Theorie und Praxis des heutigen gemeinen preußischen Privatrechts auf der Grundlage des gemeinen deutschen Rechts: Band 4 Familienrecht. Erbrecht. Recht der juristschen Personen [5. Aufl. (2. der neuen Bearb.) Reprint 2019] 9783111591834, 9783111217567


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German Pages 860 Year 1888

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Table of contents :
Vorwort
Inhaltsverzeichniß des IV. Bandes
Viertes Buch. Das Familienrecht
§ 201. Einleitung
Erstes Hauptstück. Das Eherecht
Erstes Kapitel. Eheschließung
§ 202. Vorbemerkung
§ 203. Die Ehehindernisse
§ 294. Das Eheverlöbuiß
§ 205. Die Eheschließung
Zweites Kapitel. Die Wirkungen der Ehe
Erster Abschnitt
§ 206. Die persönlichen Wirkungen
Zweiter Abschnitt. Die vermögensrechtlichen Wirkungen
§ 207. Einleitung
§ 208. Das getrennte Güterrecht
§ 209. Die Gütergemeinsch
Drittes Kapitel. Die Auflösung der Ehe
Erster Abschnitt
§ 210. Die Nichtigkeitserklärung der Ehe
Zweiter Abschnitt
§ 211. Die Auflösung der Ehe durch den Tod
Dritter Abschnitt. Die Auflösung der Ehe durch Scheidung
§ 212. Die Scheidungsgründe
§ 213. Das Scheidungsverfahren
§ 214. Die persönlichen Wirkungen
§ 215. Die vermögensrechtlichen Wirkungen
Viertes Kapitel. Eheähnliche Verhältnisse
§ 216. I. Die Ehe zur linken Hand
§ 217. II. Der außereheliche Geschlechtsverkehr
Zweites Hauptstück. Das Recht zwischen Eltern und Kindern
§ 218. Vorbemerkung
Erstes Kapitel. Die Begründung der väterlichen Gewalt
§ 219. Die eheliche Erzeugung und Legitimation
§ 220. Die Annahme an Rindesstatt
§ 221. Die Einkindschast
Zweites Kapitel. Die Wirkungen der väterlichen Gewalt
§ 222. Die persönlichen Wirkungen
§ 223. Die vermögensrechtlichen Wirkungen der väterlichen Gewalt
Drittes Kapitel. Die Auflösung der väterlichen Gewalt
§ 224. Der Austritt aus der väterlichen Gewalt
§ 225. Der Verlust und die Einschränkung der väterlichen Gewalt
Viertes Kapitel. Rechtsverhältnisse anderer Kinder
§ 226. Die Kinder aus einer Ehe zur linken Hand
§ 227. Die Kinder aus nichtigen und ungiltigen Ehen
§ 228. Die unehelichen Kinder
Drittes Hauptstück. Die Vormundschaft
§ 229. Einleitung
Erstes Kapitel. Vormundschaft
§ 230. Vormundschaft über Minderjährige und Großjährige
§ 231. Begründung der Vormundschaft
§ 232. Führung der Vormundschaft
§ 233. Beaufsichtigung des Vormunds
§ 234. Beendigung der Vormundschaft
§ 235. Die obligatorischen Beziehungen des Vormundschaft
Zweites Kapitel
§ 236. Pflegschaft
Viertes Hauptstück. Das Gesinderecht
§ 237. Das gemeine Gesinde
§ 238. Die Hausoffizianten
Fünftes Hauptstück. Die Rechte im weiteren Familienverhande
Erstes Kapitel
§ 239. Die Alimentationspflicht
Zweites Kapitel. Die gemeinschaftlichen Familienrechte
§ 240. Im Allgemeinen
§ 241. Die Familienstiftung
§ 242. Das Familiensideikommiß
Fünftes Buch. Das Erbrecht
§ 243. Einleitung
Erste Abtheilung. Die Berufung zur Erbschaft
Erster Abschnitt. Die letztwillige Berufung
Erstes Kapitel. Die Arten der letztwilligen Verfügung und die Voraussetzungen ihrer Wirksamkeit
§ 244. I. Testament und Kodizill
§ 245. Die Testirfähigkeit
§ 246. Beeinträchtigung des Willens des Testirenden durch Zwang, Irrthum, Betrug
§ 247. Erbeinsetzungsvertrag
§ 248. Das Recht auf einen Pflichtteil
Zweites Kapitel. Errichtung der letztwilligen Verfügung
§ 249. I. Form der letztwilligen Verfügung
§ 250. II. Der Inhalt der letztwilligen Verfügung im Allgemeinen
§ 251. Die Erbeinsetzung
§ 252. Das Vermächtniß
§ 253. III. Die Eröffnung des letzten Willens
§ 254. IV. Die Auslegung des letzten Willens
§ 255. V. Anordnungen über Vollziehung des letzten Willens
§ 256. VI. Die Unwirksamkeit des letzten Willens
§ 257. VII. Das wechselseitige Testament
Zweiter Abschnitt. Die gesetzliche Berufung
Erstes Kapitel. Die gesetzliche Gesamtnachfolge
I. Die Erbfolge auf Grund der Verwandtschaft
§ 258. Die Berufung zur Verwandten-Erbfolge
§ 259. Die Ordnung der Verwandten-Erbfolge
§ 260. Die Klassen der Verwandten-Erbfolge
§ 261. Der Nachweis der gesetzlichen Erbberechtigung und die Erbbescheinigungen
§ 262. II. Die Erbfolge auf Grund der Geschlechtsverbindung
§ 263. III. Die Erbfolge auf öffentlich rechtlicher Grundlage
Zweites Kapitel
§. 264. Gesetzliche Sonderuachfolgen
Drittes Kapitel
§ 265. Der Erbverzicht für einen künftigen Erbfall
Zweite Abtheilung. Das Recht des Erben und des Vermächtnisnehmers
Erster Abschnitt. Der Erwerb der Erbschaft
§ 266. I. Der Nachlaß
§ 267. II. Sicherung des Nachlasses für den Erben
§ 268. III. Der Anfall der Erbschaft
§ 269. IV. Die Annahme und Entsagung der Erbschaft
§ 270. V. Die Rechtswohltat des Inventars
VI. Das Rechtsverhältniß der Miterben
§ 271. 1. Im Allgemeinen
§ 272. 2) Das Recht des Zuwachse
§ 273. 3) Die Erbtheilung
§ 274. 4) Die Ausgleichung
§ 275. VII. Der Vorerbe und Nacherbe
Zweiter Abschnitt
§ 276. Der Erwerb der Vermächtnisse
Dritter Abschnitt
§ 277. Die Veräußerung der Erbschaft
Vierter Abschnitt
§ 278. Der Verlust der Erbschaft und des Vermächtnisses
Fünfter Abschnitt
§ 279. Der Schutz des Erbrechts
Sechstes Buch. Das Recht der juristischen Personen
Juristische Personen
§ 280. Einleitung. Begriff der juristischen Person
§ 281. Die erlaubte Gesellschaft
§ 282. Die Körperschaften
§ 283. Gesetzlich geordnete Körperschaften des öffentlichen Rechts
§ 284. Andere, durch besondere Gesetze geordnete Körperschaften
§ 285. Anstalten und Stiftungen
Sachregister
Quellenregister
Berichtigungen
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Theorie und Praxis des heutigen gemeinen preußischen Privatrechts auf der Grundlage des gemeinen deutschen Rechts: Band 4 Familienrecht. Erbrecht. Recht der juristschen Personen [5. Aufl. (2. der neuen Bearb.) Reprint 2019]
 9783111591834, 9783111217567

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Theorie und Praris des

heutigen gemeine« preußischen

Privatrechts. Auf der Grundlage des Werkes von

Dr. Franz Förster bearbeitet von

Dr. M. E. Eecins. OberlandeSgerichtS»Präsident.

IV. Sand. Fünfte Auflage. (Zweite der neuen Bearbeitung.)

Berlin. Druck und Verlag von Georg Reimer. 1888.

Vierter Band. Familienrecht.

Erbrecht.

Recht der juristischen Personen.

Während des Drucks des vorliegenden Bandes ist die Veröffentlichung

des Entwurfs eines bürgerlichen Gesetzbuchs für das deutsche Reich erfolgt.

Nur bei einem kleinen Theil des Erbrechts und bei dem Recht der juristischen Personen wäre ich in der Lage gewesen, durch Nachträge während des Drucks

auf die Bestimmungen dieses Entwurfs hinzuweisen.

Das habe ich unter»

lassen, weil solche Hinweisungen nur dann von Werth sein würden, wenn sie

in allen Theilen des Buchs hätten gemacht werden können.

Ist es mir ge­

lungen, die lebendigen Fragen des Preußischen Rechts angemeflen zu beleuchten

und zum Denken über dieselben anzuregen,

so darf ich hoffen,

daß meine

Arbeit auch für das Verständniß des Entwurfs nach wesentlichen Richtungen brauchbar sein wird.

Trotz meiner Hoffnung und meines lebhaften Wunsches, daß der Entwurf allgemeine Anerkennung finden möge, daß namentlich die Praktiker in den verschiedenen Rechtsgebieten des deutschen Reichs in demselben eine gelungene

Zusammensaffung des bei ihnen geltenden Rechts und eine einigende Fortbildung desselben erkennen werden, und daß es dadurch gelingen wird, das herkömmliche Widerstreben gemeinrechtlicher Theoretiker gegen jede Kodifikation zu über­

winden, so besteht doch nicht die Aussicht auf einen sehr schnellen Abschluß dieser Gesetzesarbeit.

Das altpreußische Recht wird

auch

im günstigsten

Fall kaum vor Ablauf eines Jahrhunderts seit dem Publikationspatent vom

5. Februar 1794 seine Gesetzeskraft verlieren, und es muß auch nach dem In­ krafttreten des deutschen bürgerlichen Gesetzbuchs noch lange Zeit hindurch für die Rechtssachen aus früherer Zeit angewendet werden.

Eine Bearbeitung des

preußischen Rechts ist deshalb trotz jener Wünsche und Hoffnungen nicht unzeitgemäß; und der vormals landrechtliche Jurist wird auch, nachdem das

VI

Vorwort.

einigende deutsche Recht erlangt sein wird, die Werthschätzung des Landrechts

nicht vergessen. An vielen Stellen dieses Buchs bin ich in der Lage gewesen, manchem ungünstigen Urtheil Försters über Theile dieses großen Gesetzes entgegenzutreten. Dem neuen deutschen Gesetz wird voraussichtlich eingehende wissenschaftliche Bearbeitung vom Anfang seiner Geltung an zur Seite stehen. Möge es dem Rechtsleben eben solche Dienste leisten, wie vom Landrecht für die hundert Jahre seiner Geltung zu rühmen ist. Für die Aufnahme, welche meine Arbeit in der Praxis gefunden hat, bin ich

sehr dankbar, und ich spreche zugleich für die wohlwollende Beurtheilung, die derselben von den verschiedensten Seiten zu Theil geworden ist, meinen aufrich­ tigen Dank aus. Der vierte Band, welcher schon in der vorigen Auflage von mir selbständiger bearbeitet war als die vorangehenden Theile, hat in der vor­ liegenden Ausgabe nicht eine so eingehende Umgestaltung erfahren, wie die drei ersten Bände. Hoffentlich wird auch an ihm die bessernde Hand nicht ver­ mißt werden.

Für die Herstellung der Register bin ich den Herren Gerichtsaffeffor Reinhard Förster und Referendar Henning Rassow zu besonderem Dank verpflichtet.

Cassel im Juli 1888.

EeriuS.

Inhaltsverzeichniß des IV. Bandes Viertes Buch.

DaS Familieurecht.

§ 201. Eiuleitung Stellung im Landrecht. Zustandsrechte, absolute Natur derselben. 3. Prä­ judizialklagen. Verhältniß zur Feststellungsklage. 4. Begriff der Familie. Blutsverwandtschaft. Eheliche, uneheliche. Agnation. Grade. 5. Eltern und Kinder. Halbbürtige, geistliche Verwandtschaft. Schwägerschaft. 6. Häusliche Gesellschaft. 7. Systematische Einteilung des Familienrechts. Deutsche Grundlage deffelben. Kirchlicher Einfluß. Obligatorische Civilehe. Standesregister.Erstes 8. Eintragung der Geburtsfälle. 9. Sterbefälle 10. Hauptstück. DaS Eherecht.

Erstes Kapitel.

Gelte 3

Eheschließung.

§ 102. Vorbemerkung Vertragsmäßiges Element der Eheschließung. Unkonfesstonelles Eherecht. 11. Verhältniß zum kirchlichen Eherecht. 12. § 203. Die Ehehindernisse............................................................................................................ I. Allgemeines. Trennende und aufschiebende Hindernisse. Nichtigkeit und Ungiltigkeit der Ehe. 12. Oeffentliche und private Hindernisse. 13. II. Die einzelnen Hindernisse: 1) Mangelnde Ehemündigkeit. Altersstufe. Dispensation. Ungiltigkeit der Ehe des Eheunmündigen. 13. 2) Freie Einwilligung. Zwang, Betrug, Irrthum. Simulation 14. Ehe des Willens­ unfähigen. Ungiltigkeit oder Nichtigkeit? 15. 3) Konsens von Ellern und Vormund. 15. Inwieweit ist der mangelnde Konsens Ehehinderniß? Wann begründet er Anfechtung und wer kann anfechten? 16. Bedeutung des mangelnden Konsenses für das Erbrecht. Versagungsgründe. Klage auf Einwilligung. Vormundschastsaerichtliche Entscheidung bei versagtem Konsens des Vormunds. 17. 4) Konsens der militärischen Vorgesetzten. Nicht mehr bei Civilbeamten. 5) Nahe Verwandtschaft und Schwäger­ schaft. 18. 6) Vormundschaftliches Verhältniß. 7) Schon bestehende Ehe. 19. Verschuldete, nicht verschuldete Bigamie. 20. Einwirkung der Wiederauf­ hebung eines rechtskräftigen Ehescheidungsurtheils ans die inzwischen ein­ gegangene neue Ehe. 19 38. Wer ist bei der „ungilttgen" unverschuldeten Doppelehe klageberechtigt? 2039. Wirkt Todeserklärung Auflösung der Ehe? 20". 8) Abfindung der Kinder der Vorehe und Wartezeit der verheirathet gewesenen Frau. 21. 9) Keine Ehe zwischen Ehebrechern. Dis­ pensation. Wegfall des Vorbehalts im Scheidnngsurtheil. 21. Beseitigte Ehehindernisse des stüheren Rechts. Standesungleichheit. Religionsver­ schiedenheit. 22. § 294. Das Eheverlöbniß Voraussetzung. Zulässigkeit der Ehe. Kein früheres Verlöbniß. Beding­ tes Verlöbniß. 22. Form. Klage auf Vollziehung der Ehe. Verjährung derselben. Keine Vollstreckung des Urtheils. Abfindungsanspruch. 23. AufB der Verlobung durch Uebereinkunft. Einfluß des TodeS auf den ungsanspruch. 24. Rücktrittsrecht. Gründe. 25. § 205. Die Eheschließung............................................................................................................ Oeffenttichkeit des Akts. Keine Gewissensehe. Früherer kirchlicher Ehe­ schluß. Ausnahmsweise Civilehe. 26. Geltendes Recht. Zuständiger Stan­ desbeamter. Aufgebot. 27. Einsprachen. Hergang bei der Eheschlie­ ßung. 28.

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12

22

VIII

Jnhaltsverzeichniß des IV. Bandes. Seite

Zweites Kapitel. Die Wirkungen der Ehe. Erster Abschnitt. § 206. Die persönlichen Wirkungen...................................................................................... Eintritt der bürgerlichen Wirkungen mit dem Eheschluß. Römisch rechtliche manus. Mundium. Einwirkung des letzteren auf das Landrecht. Sittliche Pflichten 29. Rechtsstellung des Mannes als Haupt der ehelichen Gesell­ schaft. 31. Verträge über getrenntes Leben. Interdictum de uxore ducenda. Fälle, in denen die Frau dem Manne nicht zu folgen hat. Son­ stige Wirkungen der Lebensgemeinschaft. Pflicht des Mannes znr Unter­ haltung der Frau in seinem Hause. 31. Keine Alimentationspflicht der Frau gegen den Mann. 3120. Haftung des Mannes für Untersuchungs­ und Prozeßkosten. Wem gegenüber? Zusammenhang der Haftung mit der Vertretung durch den Mann im Prozesse. 32. Rechtslage nach Wegfall der Prozeßunfähigkeit und der Vertretung durch den Mann. 33. Prozesse über die persönliche Rechtsstellung der Frau und ihr vorbehaltenes Vermögen. Sonstige Prozesse gegen die Frau. Vollstreckbarkeit in das ein­ gebrachte Vermögen setzt Vollstreckbarkeit gegen den Mann voraus. 34. Aktivansprüche der Frau, die zum Eingebrachten gehören. Mangelnde Ak­ tivlegitimation der Frau. Beschränkte Legitimation des Mannes ohne die Frau. 35. Verpflichtungsunsähigkeit der Frau. Ausnahme: Handelsftau. Gewerbtreibende Frauen. Geschäfte über vorbehaltenes Vermögen. Ver­ pflichtung des Mannes durch die Frau. 36. Ausschließung ihrer Vertretungsbefugniß. 3640. Minderjährige Ehefrauen. 36. Die Frau ver­ pflichtende Verträge mit dem Mann. 37. Recht des Mannes auf die Thätigkeit der Frau. Unzulässigkeit von Verträgen, welche die Frau zu einer Thätigkeit für Andere verpflichten, ohne Genehmigung des Mannes. Erwerb durch Handlungen der Frau für den Mann. 37. Nicht artifizieller Erwerb. Erwerb durch Rechtsgeschäfte. Erwerb aus den Mitteln des Mannes. Einwirkung des Konkursverfahrens. 38. Zweiter Abschnitt. Die vermögensrechtlichen Wirkungen. § 207. Einleitung................................................................................................................... Dotalsystem. 39. Deutsches Gütereinheitssystem. 40. Gütergemeinschaft. 41. Martialischer Nießbrauch. 42. Preußisches Recht. 43. § 208. Das getrennte Güterrecht......................................................................................... Eingebrachtes und vorbehaltenes Vermögen. A. Vorbehalt. Gesetzlich vorbehaltenes Vermögen. 44. Vertragsmäßiger Vorbehalt. Form des vor und des nach Eingehung der Ehe geschlossenen Vertrags 45. Verzicht des Mannes auf Verwaltuug. 457. Eintragung bei vorbehaltenen Grundstücken und Kapitalien. Vorbehalt auf Grund Testaments. Stellung des Mannes zum Vorbehaltenen. 45. Folgen der widerrechtlichen Verfügung des Man­ nes über Vorbehaltenes. 45. Ergänzung des Eingebrachten aus dem Vor­ behaltenen. Verfügung der Frau über das Vorbehaltelle. Verschuldung desselben. 46. Unwirtschaftliche Verwaltung der Frau. 47. B. Einge­ brachtes. Kein besonderer Akt der Jllation. 47. Hinausschieben der Rechte deö Mannes bei der Ehe mit Vormund. 4726. Gilt der Mann als verantwortlich für Zllaten, die er ilicht wirklich erhalten hat? 4726. Einfluß der Jllation auf anhängige Prozesse, ebenda. Nießbrauch und Ver­ waltung des Maniles. 48. Verfügung über Mobilien. Jnterventionsrecht der Frau gegen Pfändung derselben. 49. Verfügung über Grundstücke, Gerechtigkeiten, Kapitalien. 50. Form der Einwilligung der Frau. 5039. Ergänzung der Einwilligung durch das Vornlundschaftsgericht. Belastung des Nießbrauchs mit der Unterhaltungspflicht der Frau und der Kinder. Nießbrauch als Objekt der Zwangsvollstreckung. 51. Wie? Konkurs über das Vermögen des Mannes. Unfähigkeit zur Unterhaltlmg. Rückgabe des Eingebrachten. Eigene Verwaltung des aus dem Konkurse Geretteten. 52. Modifikation des Jllatensystems bei der Ehe einer minderjährigen Frau. 52. Eherechtlicher Charakter und dauernde Geltung dieser Bestimmungen. 53. Haftung des Mannes für konsentirte Schulden der Frau. 54. Form des Konsenses. 5464. Verwahrung gegen Selbsthaftung beim Konsens. Ausschluß derselben bei Verpfändung von Sachen der Frau, beim Handel und Gewerbebetrieb der Frau. 54. Verhältniß zu vorehelichen Schulden der Frau. 55. Sicherung der Rückgabe des Eingebrachten an die Frau. Recht auf Sicherstellung. 55. Kein Konkursvorrecht. Aussonderung der Vermögensstücke der Frau im Konkurse des Mannes. 56. 0. Erb sch atz. 56.

29

29

44

Jnhaltsverzeichniß deS IV. Bandes.

IX Seite

§ 209. Die Gütergemeinschaft............................................................................................. A. Allgemeines. Inwiefern gelten die Bestimmungen des Landrechts über allgemeine Gütergemeinschaft als Gesetz? 57. Errungenschaftsgemeinschäft. 58. Prinzip der Gütergemeinschaft. Eigenthümliches Miteigenthum. 59. Latente Antheile. Objekt des Vermögens auf das einzelne Recht. 60. Stellung des Mannes. Einheitlichkeit des Vermögens in seiner Hand. Nach Außen. Aber Veränderung des bisherigen Eigen­ thums. Inwiefern ein Uebergang der Schulden? 61. B. Entstehung der G.G. 1) Kraft Gesetzes. 61. Einfluß der Verleguna des Wohn­ sitzes. Doppeltes Domizil des Ehemanns. 62. Suspension der allge­ meinen G.G. bei der Ehe minderjähriger Frauen, die nicht Haustöchter waren. 63. Vertragsmäßiger Ausschluß der Suspension. 64/ ohne vormundschastsgerichtliche Genehmigung. 64". 2) Kraft Vertrages vor der Ehe. Während der Ehe. 64. — C. Rechtsverhältniß während der Gemeinschaft. 1. Allgemeine G.G. begreift alles der freien Veräußerung unterroorfetie Vermögen. Ausnahme nothwendige Kleider der Frau. Vertragsmäßige Ausnahme bestimmter Gegenstände. 65. Gütergemeinschaftliche Grundstücke. Bezeichnung im Grundbuch. Die Hauptgrundsätze für die Behandlung des Vermögens. 66. 1) Verwaltungs- und Verfügungsrecht des Mannes während der Ehe. Grundlage die vermuthete Zustimmung der Frau. Widerspruch derselben. Ausdrück­ liche Zustimmung bei Grundstücken, Gerechtigkeiten, Kapitalien. 67. Die Disposition, bei welcher die Zustimmung fehlt, ist auch für den Mann unwirksam. Vormundschaftsgerichtliche Ergänzung der Zustimmung. Verfügungen deS Mannes zu seinem einseitigen Vortheil in fraudem der Gemeinschaft. 68. Prozesse für die Gütergemeinschaft. Schenkungen. 69. 2) Eheliche Schulden. 69. Inwiefern verpflichtet die Frau die G.G.? Vollstreckbare Feststellung. 70. Konkurs des Ehemanns. 7178. 3) Vor­ eheliche Schulden. Recht auf Absonderung. 71, Bedeutung. 7179. II. Besondere G.G. 72. Nothwendigkeit der Zrwentarisirung. Absonde­ rung im Falle der bes. G.G. 73. D. Ausschließung und Aufhe­ bung der GG. Vertrag vor der Ehe. 73. Bekanntmachung. Vertrag während der Ehe. 74. Fiktion der G.G. zu Gunsten späterer Gläubiger im Falle der Domizilverlegung an einen Ort, wo G.G. gilt. 75. Be­ seitigung der Fiktion durch publizirten Vertrag, bezw. durch erneute Pu­ blikation. 76.

Drittes Kapitel.

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Die Auflösung der Ehe.

Erster Abschnitt. § 210. Die Nichtigkeitserklärung der Ehe....................................................................... Möglichkeit der Feststellungsklage, daß keine Ehe zwischen zwei Personen bestehe. 76. Nothwendigkeit einer NichtigkeitS- oder Ungiltigkeitserklä­ rung, wenn die äußerliche Erscheinung eines rechtswirksamen Eheschlusses vorliegt. Fälle der Nichtigkeit und der Ungiltigkeit. 77. Klageberech­ tigte. Vermögensrechtliche Folgen nichtiger Ehen. Unterschied der gemeinsamen und einseitigen Kenntniß des Nichtigkeitsgrundes. 78. Rechtsstellung Dritter. 79. 2. Bei ungiltigen Ehen. Anfechtungsftist. Rückwirkung der Anfechtung wegen Adoptionsverhältnisses auf dieses. 79. Zweiter Abschnitt. § 211. Die Auflösung der Ehe durch den Tod.............................................................. Begräbnißpflicht. Auseinandersetzung. Absonderung des Vermögens. A. Bei getrenntem Güterrecht. Praesumtio Muciana. 80. Einheitlich­ keit der Absonderung der Vermögensmassen. 81. 1) Vorbehaltenes Ver­ mögen. Ausnahmsweise Verantwortlichkeit des Ehemanns für dasselbe. 2) Eingebrachtes, a. Baares Geld. 81. Verwendung des baaren Geldes während der Ehe durch Anlegung auf den Namen des Mannes oder der Frau, mit und ohne deren Genehmigung. Verwendung zu anderen Be­ schaffungen. Eigenthum der Frau an dem, was auf ihren Namen er­ worben ist. Rechtsverhältnisse aus versagter Genehmigung des Erwerbs. b. Eingebrachte. Kapitalien. 82. Behandlung von Prozessen über Aktiva, die zur Zeit der Auflösung der Ehe rechtshängig sind. 8220. c. Andere bewegliche Sachen. Surrogation. Dos aestimata. 83. d. Grundstücke und Gerechtigkeiten. 83. Fall des Todes der Frau. Wahlrecht des Mannes, zu behalten oder den Anschlag, eventuell den ihm gesetzten Werth

76

80

X

Jnhaltsverzeichniß des IV. Bandes. Sette

in die Nachlaßmasse einzulverfen. Gerichtliche Taxe statt des gesetzten Preises. 84. Nothwendigkeit der Auflassung. Meliorationen. Bewilligte Verringerungen. 85. Fall des Todes des Mannes. Wahlrecht der Frau im Fall eines Anschlags. Verbesserungen und Verringerungen. 86. e. Erlöschen des Nießbrauchs mit dem Tode. 86. Auseinandersetzung über die Nutzungen. 87. B. Gütergemeinschaft. Keine communio prorogata. Gewöhnliches Miteigentum. 87. Antheil des Gatten an dem fest­ gestellten gütergemeinschaftlichen Vermögen nach Verschiedenheit der Kon­ kurrenz mit abgefundenen oder nicht abgefundenen Kindern. 88. Behand­ lung der Mobilien bei der Theilung. Der Immobilien. 89. Surplusreservat. 90. Behandlung der Schulden der Gütergemeinschaft bei der Auseinandersetzung und nachher. Anhängige Prozesse" und Vollstreckbarkeit der gegen den Ehemann ergangenen Urtheile gegen die Auseinandersetzungsintereffenten. 90. Dritter Abschnitt. Die Auflösung der Ehe durch Scheidung. § 212. Die Scheidungsgründe.................................................................................................. Verhältniß des Gesetzes zu Kirche und Sitte. Gesetzliche Scheidungs­ gründe: 1) Ehebruch. Gleichstehendes Verhalten. 92. 2) Bösliche Ver­ fassung. 93. Richterlicher Versuch der Herstellung des Zusammenlebens. 94. 3) Halsstarrige und fortdauernde Versagung der ehelichen Pflicht. 4) Gänzliches und unheilbares Unvermögen. 95. 5) Raserei und Wahnsinn. 6) Nachstellung nach dem Leben. 7) Grobe Verbrechen mit schmählicher Strafe. 96. Muß die Strafe angetreten oder verbüßt sein? 97. 8) Un­ ordentliche Lebensart. 9) Versagung des Unterhalts. 10) Unüberwindliche Abneigung. 97. Gegenseitige Einwilligung. Einseitige Abneigung. — Früherer Scheidungsgrund Religionsveränderung. 98. Schwere der Schei­ dungsgründe bezüglich der Schuldfrage. Kompensation. 99. Verzeihung. Stillschweigende durch einjährige Fortsetzung der Ehe. 100. Verjährungs­ frist? 100”. § 213. Das Scheidungsverfahren.............................................................................................. Sühneversuch. Einschränkung der Disposition der Parteien. 101. Keine Kumulation mit anderen Ansprüchen. Umfang der Rechtshängigkeit. Richterliches Gestatten des Getrenntlebens. 102. Aussetzung des Versahrens. Endliche Erledigung des Verfahrens durch das Urtheil ohne Vorbehall. Einfluß des Todes auf den Prozeß. Vermerk der Scheidung im Heiratsregister. 103. Die Wirkungen der Ehescheidung. § 214. Die persönlichen Wirkungen......................................................................................... Trennung der Ehe dem Bande nach. Die frühere oder in einem anderen Rechtsgebiet erfolgende Trennung von Tisch und Bett. 108. Fähigkeit zu neuer Ehe. Kein nachträglicher Verzicht auf Scheidung. Persönliche Rechtsstellung der geschiedenen Frau. Alimentationspflicht in' bestimmten Fällen. 105. § 215. Die vermögensrechtlichen Wirkungen...................................................................... Auseinandersetzung (Absonderung) und Abfindung. A. Absonderung bei getrenntem Güterrecht. Ohne überwiegende Schuld eines Theils. Mit überwiegender Schuld. 106. Insbesondere der Nießbrauch bei überwie­ gender Schuld des Mannes. 107. 2. Absonderung bei Gütergemeinschaft, je nachdem ein Theil überwiegend schuldig ist, 107, oder nicht. Insbe­ sondere Behandlung der Schulden. 108. Zwangsvollstreckung wegen solcher. 109". Einfluß des Todes des unschuldigen Theils nach

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106

rechtshängiger Scheidung auf den Absonderungsanspruch. 110. B. Ab­ findung bei getrenntem Güterrecht. 110. Verpflegungsanspruch statt der Abfindung. 111. 2. Abfindung bei Gütergemeinschaft. Vertrags­ mäßige Feststellung der Abfindung. Voraussetzungen der Abfindungs­ klage. Vererblichkett. Freiheitsstrafe des schuldigen Gatten. 112. Viertes Kapitel.

Eheähnliche Verhältnisse.

§ 216. I. Die Ehe Aur linken Hand..................................................................................... Entstehung oes Instituts» Die morganatische Ehe in reichsständischen Familien. Landrecht. Landesherrliche Genehmigung. Vertragsabrede. Gegenwärtige Möglichkeit der Ehe zur linken Hand. 113. Eigenthümlich­ keiten derselben. 111. § 217. II. Der außereheliche Geschlechtsverkehr.................................................................. Rechtliche Natur deS Anspruchs aus der Schwängerung. 114. Negative

113

114

Jnhaltsverzeichntß des IV. Bandes.

XI Seite

Voraussehungen. 115. Positive. Insbesondere Konzeptionszeit. Bescholtenhen. 116. Bezahlung für Gestattung des Beischlafs. Berüchtigt wegen Unsittlichkeit. Frühere Schwängerung. Früherer Ehebruch. 117. Ver­ führung des noch nicht zwanzigjährigen Schwängerers. 118. Umfang des Anspruchs. Schwängermlg der Willenlosen und unter Erregung des Irr­ thums ehelichen Beischlafs. Schwängerung im Brautstand. 118. Schwän­ gerung in anderen Fällen. Beklagter. Vererblichkeit. Verjährung. 119. Frühere Eigenthümlichkeiten des Verfahrens. 11945. Zweites Hauptstück.

Das Recht zwischen Eltern und Kindern.

§ 218. Vorbemerkung Zurückstehen der römischrechtlichen Grundanschauung von der väterlichen Gewalt im gemeinen Recht. 120. Vormundschaftlicher Charakter der Väterlichen Gewalt nach Landrecht. Rechtsstellung der Mutter. 121.

Erstes Kapitel. Die Begründung der väterlichen Gewalt. § 219. Die eheliche Erzeugung und Legitimation 1) Eheliche Geburt oderZeugung. Vermuthung für die eheliche Ab­ stammung der in der Ehe erzeugten oder geborenen Kinder. 121. Gegen­ beweis. Geltung der Vermuthung auch für die vor der Ehe erzeugten während derselben geborenen Kinder. 122. Dauer der Vermuthung nach dem Tode des Ehemanns. 123, bei Scheidung der Ehe. 124. Vorsichts­ maßregeln gegen die Wittwe im Wege einstweiliger Verfügung. 12419. Präjudizialklagerechte und Klage auf Herausgabe des Kindes. Anfechtung der Ehelichkeit des präsumptivehelichen Kindes. 125. Anerkenntniß als Einrede. Vererblichkeit der Anfechtung. Anfechtungsrecht der Lehen- und Fideikommißanwärter. Keine Anfechtung seiner Ehelichkeit durch das präsumptiv eheliche Kind selbst. 126. 2) Legitimation: a. durch nach­ folgende Ehe. 127, für liberi adulterini. 127", Beweis der Zeugung durch den Ehemann und Anerkenntniß deflelben 127 43, Ehe von Aus­ ländern und im Ausland. 128. b. Durch Hofrescript. Bedeutung An­ deren als dem Vater gegenüber. 128. Keine Legitimation mehr durch Er­ kenntniß und gerichtliches Anerkenntniß. 129. § 220. Die Annahme an Kindesstatt................................................................................ Adoptionsvertrag. 129. Bestätigung. 130, auch noch nach dem Tode des Adoptirenden. 1303. Die Vertragschließenden. Wer kann adoptiren? 130. Zustimmung der Eltern, Ehefrau des Adoptirenden. Adel, Zndigenat. Wirkung der Adoption. Verhältniß zum adoptans. Zur Frau desselben, zu einer adoptirenden Frau. Zu Seitenverwandten 131, den leiblichen Eltern der Adoptirten. 132. Vermögensrechtliche Stellung des Adoptirten. Verwaltung des Vermögens des minderjährigen Adoptirten. Accidentalia des Adopnonsvertrages. Aufhebung der Adoption. 132. Pflegekinder. 132. Gesetzlicher Begriff. Bedeutung und Wirkung eines darauf gerichteten Vertrages. 133. § 221. Die Emkindschaft Die E., zunächst auf vertragsmäßige Begründung eines Erbrechts ab­ zielend , erzeugt nach Landrecht auch familienrechtliche Beziehunaen. Sub­ sidiäre Natur der Bestimmungen. 134. Kein nothwendiger Zusammen­ hang mit Gütergenreinschast. Vertragschluß. Betheiligte. 135. Das Voraus der Vorkinder. Wirkungen der Einkindschaft 136. Auf­ hebung. 137. Zweites Kapitel. Die Wirkungen der väterlichen Gewalt. § 222. Die persönlichen Wirkungen des elterlichen Verhältnisses Sittliche, rechtliche Pflichten. Alimentationspflicht. 138. Unterschied von der Alimentationspflicht entfernterer Verwandten. 138°. EHiehung bis zum vierten Lebensjahr. 138. Spätere 139. Differenzen der Eltern. Ein­ greifen der Obervormundschaft. 139. Im Einzelnen: a. Religiöse Er­ ziehung. 139. b. Erziehung im Fall der Ehescheidung, c. Unterstützung der Eltern in Wirthschaft und Gewerbe. 140. d. Selbständige ver­ mögensrechtliche Stellung des Kindes. Beschränkte Dertragsfähigkeit. 141. Form der Genehmigung des Vaters. 142. Prozeßfähigkeit des Hauskrudes. 14128. e. Grenzen des Vertretungsrechts des Vaters, auch bei minderjährigen Kindem 142. 143 33. f. Verpflichtung des Vaters omch

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das Hauskind. Auftrag, Genehmigung, nützliche Verwendung. 143. x. Die ungenehmigten Schulden des Hauskindes. 144. Anerkenntniß derselben 145. h. Unerlaubte Handlungen des Kindes. 145. § 223. Die vermögensrechtlichen Wirkungen der väterlichen Gewalt I. Freies Vermögen. 147. Ausnahme von der Regel des väterlichen Nießbrauchs. Unbeschränkte Verfügung des Kindes. Nothwendigkeit einer Pflegschaft für das minderjährige Kind. 147. Recht des Vaters aus die Nutzungen, soweit sie zur Verpflegung und Erziehung des Kin­ des erforderlich. 148. Verschuldung des freien Vermögens durch das Hauskind. 149. II. Nicht freies Vermögen, Nießbrauch und Ver­ waltungsrecht des Vaters. 149. Beschränkung des letzteren bei Grund­ stücken, Gerechtigkeiten und zur Sicherheit besonders verschriebenen Kapi­ talien. Vormundschaftsgerichtliche Genehmigung. 150. Kapitalien der Kinder. 151. Belastung des Nießbrauchs mit der Unterhaltungspflicht. Verlust des Nießbrauchs. Rechtsstellung der Kinder im Konkurse. Sicher­ heitsleistung des Vaters. 152. Auseinandersetzung und Sicherstellung im Fall einer anderweitigen Ehe. 153. Verlust des Nießbrauchs beim Ver­ schweigen des Kautionsfalls. 154. III. Rechte, Pflichten zwischen Eltern und Kindern. 154. Drittes Kapitel. Die Auflösung der väterlichen Gewalt. § 224. Der Austritt aus der väterlichen Gewalt Natürliches Ende. Der Tod. 154. Sonstige Aufhebungsarten: 1. Abge­ sonderte Wirthschaft des Sohnes. Voraussetzung: Großjährigkeit desselben. Widerspruch des Vaters bei Gericht. 155. Begriff der gesonderten Wirth­ schaft. 156. 2. Ausdrückliche Entlassung des Sohnes. Entlassung des minderjährigen Sohnes über 20 Jahr nach Landrecht. 157. Modifikation durch die Vormundschaftsordnung. 158. II. Verheirathung der Tochter. 158. Insbesondere der Fall, wenn solche giltig ohne Zustimmung des Vaters erfolgt. III. Unverheirathete Töchter. 159. IV. Wirkung der Aufhebung. Ausantwortung des Vermögens. 159. Ausstattung. Dauernde Unterstützungspflicht. 160. § 225. Der Verlust und die Einschränkung der väterlichen Gewalt Verlust. 160. Ruhen. Einschränkung. Vertretung des minderjährigen Kindes in diesen Fällen. 161. Viertes Kapitel. Rechtsverhältnisse miberer Kinder. § 226. Die Kinder aus einer Ehe zur linken Hand Rechtsstellung von Vater und Kind. 162. Verhältniß zu Vollkindern. 163. § 227. Die Kinder aus nichtigen und ungiltigen Ehen.............................................. Bei Nichtigkeit Verschiedenheit der Rechtsstellung des gutgläubigen und schlechtgläubigen Gatten. Wirkung der Ungiltigkeit erst seit der Ungiltig­ keitserklärung. 163. § 228. Die unehelichen Kinder Familienlosigkeit derselben. Anspruch des Kinds auf Unterhalt und Er­ ziehung. Rechtliche Natur desselben. 164. Voraussetzungen. 165. Umfang. Unterschied von anderen Alimentationsansprüchen. 166. Der Anspruch kann auch für die Vergangenheit geltend gemacht werden, ist passiv vererblich. Erbrecht des unehelichen Kindes. Verhältniß der Obligation dazu. 167. Behandlung des Anspruchs im Konkurse. Verjährung. 168. Frühere Be­ sonderheiten, wenn der Schuldner Soldat. 169.

Drittes Hauptstück. Die Vormundschaft. § 229. Einleitung I. Geschichte. Römisches Recht. 170. Deutsches Recht. 171. Reichsge­ setzgebung des alten Reichs. Recht des Allgemeinen Landrechts. 172. Die Hauptgrundsätze desselben. 173. Die Nachtheile des landrechtlichen Systems. Reformbestrebungen. 174. Die Vormundschaftsordnung vom 5. Juli 1875. 175. II. Begriff und Arten. Staatliche Fürsorge für physische, nicht juristische Personen. 178. Fürsorge durch Vertretung. Formulirung des Begriffs. Verhältniß zu anderen familienrechtlichen Schutzverhältnisfen und zu den Beiständen. Bedeutung der Kodifikation des Vormundschafts­ rechts. Gesetze über das Vormundschaftswesen. 176. Die Vormundschaft im engeren Sinne und die Pflegschaft. 177. III. Die Vormundschafts­ behörden. Vormundschaftsgericht. Funktionen desselben, insbesondere

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auch außervormundschaftsrechtliche. Familienrath. 177. Archörung Ver­ wandter durch den Richter. Beschwerdeinstanz. Beschwerderecht. Weitere Beschwerde. 178. Waisenrath. Zuständigkeit des Vormundschaftsgerichts. Bevormundung von Ausländern. 179. Erstes Kapitel. Vormundschaft. § 230. Vormundschaft über Minderjährige und Großjährige........................................ 1. Vormundschaft überMinderjährige, bei nicht wirksamer väterlicher Gewalt. 180. Großjährigkeitserklärung. Voraussetzungen derselben. 181. II. Vormundschaft über Großjährige 1. entmündigte Geisteskranke, 2. entmündigte Verschwender. Entmündigungsverfahren. Bedeutung und Wirksamkeit der Entmündigung. 3. Die durch Taubheit, Stummsein oder Blindheit behinderten Personen. Feststellung durch das Vormundschafts­ gericht. 181. Zeitpunkt des Beginns der Vervflichtungsunfähigkeit der zu 1—3 Genannten. 182. 4. Abwesende. 182. Voraussetzungen. Besonder* heiten der Rechtsstellung des Vormunds eines Abwesenden. 183. § 231. Begründung der Vormundschaft............................................................................ I. Gesetzliche Vormundschaft. Der Vater als gesetzlicher Vormund. Vor­ aussetzung und Rechtsstellung. Der Vater der unehelichen Mutter des minderjährigen Kindes. Vormundschaftliche Rechte und Pflichten des Vor­ stands einer Verpflegungsanstalt bei minderjährigen Kindern. 184. II. Richterliche Bestellung des Vormunds. Anzeigepflicht bezüglich eines Vormundschaftsfalls. Vorschläge des Waisenraths. Rücksichten bei der Auswahl. Derselbe Vormund für mehrere Geschwister. Mehrere Vor­ münder desselben Mündels. Art der Bestellung. 185. Ist eine Bestellung auf Zeit oder unter Bedingungen möglich? Rechtsregeln für die Bestellung. 1. Recht auf Berufung. Aufzählung der Berechtigten. 186. Beschwerde wegen Nichternennung. Wirkmrg der erfolgreichen Beschwerde. 187. 2. Unfähigkeit. Unfähigkeitsgründe. 187. Wann ist die Bestellrmg eines Un­ fähigen nichtig und die gesetzliche Vormundschaft ausgeschlossen? Im Uebrigen Wirksamkeit der Unfähigkeit als Entlassungsgrund. 188. 3. Ver­ pflichtung zur Uebernahme der Vormundschaft. Ablehnungsgründe. 188. Zeit der Geltendmachung derselben. 18835. 4. Unentgeltlichkeit der Amtssthrung. Voraussetzung der Bewilligung eines Honorars. 188. Recht darauf. 5. Bestellung eines Gegenvormunds. Nothwendigkeit desselben, insbesondere neben dem gesetzlichen Vormund. Wirksame Untersagung der Bestellung eines Gegenvormunds. 189. III. Berufung und Bestellung des Gegenvormunds. 190. § 232. Führung der Vormundschaft............................... •................................................... Bedeutung beschränkender Bestimmungen bezüglich der Vertretung nach Außen und bezüglich der Thätigkeit des Vormunds bei der Sorge für die Person und bei der Vermögensverwaltung. Gemeinsame Verwaltung mehrerer Vormünder. 190. Theilung der Verwaltung nur unter Geneh­ migung des Gerichts. Einwirkung des den Vormund Berufenden. 191. Im Einzelnen: 1. Vertretung. 191. Aeußerung des Vertretungswillens. Unzulässigkeit der Schenkungen. Unwirksamkeit des Verzichts oder der Versäumniß bei der Rechtswohlthat des Inventars. 192. Beschränkte Vertretungsbefugniß in den Fällen, welche Genehmigung des Gegenvormunds erfordern. Wie ist diese zu erklären? Fälle. 193. Bedeutung des Aus­ drucks „Einziehung von Kapitalien". 193,3. Ersatz der Genehmigung des Gegenvormunds durch das Gericht. Beschränkung der Vertretung des Vormunds durch das Erforderniß gerichtlicher Genehmigung. Verfahren bei Ertheilung derselben. Rechtshandlungen, die sie fordern. Personen­ rechtliche. Vermögensrechtliche. 195. Geschäfte, denen die erforderliche Genehmigung mangelt. 196. Keine Beseitigung der einmal ertheilten Ge­ nehmigung. Mögliche Beseitigung der verweigerten. Vonoeg ertheilte Genehmigung. Generelle Genehmigung. Allgemeine Ermächtigung in der Bestallung. 197. Bedeutung der Beschränkung des Vertretungsrechts für Geschäfte, die der Mündel selbst mit Genehmigung des Vormunds schließt. Vertretung des Mündels im Prozeß. 198. 2. Sorge für die Person des Mündels. Allgemeines. 198. Unterhalt. Erziehung. Recht der Mutter. Kosten der Erziehung. 199. Letztwillige Anordnungen des Vaters über Erziehung. Berufswahl. 200. Religiöse Erziehung. Strafmittel. 201. 3. Vermögensverwaltung. Selbständige Verant-

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Wörtlichkeit des Vormunds. Sorgfalt des ordentlichen Hausvaters. Be­ schränkungen der selbständigen Entschließungen des Vormunds durch Gesetz und letztwillige Bestimmungen. Tragweite derselben. 201. Gesetzliche Ordnung der Kapitalanlegung. 202. Verbot der Beleihung von Grund­ stücken des Vormunds. Rechtsgeschäfte, aus denen Forderungen ohne pupillarische Sicherheit erwachsen. Rechte des Mündels bei ordnungswidri ­ ger Anlegung. Verbot von Verwendungen in den Nutzen des Vormunds, untreue. 203. § 233. Beaufsichtigung des Vormunds ................................................. Aufsicht im Gegensatz zu Leitung. 1) Recht auf Kenntnißnahme. Vermögensverzeichniß. Rechnungslegung an das Gericht. 204. Bedeutung derselben. Befteiung von Inventar und Rechnung. Vermögensübersichten. Ausnahmslose Pflicht aller Vormünder dem Gericht über Einzelheiten die verlangte Auskunft (Rechenschaft) zu geben. 2) Gebote und Verbote des Ge­ richts zur Sicherung der Erfüllung der gesetzlichen Pflichten. 205. Rathschläge. 206. 3) Anordnung der Verwahrung und der Außerkurssetzung der Werth­ papiere. Bedeutung. 206. Wiederinkurssehung. 20715. Keine rechtliche Verfügungsbeschränkung durch jene Anordnungen. 207. 4) Nöthigung zur Sicherheitsbestellung. 208. Befteiung davon. Durchführung der Nöthi­ gung. 209. 5) Ordnungsstrafen. 200. 6) Entlassung und Entsetzung. Auf­ sicht über den Gegeuvormund. 210. § 234. Beendigung der Vormundschaft............................................................................. Natürliches Ende. Keine Erstreckung der Altersvormundschaft über die Großjährigkeit hinaus. 210. Beendigung des Amts für den einzelnen Vormund oder Gegenvormund. Insbesondere Entlassung. Entsetzung. 211. Zurückgabe der Bestallung. Schlußrechnung. 212. § 235. Die obligatorischen Beziehungen des Vormundschaftsrechts........................... Pflichten des Vormunds, auch des gesetzlichen. Grad d§r Sorgfalt. Mehrere Vormünder bei getheilter und ungetheilter Verwaltung. 213. Kausalzusam­ menhang des zu ersetzenden Schadens und der Pflichtwidrigkeit. Besondere Begrenzung des Anspruchs wegen versäumter Kapitalanlage und wegen Verwendung von Geld in den Nutzen des Vormunds. 214. Pflicht des Gegenvormunds. Prüfung der gelegten Rechnung. Rechte des Vormunds und Gegenvormunds gegen den Mündel. Recht auf Zahlungen während der Vormundschaft. Recht auf Quittung und Entlastung. 215. Zurück­ gewährung der Sicherheit. Betheiligung des Vormundschaftsgerichts. Konkurs des Vormunds. 216. Bürgschaftliche Haftung des Ehemanns der Vormünderin. Haftung des Vormundschaftsrichters. 217.

Zweites Kapitel. § 236. Pflegschaft..................................................................................................................... Cura personae, keine cura rei. Reichsgesetzlicher Fall der letzteren. 217. Abgrenzung der Aufgabe des Pflegers im einzelnen Fall. Keine gesetzliche Pflegschaft. Unterschied von dem im Prozeß und im Verfahren der Zwangs­ versteigerung vom Prozeßgericht bestellten Vertreter. 218. Insbesondere 1. Pflegschaft bevormundeter oder in väterlicher Gewalt befindlicher Per­ sonen. 219. 2. Pfleger einer Leibesfrucht. 219. 3. Pfleger des unbekannten Erben zur Erhaltung des Nachlasses und zur Ausmittelung des Erben. Die landrechtlichen Bestimmungen vom Nachlaßkurator, noch giltig? 220. Recht des Nachlaßpflegers auf Aufgebot der Gläubiger, Zwangsverkauf, Antragsrecht auf Konkurseröffnung. 221. 4. Beispiele anderer Pflegschaften. 222. Die rechtliche Behandlung der Pflegschaft. 222.

Viertes Hauptstück. Das Gesinderecht. § 237. Das gemeine Gesinde................................................................................................... Geschichte des Gesinderechts. Die Gesindeordnung. 223. Dogmatische Be­ deutung der Stellung des Gesinderechts im Familienrecht. 224. I. Begrün­ dung des Gesindeverhältnisses. 224, Fähigkeit sich zu vermiethen. Gesinde­ bücher. Stellung der Hausftau bei der Annahme. Statt Schriftlichkeit Draufgeld. 225. II. Gegenstand des Vertrags, städtisches und ländliches Gesinde. III. Charakter. Pflichten, a. des Gesindes. 226. Retentions­ recht der Herrschaft wegen Schadensansprüche. 227. b. Pflichten der Herr­ schaft. 227. Insbesondere bei Krankheit des Gesindes. 228. IV. Dauer des Dienstverhältnisses. Auflündigung. 228. Einseitige Aufhebung. 229. Tod des Gesindes. Tod des Familienhauptes. Konkurs desselben. - 230.

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V. Recht auf ein Zeugniß. 231. Exemtion von dem Schöffen- und Ge­ schworenendienst. 232. § 238. Die Hausoffizianten............................... Begriff und Unterschied von Dienstboten. 232. Annahmevertrag. Sonstige Rechtsregeln. Rechtsverhältniß der Erzieher u. dgl. 233. Fünftes Hauptstück. Die Rechte im weiteren Familienverhande. Erstes Kapitel. § 239. Die Alimentationspflicht.......................................................................................... Die Alimentationspflicht aus rechtswidrigen Handlungen, die Alimentations­ pflicht des geschiedenen Gatten und des unehelichen Erzeugers im Gegen­ satz zur Alimentationspflicht der Verwandten. Besonderheit der Alimenta­ tionspflicht des Vaters und der Mutter für das im Hausverband stehende Kind. 234. Alimentationspflicht anderer Verwandten. Kreis der Pflich­ tigen. 235. Natur der Pflicht als bedingt durch das Unvermögen des einen und das Vermögen des andern Theils. Beweislast. 236. Regel­ mäßig keine Forderung für die Vergangenheit. Ausnahmen. 237. Ins­ besondere Recht des Armenverbandes, der alimentirt hat. 23722. Nothdürftiger und anständiger Unterhalt. Naturalalimentation. Geldzahlung im Voraus. Mehrere Verwandte. 238. Gemeinschaftlich Verpflichtete. 239. Klagen derselben auf Vertheilung der Lasten. 240. Verjährung. Erlöschen des Rechts. 240. Zurückforderung des von Geschwistern Geleisteten im Fall der Verbesserung der Umstände des Unterstützten. Anwendbar auf Unterstützung entfernterer Verwandter? 241. Zweites Kapitel. Die gemeinschaftlichen Familienrechte. § 240. I. Im Allgemeinen............................... Begriff gemeinschaftlicher Familienrechte. 241. Begründung. Antheil des Einzelnen. Familienschlüsse. Stellung des Vorstehers der Familie. 242. Fassung der Familienbeschlüsse. Die Familie als juristische Person. 243. § 241. II. Die Familienstiftung.......................................... •......................... Begriff. Errichtung. 244. Verlautbarte, gerichtlich genehmigte Stiftungs­ urkunde. Eigenthumsübergang. 245. Interpretation der Stiftungsurkunde. Aufsicht über Familienstiftungen. 246. Zuständiges Gericht. Familien­ schlüsse zur Abänderung der Stiftungsurkunde. Die in subsidium für das Verfahren geltenden gesetzlichen Bestimmungen. 247. Insbesondere Ver­ tretung Minderjähriger. 248. Dauernde Geltung der Vorschriften von gemeinsamen Vormündern und Vormundschaftsgerichten? 24824. Wer ist das Rechtssubjekt bei der Familienstiftung? 248. Aufhören derselben. 249. § 242. III. Das Familienfideikommiß................................................................................. I. Begriff und Errichtung. Geschichtliches. 250. Begriff. Verhältniß zum Begriff der Familienstiftung. 251. Voraussetzungen und Art der Begrün­ dung des Familienfideikommisses. 253. Fideikommißbehörde. Eintragung des Fideikommisses und der Anwärter in das Grundbuch. 254. Verwal­ tung (Kuratel) zur Sicherung der Rechte der Familie. 255. II. Gegen­ stand. 255. III. Rechte und Pflichten des Fideikommißbesitzers und der Anwärter. 256. Die Familienschlüsse bei F.F. — Vertretung der Familie in gewissen Beziehungen durch Zustimmung zweier Agnaten. 257. Ver­ schuldung des Fideikommißvermögens, und zwar der Revenüen des zeitigen Besitzers, — zustimmender Agnaten, — der Revenüen überhaupt. 258. Verschuldung der Substanz durch Familienschluß. Ursprüngliche Fideikommißschulden. 259. Belastung des Fideikommißguts mit Grundgerechtig­ keiten. Verwaltung. Substanzverringerung. Prozeßführung bezüglich der Substanz. 260. IV. Das Successionsrecht und die Successionsordnung. 261. Erwerb des Nachfolgers. 261. Verbot des Seniorats bei Land­ gütern. Mehrheit der F.-Kommisse in derselben Familie. 262. Möglich­ keit des Uebergangs auf weibliche Nachkommen. Vorgehen der Erbtochter vor der Regredienterbin. 263. V. Auseinandersetzung des F.-K.-Nachfolgers mit dem Erben des letzten Besitzers. Verschlechterungen, Verringerungen. 264. Erweiterungen. Substanzschulden. Revenüenschulden. 265. VI. Aufhebung des Fideikommisses. 266.

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Fünftes Buch. Das Erbrecht. § 243. Einleitung.............................................................................................................. Allgemeiner Charakter des Erbrechts 269. Die verschiedenen erbrechtlichen

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Jnhaltsverzeichniß des IV. Bandes. Seite Systeme 270. Röm. Erbrecht. Bedeutung des Testaments 271. Suc­ cession in den Willen? 272. In die Persönlichkeit? In die Herrschaft über das Vermögen 273. Nothwendigkeit des Willens, Erbe zu sein. Erwerb der Erbschaft. Succ. in Universum jus, nemo pro parte 274. Vermischung mit dem Vermögen des Erben, suus heres. Pflichttheilsrecht 275. Deut­ sches Erbrecht 276. Gemeines Recht. Preußisches Recht 278. Stellung zu dem französischen, österreichischen 279. Sächs. R. Systematische Ord­ nung 280.

Erste Abtheilung. Erster Abschnitt.

Die Berufung zur Erbschaft.

Die letztwillige Berufung.

Erstes Kapitel. Die Arten der letztwilligen Verfügung und die allgemeinen Vor­ aussetzungen ihrer Wirksamkeit. § 244. I. Testament und Kodizill....................................................................... Abweichung des A.L.R. vom römischen R. 281. Begriff des Testaments und Kodizills. Bedeutung des beibehaltenen Unterschieds voll Testament und Kodizill 282. Sind Nachzettel Theile des Testaments oder nur Kodi­ zille? 283. § 245. Die Testirfähigkeit............................................................................................................ Unzulässigkeit der letztwilligen Verfügung durch gesetzliche Vertreter; allge­ meine Rechtsgeschäftsfühigkeit; zum Pflichttheilsrecht und zur Gebundenheit durch Erbvertrcw. Altersgang; vollendetes 14. Jahr. Geisteskranke 285. Verhältniß zu Nichtbevormundete Geisteskranke 286. Taubstumme u.s. w. Verschwender 287. Entziehung der Testirfähigkeit zur Strafe 289. Mönche, Nonnen 290. Nachmaliger Wegfall lind späterer Eintritt der Unfähigkeit bei physischen und rechtlichen Hinderniflen 290. § 246. Beeinträchtigung des Willens des Testirenden durch Zwang, Irrthum, Betrug.................................................................................................................................... Ausschluß der deshalb gegen das gerichtliche Testament gerichteten Anfech­ tung. 291. Beschränkung des Satzes, wenn der Willensmangel nur eine einzelne Disposition beeinflußt hat. Zulässigkeit der Anfechtung außerge­ richtlicher letztwilliger Verfügungen. — Unwirksamkeit der Verfügungen minderjähriger Ehefrauen in gemißbilligten Ehen. 292. Der Zwang unb Betrug zum Zwecke der Hindermlg letztwilliger Bestilnmurlgen oder zur Herbeiführung der Zurücknahme derselben. 292. § 247. II. Erbeinsetzungsvertrag.............................................................................................. Erbvertrag neben dem Testament als besonderer Delationsgrund. 293. Geschichtlicher Ursprung des Erbeinsetzungsverttages. 294. Erbvertrag und Verordnung von Todeswegen. 295. Mischung eines verttagsmäßigen und lehtwilligen Elements. I. Vertragsmäßige Seite. Bedeutung und Folgen derselben. Möglichkeit einer Gegenleistung. Denkbarer Inhalt der­ selben. Wechselseittger Erbvertrag. Nothwendigkeit der Verttagsfähigkeit. 296. Regelmäßig kein einseitiger Widerruf. Vorbehalt desselben. 297. Gebundenheit nur gegenüber dem Konttahenten, auch bei Verfügungen zu Gunsten Dritter. 298. II. Der testamentarische Charakter. Noth­ wendigkeit der Testamentsfähigkeit. 298. Keine Stellverttetung. 299. Testa­ mentsform. Besonderheit bei Brautleuten und Eheleuten. 299. III. Wir­ kung. Kein sofort wirksames Recht des Vertragserben 299, auch kein.Recht zum Widerruf von Schenkungen vor dem Eintritt des Erbfalls. 'Aber Recht auf Entmündigungsantrag wegen Verschwendung. 300. Nach Eintritt des Erbfalls. Zuwachs. 301. Annahme, Entsagung. Recht auf Er­ gänzung des Pflichttheils. Vertragspflicht zur Annahme. IV. Ver­ eitelung. Wie sind unerlaubte Bedingungen zu behandeln? 302. V. Widerruf. 303. Form. Wirkung des von einer Seite rechtmäßig erfol­ genden Widerrufs eines zweiseitigen Erbverttags. 304. Unwirksamkeit des unzulässigen Widerrufs. 305. VI. Verschiedene Arten des Einsehungsvertrages. Vermächtnißvertrag. 305. Konservativer Erbverttag. 306. Dem Erbverttag ähnliche Gebundenheit im Fall eines korrespektiven Testa­ ments. 307. § 248. Das Recht auf einen Pflichttheil................................................................................ Sowohl bei Testament als bei Erbverttag wirksam. I. Wesen des Pflicht­ theilsrechts. 307. Nur materielles Notherbenrecht. 308. Rechtliche Natur des Pflichttheils-Anspruchs. 309. Alte Theorie: Das Pflichttheil, Erbquote. 310. Das Pflichttheil, Recht ans Beseitigung einer Last oder Forderungs-

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recht gegen den Nachlaß. 311. II. Die Berechtigten. Abkömmlinge. Dem Vater gegenüber nicht uneheliche Kinder und nicht Kinder aus der Ehe zur linken Hand. 312. Ascendenten, Ehegatte. 313. Voraussetzung, Jntestaterbrecht im einzelnen Falle. 314. Successio in querelam. 31420. III. Größe des Pflichttheils. Verschiedene Bruchtheile nach der Zahl der Kinder. 315. Wer wird mitgezählt? 316. Theilung nach Stämmen. 317. IV. DieZuwendung: in irgend einer Weise. Aber keine Belastung mit Bedingungen oder Einschränkungen. 318. Cautela Socini. Zulässige Belastung des vollen Erbtheils der Kinder durch Substitution der Enkel. 319. Aussetzung eines Pflichttheils der Kinder aus geschiedener Ehe als unter Lebenden zu erfüllende Pflicht des schuldigen Gatten. 319. V. Berechnung vom reinen Nachlaß. 320. Zurechnung der Konfereuda. 321. Was ist auf den Pflicht­ theil anzurechnen? 323. VI. Entziehung (Enterbung). Form nnd be­ stimmte Gründe. 325. Widerruf der Enterbung. 326. Form des Wider­ rufs. Wirkung. Nichtigkeit der nicht formell giltigen Enterbung läßt an­ dere Verfügungen derselben Urkunde bestehen. 327. Enterbung aus guter Absicht. 328. Folgen für die Gläubiger des Enterbten. 329. VII. Folgen der Uebergehung. Bei bewußter Uebergehung: Pflichttheilsanspruch. Transmission des dem Kinde Ausgesetzten auf den übergangenen pflichttheilsberechtigten Enkel. 331. Uebergehung aus Irrthum. Fiktion der Erb­ einsetzung. 332. Ruption nnd volles Jntestaterbrecht nach einjähriger Kennt­ niß. Agnatio posthumi. 333. VIII. Die Pflichttheilsklage. Erb­ rechtliche Stellung des Pflichttheilsberechtigten, der als Miterbe berufen ist. 334. Bei Berufung auf zu geringe Quote. Fall der Belastung. Ziel und Richtung der Klage in diesem Fall. 335. Belastung quantitativer Zu­ wendungen. Behandlung der den Pflichttheilsberechtigten belastenden Legate als Last. Belastung durch mehrere Legate. 336. Klage auf Verabfolgung oder Ergänzung des Pflichttheils „aus dem Nachlaß" 337. Beitragspflicht der Legatare den Erben gegenüber. 338. Inwiefern ist der Pflichttheil ein Geldanspruch? Vererblichkeit, Abtretbarkeit, Pfändbarkeit. 339. Einrede der Ueberlegungöfrist, der Anerkennung des Testaments. 340, der Verjährung. 341. IX. Jnofficiose Schenkungen. 342. Berechnung. 343. Znosficioser Leibrentenkauf. 345. Zweites Kapitel. Errichtung der letztwilligen Verfügung. § 249. I. Form der letztwilligen Verfügung........................................................................ Wichtigkeit der sichernden Form. 346. I. Die ordentliche Form. 1) Die amtlich mitwirkenden Personen. Amtsgericht. 347. Richter und Gerichts­ schreiber. 348. Sonstige Protokollführer. Überschreitung des Sprengels. 349. 2) Die vorbereitenden Handlungen. 349. Bedeutung des vorgängigen Gesuchs. 350. 3) Die Auf- und- Abnahme. Vorzügliche Sorgfalt des Richters. 350. Protokoll. Erklärung des letzten Willens vor dem Richter. 351. Versiegelung. Aufbewahrung. 352. Die Uebergabe, offene, ver­ schlossene. 353. 4) Besondere Umstände. Feststellung der Derfügungsfähigkeit. Fremde Sprache. 354. Unfähigkeit zu unterschreiben. 355. Taubheit, Stummsein. Blinde, Analphabeten, Gelähmte. Honorirung der amtlich mitwirkenden Personen. 356. II. Die außerordentlichen Formen. 1) Dorfgerichtliches und Magistrats-Testament. 357. 2) Privilegirtes mili­ tärisches Testament. 359. Für das Landheer in Kriegszeiten. Für die Marine. 360. 3) Testament auf der See oder zur Zeit einer Gefahr. 361. 4) Test, der Gesandten. 361. 5) Dem Landesherrn übergebenes £eft. 6) Theilungsanordnung der Eltern unter ihren Kindern. 362. Form. Zu­ lässiger Inhalt. 363. Rechtliche Natur der Theilung. 364. 7) Eintragung in die Landgüterrolle imb anschließende Verfügung. 365. 8) Schriftliche Vermächtnisse auf deu 20. Theil. 367. 9) Vorbehalteue Kodizille. 10) Müudliche Erklärung au den gegenwärtigen Erben. 368. III. Die Folgen der Verabsäumung der Form. Anh. §. 33. 369. IV. Anwendung des örtlichen, auswärtigen Rechts über eine Form. 371. Inländische Testa­ mente, die über ausländische Immobilien verfügen. 372. § 250. II. Der Inhalt der letztwilligen Verfügung im Allgemeinen......................... Möglicher Inhalt. Eigener, letzter Wille des Erblassers. 372. Nebenbe­ stimmungen. I. Die Bedingung. 373. Ausdruck des bedingten Willens. Jnterpretationsregeln. 374. Unmögliche Bedingung. 374. Spätere Unmög­ lichkeit der Erfüllung einer Potestativbedingung. 375. Unerlaubte. 375. BeFörster (Eccius), Prcuß. Privatrecht.

IV.

5. A«fl.

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Inhaltsverzeichnis; des IV. Bandes. Seite

schränkung der Unerlaubtheit bei der gegen Gewissensfreiheit gerichteten, Ehelosigkeit, Bewahrung des Wittwenstands vorschreibenden Bedingung auf die Fülle, in denen dadurch der Willensentschluß beeinflußt Werder; soll. 376. Kaptatorische Bedingungen nicht unerlaubt. Unzulässigkeit der Be­ seitigung der gesetzlichen Bestimmung über unerlaubte Bedingung durch den Erblasser. 378. Unverständliche, nothwendige, unnütze, unbestimmte Bedin­ gungen. Auflösende. Was gilt als Erfüllung? 379. II. Zeitbestim­ mungen. III. Zweckbestimmung. 381. § 251. Die Erbeinsetzung...................................................................................................... I. Begriff. 382. Keine solenne Wortformel. 383. Bestimmte Bezeichnung. Mystisches Testament. 384. In conditione positus non est in dispositione ? 385. Heres ex re certa. 386. II. Erbfähigkeit. Wer kann als Erbe ein­ gesetzt, wem kann etwas vermacht werden? 387. Vermögensfäbige, zur Zeit des Anfalls existirende Menschen. Hinausgeschobener Anfall. 388. Künftige Persönlichkeiten, insbesondere eine noch nicht vorhandene Descendenz 389. Zuristische Personen. 390. Noch nicht existirende Stiftungen. 391. Erlaubte Vereinigungen? Fall, wenn der Berufene zum Erwerb einzelner Nachlaß­ sachen unfähig ist. 392. III. Einsetzung mehrerer Erben. 1) neben einander. Wenn die Erbschaft nicht erschöpft oder übervertheilt wird. 393. Auslegungsregeln über Verbindungen. 395. 2) Nach einander, Substitu­ tionen. 395. Erfatzerbe. Nacherbe. 396. Auslegungsregeln. Mehrere Er­ satzerben. 397. Mehrere Nacherben. 398. Stillschweigende Substitution. 399. Pnpillarsubstitution. 400. Freiheit von den Schranken des Pflichttheils­ rechts auch bei der Substitution durch die Mutter. Eigentliches Testiren für den Pupillen nur durch den Vater. 401. Grenzen des Rechts. Quasipupillarsubstitution bei anderen Testirunfähigen. 402. § 252. Das Vermächtniß...................................................................................................... I. Begriff. 403. Partitio legata. 404. II. Die betheiligten Personen. Vermächtnißtrüger. 404. Vermachtnißnehmer. 406. Dorvermächtniß (Prä­ legat). 407. III. Die Art der Zuwendung. 408. IV. Der Gegenstand des Vermächtnisses. 1) Im Allgemeinen. Sachen im Verkehr. 409. Be­ stimmte oder bestimmbare Sachen. Wahlvermächtniß. Bestimmung durch Dritte. 410. 2) Im Besonderen eine als im Eigenthmn des TestatorS be­ findlich legirte Sache. Surrogate derselben. 411. In welchem Zustand? Verarbeitete Sachen. 412. Eigenthum deö DermüchinißtrügerS 413, des Vermächtnißnehmers, einer fremden Person. 414. Gattung. Bestimmte Sachen. 414. Inbegriff. Dingliches Recht an einer eigenen Sache deö TestatorS. 415. Insbesondere Nießbrauch an Nachlaßsachen, am Nachlaß oder einer Quote derselben. 416. Feste Hebungen. 416. Vermächtniß eines Schuldverhältniffes. Fordernngsvermächtniß. Bei Zahlung vor den; Tode, Surrogat der besonders aufbewahrte Betrag. 417. Kompensationser­ klärung des Erblassers. Kompensation des Schuldners nach dem Tode. Vermächtniß einer durch ein Kapital zu deckenden Summe. 418. Vermächt­ nis das Schuldurknnden in sich faßt. Befreiungsvermächtniß. 419. Keine Surrogate. Bei einer Gesammtschuld. 420. Besondere Fälle. 421. Schuldvermächtniß. 424. Ausstattung. Vermächtniß zur Strafe deö Onerirten. § 253. III. Die Eröffnung des letzten Willens.............................................................. Von Amtswegen 426. Antrag. Vorzeitige Eröffnung. EröffnungSverfahren. 427. Ausfertigungen. 428. Benachrichtigungen. 429. Besondere Vorschriften bei außergerichtlichen u. Soldatentest. 429. Erbverträge. 429. § 254. IV. Die Auslegung des letzten Willens.............................................................. Bedeutung der Auslegungsregeln im Allgemeinen. 430. „Zum Vortheil des eingesetzten Erben", „im möglichsten Anschluß an die Regeln der ge­ setzlichen ErbfoHe". 431. Auslegung einzelner Ausdrücke. 432. Bei Zweifel­ haftigkeit der Person des Berufenen. 433. Zweifelhaftigkeit der Sache. 434. § 255. V. Anordnungen über Vollziehung des letzten Willens.................................... Die positiven Vorschriften des A.L.R. Geschichtliches. 435. Verschiedene Theorien. 436. Begriff: Letztwillige Dollumcht des Erblassers zur Ver-. tretung deö Erben. 438. Möglichkeit einer Vollmacht auf auderer Grund-' läge als der eines Mandatsvertrages überhaupt. 439. Möglichkeit der letziwilligen Anordnung einer Vei-tretung des Erben als beschränkende Auf-

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Seite läge. 440. Grenze der Beschränkung des Erben im positiven Recht. Gemeines Recht. 441. Landrecht. 442. Inhalt der Vollmacht: Verwirklichung der letztwilligen Anordnungen in den Grenzen des Auftrags. 445. Bei allgemeinem Auftrag. Verwaltung. Besitz. Nachlaßtheilung. 445. Natur des Besitzes des Vollstreckers. 445. Antrag auf Erbbescheinigung. 446. Klagen des Vollstreckers. Klagen gegen ihn. 447. Streit über Giltigkeit des Testaments. 448. Inwiefern Nothwendigkeit von Spezialvollmacht. 449. Im Eitlzelnen. 1) Fonn der Berufung des Testamentsvollstreckers. 449. 2) Wer kann bestellt werden? 450. Keine Pflicht zur Annahme. Pflicht zur Durchführung? Keine Substitution. Honorar. 451. 3) Auslegung des Testaments durch ben Vollstrecker. 452. 4) Ende der Vollstreckung. 452. 5) Rechnungslegung, Ouittungsleistnng. 453. § 256. VI. Die Unwirksamkeit des letzten Willens............................................................. I. Nngiltigkeit als Nichtigkeit. 454. Anerkennung. 454 r. Ungiltigkeit als Anfechtbarkeit. 455. II. Entkräftung nach gesetzlicher Vorschrift. 455. Durch den Willen des Erblassers. 456. Ausdrücklicher Widerruf. 457. Konkludente Handlungen. Zurücknahme. 458. Zerstörung der Urkunde. Errichtung eines neuen Testamentes. 458. III. Vereitelung. 460. § 257. VII. Das wechselseitige Testament........................................................................... Geschichtliche Grundlage. 460. Testamentum simultaneum zulässig? Be­ griff des wechselseitigen, nur unter Eheleuten zulässigen Testaments. Kor­ respektivität. 461. Gegenseitige ErbeSeinsetzung oder auch andere Zuwen­ dung? Möglichkeit der Berufung anderer Miterben. 462. Einheitliche Urkunde. Zulässigkeit des Widerrufs. Wirkung des Widerrufs eines Gatten auf das Testament des andern. 463. Beschränkung des überleben­ den Gatten, der die Zuwendung deS andern angenommen hat, im Wider­ ruf der eigenen Verfügungen. 464. Erklärung dieser Beschränkung. 465. Zusammenfasiung des beiderseitigen Vermögens in der Verfügung darüber, was nach bei« Tode des letztversterbenden geschehen soll, zu einer Einheit. 467. Notherben des Ueberlebenden, insbesondere nachträglich geborene. 469. Notherben des erstverstorbenen. 470. — Vollständige Nichtigkeit des für einen Testator nichtigen Testaments. Entkräftung durch Scheidung. 470. Eröffnung des wechselseitigen Testaments. 471. Zweiter Abschnitt.

