Theologie der Natur: Zur Konzeption Wolfhart Pannenbergs [1 ed.] 9783666564758, 9783525564752


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Theologie der Natur: Zur Konzeption Wolfhart Pannenbergs [1 ed.]
 9783666564758, 9783525564752

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Gunther Wenz (Hg.)

Theologie der Natur Zur Konzeption Wolfhart Pannenbergs Pannenberg-Studien

Band 5

Pannenberg-Studien

Band 5

Herausgegeben von Gunther Wenz

Gunther Wenz (Hg.)

Theologie der Natur Zur Konzeption Wolfhart Pannenbergs

Vandenhoeck & Ruprecht

Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über https://dnb.de abrufbar. © 2019, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Theaterstraße 13, D-37073 Göttingen Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Umschlagabbildung: Wolfhart Pannenberg © Hilke Pannenberg Satz: 3w+p, Rimpar Vandenhoeck & Ruprecht Verlage | www.vandenhoeck-ruprecht-verlage.com ISSN 2367-4369 ISBN 978-3-666-56475-8

Inhalt

Gunther Wenz Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Gunther Wenz Gott und Raum. W. Pannenberg zur Kontroverse zwischen Leibniz und dem Newtonfreund S. Clarke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Manuel Zelger Impliziert der Begriff des Raumes den Gottesgedanken? Kritische Anmerkungen zu einem Topos der Schöpfungslehre Pannenbergs

. . . .

45

Karl-Hinrich Manzke Das Phänomen der Zeit – ausdrückliche und unausgesprochene Voraussetzungen von Wolfhart Pannenbergs Verständnis der Zeit . . . .

63

Friederike Nüssel Vom Anfang und Ende der Welt – Pannenbergs schöpfungstheologische Auseinandersetzung mit Kosmologie und Zeitverständnis . . . . . . . . .

73

Stefan Bauberger Schöpfung und Urknall, Urknall und Schöpfung

. . . . . . . . . . . . . .

93

Ulrich Beuttler Feldtheorie und Wirken Gottes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

99

Walter Dietz Naturgeschichte und Evolution im Kontext der Schöpfungslehre W. Pannenbergs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109

6

Inhalt

Josef Schmidt Schöpfung und Evolution in der Theologie Pannenbergs . . . . . . . . . . 133 Hans-Dieter Mutschler Pannenberg: Theologie der Natur – natürliche Theologie

. . . . . . . . . 143

Paul Schroffner Naturgesetze und Naturgeschichte. Überlegungen zum Handeln Gottes im Anschluss an Wolfhart Pannenberg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 Thomas Oehl Spirit’s Self-Revelation through History . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 Felix Körner Predigt beim Gedenkgottesdienst für Wolfhart Pannenberg (* 2. Oktober 2018) am 19. Oktober 2018 in der Kapelle des Berchmanskollegs, Kaulbachstraße, München . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 Verzeichnis der Autoren

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209

Gunther Wenz

Vorwort

Zu den Schlüsselaussagen Pannenbergscher Theologie, die kennzeichnend sind sowohl für ihre Gehalte als auch für das Motiv von deren Ausbildung, gehört der Satz, wonach man Gott in seiner singulären Einzigkeit nicht denken könne, ohne ihn als Ursprung von allem, was ist, und also als Ursprung der Welt zu denken.1 Soll Gott als der eine Gott gedacht werden, dann muss er als alles bestimmende Wirklichkeit, als Schöpfer, Erhalter und Lenker nicht nur der Menschheit und ihrer Geschichte, sondern auch der extrahumanen Kreatur und dessen gedacht werden, was man Natur nennt. Wolle die Theologie die dafür nötige Gedankenarbeit leisten, dürfe sie sich mit der seit dem 18. Jahrhundert im Gang befindlichen Ablösung des naturwissenschaftlichen Weltbilds von der Gottesbeziehung nicht abfinden und die konstruktive und kritische Auseinandersetzung mit den Naturwissenschaften nicht scheuen. Statt die Gottesfrage auf die Anthropologie zu reduzieren und kosmologische Fragen auszublenden, müsse wegen des gebotenen Bekenntnisses zu Gott dem Schöpfer, dem Erhalter und dem Lenker der Welt der Dialog mit den Naturwissenschaften und der Naturphilosophie gesucht und eine Theologie der Natur entwickelt werden. Die Anfänge von Pannenbergs Beschäftigung mit dem Verhältnis von Schöpfungstheologie und Naturwissenschaften reichen zurück in die 50er Jahre des 20. Jahrhunderts und wurden in den 60er Jahren intensiviert fortgesetzt.2 Innerhalb einer Arbeitsgruppe von Naturwissenschaftlern und Theologen entstand Ende 1962 die Erstfassung des Textes „Kontingenz und Naturgesetz“, der in 1 Vgl. W. Pannenberg, Gott und die Natur. Zur Geschichte der Auseinandersetzung zwischen Theologie und Naturwissenschaft (1983), in: ders., Natur und Mensch – und die Zukunft der Schöpfung (Beiträge zur Systematischen Theologie Bd. 2), Göttingen 2000, 11–29, hier: 12. Vgl. A. Lebkücher, Theologie der Natur. Wolfhart Pannenbergs Beitrag zum Dialog zwischen Theologie und Naturwissenschaft, Neukirchen 2011. Zur Wendung „Theologie der Natur“ und ihrer Bedeutung bei Pannenberg vgl. a. a. O., 16ff., 27ff.; zu thematischen einschlägigen Dissertationen vgl. 14f. Lebküchers Arbeit ist systematisch in die drei Hauptteile „Wissenschaftstheorie“, „Gottesgedanke“ und „Weltbeschreibung“ gegliedert. 2 Vgl. W. Pannenberg, Vorwort, in: ders., a. a. O., 7.

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mehrfach überarbeiteter Form zusammen mit einem Aufsatz des theoretischen Physikers A. M. Klaus Müller (1931–1995) „Über philosophischen Umgang mit exakter Forschung und seine Notwendigkeit“ im Jahr 1970 veröffentlicht wurde.3 Der Beitrag legte das Fundament für Pannenbergs Naturtheologie und ist für alle seine späteren Bemühungen um einen Dialog mit den Naturwissenschaften „grundlegend“4 geblieben. Zustande gekommen ist der Text in einem längeren Prozess. Er war „jahrelang in einem Gesprächskreis von Physikern und Theologen Gegenstand intensiver Diskussion gewesen“5 und hatte „als Ergebnis dieser Gespräche erhebliche Modifikationen erfahren“6. Näheres hierzu hat Pannenberg in seinem Vorwort zu dem erwähnten Gemeinschaftswerk mit A. M. K. Müller zur Kenntnis gegeben. Hervorgehoben wird vor allem der fortgesetzte Gedankenaustausch „mit E. Scheibes Untersuchungen über die Bedeutung der Kontingenz im Rahmen der physikalischen Theoriebildung“7. Eduard Scheibe, Assistent von Carl Friedrich von Weizsäcker und später Philosophieprofessor in Göttingen, hatte sich 1963 mit einer Arbeit „Die kontingenten Aussagen in der Physik. Axiomatische Untersuchungen zur Ontologie der klassischen Physik und der Quantentheorie“ habilitiert, in der er jede wissenschaftliche Theorieaussage über Naturvorgänge als kontingenzabhängig und als nachträgliches Integral vorhergehender Geschehensvollzüge bezeichnete; die Einordnung in einen naturgesetzlichen Zusammenhang folge auf das eigentliche physikalische Ereignis, könne es aber nicht prädeterminieren.8 3 A. M. K. Müller/W. Pannenberg, Erwägungen zu einer Theologie der Natur, Gütersloh 1970, 33–80; vgl. auch das auf Sommer 1969 datierte Vorwort: „Die beiden hier veröffentlichten Beiträge sind entstanden im Zusammenhang der Arbeiten des Ausschusses zu Fragen einer Theologie der Natur, der sich aus dem Karlsruher Gesprächskreis von Naturwissenschaftlern und Theologen seit 1962 gebildet hat.“ (6) 4 W. Pannenberg, Vorwort, in: ders., Natur und Mensch, 7. 5 Ders., Theologie der Schöpfung und Naturwissenschaft (1995), in: ders., Natur und Mensch, 30–42, hier: 35. 6 Ebd. 7 Ders., Vorwort, in: A. M. K. Müller/ders., a. a. O., 6. 8 Vgl. E. Scheibe, Die kontingenten Aussagen in der Physik. Axiomatische Untersuchungen zur Ontologie der klassischen Physik und der Quantentheorie, Frankfurt 1964, bes. 21f., 52ff. Zu Scheibes Göttinger Antrittsvorlesung vom Januar 1966 „Gibt es eine moderne Naturphilosophie?“ vgl. A. M. K. Müller, Über philosophischen Umgang mit exakter Forschung und seine Notwendigkeit, in: ders./W. Pannenberg, a. a. O., 7–31, hier: 8; 25 Anm. 2. Während jede spekulative Naturphilosophie obsolet geworden sei, könne auf eine Philosophie der Naturwissenschaften nicht verzichtet werden. Zu Scheibes Habilitationsschrift vgl. a. a. O., 16f.: „Hier wird die Struktur der klassischen physikalischen Theorien und in Gegenüberstellung dazu die Struktur der Quantenmechanik mit den Mitteln der formalisierten Logik bloßgelegt.“ – Auch Pannenberg nimmt in seinem Text „Kontingenz und Naturgesetz“, dessen erste Fassung in der Unterkommission „theologia naturae“ des Karlsruher Physiker-Theologen-Gesprächs der jüngeren Generation vorgelegt worden war (vgl. a. a. O., 25f. Anm. 7), auf die

Vorwort

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Für Pannenberg ergab sich „mit zunehmender Deutlichkeit, daß der Themenkomplex von Kontingenz und Gesetzlichkeit einen streng gemeinsamen Boden für die Erörterung von Beziehungen zwischen Theologie und Naturwissenschaften abzugeben vermag, jenseits der Äquivokationen eines bloßen Analogisierens heterogener Perspektiven“9. Bestätigt wurde er in dieser Annahme u. a. durch den Mathematiker Günter Ewald, der von 1964 bis 1994 als Professor für Algebra und Geometrie an der Ruhr-Universität Bochum lehrte. Ewalds 1966 erschienene Schrift „Naturgesetz und Schöpfung. Zum Verhältnis von Naturwissenschaft und Theologie“ berührt sich nach Pannenbergs Urteil „weitgehend“10 mit seinen eigenen Ausführungen. In der kleinen Studie wurde der Gedanke der Ereigniskontingenz „von physikalischem Gebilden im Allgemeinen auf biologische im Besonderen“11 übertragen mit dem Ergebnis: „Das eigentlich Biologische ist das kontingente, kalendermäßig datierbare Ereignis, nicht das aus ihm herauspräparierte Gesetz.“12 In der Konsequenz wurde für Ewald der Kontingenzbegriff zum hermeneutischen Schlüssel der gesamten Naturentwicklung, die er im Sinne einer evolutionären Emergenztheorie deutete mit dem erklärten Ziel, eine „eschatologische Ontologie“13 auszubilden. Durch Arbeiten von Gesprächspartnern wie Eduard Scheibe und Günter Ewald oder durch die Studie des Mitherausgebers der „Erwägungen zu einer Theologie der Natur“, A. M. Klaus Müller, „Über philosophischen Umgang mit exakter Forschung und seine Notwendigkeit“ konnte sich Pannenberg in seinem Ansatz bestärkt fühlen, den Gedanken der Kontingenz, näherhin denjenigen der

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Habilitationsschrift Scheibes Bezug. Dieser habe „den Formeln der klassischen Physik ihre unmittelbare ontische Bedeutung abgesprochen und sie auf einen primär ‚epistemischen‘ Sinn, d. h. auf ihre Funktion innerhalb der klassischen Theorie, zurückgenommen, deren Wirklichkeitsbezug im ganzen jedoch keineswegs unmittelbar eindeutig, sondern durch Abstraktion vom kontingenten Charakter des Geschehens vermittelt ist“ (W. Pannenberg, Kontingenz und Naturgesetz, in: A. M. K. Müller/ders., a. a. O., 78f. Anm. 44). Ders., Vorwort, in: A. M. K. Müller/ders., a. a. O., 6. Ebd. Vgl. ferner: ders., Kontingenz und Naturgesetz, 76 Anm. 24. G. Ewald, Naturgesetz und Schöpfung. Zum Verhältnis von Naturwissenschaft und Theologie, Wuppertal 1966, 26. Ebd. Vgl. a. a. O., 33ff. Zur christologischen Deutung der Geschichte vgl. 36ff.: „Jesus Christus als der Auferstandene ist … Inbegriff des Eschatons.“ In seiner Studie „Wirklichkeit, Wissenschaft, Glaube. Die Frage der Wirklichkeit in exakter Wissenschaft und im christlichen Glauben“ (Wuppertal 1963) urteilt Ewald, dass für den Physiker „ein Naturgesetz niemals etwas Endgültiges, Absolutes“ (18) sei: „Tritt eine Ausnahme zu einer bisher gültigen Regel ein, so versucht er, die Regel so zu erweitern, daß die neue Beobachtung noch mit umfaßt wird.“ (Ebd.; vgl. W. Pannenberg, Kontingenz und Naturgesetz, 69; 75 Anm. 14) Zur Bedeutung dieser Feststellung für Begriff und Möglichkeit von „Wundern“ vgl. G. Ewald, a. a. O., 28ff. sowie ders., Das Ungewöhnliche im Licht von Naturwissenschaft und Theologie, in: ders. u. a., Das Ungewöhnliche. Wunder im Blick von Naturwissenschaft, Theologie und Gemeinde, Wuppertal 1969, 7–24.

