Typuskonzeptionen in der Rechtstheorie [1 ed.] 9783428439614, 9783428039616


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Typuskonzeptionen in der Rechtstheorie [1 ed.]
 9783428439614, 9783428039616

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LOTHAR

KUHLEN

Typuekonzeptionen in der Rechtßtheorie

Schriften

zur

Rechtstheorie

Heft 66

Typuskonzeptionen i n der Rechtstheorie

Von

Dr. Lothar Kahlen

DUNCKER & HÜMBLOT / BERLIN

Alle Rechte vorbehalten © 1977 Duncker & Humblot, Berlin 41 Gedruckt 1977 bei Berliner Buchdruckerei Union GmbH., Berlin 61 Printed in Germany ISBN 3 428 03961 0

Vorwort Die vorliegende Untersuchung ist eine geringfügig veränderte Fassung meiner Dissertation, die dem Fachbereich Hechtswissenschaft der U n i versität i n Frankfurt am Main i m Sommersemester 1975 vorlag. Einige später erschienene Publikationen sind noch i n den Anmerkungen berücksichtigt. I n diesem Zusammenhang möchte ich vor allem auf die Arbeiten von Leo Reisinger und Peter Koller hinweisen, durch die meine kritische Einschätzung der i n der Hechtstheorie überwiegend vertretenen Typuskonzeption i n einigen Punkten bestärkt wurde. Anregungen und Hinweise, insbesondere zu sprachphilosophischen Fragen, verdanke ich Maximilian Herberger, Rainer Trapp, Horst Zimmermann und vor allem Hans-Joachim Koch. Die Unterstützung, die m i r der „Doktorvater" Dieter Simon seit dem Beginn meines Studiums gegeben hat, ist zu vielfältig, als daß sie hier i m einzelnen aufgeführt werden könnte. Lothar

Kuhlen

Inhaltsverzeichnis Einleitung

13

Erstes

Kapitel

Terminologische Klärungen 1. Einige logische Grundbegriffe

23

2. Z u m Begriff des „Begriffs"

...

24

3. „Begriffsform"

29

4. „ E x p l i k a t i o n " , „Bedeutungsanalyse", „Definition"

30

Zweites

Kapitel

Verschiedene Begriffsformen 1. Klassifikatorische Begriffe

34

2. Komparative Begriffe

35

3. Vergleich klassifikatorischer m i t komparativen Begriffen

38

4. Quantitative Begriffe

40

5. Die Bedeutung der modernen Begriffsformenlehre

40

Drittes

Kapitel

Die Typuskonzeption Hempel/Oppenheims 1. Darstellung der Hempel/Oppenheimschen Typuskonzeption a) b) c) d) e)

K r i t i k der traditionellen Typustheorie Grundlagen der Hempel/Oppenheimschen Konzeption Typusbegriffe als schlichte Klassenbegriffe Typusbegriffe der ordnenden F o r m Typusbegriffe der klassifizierenden F o r m

2. Anmerkungen zur Konzeption Hempel/Oppenheims a) Zweistellige klassifikatorische Begriffe b) A t t r i b u t e , Prädikate, Merkmalsräume c) Typus u n d Typusbegriff 3. Eechtstheoretische K r i t i k an Hempel/Oppenheims Typuskonzeption . . . a) Die K r i t i k Κ . H. Straches b) Die K r i t i k W. Hassemers

43 43 44 46 46 47 48 49 51 52 52 53 55

Inhaltsverzeichnis

δ

Viertes

Kapitel

Die Rezeption von Hempel/Oppenheims Arbeit in der Rechtstheorie 1. Rezeption durch G. Radbruch

57

a) Darstellung der Rezeption b) Analyse u n d K r i t i k

57 60

2. Die Weiterführung des Radbruchschen Ansatzes bei H. J. Wolff

63

3. Die Konfundierung v o n Begriffsformenlehre u n d semantischen Fragen i n neueren Arbeiten zur klassischen Typuslehre

65

Fünftes

Kapitel

Konsequenzen der Verwechslung von Ordnungs- und unscharfen Klassenbegriffen 1. Ausgrenzung terminologischer W. Hassemers

Fragen: zugleich zum Typusbegriff 76

2. Starre Begriffsmerkmale versus abstufbare Typusmerkmale a) Abstufbarkeit von A t t r i b u t e n b) Abstufbarkeit von Begriffen

78 78 79

3. Unterschiedliche Zuordnungsverfahren bei Klassen- u n d Typusbegriffen a) Einordnung von I n d i v i d u e n i n Merkmalsräume b) A n w e n d u n g von Prädikaten auf Sachverhalte

80 80 80

4. Angemessenheit v o n Typusbegriffen an fließende Übergänge

84

5. Resümee: Die Rolle der Theorie der Ordnungsbegriffe i n der klassischen Typuskonzeption

84

Sechstes Kapitel Die Typuskonzeption von K. Larenz 1. Larenz' übergreifende Begriffsformenlehre

87

2. Die Lehre v o m abstrakten Begriff

89

3. Die Lehre v o m Typus

92

4, Tabellarische Zusammenfassung v o n Larenz' Konzeption der abstrakten u n d der Typusbegriffe

97

Siebentes

Kapitel

Explikation und Kritik von Larenz' Typuskonzeption I 1. „ T y p u s " als Bezeichnung bestimmter Sachverhalte oder einer Denkform 2. K o n s t r u k t i o n oder Erkenntnis v o n Typen

99 100

3, Der Begriff als Merkmalssumme, der Typus als Ganzheit seiner M o mente 102

Inhaltsverzeichnis 4. Unterschiedliche Erkenntnisleistung von abstrakten u n d Typusbegriffen , a) Sinnhaftigkeit u n d Sinnleere von Begriffen b) Der Zusammenhang zwischen der Sinnhaftigkeit v o n Begriffen u n d der durch sie vermittelten Erkenntnis 5. D. Leenens These v o m typologischen Charakter der Typologik a) b) c) d)

Leenens E i n w a n d gegen die K r i t i k an der klassischen Lehre „Typusbegriff" als Ordnungsbegriff „Typusbegriff" als Klassenbogriff „Typusbegriff" als vager Klassenbegriff

Achtes

Kapitel

Explikation und Kritik von Larenz' Typuskonzeption I I : Zur Intension von Typusbegriffen 1. Die Nichtdefinierbarkeit offener Begriffe 2, Die Notwendigkeit offener Begriffe 3. Die Relevanz der klassischen Theorie der Offenheit u n d Nichtdefinierbarkeit von Typusbegriffen 4. Die traditionelle Definitionslehre als Prämisse der Nichtdefinierbarkeit sthese 5, K r i t i k der traditionellen Definitionslehre u n d die Konsequenzen f ü r Larenz' Theorie der abstrakten Begriffe 6. Konsequenzen der K r i t i k f ü r die Lehre v o m Typus 7. Die Uberwindung der formalen L o g i k durch die Denkform des Typus

Neuntes

Kapitel

Typusbegriffe und Familienähnlichkeitsprädikate 1. Ähnlichkeiten zwischen der Typologik u n d Wittgensteins Theorie der Familienähnlichkeit 2. Präzisierung u n d Uberprüfung v o n Wittgensteins Grundthese 3. Z u m Verhältnis v o n Familienähnlichkeitsprädikaten u n d Typusbegriffen 4. Die Definierbarkeit v o n Familienähnlichkeitsprädikaten u n d Typusbegriffen

Zehntes

Kapitel

Die Einführung von Begriffen nach Maßgabe von Ähnlichkeiten zwischen Individuen 1. Die Analyse derartiger Prädikate i n der klassischen Typuskonzeption

2. F. v. Kutscheras Modell für die ostensive Einführung klassifikatorischer Prädikate

Inhaltsverzeichnis

10

3. Die Bedeutsamkeit dieses Modells

157

4. Die Adäquanz der rationalen Rekonstruktion

158

Elftes

Kapitel

Zusammenfassung der Ergebnisse 1. Die verschiedenen A r t e n von Typusbegriffen

160

2. Theoretische Gründe für die A t t r a k t i v i t ä t der klassischen Typuskonzeption 162 3. Praktisch relevante Konsequenzen der klassischen Typuslehre a) Die K o r r e k t u r klassifikatorisch formulierter Hilfe des „zugrunde liegenden" Typus

Rechtsnormen

b) Gesetzliche u n d dogmatische Begriffe als Typusbegriffe Literaturverzeichnis

163 mit

164 166 170

Abkürzungsverzeichnis a.A. AcP AöE ARSP Art. BGB BVerfGE DÖV DVR ebd. etc.

anderer Ansicht A r c h i v f ü r die civilistische Praxis A r c h i v des öffentlichen Rechts A r c h i v f ü r Rechts- u n d Sozialphilosophie Artikel Bürgerliches Gesetzbuch Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Die öffentliche V e r w a l t u n g Datenverarbeitung i m Recht

FN GG H-O JR JZ KZfSS MDR

Fußnote Grundgesetz Hempel/Oppenheim Juristische Rundschau Juristenzeitung

NJW pass. PS Rnd. S. sc. ZfS ZHR ZSR

ebenda et cetera

Kölner Zeitschrift f ü r Soziologie u n d Sozialpsychologie Monatsschrift für Deutsches Recht Neue Juristische Wochenschrift passim Pferdestärke Randnote Seite scilicet Zeitschrift für Soziologie Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht u n d Wirtschaftsrecht Zeitschrift für Schweizerisches Recht

Einleitung Die Lehre vom Typus ist ein weites Feld. Sein uns interessierender rechtstheoretischer Teil läßt sich zunächst negativ eingrenzen. 1. Es geht nicht u m die Wort- und Begriffsgeschichte von „Typus" 1 . 2. Ebensowenig werden w i r eingehen auf die Behandlung des Typus in der traditionellen Logik 2 und der sich ihrer bedienenden Philosophie 3 . 3. Trotz einiger Ähnlichkeiten 4 zu den uns interessierenden werden w i r auch die Fragen, die i n anderen Sozialwissenschaften, vor allem der Soziologie 5 , unter dem Titel „Typus" erörtert werden, allenfalls am Rande erwähnen. 4. Absehen werden w i r schließlich von der eher umgangssprachlichen Verwendung der Worte „Typus", „typisch", „typisieren" etc., die auch i n der Jurisprudenz häufig zu beobachten ist. I n der Regel werden diese Wörter zwar mehrdeutig, i m jeweiligen Kontext aber nicht übermäßig vage gebraucht. Insbesondere werden m i t diesem Sprachgebrauch keinerlei besondere Ambitionen verbunden, deren kritische Überprüfung interessant wäre. Thema dieser Arbeit sind vielmehr die Diskussionen, die um den Typus i n der Rechtstheorie geführt wurden und werden®. Daß w i r nur 1

Vgl. dazu: Koort, Beiträge zur L o g i k des Typusbegriffs; Hey de, Typus. Diese Behandlung blieb aus strukturellen Gründen, die w i r noch erwähnen werden, unbefriedigend. Vgl. n u r die ausführliche A r b e i t v o n Erdmann, Theorie der Typen-Einteilungen, i n : Philosophische Monatshefte 30 (1894), S. 15 ff., S. 129 ff. Ebenso unbefriedigend ist die auf dem Boden der t r a d i t i o nellen L o g i k verharrende Kritik an der Lehre v o m Typus. Vgl. dazu die apodiktische Leugnung dieser Denkform bei Wolf, Allgemeiner T e i l des bürgerlichen Rechts, S. 20 f. 3 Genannt sei der i n der rechtstheoretischen L i t e r a t u r v i e l beachtete H e i n rich Maier, Philosophie der Wirklichkeit, insbesondere B a n d I I ; kritisch zu Maier: v. Kempski, Ordnungsbegriffe, S. 206; Strache, Standards, S. 25 ff. 4 Die m. E. überschätzt werden v o n Wiethölter, N J W 1973, S. 273 f. (274); insbesondere die Fragen der theoretischen Terme u n d der Modellbildung spielen i n den rechtstheoretischen Typuskonzeptionen keine Rolle. Z u Idealtypen als theoretischen Termen: Hempel, Typologische Methoden, S. 90 ff.; zu Idealtypen als Modellen: v. Kempski, Ordnungsbegriffe, S. 216 f. 5 Grundlegend f ü r die Rekonstruktion der logischen S t r u k t u r verschiedener A r t e n von Idealtypen ist die zitierte A r b e i t v. Kempskis. Z u r V e r w e n dung des Begriffs „Typologie" i n der heutigen Soziologie vgl. unten F N 33 (Kapitel 3). 2