Erstes Kapitel.

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Die gesetzliche Berufung.

Die gesetzliche Gesammtnachfolge.

I. Die Erbfolge auf Grund der Venvandtschaft. § 258. Die Berufung zur Verwandtenerbfolge.................................................................. Grundlage, vermuthlicher Wille des Erblassers oder gesetzliche Regel, die durch Testament geändert werden kann? 471. Eintreten der gesetzlichen Erbfolge, soweit nicht ein letzter Wille bestimmt. 472. Verwandtschaft aus vollgiltiger Ehe, aus Ehe zur linken Hand. 473. Legitimirte Kinder. Uneheliche Kinder. 474. Kinder aus nichtiger Ehe, aus ungiltiger Ehe. Adoptirte. 475. Einkindschaft. Voll- und Halbbürtigkeit. Mehrfache Ver­ wandtschaft. 477. Kein Repräsentationsrecht. 478. § 259 Die Ordnung der Verwandtenerbfolge....................................................................... Parentelenordnung. Lineal-, Gradual-, Lineal-Gradualfolge. 479. Rönnsches Recht. 480. Deutsches Recht. 481. System des A.L.R. Abwei­ chungen vom röm. R. nach Svarez. 482. Mischung des römischen und deutschen Rechts. 484. §. 210. Die Klassen der Verwandtenerbfolge....................................................................... Erste Klasse: Descendenz. Inwieweit sind Enkel durch Erbverzicht der Väter gebunden? 485. Zweite, dritte Klasse. 486. Vierte, fünfte Klasse. 487. Konkurrirende Erbrechte des Ehegatten, der Kinder aus Ehen zur linken Hand und unehelicher Kinder. 488. § 261. Der Nachweis der gesetzlichen Erbberechtigung und die Erbbescheinigungen. Kein Legüimationsverfahren von Amtswegen. 488. Beweis des Erbrechts im Prozesse. Prüfungspflicht des Richters, der den Nachlaß sichergestellt hat. Landesrechtliche Erbeslegitimationsatteste auf Antrag. Neue Gesetz­ gebung über die Erbbescheinigungen. 489. Zuständiges Gericht. Beweis des Erbrechts. Zulässige Beweismittel. 490. Eidesstattliche Versicherung. Aufgebot. Erbbescheinigung bei Vorhandensein eines Kodizills.. Kraft der Erbbescheinigung. Ergänzende Erbbescheinigung zum Testament. 491.

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§ 262. II. Die Erbfolge auf Grund der Geschlechtsverbindung................................ I. Geschichtliches. Römisches R. Deutsches R. 492. Aufgabe des Land­ rechts. 493. Voraussetzung: giltige, zur Zeit des Todes nicht geschiedene Ehe. 494. II. Nach welchem'Ortsrecht? 494. Wahlrecht. Nicht, wenn im ersten Domizil Gütergemeinschaft, aber auch, wenn im letzten Domizil das landrechtliche Erbrecht gilt. 495. Wahlrecht bei Wechsel der Gesetz­ gebung. 496. III. Erbrecht nach Statut oder Provinzialrecht. 496. Re­ gelmäßige Pflichttheilsnatur der portio statutaria. 497. Volle Gerade. 497. Gütergemeinschaft. 498. IV. Das eheliche Erbrecht nach gemeinem preußischen Recht. Höhe desselben. 498. Wegfall konkurrirender Erben. Voraus neben der zweiten bis fünften Klasse. 499. V. Aenderung oder Ausschließung des Erbrechts der Ehegatten durch Vertrag. 499. Eheververmächtniß.' Gegenvermächtniß. (Leibgedinge. Witthum). Kein Recht des Gatten statt des Vertragsrechts den gesetzlichen Erbtheil zu fordern. Aufhebung des Erbvertrags. Auslegung desselben. 500. § 263. III. Die Erbfolge auf öffentlich rechtlicher Grundlage.................................... Armenanstalten. 501. Nicht Krankenanstalten. Inwiefern Waisenanstal­ ten? Gemeinden. Korporationen. Fiskus. 502. Verhältniß mehrerer hiernach Berufener. Ausgenommene Gegenstände. 503. § 264. Zweites Kapitel. Gesetzliche Sondernachfolge.................................................. Familienfideikommisse. Lehnsfolge. Vorausnahmen. Heergeräth, Niftel­ gerade. 504. Kirchstühle, Familrenbegräbnisse. 505. § 265. Drittes Kapitel. Der Erbverzicht für einen künftigen Erbfall.................. Nur als Entsagung des Pflichttheils für den Erblasser von praktischem Werth. Voraussetzungen. Form des Verzichts auf den Pflichttheil. 505. Verzicht auf ein Erbrecht, das kein Pflichttheilsrecht, zulässig. Bindende Kraft der Verzichte für die Erben des Verzichtenden. Abfindung. 506. Vertrag künftiger Miterben über Theilung und Entsagung der künftigen Erbschaft zu Gunsten Dritter. Im letzter« Fall Beitritt des Erblassers, der diesen verpflichtet. 507. Bei Unfähigkeit des Erblassers gerichtlicher Vertrag. Form des Verzichts zu Gunsten eines Dritten mit Zustim­ mung des Erblassers. Form des Vertrags der Miterben. 508. Ver­ hältniß des vertragsmäßig vorweg verzichtenden Erben zu den Nachlaß­ gläubigern. 509.

Zweite Abtheilung.

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Das Recht des Erben und des Vermächtnißnehmers.

Erster Abschnitt.

Der Erwerb der Erbschaft.

§ 266. I. Der Nachlaß............................................................................................................ Nachlaß. 510. Was gehört dazu im Vergleich zum Vermögen? Inbe­ griff 511, aber nur des privatrechtlichen Vermögens 512, Standesrechte, soweit sie nicht zu Vermögensrechten geworden sind 513,'durch persön­ liche Willensthätigkeit bedingte Vermögensrechte 514, Rechte, die dem Erblasser nur nach seinen persönlichen Bedürfnissen oder Eigenschaften dienen sollten 515. Auch die Passiva. 515. In welchem Umfange? 516. Durch den Tod veränderte dauernde Rechtsverhältnisse. 516. . § 267. II. Sicherung des Nachlasses für den Erben............................................. Möglichkeit des Eindringens eines falschen Erben in den Nachlaß. Ver­ antwortlichkeit desselben. Sicherung des Nachlasses. Siegelung. 517. Nachlaßpfleger bei Unbekanntsein des Erben. 518. Aufgebot. Wirkung des Ausschlusses. Meldung eines Prätendenten. Rückkehr nach dem Aus­ schlußurtheil. 519. Erbe wegen Vorhandenseins einer Leibesfrucht unge­ wiß. 520. § 268. III. Der Anfall der Erbschaft................................................................................. System des römischen im Gegensatz zum deutschen Recht. 521. Nothwen­ digkeit des Erbantritts. Ausnahmsweise Transmission. Suns et necessarius. Hereditas jacens 522. Das Landrecht. Erwerb von Rechts­ wegen ohne Antrittserklärung. 523. Im Moment des Todes. 524. Der bedingt Berufene. 525. Erbanfall bei einer Todeserklärung. 525. Rück­ forderungsklage des Zurückkehrenden. Eigenthum des Erben an der Erb­ schaft. 526. Besitzergreifung. Der Eig'enthumserwerb durch Erbschaft. Fall des gesetzlichen Erwerbs ohne Besitzergreifung. 527. § 269. IV. Die Annahme und Entsagung der Erbschaft............................... Ueberlegungsfrist. Dauer derselben. 528. Anfangspunkt. Erst nach Er-

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öffnung des Testaments; auch für den Pflichttheilserben. 529. Im Falle des Eintritts an Stelle eines Entsagenden von der richterlichen Bekanntmachnng mit der Entsagung. Tod des Erben während der Ueberlegungsfrist. 530. Wem die Ueberlegungsfrist zusteht? Konkursverwalter. 530. Prozeß während der Ueberlegungsfrist. 531. Zwangsvollstreckung. Nachlaßpfleger zur Ermöglichung derselben. 532. Abwehr der Vollstreckung durch Aufgebot der Nachlaßgläubiger. Pflicht des Erben, der sich die Entsagung möglich halten will. Legitimation zur Entscheidung über Annahme oder Entsagung. 533. Annahmeerklärung. 534. Form der vorbehaltlosen Annahme. 535. Unzulässige Beschränkung der Annahme auf einen Theil. Bedingungslos. 535. — Entsagung. Nicht nach Ab­ lauf der Ueberlegungsfrist. 536. Testamentserben erst nach Publikation. Entsagung zu Gunsten des Nächstberufenen. 537. Anfechtung der Entsa­ gung. 538. § 270. V. Die Rechtswohlthat des Inventars.............................................................. I. Einleitung. Bedeutung der Universalnachfolge. Unbedingte Haf­ tung für die Schulden. 538. Rechtswohlthat des Inventars, im römi­ schen Recht Ausnahme, im preußischen Recht beschränkte Haftung Aus­ gangspunkt. 539. Möglichkeit des Verlusts dieser Rechtsstellung. 540. II. Rechtsstelluna des Vorbehaltserben. Erbe, nicht bloß Verwalter. Gegensatz Erbe ohne Vorbehalt. 540. Stellung des Vorbehalts­ erben. Eingeschränktes Eigenthum. Aeltere Bestimmungen deswegen. Einzutragende Dispositionsbeschränkung. Erbschaftlicher Liquidationsprozeß. 541. Verlust des' Vorbehalts. Sonstiges Ende der Beschränkung. Rechtsgeschichtliche Entwickelung. Wegfall der Dispositionsbeschränkung bei Grundstücken. 542. Aufhebung des Liquidationsprozesses. Liquida­ tionsverfahren. Aufgebot der Nachlaßgläubiger. Noch jetzt bestehende Beschränkung des Erben. Pflicht der Verwaltung mit bestimmtem Ziel. 543. Erschwerte Verantwortung des Erben int geltenden Recht. 544. — Die Verwaltung ist eine Verwaltung eigener Angelegenheiten im eigenen Namen mit Verantwortlichkeit gegen die Gläubiger. 544. Zwangsverkauf auf Antrag des Benefizialerben. Entgegenstehende Rechte. 545. Verkauf beweglicher Nachlaßtheile. Pflichten des Benefizialerben bei der Verwal­ tung und Rechnungslegung. 546. Der Miterbe unter Vorbehalt. Per­ sönliche Pflicht des Erben aus dem Vorbehalt. 547. III. Wahrung und Verlust der Rechtswohlthat. Frist für das Inventar. Noth­ wendiger Inhalt. 548. Form. Verhinderung der Znventarisirung. 549. Einreichung beim Nachlaßgericht. Versiegeltes Inventar. Verlust bei Ab­ lauf der Frist. 550. In der Regel von Rechtswegen. Ausnahme. Be­ vormundete Erben. 551. Späterer Verlust der Rechtswohlthat nach geleg­ tem Inventar. Bei Gericht erklärter Verzicht. 552. IV. Bedeutung der Rechtswohlthat für die Gläubiger und Legatare. For­ melle Voraussetzungen der Berücksichtigung derselben. 552. Vindikations­ ansprüche. Ansprüche auf abgesonderte Befriedigung. Vertheidigung durch Aufgebot der Nachlaßgläubiger. 553. Abwehr der Zwangsvoll­ streckung. Zwangsvollstreckung in einzelne Gegenstände des Nachlasies. In Sachen, die zum sonstigen Vermögen des Erben gehörten. Haftung cum viribus, nicht pro viribus hereditatis. Konsequenz. 554. Abwei­ chender Standpunkt des Reichsgerichts und des Kammergerichts. 555. Zwangsvollstreckung wegen persönlicher Schuld des Erben in die Nachlaßaktiva. 557. V. Absonderungsrecht der Nachlaßgläubiger und Le­ gatare. 557. VI. Das Rechtsverhältniß der Miterben. § 271. 1) Zm Allgemeinen...................................................................................................... Miteigentum am Nachlaß. 558. Gemeinschaftlichkeit der Schulden und Forderungen. 559. Gegenstand des Miteigenthnms die Erbschaft als solche 560. Kritik des abweichenden Standpunkts der früheren Auf­ lagen. 561. Konsequenz des Standpunkts des Landrechts. 562. An­ sprüche des Erblassers an einen Miterben. 563. Angebliches Individual­ recht des einzelnen Miterben zu Klagen für alle 563. Zu Kündigungen. 56423. Die Miterbeu im Prozeß nothwendige Streitgenossen. Anspruch eines Miterben gegen den Nachlaß. 565. Angebliche bedingte dingliche Wirksamkeit der Verfügung einzelner Miterben über Nachlaßsachen oder

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§ 272.

§ 273.

§ 274.

§ 275.

§ 276.

Theile derselben. 566. Verpfändung imd Veräußerung eines Nachlaßgrilndstücks durch die Miterben. Verfügungen der einzelnen Milerben, die im Grundbuch zu Unrecht als Miteigenthümer zu bestimmten Antheilen eingetragen sind. 568. 2) Das Recht des Zuwachses................................................................................ Begriff des Anwachsungsrechts. 569. Bedeutung desselben int Landrecht ohne den Sah nemo pro parte und beim Wegfall der Konjunktionen. 570. Zuwachs erworben ohne Annahme. Verhältniß gegen Nachlaß­ gläubiger und Legatare bezüglich des Zuwachses 572. Kein Zuwachs zur Pflichttheilsquote. Keiner fiit den heres ex re certa. Ausschluß durch Substituttonen 573. Anwendung beim Erbvertrag. 574. 3) Die Erbtheilung...................................................................................................... Voraussetzung, Feststehen der Antheile. 574. Die Erbtheilung im röm. Reckst 575, nach A.L.R. 576. Die Nachlaßregulirung der A.G-O. Zur Zeit kein prozeffualisches Theilungsverfahren. Unverjährbarkeit bezüglich der Activa und Ausschließung der Theilung. 577. Gerichtliche Theilung. 578. Theilungsgrundsätze der Schulden. 579. Der Erbrezeß. Anfech­ tung. Ausführung der Theilung. 589. Wirkung der Theilung auf die Nachlaßschulden. Bekanntmachung der bevorstehenden Theilung. 581. Wirkung derselben und ihre Ueberlastung. 582. 4) Die Ausgleichung.................................................................................................. Zweifel des gemeinen Rechts. Die Kollation nach deutschem R. 583, nach röm. R. 584. Das A.L.R.. Jdealkollatton. 585. Nur zwischen Descen­ denten. 586. Ausgleichungsgegenstand. Ausstattung. 586. Begriff der­ selben. 587. Geschenkte Grundstücke u. s. w. 588. Gleichstellung durch Vorwegnehmen des Ausgleichungsbetrags. 590. Der Ausgleichungsbetrag ein Werthbetrag. 591. Feststellung desselben durch den Erblasser. 592. Ausgleichung bei testamentarischer Berufung der Jntestaterben. 593. An­ ordnung der Kollation bei der Zuwendung anderer Gegenstände. Letzt­ williges Verbot der Kollation. 594. Ausgleichung bei gütergemeinschaft­ licher Ehe. 595. VII. Der Vorerbe und Nacherbe............................................................................ 1) Rechtsverhältniß vor der Restitution. Bedeutung der dem Vorerbeu zugeschriebenen „Rechte und Pflichten eines Nießbrauchers". 596. Be­ schränktes Eigenthum des Vorerbeu. 597. Wirksamkeit der Beschränkung beim regelmäßigen Fideikommiß und beim Fideicommissum eius, quod supererit. 598. Zunächst nur persönliche Verpflichtung des Vorerben, aber Wirksamkeit der Beschränkung gegen mala fide Erwerber. 599. Ding­ liche Klage des Nacherben erst nach den: Anfall. 600. 2) Die Restitution. Zeitpunkt. Gegenstand. 601. Erwerb des Nacherben von Rechtswegen. Rechtswohlthat des Inventars. 602. Stellung der Gläubiger. Fideikom­ miß bezüglich einer einzelnen Sache. 603. Zweiter Abschnitt. Der Erwerb der Vermächtnisse................................................................................ I. Der Erwerb unabhängig vom Antritt des eingesetzten Erben. 603. Möglichkeit der Ausschlagung. 604. Unwiderruflichkeit derselben. Aus­ drückliche Annahme. Akkrescenz bei mehreren Legataren. 605. II. Das Recht des Vermächtnißnehmers. Eigenthum des Legatars mit dem To­ destage. 605. Dennoch in allen Fällen Einwirkung des Belasteten. 606. Pflicht des Belasteten zur Mitwirkung. Zeit derselben. 607. Innerer Grund der Nothwendigkeit der Zustimmung des Belasteten. Beschränktes Eigenthum des Legatars. Kann der Erbe über die legirte Species ver­ fügen? Zwangsvollstreckung in legirte Sachen. 608. Inhalt der Pflicht des Belasteten'. 609. Sicherungörecht des Legatars. 610. III. Heran­ ziehung des Legatars zur Zahlung der Schulden und des Pflichttheils durch den Vorbehaltöerben bei insufficientem Nachlaß. 611. Die dadurch bewirkte Modifikation der Rechtsverfolgung gegen den Jnventarerben. 612. Ablehnung des Beitrags durch Rückgabe des Legats. Einzelheiten bezüg­ lich des Beitrags. 612. Beitragspflicht des Legatars bezüglich des Pflicht­ theils auch gegenüber dem Erben ohne Vorbehalt. 613.

Dritter Abschnitt. § 277. Die Veräußerung der Erbschaft............................................................................ Nach röm. R. 613. Abweichend das A 8.R. Begriff des eigentlichen

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Jnhaltsverzeichniß des IV. Bandes.

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Erbschaftskaufs. Betheiligte Personen. 615. Der Gegenstand, das Erb­ recht oder eine Quote. Bedingtes Erbrecht? 616. Die mit einem Fideikommiß belastete Erbschaft. 617. Das Recht des Nacherben vor Ein­ tritt des Substitutionsfalls. 618. Form 619. Wirkungen. Unmittel­ barer Eigenthumserwerb. Erwerb auch des Zuwachses. 619. Obliga­ torische Pflichten des Verkäufers. 620. Gewährleistung. 621. Pflichten des Käufers. 622. Rechtsstellung der Nachlaßgläubiger und Dermächtnißnehmer. 622. Vierter Abschnitt. § 278. Der Verlust der Erbschaft imb des Vermächtnisses .................................... Jndignitätsfälle. Herbeigeführter Tod des Erblassers. 623. Hinderung an letztwilliger Verfügung oder am Widerruf. 624. Zwang oder betrügliche. Verleitung zu einer demnach ungiltigen lehtwilliger Verfügung. Ver­ heimlichung einer lehtwilligen Verfügung. 625. Versagte Alimentation. Nichtübernahme der Vormundschaft durch den dazu testamentarisch bernfenen Legatar. 626. Fünfter Abschnitt. § 279. Der Schuh des Erbrechts...................................................................................... Gegenstand der Erbschafts- oder Erbrechtsklage. Das Erbrecht. 627. Zu­ gleich Herausgabe des Nachlasses unter bestimmter Bezeichnung der Stücke. Parteien. 628. Einfluß der Redlichkeit oder Unredlichkeit des beklagten Besitzers. Keine Abwehr der Eigenthumsklage bezüglich einzelner Sachen mit der Einrede, si praejudicium hereditati non fiat. 629. Besitzeinwei­ sung eines von mehreren Erbprätendenten aus Testamenten. Kein pos­ sessorisches Rechtsmittel zur Erlangung des Besitzes von Anderen. 630.

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Sechstes Buch. Das Recht der juristischen Personen. § 280. Einleitung. Begriff der juristischen Person...................................................... Systematische Stellung 633. Anerkennung der moralischen (juristischen) Person int Landrecht. 634. Die juristische Person des gemeinen Rechts. Auffassung derselben in der Doktrin. 635. Preußisches Recht. 636. Die Personeneinheit (Korporation) als ein Subjekt mit besonderem Willen. Die Anstalten ((Stiftungen) als fingirte Subjekte. 637. § 281. Die erlaubte Gesellschaft......................................................................................... Die Entstehung der Vorschriften über erlaubte Gesellschaften nach den Materialien des Landrechts. 638. Inhalt der Vorschriften 639. Die inneren Recht der Korporation. Ausscheidende Gesellschafter. 640. Verhältniß der erlaubten Gesellschaft zur Gesellschaft des siebzehnten Titels. 641. Gegen­ satz die unerlaubte, Abart die genehmigte Gesellschaft. Das korporative Element im inneren Verhältniß der Gesellschafter unter einander 643. Gesellschaftsvermögen. 644. Rechtsstellung des Einzelnen bezüglich des­ selben. Erwerb von Gesellschaftsvermögen. 645. Gesellschaftsfordenmgen. Gemeinsame Verbindlichkeiten aus Rechtsgeschäften. 646. Haftung mit dem Gesellschaftsvermögen. Jnviefern Haftung der Einzelnen? Verhältniß neuer Mitglieder. *647. Schuldhafte Einwirkung auf bestehende Rechtsver­ hältnisse. Delikte. 648. Parteifähigkeit der Gesellschaft nicht nach Außen, aber nach Innen 648. § 282. Die Körperschaften...................................................................................................... I. Einleitung. Recht einer Gesellschaft auf Anerkennung als Korporation. 649. Gesetzliche Regelung einzelner Fälle. 650. II. Entstehung. Erforderniß der Staatsgenehmigung. 651. Nothwendigkeit des Bestehens der Gesellschaft zur Zeit der Genehmigung. Identität der Gesellschaft vor und nach der Genehmigung. Keine Korporationsrechte ohne den Willen der Gesellschaft. Reichsrechtliche Ertheilung von Korporationsrechten ijn Namen des Reichs. 651. III. Verfassung. Grundverfassung und andere Verfaffungen. 652. Abänderung der Verfassung. 653. IV. Innere Ver­ hältnisse. 653. Insbesondere Willensbildnng durch Beschlüsse. Ordinäre und außerordentliche Versammlungen. 654. Voraussetzung giltiger Beschlüsse. 655. V. Korporattonsvermögen. Fall, wenn bte Nutzungen daran bett einzelnen Mitgliedern gebühren. 655. VI. Aeußere Rechte. Be­ schlüsse der Korporation darüber. Vertretung nach Außen. Fälle der Nothwendigkeit der Genehmigung der Aufsichtsbehörde. 656. Schulden. Erhöhung der Beiträge der Mitglieder zur Schuldentilgung. Parteifähig-

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XXIV

Znhaltsverzeichniß des IV. Bandes. Celte

feit der Korporation. 657. VII. Organe der Korporation. Repräsen­ tanten. Unterschied von Bevollmächtigten. Bestellung von Repräsentanten 658. Vorsteher. Beamte. 659. VIII. Verantwortlichkeit der Korpo­ ration für Beschädigungen. Verantwortlichkeit für Nichterfüllung von Pflichten. 660. Bei culpa in contrahendo. Gesetzliche Pflichten. Möglich­ keit eines unredlichen Besitzerwerbs nach der Unredlichkeit der Mehrzahl der beschließenden Mitglieder oder Repräsentanten. Daraus herzuleitende Möglichkeit einer aquilischen Schuld der Korporation selbst. 661. Schuld bloßer Bevollmächtigter oder Beamten. 662. IX. Staatsaufsicht und Beendigung. 662. Aufsichtsbehörde. Aufstchtsrecht. Aufhebung der Korporation durch den Staat. Auflösung durch Beschluß unter staatlicher Genehmigung. 663. Konkurs der Korporation. 664. § 283. Gesetzlich geordnete Körperschaften des öffentlichen Rechts Gemeinsame Eigenschaften öffentlich rechtlicher Korporationen. I. Staats­ rechtliche. 1) Der Staat. Fiskus. 664. Vertretung desselben nach Außen. Stationen des Fiskus. 665. Vorrechte. Niedere Regalien. 666. Reichsstskus. 667. 2)Die kommunalen Verbände. 667. a. Provinzen. 668. b. Kreise, c. Amtsbezirke. 669. d. Stadtgemeinden, e. Landgemeiden. 670. f. Armenverbände. Gutsbezirke, g. Schulverbände. 671. II. Kirchliche. Kirchengesellschaften. Begründung der Korporationsrechte für dieselben. Vor und nach der Verfassung. Synagogengemeinden. Oeffentlich privilegirt nur die evangelischen und katholischen Kirchengesell­ schaften. 672. Persönlichkeit nicht der Kirche in abstracto, sondern der ein­ zelnen Lokalgemeinde. 673. Pfarrvermögen. Privilegien der Kirche. 674. Sonstige Einrichtungen. Erlöschen der Parochie. Konfessionswechsel. 675. Geistliche Gesellschaften Orden. Stifter. 676. III. Sonstige Korpora­ tionen des öffentlichen Rechts. Deichverbände. Fischereigenossen­ schaften. 676. Aeltere Bewässerungs- und Entwässerungsgenossenschaften. Neuere Wassergenossenschaften. Waldgenossenschaften. Innungen. 677. Handelskammern. Kaufmännische Korporationen. Landschaften. Land­ feuersocietäten. 678. § 284. Andere, durch besondere Gesetze geordnete Körperschaften 1) Gewerkschaft. 679. 2) Eingetragene Genossenschaften, a. Erwerbs­ und Wirthschaftsgenoffenschaften. 680. b. Eingetragene Wassergenossen­ schaften. 681. § 285. Anstalten und Stiftungen Anstalten, welche das Landrecht personifizirt. Stiftungen nach Landrecht. 681. Bedeutlmg der Personifikation bei Anstalten und Stiftungen. Eine vom Gesetz zugelaffene Verwaltung zu einem bestimmten Zweck ohile eine dahinter stehende Person mit allgemeiner Willensfähigkeit. 682. Vertretung der personifizirten Anstalt oder Stiftung nur im Bereich der Verwaltung. Deliktsunfähigkeit der Anstalten und Stiftungen. Entstehung der Stiftun­ gen. Nothwendigkeit landesherrlicher Genehmigung. 683. Stiftung von Todeswegen. Unter Lebenden. 684. Bedarf es noch eines Eigenthums­ erwerbs der Anstalt oder Stiftung an den dazu gewidmeten Gegenständen durch Uebergabe oder Auflassung? 685. Ordnung der Verwaltung. 685. Ende der Stiftung. Aufhebung durch Zuwendung an einen anderen Zweck. 686. Gesetzlich geregelte (Stiftungen. 1) Armen- und VersorgungSanstalten. 2) Oeffentliche Schulen und Universitäten. Schulgemeinden. 3) Gemein­ schaftliche Unterstützungskassen. 687. Insbesondere Knappschaftsvereine. Gewerbliche Unterstützungskassen. Krankenverficherungskaflen. 688. Bernfsgenoffenschasten. Eingeschriebene Hilfskaffen. 688. 4) Andere gemeinnützige Kassen. Bergbauhilfskassen. Reichsbank. Reichs -Jnvalidenfonds. 689. Staatliche oder kommunale Kassen ohne besondere Persönlichkeit. 5) Stif­ tungen in der Verwaltung von Organen der katholischen Kirche. 690. Sachregister Quellenregister Berichtigungen

............................................

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691 774 834

Viertes Buch.

Das Familienrecht.

Förster lstttiuS), Preufi Privatrecht.

IV. 5. Äufl.

1

Das

Familienrecht.

A.8.R. II. 1—5. 18. Bornemann B. 5 (ohne das Vormundschaftsrecht). Koch, Privat­ recht. II. 549—715. Dernbnrg B. III. §§. 1-89. Fischer §§. 93-109. Schmidt, das preuß. Familienrecht nach dem A.8.R., mit Rücksicht auf das gemeine und deutsche Recht, dogm.-krit. bärgest. 1843. - Glück B. 22 S. 375. B. 23-27. B.28 S. 49. ArndtS §§.393—462. Keller §§. 386fg. Puchta §§. 411-445. Sintenis III. S. 1 f. Vangerow B. 1 Buch 2. Windscheid II. §§. 489ff. - Bluntschli S. 558s. Gengler, deutsches Privatrecht II. 795fg. Gerber §. 221f. Stobbe Bd. IV. — Zachariä (Puchelt) B. 3.

§ 201.

EmleiUmg.

A.8.R. 1.1. §§. 40-45. n. 3. §§. 1-8. Bornemann V. S. 2f. §. 300. Koch, Pr.-R. I. 152fg. Schmidt §§. 80. 81 S. 622fg. Unger, »sterr. Pr.-R. I. S. 504f. §. 60 des. S. 510.

Der erste Theil des A.L.R. normirt die Rechtsverhältniffe der einzelnen Person. Im zweiten Theil find die Rechtsverhältniffe enthalten, in denen sich die Person im Verhältniß zu anderen Personen befindet *). Diese Beziehungen find aber hier nur, soweit sie dem Gebiete des Privatrechts angehören, darzustellen. Von ihnen aus vollzieht sich fortschreitend der Uebergang in das öffentliche Recht, in das Recht des Staats und der Kirche. Die Rechtsinstitute, welche diesem Gebiete des Privatrechts angehören, geben der Person s. g. Zustandsrechte, welche ihrer Natur nach absolute find. Die Verbindungen, in welche die einzelne Person tritt, oder in denen sie sich befindet, und die Rechtsfolgen, die sich aus denselben ergeben, fordern allgemeine Anerkennung und Unverletztheit, auch von denen, die außerhalb dieser Verbindungen stehen'). Man hat vielfach in der älteren und neueren Theorie die s. g. Personenzustandsrechte in einen ParalleliSmus ') Oben B. 1 §. 7. 2) Oben B. 1 S. 84.

Unten Sinnt. 6.

4

Merks Buch.

Die besondere» Privatrechte.

zu den Vermögensrechten gebracht, und wie bei diesen Sachen und Hand­

lungen die Gegenstände des Rechts sind, so hat man bei jenen die Zugehörig­ keit zu dem Zustand als Gegenstand eines Rechts ausgefaßt In Wahrheit ist eine solche Zugehörigkeit nicht ein Recht, so wenig wie die Persönlichkeit selbst oder die Rechtsfähigkeit ein Recht ist, sondern eine Qualifikation, eine bestimmte Eigenschaft der Person, aus welcher für sie einzelne Rechte folgen,

eine Eigenschaft die zunächst nicht im objektiven Recht, sondern in der sitt­ lichen und natürlichen Ordnung des menschlichen Lebens ihre Quelle hat').

Daß der Einzelne einer Familie angehört, sich in der Stellung des Gatten, des Vaters oder des Kindes befindet, ist nicht ein ihm zustehendes Privatrecht,

welches ihm von der allgemeinen Rechtsordnung verliehen ist; aber aus diesen Verhältnissen entstehen für ihn Wirkungen, welche von der Rechtsordnung anerkannt und geregelt werden müssen, und die deshalb seine Privatrechte find.

Die Darstellung dieser Verhältnisse hat daher wesentlich zwei Aufgaben: einmal ihre VIoraussetzung, d. h. die Existenz des Zustandes nach seinem

Anfang und Aushören festzustellen, und sodann die Wirkungen des Zustandes — soweit sie dem Gebiete des Rechts angchören — zu erörtern.

Diese Wir­

kungen haben sich zu Rechtsinstitutcn mit bestimmtem Inhalt verdichtet, und

je nachdem dieser Inhalt ein personenrechtlicher oder vermögensrechtlicher ist, kann man die Zustandsrechte in reine und angewandte theilen. Die reinen Zustandsrechte sind aber großen Theils nicht Rechte, sondern sittliche Anforderungen und es ist ein Verkennen der Grenzlinie zwischen Recht und Sittlichkeit, daß man auch solche Ansprüche, z. B. auf eheliche Treue, auf Gehorsam gegen die Eltern, als Rechte aufzählt. Nur eine Verletzung dieser sittlichen Anforderungen kann rechtliche Wirkungen begründen. Um der rechtlichen Wirkungen willen muß auch ihre Voraussetzung, der Zustand, rechtlichen Schutz genießen, wenn seine Existenz dem Einzelnen be­ stritten wird. Diesen Schutz gewähren die s. g. Präjudizialklagen, welche bezwecken, daß der Zustand als existirend, als der bestimmten Person

angehörig anerkannt werde, und welche einen absoluten Charakter haben. Dieselben fallen nicht mit der s. g. Feststellungsklage der Civilprozeßordnung zusammen, von welcher im §. 48 die Rede gewesen ist5). Die Bedeutung der Klage des § 231 C.P.O. ist darin zu finden, daß auch in solchen Fällen,

in welchen ein rechtliches Interesse an der alsbaldigen Feststellung eines Rechts­ verhältnisses besteht, obgleich die daraus erwachsende Leistungsklage noch nicht

angestellt werden kann oder soll, wegen der die Leistungsklage als Element beginnenden Feststellung des Reichsverhältnisses eine Klage zulässig sein soll; aber die Bestimmung schließt nicht aus, daß von dem materiellen Civilrecht auch ohne den Nachweis eines rechtlichen Interesses an der alsbaldigen richterlichen

Entscheidung eine Präjudizialklage zugelassen werde, bei der ein später zu erhebender Anspruch nicht in Frage steht, also auch nicht ein Interesse an

3) S. hierüber des. Unger I. S. 504fg. Unger S. 510. b) B. I. §. 48 unter 10, bei Sinnt. 30 ff.

Familienrecht.

§. 201. Einleitung.

6

„alsbaldiger" Entscheidung, sondern nur ein Jntereffe an der richterlichen Feststellung überhaupt begründet ist6). Neben den Zustandsklagen, welche sich auf Feststellung oder Anerkennung richten, den affirmativen Klagen, stehen negative, die dahin abzielen, einer Person einen gewissen Zustand' z. B. die Zugehörigkeit zur Familie als eheliches Kind abzusprechen7). Die aus dem Zustand hervorgehenden Wirkungen, z. B. das Recht auf Alimentirung, auf Erziehung, auf Ausstattung und bergt, werden durch besondere Klagen geltend gemacht, welche nicht präjudizieller Natur sind6). Die erste und wichtigste jener Beziehungen des einzelnen Menschen zu andern ist die Familie, die Verbindung mehrerer Personen durch das Band der Ehe und durch Abstammung von gemeinschaftlichen Vorfahren'). Durch die letztere wird Blutsverwandtschaft begründet. Blutsverwandte sind Personen, welche gemeinschaftliche Stammeltern haben'6), also Eltern und Kinder, Geschwister und deren Abkömmlinge bis in die weitesten Grade. Aus die aus der Blutsverwandtschaft hervorgehende Familienverbindung und die daraus entspringenden Rechte hat der Umstand, ob die Abstammung eine eheliche oder uneheliche ist, vielfachen und erheblichen Einfluß"). Der Unterschied von Agnaten und Kognaten, welcher im römischen Recht auf der Verbindung durch Hausgewalt (patria potestas) beruht"), hat im heutigen, insbesondere auch im preußischen Recht einen anderen Sinn. Agnaten sind diejenigen, welche ununterbrochen dürch Männer von demselben Stammvater abstammen, Kognaten, deren Abstammung von ihrem Stamm­ vater durch eine weibliche Ascendentin vermittelt ist"). Die Unterschei­ dung ist von Wichtigkeit für die Lehre von der Succession in Familienfideikornmißgüter und Lehen, und in diesem Bereich nimmt der Ausdruck Agnaten noch insofern eine engere Bedeutung an, als nicht auch die Söhne des letzten Besitzers, sondern nur dessen agnatische Seitenverwandte darunter begriffen werden "). Die Blutsverwandtschaft ist je nach dem Grade eine nähere oder ent­ ferntere; der Grad bestimmt sich durch die Zahl der Geburten, mittelst welcher zwei verwandte Personen auf einen gemeinschaftlichen Ursprung sich *) Vgl. oben B. I. §. 48 Anm. 32 f. Amu. 45. Darüber in welcher Weise diese Feststel­ lung, wirkt, vgl. Entsch. B. 37 S. 341, B. 46 S. 219, Strieth. B. 48 S. 260, wo­ nach die rechtskräftige Entscheidung auf solche Klagen Recht gegen Alle, nicht nur unter den Parteien inacht, und dagegen oben Band I. §. 56 Anm. 7. — Ueber die negative Feststellungsklage bezüglich der Mchtexistenz einer Ehe in ihrem Verhältniß zur Klage auf Nichtigkeitserklärung der Ehe vgl. unten §. 203 bei Anm. 3 und §. 210 im Eingang. ') Koch a. a. O. S. 100. *) Unger S. 511. ') A.L.R. I. 1. §. 5. Vgl. I. 195 §. 4. 1. 196 de V. 8. — Wegen der Suspension der drei ersten Titel des zweiten Theils des A.L.R. in der Kurmark, der Neumark, dem Kottbuser Kreise und Theilen Westphalens vgl. B. I. h. 5 Anm. 1 a. ”) A.L.R. 1.1. §. 42. II. 3. §. 1. n) A.L.R. II. 3. §§. 6. 7. 8. 1S) 1. 4 §§. 1. 2. I). XXXVIII. 10. 1S) Bornemann V. S. 4. Koch, Pr.-R. I. S. 152. A.L.R. 1.18 §. 15. Vergl. hierüber die ausführliche und sehr interessante Ausführung in der Entsch. B. 51 S. 153fg.

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Viertes Buch.

Die besonderen Privatrechte.

beziehen"). Diese Berechnungsart ist die des römischen Rechts. Sie unter­ scheidet sich dadurch von der des kanonischen Rechts, daß bei dieser nicht alle Geburten fortlaufend von dem einen zum andern Verwandten, sondern nur die Geburten bis zum gemeinschaftlichen Stammvater herauf auf der Seite, welche die größte Zahl der Geburten enthält, besonders berechnet werden"). Als Jnterpretationsregel schreibt das Landrecht vor, daß, wo von Familienverhält­ nissen die Rede ist, unter den Ausdrücken Eltern und Kinder die Ver­ wandten in aus- und absteigender Linie ohne Unterschied des Grades zu ver­ stehen sind, d. h. auch die weiteren Ascendenten und Descendenten, wenn die näheren weggefallen sind*’). Indessen ist diese Regel doch namentlich bei der Auslegung von Verträgen mit Vorsicht anzuwenden, und bei der Aus­ legung von Testamenten hat das A.L.R. sie bestimmter umgrenzt"). Die Blutsverwandtschaft ist ferner eine vollbürtige oder halbbür­ tige, je nachdem beide Eltern oder nur der Vater oder nur die Mutter ge­ meinschaftlich sind; diese Eintheilung bezieht sich also auf das Verhältniß der Seitenverwandten (der Kollateralen) zu einander"). Neben der natür­ lichen Blutsverwandtschaft steht eine juristische Verwandtschaft, welche durch die Rechtsakte der Adoption und Einkindschaft hervorgerufen wird und dieselben Wirkungen erzeugt, wie die natürliche, wenn auch nur in einem engeren Personenkreise2°). Eine s. g. geistliche Verwandtschaft kennt das bürgerliche Recht nicht"). Gegenüber der Verwandtschaft steht die Schwägerschaft, Schwiegerund Stiefverwandtschaft (Affinität), die Verbindung, welche durch die Heirath zwischen dem einen Ehegatten und den Blutsverwandten des anderen ent­ steht ”). In diesem Verhältniß befinden fich also nicht nur der Ehegatte- zu >b) §. 45 I. 1. A.L.R. Koch I. S. 153fg. Ebenso österr. GB. §. 41. >°) §. 7. J. III. 6. 1. 10. §. 9. D. XXXVIII. 10. c. 9. X. IV. 14. c. 2. §. 4. C. 35. qu. 5. Glück B. 23 §. 1210. Gitzler, Eherecht S. 92. Während die römische Berechnung in der Summe der Geburten auf beiden Seiten bis zum gemeinschaftlichen Stammvater besteht, rechnet die in das kanonische Recht übergegangene deutsche Zählart auf jeder Seite besonders bis zum nächsten gemeinschaftlichen Stammvater und läßt die längere der beiden Entfernungen von diesem entscheidend sein. ”) A.L.R. I. 1. §§. 40. 41. I. 11. §. 1145. II. 8. §. 1972. Vgl. auch 1. 220 pr., 1. 84 d. V. 8., L. 16. -°) A.L.R. I. 12. §§. 526f. Bornem. V. S. 3. Gruchot B. 6 S. 250. Vergl. 1. 51. 84. 201. 220. §. 3. de V. 8. 1. 4. §. 2. I. 10. §. 9. D. II. 4. I. 41. §. 5. I). de leg. III. I. 59. D. XXIII. 2. Heuser, Annalen B. 9 S. 247fg. Seuff. LV. 133. IX. 183 und S. 320. Ueber de» Ausdruck: nächste Verwandte das. XII. 242. X. 269. XIII. 103. Pufendorf observ. III. 4. Mevius, cornm. ad jus. Lubec. II. 1 art. 2 nr. 28. 19) A.L.R. II. 3. §§. 4. 5. 20) A.L.R. II. 2. §§. 707—709. Unten §§. 220. 221. 21) Ueber die cognatio spiritualis des kanon. R. s. Gitzler S. 97. Richter Kirchenrecht §. 259. II. 22) A.L.R. I. 1. §■ 43. Das Gesetz kann einer einmal begründeten Schwägerschaft auch nach Auflösung der Ehe, auf welcher sie beruht, eine rechtliche Bedeutung beilegen. Dies ist z. B. im Pr. Personenstandsgesetz v. 6. Febr. 1875 §. 33 Ziffer 3 und C.P.O. §. 41 Ziffer 3 geschehen. Andererseits ergiebt Konk.-Ord. §. 24 Ziffer 2 und Reichs' anfechtungsgesetz v. 21. Juli 1879 §. 3 Ziffer 2 klar, daß nur eine Schwägerschast, welche auf einer zur Zeit des Rechtsgeschäfts bestehenden Ehe beruht, für die Anfechtung erheblich ist. Aehnlich schon die Rechtsprechung zum Ges. v. 9. Mai 1855, vgl. Entsch. B. 53 S. 347, Strieth. B. 55 S. 19, Rehbein I. 119; abweichend aber das ältere

Familienrecht.

§. 201. Einleitung.

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den Geschwistern des andern und umgekehrt (Schwäger), sondern auch der Ehegatte zu den Eltern des andern und umgekehrt (Schwiegereltern, Schwie­ gerkinder) und die Stiefkinder, d. h. die vorehelich (entweder unehelich oder in einer- früheren Ehe) erzeugten Kinder zu dem späteren Ehegatten"). Da­ gegen stehen die dem einen Ehegatten verschwägerten Personen in keinem Schwägerschaftsvcrhältniß zu dem andern Ehegatten, ebenso wenig die von zwei Ehegatten zusammengebrachten Kinder zu einander in einem Stiefverhältniß"). Die häusliche Gesellschaft bildet die Verbindung der Ehe­ gatten unter einander und mit ihren Kindern; in einem gewissen Sinne wird auch das Gesinde als ihr zugehörig angesehen"). Aus den bisher entwickelten allgemeinen Begriffen, welche der Familienverbindnng zu Grunde liegen, ergiebt sich der Umfang der Aufgabe, welche eine Darstellung des Familienrechts zu lösen hat, und seine systematische Ordnung. An die Spitze tritt das die Familienverbindung erzeugende Ver­ hältniß: die Ehe, es folgt das aus ihr zunächst hervorgehende Verhältniß der Eltern zu den Kindern. Unmittelbar hieran knüpft sich dasjenige Verhältniß, welches bestimmt ist, die fehlende Gewalt des Vaters zu ersetzen: die Vormundschaft. Abschließend das Verhältniß der häuslichen Gesell­ schaft ist dann das Gesinde recht zu erörtern. Endlich über den engen Kreis der häuslichen Gesellschaft herausgreifend bedürfen die weiteren Familienrechte der Erwähnung. Auf dem Gebiete des Familienrechts hat das eindringende römische Recht nicht bloß einheimische Rechtssätze zu überwinden, sondern auch den Kampf mit festgewurzelter Volkssitte und den Forderungen der Kirche zu bestehen gehabt. Dieser Kampf ist dahin entschieden, daß in allen persönlichen Be­ ziehungen unter den Familiengliedern, in den Arten, wie die Familienver­ bindung begründet und gelöst wird, das römische Recht gegenüber dem ka­ nonischen und deutschen Recht nicht durchgedrunge'n ist, und daß es selbst in den vermögensrechtlichen Beziehungen keine Alleinherrschaft erlangt hat, sondern daß vielfach und in umfangreichen Gebieten das einheimische Recht erhalten wor­ den ist"). Dies zeigt sich auch im A.L.R. unzweideutig. Abgesehen von dem Einfluß der Kirche auf die Ehe ist das Recht des Ehemannes auf die Person und das Vermögen der Frau, die väterliche Gewalt sowohl in Be­ ziehung auf die Person als das Vermögen der Kinder im Wesentlichen deutschrechtlich, obschon nicht zu verkennen ist, daß bei der Redaktion des A.L.R. im ehelichen Güterrecht und im Vermögensrecht der Kinder eine Mischung deutscher und römischer Standpunkte, eine Art Mittelstellung

”) M) ’») 26)

Ges. v. 26. April 1835 — Soweit die Schwäger- und Stiefverwandtschaft als Ehehinderniß in Betracht kommt, vgl. § 203 unter 5, ist der Umstand, daß die Ehe, welche die Grundlage dieser VerwandÜchaft bildet, nicht mehr besteht, nach dem inneren Grunde des Ehehindernisfes gleichgiltig. S. Entsch. B. 27 S. 392 fg. A.L.R. I. 1. §§. 43. 44. Bornemann V. S. 4. A 8 R I. 1. §§. 3. 4. Vgl. unten §. 207.

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Viertes Buch.

Die besonderen Privatrechte.

zwischen beiden Rechten das Resultat geworden ist, freilich auch häufig mit willkürlichen Erfindungen neuer Rechtssätze. Dies wird unten nachzuweisen sein. Die s. g. weiteren Familienrechte haben im römischen Recht keinen Anknüpfungspunkt. Der kirchliche Einfluß, unter welchem sich das gemeinrechtliche und land­ rechtliche Familienrecht entwickelt hat, machte sich früher in der praktischen Rechts­ übung insbesondere dadurch bemerkbar, daß die bürgerliche Giltigkeit einer ge­ schlossenen Ehe regelmäßig auf einen kirchlichen Akt zurückzuführen war"), und daß die urkundlichen Beweise des Eheschlusfes, ebenso aber auch die der Geburt und des Todes einer Person auf Grund kirchlicher Register von den Geistlichen der katholischen und evangelischen Kirche und der von der Landes­ kirche sich getrennt haltenden Lutheraner ausgestellt werden mußten. Für Personen, die aus einer der anerkannten Kirchen ausgeschieden waren, ohne in eine andere anerkannte Kirche übergetreten zu sein, und für Juden hatte die Gesetzgebung demnächst die Führung der Register und die Ausstellung der Atteste in die Hand der Gerichte gelegt"). Durch das preußische Gesetz vom 9. März 1874 über die Beurkundung des Personenstands und über die Form der Eheschließung trat eine wesentliche Aenderung ein, der dann durch das Reichsgesetz vom 6. Februar 1875 über die Beurkundung des Personen­ stands und die Eheschließung") unter näherem Ausbau der Einzelheiten reichsgesetzlicher Charakter gegeben ist. Der Schwerpunkt dieser Gesetze liegt in der Einführung der sogenannten obligatorischen Civilehe und der damit zusammenhängenden, in den §§. 203. 205 näher zu erläuternden Neugestaltung des materiellen Ehe­ schließungsrechts. Außerdem wird die Führung der Standesregister, in welche die Geburten, Heirathen und Sterbefälle eingetragen werden, durch bürgerliche Beamte geregelt. Die Eintragungen in diese drei gesonderten Standesregister erfolgen nach der reichsgesetzlichen Vorschrift auf mündliche oder schriftliche Anzeige; im ersteren Falle sollen sie enthalten: den Ort und Tag der Eintragung, die Bezeichnung der Erschienenen, den Vermerk des Standesbeamten, daß und auf welche Weise er sich die Ueberzeugung von der Persönlichkeit der Erschienenen verschafft hat, den Vermerk, daß die Ein­ tragung den Erschienen vorgelesen und von ihnen genehmigt ist, die Unter­ schrift oder das Handzeichen der Erschienenen oder die Angabe des Grundes, der sie an der Unterzeichnung hindert, endlich die Unterschrift des Standes­ beamten; im zweiten Falle Ort und Tag der Eintragung und die Unter-

2’) Schon die landrechtliche Gesetzgebung Preußens behandelte übrigens die Ehe einheitlich als ein staatlich zu ordnendes Institut, nicht unter Sonderung" eines katholischen und eines protestantischen Eherechts, wie letzteres in den gemeinrechtlichen Gebieten des preußischen Staats bis auf Schleswig-Holstein der Fall war. 26) Ges. v. 23. Juli 1847. Vgl. hierüber und über die fortdauernde Geltung der Beweis­ kraft der nach der Vorschrift des älteren Rechts ausgestellten Atteste B. I. §. 1!) Anm. 25. '”) Vgl. dazu: Hinschius, Das Reichsgesetz über die Beurkundung des Personenstands. Sicherer, Personenstand und Eheschließung.

Familienrecht.

§• 201, Einleitung.

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schüft des Standesbeamten. Zusätze, Löschungen, Abänderungen sind am Rande zu vermerken und gleich der Eintragung durch Unterschrift zu voll­ ziehen. Außer dem Hauptregister wird ein Nebenregister geführt, in welches an demselben Tage eine von dem Beamten zu beglaubigende Abschrift der Eintragung einzutragen ist. Haupt- und Nebenregister werden nach Ablauf des Kalenderjahres abgeschlossen, das Nebenregister wird der Aufsichtsbehörde zur Prüfung eingereicht und demnächst bei dem Gericht aufbewahrt. Die Eintragungen in einem ordnungsmäßig geführten Standesregister beweisen diejenigen Thatsachen, zu deren Beurkundung sie bestimmt sind, bis der Nachweis der Fälschung, der unrichtigen Eintragung oder der Unrichtigkeit der Anzeigen und Feststellungen, auf Grund deren die Eintragung stattge­ funden hat, erbracht ist. Gleiche Beweiskraft haben die ordnungsmäßig er­ theilten Auszüge. Der Beurtheilung nach freiem richterlichen Ermessen ist überlassen, ob die Beweiskraft durch Verstöße gegen die gesetzlichen Vor­ schriften über die Art und Form der Eintragungen aufgehoben oder geschwächt wird. Eine Berichtigung der Eintragung ist nur auf Grund gerichtlicher Anordnung zulässig, welcher ein von der Aufsichtsbehörde zu veranlassendes Ermittelungsversahren voranzugehen hat. Die Berichtigung erfolgt durch Beischreibung eines Vermerks am Rande der zu berichtigenden Eintragung. Jede Geburt eines Kindes ist innerhalb einer Woche dem Standes­ beamten des Bezirks, in welchem die Niederkunft erfolgt ist, anzuzeigen. Verpflichtet zu der Anzeige sind in nachstehender Reihenfolge: der eheliche Vater, die bei der Niederkunft zugegen gewesene Hebamme, der dabei zugegen gewesene Arzt, jede andere dabei zugegen gewesene Person, die Mutter, so­ bald sie dazu im Stande ist. Die Anzeigepflicht der später Genannten tritt erst ein, wenn ein vorstehend Genannter nicht vorhanden oder an der An­ zeige verhindert ist. Die Anzeige ist mündlich von dem Verpflichteten selbst oder durch eine andere aus eigener Wissenschaft unterrichtete Person zu er­ statten. Eine schriftliche Anzeige in amtlicher Form ist zugelaffen bei Ge­ burten, welche sich in öffentlichen Anstalten oder Kasernen ereignen. Der Standesbeamte ist verpflichtet, sich bei vorfindendem Anlaß zu Zweifeln von der Richtigkeit der Anzeige Ueberzeugung zu verschaffen. Die Eintragung des Geburtsfalles soll enthalten: Vor- und Familiennamen, Stand oder Ge­ werbe und Wohnort des Anzeigenden; Ort, Tag und Stunde der Geburt; Geschlecht des Kindes; Vornamen des Kindes (welche jedoch nachträglich innerhalb zwei Monaten angezeigt werden können); Vor- und FamilienNamen, Religion, Stand oder Gewerbe und Wohnort der Eltern. Bei Zwillings- oder Mehrgeburten ist die Eintragung für jedes Kind besonders und so genau zu bewirken, daß die Zeitfolge der verschiedenen Geburten er­ sichtlich ist. Besondere Bestimmungen sind dann noch in Betreff todtgeborner, bei der Geburt gestorbener und aufgefundener Kinder gegeben. Veränderungen in den Standesrechten des Kindes, z. B. Feststellung der Vaterschaft, Legi­ timation, Adoption, sind, wenn die Veränderung durch eine öffentliche Ur­ kunde nachgewiesen ist, auf Antrag der Betheiligten am Rande der Ein-

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Viertes Buch.

Die besonderen Privatrechte.

tragung zu vermerken. Das Anerkenntniß der Vaterschaft zu einem unehe­ lichen Kinde darf nur dann eingetragen werden, wenn der Anerkennende dasselbe vor dem Standesbeamten oder in einer gerichtlich oder notariell be­ glaubigten Urkunde abgegeben hat. Wird die Anzeige des' Geburtsfalles über drei Monate verzögert, so muß die Aufsichtsbehörde den Sachverhalt ermitteln und es darf die Eintragung nur mit ihrer Genehmigung erfolgen. Sterbefälle müssen spätestens am nächstfolgenden Wochentage angezeigt werden. Das Familienhaupt oder derjenige in dessen Wohnung oder Be­ hausung der Sterbefall sich ereignet hat, muß die Anzeige machen. Die Eintragung soll enthalten: Vor- und Familiennamen, Stand oder Gewerbe und Wohnort des Anzeigenden; Ort, Tag, Stunde des Todes; Vor- und Familiennamen, Religion, Alter, Stand oder Gewerbe, Wohn- und Geburts­ ort des Verstorbenen; Vor- und Familiennamen seines Ehegatten oder den Vermerk, daß der Verstorbene ledig gewesen; Vor- und Familiennamen, Stand oder Gewerbe und Wohnort der Eltern des Verstorbenen. Eine Be­ erdigung darf vor der Eintragung nur mit Genehmigung der Ortspolizei­ behörde erfolgen; und wenn diese nicht eingeholt worden, ist die Eintragung von der Genehmigung der Aufsichtsbehörde abhängig. Das Gesetz enthält ferner noch besondere Bestimmungen über die Be­ urkundung des Personenstandes der auf der See befindlichen Personen. Ueber die Heirathsregister kann erst im Zusammenhang mit der Form der Eheschließung unten in §. 205 gehandelt werden.

Erstes Hauptstülk. Das

Eherecht.

A.L.R. II. 1. Bornemanjn B. 5 S. 11—260. Koch B. 2 S. 550—612. Dernburg B. III. §§. 2—41. Fischer tztz. 94-99. Gitzt er, Handb. des gem. und preuß. Eherechts. 1840. Vogt, Kirchen- nnd Eherecht der Katholischen und Evangelischen in den preuß. Staaten. 1856. B. 2 S. 1—171. (Kommentar und Stoffsammlung.) Schmidt, Familienrecht S. 1 bis 149. Jacobson, das evangel. Kirchenrecht des preußisch. Staats. 1866. S. 517f. Altmann, die Praxis der preuß. Gerichte in Kirchen-, Schul- und Ehesachen. 1861. 2. Abth. S. 572 fg. — Aeltere Schriften aus der Zeit der Redaktton des A.b.R.: Schott, Einleit, in das Eherecht. 1786. Hofmann, Handbuch des teutschen Eherechts. 1789. Dabelow, Grundsätze des allgem. Eherechts. 1792. — Ferner die Kornpendien über Kirchenrecht, über römisches und deutsches Privatrecht. Kraut, die Vormundschaft nach den Grundsätzen des deutschen Rechts. B. 1. 1835. S. 171 f. B. 2. 1847. S. 328f. — Bartels, Ehe- und Verlöbnißrecht. v. Scheurl, das Gemeine deutsche Eherecht und seine Umbildung. 1882. Stobbe B. IV. §§. 209— 216. — Zachariä (Puchelt) B. 3 S- 3—394.

Erstes Kapitel. Eheschließung. A L.R. II. 1. §§. 3—172. R.Ges. über die Beurkundung des Personenstandes und die Ehe­ schließung vom 6. Februar 1875 (R.G.Bl. S. 23). Vgl. dazu §. 201 Anm. 29. —

§. 202.

Eheschließung.

Vorbemerkung.

11

Friedberg, das Recht der Eheschließung in historischer Entwickelung. 1865. Sohin., das Recht der Eheschließung aus dem deutschen und kanonischm Recht historisch ent­ wickelt. 1875. Friedberg, Verlobung und Trauung. 1876. Sohm., Trauung und Verlobung. 1876. Stobbe B. IV. §§. 209—212.

§. 202.

Vorbemerkung.

Es ist eine jetzt allgemein anerkannte Wahrheit, daß die Ehe ihrem Wesen nach nicht auf ein vertragsmäßiges Verhältniß zurückzuführen ist.

Der Inhalt

der Ehe ist durch die sittliche und rechtliche Ordnung objektiv gegeben; die

Ehegatten haben sich

dieser Ordnung schlechthin zu

unterwerfen

nicht befugt, Abweichungen von ihr willkürlich zu vereinbaren.

ist also nicht ein den Inhalt der Ehe beistimmendes Moment. fern zur Eingehung der Ehe die Willenseinigung

und sind

Der Vertrag Nur inso­

beider Personen erfordert

wird, tritt etwas Vertragsmäßiges bei Begründung des Verhältnisses hervor'). Die Ehe

als

vollständige Lebensgemeinschaft

von Mann

und Frau') hat

keine einzelnen Zwecke; weder die Kindererzeugung noch wechselseitige Pflege und Unterstützung

dürfen

als

solche

hingestellt

werden.

Wenn gleichwohl

das A.L.R. sagt: der Hauptzweck der Ehe ist die Erzeugung und Erziehung der Kinder;

zur

auch

wechselseitigen Unterstützung allein kann eine giltige

Ehe geschlossen werden"'),

so

ist dies eine zwar überflüssige, aber unschäd­

liche Beschreibung. Die Scheidung der eherechtlichen Grundsätze nach den verschiedenen Kon­ fessionen, welche im 18. Jahrhundert noch vorgeherrscht hatte, war schon seit

1748 in den damaligen Bestandtheilen Preußens dadurch ins Schwanken ge­ kommen, daß seitdem die Behandlung der Ehesachen wenigstens für evangelische

Ehegatten ausschließlich

weltlichen Gerichten überwiesen war, und daß von

Das Projekt des corp. jur.

diesen eine abweichende Praxis entwickelt wurde.

Frideric. von 1749 hat ein unkonfessionelles Eherecht aufgestellt, die katholi­ schen geistlichen Gerichte wurden indessen nicht verpflichtet, die Abweichungen deffelben von dem kanonischen Rechte zu befolgen; aber für die evangelischen

Glaubensgenossen

sollte

das kodifizirte

Eherecht

auch insoweit gelten, als

es von den älteren Kirchenordnungen abwich, und theilweise wurden auch die Ehesachen von Katholiken weltlichen Gerichten

überwiesen.

Die Redaktoren

des A.L.R. find, wie aus den von dem Gesetzrevisor mitgetheilten Materialien hervorgeht,

mit Bewußtsein von

der

Absicht

geleitet worden, daß das im

A.L.R. redigirte Eherecht ein allgemein gütiges für alle Konfessionen sein solle; und

seitdem die Jurisdiktion in Ehesachen

durch

die

Gerichtsorganisation

von 1849 ganz und ausschließlich den staatlichen Gerichten übertragen worden ist, konnte bei denselben auch nur auf das A.L.R. als ausschließliche Rechts­

quelle

zurückgegangen

’) Oben B. 1 S. 390.

2) §. 1. J. I. 9.

werden').

Gegenwärtig

ist als eine in wesentlichen

Richter, Kirchenrecht §. 248.

1. 1. D. XXIII. 2.

c. 3. C. XXVII. qu. 2.

3) II. 1. §§. 1. 2. 4) Vergl. hierüber Jacobson S- 520. Ges.-Rev. XV. 1 ff. 3 ersten Titel des 2. Th. A.L.R. s. §. 201 Anm. 9.

Ueber die Suspension der

12

Viertes Buch.

Die besonderen Privatrechte.

Punkten das Landrecht «bändernde Rechtsquelle für das Eheschließungsrecht das bereits im vorigen Paragraphen erwähnte Reichsgesetz vom 6. Februar 1875 hinzugetreten. Der Kirche in ihrer Selbständigkeit bleibt überlassen, in ihren an die Gewissen ihrer Angehörigen gerichteten Forderungen über Ehehindernifse, Eheschließung und Ehescheidung andere Grundsätze aufzustellen und festzu­ halten. Für das bürgerliche Recht sind diese Forderungen des kirchlichen Lebens, selbst wenn sie in äußerlichen Ordnungen der einzelnen Kirchenge­ meinschaften und also in bestimmter Fassung, gesetzesähnlich formulirt werden, von keiner Bedeutung5 6).7 8 Dem A.L.R. als dem ersten Gesetzbuch, welches eine vollständige von der Konfession absehende Kodifikation des Eherechts gegeben hat, ist der Code Napoleon gefolgt6), während das österreichische Gesetzbuch noch den konfessionellen Charakter bewahrt hat'). Auch das sächsische Gesetzbuch hatte vor dem Reichsgesetz von 1875 ein konfessionell verschiedenes Eherecht, nur Gründe der Nichtigkeit einer Ehe waren gemeinsam geordnet6).

§. 203. Die Ehehindernisse. A.L.R. II. 1. §§. 3—74. 933—1014. Reichsgesetz vom 6. Februar 1875 §§. 28—40. Bornemann V. S. 14fg. Koch II. S. 553. Dernburg III. §§. 8. 13—16. Fischer­ tz. 94. Gitzler S. 49fg. Jacobson S. 521 f. §§. 129—135. S. 572. §. 142. Stölzel, deutsches Eheschließungsrecht (3. Ausl.) 1876. Die Kommentare des Reichs­ personenstandgesetzes, insbes. von Hinschius (2. Aufl. 1876) und v. Sicherer. 1879. Stölzel in Doves Zeitschr. f. Kirchenrecht B. 17 (1881) S. 69. Hergenhahn. Eheschließungs- und Ehescheidungsrecht. 1888.

I. Allgemeines. Die Lehre von den Ehehindernissen ist die Lehre von den Eheerfordernissen. Eine gütige Ehe setzt voraus, haß kein von dem positiven Recht vorgeschriebenes Erforderniß fehlt. Wo eins fehlt, da ist ein Ehehinderniß vorhanden. Solche Hindernisse bewirken entweder, daß die trotzdem abgeschlossene Ehe nicht als solche bestehen kann, daß sie nichtig oder ungiltig ist (trennende Hindernisse, impedimenta dirimentia), oder nur, daß sie zwar bestehen bleibt, die Zuwiderhandlung aber eine Bestrafung nach sich zieht (aufschiebende Hindernisse, impedimenta impedientia)1). Die trennenden Hindernisse machen die Ehe nichtig, wenn sie absolut nicht be­ stehen kann, ihre Beseitigung also von Amtswegen herbeigeführt werden muß6), sie machen die Ehe ungiltig, wenn sie relativ nicht bestehen kann, also nur der Anfechtung von einer bestimmten dazu berechtigten Person unter­ liegt6). Ebenso wie die Ungiltigkeit einer Ehe nur auf Grund gerichtlicher 5) Insbesondere kann also die kirchliche Trauung nicht mehr eine rechtliche Bedeutung beanspruchen. 6) Der Code, art. 144—342, hat das kirchliche Moment der Ehe ganz ausgeschlossen. 7) Bürgert. G B. §§.77. 103 ff. 111. 115. 123f. 8) §§. 1568 ff. §§. 1619. 1621. ’) Bergt, hierüber die Lehrbücher des Kirchenrechts. -) A.L.R. II. 1. §§. 933. 950. 951. Vgl. auch C.P.O. §. 592. s) II. I. §. 934.

§. 203.

Die Ehehindermsse.

13

Ungiltigkeitserklärung Bedeutung erlangt, wirkt auch die Nichtigkeit einer in den äußeren Formen des Gesetzes geschloffenen Ehe nicht durch sich selbst, kann vielmehr, so lange beide Eheleute leben, nur in dem dazu geordneten Verfahren behufs gerichtlicher Aufhebung geltend gemacht werden. Die gemeinrechtliche Doctrin unterscheidet ferner öffentliche und pri­ vate Hindernisse, je nachdem sie im Interesse des Staats oder der Religion oder im Interesse dabei betheiligter Personen aufgestellt sind. Nach preußischem Recht fällt diese von ihm nicht erwähnte Eintheilung zusammen mit der in Nichtigkeit und Ungiltigkeit *). II. Die einzelnen Hindernisse. 1. Die Giltigkeit einer Ehe, die, wie die Gesetze als selbstverständlich voraussetzen, nur zwischen Personen verschiedenen Geschlechts denkbar ist, er­ fordert, daß die Ehegatten eine gewisse Altersstufe zurückgelegt haben; der Mann soll das 20., die Frau das 16. Lebensjahr vollendet haben; je­ doch ist Dispensation zulässig 4 5).6 Eine Ehe, welche dieser Bestimmung zu­ wider eingegangen ist, wird giltig, wenn der Mangel nicht binnen 6 Mo­ naten nach Erreichung des erforderlichen Alters oder seit der durch Dispen­ sation eingetretenen Ehemündigkeit geltend gemacht worden ist. Nach dem Recht des Landrechts wurde der zur Rüge berechtigte Gatte wegen seiner Minderjährigkeit durch den Vater oder seinen Vormund vertreten, nach dem geltenden Recht aber ist anzunehmen, daß mit der erreichten Ehemündigkeit das Rügerecht und die Entscheidung über Verfolgung der erhobenen Rüge auf den ehemündig gewordenen Ehegatten selbstübergeht"). Der Mangel des Alters

4) Jacobson S. 5*2*2. -') Reichspersonenst.-Ges. §. 28 Abs. 2. In Preußen dispensirt der Justizminister. Die Gesuche sind beim Amtsgericht einzureichen. V. v. 24. Febr. 187a. Allg. Vers. v. 2. März und v. 6. Nov. 1875 (Just.Min.Bl. S. 63. 234). — Das frühere Recht nahm Ehe­ mündigkeit etwas früher an. Rach dem Proj. des corp. jur. Frid. I. 2. Tit. 3 §. 3 sollten das 16. und 14. Jahr die Ehemündigkeit begründen, das Ä.L.R. II. 1. §.37 bestimmte — wie Svarez (Jahrb. G. 41 S. 107) unter Berufung auf Hellfeld §. 1208 bezeugt, der Praxis folgend, — das 18. und 14. Jahr mit der Ausnahme des Anh. §. 66. (Ehe auf Probe. S. darüber Gans Beiträge I. S. 104. Jacobson S. 52a.) Unter Beseitigung der letzteren Ausnahme hielt das Gesetz v. 21. Dez. 1872 (G.S. 1873 S. 1) die Altersstufen des Landrechts fest, indem es dieselben für das ganze Staatsgebiet als maßgebend erklärte. 6) Das Letztere folgt aus C.P.O. §. 51. Vgl. Stölzel in Doves Zeitschr. a. a. Q. S. 103 f. Die immerhin bestehende Nothwendigkeit, daß auch der Vater zustimme, ist bei dem 24 jährigen Sohn nicht anders als bei dem 20 jährigen, d. h. etwas zu dem giltigen Willensakt Hinzukommendes, nicht etwas, was erst den Willensakt giltig macht. Von demselben Gesichtspunkt ist die Zustimmung der Mutter und des Vormunds an­ zusehen. — Bis zum Alter der Ehemündigkeit wird noch jetzt der Vater oder Vormund in Vertretung des Gatten die Klage anstellen II. 1. §§. 990—992, §§. 977. In den letztern §§ ist dem Vormund zur Pflicht gemacht unter vormundschaftsgerichtlicher Auf­ sicht zu prüfen, ob die pflegebefohlene Person die Ehe fortsetzen wolle nnd ob ihr die Fortsetzung zuträglich sei. Unter Zustimmung des vormundschaftlichen Gerichts soll er von der Anfechtung Abstand nehmen können, hat aber die Einkünfte des Ehevermögens dem Mann nur insoweit zu verabfolgen, als sie zum standesgemäßen Unterhalt der Frau erforderlich sind. Der letztere Satz und daß hierbei das vormundschaftliche Gericht den Betrag bestimmt, gehört in das Eherecht, und ist als geltendes Recht anzusehen. Dagegen kann die Entscheidung des Vormunds darüber, ob er klagen wolle, nach Maß­ gabe der Vormundschaftsordnung nicht mehr von dem Beschluß des Vormundschafts-

14

Viertes Buch.