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Ereigniskontingenz zum Ausgangspunkt einer um Konsonanz bemühten Vermittlung der theologischen Rede vom Schöpfungshandeln Gottes und den Ergebnissen aktueller Naturwissenschaft zu wählen. A. M. Klaus Müller hatte in seinem 1966 entstandenen Vortrag in den Diskussionsstand des PhysikerTheologen-Gesprächskreises eingeführt und bestätigt, dass die Naturwissenschaft bei aller Präzision der von ihr erhobenen Gesetze immer nur Näherungswerte erzielen könne, weil „Wiederholbarkeit nur in Teilsystemen möglich“14, das Systemganze der Wirklichkeit aber offen und nicht definitiv fassbar sei. Mit Neuem müsse gerechnet werden und das umso mehr, als der Weltablauf insgesamt nicht determiniert und reproduziert werden könne, „weil er nur einmal stattfindet“15. Müller nimmt in diesem Zusammenhang ausdrücklich auf Pannenberg und seine Diskussionsbeiträge im Gesprächskreis Bezug. Dieser habe in Konsens namentlich mit Scheibe den bleibenden „Primat des Kontingenten vor dem Gesetzlichen aufgedeckt“16 und den „Vorschlag einer Geschichte der Naturgesetze“17 gewagt. In ausgearbeiteter Form liegt der Vorschlag einer Geschichte der Naturgesetze in Pannenbergs programmatischer Schrift „Kontingenz und Natur“ vor. Das jüdisch-christliche Denken, so heißt es, impliziere im Unterschied zu „griechischen Konzeptionen einer ewigen kosmischen Ordnung“18 so etwas wie „eine eschatologische Ontologie“ (44): „Vom israelitischen Gottesverständnis her, das auch das Urchristentum geprägt hat, ist die Erfahrung der Wirklichkeit primär durch Kontingenz, und zwar durch Geschehenskontingenz charakterisiert: Immer wieder geschieht Neues und Unvorhergesehenes, das als ein Wirken des allmächtigen Gottes erfahren wird. Darum ist nicht nur dieses oder jenes einzelne, sondern alles Geschehen grundsätzlich wunderbar oder wunderhaft.“ (37) Die grundsätzliche Konvergenz dieser Annahme mit den Ergebnissen moderner Naturwissenschaften zu erweisen, ist Ziel der Darlegungen Pannenbergs. Während das deterministische Weltbild der klassischen Naturwissenschaften einer „Spätform griechischer Kosmosfrömmigkeit“ (38) gleiche, rechne nicht nur die aktuelle Physik, sondern etwa auch die Biologie mit unumkehrbaren und unwiederholbaren Geschehensabläufen, in denen sich Neues, Einmaliges und Kontingentes ereigne. Dies hebe die wissenschaftliche Notwendigkeit nicht auf, auf der Basis von Wiederholung und Reproduzierbarkeit Gesetze mit dem Ziel geregelter Prognostik auszubilden. Dieses Bestreben sei und bleibe aktuell und 14 A. M. K. Müller, Über philosophischen Umgang mit exakter Forschung und seine Notwendigkeit, in: ders./W. Pannenberg, a. a. O., 7–31, hier: 19. 15 A. a. O., 18. 16 A. a. O., 20; bei M. kursiv. 17 Ebd. 18 W. Pannenberg, Kontingenz und Naturgesetz, 40. Die nachfolgenden Seitenverweise im Text beziehen sich auf diese Schrift.

Vorwort

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völlig berechtigt; theologisch sei es durch die Gewissheit verlässlicher Treue des Schöpfergottes gedeckt, der Neues nicht in abstrakter Negation des Bisherigen schaffe. Gleichwohl könne von kontingenten Novitäten weder unter theologischen noch unter naturwissenschaftlichen Gesichtspunkten abgesehen werden. Der Anspruch wissenschaftlich erhobener Naturgesetze sei entsprechend nicht länger auf zeitinvariante Geltung anzulegen, sondern im Sinne einer modifikations- und variationsoffenen Hypothese zu fassen, was der Wirklichkeit der Natur gemäßer sei als „der abstrakte Charakter der zeitunabhängigen Formeln der klassischen Physik“ (53). Die Relevanz des Gesprächs zwischen Theologie und Naturwissenschaft hängt nach Pannenberg an dem Erweis, „daß das für die jüdisch-christliche Auffassung von Geschehen als göttlichem Handeln zentrale Motiv der Kontingenz einen Aspekt des Geschehens eröffnet, den das naturwissenschaftliche Fragen jedenfalls in der durch die klassische Physik bestimmten Periode zu verdecken tendierte und der dennoch für den zentralen Begriff der Naturwissenschaft, der Gesetzlichkeit als Korrelat unentbehrlich ist und der bei der gegenwärtigen Erweiterung der naturwissenschaftlichen Begriffsbildung neu bedacht werden muß und neu bedacht wird“ (74 Anm. 10). Diesen Erweis sollte die Programmschrift „Kontingenz und Naturgesetz“ erbringen. Der Kontingenzbezug hebt die Gesetzmäßigkeit des Naturgesetzes nicht auf, sondern ist im Gegenteil eine notwendige Bedingung ihrer Möglichkeit, sofern das Naturgesetz ohne ihn seine Beziehung zum Naturgeschehen, dessen Ordnungsstruktur es beschreibt, und zu dessen Verlaufsgestalt verlieren müsste, die, wie die moderne Naturwissenschaft selbst annimmt, „nicht eine jederzeit streng identisch wiederholbare sein kann, wenn der Weltprozeß im ganzen einmalig und umkehrbar abläuft“ (80 Anm. 56). Auf der Grundlage des in „Kontingenz und Naturgesetz“ skizzierten Entwurfs hat Pannenberg in der Folgezeit seine Konzeption einer für die Naturwissenschaften aufgeschlossenen Schöpfungstheologie konsequent weiterentwickelt und dabei wiederholt auf die Anfangsthesen zurückgegriffen, so etwa in dem Text „Die Kontingenz der geschöpflichen Wirklichkeit“ von 1996, in dem er den ersten der beiden Korrelationsbegriffe der Erstlingsschrift näherbestimmt19, oder in 19 Unter Bezug auf die Definition, die er ihm in „Kontingenz und Naturgesetz“ (75 Anm. 11) gegeben hatte, bestimmt Pannenberg den Kontingenzbegriff in dem Aufsatz von 1996 als dasjenige, was weder notwendig ist noch nicht notwendig im Sinne von unmöglich, sondern faktisch existiert, obwohl es auch nicht existieren könnte. Anders gesagt: „Kontingent ist nicht nur das, was ist, aber nicht notwendig ist, sondern kontingent ist alles das, was nicht unmöglich ist, aber nicht sein könnte und doch tatsächlich ist. Nicht alles, was nicht unmöglich ist, existiert tatsächlich. Was nicht unmöglich ist, ist möglich. Aber was nicht unmöglich ist, also nicht notwendigerweise nicht ist, und auch existiert, obwohl es auch nicht sein könnte, ist kontingent.“ (W. Pannenberg, Die Kontingenz der geschöpflichen Wirklichkeit, in: ders., Natur und Mensch, 69–81, hier: 80) Gemäß dieser Bestimmung rechnet Pannenberg nicht nur das strikt Einmalige, sondern auch das mit naturgesetzlicher Not-

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dem im Jahr zuvor publizierten Vortrag „Theologie der Schöpfung und Naturwissenschaft“, wo er die ihm neben bzw. im Zusammenhang der Problematik von „Kontingenz und Naturgesetz“ besonders wichtig gewordenen Themen aufreiht: Raum und Zeit, die Feldtheorie als Möglichkeit, Gottes Wirken im Wirken der Natur zu erschließen, sowie der Zusammenhang von Schöpfung und Evolution.20 Naturgesetze, wiederholt Pannenberg, basieren nicht auf einem durch stete Notwendigkeit determinierten Naturzusammenhang, sondern sind „als Beschreibungen der am kontingent Gegebenen auftretenden gleichförmigen Verlaufsstrukturen aufzufassen“21. Was Raum und Zeit angeht, so könnten ihre Begriffe nicht lediglich von der Frage nach der Messung von räumlichen und zeitlichen Maßeinheiten her bestimmt werden, da jede geometrische oder chronologische Maßeinheit das ungeteilte Ganze des unendlichen Raumes und der endlosen Zeit und damit die Unermesslichkeit des allgegenwärtigen Gottes und seine Ewigkeit zur Voraussetzung habe. Von der Unendlichkeit des ewigen, allgegenwärtigen und allmächtigen Gottes lässt sich nach Pannenberg auch die „Frage nach dem Verhältnis Gottes zu den im Naturgeschehen wirkenden Kräften“22 klären und einer Antwort zuführen. Der durch die Pneumalehren der Antike und die christliche Pneumatologie motivierte physikalische Feldbegriff der Moderne biete hierfür einen Lösungsansatz. Die Thematik von Schöpfung und Evolution verweist sodann in spezifischer, am Lebensbegriff orientierter Art auf das Anfangsthema von Naturgesetz und Kontingenz zurück, indem sie den evolutionären Prozess der Genese des Lebens und seiner Fortentwicklung im wendigkeit sich Ereignende dem Kontingenten zu, sofern es wie das Naturgesetz selbst nur an Ereignisfolgen auftritt, die faktisch und mithin nicht unmöglich, aber in ihrer Faktizität nicht dergestalt notwendig sind, dass sie nicht auch hätten nicht sein können. Da aber nichts, was von dieser Welt ist, den Konstitutions- und Erhaltungsgrund seiner selbst unmittelbar in sich trägt, hat alles Weltliche und der gesamte Weltverlauf samt den Naturgesetzen, die er hervor und zur Erkenntnis bringt, als kontingent zu gelten. – Vorangestellt hatte Pannenberg seiner Definition begriffsgeschichtliche Erwägungen zum Kontingenzbegriff bei Aristoteles, Thomas von Aquin und Duns Scotus. Nach letzterem habe alles kreatürliche Dasein als kontingent zu gelten, da es faktisch ist, obwohl es auch nicht oder anders sein könnte. Es folgen Erwägungen zu Descartes und zu Spinoza, für den – wie der Tendenz nach schon für Cartesius – die Annahme einer Kontingenz in Naturvorgängen „nur Ausdruck der Unvollkommenheit unserer Naturerkenntnis sei. Der Sache nach gebe es keine Kontingenz im Naturgeschehen.“ (75) Diese sei vielmehr „als deterministisch in sich geschlossen“ (ebd.) vorzustellen. Demgegenüber macht Pannenberg geltend, was er bereits in dem Aufsatz „Kontingenz und Naturgesetz“ herausgearbeitet hatte: Der Kontingenzbegriff ist „aus der naturgesetzlichen Beschreibung von Naturvorgängen nicht eliminierbar. Er ist ein Korrelat des Gesetzesbegriffs selber.“ (Ebd.; zur Unterscheidung von nomologischer Kontingenz und Ereigniskontingenz vgl. 75ff.) 20 Vgl. ders., Theologie der Schöpfung und Naturwissenschaft (1995), in: ders., Natur und Mensch, 34ff. 21 A. a. O., 35. 22 A. a. O., 39.

Vorwort

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Modus einer Gesetzlichkeit begreift, die sich nicht von Anfang an, sondern erst vom Endergebnis her, nicht chronologisch, sondern eschatologisch erschließt. Sind in Pannenbergs Vortrag von 1995 über „Theologie der Schöpfung und Naturwissenschaft“ die Sachthemen benannt, bezüglich derer Verständigung von beiden Seiten „im Sinne einer Konsonanz“23 anzustreben sei, so behandelt der Artikel „Gott und Natur“ von 1983 die Geschichte der Auseinandersetzung zwischen Theologie und Naturwissenschaft und benennt dabei überblicksweise drei Hauptphasen, die vom 16. Jahrhundert bis zur Schwelle der Gegenwart verlaufen. Die erste Phase sei durch die kopernikanische Wende, die zweite durch das Weltbild der mechanischen Physik, die „alle Veränderungen in der Welt als Folge der Einwirkungen der Körper aufeinander zu beschreiben“24 suchte, die dritte durch die darwinische Evolutionslehre gekennzeichnet, in der die „Verselbständigung des Naturprozesses von der Theologie … ihre Vollendung“25 gefunden habe. Der Plan des 5. Pannenberg-Kolloquiums, das am 19./20. Oktober 2018 in der Münchener Hochschule für Philosophie zum Thema „Theologie der Natur“ stattfand, orientierte sich an den bezeichneten Strukturvorgaben. Erörtert werden sollten gemäß Ausschreibung unter ständigem Bezug auf Pannenberg 1. geschichtliche Aspekte der Auseinandersetzung zwischen Theologie und Naturwissenschaft (a die kopernikanische Wende; b das Weltbild der mechanischen Physik; c die darwinische Evolutionslehre) und 2. zentrale Sachaspekte im Diskurs beider Disziplinen (a Raum und Zeit; b Feldtheorie; c Evolution und Emergenz; d Naturgesetz und Kontingenz). Die vorgelegten Beiträge sind im Folgenden nach Maßgabe der benannten Sachordnung dokumentiert. Den Anfang macht ein theoriegeschichtlicher Beitrag des Herausgebers: Gott und Raum. W. Pannenberg zur Kontroverse zwischen Leibniz und dem Newtonfreund S. Clarke. Dezidiert systematisch angelegt ist der Text von Manuel Zelger zur Frage, ob der Begriff des Raumes den Gottesgedanken impliziere. Das Phänomen der Zeit rückt sodann Karl-Hinrich Manzke ins Zentrum der Aufmerksamkeit, woran Friederike Nüssel anschließt, die Pannenbergs Verständnis von Anfang und Ende der Welt im Kontext der Kosmologie erörtert. Die Überlegungen von Stefan Bauberger SJ zu „Schöpfung und Urknall, Urknall und Schöpfung“ schließen sachlich an. Von Pannenbergs Verständnis des physikalischen Kraftfeldes als eines Mediums pneumatischen Wirkens Gottes handelt Ulrich Beuttler, wobei er ausführlich auf die Problematik von Naturgesetz und Kontingenz zu sprechen 23 A. a. O., 32. 24 Ders., Gott und die Natur. Zur Geschichte der Auseinandersetzungen zwischen Theologie und Naturwissenschaft (1983), in: ders., Natur und Mensch, 11–29, hier: 15. 25 A. a. O., 18.

