985) sowie Merk, P. (1988). 80 Unter diesem Gesichtspunkt läßt sich das bislang nur instrumentell gedeutete Kriterium der Widerspruchslosigkeit dahingehend erweitern, daß eine geeignete Abstimmung der Umweltpolitik mit anderen staatlichen Aufgabenfeldern zu einer konsistenten Gesamtpolltik zu führen habe - vgl. Sprenger, R.-U. (1984a), S. 48 f.
3.1 Evaluierungskriterien
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dort erfahrenen Akzeptanz abhängt, ist jeweils zu prüfen, welche Chancen für die politische Durchsetzung bestehen. /} Das Kriterium administrativer Praktikabilität: Die zur Anwendung gelangenden Instrumente sollen schließlich eine problemlose administrative Handhabung gestatten. Hierbei ist zu prüfen, inwieweit umweltpolitische Instrumente durch überschaubare Informationsvoraussetzungen bzw. nur geringe Kosten, um diese zu schaffen, einen zielgerichteten Einsatz erlauben, sich durch Flexibilität und Reversibilität in der Anwendung bei sich ändernden Rahmenbedingungen auszeichen sowie nur geringe Kontrollanforderungen gegenüber den Emittenten und Koordinationserfordernisse zwischen umweltpolitischen Entscheidungsträgern voraussetzen. 61 3.1.3
Interdependenzbeziehungen einzelner Kriterien
Es ist offensichtlich, daß die genannten Kriterien nicht unverbunden nebeneinander stehen, sondern sich vielmehr in wechselseitiger Beziehung zueinander befinden. Ohne diesem Beziehungsgeflecht im einzelnen nachgehen zu wollen,62 ist doch auf die Rückwirkungen auf das zentrale Kriterium des ökologischen Wirkungsgrades hinzuweisen, dessen Erfüllung letztendlich auch Resultante der Verwirklichung der übrigen Postulate ist. Aus ökonomischer Sicht nehmen hierbei die Eflizienzkriterien eine herausragende Stellung ein, da ihre Befolgung das Ausmaß der durch mehr Umweltschutz bewirkten volkswirtschaftlichen Kosten zu minimieren gestattet und so den durch die Instrumentalisierung marktallokativer Potenz hervorgebrachten Eflizienzgewinn auch für höhere ökologische Zielerreichungsgrade zu verwenden ermöglicht. 63
61Ygl. Buck, W. (1983), S. 222. 62Siehe hierzu Sprenger, R.-U. (1984&), S. 69 f. 53Ygl. Endres, A. (1985&), S. 93; Siebert, H. (1982), S. 561.
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3. Konzeptionelle Grundlagen
3.2 Die steuerungspolitische Insuffizienz ausgewählter Instrumenttypen bei isolierter Anwendung Auf der Grundlage des skizzierten Kriterienbündels sind nunmehr die potentiellen Komponenten einer Mischlösung in ihrer jeweiligen kriterienspezifischen Leistungsfähigkeit zu analysieren, um auf diese Weise Anhaltspunkte dafür zu gewinnen, wie die bei isolierter Anwendung nur begrenzt tauglichen Instrumente sinnvoll verbunden werden können. Für die beabsichtigte allokationstheoretische Differentialanalyse von misch- gegenüber monoinstrumentellen Ansätzen bedarf es überdies eines einheitlichen Modellrahmens, innerhalb dessen Vergleichbarkeit der analytischen Ergebnisse besteht. Die Einzelansätze umweltpolitischer Steuerung werden daher im nachfolgenden Abschnitt im hier gewählten Modellzusammenhang erneut knapp entwickelt. Auf die in ihrer Fülle kaum mehr überschaubare Literatur zur Evaluierung von Einzelinstrumenten soll zu diesem Zweck jedoch nur überblicksartig rekurriert werden, soweit dies zur späteren Herleitung und Begründung gemischter Konzeptionen angemessen scheint. Die Analyse wird sich zudem auf die vier für die umweltpolitische Praxis wohl relevantesten Instrumenttypen des Ordnungsrechts, der Abgaben, Zertifikate und Subventionen beschränken. 64 3.2.1
Der zugrunde gelegte Modellrahmen
Der staatliche Verknappungseingriff erfolge grundsätzlich mittels staatlicher Aktionsparameter 0 E E> {0 1 , ••• , On}, wobei der Parameterraum e die Gesamtheit zu Gebote stehender Instrumentvariablen abbilden möge. w(rn) {Ob ... , Orn} indiziere die Teilmenge der im Einzelfall jeweils ausgewählten m Aktionsparameter (m :5 n); diese bilden zusammen eine umweltpolitische Strategie. Sofern auf der Mikroebene Freiheitsgrade der einzelwirtschaftlichen Anpassung belassen werden (wie im Falle ökonomischer Anreizmechanismen), können nicht alle Variablen des ökologischökonomischen Steuerungszusammenhangs ex ante fixiert werden. Gewisse Variablen sind als Erwartungsparameter dann erst nach Abschluß individueller Anpassungsreaktionen feststellbar .65 Für Abgabenstrategien gilt als
=
=
6"ZU umf'"anglicheren Klassifikationsansätzen umweltpolitischer Instrumentarien nach dem Kriterium der Verha.ltenssteuerung s. z. B. Hartkopf, G., Bohne, E. (1983), S. 175 11'., Zimmermann, H. (1984a), S. 23011'., Buttgereit, R. (1991), S. 7511'. Daneben werden Systematisierungsansätze auch nach dem Kriterium des instrumentellen Einflusses auf öll'entliche Haushaltskategorien vorgenommen - siehe hierzu bspw. Wicke, L. (1991), S. 16111'. oder Henke, K.-D., Zimmermann, H. (1971), S. 158. 8&S. hierzu ähnlich Wa.lter, J. (1987), S. 198 fr., und Bonus, H. (1990), S. 345 f.