Die besonderen Privatrechte.

ist hiernach ein trennendes Hinderniß im Sinne der Ungiltigkeit (Anfechtbar­ keit)'). Welche persönliche Eigenschaften Ausländer, die außerhalb des Reichs wohnhaft sind, haben müssen, um eine Ehe zu schließen, entscheidet sich nach den für sie maßgebenden Gesetzen8). 2. Die Ehe erfordert freie Einwilligung beider Theile'). Diese fehlt, abgesehen von Fällen, in denen den die Ehe Schließenden die allgemeine Handlungsfähigkeit überhaupt abgeht, insbesondere in den Fällen, wo Zwang, Betrug, Irrthum auf den Willensentschluß eingewirkt haben *°). Auch dann fehlt die Einwilligung, wenn die Eheleute in bewußter und zum Ausdruck gebrachter Uebereinstimmung die scheinbar geschloffene Ehe in Wahrheit nicht wollen, der Eheschluß also ein simulirter ist. Das Landrecht hebt den Fall nicht hervor, es müssen die allgemeinen Grundsätze ergänzend eingreifen. Als er­ zwungen gilt auch die durch Entführung herbeigeführte Ehe"). Der Irr­ thum kommt in Betracht, insofern in der Person des künftigen Ehegatten, oder in solchen persönlichen Eigenschaften geirrt worden ist, welche bei Schließung einer Ehe von dieser Art vorausgesetzt zu werden pflegen. Das katholische Kirchenrecht betrachtet den Irrthum in persönlichen Eigenschaften nicht als wesentlich"), die älteren evangelischen Kirchenordnungen haben be­ stimmte persönliche Eigenschaften hervorgehoben, namentlich den Mangel der Virginität der Brant, ein bei Eingehung der Ehe schon vorhandenes unheil­ bares Unvermögen, unheilbare, Ekel erregende und dem andern Theil ver­ schwiegene Gebrechen"). An diese Fälle wird sich auch der preußische Richter zu halten haben, um eine zu große Ausdehnung des Arbitriums, welches ihm der Wortlaut des A.L.R. giebt, zu vermeiden"). Eine durch Betrug verangerichts abhängig sein. schriften aufgehoben.

II. 1. §§. 977. 978 sind als vormundschaftsrechtliche Vor­

7) II. 1. §. 970. Also keine Anfechtung durch den Staatsanwalt oder den anderen Theil. ®) Die Ausländer haben das im Gesetz vom 13. März 1854 (G.S. S. 123) bezeichnete Attest beizubringen. ’) R.-Personenstandsges. §. 28 Abs. 1. A.L.R. II. 1. §§. 38. 39. Hierher gehört Kindes­ alter, Wahnsinn, Blödsinn; — auch vorübergehende Willensunfähigkeit. Dernburg III. §. 13 Sinnt. 6 will der Ehe eines bevormundeten Wahnsinnigen, der in einem lichten Zwischenraum heirqthet, Unanfechtbarkeit vindiziren trotz A.L.R. I. 4. §. 25, weil das Reichspersonenstandsgesetz nur Einwilligung verlange. Aber das Reichsgesetz regelt nicht, wer wirksam einwilligen kann. Das bestimmt sich auch für die Eheschließung nach Landesrecht. ,0) Personenstandsges. §. 36 Abs. 2 und A.L.R. II. 1. §§ 40. 41. ") Str.G.B. §. 238. Richter, Kirchenrecht §. 253. ,2) Gitzler S. 74. Jacobson S. 526. ,3) Jacobson S. 527. Irrthum in Beziehung auf das Vermögen ist kein Hinderniß. Seuffert I. 235. III. 66. XVI. 51. Dagegen Irrthum über Virginität, das. VI. 210. 211. VII. 191. XIII. 33. XVII. 249. XVIII. 144. Venerische Krankheit, das. IX. 168. Irrthum über den Umfang des vor Eingehung der Ehe von dem andern Theil vorge­ nommenen unsittlichen Geschlechtsverkehrs kann je nach Lage der thatsächlichen Ver­ hältnisse dann als wesenüich angesehen werden, wenn aus den in der sittlichen Natur der Ehe beruhenden Gründen angenommen werden kann, daß die Einwilligung in die Eheschließung ohne den Irrthum nicht gegeben wäre. R.G.Entsch. B. 17 S. 246. «) Beispiele: Rechtsp. B. 1 S. 37. Strieth. B. 45 S. 173. Vgl. R.G. bei Gru chot B. 24 S. 494. Irrthum über Unbescholtenheit des Gatten.

§. 203. Die Ehchmdemiss«.

15

Iahte Ehe ist anfechtbar, wenn der erregte Irrthum auch andere Umstünde

betroffen hat14 * *a*).*16 * 17 Die durch Zwang, Betrug oder Irrthum veranlaßte Ehe wird hinterher giltig, wenn fie nach entdecktem Betrug und Irrthum oder nach beseitigtem Zwang noch 6 Wochen fortgesetzt worden ist"). Eine erzwungene, kinderlos gebliebene Ehe können die Erben des Gezwungenen unter Ver­ doppelung der dem letzteren noch offen stehenden Frist, vom Todestage gerechnet ansechten"). Daß in diesen Fällen die Ehe nicht als nichtig sondern nur als ungiltig zu bezeichnen, entspricht allgemeinen Rechtsgrundsätzen, während man von demselben Standpunkt aus die Ehe des Willensunfähigen — ent­ mündigten Geisteskranken, zeitweilig Delirirenden — und die fimulirte Ehe als nichtig betrachten müßte. Das Landrecht faßt aber beide Fälle zusammen und nennt eine solche Ehe an der einen Stelle nichtig, 'an einer andern un­ giltig. Der erste Ausdruck ist eine anscheinend nicht beabsichtigte Korrektur aus dem Wort „unverbindlich"; er ist deshalb in einem Rescript als Druck­ fehler bezeichnet, und da das Landrecht offenbar alle diese Fälle gleichartig behandeln will, so bleibt nichts übrig, als die durch äußerlichen Willens­ akt zustande gebrachte Ehe in allen Fällen eines inneren Willensmangels als lediglich durch den betreffenden Gatten (oder seinen Vertreter) anfechtbar an­ zusehen "). 3. Eheliche Kinder bedürfen zur Eheschließung, so lange der Sohn das 25., die Tochter das 24. Lebensjahr nicht vollendet hat, der Einwilligung des Vaters, uneheliche Kinder und eheliche bis zu jenem Alter nach dem Tode des Vaters der Einwilligung der Mutter, und wenn sie minderjährig sind, des Vormunds, letzteres auch wenn beide Eltern verstorben sind. Der Vormund soll seine Genehmigung nicht ohne Zustimmung des Vor­ mundschaftsgerichts ertheilen. Dem Tode des Vaters oder der Mutter steht gleich, daß dieselben zur Abgabe einer Erklärung außer Stande sind oder daß ihr Aufenthalt dauernd unbekannt ist"). Bei angenommenen Kin"») Z. B. Verheimlichung der Thatsache einer früheren geschiedenen Ehe. R.G.Entsch. B. 5 S. 180. ■5) II. 1. §. 41. Entsch. B. 20 S. 239, B. 25 S. 435. Die Frist kann nur durch An­ stellung der Unglltigkeitsklage unterbrochen werden. Rechtsfälle B. 1 S. 45. Entsch. B. 20 S. 243. Gruchot B. I S. 109. Altmann S. 723. Nach kanon. Recht per annum et dimidium c. 21. X IV. 1. 16) II. 1. §§. 43. 44. Wenn Förster mit Bornemann V. S. 44 Minderjährigen, deren Vormund die Anfechtung unterlassen hat, das Recht auf Restitution gegen Ablauf der Frist zuschrieb, so kann der Herausgeber dem nicht zustimmen, da die Frist nicht als Verjährungszeit angesehen werden kann. 17) II. 1. §. 39 und §. 971. Das Reskr. v. 23. Sept. 1837 bezeichnet „nichtig" im ersteren § als Druckfehler. J.M.Bl. 1837 S. 681. Vgl. dazu Ges. Rev. XV. S' 63. Auch die Praxis hat sich für bloße Ungiltigkeit der Ehe eines Blödsinnigen ausgesprochen. Strieth. B. 99 S. 201. Vgl. auch Dernburg III. §. 13 Anm. 7. Vgl. auch vom Standpunkt des gemeinen Rechts R.G.Entsch. B 9 S. 215. J8) R.Personenstandsgesetz §§. 29. 30. Vorm Ordn. v. 5. Juli 1875 §. 48. A.L.R. II. 1. §. 54. Der innerlich nicht zu begründende Unterschied zwischen dem 25. und 24. Jahr ist dadurch in das Personenstandsgesetz gekommen, daß der Reichstag das von den Bundesregierungen vorgeschlagene 30. Jahr in das 25. verwandelte. Stölzel, Eheschl.R. S. 20 Note 4. Den ehelichen Kindern stehen legitimirte und Kinder aus einer Putativ-

Viertes Buch.

16

Die besonderen Privatrechte.

dern tritt an die Stelle des Vaters derjenige, welcher an Kindes statt ange­ nommen hat"). — Nur in dem eben angegebenen Umfang der Mangel eines Konsenses derniß^),

die Nichtbeachtung

bildet zur Zeit

ein der Eheschließung entgegen stehendes Hin­

des Mangels

macht in keinem der Fälle die

geschlossene Ehe zu einer nichtigen; regelmäßig ist auch die Anfechtung ausge­ schlossen, das Hinderniß ist also nur ein aufschiebendes.

der Einwilligung bedürfenden Haussohn

oder

einer

Tochter die Ehe ohne die erforderliche Zustimmung

Wenn aber von einem

noch nicht 21jährigen

des leiblichen") Vaters

geschlossen ist, kann dieser die Ehe innerhalb sechs Monaten nach erhaltener

Nachricht von der Eheschließung, nicht als Vertreter des Kindes sondern aus

eigenem Recht, anfechten"). Ist ferner die Ehe mit Minderjährigen ohne die erforderliche Einwilligung der Mutter oder des Vormundes geschlossen, so ist eine Anfechtung der Ehe während der Minderjährigkeit des Gatten und nach Beendigung der Minderjährigkeit noch weitere sechs Monate offen. Daß letzteren Falls der Gatte selbst der Anfechtende sein muß, ist klar.

vorher die Anfechtung zustehen sollte, sagt das Gesetz nicht ausdrücklich.

Wem Es

kann aber dabei nur an eine Anfechtung durch den Vormund als Vertreter

des Pflegebefohlenen

gedacht werden.

Jetzt muß auch für diese Anfechtung

der schon ehemündige Gatte als selbständig klageberechtigt angesehen werden").

,9)

20)

21)

22)

23)

ehe gleich. Nach Landrecht bedurften auch die unter Kuratel stehenden Verschwender der Zustimmung des Kurators zum Eheschluß II. 1. §. 55, das ist durch das Reichs­ personenstandsgesetz beseitigt. R-Personenstandsgesetz §. 31. Die vom Landrecht II. 1. §. 48, II. 2. §. 758 vorge­ schriebene Einwilligung des Pflegevaters ist durch das Reichsgesetz (§. 29 vgl. mit §. 39) weggefallen, ebenso wie die nach L.R. II. 1. §. 50 eventuell erforderliche Einwilligung der Großeltern. Das Gleiche gilt vom Stiefvater bei der Einkindschaft. Daß der fehlende Konsens unter Umstanden durch gerichtliche Entscheidung ersetzt wird, ist unten darzulegen; einer solchen Entscheidung gegenüber kann die Zurücknahme des Konsenses jedenfalls nicht in Betracht kommen. Aus II. 1. §. 111 ist ferner herzu­ leiten, daß die freiwillig ertheilte Zustimmung nicht willkürlich zurückgenommen werden kann, sondern nur auf Grund neuer oder neu erfahrener Thatsachen. Aber hierüber kann nicht der Standesbeamte entscheiden, dem der Widerruf zu erkennen gegeben ist; für ihn liegt dann zur Zeit der beabsichtigten Eheschließung kein Konsens vor. Der Adoptivvater hat das Recht der Anfechtung nicht Daraus, daß das Reichsgesetz den Adoptirenden, gleichviel ob Mann oder Frau, an Stelle des leiblichen Vaters treten läßt, folgt nur, daß im Fall einer Adoption die Einwilligung des natürlichen Vaters nicht mehr erforderlich ist: über die Wirkungen des Mangels der Einwilligung handelt das Reichsrecht nicht. II. 1. §§. 994. 997. Das vierundzwanzigste Jahr der Tochter wird hier als das Jahr der Volljährigkeit erwähnt, es ist deshalb jetzt das 21. an dessen Stelle getreten: Dernburg in. §. 14 Anm. 12 zieht das in Zweifel. Vgl. aber auch Entsch. B. 71 S. 282. Für den Ablauf der Frist kommt es nur auf den Zeitpunkt der Nachricht, nicht auf das Glauben derselben an. Entsch. B. 29 S. 380. — Das Anfechtungsrecht des Vaters ist höchst persönlich. Vgl. oben Anm. 6. II. 1. §. 999 verweist auf die §§. 978—984. Man kann an ein Anfechtungsrecht der Mutter gewiß nicht denken, und §. 984 ergiebt, daß der Vormund nicht kraft eigenen Rechts, sondern als Vertreter der Pflegebefohlenen klage. Die Praxis behandelt allerdings die Klage des Vormunds als eine Klage gegen die beiden Eheleute (Entsch. B. 73 S. 150): man hat sich nicht klar gemacht, üt welche Lage der Prozeß kommt, wenn während desselben der Bevormundete großjährig wird. Soll dann der klagende Vormund wegen weggefallener Akttvlegitimatton abgewiesen werden? oder soll der Beklagte zugleich zum Kläger werden und den Prozeß gegen sich selbst fortsetzen? Vgl. auch Dernburg III. §. 14 Anm. 17. Die landrechtlichen Vorschriften knüpfen

§. 203.

17

Die Ehehindernisse.

Das Landrecht verlangte Einwilligung des Vaters und eventuell der Mutter ohne jede Altersbegrenzung. Nach dem Reichsgesetz hat die man­ gelnde Einwilligung auch des Vaters nicht mehr die Bedeutung eines Ehe­ hindernisses, wenn es sich um Söhne vom vollendeten 25., ober um Töchter vom vollendeten 24. Jahre ab handelt. Aber die Versagung der Zustimmung des Vaters in solchen Fällen und der Mangel der mütterlichen Zustimmung ist dadurch nicht ganz bedeutungslos geworden. In jedem Falle — gleich? viel ob eine Anfechtung möglich war oder nicht, — giebt nämlich das Land­ recht dem Vater, und sofern der Vater fehlt, der Mutter das Recht ein Kind, welches eine Ehe ohne ihre Einwilligung geschloffen hat, auf die Hälfte des Pflichttheils zu enterben"). Schon die Reformatoren und die älteren Kirchenordnungen hatten den Saß ausgestellt, daß die elterliche und vormundschaftliche Einwilligung nicht ohne erheblichen Grund versagt werden darf"). Das A.L.R. hat diesen Satz ausgenommen und beispielsweise erhebliche Versagungsgründe angegeben"). Dieselben sind auch nach dem Reichsgesetz noch maßgebend"). Das großjährige Kind hat insoweit ein Klagerecht auf gerichtliche Ergänzung der ohne erheb­ lichen Grund versagten Einwilligung (actio ad supplendum consensum)**), und wenn das Gericht diese ausgesprochen hat, dürfen die Eltern das Kind auch nicht mehr enterben"). Bei Weigerung des Vormunds findet gegen den­ selben keine Klage auf Zustimmungserklärung statt, das Vormundschastsgericht kann aber die versagte Einwilligung des Vormunds ersetzen, wie es auch bei Uneinigkeit mehrerer Vormünder entscheidet").

")

25)

26)

27) 28)

29)

30)

an das vollendete 24. Lebensjahr ausdrücklich als an das Ende der Minderjährigkeit an. An die Stelle desselben ist jetzt auch für Söhne das 21. Jahr getreten. Für ältere Kinder hat hiernach die mangelnde Genehmigung der Mutter lediglich die Be­ deutung eines impedimentum impediens. II. I. §§. 997. 998. Entsch. B. 3 S. 360, B. 12 S. 299. Vgl. Stölzel in Doves Zeitschr. B. 17 S. 109. Siehe auch Hinschius Anwalts-Zeitung 1866 S. 665. Goldenring bei Gruchot B. 21 S. 706. Es ist gleichgiltig, ob das Kind bereits anderwettig verheirathet gewesen war. II. 1. §. 46. Bei Kindern aus einer Ehe zur linken Hand, welche §. 46 ebenfalls erwähnt, kommt das Enterbungsrecht nicht in Be­ ttacht, da sie keinen Pflichttheil zu beanspruchen haben. Jacobson S. 530fg. Sutro in der Anwalts-Zeit. 1862. S. 81. Svarez, Schlußvortr. S. 107. Wochenbl. für merkw. Rechtsfälle. 1844. S. 411. Heuser III. 420. Seuffert IX. 40. XIII. 259. XVI. 119. (Religionsverschiedenheit kein ausreichender Grund zur Verweigerung des Konsenses). XX. 137. II. 1. §§. 58—67. Daß die hier aufgeführten Versagungsgründe nur Beispiele sein sollen, s. Altmann in d. Zeitschr. f. Kirchenr. von Dove B. 5 S. 119fg. Borne­ mann V. S. 47. Zu §. 67 vergl. Entsch. B. 3 S. 360 und unten §. 204 Anm. 21. Hinschius a. a. O. S. 111 Rote 89, Sicherer a. a. O. S. 193. Reichspersonenst.Ges. §. 32; A.L.R. II. 1. §§. 68—72. Nicht mehr klageberechtigt ist jetzt ein noch minderjähriges Kind, oder der Verlobte des Kindes, den §. 68 cit. eben­ falls zuließ. Vgl. Stölzel, das Eheschließungsrecht S. 25. A.L.R. II. 2. §.412. Bornemann V. S. 49 a. E. Goldenring bei Gruchot B. 21 S. 707. Nach geschlossener Ehe kann aber nicht auf nachttägliche Genehmigung behufs der Ausschließung des Enterbungsgrundes geklagt werden. Entsch. B. 12 S. 299. Reichspersonentt.Ges. §. 29 Abs. 5, Vorm.O. v. 5. Juli 1875 §. 48, A.L.R. II. 1. §§. 54. 69. 70. 72. Gegen die - verweigerte Genehmigung des Vormundschaftsgerichts findet Beschwerde nach §. 40 Abs. 2 Ausf.Ges. Ger.Verf.Ges. statt. — Fraglich ist, ob der unklaren Bestimmung des §. 70, nach welcher dem auf seiner Weigerung beharrenden Vormund freisteht, „auf richterliches Gehör und Erkenntniß darüber anzütragen", noch

Förster (EcciuS), Preuß. Prlvatrecht. IV.

5. Aust.

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Viertes Buch.

Die besonderen Privatrechte.

4. Militärpersonen des Friedensstandes im Sinne des Reichs-Militär­ gesetzes bedürfen zu ihrer Verheirathung der Genehmigung ihrer Vorgesetzten. Die Ehe ist indessen, wenn es daran fehlt, nicht mehr nichtig"). Der Kon­ sens der vorgesetzten Behörde in die Ehe eines Civilbeamten ist als Vor­ aussetzung der Eheschließung nicht mehr erforderlich"). Außer diesen positiven Erfordernissen einer gittigen Ehe find noch andere negative aufgestellt: 5. Keine nahe Verwandtschaft und Schwägerschast. Die Ehe ist unbedingt verboten und nichtig zwischen Verwandten in auf- und abstei­ gender Linie, zwischen voll- und halbbürtigen Geschwistern ohne Unterschied, ob die Verwandtschaft ehelich oder unehelich ist, zwischen Stief- oder Schwie­ gereltern und Stief- oder Schwiegerkindern ohne Unterschied des Grades und gegenwärtig Bedeutung beizumessen ist. Koch zu §. 70 cit. versteht die Vorschrift von einer Klage des Vormunds, ebenso die Gesetz-Revis. (Pens. 15 S. 81); während aber die lederen an eine Klage gegen das Vormundschastsgericht denken, aber die Vorschrift unvollständig finden, meint Koch, daß die Bestimmung von einer Klage gegen die Braulleute — (darunter den Mündel des klagenden Vormunds) — zu verstehen sei. In der That zeigt der Gegensatz „bloßes Dekret" in §. 69 und „förmliches Erkennt­ niß", daß man an eine prozessualische Entscheidung gedacht hat. Aber in dem von vormundschaftlichen Prozessen handelnden 39. Titel des I. Theils der A.GQ. ist dieser Fall einer prozessualischen Instruktion und eines vormundschaftlichen Erkenntnisses nicht erwähnt. Es fehlte also von je her an einer Prozeßform für dieses Verfahren, und der Bestimmung kann kein anderer Sinn beigelegt werden, als daß der wider­ sprechende Vormund sich deshalb von Neuem an das Vormundschaftsgericht wenden kann und demnächst auf diese Vorstellung zu bescheiden ist. Von einer Beschwerde an das vorgesetzte Gericht läßt die Bestimmung nichts ersehen. Eine solche, auf welche Strieth. B. 33 S. 5 verweist (vgl. auch Duncker, Darstellung des hinsichtlich des Heirathskonsenses bestehenden Rechts S. 19f.) ist nach allgemeinen Grundsätzen zulässig. Dagegen kann von einer Klage, wenn solche nach älterem Recht anzunehmen war, jetzt keinenfalls mehr die Rede sein. Denn im Prozesse des Vormunds gegen daö Mündel würde über ein Recht des Minderjährigen auf Supplirung des Konsenses entschieden werden, und da das Reichsrecht dem Minderjährigen eine solche Klage ver­ sagen will, kann es auch nicht zulässig sein, daß darüber auf Grnnd einer landesrecht­ lich statuirten Klage des Vormunds gegen das Mündel entschieden werde. Vgl. gegen Völk und Sicherer zu §. 32 des Personenst.-Ges. und Golden'ring bei Gruchot B. 21 S. 679: Stölzel, Eheschl.R. S. 25 Note 5 und Hinschius, Komm. Anm. 93 auch Dernburg-Schulhenstein, Vormundschaftsrecht S. 262. Stölzel kann aber barm nicht beigestimmt werden, daß die dem Standesbeamten kundgegebene Fortsetzung der Weigerung des Vormunds trotz des beigebrachten Dekrets des-Pormundschastsgerichts die Eheschließung hindert; .vielmehr wird es lediglich darauf anfommen, ob das Gericht' oder die vorgesetzte Instanz die Einwilligung zurnckzieht. 81) Vgl. Mil.Str.G.B. ö. 20. Juni 1872 §. 150 Abs. 2. R.Mil.Ges. v. 2. Mai 1874 §§. 38. 40. Perfonenst.Ges. §. 38. Früher war der Mangel ein impedimentum dirimens. §§. 34. 35 II. 1. Anh. §. 56. Eine bes. Ausnahme machte das Ges. v. 3. April 1871 D.S. S. 161). ' 3a) Das lediglich eine Kontrole des Beitritts in die Witttvenverpflegungsanstalt abzielende aufschiebende Ehehinderniß des Anh. §. 70 zu II. 1. §. 146 bei mangelndem Konsens des Vorgesetzten eines Civilbeamten muß durch die Aufhebung der Möglichkeit des Bei­ tritts zu jener Kasse dnrch Ges. v. 20. Mai 1882 §. 22 als beseitigt angesehen werden. Nur als Dienstpflicht kann hiernach die Verbindlichkeit, die Genehmigung der vorge­ setzten Behörde einzuholen, noch für einzelne Beamtenttassen bestehen. Vgl. über die Bedeutung des cit. Anh. tz. 70. Stölzel, Eheschl.R. S. 33. 40. — Sofern für Reichs­ beamte das gleiche aufschiebende Ehehinderniß aus §. 19 des Reichsbeamtengesetzes v. 31. März 1873 herzuleiten war, ist dasselbe durch §. 38 des Personenstandsgesehes direkt beseitigt. Vgl. Erl. des Min. d. Inn. v. 19. April 1875 (Min.Bl. d. inn. V. S. 117).

§. 203.

Die Ehehindernisse.

der ehelichen oder unehelichen Erzeugung.

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Dispensation ist unstatthaft").

Das landrechtliche Verbot einer Ehe zwischen dem Neffen und der älteren Tante ohne besondere Dispensation") ist beseitigt. Ungiltig (anfechtbar) ist die Ehe zwischen dem Adoptirenden und dem Adoptivkinde so lange, bis die Adoption auf gesetzmäßige Weise wieder aufgehoben worden"). 6. Es darf kein vormundschaftliches Verhältniß zwischen den Ehegatten bestehen. Die Eheschließung des Pflegebefohlenen mit seinem Vormund oder mit einem Kinde desselben ist während der Dauer der Vor­ mundschaft unzulässig, jedoch wirkt das Verbot nur als aufschiebendes Hinder­ niß. Die trotz desselben geschlossene Ehe ist nicht anfechtbar"). 7. Keine schon bestehende Ehe. Das Reichsgesetz kleidet diesen Satz in das Verbot: „Niemand darf eine neue Ehe schließen, bevor seine frühere Ehe aufgelöst, für ungiltig oder für nichtig erklärt ist""). Die Fassung des Landrechts war eine allgemeinere: „Ein Mann kann nur eine Frau und eine Frau nur einen Mann zu gleicher Zeit zur Ehe haben"). Die Doppelehe, welche wissentlich oder mit verschuldeter Unwissenheit vom Bestehen der früheren Ehe geschlossen worden, ist nichtig; wird sie aus beider­ seits unverschuldetem Irrthum über die erfolgte Auflösung der älteren Ehe 33) Reichspersonenst.Ges. §. 33. Früheres Recht L.R. II. 1. §§.3 — 6. 10. Verord. v. 22. Dezbr. 1843, welche den Anh. §. 62 aufgehoben hat. Kab.-Ordre vom 28. Sep­ tember 1844. Allgem. Verf. vom 8. Oktbr. 1844 (J.M.Bl. S. 223). Svarez, Schlußvortr. S. 103 f., ferner in den Jahrb. B. 52 S. 127 fg. Vgl. §§. 8. 9. II. 1. Oben §. 201 Anm. 22. Keine außereheliche Schwäger- oder Stiefverwandtschaft außer für den außerehelich Erzeugten. Vgl. Stölzel im Just.Min.Bl. 1876 S. 215. Darüber, daß die Auflösung der die Schwägerschaft begründenden Ehe gleichgiltig ist, s. ob. S. 5 Anm. 22. 34) A.L.R. II. 1. §§. 8. 9. 35) Reichspersonenst.Ges. §. 33 Z. 4. Ueber die Gestaltung des Anfechtungsrechts vgl. Stölzel in Doves Zeitschr. B. 17 S. 99. 36) Reichspersonenst.Ges. §. 37. Ueber das Verhältniß dieses Eheverbots zu dem des A.L.R. II. 1. §§. 14. 968 s. Stölzel in Doves Zeitschr. B. 17 S. 94. 37) Reichspersonenst.Ges. §. 34 vgl. Strafgesetzbuch §. 171. Die Ungiltigkeit oder Nichtig­ keit der früheren Ehe kommt nicht in Betracht, sondern nur die rechtskräftige Erklärung der Ehe dafür. 38) II. 1. §. 16, vgl. §. 936. — Wenn ein Erkenntniß auf Ehescheidung oder Ehenichtigkeit rechtskräftig geworden ist, demnächst aber im Wiederaufhebungsverfahren die Klage ab­ gewiesen wird, so besteht die Ehe wieder zu Recht, oder richtiger es ist jetzt festgestellt, daß sie auch in der Zwischenzeit immer zu Recht bestanden hat. Dennoch ist nach dem Wortlaut des Reichsgesetzes die inzwischen geschlossene zweite Ehe zu Recht geschlossen worden. Bestehen jetzt beide Ehen giltig und unanfechtbar neben einander? Zu dieser dem Wesen der Ehe widersprechenden Annahme wird man nicht kommen dürfen. Man muß und kann in den Worten des Reichsgesetzes das Prinzip des preußischen Gesetzes wieder finden, das Reichsgesetz als mit der preußischrechtlichen Bestimmung identisch ansehen. Dann kommen die im Text sogleich zu erwähnenden Vorschriften über An­ fechtung der in der irrthümlichen Amlahme der Ehefreiheit geschlossenen Ehe zur An­ wendung. Entsch. B. 28 S. 337. Strieth. B. 5 S. 318. Hält man sich lediglich an den Wortlaut des Reichsgesetzes, so ist die zweite Ehe giltig geschlossen und kann durch das Aufleben der ersten Ehe nicht erschüttert werden. Struckmann und Koch zu C.P.O. §. 577 wollen anscheinend aus diesem Grunde die Wiederaufnahme des Verfahrens, falls inzwischen eine andere Ehe geschlossen ist, nur gegen die Entscheidung der Schuldfrage nicht gegen die Ehescheidung selbst Anlassen, so daß die z. B. von einem ungehörig besetzten Gericht ausgesprochene Scheidung ihre Wirkung nie verlieren könnte. Hierzu bietet die C.P.O. keine Begründung. Peters, die Ehescheidung, S. 24, will überhaupt kein Wiederaufnahmeverfahren zulassen.

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Viertes Buch.

Die besonderen Privatrechte.

geschloffen, so ist sie ungiltig (anfechtbar) und sie wird in diesem Fall als von Anfang giltig erachtet, wenn die ältere Ehe nachträglich getrennt wor­ den"). Aufgelöst kann eine Ehe sein durch den Tod des einen Ehegatten oder durch rechtskräftige Scheidung39 40).41 Ob die Todeserklärung für die Frage der Zulässigkeit und Giltigkeit der neuen Ehe dem Tode noch jetzt gleich zu achten ist, scheint nicht zweifellos, doch sprechen überwiegende Gründe für die Bejahung4'). 8. Soll die Wiederverheirathung nach der Auflösung einer ersten 39) Der Ausdruck „ungiltig" kann hier, wo er dem Ausdruck „nichtig" entgegengesetzt wird, nicht als eine ungenaue Bezeichnung einer in Wahrheit nichtigen und deshalb von Amtswegen anzufechtenden Ehe angesehen werden. Die Ansicht von Meves, Civilprozeßordnung S. 357, die Ehe sei „nur ungiltig", könne aber trotzdem von Amts­ wegen angefochten werden, enthält einen inneren Widerspruch. Da nichts anderes ge­ sagt ist, können nur die Eheleute als anfechtungsberechtigt angesehen werden, auch ihr Anfechtungsrecht fällt weg, wenn die erste Ehe inzwischen aufgelöst ist. Ist durch den Tod des conjux binubus gleichzeitig mit der ersten auch die zweite Ehe aufgelöst, so kann zwar davon nicht die Rede sein, daß die zweite Ehe wegen Wegfalls des Anfech­ tungsgrundes konvalescire: aber die Ehe, welche nicht durante matrimonio angefochten ist, kann auch nicht mehr für ungiltig erklärt und beseitigt werden. — Es widerspricht dem Gefühl, daß die thatsächlich bigamische Ehe nach der Willkür der Gatten soll von Bestand erhalten werden können — vgl. auch Rev. Pens. XV. S. 467 —, aber die Bestimmung läßt keine andere Auslegung zu. Der verletzte Gatte der ersten Ehe wird wegen Ehebruchs auf Scheidung klagen und so das Nebeneinanderstehen der beiden Ehen beseitigen können. Koch,' Priv.R. II. §. 746 giebt dem Gatten erster Ehe, und nur diesem die Ungiltigkeitsklage. Dazu fehlt es an durchgreifenden Gründen. Nur durch eine ausdrückliche Bestimmung hätte ihm das Recht, die Ungiltigkeit der neuen Ehe zu rügen, übertragen werden können. — Die Klage, welche auf der That­ sache des Vorhandenseins beider Ehen beruht, ist zulässig, so lange beide Ehen bestehen. Da sie mit dem Wegfall der einen Ehe oder der Auflösung der zweiten unmöglich wird, ist dabei weder von Anfechtungsfrist noch von Verjährung die Rede. 40) Ueber Erkenntnisse auf beständige Trennung von Tisch und Bett (auf Separation), vgl. unten tz. 214 Anm. 4. Der Umstand, daß die im Inland erkannte Scheidung nach dem Recht des Heimathsstaats des Geschiedenen nicht anerkannt wird, macht die neue Ehe nicht unzulässig. R.G.Entsch. B. 11 S. 34. 41) II. 1. §§. 666. 667 sprechen aus, daß im Fall der Todeserklärung eines Ehegatten es dem anderen freisteht, sich wieder zu verheirathen, und daß diese neue Ehe besteht, selbst wenn der Verschollene zurückkehrt, daß aber die alte Ehe als fortdauernd angesehen wird, wenn der Verschollene vor einer anderweiten Verheirathung des zurückgebliebenen Gatten zurückkehrt. Wenn man diese Bestimmungen mit Sicherer zu §. 34 des Personenst.Ges. dahin auffaßt, daß nicht die Todeserklärung, sondern nur eine in Folge derselben geschlossene neue Verheirathung die alte Ehe auflöse, so muß man, was S. freilich nicht thut, die landrechtliche Bestimmung als aufgehoben ansehen. Denn das Reichsgesetz gestattet eine neue Eheschließung nur nach der Auflösung der alten, schließt also die Möglichkeit aus, daß die trotz des Bestehens der alten Ehe geschlossene neue Ehe als eheauflösend angesehen werde. Darm würde also jetzt der Prüfung des Standesbeamten unterliegen, ob er in dem Urtheil auf Todeserklärung einen Beweis des Todes findet, die darauf hin geschlossene Ehe aber würde sich als auf irriger Grundlage geschlossen ergeben, weiln die Rückkehr des Verschollenen feststettte, daß zur Zeit des neuen Eheschlusses die alte Ehe noch bestand. Die neue Ehe wäre also an­ zufechten. Man wird aber die Bestimmungen des Landrechts abweichend von Sicherer dahin auffassen müssen: die Todeserklärung gilt dem Tode gleich, sie löst diebestehende Ehe auf, und hierauf beruht scholl nach Landrecht die Möglichkeit eines neuen giltigen Eheschlusses. Kommt aber der Verschollene zurück, so reviviscirt die aufgelöste Ehe, wenn ihrer Wiederbelebung lloch kein unüberwindliches Hinderniß entgegen zetteten ist, geradeso wie die Vermögensrechte ttotz wirklich eingetretener Erbschaft mit gewissen Schranken wieder aufleben. Einem solchen Revivisciren steht das Reichsgesetz nicht ent­ gegen. Als „Rückkehr" im Sinne der landrechtlichen Bestimmung ist aber nicht nur die körperliche Heimkehr, sondern jedes sichere Sichmelden, jede feste Nachricht von der Fortdauer des Lebens an einem bestimmten anderen Ort anzusehen.

§. 203.

Die- Ehehindernifse.

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Ehe stattfinden, so muß die gesetzliche Abfindung der Kinder nachgewiesen"), und von Frauen der Ablauf des 10. Monats seit Beendigung der früheren Ehe abgewartet werden. Diese Wartezeit ist als aufschiebendes Hinderniß zu betrachten"). Es kann von derselben Dispensation ertheilt werden"). 9. Keine Ehe zwischen Ehebrechern. Hierbei wird vorausgesetzt, daß die frühere Ehe wegen Ehebruchs oder wegen unerlaubten, eine dringende Vermuthung der verletzten ehelichen Treue begründenden Umgangs geschieden worden und dies im Scheidungsurtheil anerkannt worden ist"). Dispen­ sation ist zulässig "). Die ohne vorgängige Dispensation geschloffene Ehe ist nichtig, kann auch durch nachträglich ertheilte Dispensation keine Kraft er­ halten; vielmehr ist erneute Eheschließung erforderlich"). Im Scheidungs­ erkenntniß ist der Mitschuldige namhaft zu machen, aber ein Vorbehalt wegen gerichtlicher Gestattung anderweitiger Verheirathung ist nicht mehr auszu­ sprechen "). Von den im Landrecht sonst noch enthaltenen Ehehindernissen ist das der Standesungleichheit") schon durch Art. 4 der Verfassungsurkunde, welcher die Standesvorrechte abgeschafft hat, aufgehoben worden, und dies ist zur 42) Reichspersonenst.Ges. §. 38 Abs. 2; A.LR. II. 1. §. 18. Auch wenn die frühere Ehe ge­ schieden worden ist. Reflr. v. 19. Juni 1843. JMBl. S. 156. Bornemann V. S. 27. Koch, Note zu §. 18. Ueber die Nachtheile, welche den Vater, der ohne Auseinander­ setzung mit seinen Kindern erster Ehe zur zweiten Ehe schreitet, treffen f. II. 1. §§. 1001 bis 1004. Die Kinder können sich wegen ihrer Ansprüche auch, an den neuen Ehegatten des parens binubus halten. II. 1. §. 1008. 43) Reichspersonenst.Ges. §. 35. Ueber die Nachtheile, welche die zu MH wiederheirathende Frau treffen, s. II. 1. §§. 1006. 1007. 44) Reichspersonenst.Ges. §. 35 Abs. 2, §. 40. Durch Allg. V. v. 17. Jan. 1877 (G.S. S. 4) und Erl. v. 7. Sept. 1879 (JMBl. S. 366) ist die Dispensation in diesem Fall dem Amtsgericht zugewiesen. Voraussetzung der Dispensation ist, daß der Grund des Ehe­ verbots nicht zutrifft. II. 1. §§. 19—24 und Anh. §. 64 zu §. 20 sind aufgehoben. 45) Reichspersonenst.Ges. §; 33 Z. 5. R.G. bei Gruchot B. 24 S. 496. Für die wegen vertrauten Umgangs nach II. 1. §. 676. Geschiedenen oder für die Anstifter der Miß­ helligkeiten, wegen deren die Ehe getrennt ist, (II. 1 §. 26) besteht kein Eheverbot mehr. Vgl. Stözel im Standesbeamten 1876 Nr. 34, 1877 Nr. 19. 46) Die Dispensation wird vom Justizminister ertheilt. Reichspersonenst.Ges. §. 33, V. v. 24. Februar 1875 §. 1. Allg. Verf. v. 2. März und 6. Nov. 1875 (JMBl. S. 63. 234). 47) A.L.R. II. 1. §. 937. Reichspersonenst.Ges. §. 36. Stölzel in Doves Zeitschr. B. 17 S. 91. 48) A.L.R. II. 1. §.736 ist beseitigt; das Festhalten des Obertribunals und des Reichs­ gerichts an der Vorschrift in Entsch. B. 75 S. 152 und bei Gruchot B. 24 S. 497 ist nicht zu verstehen. Von dem Standpunkt dieser Judikate aus soll es rechtlich keine Bedeutung haben, ob der Vorbehalt im Erkenntniß gemacht ist oder nicht: auch wenn er nicht gemacht ist, besteht das Ehehinderniß; der Vorbehalt soll der Erkennbarkeit wegen, aber immer nur dann gemacht werden, wenn der Fall des Reichsgesetzes $. 33 Nr. 5 vorliegt. Wie aber, wenn er zu Unrecht gemacht ist, obgleich §. 33 Nr. 5 nicht vorlag? Entweder das in dem Erkenntniß ausgesprochene Verbot ist nicht zu beachten, — oder die Ehe wird im einzelnen Falle wegen des Erkenntnisses aus einem vom Reichsgesetz nicht gebilligten Grund gehindert. Letzteres wäre gegen das Reichsgesetz, lvährend vor demselben in der That der bloße Umstand, daß das rechtskräftige Er­ kenntniß das Verbot aussprach, ohne Rücksicht darauf, ob es das Verbot hätte aus­ sprechen sollen, bis zum beigebrachten richterlichen Dispens ein impedimentum impediens war. Sollen nun etwa jetzt die preußischen Gerichte Verbote erlassen, deren Grundlage der Standesbeamte nachzuprüfen und über die er sich demnächst fortzusetzen hat? Vgl. übrigens Allg. Verf. des J.M. v. 13. Mai 1875. J.M.Bl. S. 118 und Stölzel ebenda sowie bei Gruchot B. 21 S. 321. 49) A.L.R. II. 1. §§.30—33.

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Viertes Buch.

Die besonderen Privatrechte.

Beseitigung einer entgegenstehenden Praxis des Obertribunals50) durch das Gesetz vom 22. Februar 1869 bestätigt worden"). Ehen, welche diesem land­ rechtlichen Verbote zuwider geschlossen waren, bedürfen zu ihrer Giltigkeit nicht der nochmaligen Vollziehung. Auch das Ehehinderniß der Religions­ verschiedenheit war schon vor dem Reichsgesetz über den Personenstand be­ seitigt").

§. 204. Das Eheverlölmiß. A.L.R. II. 1. §§.75—135. Bornemann V. S. 50. Koch II. S. 559. Der »bürg in. §§.10.11. Gihler S. 104fg. Schmidt §. 12. Jacobson S. 543fg. Scheueri S. 360ff. Ueber Geschichte des Verlöbnisses vgl. Friedberg, Recht der Eheschließung. 1865. Verlobung und Trauung. 1876. Sohm, Recht der Eheschließung. 1875.

Trennung und Verlobung. 1876.

Nicht nothwendig muß, aber es kann der Eheschließung ein besonderes Eheverlöbniß vorangehen'). Das Eheverlöbniß (sponsalia de futuro) ist der Vertrag, eine Ehe mit einander eingehen zu wollen*2).3 * Zu seiner Giltig­ keit wird vorausgesetzt, daß die Ehe zur Zeit des Verlöbnisses .giltig ge­ schloffen werden könnte, daß also zu dieser Zeit kein trennendes Ehehinderniß vorliegt2). Der spätere Wegfall des Hindernisses macht das frühere Verlöbniß nicht giltig, doch soll die mangelnde Einwilligung der Eltern und Vormünder das Verlöbniß nur für den Theil, der dieser Einwilligung bedarf, unverbindlich machen, und dasselbe gelangt, wenn die Einwilligung nachträglich ertheilt wird, zur Giltigkeit *). Niemand soll ein Verlöbniß eingehen, der noch durch ein gesetzmäßiges früheres Verlöbniß gebunden ist; wer dieser Vorschrift zu­ wider handelt, erlangt kein Recht aus dem Verlöbniß, und sofern das frühere Verlöbniß dem andern Theil bekannt war, auch keine Pflicht; war seine Ge­ bundenheit dem andern Theil unbekannt, so ist er, wenn dieser zurücktritt, ihm so verhaftet, als ob er selbst ohne Grund zurückgetreten wäre5). Wenn das Verlöbniß von einer aufschiebenden Bedingung oder von dem Eintritt eines unbestimmten Zeitpunktes abhängig gemacht ist, so behält b°) Entsch. B. 34 S. 177. Strieth. B. 22 S. 331, B. 43 S. 349, B. 45 S. 214. Sergi. ' auch Entsch. B. 44 S. 140f. Dagegen Gerichtszeitung 1860. S. 123. Strieth B. 44 S. 215. Koch Note zu II. 1. §. 30. 51) Ges.-Samml. S. 365. 52) Ges. über die Beurkundung des Personenstandes v. 9. März 1874 §. 56 (Ges.-S. S. 95). Ueber das ältere R. vergl. II. 1. §§. 36. 939 *) II. 1. §. 81. 2) II. 1. §. 75. 3) II. 1. §. 76. Svarez, Schlußvortr. S. 108. Aufschiebende Ehehindernisse stehen nicht entgegen. *) II. 1. §§. 77. 78. Nach gemeinem und kanon. R. ist dagegen das Verlöbniß eines Hauskindes ohne Einwilligung des Vaters nichtig. (Äitsch. B. 2 S. 371, B. 3 S. 1. Rechtsfälle B. 3 S. 413. Arnsb. Arch. B. 4 S. 623, B. 14 S. 193. Es entscheidet hier das römische Recht, pr. J. I. 10. 1. 7 §. 1 I). XXIII. 1. Ein heimliches Derlöbniß im Sinne des §. 67 d. T. ist ei» solches, welches in klagbarer'Weise, d. h. in der vorgeschriebenen Form, jedoch ohne Einwilligung der Eltern von den Brautleuten eingegangen worden ist. ÄUsch. B. 3 S. 360 f. 5) II. 1. §§. 80. 133. 134.

§. 204.

Das Eheverlöbnitz.

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jeder Theil bis zum Eintritt der Bedingung oder des Zeitpunktes das Recht des einseitigen Widerrufs •). Ein solches Verlöbniß wird also erst bei Eintritt der Bedingung verbindlich, es besteht vorher keine bedingte Gebundenheit. Das unbedingt eingegangene Verlöbniß sowie dasjenige, dessen Bedin­ gung oder Zeitpunkt ohne vorgängigen Widerruf eines der beiden Theile eingetreten ist, erzeugt Klagerechte, wenn entweder mit beider Theile Be­ willigung das Aufgebot erfolgt, oder das Verlöbniß gerichtlich oder notariell, bei gemeinen Landleuten vor besetztem Dorfgericht im Wohnort und in Gegenwart der Braut und eines selbstgewählten Beistandes derselben und in Gegenwart entweder des Bräutigams oder eines bevollmächtigten Vertreters des­ selben beurkundet worden ist6 7).8 9 Nach 10 * 12der Praxis der preußischen Gerichte geht die Klage auf Vollziehung der Ehe'); und wenn für diese eine Zeit nicht bestimmt ist, muß der Klage eine vergebliche Aufforderung vorangegangen sein, welche aber nur innerhalb zweier Jahre nach Abschluß des Verlöbnisses erfolgen darf'). Die Klage verjährt in einem Jahre feit Ablauf der zur Eheschließung bestimmten Zeit, oder in zwei Jahren vom Tage der Ab­ schließung des Verlöbnisses, wenn eine Frist nicht festgesetzt worden, jedenfalls in einem Jahre nach der ergangenen Aufforderung"). Die in Folge der Klage ausgesprochene Verurtheilung kann, wie durch die Reichscivilprozeßordnung aufrecht erhalten ist, nicht durch gerichtliche Zwangs­ vollstreckung zur Ausführung gebracht werden "), sondern der Beklagte, welcher ohne rechtlichen Grund die Erfüllung des Ehegelöbniffes beharrlich weigert oder sich selbst dazu außer Stand seht"), verliert die gemachten Geschenke und es wird 6) II. 1. §§. 95. 96. Borne mann V. S. 52. 7) II. 1. §§. 82—92 Anh. §. 67. Das Verlöbniß wird nicht klagbar durch hinzukommenden Beischlaf. II. 1. §.93. Abweichung vom kanon. R. c. 26. 30. X. IV. 1. c. 1. 3. 6 X. IV. 5. Vergl. Svarez, Schlußvortr. S. 108. Wegen der Entschädigungsansprüche der geschwängerten Braut, auch bei fornllosem Verlöbniß s. unten §. 217. — §. 83 verlangt ein vollständig besetztes Dvl-fgericht, nämlich den Schulzen, yvei Schöppen und den Gerichtsschreiber. A.G.O. II. 2. §. 8. Dell Dorfgerichten stehen die Polizei Magistrate der kleinen Städte gleich A.G.O. II. 2. §. 9 — Die Zuziehung eilles Beistandes für die Braut gehört zur gesetzlichen Fornr des Geschäfts, deren Verabsäumung dem Verlöbnißvertrag auch für den ailderen Theil die verbindliche Kraft entzieht (Entsch. B. 62 S. 144); sie ist aber nur nöthig, wenn es sich rnn den Abschluß des Verlöbnisses selbst handelt. Betrifft der Vertrag mir Vermögensverabredungen, so ist ein Beistand nicht nöthig. Prüj. 1021. Samml. I. 138. — Auch das Aufgebot in einer unzuständigen Parochie, jetzt durch den nicht zuständigen Standesbeamten, geliügt. Strieth B. 32 S. 294. — Nach gemeinem R. gellügt mündliche Abschließung. Entsch. B. 2 S. 372. Strieth. B. 20 S. 151; aber in der Mark sind §§. 82ff. nicht als suspendirt zu er­ achten. Strieth. B. 45 S. 363. 8) Entsch. B. 56 S. 195. Strieth. B. 66 S. 128 (nach gern. R.). Für die Zulässigkeit der Klage spricht II. 1. §. 125. 9) II. 1. §§. 97. 98. 10) II. 1. §§. 128. 129. 130. Der §. 130 bezieht sich auf §. 129 und 128 zurück. Borne­ mann V. S. 59. DaS durch Aufgebot giltig gewordene Verlöbniß unterliegt derselben Verjährung. Bornemann das. und Koch zu §. 130. ") C.P.O. §. 774 Abs. 2. 12) II. 1. §. 112. Entsch. B. 23 S. 173. Strieth. B. 5 S. 351. Entsch. B. 56 S. 192fg. Der Kläger muß jedenfalls bereit und int Stande sein, die Ehe mit dem beklagten Theil zll vollziehen. Daß die „beharrliche Weigerung" nur dadurch dargelegt werden könne, daß zunächst Klage auf Erfüllung des Verlöbnisses erhoben worden und auch dieser gegenüber die Weigerung allfrecht erhalten ist, findet im Gesetz keine Begründung.

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Viertes Buch.

Die besonderen Privatrechte.

gegen ihn auf Zurückgabe der empfangenen, aus Erstattung der auf das Verlöbniß gewendeten ”) Kosten, sowie auf Zahlung des vierten Theils der in bestimmter Summe “) ausgesetzten Mitgabe oder des Gegenvermächtnisses oder des Erbtheils, oder auf Zahlung einer Konventionalstrafe geklagt"). Für die Ab­ findung haften die Eltern oder Großeltern des Beklagten aushilfsweise, wenn sie in das Verlöbniß und dann in dessen Nichterfüllung gewilligt haben"). Wer durch das moralische Verhalten des anderen Theils oder dadurch, daß er ein früheres noch nicht aufgehobenes Verlöbniß desselben in Erfahrung bringt, zum Rücktritt veranlaßt wird, hat die gleichen Ansprüche"). Sind die bereits zur Zeit der Verlobung vorhandenen den Rücktritt rechtfertigenden Thatumstände nicht betrüglich verheimlicht, so beschränkt sich der Anspruch auf Austausch der gegebenen Geschenke und Erstattung aufgewendeter Kosten"). Wird das Verlöbniß unter gegenseitiger Uebereinstimmung aufge­ hoben, so sind die beiderseitigen Geschenke zurückzugeben; nach der Wahl des Ueberlebcnden kann das Gleiche erlangt werden, wenn das Verlöbniß durch den Tod eines der beiden Theile aufgehoben ist; diese Klage verjährt in einem Jahre nach Aufhebung des Verlöbnisses"). Diese letztere Klage geht aktiv und passiv auf die Erben über, dagegen ist die Entschädigungsklage regel­ mäßig unvererblich'"), und auch die Erben des unschuldigen, beharrlichen Theils erhalten die Entschädigung und Abfindung nur, wenn sie ihrem Erb­ lasser schon rechtskräftig zuerkannt waren; die Erben des schuldigen, zurück­ tretenden Theils haften aber für die Entschädigung und Abfindung, wenn ihr Erblasser seine Weigerung, die Ehe zu vollziehen, auf die erhobene Klage schriftlich erklärt, oder wenn er sich mit einer andern Person verheirathet hatte"). Gegen die Klage aus dem Verlöbniß auf Entschädigung und Abfindung hat der Beklagte die Einrede, daß Kläger sich bereits anderweitig verheirathet oder später anderweitig verlobt habe"), oder auch die, daß er seinerseits zum einseitigen Rücktritt berechtigt sei (exceptio repudii). Daß alle diejeni­ gen Gründe, welche eine Ehescheidung rechtfertigen, auch den Rücktritt von dem ") II. 1. §. 112. Gegen Koch zu §. 112 ist mit Bornemann V. 56 anzunehmen, daß alle Kosten erstattet werden müssen, welche in Folge des Verlöbnisses aufaeweiidet worden sind. Die §§. 114f. normiren die Entschädigung für das sonstige Interesse. Förster, Kl. u. Einr. S. 232. ") II. 1. §§. 114. 115. Das O.A.G. München hat ausgeführt, daß die Ausstattung, die nach II. 2. §. 237 lediglich dem Ermessen der Eltern anheinigegeben ist, nicht mit in Anrechnung zu bringen ist, wenn es sich uin Ermittlung der Entschädigung nach II. 1. §. 114 handelt, daß also unter Mitgabe nur eine in einer bestimmten Summe bestehende oder zu einer solchen zu veranschlagende zu verstehen sei. Bl. f. Rechtsamv. B. 23 S. 14. Ueber die Bedeutung des Gegenvennächttiisses s. Strieth. B. 14 S. 1. ") II 1. §§. 112—116. Das röm. N. verwirft die Abrede einer Konventionalstrafe. 1.134 pr. D. XLV. 1. Auch nach gern. R. kein Zwang aus Eheschließung, aber Klage auf Entschädigung. Seuffert VI. 208. 209. VII. 59. XIII. 35. ”) II. 1. §. 117. Eltern in der Bedeutung von Ascendenten. Ges.-Rev. XV. 96 f. *t) II. 1. §§. 120. 133. 135. -«) n. 1. §. 121. 1$) II. 1. §§. 122. 123. 132. -«) n. 1. §. 124. 51) II. I. §§. 125—127. m) II. 1. §§. 131. 135. Dergl. hierzu Entsch. B. 4 S. 103.

§. 205.

Die Eheschließung.

25

Verlöbniß begründen, ist natürlich23). Aber das Gesetz geht hier weiter: Beispiels­ weise wird hervorgehoben ein früheres noch bestehendes oder ein später eingegan­ genes anderes Verlöbniß, wenn es auch nachträglich aufgelöst worden, verdächtiger Umgang, geringe Thätlichkeiten, schimpfliche und verächtliche Begegnung gegen den Verlobten oder dessen Vater, der deshalb den Rücktritt genehmigt, unsittliches Leben seit der Verlobung oder wenn es erst nach dieser bekannt geworden, ekelhafte, ansteckende, unheilbare Krankheit, auffallende Häßlichkeit und Ge­ brechlichkeit, welche verheimlicht worden, Verschlechterung des Vermögens bis unter das nöthige Auskommen, jeder in Ansehung des Vermögens von einem Verlobten oder dessen Eltern verübte Betrug, Religionsänderung des andern Theils, Unfähigkeit oder Unwillfährigkeit die im Ehevertrage übernommenen Verbindlichkeiten zu erfüllen, der durch nachher eingetretene oder bekannt ge­ wordene Umstände gerechtfertigte Widerruf der Einwilligung der Eltern oder des Vormundes, endlich sogar jede Veränderung in der Person oder in den persönlichen und Vermögensumständen, welche, wenn sie früher eingetreten wäre, den andern Theil von dem Verlöbniß abgehalten haben würde24).25 26 Minderjährigkeit dagegen ist kein Grund zum Sinneswechsel22). Die Ent­ schädigungsklage richtet sich auch gegen die Eltern des zurücktretenden Ver­ lobten, wenn dieser aus eigenen Mitteln zur Zahlung nicht fähig ist, und in­ sofern die Eltern den Rücktritt von der von ihnen genehmigten Verlobung veranlaßt oder genehmigt haben22).

§. 205. Die Eheschließung. A.L.R. II. 1. §§. 136—172.

Ges. v. 30. März 1847.

Ges. v. 23. Juli 1847. §§. 8. 9. 13.

14. Verfassungs-Urkunde Art. 19. Geltendes Recht: Reichsges. v 6. Febr. 1875 §§. 28 ff. Bornemann V. S. 60. Koch II. S. 563. Dernburg III. §§. 12f. Gitzler S. H3fg. Jacobson S. 547—568. v. Scheurl, Eherecht °) II. 1. §§. 192. 193. — R.G. v. 1. Juni 1870 §. 5. ”) Strafgesetzbuch §§. 247. 263. ") Strafgesetzbuch §. 195. Strieth. B. 67 S. 88. 19) II. 1. §. 184. 20) II. 1. §§. 185. 186. Außer seinem Hause hat der Mann der Frau nur dann Unter­ halt zu gewähren, wenn ihr während des Scheidungsprozesses gestattet ist, getrennt von ihm zu leben. II. 1. §§. 724. 725. Eine Alimentationspflicht der Frau dem Manne

32

Viertes Buch.

Die besonderen Privatrechte.

Unterhalt rechnet das Landrecht die die Ehefrau betreffenden Kurkosten, nicht minder aber die sie betreffenden ProzLßkosten8'). Diese Bestimmung ist kein Ausfluß des dem Ehemann an den Jllaten der Frau zustehenden Nießbrauchs und beschränkt sich nicht auf dessen Be­ reich ”), wird vielmehr vom Gesetz selbst in Zusammenhang gebracht mit der ferneren Pflicht und dem Recht des Mannes, die Person, die Ehre und das Vermögen der Frau in und außer Gericht zu vertheidigen, einer Rechts­ stellung, die ihm als Regel auch die Tragung der Kosten von Untersuchungen auflegt, welche sich gegen die Frau gerichtet haben83). Der Zusammenhang der Bestimmungen fand seinen näheren Ausbau in den Vorschriften des Landrechts und der Allgemeinen Gerichtsordnung, nach welchen die Ehefrau regelmäßig nicht ohne Zuziehung des Ehemanns in Prozeffe verwickelt wer­ den konnte. Der für die Frau oder neben derselben im Prozesse auftretende Ehemann hatte die Kosten vorzuschießen, und ihm, nicht der Ehefrau, wurden dieselben im Falle des Unterliegens sowohl der Staatskaffe als auch dem

gegenüber ordnet das Landrecht auch nicht für die vermögende Frau gegen den unver­ mögenden Mann. Nur die Einkünfte des Eingebrachten bleiben, selbst wenn dessen Verwaltung an die Frau zurückgefallen ist, mit für den Unterhalt des Mannes bestimmt. II. 1. §. 262. An das vorbehaltene Vermögen der Frau oder an die Substanz des Ein­ gebrachten hat er keine Ansprüche. Aus der allgemeinen Fassung des §. 174 kann gegenüber der bestimmten Abgrenzung in §. 262 nichts hergeleitet werden. Val. auch die Ausnahmebestimmung bei Auflösung der Ehe in II. 1. §. 809. S. auch Ges.Rev. Pens. XV. S. 180. Abweichend Dernburg III. §. 23 Anm. 9. 21) II. 1. §. 187. Anders bei der Ehe zur linken Hand II. 1. §. 871. 22) Vgl. Schmidt, Familienrecht S. 239, Bornemann V. S. 68, Temme, Pr. Civ.R. II. S. 25. Der §. 187, welcher die §§. 229, 230 citirt, um auf die Ausnahmen hin­ zuweisen, ist dahin auszulegen: der Mann hat alle Kosten zu tragen, die durch Pro­ zesse entstehen, welche entweder die Person der Frau — ihren Status, ihre Ehre, ihre Strafrechtssachen —, oder ihr gesetzlich vorbehaltenes oder ihr eingebrachtes Vermögen, sowohl dessen Revenüen als dessen Substanz, betreffen, und soweit er diese Kosten durch den Nießbrauch anr Eingebrachten nicht deckt, hat er keine Erstattungsforderung; der Mann trägt aber nicht die Kosten aus Prozessen über das vertragsmäßig vorbehaltene Vermögen und bei der Gütergemeinschaft werden die Kosten aus Untersuchungen wider die Frau auf den Antheil der letzteren verrechnet, d. h. bei der Auseinandersetzung dem Manne oder dessen Erben aus dem Antheil der Frau erstattet. Man kann das hier zu Grunde liegende Prinzip so ausdrücken: wo der Mann die Frau zu vertreten ver­ pflichtet ist, da muß er die Kosten tragen. Daraus aber folgt weiter, daß bei Pro­ zessen, welche die Frau gegen ihn selbst führt, ihm nicht die Kosten zur Last fallen und daß er auch für voreheliche Kosten nicht einzustehen hat. 23) II. 1. §. 191. (Krim.-Ordn. §. 611) entbindet den unschuldigen Mann von den Kosten aus Untersuchungen gegen die Frau nur dann, wenn das von ihr begangene Verbrechen für ihn ein Ehescheidungsgrund ist. Die ältere Verwaltungspraxis nahm im Einklang mit einer Aeußerung von Svarez an, daß der Mann deshalb auf Scheidung wirklich geklagt haben müsse (Reflr. v. 7. Septbr. 1811, Jahrb. B. 26 S. 209. Gesetzrev. XV. 126. Bornemann V. S. 67 und Koch, Komm. Das Ob.-Trib. ist entgegengesetzter Ansicht, indem es die Scheidungsklage nicht für nöthig erachtet, Entsch. B. 28 S. 142, Strieth. B. 14 S. 145, und auch die Nerwaltungspraxis hat diesen Standpunkt, der dem Wortlaut des Gesetzes entspricht, adoptirt. Förster hielt indessen an der älteren Ansicht fest. — Für die gütergemeinschaftliche Ebe bestimmt II. 1. §. 390 abweichend, daß Kosten (wie Geldstrafen) bei Auflösung der Gemeinschaft auf den Antheil des dazu verurtheilten Gatteg angerechnet werden. — Die Haftung des Ehemanns für Kriminal­ kosten ist nicht nur eine Haftung gegenüber der Frau, sondern dem Staat gegenüber, und diese Haftung besteht nach §. 92 des deutschen Gerichtskostengesetzes vom 18. Juni 1878 noch gegenwärtig.

§. 206.

Prozeßgegner gegenüber zur Last zessen

galt dies selbst

33

Die persönlichen Wirkungen.

gelegt24).

In vermögensrechtlichen Pro­

dann, wenn es sich um gesetzlich vorbehaltenes Ver­

mögen der Frau handelte2^).

Prozesse

über vertragsmäßig

vorbehaltenes

Vermögen führte dagegen die Ehefrau selbständig auf die Kosten dieses ihres Vermögens26), 27 und 28 29wenn eine Ehefrau darauf bestand, einen Prozeß, zu dem

sie der Mitwirkung des Ehemanns bedurfte,

trotz

der nicht zu erlangenden

Zustimmung desselben zu führen, so war sie damit zuzulassen, aber die Staats­

kasse und der Prozeßgegner erlangten aus solcher Prozeßführung keinen An­ spruch an den Ehemann wegen der Kosten, die Prozeßführung erfolgte viel­

mehr auf Kosten der Ehefrau"). bende Frau nach Artikel 8

Wenn die Handel oder ein Gewerbe trei­

des Handelsgesetzbuchs

und

der Reichs­

§ 11

gewerbeordnung selbständig im Prozeß auftrat, konnte von einer Verbindlich­ keit des Mannes die Kosten zu tragen nicht die Rede sein.

Auch Prozesse

gegen ihren Ehemann, in denen zwischen den Eheleuten demnächst wie zwischen anderen Parteien über die Kostenlast zu entscheiden war, führte die Frau selbständig2^), und nur für Ehescheidungsprozesse bestand und besteht solchen­

falls die Besonderheit,

daß

der Ehemann auf Verlangen der Frau ihr die

Prozeßkosten vorschießen muß").

Nach dem geltenden Prozeßrecht ist die Prozeßfähigkeit

um deshalb,

einer Frau

weil sie Ehefrau ist, nicht mehr eine beschränkte").

Es fragt

24) Strieth. B. 63 S. 195. Das Urtheil wird mannigfach citirt, als ob es ein selbstän­ diges Recht der Staatskasse zum Ausdruck brächte, sich in Prozessen einer Ehefrau wegen der von dieser geschuldeten Prozeßkosten an den Ehemann zu halten, ein Rechts­ satz, der dann auf Grund des §. 92 des deutschen Gerichtskostengesetzes als noch jetzt geltend bezeichnet wird. Einen solchen allgemeinen Satz hat aber das Obertribunal nicht aufgestellt. 25) II. 1. §. 228, A.G.O. I. 1. §. 19. In der letzteren Vorschrift wird der Zusammen­ hang der Kostenpflicht des Ehemanns mit der Nothwendigkeit seiner Zuziehung aus­ drücklich betont. Nach §. 228 cit fällt übrigens die Pflicht des Mannes fort, sofern die Frau vorbehaltene Kapitalien oder Einkünfte besitzt. 26) II. 1. §§. 229. 230. 27) A.G.O. I. 1. §. 21. Die Bestimmung kann nicht dahin verstanden werden, daß der Ehemann auch bei ungerechtfertigter Weigerung, an dem Prozeß Theil zu nehmen, von der durch II. 1. §. 187 begründeten Pflicht frei würde, der Frau die Kostenlast abzu­ nehmen. — Bei ungerechtfertigter Weigerung des Mannes fehlte der Frau die Fähig­ keit vor Gericht aufzutreten nicht. Vgl. Entsch. B. 50 S. 254 28) In der Praxis ist auch in solchen Fällen — als angeblich aus §. 187 oder aus der Stellung des Ehemanns als Nießbraucher der Jllaten herzuleiten, — eine Pflicht des Ehemanns, der Staatskasse gegenüber die Kosten vorzuschießen, angenommen. Nach dem zu Anm. 24 Gesagten kann von einer solchen Pflicht nicht die Rede sein. Dies hat auch das Reichsgericht V. Senat durch Beschluß vom 6. Juli 1882 anerkannt. [3n Sachen Winter contra Winter, Akten des Kammergerichts IV. B. 5. 67/82], Pro­ zesse zwischen den Eheleuten find auch in der Weise möglich, daß der Ehemann Forde­ rungen, welche die Frau nicht anerkennt, gegen sie einklagt. Entsch. B. 32 S. 83. R.G. bei Gruchot B. 24 S. 491. 29) II. 1. §. 726. An der fortdauernden Geltung der Vorschrift für das Rechtsverhältniß der Eheleute zu einander ist nicht zu zweifeln. Auch hier kann aber nicht die Staats­ kasse unter Heranziehung des §. 92 des deutschen Gerichtskostengesetzes den Vorschuß statt von der Frau vom Manne fordern, denn nur „auf Verlangen der Frau" hat der Mann die Kosten vorzuschießen. 3°) C.P.O. §.51 Abs. 2. Vgl. dazu insbesondere Mandry im Arch. für civ. Prax. B. 65 S. 132. jetzt auch Boas bei Gruchot B. 29 S. 303. Ist die Ehefrau nicht großjährig, so hindert der Mangel des Alters, nicht aber ihre Stellung als Frau ihre Prozeßfähigkeit. Fvrfter (EcciuS), Preuß. Privatrecht. IV.

5. Aufl.

3

34

Viertes Buch.

Die besonderen Privatrechte.

sich, ob bei dieser Aenderung der Rechtsstellung der Frau die land­ rechtlichen Bestimmungen noch unveränderte Geltung haben. Die selbständig prozeßfähige Frau kann nicht nur als Beklagte in die Lage kommen, sich vertheidigen zu müssen, sie kann auch ohne den Versuch, die Genehmigung des Mannes zu erhalten, Prozesse aller Art als Klägerin erheben. Wäre der Ehemann nun verpflichtet, gegenüber der Frau — oder gar auch der Staatskasse — die Kosten aller solcher Prozesse zu übernehmen, hätte er für die Kosten der ohne oder gegen seinen Willen zu Unrecht unternommenen Prozesse aufzukommen, so wäre seine Pflicht jetzt eine viel weitere, als die­ jenige, welche ihm das Landrecht hat auflegen wollen, eine solche Erweiterung aber läßt sich nicht begründen; dagegen wird auch jetzt noch die Ehefrau in dem alten Umfang, in welchem nach dem früheren Prozeßrecht zugleich die regelmäßige Prozeßunfähigkeit der Frau bestand, mit Recht beanspruchen, daß die Kosten der Vertheidigung ihrer Rechte vom Ehemann übernommen und daß ein Ersatz aus ihrem Vermögen nicht beansprucht wird. Die einzelnen Fälle sind zu unterscheiden"): Soweit ein Prozeß die persönliche Rechtsstellung der Ehefrau oder die Vertheidigung ihres gesetzlich vorbehaltenen Vermögens zum Gegenstand hat, ist mit dem Wegfall ihrer Prozeßunfähigkeit als Ehefrau jeder Grund weggefallen, aus welchem der Ehemann fortan in den Prozeß gezogen werden könnte. Bei Prozessen über das eingebrachte Vermögen entsprach die Vertretung der nicht prozeßfähigen Ehefrau durch den Ehemann oder die Zuziehung des Ehemanns neben der Ehefrau einentheils dem all­ gemeinen Rechtssatze, daß die von einer Ehefrau in Ansehung ihres einge­ brachten Vermögens ohne Bewilligung des Mannes gemachten Schulden nichtig seien"), andererseits fand dadurch zugleich die Rechtsstellung des Ehe­ manns als des Nießbrauchers und berechtigten Verwalters des eingebrachten Vermögens") Berücksichtigung. In der ersteren Beziehung enthält die ge­ setzlich anerkannte Prozeßfähigkeit der Frau einen erheblichen Eingriff"). Durch das zum Nachtheil der selbständig prozessirenden Frau ergehende Ju­ dikat wird eine Verbindlichkeit festgcstellt, die, soweit nicht ein Recht des Ehemanns entgegen steht, also aus dem vorbehaltenen Vermögen oder nach aufgelöster Ehe schlechthin erfüllt werden muß. Soll eine Verbindlichkeit als von der Ehefrau zu erfüllen, festgesteüt und ihr gegenüber vollstreckbar wer­ den, so kann jetzt die Klage nur gegen sie gerichtet werden; sie ist also nicht nur prozeßfähig, sondern auch zur Sache legitimirt. Der Ehemann kann sie nicht vertreten, und ein die Vollstreckung gegen sie selbst begründendes Urtheil 31) In jedem Falle, in welchem die Ehefrau zur selbständigen Rechtsverfolgung nicht legitimirt ist, wird der im Prozesse als Partei mitauftretende Ehemann noch immer auch der Staatskasse und dem Gegner zur Kosteiizahlnng verpflichtet. Vgl. oben Anm. 24. Sonst kann nur eine Verpflichtung des Mannes der Fra» gegenüber in Frage kommen. 32) II. 1. §. 320. Vgl. Anm. 38 und §. 208 bei Anm. 61 ff. “) II. 1. §§ 205. 231. 3‘) Dies erkennt Mandry a a. O. nicht an.