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kommt, welche die Anfänge der Pannenbergschen Theoriebildung zum Thema „Theologie und Naturwissenschaft“ bestimmten. Später dann traten Fragen der Evolutionslehre ins Zentrum der Aufmerksamkeit. Ihnen sind die Beiträge von Walter Dietz und Josef Schmidt SJ gewidmet, die Pannenbergs Stellungnahmen in den Gesamtrahmen seiner Schöpfungslehre einordnen. Kontextualisierungsabsichten verfolgt auch die Studie von Hans-Dieter Mutschler zum Verhältnis von Theologie der Natur und sog. natürlicher Theologie bei Pannenberg. Ähnlich weit gefasst ist die Perspektive in dem Text von Paul Schroffner SJ, der Überlegungen zum Handeln Gottes im Anschluss an Pannenberg enthält, welche die Dynamik des Naturgeschehens mit der Geschichtsthematik in Verbindung bringt. „Spirit’s Self-Revelation through History“: Indem er den Gedanken einer Selbstoffenbarung des Geistes durch die Geschichte entfaltet, umreißt Thomas Oehl den umfassendsten Horizont, in dessen Zusammenhang Pannenbergs Konzeption einer Theologie der Natur systematisch gehört. Sie ist nicht auf die Naturalisierung des Geistes, sondern auf die Vergeschichtlichung der Natur und auf jene Geistwirklichkeit angelegt, in der sich Gottes Schöpfung durch die Mittlerschaft Jesu Christi vollendet. Oehls Text ist nicht aus Anlass des Kolloquiums, sondern während eines Forschungsaufenthalts entstanden, den der Autor im Herbst 2018 als visiting scholar an der University of Pittsburg verbracht hat. Sein wissenschaftlicher Gastgeber war John McDowell, einer der maßgeblichen anglophonen und analytisch geprägten Hegelrezipienten der Gegenwart. Indem Oehl McDowell gegenüber Gesichtspunkte geltend macht, die nachgerade für die Pannenbergsche Auseinandersetzung mit Hegel geschichtstheologisch kennzeichnend sind, spricht sein Beitrag Grundsatzfragen an, die für Pannenbergs Systemkonzeption insgesamt und damit auch für seine Theologie der Natur entscheidend sind. Am 2. Oktober 2018 jährte sich zum 90. Mal der Tag der Geburt von Wolfhart Pannenberg. Daran wurde in einem Gottesdienst erinnert, bei dem Felix Körner SJ die Predigt hielt. Sie ist am Ende des vorliegenden Bandes abgedruckt, der Frau Hilke Pannenberg mit Dank zum 90. Geburtstag gewidmet sei. München, 16. März 2019

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Gott und Raum. W. Pannenberg zur Kontroverse zwischen Leibniz und dem Newtonfreund S. Clarke

Auf die Frage einer Studentin nach dem Organisationsprinzip der Bücheranordnung in seiner Privatbibliothek antwortete Wolfhart Pannenberg anlässlich eines Besuches als Emeritus in einer meiner Münchner Seminarveranstaltungen, die seiner „Systematischen Theologie“ gewidmet war1, er „habe die Theologie nicht getrennt von der Philosophie aufgestellt“2. Er hätte hinzufügen können, dass dies auch für die zahlreichen naturwissenschaftlichen Werke gilt, die sich in seinem bibliothekarischen Besitz befanden. Denn so wenig für Pannenberg eine Trennung theologischen und philosophischen Denkens in Frage kam3, so sehr war er bei aller notwendigen Beachtung methodisch-wissenschaftstheoretischer Unterscheidungen zwischen sog. geistes- und sog. naturwissenschaftlichen Disziplinen4 darum bemüht, Themen der Naturwissenschaften und deren Ergebnisse in den Kontext der Theologie zu integrieren. Dieses Integrationsbe1 Vgl. G. Wenz, Wolfhart Pannenbergs Systematische Theologie. Ein einführender Bericht, Göttingen 2003, Vorwort. 2 G. Boss, Verlust der Natur. Studien zum theologischen Naturverständnis bei Karl Rahner und Wolfhart Pannenberg, Innsbruck/Wien 2006, 172. Die Untersuchung von Boss ist an der Frage orientiert, wie sich das Naturverständnis der Theologie transformiert, wenn diese „die anthropologische Wende mitvollzieht, wenn sie den Gottesgedanken primär in Bezug zur ‚Subjektivität‘ des Menschen entfaltet“ (15). Thematisch aufschlussreich sind insbesondere die Ausführungen zu den naturtheologischen Grundbegriffen Pannenbergs, nämlich Kontingenz, Feld, Prozess sowie Raum und Zeit. „Der unendliche und ungeteilte Raum gilt ihm als Konstitutionsgrund des geteilten Raumes; die Ewigkeit als Konstitutionsgrund der chronologischen Zeit. Das würde bedeuten, dass auch eine naturwissenschaftliche (geometrische, physikalische usw.) Beschreibung von Raum und Zeit die Unermesslichkeit und Ewigkeit Gottes voraussetzt.“ (292) Gegen eine problematische Tendenz zur Subjektivierung der Natur, wie sie nicht nur in der Alltagssprache begegne, wendet sich Boss besonders 316ff. Was Pannenberg angehe, so orientiere sich sein Naturbegriff im Wesentlichen an demjenigen „der modernen Physik, der Physik offener Systeme“ (337): „Pannenberg will dieselbe Natur, die die moderne Naturwissenschaft beschreibt, als Produkt und Wirkungsfeld des trinitarischen Gottes deuten.“ (Ebd.) 3 Vgl. G. Wenz (Hg.), Vom wahrhaft Unendlichen. Metaphysik und Theologie bei Wolfhart Pannenberg, Göttingen 2016 (Pannenberg-Studien Bd. 2). 4 Vgl. im Einzelnen W. Pannenberg, Wissenschaftstheorie und Theologie, Frankfurt a. M. 1973.

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mühen vollzog sich auf der Basis fundierter und erstaunlich weitreichender Kenntnisse der Geschichte der Naturwissenschaften, ohne die Pannenbergs Theologie der Natur und ihre zentrale These, wonach die Natur selbst eine Geschichte habe und einen zukunftsoffenen Prozess durchlaufe, nicht angemessen verstanden werden können. Ein Beispiel für Pannenbergs lebhaftes Interesse an der Wissenschaftsgeschichte im Allgemeinen und der Geschichte der zwar spannungsreichen, aber dennoch sehr engen Beziehung zwischen Naturphilosophie und Naturwissenschaften im Besonderen bietet seine Beschäftigung mit der Kontroverse, die in den Jahren 1715/16 zwischen Gottfried Wilhelm Leibniz (1646–1716) und Samuel Clarke (1675–1729) geführt wurde. Clarke war ein Schüler und Vertrauter Isaac Newtons (1642–1726) und zu seiner Zeit kaum weniger berühmt als sein Meister und dessen Widersacher Leibniz. Zentraler Gegenstand der in Form eines Briefwechsels ausgetragenen Auseinandersetzung war neben allgemeinen Fragen der natürlichen Religion in ihrem Verhältnis zur christlichen Offenbarung sowie den sehr ausführlich diskutierten Problemen des Satzes vom hinreichenden Grund das Raumthema und in Verbindung damit die Thematik eines möglichen und tatsächlichen Eingreifens Gottes in das Universum. Während Leibniz eine relationale Theorie des Raumes vertrat und ihn als Ordnung des Seienden in seinem Nebeneinanderbestand deutete, verstanden ihn Clarke und Newton absolut und in seiner Absolutheit als eine Art von sensorium dei. Leibniz, dem die Vorstellung eines leeren Universalraums als reines Gedankengebilde der Abstraktion galt, nutzte den Sensoriumsvergleich, den Newton in seiner „Optik“ getroffen hatte, zu dem Vorwurf, dieser mache Gottes Weltwahrnehmung von einem Medium abhängig, welches seine Souveränität und Unbedingtheit unstatthaft einschränke. Um dies zu vermeiden, sei der Annahme einer Absolutheit des Raumes und mit ihm der Vorstellung absoluter Leere der Abschied zu geben. Raum sei nichts anderes als ein Begriff für die Zuordnung körperlicher Objekte in ihrem Nebeneinander. Albert Einstein hat in einem im Jahr 1953 verfassten Vorwort zu Max Jammers Monographie „Das Problem des Raumes“ zwei begriffliche Raumauffassungen gegenübergestellt und sie mit den Wendungen „Lagerungs-Qualität der Körperwelt“5 und „Raum als ‚Behälter‘ aller körperlichen Objekte“ (XIII) um5 A. Einstein, Vorwort, in: M. Jammer, Das Problem des Raumes. Die Entwicklung der Raumtheorien, Darmstadt 1960 (Pannenberg-Bibliothek Nr. 00103), XI–XV, hier: XIII. Die nachfolgenden Seitenverweise beziehen sich hierauf. Nach Jammer hat sich der für Newtons Mechanik charakteristische Begriff des leeren Raumes als eines „Containers“ aller körperlichen Objekte nach antiken Ansätzen seit der Renaissance ausgebildet. Zum Begriff des absoluten Raumes vgl. im Einzelnen 102ff., zur Korrespondenz von Leibniz und Clarke bes. 122ff., zur Raumtheorie von Leibniz 126ff. Jammers Werk schließt mit einem Kapitel über den Begriff des Raumes in der modernen Physik (138–220). Darin wird die Vermutung geäußert, „daß die

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schrieben. Im ersten Fall sei „Raum ohne körperliche Objekte undenkbar“ (ebd.), im zweiten könne „ein körperliches Objekt nicht anders als im Raum gedacht werden; der Raum erscheint dann als eine gewissermaßen der Körperwelt übergeordnete Realität.“ (Ebd.) Die letztgenannte Raumauffassung sieht Einstein in Newtons System idealtypisch realisiert, der dem Raum insbesondere dadurch eine absolute Rolle zuerkannt habe, dass er ihn als Grundlage des Trägheitsprinzips und des Bewegungsgesetzes eingeführt habe. Als Inertialsystem wirke der Raum nach Maßgabe Newtons auf alle körperlichen Objekte, ohne dass durch diese eine Rückwirkung auf ihn ausgeübt werde (vgl. XIV). Einstein zufolge war Newtons Entscheidung „bei dem damaligen Stand der Wissenschaft die einzig mögliche und insbesondere die einzig fruchtbare“ (XIV); gleichwohl habe die spätere naturwissenschaftliche Entwicklung nicht dem absoluten, sondern dem relativen Raumbegriff und damit Leibniz recht gegeben, der diesen – wie Newton den absoluten – auf idealtypische Weise, wenngleich „mit unzureichenden Argumenten“ (ebd.) vertreten habe: „Die Überwindung des absoluten Raumes bzw. des Inertialsystems wurde erst dadurch möglich, daß der Begriff des körperlichen Objektes als Fundamentalbegriff der Physik allmählich durch den des Feldes ersetzt wurde. Unter dem Einfluß der Ideen von Faraday und Maxwell entwickelte sich die Idee, daß die gesamte physikalische Realität sich vielleicht als Feld darstellen lasse, dessen Komponenten von vier raum-zeitlichen Parametern abhängen. Sind die Gesetze dieses Feldes allgemein kovariant, d. h. an keine besondere Wahl des Koordinatensystems gebunden, so hat man die Einführung eines selbständigen Raumes nicht mehr nötig. Das, was den räumlichen Charakter des Realen ausmacht, ist dann einfach die Vierdimensionalität des Feldes. Es gibt dann keinen leeren Raum, d. h. keinen Raum ohne Feld.“ (XV) Der Raum als Feld: Auch Pannenberg plädiert für diese Annahme, ohne deshalb dem Ansatz von Leibniz vor demjenigen Newtons und seines Mitstreiters Clarke den Vorzug zu geben. Warum und aus welchen theologischen Gründen dies der Fall ist, wird zu prüfen sein. Zunächst soll der Verlauf des Briefdisputs zwischen Clarke und Leibniz in Grundzügen skizziert und das vorläufige Ende der Auseinandersetzung und das Ergebnis benannt werden, welches sie erbracht Raumstruktur der Physik in letzter Analyse nicht etwas Naturgegebenes oder vom menschlichen Denken Unabhängiges ist. Sie ist wenigstens teilweise eine Funktion unseres begrifflichen Schemas.“ (192) Schon Einstein hatte in seinem Vorwort bezüglich der beiden – bei Newton und Leibniz idealtypisch ausgeprägten – Raumbegriffe festgestellt, diese seien „freie Schöpfungen der menschlichen Phantasie, Mittel ersonnen um leichteren Verstehens unserer sinnlichen Erlebnisse“ (XIII). Zur quantenmechanischen und feldtheoretischen Raum-ZeitMaterie-Konstellation der modernen Physik vgl. M. Jammers Werk, Der Begriff der Masse in der Physik, Darmstadt 1964 (Pannenberg-Bibliothek Nr. 00104), bes. 206ff.; zu den sog. Raumtheorien der Materie bes. 235ff.