14

Einleitung

an der rechtstheoretischen Erörterung des Typus interessiert sind, bedeutet: w i r lassen uns von ihr die Probleme vorgeben, nicht aber auch die Hilfsmittel, die w i r zu ihrer (teilweisen) Lösung heranziehen. Vielmehr stützen w i r uns, anders als i n der rechtstheoretischen Literatur noch üblich, — i n bescheidenem Umfang — auf M i t t e l der modernen Logik, sowie auf Überlegungen aus der modernen Wissenschaftstheorie und Sprachphilosophie. Auch die rechtstheoretischen Diskussionen um „den" Typus sind zu umfangreich, als daß w i r sie umfassend erörtern könnten. Zur daher erforderlichen weiteren Charakterisierung des gewählten Themas sind zunächst einige terminologische Präliminarien angebracht. M i t den Begriffen „Typus" bzw. „Typusbegriff" sollen bestimmte Begriffe benannt werden 7 . Da das i m jeweiligen Zusammenhang nicht zu Problemen führt, bezeichnen, i m Einklang m i t einem verbreiteten Sprachgebrauch, die Ausdrücke „der Typus" und „die Denkform des Typus" manchmal auch die Klasse aller Typusbegriffe. Typuskonzeptionen enthalten zum einen Aussagen, die den Begriff „Typus" bzw. „Typusbegriff" festlegen. Zum anderen sollen zu einer Typuskonzeption auch die nichtdefinitorischen deskriptiven Aussagen über die wichtigsten A t t r i b u t e 8 von Typusbegriffen gerechnet werden 9 . Als rechtstheoretisch bezeichne ich eine Typuskonzeption einfach dann, wenn ihr(e) Urheber als Rechtstheoretiker anzusehen ist (sind). Typuskonzeptionen enthalten Aussagen über Elemente einer Sprache, rechtstheoretische Typuskonzeptionen vor allem über Begriffe, die von Juristen verwendet werden. Als Typologien werden Mengen von Aussagen bezeichnet, i n denen Typusbegriffe verwendet werden. Typologik nennt man die Lehre von 6 Die wichtigsten Arbeiten sind: Radbruch, Klassenbegriffe (1938); Wolff , Typen (1952); Engisch, Konkretisierung, S. 237 ff. (1953); Larenz, Methodenlehre (1960; n u r geringfügig verändert die zweite Auflage v o n 1968, nach der hier zitiert w i r d ) ; Kaufmann, Analogie (1965); Strache, Standards (1967); Hassemer, Tatbestand u n d Typus (1968); Leenen, Typus (1971); wichtig für eine kritische Auseinandersetzung vor allem: Ott, Typologie (1972); Schmidt, Standards (1973); Reisinger, Messung, S. 38 ff. (1973); Reisinger, A n w e n dungsmöglichkeiten (1975); P. Koller, Möglichkeiten (1975). 7 Statt zwischen Typusbegriff u n d Klassenbegriff unterscheiden manche Autoren auch zwischen Typus u n d Begriff. Die Differenz zwischen diesen Unterscheidungen ist rein terminologischer Natur. Vgl. dazu Engisch, K o n kretisierung, S. 264. 8 A l s A t t r i b u t e werden Eigenschaften v o n u n d Beziehungen zwischen E n t i täten bezeichnet. 9 Wollte m a n eine Typuskonzeption entwickeln, wäre es zweckmäßig, z w i schen deflatorischen u n d nichtdefinitorischen Aussagen s t r i k t zu unterscheiden. Beide A r t e n als Typuskonzeption zusammenzufassen, ist i m Rahmen dieser A r b e i t aber deshalb sinnvoll, w e i l sie i n den zu analysierenden K o n zeptionen selbst nicht i m m e r genau getrennt werden.

Einleitung

den Typusbegriffen 10 . Die Aussagen der Typologik gehören einer höheren Sprachstufe 11 an als die der analysierten Typologien. Die i n diesen verwendeten Begriffe werden i n der Typologik nicht gebraucht, sondern erwähnt 1 2 . Die rechtstheoretischen Typuskonzeptionen sind Teil der Typologik. Sind die i n ihnen untersuchten Typusbegriffe Bestandteil einer Objektsprache 13 , so enthalten die rechtstheoretischen Typuslehren metasprachliche Aussagen. Von den Typuskonzeptionen sind die methodologischen „Folgerungen" typologischer Provenienz zu unterscheiden, präskriptive Regeln, die zwar aus keiner Typuskonzeption logisch abgeleitet, wohl aber durch eine solche plausibel gemacht werden können. Einen Überblick über den heutigen Diskussionsstand i n der rechtstheoretischen Literatur und die vorliegende Arbeit wollen w i r m i t einer Darstellung „der" rechtstheoretischen Typuskonzeption beginnen. Obwohl es sich hierbei nur u m eine erste Skizze handelt, ist doch eine Einschränkung erforderlich. Die geschilderten Auffassungen werden nicht von allen erwähnten Autoren 1 4 geteilt. Ihre überwiegende Mehrheit kann man freilich m i t einem Ausdruck Leenens als Vertreter der klassischen Lehre vom Typus zusammenfassen 15 . Von dieser sind die Konzeptionen Hassemers und Otts 1 6 zu unterscheiden. Während w i r auf Hassemers Arbeit nur am Rande eingehen werden 1 7 , wollen w i r die von Ott zugrundegelegte Typuskonzeption Hempel/Oppenheims näher erörtern. I m Mittelpunkt der Untersuchung steht jedoch die klassische Lehre, die anders als die Konzeptionen Otts und Hassemers i n Rechtstheorie und Rechtsdogmatik beträchtliche Resonanz gefunden hat. Sieht man von unterschiedlichen Auffassungen en détail ab, die einzelne Vertreter dieser Theorie haben, so ergibt sich folgendes B i l d von ihr.

1° Leenen, Typus, S. 17 F N 2. Dazu: Essler, Analytische Philosophie I , S. 24 ff. 12 Verwendet oder gebraucht w i r d ein Begriff einer bestimmten Sprachstufe i n Aussagen derselben Sprachstufe, erwähnt i n Aussagen einer höheren Sprachstufe. So w i r d der objektsprachliche Begriff „schön" i n der Aussage „Das Wetter ist schön" verwendet, i n der metasprachlichen Aussage „Der Begriff ,schön' ist mehrdeutig" dagegen erwähnt. 13 Davon können w i r i n der Folge i n aller Regel ausgehen. Eine Ausnahme findet sich bei Leenen, der auch Aussagen über metasprachliche Typusbegriffe macht. Dazu u n t e n K a p i t e l 7 Abschnitt 5. 14 Siehe F N 6 (Einleitung). ΐδ Leenen, Typus, S. 28 i n Verbindung m i t S. 17 F N 5 u n d 6; Modifikationen der dortigen Einteilung bei Leenen, Typus, S. 32 f., 61. ie Den fundamentalen Unterschied zwischen der klassischen Typuskonzeption u n d der Hempel/Oppenheims u n d Otts verkennt Mengiardi, ZSR 1973, S. 415 ff. (417 f.). 1 7 Siehe dazu K a p i t e l 5. 11

16

Einleitung

1. Der Typusbegriff w i r d als „Denkform des Allgemeinen" 1 8 , d. h. als eine Begriffsform charakterisiert, deren logische Struktur sich von der des abstrakten oder Klassenbegriffs unterscheide. Wichtig seien vor allem die folgenden Differenzen. 2. Der Typus sei konkreter als der Klassenbegriff 10 . 3. Während Klassenbegriffe eine Tendenz zur „Sinnentleerung" aufwiesen, seien Typusbegriffe sinnerfüllt, „Sinngebilde" 2 0 . 4. Stelle der abstrakte Begriff eine Merkmalssumme dar, so der Typus eine Ganzheit 21 . 5. Typusbegriffe seien, anders als Klassenbegriffe, offen, d. h. einzelne Begriffsmerkmale seien für die Begriffsanwendung verzichtbar 22 . 6. Die Merkmale eines Klassenbegriffs seien unbeweglich, starr, die eines Typusbegriffs dagegen, wenigstens zum Teil, abstufbar 23 . 7. Klassen- und Typusbegriffe sollen auf Sachverhalte i n unterschiedlicher Weise angewendet werden, d. h. sich i m „Zuordnungsverfahren" unterscheiden. Einem Klassenbegriff sei ein Sachverhalt nur entweder zuzuordnen, bzw. zu subsumieren, oder nicht. Einen Typus dagegen könne ein Sachverhalt mehr oder weniger zugeordnet werden 2 4 . 8. Klassenbegriffe seien definierbar, nicht dagegen Typusbegriffe, bei denen lediglich eine Typenbeschreibung möglich sei 25 . 9. Die Anwendung abstrakter Begriffe auf Sachverhalte erfordere deren Gleichheit, einem Typus seien sie aufgrund zwischen ihnen bestehender Ähnlichkeiten zuzuordnen 26 . Akzeptiert man die dargestellte Typuskonzeption, so legt das bestimmte methodologische Konsequenzen nahe. 18 Engisch, Konkretisierung, S. 238; Larenz, Methodenlehre, S. 419; Strache, S. 21; Leenen, Typus, S. 27. 19 Engisch, Konkretisierung, S. 239 ff., Larenz, Methodenlehre, S. 423, 430; Kaufmann, Analogie, S. 37. 20 Larenz, Methodenlehre, S. 421, 428 ff.; Kaufmann, Analogie, S. 39; Leenen, Typus, S. 44 ff. 21 Engisch, Konkretisierung, S. 248 ff.; Larenz, Methodenlehre, S. 424, 430; Leenen, Typus, S. 46 f. 22 Larenz, Methodenlehre, S. 440 ff.; Leenen, Typus, S. 34 ff. 23 Larenz, Methodenlehre, S. 440; Strache, S. 22 f.; Leenen, Typus, S. 34, 40 f. 24 Wolff , S. 201 F N 48 a; Larenz, Methodenlehre, S. 440; Kaufmann, Analogie, S. 37 f.; Strache, S. 53. 25 Larenz, Methodenlehre, S. 427, 440; Kaufmann, Analogie, S. 37, 39; Strache, S. 53. 26 Larenz, Methodenlehre, S. 440; Strache, S. 53 ff.

Einleitung

1. Aus der Nichtdefinierbarkeit des Typus folgt unter Hinzunahme des Satzes „ultra posse nemo obligatur": wenn die Begriffe, m i t denen man arbeitet, Typusbegriffe sind, so braucht man sie nicht zu definieren. Bei Diederichsen etwa heißt es denn auch: „Allgemein, das bedeutet unabhängig von den positiven Einzelausprägungen, ist die Gefährdungshaftung mehr ,Typus' als Rechts,begriff'. Der Gefährdungstatbestand läßt sich nicht abschließend definieren. Abweichungen, wie sie nur der Typus zuläßt, hindern die Qualifizierung einer Haftung als Gefährdungstatbestand auch dann nicht, wenn ein bestimmtes Merkmal fehlt. So haftet der Tierhalter aus Gefährdung, auch wenn seine Haftung nicht durch Höchstsummen begrenzt ist. Entscheidend ist allein, daß die Tierhalterhaftung ihrem Wesensgehalt nach unter die Gefährdungshaftung gehört, nämlich bei Abwägung sämtlicher i n Betracht kommender Momente 2 7 ." Ein eindrucksvoller Beleg für die praktische Relevanz der Nichtdefinierbarkeitsthese findet sich i n einem jüngst erschienenen Kommentar zum Grundgesetz. Dort w i r d Versuchen, den Begriff „Demokratie" definitorisch festzulegen, entgegengehalten: „Wegen ihrer Eigenschaft als Typus (vgl. oben Rnd. 3) läßt sich Demokratie 2 8 nicht definieren, sondern kann nur m i t Hilfe einer Reihe von Einzelmerkmalen umschrieben werden, die eine unterschiedliche Zuordnungsintensität aufweisen 29 ." 2. Wegen der Abstufbarkeit ihrer Merkmale hält man Typusbegriffe für besonders geeignet, „fließende Übergänge" 30 , insbesondere die „fließenden Übergänge des Lebens" 3 1 , zu erfassen. W i l l man ihnen gerecht werden und damit „lebensfremde Ergebnisse" 32 vermeiden, empfiehlt es sich für Gesetzgeber und Rechtsdogmatik, m i t Typusbegriffen zu arbeiten, was denn auch geschieht, wenn man dem bekannten D i k t u m H. J. Wolffs glauben darf: „Immer wieder wärmt die ,Typenjurisprudenz4 — besonders i n den Zeiten sozialen Umbruchs, aber nicht nur dann — die starre Kälte des Rechts auf; und immer wieder erstarren die Typen zu Klassen 33 ."