§ 206.

Die persönlichen Wirkungen.

35

kann nicht mehr gegen sie, vertreten durch ihren Ehemann, erstritten werden. Aber das gegen sie erwirkte Urtheil ist regelmäßig nicht in das dem Nieß­ brauchsrecht des Ehemanns unterliegende Vermögen vollstreckbar, dazu muß gegen den Ehemann das Recht, aus dem seinem Nießbrauch unterworfenen Vermögen Zahlung zu fordern, erstritten werben35). Macht ferner die Frau einen zu ihrem eingebrachten Vermögen gehörigen Anspruch kraft ihrer selb­ ständigen Prozeßfähigkeit selbst geltend, so wird der Richter bei Prüfung der Legitimation zur Klage in Betracht ziehen müssen, daß die Ehefrau über diesen Anspruch zur Zeit nicht verfügen kann. Solche Ansprüche der Frau werden also trotz ihrer Prozeßfähigkeit abgewiesen werden, und regelmäßig wird nach wie vor der Ehemann als der Klageberechtigte angesehen werden müssen. Aber auch sein Verwaltungsrecht ist ein beschränktes. Handelt es sich um Grundstücke oder Gerechtigkeiten, die zur Substanz des Eingebrachten gehören, oder um Kapitalien, welche auf den Namen der Frau geschrieben sind, so kann er darüber nur unter Zustimmung der Frau oder nach Ergänzung der Zustimmung durch das vormundschaftliche Gericht verfügen 3°). Die Allge­ meine Gerichtsordnung bestimmte deshalb, daß zu solchen Prozessen beide Eheleute zugezogen werden müssen, sofern nicht die fehlende Zustimmung der Ehefrau zur Prozeßerhebung obervormundschaftlich ergänzt fei37). Auch jetzt wird man diese Grenze der Sachlegitimation des Ehemanns im Prozesse fest­ zuhalten haben.

35) Verbindung des Prozesses gegen die Frau und gegen den Mann ist unbedenklich statt­ haft. Es fragt sich, ob der Satz des Terts auch anzuerkennen ist, wenn auf Grund eines gegen die Ehefrau vollstreckbaren Schuldtitels die Zwangsvollstreckung in das auf den Namen der Frau eingetragene oder ihr erweislich gehörige, dem Ehemann einge­ brachte Grundstück statt finden soll. Obgleich dieser gesetzliche Nießbrauch eine andere Behandlung forderte, so ergiebt doch die Entstehungsgeschichte des h. 12 des Eigenthumserwerbgesetzes — (vgl. B. 3 §. 184 bei Anm. 19), —'daß das Gesetz den ehemännlichen Nießbrauch im Verhältniß zu „Dritten" dem bloß persönlichen Recht auf Einräumung eines Nießbrauchs gleichstellen sollte. Freilich bewirkt die Handlungsunfähigkeit der Ehefrau, daß sie Dritten willkürlich nicht ohne Zustimmung des Ehemanns Rechte ein­ räumen kann. Aber die gegen die Frau als eingetragene Eigenthümerin auf Grund eines nur gegen sie vollstreckbaren Titels erlangte Eintragung einer Judizialhypothek und die Einleitung der Zwangsversteigerung und Zwangsverwaltung kann nicht bekämpft werden, weil der Ehemann das Nießbrauchsrecht und die Verwaltung habe, wenn sein Recht nicht eingetragen ist. Der Gläubiger, der die Eintragung oder Beschlagnahme erwirkt hat, ist für ihn ein Dritter, dessen Rechtsstellung er anerkennen muß. Ist aber sein Nießbrauch eingetragen, so wirkt er als ehemännlicher Nießbrauch weiter gehend, als der vertragsmäßig begründete Nießbrauch. Der letztere giebt nur ein Recht der Zwangsverwaltung auf den Antrag des jüngeren Gläubigers zu widersprechen, die Zwangsversteigerung muß sich der Berechtigte so, daß sein Nutzungsrecht bestehen bleibt, gefallen lassen. Wollte man letzteres bei einem dem eingetragenen ehemännlichen Nieß­ brauch unterworfenen Grundstück annehmen, so könnte der Ehemann doch unmöglich dem Ersteher gegenüber die Macht eines ehemännlichen Nießbrauchers behalten, sein Recht würde also durch den Verkauf geändert. Deshalb kann er nach §. 690 C.P.O. widersprechen. Sein Widerspruch gegen die Zwangsversteigerung wird aber dann nicht durchgreifen dürfen, wenn der Gläubiger darlegt, daß das gegen die Frau vollstreckbar festgestellte Recht das Grundstück bereits vor der Begründung des ehemännlichen Nieß­ brauchs belastet hat oder mit Zustimmung des Ehemanns zur Eintragung gelangt ist.

3ß) II. 1. §§. 232—239.

Vgl. unten §. 208 bei Anm. 41.

37) A.G.O. I. 1 §§. 19. 20.

36

Viertes Buch.

Die besonderen Privatrechte.

Nicht nur im Prozesse, sondern wie bereits erwähnt, auch bei Abschluß

von Rechtsgeschäften über das eingebrachte Vermögen ist die Ehefrau ohne Genehmigung des Mannes verpflichtungsunfähig").

Die generelle Ge­

nehmigung, welche nach den Artikeln 7—9 des deutschen Handelsgesetzbuchs vom Ehemann dazu gegeben sein muß, wenn eine Ehefrau als Handelsfrau

Geschäfte schließen soll, macht diese Geschäfte für die Ehefrau giltig, begrün­ det sogar eine Haftung ihres Vermögens, die das Recht des Ehemanns da­

rauf außer Betracht läßt.

Betreibt eine Ehefrau ein sonstiges Gewerbe —

selbst ohne Genehmigung ihres Ehemanns —, so werden die von ihr ge­ schlossenen Geschäfte nach § 11 der Reichsgewerbeordnung für sie selbst ver­ bindlich.

Bei Geschäften über das vorbehaltene Vermögen ist die Frau in

dem unter näher zu erörternden Maße verpflichtungsfähig").

In gewissen

Beziehungen erscheint sie auch ohne Vollmacht als berechtigte Vertreterin des

Mannes und verpflichtet nicht sich, sondern diesen "). Der Mann wird außer­

dem durch Kreditgeschäfte der Frau insoweit verpflichtet, als die erborgten gemeinschaftlichen Besten beider Eheleute nützlich

Sachen oder Gelder zum

verwendet futb41 38).* 40 In der geschilderten mundschaftlichen Abhängigkeit der Frau vom Ehe­

mann zeigt sich der deutschrechtliche Charakter des gegenseitigen Verhältnisies der Ehegatten nach dem A.L.R. Wird der Mann selbst noch bevormundet, so steht seinem Vormunde die Wahrung seiner Rechte zu. Durch die Verheirathung tritt die Frau aus der väterlichen Gewalt des Vaters, aber die über sie bestehende Vormundschaft wird nicht aufgehoben und, wenn sie noch minderjährig ist, tritt an die Stelle der väterlichen Gewalt die gesetzliche

38) Oben Anm. 32. Vertragsunfähig ist die Ehefrau nicht; sie erwirbt Rechte ans den von ihr geschlossenen Verträgen, mir gegen sie kann der Vertrag nicht ohne Weiteres geltend gemacht werden. Entsch. B. 43 S. 30, B. 73 S. 63, R.G. Entsch. B. 3 S. 252 und bei Gruchot B. 24 S. 490. II. 1. §§. 318. 319. S. unten §. 208 Anm. 13. 20. 40) Vgl. B. I. §. 74 Anm 6. Die Frau vertritt den Mann nach außen bei Entnahme von Waaren und Sachen (nicht auch von Geld) auf Borg zu gewöhnlichen Haus­ haltungsgeschäften (II. 1. §§. 321—323). Das Recht des Dritten, die Frau als be­ rechtigte Vertreterin des Mannes anzusehen, ist nicht etwa an die Voraussetzung geknüpft, daß ihr vom 'Mann nicht das nöthige Hanshaltungsgeld gegeben war. Wenn dies der Fall war, kann aber der Mann Ersatz aus deni Frauengut fordern. Die Legitimation beseitigt eine durch Vermittlung des Amtsgerichts erlassene öffentliche Bekanntmachung. Eine Kognition des Amtsgerichts findet dabei nicht statt. Es kommt bei solchen Geschäften nicht darauf an, daß die Fran ihr Vertretungsverhältniß ausdrücklich betont. Auch wenn sie das nicht gethan hat, wird nicht sie, sondern der Mann verpflichtet. Entsch. B. 79 S. 25, Gruchot B. 14 S. 145, B. 15 S. 127, B. 19 S. 276, B. 26 S. 1003. — Abgesehen von Geschäften int Bereich ihrer Schlüsselgewalt vertritt die Frau den -Wann als berechtigte Verwalterin seines Vermögens, wenn er sich entfernt hat, ohne über Besorgung seiner Angelegenheiten Verfügung zu treffen, — ist die Angelegenheit eilig, sogar wenn der Aufenthalt des Mannes bekannt, aber nicht schnell genug "erreichbar ist. II. 1. §§. 202. 203. 326. Entsprechendes gilt, wenn der Mann durch Krankheit am Betrieb seines Gewerbes verhindert ist, und die Frau in diesem oder zum Betrieb der Hauswirthschaft Schulden macht. II. 1. §. 327. — Ist der Frau ein Theil des Gewerbebetriebs übertragen, so verpflichten die von ihr in Abwesen­ heit des Mannes zum Gewerbebetrieb gemachten Schulden den Mann. II. 1. §. 325. 41) II. 1. §. 324. Vgl. unten §. 208 Anm. 62.

§. 206.

Die persönlichen Wirkungen.

37

Vormundschaft des Vaters"). Wenn die Frau mit ihrem Manne solche Rechtsgeschäfte abschließen will, bei denen die beiderseitigen Interessen ein­ ander entgegenstehen, hält das A.L.R. einen besonderen Schutz der Ehefrau erforderlich, es ordnet gerichtliche Abschließung des Vertrages an, damit der­ selbe für die Frau verbindlich werde. Bei dem Vertragsschluß ist ein ge­ wählter oder vom Richter ernannter Beistand der Frau zuzuziehen"). Die gleiche Vorschrift bestand nach Landrecht in allen Fällen, in denen die Frau zu Gunsten des Ehemanns sich zu etwas verbindlich machen sollte, wozu sie nicht schon die Gesetze verpflichteten, verstärkt durch die Nothwendigkeit der gerichtlichen Belehrung. Diese Bestimmungen sind mit den sonstigen Vor­ schriften über die weiblichen Rechtswohlthaten bei Jntercessionen beseitigt"). Ferner ergiebt sich aus der Gewalt des Mannes über die Frau, daß der Mann ein ausschließliches Recht auf ihre Person und ihre Thätigkeit hat. Ohne seine Einwilligung soll die Frau kein selbstständiges Gewerbe treiben, Diese Vorschrift ist für Handelsfrauen wiederholt, und wenn durch die Reichsgewerbeordnung die thatsächliche Möglichkeit eines selbständigen Gewerbebetriebs der Frau unabhängig von der Zustimmung des Mannes begründet worden ist, so gilt dies nur nach Außen. Unter den Eheleuten wird auch jetzt noch der Ehemann das Verlangen stellen können, daß die Frau sich des selbständigen Gewerbebetriebs enthalte"). Die Frau kann auch keine Verbindung eingehen (d. h. keine rechtliche Verbindlichkeit über­ nehmen), wodurch -es Mannes Rechte auf ihre Person gekränkt werden; ebensowenig darf der Mann ohne die Einwilligung der Frau eine Verpflich­ tung eingehen, durch welche ihre Person einem Dritten verhaftet wird, er darf also z. B. nicht die Frau zu Diensten verdingen"). Was sodann die persönliche Thätigkeit der Frau betrifft, so hat das A.L.R. den Grundsatz aufgestellt: „was die Frau in stehender Ehe erwirbt, erwirbt sie der Regel nach dem Manne""). Die Praxis ist darin fest, daß hier unter dem Erwerb der Frau nur derjenige zu verstehen sei, welcher durch ihre persönliche, schaffende Thätigkeit, durch ihre Arbeit im Hauswesen oder bei Unterstützung des Mannes in dessen Gewerbe erzielt wird"). Der 43) Vvrm.-Ordn. §. 12 vgl. mit §. 61. A.L.R. II. 2. §. 229 II. 18. §§. 736 ff. Vgl. unten §. 208 bei Anm. 53ff. ") II. 1. §§. 198—201. A.G.O. II. 1. §. 9. Vgl. Entsch. B. 66 S. 92, B. 78 S. 181. Strieth. B. 93 S. 181. Beispiele: Rechtspr. B. 4 S. 109. Strieth. B. 43 S. 94 (Kaufverträge zwischen Eheleuten), Entsagung der Hypothek der Frau für ihr Einge­ brachtes auf dem Grundstück des Mannes, überhaupt Verträge, die für den Mann lukrativ sind, also auch Schenkungsversprechen, Strieth. B. 43 S. 94. Dagegen ist ein kollidirendes Interesse, mithin die Beobachtung des §. 198 d. T. nicht angenommen, wenn die Frau dem Manne darleihet, leihet oder bei ihm deponirt, bei Strieth. B. 43 S. 94; ebenso nicht bei Vollmachten und Cessionen Entsch. B. 19 S. 236, Strieth. B. 70 S. 312. 44) Ges. v. 1. Dezbr. 1869 (Ges.-S. S. 1169). Entsch. B. 66 S. 92. ") ii. 1. tz. 195. H.G.B. Art. 7. Gew.-Ordn. §. 11. ") II. 1. §§. 196. 197. 47) II. 1. §. 211. 48) Präj. 702. Samml. I. S. 139. Entsch. B. 13 S. 286, B. 50 S. 240, B. 52 S. 144. Strieth. B. 4 S. 274, B. 6 S. 224, B. 11 S. 356, B. 46 S- 166, B. 66 ®. 190.

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Viertes Buch.

Die besonderen Privatrechte.

sonstige zufällige Erwerb wird erst in den folgenden §§ besprochen. Die Worte „der Regel nach" deuten aber darauf hin, daß es Ausnahmen giebt, und nach Bornemanns Mittheilung aus den Materialien") scheint die Ausnahme fich auf den Erwerb durch s. g. artifizielle Thätigkeit zu beziehen, so daß der Erwerb aus dem Gewerbebetrieb der Frau, aus ihren zum Ver­ kauf gefertigten Handarbeiten oder ihren künstlerischen Leistungen z. B. als Sängerin, Schauspielerin, Malerin ihr als Eigenthum zufallen müßte, dem Mann aber nur der Erwerb aus häuslicher Thätigkeit und aus ihrer Hilfleistung in seinem Gewerbe (operae domesticales et obsequiales) gehören würde49 50). Mehr noch als die Aeußerungen der Redaktoren, welche in § 211 keinen völlig entsprechenden Ausdruck gefunden haben, scheint das ihm bei­ gesetzte Allegat der §§ 219. 220 d. T. für diese Meinung zu sprechen. Denn hiernach gehören die von dem Erwerb aus dem besonderen Gewerbsbetrieb der Frau angeschafften Grundstücke und Kapitalien, wenn sie auf ihren Namen geschrieben sind, ihr, und nicht dem Manne. Dies zwingt in der That zu der Annahme, daß der artifizielle Erwerb einschließlich des Erwerbs durch Rechtsgeschäfte, die diesen Erwerb zum Gegenstand haben, der Frau gehört, und daß er nur dann von ihr in das Vermögen des Mannes übergeht, wenn sie ihn in dasselbe verwenden läßt oder selbst verwendet, und er nicht für sie in Grundstücken und Kapitalien festgelegt worden ist51).52 *So 54 würde auch das preußische Recht mit dem gemeinen Recht, das S varez hier falsch verstanden zu haben scheint, übereinstimmen"). Bei dem Erwerb durch lästige Ver­ träge mit Dritten kommt es für die Frage, ob die Ehefrau das Eigenthum erlangt, auch nicht darauf an, ob ihr selbst oder einem Andern das Eigen­ thum des verwendeten Entgelts zustand "). Handelt es sich aber für die Ehe­ frau darum, nachdem über das Vermögen ihres Ehemanns das Konkurs­ verfahren eröffnet ist, einen während der Ehe erworbenen Gegenstand als nicht zur Konkursmasse gehörig für sich auszusondern, so muß sie darlegen, daß der Erwerb anders als mit Mitteln des Gemeinschuldners gemacht ist"). 49) Bornemann V. S. 78. 50) Dies wird in der Praxis auch angenommen. Rechtsf. B. 3 S. 248 (Präj. 2149. Samml. II. S. 39). Strieth. B. 15 S. 91. Entsch. B. 52 S. 141. 51) Strieth. B. 57 S. 247. 52) Die Redaktoren haben angenommen, daß der artifizielle Erwerb der Frau nach ge­ meinem Recht dein Manne gehöre, aber darin haben sie sich geirrt. S. Bornemann V. S. 80 a. E. fg. Ueber das gemeine Recht s. Glück Bd. 24 S. 388. Berger, oecon. jur. III. 3. 8. Struben rechtliche Bedenken IV. nr. 25. Schott, Eherecht §. 181. Sachs. Wochenbl. f. merkw. Rechtsfälle. 1845. S. 236. 1852. S. 143. Seuffert II. 299. XI. 250. M) Vgl. Strieth. B. 91 es einen der gemeinschaftliche Erwerb geschwächt wird, aus dem Vermögen dieses Ehegatten die Minderung ergänzt werden muß "). Von Wichtigkeit ist es daher, von Anfang an festzustellen, was zum gemeinschaftlichen Erwerb und was zum besonderen Vermögen gehört. Dies wird erreicht durch ein gerichtlich zu beglaubigendes und unter Zuziehung des Vaters der Frau oder eines rechtskundigen Beistandes bei Abschließung der Ehe oder bei der vertragsmäßigen Begründung dieser be­ sonderen Gemeinschaft zu errichtendes Inventar des beiderseitigen Ver­ mögens mit Werthangabe für die einzelnen Stücke"). Was in dieses Verzeichniß nicht ausgenommen ist, wird als zum Erwerb gehörig vermuthet; wird das Verzeichniß nicht angefertigt, so wird bei der Auseinandersetzung alles Vorhandene zum Erwerb gerechnet"). Was während der Ehe durch Schenkung, Vererbung oder Vermächtniß dem einen Ehegatten, zusällt, gehört nicht zur Gemeinschaft des Erwerbs, wohl aber was durch andere Glücksfälle gewonnen ist und alle Nutzungen von dem gesonderten Vermögen"). Tritt ein Ehegatte mit Schulden und ohne eigenes Vermögen in die Ehe, so kann der andere innerhalb zweier Jahre aus Absonderung des künftigen gemeinschaftlichen Erwerbs cm» tragen88 84).89 *** D. Ausschließung und Aufhebung der G.G. Vor der Ehe d. h. vor dem die Ehe begründenden Civilstandsakt, kann die atn ersten Wohnsitz provinzialrechtlich oder statutarisch geltende G. G. durch einen gerichtlich auf­ genommenen oder anerkannten Vertrag ausgeschlossen werden88). Dies genügt, um die Ausschließung zwischen den Eheleuten wirksam zu machen; soll aber die Ausschließung auch gegen dritte Personen wirken, die nach Ab­ schluß der Ehe zu dem einen oder anderen Ehegatten in das Rechtsverhältniß des Gläubigers treten, und denen Kenntniß von der Ausschließung nicht nach­ gewiesen werden kann, so muß der Vertrag dreimal innerhalb vier Wochen durch die Provinzialzeitungen oder den öffentlichen Anzeiger des Amtsblatts

II. 1. §§. 406-409. Entsch. B. 19 S. 403. II. 1. §§. 397-399. II. 1. §§. 400. 401. II. 1. §§.402—405. Bornemann V. 147f. Auch der Lotteriegewinn aus einem bei Eingehung der Ehe vorhandenen, geschenkten oder ererbten Lotterieloos. Nicht aber der beim Verkauf des Looses erzielte Erlös. 88) II. 1. §. 410. 89) II 1. §.412. Ges. v. 20. März 1837. §. 2. Wenn der Ausschließungsvertrag vor einem ausländischen Richter oder nach dem Rechte des Vertragsorts dazu kompe­ tenten Notar ausgenommen, so bedarf es nach dem Grundsatz locus regit actum nicht noch der Anerkennung des Vertrages vor dem inländischen Richter, der die Be­ kanntmachung zu bewirken hat. Koch, Note zu §. 2 des Ges. v. 20. März 1837 gegen das Reskr. v. 29. Mai 1841. JMBI. S. 374. Die Form des Vertrages über Einführung und Ausschließung der Gütergemeinschaft nach dem Ges. v. 20. März 1837 bezieht sich nur auf den Geltungsbereich des A.L.R. Strieth B. 66 S. 118.

84) °b) ««) ”)

74

Viertes Buch.

Die besonderen Privatrechte.

bekannt gemacht werden'"). Die Ausschließung tritt dann auch gutgläubigen Dntten gegenüber ein, sobald der zur Bekanntmachung bestimmte vierwöchent­ liche Zeitraum abgelaufen ist, die Wirkung wird aber bis auf den Tag der Eheschließung zurückbezogen, wenn von da innerhalb vier Wochen die öffent­ liche Bekanntmachung bei Gericht beantragt war, und diese innerhalb der nächsten vier Wochen stattgefunden hat"). Wer int Handelsverkehr mit einem Kaufmann oder einer Handelsfrau Geschäfte schließt, kann, wenn die letzteren zu den in das Handelsregister einzutragenden Kaufleuten gehören, erwarten, daß eine Ausschließung der Gütergemeinschaft in das Register eingetragen und demgemäß veröffentlicht werde. Ist dies unterblieben, so ist die dem an­ dern Kontrahenten unbekannt gebliebene Ausschließung ihm gegenüber unwirk­ sam"). Nach Landrecht mußte die Ausschließung auch noch auf den Grund­ buchblättern der ohne den Ausschluß der Gütergemeinschaft für gütergemein­ schaftlich zu haltenden Grundstücke vermerkt werden, sonst sollte die Aufhebung Dritten in Geschäften, welche die Grundstücke betreffen, nicht nachtheilig sein"). Man hat aber vergebens gesucht, etwa eintretende Nachtheile der unterlassenen Eintragung zu entdecken. Die Grundbuchgesetze erwähnen der­ artige Vermerke nicht mehr, sie sind also jedenfalls jetzt bedeutungslos. Während der Ehe kann die bestehende G.G. zwar auch vertragsmäßig mit sofortiger Wirksamkeit aufgehoben werden, wenn die Wirkung davon sich nur auf die künftige Succession der Eheleute beziehen soll "); mit voller Wirkung kann ferner die durch Vertrag entstandene Gemeinschaft jederzeit durch gerichtlichen, öffentlich bekannt zu machenden Vertrag aufgehoben werden "). Dagegen darf die durch Provinzialrecht und Statut begründete Gemeinschaft grundsätzlich später nicht aufgehoben werden"). Von diesem 90) II. 1. §. 422. Ges. v. 20. März 1837. §. 4. R.G. Entsch. B. 5 S. 275. Eine Bekanntmachung der Ausschließung ist nur in Betreff der Schulden während der Ehe, nicht in Betreff vorehelicher Schulden nöthig. Entsch. B. 7 S. 384. Strieth. B-87 S. 11. Bornemann V. 140. Note 6. Bezüglich derjenigen Personen, die die Ausschließung bei einem Geschäftsschluß kannten, ist die Bekanntmachung gleichgiltig. Entsch. B. 56 S. 217, B. 62 S. 301. ") Ges. v. 20. März 1837. §. 4. Entsch. B- 15 S. 401. Die Ausschließung der G.G. muß auch in dem Falle öffentlich bekannt gemacht werden, wenn die Ehefrau minderjährig und bevormundet ist. Die §§. 780ff. II. 18 stehen nicht entgegen. Entsch. B. 62 S. 301. Der Dritte, der ohne öffentliche Bekanntmachung Kenntniß von der Ausschließung hatte, muß diese gegen sich wirken lassen. Daselbst S. 307. 92) Einf.-Ges. zum HGB. Art. 20 in Verbindung mit II. 1. §§. 423. 429, nur für die einzelnen im guten Glauben Geschäfte schließenden Gläubiger, nicht für alle Gläubiger, also auch nicht mit der Wirkung das Frauengut zur Konkursmasse zu ziehen. R.G. bei Gruchot B. 27 S. 451. Gegen die Gläubiger des nicht kaufmännischen Ehegatten genügt die allgemeine Bekanntmachung. Entsch. B. 56 S. 215, B. 61 S. 151. War die Ehe vor Einführung des A.H.G.B. eingegangen und die Ausschließung der G.G. gehörig bekannt gemacht, so bedarf es nicht der nachträglichen Eintragung in das Handelsregister. Entsch. B. 66 S. 96. 93) II. 1. §§. 424. 430. “) II. 1. §§. 418. 427. Entsch. B. 48 S. 195. Strieth. B. 46 S. 290. Auch die Rücksicht auf den Pflichttheil der Kinder hindert nicht. Reskr. v. 30. Oktbr. 1797. N. C. C. X. p. 1937 N. 43 des Nachtrags 1798. Rabe B. 4 S. 336. — §. 422 be­ zieht sich nicht auf §. 418. Entsch. B. 52 S. 155. Strieth. B. 54 S. 328. 95) II. 1. §.419. Ueber die Ausführung vgl. unten §.215 unter B. a. 96) II. 1. §§.354. 413. 414. II. 18. §§.780. 781. Unzweifelhaft aber kann, wenn die

§. 209.

Die Gütergemeinschaft.

75

Grundsatz giebt es aber Ausnahmen. Zunächst kann statt der schon er­ wähnten Absonderung innerhalb zweier Jahre im Fall des überschuldeten Eintritts des einen Gatten in die Ehe der andere Gatte die Auflösung der Gemeinschaft durch einseitige Erklärung herbeiführen97). Daffelbe geschieht, wenn der eine Ehegatte in Konkurs verfällt und nun der andere die Güter­ gemeinschaft für die Zukunft ausschließen will Wenn ferner der Wohn­ sitz der Gatten von einem Orte, an welchem Gütergemeinschaft gilt, an einen andern verlegt wird, wo dies nicht der Fall ist, so kann einer jetzt erfolgenden vertragsmäßigen Aufhebung der Gemeinschaft die Wirkung gegen Dritte gegeben werden "**). In allen diesen Fällen muß die Ausschließung gerichtlich erklärt werden, und die Veröffentlichung muß in der oben ge­ dachten Weise erfolgen, bei der vertragsmäßigen Aufhebung in Folge einer Verlegung des Wohnsitzes aber nicht am Orte des neuen, sondern an dem des alten Wohnorts 10°). Die Aufhebung wirkt in allen diesen Fällen übri­ gens nur gegenüber den später zu den Eheleuten in Rechtsverhältnisse tre­ tenden Dritten. Denjenigen Glänbigern, deren Forderungen während der bestehenden Gemeinschaft gegen diese entstanden find, bleiben die Rechte an das gemeinschaftlich gewesene, jetzt gesonderte Vermögen ungeändert Vorbe­ halten *01). Verlegen Eheleute ihren Wohnsitz an einen Ort, in welchem gesetzlich das Recht der Gütergemeinschaft gilt, so sind sie, obgleich sie bis dahin nach dem Rechte ihres ersten Domizils oder in Folge rechtsgiltiger und publizirter Ausschließung in getrennten Gütern gelebt haben, für die unter der Herr­ schaft der Gesetze des neuen Wohnorts kontrahirten Verbindlichkeiten der Ge­ fahr ausgesetzt, daß Dritte berechtigt werden, sie als gütergemeinschastliche Eheleute anzusehen, und sich danach an das beiderseitige Vermögen zu halten,

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Eheleute die Gütergemeinschaft ausgeschlossen haben, dieselbe während der Ehe von ihnen auch wieder eingeführt werden. Ein solcher Vertrag bedarf aber der Zuziehung des Vaters der Ehefrau. Reskr. v. 14. Febr. 1834. Koch, Note zu §. 354, der jedoch die Zuziehung des Vaters nicht für nöthig hält. II. 1. §. 420. Demnächst findet die Auseinandersetzung zwischen den Ehegatten nach Maßgabe der Grundsätze statt, welche bei Auflösung der Ehe durch den Tod gelten. Das, was als Vermögen der Frau festgestellt wird, fällt als Jllatengut in den Meß­ brauch des Mannes. II. 1. §. 421. — Einer Auseinandersetzung bedarf es in diesem Falle nicht, und da die Frau nach dem landrechtlichen Ehegüterrecht nach Beendigung des Konkursverfahrens über das Vermögen des Mannes ihr -künftig erworbenes Vermögen in eigene Ver­ waltung bekommt, so muß das auch hier gelten. II. 1. §. 417. Entsch. B. 30 S. 132, B. 83 S. 45. II. 1. §§. 422. 425. II. 1. §.431. Was heißt hier „gemeinschaftlich gewesenes Vermögen"? Die Rechts­ stellung des älteren Gläubigers soll dieselbe bleiben, wie wenn die Gütergemeinschaft nicht aufgehoben wäre. Sie wird also als fortbestehend fingirt und ergreift alles, was von dem einen oder dem andem Ehegatten demnächst erworben wird und — abgesehen von dem Aufhebungsakt in Folge des dauernden Bestehens der Ehe — zum güter­ gemeinschaftlichen Vermögen gehört haben würde. Eine Jnterpretatton der Worte da­ hin: an diejenigen Gegenstände, welche zur Zeit der Auflösung zum gemeinschaftlichen Vermögen wirklich gehörten, würde weder dem Wortlaut noch der Absicht des Gesetzes gerecht. Vgl. R.G. Entsch. B. 5 S. 277, R.O.H.G. B. 10 S. 421, B. 19 S. 42. Entsch. B. 68 S. 169. S. auch Rassow in Behrend's Zeitschrift B. 8 S. 455 über dieselbe Frage vom deutschrechtlichen Standpunkt.

76

Viertes Buch.

Die besonderen Privatrechte.

weil eine gütergemeinschaftliche Schuld als vorliegend zu erachten sei. Diesen Folgen können sich die Gatten im ersten Fall nur durch einen Vertrags­ schluß und dessen Veröffentlichung, im letzteren durch erneute Veröffentlichung des bereits publizirten Ausschlusses der Gütergemeinschaft im neuen Wohn­ ort entziehen ’03). Welche Wirkung bei der Auflösung der Ehe durch Tod oder Scheidung die Gemeinschaft der Güter äußert, wird in den §§ 211. 215 erörtert wer­ den. Eine thatsächliche Trennung der Eheleute während bestehender Ehe hebt die Gütergemeinschaft nicht auf102 103).

Drittes

Kapitel.

Die Auflösung der Ehe.

Erster Abschnitt. §. 210. A.8.R. II. 1. §§. 933—1014.

Die Nichtigkeitserklärung der Ehe. C.P.O. §§. 568—591.

S. 162 fg.

Schmidt §§. 8. 9 S. 35 fg.

scheidung.

1881. S. 84.

Dernburg III. §. 8.

Jacobson S. 572 f.

Gitzler

W. Peters, die Ehe­

Eine Ehe ist nicht geschlossen, wenn nicht der Akt des Eheschlusses in der vom Gesetz bestimmten Form stattgefunden hat. Hat also nicht gerade dieser Mann und gerade diese Frau vor dem Standesbeamten die gesetzlichen Fragen bejaht, oder fehlt es an dem Ausspruch des wirklich gehörig bestellten Standesbeamten, der diese Personen auf Grund ihrer Erklärung für rechtmäßig 102) II. 1. §§. 352. 416. 426. Das A.L.R. spricht sich nicht darüber aus, ob im Fall des §. 416 die Aufhebung vor der Verlegung des Wohnsitzes erfolgen müsse. Die früheren Auflagen meinen mit Ges.-Rev. XIV. 289 die Analogie des §. 354 spreche bei gleichen Gründen dafür. Die Reskr. v. 1. März 1822 und 13. Oktbr. 1826 lassen dagegen die Aufhebung auch noch nach der Aenderung des Wohnsitzes zu. In der That handelt es sich hier gar nicht um Aufhebung der Gütergemeinschaft, sondern um Beseitigung einer Fiktion, die nur den späteren Gläubigern gegenüber eintritt. Und es ist nicht abzusehen, warum das in Wahrheit unter den Eheleuten nach wie vor geltende ge­ trennte Eherecht nicht den späteren Gläubigern gegenüber jederzeit soll zur Geltung ge­ bracht werden können. — Hieran knüpft sich eine weitere Frage: Der §. 352 macht ausdrücklich keinen Unterschied zwischen den Fällen, in denen der Gläubiger im neuen Wohnort die wahre Rechtsstellung der Eheleute zu einander kennt oder nicht kennt; und der Umstand, daß h. 416 nicht die einfache Publikation der Thatsache, daß die Eheleute unter der Herrschaft getrennten Güterrechts das erste Domizil gehabt, sondern der Abschluß eines Vertrags unter den Eheleuten, der freilich nur die Fiktwn den Gläubigern gegenüber ausschließen soll, und dessen Publikation anordnet, scheinen dafür zu sprechen, daß die Folge des §. 352 nur durch die Publikation der §§ 416. 422, nicht anch durch Kenntniß des neuen Gläubigers von dem wahren Sachverhältniß be­ seitigt werde. So auch Strieth. B. 87 S. 1. In der That muß man danach an­ nehmen, daß, bis die Eheleute unter einander vertragsmäßig den Ausschluß der Folge des §. 352 zugesichert haben, Kenntniß von dem früheren Güterrecht irrelevant ist. Die Kenntniß von diesem Vertrage aber muß der Kenntniß von einern wirksamen Vertrag über Ausschluß der G.G. gleich geachtet werden. — Ueber die Wirkung der Unterlassung der Republikation im Falle des §. 426 vgl. Entsch. B. 69 S. 101. 103) Vgl. Seuffert XII. 341.

§. 210.

77

Die Nichtigkeitserklärung der Ehe.

verbundene Eheleute erklärt hat, so ist keine Ehe begründet, und es kann die

aus irgend einem Grund erhebliche Feststellung,

Personen nicht Eheleute sind,

zesses erwirkt werben ')•

daß die in Rede stehenden

in den ordentlichen Formen

des

Civilpro-

aber äußerlich eine Ehe geschlossen, der so ge­

Ist

schlossenen Ehe gerade dieser beiden Personen fehlt es aber innerlich an den Voraussetzungen einer Ehe,

so kann der äußerlich stattgehabte Eheschluß bei

Lebzeiten der Eheleute nur in der Weise seiner Wirksamkeit entkleidet wer­ den, daß die Ehe in dem besonderen dafür bestimmten Verfahren für nichtig

oder ungiltig erklärt wirb3).

Bereits in § 203 ist der Unterschied von nichtigen und ungiltigen Ehen er­

örtert, und auf das Verhältniß desselben zum Grade der Wirkung der Ehehinder­ nisse hingewiesen. Nach dem System desA.L.R. ist eine Ehe insbesondere nichtig bei eintzr zu nahen Verwandtschaft und Schwägerschaft, bei noch bestehender

Ehe, wenn der schon verheirathete Ehegatte

dies

gewußt hat,

Ehebrechern, wenn nicht Dispensation ertheilt worden ist.

und zwischen

Insoweit sind die

landrechtlichen Bestimmungen im geltenden Recht maßgebend.

Dagegen ist

im neueren Recht ausgehoben der Nichtigkeitsgrund des mangelnden Konsenses

bei Militärpersonen, des Standesunterschiedes und der Religionsverschieden­ heit 3).

Ungiltig ist die Ehebei noch nicht mannbarem Lebensalter, mangeln­

der Freiheit der Einwilligung,

bei bestehender Adoption,

bei fehlender Ge­

nehmigung der Eltern oder Vormünder, endlich die aus unverschuldetem Irr­ thum über die Auflösung der älteren Ehe eingegangene zweite Ehe Wall der Putativehe/).

Die nichtige soll von Amtswegen

aufgelöst werden, der

*) Das gilt nicht nur, wenn jemand betrüglich den Standesbeamten gespielt, sondern auch, wenn er sich irrthümlich für den gehörig bestellten Standesbeamten gehalten hat. — Wenn eine der die Ehe schließenden Personen sich fälschlich für eine andere ausgegeben hat, um den Schein einer Ehe der letzteren hervorzurufen, so ist für diese letztere, die niemals die Willenserklärung des Eheschlusses abgegeben hat, eine für nichtig zu er­ klärende Ehe nie geschlossen. Könnte es vorkommen, daß die Erklärung zweier Per­ sonen desselben Geschlechts als Eheschluß von Standesbeamten entgegen genommen wäre, so könnte selbstverständlich voll einer Ehe nicht die Rede fein. Wird dagegen nach dem scheinbaren Eheschluß eines Mannes und einer Frau nachträglich geltend ge­ macht, daß der eine der beiden Theile dem Geschlecht nicht angehört, das er sich bei­ gelegt hat, so kann es zweifelhaft sein, ob es der förmlichen Nichtigkeitserklärung be­ darf, zumal die Enscheidung solcher Fälle bekanntlich nicht immer thatsächlich zweifellos gewesell ist. Dennoch wird man festhalten müssen, daß in solchen: Fall nie von einer Ehe die Rede sein kann. Eine thatsächlich unmögliche Ehe aber bedarf nicht der Auf­ hebung durch Nichtigkeitsurtheil. 2) Gegenwärtig in dem Verfahren des sechsten Buchs der Civilprozeßordmmg (§§. 568 bis 592), früher Gesetz v. 28. Juni 1844. Nach dem Tode des einen Gatten kann von dessen Rechtsnachfolger oder von dritten Personen, die daran Interesse haben, die Feststellung der Nichtigkeit der Ehe auf Grund der Nichtigkeit des Eheschlusses im ordentlichen Prozeßverfahren erwirkt werden. C.P.O. §. 588. Eine nachmalige |gefb stellung der Ungiltigkeit findet nur insofern statt, als die wegen eines Willensmangels von dem Ehegatten angestellte Klage von seinen Erben fortgesetzt werden kann (II. 1. §. 42) und als wegen Zwangs sogar ein selbständiges Klagerecht der Erben besteht (II. 1. §. 43). Diese Klage muß im Eheprozesse verfolgt oder erhoben werden. Ueber Fortsetzung der Ehenichtigkeitsklage durch die Erben nach gemeinem Recht vgl. R.G.Entsch. B. 9 S. 212. 3) Ges. v. 22. Febr. 1869 (Ges.S. S. 365). Ges. v. 9. März 1874. §. 56. 4) A.L.R. II. 1. §§. 942. 968—972. Der Begriff der Putativehe ist übrigens ein allge­ meinerer, sie ist vorhanden, wenn sie im Irrthum über einen Nichtigkeitsgrund abge-

Viertes Buch.

78

Die besonderm Privatrechte.

Staatsanwalt hat deshalb bei dem Gericht Klage zu erheben5*),6* 7aber * 9 10dadurch wird das Klagerecht der Ehegatten gegen einander nicht ausgeschlossen°). Die nichtige Ehe kann zwischen den Verbundenen niemals Rechte und Pflichten, wie solche aus einer wirklichen Ehe entspringen, erzeugen'), sie kann auch nicht hinterher giltig werden, wenn das Hinderniß wegfällt, vielmehr bedarf es dann einer neuen Ehevollziehung *). Die ungiltige Ehe bleibt bestehen, wenn sie nicht von den Rügeberechtigten angefochten wird, und sie wird hinter­ her als von Anfang an giltig angesehen, wenn das Hinderniß gehoben wor­ den ist'). Wer im einzelnen Fall als rügeberechtigt angesehen werden muß, ist im § 203 erörtert. Hiernach bestimmen sich die vermögensrechtlichen Folgen. 1. Bei nich­ tigen Ehen: a. Haben beide Theile den Nichtigkeitsgrund gekannt, so wird der Mann, der das Vermögen der Frau verwaltet hat, als ein Verwalter fremder Güter verpflichtet; nur ist er davon frei, über die gezogenen Nutzungen Rechnung zu legen, weil diese auf den der Frau gewährten Unterhalt ver­ rechnet werden sollen'"), b. War dem Mann allein die Nichtigkeit bekannt, so gilt er als unredlicher Besitzer des Frauenguts, er muß die Nutzungen

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7) ®)

9)

10)

schlossen worden, auch wenn der wirkliche Abschluß der Ehe nur irrig angenommen ist. Richter § 267. Seuffert I. 236. II. 60. C.P O. § 586. Aelteres Recht AL.R. II. 1. §§.950. 951. Verordn, v. 28. Juni 1844 §. 5. Entsch. B. 1 S. 32, B. 34 S. 177, B. 44 S. 140, B. 51 S. 250. Strieth. B. 44 S. 244. Darüber, ob auch der Ehegatte und dritte Personen die Nichtigkeit geltend nnachen können, soll nach §. 586 C.P.O. das bürgerliche Recht entscheiden. Peters a. a. O. S. 86 leitet daraus, daß schon nach Landrecht der Richter die nichtige Ehe von Amtswegen auflösen sollte, her, daß es kein Klagerecht des Ehegatten'gab: — aber wenn einer der Gatten selbst Klage erhob, so lag doch für den Richter kein Bedürfniß vor, einen fiskalischen Beamten mit der Klage zu betrauen. Aus §.16 Ver. vom 28. Juni 1844 geht klar hervor, daß der Gesetzgeber an die Möglichkeit der Ehe­ nichtigkeitsklage des Gatten dachte, denn das Gesetz schrieb Mittheilung auch der Klagen auf Nichtigkeit an den Staatsanwalt vor. — So muß es als preußisches Recht angesehen werden, daß auch den Eheleuten das Klagerecht zusteht. Für dritte Personen kann es regelmäßig erst nach dem Tode eines Ehegatten nach Anm. 2, also nur als Feststellungsklage in Frage kommen. Nur der Vater hat nach II. 1. §§. 994. 997 ein Klagerecht (vgl. §. 203 Anm. 22); und der Nichtigkeitsgrund ver­ schuldeter Bigamie kann auch von dem ersten Gatten bei Lebzeiten der Eheleute in den Formen des Prozesses geltend gemacht werden. Oben §. 203 Anm. 39. II. 1. §. 952. So lange aber die Ehe nicht gerichtlich vernichtet worden, besteht die Pflicht des Mannes, die Frau zu alimentiren. Seuffert XIII. 39. II. 1. §§. 941. 946. Auch bei nachträglicher Dispensation vom Ehehinderniß des Ehebruchs wird die nichtig geschlossene Ehe nicht giltig. Stölzel in Dove's Zeitschr. für Kirchenrecht. B. 17 S. 90. II. 1. §§. 973—976. Der §. 975 unterscheidet nicht, ob das Hinderniß durch Ver­ änderung der Umstände, oder durch die Gesetzgebung gehoben worden ist. Entsch. B. 46 S. 208. Kläger in dem Prozeß wegen Üngiltigkeit ist entweder der eine Ehe­ gatte gegen den anderen, oder der dritte Berechtigte gegen die Ehegatten. Auch ein Vormund des einen Ehegatten Namens desselben? Vgl. R.G. Entsch. B. 9 S. 219. Der Staatsanwalt hat nicht von Amtswegen einzuschreiten, aber er ist zur Mitwirkung befugt und erhält von allen Terminen von Amtswegen Kenntniß. C. P.O. §. 569. Ueber den Unterschied von Ungiltigkeits- und Scheidungsklagen s. Strieth. B. 15 S. 18. — Wenn eine Ehe rechtskräftig für nichtig oder ungiltig erklärt ist, muß dies ebenso wie eine rechtskräftige Auflösung der Ehe am Rande im Heirathsregister vermerkt werden. Ges. v. 6. Febr. 1875. §. 55. II. 1. §§. 953—955.

§. 210.

Die Nichtigkeitserklärung der Ehe.

79

desselben und die Verschlechterungen wie ein solcher vertreten und darf nur abziehen, was er in den Nutzen und zum Unterhalt der Frau wirklich ver­ wendet hat"). Im Konkursverfahren über das Vermögen des Mannes be­ steht keine besondere Rechtsstellung dieses Anspruchs. Soweit das ältere Recht ein Vorrecht der Ansprüche der Ehefrau anerkannte, bestand dasselbe auch für die Ansprüche der mit dem Ehehinderniß unbekannten Frau, die in nichtiger Ehe gelebt hat"), c. War der Frau allein die Nichtigkeit bekannt, so ver­ tritt der Mann nur grobe Versehen seiner Verwaltung"). In den Fällen b. und c. muß außerdem der unschuldige Theil von dem schuldigen schadlos gehalten werden"). Die Schadloshaltung wird berechnet nach dem höchsten Satz der Ehescheidungsstrafen, sie wird aber verwirkt, wenn der unwissende Theil Handlungen begangen hat, welche bei giltiger Ehe Scheidung mit Strafe nach sich ziehen würden15). d. Die Rechte, welche dritte Personen durch Verhandlung mit einem der Gatten vor der Aufhebung der Ehe er­ langt haben, werden, wenn ihnen das trennende Hinderniß unbekannt ge­ wesen, von der Vernichtung der Ehe nicht berührt, nur im Fall der Doppel­ ehe darf das Recht des ersten und wahren Ehegatten nicht durch Verhand­ lungen mit Dritten gekränkt werden"). 2. Bei ungiltigen Ehen ist die Anfechtbarkeit meist an die Frist von 6 Monaten gebunden, deren Anfang entweder vom Lage der Ehevollziehung, oder von der erlangten Kenntniß des Hindernisses, oder von der erreichten Ehemündigkeit oder Großjährigkeit berechnet wird"). Bei der Anfechtung wegen unverschuldeter Bigamie liegt der Anfechtungsgrund so lange die beiden Ehen nebeneinander bestehen in jedem Augenblick von Neuem vor, er ver­ schwindet erst mit dem Wegfall der einen Ehe: hier kann also von einer Frist nicht die Rede sein. Die Wirkung der Anfechtung ist dieselbe, wie bei der Nichtigkeitserklärung: die Ehe wird durch das Urtheil aufgelöst und die ver­ mögensrechtlichen Folgen werden ebenso bestimmt"). Hervorzuheben ist nur: Wenn die wegen Adoption anfechtbare Ehe giltig wird, so sind die Rechte und Pflichten aus der Adoption beseitigt"); wird sie vernichtet, so verliert ”) ,2) --) ")

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II. 1. §§ 956. 957. II. 1. §. 958. Konk.-Ordn. 1855 §. 80 Abs. 2. II. 1. §. 959. Deshalb ließ die preußische Praxis im Eheprozeß auch den Antrag, den Beklagten für den schuldigen Theil zu erklären, zu. Strieth. B. 47 S. 107: Da die Schuld des einen Gatten dem anderen gegenüber nicht die Grundlage des Spruchs über die Nichtigkeit bildet, so wird die Hineinziehung dieser Frage in den Ehenichtigkeits­ prozeß zur Zeit als ausgeschlossen angesehen werden müssen. II 1. §§. 963—965. 967. II. 1. §§. 960—962. II. 1. §§. 976. 986. 990. 994. 999 (984). Vgl. dazu Stützet in Dove's Zeitschr. für Kirchenrecht B. 17 S. 70. Nur bei der Anfechtung der Ehe wegen des Mangels der freien Einwilligung (Zwang, Irrthum, Betrug) ist eine sechswöchige Frist zur Klaganstellung geboten. II. 1. §. 41. — Es handelt sich hier nicht um Verjährung des Klagerechts, sondern um Fristen, welche auch während der Minderjährigkeit laufen. Ges.-Rev. XV. S. 473. Ueber den Beginn bergrift s. Entsch. B. 29 S. 380. Strieth. B. 14 S. 351. II. 1. §. 974. II. 1. §§. 985-987. Stölzel a. a. O. S. 99-102.

80

Viertes Buch.

Die besonderen Privatrechte.

der Adoptivvater alle Rechte aus

der Adoption,

die Adoptirte behält aber

ihre Ansprüche aus derselben"). Das Recht der Eltern, wegen mangelnder Genehmigung das Kind bis auf den halben Pflichttheil zu enterben, ist be­ reits erörtert worden").

Zweiter Abschnitt.

§. 211. Die Auflösung der Ehe durch dcu Tod. A.L.R. II. 1. §§.434—437. 501—620. 634-664. Bornemann V. 153. Koch, Pr.-R. II. S. 578fg. 590f. Dernburg III. §§.27. 32. 39. Schmidt §§.31-35, §.49 ängt). Nach fr. Recht, auch wenn die Publikation des bereits beschlossenen Scheidungsurtheils auf 1 Zahr ausgesetzt worden und der schuldige Ehegatte vor der Publikation gestorben ist. (Entsch. B. 17 S. 507), — ein Fall der tlicht mehr vorkommen kann. ") II. 1. §. 832. «) II. 1. §. 833. Bornemann V. 226. ") II. 1. §. 823. Gesetzrevisor XVI. S. 446f.

§. 216.

Die Ehe zur linken Hand.

113

zu erkennende Strafe kann schon um deshalb nicht mehr in Frage kommen, weil das Ehegericht als solches nicht mehr über die Abfindung zu erkennen hat.

Viertes

Kapitel.

Eheähnliche Verhältnisse. §. 216.

I.

Die Ehe zur linken Hand.

A.8.R. II. 1. §§. 835—932. Bornemann V. 259. Koch, Pr.-R. II. S. 606. Dernburg III. §. 3. Schmidt §. 56 S. 421. Fischer §. 104.

Das Institut der Ehe zur linken Hand ist dem praktischen Rechtsleben fast fremd geblieben; es verdankt seine Aufnahme in das Gesetzbuch einem Vorurtheil von Svarez, an welchem er trotz vielfacher Einwürfe festhielt. Er meinte, daß durch diese Form der Ehe einerseits unehelichem Geschlechts­ verkehr, andererseits einer Ehelosigkeit vorgebeugt werden könnte, die eine Folge der Schwierigkeit sei, bei den gesteigerten Bedürfnissen des Lebens eine Frau standesgemäß zu unterhalten'). Da das Institut geringe prak­ tische Anwendung gefunden hat, so bedarf es hier nur kurzer Bemerkungen zu seiner Charakterisirung. Nach gemeinem deutschen Recht ist die morganatische Ehe nur dem hohen Adel gestattet. Nach dem Familienrecht, das in den einzelnen reichs­ ständischen Familien — auch in Preußen maßgebend, — gilt, kann der un­ ebenbürtigen Frau und den Kindern aus der unebenbürtigen Ehe, auch wenn nicht die Absicht bestand, eine morganatische Ehe einzugehen, die volle Rechts­ stellung ebenbürtiger Frauen und von Kindern aus ebenbürtigen Ehen fehlen*2). Im A.L.R. ist aber eine morganatische Ehe mit landesherrlicher Genehmigung — die auch schon das ältere preußische Recht erfordert hatte2) — Männern höheren Geburtsstandes mit Frauen niederen Standes überhaupt gestattet. Die Ehe setzte nächst landesherrlicher Genehmigung die ausdrückliche gerichtlich bestätigte Vertragsabrede voraus, daß die Ehe eine solche zur linken Hand sein solle. Sie wurde, wenn diese Voraussetzung vorlag, solange kirchliche Trauung die Form der Eheschließung war, symbolisch durch Trauung zur linken Hand vollzogen. Aber eine Ehe, welche nach den in gehöriger Vertragsform niedergelegten und landesherrlich genehmigten Willenserklärungen der Ehegatten nur die Wirkungen der morganatischen Ehe erzeugen sollte, würde die vollen Ehe­ rechte auch dann nicht begründet haben, wenn demnächst die Trauung zur rechten Hand erfolgt wäre. Danach ist es gleichgiltig, daß zur Zeit die symbolische Form des Eheschlusses weggefallen ist, und daß jetzt die morgana­ tische Ehe ohne jeden Unterschied von anderen Ehen nur nach den Formen ’) Ueber die Entstehungsgeschichte s. Borne mann V. 259. 2) Vgl. R.G. Entsch. B. 2 S. 145. ^Konstitution vom 15. Dez. 1694. C. ('. M. I. Abth. 2 Nr. 85 S. 117. B. 13 S. 7. Fi?rst er (Etcins), Preufi. Pnvatrecht. IV. Ausl. 8

Rabe

114

Viertes Buch.

Die besonderen Privatrechte-

des Neichspersonenstandsgesehes geschlossen werden sann4). Ebenso wie früher ist es auch jetzt rechtlich möglich, daß ein den Bestimmungen des Landrechts entsprechender auf Grund landesherrlicher Genehmigung geschlossener und ge­ richtlich bestätigter Vertrag die Frau und die Kinder der Ehe auf die bei der Ehe zur linken Hand bestimmte Rechtsstellung wirksam einschränkt. Eine solche Ehe unterscheidet sich von der vollen Ehe dadurch, daß die Frau nicht Theil hat am höheren Stande des Mannes, nicht in seine Fa­ milie eintritt. Die Vermögensverhältnisse regeln sich lediglich nach dem Vertrage. Die Frau bleibt freie Eigenthümerin und Verwalterin ihres Ver­ mögens, dasselbe wird nicht dem Manne eingebracht, er hat an ihm nicht den Nießbrauch. Gütergemeinschaft darf nicht verabredet werden. Bei der Auf­ hebung einer solchen Ehe wird kein gegenseitiges Erbrecht begründet, die Frau erhält nur die vertragsmäßige Abfindung, welche sie, wenn sie bei der Scheidung für den schuldigen Theil erklärt wird, einbüßt, und welche, wenn der Mann der schuldige Theil ist, ihr verdoppelt gegeben werden muß.

§. 217. II. Der außereheliche Geschlechtsverkehr. Gesetz v. 24. April 1854 (G.S. S. 193).

Durch dieses sind die Bestimmungen des A.L.R.

II. 1. §§. 1015—1119 mit Ausnahme des noch gütigen Anh. §. 84 aufgehoben. Koch, Priv.-R. II. S. 610. Dernburg III. §§. 69. 70. Fischer §. 106. — Gitzler, Ehe­ recht. S. 151. Schmidt S. 424 f. Friedensburg, die Lehre von den rechtlichen Folgen der außerehelichen Schwängerung. 1854. H. Schulze, das Gesetz vom 24. April 1854. 1873. — Glück, B. 28 S. 183. Busch, theoret.-prakt. Darstellung der Rechte geschwächter Frauenspersonen. 1828. Gett, über die Rechtsverhältnisse aus der außerehel. Geschlechts­ gemeinschaft. 1836. v. Kräwel, die Pflichten des unehel. Vaters, im Archiv f. civilr. Praxis, B. 50 S. 341 fg. (Kritik des bestehenden Rechts), Holzschuher, Theorie und Kasuistik. 3. A. B. 1 S. 481 fg.

Aus der Thatsache des außerehelichen Geschlechtsverkehrs entspringen zwei verschiedene Ansprüche, einer für die Geschwächte auf Entschädigung4), der andere für das Kind auf Unterhalt, beide gegen den Schwängerer ge­ richtet. Hier ist nur der erstere zu erörtern. Man hat in neuerer Zeit diesen Anspruch aus einem Delikt hergeleitet, jedoch mit Unrecht. Es liegt hier einer von den Fällen vor, von denen die Römer bezeichnend sagen: ex 4) Dernburg a. a. O. Anm. 15 nimmt an, daß die Ehe zur linken Hand aufgehoben sei, weil das Reichsgesetz keine Formen für eine solche Eheschließung gebe. Aber die Voraussetzung der Ehe zur linken Hand werden durch §§. 842 f., insbesondere durch §§. 846—852. 858. 859 geregelt, und in §. 860 kann auf das Wort „an die linke Hand" kein weiteres Gewicht gelegt werden, als daß die Trauung ordnungsmäßig so vollzogen werden sollte, daß aber davon weder die Giltigkeit kwch die beschränkte Rechts­ wirkung des Akts abhing. So auch Hinschius bei Koch, Landrecht zu §. 861, und Rehbein und Reincke zu II. 1. §.835. i) Die gemeinrechtliche Praxis hat zuweilen der Geschwächten mit ihrer Ehre willen eine Präjudizialklage auf Anerkennung der unehel. Vaterschaft gegeben, ohne gleichzeitige Klage auf Entschädigung. Für und wider bei Seuffert II. 55. Das preuß. R. kennt eine solche Klage nicht. Theoretisch denkbar ist sie jetzt als Feststellungsklage, praktisch wird sie kaum vorkommen können, da nicht abzusehen ist, warum die „sofortige" Fest­ stellung gelöst von dem Anspruch gesucht werden sollte.

§.217.

Der außereheliche Geschlechtsverkehr.

115

re venit obligatio2).3 4 *Das 6 Gesetz knüpft nicht an den außerehelichen Bei­ schlaf, sondern an die Thatsache der Schwängerung durch den Beischlaf aus Gründen der Billigkeit einen obligatorischen Anspruch, der nicht minder be­ steht, wenn der Verkehr seitens des Schwängerers im Zustande der Unzu­ rechnungsfähigkeit geübt ist, und der davon unabhängig ist, ob die Geschwächte ohne Verführung zugestimmt hat. Bei der Redaktion des A.L.R. hatte man den Anspruch ohne Schranken zugelassen, weil man damals von dem Gedanken ansging, man müsse dem Kindesmord möglichst vorbeugen2). Enger dagegen find durch das Gesetz vom 24. April 1854, welches die Bestimmungen des A.L.R. aufgehoben hat2), die Grenzen für diesen Anspruch gezogen. Nach demselben ist jetzt Folgendes praktisches Recht. Die Entschädigungsforderung einer geschwächten Frauensperson an ihren Schwängerer ist im Allgemeinen daran gebunden, daß der Frauensperson nicht ein besonders verwerfliches unsittliches Verhalten zur Last fällt, und daß nicht Umstände vorliegen, welche die Schwängerung durch den in An­ spruch genommenen Mann von vornherein unsicher machen. Deshalb haben Frauen, welche zur Zeit des außerehelichen Beischlafs und während der Konzeptionszeit verheirathet waren, gar kein Klagerecht2), unverheirathete Personen aber nur dann, wenn sie in der Konzeptionszeit nicht auch mit anderen Männern den Beischlaf vollzogen haben2) und nicht in dieser Zeit2) in geschlechtlicher Beziehung bescholten gewesen sind2). Der Schwer­ punkt des ganzen Gesetzes liegt in diesen Bestimmungen'2). 2) Glück B. 1 §.2 a. E. Seuffert VI. 47. • 3) Die Frage wird meist nur in Beziehung auf den Anspruch des unehelichen Kindes an seinen Erzeuger erörtert, wobei allerdiiigs noch auffallender klar wird, daß ein Delikt oder Quasidelikt nicht vorliegt; aber auch der Anspruch der Geschwächten läßt sich durchaus nicht auf diesen Gesichtspunkt zurückführen, am wenigsten in den Fällen frei­ williger Hingabe. Bezüglich der Unabhängigkeit des Anspruchs von Zurechnungsfähig­ keit des Stuptators vgl. Fenner u. Mecke, Entscheidungen B. 7 S. 138. Im Falle des §. 1 und des §. 6 des Gesetzes v. 24. April 1854 liegen wirkliche strafrechtliche Reate des Schwängerers vor: aber der Anspruch gründet sich auch hier nicht auf das Delikt, sondern auf die in Folge desselben entstandene Schwängerung. Die §§. 1 und 6 regeln nicht eine Verantwortlichkeit für das Delikt; denn aus diesem würden, auch ohne daß Schwängerung erfolgt ist, unter Umständen Ansprüche herzuleiten sein. — Der Zustand der Schwängerung, welcher die Entschädigungsobligation erzeugt, ist nur dann vorhanden, wenn aus dem Beischlaf die Geburt oder die Fehlgeburt eines Kindes erfolgt, nicht aber dann, wenn der Geschwächten eine s. g. Mole, d. h. eine . der menschlichen Bildung entbehrende Masse abgeht. Entsch: B. 58 S. 291. Strieth. B. 67 S. 185. A. A. Hinschius, Zeitschr. für Gesetzgebung B. 2 S. 193. 4) Svarez, Schlußvortr. S. 130. Kräwel a. a. O. S. 344. b) §. 22 des Ges. 6) §. 9 des Ges. a. Ans. Wenn die Geschwächte sich nach der Konzeptionszeit mit einem Andern verheirathet, so verliert sie nicht ihr Klagerecht. Entsch. B. 32 S. 96. Strieth. B. 20 S. 317, B. 42 S. 104, B. 48 S. 260, B. 66 S. 114. Auch gemeinrechtlich wird einer Ehefrau das Klagerecht gegen den außerehel. Schwängerer versagt wegen der Regel pater est, quem nuptiae demonstrant, die nur von dem Ehemann beseitigt werden kann. Seuffert II. 296. V. 292. VI. 46. X. 54. XVII. 50. ’) §.9 des Ges. Nr. 1. «) Strieth. B. 23 S. 338, B. 57 S. 246. ») §. 9 des Ges. Nr. 2. *°) Entsch. B. 44 S. 179. Das zeigt sich darin, daß alle in §§. 1—7 des Ges. bezeich­ neten Entschädigungen wegfallen solle», wenn der Klägerin eines derjenigen Verhält8*

Viertes Buch.

116

Die besondere» Privatrechte.

Die Konzeptionszeit ist der Zeitraum vom 285. bis 210. Tage vor der

Entbindung, d. h. vor der vollendeten Trennung des Kindes von der Mutter"). Ein kürzerer Zwischenraum genügt nur dann,

wenn die Beschaffenheit der

Frucht nach dem Urtheil Sachverständiger mit der Zeit des Beischlafs über­

einstimmt").

Der Tag der Vollziehung des Beischlafs wird in die Frist

nicht eingerechnet").

Daß die Frauensperson sich auch

mit anderen Per­

sonen geschlechtlich eingelassen, hat der beklagte Schwangerer zu beweisen").

Den Begriff der geschlechtlichen Bescholtenheit hat das Gesetz an be­

stimmte Thatsachen, jedoch nur beispielsweise") geknüpft; a. wenn für die Gestattung des Beischlafs Bezahlung in Gelde oder in Geschenken angenom-

Nisse entgegensteht, die in §. 9 anfgeführt sind. Also auch eine genothzüchtigte Person (Entsch. ci. a. £).), eine durch Vorspiegelungen Verleitete, eine im bewusst- uud willenlosen .Zustand Geschwängerte kann nichts fordern, weint ihr ein Umstand aus §.9 entgegen­ gesetzt werden kann. Dasselbe gilt von den in §. 0 erwähnten Personen. Dagegen hat das O.-Trib., nach Reh dein und Reinste zu §. 5 anch das Reichsgericht ange­ nommen , daß in Betreff der im Brautstand Geschwängerten §. 9 keine Anwendung finde (Entsch. B. 47 3. 271. Strieth. B. 44 £. 289). So wahr es nun auch sein mag, daß nicht immer ein der Braut gegebenes Geschenk nach §. 9 Rr. 2a zu beur­ theilen ist, wenn sie dem Verlobten den Beischlaf gestattet, dies vielmehr immer nur thatsächlich im einzelnen Fall entschieden werden kann, so kann doch nicht als allge­ meiner Sah ausgestellt werden, das; sich der beklagte Verlobte nicht auf §. 9 einrede­ weise zurückziehen darf. Der §. 5 begründet also für den Fall des §. 2 besondere Ein­ reden ; aber der Beklagte ist nicht auf diese beschränkt. Insbesondere kann eine im Sinn des §. 9 Rr. 2 bescholtene Person auch dann keinen Anspruch haben, wenn sie von ihrem Verlobten geschwängert worden ist, es kann ihr aber auch — was aus dem Brautstand speziell folgt — aus §. 5 eine Einrede entgegengesetzt werden. n) §. 15 des Ges. Das O.A.G. München hält es für genügend, wenn der Entbindungsakt vor Ablauf des 285. Tages begonnen hat, wenn anch die Vollendnng der Ge­ burt erst einige Tage später erfolgt. Bl. f. Rechtsanw. B. 1 S. 159. In der preuß. Praris ist das Gegentheil angenommen. Jur. Wochenfchr. 1841. S. 777. 779. Bornemann V. 314. Entsch. B. >30 2. 14o. Die durch die Vollziehung des Bei­ schlafs in der Konzeptionszeit, welche freilich nicht, wie Strieth. B. 52 S. 192 sich ausdrüstt, das Fundament der Klage bildet (Strieth. B. 52 S. 192), begründete Vermuthung, das; die Geburt ans dieser Beiwohnung entstanden, darf durch Gegen­ beweis nicht widerlegt werden. Jurist. Wochenschr. 184G. S. 348. Strieth. B.37 S. 70. — Rach gemeinem Recht der 300.—182. rag. Strieth. B. 50 S. 194, B. 54 S. 47. Senfrert X. 170. XV. 98. XVII. 115. XVIII. 108. 109. Das Fundament der Klage ist das durch die Schwängerung begründete Rechtsverhältnis; der Parteien. Der Beweis der Schwängernng durch den Kläger beruht auf der Darlegung der That­ sache, das; er an irgend einem Lage der Konzeptionszeit konkumbirt hat, also der mög­ liche Schwängerer ist. Zur heutigen Prozeßrecht ist es durchaus unstatthaft, in der Angabe eines anderen als des ursprünglich angegebenen Tages des Beischlafs eine Klageändernng zu sehen, oder nach Zurückweisung der Klage bei mangelndem Illach­ weis des am Montag vollzogenen Beischlafs neue Klagen gestützt auf die Thatsache des am Dienstag, Mittwoch u. s. w. vollzogenen Beischlafs znzulassen. Anders auf der Grundlage des Prozeßrechts der Rovetten von 1833 und 1840 Str ieth. B. 52 S. 192, aber anch auf Grundlage des geltenden Prozeßrechts nach Dernburg §. 09 Anin. 3. ,2) Vorausgesetzt, daß Klägerin nicht anch mit anderen Männern sich eingelassen hat. Entsch. B 50 S. 324. ' Strieth. B. 50 S. 252. Koch, Rote zu h. 15 des Ges. Ueber einen längeren Zeitraum s. Seuffert XIII. 123. 13) Präj. 772 Sammt. 1. S. 180. Strieth. B. 58 S. 313. ") Bergt, dazu Strieth. B. 35 S. 14 und B. 43 S. 72. 15) Das Gesetz sagt „insbesondere". Bergt. Strieth. B. 44 S. 294, B. 34 S. 210, B. 39 S. 29. Spätere Besserung des Lebenswandels ist einflußlos. Das. B. 51 S. 246. Es kann auch auf die der Konzeptionszeit voraugehende Zeit znrückgegriffen werden. R.G. bei Grnchot B. 24 S. 884.

§. 215.

Ter außereheliche Geschlechtsverkehr.

117

men worden'"). Es ist gleichgiltig, ob die Bezahlung vor oder nach der Gestattung des Beischlafs"), ob sie dafür vom Beklagten, oder ob sie von einem anderen Manne, dem sie sich auch hingegeben, geleistet wor­ den"). Aber es muß feststehen, daß das Geld oder Geschenk für die Hin­

gebung, als Entgelt dafür, angenommen worden ist"). Das ist eine that­ sächliche Frage im einzelnen Fall und wird z. B. oft nicht anzunehmen sein, wenn eine im Brautstand geschwängerte Person von ihrem Verlobten wäh­ rend des Brautstandes Geschenke empfängt"), b. Wenn die Frauensperson wegen unzüchtigen Lebenswandels berüchtigt ist2'). Das Berüchtigtsein selbst ist eine aus anderen Thatsachen hcrvorgehende Thatsache, welche erwiesen werden kann, ohne daß der Beweis jener Thatsachen gelingt, aus der sie in der Klage hcrgeleitet ist22). Daß der schlechte Ruf auf Verleumdungen und falschen Annahmen beruht, hat die Klägerin zu beweisen22), c. Wenn die Klägerin schon früher außer der Ehe von einem anderen Manne als dem gegenwärtig Beklagten geschwängert worden ist22). Es kommt hier nur auf die frühere außereheliche Schwächung an, ohne Unterscheidung, ob die Frauensperson mit ihrem damaligen Schwängerer verlobt war oder ihn später geheirathct hat22). Von dem Beklagten ist zu beweisen, daß die ältere Schwängerung durch einen anderen Mann geschehen; es ist eine unrichtige, von der Praxis gebilligte 2°) Vertheilung der Beweislast, wonach der Beklagte nur die That­ sache früherer Schwängerung zu beweisen braucht, der Klägerin aber der Be­ weis, daß auch damals der Beklagte ihr Schwängerer gewesen, auferlegt wird. Dagegen spricht entscheidend, daß der excipirende Beklagte den ganzen Thatbestand der Einrede zu beweisen hat ”). d. Wenn sich die Klägerin früher eines Ehebruchs schuldig gemacht hat22), mag sie selbst damals Ehefrau oder mag ihr Schwängerer Ehemann und ihr dies bekannt ge­ wesen sein 2"). 3ft dagegen nur die Schwängerung, aus welcher geklagt wird, von einem Ehemann bewirkt, so ist aus diesem Grunde die Einrede der Bescholtenheit nicht gegeben 30). Ob die frühere ehebrecherische Schwälb) ") '") •9) •°)

-') -,2) -3) -4) -'ö) 26) j7) -8) ->9)

w)

§. 9 Nr. 2a. des Ges. Strieth. B- 25 3. 54. Strieth. B. 22 2. 238, B. 25 3. 54, B- 45 2. 324. Entsch. B- 57 2. 220. Entsch. B. 48 S. 223. Strieth. B- 33 2. 199, B. 58 2. 313. Entsch. B. 44 2. 179 — obgleich auch hier thatsächlich zu prüfen ist, ob ilicht trotz des Brautstandes dennoch das Geschenk als für die Gestaltung des Beischlafs gegeben erachtet werden muß. Vorher Anm. 10 ferner Entsch. B. 47 L- 271. §. 9 Nr. 2b. Strieth. B- 51 S. 248. S. vorige Note. §. 9 Nr. 2c. des Gef. Entsch. B. 38 S. 178, B. 50 S. 317. Strieth. B. 43 S. 90, B. 49 S. 193, B. 56 2. 106. Entsch. B. 43 S. 207. Strieth. B. 38 2. 153. Koch, "Note zu h. 9 9h\ 2c. Gruchot B. 7 S. 53. B. 8 S. 387. §. 9 Nr. 2d. des Ges. S. das Präj. 25 des Kainmergerichts in den Ergänz. 5A. B. 2 S. 151 bei 13a. Das O.-Trib. nimmt dagegen an, dah die Hingebung einer nnverheiratheten Person an einen Ehemann nicht unter §. 9 N. 2d. falle. Strieth. B. 35 S. 6. Elltsch. B. 40 S. 218.