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bzw. nicht erbracht hat. Erst dann wird Pannenbergs Rezeption der Debatte und die Frage erörtert werden, wie er sich zu der Alternative eines absoluten und eines relativen Raumkonzepts verhielt. Kann der Raum sensorium dei genannt werden? Wer Antworten sucht, betritt ein weites Feld, das mühsame Arbeit, aber auch die Verheißung hoher Erträge bereithält.6

1.

Sensorium Dei? Der Disputverlauf in Grundzügen

Die aus Mittelfranken stammende, dem dortigen Lutherthum verbundene Markgräfin Wilhelmina Charlotte Caroline von Ansbach-Brandenburg (1683– 1737) war nicht nur als Ehefrau Georg II. August, des zweiten englischen Königs aus dem Hause Hannover, ab 1727 nebst Kurfürstin Königin von Großbritannien und Irland, sondern auch, was sich in erlauchten Kreisen nicht von selbst versteht, eine gescheite und gebildete Frau. Leibniz, den sie in der Heimat kennengelernt hatte, bewunderte sie und nannte sich Schülerin und Freundin des Philosophen. Ein gutes Jahrzehnt vor ihrer Krönung zur Königin, in ihrer Zeit als Prinzessin von Wales, hatte sie „eines Tages mit einem englischen Geistlichen, der Zutritt zum Hofe hatte, in Betreff der Theodicee eine Unterredung, in der sie die Ansicht Newton’s und seiner Anhänger über die Einrichtung der Welt tadelte, der Ansicht Leibnizens dagegen, vornehmlich der prästabilirten Harmonie zustimmte“7. Darüber machte sie Leibniz Mitteilung, worauf ihr dieser im November 1715 einen Antwortbrief zukommen ließ. 6 „The question as to what space is, and whether a vacuum and empty space is possible, is one of the most vexed questions in early modern science. … Briefly, coming into the seventeenth century, there are at least two important strains of thought. For Aristotle and his followers, the notion of space independent of body is incoherent; though certain theological concessions had to be made to accommodate divine freedom – God’s ability to move the world as a whole if he so chose – what was basic was body, and space was an abstraction from what really was. For the ancient atomists whose doctrines were being actively revived in the early seventeenth century, and for critics of Aristotelianism, space was a something of a sort, something that had a real existence outside of body, and which could exist without body. This same debate continued into the seventeenth century. Descartes and his followers pursued what was basically an Aristotelian line, denying the independent reality of space and the possibility of vacuum. Others, including the atomist Pierre Gassendi and Blaise Pascal, bolstered by what they interpreted as new experimental evidence, argued for a space that could exist independently of body, both empty and full. The most formidable adherent of this latter view in the seventeenth century was Sir Isaac Newton.” (D. Garber, Leibniz: Physics and philosophy, in: N. Jolley, The Cambridge Companion to Leibniz, Cambridge 1995, 270–352, hier: 301f.) 7 Die philosophischen Schriften von Gottfried Wilhelm Leibniz. Hg. v. C. J. Gerhardt. Siebenter Band, Hildesheim 1965. Unveränderter Nachdruck der Ausgabe Berlin 1890, 345–440 (Streitschriften zwischen Leibniz und Clarke. 1715. 1716), hier: 348 (Einleitung: 347–351). Erstmals herausgegeben wurde der Briefwechsel von Samuel Clarke im Jahr 1717, wobei eine Übersetzung der auf Französisch (Leibniz) bzw. Englisch (Clarke) abgefassten Texte in die

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In einem vorliegenden Auszug aus dem Schreiben (19f.), den er selbst anfertigte, tadelte Leibniz in generalisierender Absicht angelsächsische Theoretiker der religio naturalis und insbesondere Newtons Rede vom Raum als einem Sensorium, welches Gott benutze, um die Dinge wahrzunehmen („M. Newton dit que l’Espace est l’organe dont Dieu se sert pour sentir les choses.“). Benötige Gott zur Dingwahrnehmung eines solchen Hilfsmittels, dann seien die Dinge von ihm nicht vollkommen abhängig und auch nicht sein Erzeugnis. Insgesamt, so Leibniz, hätten Newton und seine Anhänger von der Wirklichkeit und von den Werken Gottes recht merkwürdige Meinungen, etwa wenn sie die Auffassung vertreten würden, Gott sei genötigt, seiner Schöpfung immer wieder nachzuhelfen, um sie ordnungsgemäß in Gang zu halten. Wäre dem so, dann gliche der Schöpfer einem Uhrmacher von beschränktem Geiste, der nicht nur gezwungen sei, sein Uhrwerk von Zeit zu Zeit aufzuziehen, sondern auch außerordentliche Reparaturen vorzunehmen, um es am Stehenbleiben zu hindern. Dieser abwegigen Vorstellung will Leibniz mit dem Verweis auf seine Theorie einer prästabilierten Ordnung der Dinge begegnen, wie sie der Vollkommenheit des göttlichen Schöpfers und seines Schöpfungswerkes allein gemäß sei. Vorangestellt hatte Leibniz seinen Invektiven eine generelle Klage über den Verfall der natürlichen Religion in England. Manche, so heißt es, ließen die menschliche Seele körperlich sein, andere sogar Gott selbst, wie namentlich Newton und die Newtonianer mit ihrer Vorstellung vom Raum als Gottes Organ der Dingwahrnehmung. Von der Prinzessin von Wales wurde der Inhalt des Schreibens von Leibniz postwendend besagtem Geistlichen übermittelt, mit dem sie die Unterredung über Theodizee und prästabilierte Harmonie geführt hatte; dieser war kein anderer als Samuel Clarke, der sich die Attacke auf seinen Lehrmeister und dessen Schule verständlicherweise nicht gefallen lassen wollte. Er ging mit Newtons Unterstützung, der direkten Einfluss auf die Antwortschreiben genommen haben dürfte, zum Gegenangriff über. Durch Vermittlung der Prinzessin ließ er Leibniz seine erste Erwiderung zukommen, der seinerseits dem Kontrahenten entgegnete und so fort. Insgesamt umfasst der Briefwechsel,

jeweils andere Sprache mitgeliefert wurde. Beigegeben sind ferner eine Auswahl aus Leibnizens gedruckten Schriften, die der Erläuterung der von ihm vertretenen Auffassung dienen sollte. Ein Widmungsschreiben Clarkes an die Prinzessin von Wales ist der Textausgabe vorangestellt. Von V. Schüller wurde eine deutsche Übersetzung der Originalausgabe von 1717 angefertigt (Der Leibniz-Clarke-Briefwechsel, Berlin 1991); hierauf beziehen sich die nachfolgenden Seitenverweise im Text. Beigefügt wurde dem ins Deutsche übersetzten Briefwechsel ein Textanhang zur Entstehungs- und Rezeptionsgeschichte, darunter Christian Wolffs Vorrede zur ersten deutschen Ausgabe des Briefwechsels 1720 und diverse Besprechungen. Ein Anhang des Herausgebers mit Erläuterungen, einer chronologischen Übersicht, Textanmerkungen und einer Bibliographie zum Thema beschließt das Werk.

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der zu einem „Bestseller philosophisch-naturwissenschaftlicher Literatur“8 wurde, fünf Schreiben Clarkes und ebenso viele von Leibniz, wenn man sein erstes vom November 1715 mitrechnet. Die Schreiben von Leibniz sind auf Französisch, diejenigen Clarkes auf Englisch abgefasst. In der von Clarke bereits 1717 besorgten Erstausgabe des Briefwechsels (A Collection of Papers, Which passed between the late Learned Mr. Leibnitz, and Dr. Clarke, In the Years 1715 and 1716. Relating to the Principles of Natural Philosophy and Religion. With an Appendix) sind Übersetzungen der Texte in die jeweils andere Sprache beigegeben. In seinem Widmungsschreiben an Wilhelmina Charlotte Caroline stellt der Vertraute Newtons mit Nachdruck klar, „daß seit der frühesten Antike bis auf den heutigen Tag die Grundlagen für die natürliche Religion noch nie so tief und so sicher gelegt worden sind wie in der experimentellen und mathematischen Philosophie dieses großen Mannes“ (14), nämlich Issac Newtons. Weil aber die Richtigkeit der natürlichen Religion die Voraussetzung wahren Christentums sei, habe sich Newton auch um diese in hohem Maße verdient gemacht. Zwar geht Clarke auf die arianischen bzw. sozinianischen Verdächtigungen, mit denen Zeitgenossen die Rechtgläubigkeit des Meisters und seines Schülers in Zweifel gezogen hatten, ebenso wenig ein wie auf den Plagiatsstreit zwischen Newtonianern und Leibnizianern bezüglich der Entdeckung der Infinitesimalrechnung. Eines aber steht für ihn fest: Die gegen Newton gerichteten Verdikte sind haltlos und gehen ins Leere. Was den Raum betreffe, so habe Newton ihn weder zum göttlichen Organ der Dingwahrnehmung erklärt noch behauptet, „daß Gott überhaupt irgendeines Hilfsmittels bedürfe, um mit ihm die Dinge wahrzunehmen“ (21). Gesagt worden sei im Gegenteil, „daß Gott, da er allgegenwärtig ist, sämtliche Dinge aufgrund seiner unmittelbaren Gegenwart zu ihnen wahrnehme, und zwar im gesamten Raum, wo immer auch sie sich befinden mögen, ohne ein Dazwischentreten oder eine Mitwirkung irgendeines Organs oder irgendeines Hilfsmittels“ (21f.). Der Vergleich mit der mentalen Gegenwart der sinnlich vermittelten Gegenstände im 8 F. Linhard, Newtons spirits und der Leibnizsche Raum, Hildesheim/Zürich/New York 2008, 1. Linhard stellt den Disput um die Raumkonzeptionen von Newton und Leibniz in den Kontext der Zeit und insbesondere in den Kontext des Streits um die Priorität bei der Entdeckung der Infinitesimalrechnung. Ein Hauptaugenmerk gilt ferner der „Wechselwirkung theologischer und prinzipien-physikalischer Sichtweisen“ (40). Der Abschnitt „Absolute und Relationale Konzepte von Raum und Zeit“ (67ff.) ist zusammengefasst in einer tabellarischen Gegenüberstellung der wichtigsten Bestimmungen von Newton und Leibniz. Eingehende Erläuterungen zum Substanzbegriff (80ff.) und zur Zusammenhangsstruktur der Dinge (102ff.) schließen sich an. Der Hauptteil ist direkt auf „Die Auseinandersetzung zwischen Newton und Leibniz im Umfeld der zweiten Auflage der Principia“ (123ff.) bezogen. Zur „Vermittlerrolle“ der Prinzessin von Wales vgl. 35ff. sowie D. B. Meli, Caroline, Leibniz, and Clarke, in: Journal of the History of Ideas 60 (1999), 469–486.

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Menschengeist und die gleichnishafte Rede vom unendlichen Raum als eines sensorium Dei hebe diese Grundaussage nicht auf, sondern bestätige sie. Sie sei nicht wörtlich zu nehmen, sondern nehme lediglich eine gewisse Ähnlichkeit zwischen Gottes- und Menschengeist in Anspruch, ohne deren Differenz zu unterschlagen oder gar beide unmittelbar in eins zu setzen. „Diese Ähnlichkeit ist alles, was Sir Isaac Newton meint, wenn er annimmt, der unendliche Raum sei gewissermaßen (as it vere) das sensorium des Allgegenwärtigen.“ (22) Nachdem er Newtons Rede, der absolute und unendliche Raum sei gleichsam das sensorium Dei, mit dem Gott die weltlichen Dinge wahrnehme, gegen die Angriffe von Leibniz verteidigt hat, geht Clarke am Ende seiner ersten Erwiderung zur Gegenattacke über: „Die Ansicht, daß die Welt ein großer Mechanismus (a great Machine) sei, der ohne Gottes Eingreifen funktioniere, so wie eine Uhr ohne Mithilfe des Uhrmachers weiterläuft, ist die Ansicht des Materialismus und des Fatalismus (the Notion of Materialism and Fate) und führt (unter dem Vorwand, Gott für eine intelligentia supramundana zu halten) in Wirklichkeit dazu, göttliche Vorsehung und Herrschaft aus der Welt auszuschließen.“ (23) In seinem Antwortschreiben greift Leibniz den Fehdehandschuh entschlossen auf: Nein, dass die körperliche Welt eine Maschine bzw. eine Uhr (une Machine ou Montre), die ohne Gottes Eingreifen (sans l’interposition de Dieu) funktioniere, sage er nicht; er habe im Gegenteil immer betont, dass die erschaffenen Dinge Gottes steten Einfluss (influence continuelle) benötigten. Worauf er indes insistiere, sei die ohne Reparaturen gegebene Funktionstüchtigkeit der von Gott erschaffenen und beständig erhaltenen Welt (vgl. 29f.). Die Welt entspricht nach Leipzig der Güte ihres Urhebers und Bewahreres; in dessen Werken gebe es „eine bereits prästabilierte (preétablie) Harmonie und Schönheit“ (29). Ja, heißt es weiter, zu der Überzeugung, „daß Gott die intelligentia supramundana sei“ (30), bekenne er sich. „Wollen denn die Kritiker sagen, er sei die intelligentia mundana, das heißt die Weltseele (l’Ame du Monde)? Ich hoffe doch nicht. Allerdings werden sie gut daran tun, sich davor zu hüten, unbewußt in diese Vorstellung zu geraten.“ (Ebd.) Sind sie es nicht faktisch schon? Newtons Rede vom Raum als sensorium Dei gebe zu entsprechenden Befürchtungen begründeten Anlass. Das Wort sensorium habe, so Leibniz, bislang immer die Bedeutung „l’organe de la sensation“, „Organ zur Sinnesempfindung“ (27) gehabt. Er nehme zur Kenntnis, dass man die Wendung jetzt ganz anders deute; doch Vorsicht sei geboten: Die atheistische Gefahr bleibe virulent, Gott mit der Weltseele zu verwechseln. In seiner zweiten Erwiderung, die Ende Dezember oder Anfang Januar 1716 an Leibniz ging, versuchte sich Clarke als Philologe: „Das Wort sensorium bedeutet strenggenommen nicht das Organ, sondern den Ort der Sinnesempfindung (not properly signify the Organ, but the Place of Sensation).“ (32) Im Übrigen habe Newton, um es zu wiederholen, nie gesagt, der Raum sei das sensorium Dei,