3.2 Insuffizienz einzelinstrumenteller Ansätze
25
=
Aktionsparameter beispielsweise () t (Abgabensatz), für Zertifikatlösungen () E (maximal zulässige Emissionsmenge)j für reine Strategien gilt daher stets m = 1.
=
Der umweltpolitische Parameterraum sei gegeben durch
e = {t,E,s,d.
(1)
Als umweltpolitische Eingriffsparameter kommen demnach in Frage -
die Festsetzung eines Abgabensatzes l auf Emissionen (,reine' Strategie wt),
-
die Fixierung eines globalen Emissionsplafonds E auf der Makroebene zum Zwecke zertifikatgesteuerter Aufteilung auf einzelne Nutzer (,reine' Strategie W2),
-
die Gewährung eines Zuschußbetrages s auf vermiedene Verschmutzungen (,reine' Strategie wa) sowie
-
die individuelle Vorgabe der Emissionsmengen auf der Mikroebene durch einen entsprechend gewählten Emissionsvektor ~ mit ~ (ei, ... , en ) für alle n Emittenten (,reine' Strategie W4).
=
Die der Modellanalyse zugrunde gelegte individuelle Kostenfunktion k mit
(2) wird als separabel in den Argumenten z (Ausbringungsmenge) und v (Vermeidungsleistung) unterstellt und sei abhängig von dem umwelt politisch jeweils relevanten staatlichen Lenkungsparameter () bzw. dem Parametervektor H... Darüber hinaus sei aus analytischen Gründen das Symbol k ' vereinbart für den im weiteren Sinne entsorgungswirtschaftlich verursachten Kostenteil: 66 (3) k'(z, v,H..) 1I:2(V) + c(H.., z, v)
=
In der Kostenfunktion (2) repräsentieren die Terme
II:l(Z) 1I:2(V) c(H.., z, v)
die durch den Produktionsumfang z bewirkten Kosten, die durch Vermeidungs- und Beseitigungsmaßnahmen des Ausmaßes v im Entsorgungsbereich anfallenden Kosten und die durch den staatlichen Eingriff darüber hinaus entstehenden Kosten, wobei gilt:
88Eine solche Abapaltung kann infolge der Separabilitätsannahme vorgenonunen werden. Hier wie im folgenden sei zur Vereinfachung auf den einzelwirtschaftlichen Emittentenindex i verzichtet, soweit Verwechslungen ausgeschl088en sind.
26
(4)
3. Konzeptionelle Grundlagen
+t· en(x, v) +z· en(x, v) { c( (J, x, v) = -s [e0 - en ( x, v )]
o
falls falls falls falls
(J
=t
=E (J = s (J = ~ (J
- ordnungsrechtlich verfügter Emissionsgrenzwert, - (Brutto-) Emissionen vor staatlicher Verknappungsentscheidung, - nach einzelwirtschaftlichen Anpassungen der betrieblichen Aktionsparameter x und v noch verbleibende (Netto-) Emissionsmenge. Damit ergeben sich die Grenzkostenfunktionen als Grenzkostenfunktion in bezug auf die Güterproduktion vor staatlicher Verknappung der Umwelt, als Grenzvermeidungs- bzw. -beseitigungskostenfunktion im Entsorgungsbereich und als marginale Gesamtkostenfunktion bezüglich x nach staatlicher Verknappung von Umweltgütern. 3.1.2
Das ordnungsrechtliche Instrumentarium
Unter das ordnungsrechtliche Instrumentarium lassen sich alle hoheitlichen Bestimmungen subsumieren, die aus der Konkretisierung gesetzlicher Ge- und Verbotsnormen in einem betriebsindividuellen Genehmigungsverfahren hervorgegangen sind und vom potentiellen Emittenten als Normadressaten unter Sanktionsandrohung die Einhaltung staatlich mehr oder minder stark vorgeprägter Allokationsentscheidungen erzwingen. 67 Die vielgestaltigen Formen ordnungsrechtlicher Reglementierung reichen dabei von unmittelbar emissionsbezogenen über prozeßtechnische bis hin zu produktionsmengenorientierten Auflagen. 68 Als zentrales Instrument kann darunter die unternehmensspezifische Zuweisung absoluter Emissionshöchstgrenzen bzw. relativer Emissionsminderungsanforderungen gelten. Inwieweit diese emissionsbezogenen Zuweisungen an Umweltnutzungsfazilitäten durch immissionsseitige Bewirtschaftungskalküle im Einzelfall 67Vgl. Kabelitz, K. R. (1984a), S. 49. 68Siehe Siebert, H. (1976a), S. 67.