118

Viertes, Buch.

Die besonderen Privatrechte.

chung von dem jetzigen Beklagten oder einem anderen Manne herrührte, be­ gründet keinen Unterschied3I). e. Wenn die Klägerin ihren angeblichen Schwangerer, der jünger als sie und noch nicht 20 Jahr alt war, zum Bei­ schlaf verführt hat32). Zu beweisen ist das Alter und die Verführung Der Anspruch einer unverheiratheten und nach Vorstehendem unbeschol­ tenen Frauensperson ist unter bestimmten Voraussetzungen von verschiedenem Umfange. Das höchste Maß, d. h. der vierte Theil vom Vermögen des Schwängerers als Abfindung, außerdem Ersatz der Niederkunfts- und Tauf­ kosten, standesmäßige Verpflegung in der Wochenzeit und Erstattung der son­ stigen durch das Wochenbett herbeigeführten unvermeidlichen Aufwendungen gebührt einer Frauensperson, welche genothzüchtigt, in einem bewußt- oder willenlosen Zustande, oder unter der Vorspiegelung einer vollzogenen Ehelichung oder unter Erregung eines anderen Irrthums, in welchem sie den Beischlaf für einen ehelichen halten mußte, geschwängert worden ist34).35 36 Es37 kommt hier nicht darauf an, daß ein Ehehinderniß vorhanden ist oder daß die Geschwächte dem Schwängerer die Ehe verweigert. Das mittlere Maß, nämlich als Abfindung den sechsten Theil vom Vermögen des Beklagten, sowie Erstattung der Kosten der Niederkunft, des Wochenbetts und der Taufe, sowie standesmäßige Verpflegung während der sechs Wochen verlangt die während des Brautstandes von ihrem Verlobten Geschwängerte 33). Ein Brautstand im Sinne dieser Bestimmung aber ist nicht allein dann vorhanden, wenn ein rechtsgiltiges Verlöbniß oder Aufgebot vorangegangen, sondern auch dann, wenn die Ehe mit Zustimmung der Eltern oder Vormünder verabredet, oder wenn in Fällen, wo es solcher Zustimmung nicht bedarf, die Verlobung von beiden Theilen oder vom Bräutigam allein bekannt gemacht oder in Gegenwart von Verwandten oder Be­ kannten geschlossen oder erklärt worden ist33). Die Braut hat keinen Anspruch auf Entschädigung, wenn ihrer Ehe mit dem Schwängerer ein Hinderniß entgegenstand, und ihr dies zur Zeit des Beischlafs bekannt gewesen"); sie verliert ihren Anspruch, wenn sie bis zur Weigerung des Beklagten, mit ihr die Ehe zu schließen, Handlungen verübt hat, welche Ehescheidungsgründe sind, oder wenn sie, ohne daß dem Schwängerer gleiche Handlungen zur Last fallen, selbst sich weigert, mit demselben die Ehe einzugehen33). Dieselbe

31) 32) 33) 34)

35)

36) 37) 3b)

Entsch. B. 40 S. 212. Strieth. B. 33 S. 13. §. 9 Nr. 2e. des Ges. Strieth. B. 40 S. 342. §§. 1. 7 des Ges. Für die Berechnung der Abfindung muß als entscheidend angesehen werden der Zeitpunkt, in welchem der Anspruch vollständig zur Existenz kommt, d. h. die Geburt des Kindes. Nachträgliche Verminderung oder Vermehrung des Ver­ mögens kann nicht in Betracht kommen. §§. 2. 7 des Ges. Der §. 2 sagt: „wenn ihr die Ehe verweigert wird," d. h. die Klage fällt weg, wenn der Verlobte die geschwächte Braut heirathet oder zu heirathen bereit ist, aber es ist nicht die förmlich ausgesprochene Weigerung eine Bedingung der Klage. Entsch. B. 37 S. 225, B. 56 S. 225 f. §. 3 des Ges. §. 4 des Ges. §. 5 des Ges. S. oben Note 10. Nach älterem Recht' (h. 1079. II. 1) war in der Praxis angenommen, daß ein späteres Verlöbniß der Geschwächten mit einem anderen

§.217.

Der miherelieiiche Geschlechtsverkehr.

119

Abfindung wie einer Braut steht einer unbescholtenen Person zu, die zwischen ihrem 14. und 16. Lebensjahr zum Beischlaf verführt oder geschwängert worden ist, und zwar kommt es hier nicht darauf an, ob zwischen den Parteien ein Ehehinderniß vorhanden gewesen oder nicht"). Alle andern außerehelich ge­ schwächten unbescholtenen Frauenspersonen empfangen das geringste Maß der Entschädigung, nämlich nur Erstattung der Niederkunfts-, Tauf- und Wochenkosten 40). Verpflichtet ist derjenige, welcher innerhalb der Konzeptionszeit mit der Klägerin den Beischlaf vollzogen hat4'). Bezüglich der Vollstreckung des fest­ gestellten Anspruchs in das Vermögen des Beklagten entscheidet zur Zeit ledig­ lich die Civilprozeßordnung; die Besonderheiten, welche das Gesetz für be­ klagte Soldaten auf stellte42), sind beseitigt. Recht und Pflicht ist auf beiden Seiten vererblich4"'); die Klage verjährt in zwei Jahren nach erfolgter Niederkunft oder Fehlgeburt, wobei jedoch die Zwischenzeit nicht in Anrechnung kommt, während welcher der Klägerin der Aufenthalt des Schwängerers unbekannt geblieben44). Die prozessualischen Eigentümlichkeiten des Verfahrens sind durch die Civilprozeßordnung Beseitigt45). Manne ihr die Klage gegen ihren früheren Bräutigam und Schwangerer nicht entziehe, Entsch. B. 4 S. 102 des. S. 111 und es ist Mod), Note zu §. 5 b. G. dariu beizuftimmen, daß ein späteres Verlöbniß uicht als eine Handlung aufzufassen, weld)e eine Ehescheidung begründen würde, mithin nicht unter §. 5 fällt — wenn nicht zu dem späteren Verlöbnis eine solche Handlung hinzutritt. Wenn sich die geschwächte Brallt vor der Klage mit einem Anderen verheirathet, so hat sie ihren Allspruch nur dann ilicht verloren, wenn sie sich nach ausdrücklicher Weigerung ihres ersten Verlobten, die Ehe mit ihr zu vollziehen, mit dem Andern verheirathet hat.

39) §. 6 des Ges. 40) §.8 des Ges. 41) §. 15 d. Ges. Das alte Prozeßrecht führte dahin, daß wenn die Klägerin einen be­ stimmten Tag des Beischlafs bezeichnete, der Beklagte einen anderen Tag angab, Klägerill ihre Behauptung beweisen mußte, wenn and) der zugestandene Tag in die Konzeptionszeit fiel. Seuffert I. 227. ") §. 21 des Ges. Vgl. indessen E.P.O. §. 749. ") §. 19 des Ges. 41) §§. 10. 11 des Ges. And) wenn der Schwängeret im Inland geblieben ist, aber an einem der Klägerin unbekannten Ort fick) aufgehalten hat. Entsch. B. 35 S. 86. Strieth. B. 24 S. 84. (Anders in älterer Praxis, Entsch. B. 19 S. 241.) Ueber deil Begriff einer Fehlgeburt, welche dod) immer liod) die Niederkunft mit einem Kinde mit menschlicher Bildung erfordert, s. Entsch. B. 58 S. 291. Strieth. B. 67 S. 185. Oben Note 1. 4ä) Dieselben bestanden 1) darin, daß es ein besonderes Forum ain Wohnort des Schwängerers zur Zeit der Schwängenmg gab, auck) nachdem dieser Wohnort verlassen war. §.11 Abs. 2 des Ges. (Vgl. dazu §. 1087. II. 1 und Kab.Ordr. v. 30. Sept. 1835 sG.S. S. 216]). Da der Anspruch nach dem zu Anm. 3 Gesagten niemals als Delikts­ anspruch anzusehen ist, solldern als Ansprud) ex lege — vgl. auch Kujawa bei Gruchot B. 22 S. 516. 832 — so kanu auch der Gerichtsstand der C.P.O. §. 32 nicht in Frage summe». 2) Eine andere Eigenthümlichkeit, die Ausschließung der Eides­ zuschiebung und Beschränkung des Eids überhaupt, §§. 16. 17 des Ges., ist durch Einf.Ges. z E.P.O. §. 14 beseitigt.

120

Viertes Bilch.

Die besonderen Privatrechte.

Zweites Hanptstiick.

Das Recht zwischen Eltern und Kindern. 9LV.31. II. 2. §§. 1—270. 555—591. 592—665. 666—716. 717—752. 753—773. Bornemann V. 261—389. Koch, Pr.-R. II. 613—642. Gihler, gem. und preuß. Ehe­ recht. 1840. S. 129fq. Schmidt, Familienrecht. S. 460—621. Stölzel, das Recht der väterlichen Gewalt in Preußen. Separatabdruck aus dem Just.-Min.-Bl. 1874 S. 130ff. Dernburg III. §§. 42 ff. 47 ff. Fischer §§. 100. 101. — Kraut, die Vormundschaft nach den Grundsätzen des deutschen Rechts. 2. B. 1845. S. 586 ff. Rudorfs, Vormundschaft. B. 1. §.25 S. 179fg. Stobbe IV. §§. 250f. Bluntschli S--643. Gengler S. 1162s«. Gerber (8. A.) S.622. Arnds §§ 419fg. Keller §§ 710fg. 1. A. S. 759f. Puchta §§ 430fg. Sintenis lll. 137. Vangerow I. §§. 229 fg. Windscheid II. §§. 513ff. — Zachariä (Puchelt) B. 3 S. 395fg.

§. 218.

Vorbemerkung.

Was oben von dem Familienrecht im Allgemeinen behauptet worden, daß auf diesem Gebiete die Reception des fremden Rechts die entgegenge­ setzte vaterländische Auffassung der ihm angehörigen Rechtsverhältnisse nicht hat überwinden können'), gilt auch insbesondere von dem Recht der väter­ lichen Gewalt. Thomasius hat am Anfang des 18. Jahrh, sogar geradezu bestritten, daß das römische Recht hierauf überhaupt Anwendung finden dürfe ’). Rach älterem deutschem Recht') hatte der Vater eine vormundschaftliche Gewalt über das Kind; dieses konnte eigenes Vermögen haben, aber sein Vermögen stand unter der Verwaltung des Vaters, er hatte es in seiner Gewere und hatte den Nießbrauch daran. Der im römischen Recht hervortretende Gedanke einer Personeneinheit zwischen Vater und Kind ist dem deutschen Recht durchaus fremd, und ist auch in das heutige gemeine Recht nicht ein­ gedrungen. Dagegen sind andere Rechtssütze und Rechtsinstitute, die sich auf die väterliche Gewalt beziehen, unzweifelhaft recipirt, so die Arten der Le­ gitimation, die Befugniß zur Pupillarsubstitution, zur Ernennung eines Vor­ mundes für das Kind, das Institut der Adoption u. a. Man mnß hiernach sagen: obwohl einzelne römische Rechtssätze und Rechtsinstitute auch auf diesem Gebiet Eingang gefunden und praktisches Recht geworden sind, so ist doch seine Grundanschauung über das Wesen der väterlichen Gewalt nicht herr­ schend geworden; es hat sich vielmehr das Prinzip erhalten, daß das Kind auch in der väterlichen Gewalt Persönlichkeit hat, Vermögen besitzen und für sich erwerben kann, daß dem Vater nur eine vormundschaftliche mit dem ') Oben S. 6. 2) Dissert. de usu practico tituli Inttit. de patria potestate 1712 (in dessen Diss acad. III. 98). *) Kraut a. a. O. S. 586-615.

§. 219.

Die eheliche Erzeugung und Legitimation.

121

Recht des Nießbrauchs an dem Vermögen des Kindes verbundene Gewalt über dasselbe zusteht, daß insbesondere auch die Art und Weise, wie die väter­ liche Gewalt aufhört, wesentlich den deutschrechtlichen Charakter behalten hat*). Es prägt sich diese Mischung des deutschen und römischen Rechts, bei welcher das erstere ein gewisses Uebergewicht behauptet, und das letztere nur Einzelnes hergegeben hat, in den Partikularrechten und insbesondere auch im A.L.R. aus. Die väterliche Gewalt des preußischen Rechts, welche im Landrecht eine Definition nicht gesunden hat*2),3 *ist * im Wesentlichen eine Vormundschaft, welche der Regel nach von obervormundschaftlicher Aufsicht frei und durch gewisse Be­ fugnisse aus das Vermögen des Kindes erweitert ist6). Nur gegenüber Kindern, nicht auch gegenüber Enkeln besteht eine väterliche Gewalt. Von einer mütter­ lichen Gewalt kann man im preußischen Recht nicht reden. Wie weit das Erziehungsrecht der Mutter vaterloser Kinder der Rechtsstellung. des Vor­ mundes gegenüber maßgebend ist, wird im Vormundschaftsrecht Erörterung finden, von der Bedeutung des mütterlichen Ehekonsenses ist bereits im §. 203 gesprochen. In anderen Beziehungen wird die Rechtsstellung der Mutter neben der des Vaters im Folgenden Erwähnung finden.

ErstesKapitel. Die Begründung der väterlichen Gewalt.

§. 219. Die eheliche Erzeugung und Legitimation. I. Regelmäßige Voraussetzung für die väterliche Gewalt ist die Ehe­ lichkeit des Kindes. Jedes Kind ist ehelich, welches in einer rechten Ehe erzeugt oder geboren worden, d. h. es gilt die Vermuthung, daß solche Kinder von dem Ehemanne erzeugt worden'). Pater est, quem nuptiae demonstrant2). Diese gesetzliche Vermuthung2) kann nur durch den Nach4) Kraut a. a. O. S. 618fg. Heuser, Annalen B. 8 S. 280f. Leyser sp. 3. correl. 3. tom. V. p. 430. b) Vgl. Stölzel a. a. O. S. 187. 6) Der Ausdruck „im Gesetz bestellte Vormünder" in §. 10 I. 5. paßte nach dein System des Landrechts nur auf den Väter. Man vergl. damit die Verweisung in § 125 II. 5 auf §§11—13 I. 5. Rechtsprüche B 3 S. 389- 394 u. 396 bei Nr. 1, ferner Entsch. B. 23 S. 66 f., B. 58 S. 299. Seuffert VII. 197. — Im Code ist ebenfalls die Auffassung des röm. Rechts zurückgedrängt, der Inhalt der väterlichen Gewalt aber zu sehr abgeschwächt. Zachariä III. S. 395f. ') II. 2. §. 1. Bei Nichtigkeit oder Ungiltigkeit der Ehe genügt nicht, daß die Kinder in solcher Ehe geboren werden, es kommt darauf an, daß fie „aus der Ehe" erzeugt sind. Vgl. hierzu §. 227 Anm. 1. 2) 1. 5. D. II. 4. Strieth. B. 64 S. 143. 3) II 2. §. 2. Das O.-Trib. hat in Entsch. B. 2 S. 292 diese Vermuthung als eine unumstößliche (praes. Juris et de jure) bezeichnet. Darunter versteht man eine Ver­ muthung, die den Gegenbeweis ausschließt, und sich von der Fiktion nur dadurch unter­ scheidet, daß sie sich an thatsächliche Verhältnisse anlehnt, während dies bei der Fiktion nicht geschieht. Ein Ausschluß des Gegenbeweises findet aber bei der Vermuthung der Ehelichkeit nicht statt, der Gegenbeweis ist nur erschwert. Vergl. gegen die Ansicht des O.-Trib. Koch, Komm. Note. 2 a. E. zu §1. Beurtheil. S. Ulf. Rönne in der Jurist. Wochenschr. 1838. S. 405 f. 421 f. u. A.

122

Viertes Buch.

Die besonderen Privatrechte.

wei§4)5 6 widerlegt 7 8 9 10 werden, daß der Mann der Frau innerhalb des 302. und 210. Tages°) vor der Geburt des Kindes nicht ehelich beigewohnt habe°). Die Behauptung, daß die Frau in der Empsängnißzeit Ehebruch getrieben, ist nicht hinreichend, die Ehelichkeit des Kindes zu beseitigen ’). Gründet sich der Gegen­ beweis auf Unvermögen oder Abwesenheit des Mannes, so ist zu beweisen, daß während des ganzen Zeitraums zwischen dem 302. und 210. Tage vor der Geburt ununterbrochen das Unvermögen obgewaltet oder die Abwesenheit von der Frau stattgesunden hat, so daß der Mann ihr die eheliche Pflicht nicht hat leisten können'). Diese Vorschriften sind mehr als bloße Beweisregeln, sie ergeben, daß das Landrecht an das Zusammenwohnen der Eheleute bei nicht völligem Unvermögen des Mannes die Vermuthung knüpft, daß ehe­ licher Geschlechtsverkehr stattgefunden hat. Diese Vermuthung muß auch jetzt noch als zu Recht bestehend gelten'). An die Wortfassung der §§. 1. 2 knüpft sich die Frage, ob als ehelich auch solche Kinder gelten sollen, welche vor dem 210. Tage nach Abschluß der Ehe geboren, also vorehelich erzeugt worden"). Die Fassung des §. 1 „er­ zeugt oder geboren* scheint dafür zu sprechen und die mitgetheilten Materialien machen zweifellos, daß bei der Berathung über den ersten schriftlichen Ent­ wurf, welcher die Worte „erzeugt und geboren sind" enthielt, von der An­ sicht ausgegangen worden ist, der favor legitimationis müsse auch den Kin­ dern zu Gute kommen, die 24 Stunden nach der Hochzeit geboren werden. Namentlich Svarez nahm dies an, und es wurde absichtlich das und in oder geändert. Diese Auffassung entspricht nicht dem gemeinen Recht, wel4) II. 2. §. 2 verlangte „überzeugenden" Nachweis. Demgemäß war in der Praxis zeit­ weilig angenommen, daß der Erfüllungseid ausgeschlossen sei. Präj. 1125. Samml. I. S. 163. Jurist. Zeit. 1835 S. 805. Jurist. Wochensch. 1842. L 509. Abweichend jedoch Strieth. B. 10 S. 262. Vgl. auch Eutsch. B. 59 S. 225, Strieth. B. 96 S. 341. Der Zweifel ist durch §. 14 Abs. 2 Eins. Ges. z. C.P.O. beseitigt, ebenso die Schranke, welche II. 1. §. 6 dem Zeugniß der Mutter entgegenstellte. Vgl. R.G. im J.M.Bl. 1882 S. 10. Die Zulässigkeit der Eidesdelation an das Kind, beziehungs­ weise den Vertreter des Kindes, welche nach früherem Prozeßrecht zweifellos war, — vgl. Präj. 1320. Samml. I. S. 163. Strieth. B. 1 S. 233, B. 11 S. 107, — ist jetzt durch §. 410 C.P.O. ausgeschlossen. 5) Die Bestimmung des Zeitraums ist als Mittelweg zwischen den streitenden Ansichten der Schriftsteller (s. z. B. Cocceji, jus controv. 1. 6. qu. 5. 6) gewählt worden. Svarez, Schlußrev. S. 132. Ueber gem. Recht Savigny, System B. 2 S. 390. Seuffert I. 161. Nach demselben wird der fehlende Zeitraum durch die Anerkennung des Vaters erseht. I. 163. XIII. 232. 6) II. 2. §. 2. Seuffert X. 267. XX. 198. 1. 6. D. I. 6. 7) II. 2. §. 5. 1. 11. §. 9. D. XLVIII. 5. 1. 29. §. 1. D. XXII. 3. Vergl. hierüber Seuffert XX. S. 330 Nr. 198. 8) II. 2. §§. 3. 4. Ueber den Begriff der Impotenz s. Strieth. B. 38 S. 47. Ueber den Fall der Verschollenheit des Mannes s. R. Koch in der Anw.-Zeit. 1865. S. 742 f. Abwesenheit und Unvermögen sind nur Beispiele. Pl.-Beschl. B. 8 S. 73 Nr. 2. Absentia, infinnitas, vel alia causa. 1. 6. D. I. 6. Seuffert XX. 198 (nicht bloß physische Unmöglichkeit). Leyser sp. 260. med. 4. sp. 322. med. 1. 2. Oesterr. bürgerl. G.B. §. 158, sächs. G.B. §. 1772. Dagegen Code a. 313. Aus der gemeinrechtl. Praxis vergl. ferner Seuffert I. 162. II. 186. V. 176. X. 276. XIX. 16. — Ueber den Einfluß des Reifegrades des Kindes auf den Beweis nach gem. R. s. Seuffert XI. 11. 9) Einf.Ges. z. C.P.O. tz. 16 Nr. 1. 10) Vgl. die ausführlichen Mittheilungen über diese Streitfrage in den Ergänzungen.

§.219.

Die eheliche Erzeugung uud Legitimation.

123

ches nur den in der Ehe erzeugten Kindern die Ehelichkeit beilegt"). Auch ist dagegen geltend gemacht worden, daß die jetzige Fassung des §. 2 eine eheliche Beiwohnung verlange, auch eine spätere Aeußerung von Svarez selbst bei der Schlußrevision ist herangezogen, in welcher derselbe nach den Sätzen des Gesetzbuchs ein Kind pro legitime et ex justis nuptiis procreato erklärt, wenn von der Hochzeit bis zur Geburt auch nur 7 Monate und wenn von der Trennung der Ehe bis zur Geburt 10 Monat und 2 Tage verlaufen ftnb12). Das Obertribunal hat aber von jeher"), endlich durch einen Plenarbeschluß ") an dem Satz festgehalten: „die gesetzliche Vermuthung, daß Kinder, die während der Ehe erzeugt oder geboren worden, von dem Manne erzeugt sind, kommt auch den Kindern zu statten, welche zwar nicht in der Ehe erzeugt, wohl aber in der Ehe geboren sind." Hiernach gilt in der preußischen Praxis ein vom gemeinen Recht abweichender Satz. Während nach dieser Praxis des Obertribunals jedes in der Ehe geborne Kind, oder nach der entgegengesetzten Ansicht nur dasjenige Kind, welches frühestens am 210. Tage seit Abschluß der Ehe in derselben geboren worden, als eheliches gilt, ist ein nach dem Tode des Mannes gebornes Kind dann noch für ehelich zu halten, wenn es spätestens am 302. Tage nach dem Todesfall geboren und nicht entweder seine unreife Beschaffenheit die Annahme nothwendig macht, daß seine Erzeugung nicht mehr in das Leben des Ehe­ manns treffen kann, oder nicht eben solche Gründe, welche der verstorbene Mann selbst hätte geltend machen können, gegen die Ehelichkeit überzeugend sprechen,s). Wenn die Wittwe sich zu früh wieder verheirathet hat, so gilt

n) Savigny, System. B. 2 S. 4I4f. 1. 12. D. I. 5. 1. 3. §. 1. 2. I). XXV. 3. 1. 11. C. V. .27. Nov. 89. c. 8. §. 1. Seuffert I. 163. XI. 10. 11. Das Kind muß frühestens nm 182. Tage nach Eingehung der Ehe geboren fein. Ueber die Berechnung des 182. Tages das. XII. 36. 12) Bornemann V. S. 268. Koch, Beurth. S. 534. Komment, zu II. 2. §. 1. v. d. Hagen in der jur. Wochenschr. 1842. S. 505 u. A. Schmidt S. 406 bis 463. Auch Förster in der früheren Ausg. dieses Buchs. Bergt, auch Blatter f. Rechtsanwendung B. 18. Beilageheft S. 27. Dagegen Savigny, System. B. 2 S. 416. 417. (Kitzler, Eherecht. S. 131 Note 3. Bon Förster wurde ausgeführt: in §. 2 seien die Worte: „von ihn: nicht erzeugt sein könne", später in die jetzigen „nicht ehelich beigewohnt habe" umgewandelt, die auf die Zeit vor der Ehe nicht passen; auch die weiteren Bestimmungen über den Gegenbeweis paßten nur auf die bereits geschlossene Ehe; der §. 1 lasse die Deutung zu: „während der Ehe erzeugt und geboren" oder wenigstens „während der Ehe erzeugt uud nach deren Auflösung geboren". Dabei ist geltend gemacht, daß bei der entgegengesetzten Ansicht das Wort „erzeugt" jede Bedeutung verliere. Dieser Versuch, das Landrecht gegen die klar in den Materialien zum Ausdruck gebrachte Absicht als mit dein gemeinen Recht übereinstimmend zu er­ weisen ist gekünstelt. Auch in gemeinrechtlichen Distrikten wird hin und wieder die Präsumtion auf alle in der Ehe geborenen Kinder erstreckt, so in Neuvorpommern, wo als unterstützender Gesichtspunkt geltend gemacht wird, daß provinzialrechtlich die Ehe einer Geschwängerten mit einer anderen Person als dem Schwängerer untersagt gewesen sei. Urtheil des Obertnbnnals v. 14. Juli 1852 in S. Stoldt wider Dievih. 13) Aeltere Entscheidungen s. in Paalzow, Handbuch f. prakt. Rechtsgelehrte in den preuß. Staaten. B. 2 S. 171. Rechtspr. B. 4 S. 164. Koch, schles. Archiv B. 3 S. 557. 14) Entsch. B. 8 S. 73. 15) II. 2. §§. 19-21.

Viertes Buch.

124

Die besondere» Privatrechte.

die Vermuthung für die Ehelichkeit nur bei einer Geburt bis zum 270. Tage l6)_ 17 * 19 Ist die Ehe durch Scheidung getrennt, so wird das bis zum 302. Tage nach der Rechtskraft des Urtheils geborene Kind als eheliches angesehen").

Die Vorsichtsmaßregeln, welche das A.L.R. über die Beaufsichtigung einer

schwangeren Wittwe oder geschiedenen Ehefrau zur Verhütung von Unter­ schiebungen enthältsind praktisch kaum von Bedeutung.

Sofern von den­

selben Gebrauch gemacht werden soll, wird dies im Wege der einstweiligen

Verfügung angeordnet werden müssen ”).

Wird die Schwangerschaft von der

Wittwe auf Erfordern einer Anzeige seitens der Interessenten diesen vorsätzlich

verheimlicht, so unterliegt die Wittwe zu deren Vortheil einer Privatstrafe Die Frage der Ehelichkeit eines Kindes erzeugt affirmative und nega­ tive

Präjudizialklagerechte").

Auf

Grund der Vermuthung

des §. 1

dem Kinde gegenüber und

gegen jeden, der sein Znteresse durch Bestreiten seiner Vaterschaft über das von seiner Ehefrau gekann

der Vater

borne Kind verletzt, auf deren Anerkennung dringen (actio de paternitate afiirmativa)33). Derselbe kann ferner von jedem, der ihm sein eheliches Kind

vorenthält, die Auslieferung desselben verlangen (interdictum de liberis ex-

Gegen diese Klage ist nicht die Einrede der Retention bis zur Erstattung von Auslagen"), dagegen die Einrede gegeben, daß der Vater

hibendis)“).

die Gewalt verloren, insbesondere das Kind hilflos verlassen und verstoßen

habe, in Folge welcher Handlungsweise er die väterliche Gewalt verliert33),

oder daß in Folge vormundschaftlicher Anordnung das Kind der Pflege und

Erziehung des Vaters entzogen worden3").

Auch der Mutter schreibt das

16) II. 2. §§. 22—24. Vgl. Reichspersonenstandsgesetz v. 6. Febr. 1875 §. 35. Gleichviel, ob die Frau sich mit ober ohne Dispensation zu früh wieder verheirathet hat. Die Dispensation wird von der Regel des Gesetzes ertheilt, ein danach stattfindender Ehe­ schluß ist also immer eine Ehe wider diese Regel. Leonhard bei Gruchvt IV. 261. A. M. Dernbnrg III. § 42 Anm. 7. Für die neue Ehe cessirt die Präsumtion bis zu jenem 270. Tag; aber auch der zweite Ehemann hat die Pflichten (ohne die Rechte) eines Vaters. 17) II. 2. §. 40., wohl mit analoger Anwendung des §. 21. Bornemann V. 275. Ueber dell Tag der Rechtskraft s. B. I. §. 55 Anm. 7, oben B. IV. §. 214 Anm. 1. 16) II. 2. §§. 26—39. 42-49. 19) Einf.Ges. z. C.P.O. §. 16 Ziffer 4. Förster bezeichnete die Anordnungen als polizeiliche. Es wird sich aber nicht bezweifeln lassen, daß die auf Verlangen der Erben erfolgende „Zuordnung" einer Gesellschafterin einen gerichtlichen Akt voraus­ setzt. *’) II. 2. §. 39, Vgl. über dieselben Forster, SU. uud Eiur. S. 224f. Koch, Auteit. z. Proz.Prax. I. S. 120fg., aber auch oben §. 201 Anm. 6 und D. I. §.48 Anm- 32. -2) Förster ließ die Klage einfach gegen den bestreitenden Dritten zu, bezeichnet sie als ein streng persönliches Recht 'des Vaters und unterwarf sie der ordentlichen Verjährung. Darüber daß diese und andere vom älteren Recht zugelassene Prä­ judizialklage nicht an die Voraussetzung der Darlegung eines Interesse an der als­ baldigen Feststellung (C.P.O. §.231) geknüpft ist, vgl. B. 1. §.48 Anm. 31f. 33) Koch, a. a. O. S. 1158. Auslieferung, d. h. hier Unterlassen jeder Behinderung der Rückkehr oder Zurückführung. Ob deshalb das Kind zum Vater zurückkehren muß, ist eine andere Frage. 34) Vgl. Seuffert 1. Nr. 82. 35) II. 2. §§. 255—259. 1. 2. C. VIII. 52. 36) II. 2. §§.90. 91. 266.

§. *219.

Die eheliche Erzeugung und Legitimation.

125

gemeine Recht die Befugniß zu, die Ehelichkeit des Kindes sowohl gegen den Vater als gegen dessen Erben durch Klage geltend zu machen (actio de partu agnoscendo)27), und diese Klage wurde von Förster ohne ausreichenden Grund auch für das preußische Recht in Anspruch genommen; jedenfalls könnte der ungünstige Ausfall eines solchen Prozesses dem Kinde nicht präjudiziren. Wenn der Mutter (z. B. als dem unschuldigen geschiedenen Theil) das ausschließliche Recht, das Kind in eigner Pflege und Erziehung zu halten, beigelegt worden ist28), steht ihr allerdings das Recht zu, die Herausgabe des Kindes zu verlangen. Daß das Kind selbst seine Eigenschaft als eines ehelichen gegen den Ehemann seiner Mutter und dessen Erben ausführen kann, versteht sich von selbst (actio filialis affirmativa)29). Verwandt mit dieser Klage, aber doch wesentlich verschieden von ihr, ist die eines un­ ehelichen Kindes gegen seinen Erzeuger, welche später eine besondere Aus­ führung erhalten wird89). Die Ehelichkeit des präsumtiv ehelichen Kindes kann der Ehemann inner­ halb eines Jahres nach erhaltener Kenntniß von der Geburt durch Klage anfechten (actio de paternitate negativa): er hat dann den oben erwähnten Gegenbeweis gegen die gesetzliche Vermuthung zu führen8'). Als Gegner steht ihm das zunächst als ehelich geltende und deshalb im Falle der Minder­ jährigkeit durch einen Pfleger vertretene Kind gegenüber82), welches der Klage «) Glück B. 28 S. 81.

Koch, a. a. O. S. 123 a. E. f.

2q) II. 2. §. 92fg. 2") Koch, a. a. O. S. 124. Ueber die Beweisführung bet einer solchen Klage s. Heuser, Annalen B. 9 S. 280 f. -0) Unten §. 228. :n) II. 2. §.7. Der Vormund eines geisteskranken Ehemannes kann für diesen die JÜegitimitätsklage anstellen, denn er vertritt dessen Person, Entsch. 58. 57 S. 179 (a. M. Gruchot, B. 11 S. 760f.), aber der Vormund eines abwesenden Ehemannes (Vormundschaftsordnung §.82) kann sie nicht anstellen, weil er ihn nur iu Betreff des Vermögens vertritt. Entsch. B. 8 S. 230 auch in Seuffert 1. 164. Gruchot B. 7 S. 527. Vgl. mit §. 230 Anm. 15. A. M. Borneiiiann V. 275. Dernburg, Vormundschaftsrecht S. 258. Schultzenstein S. 399. — Kommt es auf den Beweis der Ehe, der stattgehabten Verheirathung des angeblichen Vaters mit der Mutter au, so ist eine bestimmte Angabe über Art, Zeit und Form des Eheschlusses nicht schlechthin nothwendig, die Thatsache, daß die Eltern verheirathet gewesen find, kann als einfache Thatsache aufgefaßt und durch Indizien bewiesen werden. R.G.Entsch. B. 11 S. 425. Die Unehelichkeit eines in der Ehe geborenen und erzeugten Kindes kann in anderer Weise als auf Grund von II. 2 §§.7—10 nicht festgestellt werden. R.G. bei Gruchot B. 24 S. 1016. Die einjährige Frist ist Präklusivfrist, nicht Verjährung. Entsch. B. 9 S. 43. Das Reichsgericht hat mit Dem bürg's III. §.43 Anm. 8, sich dahin entschieden, daß zur Wahrung der Frist eine gerichtliche Protestation genüge, wenn dieselbe nur gegen das Kind gerichtet, zur Mittheilung an seinen Vertreter bestimmt ist. Da es in' solchen Fragen auf eine feste Praxis ankommt, wird es gut sein, das Bedenken, das; eine Anfechtung nicht wohl anders als durch Klage gedacht werden kann, zu unter­ drücken — Hat der Ehemann seine Ehe für aufgelöst halten können, das deshalb ergangene rechtskräftige Urtheil wird aber nachträglich im Wiederaufnahmeverfahren aufgehoben, so kann die Frist erst von der Zeit laufen, wo der Mann das in der Zwischenzeit geborene Kind der Frau als ein während der Ehe geborenes anzusehen Anlaß hatte. Vgl. über die Jllegitimitätsklage noch Schmidt §. 61 S. 469fg. 32) II. 2. §§. 8. 9. Bornemann V. 272. Koch, zu §. 9, jetzt §. 86 Vorm.-Ordn. v. 5. Juli 1875. Steht der Ablauf der Frist bevor, ist also Gefahr im Verzüge, so wird der Vorsitzende des Prozeßgerichts den bis zum Eintritt des gesetzlichen Ver­ treters legitimirten Pfleger zu bestellen haben. C.P.O. §. 55.

126

Viertes Buch.

Die besonderen Privatrechte.

auch durch die Einrede begegnen kann, daß seine Ehelichkeit vom Kläger an­ erkannt worden sei"). Die bereits anhängig gemachte Klage geht auf die Erben des Mannes über; hat dieser.die Klage noch nicht angemeldet, so sind seine Erben zu ihrer Anstellung nur innerhalb der Jahresfrist berechtigt, welche auch hier von dem Tage gerechnet wird, wo der Erblasser Kenntniß von der Geburt erhalten hat"). Den Erben kann außer dem ausdrücklichen auch das stillschweigende Anerkenntniß des Erblassers als Einrede entgegengesetzt werden"). Wird das Kind erst nach dem Tode des Vaters geboren, so haben dessen Erben aus eignem Recht, aber unter denselben Bedingungen wie dieser, die Anfechtungsklage"). Lehn- und Fideikommiß-Anwärter haben ein selbständiges Recht zur Anfechtung der Ehelichkeit, welches in 3 Jahren vom Tode des Vaters erlischt und ihnen kann die Einrede des Anerkenntnisses gar nicht entgegen­ gesetzt werden"). — Die Mutter hat die negative Klage nicht, weil sie eine solche nur durch ihre unehrbare Handlung würde begründen können, auch kein Interesse an erfolgreicher Durchführung hat. Ob auch das Kind selbst im Wege der Klage gegen die für seine ehe­ liche Zeugung sprechende Vermuthung ein eheliches Kind zu sein ankämpfen darf (actio Malis negativa), ist streitig. Das Obertribunal hat es in einem älteren Revisionsurtheil indirekt zugelassen"), in einem späteren für unzulässig erklärt, weil die in §. 1 ausgesprochene Vermuthung eine unum­ stößliche sei, gegen welche ausnahmsweise nur dem Ehemann und den An­ wärtern ein Anfechtungsrecht gestattet sei"). Förster trat mit Koch") in der Kritik dieser Entscheidung für ein solches Klagerecht ein, doch scheint der vom Obertribunal zuletzt eingenommene Standpunkt Zustimmung zu ver­ dienen").

33) 34) 33) 36)

37)

”) 3») 40) 41)

(Strietl). SB. 51 °) II. 2. §§. 686. 687. -y II. 2. §§. 688—690. *“) II. 2. §§. 711—713. 708. 709. Die Adoption des A.L.R. ist also eine minus plena 1. 10. C. VIII. 48. v*) II. 2. §. 710. 20) TT. 2. §. 707. Vergl. hierzu Koch, Erbrecht. S. 915fg.

132

Viertes Buch.

Die besonderen Privatrechte.

oder die Adoptiveltern erlangen keine Rechte aus das Vermögen des ange­ nommenen Kindes, insbesondere kein Jntestaterbrecht auf seinen Nachlaß. Die leiblichen Eltern behalten ihr gesetzliches Erbrecht"), dem Kinde verbleibt auch sein gesetzliches Erbrecht auf den Nachlaß der leiblichen Eltern"). Das großjährige Adoptivkind verwaltet und nutzt in allen Adoptions­ fällen sein eigenthümliches Vermögen selbständig, für das minderjährige ver­ waltet es nach Landrecht sein natürlicher Vater ferner als Vormund ohne eignen Nießbrauch "). Eine solche vormundschaftliche Verwaltung und Ver­ tretung des Vaters ohne väterliche Gewalt ist in der That, da das Kind unter väterlicher Gewalt steht, eine Pflegschaft. Da nun die Vormundschafts­ ordnung eine gesetzliche Pflegschaft nicht kennt, so tritt in Folge des Aus­ schlusses des Adoptivvaters von dieser Verwaltung wie bei dem freien Ver­ mögen des minderjährigen Hauskindes überhaupt die Nothwendigkeit richter­ licher Bestellung eines Pflegers ein "). Die gesetzlichen Bestimmungen über den Inhalt des Adoptionsvertrages find, soweit dadurch das Wesentliche des Geschäfts nicht berührt wird, vertragsmäßiger Aenderung zugänglich "). Soll durch den Vertrag in Be­ treff des Vermögens Abweichendes bestimmt werden, so hat das Vormundschafts­ gericht, wenn das Adoptivkind noch minderjährig ist, zu erwägen, ob es trotz­ dem den Vertrag genehmigen kann S6). Der Anspruch des Kindes auf den Pflichttheil vom Nachlaß der natürlichen Eltern kann auf keinen Fall durch Vertrag mit dem minderjährigen Kinde wirksam ausgeschlossen werden "). Die Adoption kann ebenso, wie sie begründet wird, durch Vertrag unter Einwilligung aller Interessenten unter gerichtlicher Bestätigung ausgehoben werden. Dann verliert sie alle Wirkung, das bisherige Adoptivkind tritt aber nicht in die väterliche Gewalt seines natürlichen Vaters zurück"). Hier läßt sich eine kurze Bemerkung über das Verhältniß der Pflege­ kinder anknüpfen. Wer ein von seinen Eltern verlaffenes Kind in seine

->) II. 2. §§. 594. 701. II. 2. §. 702. II. 2. §§. 695-698. 24) Vgl. §. 223 Sinnt. 8. Die gemeine Meinung der Kommentatoren hält die Bestim­ mungen nicht für aufgehoben Man kann es für legislatorisch falsch halten, daß die Vormundschaftsordnung hier nicht eine gesetzliche Pflegschaft begründet hat, aber man darf sich der Konsequenz nicht entziehen. Es ist willkürlich zu sagen, die Verwaltung sei ein Residuum der väterlichen Gewalt. Das Gesetz selbst nennt sie Vormundschaft lich, und die väterliche Gewalt ist beseitigt. Noch weniger Zweifel können daran be­ stehen, daß die Vorschrift von II. 2. §§. 699. 700, nach welcher, wenn der natürliche Vater stirbt, die Vormundschaft dem Adoptivvater übertragen werden kann aber nicht muß, vormundschaftsrechlliche Bestimmungen sind, die durch die Bestimmungen der Vormundschastsordrmng über die Pflegschaft erseht werden. 2b) H. 2. §§. 703. 704. Anh. §. 102. Bornemann V. S. 383. 26) II. 2. §. 705. 27) II. 2. §. 706. Bornemann V. 384. 28) II. 2. §§.714—716. Schröter in der Themis, 1837. S. 1185s. In dieser Bestimmung, daß die Aufhebung der Adoption nur durch Vertrag erfolgen kann, liegt eine Abweichung vom röm. R.', nach welchent der Adoptivvater einseitig das Adoptivkind emancipiren konnte, wodurch es sein Erbrecht verlor. §.11. J. III. 1. I. 9. 10. pr. §.2. C. VIII. 48. Grnchot, Erbrecht III. S. 380f.

§. 221.

Die Emkindschast.

133

Pflege nimmt, erlangt über daffelbe alle persönlichen Rechte des natürlichen Vaters oder der leiblichen Mutter. In anderer Weise, insbesondere durch einen Vertrag mit dem Kinde oder mit den natürlichen Eltern des Kindes läßt fich diese Rechtsstellung von Pflegeeltern nicht begründen; ein solcher Vertrag erzeugt keine familienrechtliche Stellung, sondern nur solche Rechte, die nach Vertragsrecht begründet werden können. Ein vertrags­ mäßiger Verzicht aus Zurücknahme des in Pflege gegebenen Kindes insbe­ sondere ist unverbindlich; es läßt sich auch ein solcher Vertrag nicht dem Verlassen des Kindes gleich achten, da durch denselben gerade für das Kind gesorgt werden soll a"). Gegenseitige Vermögens- und Erbrechte entstehen aus dem Pflegekindsverhältniß nicht; doch sollen die Pflegeeltern bei der Jntestatfolge an die Stelle derjenigen Verwandten des Kindes treten, die sich wissentlich und vor­ sätzlich geweigert haben, sich deffelben, als es verlassen war, anzunehmen'"). Die Pflegeeltern haben auch einen Anspruch auf Entschädigung aus dem Nachlaß des Kindes wegen ihrer Aufwendungen für dieses "). Die Redaktoren wollten, indem sie das seiner Natur nach nur faktische Verhältniß der Pflege in ein recht­ liches mit allerlei Detailvorschriften umwandelten, deren nähere Erwähnung überflüssig erscheint, einen Antrieb schaffen, um unehelichen Kindern Wohl­ thaten zu erweisen"). „Das Institut hat das Schicksal aller Rechtserfindungen gehabt; es ist todt geblieben", sagt Koch mit gutem Grunde").

§. 221.

Die Einkindschast.

A.L.R. II. 2. §§. 717—752. Bornemann VI. 251 f. Koch, Pr.-R. II. 623. Dessen Erb­ recht S. 917. Dernburg III. §. 65. Strombeck, in v. Kamptz' Jahrb. B. 13 S. 335f. Schmidt, Familienrecht §. 73 S. 571f. Witte, das preuß. Jntestaterbrecht, 1838. S. 23. 120f. Gruchot, preuß. Erbrecht III. 1867. S. 382. Stölzel §. 4.

29) II. 2. §§. 753. 757. 759—761 im Vergleich mit §§. 772. 773. Das hilflos und ohne Aufsicht verlassene Kind tritt aus der väterlichen Gewalt des Vaters. II. 2. §. 258. Hat der Vater für andere Pflege vertragsmäßig gesorgt, so findet diese Bestimmung keine Anwendung. Auch den sogenannten Rettungshäusern oder ihren Vorstehern kann das Recht der väterlichen Gewalt nicht vertragsmäßig übertragen werden. Vgl. jedoch auch Entsch. B.53 S. 161, Johow, Jahrb. B. 5 Rr.24 d.T. Nach §.247 Str.G.B. kann ein Diebstahl des Pflegekindes gegen die Pflegeeltern (Erzieher) nur auf deren Antrag zur Untersuchung gezogen werden. Auch diese ^Bestimmung bezieht sich nicht auf ver­ tragsmäßige Pflege. Goltdammer, Archiv für Strafrecht. B. 9 S. 784, B. 13 S. 597, Ä. 19 S. 815. Der Rücktritt oder der Tod des Vaters, der sein Kind einem Dritten vertragsmäßig in Erziehung und Pflege auf bestimmte Zeit gegeben, kann an sich den Vertrag nicht änbem, d. h. der Vater oder dessen Rechtsfolger muß dem ErErzieher die Gegenleistung oder Entschädigung gewähren; aber das Kind zll behalten haben die vertragsmäßigen Pflegeeltern kein Recht. Vgl. Entsch. B. 53 S. 161 und dagegen Hinschius in der Anw.-Zeit. 1866. Sp. 42. Vgl. auch das gemeinrechtliche Urtheil R.G. Entsch. B. 10 S. 116. — II. 1. §. 758 (Heirathskonsens des Pflegevaters) ist beseitigt. Reichspersonenstandsgesetz v. 6. Febr. 1875, §. 29 vgl. mit §. 39. w) II. 2. §. 762. 31) II. 2. §. 763. Die Vermuthung der Schenkung findet auf Pflegeeltern keine Anwen­ dung. Seuffert IV. 52. ”) Svarez, Schlußrev. S. 146. 33) Komment, zu II. 2. §. 753.

134

Viertes Buch.

Die besonderen Privatrechte.

Kayser bei Gruchot B. 20 S. 475. Fischer §. 102. — Beseler, Erbverträge II. 2. & 150. Bluntschli S. 651. Gengier II. S. 860. Gerber §. 272. Hillebrand! in der Zeitschr. f. deutsches Recht, B. 10 S. 420fg. Stobbe IV. §§. 243. 244. Ob das Rechtsinstitut der Einkindschaft in die Lehre von der Be­ gründung von Eltern- und Kindesrechten oder in die Lehre von den Erbver­ trägen oder von der Jntestaterbfolge gehöre, kann zweifelhaft sein. Der ge­ schichtliche Ausgangspunkt ist wohl der, vertragsmäßig ein Erbrecht zwischen Stiefeltern und Stiefkindern zu begründen oder die Fortsetzung der Güter­ gemeinschaft durch den überlebenden Gatten mit den zugebrachten Kindern zu ermöglichen'). Aber schon frühzeitig wurde damit die Auffassung verbunden, daß durch derartige Verabredungen auch Familienverhältnisse erzeugt würden. Meist enthielten die Verträge solche Abreden und dadurch kam das Institut in nahe Berührung mit der Adoption'). So stand die Sache zur Zeit der Redaktion des A.L.R., und dieses erklärt den Vertrag nach beiden Richtungen hin wirksam: einerseits gehe, sagt das Gesetzbuch, die Absicht dahin, zwischen Stiefeltern und Stiefkindern die persönlichen Rechte und Pflichten, wie zwischen leiblichen Eltern und Kindern, und wechselseitige Successionsrechte hervorzubringen'); andererseits wird gerade die wesentliche Wirkung des Erbvertrags auch der Einkindschaft vindizirt, die durch diesen Vertrag begründete Erbfolge kann der eine Theil zum Schaden des andern durch letztwillige Verfügung nicht ausheben'). Nachdem so die ursprünglich vielleicht nur gewöhnlichen Abreden über die persönlichen Familien­ rechte in die Begriffsbestimmung des Instituts ausgenommen worden, ist die Begründung dieser Rechte das systematisch Entscheidende: aus ihnen fol­ gen die Erbrechtsabreden. Deshalb wird die Lehre von der Einkindschaft in Uebereinstimmung mit Koch — während Borne mann sie in das Erbrecht verwiesen hat, — hier abgehandelt'). Die Aufnahme der Einkindschaft in das A.L.R. hat dieselbe Bedeutung und denselben Zweck, wie die der Redaktion des Lehnrcchts und des Rechts der Gütergemeinschaft: das Institut ist nur partikularrechtlich, seine Heimath ist am Rhein und in einzelnen Gegenden Westphalens; die Vorschriften des A.L.R. sollten für die Ausarbeitung des Provinzialrechts Normen aufstellen °). Zu­ nächst also ist über den Inhalt einer Einkindschaft der Vertrag selbst die Entscheidungsquelle und dieser nach den provinzialrechtlichen Bestimmungen zu interpretiren, nur aushilfsweise bieten sich die Vorschriften des A.LR')

3) Gerber a. a. O. Mevius, Comment, ad jus Lub. II. 1. nr. 113. Stryck, tractatus de successione ab intest. VII. c. 6. Strippelmann, Bem. Entfch. B. 7 S. 297ff. Beseler bestreitet, daß der Erbvertrag der Ausgangspunkt für dieses Institut sei. Vgl. bes. über die verschiedenen Theorien Gen gl er S. 878 fg. 2) S. Hillebrandt a. a. O. S. 421 Note 3. Gail 1. pract. observ. II. 125. Carpzov, resp. jur. elect. V. 1. resp. 6. Schiller, praxis jur. Rom. I. exerc. 3. §. 17. Dagegen Heineccius, eiern, jur. Germ. I. §. 161. Seuffert II. 64. 3) II. 2. §. 720. 4) II. 2. h. 747. *) Vgl. auch Koch, Erbrecht S. 917f. und Dernburg a. a. O. 6) Svarez, Schlußrevision S. 146. 7) Strieth. B. 5 S. 161.

221.

Die Einkindschaft.

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dar. Wenn ein solcher Vertrag freilich in Gegenden, wo dasselbe nicht provinzial­ rechtlich normirt ist, errichtet wird, so ist das A.L.R. das Prinzipale Gesetz. Im gemeinen deutschen Recht knüpft die Einkindschaft an das im frän­ kischen Güterrecht geltende Verfangenschastsrecht, und an die Gütergemein­ schaft an *). Wenn ein Ehegatte, der mit seinen Kindern in fortgesetzter Ge­ meinschaft lebte, zur anderen Ehe schritt, so sollte, statt eine Abschichtung dieser Kinder vorzunehmen und dadurch das Gemeinschaftsvermögen zu schwächen, dieses der Gütermasse der zweiten Ehe einverleibt werden. Die Vorkinder mußten also auf ihren Abschichtungsanspruch verzichten, gewannen dafür aber ein Erbrecht auf das ganze gemeinschaftliche Vermögen der zweiten Ehe, d. h. auch auf die Masse, die der zweite Ehegatte einwarf. Eine solche Anknüpfung an die Gütergemeinschaft kennt das A.L.R. nicht; ohne Unterscheidung ist die Errichtung einer Einkindschaft möglich bei gemeinschaftlichem und bei getrenn­ tem ehelichem Güterrecht'). Die Einkindschast ist derjenige Vertrag, durch welchen bei Eingehung einer späteren Ehe zwischen den erstehelichen Kindern des einen Ehegatten und dem eintretenden Ehegatten eine Familienverbindung und wechselseitige Erbrechte begründet werden'"). Der Vertrag muß gerichtlich vollzogen und bestätigt werden"); den noch minderjährigen Kindern, welche in väterlicher Gewalt stehen, wird ein Pfleger bestellt, und. das vormundschaftliche Gericht hat zu prüfen, ob der Vertrag den Kindern Vortheilhast ist"). Zum fertigen Vertragsschluß gehört, daß beide Ehegatten und die Kinder oder deren Vormund, einwilligen"). Auch müssen die Ascendenten der Ehegatten einwilligen, wenn ihr Pflichttheilsrecht auf den Nachlaß ihres Descendenten durch die Einkindschaft beeinträchtigt wird "). Aus gleichem Grunde ist die

8) Witte, Jntestaterbrecht S. 120f. Hillebrand! a. a. O. S. 426. Gerber h. 272. Heuser, Annalen II. 580. Seuffert V. 191. ») Witte a. a. O. S. 122-124. 10) II. 2. §§. 718. 719. 720. Bezüglich der Form des Vertrags s. B. I. §. 80 Anm. 1, wo aber in der drittletzten Zeile durch Auslassung des Worts „erstere" ein falscher Sinn entstanden ist. Die Einkindschaft wird von dem Amtsgericht, das den Vertrag aufnimmt, bestätigt. — Uneheliche Kinder können nicht in die Einkindsck>aft gebracht werden. Bornemann VI. 255. Bl. f. Rechtsanw. IV. 249. Bei minderjährigen Kindern bedarf es nach §. 42 Z. 3 der Vormundschastsordnung v. 5. Juli 1875 der vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung. ") Nicht nothwendig vor dem persönlichen Gericht der Kontrahenten. A.G.O. II. 1. §. 9 Nr. 10. Auch die Genehmigung durch das vormundschaftliche Gericht des Kindes ge­ nügt, sie schließt die gerichtliche Bestätigung in sich. R G. bei Gruchot B. 26 S. 1014. Die Zuziehung eines Protokollführers bei Aufnahme des Vertrags ist nur nöthig, wenn andere Erbrechte festgesetzt werden, als aus der Einkindschast folgen. Präj. 1176 Sammt. I. S. 293. Jurist. Wochenschr. 1845. S. 835. Nach preuß. R. nicht nothwendig vor dem Abschluß der 2. Ehe. §. 722 d. T- Witte a. a. O. S. 127. 1S) II. 2. §§. 721—724. Seuffert II. 65. Es bedarf der Zustimmung der Kinder neben der Zustimmung des Vaters. Die Kinder können nicht vom Vater vertreten werden. Eine Anfechtung des Einkindschaftsvertrages wegen Verletzung über die Hälfte ist weder nach gemeinem noch nach preuß. R. statthaft. Seuffert IV. 135. XIII. 148. XVII. 232. n. 2. 6. 723. M) II. 2. §§. 728. 729.

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Viertes Buch.

Die besonderen Privatrechte.

Einwilligung des geschiedenen Ehegatten aus der Vorehe erforderlich "). Die Vorkinder erhalten regelmäßig aus dem Vermögen ihrer leiblichen Eltern ein durch den Vertrag zu bestimmendes Voraus, mindestens die Hälfte dieses Vermögens,s). Dieses Voraus hat die Natur eines vertragsmäßig ausgesetzten künf­ tigen Erbtheils, es verliert also der aussetzende leibliche Parens nicht das Eigen­ thum und die Verfügung unter Lebenden darüber"). Durch den Vertrag dürfen weder die Vorkinder noch die demnächst in der neuen Ehe erzeugten Nach kinder in ihrem Pflichttheil verletzt werden"). Die Wirkung eines solchen Vertrages ist, daß es so angesehen wird, als stammten auch die Vorkinder aus der späteren Ehe. Der Stiefvater oder die Stiefmutter erlangen die vollen elterlichen Rechte und Pflichten") an den Personen der Stiefkinder, diese die Rechte und Pflichten leiblicher Kinder gegen jene"). Weiter greift die Familienverbindung nicht; unter den zusammen­ gebrachten Kindern selbst, oder zwischen diesen und den Verwandten des an­ deren Ehegatten entsteht keine Verwandtschaft und kein Erbrecht"). An dem nicht von der Einkindschast ergriffenen Vermögen der Kinder, wozu nament­ lich auch der spätere Erwerb derselben, der ihnen anderwärts her zugefallen ist, gehört, hat der Stiefvater nicht die Rechte des leiblichen Vaters, d. h. nicht Verwaltung und Nießbrauch ”). Auch erstreckt sich zwar das aus der Familien­ verbindung hervorgehende Erbrecht der Stiefkinder auf das ganze, auch später erworbene Vermögen des Stiefparens, die Stiefkinder sind in dieser Hinsicht den leiblichen Kindern gleichgestellt"); das Erbrecht des Stiefparens aber 15) II. 2. §. 730. lß) II. 2. §§.725. 726. 727. Witte a. a. O. S. 127fg., der aber darin irrt, daß er auch den Stiefparens zum Aussetzen eines Voraus verpflichtet hält. S. 128. Gengler S. 890f. Das Voraus ist für die Giltigkeit des Vertrags überhaupt nicht wesentlich, wenn sonst die Prüfung des Einkindschaftsvertrages den Vortheil der unirten Kinder ergiebt. Gutachten der Gesetzkommission v. 1. Septbr. 1801 bei Amelung, neues Arch. II. 150f. Arnsb. Arch. B. 8 S. 558. Präj. 414. S. I. 174. R.G. bei Gruchot B. 26 S. 1013. Das Voraus kommt auch im gem. R. für die Nachkinder vor. Seuffert XI. 251. Das Voraus ist Sondergut der Kinder. Das XV. 29. 17) Gesetzrev. XV. 342. 18) Anh. §. 103, der sich aus alle Einkindschaftsverträge bezieht. Bornemann VI. S. 254. Seuffert IV. 135. 19) II. 2. §. 732 spricht zwar nur von den Rechten, aber unzweifelhaft entstehen auch die entsprechendenden elterlichen Pflichten. Strombeck a. a. O. S. 381. Vergl. II. 2. §. 720. Gesetzrev. XV. S. 343 f. Beschränkt ist das elterliche R. in der gemeiurechtl. Praxis zugestanden. Seuffert II. 64. Aus der Bestimmung, daß dem Stiefvater das volle Recht des Vaters zusteht, sann, da die Einkindschaft doch nicht den Charakter der Annahme an Kindesstatt hat, zur Zeit nicht mehr hergeleitet werden, daß zur Ehe­ schließung die Genehmigung des Stiefvaters erforderlich sei. Da die Kinder in Ein­ kindschaft nicht an Kindesstatt angenommene Kinder des Stiefvaters sind, kann §.31 des Reichspersonenstandsgesetzes v. 6. Febr. 1875 nicht Anwendung finden. Vgl. Sicherer zu §. 31 eit A. M. Dernburg III. §. 67 Anm. 5. 20) II. 2. §§. 732. 720. 734. 735. 31) II. 2. §. 752. Hofacker, princip. jur. civ. I. §. 610. 22) II. 2. §§. 733. 736. a3) II. 2. §§. 737. 740. Die Succession geht nach betr Regeln der gesetzlichen Erbfolge Entsch. B. 7 S. 380. Seuffert II. 67. Die unirten Stiefkinder schließen daher auch die Ascendenten und Kollateralen des verstorbenen Parens aus. II. 2. §. 741. Entsch. B. 7 S. 380, B. 42 S. 259. Strieth. B. 35 S. 347. Besteht Gütergemeinschaft in der zweiten Ehe, so sönnen bei deren Auflösung durch den Tod des leiblichen Parens

§. 222.

Die persönlichen Wirkungen des elterlichen Verhältnisses.

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bezieht sich nur auf dasjenige Vermögen der Kinder, welches sie in die Einkindschast eingebracht haben, so daß die späteren Vermehrungen von ander­

wärts davon ausgeschlossen find"). Das wechselseitige Erbrecht darf nicht einseitig durch Testament entzogen werden, wenn nicht Enterbungsgründe vorliegen, oder in guter Abficht enterbt wird,5); es ist daher auch unstatthaft, daß die Stiefeltern das in die Einkindschaft aufgenommene Kind durch letzt­ willige Anordnung auf den Pflichttheil beschränken"). Die gegenseitigen Succesfions rechte werden übrigens nicht dadurch bedingt, daß jeder Ehegatte Vorkinder in die Ehe gebracht, und nicht dadurch wieder beseitigt, daß diese zweite Ehe kinderlos geblieben Die Errichtung der Einkindschast ist auch bei Eingehung einer dritten und folgenden Ehe zulässig, nur mit der sich von selbst verstehenden Beschränkung, daß weder Vor- noch Nachkinder dadurch in ihrem Pflichttheilsrecht verletzt werden dürfen"). Die Einkindschast wird im Fall einer Scheidung der Ehe von Rechts­ wegen aufgehoben und kann durch gerichtlichen Vertrag sämmtlicher Inter­ essenten gelöst werden").

Zweites Kapitel. Wirkungen des elterlichen Verhältüifses.

§. 222. Die persönlichen Wirkungen. A.L.R. II. 2. §§. 58—146. Bornemann V. 278f. Koch, Priv.-R. II. 213f. 613. 626f. Dernburg III. §.51. Stölzel a. a. O. §§.6 — 8. Gitzler, Eherecht S. 130. Schmidt, Familienrecht §§. 62. 63 S. 497 fg. Fischer §. 101.

Wie das A.L.R. bei Feststellung der Grundsätze über das persönliche Verhältniß der Ehegatten in das sittliche Gebiet Übergriffen hat'), so gilt

24)

25)

26)

27) 38) 29) ')

die unirten Kinder nicht sofort die Ausantwortung ihres Erbtheils verlangen. Präj. 1226. Samml. I. 174. Werden sie abgeschichtet, so verlieren sie ihr Erbrecht. Witte a. a. O. S. 24. II. 2. §§. 738. 736. Wenn nach dem Tode des leiblichen Parens dessen Kind das Voraus erhalten und demnächst vor dem Stiefvater stirbt, so hat dieser auch am Voraus das Erbrecht. Witte S. 133. II. 2. §§. 747-749. Koch, Note zu §. 749. R.G. Entsch. B. 6 S. 163. A. M. Strombeck a. a. O. S. 395 in Betreff der Enterbung in guter Absicht. In Betreff der leiblichen Kinder bleibt die Testirfreiheit unverändert. Stromb eck S. 390 f. Bornemann VI. 260. Gruchot IV. 237. Vgl. indessen Welter, eheliches Güter­ recht in Westfalen. S. 425 Anm. 3. Blätter f. Rechtsanw. B. 7 S. 164 (München). Entsch. B. 2 S. 39. Anders nach gemeinem Recht. Strieth. 2k 45 S. 10, B. 48 S. 99. Entsch. B. 48 S. 241. Gruchot IX. 237. Seuffert V. 198. XIII. 108. XV. 230 (Berlin, O.-Trib.) II. 2. §§.719. 741. Gruchot, Erbrecht S. 387f. Seuffert B. 2 Nr. 66, B. 5 Nr. 190, B. 7 Nr. 188, B. 10 Nr. 180, B. 13 S. 108. Anh. §. 103. Aus einem Gutachten der Gesetzkommission. Löwenberg, Motive B- 2 S. 56. 120. II. 2. §§. 750. 751. Oben §. 206 Anm. 4.

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Viertes Buch.

Die besonderen Privatrechte.

dasselbe von dem, was es über das persönliche Verhältniß der Eltern und Kinder sagt. Beiden Eltern sind danach die Kinder Ehrfurcht und Gehor­ sam schuldig, aber dem Vater steht die Gewalt über sie zu"). Die Kinder führen den Namen des Vaters, sie treten in seinen Geburtsstand') und seine Familie, sie theilen — insbesondere in Ansehung des Gerichtsstandes — den Wohnsitz des Vaters, so lange sie nicht in rechtsgiltiger Weise diesen Wohnsitz vor oder nach dem Tode des Vaters aufgeben'); dem Vater steht in den unten näher zu erörternden Grenzen das Recht und die Pflicht zu das Kind während der Minderjährigkeit zu vertreten und zu schützen'). Beide Eltern, vornehmlich aber der Vater, haben die Pflicht der Gewährung standesmäßigen Unterhalts'), der Pflege und Erziehung, und zu diesem Zweck das Recht der Zucht ’). Bis zum vollendeten vierten Lebensjahr des Kindes soll diese Erziehung vom Vater der Mutter belassen werden, wenn nicht erhebliche Gründe dafür sprechen, sie ihr zu entziehen'). Der Wille des Vaters giebt 2) II. 2 §§.61. 62. Ist der Vater aus irgend einem Grunde selbst bevormundet, so erhalten seine minderjährigen Kinder einen Vormund. Die abweichenden §§. 804—806 II. 18 sind aufgehoben. Vorm.-Ordn. §.11. 3) II. 2. §§. 58. 59. Nicht in seinen Berufsstand. Strie'th. B. 43 S. 349. 4) II. 2. §. 60. C.P.O. §.17 Abs. 2. Der abgeleitete Gerichtsstand des Kindes unter­ scheidet sich von dem der Ehefrau dadurch, daß letzterer während der Dauer der Ehe nicht aufgehoben werden kann. Rechtsgiltig den bisherigen Wohnsitz durch Wahl eines neuen aufgeben, kann das Kind, so lange die väterliche Gewalt dauert, nur mit Zustim­ mung des Vaters. Vgl. auch Einl. z. A.L.R. §. 25. 5) Vgl. unten unter e. 6) II. 2. §§. 64 ff. 107 in Verbindung mit §§ 251 —253, Die Alimentationspflicht des Vaters dem Kinde gegenüber, so lange dasselbe in seiner Gewalt ist, und der Mutter bei einem noch der häuslichen Erziehung bedürftigen Kinde ist durch den Besitz eines ausreichenden Vermögens nicht bedingt. Ein Zweifel hieran kann daraus erwachsen, daß in der Deklaration v. 21. Juli 1843 (vgl. unten §. 239 Alnm. 16) auch II. 2. §. 63 citirt wird; aber es wird hier nur die Beweislast geordnet, soweit eine Berufung auf das eigene Unvermögen überhaupt Bedeutung hat. Nach aufgehobener väterlicher Ge­ walt ist der wechselseitige Alimentationsanspruch zwischen Eltern und Kindern dahin beschränkt, daß der Unterhalt von dem Pflichtigen nach seinem Vermögen zu gewähren ist, und zwar anständiger Unterhalt dem unverschuldet Verarmten, nothdürftiger dem, der durch eigene Schuld verarmt ist. Ohne eine solche Unterscheidung wird in Entsch. B. 32 S. 92, B. 83 S. 216 ausgesprochen, daß Eltern nur nach ihrem Vermögen zur Unterhaltung verpflichtet seien, und auch das R.G. bei Gruchot B. 25 S. 113 hat ohne Feststellung, ob es. sich um ein Kind in väterlicher Gewalt handelt oder nicht, einen Alimentations-Anspruch, soweit derselbe das zeitige Vermögen des beklagten Vaters überstieg, zurückgewiesen, andererseits hat es den Vater schlechthin mit seinem ganzen gegenwärtigen Vermögen für haftbar erklärt. In letzterer Beziehung ist §. 239 Annr. 17 zu vergleichen. — Wenn die von ihrem Ehemann getrennt lebende Mutter den Unter­ halt und die Erziehung der Kinder aus eigenen Mitteln bestreitet, so hat sie eine Er­ stattungsforderung an den Vater nicht unbedingt. Seuffert I. 348. VII. 327. 7) II. 2. §§. 61 — 70. 74. 75. 86. Das elterliche Erziehungsrecht kann auch gegen dritte Personen, die das Kind der Erziehung nach dem Willen der Eltern entziehen, geltend gemacht werden. Interdictum de liberis exhibendis et ducendis. Wenn das Reichsgericht (Entsch. B. 10 S. 114) aus den Bestimmungen, welche von einer Vindi­ kation des Kindes sprechen (1. 1. §. 2. D. VI. 1. 1. 2. C. VIII. 52), herleitet, daß eine über die Pflicht, die Fortnahme des Kindes zu gestatten, hinausgehende Auslieferungspflicht dessen, bei dem das Kind ist, bestehe, so möchte das weder aus dem Wesen der Vin­ dikation herzuleiten sein, der eigentlich auch nicht eine Pflicht des Beklagten zum Geben entspricht, noch wird man im Ernst daran denken können, das Kind als im Besitz be­ findlich, den, bei dem es ist, als Besitzer, und wenn er das Kind fortschickt, als fictus possessor anzusehen. 8) II. 2. §§. 70—73, Hierüber entscheidet das Vormundschaftsgericht. Nach gemeinen:

§. 222.

Die persönliche» Wirklingen des elterlichen Verhältnisses.