27

Diederichsen, Warenhersteller, S. 197. 28 I n der v o m Verfasser der zitierten Stelle angezogenen Randnote 3 zu A r t . 20 GG ist übrigens nicht die Rede davon, die Demokratie sei ein Typus, sondern es heißt: „Begriffe w i e ζ. Β . ,Demokratie* u n d ,Sozialstaat' sind n u r als Typen zu verstehen." 29 Schnapp, i n : υ. Münch, Grundgesetz, Rnd. 11 zu A r t . 20 GG; vgl. dort auch die entsprechenden Ausführungen zum Begriff „Sozialstaat" bei Rnd. 16 zu A r t . 20 GG. so Vgl. schon Erdmann, S. 18. Radbruch, Klassenbegriffe, S. 49. s 2 Kaufmann, Analogie, S. 39. 33 Wolff , S. 202. 2 Kuhlen

18

Einleitung

3. Weiterhin knüpfen sich an die Prämisse, bestimmten gesetzlichen Regelungen liege ein Typus „zugrunde", verschiedene Vorschläge, diesen bei der Gesetzesauslegung und -anwendung zu berücksichtigen 34 . Diese, vor allem i m Gesellschaftsrecht viel diskutierten 3 5 , Vorschläge lassen sich i m Anschluß an Ott folgendermaßen aufgliedern: a) Die vertragliche Gestaltungsfreiheit findet ihre generelle Grenze am Typus, der einer gesetzlichen Regelung zugrundeliegt. b) Jedenfalls i n Einzelfällen sollen atypische Gestaltungen nicht zulässig sein. c) Gesetzliche Normen sind typgerecht auszulegen 36 . Gedanken der klassischen Typuslehre spielen, vor allem i n der Form, die ihnen Larenz gegeben hat, i n verschiedenen Zweigen der Rechtswissenschaft eine Rolle. Große Hoffnungen werden auf Typusbegriffe insbesondere i n der Rechtstheorie gesetzt 37 . Auch i n der Rechtsdogmatik beruft man sich zunehmend auf die Denkform des Typus. W i r haben bereits Beispiele dafür aus dem Bereich des Verfassungsrechts 38 und des Zivilrechts 3 9 gesehen und die Bedeutung der Typologik i n der gesellschaftsrechtlichen Diskussion erwähnt 4 0 . Die klassische Typuskonzeption hat darüber hinaus Eingang i n Arbeiten zum Handels-, Wirtschaftsund Arbeitsrecht 4 1 ebenso gefunden wie i n solche zur Rechtsvergleichung 42 . Schließlich hat A r t h u r Kaufmann i n seiner Arbeit zum Typus strafrechtliche Konsequenzen von erheblicher Tragweite gezogen 43 . 84 I n der Präzisierung der vagen Wendung „den Typus bei der Gesetzesauslegung u n d -anwendung berücksichtigen" liegt ein wesentliches V e r dienst der A r b e i t Otts; vgl. dort S. 84 ff. 35 Vgl. A . Koller, Grundfragen; H. P. Westermann, Typengesetzlichkeit; U. Hub er, Typenzwang; Ott. se Eingehend dazu: Ott, S. 84 ff. 37 Neben den bereits genannten seien folgende neuere Arbeiten angeführt: Müller, Normstruktur, S. 170 ff.; Rode, JR 1968; Jargensen, Typologie; Moench, Freirechtsschule, S. 144 ff.; Kaufmann/Hassemer, Grundprobleme, S. 61 ff. 38 Schnapp, Rnd. 3, 11 u n d 16 zu A r t . 20 GG; Strache, S. 111 ff. F ü r das Verwaltungsrecht: Wolff, S. 201; Wolff/Bachof, Verwaltungsrecht I, S. 189. 3» Diederichsen, Warenhersteller, S. 197; ders., Recht zum Besitz, S. 104 f.; ders., Auftragslose Geschäftsführung, S. 890 f.; Larenz, Allgemeiner Teil, S. 56 f.; ders., Schuldrecht I I , S. V u n d pass.; Henke, Tatfrage, S. 80 ff.; ders., Schmerzensgeldtabelle, S. 85 ff. 40 Hier ist als Vertreter der Typuskonzeption Larenz' von allem A . K o l l e r zu nennen. 41 Raisch, Handelsrecht, S. 36 ff.; ders., Aktiengesetz, S. 504; ders., N o r m qualität, S. 162 f.; Ulmer, Vertragshändler, S. 15 ff.; Herschel, Arbeitsrecht, S. 225 ff. 42 Sandrock, Rechtsvergleichung, S. 48 ff.; v. Hülsen, Rechtsvergleichung, S. 630 f. 43 Kaufmann, Analogie, S. 20 f.: Ablehnung des strafrechtlichen Analogieverbots; vgl. auch Kaufmann, Einleitung, S. X I f.

Einleitung

19

Auch kritische Stimmen sind i n den letzten Jahren laut geworden. Der klassischen Typuskonzeption w i r d vor allem die Unklarheit der Unterscheidung zwischen Klassen- und Typusbegriffen vorgeworfen 4 4 . Aus dieser K r i t i k werden unterschiedliche Konsequenzen gezogen. Während Ott alternative Abgrenzungskriterien vorschlägt, versucht Leenen bestimmte Mängel der klassischen Konzeption gleichsam i n deren „Rahmen" zu beseitigen. Jürgen Schmidt schließlich gelangt i n einer Rezension von Straches Arbeit zu dem Ergebnis, die klassische Typustheorie bedeute für „die moderne Rechtstheorie einen Irrweg . . . , den weiterzuverfolgen sich nicht lohnt" 4 5 . Insbesondere gegen die unter 1. und 2. genannten methodologischen Vorschläge dürfte es gerichtet sein, wenn Jerusalem schreibt: „Die A u f weichung der Gesetzesbegriffe führt dazu, daß sie zu einem festen Stil gemacht wurde. A n die Stelle fester Begriffe wurden Typenbegriffe und ein typisches Denken gesetzt 46 ." Essers Verdikt, „der Typus als ,Denkform des Allgemeinen' . . . (sei) für eine durchschaubare und kontrollierbare juristische Methode nicht brauchbar" 4 7 , ist, obwohl nur an Straches Arbeit sich entzündend 48 , sicher als Absage an die skizzierten methodologischen Maximen insgesamt zu deuten. I n einer detaillierten Analyse der Postulate 3. a) - c) schließlich kam Ott zu dem Resultat, sie seien sämtlich zur Lösung der i m Gesellschaftsrecht anstehenden Probleme ungeeignet 49 . A u f dem geschilderten Hintergrund kann das Thema dieser Arbeit näher bestimmt, seine Wahl kurz begründet werden. Es geht m i r um die Analyse, K r i t i k und Rekonstruktion der rechtstheoretischen Typuskonzeptionen, insbesondere der klassischen Lehre vom Typus. 44 Neben den i n F N 6 angeführten K r i t i k e r n sind zu nennen: Zippelius, Verwendung, S. 224 ff.; Jolidon, Problèmes de structure, bei dem die Lehre v o m Typus als „chaos verbal, et donc conceptuel (Jolidon, S. 453) bzw. als „une pensée dont la clarté n'est pas la note dominante" (Jolidon , S. 484) charakterisiert w i r d . Deutlich zur „logischen W i r r h e i t " vieler Arbeiten über den Typus jetzt auch Koller, Möglichkeiten, S. 11 f. 4 5 Schmidt, S. 264. 46 Jerusalem, Zersetzung, S. 79. 47 Esser, AöR 96 (1971), S. 140 ff. (141). 4 ® V o r allem w o h l an der von Esser zitierten Aussage Straches, die A r g u mentation m i t dem Typus sei „keine von einem erkennenden Subjekt gehandhabte Methode, k e i n Verfahren, über das m a n verfügen könnte, sondern eher ein Vorgang, ein Geschehen, i n das es nach der rechten Weise hineinzukommen gilt, i n dem die Möglichkeit ursprünglichsten Erkennens sich auft u t " ; vgl. die K r i t i k bei Esser, AöR 96 (1971), S. 141. 49 Ott, S. 84 ff. Zustimmend Wiethölter, N J W 1973, S. 273 f.; ablehnend die Rezension v o n Otts A r b e i t durch Leenen, Z H R 1973, S. 190 ff.; die „ M i t t e " halten die Besprechungen von Mengiardi, ZSR 1973, S. 415 ff., u n d T. Raiser, JZ 1973, S. 72. 2*

20

Einleitung

Die Untersuchung auf die Typuskonzeption(en) zu beschränken und dafür i n diesem begrenzten Bereich möglichst gründlich zu führen, erscheint m i r deshalb als sinnvoll, weil es zwar nicht an kritischen statements zur klassischen Konzeption fehlt, wohl aber an der erforderlichen „breitere(n) wissenschaftliche(n) Auseinandersetzung" 50 mit ihr. I n normativ-methodologische Diskussionen werden w i r nicht eintreten. Die Analyse der klassischen Typuskonzeption w i r d aber ein Urteil darüber ermöglichen, ob diese Konzeption einen Beitrag zur Begründung der skizzierten methodologischen Vorschläge leistet. Eine Untersuchung, die tiefer i n die Probleme der rechtstheoretischen Typuskonzeptionen eindringen w i l l , als das durch den — sicher berechtigten — Hinweis auf die Vagheit von Kriterien zur Unterscheidung zwischen Klassenbegriff und Typus möglich ist, w i r d gut daran tun, bei der Hempel/Oppenheimschen Arbeit „Der Typusbegriff i m Lichte der neuen Logik" anzusetzen, die allgemein als „grundlegende" Analyse angesehen w i r d 5 1 . Die Erörterung dieser Arbeit, deren Verständnis für das der klassischen Typuskonzeption entscheidend ist, werden w i r vorbereiten durch eine kurze Darstellung der verschiedenen Begriffsformen, die i n der heutigen Wissenschaftstheorie unterschieden werden (Kapitel 2). Diese Darstellung soll und kann die Lektüre einer der zahlreichen einschlägigen wissenschaftstheoretischen Arbeiten 5 2 nicht ersetzen. Für uns ist es aber aus verschiedenen Gründen zweckmäßig, uns mit der modernen Theorie der Begriffsformen wenigstens kurz zu beschäftigen. Erstens erleichtert sie das Verständnis der Hempel/Oppenheimschen Typuskonzeption. Zweitens versetzt sie uns i n die Lage, diese Konzeption i n einen größeren theoretischen Zusammenhang zu stellen. Vor allem aber ist der folgende Gesichtspunkt zu beachten. Es gibt sehr viele Möglichkeiten, zwischen verschiedenen Arten von Begriffen zu unterscheiden. Entscheidungen für eine dieser Möglichkeiten können zwar aus den unterschiedlichsten Gründen unzweckmäßig sein, nicht aber — wie eine empirische Aussage — wahr oder falsch. Ob w i r eine Typuskonzeption akzeptieren, hängt daher auch von Plausibilitätserwägungen ab. I n einer solchen Situation ist es offenbar besonders nützlich, wenn man sich bei der Beurteilung einer solchen Konzeption auf den Vergleich m i t einer anderen Theorie der Begriffsformen stützen kann. Diese andere Theorie 60 Schmidt, S. 260. Symptomatisch ist, daß K r i t i k e n w i e die von Esser, Schmidt u n d Wiethölter i n Rezensionen enthalten sind. 51 Radbruch, Klassenbegriffe S. 46; Strache, S. 22; Hassemer, S. 121; Leenen, Typus, S. 27; Ott, S. 27. 52 zur E i n f ü h r u n g besonders gut geignet sind: Hempel, Begriffsbildung, S. 51 ff.; Stegmüller, Wissenschaftstheorie B a n d I I ; Carnap, Einführung, S. 59 ff.

Einleitung

w i r d uns vor allem orientieren über standards der Präzision und theoretischen Relevanz (Fruchtbarkeit), an denen eine Unterscheidung verschiedener Begriffsarten zu messen ist. Nach der Darstellung der Typuskonzeption Hempel/Oppenheims (Kapitel 3) werden w i r kurz auf die von rechtstheoretischer Seite an i h r geübte K r i t i k eingehen, u m uns dann der Rezeption i n der Rechtstheorie zuzuwenden (Kapitel 4). A n den Arbeiten Radbruchs und Wolffs versuche ich nachzuweisen, daß bei dieser Rezeption gravierende Fehler unterlaufen sind, insbesondere Ordnungsbegriffe und unscharfe Klassenbegriffe, syntaktische und semantische Fragen 5 3 konfundiert wurden. Daß diese Verwechslungen für die klassische Typuslehre auch heute noch kennzeichnend sind, soll i n der Folge vor allem an der von Leenen vorgeschlagenen Unterscheidung zwischen der Abstufbarkeit des Typus und der Deutungsbedürftigkeit des Begriffes gezeigt werden. Anschließend soll die Rolle dargestellt werden, die Hempel/Oppenheims Theorie i n der klassischen Lehre tatsächlich spielt, obwohl es beiden Konzeptionen u m verschiedene Arten von Begriffen geht (Kapitel 5). Ihre einflußreichste Form hat die klassische Typuskonzeption i n L a renz' „Methodenlehre der Rechtswissenschaft" gefunden. Ihrer Bedeutung entsprechend w i r d Larenz* Lehre zunächst ausführlich dargestellt (Kapitel 6). Sodann werde ich versuchen, seine Aussagen zur Bildung und Erkenntnisleistung von abstrakten Begriffen zum einen, Typusbegriffen zum anderen, soweit zu explizieren, daß sie einer kritischen Beurteilung zugänglich sind (Kapitel 7). Die an die Explikation anknüpfende K r i t i k w i r d sich m i t einem Einwand Leenens auseinanderzusetzen haben, der auf eine weitgehende Immunisierung der klassischen Typuskonzeption gegen K r i t i k abzielt. Explikation und K r i t i k der Larenzschen Konzeption werden i n Kapitel 8 fortgesetzt. Hier soll gezeigt werden, inwiefern die klassische Theorie von der traditionellen Definitionslehre abhängt und welche Konsequenzen sich aus deren K r i t i k für jene ergeben. U m die Überlegungen zur Definierbarkeit und der m i t i h r zusammenhängenden Offenheit von Typusbegriffen zu vertiefen, werden w i r anschließend (Kapitel 9) auf einige Beiträge zu der an den späten W i t t genstein anknüpfenden Diskussion über Familienähnlichkeitsprädikate eingehen. Schließlich soll ein letzter Aspekt der klassischen Lehre expliziert werden, der das Verhältnis von Typusbegriffen und Ähnlichkeitsbeziehungen betrifft (Kapitel 10). Nach der hier vertretenen A u f 53 Z u r heute üblichen Unterscheidung zwischen Syntaktik, Semantik u n d Pragmatik vgl. Lampe, Juristische Semantik, S. 11 f. m i t Literaturhinweisen i n den Fußnoten 1 b u n d 4; für natürliche Sprachen: Carnap , Sinn u n d Synonymität, S. 145.