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sondern dass er aufgrund einer gewissen Ähnlichkeit mit dem Ort der Sinnesempfindung gleichnishaft das sensorium Dei genannt werden könne. In seinem Antwortschreiben wird Leibniz Anmerkungen aus dem „Dictionarium Philosophicum“ von Rudolf Goclenius zum Stichwort „sensiterium“ beibringen (vgl. 41), um zu beweisen, dass ein sensorium gemäß üblicher Bedeutung ein Organum Sensationis, ein Organ der Sinnesempfindung sei. Doch wie auch immer: Wichtiger ist ihm die erneute Bemerkung (vgl. 37f.), dass er es nach wie vor für abwegig halte, den Raum für ein absolutes Reales (reel absolu) zu erachten. Dies sei nicht nur physikalischer, sondern auch metaphysisch-ontotheologischer Unsinn mit aporetischen Konsequenzen: Denn ein Realität besitzender absoluter Raum müsste als ein ewig und unendlich Seiendes (étre Eternel et infini) behauptet und entweder mit Gott selbst oder mit dem Attribut seiner Unermesslichkeit (immensité) identifiziert werden, was denn auch einige Phantasten behauptet hätten. Dem sei entgegenzuhalten, dass der Raum, weil aus Teilen bestehend, etwas sei, was nicht zu Gott passe. Seine physikalische und theologische Absage an ein absolutes Raumkonzept verbindet Leibniz mit einer Skizze seiner eigenen Auffassung, wonach der Raum etwas rein Relatives sei, nämlich die Ordnung des Nebeneinanderbestehens (ordre des Coexistences) in dem Sinne, wie die Zeit die Relationsordnung des Nacheinander bzw. der Sukzessionsfolge (ordre de Successions) sei. Wenn man vom Raum spreche, bezeichne man damit die Simultaneität gemeinsam existierender Dinge, ohne nach der besonderen Manier des Existierens zu fragen. Immer wenn man mehrere Dinge im Existenzmodus der Gleichzeitigkeit beisammen sehe, stelle man ihre räumliche Anordnung fest. Weit davon entfernt, ein absolutes Seiendes zu sein, was nicht zuletzt dem Satz vom zureichenden Grund widersprechen würde, ist der Raum Leibniz zufolge nichts anderes als eine Bezugsordnung und unter Absehung von jedweder Körperlichkeit allein die abstrakte Bestimmung der Möglichkeit, Körper gleichzeitig nebeneinander anzuordnen. Ihn als einen leeren Container vorstellig zu machen und an sich selbst mit Realität und noch dazu mit absoluter auszustatten, sei Lug und Trug. Ebenso wenig wie die Zeit als die Ordnung der aufeinanderfolgenden Dinge sei der Raum etwas, was von existierenden Seinsgrößen abgehoben sei; er übe seine Ordnungsfunktion nur in Relation zu diesen aus. Die Differenz in der Raumfrage war damit Clarke und Newton gegenüber klar markiert. Das Ende des Disputs schien erreicht; doch Clarke ließ nicht locker. Alles ist in Gott, durch ihn und zu ihm geschaffen, heißt es im Brief des Apostels Paulus an die Kolosser im 1. Kapitel (V. 16). Darauf beruft sich Clarke, wenn er in seiner zweiten Entgegnung auf Leibniz schreibt, der Schöpfer, Erhalter und mit Vorsehung Regierende sei weder eine intelligentia mundana noch eine intelligentia supramundana, sondern „eine allgegenwärtige Intelligenz (Omnipresent Intelligence), und zwar innerhalb als auch außerhalb der Welt“ (35).

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Leibniz hielt in seiner Antwort an der Formulierung, Gott sei die intelligentia supramundana, fest, und verbat sich jeden Tadel an ihr; er fügte aber hinzu, dass, wenn man sage, Gott stehe über der Welt, keineswegs sein In-der-Welt-Sein geleugnet werde. Dem stimmt Clarke in seiner dritten Entgegnung unter dem Vorbehalt zu, dass es Leibniz mit seiner Erklärung ernst sei: Denn ohne sie wäre der Ausdruck „intelligentia supramundana“ „sehr dazu geeignet, einen zu der falschen Vorstellung zu verleiten, Gott sei nicht wirklich und seiner Substanz nach überall gegenwärtig (not really and substantially present every where)“ (49). Gott aber ist, so Clarke, realiter und substantialiter omnipräsent, wobei als Medium seiner Omnipräsenz der Raum fungiere. Der Raum sei seiner und Newtons Auffassung nach kein ewiges und unendliches Seiendes, sondern eine Eigenschaft bzw. eine Konsequenz der Existenz eines unendlichen und ewigen Wesens: „Der unendliche Raum ist die Unermeßlichkeit, aber die Unermeßlichkeit ist nicht Gott, und darum ist der unendliche Raum auch nicht Gott.“ (45. „Infinite Space is Immensity: But Immensity is not God: And therefore Infinite Space is not God.“) Was aber die angebliche Geteiltheit des Raumes angehe, von der Leibniz spreche, so betreffe diese nur einzelne Örtlichkeiten, die man Teilräume nennen könne, wohingegen der Raum an sich selbst unendlich und in seiner Unendlichkeit ein ungeteiltes Einziges, ja seinem Wesen nach vollkommen unteilbar sei: „One, absolutely and essentially indivisible“ (vgl. ebd.). Ihn als teilbar oder geteilt zu denken, laufe auf einen Widerspruch in sich und auf eine Auflösung des Gedankens der einen Welt hinaus, in seinem Bezug zu welcher Gott transzendent und immanent zugleich sei. Die folgenden Widerlegungsversuche der These, der Raum sei nichts weiter als die „Ordnung nebeneinanderbestehender Dinge (Order of things co-existing)“ (46), variieren dieses Grundargument. Leibniz lässt sich, wie zu erwarten, nicht überzeugen. Sein Antwortschreiben von Ende Mai 1716 auf Clarkes dritte Erwiderung von Mitte April des Jahres beweist dies. Den Raum zu einer absoluten Einheitsgröße jenseits differenzbestimmter Weltlokalitäten zu erklären, sei eine imaginäre Vorstellung, die gedanklich ebenso unhaltbar sei wie die Annahme einer Realität von absoluter Leere. Ein Vakuum könne in Teilen wirklich sein, nicht aber als ein unendliches Ganzes. „Wären Raum und Zeit etwas Absolutes, das heißt, wären sie etwas anderes als eine gewisse Ordnung der Dinge, so wäre das, was ich sage, ein Widerspruch. Aber weil es nicht an dem ist, widerspricht sich die Annahme [, daß der Raum und die Zeit etwas Absolutes seien,] selbst, das heißt, sie ist eine unmögliche Fiktion.“ (54) Die Replik zeigt, die Argumente sind ausgetauscht, neue nicht in Sicht; der Disput tritt auf der Stelle und kommt nicht mehr voran wie nicht nur die Detailscharmützel um die philologische Bedeutung von sensorium, sondern die im weiteren Fortgang des Disputs ausgetauschten Papiere insgesamt beweisen. In seinem vierten Schreiben von Mitte Juni 1716 wiederholt

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Clarke seine Auffassung, dass der Raum „der Ort aller Dinge und aller Ideen (the Place of All Things, and of All Ideas)“ (69) sei, so wie die Dauer als die Dauer aller Dinge und Ideen zu gelten habe. Erneut wehrt er sich gegen den Vorwurf, mit der These von der Absolutheit des Raums werde dieser zu Gott bzw. zu Gottes unmittelbarem Attribut oder Sinnesorgan und der Schöpfer zu einer Weltseele erklärt. Leibniz antwortet hierauf Mitte August 1716 sehr ausführlich, worauf gut zwei Monate später Clarkes fünfte Erwiderung erfolgt. Sie blieb unbeantwortet; am 14. November 1716 ist Leibniz im Alter von 70 Jahren in Hannover gestorben.

2.

Absoluter versus relativer Raum. Zum vorläufigen Ende des Disputs

Nach traditionellem Sprachgebrauch wird das Universum primär mit dem Begriff des Raumes assoziiert. Umgangssprachlich begegnet die synonyme Rede von Weltraum und Weltall bis heute. In Newtons Mechanik nimmt der Raum zusammen mit der Zeit eine absolute Stellung und im Verein mit der Materie, nach deren Gehalt sich die Masse eines physikalischen Körpers bestimmt, den Status eines physikalischen Fundamentalprinzips ein.9 Ihrem Selbstverständnis zufolge besteht die wesentliche Aufgabe mechanischer Physik darin, die örtliche Lage von Körpern und jene Lageveränderung im Raum zu beschreiben, welche die Zeitkategorie benennt. Bezeichnet die kinematische Mechanik die Lehre von 9 Zu Newtons Theorie des absoluten Raumes und zum relationalen Gegenkonzept von Leibniz vgl. zusammenfassend M. Jammer, Das Problem des Raumes, 102ff. bzw. 126ff. sowie die Ausführungen des französischen Wissenschaftshistorikers Alexandre Koyré, Von der geschlossenen Welt zum unendlichen Universum, Frankfurt a. M. 1969 (Pannenberg-Bibliothek Nr. 00066), 186ff. und 211ff. Zur Lehre von Gott und Raum des Cambridge-Platonisten Henry More, der großen Einfluss auf Newtons Konzeption hatte, vgl. 105ff. bes. 119ff. Bei More findet sich die Idee, den Raum von Materie ab- und „in den Rang eines Attributes Gottes (zu) erheben, eines Organs, in dem und durch das Gott seine Welt erschafft und erhält“ (142). Motiviert war die Ausbildung dieser Idee durch den Willen, sich von Descartes Annahme endloser Ausdehnung der materiellen Welt abzusetzen (vgl. 105ff.). Der der Moreschen Tradition entstammende Raumbegriff Newtons ist zugleich wesentlich dazu bestimmt, „zum Aufbrechen und Öffnen der auf Druck und Stoß beschränkten kartesischen Mechanik bei(zu)tragen“ (F. Linhard, a. a. O., 276): „Er ist gleichsam die Bühne, auf der die Schöpfung stattfindet, oder besser: Der Bereich, in dem Gott seiner Schöpfung nahe ist.“ (Ebd.) Nach Leibniz hingegen ist der Raum weder Organ noch gar eine Eigenschaft Gottes noch überhaupt eine für sich bestehende Realität, sondern die Koexistenzordnung bzw. das Verhältnis gleichzeitig existierender Entitäten, ohne welche der Raum reine Indifferenz, will heißen: absolut nichts wäre. Nur in Bezug auf die Dinge, die sich in ihm befinden, gewinnt er sein relatives Format als Messgröße für die Lage von Punkten bzw. den Ort ausgedehnter Körper. In großer systematischer Klarheit nachgezeichnet ist der Kontext von Leibnizens Raumtheorie bei L. Feuerbach, Darstellung, Entwicklung und Kritik der Leibnizschen Philosophie (1837), in: ders., Gesammelte Werke. Hg. v. W. Schuffenhauer, Bd. 3, Berlin 1981, bes. 72ff.