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bei der Erziehung'), der Wahl des Lebensberufs also auch des Aufenthalts­ orts '0), den Ausschlag und entscheidet allein über die Ertheilung des Kon­ senses zur Eheschließung"). Aber die väterliche Gewalt hat, wie gesagt wurde, einen vormundschaftlichen Charakter, darum kann, so lange die Kinder zu erziehen sind, die Obervormundschaft, obgleich sie in der Regel fern bleibt und eine dauernde Aufsicht nicht zu beanspruchen hat, im einzelnen Falle gegen Ueberschreitungen der Gewalt des Vaters mit Erfolg mildernd ein­ greifen, hat dieselbe aber auch unter Umständen zu unterstützen» wenn die Mittel des Vaters zur Züchtigung nicht ausreichen"). Streitigkeiten mit erwachsenen Kindern über die Ausdehnung der elternrechtlichen Befugnisse werden im Rechtswege geltend gemacht und vom Prozeßrichter entschieden"). Der eingehenderen Betrachtung bedürfen die folgenden Punkte: a. Die religiöse Erziehung der Kinder") bestimmt sich während bestehender Ehe nach dem übereinstimmenden Willen der Eltern, eine ver­ tragsmäßige Einigung darüber ist aber nicht bindend"), und bei Uneinig­ keit der Ehegatten oder nach dem Tode des Vaters bestimmt sich die reli­ giöse Erziehung der Kinder nach der Religion des Vaters, wobei indessen auf eine »während seiner letzten Krankheit erfolgte Religionsänderung keine Rücksicht zu nehmen ist"). Insbesondere gilt dies für gemischte Ehen. Das A.L.R. trennte noch nach den Geschlechtern n), aber schon die Deklara-

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Recht findet auch über die Frage, ob aus Zweckmäßigkeitsgründen die Erziehung dem Vater zu nehmen und der von demselben getrennt lebenden Mutter zu übertragen sei, der Rechtsweg statt. R.G.-Entsch. B 17 S. 129. Haben Abmachungen bezüglich der Erziehung des Kindes zwischen den Eheleuten im Vertragswege stattaefunden, so ist über die Verbindlichkeit derselben vorbehaltlich des Rechts des Dormnndschaftsrichters, im Interesse des Kindes einzugreifen, im Rechtswege zu entscheiden. R.G. bei Gruchot B. 25 S. 465. II. 2. §. 74. Vgl. unten Anm. 12. II. 2. §§. 109—118. Svarez, Schlußrev. S. 135. Seuffert I. 81. Wird zwischen dem Sohn und Vater darüber gestritten, ob ersterer seiner Militärpflickt als einjähriger Freiwilliger genügen soll, so ist das fein Streit über die Wahl des Lebensberufs, bei welchem das Vormundschaftsgericht gegen den Vater entscheiden könnte. Johow und Küntzel B. 5 S. 79. S. oben §. 203 bei Anm. 18 ff. II. 2 §§. 72. 90. 91. 108. 112. 113. §§. §§. 87ff. Das Ges. v. 13. März 1878 (G.S. S. 132) giebt dem Vormundschaftsgericht die Befugniß, Kinder, welche zwischen dem sechsten und zwölften Lebensjahr Handlungen begehen, welche, abgesehen von ihrer Altersstufe, strafbar sein würden, gegen den Willen der Eltern in eine Erziehungs- oder Besserungsanstalt zu verweisen. Ueber die gleiche Befugniß des Strafrichters bezüglich der Kinder über zwölf Jahren vgl. Str.G.V. §. 56. — Vgl. im Nebrigen Stölzel im J.M.Bl. 1875 S. 22 ff. Hierauf beruht auch die oben in §. 203 bei Anm. 28 behandelte Klage ad supplendum consensum. Im Uebrigen findet sich die Zulässigkeit des Rechtsweges nicht ausdrück­ lich anerkannt, sie besteht aber, da sie nicht ausgeschlossen ist. In einem Fall, in welchem eine großjährige Tochter wegen schlechter Behandlung seitens des Vaters nicht in das Elternhaus zurückkehren wollte, ist im Rechtsweg diese Weigerung als begründet aner­ kannt. Strieth. B 88 S. 132. Anton in der preuß. Anw.-Zeit. 1862. S. 58f. (Seuffert V. 181. Die Vormund­ schaftsordnung §. 28 Abs. 2 hält die bestehenden Vorschriften über religiöse Erziehung aufrecht. II. 2. §§. 77. 78. II. 2. §. 81. II. 2. §§. 76. 80.

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Viertes Buch.

Die besonderen Privatrechte.

tion v. 21. November 1803”) hob diese verschiedene Behandlung der Ge­ schwister in der richtigen Einsicht auf, daß dadurch der religiöse Zwiespalt in den Familien dauernd gemacht werde. Nach dem Tode des Vaters ist es Sache des Vormundes für Beachtung der gesetzlichen Vorschrift zu sorgen. Nur wenn der Vater schon ein Jahr lang vor seinem Tode das Kind im Bekenntniß der Mutter hat unterrichten lassen, soll es dabei -verbleiben ”). Mit vollendetem 14. Jahr hat das Kind das Recht, selbst sein Bekenntniß zu wählen; die Wahl eines andern als des elterlichen Bekenntnisses ändert übrigens nichts in den Rechten und Pflichten der Eltern”). Aus den Be­ stimmungen des Landrechts und der Deklaration kann übrigens nicht herge­ leitet werden, daß, wenn der Vater die Zugehörigkeit zu einem bestimmten Glaubensbekenntniß durch Ausscheiden aus den anerkannten oder geduldeten Religionsgemeinschaften aufgegeben hat, das von dem Vater religionslos erzogene Kind religionslos weiter erzogen werden müßte. Hier kann viel­ mehr die Entscheidung der Mutter und eventuell des Vormunds frei durchgreifen. b. Die Erziehung der Kinder nach erfolgter Scheidung der Ehe soll in der Regel dem unschuldigen Theil zukommen; ist kein Theil schuldig, so behält die Mutter, sofern ihr die Kinder auch während des Scheidungs­ prozesses belassen sind, dieselben bis zum vollendeten 4. Jahr, dann kommen sie zum Vater21). Den Streit, der in dieser Beziehung entsteht, entscheidet für die Dauer des Scheidungsprozesses das Prozeßgericht durch einstweilige Verfügung, nach Abschluß des Prozeffes das Vormundschastsgericht”). Die Kosten der Erziehung treffen den Vater, die schuldige Mutter soll aber einen Beitrag leisten, insbesondere hat sie die Kosten bis zum vollendeten 4. Jahre des Kindes zu tragen, wenn ihr das Kind gelassen wird oder anderen zur Pflege anvertraut werden muß, und statt des unvermögenden Vaters tritt sie überhaupt ein”). c. Solange das Kind in der väterlichen Gewalt steht, und darüber hinaus, wenn es im Hausstand der Eltern ernährt wird, ist es verpflichtet den Eltern in ihrer Wirthschaft und in ihrem Gewerbe thätig zu helfen; was esdabei erwirbt, erwirbt es den Eltern”). “) N. C. C. XI. 1931. Rabe VII. 524. Gesetzrev. XV. S. 35f.Dazu Kab.°O. v. 17. Aug. 1825. G.S. S. 221. 19) II. 2. §. 82. Vgl. Johow und Küntzel. B. 4 S.78, B. 5 S. 66, B. 6. S. 53. 20) II. 2. §§.83 — 85 vgl. mit §. 79. Also auch wenn ein jüdisches Kind die christliche Religion wählt, so verliert sein jüdischer Vater nicht die väterliche Gewalt. Entsch. B. 13 S. 324. 21) II. 2. §§. 92—103 Zu h. 92 Strieth. B. 35 S. 286. 2S) Strieth. B. 22 S. 276. Johow und Küntzel Jahrb. B. 2 S. 62. 21) II. 2. §§. 103—107. Seuffert I. 348. VI. 212. VIII. 269. X 179. XIV. 145. Zn §. 105. Entsch. B. 40 S. 205. Der Satz, daß die Mutter, wenn sie schuldig ist, Er­ ziehungskosten tragen soll, hat seine Quelle in der falschen Interpretation ber Nov. 117. c. 7 und der authent. si pater ad leg. un. C. V. 24, die von Jrnerius herrührt. S. hierüber Koch, R. d. F. III. 22. Glück B. 27 S. 106 Note 4. Durch die Schuld der Mutter sollte der Vater von seiner Pflicht, den Kindern Unterhalt zu gewähren, nicht befreit werden. M) II. 2. §§. 121-123. Arnsb. Arch. B. 6 S. 607. Präj. 556. Sammt. I. 165. Kraut a. a. O. S. 638 f. Das Kind kann auch für solche Dienste keinen Lohn in Anspruch

§. 222.

Die persönlichen Wirkungen des elterlichen Verhältnisses.

141

6. Die künstliche römische Idee der Personeneinheit zwischen Vater und Sohn kennt das preußische Recht sowenig wie das heutige gemeine Recht"). Das Kind kann hiernach selbständig Vermögen und Rechte erwerben"). Es kann Rechtsgeschäfte mit dem Vater selbst abschließenaT), und bedarf dazu nur, wenn es noch minderjährig ist, der Einwilligung eines Pflegers. Aber Rechtsgeschäfte mit Dritten, durch welche das Hauskind Verbindlichkeiten übernimmt, erfordern zur Giltigkeit abweichend vom gemeinen Recht auch im Falle der Großjährigkeit des Kindes die Einwilligung des Vaters"); indeffen genügt die stillschweigende Einwilligung, welche darin zu finden ist, daß der

w)

2C)

37)

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nehmen, Seufsert I. 354 (nur bei bestimmtem Lohnversprechen), VH. 196 (Celle). VIII. 59. IX. 44 (Celle). 174 (Lübeck). XV. 135. XVII. 256. Strieth. B. 60 S. 246, B. 94 S- 183. Kraut, Vormundschaft II. S. 630ff. Savigny, System II. 57. Glück B. 2 S. 272 fg. Entsch. B. 49 S. 226fg. Strieth. B. 47 S. 307. Heuser, Annalen I. 144. Seufsert I. 353. VII. 195 (Kassel). Das gern. R. ist aber doch nicht ohne Schwanken, z. B. das. IX. 304 (Wiesbaden). Ferner das. XV. 113. XVII. 255. Das R.G. Entsch. B. 16 S. 113 hat als zweifellos hingestellt, daß heut zu Tage zwischen Vater und Haussohn alle Verträge wirksarn geschlossen werden können. II. 2. §. 124. Ein Beispiel Strieth. B. 55 S. 34. Auch nach dem österr. G.B. §. 149 f. Der selbständige Erwerb seht eine Thätigkeit außerhalb des Haushalts und Gewerbes des Vaters voraus. Vgl. Anm. 24. Auch selbst über sein rricht freies Vermögen, trotz II. 2. §. 201 Rechtsp. B. 2 S. 257. Präj. 1641. Sammt. I. 166. Strieth. B. 28 S. 250, B. 40 S. 328. Anw.-Zeit. 1865. Sp. 781. Eesetzrev. XV. 107. Seufsert XIII. 267. Auch Schenkungsver­ träge, das. XIV. 44. XV. 30. — Vgl. Vonn.-Ordn. §. 86. II. 2. §. 125. Dgl. unten e. — Die Praxis des O.-Trib. verlangt, daß die Einwilli­ gung des Vaters zu dem Geschäfte des Haussohns in der Vertragsform erklärt werde. (Entsch. B. 72 S. 243, Strieth. B. 26 S. 296); das entspricht aber nicht der für andere Verhältnisse zur Herrschaft gelangten Lehre voll der Form der Genehmigung (vgl. §. 79 Anm. 61, §. 141 Anm. 61, §. 150 Anm. 80, §. 208 Anm. 39, §.209 Anm. 60) und findet schon in II. 2. §. 127 Widerlegung. Vgl. in dieser Beziehung das im Text Gesagte. — Nur so lange der Vater die väterliche Gewalt hat, kamr er wirksam gellehmiben. Nach Ausscheidung des Sohnes aus derselben kann nur das eigene Anerkenntmß desselben, beziehungsweise feiner Erben die Verbindlichkeit begrülldeil; also auch nicht die vom Vater nach dem Tode des Sohlres abgegebene Genehmigungserklärung. Strieth. B. 55 S. 294. Wegen der Form des Allerkenntnisses vergl. noch unten Anm. 45. — Die Einwilligung des Vaters genügt auch bei Geschäften, die seine Haus­ kinder unter einailder abschließen, und Geschäfte mit dein Vater schließt das großjährige Kind mit verbindlicher Kraft. Entsch. B. 12 S. 332. Strieth. B. 47 S. 112. — Durch die Genehmigung wird der Vater nicht mit verpstichtet; hier gilt nicht dasselbe wie von der Genehmigung des Ehemannes. Koch, Note zu §. 125. A. M. Gesetzrev. XV. S. 60f. — Den dargelegten Bestimmungen entsprechend waren großjährige Haussöhne nach A.G.O. I. 1. §§. 13—15 nur in Ansehung ihres freien Vermögens selbständig prozeßfähig, rücksichtlich des unfreien wurden sie vom Vater ver­ treten, den sie nur unter besonderen Umständen zuzuziehen hatten. Durch K.-O. v. 4. Juli 1832 und 5. Dez. 1865 wurde ihre Prozeßfähi^keit ausgedehnt. Hiermit in Zusamnlenhallg steht die Frage, aus wessen Vermögen die Kosten eines vom Vater als Vertreter des Kindes geführten Prozesses zll bestreiten waren (vgl. Koch, Recht der Forderungen III. §. 179. Entsch. B. 59 S. 243 und dagegen Sydow in der deutschen Gerichtszeitung. 1860. S. 107). Jetzt ist nach C.P.O. §. 51 Abs. 2 der großjährige Haussohn selbständig prozeßfähig, eine gesetzliche Vertretung findet, außer in den Fällen, in denen eine Vormundschaft eingeleitet werden muß — nicht statt. Auch hier wie bei der Ehe wird aber ein dem Haussohn lmgünstiges Urtheil nicht in das dem väterlichen Nießbrauch unterliegende Vermögen vollstreckt werben können, wenn das Recht dazu nicht dem Vater gegenüber erstritten ist. Hieraus ergiebt sich, daß zur Zeit für den großjährigell Haussohn der Scheingrund Koch's und des Obertribunals für eine allgemeine anzunehmende Pflicht des Vaters, die zur Vertheidigung der Rechtsstellung

142

Viertes Buch.

Die besonderen Privatrechte.

Vater dem Kinde außer seinem Hause ein Erwerbsgeschäft im eignen Namen gestattet, stillschweigend für alle Handlungen welche nothwendig find, um diese Beschäftigung auszuführen39). Diese Bestimmung ist unabhängig von der Verpflichtung des Vaters durch Geschäfte des Kindes, das vom Vater einer gewissen Bestimmung außer dem Hause gewidmet ist. Die wichtigste An­ wendung im täglichen Leben ist das Dienen des Kindes außer dem Hause des Vaters, wenn dieser den Eintritt in ein solches Verhältniß ein für alle Male gestattet hat"). e. Die Rechtsstellung des Vaters zu dem Vermögen des Hauskindes ist im folgenden Paragraphen näher zu erörtern: bezüglich der persönlichen Rechtsfähigkeit des Hauskindes aber ist hervorzuheben, daß die Gesetze weder für das großjährige noch für das minderjährige Hauskind ein ganz allge­ meines Recht des Vaters zur Vertretung des Hauskindes begründen. Während der Vormund durch seine für den Mündel vorgenommenen Hand­ lungen den Mündel verpflichtet, soweit nicht sein Vertretungsrecht durch Vor­ schriften der Gesetze eingeschränkt ist, kommt dem Vater eine solche Rechts­ stellung nicht zu. Eine Vertretung des Hauskindes durch den Pater besteht nur, weil und insofern er das Vermögen des Kindes verwaltet. Das Haus­ kind hat als solches sonst in der Regel keinen Anlaß in den Geschäftsverkehr zu treten. Ist freies Vermögen desselben zu verwalten, so gebührt die Ver­ waltung dem Kinde selbst, und bei mangelnder Geschäftsfähigkeit desselben bedarf es besonderer Regelung; die Verwaltung des unfreien Vermögens aber gebührt dem Vater, und die berechtigte Verwaltungsdisposition des Vaters ist für das Kind maßgebend und verpflichtend. Darüber hinaus kann der Vater durch Verträge, die er in Vertretung des großjährigen oder auch des

,

2il)

:>o) 31)

des Sohns erforderlichen Kosten zu tragen (Vertretung des Sohns durch den schutz­ pflichtigen Vater) wegfällt. Auch die Vertretung des minderjährigen Sohns ist wie eine vormundschaftliche und liegt innerhalb der Verwaltungsthätigkeit, der Vater ist dabei bloßer Vertreter, nicht selbst betheiligte Partei. Nur soweit ein Nießbraucher verpflichtet ist, Kosten vorzuschießen (Vgl. oben B. 3 §. 186 Sinnt. 92) kann auch eine Pflicht des Vaters als Nießbrauchers anerkannt werden. Eine analoge Anwendung von A.L.R. II. 1. §§. 187 f. (vgl. oben §. 206 Sinnt. 22) ist unzulässig. Wird der Vater gleichzeitig mit dem Hauskind mit Recht verklagt, sich die Zwangsvollstreckung wegen der Schuld des Hauskindes in das unter seiner Verwaltung stehende unfreie Vermögen gefallen zu lassen, oder wird er als solidarisch mit dem Hauskinde schul­ dig verklagt und verurtheilt. so haftet er für die Kosten solidarisch nach C.P O. §. 95. Eine Haftung des Vaters für Criminalkosten (Cr.O. §. 614- setzte voraus, daß der Vater im Strafurtheil als mitschuldig in die Kosten verurtheilt war. Das kann jetzt — außer in den Fällen des Forstdiebstahls und des Feld- und Forstpolizei­ gesetzes nur auf Grund einer eigenen Verurtheilung in eine Strafe geschehen. Str.P.O. §.498. — Vgl. auch Dernburg III. §.55 Sinnt. 22, Hinschius in Kochs Landrecht zu II. 2. §. 126. Dies folgte aus II. 2. §. 125 und den hier in Bezug genommenen Bestimmun­ gen des vierten Titels, ohne daß es nöthig ist, auf §. 127, der von dem Um­ fang eines Auftrags des Vaters handelt, zu rekurriren. Jetzt bestimmt es Ges. v. 5. Juli 1875 §. 5. Vgl. II. 2. §. 127 und Koch, Komm, dazn, sowie Bornemann V. 286. Strieth. B. 55 S. 34. A. M. Gruchot. Beitr. B. 1 S. 310 Nr. 2 in Anwendung auf einen im Prozeß abgeschlossenen Vergleich.

§. 222.

Die persönlichen Wirkungen deS elterlichen Verhältnisses.

143

minderjährigen Hauskindes geschloffen hat, eine Verbindlichkeit des Kindes nicht begründen"). f. Das Kind verpflichtet den Vater durch die in Vertretung desselben vorgenommenen Rechtshandlungen nur vermöge eines von demselben ertheilten Auftrags, Vermögeeiner Genehmigung desselben oder durch eine Verwendung in seinen Ruhen"). Der ausdrückliche Auftrag bedarf keiner näheren Er­ läuterung. In II. 2. §. 127 ist davon die Rede, daß der Vater stillschwei­ gend alle Geschäfte genehmigt, welche das Kind vornehmen muß, um eine Beschäftigung auszuführen, die ihm der Vater außer seinem Hause an­ gewiesen hat ’*). Die Bedeutung der Genehmigung ist dahin erläutert, daß wenn der Vater Schulden des Kindes bezahlt hat, daraus nicht die Ermächtigung zu fernerem Schuldenmachen gefolgert werden darf “). In Wahrheit liegt in §. 127 ein Auftrag vor, der den Abschluß der frag:2) Eine persönliche Verbindlichkeit des Hauskindes, das über 7 Jahre alt, konnte schon nach A.LR. I. 4. §§. 21. 22, I. 5. §. 14 durch genehmigte Erklärung des Hauskinds entstehen, so daß die Erstreckung von II. 2. §. 127 auch auf solche zweifellos war. Dasselbe bestimmten mit größerer Deutlichkeit §§. 2 ff. Ges. betreffend die Geschäfts­ fähigkeit Minderjähriger vom 12. Juli 1875 (G S. S. 518). Zum Text ist zu ver­ gleichen Schmidt, Familienrecht S. 534. 556ff. und Paul. Lehre von den Ver­ trägen. §.11; auch Strieth. B. 67 S. 143. Der hier formulirte, von Förster angenommene Sah: „der Vater verpflichtet das Kind nicht über den Betrag des von ihm verwalteten Vermögens hinaus" scheint nicht ganz das Richtige zu treffen. Es kommt vielmehr zunächst darauf an, ob ein Geschäft vom Vater in der Verwaltung des Kindesvermögens vorgenommen ist. Ein Rechtsgeschäft, das diesen Charakter nicht hat, kann eine Verpflichtung, die irgend wie unmittelbar das Kindesvermögen be­ lastete. nicht begründen. Die in der Verwaltung übernommenen Verbindlichkeiten aber, die aus des Kindes Vermögen getilgt werden sollten, muß das Kind als aus diesem Vermögen zu tilgende anerkennen, darüber hinaus aber verpflichten sie das Kind nicht. — Erwerben kann der Vater für das Kind — auch Grundstücke. — Vgl. Johow und Künhel B. 2 S. 102. — Ueber die Befugniß des Vaters zum Erb­ schaftserwerb und Verzicht für das Kind vgl. unten §. 223 Anm. 27. Abweichend vom Text und den obigen Ausführungen bezeichnet Dernburg III. §. 53 Anm. 5 den Vater als vormundschaftlichen Vertreter des Kindes. Danach würde er, da seine Vertretung nicht an die Schranken der Vormundschaftsordnung zu binden ist, das Kind auch durch Schenkungsversprechen, Bürgschaften, Spekulationsgeschäfte auf des Kindes Namen verpflichten! — Als gemeinrechtlich begründet hat das R.G. Entsch. B. 15 S. 197 ein Recht des Vaters zu vollständiger vermögensrechtlicher Vertretung des minderjährigen Hauskindes angenommen, unbeschränkt durch die Vorschriften des Vormundschaftsrechts, welche die Vertretung des Vormunds einschränken, und auch nicht objektiv beschränkt auf das Gebiet der Verwaltung der Adventizien. Aber Hand­ lungen des Vaters, welche auf wissentlich widerrechtliche Schädigung des Kindes abzielen, seien für das Kind unverbindlich — und zwar auch wenn der Dritte davon keine Kenntniß, hatte, also den Vater als berechtigten Vertreter des Kindes ansehe,l durste. 3) II. 2 §. 126. Stölzel §. 14. 3) II. 2. §. 127. Gruchot B. 17 S. 177. Vgl, oben Anm. 30. Handelt es sich dabei iint Erwerbsgeschäfte, die das Kind in eignem Namen ausüben soll, so liegt in der Genehmigung des Vaters dazu, daß das Kind sich diesem Geschäft widme, wohl eine Zustimmung zu der Verpflichtung des Kindes, nicht aber eine Uebernahme eigner Pflichten. Es handelt sich in §. 127 darum, daß das Kind vom Vater in besten Angelegenheiten einer Bestimmung außer dem Hause gewidmet ist. Eigne Angelegen­ heit des Vaters ist aber auch die Erziehung des Kindes. Deshalb ist der Vater mit Recht für das Honorar von Vorlesungen, welche der von chm zur Universität ge­ schickte Sohn angenommen hat, als verpflichtet angesehen. Strieth. B. 55 S. 34, Entsch. B. 43 S. 212. 3!) II. 2. § 128.

144

Viertes Buch.

lichen Geschäfte umfaßt.

Die besonderen Privatrechte.

Daneben kommt aber auch jede ausdrückliche oder

konkludente Genehmigung der Geschäftsführung des Kindes in Angelegenheit

des Vaters in Betracht. Bei der nützlichen Verwendung werden zwei Fälle unterschieden. Erstens: ein Dritter hat dem außer dem väterlichen Hause lebenden Kinde Etwas zu den nothwendigsten und dringendsten Lebens­

bedürfnissen gegeben; das Gegebene gilt als in den Nutzen des Vaters ver­ wendet, und dieser wird dadurch verpflichtet zur Gegenleistung.

Was als

nothwendiges und dringendes Bedürfniß des Lebens zu erachten, muß im

einzelnen Falle erwogen werden, der dritte Gläubiger aber muß nachweisen,

daß ein solches Bedürfniß

für das Kind

wirklich vorhanden

gewesen").

Zweitens: andere Bedürfnisse, die nicht zu den dringenden und nothwen­ digen des Lebens gehören, sind dem außer dem Hause lebenden Kinde be­

friedigt worden; dann soll der Vater verpflichtet werden, wenn das Kind nicht

Gelegenheit gehabt hat, von ihm die Unterstützung zu erhalten.

Den Mangel

der Gelegenheit muß der Gläubiger nachweisen. Immer aber müssen eS auch hier Bedürfnisse sein, zu deren Befriedigung der Dritte Sachen oder Gelder gegeben hat"). Bei einem Darlehn insbesondere hat der Gläubiger nach­ zuweisen, daß der Vater dem Sohne die Mittel zu einer nothwendigen oder

nützlichen Aufwendung nicht gegeben, der Sohn also ohne eigene Schuld

den Kredit hat nachsuchen müssen"). g. Durch andere nicht genehmigte Schulden des Hauskindes wird weder der Vater noch das Kind verpflichtet"); sie können auch nach aufgehobenem Gewaltverhältniß nicht geltend gemacht werden") und werden nicht dadurch

gütig, daß das Kind vorgegeben hat, es stehe nicht mehr in der Gewalt"). Der

Gläubiger kann nur aus dem Vermögen des Kindes Ersatz fordern, soweit sich dieses zur Zeit der Klagansteüung noch im Besitz des durch die Ver­ wendung bewirkten Vortheils befindet"), oder wenn das Kind ihn ohne sein 36) II. 2. §. 129. Präj. 792. Sammt. I. S. 165. Erlisch. B. 18 S. 285. Strieth. B. 24 S. 119. Seuffert IX. 305. 306. X. 61. XVII. 64. ”) II. 2. §. 130. Ueber das Verhältniß des tz. 130 zu §. 129 s. Strieth. B. 39 S. 95. 38) I. 12 §. 708 f. Oben B. 2 §. 137 Sinnt. 96. ”) II. 2. §. 131. Dies gilt auch von Wechselverbindlichkeiten der großjährigen Hans­ söhne. Entsch. B. 22 S. 401. Die Verpflichtungsunfähigkeit äußert sich auch in der Unfähigkeit der Hauskinder, die Gegenstände des unfreien Vermögens zu veräußern oder zu belasten, II. 2. §. 201, während sie über die Gegenstände des freien Ver­ mögens wirksam verfügen. Hieraus 'roitb aber zu Unrecht die-Folgerung gezogen, daß die Verbindlichkeiten des großjährigen Hauskindes nur in soweit an die Ge­ nehmigung des Vaters gebunden feien, als sein in der Verwaltung des Vaters stehendes Vermögen in Betracht komme. (Dernburg III. §.52 Sinnt. 12). Wenn dies heißen soll, daß die Verbindlichkeit an sich zu Recht bestehe und in das freie oder freigewordene Vermögen des Haussohns vollstreckbar sei, so ist dem Sah mit aller Bestimmtheit zu widersprechen. Nur ein solcher Vertrag, der nach seinem klaren Inhalt Verfügungen über bestimmte freie Vermögensstücke enthält, ist ver­ bindlich. Strieth. B. 50 S. 162. Vergl. int klebrigen §. 223 unterI. bei Sinnt. Uff. Das gilt auch in der Mark. Entsch. B. 22 S. 171. 40) II. 2. §. 132. Wegen deS Anerkenntnisses s. unten bet Sinnt. 45. 41) II. 2. §. 134. Entspricht der allgemeinen Regel der §§. 32. 33. I. 5. Sl.b.R., vgl. §. 7 Ges. v. 12. Juli 1875. 43) IT. 2. §. 133. Oben B. 2 §. 148 Sinnt. 41. Strieth. 'S. 56 S. 261.

§. 222.

Die persönlichen Wirkungen des elterlichen Verhältnisses.

145

eigenes mäßiges Versehen hintergangen hat"). Der Gläubiger kann ferner die ihm auf die ungiltige Schuld geleistete Zahlung zurückhalten, auch wenn die Zahlung vor aufgehobener Gewalt geschehen ist; es ist also die Kondiktion der Zahlung als ungiltig ausgeschloffen"). Endlich kann die un­ giltige Schuld durch ein nach aufgehobener väterlicher Gewalt ausdrücklich, gerichtlich oder notariell erklärtesAnerkenntniß des Kindes für dasselbe gütig werden. Das Anerkenntniß muß aber als ein neuer, durch sich selbst rechtsgiltiger Vertrag anzusehen sein, insbesondere also die Verpflichtung zur Zah­ lung ausdrücken"). In dieser Weise ist der Rechtszustand, den im römischen Recht der Macedonische Senatsschluß geschaffen, im preußischen Recht umgestaltet. Es sind nicht bloß, wie Svarez vorträgt, die Vorschriften über das Darlehn auf andere Geschäfte ausgedehnt und die Einrede aus der nützlichen Verwen­ dung eingeschränkt, das nachträgliche Anerkenntniß erschwert worden"), son­ dern das römische und das preußische Recht haben ganz verschiedene Ausgangs­ punkte. Der römische Haussohn war trotz seiner Vermögensunfähigkeit doch fähig, sich selbst zu verpflichten und den Vater auf Höhe des Pekuliums aus Verträgen verbindlich zu machen, nnr ausnahmsweise wurde bei Gelddarlehnen durch die Einrede des Senatsschlusses geholfen "). Nach preußischem Recht ist der Haussohn handlungsunfähig, seine Schuld ist ungiltig, der Gläubiger hat kein Klagerecht. Nur sind die Folgen der Handlungsunfähigkeit nicht streng sestgehalten, der Ausschluß der Kondiktion ist eine Inkonsequenz"), während sie im römischen Recht aus der natürlichen Verbindlichkeit des Hauskindes folgt"). h. Durch unerlaubte Handlungen des Kindes wird der Vater nicht verpflichtet, außer wenn er es dazu verleitet, die That gebilligt oder nicht ver­ hütet hat, oder wenn dieselbe als eine Folge vernachlässigter Erziehung erscheint"). Ja gleicher Weise wird die Mutter verpflichtet"). Diese Verpflichtung ist

'-) II. 2. §. 135. '*) II. 2. §. 138. Das seht voraus, daß der Zahlende durch nichts anderes als durch die väterliche Gewalt beschränkt war. War er minderjährig, so regelt sich die Rück­ forderung nach §§. 170. 171. I. 16. A.L.R. Entsch. B. 72 S. 243. -b) II. 2. §§. 136. 137, vgl. mit §. 37. L 5 und § 3 Ges. v. 12. Zu« 1875. Oben B. 1 §.73 Anm. 12. Bvrnemann V. 288. Ueber Anerkenntnisse von Handelsschulden vgl. Entsch. B. 77 S. 295. •6) Schlutzrevis. S. 135. Weil bei der Redaktion von der Ansicht ausgegangen wurde, daß man im Wesentlichen das römisch« R. ausgenommen habe, so gelten diese Be­ stimmungen des A.L.R. in der Mark nicht als suspendirt. Pl.-Beschl. Entsch. B. 22 S. 171. Strieth. B. 5 S. 88. Koch, Note zu §. 125. ■’) Sergi. Dietzel, dasSCturn Macedonianum. 1856. Windscheid II. §. 373. Seuffert XL'229.

*) Oben B. 1. §. 90 Anm. 25. B. 2 §. 150 Anm. 49, 51. *) Stolzes §. 11. Streitig ist im gern. R., ob der Vater kondiziren kann. Die Aus­ sprüche von Ulpian ]. 14. D. XII. 1. I. 9. §. 1. v. XIV. 6 scheinen sich zu wider­ sprechen. S. Windscheid a. a. O. Note 16. ->) II. 2. §§. 139-143. Oben B. 1 §. 90 Anm. 54. a) II. 2. §§. 144. 145. gerfter (ttcciut). Preiiß. Pri»>urechr.

IV.

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Viertes Buch.

Die besonderen Privatrechte.

eine solidarische neben der des Kindes"). Das Kind haftet für den Scha­ denersatz mit seinem eigenen Vermögen, und zwar nicht bloß mit seinem freien, sondern sofort, d. h. ohne Rücksicht auf den Nießbrauch des Vaters mit dem unfreien 52 53).

§. 223. Die vermögensrechtlichen Wirkungen der väterlichen Gewalt. A.L.R. II. 2. §§. 147—209. Bornemann V. 289f. Koch, Priv.-R. II. 630f. Dernburg III. §§. 53—58. Schmidt §§. 64—72. S. 522f. Arndts und Leonhard, Vormundschaftsr. S. 93. Stölzel §§. 12 ff. Fischer §. 101. - Glück B. 2 S. 208f. 214f., B. 14 S. 355fg. Kraut, Vormundschaft II. S. 640f. Wind­ scheid II. §. 484. Savigny, Oblig.-R. II. S. 52. Dietzel, in 53esfer und Muther Jahrb. B. 2 S. 47 fg.

In seinen Vorträgen bei der Schlußrevision hat Svarez bemerkt, daß die mancherlei römischen Eintheilungen des Pekuliums heute kaum einen doktrinellen Nutzen haben, es bedürfe daher einer Vertheidigung nicht, daß diese Distinktionen im Gesetzbuch übergangen und die Sache durch den Ge­ gensatz des freien und nicht freien Vermögens vereinfacht worden ist. Uebrigens hebt er hervor, daß die Vorschriften des Gesetzbuchs nicht gegen das bisherige gemeine Recht feiens. In der That war ja das römische peculium profectitium im gemeinen Recht nicht mehr praktisch?), es bleibt daher, da das Hauskind vermögensfähig ist, und Verträge zwischen ihm und dem Vater zulässig sind, in der That nur der Gegensatz von solchem Vermögen übrig, welches der Verwaltung und dem Nießbrauch des Vaters unterworfen, oder entzogen ist. Dies ist der Gegensatz zwischen peculium castrense, quasi castrense, adventitium irreguläre einerseits und peculium adventitium regu­ läre andererseits. Diesen Gegensatz haben die Redaktoren passend bezeichnet durch freies und nicht freies Vermögen der Kinder.

52) Bei der Redaktion hat Grolmann im Fall des §. 143 eine subsidiarische Haftung angenommen, weil die Eltern hier nur entfernte Urheber der Handlung sind. Vgl. Bornemann II. 189. Note 5. V. 289. Besondere Bestimmungen über eine sub­ sidiäre Hast strafrechtlichen Ursprungs enthalten das Forstdiebstahlsgesetz vom 15. April 1878 §§.11. 12, Feld- und Forst-Polizeigeseh vom 1. April 1880 §. 5. 53) II. 2. §§. 146. 167. 203. Dgl. Bornemann II. S. 184. Der Vater kann also in Anspruch genommen werden, sich die Zwangsvollstreckung in das seinem Nießbrauch unterstellte Vermögen gefallen zu lassen. Vgl. wegen der analogen Haftung der Jllaten der Ehefrau oben §. 208 Anm. 70. a. S. unten §. 223 Anm. 19. J) Jahrb. 53. 41 S. 136. 3) Vergl. Leyser sp. 164 handelt zwar wesentlich nur vom pec. advent. aber in med. VII. hält er doch daran fest, daß für das pec. profectitium zu vermuthen sei. Da­ gegen bestreitet Stryck, us. mod. XV. I. gradezu zu Rezeption des pec. prof. und des Titels Dig. XV. 1. Cocceji jus. controv. XV. 1. qu. 16 unterscheidet, ob der Sohn in oder selbständig außer dem Hause des Vaters lebt, im ersteren Fall nimmt er das profect. noch an. Dagegen wieder Lauterbach, colleg. th. pr. XV. 1. §. 41: haec actio de peculio hodie plus difficultatis quam utilitatis habet. Vergl. noch Schiller, prax. jur. Rom. exerc. 27. §. 85. Kraut a. a. O. S. 640f. Doll­ mann in den Bl. f. Rechtsanw. 53. 13 S. 129. Seuffert, Pand. 53.3 §.485. Savigny a. a. O. Dietzel S. 50. Abweichend Windscheid a. a. O. Vergl. auch Man dry, Begriff des Peknliums und Stölzel §12.

§. 223.

Die vermögensrechtltchen Wirkungen der väterlichen Gewalt.

147

I. Freies Vermögen ist das dem väterlichen Nießbrauch nicht unter­ worfene eigenthümliche Vermögen der Kinder'). Hierhin gehört eigener Er­ werb , den sie außerhalb des väterlichen Geschäfts und Haushalts machen, die ihnen von dem Vater oder Anderen gegebene Ausrüstung und Beihilfe für ihren Berufsdienst, Lehne, die ihnen anfallen, Belohnungen des Fleißes und der Geschicklichkeit, die dem Kinde von den Eltern oder Anderen zuge­ wendet werden, Geschenke und Vermächtnisse die ihnen aus-Erkenntlichkeit für geleistete Dienste oder erwiesene Gefälligkeiten zufließen, auch sonst, was ihnen von Eltern, Verwandten, Freunden mit ausdrücklicher Ausschließung des väterlichen Nießbrauchs, — den nur die Ascendenten des Vaters diesem nicht entziehen dürfen, weil sie ihm den Pflichttheil hinterlassen müssen —, beschicken wird, endlich die Ersparniß von demjenigen, was ihnen die Eltern zum Unterhalt außer dem Hause überwiesen haben'). Wenn außerdem im ein­ zelnen Fall zweifelhaft erscheint, ob ein Vermögenstheil zum freien oder nicht freien Vermögen gehört, so muß die Regel entscheiden, daß das freie Vermögen die Ausnahme bildet'), und daß der väterliche Nießbrauch bezüglich einzelner Vermögensstücke nur durch eine ausdrückliche Willenserklärung aus­ geschlossen werden kann'). Ueber das freie Vermögen haben die Kinder unbeschränkte Eigenthumsbefugniß, als ob sie nicht unter väterlicher Gewalt ständen'). Während der Minderjährigkeit schrieb das Landrecht dem Vater die vormundschaftliche Verwaltung zu, wenn nicht der Dritte, von dem das Vermögen dem Kinde zugewendet worden, auch diese ausgeschlossen hat; jetzt ist diese Bestimmung weggefallen, eine gesetzliche Pflegschaft des Vaters kennt die Vormundschafts­ ordnung nicht, und es muß also dem Kinde ein Pfleger bestellt werden').

3) II. 2. §. 147. 4) II. 2. §§. 148—155. Seuffert XII. 43. b) Entsch. B. 32 S. 114. Strieth. B. 45 S. 311, B. 49 S. 82, B. 50 S. 162, B. 77 S. 98. Wenn ein Dritter dem Kinde ein Kapital, und der Mutter die Zinsen davon auf Lebenszeit zuwendet, so gehört deshalb das Kapital nicht zum freien Vermögen des Kindes; der väterliche Meßbrau ch ist hier nicht ausgeschlossen, sondern nur that­ sächlich aufgeschoben, wie Koch, Komm. Note zu §. 154 mit Recht bemerkt, gegen Siewert II. 197. Angefallene Fideikommisse, Stiftungsrevenüen, der gesetzliche Nießbrauch des Haussohnes an dem eingebrachten Vermögen seiner Frau, die Ent­ schädigung einer Geschwächten (s. Seuffert III. 271 bei Nr. 5), überhaupt Ent­ schädigungen, die einem Hauskinde gezahlt werden, und der Anspruch desselben auf Ent­ schädigung wegen unerlaubter Handlungen (R.G. bei Gruchot B. 29 S. 390), die abgescheichteten Vermögenstheile der Kinder, wenn durch den Tod der Mutter die Güter gmeinschaft aufgehoben worden, ein dem Kinde vom Vater bei der Güterveräußerung­ auf den Kaufgeldrückstand angewiesenes Kapital, — alles das gehört zum nicht freien Vermögen des Kindes. Vgl. Gruchot VIII. 390. Es ist festzuhalten, daß die §§, 148 bis 155 nicht bloß Beispiele find, sondern.die Fälle des freien Vermögens erschöpfen. 6) Gesetzrevisor XV. 69. 7) II. 2. §. 158. Bezüglich der Verfügung darüber vgl. oben §. 222. 8) II. 2. §§. 161. 162. Vgl. II. 18. §§. 984fg. Ob diese Bestimmungen zur Zeit noch gelten oder durch die Vormundschaftsordnung beseitigt sind, ist streitig. Dernburg, Vormundschaftsrecht S. 24, ist zuerst für Beseitigung eingetreten, schien aber eine gesetzliche Pflegschaft des Vaters als fortbestehend anzunehmen. Den Standpunkt des Texts vertritt jetzt auch Dernburg III. §.54 Anm. 23, D ernburg-Schul-

148

Viertes Buch.

Die besonderen Privatrechte.

Die Nutzungen des freien Vermögens kann der Vater, soweit erforderlich, für Verpflegung und Erziehung des Kindes beanspruchen, der Ueberrest wächst der Substanz zu'). Die Substanz also darf der Vater auch nicht für den Un­ terhalt und die Erziehung des Kindes in Anspruch nehmen. Nach erlangter

tzenstein S. 33, und Jungeblodt bei Gruchot B. 28 S. 13. Dagegen Boas bei Gruchot V. 20 S. 770, Wundsch ebenda B. 20 S. 219 und der größte Theil der Kommentatoren der Vormundschastsordnung. Auch die Praxis des Kammer­ gerichts (Entsch. B. 6 S. 61) ist für dauernde Geltung des §. 159. Das Landrecht handelt von dem Rechte des Vaters zur Verwaltung des freien Vermögens eingehend im Vormundschaftsrecht, bezeichnet die Verwaltung ausdrücklich im §. 159 als eine vor­ mundschaftliche, stellt sie auch unter die Leitung des Vormundschaftsgerichts. Daß die Bestimmungen nicht durch die Vorschrift des §. 95 Vorm.-Ordn. aufrecht erhalten werden, ist ziemlich allgemein anerkannt; nach dieser Bestimmung bleiben nur die Befugnisse unbe­ rührt, welche den Eltern kraft gesetzlicher Nutznießung am Kindesvermögen zustehen; eine Nutznießung am freien Vermögen besteht aber nicht, und das in der folgenden Anm. zu besprechende Recht steht dem Vater schon nach Landrecht auch daun zu, wenn eine andere Verwaltung als die durch ihn zu führende eingesetzt ist. Die Frage der dauernden Geltung hängt also' davon ab, ob es sich hier um eine Vorschrift über das Vormundschafts­ wesen im Sinne des §. 102 Vorm.-Ordn. handelt. Das ist zu bejahen, weil Inhalt der Vorschriften die gesetzliche Begründung einer vormundschaftlichen Vertretung der minderjährigen Kinder bei der Verwaltung ihres Vermögens ist. Vgl. oben §. 208. Anm. 58, §. 209 Anm. 44. Die entgegengesetzte Auffassung sieht die Bestimmungen als solche an, welche auf Grund der väterlichen Gewalt ein Recht des Vaters auf Verwaltung des freien Vermögens begründen. Das sind inhaltlose Worte, wenn eine Verwaltung in Frage steht, welche lediglich im Interesse des Kindes und in Vertretung des Kindes geführt werden soll, wie das doch hier der Fall ist. Rehbein und Reincke zu § 984 II. 18 A.L.R. machen noch geltend, daß die Annahme einer eigentlichen Kuratel nicht zu §§. 2. 28 ebenda passe. Aber selbst wenn das der Fall wäre, würde es bei der Ungenauigkeit der landrechtlichen Systematik kein Beweis sein; §. 28 a. a. O. begrenzt übrigens nur die Fälle, in denen eine Dativkuratel ein­ zutreten hat. Unzutreffend ist jedenfalls das Argument, daß die Vorm.-Ordn. selbst eine Pflegschaft bei Hauskindern nur für möglich erkläre, wenn sie durch Jemand, der eine Zuwendung macht, angeordnet sei, denn der dabei citirte §.87 Vorm.-Ordn. will die Fälle der Pflegschaft nicht erschöpfen, und §.86 ebenda trifft insofern zu, als in dem hier in Rede stehenden Fall die Ausübung vormundschaftlicher Rechte erforderlich ist, aber von dem Vater aus dem rechtlichen Grunde nicht geübt werden kann, daß sie ihm nicht von Gesetzes wegen übertragen sind. — Der entgegengesetzte Standpunkt kommt insofern in Verlegenheit, als §. 990 die einzelnen Vorschriften des siebenten Abschnitts des achtzehnten Titels heranzieht, die für das Vormundschafts­ recht ihre Geltung verloren haben, und als man es dann für nöthig hält, ohne ge­ setzliche Grundlage, die hier angezogenen Bestimmungen für durch die Vormund­ schaftsordnung ersetzt anzusehen. Es ist aber in § 990 nicht von einer Allegirung des jedesmal geltenden Bormundschaftsrechts, sondern der bestimmten Normen des achtzehnten Titels bic Rede. Entweder also die ganze Norm ist vormundschafts­ rechtlich, also beseitigt, oder die Norm ist nicht vormundschaftsrechtlich: dann sind die citirten Bestimmungen des damaligen Vormundschaftsrechts auf diesen besonderen Fall übertragen und noch jetzt anzuwenden. 9) II. 2. §§. 161. 162. Dies Recht hatte der Vater, gleichviel ob er in die vormund­ schaftliche Verwaltung trat oder nicht. Er hat es noch jetzt, und auch jetzt noch wird ihm das Maß, in welchem er es beanspruchen kann, durch Entscheidung des Vormundschastsgerichts festzustellen sein. Denn daß dies geschehen solle, ist nach §. 162 eine Begrenzung seines Rechts, gleichviel ob die Verwaltung einem Andern zusteht. Es handelt sich nicht um eine jetzt beseitigte obervormundschaftliche Leitung des vormund­ schaftlichen Verwalters, sondern eine Begrenzung des väterlichen Rechts auf die Nutzung. - - Das Recht besteht dem Umfange nach ohne Rücksicht darauf, ob der Vater andere Mittel hat, den Unterhalt des Kindes zu bestreiten, ob dazu namentlich die dem Vater zustehenden Revenüen des unfreien Kindesvermögens ausreichen. Der Vater kann ganz abgesehen von diesen Bezügen die Verpflegungs- und Erziehungskosten des Kindes aus den Revenüen des freien Vermögens des Kindes beanspruchen. R.G.. Entsch. B. 9 S. 280.

§. 223.

Die vermögensrechtlichen Wirkungen der väterlichen Gewalt.

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Großjährigkeit oder nach sonstigem Wegfall der vormundschaftlichen Verwal­ tung erhalten die Kinder auch die selbständige Verfügung und Geschäfts­ fähigkeit bezüglich des freien Vermögens, ohne daß es des väterlichen Bei­ tritts zu ihren Verträgen darüber bedarf'"). Während der Dauer der väter­ lichen Gewalt ist aber der Gläubiger des Kindes immer in der Lage, nach­ weisen zu müssen, daß der Vertrag in Beziehung auf dafür haftendes freies Vermögen abgeschlossen sei"). Er soll sich daher — ähnlich wie der Gläu­ biger, welcher bezüglich des vorbehaltenen Vermögens der Frau kontrahirt")— seine Forderung durch Eintragung in das Grundbuch auf dem Blatt des freien Grundstücks des Kindes, oder durch Uebergabe des Schuldinstrumentes über die verpfändete Forderung oder der verpfändeten beweglichen Sache besonders sichern'"). Großjährige Kinder müssen zwar die Einkünfte ihres freien Ver­ mögens vorzüglich zu ihrem Unterhalte verwenden, aber nur „soweit diese hin­ reichen", darüber hinaus hat der Vater einzutreten, und die Substanz des freien Vermögens wird auch hier konservirt"). Für den Ersatz aus unerlaubten Hand­ lungen des Kindes haftet dieses Vermögen zunächst, und zwar auch die Sub­ stanz"). II. Zum nicht freien Vermögen gehört alles Andere, insbesondere „bloße" Schenkungen, Vermächtnisse, Erbschaften, Glückserwerbe des Kindes"). Der Vater hat hieran Verwaltung und Nießbrauch bis zur Aufhebung der väterlichen Gewalt"); es können also die Hauskinder ohne Beitritt und Ein­ willigung des Vaters über dieses Vermögen nicht unter Lebenden verfügen, wohl aber können sie darüber testiren"). Aus unerlaubten Handlungen des Kindes haftet auch das nicht freie Vermögen dem Beschädigten selbst der Substanz nach, doch hinter dem freien"). Die Verwaltung des Vaters ist zwar eine freiere, als die eines Vor­ mundes, denn es handelt sich dabei um sein eigenes, nicht um ein übertra­ genes Recht; aber sie unterliegt in einzelnen Fällen insofern die Kinder min­ derjährig sind, der gerichtlichen Genehmigung des Vormundschaftsgerichts, während bei Großjährigkeit der Kinder entsprechende Verfügungen nur mit ihrer Zustimmung zulässig sind. Dies gilt von solchen Substanzveränderun10) n) *2) 13) 14)

lb) 16) 17)

18) 19)

II. 2. §§. 163. 165. Vgl. oben §. 222 unter d und c. Strieth. B. 50 S. 162. S. oben §. 222 Anin 28. Oben §. 208 Anm. 21. II. 2. §. 166. II. 2. §. 164. Im gemeinen Recht anders. S. 1. 5 § 7. Ll XXV. 3. 1. 8 C. IV. 1. Voet, comm. XXV. 3. Nr. 15. Berger, oecon. jur. I. 3. 15 Not. 10. Heuser, Annalen V. 365. Seusfert XII. 45. II. 2. §. 167. II. 2. §§. 156. 157. Vgl. oben Anm. 5. Das väterliche Nießbrauchsrecht ist nicht veräußerlich. Seusfert XX. 222 (Cassel). Vgl. hierzu oben §. 208 Anm. 47. II. 2. §§. 168. 202. Kraut II. 612f. II. 2. §. 203. Vgl. §. 222 Anm. 53. Der Vater kann jetzt verklagt werden sich die Zwangsvollstreckung in die bestimmten Gegenstände des seinem Nießbrauch unter­ stehenden Vermögens gefallen zu lassen. Früher wurde er als Vertreter des Sohnes verklagt und verurtheilt, nnd das ergehende Urtheil war in Gemäßheit des §. 203 gegen ihn vollstreckbar.

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Viertes Buch,

Die besonderen Privatrechte.

gen, die der Nießbraucher nicht ohne den Eigenthümer vornehmen darf, sowie von Veräußerung, Verpfändung, dauernder dinglicher Belastung der Grund­ stücke oder Gerechtigkeiten^). Der Vater des Minderjährigen hat hier dem Gericht die Nothwendigkeit oder Nützlichkeit nachzuweisen20 21). Bei der Veräußerung bloß des Nutzens wegen soll das gelöste Kaufgeld für das Kind wieder stcher, in Grundstücken oder als Hypothek, oder gegen Kaution des Va­ ters angelegt werden"). Will dieser sich künftig Verbesferung des von ihm verwalteten Grundstückes aus dem Vermögen des Kindes vergüten lassen, so muß er sich die Einwilligung des Gerichts auch zu der Verbesserung ver­ schaffen ").

20) II. 2. §§. 170. 171. Die hier erwähnte vormundschaftsgerichtliche Genehmigung ist kein Akt obervormundschaftlicher Aufsicht, auch nicht eine Erklärung, die das Gericht als Vertreter des minderjährigen Kindes abgiebt. Wäre sie letzteres, so würde jetzt nicht mehr das Gericht, sondern ein von demselben zu bestellender Pfleger, allenfalls mit vormundschaftsgerichtlicher Zustimmung sich zu erklären haben. Dem Vormund­ schaftsgericht ist aber im Familienrecht mannigfach eine über den Bereich der Vor­ mundschaft hinausgehende familienrechtliche Einwirkung eingeräumt. Wie dasselbe z. B. den Widerspruch der Frau gegen Dispositionen über das Eingebrachte beseitigt (vgl. oben §. 208 Anm. 41) und die Legitimation des Ehemanns zu Verfügungen m der gütergemeinschaftlichen Ehe ergänzt (§. 209 Anm. 64), so ergänzt es hier die Legitimation des Vaters. — Die Veräußerung ohne Genehmigung nannte Förster anfechtbar, die Anfechtbarkeit aber werde geheilt durch spätere ausdrückliche oder still­ schweigende Genehmigung des Kindes, analog nach §. 593 f. II. 18. Richtiger ist, daß der Willensakt der Veräußerung erst perfekt vorliegt, wenn die gerichtliche Ge­ nehmigung oder die Genehmigung des Großjährigen oder inzwischen Großjährigge­ wordenen erbracht ist. Entsch. B. 45 S. 372. Strieth. B. 34 S. 333. S. auch Gruchot III. 438. Seuffert III. 334. — Das A.G. Hamm (Gruchot III.441) hat mit Rücksicht auf II. 2. §. 168 ausgeführt, daß, wenn der Vater ein Grundstück, welches ihm und seinem Sohne zusammen gehört, als ihm allein gehörig verkauft hat, der Sohn gegen den Käufer auf Herausgabe seines Antheils an dem Grundstück so lange nicht klagen kann, als die väterliche Gewalt dauert, weil solange der Vater doch Besitz und Nießbrauch an diesem Antheil haben würde und der Käufer an seine Stelle getreten ist. Die Entscheidung ist bedenklich. Den väterlichen Besitz und Nießbrauch konnte der Käufer nicht erlangen, er wollte Eigenthümer werden, und der Kauf in Betreff des Kindestheils ist anfechtbar, mithin dieser Antheil entwehrbar. — Der §. 170 bezieht sich nur auf solche Fälle, wo der Vater den Nießbrauch an dem Vermögensstück hat, über welches er substantiell verfügt. Wo ein solcher Nießbrauch nicht vorliegt, bedarf die Disposition des Vaters nicht der Genehmigung des Gerichts, wenn der Vater für das Kind ein Grundstück ankauft und für das rückständige Kaufgeld verpfändet. Strieth. B. 67 S. 144. Entsch. B. 58 S. 298. - Veräuße­ rung von Grundstücken minderjähriger Kinder, die zum freien Vermögen gehören, unterliegt jetzt nach dem zu I. ausgeführten den Bestimmungen der Vormundschafts­ ordnung; früher war es zweifelhaft, ob dabei gerichtliche Genehmigung nöthig sei. Indessen wurde dies mit Recht von der Praxis bejaht. Strieth. B. 39 S. 88. — Ob die Vermiethung oder Verpachtung von Grundstücken durch den Vater der Ein­ schränkung von I. 21. §. 388 A.L.R. unterliegt, ist ebenso zweifelhaft, wie die Beziehung der gedachten Vorschrift auf den Nießbrauch des Ehemanns, wird aber auch hier zu bejahen sein. Vgl. B. II. §. 136 Anm. 160 und oben §. 208 Anm. 39. 21) II. 2. §§. 172. 173. Nothwendig ist die Aufnahme einer Taxe nicht, um den Nach­ weis der Nützlichkeit zu führen. Koch, Priv.-R. II. S. 633 Note 21. Ueberhaupt ist die Genehmigung des Gerichts gan^ arbiträr, auch nicht durch II. 18 §. 563 ge­ bunden. Seuffert III. 334. 335. Diese Sätze wird um so weniger bezweifelt werden, seitdem die Bonn.-Ordn. auch für das Vormundschaftsrecht'die Taxe als Voraussetzung der Genehmigung von Veräußerungen aufgegeben hat. 22) ii. 2. §. 174. 23) ii. 2. §. 175.

§. 223.

Die verinögeiisrechtlicheii Wirkungen der väterlichen Gewalt.

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Was die Kapitalien der Kinder betrifft, so steht es zwar im freien Gutbefinden des Vaters, wie er sie anlegen oder ob er sie einziehen und sich selbst zum Schuldner dafür bestellen will"); aber wenn ein Kapital den Kindern „zur Sicherheit besonders verschrieben", d. h. wenn die Verwaltung des Vaters durch seinen eigenen Akt oder durch Willenserklärungen des Zu­ wendenden rechtswirksam eingeschränkt ist, so darf er auch die Kapitalien nicht ohne Einwilligung der Kinder oder des Gerichts einziehen und anderweitig anlegen"). Im Uebrigen unterliegt die Verwaltung des Vaters keiner Beaufsichti­ gung des vormundschaftlichen Gerichts"); er bedarf insbesondere nach der richtigen Meinung auch nicht der Einwillung desselben, um eine dem min­ derjährigen Kinde angefallene Erbschaft vorbehaltlos anzunehmen oder aus­ zuschlagen"). Bezüglich anderer Gegenstände als der hier bezeichneten be­ steht keine Beschränkung des Vaters in der Legitimation zur Verfügung über die einzelnen Gegenstände des eingebrachten Vermögens der Kinder bei der Verwaltung dieses Vermögens. -'«) S. z. B. Strieth. B. 26 S. 318. Seuffert XVII. 65. 25) II. 2. §. 169. Insbesondere auch nicht wirksam cediren. R.G. bei Gruchot B. 28 S. 959. Darüber, was „den Kindern zur Sicherheit besonders verschrieben" bedeute, hat man gestritten. Zn der Praxis ist festgestellt, daß Hypothekbestellung nicht die einzige Art solcher Verschreibung zur Sicherheit ist (9tsfr. v. 26. Juli 1814. Jahrb. B. 3 S. 270 Reskr. v. 7. Febr. 1840. J.MBl. S. 71) und daß J. 169 insbesondere auf den Fall anzllwenden, wenn der Vater selbst das Kapital seinen Kindern zur Sicherheit bestellt und auf ihren Namen auf seinem eigenen Grundstück hat eintragen lassen. Entsch. B. 14 S. 60 Pl.-Beschl. Dagegen sind Hypothekenkapitalien, die auf Grundstücken Dritter auf den Namen der Kinder eingetragen sind, nicht deshalb allein zur besonderen Sicherheit ihnen verschriebene. Entsch. B. 41 S. 238. Strieth. B. 45 S. 311. Dian wird sagen müssen, daß der Fall der besonders bestellten Sicherheit immer vorliegt, wenn der Vater selbst auf seinem Grundstück auf den Namen seiner Kinder ein Kapital eintragen laßt, daß aber der Dritte, der das Kapital dem Kinde zuwendet, ausdrücklich erklärt haben muß, daß es zur Sicherheit dem Vater gegenüber auf deu Namen des Kindes geschrieben werden soll. Vgl. Koch, Komm, zu h. 169 und in der jur. Wochenschr. 1837. S. 257. Arndts und Leonhard, Vonnundschaftsrecht S. 112 Note 369. Wenn der Vater bei der Auseinandersetzung über dell mütterlichen Nachlaß den Kindern Hypotheken aus dem Nachlaß überwiesen hat, so ist mit Recht angenommen, daß das nicht iur Sicherheit verschriebene Kapi­ talien seien. Johow u. Küntzel B. 5 S. 80. Nach gem. R. kann der Vater ohne Weiteres die Kapitalien der Kinder einziehen, Seuffert III. 336. VII. 198. -ti) Z. B. Entsch. B. 52 S. 171, B. 58 S. 298. Strieth. B. 52 S. 236. Sicherheits­ maßregeln: Seuffert III. 336. VII. 198. -7) Das ist bestritten. Das O.-Trib. hat es angenommen, auch daß die vom Vater ver­ säumte Frist zur Einreichung des Inventars dem Kinde entgegensteht. Entsch. B- 23 S. 63, B. 52 S. 171, B. 58 S. 298. Dem ist das R.G. bei Gruchot B. 26 S. 1042 beigetreten. Vgl. auch Gruchot, Erbrecht I. S. 89. Koch, Komm, zu § 168, und Schütz in der jurist. Wochenschr. 1841. S. 101, der eine solche Erklärung des Vaters nicht als Akt der Vermögensverwaltung, sondern als Vertretung des noch unfähigen Willens des Hauskindes bezeichnet. S. oben §. 222 bei Anm. 32, wonach dies gerade gegen ein Vertretungsrecht den Ausschlag geben müßte. Soll dagegen die Erbschaft zum freien Vermögen des Kindeö gehören, so vertritt der Vater das minderjährige Kind nur, falls er zum Pfleger bestellt ist, und wie ein gewöhnlicher Dornlund; er bedarf also allerdings der gerichtlichen Einwilligung. Da aber die Erbschaft dem Kinde von Rechtswegen anfällt, so haildelt es sich zunächst bei der Legung oder Ver­ säumung des Inventars um einen Verwaltungsakt. Aber auch wenn es sich darum handelt, ob der Erbschaft entsagt und dadurch jede nachtheilige Einwirkung der Erb­ schaft auf das vorhandene oder künftige Vermögen des Kindes abgewehrt werden soll, handelt es sich um einen Verwaltungsakt.

152

Viertes Buch.

Die besonderes Privatrechte.

Der Nießbrauch des Vaters ist dadurch beschränkt und bedingt, daß er den Kindern standesmäßig Unterhalt und Erziehung gewährt; im Uebrigen hängt die Verwendung der Einkünfte ganz von seinem Belieben ab, und seine Gläubiger können sich aus ihnen befriedigen28). Einer Zwangsvoll­ streckung auf Grund eines nur gegen das Hauskind vollstreckbaren Titels in die im Besitz des Vaters befindlichen beweglichen Gegenstände kann der Vater schon als Besitzer, aber auch aus Grund seines Nießbrauchsrechts widersprechen, und dies bietet den Widerspruchsgrund auch bei Forderungen, welche auf den Namen des Hauskindes ausstehen, und bei demselben gehörigen unbeweglichen Gegenständen, bei den letzteren in derselben Weise wie bei den Jllatengrundstücken der Ehefrau ,8a). Der Vater verliert den Nieß­ brauch und die Verwaltung, wenn er in Konkurs geräth oder sonst außer Stande kommt, die Kinder standesmäßig zu verpflegen und zu erziehen, und er behält dann nur einen Anspruch auf Unterstützung aus den Einkiinften des Kindesvermögens29). Im Konkurse des Vaters haben die Ansprüche der Kinder wegen ihres gesetzlich in seine Verwaltung gekommenen Vermögens ein Vorrecht, sofern der Anspruch des Kindes binnen zwei Jahren nach Beendigung der väterlichen Verwaltung geltend gemacht und bis zur Eröffnung des Konkurs­ verfahrens verfolgt worden ist"). Besondere Sicherheit hat der Vater dem Kinde in der Regel nicht zu bestellen3'). Von dieser Regel giebt es eine Ausnahme: wenn der Vater in Vermögensverfall zu gerathen anfängt"). Das Landrecht statuirte fernere Ausnahmen, wenn der Vater eine amtliche Kassenverwaltung oder eine Pach­ tung vom Fiscus übernommen hat oder bei einer andern öffentlichen im Konkurse ihrer Kassenbedienten oder Verwalter privilegirten Anstalt in amtlicher Stellung ist. Diese auf dem früheren Konkursvorrecht dieser Anstalten be-

2#) II. 2. §§. 204. 205. Der standesmäßige Unterhalt kann zunächst aus dem nicht freien Vermöge» der Kinder gewährt werden. Präj. 1740 Samml. I. S. 166. — Seuff ert II. 306. 307. III. 337. 338. V. 296. XII. 169. XIV. 100. Der Vater ist persönlich verpflichtet, den Zins einer seinen Kindern zustehenden, von ihm als Nieß­ braucher betriebenen Pacht zu entrichten. Entsch. B. 62 S. 156.

28 a) Vgl. oben §. 206 Sinnt. 35. S. auch §. 184 bei Sinnt. 20f. M) II. 2. §§. 206—209. Die Vorschrift des §. 1 Abs. 2 Konk.-Ordn. (vgl. B. I. §. 110 Sinnt. 6, §. 112 Sinnt. 17) ist hiernach bezüglich des gesetzlichen Nießbrauchs am Kindesvermögen in Preußen gegenstandslos, da der Nießbrauch ipso jure mit der Er­ öffnung des Verfahrens wegfällt. Strieth. B. 49 S. 153. Die Wiederaufhebung de s Konkurses giebt dem Vater den Nießbrauch nicht wieder. Entsch. B. 35 S. 92. L-trieth. B. 13 S. 328. Ueber den Verlust des Verwaltungs- und Nießbrauchs­ rechts entscheidet nicht der Vormundschafts- sondern nur der Prozeßrichter, ^ohow und Küntzel B. 3 S. 63.

30) R.-Konk.-Ordn. §. 54 Ziffer 5. Vgl. die älteren Vorschriften der preuß. Kouk.-Ordn. §§. 80. 81, A.L.R. II. 2. §. 176. 31) II. 2 §. 178. 32) Beispiel Entsch. B. 13 S. 409. bestellte Sicherheit.

Spätere bessere Vermögenslage beseitigt nicht die

§. 223.

Die vermöqensrechtlichen Wirkungen der väterlichen Gewalt.

153

ruhenden Ausnahmen sind weggefallen33). Ist Sicherheit vom Vater zu fordern, so muß das Vormundschaftsgericht minderjährigen Kindern einen Pfleger zur Geltendmachung dieses Rechts und zur Verwaltung des Vermögens des minderjährigen Kindes in dieser Beziehung bestellen3*). Schreitet der Vater zur anderweitigen Ehe, so hat er sich mit den Kindern aus der vorigen Ehe über ihr Vermögen auseinanderzusetzen, wobei den minderjährigen ein Pfleger bestellt wirb35). Besitzt der Vater Grundstücke und Gerechtigkeiten, so muß er nach dem Ausdruck des Land­ rechts das Vermögen der Kinder aus der vorigen Ehe, d. h. das von der Mutter an sie gefallene, wie es bei der Auseinandersetzung berechnet worden ist, auf diese Grundstücke eintragen lassen, wenn er es nicht auskehren, oder eine andere von den Pflegern mit gerichtlicher Genehmigung für genügend erachtete Sicherheit leisten toiß36). Die Eintragung konnte aber immer nur in der Weise beansprucht werden, in welcher eine vormundschaftliche Kaution zu be­ stellen war; d. h. so, daß die Kinder durch ihren Pfleger genöthigt werden 33) II. 2. §§. 179-181. Anh. §§. 86. 87. 88. Aus §. 181 geht klar hervor, daß auch die anderen Bestimmungen in dem Konkursvorrecht nicht nur ihren Grund haben, sondern dahin zu deuten waren, daß nur, insoweit ein solches Konkursvorrecht zu be­ sorgen war, die Sicherheit beansprucht werden konnte. Nach Wegfall des in §. 79 preuß. K.Ordn. bezeichnetet^ Vorrechts sind deshalb §. 179 und die Anh.-tzh. antiquirt. 34) II. 2. §§. 182—186. Vorm.-Ordn. §§. 86. 102 35) II. 2. §. 18; II. 2 §. 187. Anh. §. 89. II. 2 §. 191. Vorm.-Ordn. §§. 90. 91. Testamentarisch kann, soweit nicht das Pflichttheilsrecht in Frage kommt, die Ausein­ andersetzung ausgeschlossen sein. Entsch. B. 48 S. 210fg. Strieth. B. 50 S. 9. Der überlebende Ehegatte darf dann nicht die Vermögenssubstanz angreifen und ver­ zehren oder vermindern. Anh. §. 168 bei II. 18 §. 689. Vgl. hierzu Strieth. B. 32 S. 96, B. 34 S. 50. Die Auseinandersetzung des Vaters mit den Kindern ist trotz der Mitwirkung des vormundschaftlichen Gerichts nicht eine Theilung im Sinne des §. 111. I. 17 und daher wegen Irrthums anfechtbar. Entsch. B. 50 S. 183. Strieth. B. 12 S. 76. Der Vater ist verpflichtet, das mütterliche Ver­ mögen der Kinder zu verzeichnen. Seuffert XX. 141. — Was den zu bestellenden Pfleger anlangt, so bemißt sich seine Rechtsstellung zur Zeit lediglich nach der Vormundschaftsordnung; die mehrfach (z. B. von Neumann, Dernburg, Reh­ bein und Reincke) angenommene Geltung der §§. 970ff. II. 18 A LR. als gesetz­ licher Vorschriften kann nicht zugegeben * werden. Diese die Rechtsstellung des Curators abgrenzenden Bestimmungen können nur als solche über das „Vormund­ schaftswesen" angesehen werden. Wie in der Lehre von der Pflegschaft näher aus­ zuführen, muß der Kreis der dem Pfleger übertragenen Angelegenheiten bei der Be­ stellung des Pflegers besonders begrenzt werden. Mit Rücksicht auf das im Text dargelegte dauernd schutzbedürftige Interesse des Kindes gegen den Vater bedarf es aber hier in der That einer dauernden pflegschaftlichen Sorgfalt. Wie nach §. 972 II. 18 früher gesetzlich der Auseinandersehungs-Curator über die Auseinandersetzung hinaus in Funktion blieb, so hat jetzt das Vormundschaftsgericht den Pfleger zur Auseinandersetzung unb Wahrung der dem Kinde zur Sicherheit seiner Ansprüche eingeräumten Rechte zu bestellen. Aus §. 95 Abs. 3 Vorm.-Ordn folgt, daß das Vormundschaftsgericht Anlaß hat, dem Pfleger den weiteren Pflichtenkreis aufzulegen, nicht daß der auf das Theilungsgeschäft beschränkte Pfleger gesetzlich einen weiteren Pflichtenkreis hat. 36) II. 2. §§. 187. 188. Nur das mütterliche Vermögen, nicht auch das von Dritten an die Kinder gefallene. A. M. Koch, Komm. Note zu §. 187. Aber das Vermögen „aus voriger Ehe" kann wohl kein anderes sein und es fehlt an einem Grunde, weshalb der Vater weiter zur Sicherheit verpflichtet sein soll. Wenn die Mutter ihren Kindern mehr als den Pflichttheil hinterläßt, kann sie den Vater im Testament von der Sicherstellung befreien. Strieth. B. 58 S. 241.

154

Viertes Buch.

Die besonderen Privatrechte.

konnten , weil die Eintragung das Grundstück innerhalb der ersten Hälfte seines Werths belastete, anderen Eintragungen das Vorrecht einzuräu­ men 37). Da das „Vermögen" der Kinder zur Zeit als Hypothek nur einge­ tragen werden kann, wenn es in einer bei der Auseinandersetzung festgestellten Geldforderung an den Vater besteht, so kann der Vater nur in diesem Fall die Eintragung als Hypothek zu bewilligen schuldig sein; sonst ist nie eine Kautionshypothek denkbar. Das Recht auf Sicherstellung haben auch die großjährigen Hauskinder38).39 40 Das A.L.R. giebt noch Anordnungen darüber, wer im Falle der Min­ derjährigkeit des Kindes für die gesetzlich zu verlangende Sicherheit des Kin­ dervermögens zu sorgen verpflichtet sei3'). Die Vorschrift, daß der Vater, wenn er von der Uebernahme eines die Kautionspflicht begründenden Amts vorsätzlich keine Anzeige macht, den Nießbrauch verliert, ist mit jener Bestim­ mung antiqnirt"). An die Verschweigung der zweiten Ehe knüpft sich noch jetzt diese Folge. III. Zwischen Eltern und Kindern bestehen Alimentationsverbind ­ lichkeiten, von denen bereits gesprochen ist. Den Schein einer weiter­ gehenden elterlichen Pflicht erzeugen die Bestimmungen über die Ausstat­ tung, von welcher im nächsten Paragraphen zu handeln sein wird.

Drittes

Kapitel.

Die Auflösung der väterlichen Gewalt.

§. 224.

Der Austritt aus der väterlichen Gewalt.

A.L.R. II. 2. §§.210—254. Bornemann V. 300 f. Koch, Pr.-R. II. 635. Dernburg III. §§. 48. 49. Kraut, Vormundschaft II. S. 643f. Zimmermann im Archiv für civilistische Praxis B. 50. 1867. S. 158 fg. Stölzel §. 5. Fischer §. 100.