22

Einleitung

fassung geht es der Typologik dabei um das Problem der deiktischen oder ostensiven Einführung von Prädikaten 5 4 . Die logische Struktur dieser Einführung werden w i r i m Anschluß an einen Rekonstruktionsvorschlag v. Kutscheras 55 zu klären versuchen. Diese Übersicht macht deutlich, daß — wenn meine Interpretationen der rechtstheoretischen Texte einigermaßen plausibel sind — zwischen sehr verschiedenen i n der klassischen Typuskonzeption thematisierten Fragen zu unterscheiden ist. Daß sie diese Unterscheidungen nicht trifft, ist m. E. der wichtigste Grund dafür, daß der Versuch der klassischen Theorie, Typus- und Klassenbegriffe voneinander abzugrenzen, als gescheitert betrachtet werden muß. Aus der hier vorgetragenen K r i t i k an der klassischen Konzeption ergibt sich nicht, daß die von ihr behandelten Fragen uninteressant wären. Gerade deren Relevanz und der Umstand, daß diese Probleme i n der gesamten traditionellen Rechtstheorie nicht adäquat diskutiert werden, macht zum einen die Anziehungskraft der klassischen Typuslehre verständlich und läßt es zum anderen als lohnenswert erscheinen, über die K r i t i k an dieser Lehre hinaus auch Vorschläge zu ihrer Explikation zu unterbreiten. Die vorliegende Arbeit versteht sich als rechts theoretische. Sie w i r d freilich von dem praktischen Interesse geleitet, zu überprüfen, ob die vor allem aus der klassischen Typuskonzeption gezogenen Konsequenzen von erheblicher Tragweite tatsächlich zwingend oder auch nur plausibel sind. Insbesondere die praktische Relevanz 56 der analysierten Fragen, die auch i m Gang der Untersuchung hin und wieder sichtbar werden dürfte, versuche ich i n der Zusammenfassung der wichtigsten Resultate noch einmal zu verdeutlichen (Kapitel 11).

54 Dazu Körner, Erfahrung u n d Theorie, S. 40 ff. 55 v. Kutschera, Sprachphilosophie, S. 267 ff. 5β Dazu Schmidt, S.264; Wiethölter, N J W 1973, S.273; ders., Privatrecht, S. 666 ff.; vgl. auch schon Scheuerle, Wesen, S. 430, 440 ff.

Erstes Kapitel

Terminologische Klärungen 1. Einige logische Grundbegriffe Zunächst soll das i n dieser Arbeit verwendete elementare logische Instrumentarium erläutert werden. Es ist unerläßlich, streng zu unterscheiden zwischen einem Gegenstandsbereich und einer Sprache, i n der w i r Sätze über diesen Bereich formulieren. Sie enthält Aussagen, i n denen Gegenständen des Bereichs bestimmte Attribute (Eigenschaften oder Beziehungen) zugeschrieben werden 1 . Die Elemente des Gegenstandsbereichs nennen w i r Individuen, wo das umgangssprachlich naheliegt, werde ich statt von Individuen auch von Gegenständen, Objekten, Fällen oder Sachverhalten sprechen. U m Sätze über Individuen zu formulieren, benötigen w i r mindestens zwei Arten sprachlicher Zeichen 2 : 1. Namen für die Individuen des Bereichs, d.h. Individuenkonstanten. 2. Bezeichnungen für Attribute von Individuen, nämlich Prädikate. I n der Prädikatenlogik werden i n der Regel als Individuenkonstanten kleine Buchstaben wie „a", „b", „c", als Prädikate Großbuchstaben wie „ F " , „G", „ R " verwendet. Dadurch, daß w i r einem Individuum ein Prädikat zusprechen, erhalten w i r einen geschlossenen Satz, ζ. B. „Fa", was man als „a ist F " lesen kann. Ein solcher Satz ist wahr oder falsch, je nachdem, ob es der Fall ist, daß α F ist, oder nicht. Setzen w i r an die Stelle einer Individuenkonstante eine Variable „ x " , „ y " oder „z", erhalten w i r keinen geschlossenen, sondern lediglich einen fragmentarischen, offenen Satz 3 , wie man auch sagt: eine Satzfunktion 4 , ζ. B. „ F x " . Die Variable „x" fungiert i n diesem Ausdruck als Platzhalter für einzusetzende Individuenkonstanten, durch deren Einsetzung w i r den offenen ι Z u m Folgenden: Carnap , Symbolische Logik, S. 4 ff. 2 M a n kann i n der Prädikaten- oder Quantorenlogik auch ohne I n d i v i duenkonstanten auskommen. Vgl. dafür Quine, Logik. Abgeschlossene Sätze enthält m a n dann ausschließlich, indem m a n Variable durch Quantoren bindet. 3 Quine, Logik, S. 128 f. 4 Vgl. etwa Ott, S. 28.

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1. Kap.: Terminologische Klärungen

Satz „ F x " ζ. B. i n den geschlossenen „Fa" verwandeln können. Einen geschlossenen Satz erhalten w i r auch, wenn w i r die i n einem offenen Satz vorkommenden Variablen durch einen Quantor binden 5 . So bilden w i r mit dem Existenzquantor aus „Fx " den geschlossenen Satz „ V x F x " , den man lesen kann als: „Es gibt ein x, das F ist". M i t dem Allquantor erhalten w i r statt des offenen Satzes „ F x " den geschlossenen „ Λ χ Fa;", was soviel heißt wie: „ A l l e χ sind F". M i t Hilfe bestimmter logischer Zeichen, der Junktoren®, verknüpfen w i r einfache Aussagen wie „Fa" zu neuen, komplexeren. W i r werden die folgenden Zeichen benötigen: „ — i " (entspricht dem umgangssprachlichen „nicht"), „ Λ " (entspricht „und"), „ ν " (entspricht dem nichtausschließenden „oder"), „ - > " („wenn — dann"), „ o " („immer und nur dann — wenn" bzw. „genau dann — wenn"). „ —ι Fa" ist die Negation des Satzes „Fa", „Fa A Ga" die Konjunktion der beiden Teilsätze „ F a " und „Ga", „Fa ν Ga" ihre Disjunktion oder Alternation, „ F a - > Ga" bezeichnen w i r als Konditional, „Fa Ga" schließlich als Bikonditional. Eine umgangssprachliche Aussage wie „Herr Müller ist Kaufmann" können w i r , wenn w i r für „ H e r r M ü l l e r " „ a " und für „Kaufmann" „ F " schreiben, kurz darstellen als „Fa". Nicht alle Prädikate sind wie „Kaufmann" so beschaffen, daß man einen geschlossenen Satz erhält, wenn man sie einem Individuum zuspricht. So ist ζ. B. der Satz „Herr Müller ist Vater von" ebenso wie seine Abkürzung „Ra" („R" bedeute „Vater von") unvollständig, er kann nicht wahr oder falsch sein. Der Grund dafür ist, daß Prädikate wie „Vater von" nur zusammen m i t zwei Individuenkonstanten oder m i t zwei gebundenen Variablen einen geschlossenen Satz ergeben. Derartige geschlossene Sätze lauten z.B. „Herr Müller ist Vater von Brigitte", kurz „Rab", oder „Einige laufen schneller als andere", kurz „V χ V y Sxy". Ein Prädikat, dem zwei Individuenkonstanten oder Variablen zuzuordnen sind, bezeichnet man als zweistelliges Prädikat. Beispiele solcher Prädikate bilden „Schuldner von", „verliebt in", „schwerer als". T r i t t ein Prädikat i n einem korrekt gebildeten Satz m i t einer Individuenkonstanten oder Variablen auf, so spricht man von einem einstelligen Prädikat. Beispiele sind „Aktiengesellschaft", „Sache", „schön". 2. Zum Begriff des „Begriffs" Der Typus bzw. die Typusbegriffe und die Klassenbegriffe werden i n der Typologik als verschiedene Denkformen des Allgemeinen bezeichnet. I n der Einleitung war stattdessen auch die Rede von unter« Quine, Logik, S. 121 ff. β Dazu Quine, Logik, S. 25 ff.

2. Z u m Begriff des „Begriffs"

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schiedlichen Begriffsformen. Ein Blick i n ein Philosophisches Wörterbuch zeigt, daß diese Charakterisierung so erläuterungsbedürftig ist wie jene. Wenn w i r i m folgenden den hier verwendeten Begriff des „Begriffs" charakterisieren, können w i r natürlich auf die zahlreichen damit verbundenen Probleme nicht eingehen, sondern lediglich bestimmte Resultate neuerer Diskussionen übernehmen, die uns die Behandlung des Themas ermöglichen sollen. Es gibt verschiedene Möglichkeiten, die Prädikate „Begriff" und „Begriffsform" zu bestimmen. Diese Bestimmung muß aber mindestens den folgenden Kriterien genügen. 1. Da der Typus wie der Klassenbegriff als Denkformen charakterisiert werden, sollen zu beiden Arten von Begriffen offenbar von einem außersprachlichen Gegenstandsbereich unterschiedene sprachliche Entitäten gehören. 2. Typus und Klassenbegriff werden als Denkformen des Allgemeinen bezeichnet. Sie sollten daher von Eigennamen, Individuenkonstanten abgegrenzt werden. 3. Wo von Begriffen als Denkformen die Rede ist, soll damit oft eine gewisse „Festigkeit" der Begriffe bezeichnet werden. So führt Jerusalem aus: „Der Begriff ist Denkform, i n der ein Gegenstand erfaßt wird. Er ist eine Vorstellung, die zur Form geworden ist, d. h. durch Wiederholung eine gewisse Festigkeit und Bestimmtheit i n Bezug auf die Erfassung dieses Gegenstandes erhalten hat 7 ." „Festigkeit" von Begriffen ist überaus mehrdeutig 8 . W i r wollen hier nur einen Aspekt berücksichtigen, auf den Frege hingewiesen hat: Begriffe sind insofern fest, als sie nicht m i t den subjektiven Vorstellungen oder Vorstellungsinhalten, die ein Sprachbenutzer m i t einem Wort verknüpft, identisch sind 9 . W i r werden daher als Begriffe nicht irgendwelche Vorstellungen, Vorstellungsinhalte oder dergleichen bezeichnen, wie das heute noch manchmal geschieht. Vom Gesichtspunkt der „Festigkeit" abgesehen, spricht dafür vor allem, daß psychische Gegebenheiten wie Vorstellungen legitimer Gegenstand empirischer Wissenschaften, etwa einer Psychologie des Denkens, nicht aber einer metatheoretischen Disziplin wie der Rechtstheorie sind 1 0 .

7 Jerusalem, K r i t i k der Rechtswissenschaft, S. 142; vgl. auch Zippelius, Typenvergleich, S. 483. 8 Insbesondere dürften w i r nicht die Festigkeit i m Sinn v o n Exaktheit oder Nicht-Abstufbarkeit zum Definitionsmerkmal v o n „ B e g r i f f " erheben, denn gerade diese Eigenschaften sollen Typusbegriffe nicht besitzen. » Frege , Sinn u n d Bedeutung, S. 43 f.; dazu Koch, Staatsrecht, S. 36 f. 10 Eine instruktive Charakterisierung v o n Wissenschaftstheorie als Metatheorie findet sich bei Stegmüller, Wissenschaftstheorie B a n d I V , S. 13 ff. F ü r die Rechtstheorie siehe Priester, Rechtstheorie, S. 56; Zimmermann, Rechtsanwendung als Rechtsfortbildung, S. 16 f.

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1. Kap.: Terminologische Klärungen

Die beiden ersten Bedingungen sind erfüllt, wenn w i r als Begriffe Prädikate bezeichnen. Diese sind zum einen Bestandteile einer Sprache, zum anderen differieren sie von Namen, sind allgemein. Daß diese Bestimmung von „Begriff" nicht ausreicht, ergibt die folgende Überlegung. Umgangssprachliche Prädikate können mehrdeutig sein. So bedeutet der Ausdruck „Schloß" etwas anderes, wenn er i m Zusammenhang m i t der Reparatur einer Tür, als wenn er zur Charakterisierung eines Gebäudes verwendet wird. Trotz der Identität des sprachlichen Ausdrucks ist man geneigt zu sagen, es handele sich u m zwei verschiedene mit dem Wort „Schloß" verbundene Begriffe 1 1 . U m dieser Verwendung von „Begriff" gerecht zu werden, müssen w i r die bisherige Erläuterung dieses Terminus ergänzen. W i r werden als Begriff nur solche Prädikate bezeichnen, die eine bestimmte Bedeutung haben 12 . Begriffe sind also interpretierte Zeichen, nämlich bedeutungsvolle Prädikate. Diese Festlegung hat die erwünschte Konsequenz, daß wir, um auf unser Beispiel zurückzukommen, sagen können, i n den verschiedenen Kontexten werde zwar ein identisches Wort („Schloß"), aber zwei verschiedene Begriffe gebraucht. Ohne auf die verschiedenen Bedeutungstheorien eingehen zu können 1 3 , müssen w i r kurz klären, was w i r unter der Bedeutung eines Ausdrucks verstehen werden 1 4 . Das w i r d dadurch erleichtert, daß sich heute bei allen Abweichungen i m einzelnen doch weitgehend akzeptierte Grundlagen herausgebildet haben 15 . Diese Entwicklung wurde initiiert durch n So hält es Wolff, Typen, S. 200, für „möglich, daß ein u n d dasselbe W o r t je nach dem Zusammenhang einen Klassen- oder einen Typusbegriff bezeichnet (ζ. B. Bundesstaat als Klassenbegriff hinsichtlich der Staatlichkeit des Gesamtstaates u n d der Gliederstaaten, jedoch als Typusbegriff hinsichtlich der Abgrenzung der Kompetenzen)". ι 2 Ebenso: Essler, Analytische Philosophie, I, S. 104; Kamiah/Lorenzen, Logische Propädeutik, S. 85. Anders als Kamlah/Lorenzen verstehen w i r als Begriffe jedoch auch solche Prädikate, deren Bedeutung nicht explizit festgelegt ist. 13 Dazu v. Kutschera, Sprachphilosophie, S. 117 ff.; Wunderlich, Linguistik, S. 236 ff. Das Verdienst, diese Bedeutungstheorien für die Rechtstheorie rezipiert zu haben, gebührt H. J. Koch; vgl. Koch, Staatsrecht, S. 29 ff.; ders., Gesetzesbindung, S. 27 ff. 1 4 Das erscheint dringend erforderlich, da sich i n dieser Hinsicht selbst bei Ott, der als erster rechtstheoretischer A u t o r eine präzise Darstellung wichtiger logischer Aspekte der Typologik gegeben hat, gravierende Fehler finden. So heißt es bei Ott, S. 29: Der Begriff bestimmt „eine Klasse v o n Gegebenheiten, die seinen Umfang ausmachen. Das bedeutet nichts anderes, als daß w i r umgekehrt den Begriff dann kennen, w e n n w i r die Klasse der Gegebenheiten kennen, die unter i h n fallen". Wie w i r gleich a m Beispiel extensionsgleicher u n d intensionsverschiedener Begriffe sehen werden, ist diese Auffassung unzutreffend. 15 Skeptisch bis ablehnend zur „theory of meaning", d. h zur E x p l i k a t i o n v o n „Intension": Quine, Logik, S. 256 ff. Vgl. auch die Auseinandersetzung zwischen Quine u n d Carnap i n : Sinnreich (Hrsg.), Z u r Philosophie der idealen