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den möglichen Bewegungen eines Körpers im Raum, so nimmt die Bewegungslehre in der Dynamik konkretere Gestalt an, sofern diese wirkliche Bewegungen im Zusammenspiel von träger Masse und wirkender Kraft zu erfassen sucht. In seiner 1687 erstmals erschienenen „Philosophiae naturalis principia mathematica“ hat Newton die Bewegungslehre und das System der theoretischen Mechanik zusammengefasst. Er macht deutlich, dass alle Einzelfälle von Körperbewegung Manifestationsmodi einer universell wirksamen Kraft sind, die zwischen materiellen Entitäten nach Maßgabe ihrer Masse waltet, wobei zwischen träger und schwerer Masse eines Körpers, wie sich später herausstellen sollte, Identität insofern vorauszusetzen ist, als die Beschleunigung eines fallenden Körpers proportional zu seiner schweren Masse zu- und proportional zu seiner trägen abnimmt. So komplex und hochdifferenziert die Darlegungen im Einzelnen sind, die strukturellen Voraussetzungen der Theoriebildung basieren auf der Annahme einfacher, will heißen: auf eine Grundkraft reduzierbare Kräfte, die zwischen Objekten walten, deren Identität unveränderlich und damit ihrerseits einfach ist. Auf die Gewährleistung der Einfachheit der mechanischen Bewegungskräfte, die zwischen identischen Objekten walten, sind auch Newtons Begriffe von Raum und Zeit abgestellt, denen er Absolutheit und prinzipielle Gleichheit mit sich attestiert, um so die Einheit der Welt und mit ihr diejenige des Systems der Mechanik zu behaupten. Weil er alle Weltgegenstände in sich aufzunehmen bzw. als ein Behälter von unbegrenzter Fassungskraft in sich zu enthalten vermöge, garantiere der absolute Raum ihren örtlichen Zusammenhang und mit der Einheit ihres Nebeneinanders die Einheit der Welt. Um diese Funktion erfüllen zu können, müsse der Raum absolut, homogen und isotroph und an sich selbst nicht differenzbestimmt, sondern vermöge seiner Natur identisch und von steter, unbewegter und unbeweglicher Einheit sein. Diese Annahme stellt nach Newton die unverzichtbare Prämisse eines physikalischen Verständnisses der Bewegung dar, weil ohne das einheitliche Bezugssystem eines absoluten Raumes deren Gleichförmigkeit etc. unerfindlich bliebe. Um Bewegung stimmig erklären zu können, müsse der Raum seinem Wesen nach als immer gleich, absolut und ohne Relation zu irgendeinem Externen gedacht werden. Nicht, dass Newton keinen Begriff von relativer Räumlichkeit gehabt hätte; aber der relative Raumbegriff benennt lediglich das Maß im Sinne einer veränderbaren Dimension oder Region des absoluten Raumes und setzt dessen Absolutheit voraus, um messfähig zu sein. Von einer numerischen Einheit von relativem und absolutem Raum könne daher keine Rede sein. Der absolute Raum ist die Vorbedingung des relativen und die Prämisse des Funktionierens von Ortsbemessungen, wobei seiner Absolutheit nicht lediglich ideelle Bedeutung im Sinne eines bloßen Gedankenkonstrukts, sondern eine Realität zuzu-

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erkennen sei, die mit der Wirklichkeit des ens necessarium zwar nicht gleichzusetzen, aber für die Weltwirksamkeit Gottes doch grundlegend sei. In diesem Sinne könne der unendliche Raum in seiner Absolutheit als Medium der AllGegenwart des Schöpfergottes in seiner Schöpfung und, wenn man so wolle, als sensorium Dei verstanden werden. Damit ist noch einmal zusammenfassend die Position bezeichnet, die Samuel Clarke in seiner Eigenschaft als einer der Hauptrepräsentanten der englischen theologia rationalis seiner Zeit im Sinne Newtons und wohl auch mit dessen tätiger Mithilfe in der Kontroverse mit Leibniz unbeugsam vertreten hat. Am eindrucksvollsten bestätigen dies die beiden letzten Briefe, die er an seinen Kontrahenten geschrieben hat. Der Raum ist nicht körperlich begrenzt, sondern in seiner Unbegrenztheit von Körpern frei und insofern leer. Doch bezeichne er in seiner Leere „kein Attribut ohne Subjekt (not an Attribut without a Subject)“ (65), sondern die „Eigenschaft einer unkörperlichen Substanz (the Property of an incorporeal Substance)“ (64), nämlich derjenigen Gottes in seinem elementarsten Weltbezug. Zwar sei der Raum nicht an sich selbst von göttlicher Substanz und in seiner Unermesslichkeit von der immensitas Dei unterschieden. Als durch Gott verursacht ist er aber seiner Schöpferwirklichkeit dennoch aufs Engste verbunden, weil der Schöpfer in seiner Schöpfung nicht omnipräsent sein könnte ohne ihn. Die All-Gegenwart Gottes und seine Ubiquität in der Welt sind nicht denkbar ohne den absoluten Raum. Zwecks Absicherung seiner Argumente wiederholt und bekräftigt Clarke in seinem fünften Schreiben bereits Gesagtes in epischer Breite. Um nur noch eine Textprobe zu geben: „Gott existiert nicht im Raum und in der Zeit, sondern seine Existenz verursacht (causes) den Raum und die Zeit. Wenn wir gemäß der üblichen Redeweise sagen, daß er in jedem Raum und zu jeder Zeit existiere, so meinen diese Worte nur, daß er allgegenwärtig und ewig ist, das heißt, daß der unbegrenzte Raum und die unbegrenzte Zeit notwendige Folgen (necessary Consequences) aus seiner Existenz sind. Diese Worte meinen aber nicht, daß der Raum und die Zeit von ihm getrennte Dinge seien, IN denen er existiere (IN which he exists).“ (135) Auch wenn der absolute Raum und die absolute Zeit zu notwendigen Konsequenzen des Schöpfungswillens Gottes erklärt würden, heiße dies nicht, dass der Schöpfer seine Schöpfung gezwungenermaßen geschaffen habe. In der von Clarke besorgten Edition seines Briefwechsels mit Leibniz ist das eben zitierte fünfte Schreiben mit dem Postskriptum versehen, der Tod habe den Adressaten an einer Antwort gehindert. Der Sache nach war sie ohnehin bereits erfolgt und zwar ebenfalls in besonderer Ausführlichkeit, nämlich in dem fünften und letzten Leibniz-Schreiben von Mitte August 1716. Raum und Zeit, so wird erneut gesagt, gibt es nicht als absolute Größen, sondern nur als Ordnungsrelationen von Entitäten, wobei der Raumbegriff die grundlegende Koexistenz-

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ordnung der Dinge, der Zeitbegriff ihre Ordnung bezeichne, gemäß welcher sie nicht simultan und zeitinvariant koexistieren, sondern ungleichzeitig und in einem Nacheinander beisammen sind. Gemäß der Zeitordnung hat Veränderung statt, wohingegen nach Maßgabe der Ordnung des Raumes die Dinge in einem stetigen Nebeneinander verharren. „Ich habe gezeigt“, schreibt Leibniz an Clarke, „daß der Raum nichts anderes als eine Ordnung für die Existenz der Dinge ist, die sich bei ihrer Gleichzeitigkeit (simultaneité) beobachten läßt. Also kann die Fiktion von einem endlichen materiellen Universum, das sich in einem unendlichen leeren Raum als Ganzes herumbewegt nicht anerkannt werden. Sie ist ganz und gar unvernünftig und unbrauchbar. Nämlich abgesehen davon, daß es keinen wirklichen Raum außerhalb des materiellen Universums gibt, wäre eine solche Tätigkeit zwecklos, man würde arbeiten ohne irgend etwas zu tun, agendo nihil agere. Es würde keine Veränderung eintreten, die von jemandem, wer auch immer er sein mag, beobachtet werden könnte. Dies sind Vorstellungen von Philosophen, die nur unvollständige Begriffe besitzen und die den Raum für eine absolute Realität (une realité absolue) halten.“ (85f.) Der Raum, fährt Leibniz fort, ist keine absolute, sondern eine relative Größe und losgelöst von konkreten Ortsbezügen ein bloßes Gedankenkonstrukt und ein abstraktes Ideal, das ins Vorstellungshafte gewendet imaginäre Assoziationen mit sich führe, wie etwa die Annahme eines Raumes außerhalb der Welt, in das sich, wie man hinzufügen möchte, das Universum beständig ausdehnt, oder diejenige eines leeren Raumes innerhalb der Welt, die nicht minder abwegig sei. Auch der Luftpumpenversuch von „Monsieur Guericke in Magdeburg“ (87), der in einer Kupferkugel ein Vakuum habe herstellen wollen, kann Leibniz von seiner Auffassung nicht abbringen. „Man tut so, als ob es in diesem Behälter wirklich das vollkommene Leere gebe oder zumindest teilweise den Raum ohne Materie.“ (Ebd.) Dies aber treffe nicht zu: Ein absolutes Vakuum gebe es ebenso wenig wie einen absoluten Raum; Raum könne den Dingen „nur als die Form ihres Zusammenseins zugeschrieben“10 werden: Er „ist kein Ansichseieindes, sondern die Struktur einer materiellen Vielheit, die ihrerseits das eigentliche substantielle Ansich im sich selbst beschränkenden Wesen der ursprünglichen Kraft besitzt“11. Bezogen auf die Vielheit der Dinge, deren geordnetes Nebeneinander sie benennt und auf einen einheitlichen Begriff bringt, hat die Raumidee ihre Richtigkeit und ihre unverzichtbare Bedeutung; losgelöst aber von diesem Bezug und absolut genommen sei sie nichts als ein bloßes Abstraktionsgebilde ohne Anspruch auf Realität. 10 H. H. Holz, Gottfried Wilhelm Leibniz, Frankfurt/New York 1992, 132. 11 Ebd. Zu Leibnizens Prinzip der Identität und des zureichenden Grundes vgl. 30ff.; zum Kräftebegriff und zu den Begriffen von Substanz und Monade als einer „Einheit von Substantialität und Strukturalität“ (116) vgl. 94ff.

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Real ist der Raum nach Leibniz nur im Nebeneinander realexistierender Seinsgrößen, nicht außerhalb oder vor ihnen. Ohne Entitäten, denen er Ort und Lage zumisst, gibt es den Raum nicht; er ist kein körperloses Gebilde, sondern er ist, was er ist, in, mit und unter Körpern und ihrer Lokalität.12 Summa summarum: „ich entdecke in der achten Definition der ‚Mathematischen Prinzipien der Physik‘ und in dem zugehörigen Scholium nichts, was die Wirklichkeit des Raumes an sich beweist oder beweisen kann.“ (98) Er, Leibniz, behaupte nicht, „daß die Materie und der Raum ein und dasselbe seien. Ich sage nur, daß es dort keinen Raum gibt, wo es keine Materie gibt, und daß der Raum an sich keine absolute Realität ist. Raum und Materie unterschieden sich wie Zeit und Bewegung. Jedoch erweisen sich diese Dinge, obwohl sie voneinander verschieden sind, als voneinander nicht trennbar.“ (102) Der Raumbegriff als Inbegriff aller möglichen Verhältnisse simultan koexistierender Entitäten ist nach Leibniz Ausdruck der Einheit von materiellen Lokalitätsbezügen überhaupt. Er erfüllt wie der Begriff der Zeit als Inbegriff aller möglichen Sukzessionsverhältnisse von Gegebenheiten nicht lediglich die Funktion einer Anschauungsform, deren Sinn und Zweck lediglich im anschauenden Subjekt begründet liegen würde. Beiden, Raum und Zeit, eignet realontologische Bedeutung „als Strukturen des Verhältnisses der materiell Ansichseienden zueinander, als Produkte des bewegten materiellen Seins“13. Gleichwohl weigert sich Leibniz, dem Raum und entsprechend der Zeit den Status eines Ansichseienden losgelöst vom Bezug auf materielle Entitäten und, wie man hinzufügen darf, losgelöst vom wechselseitigen Bezug aufeinander zuzuerkennen. Raum und Zeit sowie die Materie als dritte Konstitutionsgröße des Systems der Mechanik sind nach Leibniz keine absoluten Seinsgrößen und zwar deshalb nicht, weil ihr Sein ohne wechselseitige Relation nicht zu erfassen ist. Inbegriff ihrer Wechselverhältnisse ist dasjenige, was er Kraft nennt, deren extentionale Ausbreitung und intentionale Konzentration das Universum wirklich sein und bleiben lässt, indem es die monadologische Grundordnung des Makround des Mikrokosmos bildet. Was schließlich den Schöpfer, Erhalter und Lenker der Welt betrifft, so ist nach Leibniz er es, der das Kraftfeld der kosmischen Ordnung erzeugt hat, um es durch sein beständiges Wirken zu bewahren und kräftig fortzuführen. Im Prinzip sei nichts dagegen einzuwenden, den Weltraum ein Wirkfeld göttlicher Kraft zu nennen und die Fülle der Möglichkeiten, die er realiter in sich berge, in Zusammenhang zu bringen mit der immensitas Dei. Gleichwohl liege ihm, Leibniz, daran, zu betonen, dass der Raum und die Unermesslichkeit Gottes „nicht ein 12 Zu impliziten abendmahlstheologischen Bezügen des Raumdisputs vgl. F. Linhard, a. a. O., 44ff. sowie 264ff. 13 H. H. Holz, a. a. O., 134.

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und dasselbe seien“ (89). Auch müsse der, wie es heißt, befremdlichen Vorstellung widersprochen werden, „daß der Raum eine Eigenschaft Gottes sei“ (90). Wäre der der Welt zugemessene Raum mit Gottes Unermesslichkeit identisch, dann würde er als Gottes Attribut mit dem göttlichen Wesen selbst in eins gesetzt und die Geschöpflichkeit des Raumes als des weiten Felds des Alls stünde in Frage. „Der unendliche Raum ist nicht die Unermeßlichkeit Gottes“ (91), so wie die immerwährende Zeit nicht Gottes Ewigkeit ist. In diesem Punkt immerhin war man sich einig, sofern ausdrücklich auch Clarke zwischen der immensitas Dei und dem absoluten Raum unterscheiden und dessen Kreatürlichkeit betonen wollte. Gott hat den Raum wie alles geschaffen, was er nicht selbst ist; dieser gehöre der Gottheit Gottes nicht unmittelbar an, aber er diene ihm als Medium seiner All-Gegenwart. Nichts anderes besage die Newtonsche Wendung vom Raum als sensorium Dei und Medium göttlicher Omnipräsenz. Halte man sich von „bloße(r) Wortklauberei (quibbling upon Words)“ (142) fern, müsste Verständigung zumindest in dieser Hinsicht möglich sein. Tatsächlich erreicht wurde sie nicht, weil die Akteure, wie oft im akademischen Disput, sich im Grunde damit begnügten, die von Anfang an eingenommenen Positionen unter wechselnden Aspekten zu reproduzieren. Wenn daher die gegebene Darstellung der Leibniz-Clarke-Debatte zum Schluss den Eindruck einer häufigen Wiederholung des Gleichen hinterlässt, spricht das nicht gegen, sondern für ihre Richtigkeit.