3.2 Insuffizienz einzelinstrumenteller Ansä.tze
27
gedeckt sind, sei an dieser Stelle vernachlässigt. In jedem Falle gilt als staatlicher Eingriffs- bzw. Überwachungsparameter die individuelle Emission von Schadstoffen. Das Zustandekommen diesbezüglicher Grenzwerte bzw. ihr Immissionsbezug und damit der Problemkreis des EmissionsImmissions-Diffusionszusammenhangs bleiben zur Vereinfachung hier wie im folgenden weitgehend ausgeklammert. 69 Die Wirkungsweise derartiger (Emissions-)Auflagen läßt sich für einen repräsentativen Emittenten i wie folgt darstellen (Abb. 1):70 Nach Maßgabe des auf dem Absatzmarkt (Feld V) zustandekommenden Marktpreises Po wird Emittent i seine individuelle Angebotsmenge x O - Mengenanpassung bei vollständiger Konkurrenz vorausgesetzt 71 - bei gewinnmaximierendem Verhalten nach der Grenzkosten-Preis-Regel festlegen. Vor der Statuierung von Emissionsnormen geht die durch die Produktion bewirkte Umweltnutzung in Gestalt der individuellen Emissionsfunktion e(x) (Feld IV) nicht in die als linear unterstellte Grenzkostenfunktion ein. Durch Vorgabe der verbindlichen Emissionsnorm e muß i die bei Produktionsmengen, deren zugeordneter Schadstoffausstoß e übersteigt, entstehenden Aufwendungen zur Beseitigung oder Vermeidung der unzulässigen Emissionen bei seinen Angebotsdispositionen berücksichtigen. Ab X-I (ed verschiebt sich daher die Grenzkostenkurve um die marginalen Vermeidungskosten dl\.2/dv nach oben. 72 Dies führt zu einer veränderten optimalen Ausbrin73 Im neuen Gleichgewicht sinkt somit die individuelle gungsmenge von
xo.
69S. hierzu etwa Kemper, M. (1989), S. 65 ff. und 183 ff. Der speziellen Problematik über- bzw. unteradditiver Koergismen im Schadstoffbereich (Synergie- und Neutralisationsefrekte) widmen sich Bonus, H. (1976), S. 222 fr., und Endres, A. (1985c); zu nichtlinearen Wirkungsmechanismen des ökologischen Systems s. auch Minsch, J. (1988), S. 121 ff. 70Ygl. die ähnliche Darstellung bei Siebert, H. (1976a), S. 141. Hierbei wird vereinfachend unterstellt, die betrieblichen Aktionsparameter zur Emissionsvermeidung seien das produktionswirtschaftliche Aktivitätsniveau x sowie hiervon losgelöste, rein entsorgungswirtschaftliche Maßnahmen v, die eine Reduzierung der Emissionslast ohne Einschränkung der Produktionsmenge gestatten. Um die Stetigkeit der Grenzkostenfunktion 8k/8x zu erhalten, wird hier ohne Einschränkung der Allgemeinheit unterstellt, daß die marginale Yermeidungskostenfunktion auf der Abszisse beginnt, also
-dK, 2 dv
1
.,=0
=0
gilt.
71 Zur Modellierung einer monopolistischen Absatzstruktur läßt sich die Nachfragekurve aus Y in Feld I übertragen, so daß die Separation in Individual- und Marktsphäre entfällt. 72Hierbei ist zu beachten, daß die Grenzvermeidungskostenfunktion in Feld I gegenüber Feld 111 durch Transformation über die progressive Emissionsfunktion gestaucht wird. 73Zu den Rückwirkungen einer von allen Anbietem vorgenommenen Angebotsreduktion auf die Preishöhe siehe Abschnitt 3.2.3.
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