2. Z u m Begriff des „Begriffs"

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die bereits zitierte Arbeit Freges „Über Sinn und Bedeutung", vorangetrieben vor allem durch Carnaps „Meaning and Necessity" 16 . Ausgangspunkt ihrer Theorien ist die Unterscheidung zwischen zwei ganz verschiedenen Arten der Bedeutung: Frege spricht von Bedeutung und Sinn, Carnap entsprechend von Extension und Intension 17 . Diese Unterscheidung können w i r uns folgendermaßen klarmachen. Wollen w i r einem noch uninterpretierten sprachlichen Zeichen, etwa dem Prädikatbuchstaben „P", eine Interpretation geben, so können w i r das zunächst tun, indem w i r i h m eine bestimmte Menge oder Klasse 18 zuordnen, nämlich die Klasse aller Individuen, auf die „ P " anwendbar ist. Diese Individuen, nach gebräuchlicher juristischer Terminologie diejenigen, die einem Begriff subsumiert werden können, bezeichnen w i r als dessen Designate 19 . Die Extension oder der Umfang eines Begriffs ist die Menge seiner Designate. Eine Menge kann man zum einen durch Aufzählung der einzelnen Elemente bilden. W i r notieren eine solche Menge als „ { — , —, . . . , — } " , also z. B. als ,,{a, b, c } " , d. h. „die Menge m i t den Elementen α, b und c". Gehen w i r von einer bereits gebildeten Menge aus, der Grundmenge oder dem Bereich, über den w i r Aussagen machen, so können w i r Mengen auch durch Bezugnahme auf ein oder mehrere Attribute von Individuen des Bereichs bilden: W i r schreiben solche Mengen ζ. B. als , , { x / P x } " , d. h.: „die Menge aller x, die Ρ sind". Das Gesagte sei an einem Beispiel erläutert. Gegeben sei ein Bereich Β m i t den Individuen Gesellschaft 1 (Gi), Gesellschaft 2 (G2), G3, G4, G5. Gi, G2 und G3 seien Aktiengesellschaften, G4 und G5 nicht. W i r können dann die Klasse der Aktiengesellschaften aus Β aussondern, indem w i r die Menge {Gì, G2, G3} oder die Menge { x l A x } bilden, wobei „ A " für „Aktiengesellschaft" stehe. Da es genau drei Einsetzungsmöglichkeiten für χ gibt, so daß „ A x " wahr ist, nämlich Gì, G2 und Gs, enthalten beide Mengen dieselben Elemente. Enthält ein Bereich mehr Elemente, ζ. B. alle Gesellschaften der Bundesrepublik, ist offenbar allein die zweite A r t der Mengenbildung praktikabel. Zusammenfassend läßt sich sagen: w i r können über einem Bereich ein Prädikat interpretieren, indem w i r i h m die Klasse seiner Designate als Extension zuordnen. Sprache, S. 145 ff. u n d 167 ff., sowie die Diskussion der Quineschen Auffassung bei v. Kutscher a, Sprachphilosophie, S. 179 ff. 16 Carnap , Meaning and Necessity, Chicago 1947. 17 Z u den Terminologien verschiedener A u t o r e n vgl. Koch, Staatsrecht, S. 35. 18 w i r verwenden „Menge" u n d „Klasse" hier als „gedankliche Zusammenfassung v o n Gegenständen" i m Sinn der Mengenlehre. Detaillierte Erläuterungen bei Heuser/Tillmann, Mathematik, S. 3 ff. 19 Nicht dagegen die A t t r i b u t e dieser Gegenstände, w i e das ζ. B. Stegmüller, Wahrheitsproblem, S. 43, tut.

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1. Kap.: Terminologische Klärungen

Daß damit noch nicht hinreichend erfaßt ist, was w i r unter der Bedeutung eines Begriffs verstehen, zeigt ein Beispiel. Es sei der Fall, daß alle Paarzeher Wiederkäuer sind und umgekehrt. Die Extensionen {x/Px} und {x/Wx} 20 sind dann identisch. Faßte man als Bedeutung eines Begriffs seine Extension auf, müßte man also „Paarzeher" und „Wiederkäuer" als bedeutungsgleich ansehen. Das stände jedoch i m W i derspruch zu den intuitiven Erwartungen, die w i r bezüglich einer präzisen Fassung der Begriffe „Bedeutung" und „bedeutungsgleich" haben. So sind ganz verschiedene Eigenschaften eines Lebewesens dafür maßgeblich, ob w i r es als „Paarhufer" oder als „Wiederkäuer" bezeichnen. Entsprechend unterscheiden sich die Gebrauchsregeln für diese Begriffe. I n einem solchen Fall würde man wohl sagen, die extensionale Gleichheit von „ P " und „ W " sei zwar ein empirisches Faktum, besage aber nicht, daß „ W " und „ P " auch bedeutungsgleich seien. Solchen Bedenken 2 1 versucht man dadurch Rechnung zu tragen, daß man eine von der Extension verschiedene Bedeutung von Begriffen annimmt, die hier im Anschluß an die Terminologie Carnaps als Intension bezeichnet wird. Die Frage, was als Intension eines Begriffes anzusehen sei, w i r d nicht einheitlich beantwortet. Zum einen sieht man als solche die Attribute der Gegenstände an, die durch das entsprechende Prädikat ausgedrückt werden 2 2 . Hiergegen spricht jedoch, daß es i n hohem Maße kontraintuit i v ist, Intensionen und damit Begriffe (Carnap verwendet beide Ausdrücke synonym) i n die außersprachliche Realität zu verlagern 2 3 . Weiterhin w i r d vorgeschlagen, als Intension die allgemeine Bedingung zu bezeichnen, der ein Gegenstand genügen muß, damit i h m ein Prädikat zuzusprechen ist 2 4 . Schließlich kann man die Verwendungsregeln für ein Prädikat „ P " , die die Bedingung dafür, ein Ρ zu sein, ausdrücken, als Intension von „ P " bezeichnen 25 . Zwischen den zuletzt genannten Mög20 „ P " stehe f ü r „Paarzeher", „ W " f ü r „Wiederkäuer". Dazu Koch, Staatsrecht, S. 30 ff. 22 So Carnap, Bedeutung, S. 21 ff.; Zimmermann, S. 18 f. 23 Siehe die K r i t i k bei Wunderlich, S. 240, 252; ebenso Koch, Staatsrecht, S. 37, der freilich glaubt, m a n müsse Carrnap nicht i m Sinn der kritisierten Position verstehen. Zugegeben ist, daß die v o n Koch erörterte Stelle bei Carnap deutungsfähig ist. Daß Carnap ansonsten Intensionen u n d (physische) Eigenschaften identifiziert, ist aber nicht abzustreiten. Gegenüber Z i m mermann, F N 72 ist darauf hinzuweisen, daß diese Identifizierung deshalb k r i t i k w ü r d i g ist, w e i l sie ohne zwingenden G r u n d ganz erheblich v o n eingebürgerten Sprachgebräuchen abweicht. Wenn w i r v o n der Festsetzung v o n Intensionen oder Begriffsbildung sprechen, geht es dabei nicht u m die Festlegung oder B i l d u n g empirischer A t t r i b u t e . Außerdem kann, w i e Zimmer mann, S. 18, auch nicht verkennt, die Identifizierung v o n Intensionen u n d empirischen A t t r i b u t e n die „nichtkognitiven Sinnkomponenten" (Carnap , Sinn u n d Synonymität, S. 150) nicht erfassen, w i e das vor allem f ü r die A n a lyse v o n Wertprädikaten erforderlich ist. 24 Koch, Staatsrecht, S. 38, i m Anschluß an eine Formulierung Carnaps. 21

3. „Begriffsform"

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lichkeiten besteht, soweit ich sehe, kein wesentlicher Unterschied. W i r können uns also ohne weiteres dafür entscheiden, als die Intension oder Bedeutung eines Prädikats „P" die Verwendungsregeln für „ P t ( zu verstehen 26 . 3. „Begriffsform" Den Ausdruck „Begriffsform" werden w i r nicht präzise bestimmen. Immerhin lassen sich Minimalforderungen angeben, denen ein Versuch, Typus und Klassenbegriff als verschiedene Begriffsformen zu erweisen, genügen muß. So unterscheiden sich zwar die beiden Begriffe „Kaufvertrag" und „Werkvertrag" sowohl intensional als auch extensional. Einen Unterschied i n ihrer Begriffsform macht das allein aber noch nicht aus. Vielmehr wollen die Theoretiker des Typus die für die Typologik zentrale Unterscheidung zwischen Typus- und Klassenbegriffen auf deren unterschiedliche „logische S t r u k t u r " 2 7 stützen. Das ist zwar auch noch nicht sehr genau 28 , aber man w i r d doch sagen können, daß der unterschiedliche Präzisionsgrad von Begriffen, als Unterschied i n ihrer semantischen Qualität, ebensowenig eine verschiedenartige logische Struktur dieser Begriffe ausmacht, wie der heuristische Umstand, daß Prädikate i m Hinblick auf differierende Zwecke festgelegt wurden. W i r können uns damit begnügen, da der Begriff „Begriffsform" i n dieser Arbeit keine entscheidende Rolle spielt. Zwar werden w i r kritisch zum Anspruch der klassischen Konzeption Stellung nehmen, zwischen unterschiedlichen Begriffsformen zu unterscheiden, wobei w i r uns auf die i n der heutigen Wissenschaftstheorie übliche Unterscheidung zwischen verschiedenen Begriffsformen beziehen. Da w i r daran interessiert sind, die Probleme herauszufinden, u m die es der klassischen Lehre geht, werden w i r es aber bei dieser K r i t i k nicht bewenden lassen, sondern 25 Essler, Analytische Philosophie I , S. 104; Koch, Rationalität, S. 188. Als Intension werden hier nicht „bloße Sprachregeln" bezeichnet, sondern die Regeln, die die Anwendungsbedingungen eines Prädikats ausdrücken. Die von Zimmermann, F N 74 geäußerte K r i t i k an der Identifizierung v o n I n tensionen u n d Gebrauchsregeln greift dagegen nicht durch. So mag m a n das von i h m angeführte Beispiel „ x ist npht genau dann, w e n n χ haluphem ist" zwar möglicherweise als Regel bezeichnen. Sie informiert uns aber nicht über Anwendungsbedingungen f ü r das Prädikat „ n p h t " . Z u m Regelbegriff siehe Keller, Begriff der Regel. 26 Ä h n l i c h auch eine Formulierung bei Wunderlich, S. 267 f.: „ W i r können Intensionen jedoch als Regeln einer bestimmten Sorte verstehen, nämlich als Bedingungen für die Anwendbarkeit eines Ausdrucks (bzw. Begriffs) relativ zu bestimmten Anwendungskontexten." 27 Strache, Standards, S. 20 ff.; Leenen, Typus, S. 27. 28 Auch i n der heutigen Wissenschaftstheorie werden Begriffe w i e „ l o gisch", „logische Analyse" usw. nicht einheitlich verwendet; dazu Rödig, E r kenntnisverfahren, S. 2 F N 2.