3.

Weites Feld. Zur Systematik und Kriteriologie von Pannenbergs Disputrezeption

Nach Hermann Cremer, der seit 1870 in Greifswald Systematische Theologie lehrte und 1897 eine kleine Schrift zur christlichen Lehre von den Eigenschaften Gottes publiziert hat, entsprechen diese „der Summe der Beziehungen, welche das Verhältnis Gottes zu uns einschließt, bilden aber nicht selbst eine Summe, die im Wege der Addition das Wesen Gottes ergäbe, weil keine von ihnen etwas besonderes, zu den andern Hinzukommendes ist“14. Den Beziehungen, welche das Verhältnis Gottes zu uns in schöpfungstheologischer Hinsicht enthalte, seien Prädikate wie Allmacht, Immensität und Omnipräsenz sowie Ewigkeit zuzuordnen, welche die Unendlichkeit des Schöpfergottes hinsichtlich des Endlichen in Bezug auf Wirksamkeit, Raum und Zeit geltend machten. Diese Bezeichnungen blieben aber so lange abstrakt, als sie nicht durch den biblischen Zentralgedanken der Gerechtigkeit des ewigen, allgegenwärtigen und allmächtigen 14 H. Cremer, Die christliche Lehre von den Eigenschaften Gottes. Unveränderter Nachdruck der Ausgabe v. 1897. Hg. v. H. Burkhardt, Giessen/Basel 1983, 19f.

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Gottes konkretisiert und auf das Rechtfertigungsgeschehen bezogen würden, von dem das Evangelium göttlicher Gnade, das Jesus Christus in Person sei, in der Kraft des Heiligen Geistes künde, damit das Wesen Gottes samt allen Eigenschaften als reine Liebe offenbar werde, in welcher die Gerechtigkeit in vollkommener Weise Genüge getan sei. Unter diesem Vorbehalt kann Cremer eigens von den von seiner Allwissenheit umfangenen Attributen Gottes handeln, die nach seinem Urteil im Gottesbegriff selbst enthalten und für das göttliche Schöpfungswirken kennzeichnend seien. Allmacht bezeichne das erhabene Vermögen, über den Weltzusammenhang in Natur und Geschichte zu herrschen, Allgegenwart sowie Ewigkeit die immense Fähigkeit, jedem Raum und allen Zeiten immanent zu sein und zugleich ihre Schranken und Grenzen zu transzendieren, Allwissenheit schließlich die bewusste und willentliche Anteilnahme an der Menschheits- und Weltgeschichte mit dem Ziel, sie der eschatologischen Vollendung zuzuführen.15 Nach Wolfhart Pannenberg stellt Cremers Schrift zur Lehre von den Eigenschaften Gottes den „bedeutendsten Beitrag … der neueren Theologie“16 zum Thema dar. Begründet wird dieses Urteil hauptsächlich mit der Zentralstellung des Begriffs des Handelns Gottes in ihr. Sie habe es Cremer ermöglicht, die Aussagen über Eigenschaften Gottes nicht, wie in der Tradition üblich, allein „auf die Funktionen Gottes als erster Ursache der Welt“ (398) zu gründen, sondern aus dem Zusammenhang seines ökonomischen Wirkens in Natur und Geschichte heraus zu gewinnen. Auch wenn er seinen Neuansatz „mehr angedeutet als im einzelnen aufgewiesen“ (399) und seinen Handlungsbegriff theologisch nicht hinreichend bestimmt habe, sei Cremers Absicht, die Lehre von den Eigenschaften Gottes nicht lediglich aus der „Beziehung der geschöpflichen Wirkungen zu ihrer göttlichen Ursache“ (ebd.), sondern aus dem geschichtlichen Offenbarungshandeln Gottes heraus zu erschließen, zukunftsweisend gewesen. Allerdings müsse neben der nötigen Präzisierung des theologischen Handlungsbegriffs noch genauer die trinitarische Grundlage göttlicher Offenbarungsökonomie herausgearbeitet werden, damit der Zusammenhang der göttlichen Eigenschaften mit dem Wesen Gottes und die differenzierte Einheit deutlich werde, in welcher die drei Personen der Gottheit handelnd zusammenwirkten, damit die gefallene Schöpfung mittels des Versöhnungsgeschehens der Vollendung zugeführt werde. 15 Der Eigenschaftsreihe von Allmacht, Allgegenwart und Ewigkeit sowie Allwissenheit korrespondiert diejenige von Heiligkeit, Gerechtigkeit und Weisheit. Zum Verhältnis beider Reihen, in denen sich die Beziehung von allgemeiner und trinitarischer Gotteslehre reflektiert, vgl. aus barthianischer Sicht W. Krötke, Gottes Klarheiten. Eine Neuinterpretation der Lehre von Gottes „Eigenschaften“, Tübingen 2001, 73ff. 16 W. Pannenberg, Systematische Theologie. Bd. 1, Göttingen 1988, 398. Die nachfolgenden Seitenverweise im Text beziehen sich hierauf.

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In einem einführenden Bericht zu Pannenbergs Systematischer Theologie habe ich in Grundzügen beschrieben, wie zum einen die Beziehung von Dasein und Wesen Gottes und zum anderen diejenige von Wesen und Eigenschaften bestimmt und das Problem des Verhältnisses von Gottes Weltimmanenz und Welttranszendenz gelöst werden soll.17 Aktionszentren göttlichen Handelns sind Pannenberg zufolge die trinitarischen Personen. Nichtsdestoweniger hat ihr Handeln kraft der wesenseinigen Beziehung, die zwischen ihnen waltet, als einig und eins zu gelten dergestalt, dass die göttlichen Eigenschaften, die sich aus den ökonomischen Handlungsvollzügen ergeben, nicht nur von den göttlichen Hypostasen, sondern von dem ihnen gemeinsamen Wesen und mithin vom einen Gott zu prädizieren sind. Dies muss im gegebenen Zusammenhang nicht weiter ausgeführt werden. Es mag der Hinweis genügen, dass wie im Akt der Versöhnung und Vollendung bereits im Akt der Schöpfung Gott in seiner Dreieinigkeit am Werke ist mit der Folge, dass auch die Eigenschaften, die sich aus dem Schöpfungs-, Erhaltungs- und Lenkungshandeln Gottes ergeben, trinitarisch zu bestimmen sind. Zwar werde das Werk der creatio, der conservatio und der gubernatio eine charakteristische proprietas Patris genannt, doch sei durch diesen Hinweis die ungeteilte Mitwirkung der zweiten und dritten göttlichen Person am ersten der göttlichen opera ad extra nicht eingeschränkt. Pannenberg exemplifiziert diesen traditionellen Gedanken vorzugsweise in Bezug auf die göttliche Rede vom Schöpfergeist, die er an entscheidender Stelle mit dem „in der Nachfolge der stoischen Pneumalehre entwickelten Feldtheorien der modernen Physik“ (414) in Verbindung bringt, um diese Verbindung sodann für das Verständnis sowohl der innertrinitarischen Personbeziehungen des dreieinigen Gottes als auch für dasjenige seiner Wesenseigenschaften fruchtbar zu machen, die sich aus der Ökonomie göttlichen Handelns nach außen ergeben. Als Leitbegriff der Pannenbergschen Lehre von den Attributen Gottes fungiert der Begriff der Unendlichkeit, der allerdings der Näherbestimmung durch den Heiligkeitsbegriff bedürfe, um angemessen zu sein. Unter dieser Voraussetzung ließen sich Ewigkeit, Allmacht und Allgegenwart „als konkrete Manifestationen der Unendlichkeit Gottes unter den Gesichtspunkten der Zeit, der Kraft und des Raumes verstehen“ (430). Der im Sinne einer Theologie der Heiligkeit Gottes und seines Geistes zu gebrauchende Begriff der Unendlichkeit, als dessen konkrete Manifestationen Ewigkeit, Allmacht und Allgegenwart zu gelten hätten, sei „nicht primär als Schrankenlosigkeit“ (ebd.) oder als dem Endlichen alternativ entgegengesetzt, sondern so zu bestimmen, dass er den Unterschied seiner selbst zum Endlichen in sich begreift. Wäre das Unendliche durch die Grenze zum Endlichen bestimmt, dann müsste es am Endlichen sein Ende finden und wäre somit selbst endlich und nicht wahrhaft unendlich. Das wahrhaft Unendliche 17 Vgl. G. Wenz, Wolfhart Pannenbergs Systematische Theologie, 71ff., bes. 81ff.

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übergreift den Unterschied zu dem, was es nicht unmittelbar selbst ist, und fasst das Endliche so in sich, dass es dieses als Endliches in schöpferischer Freiheit aus sich zu entlassen und sein zu lassen vermag. Eben dies bringe nach Pannenberg der „Gedanke der Heiligkeit Gottes und das Verständnis des Wesens Gottes als Geist“ (433) zum Ausdruck, die für den Begriff der göttlichen Unendlichkeit kennzeichnend seien. Beide theologische Annahmen würden namhaft machen, „daß für den transzendenten Gott selbst eine Lebensbewegung charakteristisch ist, die ihn ausgreifen läßt auf das von ihm Verschiedene, um ihm Anteil zu geben an seinem eigenen Leben“ (ebd.) und zwar als einem vom eigenen Leben Verschiedenen. Indem „Gott das Dasein des Endlichen als von ihm selber verschieden hervorbringt“ (ebd.), lässt er es als es selbst sein, um es in seinem gottunterschiedenen und darin endlichen Selbstsein zu erhalten, zu bewahren und zu vollenden. Mit dem Begriff des wahrhaft Unendlichen ist die trinitätstheologische Grundstruktur der gesamten Lehre Pannenbergs von den Eigenschaften Gottes entwickelt. „Der Gedanke der Ewigkeit, der der Zeit nicht nur entgegengesetzt, sondern zugleich positiv auf sie bezogen ist und sie in ihrer Totalität umfaßt, bildet eine geradezu paradigmatische Veranschaulichung und Konkretisierung der Struktur des wahrhaft Unendlichen, das dem Endlichen nicht nur entgegengesetzt ist, sondern diesen seinen Gegensatz zugleich umgreift. Die Vorstellung einer der Zeit nur entgegengesetzten, zeitlosen Ewigkeit entspricht dagegen dem schlecht Unendlichen, das in seinem Gegensatz zum Endlichen nur als ihm gegenüber anderes bestimmt ist und sich so selber als endlich erweist.“ (441) Entsprechendes gilt für die göttliche Allgegenwart: Durch sie räumt der unermessliche Gott allem, dem er gegenwärtig ist, einen Daseinsort nach je eigenem Maß ein, um Platzhalter der Kreatur und namentlich des Menschengeschöpfs sowie derjenige zu sein, der den Raum des einzelnen Endlichen um dessen Vollendung willen erfüllt. Analog verhält es sich schließlich mit der göttlichen Allmacht; diese darf unter keinen Umständen mit der unmittelbaren Selbstbestimmung und Selbstdurchsetzung einer vermeintlichen potentia absoluta verwechselt werden, die in unbeherrschter Willenswillkür nach reinem Blieben agiert, was auf abgründige Weise verkehrt und der Gottheit Gottes von Grund auf zuwider ist. Die Allmacht des trinitarischen Gottes ist in Wahrheit das gerade Gegenteil willkürlicher Herrschaft und auf die Aufhebung von Knechtschaft in einem Reich der Liebe angelegt, in der Gott so alles in allem sein wird, dass er jedem je nach seiner Art eine unveräußerliche Stellung in seiner Unendlichkeit bereiten wird. Richtig und dem dreieinigen Gott gemäß kann der Begriff der göttlichen Allmacht nur gedacht werden „als die Macht der göttlichen Liebe, also nicht als Selbstdurchsetzung irgendeiner partikularen Instanz gegen das ihr Entgegenstehende. Allmächtig ist nur diejenige Macht, die das ihr Entgegenstehende in seiner Besonderheit – also gerade in seinen Grenzen – bejaht, und zwar uneingeschränkt,