Tod

1. Abgesehen davon, daß die väterliche Gewalt durch den natürlichen des Vaters — einen bürgerlichen Tod kennt das heutige preußische

37) Vgl. II. 18. §§. 427. 428. Das geltende Vormundschaftsrecht kennt eine gleiche Be­ stimmung nicht. Wer also glaubt, gesetzliche Vorschriften, die Bestimmungen des alten Vormundschaftsrechts in Bezug nehmen, so deuten zu müssen, daß damit das jedesmalige Vormundschaftsrecht gemeint ist — (vgl. oben Anm. 8 a. E.) —, wird hier eine unbedingte Kautionspflicht annehmen müssen, wie auch von Boas bei Gruchot B. 20 S. 773 — konsequenter als von Anderen — gelehrt wird. Bestritten ist, ob der Vater, wenn er das Grundstück verkauft, die Löschung der für seine Kinder eingetragenen Kaution verlangen kann. Das O.-Trib. verneint, weil ihm das Gesetz diese Befugniß nicht ausdrücklich beilegt, im Einverständniß mit einem Reskr. v. 27. April 1829. Zahrb. B. 33 S. 339. Centralbl. 1837. S. 709. Die bejahende Ansicht, welche in dem Reskr. v. 6. Aug. 1806 angenommen ist. (N. C. C. XII. 711. Rabe B. 8 S. 645) wird in den früheren Auflagen gebilligt; dann wäre aber die ganze im Gesetz beabsichtigte Sicherung eine illusorische. 38) II. 2. §. 189. 39) II. 2. §§. 189—198. 40) II. 2. §§. 199. 200. Vgl. oben Anm. 33.

§. 224.

Der Austritt aus der väterliche» Gewalt.

155

Recht nicht') — ihr Ende erreicht'), sind im A.L.N. diejenigen Aufhebungs­ arten ausgenommen, welche sich als deutsch-rechtliche erhalten haben. 1. Abgesonderte Wirthschaft des Sohnes. Die erlangte Groß­ jährigkeit allein beendigt nicht die väterliche Gewalt'); es müssen andere thatsächliche Verhältnisse vorliegen, um diese Wirkung hervorzubringen. Von jeher ist in Deutschland anerkannt und insbesondere in den Ländern des sächsischen Rechts seit 1572 auch gesetzlich ausgesprochen^), daß die Errich­ tung eines selbständigen Haushalts den Sohn von der Gewalt des Vaters befreit'). Aber es ist hierbei in der Praxis des gemeinen Rechts vieles streitig, wie es schon schwierig ist, den Begriff eines selbständigen Haushalts auf einen allgemeinen Satz zurückzuführen, dem die große Mannichfaltigkeit der Gestaltungen im Leben untergeordnet werden kann'); man stritt außer­ dem darüber, ob der Sohn auch die Großjährigkeit erreicht haben müsse'), ob eine ausdrückliche Einwilligung des Vaters nothwendig sei'), ob nicht auch die Tochter auf diese Weise aus der Gewalt heraustreten könne'). Das A.L.R. hat diese Kontroversen im Anschluß an das Sachsenrecht entschieden: „wenn ein Sohn nach erlangter Großjährigkeit eine eigene, von den Eltern abgesonderte Wirthschaft errichtet, so geht er dadurch aus der väterlichen Gewalt" "): also nur ein großjähriger Sohn und ohne daß es einer ausdrücklichen Einwilligung des Vaters bedarf"). Der Vater darf ') Verfass.-Urk. Art. 10. Nur nach abgelegtem Klostergelübde ist mau „in Ansehung aller weltlichen Geschäfte als verstorben anzusehen". §. 1199fß. II. 11. Daraus folgt auch das Aufhören der väterlichen Gewalt. 2) II. 2. §. 270. 3) Wohl aber nach dem österr. G.B. §. 172, wenn nicht besondere Grunde entgegenstehen. Desgl. nach dem cocle civil, a. 372. 4) Konstit. Kurf. August v. S. v. 21. April 1572 in den constit. Saxon. II. 10. „da sich Kinder, so zu ihren mündigen Jahren kommen, von dem Vater mit Anstellung ihrer eignen Haushaltung und Nahrung scheiden, daß alsdann solches für eine Emancipation zu achten und derselben Wirkung haben soll, ungeachtet obgleich solche Emancipation ariderer Gestalt und für Gericht nicht geschehen und fürgenommen würde." Vergl. Schott, inst. jur. Saxon. p. 153. Müller, promptuarium Juris s. v. emancipatio. Berger, oecon. jur. ed. Haubold p. 169. (I. 3. 16. 5.) Hommel, raps. obs. 667 (etiam invito patre). Weiske, Abhandl. 1830. S. 45f. -') Siehe andere Belege bei Kraut a. a. O. S. 644f. in Note 3, welche zeigen, daß diese Art der Beendigung der väterlichen Gewalt fast in allen Gegenden Deutschlands sich erhalten hat. Desgl. die Quellenzeugnisse bei Zimmermann a. a. O. S. 159—166. Es ist dies eine Selbstemancipation des Sohnes, wie sie Schmidt, Familienrecht S. 512 f. richtig bezeichnet. 6) Kraut S. 647f. Zimmermann S. 169f. 7) Kraut S. 649. Zimmermann S. 167. Glück II. S.383. 8) Kraut S. 649f. Zimmermann S. 177f. 9) Kraut S. 658 f. Zimmermann S. 176s. Beide erklärten sich dafür, daß nach den heutigen Lebensverhältnissen auch einer großjährigen Tochter das Recht nicht abgesprochen werden darf, durch Errichtung eines eignen Haushalts oder Betrieb einer eignen Er­ werbsthätigkeit aus der väterlichen Gewalt anszutreten. Diese Ansicht ist auch eine nothwendige Konsequenz der allgemeinen Beseitigung der Geschlechtsvormundschaft. Vergl. noch Schenk in der Zeitschrift für Gesetzgebung und Rechtspflege in Preußen von F. und P. Hinschius I. S. 790. 10) II. 2. §. 210. n) Strieth. B. 58 S. 117. Es ist ferner B. 27 S. 54 angenommen, daß bei einem großjährigen Sohn nicht die Vermuthung dafür spricht, daß die väterliche Gewalt noch fortbaitere; der Sohn muß also beweisen, daß er noch unselbständig. — Der Vater

156

Viertes Buch.

Die besonderen Privatrechte.

zwar bei Gericht widersprechen, aber der Widerspruch muß durch Gründe getragen sein, welche hinreichen, den Sohn für einen Verschwender zu erklären'"). Auch für den Begriff der abgesonderten Wirthschaft giebt das Gesetzbuch einige, obwohl nicht erschöpfende Anhaltspunkte: der^ Betrieb eines eignen Gewerbs, die Uebernahme eines öffentlichen Amts, bei aktiven Militairpersonen die Stellung eines Kompagnie- oder Eskadronführers sind Kriterien derselben'"), dagegen ist es nicht nothwendig, daß der Sohn gar keine Unter­ stützungen oder Beihilfe des Vaters erhält"). Daraus ergiebt sich der Satz: eine zum Austritt aus der väterlichen Gewalt erforderte abgesonderte Wirth­ schaft ist, abgesehen von dem Falle, wenn der Sohn, der die Lebensgemein­ schaft mit dem Vater dauernd aufgiebt, ans irgend eine Weise dauernd zur Selbsterhaltung fähig geworden ist, auch dann vorhanden, wenn der Sohn außerhalb des Geschäftskreises seines Vaters eine Berufsarbeit übernimmt, die an sich geeignet ist, ihm einen selbständigen Unterhalt zu gewähren, wenn sie ihn auch im einzelnen Falle noch nicht vollständig gewährt"). Wo nachweisbar die Berufsarbeit dem Sohne möglich macht, ohne Unterstützung

*2)

13) ]4) 15)

kann bett großjährigen Sohn durch eine Erklärung ohne Weiteres aus der Gewalt entlassen, wenn auch ein selbständiger Haushalt nicht errichtet wird. Seusfert III. 268. §. 211. Kraut S. 650. Eichhorn, Einl. §. 316. Dernburg III. §.48 Shutt. 5 nimmt an, es entscheide über den Widerspruch das Vormundschaftsgericht. Der Vater hiudere bis zur Entscheidung die selbständige Etablirung eigenntächtig. Dem kamt nicht zugestimmt werden. Das Gesetz ergiebt tticht, das; das Vormundschaftsgericht die Befugniß utaßgebettder Entscheidung haben soll. Nichtig ist allerdings, daß es sich nicht um Entmündigung handelt, sondertt um die Frage, ob die väterliche Gewalt beendigt ist. Da die Gesetze ttichts anderes angeben, so ist darüber int Prozeß ztt entscheiden, ztvischen Kind und Vater insbesondere in dein Prozesse, in welchetn der Haussohn die Herausgabe seittes unfreien Vermögens beansprucht. Anh. §.' 90. II. 2. §. 212 a. b.. Nechtss. B. 2 S. 149. Vgl. R.G. bei Gruchot B. 29 S. 932, auch B. 28 S. 961. Es kommt darauf an, daß der Sohn nicht mehr tut Brod des Vaters lebt und auch nicht nach einiger Zeit in dasselbe zurückkehren soll; vielmehr sich dauernd durch eigene Arbeit im Wesent­ lichen selbständig ernährt. Zinttnerntann S. 169f. Beispiele aus der Praxis: bloßer Erwerb des Bürgerrechts bewirkt tticht den Austritt aus der väterl. Gewalt. Entsch. B. 7 S. 139, desgl. nicht die Uebernahme eines unbesoldeten Gemeindeamtes. Strieth. B. 29 S. 206. Eigenes Gewerbe, d. h. ein solches, welches eine fort­ währende, gleichartige znnt Unterhalt reichende Beschäftigung außerhalb des väterlichen Hattses bietet, bewirkt die Entlassung immer, auch wemt der Vater thatsächlich ttoch Unterstützung gewährt. Entsch. B. 22 S. 378. Nechtsf. B. 2 S. 149. N.G. bei Gruchot B. 25 S. 752. (Die früheren Auflagen etwas abweichend.) Wenn also der Sohn sich durch Abschluß eines Vertrags einen selbständigen dauerttdett Erwerb schafft, so tritt er dadurch aus der Gewalt. Entsch. B. 29 S. 148. Strieth. B. 15 S. 139. Die Beschäftigung als Privatschreiber in dem Büreau eines Rechtsanwalts auf Grttttd eines mündlichen Vertrags giebt nicht Selbständigkeit, unter besonderen thatsächlichen Umständen kann es aber der Fall sein. Strieth. B. 51 S. 340. Vertragsmäßige Uebernahme einer Oekotwmie-Jnspektion, enter Pachtung, einer Ackerwirthschaft, Betrieb des der Frau gehörigen Gewerbes bewirken bett Austritt. Strieth. B. 58 S. 348. Entsch. B. 8 S. 384, B. 12 S. 332. Rechtsf. B. 4 S. 540. So lange der Handlungs­ diener, der Provisor in einer Apotheke, der Handwerksgeselle ihre Beschäftigung nur zur Ausbildung für künftiges selbständiges Etablissement treiben, bleiben sie in der Gewalt des Vaters; wenn sie dauernd die Absicht eines eigenen Etablissements aufgebett und in der Stellung des Dieners niib Gesellen verbleiben, so treten sie aus der Gewalt. Gesetzrev. XV. 119. Bauernsöhne, welche auswärts bienen, um die Land­ wirthschaft zu (emeit, bleiben in der Gewalt. Ein Dienstverhältnis; als Hausgesinde, Fabrikarbeiter, Tagelöhner, befreit an sich nicht von ihr, kann aber die Wirkung haben,

§. 224.

Der Austritt aus der väterlichen Gewalt.

157

des Vaters zu leben, da muß der Vater die Uebernahme einer solchen Be­ schäftigung dem Sohne gestatten und ihn dadurch aus seiner Gewalt entlassen 2. Durch ausdrückliche Erklärung entläßt der Vater den großjäh­ rigen Haussohn ohne Beobachtung besonderer Formen. Einen minder­ jährigen Sohn unter 20 Jahren darf der Vater nicht entlassen, nach zu­ rückgelegtem 20. Jahr konnte die Entlassung in der Weise stattfinden, daß zugleich die Volljährigkeit des Sohnes wie durch eine Majorennitätserklärung begründet wurde. Dies setzte entweder eine ausdrückliche, vor dem Vor­ mundschaftsgericht verlautbarte Erklärung des Vaters und Zustimmung des Sohnes, oder eine ausdrückliche oder stillschweigende Einwilligung des Vaters dazu voraus, daß der Sohn ein besonderes Gewerbe für eigne Rechnung anfange ”). Daraus allein dagegen, daß der Vater dem minderjährigen Sohne gestattete, ein öffentliches Amt zu übernehmen, oder daß er aus seinem oder seiner Frau Vermögen ihm eine besondere Wirthschaft einrichtete, folgte an stch nicht die Gewaltentlassung; dazu bedurfte es jener gerichtlichen Ver­ lautbarung '”). Wenn der Sohn das Amt oder die besondere Wirthschaft bis über das Alter der Großjährigkeit fortgesetzt hatte, trat er aus der Gewalt auch ohne die Verlautbarung19). Der aus der Gewalt entlassene minderjährige Sohn

,6)

17)

18) ,9)

wenn es als eine dauernd befestigte Erwerbsbeschäftigung erscheint. Gesetzrev. a. a. O. 120. Heus er IV. 256. Referendariat befreit nicht von der Gewalt, aber, wie die Praxis nicht unbedenklich annimmt, das noch unbesoldete Assessorat. Eutsch. B. 46 S. 243. Strieth. B. 43 S. 155. Gruchot B. 6 S. 61. Die bestandene Staats­ prüfung als Arzt oder die zweite Prüfung des theolog. Kandidaten, die diätarische Beschäftigung als Aktuarius, wenn sie ihn nicht dauernd aus dem väterlichen Hause entfernt, hebt die Gewalt nicht auf. Strieth. B. 23 S. 37. Dagegen Militärdienst auf Kapitulation(Berufssoldaten), Reskr. v. 14. März und 24. Okt. 1812. Jährb. B. 2 S. 170. Wenn der Vater seinem Sohne Mitbesitz und Verwaltung seines Vermögens einräumt, so liegt darin keine Entlassung aus der Gewalt. Strieth. B. 29 (5. 206. Wohl aber wenn der Vater dem Sohne das Gut überträgt und als Ausgedinger bei ihm bleibt. Desgleichen wenn der Vater dem Sohu die Verwaltung eines von seinem Wohnsitz entfernt liegenden Gutes überträgt und der Sohn auf "diesem Gut seinen Wohnsitz nimmt. R.O.H.G. B. 3 Nr. 74 S. 355. Stegemaun B. 4 S. 157. Ebenso hat das R.O.H.G. B. 4 Nr. 80 S. 388 angenommen, "daß ein Sohn, der bei seinem Vater als Handwerksgehilfe in Lohn und Brod tritt, dadurch aus der väterlichen Ge­ walt tritt. Die Uebernahme eines kaufmännischen Geschäfts, wenn sie mit Errichtung eines Hausstandes verbunden ist, befreit von der Gewalt. Seuffert III. 269. Die Ausweisung des Sohnes aus dem väterl. Hause hebt die Gewalt des Vaters nicht auf. Heuser, Annalen IV. 256. Andere Beispiele aus der gemeinrechtlichen Praxis s. bei Seuffert II. 308. V. 30. XI. 51. 52. XII. 168. XVI. 58. XVII. 257. II. 2. §. 213. Der Vater muß daun also auch dem Sohu sein eigenthümliches Ver­ mögen herausgeben. Bedenklich ist die Entscheid, bei Seuffert XVII. 257. II. 2. §§. 214—218. 224. Vergl. hierzu auch noch den widersprechenden durch Art. 60 Nr. 1 des Einführungsgesehes zum Handelsgesetzbuch aufgehobenen §.717 II. 18, und über diesen Strieth. B. 21 S. 268. Darüber, daß auch der durch stillschweigende Einwilligung Entlassene mit der Schranke des §. 226 großjährig wurde, vgl. Eutsch. B. 8 S." 384. — Die ausdrückliche oder stillschweigende Entlassung des Minderjährigen vor dem 20. Jahre war wirkungslos. Eutsch. B. 72 S. 243. — Die stillschweigende Einwilligung des Vaters ist Wissen ohne Widerspruch. Strieth. B. 26 S. 373. Eutsch. B. 57 S. 186. Der Sohu muß das Gewerbe in Folge der Einwilligung des Vaters wirklich au gefangen haben. Strieth. B. 31 S. 320. II. 2. §§.219—221. 223. In den amtlichen Geschäften ist der Sohu frei von der Gewalt des Vaters. Der §. 222 gehört nicht hierher, er ist eine Instruktion für die Anstellungsbehörde. II. 2. §. 225. Ges. v. 9. Dezbr. 1869 (Ges.S. S. 1177) und R.Ges. v. 17. Febr. 1875.

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Viertes Buch.

Die besonderen Privatrechte.

bedurfte noch, wenn er sein Grundstück veräußern oder verpfänden wollte, der gerichtlich erklärten Einwilligung des Vaters oder der nachträglichen gericht­ lichen Verlautbarung der Entlassung^). Diese Bestimmungen sind zur Zeit dadurch modifizirt, daß die Großjährigkeitserklärung nach der Vormundschafts­ ordnung auch bei Hauskindern nur durch das Vormundschaftsgericht nach einer Sachuntersuchung erfolgen kann. Die Entlassung hat also nicht mehr die Wirkung der Großjährigkeitserklärung 21 * *).22 * * *Die * herrschende Meinung nimmt nichtsdestoweniger an, daß die Entlassung nach Maßgabe der ange­ gebenen Sähe ohne vorangegangene vormundschaftsgerichtliche Großjährig­ keitserklärung wirksam erfolgen könne, daß aber der Entlassene minderjährig bleibe. Kämen hierbei neben dem erwähnten neuen Satze lediglich die Be­ stimmungen des Landrechts in Betracht, so müßte man vielmehr zu dem Schluß kommen, daß, da das Landrecht eine wirksame Entlassung nur gewollt hat, wenn dadurch der Minderjährige zugleich großjährig, also geschäftsfähig würde, gegenwärtig eine Entlassung nur nach oder bei Gleichzeitigkeit der Majorennitätserklärung wirksam sein könne. Mit Rücksicht auf §.12 der Vormundschaftsordnung aber ist der herrschenden Meinung zuzustimmen, da hier für den Fall der Entlassung des minderjährigen Kindes im klaren Hin­ blick auf das preußische Recht eine gesetzliche Vormundschaft des bisherigen Machthabers geordnet ist. 3. Verheirathung der Tochter. „Wenn die Tochter mit Einwilli­ gung des Vaters oder durch den Prozeßrichter ergänzter Einwilligung heirathet, so hört die väterliche Gewalt über sie auf“)." Auch diese Entlassungs-

-o) ii. 2. §§. 225. 227. Aber sonst durste er das Grundstück dinglich belasten. Strieth. B. 20 S. 59. Dagegen Koch, Komm, zu §. 226, allein seine Auffassung, daß Grund­ gerechtigkeiten und Reallasten qualitative „Absplisse" des Eigenthums seien, ist un­ richtig. Auf den für großjährig erklärten und denmächst aus der väterlichen Gewalt entlassenen Sohn ist diese Bestimmung nicht anwendbar. Vgl. Johow Jahrb. V. S. 296. 21) Vvrm.-Ordn. v. 5. Juli 1875 §§. 97. 61, unten §. 230 Anm. 3. Gegen den Satz des Texts Große bei Gruchot B. 20 S. 727. Vergl. im Nebrigen Dernburg, Vor­ mundschaftsrecht S. 118, Privatrecht III. §.48 Anm. 16, Loewenstein zu §. 97, Neumann zn §. 11 Vvrm.-Ordn. Die Bestimmungen haben zugleich die zweite Alternative des §. 224 erledigt, während im Uebrigen an Stelle dieser Bestimmung die §§. 5. 6 des Gesetzes v. 12. Juli 1875 getreten siud. Kann ein Großjährigerklärter schon vor dem 20. Jahre aus der väterlichen Gewalt entlassen werdend Nach L.R. II. 18. §§. 713 ff. konnte der Fall bei Söhnen nicht vorkommen, da auch eine Grvßjährigkeitserklärung erst nach erreichten: 20. Jahre möglich war. Jetzt ist die Groß­ jährigkeitserklärung mit achtzehn Jahren möglich, und da der Großjährigerklärte alle Rechte des Volljährigen hat, muß die Frage bejaht werden. 22) II. 2. §. 228. Kraut S. 660fg. Zimmermann S. 178f. Wenn in Entsch. B. 30 S. 114, Strieth. B. 15 S. 280 angenommen ist, daß die Verheirathung der Tochter ohne Konsens die väterl. Gewalt nicht aufhebt, auch wenn der Vater die Ehe nicht anficht, so ist zwar zu fragen, welche Gewalt in diesem Falle der Ehemann über seine Frau hat, und deshalb hält Koch zu §. 228 die Entscheidung für unrichtig, aber der Wortlaut ist so bestimmt, daß der Ansicht des O.-Trib. doch beigetreten werden muß. Wenn der Vater die Ehe nicht anficht, so wird sie zwar giltig, aber die väterl. Gewalt bleibt bestehen, und das Recht des Ehemannes kann nur unbeschadet des väterlichen Rechts sich geltend machen. . Der Vater behält also Ver­ waltung und Nießbrauch des nicht freien Vermögens der Tochter. Vgl. auch Stölzel im J.M.Bl. 1874 S. 152. — Eine Eheschließung, die als nichtig angefochten wer-

§. 224.

Der Austritt aus der väterliche« Gewalt.

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art ist deutsches Recht und mußte sich in diesem entwickeln, weil die Tochter durch die Heirath in die Vormundschaft des Mannes trat, beide Gewaltver­ hältnisse aber nicht neben einander bestehen konnten. Die Tochter tritt nicht in die Gewalt zurück, wenn die Ehe wieder gelöst toirb23); sie bleibt auch nicht in der Gewalt, wenn sie mit ihrem Manne im Haushalt des Vaters fortlebt'"). Die Gewalt des Vaters verwandelt sich bei der Verheirathung einer minderjährigen Tochter in die eines gesetzlichen Vormundes23). Die Bestimmungen ^es Landrechts beruhen auf der Grundlage, daß die Ehe­ schließung einer Haustochter in jedem Falle die Zustimmung des Vaters zur Voraussetzung habe. Jetzt ist dies für 24jährige Töchter nicht mehr richtig2^'). Die Heirath einer solchen muß, auch wenn die väterliche Einwilligung nicht ertheilt ist, die väterliche Gewalt beendigen. 4. Unverheirathete Töchter können während ihrer Minderjährigkeit weder aus der Gewalt austreten noch entlassen werden; nach erlangter Groß­ jährigkeit bedarf es einer ausdrücklichen Erklärung des Vaters2^). II. Wirkung der Aufhebung. Die Aufhebung der väterlichen Gewalt beseitigt nicht den Anspruch der Eltern auf kindliche Ehrerbietung, auch nicht die Pflicht des Kindes, zur Verheirathung die Einwilligung der Eltern nach­ zusuchen23). Aber die Rechte des Vaters auf das Vermögen des Kindes hören auf, dieses wird entweder geschäftsfähig oder tritt in die gesetzliche Vor­ mundschaft des Vaters. Sein eigenthümliches Vermögen muß ihm vom Vater ausgeantwortet werden23); außerdem ist der Vater, aushilfsweise die

23) 2l) *25) 2ß) 27)

28) 20) 11) 12) 13) u) 15) ’6) ”) 18) 19) 2T) Vgl. Eccius a. a. O. S. 8.

§. 231.

Begründung der Vormundschaft.

189

des Vormundschaftsgerichts steht dem Vormund ein Honorar zu, wenn ihm ein solches von dem Erblasser des Mündels — aus dem hinterlassenen Ver­ mögen — ausgesetzt ist28). Da bei Bewilligung des Honorars durch das Vormundschastsgericht der Vormund dem Mündel gegenüber gerade ebenso berechtigt wird, wie sonst Dritte durch die Vertretungshandlungen des Vor­ munds, so kann in das begründete Recht nicht durch Zurücknahme der Be­ willigung eingegriffen werden, wenn nicht der Inhalt der Bewilligung selbst ergiebt, daß solche Zurücknahme vorbehalten wurde29).30 * 32 5. Bei einer jeden Vormundschaft kann neben der Bestellung des Vor­ munds die Bestellung eines Gegenvormunds in Frage kommen. Wenn der richterlich bestellte Vormund eine Vermögensverwaltung zu führen hat und nicht mehrere Vormünder gemeinschaftlich zu verwalten haben, so muß dies geschehen8"). Der Sinn dieser Vorschrift ist nicht dahin aufzufassen, daß es des Gegenvormundes bedürfe, sobald der Mündel irgend welches Ver­ mögen hat, das in die Verwaltung des Vormunds kommt. Man hat damit etwas anderes sagen wollen, man hat an ein Vermögen gedacht, dessen Be­ standtheile eine dauernde Verwaltungsthätigkeit des Vormunds nöthig machen. Ob die Umstände so liegen, ist der thatsächlichen Prüfung des Gerichts unter­ stellt8'). Dem gesetzlichen Vormund tritt der Nebenvormund nur, wenn die gerichtliche Genehmigung einer Handlung des Vormunds in Frage kommt, zum Zwecke der Prüfung dieser Handlung zur Seite. Die Bestellung des Gegenvormunds kann vom Vater oder der Mutter in der Form und unter den Umständen, unter denen sie einen zu berufenden Vormund benennen können, untersagt werden88). 28) Vorm.-Ordn. §§. 33. 34. 83. Ist ein Honorar ohne Angabe des Betrages ausgesetzt, so wird sich die Auslegung rechtfertigen, daß der Erblasser die Höhe von der Bestimmung des Bormundschaftsgerichts abhängig machen wollte. — Der Wunsch des Vaters, daß dem von ihm benannten Vormund aus dem Vermögen des Kindes ein Honorar bewilligt werde, wird auch, wenn dies Vermögen nicht vom Vater stammt, regelmäßig für das Vormundschastsgericht bestimmend sein. Aber das Gesetz scheidet hier nicht zwischen dem Vater und anderen Erblassern, und abgesehen voin Vater wird man gewiß nicht annehmen können, daß ein Erblasser für den Vor­ mund das Recht auf ein höheres Honorar, als das hinterlassene Vermögen beträgt, begründen kann. M) Johvw Jahrb. B. 8 S. 96. 30) Vorm.Ordn. §. 26. 81) Ist eine Wittwe, welche die Gütergemeinschaft mit ihren Kindern fortsetzt, zugleich Vormünderin des Kindes, so bedarf es eines Gegenvormunds ebensowenig, wie wenn ein Anderer diese Vormundschaft führt. Mit der Vormundschaft ist keine Vermögens­ verwaltung verbunden und die Kontrole der gütergemeinschaftlichen Verwaltung der Wittwe im Interesse des Mündels kann der Gegenvormund nicht führen. Soll diese geführt werden, so ist neben der zur Vormünderin bestellten Wittwe ein Pfleger des Kindes zur Wahrung der Rechte desselben gegenüber der gütergemein­ schaftlichen Vermögensverwaltung der Wittwe zu bestellen. A. M. Neumann zu §. 26 Vorm.-Ordn. 32) Bei der Fassung des §. 26 Abs. 6 Vorm.-Ordn. wird man nicht bezweifeln dürfen, daß der Vater oder die Mutter das Recht hat, die Bestellung eines Gegenvor­ munds zu untersagen, wer immer zur Führung der Vormundschaft berufen werde, aber die Untersagung wird sich auch als Theil der Berufung eines bestimmten Vor­ munds dahin beschränken können, daß sie nur so lange gelten soll, als dieser Vor­ mund fungirt. Vgl. Dernburg-Schultzenstein Vorm.R. S. 134, Dernbnrg Priv.-R. IV. §. 79 Slnm. 6 und Kurl bäum, J.M.Bl. 1875 S. 266.

190

Viertes Buch.

Die besonderen Privatrechte.

III. Auf Berufung und Bestellung des Gegenvormunds finden die Grundsätze von der Berufung und Bestellung des Vormunds entsprechende Anwendung. Dem Gegenvormund kann jedoch nicht vom Gericht ein Hono­ rar bewilligt werden, er erhält ein solches nur bei ausdrücklicher Bestimmung des Erblassers22). Von mehreren getrennt verwaltenden Vormündern kann der eine zum Gegenvormund des andern bestellt werden.

§. 232.

Führung der Vormundschaft.

Der kraft des Gesetzes eintretende oder richterlich bestellte Vormund hat den Mündel in allen seinen Angelegenheiten, sofern nicht besondere Aus­ nahmen begründet find'), zu vertreten, er hat bei dieser Vertretung — abgesehen von der Vormundschaft über Abwesende — zugleich für das persönliche Wohl des Mündels Sorge zu tragen und die Vermögensange­ legenheiten deffelben zu verwalten. Die Normen, welche in den beiden letzteren Beziehungen gegeben sind, werden für den Vormund zugleich maß­ gebend sein müssen für die Art und Weise, in welcher er die Vertretung führt. Jedoch beengen dieselben nicht seine Vertretungsbefugniß nach Außen*2).3 Hat er kraft seines Vertretungsrechts den Mündel in einer benachtheiligenden Weise verpflichtet, wie er das nicht hätte thun sollen, oder hat er sonst bei Erfüllung der vormundschaftlichen Pflichten die Sorgfalt eines ordentlichen Hausvaters verabsäumt, so wird er dem Mündel verantwortlich. Hierauf wird bei Erörterung der obligatorischen Beziehungen des Vormundschaftsrechts in §. 235 näher einzugehen sein. Bereits erwähnt ist, daß die Vormundschaft nicht nothwendig in die Hand eines alleinstehenden, einzigen Vormunds gelegt zu sein braucht, wenn­ gleich dieses die Regel ist, und daß mehrere Vormünder regelmäßig ge­ meinschaftlich verwalten. Hierbei bindet der Beschluß der Mehrheit die Minderheit; kann eine Mehrheit nicht erzielt werden, so entscheidet das Vormundschaftsgericht über die Meinungsverschiedenheit2). Als Vertreter des 33) Vonn.-Ordn. §. 34 Abs. 3. — Bezüglich der Ablehnung einer Vormundschaft stellt §. 23 Abs. 2 eine bereits geführte Gegenvormundschaft einer Vormundschaft nicht gleich; daraus ergiebt sich, daß bei der entsprechenden Anwendung der berufene Gegen­ vormund nicht wegen zweier bereits geführter Vormundschaften oder Pflegschaften, sondern nur wegen zweier bereits geführter Gegenvormundschaften ablehnen kann. Abweichend Johow Jahrb. B. 6 S. 348. *) Solche Ausnahmen bestehen für den Abwesenheitsvormund kraft Gesetzes, im Uebrigen finden sie nach Vorm.-Ordn. §. 27 darin ihren Ausdruck, daß für die ausgenommenen Angelegenheiten ein Pfleger bestellt wird. Den Kreis dieser An­ gelegenheiten begrenzt Vorm -Ordn. §. 86 dahin, „wenn die Ausübung der vor­ mundschaftlichen Rechte aus thatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht stattfinden kann". 2) Die Beschränkungen der selbständigen Thätigkeit des Vormunds richten sich, wie bei Ec eins a. a. O. S. 15 ausgeführt wird, theils nach der Seite des Könnens, theils nach der des Willens oder Sollens. Die ersteren werden im Fortgang der Erörterung unter 1 als Beschränkungen der Vertretungsbefugniß, letztere unter 3 als Beschränkungen bei der Verwaltung'besprochen werden. 3) Vgl. oben §.231 hinter Anm. 11. Vorm.-Ordn. §.30. Das Vormundschaftsgericht

§. 232.

Führung der Vormundschaft.

191

Mündels nach Außen kommen nur sämmtliche Vormünder in Betracht. Die Einzelnen, wenn sie nicht mit Genehmigung der anderen oder auf Grund eines Mehrheitsbeschlusses handeln, können den Mündel regelmäßig nicht ver­

pflichten. Die Amtsverwaltung mehrerer Vormünder kann aber auch eine getheilte sein. In dieser Beziehung schreibt das Gesetz vor, daß die Theilung und die Art derselben aus der Bestellung der Vormünder hervorgehen müsse4*).* * Dadurch ist die Einwirkung des Gerichts gesichert, eine Abrede der Vor­ münder unter einander ohne gerichtliche Genehmigung ist unwirksam. Die bei Benennung der zu berufenden Vormünder von dem Vater oder der Mutter angeordnete Theilung muß der Richter aufrecht erhalten, wenn nicht einge­ tretene Umstände die Befolgung für den Mündel nachtheilig erscheinen lassen5). Mit derselben Maßgabe sind andere abweichende Anordnungen des Berufungs­ berechtigten über die Stellung der mehreren Vormünder, die bei der Be­ rufung zum Ausdruck gebracht sind, zu befolgen. Nach der Analogie des §. 18 der Vormundschaftsordnung wird das Vormundschastsgericht nur mit Zustimmung der Berufenen oder unter Genehmigung des Beschwerdegerichts von der Bestimmung des Berufenen abgehen können. Wählt das Vormund­ schaftsgericht selbst die Vormünder, so stehen ihm alle Bestimmungen über die Theilung der Verwaltung frei. Nach der gesetzlichen Regel verwaltet im Falle der Theilung jeder Vormund den ihm zugetheilten Zweig der Ange­ legenheit des Mündels selbständig, ist also auch geeignet, den Mündel ohne Zuziehung der anderen nach Außen zu vertreten. Im Einzelnen ist noch Folgendes zu bemerken: 1. Vertretung. Nicht bloß diejenigen Geschäfte, bei welchen der Vor­ mund ausdrücklich erklärt, im Namen des Mündels zu handeln, sondern auch solche, bei welchen sich aus den Umständen ergiebt, daß sie nach dem Willen kann nur der einen oder anderen Ansicht durch seinen Beitritt die Kraft des Mehrheitsbeschlusses geben, nicht neue Ansichten als entscheidend und maßgebend hinstellen. Eccius a a. O. S. 8. Hat das Vormundschaftsgericht dem einen Theile beigestimmt, so ist ein wirksamer Mehrheitsbeschluß vorhanden. Zufolge einer Beschwerde des unterliegenden Theils der Vormünder, die in ihrer Rechtsstellung nicht verletzt sind, kann das Beschwerdegericht nicht aus dem festgestellten Willensakt der Vormundschaft etwas anderes machen; anders, wenn das Bormundschaftsgericht zu Unrecht ange­ nommen hat, berufen zu sein, den Ausschlag zu geben, oder wenn es statt den Aus­ schlag zu geben, etwas anderes bestimmt hat. 4) Vvrm.-Ordn. §. 24 Abs. 2. 5) Vorm.-Ordn. §. 30 in Verbindung mit §§. 17. 18. 24. Die Bestimmungen des Be­ rufenden müssen in der Form des §. 17 getroffen sein, sie bilden einen Theil der Be­ rufung. Vgl. Eccius a. a. O. S. 18. — Dernburg, Vorm.-R. S. 81 will dem Richter anscheinend schlechthin die Freiheit geben, von den Bestimmungen des Berufen­ den abzugehen: Vgl. auch Loewenstein S. 43 und andere Kommentatoren. S. Dern­ burg Schultzenstein §. 32 Sinnt. 21. Man wird aber andererseits die Bestimmung des Berufenden auch nicht als schlechthin maßgebend ansehen können, da das Ge­ richt sogar von der Person des Berufenen abstehen kann. — Ob auch dem Richter die Befugniß zu geben ist, die Rechtsstellung mehrerer Vormünder gegen deren Willen in besonderer Weise zu ordnen, ist nicht zweifellos, da der Ausdruck „zur Berufung Berechtigter" kaum auf ihn paßt: indessen rechtfertigt es sich, den Ausdruck nach der Absicht, in der er gebraucht ist, dahin anSzulegen. Vgl. Dernburg Pr.-R. III. §. 79 Sinnt. 51.

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Viertes Buch.

Die besonderen Privatrechte.

der Betheiligten für den Mündel geschlossen sein sollten, berechtigen und ver­ pflichten den Mündel'). In zwei Fällen ist die Vertretungsbefugniß des Vormunds gesetzlich aus­ geschlossen; die hier in Rede stehenden nachtheiligen Einwirkungen auf die Ver­ mögenslage des Mündels, sollen durch Willenshandlungen oder Unterlassungen des Vormunds nicht herbeigeführt werden können. Der Vormund kann nicht mit Rechtswirksamkeit für den Mündel schenkens, soweit nicht ein unter gleichen Umständen übliches oder ein durch die Vermögensverwaltung begründetes Geschenks in Frage steht. Der Vormund kann ferner für den Mündel bei dem Antritt einer Erbschaft nicht auf die Rechtswohlthat des Inventars ver­ zichten, weder ausdrücklich, noch dadurch, daß er die gesetzliche Zeit verstreichen läßt'). Durch seine Willenshandlung kann er personenrechtliche Verhältnisse nicht verändern, wie er für den Mündel keine Ehe schließen, nicht in seinem Namen adoptiren kann. Nur — nach ausdrücklicher Bestimmung — kann der Vormund unter Zustimmung des Vormundschafsgerichts im Namen des noch nicht vierzehnjährigen Kindes die Adoption annehmen, weil in solchem Fall die Vortheile der veränderten Stellung klar überwiegen. So kann der Vormund auch nicht die Ehescheidung Namens seines Mündels fordern, und kann Namens desselben nicht aus der ruhenden väterlichen Gewalt entlassen, wenn er auch die anhängige Scheidungsklage fortführen, den Mündel gegen den Scheidungsantrag vertheidigen, den Widerspruch des Vaters gegen die Legi­ timität des Kindes durchführen, die Nichtigkeit der Ehe des Mündels er­ streiten kann. Ist der Mündel nicht bloß durch Abwesenheit verhindert, seinen eignen Willen geltend zu machen, sondern willenlos, so kann er auch die Legiti­ mation eines Kindes als ehelich anfechten9a).

c) Vorm.-Ordn. §. 29. 7) Vorm.-Ordn. §. 38. Darüber, daß der Begriff der Schenkung im juristischen Sinn hier festzuhalten ist, vgl. oben B. 2 §. 122 Anm. 8 und Eccius a. a. O. S. 15 Anm. 16. Dernburg Pr.-R. III. §.83 Anm. 16 leugnet, daß hierbei der Satz, daß Ausnahmevorschriften strikt zu interpretiren seien, als durchgreifend an­ gesehen werden könne. Er will andererseits die Vertretungsbefugniß des Vor­ munds überhaupt auf den Kreis der Verwaltung des Mündelvermögens be­ schränken. Von einer solchen Beschränkung enthält aber §. 29 Vorm.-Ordn. nichts, sie läuft m. E. geradezu wider das Wesen der Vormundschaft, und Dernburg versucht nicht, sie zu begründen, weicht vielmehr an anderen Stellen davon ab. — Da die Schenkung ungiltig ist und zurückgefordert werden kann, so wird der Vor­ mund nicht, wie Dernburg, Vorm.-R. S. 178, annimmt, wegen der unerlaubten Schenkung in Anspruch genommen werden können, ohne daß vorher die Rechts­ verfolgung gegen den Geschenknehmer versucht ist. Nur für die Beschädigung haftet der Vormund. Uebereinstimmend Schultzenstein §.67 Anm. 13. 8) Durch die Vermögensverwaltung kann nur ein bei dem fraglichen Verwaltungsakt übliches Geschenk begründet werden, der Ausdruck bezweckt also nur, auch nach dieser Richtung hin übliche Geschäfte für zulässig zu erklären. Sonst ist an Gelegenheits­ geschenke, Geburtstagsgeschenke u. dergl., wie solche dem Vermögen und der sonstigen Stellung des Mündels entsprechen, zu denken. 9) Vorm.-Ordn. §. 50. — Einigermaßen gehört hierher auch, daß die unterlassene Ver­ folgung eines Rechts, das zuerst während der Vormundschaft geltend gemacht werden konnte, nicht als Beginn der Verjährung anzusehen ist. (B. I. §. 57 Anm. 7). 9a) Vgl. oben §. 213 Anm. 4. a, §. 220 Anm. 6, §. 219 Anm. 31, §. 230 Anm. 15.

§. 232.

Führung der Vormundschaft.

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Eine Reihe von Rechtsgeschäften kann der Vormund verbindlich für den Mündel nur abschließen, wenn der in Gemäßheit der gesetzlichen Bestim­ mungen bestellte oder zu bestellende Gegenvormund seine Genehmigung ertheilt'"). Diese Genehmigung ist vom Gesetz an keine Formen gebunden, sie braucht auch nicht gegenüber dem anderen Theil, mit welchem der Rechts­ akt geschlossen wird, erklärt zu sein. Es genügt also, daß die Genehmigung dem Vormund selbst in irgend einer Weise erklärt ist. Freilich wird der­ jenige, der die Verbindlichkeit des Geschäfts für den Mündel behauptet, die in irgend einer Weise erklärte Genehmigung des Gegenvormunds beweisen müssen. Die in Rede stehenden Rechtsakte sind: die Veräußerung von Werth­ papieren"), die Einziehung, d. h. sowohl die Einforderung (Kündigung)") als die Empfangnahme von Kapitalforderungen des Mündels mit Ausnahme der Ansprüche an die Sparkasse"), die Session oder Verpfändung solcher Forderungen und die Aufgabe einer für die Forderung bestellten Sicherheit.

,0) Vorm.-Ordn. §. 41. Vgl. hierzu insbesondere Kurlbaum im J.M.Bl. 1875 S. 265. Dernbürg, Vorm.-R. §. 36. Eccius a. a. D. S. 16. S. auch Bünger bei Gruchot B. 20 S. 395. Wundsch, ebenda B. 21 S. 269. Der Vormund, neben welchem kein Gegenvvrmnnd zu bestellen ist — weil dies in für wirksam erachteter Weise von dem Vater oder der Mutter untersagt ist (V O. §. 26 Abs. 6) — oder neben welchem ein Gegenvormund nur zum Zwecke der Prüfung der von: Vormundschaftsgericht zu genehmigenden Handlungen bestellt werden kann, (V.O. §. 26 Abs. 4), d. h. der gesetzliche Vormund, unterliegen dieser Beschränkung nicht. Bei mehreren ungetrennt verwaltenden Vormündern braucht kein Gegenvormund bestellt zu werden; ist keiner bestellt, so können sie die Geschäfte des §. 4 t wirksam schließen; ist die Be­ stellung erfolgt, und erhellt dies ane ihrer Bestallung, so bedürfen sie der Zustimmung. Lautet die Bestallung des Vormunds auf Befreiung von der Kontrole des Gegen­ vormunds, so ist jeder berechtigt, sich mit dem Vormund ohne Genehmigung des Gegenvormunds einzulassen, auch wenn das Gericht den.Gegenvormund hätte be­ stellen sollen. ") Hat der Vormund, ohne daß dabei diese seine Stellung hervorgetreten ist, Werth­ papiere des Mündels veräußert, so wird er selbst durch das Geschäft verpflichtet sein, und eine Vindikation seitens des Mündels ist nur möglich, soweit derartige Papiere überhaupt einer Vindikation unterliegen. Die Frage der strafrechtlichen und civil­ rechtlichen Verantwortlichkeit des Vormunds ist hiervon unabhängig. Dernburg-Schulzenstein Vorm.-R. §.71, Dernburg, Priv.-R. Hl §. 85 Anm. 1 versteht unter Einziehung nur die wirkliche Entgegennahme des Kapitals, weil dies den Gesetzgebungen entspreche, an welche sich die Vorm.-Ordn. anlehne; es entspricht aber nicht dem Ausdruck „Einziehung", der jedenfalls auch das Fordern umfaßt, soweit sich daran Rechtsfolgen knüpfen. Brettner bei Gruchot B. 20 S. 20 und 704 will wenigstens die Kündigung als nicht in der Einziehung enthalten ansehen, weil die Gesetze theilweise die Kündigung der Einziehung gegenüberstellen. Wo dies aber nicht geschieht, umfaßt die Einziehung auch die Kündigung Vgl. Neumann zu §.41 Anm. 2 und Johow Jahrb. B. 7 S. 53. — Festzuhalten' ist, daß der Vor­ mund giltig handelt, wenn er die Einwilligung des Gegenvormunds hat, ohne daß dieselbe gegen den Dritten erklärt ist. Nur bei löschungsfähigen Quittungen muß der Gegenvormund, wie bei eintragsfähigen Sessionen mitwirken, damit im Grundbuch eine Eintragung vorgenommen werde. — Unrichtig ist es, wenn behauptet wird, der Gegenvormund müsse mit klagen. Prozeßvertreter ist lediglich der Vormlind. Die Thatsache der Zustimmung des Gegenvormunds zur Einziehung ist nur zur Begründung des Anspruchs gehörig. Auch' aus §. 54 C.P.O. ist nicht die Nothwendigkeit der Beibringung einer schriftlichen Genehmigung, noch weniger Nothwendigkeit der Mitunterzeichnung der Klage oder der Vollmacht des Klägers herzuleiten. 1:1) Vgl. dazu oben B. I. §. 91 Anm. 11. Förster (llccius), Prensi. Privatrccl't. IV. 5. Anst. 13

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Die besonderen Privatrechte.

Der Begriff der Kapitalforderung ist nicht allein aus dem Gegensatz von Hauptstock und Nebenleistung zu erklären; mit dem Ausdruck sind die Kapi­ talanlagen auf den Namen des Mündels oder seines Erblassers bezeichnet, also nicht die Ansprüche auf Geldzahlung aus solchen Geschäften, die der Vor­ mund frei von der Genehmigung des Gegenvormunds abschließen kann oder mit dieser Genehmigung geschlossen hat. Die vom Gegenvormund versagte Genehmigung kann durch die Genehmigung des Vormundschastsgerichts ersetzt werden "). Für eine Anzahl anderer Rechtshandlungen des Vormunds bedarf es der Genehmigung des Vormundschaftsgerichts, über deren Ertheilung sich das Vormundschaftsgericht nicht ohne Anhörung des Gegenvormunds, und wenn dies beantragt wird, möglichst nicht ohne Anhörung von Ver­ wandten des Mündels schlüssig machen soll'"). Der Beschluß des Vormund­ schaftsgerichts ist aber giltig und nach Außen wirksam, auch wenn bei Fassung desselben die Vorschrift über Anhörung des Gegenvormunds oder der Ver­ wandten vernachlässigt ist"). Von den Rechtshandlungen, welche der gericht­ lichen Genehmigung bedürfen, gehören drei dem Personenrecht an: der Vor­ mund beantragt die Entlassung aus der preußischen Staatsangehörigkeit ”), er willigt in die Annahme des Mündels an Kindesstatt oder in ein Ab­ kommen wegen Begründung einer Einkindschast ein. Auch die Zustimmung des Vormunds zur Eheschließung des minderjährigen Mündels bedarf der vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung, diese hat aber einen anderen Cha­ rakter als die Genehmigung der Vormundschaftsordnung, welche den Willens­ akt des Vormunds voraussetzt, sie hat die Kraft, eine verweigerte Zustimmung zu ersetzen"). Als vermögensrechtliche Akte, welche nur durch Genehmigung des Vormundschaftsgerichts wirksam werden, führt die Vormundschaftsordnung die vertragsmäßige Erbauseinandersetzung auf, der die Theilung des güter­ gemeinschaftlichen Vermögens mit dem- überlebenden Ehegatten gleich gestellt

,4) Darüber, daß dieser Latz nicht die Folgerung begründet, daß der Richter genehmigen kann, obgleich kein Gegenvormund bestellt ist, der hätte bestellt werden sollen, vgl. oben Anm. 10. Ueber die Dispensation des Vaters von der Genehmigung unten Anni. 32. Vorm.-Ordn. §§. 42ff. Das in Betreff der Genehmigung angegangene Vormund­ schaftsgericht muß darüber bejahend oder verneinend Beschluß fassen und hat sich die dazu nöthige Information — durch Vernehmung des Vormunds — von Amis­ wegen zu beschaffen. Johow u. Küntzel B. 3 S. 51. 1C) Vorm.-Ordn. §. 55. ”) Gewöhnlich wird die Vorschrift so wiedergegeben, als ob die Entlassung des Mün. dels in ihrer Wirksamkeit von der Zustimmung des Vormundschaftsgerichts ab­ hängig sei. Das konnte ein Landesgesetz nicht vorschreiben. Nach dem Reichs­ gesetz vom 1. Juni 1870 §§. 13. 14 wirkt die Entlassung, welche die zuständige Regierungsbehörde auf Antrag ausgesprochen hat, den Verlust der Staatsangehörig­ keit. Das Landesgesetz konnte also nur bestimmen, daß die Regierungsbehörde den Vormund ohne Genehmigung des Vormundschaftsgerichts nicht als antragsberechtigt ansehen soll. 1S) Vorm.-Ordn. §. 48. Vgl. oben §. 203 Anm. 18. Auch die vom Vater ertheilte Befreiung nnd die allgemeine Ermächtigung des Vormundschaftsgerichts — unten Anm. 32 — wirkt auf diesen Fall nicht ein. Der Gegenvormund ist nicht zn hören.

§. 232.

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wird19), ferner die Veräußerung oder Belastung unbeweglicher Sachen, soweit dieselben nicht im Zwangsverfahren gegen den Mündel erfolgen"), den Er­ werb unbeweglicher Sachen durch lästigen Vertrags), die Verpachtung oder Vermiethung unbeweglicher Sachen, wenn der Vertrag über das Alter der Großjährigkeit hinaus beziehungsweise ausdrücklich noch für eine Zeit nach der Beendigung der Vormundschaft über den Großjährigen gelten soll"), so-

19) Vorm.-Ordn. §. 42 Z. 4, §. 43. Während das ältere Recht die nothwendig gerichtliche Auseinander-sehung in die Thätigkeit des Vormundschaftsrichters hineinzog, giebt die Vormundschastsordnung dem Vormund ausdrücklich die Entscheidung frei, ob die Aus­ einandersetzung herbeizuführen ist, läßt auch neben dem gerichtlichen den notariellen oder schriftlichen Auseinandersetzungsvertrag zu. Nur der Genehmigung bedarf er. '") Vorm.-Ordn. §. 42 Z. 5. Vor der Entscheidung über Veräußerung hat das Vor­ mundschaftsgericht den über achtzehn Jahre alten Mündel, der wegen Minderjährigkeit unter Vormundschaft steht, selbst zu hören; doch ist davon die Rechtsgiltigkeit der Geneh­ migung nicht abhängig. Vorm.-Ordn. §. 55. — Das Zwangsverfahren umfaßt ohne Zweifel die Fälle des gerichtlichen Vollstreckungszwangs (nothwendige Subhastation und Zwangseintragung) und die Fälle des Enteignungszwangs. Aber auch andere Fälle, in denen die bereits bestehende Verbindlichkeit des Mündels zur Veräußerung oder Belastung des Grundstücks im Rechtswege geltend gemacht und demnächst im Erkenntniß zunr Ausdruck gekommen ist, müssen hierher gerechnet werden, also Urtheile auf Abgabe der Auflaffungserklänurg, auf Einwilligung zur Eintragung einer Hypothek oder Grundschuld in daS Grundbuch, auf Einräumung einer nothwendigen Servitut. Das Urtheil ersetzt nicht bloß die Willenserklärung des Vormunds, sondern die des Mündels, welcher in der gesetzlichen Vertretung verklagt war, gerade ebenso wie in deut Fall der Ziffer 4. Sonst wären wohlerworbene Rechte des andern Theils der Feststellung im Rechtswege entzogen, sie könnten trotz der Feststellung im Prozesse gegenüber denl gesetzlichen Vertreter des Mündels durch den Willensakt des das Ur­ theil für ungerecht haltenden Vormundschaftsgerichts elidirt werden. Eine Klage gegen dieses Gericht ist unmöglich. Daß das Vormundschaftsgericht ernt Prozesse nicht betherligt ist, den Vormund nicht uietjr zu autorisiren und zu instruiren hat, ist gleichgiltig. Die Prozeßpartei ist der Mündel in seiner gesetzlichen Vertretung, — nicht bloß der Vonnund. Das Urtheil ist gegen den Mündel vollstreckbar. Wird nachher die Vormundschaft beendigt, so ist die rechtskräftig gewordene Verurtheilung des Mündels vertreten durch den Vonnund zur Auflassungserklärung ebenfalls geeignet, die Erklärung des jetzt Großjährigen zu ersetzen. — Das Vormundschaftsgericht kann den geschlossenen Veräußerungsvertrag aenehmigen oder eine bestimmte Art der Ver­ äußerung vorbehaltlich der Rechte der Miteigenthümer, z. B. Veräußerung durch Ver­ steigerung anordnen. Nicht bloß der auf Veräußerung abzielende Vertrag sondern die Veräußerung selbst unterliegt der Genehmigung. Diese muß also bei der Auflassung dem Grundbuchrichter klargestellt werden. Das heißt aber nicht, daß schlechthin zur Austastung eine besondere Genehmigung zu ertheilen sei; die Genehmigung der Ver­ äußerung kann in der Genehmigung des abzuschließenden Veräußerungsvertrages liegen; daß sie nothwendig darin liegt, ist ebenso unrichtig, wie die Behauptung, daß sie nicht darin liegen könne. Wenn z. B. ein Vertrag genehmigt ist, imch welchem das Grund­ stück in der Weise verkauft wird, daß es nach Zahlung des Kaufpreises aufgelassen werden soll, kann nicht ohne erneute Zustimmung des Gerichts aufgelassen werden. Es kommt lediglich auf den Inhalt der Genehmigungserklärung und deren Auslegung an. — Das Vormundschastsgericht ist von der Beschränkung des älteren Rechts, nach welcher es eine Veräußerung nur bei nachgewiesener Nothwendigkeit oder bei „erheblichem Nutzen" und nur im Wege der Subhastation genehmigen durfte (II. 18. §§. 550 ff.), durchaus frei. -1) Ausübung des persönlichen oder dinglichen Vorkaufsrechts ist nicht Erwerb durch einen lästigen Vertrag, wenngleich die Erklärung der Ausübung, den Vorkaufsberech­ tigten mit den Pflichten des Käufers belastet. Vgl. B. III. §. 189. Die Ausübung dieses Rechts kann bei der Nothwendigkeit strikter Auslegung der Ausnahmen des freien Vertretungsrechts des Vormunds nicht unter Vorm.-Ordn. §. 42 Z. 6 subsumirt werden. Ebenso Dernburg III. §. 85 Anm. 10 gegen Brettner bei Gruchot B. 20 S. 417. 2) Vorm.-Ordn. §. 42 Z. 7. Bei der Vormmrdschaft über Großjährige wird man einen

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wie die Verpachtung von Grundstücken, die zu einem Grundsteuerreinertrag von dreitausend Mark oder mehr eingeschätzt sind, die Abschließung von Ver­ gleichen, wenn deren Gegenstand unschätzbar ist oder die Summe von drei­ hundert Mark übersteigt"), die Bestimmung des Vormunds über Verände­ rung, Auflösung, Neubegründung oder Uebernahme eines Erwerbsgeschäfts"), die Eingehung wechselmäßiger Verbindlichkeiten"), die Ertheilung einer Pro­ kura"), die Aufnahme von Darlehnen und die Uebernahme fremder Verbind­ lichkeiten, endlich die Entsagung einer Erbschaft oder eines Vermächtnisses"). In allen Fällen, in welchen der Vormund der Genehmigung des Gegen­ vormunds oder des Gerichts bedarf, hat das ohne diese Genehmigung von dem Vormund geschlossene Geschäft nur die Kraft den andern Theil dem Mündel, nicht aber den Mündel dem anderen Theil zu verpflichten "). Die letztere Verpflichtung tritt ein, wenn die nachträgliche Genehmigung oder das nachträgliche Anerkenntniß des selbständig gewordenen Mündels erklärt wird. Der andere Theil wird frei, sobald das Vormundschaftsgericht ihm andern Fall der Analogie nicht aufstellen können. Der Vertrag, welcher das Ende der Miethe oder Pacht früher feststellt als auf den dem 21. Jahr des Mündels ent­ sprechenden Zeitpunkt, bindet — ohne gerichtliche Genehmigung — nicht nur den Mündel, sondern wenn dieser während der Minderjährigkeit stirbt, auch seinen Rechts­ nachfolger. Schon hieraus ergiebt sich, daß die Vorschrift, der auch sonst der gleiche Grund fehlt, keine Analogie mit §§. 388ff. I. 21 A.L.R. hat. — Die Willenserklärung der Zustinnnung des Vormunds zu einem über das 21. Jahr hinansgehenden Pacht­ oder Miethsvertrag ist ohne gerichtliche Genehmigung in ihrer Totalität unwirksam; kann aber darin oder daneben noch eine andere eventuelle Vertragseinigung über einen wenigstens bis zum 21. Jahre geltenden Vertrag gefunden werden, so gilt dieser andere Vertrag. Vgl. Eccius a. a. £). md Zurücksührung in dieselben für die Zukunft ist stets Ausgabe der Aufsicht.

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Auf diese Weise ist die vormundschaftsgerichtliche Aufsicht insbesondere in der Lage, die Einhaltung der Schranken, welche die gesetzlichen Vorschriften dem Willen des Vormunds bei der Vermögensverwaltung stellen, durchzu­ setzen. Der Vormundschastsrichter kann also namentlich die Einziehung von Geldern anordnen, welche der Vormund gesetzwidriger Weise angelegt hat, und die Nachprüfung des Richters bezüglich der gesetzlichen Sicherheit ist hierbei entscheidend, ohne daß der Vormund seine andere Auffassung anders als durch Beschwerde über den Vormundschaftsrichter geltend machen könnte. Ebenso kann der Vormundschaftsrichter die Verwendung von Sachen des Mündels in den Nutzen des Vormunds für die Zukunft untersagen. Findet der Richter, daß der Vormund durch Maßregeln, die unzweckmäßig oder schädlich sind, den Mündel benachtheiligt hat oder zu benachtheiligen im Be­ griff ist, so kann er ihn darauf aufmerksam machen, ihn auf die Nothwen­ digkeit sorgfältiger Erwägung Hinweisen, ihm auch seine Ansicht von dem, was zu geschehen habe, mittheilen. Aber alle diese Rathschläge sind nur als solche, nicht als zu befolgende Weisungen anzusehen. Die Mißachtung derselben kann die Verantwortlichkeit des Vormundes für die von ihm ge­ faßten abweichenden Entschlüsse steigern und kann dahin führen, daß ein Ver­ halten als schuldhaft, ja sogar als Pflichtverletzung angesehen werden muß, das sonst vielleicht zu entschuldigen wäre: aber das Vormundschaftsgericht hat keine Befugniß, die Befolgung von Rathschlägen dieser Art zu erzwin­ gen 13), während es jeder Weisung, die dem Vormund eine gesetzliche Pflicht für den einzelnen Fall in Erinnerung bringt, in der zu 5 zu erörternden Weise Nachdruck geben kann. 3. Das Vormundschaftsgericht kann ferner anordnen, daß Werthpapiere des Mündels, welche auf den Inhaber lauten oder an den Inhaber gezahlt werden können, bei der Reichsbank oder einer anderen dazu bestimmten Be­ hörde oder Kaffe in Verwahrung genommen, oder daß die Werthpapiere außer Kurs gesetzt werden"). Das Letztere kann durch den Vormund oder durch das Vormundschaftsgericht geschehen, aber muß immer so ge­ schehen, daß die Außerkurssetzung „für den Mündel" zum Ausdruck gebracht wird. Der Wortlaut des Gesetzes spricht nicht von einer durch das Vor-

l3) Vgl. oben Anm. 4. Mit Recht hat z. B. das Kammergericht bei Johow und Küntzel B. 2 S. 47 es für unzulässig erklärt, daß das Vormundschaftsgericht den Vormund zur Anerkennung eines erhobenen Anspruchs anweise: „Das würde geradezu die Verwaltung des Vormundschaftsgerichts an die Stelle der Verwaltung des Vor­ munds sehen." Aber heißt es nicht ebenso die Verwaltung des Vormundschafts­ gerichts an die Stelle der Verwaltung des Vormunds setzen, wenn ebenda S. 45 das Vormundschaftsgericht für berechtigt erachtet wird, dem Vormund die Ent­ scheidung darüber abzunehmen, ob es dem Interesse des Mündels besser entspricht, das Kind in der Verpflegung von Pflegeeltern zu belassen oder selbst die Er­ ziehung zu übernehmend Die Pflicht des Waisenraths auf Mängel in der Erziehung und Verpflegung aufmerksanl zu machen, soll das Vvrmundschaftsgericht in die Lage sehen zu prüfen, ob der Vormund seine Pflicht vernachlässigt und deshalb als pflichtwidrig zu entfernen ist, nicht die Direktion deS Vormunds in Einzelheiten zu beanspruchen. ") Vorm.-Ordn. §. 60.

§. 233.

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mundschaftsgericht selbst vorzunehmenden Außerkurssetzung, legt auch dem Vormundschaftsgericht keine besonderen Befugnisse bezüglich der Wiederinkurssetzung bei"). Ebenso wenig spricht sich das Gesetz darüber aus, daß die Hinterlegung der Papiere und Kostbarkeiten, wenn sie angeordnet wird, in der Weise zu geschehen habe, daß die hinterlegten Gegenstände nur mit Zu­ stimmung des Vormundschaftsgerichts zurückgenommen werden können1C). Die Vormundschaftsordnung verpflichtet das Vormundschaftsgericht die Verwah­ rung eintreten zu lassen, sobald es der Vormund beantragt; dabei wird für diesen Fall und für die Fälle einer dahin gehenden Anordnung des Vor­ mundschaftsgerichts kein Unterschied gemacht. Einen solchen Unterschied macht aber jetzt die Hinterlegungsordnung 1T) für den Fall einer Hinterlegung bei der Hinterlegungsstelle, sie weist den Vormund im letzten Fall zum direkten Verkehr mit der Hinterlegungsstelle an und gestattet die Rückgabe ohne Ge­ nehmigung des Vormundschaftsgerichts, während sie in den anderen Fällen als Grundlage der Hinterlegung eine bestimmt formulirte Anweisung des Vormundschaftsgerichts erfordert und die Rückgabe der so hinterlegten Gegen­ stände nicht ohne Genehmigung des Vormundschaftsgerichts gestattet. Auch die Reichsbank giebt deponirte Werthpapiere, bei deren Niederlegung erklärt ist, daß sie auf Anordnung des Vormundschaftsgerichts erfolge, nur im Falle einer auf dem Depotschein erklärten Genehmigung des Vormundschaftsgerichts wieder heraus"). Hiernach hat das Vormundschaftsgericht, auch wenn man davon ausgeht, daß die Vorschrift der Vormundschaftsordnung nicht sowohl eine Sicherung des Mündels gegen den Vormund als eine Sicherung gegen die Gefahr des Abhandenkommens der in Rede stehenden Gegen­ stände bezweckte, die Möglichkeit, durch die Anordnung der Hinterlegung bei einer Stelle, die nur unter seiner Zustimmung die Herausgabe bewirkt, einem denkbaren Mißbrauch der Gegenstände durch den Vormund entgegen zu wirken. Die von einigen Auslegern des Gesetzes angenommene noch weiter gehende Kraft der in Rede stehenden Anordnungen als einer Verfügungsbeschrän15) Die Wiederinkurssetzung von Jnhaberpapieren kann nur gerichtlich auf Antrag des legitimirten Gläubigers (also des Vormunds oder des großjährig gewordenen Mün­ dels) geschehen. Das Vormundschaftsgericht ist dazu nicht im Stande, weil es die Papiere nicht „für sich" außer Kurs setzt. §. 1 Ges. v. 4. Mai 1843, §. 3 V. v. 16. August 1867. — Nur bei Jnhaberpapieren kennt das Gesetz eine wirk­ same Außerkurssetzung, nicht auch bei Papieren, welche an den Inhaber gezahlt werden können, bei denen also das Vertragsrecht des Schuldners besteht, ohne Prüfling der Legitimation zu zahlen. Deshalb ist der Ausdruck, „jene Werth­ papiere" in V.O. §. 60 nur auf die eigentlichen Znhaberpapiere zu beziehen. Das Kammergericht (bei Johow und Küntzel B. 3 S. 61) nimmt an, daß Spar­ kassenbücher vom Vormundschaftsrichter in und außer Kurs gesetzt werden können, — mit welcher Wirkung für die Sparkasse? Darüber hat sich das Kammergericht nicht ausgelassen. 1G) Das ist indessen die herrschende Ansicht. Vgl. dagegen Eccius a. a. O. S 23. Prinzipiell muß an der dort vertretenen Auffassung festgehalten werden, praktisch führt die Einwirkung der Hinterlegungsordnung' zu einem etwas veränderten Standpunkt. 17) Hinterl.O. v. l 4. März 1879 §§.47—52. lb) R. Koch bei Gruchot B. 22 S. 655. 667.

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kung des Vormunds") ist jedenfalls zu leugnen. In der Verfügung über Kostbarkeiten ist der Vormund gesetzlich nicht beschränkt, über Werthpapiere kann er mit Genehmigung des Gegenvormunds, und wenn ein solcher nicht zu bestellen oder wenn er von der Genehmigung befreit ist, selbständig ver­ fügen. Eine weitergehende Beschränkung dem Vormund aufzulegen, ist das Vormundschaftsgericht nicht befugt. Die entgegengesetzte Auffassung führt dazu, daß selbst in solchen Fällen, in denen der Vormund von der Genehmi­ gung des Gegenvormunds befreit ist, das Gericht durch die Hinterthür der Anordnung der Hinterlegung die vom Gesetz gewollte Selbständigkeit des Vormunds beseitigen könnte. Denn auch in solchen Fällen kann die An­ ordnung einer Verwahrung eingreifen; unzulässig ist sie gesetzlich nur gegen den Vater und den vom Vater benannten Vormund, wenn letzterenfalls der Vater die Anordnung ausdrücklich in der Berufungsform ausgeschlossen hat"). 4. Das Vormundschaftsgericht hat ferner das Recht, den Vormund, wenn derselbe ein erhebliches Vermögen zu verwalten hat, zur Stellung einer Sicherheit anzuhalten"). Geschieht dies bei Einleitung der Vormundschaft, so kann die Uebernahme derselben abgelehnt werden"). Dem Richter steht aber auch im Laufe der Vormundschaftsführung das Recht zu, die Sicherheits­ stellung zu verlangen, insbesondere wenn ihn die Art und Weise der Ver­ waltung des Vormunds gegen denselben mißtrauisch macht, und wenn die Wahrscheinlichkeit von Beschädigungen des Mündels durch den Vormund hervortritt"). Auch in solchem Falle ist zwar der Vormund berechtigt, seine Entlassung zu beantragen, und das Gericht muß diesem Entlassungsverlangen, als durch erhebliche Gründe gerechtfertigt, Folge geben"). Aber mit dem Entlaffungsverlangen wehrt der Vormund die berechtigte Auflage des Richters 19) Dieselbe wird vertreten von Loewenstein und Neumann zu § 60. Auch Dernburg war in der ersten Ausgabe des Vormundschaftsrechts (§. 68 a. E.) für diese Ansicht eingetreten, hat dieselbe aber in der zweiten und im Privat­ recht III. §. 86 S. 247 modifizirt. Danach nimmt er an: wenngleich die Verwah­ rungsanordnung nicht kraft des Gesetzes ein Veräußerungsverbot enthalte, könne der Richter sie doch auch mit dieser Wirkung erlassen. Die Vertreter des Veräuße­ rungsverbots verwechseln eine thatsächlich der Realisirung der Veräußerung entgegen­ stehende Schranke und die rechtlich unzulässige Veräußerung. Es kann zur Zeit' der Verwahrungsanordnung bereits eine Pflicht des Mündels bestehen, die Papiere oder die Kostbarkeiten zu einer späteren Zeit zu übereignen. In diese Pflicht nnd die Erfüllung derselben kann gewiß nicht- eingegriffen werden. Das Gesetz bietet aber auch nicht den entferntesten Anhalt dafür, warum der Vertrag, den der Vormund für den Mündel über Veräußerung einer verwahrten Kostbarkeit schließt, den Mün­ del weniger verpflichten sollte, als wenn die Kostbarkeit nicht in Verwahrung ge­ nommen ist. Auch die Erfüllung dieses Vertrags durch den Mündel oder seine Vertreter kann der Gläubiger erzwingen, nicht minder die Erfüllung des über ein Werthpapier mit Zustimmung des Gegenvormunds geschlossenen Vertrags. — Ist eine solche Verbindlichkeit in rechtlich zulässiger Weise begründet, so würde das Vor­ mundschaftsgericht, welches die Erfüllung zeitweilig hindert, indem es die Einwilli­ gung zur Herausgabe versagt, den Mündel schädigen, und der Richter würde sich für die Folge der mora haftbar machen. 20) Vorm.-Ördn. §. 60 Abs. 2. 21) Vorm.-Ordn. §. 58. 22) Vorm.-Ordn. §. 23 Z. 6. 23) Vgl. Eccius a. a. O. S. 25. 24) Vörm.-Ordn. §. 63 Abs. 2.