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1. Kap.: Terminologische Klärungen

auch solche Versuche der Abgrenzung zwischen Typus- und Klassenbegriffen erörtern, die offensichtlich ungeeignet sind, eine unterschiedliche logische Struktur beider Arten darzutun. 4. „Explikation", „Bedeutungsanalyse", „Definition" Zum Abschluß der begrifflichen Präliminarien soll zunächst der i n der Einleitung bereits gebrauchte Begriff der „Explikation", des „Explizierens" erläutert werden 2 9 . Die Explikation eines Begriffs, oft auch als „rationale Rekonstruktion" bezeichnet 30 , ist einmal von der Bedeutungsanalyse zu unterscheiden 31 . Deren Ziel ist eine wahre empirische Aussage über die Intension eines Begriffs, wie ζ. B.: „Der Begriff ,Sache4 i m BGB ist gleichbedeutend m i t »körperlicher Gegenstand'." Bei dieser Aussage handelt es sich u m eine Feststellung über eine Sprache 22. Sie ist wahr oder falsch, je nachdem, ob es der Fall ist, daß „Sache" i m BGB m i t „körperlicher Gegenstand" synonym ist oder nicht. Von Feststellungen über eine Sprache sind Festsetzungen für eine Sprache zu unterscheiden. M i t ihnen legen w i r fest, wie ein Ausdruck verwendet werden soll. So könnten wir, ohne damit eine Behauptung über einen vorgegebenen Sprachgebrauch zu verbinden, festsetzen: „Der Begriff ,Sache' soll gleichbedeutend mit,körperlicher Gegenstand' verwendet werden." Bedeutungsfestsetzungen, die i n der Jurisprudenz eine erhebliche Rolle spielen 33 , können nicht wahr oder falsch, sondern nur unzweckmäßig oder zweckmäßig sein 34 . U m der grundlegenden Differenz zwischen Feststellungen und Festsetzungen auch terminologisch Rechnung zu tragen, werde ich i m Folgenden von „Definitionen" bzw. „Definieren" nur bei Bedeutungsfestsetzungen, nicht aber bei Feststellungen über eine Sprache reden 35 . 29 Z u r E x p l i k a t i o n v g l : Carnap , Bedeutung, S. 9 ff.; Carnap/ Stegmüller, I n d u k t i v e Logik, S. 12 ff.; Hempel, Begriffsbildung, S. 20 ff.; Hanna, Explication; Wunderlich, S. 206 ff. 30 Z u r Terminologie: Hanna, S. 28, 30. I h m zufolge sind Gegenstand der E x p l i k a t i o n (u. a.) Prädikate, nicht Begriffe, denn: „Concepts are mysterious entities" (Hanna, S. 30). E i n Argument gegen den Sprachgebrauch i m Text liefert das (hoffentlich) nicht. 31 Hempel, Begriffsbildung, S. 18 ff.; vgl. auch Ott, S. 71 f. 32 υ . Savigny, Grundkurs, S. 22 f. 33 Koch, Staatsrecht, S. 56 ff. 34 v. Savigny, Grundkurs, S. 21 f.; zu Recht weist Zimmermann, S. 20 f., darauf hin, daß zwischen zwei A r t e n v o n Festsetzungen f ü r eine Sprache zu unterscheiden ist. Während Nominaldefinitionen lediglich Abkürzungen darstellen, sind die meisten Begriffsfestsetzungen i n der Jurisprudenz praktisch folgenreich, d. h. kreativ (dazu Essler, Wissenschaftstheorie I, S. 71 ff.). 35 Ebenso: Ott, S.72ff.; Mengiardi, ZSR 1973, S. 414 ff. (416); auch Koller, Grundfragen, S. 17 F N 3, identifiziert „Definition" u n d „Festsetzung der w e sentlichen Merkmale".

4. „ E x p l i k a t i o n " , „Bedeutungsanalyse", „Definition"

31

Unter Verwendung einer i n der Typologik beliebten Metapher läßt sich die Explikation dadurch charakterisieren, daß sie „ i n der Mitte" zwischen Bedeutungsanalyse bzw. -feststellung und Bedeutungsfestsetzung steht. Von Explikation sprechen wir, wenn ein vager Begriff (das Explikandum) durch einen präziseren (das Explikat) ersetzt wird. Soll dieses das Explikandum „ersetzen" können, darf es von i h m offenbar nicht völlig abweichen, ist durch seine Bedeutung irgendwie determiniert und unterscheidet sich insofern von dem Definiens, d. h. dem durch eine Definition eingeführten Ausdruck. Da das Explikat definitionsgemäß präziser ist als das Explikandum, kann seine Bedeutung andererseits nicht vollständig durch dieses bestimmt sein, anders als bei der Bedeutungsanalyse bleibt also bei der Explikation ein durch noch so umfassende Erforschung des tatsächlichen Sprachgebrauchs nicht auszufüllender Entscheidungsspielraum offen. Wie Definitionen können Explikationen daher nicht wahr oder falsch, sondern nur adäquat oder inadäquat sein. Von der Bedeutungsanalyse und von der Definition unterscheidet sich die Explikation dadurch, daß sie weder zur Feststellung noch zur Festsetzung einer Synonymierelation zwischen zwei Begriffen f ü h r t 3 6 : auch das ergibt sich daraus, daß das Explikat präziser ist als das Explikandum. Umstritten ist, welchen Kriterien eine adäquate Explikation genügen muß. 1. Meist w i r d verlangt, ein Explikat müsse „exakt" oder „präzise" sein. Das könnte entweder bedeuten, es dürfe nicht vage sein, oder gar, es dürfe überhaupt keine semantischen Spielräume mehr aufweisen 37 . Demgegenüber scheint es „realistischer", als erstes Adäquatheitskriterium nur festzulegen, ein Explikat müsse präziser als das Explikandum sein 38 . 2. I n concreto orientierend, allgemein aber wohl nicht sehr hilfreich zu präzisieren 39 , sind die Postulate der Fruchtbarkeit und Einfachheit. Auch sie lassen sich, wie w i r i m Vorgriff auf bald einzuführende Begriffe sagen können, klassifikatorisch oder komparativ deuten. So kann man verlangen, ein Explikat müsse fruchtbar sein, d. h. die Formulierung interessanter und, wo möglich, einfacher Aussagen gestatten 40 , oder aber, es müsse fruchtbarer sein, einfachere Aussagen ermöglichen als das Explikandum 4 1 . 36

Dazu Hanna, S. 29. W i r werden auf diese Begriffe noch näher eingehen: S. 60 ff. 38 So Essler, Wissenschaftstheorie, S. 58; vgl. auch Wunderlich, S. 207 F N 8. F ü r eine Definition des Begriffs „präziser als" siehe Opp, Methodologie, S. 135 ff. (137). 3 » Wunderlich, S. 206; Opp, S. 162. 40 Carnap/ Stegmüller, S. 15. « Essler, S. 58 f. 37

32

1. Kap. : Terminologische K l ä r u n g e n

3. Schließlich muß das Explikat dem Explikandum ähnlich sein. Auch dieses K r i t e r i u m w i r d unterschiedlich aufgefaßt. Eine strenge Version vertritt vor allem J. H. Hanna. A l l e Individuen, die zur Extension des Explikandums gehören, müssen danach auch i n die des Explikats fallen. Diese darf weiterhin keine Individuen enthalten, die m i t Sicherheit nicht zur Extension des Explikandums gehören. Das Explikat unterscheidet sich also von jenem lediglich hinsichtlich der Gegenstände, von denen wegen der Vagheit des Explikandums nicht sicher ist, ob sie i h m zu subsumieren sind oder nicht. Die Aufgabe der Explikation beschränkt sich nach Hanna darauf, diese Vagheitszone zu beseitigen 42 . Meistens w i r d das K r i t e r i u m weniger streng formuliert. So verlangt Carnap nur, „daß i n den meisten Fällen, i n denen bisher das Explikandum benutzt wurde, stattdessen das Explikat verwendet werden k a n n . . . es werden sogar beträchtliche Abweichungen zugelassen" 43 . Diese Formulierung des Ähnlichkeitspostulats ist offenbar nicht nur liberaler, sondern auch sehr viel unpräziser als die alternative Version. Daß sie i m folgenden dennoch zugrundegelegt wird, hängt m i t „Sinn und Zweck" der Explikation zusammen 44 . Arbeiten, die sich, wie die vorliegende, vornehmlich auf Texte der Disziplin richten, der sie selbst angehören, versuchen meist, solche Texte zu interpretieren, d. h. sie einer Bedeutungsanalyse zu unterziehen. Ob eine Bedeutungsanalyse zutrifft oder nicht, und das ist das Kriterium, an dem sie i n erster Linie zu messen ist, hängt nicht davon ab, ob die analysierten Begriffe wissenschaftlich fruchtbar sind oder nicht. Gerade angesichts des Ausmaßes der Beschäftigung m i t Klassikern einer Diszip l i n i n Nicht-Naturwissenschaften dürfte es zweckmäßig sein, derartige Bedeutungsanalysen durch Explikationen zu ergänzen. Denn diese zielen j a nicht auf Deskription, sondern auf Präzisierung ab: sofern relevante Begriffe einer Wissenschaft expliziert werden, darf man sich daher von Explikationen einen Erkenntnisfortschritt der betreffenden Disziplin erhoffen 45 . Für dieses Ziel ist es aber von untergeordneter Bedeutung, wie ähnlich ein Explikat einem Explikandum ist. I m Gegenteil kann es sich unter diesem Gesichtspunkt als adäquat erweisen, daß bestimmte Aussagen, i n denen das Explikandum gebraucht oder erwähnt wird, unter Verwendung des Explikats (eindeutig) falsch werden. Zur Klasse dieser Sätze würde ich z.B. Larenz* Aussage zählen, der Typus hebe Gesetze der formalen Logik auf 4 6 . Solche Aussagen erfordern neben der 42 Präzisere Formulierung bei Hanna, S. 37 f. 43 Carnap/ Stegmüller, S. 15; Wunderlich, S. 207; Opp, S. 162. 44 Vgl. zu dem folgenden Argument Opp, S. 158 ff.; ähnlich: S. 6. 45 Opp, S. 163 f. 46 Siehe unten K a p i t e l 8/7.

Zimmermann,

4. „ E x p l i k a t i o n " , „Bedeutungsanalyse", „Definition"

33

Präzisierung K r i t i k . Gerade das Nebeneinander von explikations- und kritikwürdigen Aussagen, das auch die rechtstheoretische Literatur zum Typus charakterisiert, läßt es als sinnvoll erscheinen, sich mit einer lockereren Ähnlichkeitsbeziehung zwischen Explikat und Explikandum zu begnügen, als das nach Hannas Vorschlag möglich wäre. Entsprechend sollte sich die K r i t i k an einem Explikationsversuch primär an der Frage nach der Brauchbarkeit des Explikats orientieren. Wenn gleichwohl überhaupt an dem Postulat festgehalten wird, ein Explikat solle dem Explikandum ähnlich sein, so ist das aus zwei Gründen sinnvoll: 1. Ein Explikat t r i t t nach der hier vertretenen Auffassung gleichsam i n eigener Verantwortung auf: seine Vagheit oder Irrelevanz läßt sich nicht dem Explikandum anlasten. Daß auf dieses Bezug genommen wird, bedeutet umgekehrt jedoch, daß sein Beitrag zu einer geglückten Explikation deutlich wird. 2. Die hier von einer Explikation verlangte Ähnlichkeit zwischen Explikat und Explikandum ist zwar zu unbestimmt, als daß ein Explikationsversuch an diesem Postulat definitiv scheitern könnte. Daß sie beansprucht und an einigen Beispielen plausibel gemacht wird, legt aber immerhin die folgende erwünschte Argumentationsregel nahe: Ist ein Explikat präziser als ein Explikandum, so bedarf dessen weitere Verwendung der besonderen Begründung. Diese könnte etwa darin bestehen, daß wichtige Unterschiede zwischen Explikandum und Explikat aufgezeigt werden, die bei der Explikation übersehen wurden, oder daß Argumente für die Unzweckmäßigkeit einer bewußten Abweichung vom Explikandum angeführt werden.

3 Kuhlen

Zweites Kapitel

Verschiedene Begriflsformen I n der Wissenschaftstheorie unterscheidet man zwischen drei Begriffsformen: den qualitativen (klassifikatorischen), den komparativen (topologischen) und den quantitativen Begriffen 1 . 1. Klassifikatorische Begriffe Qualitative Begriffe sind Prädikate wie „Diebstahl", „rechtmäßig", „lebendig". Wenden w i r solche Begriffe auf Individuen an, so sprechen w i r diesen damit eine bestimmte Qualität zu, einer Handlung ζ. B. die Eigenschaft, ein Diebstahl oder rechtmäßig zu sein. Solche Begriffe dienen i n Wissenschaften dazu, einen Bereich Β i n bestimmte Klassen zu zerlegen, ζ. B. die Grundmenge der menschlichen Handlungen i n die Klassen der Diebstähle und der Nichtdiebstähle. Geht man vom wissenschaftlichen Interesse an möglichst präziser Information aus, so ergeben sich ohne weiteres zwei Adäquatheitsbedingungen für eine solche Klasseneinteilung. 1. Die einzelnen Klassen einer Einteilung dürfen sich nicht überschneiden, d. h. ein Gegenstand aus Β darf nur zu einer Klasse gehören. Inadäquat wäre es etwa, die Begriffe „rechtmäßig" und „rechtswidrig" so festzulegen, daß auf identische Handlungen gemäß den Verwendungsregeln für diese Prädikate beide Begriffe anwendbar wären. Dieses Postulat bezieht sich natürlich nur auf Begriffe, die die gleiche Dimension erfassen, wie „rechtmäßig"/„rechtswidrig" (Dimension: Rechtmäßigkeit von Verhalten), „ w a r m " / „ l a u " / „ k a l t " (Dimension: Wärme physischer Körper). 2. Weiterhin sollte eine Klasseneinteilung vollständig sein, d. h. jedes Element aus Β sollte einem der qualitativen Begriffe unterfallen. U m MißVerständnisse zu vermeiden, sei folgendes betont: 1. Den genannten Forderungen werden Begriffe der Alltagssprache, aber auch der Jurisprudenz, oft nicht genügen 2 . Das ändert, da w i r diese 1 Carnap , Physikalische Begriffsbildung; Hempel, Begriffsbildung, S. 51 ff.; Suppes/Zinnes, Basic Measurement Theory, Stegmüller, Wissenschaftstheorie I I ; v. Kutschera, Wissenschaftstheorie I, S. 16 ff.

2. Komparative Begriffe

35

Postulate nicht zur Definition von „klassifikatorischer Begriff" herangezogen haben, nichts daran, daß auch derartige Begriffe klassifikatorische sein können. 2. Begriffe so festzulegen, daß sie den genannten Postulaten genügen, erscheint zweckmäßig i m Hinblick auf das wissenschaftliche Interesse an möglichst exakter und umfassender Information. Für andere Zwecke könnte es dagegen nützlich sein, Begriffe z. B. nur soweit festzulegen, daß ein gewisser Vagheitsspielraum erhalten bleibt — wodurch das zweite Postulat verletzt würde — 3 . Diskussionen über die Berücksichtigung solcher Zwecksetzungen zu führen, ist, soweit es u m Begriffsbildung i n Wissenschaften geht, legitime Aufgabe der Methodologie, nicht aber einer allgemeinen Theorie der Begriffsformen. 2. Komparative Begriffe Obwohl man durch die Festlegung sehr vieler klassifikatorischer Begriffe eine differenzierte Klasseneinteilung eines Bereichs Β erzielen kann, sind qualitative Prädikate die bescheidenste Form wissenschaftlicher Begriffe 4 . Schon der Übergang zu komparativen Begriffen liefert uns schärfere Informationen über B. Komparative Begriffe lassen sich charakterisieren als „Relationsbegriffe, die Vergleichsfeststellungen i m Sinne eines ,mehr oder weniger' ermöglichen" 5 . Solche Relationsbegriffe sind zwei- oder mehrstellige Prädikate 6 wie z.B. „wärmer als", „dunkler als", „kapitalistischer als". M i t ihnen wollen w i r Β nicht i n Klassen aufteilen, sondern eine bestimmte Ordnung der Elemente von Β erreichen. Welche Voraussetzungen für eine adäquate Ordnung dieser A r t gegeben sein müssen, sei am Standardbeispiel eines komparativen Gewichtsbegriffs gezeigt 7 . Β enthalte als Elemente physische Objekte mittlerer Größe. U m diese Objekte i m Hinblick auf ihr Gewicht zu ordnen, müssen w i r angeben können, ob zwei Elemente i n dieser Hinsicht gleichrangig sind oder ob eines dem anderen vorgeht. W i r benötigen daher zwei Relationsbegriffe 2

Z u r Alltagssprache Stegmüller, Wissenschaftstheorie I I , S. 20. Essler, Analytische Philosophie I, S. 116 ff.; Körner, Erfahrung u n d Theorie, S. 48. 4 Carnap, Physikalische Begriffsbildung, S. 51 f.; Stegmüller, Wissenschaftstheorie I I , S. 21, 37 ff. 5 Stegmüller, Wissenschaftstheorie, S. 28. 6 I n der Folge werden w i r v o n der Analyse mehr als zweistelliger k o m parativer Begriffe, die keine besonderen Probleme aufwerfen, absehen und, wo nicht etwas anderes ausdrücklich gesagt w i r d , komparative Begriffe m i t zweistelligen komparativen Begriffen identifizieren. 7 Vgl. HempellOppenheim, Typusbegriff, S. 24 ff.; Hempel, Begriffsbildung, S. 57 ff.; Stegmüller, Wissenschaftstheorie I I , S. 29 ff. 3

3*

2. Kap.: Verschiedene Begriffsformen

36 „G"

u n d „ V " , w o b e i „G"

soviel bedeutet w i e „gleich", „ V " soviel w i e

„ g e h t v o r " 8 . I m B e i s p i e l s i n d das die b e i d e n B e g r i f f e „ g l e i c h s c h w e r " u n d „ l e i c h t e r als", die w i r f o l g e n d e r m a ß e n d e f i n i e r e n k ö n n e n : E i n O b j e k t χ i s t m i t e i n e m O b j e k t y gleichschwer (d. h.: Gxy)

genau

d a n n , w e n n m a n χ u n d y a u f d i e Schalen e i n e r B a l k e n w a a g e l e g t u n d diese i m G l e i c h g e w i c h t b l e i b e n . E i n O b j e k t χ i s t l e i c h t e r als e i n O b j e k t y ( d . h . : Vxy)

genau dann,

w e n n m a n χ u n d y a u f die Schalen e i n e r B a l k e n w a a g e l e g t u n d d i e m i t χ belastete Waagschale e m p o r s t e i g t . Die durch zwei Relationsbegriffe „ G " u n d „ V " ausgedrückten Relationen® müssen b e s t i m m t e n P o s t u l a t e n genügen, d a m i t eine u n s e r e n i n t u i t i v e n E r w a r t u n g e n v o l l entsprechende a d ä q u a t e O r d n u n g d e r Gegenstände m ö g l i c h ist. 1. Z u n ä c h s t m u ß o f f e n b a r j e d e r K ö r p e r m i t sich selbst gleichschwer sein. W i r k ö n n e n a l l g e m e i n f o r m u l i e r e n : die R e l a t i o n G m u ß t o t a l r e f l e x i v s e i n 1 0 , es m u ß also g e l t e n : A xGxx

.

2. W e n n e i n O b j e k t α genauso s c h w e r ist w i e e i n O b j e k t b, b w i e d e r u m gleichschwer m i t c, so m u ß a auch so schwer sein w i e c. A l l g e m e i n l ä ß t sich sagen: d i e R e l a t i o n G m u ß t r a n s i t i v sein, es s o l l also gelten: Ax A y Λζ ((Gxy λ Gyz)

Gxz) .

8 Statt von der Gleichheitsrelation G (so Hempel/Oppenheim, S. 23 ff.; ihnen folgend Ott, Typologie, S. 33) spricht m a n heute meist v o n einer K o inzidenzrelation Κ : so Hempel, Begriffsbildung, S. 57; Stegmüller, Wissenschaftstheorie I I , S. 29. • Da w i r Begriffe als bedeutungsvolle Prädikate verstehen, können w i r natürlich nicht davon sprechen, daß die Begriffe selbst diesen Postulaten genügen sollen (ob die empirischen Relationen das tun, die w i r durch Relationsbegriffe ausdrücken, hängt freilich davon ab, w i e w i r diese festlegen). Es ist daher mißverständlich, w e n n bei Hempel!Oppenheim, S. 12 u n d pass, zum einen die Rede davon ist, Relationen seien mehrstellige Prädikate, zum anderen davon, Relationen sollten Postulate w i e das der Transitivität usw. erfüllen. Hier w i r d offenbar nicht genügend zwischen Zeichen u n d Bezeichnetem unterschieden (vgl. f ü r eine klare Unterscheidung zwischen Relationen u n d Relationsbegriffen: Carnap, Symbolische Logik, S. 5 f.). Hochgradig v e r w i r r e n d w i r d es, w o u n k l a r bleibt, ob Hempel/Oppenheim über Relationen, Relationsbegriffe oder Reihenordnungen reden: vgl. Hempel/Oppenheim, S. 30 f. 10 Stegmüller, Wissenschaftstheorie I I , S. 31; zum Unterschied zwischen Reflexivität u n d Totalreflexivität siehe Quine, Logik, S. 231. Vielleicht wegen seiner T r i v i a l i t ä t w i r d dieses Postulat bei Hempel/Oppenheim u n d i n der Folge bei den rechtstheoretischen A u t o r e n — soweit sie sich auf solche Details überhaupt einlassen — übersehen: vgl. Hempel/Oppenheim, S. 27 ff.; Hassemer, Tatbestand u n d Typus, S. 122; Ott, S. 33.

2. Komparative Begriffe

37

3. Weiterhin müssen w i r den Begriff „gleichschwer" so festlegen, daß gilt: wenn a und b gleichschwer sind, dann auch b und α. Allgemein: die Relation G muß symmetrisch sein, es soll also gelten: A x A y (Gxy

Gyx) .

4. Wie G muß auch die Relation V transitiv sein, es soll also gelten: Ax A y Az ((Vxy

λ Vyz)

Vxz) .

5. Anders als G ist V eine asymmetrische Relation: wenn α leichter ist als b, dann ist nicht umgekehrt auch b leichter als α. Es ist daher zu postulieren: A x A y (Vxy

—ι Vyx)

.

Die beiden Relationen G und V müssen schließlich „verbunden" sein 11 , d. h. die beiden folgenden Bedingungen erfüllen: 6. Stehen zwei Objekte zueinander i n der Relation V, dürfen sie nicht auch i n der Relation G zueinander stehen. So dürfen w i r die Begriffe „gleichschwer" und „leichter als" nicht so festlegen, daß w i r hinsichtlich zweier Objekte α und b nicht nur zu dem Ergebnis gelangen, b sei schwerer als a oder umgekehrt, sondern auch noch zu dem Resultat, α und b seien gleichschwer. Allgemein formuliert: Ax A y ((Vxy

V Vyx)

—ι Gxy) .

7. M i t dem letzten Postulat wurde gefordert, daß zwei Objekte nur i n einer der Relationen (Gxy, Vxy oder Vyx) stehen. Weiterhin ist erforderlich, daß für jedes Paar zweier Objekte eine der Relationen besteht. Generell muß daher gelten: A x A y (Gxy ν Vxy V V y x ) 1 2 .

Wenn w i r für einen Bereich Β ein Paar zweier Relationsbegriffe { „ G " , „ V " } derart festgelegt haben, daß die Relationen G und V den genannten Postulaten genügen 13 , nennen w i r jedes Element dieser Paarmenge, also sowohl „ G " wie „ V " , einen adäquaten komparativen Begriff 1 4 . Durch ein Paar { „ G " , „ V " } konstituieren w i r für Β eine Reihenordnung, wie w i r genauer sagen können: eine Quasireihe 15 . 11

Hempel!Oppenheim, S. 29 f. Stegmüller, Wissenschaftstheorie I I , S. 31 f. Es ist n u r eine — logisch äquivalente — andere Schreibweise, w e n n m a n stattdessen m i t Hempel1 Oppenheim, S. 30, postuliert: Λ χ Λ y (-, Gxy (Vxy V Vyx)). 13 Da es sich bei diesen Postulaten zumeist u m empirische Allaussagen handelt, können w i r das nicht immer endgültig feststellen. Unser Wissen ist insofern hypothetisch: Stegmüller, Wissenschaftstheorie I I , S. 34 f. 12

2. Kap.: Verschiedene Begriffsformen

38

3. Vergleich klassifikatorischer mit komparativen Begriffen Einige wichtige Punkte wollen w i r uns dadurch verdeutlichen, daß w i r qualitative und komparative Begriffe miteinander vergleichen 16 . 1. Genausowenig wie qualitative Begriffe verlieren komparative ihre Begriffsform dadurch, daß i n concreto nicht alle aufgeführten Postulate erfüllt sind. 2. Durch (einstellige) klassifikatorische Begriffe drücken w i r Eigenschaften ihrer Designate aus, durch komparative Prädikate Relationen zwischen zwei oder mehr Gegenständen. 3. Komparative Begriffe sind definiert als bestimmte Relationsbegriffe. Sie sind also immer zwei- oder mehrstellige Prädikate. Qualitative Begriffe dagegen sind meist einstellige Prädikate. 4. Erzeugen w i r durch qualitative Begriffe eine Klasseneinteilung der Gegenstände eines Bereichs B, so durch ein Paar { „ G " , „ V " } eine Quasireihe. Der Unterschied läßt sich graphisch verdeutlichen 1 7 . Gegeben sei ein Bereich B, der als Elemente die physischen Objekte mittlerer Größe enthält. W i r können dann η verschiedene qualitative Prädikate definieren („Pi", „P2", . . ·, „Ρλ")> die die i m folgenden dargestellte Einteilung von Β i n die Klassen K\, Ks, . . . , K n (also die Extensionen von „ P i " bis „ P w " ) bewirken:

14 Ich weiche hier von der gebräuchlichen Terminologie etwas ab. Da w i r nicht an einer idealen Sprache interessiert sind, w i r d die Erfüllung der Postulate nicht i n die Definition von „komparativer Begriff" m i t aufgenommen. Das ist erforderlich, damit nicht der Verwechslung von Begriffsformen und bestimmten semantischen Phänomenen Vorschub geleistet w i r d (dazu Kapitel 4). Ebenfalls durch Konfusionen i n der Rechtstheorie ist es motiviert, daß w i r auch terminologisch streng zwischen Quasiordnung und komparativen Begriffen trennen (anders als Stegmüller, Wissenschaftstheorie, S. 33). Die Verwechslung von Prädikaten und Reihenordnungen ist i n der rechtstheoretischen Literatur (vgl. aber auch Hempel/Oppenheim, S. 31) verbreitet. So versteht etwa Radbruch, Klassenbegriffe, S. 51, „abstufbarer Begriff" einmal synonym m i t „Reihenordnung" (auf einer solchen sind „Aufstieg" und „Abstieg" — metaphorisch — möglich, schwerlich „auf" einem Prädikat), zieht dann aber Konsequenzen für Begriffe ( = Prädikate), nämlich für deren Unschärfe. 15 Als Ordnung bezeichnet man eine Reihe, i n der eine Rangstufe nur von einem Element belegt werden kann. Von einer Qitasiordnung oder -reihe spricht man, wenn mehrere Elemente den gleichen Platz einnehmen können. Dazu: Stegmüller, Wissenschaftstheorie I I , S. 30; v. Kutschera, Wissenschaftstheorie I, S. 23 F N 2. ιβ w i r werden zunächst auf zwei- und mehrstellige qualitative Begriffe nicht eigens eingehen. 17

Zur ersten Graphik: Stegmüller, zweiten: Hempel/Oppenheim, S. 22.