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nicht ab. Die Entlassung wird keinesweges sofort ins Werk gesetzt werden müssen, sondern erst wenn ein geeigneter Ersatzmann gefunden ist. Das Gericht wird also trotz des Entlassungsverlangens seiner Auflage Nachdruck geben sönnen25).* * 28 Von der Pflicht zur Sicherheitsstellung sind übrigens die Eltern und Großeltern, der Ehemann und die Ehefrau, wenn sie die Vor­ mundschaft führen, frei, auch diejenigen, die vom Vater oder der Mutter in der Form der Berufungsbenennung von der Pflicht befreit sind, sollen nicht zur Sicherstellung genöthigt werden, wenn nicht Umstände eingetreten sind, welche nach dem Ermessen des Vormundschaftsgerichts dennoch die Sicherstel­ lung nothwendig machen25). Die Art und der Umfang der Sicherheit wird nach richterlichem Ermessen bestimmt. Aber die Anordnung des Vormundschaftsgerichts ist nicht gegen den Vormund im Wege der Zwangsvollstreckung erzwingbar, auch hat das Vormundschaftsgericht nicht eine solche Rechtsstellung, daß es die Eintragung der für nothwendig erklärten Kautionshypothek durch Ersuchen des Grund­ buchrichters herbeiführen konnte22), dem Vormundschaftsgericht stehen nur die zu 5 und 6 zu besprechenden Mittel zur Verfügung. 5. Alle gerechtfertigten Auflagen des Vormundschaftsgerichts an den Vormund, die Einforderung des Inventars, der Rechnung, besonderer Aus­ kunft über bestimmte Punkte, die Auflagen, durch welche die gesetzlichen Regeln der vormundschaftlichen Verwaltung durchgeführt werden sollen, das Verlangen der Kautionsleistung finden ihren Rückhalt in dem Recht des Vormundschafts­ gerichts, Ordnungsstrafen bis zum Betrage von 300 Mark gegen den Vormund zu verhängen25). Die Voraussetzungen dieses Strafrechts sind nicht näher geregelt. Der Ausdruck „Ordnungsstrafe" scheint auf eine Be­ strafung der begangenen Ordnungswidrigkeit hinzuweisen, nicht blos darauf, daß durch die Strafe der rechtswidrige Wille des Vormunds gebeugt werden solle. Jedenfalls ist nicht vorgeschrieben, daß der Verhängung der Ordnungs­ strafe eine Androhung derselben vorangehen muß. Indessen wird man nicht unzweckmäßiger Weise so verfahren22). In der Nichtbefolgung des erneuten zulässigen Befehls liegt eine erneute Ordnungswidrigkeit, die durch eine wieder­ holte Verhängung der Strafe gerügt werden kann. Die Vollstreckung der Strafe erfolgt durch den Richter. 6. Der Richter hat endlich allen — auch den gesetzlichen Vormündern gegenüber, — das Recht, unter den Voraussetzungen, die im folgenden ParaAnderer Ansicht Wachter, Neumann zu §. 58 Bonn.-Ordn Bonn.-Ordn. §. 59. Vgl. Johow, Jahrb. B. 5 S 289, B. 6 S. 155. Bonn.-Ordn. §. 51 Abs. 2. Bei den Ordnungsstrafen, durch welche die Justizaufsicht die ordnungsmäßige Aus­ führung eines Amtsgeschäfts erzwingt, ist die vorgängige Androhung in §. 80 Ausf.Ges. zum Ger.Verf.Ges. v. 24. April 1878 vorgeschrieben; aber darum gehört die vor­ gängige Androhung noch nicht zum Wesen jeder Ordnungsstrafe. — Die festgestellte Ordnungsstrafe kann auf Beschwerde des Vormunds vom Beschwerdegericht aufge­ hoben werden. Auch der Vormundschaftsrichter selbst ist rechtlich nicht behindert, die von ihm festgesetzte Ordnungsstrafe aufzuheben oder zu mildern; die Festsetzung hat hier nicht die rechtliche Natur eines Urtheils. Tvrster (lLccius), Pueufi. Privat!echt. IV. 5. 'Aufl. 14

25) 2C) 2I) 28) 2il)

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graphen zu erörtern sind, die Entlassung und die Entsetzung auszu­ sprechen 30). Die sämmtlichen vorstehend erörterten Aufsichtsbefugnisse stehen dem Vor­ mundschaftsrichter auch bezüglich der pflichtmäßigen Amtsführung des Gegen­ vormunds zu.

§. 234. Beendigung der Vormundschaft. Die Vormundschaft erreicht ihr natürliches Ende, wenn der minder­ jährige Mündel stirbt, wenn er die Großjährigkeit erreicht oder für großjährig erklärt wird oder durch Legitimation oder Adoption in eine väterliche Gewalt tritt, ebenso wenn das die Vormundschaft veranlassende Ruhen der väterlichen Gewalt oder die Bevormundung des Vaters aufhört'). Eine Erstreckung der Dauer der Vormundschaft über das Alter der Minderjährigkeit hinaus ist ebenso unzulässig, wie die erste Einleitung einer Vormundschaft über Groß­ jährige ohne gesetzlichen Grund nicht stattfinden kann"). Eine andere Frage, aus die im Erbrecht näher einzugehen sein wird, ist es, ob ein Erblasser die Verfügungen des Erben oder Legatars über die hinterlassenen Gegenstände für bestimmte Zeit ausschließen und die Bewahrung derselben in die Hand des früheren Vormunds oder eines Anderen legen kann. Jedenfalls findet hier keine Vormundschaft und keine Einwirkung der vormundschaftlichen Auf­

sicht statt. Die Vormundschaft über Geisteskranke und Verschwender erreicht ihr natürliches Ende außer mit dem Tode des Bevormundeten dann, wenn der die Entmündigung aussprechende Beschluß rechtskräftig aufgehoben’) oder die Entmündigung selbst durch rechtskräftigen Beschluß des Amtsgerichts oder

30) Vorm.-Ordn. §..63. ') Vorm.-Ordn. §. 61. 2) Die §§. 698 — 706 A.L.R. II. 18 gestatteten Erstreckung der Vormundschaft durch Testament bis sechs Jahre nach der Großjährigkeit. Die danach zulässige Bevor­ mundung Großjähriger hat auch bei denjenigen, ivelche dieser Art der Vormund­ schaft bei Einführung der Vormundschaftsordnung unterworfen waren, mit dieser aufgehört. Vgl. J.M.Bl. pro 1876 S. 233, auch Iohow undKüntzel SB. 2 S. 55, SB. 3 S. 54. Die §§.707—711 II. 18 hängen mit der Erstreckung der Vormund­ schaft nicht zusammen. Sie regeln die Zulässigkeit letztwilliger Dispositionsbe­ schränkungen. Mit Recht ist in den eben citirten Entscheidungen die Mitwirkung des Vormundschaftsgerichts zur Sicherung dieser Einschränkungen, wie sie §. 709 vor­ schreibt, als eine außerhalb des Vormundschaftsrechts fortbestehende Verpflichtung des Gerichts angesehen.

3) C.P.O. §. 613. Es ist nun festgestellt, daß die Entnnmdigung nicht hätte statt­ finden sollen. Deshalb treten alle in der Zwischenzeit vorgenommenen Handlungen des Entmündigten, da derselbe in Wahrheit nicht unfähig war, in volle Giltigkeit, soweit nicht gerade bezüglich der einzelnen Handlung dargethan wird, daß sie ohne geistige Freiheit vorgenvmmen ist. Daß daneben die Handlungen des Vornmnds als die eines berechtigten Vertreters anzusehen sind, ist bereits oben §. 230 Anm. 6 gesagt. Der hierin liegenden Möglichkeit einer Gefährdung des Entmündigten kann das Prozeßgericht durch einstweilige Verfügungen, die den Vormund binden, begegnen.

§. 234.

Beendigung der Vormundschaft.

211

rechtskräftiges Urtheil des Landgerichts wieder aufgehoben ist4). Die Vor­ mundschaft über Taube, Stumme und Blinde wird ausgehoben werden müssen, wenn dieselben nicht mehr an Besorgung ihrer Rechtsangelegenheiten gehindert sind, die über Abwesende, wenn sie zurückkehren oder ohne zurückzukehren die Besorgung ihrer Angelegenheiten durch Bestellung eines Bevollmächtigten selbst wieder übernehmen; dem Tode wird auch die Todeserklärung des Ab­ wesenden gleich geachtet 5).* Es kann aber das Amt des einzelnen Vormunds oder Gegenvor­ munds auch zu Ende gehen, ohne daß die Nothwendigkeit der Fortführung der Vormundschaft überhaupt in Wegfall kommt. Dies ist der Fall, wenn der Vormund oder Gegenvormund stirbt oder handlungsunfähig wird °), wenn die Stellung des bisherigen Vormunds durch Unterbringung des minder­ jährigen Mündels in eine staatliche Verpflegungsanstalt aufgehoben wird 7), wenn das Vormundschaftsgericht an Stelle des gesetzlich eintretenden Vaters der unehelichen Mutter oder des Vorstandes der Verpslegungsanstalt einen anderen Vormund ernennt8),* endlich wenn der Vormund oder Gegenvormund vom Vormundschaftsgericht entlassen oder entsetzt wird s). Die Entlassung tritt ein, wenn der Vormund oder Gegenvormund sich als gesetzlich unfähig herausstellt, oder wenn die zur Führung der Vormund­ schaft erforderliche Genehmigung versagt oder entzogen wird, ferner auf den eigenen Antrag des Vormunds oder Gegenvormunds, sofern die Gründe dieses Antrags vom Gericht als erheblich anerkannt werden. Das Letztere muß geschehen, oder mit anderen Worten, es besteht ein Recht die Entlassung zu fordern, wenn ein Ablehnungsgrund im Laufe der Vormundschaft eintritt, ausgenommen jedoch das bloße Erreichen des sechzigsten Jahres und die Uebernahme weiterer Vormundschaften und Pflegschaften. Ebenso ist eine zur Vormünderin bestellte Frau, die sich demnächst verheirathet, zu entlassen, wenn der Ehemann nicht in die Beibehaltung willigt, und auch wenn dies der Fall ist, kann sie nach gutachtlicher Anhörung Verwandter und Verschwägerter selbst ohne ihren Antrag entlassen werden 10). Die Entsetzung erfolgt, wenn sich der Vormund oder Gegenvormund als pflichtwidrig erweist "). Das ist nicht dahin zu verstehen, daß jede Verletzung einer dem Vormund obliegenden Pflicht das Vormundschastsgericht nöthigt, denselben zu entsetzen. Vielmehr unterliegt es dem Ermessen des 4) C.P.O. §§. 616—626. Die Wiederaufhebung der Entmündigung eines Verschwenders und der Vormundschaft über denselben ist vom Amtsgericht öffentlich bekannt zu machen. E.P.O. §. 627, Vorm.-Ordn. §. 85. 5) Vorm.-Ordn. §. 84. G) Vorm.-Ordn. §§. 65. 62 Abs. 1. 7) Vorm.-Ordn. §. 62 Abs. 2. 8) Vorm.-Ordn. §. 12 Abs. 2, §. 13. ,J) Vorm.-Ordn. §. 63. Auch gesetzliche Vormünder unterliegen der Entlassung und Ent­ setzung, insbesondere auch der Vater. Für die übrigen, die ohne Grund jeder­ zeit durch einen anderen ersetzt werden können, ist das nur erheblich, sofern auch sie ein Recht ans Entlassung haben. 10) Bonn.-Ordn. §. 64. ") Vorm.-Ordn. §. 63 Abs. 1.

212

Viertes Blich.

Die besonderen Privatrechte.

Gerichts, ob die Handlungsweise des Vormunds oder die mangelhafte Er­ füllung seiner Pflichten ihn als einen solchen erwiesen hat, der als pflicht­ widrig bezeichnet werden kann. Die Freiheit des richterlichen Ermessens wird insbesondere darüber entscheiden, ob die Verletzung der Sorgfalt eines ordentlichen Hausvaters bei der Fassung und Festhaltung unzweckmäßiger und schädigender Entschließnngen als ein pflichtwidriges Verhalten zu kenn­ zeichnen ist. Ein geordnetes Verfahren bei der Entsetzung nimmt die Vor­ mundschaftsordnung nicht in Aussicht "), sie schreibt nicht einmal die An­ hörung des Vormunds über den Verdachtsgrund vor, und wenn regelmäßig ihn zu hören schon das Gerechtigkeitsgefühl bestimmen wird, so besteht doch die Möglichkeit, ein plötzlich hervortretendes dringendes Bedürfniß pflicht­ widrigen Handlungen zu begegnen durch sofortigen Erlaß des Entsetzungs­ beschlusses zu erfüllen. Die Entsetzung oder Entlassung tritt mit der Zu­ stellung in Wirksamleit; die dagegen zulässige Beschwerde ist an die Frist von 4 Wochen geknüpft. Jeder Vormund ist nach Beendigung seines Amts verpflichtet, die ihm ertheilte Bestallung zurückzugeben"). Aber ein gerichtlicher Zwang findet deswegen nicht statt. Dies kann gerade in den Fällen der Entlassung und Entsetzung bedenklich scheinen. Aber es ist darauf zu verweisen, daß diese Bestallung überhaupt nicht den Charakter einer formell legitimircnden Ur­ kunde hat. Mit anderen Worten, der Besitz der Bestallung erbringt zwar den Beweis der erfolgten Bestellung als Vormund oder Gegenvormund, aber legitimirt nicht den Inhaber dahin, daß er noch jetzt als Vormund oder Gegenvormund angesehen werden müßte. In dieser Beziehung wird also ein Dritter, der mit dem Vormund verhandelt, durch des Letzteren Be­ sitz der Bestallung von anderweitiger Prüfung nicht frei “). Mit Beendigung der Vormundschaft sollte streng genommen auch die Befassung des Vormundschaftsgerichts mit der Sache aufhören; denn die Abwickelung des obligatorischen Verhältnisses zwischen Vormund und vor­ maligem Mündel gehört, falls keine Einigung erfolgt, vor das Prozeßgericht. Aus Zweckmäßigkeitsrücksichten befaßt indessen das Gesetz das Vormundschafts­ gericht mit einem Versuch der Entgegennahme und Vorlegung der Schlußrech­ nung an den Mündel oder dessen Vertreter Die Schlußrechnung ist binnen zwei Monaten nach Beendigung des Amts des Vormunds von diesem, seinem

12) Wie solches für die remotio tutoris suspecti in dem vormundschaftlichen Prozesse der A.G.O. I. 39. §§. 13 ff. geordnet war. 1:i) Vorm.-Ordn. §. 66. H) Die irrige Annahme des Fortbestehens der Vormundschaft seitens des Dritten, mit welchem der ehemalige Vormund verhandelt, kann den Mündel nicht verpflichten. A. M. Dernburg Vorm.-R. S. 237 Anin. 2. Uebereinstimmend Schultzeustein §. 90 Anm. 4. Eine Analogie mit dem Mandat ist nicht anzuerkennen, und I. 14 §. 1 a. E. §. 2. Dig. XLVI. 3 wird mißverstanden, sie stellt klar, daß nach der Entlassung des Vormunds es auf die scientia des Dritten gar nicht ankommt, schon vor der Ent­ lassung soll die scientia davon, daß der Vormund suspectus postulatus ist, daß gegen ihn das Verfahren auf remotio anhängig ist, die Vertretnugsbefugniß anfheben. ,5) Vorm.-Ordn. §. 67.

§. 235.

Die obligatorischen Beziehungen der Vormundschaft.

213

Erben 1S) oder dem Verwalter im Konkursverfahren des Vormunds 16 l7) dem Vormundschaftsgericht einzureichen. Eine Sorge dafür, daß dies geschehe oder ein Zwangsrecht des Vormundschaftsgerichts gegen den Rechnungs­ pflichtigen kennt das Gesetz nicht. Die eingereichte Schlußrechnung wird dem früheren Mündel oder seinem gegenwärtigen Vertreter vorgelegt und die Erklärung über Entlastung gefordert 18).

§. 235. Die obligatorischen Beziehungen der Vormundschaft. An den Eintritt des Falls der gesetzlichen Vormundschaft und an die richterliche Bestellung als Vormund knüpft sich die obligationsrechtliche Folge, daß der Vormund dem Mündel gegenüber verpflichtet wird, die Vor­ mundschaft so zu verwalten, wie ein ordentlicher Hausvater seine eigenen Angelegenheiten verwaltet'), zum Zwecke dieser Verwaltung das Vermögen des Mündels zu übernehmen und das verwaltete Vermögen nach beendigter Vormundschaft herauszugeben, auch über die vormundschaftliche Verwal­ tung vollständig Rechnung zu legen 2). Diese mit dem Wesen der Vormund­ schaft untrennbar zusammenhängenden Pflichten hat selbst der Vater als ge­ setzlicher Vormund; eine Befreiung von denselben, insbesondere auch von der Pflicht Schlußrechnung zu legen, findet nicht statt3). Die actio tutelae kann selbst durch die sorgfältigste Aufsicht des Gerichts nicht ersetzt werden, und auch t>a§ engste Vertrauensverhältniß, in welchem Mündel und Vormund zu einander stehen, schließt die Möglichkeit eines Vertrauensmißbrauchs und einer Entschädigungsforderung nicht aus. Bezüglich des Grades der vom Vormund geforderten Aufmerksamkeit hat sich die Vormundschaftsordnung der landrechtlichen Bestimmung ange­ schlossen, welche die Berufung auf die geringere Sorgfalt in eigenen Angelegen­ heiten ausschließt4). Sind mehrere Vormünder bestellt und ist die Ver­ waltung derselben getheilt, so ist jeder nur für den ihm zugewiesenen Theil der Verwaltung verantwortlich, hat darüber Rechnung zu legen, das, was ihm anvertraut ist, herauszugeben. Ist die Verwaltung ungetheilt, so hat jeder zwar auch nur für seine eigenen Handlungen und Unterlassungen ein-

Für die Erben verlängert sich die Frist nach §. 67 Abs. 4. Die Bestimmung ist durch §. 20 Konk.-Ordn. aufrecht erhalten. Vgl. unten §. 235 Anm. 16 ff. Vorm.-Ordn. §. 32. Die Verantwortlichkeit des bestellten Vormunds beginnt mit der Bestellung,' die des gesetzlichen, sobald er Kenntniß von den Thatsachen hat, die seine Vormundschaft begründen. ") Vorm.-Ordn. §. 67. Ist der Vormund mit der Herausgabe des Vermögens säumig, so wird dadurch natürlich seine Verantwortlichkeit dem Mündel gegenüber nur ver­ stärkt. Die Herausgabe, die sich auf alles erstreckt, was der Vormund als solcher hat, kann nicht von'der Entlassung ans Grund dargelegter Rechnung abhängig ge­ macht werden. :i) Vorm.-Ordn. §. 68. Im Ergebniß kaum abweichend A.L.R. II. 18. §§. 874ff. 4) Die das röm. Recht (L. 1. pr. D. XXVII. 3. Nov. 72. c. 8) zuließ. Vgl. A.L.R. II. 18. §§.275 ff.

16) 17) 18) ])

214

Viertes Buch.

Die besonderen Privatrechte.

zustehen, aber er muß sich dabei davon leiten lassen, daß er die Pflicht hat, zur sorgfältigen Verwaltung aller Angelegenheiten des Mündels nach seinen Kräften mitzuwirken. Wer also bei einem Beschluß, der mit Verletzung der ordentlichen Sorgfalt gefaßt worden, überstimmt ist, wird in der Regel von der Verantwortung frei sein; wer aber eine eigene Schuld in der Mitwirkung zu einer Handlung oder in der Unterlassung ihrer Verhinderung oder dadurch auf sich geladen hat, daß er eine nothwendige Handlung nicht veranlaßt, kann wegen des ganzen Schadens in Anspruch genommen werden, ohne daß ihm die Einrede der Theilung zur Seite steht5). Die Pflicht zur Rechnungs­ legung ist im Falle der ungetrennten Verwaltung eine gemeinschaftliche 6).7 8 9 Daraus ist indessen nicht herzuleiten, daß der einzelne Mitvormund die Er­ gänzung der Rechnung durch die ihm zu Gebote stehenden Angaben mit der Einrede ablehnen könnte, daß ein Recht hieraus nur gegen alle Vormünder gemeinschaftlich verfolgt werden könne. Die Verantwortlichkeit des Vormunds begründet seine Ersatzverbindlich­ keit für jeden Nachtheil, der mit seiner Pflichtversäumniß in Kausalzusam­ menhang steht. Insbesondere muß er also auch für allen Schaden auf­ kommen, der dem Mündel durch Verletzung der Schranken entstanden ist, die das Gesetz oder die verbindliche Auflage des Erblassers der Freiheit des Vormunds in der Verwaltung gesetzt hat, wenn also z. B. dem Mündel aus der ungesetzlichen Anlage von Mündelgeldern ein Schaden erwachsen ist ’). In einzelnen Beziehungen hat das Gesetz die Folgen des pflichtwidrigen Verhaltens des Vormunds besonders fixirt, so daß der Mündel von dem Nach­ weis des Schadensbetrages befreit, andererseits aber auch die Schadens­ forderung des Mündels gesetzlich begrenzt ist. Wenn nämlich der Vormund die Anlegung von Geldern des Mündels schuldhaft versäumt oder verzögert, so muß er die anzulegende Summe mit sechs vom Hundert jährlich verzinsen'); hat er Geld des Mündels in seinen Nutzen verwendet, so steigert sich seine Zinspflicht auf acht bis zwanzig vom Hundert'). Die Entscheidung über die Höhe des Zinsfußes ist letzteren Falls in das Ermessen des Vormundschafts­ gerichts gestellt, das also auch bei solchen Ansprüchen auf Verzinsung, die erst nach beendigter Vormundschaft erhoben werden, den Zinssatz zu arbitriren

ö) Vorm.-Ordn. §. 32 Abs. 4. 6) Vorm.-Ordn. §. 56 Abs. 2. 7) Darüber, daß hierbei eine compensatio lucri cum damno, wie sie D ernburg Priv.-R. III. §. 83 Anm. 18 annimmt, unstatthaft ist, vgl. Ec eins a. a. O. S. 21. — Der Umstand, daß eine Anlage der gesetzlichen Bestimmung ent­ spricht, macht den Vormund nicht von der Verantwortung frei, wenn trotzdem ein ordentlich er Hausvater gerade diese Anlage vermieden' hätte. Daß hier* nur von Haftung für dolus und culpa lata geredet werden könne, wie Dernburg III. §. 84 Anm. 9 annimmt, ist nicht zu begründen. Vgl. auch R.G.Entsch. B. 11 S. 307. 8) Vorm.-Ordn. §. 39 Abs. 5. Die Ansicht, daß diese Bestimmung auch anzuwenden sei, wenn der Vormund eine gesetzwidrige Anlage gemacht habe, scheint Dernburg — vgl. Priv.-R. III. §. 83 Anm. 18 a. E. — selbst aufgegeben zu haben. S. Eccius a. a. O. S. 20. 9) Vorm.-Ordn. §. 40 Abs. 1.

§. 235.

Die obligatorischen Beziehungen der Vormundschaft.

215

hat. Durch Genehmigung des einzelnen Akts seitens des Gegenvormunds oder des Vormundschaftsgerichts wird der Vormund von der Verantwortlich­ keit für seinen Akt und dessen Folgen nicht frei10).* 12 13 14 Wie der Vormund so haftet auch der Gegenvormund nach denselben Grundsätzen für die Sorgfalt eines ordentlichen Hausvaters in seinen eigenen Angelegenheiten"). Bei der Erfüllung seiner Pflicht der Beaufsichtigung der Vermögensverwaltung des Vormunds und bei seinen Willensentschlüssen zur Genehmigung von Akten des Vormunds, die durch diese Genehmigung Kraft erhalten, auch für Versagung der Genehmigung in Fällen, in denen diese Versagung schädlich gewesen, wird der Gegenvormund haftbar gemacht werden können. Bei der Schlußrechnung hat der Gegenvormund ebenso wie bei den dem Vormundschaftsgericht zu legenden Rechnungen mitzuwirken und über das vom Vormund verwaltete, herauszugebende Vermögen jede erforderte Auskunft zu geben "). Die Rechnungslegung unterliegt der Prüfung des vormaligen Mündels, seines neu bestellten Vormunds oder seiner Rechtsnachfolger, die zu diesem Zweck das Recht haben die Vormundschaftsakten einzusehen"). Den dargelegten Pflichten des Vormunds und Gegenvormunds ent­ sprechen Rechte derselben. Sie haben zunächst Anspruch auf Ersatz der Aus­ lagen, die ihnen bei der Amtsführung entstehen; auch wenn der Vormund oder Gegenvormund Dienste leistet, welche seinem Gewerbe oder Berus an­ gehören, so kann er Bezahlung seiner Dienste aus dem Vermögen des Mündels fordern"). Sofern endlich dem Vormund oder Gegenvormund nach den be­ reits erörterten Bestimmungen ein Honorar zugebilligt ist, werden sie auch diese Ansprüche gegen das Vermögen des Mündels geltend machen können"). So lange die vormundschaftliche Verwaltung dauert, macht sich in allen diesen Beziehungen der Vormund selbst bezahlt, ohne daß ein Pfleger einzutreten hätte, ebenso bezahlt der Vormund den Gegenvormund. In beiden Bezie­ hungen können demnächst aber vom Mündel oder dessen Vertreter bei der Rech­ nungslegung Ausstellungen erhoben werden. Auf Grund der Herausgabe des verwalteten Vermögens und der ge­ legten Schlußrechnung fordern Vormund und Gegenvormund von dem vor­ maligen Mündel oder dessen Vertretern und Rechtsnachfolgern Quittung und Entlastung, die auch wegen einzelner Ausstellungen nicht verweigert 10) Vorm.-Ordn. §. 49. H) Vorm.-Ordn. §§. 32. 49. Die Haftung des Gegenvormunds ist nicht neben der des Vormunds eine subsidiarische; Dernburg Vormundschaftsrecht S. 246 wollte ihn frei­ lich sogar erst nach dem Bürgen des Vormunds haften lassen. Er leugnete, daß vor­ her dem Mündel ein Schaden entstanden ist; das ist aber darum nicht weniger wahr, weil der Schaden möglicherweise durch den Vormund gedeckt wird. Vgl. R.G. bei Gruchot Bd. 27 S. 1052. Schultzenstein §. 37 Anm. 10. 12) Vorm.-Ordn. §. 67 Abs. 2. 13) Vorm.-Ordn. §. 67 Abs. 3, §. 69 Abs. 1. 14) Vorm.-Ordn. §. 33 Abs. 2 u. 3. Nicht das Vormundschaftsgericht, sondern mir das Prozeßgericht hat über derartige vom Vormund beanspruchte ^oder in Rechnung ge­ stellte Beträge zu entscheiden. Kammergerichts-Entsch. B. 4 ^.81. B. 6 S. 45. ,ä) Vorm.-Ordn §. 34. Vgl. oben §. 231. II. 4.

216

Viertes Buch.

Die besonderen Privatrechte.

werden darf, sondern im Falle solcher Ausstellungen unter Vorbehalt der­ selben ertheilt werden muß"). Die der Entlastung zu Grunde liegende An­ erkennung der Rechnung kann doch noch wegen Irrthums oder Betrugs an­ gefochten werden. Ist dem Mündel während der Vormundschaft eine Sicherheit für die aus der Vormundschaft entspringenden Ansprüche gewährt worden, so gehören die daraus entspringenden Rechte zum Vermögen des früheren Mündels, und die Sicherheit hastet namentlich auch für diejenigen Ansprüche, die vom Mündel in dem Judicium tutelae selbständig erhoben werden. Die Pflicht des Mündels nach Vorlegung der Rechnung sich über alle zu erhebenden Er­ innerungen schlüssig zu machen und Entlastung zu ertheilen, soweit nicht solche Erinnerungen ausdrücklich vorbehalten werden, führt aber dazu, daß dem Vormund die bestellte Sicherheit, soweit Erinnerungen nicht vorbehalten sind, zurückgegeben, und daß insoweit -die Löschung der eingetragenen Sicherheitshypothek bewilligt werden muß"). In wie weit und in welcher Höhe die Sicherheit zurückzubehalten, die Kautionshypothek bestehen zu lassen sei, entscheidet dann das Ermessen des Vormundschaftsgerichts. Der auf Herausgabe oder Löschung in Anspruch genommene Mündel wird die Ent­ scheidung desselben herbeizuführen und die Pfänder nur insoweit herauszu­ geben oder die Löschungsbewilligung nur in Höhe der vom Vormundschafts­ gericht arbitrirten Summe zu ertheilen haben"). Nach rechtlicher Erledigung des Vorbehalts ist dann die zurückbehaltene Sicherheit zurück zu gewähren. Wird über das Vermögen des Vormunds oder des gewesenen Vormunds das Konkursverfahren eröffnet, so kommt den Ansprüchen des Mündels auf Ersatz für das in die Verwaltung des Vormunds gekommene nicht in Natur herauszugebende Vermögen und auf Schadenersatz wegen pflichtwidriger Verwaltung dieses Vermögens eine bevorrechtigte Stellung unter den Konkurs­ gläubigern zu, wenn die Forderung binnen zwei Jahren nach beendigter

16) Vvrm.-Ordn. §. 69. 17) Vvrm.-Ordn. §. 70. 18) Mit Unrecht halten Loewenstein S. 96 und Andere den Vvrmundschaftsrichter in diesem Falle für berechtigt, als „zuständige Behörde" im Sinne des §. 92 der Grundbuchordnung die Löschung der Kautionshypothek im Wege des Ersuchens herbeizuführen. Davon enthält Vorm.-Ordn. §. 70 nichts, das Einzige, was hier bestimmt wird, ist, daß der Vormundschaftsrichter, obgleich die Vormundschaft zu Ende ist, ähnlich wie im Falle des §. 40 Abs. 1 ein maßgebendes Arbitrium soll üben können. Der erste Sah des §. 70 spricht ausdrücklich von einer Bewilli­ gung der Löschung der Sicherheitshypothek, die doch nur der Mündel oder dessen neuer Vertreter aussprechen kann. Wird ohne Vorbehalt quittirt, so tritt das Vor­ mundschaftsgericht gar nicht in Thätigkeit. Daß iin Falle der vorbehaltlosen Quit­ tung das trotzdem unerfüllt gelassene Recht auf Löschungsbewilligung im Prozeß gel­ tend gemacht werden muß, ist nicht einmal in Zweifel zu stellen. Warum sollte aber in dem Fall, wenn dies Recht auf Löschung nicht so klar, die Höhe der aus­ recht zu erhaltenden Hypothek noch vom Arbitrium des Gerichts abhängig ist, die Sache anders geordnet sein? Nach dem Wortlaut des §. 70 handelt es sich um eine ausnahmsweise Aufrechterhaltung der als Regel zu löschenden Hypothek; die Grund­ lage der Aufrechterhaltung herbeizuführen, ist Sache des vormaligen Mündels, seiner Vertreter oder Rechtsnachfolger.

§. 236.

Pflegschaft.

217

Vermögensverwaltung gerichtlich geltend gemacht und bis zur Eröffnung des Konkursverfahrens verfolgt ist"). Kraft gesetzlicher Bestimmung haftet ferner für die vormundschaftliche Verwaltung einer zum Vormund bestellten Frau deren Ehemann, sofern derselbe nicht der Vater des Mündels ist, wie ein Bürge: für die vormund­ schaftliche Verwaltung, d. h. nicht für alle gegen die Lormünderin zu er­ hebenden Ansprüche, sondern dafür, daß die Verwaltung während der Dauer der Ehe eine gehörige ist. Die Haftung beschränkt sich also auf die Schadens­ forderungen, die nach Abschluß der Ehe entstanden ftnb20). Der Ehemann als Bürge haftet wie ein vom Vormund zur Sicherheitsleistung gestellter Bürge mit der Rechtswohlthat der Vorausklage. Darüber ob und unter welchen Umständen der Vormundschaftsrichter dem beschädigten Mündel auf Schadensersatz haftet enthält die Vormundschastsordnung keine besonderen Bestimmungen. Es greifen also die allge­ meinen in §. 154 erörterten Grundsätze ein ").

Zweites §.236.

Kapitel. Pflegschaft.

Auch bei der Pflegschaft') handelt es sich stets um die Herbeiführung einer Vertretung von Personen, welche schütz-und vertretungsbedürstig sind, weil ihnen die Handlungsfähigkeit fehlt oder weil sie selbst an eigener Ver­ tretung ihrer Rechte behindert sind oder weil ihr allgemeiner Vertreter in dem besonderen Fall diese Vertretung nicht ausüben kann. Eine Güter­ pflegschaft ist dem geltenden Vormundschaftsrecht bis auf einen reichs­ gesetzlich geordneten Fall unbekannt2). Die Pflegschaft hat aber im Gegensatz zur Vormundschaft ein begrenztes Gebiet, sie wird nur für einzelne Angelegen-

L)) Konk.-Ordn. §. 54 Ziffer 5. -°) Vorm.-Ordn. §.32 Abs. 3. Vgl. Brettner bei Gruchot B. 20 S. 416. A. M. Dernburg III. h. 82 Anm. 8. Für ein vor der Ehe abhanden gebrachtes Activum ist zwar die als Vormund bestellte Frau dem Mündel dauernd auch während der Ehe haftbar, aber es ist das nicht eine Schuld, die sie durch die Vormundschafts­ verwaltung während der Ehe auf sich ladet. — Gerade wegen seiner Bürgschafts­ haftung ist die Genehmigung des Ehemannes zur Uebernahme und Fortführung der Vormundschaft erforderlich. 21) Oben B. II S. 533. l) Vorm.-Ordn. §§. 86—91. -) Vgl. Zohow und Küntzel B. 1 S. 47. Ebenso Iohow B. 6 S. 75, abweichend I ohow B. 8 S. 124. Vgl. unten bei Anm. 24. Die in §. 334 Abs. 2 der Straf­ prozeßordnung angeordnete, durch den Vormundschaftsrichter einzuleitende „Güter­ pflege" über das mit Beschlag belegte Vermögen eines Abwesenden muß eingeleitet werden, auch wenn der Abwesende bereits einen Vormund hat, da sie unter Umständen fortdauert, auch wenn die Abwesenheitsvormundschaft aufzuheben ist. Es wird aber kein Bedenken haben, den Abwesenheitsvormund zugleich zum Güterpfleger im Sinne jener Bestimmung zu ernennen. In Wahrheit ist auch diese Güterpflege trotz des gesetzlichen Ausdrucks eine cura personae. nämlich des in der Verfügung über sein Vermögen beschränkten Abwesenden.

Viertes Buch.

218

Die besondere» Privatrechte.

heilen oder einen Kreis von Angelegenheiten cingelcitet, bei deren Verwaltung die Vertretung stattfinden soll3)-

Dieser Kreis ist in jedem Fall besonders

zu begrenzen. Außerhalb des festbegrenzten Kreises seiner Thätigkeit hat der Pfleger nicht das Recht sich in die Angelegenheiten des Pflegebefohlenen zu mischen33).

Es giebt nur richterlich eingesetzte Pfleger, eine gesetzliche Pfleg­

schaft ist von der Vormundschaftsordnnng nicht anerkannt.

Die Fälle, in denen die richterliche Einsetzung einer Pflegschaft statt­ zufinden hat, sind im Gesetze nicht begrenzt, vielmehr ist allgemein jeder Fall einer rechtlichen

oder thatsächlichen Behinderung in der Verwaltung

einer

einzelnen Angelegenheit oder eines Kreises derselben als geeignete Grundlage erklärt, um demjenigen, der nicht schon im Vater oder Vormund einen Ver­ treter findet, einen Pfleger zu bestellen3). mundschaftsgericht zuständig.

Zur Bestellung ist nur das Vor­

Nach der (Zivilprozeßordnung kann allerdings

auch der Vorsitzende des Prozeßgerichts, vor welchem eine nicht prozeßfähige

Partei, die ohne gesetzlichen Vertreter ist, oder deren gesetzlicher Vertreter bei einer im Aufenthalts- oder Garnisonort zu erhebenden Klage nicht anwesend ist, verklagt werden soll, dieser Partei für den Prozeß einen besonderen Ver­

treter bestellen, der aber doch nur bis zum Eintritt des gesetzlichen Vertreters in Thätigkeit bleibts).

Es kann ferner im Verfahren der Zwangsversteigerung

und Zwangsverwaltung eines Grundstücks dem Betheiligten, an welchen

(seit

dem 1. November 1883)

eine Zustellung nicht bewirkt werden kann,

behufs der Entgegennahme der Zustellung, sowie der Ermittelung und Be­ nachrichtigung des Betheiligten vom Vollstreckungsgericht ein Vertreter be­ stellt werden3), und ebenso findet zur Ermittelung des unbekannten Berech­

tigten einer zur Hebung gekommenen Forderung oder einer von dem Ersteher des Grundstücks für den Fall der Beseitigung eines dagegen erhobenen Widerspruchs zu übernehmenden Forderung die Bestellung eines Vertreters statt,

der auch

im Aufgebotsverfahren bezüglich dieses Gläubigers und bei

der Vertheilung nach Erwirkung des Ausschlußurtheils zuzuziehen ist ’).

Aber

3) S. oben §. 229 Sinnt. 4G. 3a) Ein zum Zwecke der Auseinandersetzung mit dem Vater bestellter Pfleger hat z. B. nicht das Recht, die den Kindern eingerämnte Sicherheit anfzugeben oder zu schmälern. Kammergerichts-Entsch. B. 6 S. 41. 4) Dies ergiebt die generalis clausula des §. 90 der Vorm.-Ordn. Das Kammergericht fo weit, auch im Falle einer durch private Verfügungsbeschränkung emtreiendetr Änderung einer eigenen Verfügung des Berechtigten, für den aber ein Curator soll verfügen können, von Bestellung eines Pflegers zu reden. Zohow und Küntzel B. 5 S. 73. Zst eine solche Verfügungsbeschränkung überhaupt wirksam, so wird der vom Vater benannte Cnrator * gewiß nicht vom Gericht als Pfleger zu ver­ pflichten und zu beaufsichtigen sein, und die Benennung, wenn das Gericht sich der­ selben unterzieht, ist nicht Bestellung eines Pflegers, sondern Ergänzung der Privat­ erklärung nach dem Willen des Erklärenden mit den Wirkungen, welche diese Er­ klärung erzeugen konnte. b) C.P.O. §. 55. Ges. betr. die Zwangsvollstreckung in das unbewegliche Vermögen vom 13. Juli 1883 §. 4 Abs. 1 Nr. 4-6, Abs. 2. 7) Jmmobiliarvollstr.Ges. v. 13. Juli 1883 §§. 131-137, §. 151. Vgl. Lubh.-Ordn. v. 15. März 1869 §§. 80 ff. §. 90, wo der Vertreter als Eurator bezeichnet und mit etwas weitergehenden Rechten ausgestattet war.

a

§. 23«.

219

Pflegschaft.

die Aufgaben dieser Vertreter sind in anderer Weise begrenzt als die des Pflegers der Vormnndschaftsordnung. Als besondere Falle der Einleitung einer Pflegschaft hebt die Vormundschastsordnung hervor: 1. Den Pfleger der in väterlicher Gewalt oder Vormundschaft stehenden Personen, der ihnen für Angelegenheiten gegeben wird, bei welchen eine Vertretung — das Gesetz sagt, die Ausübung

der väterlichen oder vormundschaftlichen Rechte — erforderlich ist, aber aus thatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht stattfinden kann').

Dies tritt

z. B. ein, wenn ein Rechtsgeschäft abgeschlossen werden soll, in welchem die

Interessen des Vaters oder Vormunds und des Sohnes oder Mündels einander entgegen stehen'). Das Gesetz berücksichtigt ferner ausdrücklich den Fall, daß die Interessen meherer Mündel desselben Vormunds einander Widerstreiten, wo dann jedem Mündel ein Pfleger bestellt werden soll"), während die

gleiche Vorschrift für widerstreitende Interessen mehrerer Hauskinder nicht gegeben ist, hier vielmehr die Möglichkeit des Vertragschlusses der Hauskinder

mit einander unter Genehmigung des unbetheiligten Vaters als anerkannt

erachtet werden

muß").

Daß hierher auch der Fall gehört, wenn freies

Vermögen minderjähriger Hauskinder zu verwalten ist, hat bereits mehrfach Erwähnung gefunden").

Dem schließt sich der Fall an,

daß ein Erblasser

ausdrücklich die Verwaltung des Vaters oder Vormunds bei einer Zuwendung

an den Mündel ausgeschlossen hat.

Hier kann der Pfleger bei der Zuwendung

ausdrücklich von der Sicherheitsstellung und von der Nothwendigkeit der Ge­ nehmigung des Gegenvormunds oder des Vormundschaftsgerichts befreit sein"). 2.

Den

Pfleger einer

Leibesfrucht.

Ein

solcher

ist

zu

er­

sofern das Gericht ein Schutzbedürfniß des noch nicht geborenen Kindes als vorhanden anerkennt; das muß aber ohne weitere Prüfung genennen,

s) Vorm.-Ordn. §. 8G. ") Z. B. Auseinandersetzung des Vaters mit minderjährigen Hanskindern. Vgl. über den Umfang des Vertretungsrechts des Pflegers in diesem Fall oben §. 223 Annr. 35. Abwesenheit des Vaters oder Vormunds giebt ebenfalls einen Grund. Deshalb wirb auch einem im Ausland bevormundeten Kind für seine im Gerichtssprengel zu er­ ledigenden Angelegenheiten ein Pfleger bestellt werden können, bis der gesetzliche Ver­ treter unterrichtet ist, oder sofern, wie z. B. in Ainerika, der Vormund ein nur für die inländischen Angelegenheiten legitimirter Vertreter ist. Von dauernder Geltung der §§. 83. 84. II. 18 A.L.R. kann nicht mehr die Rede fei»: aber bei Beobachtung des oben angegebenen Satzes bedarf es auch keiner „Retorsion". — Bei Abfassung von Familienschlüssen Widerstreiten die Rechte von Vater und Sohn: daher die Vorschrift in §. 43. II. 4 A.L.R., die dahin, daß Pfleger zu bestellen, noch jetzt zu beachten ist. Vgl. indessen hierzu unten §. 241 Amn. 24. 10) Der Vormund soll also für keinen seiner Mündel dem andern gegenübertreten. ") Vgl. oben §. 222 Amn. 28. *'•) S. B. I. §. 74 Amn. 4 und oben §. 223 Amn. 8. 13) Vorm.-Ordn. §. 87. Bei der Zuwendung, also auch in der Form derselben, bei dem legatum praesenti heredi injunctum allenfalls mündlich. So mit Recht Loewenstein S. 113. A. M. Dern bürg-Schultz en stein, Vorm.-R. tz. 34 Anm. 11 gegen den Wortlaut des Gesetzes „bei der Zuwendung". — Der Bestimmung des Gesetzes, welches die im Text bezeichneten Befreiungen ausdrücklich erwähnt, eine Befreiung von der Pflicht auf Erfordern Werthpapiere und Kostbarkeiten zu hinterlegen, dagegen nicht erwähnt, kann nicht mit Dernburg 111. §.89 Anm. 11 die Deutung gegeben werden, daß letztere Befreiung ebenfalls wirksam ausgesprochen werden kann.

Viertes Buch.

220

Die besondere» Privatrechte.

schehen, wenn die Schwangere oder derjenige, dessen Rechte durch die Geburt

berührt werden, es beantragt14).15 Es ist hiernach nicht nothwendige Voraus­ setzung,

Die Pflicht des

daß Erbansprüche des Embryo in Frage stehen.

Pflegers beschränkt sich auf Erhaltung des denkbaren Kreises der Rechte des

Ungeborenen, 3.

wie

sie die §§. 10 bis 12 Tit. 1 Th. I A.L.R. abgrenzen").

Den dem unbekannten Erben zur Erhaltung des Nachlasses

und zur Ausmittelung des Erben bestellten Pfleger, dessen Ausgabe bei

Bekanntsein eines Theilerben auf Erhaltung eines Theils des Nachlasses be­ schränkt sein kann16).17 Die Rechtsstellung dieses Pflegers mundschaftsordnung dahin bestimmt,

daß demselben der

wird in der Vor­

ihm nach früheren

Gesetzen zukommende über die eben hervorgehobenen Aufgaben hinausgehende weitere Kreis von Befugnissen belassen werde.

die Bestimmung des Landrechts in Betracht,

tretung

der Erbschaft und Ausnehmung

nnbekannten Erben beobachten" müsse").

In dieser Beziehung kommt

daß der Cnrator

eines Jnventarii

„wegen An­

die Rechte

des

Hierin liegt eine Erweiterung der

Rechtsstellung gegenüber der Vormundschaftsordnung, wenn man die Bestim­ mung dahin zu verstehen hat, daß der Pfleger die Erbschaft unter der Rechts­

wohlthat des Inventars und mit Wahrung derselben anzutreten habe, so daß

demnächst ein Verzicht des ermittelten nächsten Erbberechtigten auf die Erb­

schaft nicht mehr möglich ist.

Zm Zusammenhang der landrechtlichen Be­

stimmungen deuten aber die wiedergegebenen Worte ganz allgemein lediglich

das Ziel der „Nachlaß-Curatel" an; beobachten ist im Sinne von „bewahren" zu verstehen; und es schließt sich die Bestimmung, daß der Curator zwar im Uebrigen

bei Verwaltung des Nachlasses die Rechte

des Vormunds habe,

hierbei aber auf möglichste Erhaltung des Bestandes zur Zeit des Erbfalls

sehen müsse, in dem Sinne an, daß hier in näherer Ausführung die „Beobach-

H) Von».-Ordn. §. 88. 15) Die positiven Bestimmungen der §§. 962—967. II. 18 A.L.R. kommen als gesetzliche Vorschriften nicht mehr in Betracht, wenn sie auch thatsächlich noch immer zutreffen. Vgl. oben B. I. §. 19 Anin. 5. 16) Borm.-Ordn. §. 89. Bei dem Curator der §§. 471 ff. l. 9 A.L.R., der in §. 487 I. 9 (ebenso §. 4. I. 20 A.G.O.) Verlassenschafts-Cnrator und §. 490 I. 9 Curator des Nachlasses genannt wird, ist zweifelhaft, ob er als curator rei oder als Curator des unbekannten Erben gedacht ist, es wird aber nicht bezweifelt werben können, daß Abs. 2 des §. 89 mit feinein Verweis ans das frühere Recht die Bestimmungen des neunten Titels umfaßt. Dernbnrg Priv.-R. III. §. 216 Anm. 12 will den Nach­ laßpfleger auch jetzt noch als den „Wahrer fachlicher, nicht persönlicher Interessen, als Repräsentanten des Nachlasses" ausehen, dessen Handlungen den Erben nur mittel­ bar betreffen, namentlich nicht persönlich verpflichten, so daß er für die Verbindlich­ keiten mir wie für Nachlaßschulden haste. Die Vvrm.-Ordn. kennt aber keine cura rei. Auch nach Landrecht war der Standpunkt unhaltbar. Da der Todte den leben­ digen erbt, es keine hereditas jacens giebt, so ist für das preußische Recht der Gedanke einer erst nach dein Tode des Erblassers begründeten Nachlaßschuld ein jiiriftifd) un­ denkbarer. — Der sog. Verlassenschastskurator des 359. I. 12. §. 159.1. 17 A.L.R. war kein wirklicher Nachlaßpfleger, wie der des neunten Titels; jedenfalls ist er keiner im Sinne der Vormundschaftsordnnng. Es handelte sich dabei vielmehr im Sinne des §. 3. I. 46 A.G.O. um schützende Maßregeln für die gegenseitigen Interessen von Erben und Legataren oder Miterben, im Sinne der heutigen Rechtssprache um einst­ weilige Verfügungen. 17) A.L.R. I. 9. §. 472.

§. 236.

tuttg" erläutert wirb19).

221

Pflegschaft.

So verstanden enthält

bas Lanbrecht ohne

jebe

Erweiterung genau ben Gebauten ber Vormunbschaftsorbnung. Der ermittelte

nächste Erbberechtigte kann bei dieser Auffassung noch immer nach eigenem Entschluß auf den Anfall verzichten, und es entscheidet sich erst nach Ermitte­ lung der Erbberechtigung und dem Erbverzicht oder Erbantritt des Berufenen,

weit der Pfleger vertreten hat. Das kann also sehr Wohl ein Anderer sein, als ber zunächst zur Erbschaft Berechtigte, vielleicht sogar ber Fiscus"). Die übrigen Bestimmungen des Landrechts enthalten positive Sähe über die Verwaltung des Nachlasses, die als geltende Rechtsbestimmungen nicht mehr

angesehen werden können, und sie stellen nur klar, daß der Pfleger als Theil ber ihm obliegenden Ermittelungsakte auch bas Aufgebot des Erben veranlassen kann.

Daß dies binnen drei Monaten nach Bestellung des Pflegers geschehen müsse,

kann gegenüber der Freiheit der Verwaltung des Pflegers nicht mehr als gel­ tendes Recht angesehen werden, wohl aber ist als geltendes Recht anzusehen, daß

es frühestens 3 Monat nach der Bestellung des Eurators geschehen kann 20). Nach

bas

ausdrücklicher Gesetzesbestimmung hat ferner

Recht zum Zwecke ber

Abwehr

der Nachlaßpfteger von Vollstreckungsmaßregeln in den

Nachlaß bas Aufgebot ber Nachlaßgläubiger zu beantragen21), und in Konsequenz des dabei zu Grunde liegenden Gedankens ist ihm jetzt auch

das Recht,

den Zwangsverkauf eines Nachlaßgrundstücks gerade so wie

der Benefizialerbe zu beantragen,

eingeräumt worden22).

Auch die Eröff­

nung des Konkursverfahrens über den Nachlaß kann er beantragen22). ") A.L.R. I. !'. 473. 474. '•) Trotz der in Aum. 16 erörterten Annahme einer Güterpflege meint Dernbnrg III. §. 216 Anm. 13, daß der Pfleger die Erbschaft für den Erben anzutreten und für denselben das Inventar aufzunehnren habe, und daß dies eine durch §. 89 Bonn. Ordn, nicht berührte Befugniß sei. Dao Obertribnnal hat in konsequenter Ausführung des Gedankens, daß es sich um die in Vertretung des Erben anzutretende Erbschaft handle, die Ueberlegnngssrist von der Bestellung des Rachlaßpflegers berechnet, und dein Nachlaßpfteger auch das Recht vindizirt. der Erbschaft mit vormundschafts­ gerichtlicher Genehmigung zu entsagen. Vgl. Entsch. B. 70 S. 355. Strieth. B. 90 231. Rehbein I. Ä. 895. Das hat wunderliche Konsequenzen: Entweder man nimmt an, der Kurator war nur Vertreter des ersten unbekannten Erbberechtigten, — dann devolvirt nun der "Nachlaß an den nächstbernfenen Unbekannten, es muß eine neue Pflegschaft eingeleitet werden, und der Pfleger entsagt dann vielleicht auch für den zweiten Berufenen u. s. w., - oder man sieht den Pfleger als Vertreter aller Berufenen an, dann wäre der Verzicht aller Berufenen einschließlich des Fiscus er­ klärt, und was nun aus dem Nachlaß werden soll, bliebe ein großes Fragezeichen. Gerade die Konsequenz, zu der das Obertribmml kommt, zeigt, daß der h. 473 nur im Sinne des Texts ausgelegt werden kann. Vgl. auch Entsch. B. 7 S. 155, wo dem Fiscus das Recht zugesprochen ist, dem Nachlaß nachträglich zu entsagen. S. auch Hassenstein bei Gruchot B. 19 S. 480. 2() Insoweit aber auch nur insoweit ist die Bestimmung des §. 478 als materielle Vor­ aussetzung des Aufgebots anzuseheu, deshalb von der Vornnmdschaftsordnung nicht berührt und durch Äusf.Ges. z. d. C.P.O. v. 24. März 1879 §.24 aufrecht erhalten. Wegen des Verfahrens vgl. §. 22 desselben Gesetzes. 2) Ges. betr. die Zwangsvollstreckung gegen Benefizialerben v. 28. März 1879 §. 1. Vgl. Preuß. Konk.-Ordn. h. 361. 2:) Ges. betr. die Zwangsvollstreckung in das unbewegliche Vermögen vom 13. Juli 1883 §. 180 Abs. 2 Ziffer 1. Auch früher hat man versucht, das gleiche Recht desNachlaßcurators daraus zu begründen, daß ihm die Rechte des Benefizialerben zustehen müßten. Hassen stein bei Gruchot B. 19 S. 482. 2:) R.Konk.Ordn. §. 205. Vgl. Preuß. K.O. §. 321.

222

Viertes Buch.

Die besonderen Privatrechte.

Nach dem Landrecht sollte ein Nachlaßpfleger regelmäßig nicht vor Ablauf es sollte aber auch nicht

von drei Monaten nach dem Todesfall eingesetzt, länger gezögert

werden.

Zur Zeit wird

die Einleitung

nothwendig

sein,

sobald das Bedürfniß der Bewahrung des Nachlasses hervortritt").

4.

Außer diesen gesetzlichen Fällen wird die Einleitung einer Pflegschaft

insbesondere in solchen Fällen in Betracht kommen, wo es sich um die zeit­

weilige Wahrung bestimmter Interessen eines an der eigenen Wahrung der­

selben behinderten bekannten Berechtigten oder um die Wahrung der Interessen einzelner zur Zeit unbekannter Personen oder eines Interessentenkreises, der

überhaupt oder seinem Umfange nach unbekannt ist, handelt.

der Pfleger welcher nach Einleitung Geisteskrankheit

Beispiele bietet

des Entmündigungsverfahrens wegen

zur Fürsorge für die Person oder das Vermögen

des zu

Entmündigenden eingesetzt roirb24 25), * 27ferner 28 29 der Pfleger der Descendenz eines

bestimmten Menschen, wenn einer solchen Descendenz Rechte zugefallen sind oder gesichtert werden sollen, oder wenn es sonst ungewiß oder unbekannt ist, wem ein Anspruch auf ein Vermächtniß zusteht22).

Nicht unter den gesetz­ lichen Begriff der Pflegschaft über bestimmte Menschen oder einen bestimmten

Personenkreis fällt die Fideikommißkuratel, durch deren Einleitung seitens der Fideikommißbehörde Maßregeln des Fideikommißbesitzers gegen künftige An­

fechtung geschützt werden sollen22). Die Amtsführung regeln sich

Rechtssätze;

durch

des Pflegers

entsprechende

und die

Anwendung

gerichtliche Aufsicht darüber

der

vom Vormund

geltenden

dasselbe gilt von den Rechtsbeziehungen des Pflegers und des

Vertretenen22).

Die Bestellung eines Gegenvormunds ist in

keinem Fall

erforderlich, deshalb sind die Vertretungshandlungen des Pflegers, wenn kein

Gegenvormund bestellt ist, auch in den Fällen gütig, in denen der Vormund der Genehmigung des Gegenvormunds bedarf.

Es gilt dies also nicht bloß dann,

wenn er durch Bestimmung des Erblassers ausdrücklich von der Genehmigung

des Gegenvormunds befreit ist.

Dieser Fall geht nur insofern weiter, als

in demselben die Genehmigung selbst dann entbehrlich ist, wenn das Gericht einen Gegenvormund bestellt hat22).

Die Pflegschaft hört auf,

wenn

der

Grund zur Einleitung nach dem Ermessen des Vormundschaftsgerichts ge­

hoben ist22).

24) A.L.R. §§.460. 461. I. 9. Vgl. Iohvw und Küntzel 33. 2 S. 53. 2b) Vgl. C.P.O. §. 600. Das ältere Recht legte dem Prozetzrichter während deS Ent­ mündigungsverfahrens diese Fürsorge ans. 2C) Vgl. Johow und Küntzel B. 1 S. 43. 27) §. 95. II. 4. A.L.R. Vgl. darüber unten im §. 242 Sinin. 32. 51. Der Lehnskurator der §§. 996 ff. II. 18 wird praktisch kaum noch vorkommen, hat aber eine ähnliche Aufgabe. 28) Vorm.-Ordn. §. 91 Abs. 1. 29) Vgl. Küntzel in Johow Jährb. B. 7 S. 52. M) Vorm.-Ordn. §. 91 Abs. 2. Selbständig wird sich der Pfleger nicht darüber schlüssig machen können, daß der Grund zu seiner Bestellung weggefallen sei. Aber über den Kreis der Geschäfte hinaus, für welche er bestellt ist," kann er nicht thätig sei». Johow nnd Küntzel B. 4 S. 87, B. 5 S. 77. Ein Honorar kann dem Rachlaßpfleger, auch wenn die Vermögensverwaltung keine bedeutende ist/vom Richter

§. 237.

223

Das gemeine Gesinde.

Viertes Hanptstiick.

Das Gesinderecht. Gesindeordnnng v. 8-Novbr. 1810 (G.S. S. 101).

A.L.R. II. 5. §§. 177-195.

Koch,

Priv.-R. II. 64'2. Dernburg II. §§. 195ff. Fischer §. 76. Glück B. 2 S. 144fg. Kirchhoff, Gesinder. nach den Grundsätzen des allg. u. prenß.R. 1835. H. Posseldt, das preutz. Gesinderecht. 1882. — Dorn, Versuch einer ausführlichen Abhandlung

des Gesinderechts. 1794.

Bluntschli S. 685.

Buddeus im Rechtslexikon B. 4 S. 768f.

Keller §. 422.

Stobbe, Priv.-R. III. §. 187. - Zachariä (Puchelt)

B. 2 S. 53 f.

§. 237. Das gemeine Gesinde. Die geschichtlichen Anfänge der rechtlichen Ausgestaltung des Gesinde­ wesens in seiner heutigen Auffassung weisen bis in das 13. Jahrhundert zurück ')• Schon frühzeitig entstanden Gesindeordnungen von lokaler Geltung. So waren auch in Preußen in den einzelnen Landestheilen sehr viele ver­ schiedene Ordnungen erlassen worden, welchen die Regelung im fünften Titel des zweiten Theils des A.L.R. nur als subsidiäres Recht zur Seite trat. Nach­ dem aber durch die Aufhebung der Erbunterthänigkeit und des Zunftzwanges, und durch die Ablösbarkeit der Dienste in ökonomischer und sozialer Be­ ziehung eine große Umwälzung der herkömmlichen Lebensgestaltungen bewirkt worden war, trat das Bedürfniß hervor, das Gesinderecht einer Revision zu unterwerfen. Das Ergebniß derselben ist die noch jetzt geltende Gesindeord­ nung v. 8. November 1810, welche unter Aufhebung aller provinziellen oder lokalen Ordnungen und der §§. 1—174. II. 5. A.L.R., mit welchen sie jedoch in wesentlichen Beziehungen übereinstimmt, die ausschließliche Norm für dieses Institut in denjenigen Provinzen geworden ist, welche damals zum preußischen Staate gehörten. Später ist sie, soweit das A.L.R. in die neu und wiederer­ worbenen Landestheile eingesührt wurde, mit eingeführt worden').

zngebilligt werden. Aorm.-Ordn. §. 89 Abs. 3. Nach Dernburg III. 84 Anm. 3 soll dasselbe in allen der Vormundschaft über einen Abwesenden oder Ver­ schwender analogen Fällen der Pflegschaft stattfinden. Er nimmt an, daß die Zulassung des Honorars tu den letzteren Fällen darauf beruhe, daß der Vertretene selbst die Schuld oder Ursache der Vertretung ist, nicht seine natürliche Hilf­ losigkeit. Die analogen Fälle der Pflegschaft sollen sich hiernach bentessen. Zn der Person des zu Vertretenden liegt aber immer die Ursache, und was an Hinderunßsgründen analog der natürlichen Hilflosigkeit, was analog der Abwesenheit ist, wird sich so wenig ermessen lassen, daß die Analogie hier überhaupt unanwend­ bar erscheint. ') S.-Spieg. I. 22. §. 2. I. 52. §. 4. II. 32. §§. 1. 2. 3. II. 33. 34. §. 1. II. 40. §. 4. I1I. 6. §§. 1—3. Kl. Kaiserrecht (Endemann) II. 28. '•) In der Äheinprovinz gilt eine Gesindeordnung vom 19. August 1844, in NeuvorPommern Dom 11. April 1845. Ueber andere in gemeinrechtlichen Theilen Preußens und in anderen deutschen Staaten geltende Gesindeordnnngen vergl. Neubauer. Zusammenstellungen 1880. S. 145 ff.

224

Die besonderen Privatrechte.

Viertes Blich.

„auch das Gesinde wird mit zur häuslichen Gesell­

Das A.L.R. sagt:

schaft gerechnet"3), und

Familienrecht (II. 5.). sondern ist

auch

dem

Das

entsprechend

steht das Gesinderecht bei dem

hat nicht bloß eine systematische Bedeutung,

erheblich für die dogmatische Auffassung des Instituts.

Wenn nicht verkannt werden darf, daß heutigen Tages das obligationsrecht­ liche Element im Gesindeverhältniß mehr als in früheren Zeiten in den Vor­ dergrund getreten ist, so hat doch die Gesetzgebung in Preußen Sorge ge­

tragen, daß das Element der Zugehörigkeit zum Hausstand, zum gemein­ schaftlichen Familienleben nicht ganz zurückgedrängt werde.

Gesinde kann

regelmäßig nur für einzelne Personen oder für Familien angenommen wer­ den^); dasselbe ist der Zucht des Hausherrn, der Hausordnung unterworfen und

zur Treue und Ehrerbietung gegen die Dienstherrschaft verpflichtet; die Sorge für sein sittliches und körperliches Wohl namentlich bei Erkrankungen ist zu einer Rechtspslicht gemacht worden ; es muß im Bereich der häuslichen und

wirthschaftlichen Dienste ungemessen seine Arbeitskraft dem Interesse der Herrschaft widmen, auch außer dem Dienste das Beste der Herrschaft zu fördern bemüht sein: dies alles deutet darauf jhin, daß das Verhältniß

zwischen Gesinde und Herrschaft nicht bloß ein obligationsrechtliches ist, son­ dern daß eine gegenseitige innere sittliche Beziehung besteht, welche rechtliche Wirkungen erzeugt5). Vieles ist hierbei eben wegen des Flüssigen und Un­

bestimmbaren, was damit nothwendig verbunden ist, einer polizeilichen Be­

aufsichtigung übertragen").

Hier

sind nur

die rechtlichen Gesichtspunkte

in Betracht zu ziehen, und zwar zunächst nur bezüglich des eigentlichen vom

Gesetz als „gemeines Gesinde" bezeichneten Dienstpersonals.

I.

Die Begründung.

Das Gesindeverhältniß gründet sich auf einen

Vertrag, durch welchen ein Theil zur Leistung häuslicher oder wirthschaftlicher Dienste') auf eine bestimmte Zeit,

der andere zu einer dafür zu ge-

-) I. §. 4. 4) Entsch. B. 7 S. 21.). Die von einer Privatgesellschaft (Markgenossen, Gewerkschaften, Aktiengesellschaften), welche nicht eine Familie bildet, angenommenen Diener gehören nicht zum Gesinde, sind auch nicht Hausoffizianten. Koch, Beurth. S. 499. Dieser Satz kann jedoch nicht ausnahmelos aufrecht erhalten werden. Wenn eine juristische Person z. B. ein ländliches Gut bewirthschaftet, so wird das ländliche Ingesinde nicht weniger der Gesindeordnung unterliegen, als wenn es sich um den Wirthschaftsbetrieb eines Menschen handelt. — Ebenso kann Posseldt a. a. O. 'S..'! nicht beigestimmt werden, der ein Dienstbotenverhältniß nicht anerkennen will, wenn der Dienstherr nicht eine eigene Küche habe, worin nach diesem Schriftsteller der Begriff „Häuslichkeit^ sich konzentriren soll. 5) Buddeus a. a. O. 'S. 770, vgl. mit Bluntschli S. 685. Beseler S. 525. Kunhe in Holzschuher, 3. A. B. 1 S. 810rg. 6) G.O. §§. 10. 12. 13—21.31.51. 160. 167. 168. 172. 173. 176. Ngl. außerdem das Gesetz v. 24. April 1854, betr. die Verletzungen der Dienstpflichten des Gesindes und der ländlichen Arbeiter. G.S. S. 214. Die Gesindepolizeibehörde ist auf dem platten Lande nach §. 59 der Kreisordnung der Amtsvorsteher. 7) G.O. §. 1. Bgl. Gesehrevisor XV. 6. Ein vom Posthalter gemietheter Postillon kann ihm gegenüber Gesinde, daneben aber auch Beamter sein. Strieth. B. 44 S. 188. Entsch. B. 37 S. 38*. Gewerbegehilfen, Wirthschaftseleven gehören nicht zürn Gesinde, weil ihre Dienste nicht häusliche oder wirthschaftliche sind, bei den Lehrlingen fommt noch hinzu, das; sie zum Zweck ihrer Ausbildung, nicht um zu dienen arbeiten. Daß von einem Gewerbegehilfen einzelne wirthschaftliche oder häusliche Dienste übernom-

§. 2.37.

benden bestimmten Belohnung

225

DaS gemeine Gesinde.

sich verpflichtet.

Voraussetzung ist überall

Aufnahme des Dienstboten in die Hausgemeinschaft oder Wirthschaft').

Der

Abschluß des Vertrages setzt voraus, daß wer sich als Gesinde vermiethen will, über seine Person frei verfügen kann.

Gewaltunte.worfene und bevor­

mundete Personen bedürfen der Einwilligung des Vaters und Vormundes,

verheirathete Frauen der Einwilligung ihres Mannes.

Die Einwilligung wird

aber als ein für alle Mal ertheilt angesehen, wenn sie nicht ausdrücklich nur

für einen einzelnen Fall oder nur für eine bestimmte Zeit gegeben worden ist ’).

Der Dienstbote ist verpflichtet sich mit einem Gesindebuch zu versehen,

dessen Ausstellung die Polizeibehörde ihm bei mangelnder Fähigkeit zum Ab­ schluß des Dienstvertrages verweigern soll,0). Das Gesinde darf ferner nicht schon durch ein anderes Dienstverhältniß gebunden sein, und es ist daher vor­ geschrieben, daß ein Dienstbote bei dem Antritt eines neuen Dienstes die Ent­ lassung aus dem alten nachweisen soll").

In der häuslichen Gesellschaft steht

es dem Ehemanne zu, das Gesinde zu miethen, die weiblichen Dienstboten aber kann die Frau annehmen, vorbehaltlich des Rechts des Mannes, ihnen mit der gesetzlichen Frist aufzukündigen").

Was die Form des Vertrages anlangt, so wird die nach der Höhe des Objekts erforderte Schriftlichkeit durch das Geben und Nehmen eines dem­ nächst auf den Lohn abzurechnenden Miethgeldes, also durch eine Draufgabe

(arrha) ersetzt, deren Betrag freier Vereinbarung unterliegt, und die von der Herrschaft auch dann auf den Lohn angerechnet werden kann, wenn sie sich der Abrechnung ausdrücklich begeben hat, das Gesinde aber die verabredete Dienstzeit nicht aushält"). Die der Zeit nach erste Annahme dieses Mieth­ geldes entscheidet über den Vorzug der Herrschaft, wenn sich das Gesinde bei

mehreren für die gleiche Zeit vermiethet hat; die dann zurücktretende Herr­ schaft hat das von ihr gegebene Miethgeld zurückzufordern und Schadenersatz

e)

')

>«) n)

1S) I3)

men sind, macht ihn nicht zum Dienstboten. Andererseits hört ein nach dem Wille» der Dienstherrschaft zu allen Diensten in Hans nnd Wirthschaft zu verwendender Dienstbote dadurch nicht auf Dienstbote zu sein, daß er nach der Vertragsabrede auch int Gewerbe Hilfe leisten soll. Insbesondere wird ein Kutscher, Hansknecht eines Kauf­ manns, der im Handelsgewerbe Gesindedienst verrichtet, wenn auf ihn sonst die Gesinde­ ordnung Anwendung findet, nach dieser zu beurtheilen sein. H.G.B. Art. 65. Strom­ schiffsknechte rechnet K.-Ordre v. 23. Septbr. 1835 (vgl. Einf.Ges. z. H.G.B. Art. 61 Nr. 1) zum Gesinde. Auf Jnstlente in Ost- und Westpreußen, Tagelöhner mit selbständiger Haushaltung, sind einzelne Bestimmungen des Gesinderechts, aber nur diese für anwendbar erklärt. Kab.-Ordre v. 8. Aug. 1837. Ges. v. 24. April 1854. G.O. §§.5-8. Ges. betr. die Geschäftsfähigkeit Minderjähriger vom 12. Juli 1875. §. 6. SB. v. 29. Sept. 1846. Ges. v. 21. Febr. 1872. Vgl. auch Ges.-Ordn. §. 10. G.O. §. 9. Nicht schon bei dem Vertragsabschluß. Ueber die Strafbarkeit vgl. §. 12. Die neue Herrschaft muß sich das freiwillige Zunickgehen oder das Zunickgeführtwerden des Dienstboten in den alten Dienst gefallen lassen. G.O. §§. 2—4. G.O. §§. 22-26. 46. Oben B. 1. §. 82. Anm. 1. Diese Art des Abschlusses durch Arrha ist alte deutsche Gewohnheit, aber dem preuß. ')(. eigenthümlich ist die Anrech­ nung auf den Lohn. Buddeus S. 771. Ist keine Arrha gegeben, so komnit die ge­ setzliche Vertragsform zur Geltung. Entsch. B. 80 S. 259.

Förster (Kcciu«), Preuß. Privatrecht.

IV.

i. Aust.

15

Viertes Buch.

226

Die besonderen Privntrechte.

in Anspruch zu nehmen, der in der Differenz des höheren Lohns besteht, den sie einem anderen Dienstboten etwa geben muß").

II.

Der Gegenstand des Vertrages ist Dienstthätigkeit im Haus und

in der Wirthschaft nach der Weisung der Herrschaft, in der Regel ungemessene,

wenn nicht ausdrücklich nur gewisse bestimmte Dienste bedungen sind ").

Nach

der Art der Dienste, je nachdem sie nur im häuslichen Wesen, oder in der

Landwirthschaft zu leisten sind, wird städtisches und ländliches Gesinde unterschieden, eine Unterscheidung, die in Betreff der Antrittszeiten und Kün­ digungsfristen sich geltend macht").

III.

Nach seinem rechtlichen Charakter ist der Vertrag als eine Art

der Dienstmiethe (locatio conductio operarum) zu bezeichnen"), aber, wie oben erwähnt, mit einer den Beziehungen zur Familie entnommenen Bei­

mischung. a. Das Gesinde ist verpflichtet, den Dienst zum bestimmten Tage (welcher bei städtischem Gesinde in Ermangelung anderer Abrede der zweite

jedes Quartals ist, bei ländlichem durch freie Abrede oder verschiedene Orts­ üblichkeit bestimmt wird"), anzutreten").

Weigert sich das Gesinde des

Antritts, so wird es schadenersatzpflichtig und muß das Miethgeld zurückgeben, muß aber, wenn ein solcher Anspruch erhoben werden soll, zunächst im poli­ zeilichen Zwangsverfahren zum Dienstantritt genöthigt werden"). Dieser

Zwang und die Schadensforderung fällt weg, wenn der Weigernde Hand­ lungen der Herrschaft aus dem letzten Jahre nachweisen kann, wegen deren er den Dienst ohne Auskündigung würde verlassen dürfen ").

Das Gesinde

ist ferner schuldig, die ihm aufgetragenen Dienste treu, fleißig und in Per­

son zu verrichten").

Es hat diese Dienste allen Gliedern der Familie

und den gastweise bei ihr anfgenommenen Personen zu leisten; die nähere

Anordnung geht vom Familienhaupte aus").

Die Dienste eines erkrankten

oder zeitweise verhinderten Dienstboten muß das Nebeugesinde übernehmen"). ») G.O. §§. 27—30. 15) G.O. §§. 1. 56. 57. 60. Hirte«, Nevierjäger, Atmiftflärtner sind, wenn überhaupt Gesinde, solches für bestimmte Dienste. In Vertretung anderer Dienstboten müssen auch solche nach dem Gebot der Herychaft andere Dienste übernehmen. S. unten Anm. 24. 1