Wissenschaftstheorie

I I , S. 38; zur

3. Vergleich klassifikatorischer m i t komparativen Begriffen

39

Β Κι

K2

ab

d

K

n c

Die Festlegung η klassifikatorischer Begriffe gibt uns die Möglichkeit, die Objekte aus Β, ζ. B. die eingezeichneten a, b, c und d i n die verschiedenen Klassen „einzusortieren", i n einem weiteren Sinne könnte man durchaus auch hier sagen: zu ordnen 18 . Die demgegenüber spezifisch höhere Informationsleistung, die komparative Begriffe erbringen, ist darauf zurückzuführen, daß w i r über den Relationsbegriff „ V " verfügen 19 , dessen (zutreffende) Anwendung auf Gegenstände uns über deren Stellung zueinander, ihre relative Rangordnung unterrichtet. Der durch η verschiedene klassifikatorische Begriffe bewirkten Klasseneinteilung von Β entspricht die durch ein Paar { „ G " , „ V " } konstituierte Quasireihe für B, die sich graphisch folgendermaßen darstellen läßt:

d V

b,c a

Besteht zwischen zwei Gegenständen, wie zwischen b und c, die Relation G, so werden sie nebeneinander gezeichnet, sie nehmen den gleichen Platz i n der Quasireihe ein. Stehen zwei Gegenstände zueinander i n der Relation V 2 0 , so werden die „Vorgänger" unterhalb der „Nachfolger" eingestuft. Anders als bei einer Klasseneinteilung wissen w i r hier also nicht nur, daß ζ. Β. α und b i n der Vergleichshinsicht differieren, sondern auch, i n welcher Richtung diese Differenz besteht: α ist i n der Vergleichshinsicht nicht einfach anders, sondern weniger ausgeprägt als b. 18

So zu Recht Radbruch, Klassenbegriffe, S. 47. ι» Der Informationsgrad, den uns der Relationsbegriff „ G " allein v e r m i t telt, ist dagegen schon auf dem Niveau bloß klassifikatorischer Begriffsbildung erreichbar. Anstatt festzusetzen, w a n n ein χ ein Ρ ist, k a n n m a n ebensogut einen Relationsbegriff „ G " festlegen, der auf zwei Objekte a u n d b genau dann anwendbar ist, w e n n α dem b i n der Hinsicht, ein Ρ zu sein, gleicht. Vgl. Mayntz/Holm/Hübner, Soziologie, S. 38. 20 I m Beispiel α u n d b, a u n d c, b u n d d, c u n d d, a u n d d; nicht aber u m gekehrt: b u n d a, c u n d a, d u n d b, d und c, d u n d α.

40

2. Kap.: Verschiedene Begriffsformen

A n einen terminologischen Vorschlag Hempel/Oppenheims anknüpfend, können w i r zusammenfassend sagen: klassifikatorische und komparative Begriffe unterscheiden sich dadurch, daß sie verschiedenartige Merkmalsräume 21 konstituieren. Natürlich muß man sich der Grenzen der Veranschaulichung bewußt bleiben: ein Merkmalsraum ist ein abstraktes Gebilde, i n das w i r nicht — wie auch die bekannte Metapher von den Schubladen ( = Begriffsextensionen) nahelegen könnte — die realen Gegenstände „einsortieren" 2 2 . 4. Quantitative Begriffe W i r müssen und werden deshalb i n dieser, allererst an den Typusbegriffen orientierten, Darstellung auf die quantitativen (metrischen) Begriffe nicht näher eingehen. Es sei angemerkt, daß derartige Begriffe 2 3 uns nicht nur, wie die komparativen, über die Rangfolge verschiedener Gegenstände informieren, sondern auch über die Größe der Abstände, die i n der jeweiligen Hinsicht zwischen Gegenständen bestehen. Die Einführung eines quantitativen Begriffs für einen Bereich stellt also eine weitere Verschärfung der möglichen Information gegenüber der Einführung komparativer Begriffe dar. Deren wissenschaftsstrategischer Stellenwert w i r d nicht zuletzt darin gesehen, daß sie, als Zwischenstufe zwischen qualitativen und quantitativen Begriffen, geeignet sind, den Übergang zu diesen zu ermöglichen 24 . 5. Die Bedeutung der modernen Begriffsformenlehre Die skizzierte Theorie der Begriffsformen w i r d nicht durch das „Wesen" der Begriffe erzwungen. Auch alternative Unterscheidungen zwischen verschiedenen Arten von Begriffen sind denkbar. Aus den i n der Einleitung genannten Gründen soll i n aller Kürze gezeigt werden, wieweit die heute übliche Klassifikation gleichwohl von einer willkürlichen Einteilung entfernt ist. 21 Hempel/Oppenheim, S. 67. Eine Präzisierung dieses Begriffs findet sich bei Ziegler, Typologien, S. 3. F ü r die heutige Relevanz des Begriffs siehe Sodeur, Klassifikation. 22 Hempel/Oppenheim, S. 31; Sodeur, Klassifikation, S. 13, 49 ff. 23 Wie ζ. B. die wichtigsten physikalischen, etwa „Länge", „Zeitdauer", „Temperatur" usw., aber auch sozialwissenschaftliche w i e „Einkommen", „Schadensersatz", „Säuglingssterblichkeit". Wo i n den Sozialwissenschaften — anders als beim Prädikat „Säuglingssterblichkeit" — A t t r i b u t e einzelner Untersuchungseinheiten quantitativ erfaßt werden, ist das freilich unproblematisch meist n u r dort, wo die quantitativen Begriffe bereits i m Gegenstandsbereich „praktisch definiert" sind (Kaufmann, Soziale Indikatoren, S. 204 F N 3), d. h. vor allem da, wo m a n sich auf Geldgrößen beziehen kann. 24 Hempel/Oppenheim, S. 36; Stegmüller, Wissenschaftstheorie I I , S. 27 ff.

5. Die Bedeutung der modernen Begriffsformenlehre

41

1. Zunächst liegt i n der präzisen Herausarbeitung der verschiedenen Begriffsformen m i t den M i t t e l n der modernen Logik eine Explikation so ehrwürdiger Begriffe wie „Qualität" und „Quantität". Fachwissenschaftler könnten geneigt sein, das als eine lediglich die Philosophie betreffende Präzisierung anzusehen. Das wäre indes ein unzutreffendes Urteil. 2. Denn diese Explikation ermöglicht es, i n den Sozialwissenschaften — besonders, wo sie als „Geisteswissenschaften" aufgefaßt werden — kurrente Ansichten von nicht zu unterschätzender Relevanz zu erschüttern. Vor allem ist hier die verbreitete Auffassung zu nennen, bestimmte Gegenstandsbereiche, wie der der Geisteswissenschaften, seien aus ontologischen Gründen, d. h. unabhängig von der wissenschaftlichen Begriffsbildung, nur m i t qualitativen Begriffen erfaßbar. Daß diese Auffassung unhaltbar ist, hat besonders Stegmüller i n einer detaillierten Analyse des Zusammenspiels von „willkürlichen Konventionen (Festsetzungen), empirischen Befunden (Tatsachenfeststellungen), hypothetischen Annahmen (Verallgemeinerungen aus den empirischen Befunden), Einfachheitsüberlegungen und Fruchtbarkeitsbetrachtungen" 25 nachgewiesen. 3. Die heutige Theorie der Begriffsformen ist methodologisch fruchtbar. So werden ζ. B. bestimmte Regeln formuliert, die bei der Metrisierung von Begriffen zu beachten sind 2 6 . Daß komparative Begriffe uns schärfere Information verschaffen als klassifikatorische, legt die methodologische Maxime nahe, komparative Begriffe dort einzuführen, wo dies, nicht aber die Festlegung quantitativer Begriffe, möglich ist. Daß eine derartige Empfehlung nicht t r i v i a l ist, ergibt sich schon daraus, daß viele Wissenschaftler die Form des komparativen Begriffs gar nicht kennen 27 . 4. Die größte Bedeutung für die Praxis vor allem der empirischen Sozialforschung hat die moderne Begriffsformenlehre wegen ihres Zusammenhangs m i t meßtheoretischen Fragen. Definiert man „Messen" als „Zuordnung von Zahlen zu Objekten" 2 8 , so sind Messungen offenbar auf allen Stufen der Begriffsbildung möglich. Ζ. B. kann man befragten Personen aufgrund einer empirischen Untersuchung die qualitativen Prädikate „Richter", „Rechtsanwalt", „Verwaltungsbeamter" zuspre25 Stegmüller, Wissenschaftstheorie I I , S. 1; lesenswert auch Carnap , E i n führung, S. 119 ff., der auf einige der verbreiteten Vorurteile gegen Messungen eingeht. 2β Hempel, Begriffsbildung, S. 60 ff.; Stegmüller, Wissenschaftstheorie I I , S. 47 ff. 27 Vgl. die plastischen Ausführungen v. Savignys i n : v. Savigny, G r u n d kurs, S. 93 f. 28 Carnap, Physikalische Begriffsbildung, S. 16; MayntzlHolm/Hübner, S. 38.

42

2. Kap.: Verschiedene Begriffsformen

chen. Genausogut kann man stattdessen den Personen die Zahlen „1", „2" und „3" (oder andere) zuordnen. Wie solche Zahlen zu interpretieren sind, hängt ab vom Meß- oder Skalenniveau, auf dem die Daten erhoben wurden. Es besteht nun der folgende Zusammenhang zwischen Begriffsformen und Skalenniveaus 29 . Verfügen w i r bloß über η qualitative Begriffe, statt derer w i r den Untersuchungseinheiten η verschiedene Zahlen zuordnen, so haben die erhobenen Daten lediglich Nominalskalenniveau. Daraus folgt insbesondere, daß jede mathematische Operation m i t diesen Zahlen sinnlos ist 3 0 . Haben w i r eine Quasireihe konstituiert, so ist das Niveau einer Ordinalskala erreicht, w i r dürfen den Gegenständen zugeordnete Zahlen als Rangziffern interpretieren. Hier bestehen bereits gewisse Möglichkeiten der statistischen Auswertung, die auf Nominalskalenniveau fehlen 3 1 . Verfügen w i r über einen quantitativen Begriff, so können w i r Daten auf Intervall- (oder höherem) Skalenniveau erfassen, d. h. vor allem, daß w i r nicht nur die Reihenfolge, sondern auch die Abstände zwischen den Zahlen sinnvoll empirisch interpretieren können. Erst auf diesem Skalenniveau w i r d es ζ. B. sinnvoll, das arithmetische M i t t e l zu errechnen. Die angetippten Fragen können hier nicht vertieft werden. Immerhin sollte deutlich geworden sein, wie vielfältig und fruchtbar die heutige Theorie der Begriffsformen m i t Problemen—gerade auch der „Praxis" — der einzelnen Wissenschaften verknüpft ist.

29 Z u den verschiedenen Skalenniveaus: KHz, Statistik, S. 26 ff.; Mayntzl Holm/Hübner, Soziologie, S. 38 f. 30 Eine präzise Definition des Begriffs „sinnvolle numerische Aussage" haben erstmals Suppes/Zinnes, S. 64 ff. (66) gegeben. 81 E i n einfaches Beispiel bietet der Median einer Verteilung, d. h. derjenige Wert, dem ebensoviele Werte vorgehen w i e nachfolgen. Dazu u n d zu anderen zentralen Maßen: Kriz, S. 56 ff.; Kreyszig, Statistische Methoden, S. 85 ff.

Drittes

Kapitel

Die Typuskonzeption Hempel/Oppenheims 1. Darstellung der Hempel/Oppenheimschen Typuskonzeption Hempel/Oppenheim 1 skizzieren zunächst die Situation, von der ihre Untersuchung ausgeht 2 . I n vielen empirischen Wissenschaften arbeitet man m i t Typologien. Die i n ihnen vorkommenden Begriffe sollen sich von klassifikatorischen unterscheiden. Diese drücken Merkmale aus, die Gegenständen nur entweder zukommen können oder nicht. Typusbegriffe dagegen treten i n ihr Recht, wo Eigenschaf ten i n der Realität abgestuft vorkommen, d. h. einem Gegenstand i n höherem oder geringerem Grad zukommen können als einem anderen. Sie können durch klassifikatorische Begriffe nicht angemessen ausgedrückt werden, es „muß die Beschreibung des empirischen Materials der wissenschaftlichen Forschung mittels klassifikatorischer Begriffe der Abstufbarkeit der empirischen Objekteigenschaften Gewalt antun" 3 . Typenbegriffe sollen diese I n adäquanz vermeiden, indem sie die fließenden Übergänge der Realität berücksichtigen. Ziel der Arbeit Η-Os ist es, m i t den M i t t e l n der modernen Logik die „formalen Eigentümlichkeiten der Begriffsbildung" 4 herauszuarbeiten, die diese Berücksichtigung ermöglichen. a) Kritik

der traditionellen

Typustheorie

U m den Terminus „klassifikatorischer Begriff" festzulegen, definieren H - O zunächst, was sie unter einer „Klasse oder Menge