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unendlich bejaht, so daß sie ihrem Geschöpf die Chance eröffnet, in der Annahme der eigenen Grenze über sie hinaus zu sein und so selber der Unendlichkeit teilhaftig zu werden.“ (456) Pannenbergs Attributenlehre erfüllt sich daher folgerichtig in der Lehre von der göttlichen Liebe und ihren Eigenschaften; ohne sie und ihre Konkretionen der „Güte, Barmherzigkeit, Gnade und Huld, ferner Gerechtigkeit und Treue, Weisheit und Geduld“ (466) müsste abstrakt bleiben, was über die göttliche Ewigkeit, Allgegenwart und Allmacht zu sagen ist. Was das Verhältnis der Gottesattribute Ewigkeit, Allgegenwart und Allmacht und die Reihenfolge betrifft, in der sie behandelt werden, so ist der Prioritätsstatus der Ewigkeit als der konkreten Manifestation der Unendlichkeit Gottes unter dem Gesichtspunkt der Zeit eindeutig, wohingegen die Stellung der göttlichen Eigenschaften Allgegenwart und Allmacht und damit auch der Aspekte Raum und Kraft als materiale Wirkenergie wechseln kann. Begründet wird die Entscheidung, von der göttlichen Ewigkeit an erster Stelle zu handeln, u. a. mit dem Argument, dass der Gedanke der Kopräsenz der Zeiten im ewigen Gott die Voraussetzung des Gedankens seiner Allgegenwart (vgl. 444) und der Begriff der Gleichzeitigkeit die Prämisse des Raumbegriffs überhaupt sei. Doch verkennt Pannenberg die relativitätstheoretische Schwierigkeit, welche der Gleichzeitigkeitsbegriff aufwirft, ebenso wenig wie die physikalischen Probleme, das Verhältnis von Zeit, Raum und Kraft als Abfolge zu bestimmen. Am ehesten dürfte der konsekutive Gesichtspunkt und damit die relative Vorrangstellung der Zeit, unter Rücksicht auf welche von der Ewigkeit als einer konkreten Manifestation göttlicher Unendlichkeit zu reden ist, durch den Verweis auf die dynamische und evolutive Hinordnung aller Kreaturen und der lebendigen zumal auf Künftiges zu plausibilisieren sei. Tatsächlich ist es der Zukunftsaspekt, den Pannenberg in seiner Lehre von der Ewigkeit Gottes und bekanntlich nicht nur in ihr programmatisch hervorhebt, jedoch mit dem Skopus, dass „der ewige Gott keine Zukunft vor sich (hat), die von seiner Gegenwart unterschieden wäre. Eben darum bleibt ihm auch das Gewesene gegenwärtig. Gott ist ewig, weil er keine Zukunft außer sich hat, sondern die Zukunft seiner selbst und alles von ihm Verschiedenen ist. Keine Zukunft außer sich zu haben, sondern selber die Zukunft seiner selbst zu sein, das ist aber eine Umschreibung vollkommener Freiheit. Insofern ist der ewige Gott als absolute Zukunft – in der Gemeinschaft von Vater, Sohn und Geist – der freie Ursprung seiner selbst und seiner Geschöpfe.“ (443) Als die Zukunft seiner selbst ist der ewige, alle Zeiten in sich befassende Gott, zugleich der Allgegenwärtige. „Daher folgt“, wie Pannenberg sagt, „aus der Ewigkeit Gottes seine Allgegenwart“ (444): „Während aber zur Ewigkeit Gottes gehört, daß alle Dinge ihm gegenwärtig sind und bleiben, legt die Behauptung der Allgegenwart Gottes den Akzent darauf, daß Gott allen Dingen auch am Ort ihres eigenen Daseins gegenwärtig ist …“ (Ebd.) In der Abfolge von göttlicher Ewigkeit und Allgegenwärt reflektiert sich also, wenn man so will, innerhalb der Eigen-

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schaftslehre das Verhältnis von Schöpfer und Geschöpf, deren innige Einheit in ihrer Unterschiedenheit zu unterstreichen das Ziel der Argumentation darstellt. Was aber den Gedanken der Simultaneität und damit die momentane Prioritätsstellung des Ewigkeitsgedankens betrifft, so wird er primär theologisch und erst sekundär mit physikalischen Argumenten begründet. Der ewige Gott gewährleistet jene absolute Gleichzeitigkeit, welche die Bedingung der Möglichkeit dafür ist, mittels des Gedankens göttlicher Allgegenwart einen einheitlichen Raumbegriff zu fassen, der seinerseits für den Begriff der Kraft unverzichtbar ist, unter dessen Aspekt von der Allmacht Gottes zu handeln ist. Es ergibt sich: „Allmacht und Allgegenwart hängen untereinander und mit der Ewigkeit Gottes auf das engste zusammen. Wie ihm in seiner Ewigkeit alle Dinge gegenwärtig sind und er ihnen gegenwärtig ist, so ist er eben dadurch auch aller Dinge mächtig.“ (449) Man wird sich also vor „einer allzu künstlichen Verteilung der Darstellung der göttlichen Eigenschaften“ (445) zu hüten und das Verhältnis der Attribute göttlicher Ewigkeit, Allgegenwart und Allmacht als einen differenzierten Zusammenhang zu betrachten haben, der Unterscheidungen erlaubt, aber Trennungen nicht zulässt. In der Unendlichkeit des trinitarischen Gottes sind Ewigkeit, Allgegenwart und Allmacht zwar keineswegs einfachhin indifferent, aber dennoch wesentlich eins. Dass dies, wenngleich auf kategorial andere Weise, nach Maßgabe aktueller Theoriebildung auch für die physikalischen Begriffe von Zeit, Raum und Kraft gilt, darf als Zeichen denkbarer „Konsonanz“18 theologischer und naturwissenschaftlicher Urteilsbildung gewertet werden. Das Thema Gott und Raum wird in der Lehre von den Eigenschaften Gottes insbesondere im Kontext des Attributs der Allgegenwart Gottes verhandelt. Hier ist denn auch der systematische Ort, wo in Pannenbergs „Systematischer Theologie“ der Disput zwischen Leibniz und Clarke in Form eines Exkurses erörtert wird (vgl. 446f.). Begriffliche Differenzierungen werden vorausgeschickt. Betone der Begriff der Allgegenwart die Präsenz Gottes in seiner Schöpfung am Ort des je eigenen Daseins jeder Kreatur und damit die göttliche Weltimmanenz, so gehe darüber doch seine Welttranszendenz nicht verloren, wie der Begriff der Unermesslichkeit, der immensitas Dei sie hervorhebe. „Unermeßlichkeit und Allgegenwart Gottes müssen als ein einheitlicher Sachverhalt verstanden werden. Gerade als der seine ganze Schöpfung unermeßlich Übersteigende ist Gott auch dem geringsten seiner Geschöpfe noch gegenwärtig.“ (445) Die Momente der Immanenz und der Transzendenz sind sonach eigenschaftstheologisch zusammenzudenken, „wie es dem Kriterium des wahrhaft Unendlichen entspricht“ (ebd.). Was aber den Modus der das All und alles in ihm erfüllenden und zugleich überstei18 W. Pannenberg, Gott der Schöpfung und Naturwissenschaft, in: ders., Natur und Mensch – und die Zukunft der Schöpfung, Göttingen 2000 (Beiträge zur Systematischen Theologie Bd. 2), 30–42, hier: 32.

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genden omnipraesentia Dei anbelangt, so erinnert Pannenberg daran, dass sie in der Dogmatik der altprotestantischen Orthodoxie als wesentliche adessentia Dei, also als wirkliche Gegenwart Gottes bei den Geschöpfen gedacht wurde. Abgewiesen worden sei hingegen der Gedanke einer punktuell an bestimmte Orte gebundenen oder einer im Weltraum ausgedehnten oder sich ausbreitenden Präsenzweise. Gott ist weder ausgedehnt noch ortsgebunden, sondern ubiquitär dergestalt, dass er dem Raum und allen Orten seiner Präsenz zugleich immanent und transzendent ist. „Gottes Gegenwart durchdringt … und umgreift alle Dinge.“ (Ebd.) Pannenberg bringt diesen Grundgedanken seiner Lehre von der Allgegenwart des unermesslichen Gottes mit der Vorstellung eines alles durchdringenden und alles umgreifenden Kraftfelds in Verbindung, welche Vorstellung auch im Zusammenhang seiner Lehre von der Ewigkeit und Allmacht Gottes und der sie begründenden Unendlichkeitslehre begegnet. In seiner wahren Unendlichkeit sei Gott im Sinne der biblischen Rede vom Geist „als schöpferische, belebende Dynamik zu verstehen“ (413f.). Er, der unendlich wirksame Geist, habe als das „Kraftfeld der machtvollen Gegenwart Gottes“ (414 unter Verweis auf Ps 139,7) zu gelten. Damit ist der Schlüsselbegriff benannt, der einen definitiven Einblick in die Systematik und Kriteriologie von Pannenbergs Rezeption des Clarke-LeibnizDisputs eröffnet.

4.

Die Allgegenwart des unermesslichen Gottes im Raum nach Pannenberg

Der physikalische Feldbegriff ist wesentlich von Michael Faraday (1791–1867) geprägt worden und zwar im Zusammenhang seiner Forschungen zu Elektrizität und Magnetismus. Sie veranlassten ihn dazu, das Verhältnis von Körper und Kraft neu zu fassen. Statt den Begriff der Kraft auf denjenigen des Körpers und seiner trägen Masse zu reduzieren, betrachtete er „die Körper selbst als Erscheinungsformen von Kräften, die ihrerseits nun nicht mehr als Eigenschaften von Körpern, sondern als den körperlichen Erscheinungen vorgegebene, selbstständige Realitäten aufgefaßt wurden. Diese wurden jetzt als raumfüllende Felder vorgestellt, um die Schwierigkeiten des Gedankens einer über Distanzen hinweg wirkenden Kraft zu vermeiden, und Faraday hoffte, daß sich alle Kraftfelder auf letztlich ein einziges, umfassendes Kraftfeld zurückführen lassen.“19 19 W. Pannenberg, Systematische Theologie. Bd. 2, Göttingen 1991, 100. Die nachfolgenden Seitenverweise im Text beziehen sich hierauf. Vgl. zum Folgenden auch G. Wenz, Schöpfung. Protologische Fallstudien, Göttingen 2013, 265ff.: Gottes Schöpfungshandeln und die Welt der Geschöpfe nach W. Pannenberg sowie 334ff.: Die ersten Tage der Schöpfung: Physikali-

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Dass diese Hoffnungen auch metaphysisch-theologisch motiviert waren (vgl. 100 Anm. 204), überrascht in Anbetracht der „antireligiösen Implikationen der Reduktion des Kraftbegriffs auf den des Körpers und seiner trägen Masse“ (100) nicht. Nachdem Faradays physikalischer Kraftfeldbegriff im Zuge der Elektromagnetismustheorie James Clerk Maxwells weiter präzisiert worden war, entwickelte er sich zu einem der Leitbegriffe moderner Physik und ihrer grundlegenden Theoriemodelle, in denen Kraft, Raum und Zeit „als eng zusammengehörige Gegebenheiten zu verstehen“ (101) sind. Die Tendenz der naturwissenschaftlichen Grundlagenforschung ging dahin, alle körperlichen Erscheinungen als Manifestationsgestalten von Kraftfeldern zu denken, welche die Raumzeit durchwirken. In einem Beitrag zur ersten Ausgabe des „Forum Philosophicum“ von 1930 über „Raum, Äther und Feld in der Physik“20 hat Albert Einstein die Grundlinien der modernen physikalischen Theorieentwicklung auf allgemeinverständliche Weise nachgezeichnet. Nachdem man elektromagnetische Felder „neben den materiellen Korpuskeln zu selbständigen physikalischen Wesenheiten“ (97) erklärt, „Raum und Zeit zu einem einheitlichen vierdimensionalen Kontinuum verschmolzen“ (97f.) und „dem Äther den letzten Rest von Stofflichkeit genommen hatte“ (99), hinderte nichts mehr daran, physikalische Realität „als vierdimensionales Kontinuum mit einer einheitlichen Struktur bestimmter Art“ (100), als das All durchwaltendes Raum-Zeit-Kraft-Feld oder kurz: als den Universalraum aufzufassen. „Zusammenfassend“, schließt Einstein, „können sche Grundlagen; ferner: J. M. L.-G. Perona, Raum und Zeit in der evangelischen Theologie. Zur Behandlung und Verhältnisbestimmung beider Begriffe bei Wolfhart Pannenberg, Jürgen Moltmann und Christian Link, Hamburg 2007, 242ff. Zu Pannenbergs Rezeption des Feldbegriffs und zu ihrer Bedeutung für seine Theorie von Raum und Zeit vgl. bes. 217ff. H.-D. Mutschler, einer der Lehrer Peronas, beurteilt den Feldbegriff bei Pannenberg als eine möglicherweise „gelungene Metapher“ (H.-D. Mutschler, Schöpfungstheologie und physikalischer Feldbegriff bei Wolfhart Pannenberg, in: ThuPh 70 [1995], 543–558, hier: 556), die aber nicht zu leisten vermöge, was ihr zu leisten aufgegeben sei, nämlich „ein starkes naturphilosophisches Bindeglied zwischen Schöpfungstheologie und Physik“ (ebd.) zu bilden. Dazu wäre der Aufweis nötig, dass der naturphilosophische die denknotwendige Möglichkeitsbedingung des physikalischen Feldbegriffs sei. Pannenberg hat daraufhin noch einmal eigens die Aspekte verdeutlicht, die für seine philosophisch-theologische Inanspruchnahme des physikalischen Feldbegriffes bestimmend sind: Weil der Begriff des Feldes selbst religiöser Herkunft sei, komme ihm „vorrangig vor allen Fragen nach dem Verhältnis von Schöpfungstheologie und Physik“ (W. Pannenberg, Geist als Feld – nur eine Metapher? [1996], in: ders., Natur und Mensch, 64–68, hier: 64) theologische Bedeutung zu. Im Übrigen „dürfte die Sprache der Physik ihrerseits bei aller Formalisierung doch nicht gänzlich unabhängig von philosophischen Implikationen sein“ (66), die explizit zu machen auch für sie nur förderlich sein könne. 20 Wiederabgedruckt in: J. Dünne/St. Günzel (Hg.), Raumtheorie. Grundlagen aus Philosophie und Kulturwissenschaften, Frankfurt a. M. 2006, 94–101. Die nachfolgenden Seitenverweise im Text beziehen sich hierauf.

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wir symbolisch sagen: Der Raum, ans Licht gebracht durch das körperliche Objekt, zur physikalischen Realität erhoben durch Newton, hat in den letzten Jahrzehnten den Äther und die Zeit verschlungen und scheint im Begriffe zu sein, auch das Feld und die Korpuskeln zu verschlingen, so daß er als alleiniger Träger der Realität übrig bleibt.“ (101) Er müsste dann freilich jenes All-Einige sein, das Newton gleichnishaft „sensorium Dei“ nannte. Gleich zu Beginn seines Aufsatzes über „Raum, Äther und Feld in der Physik“ hat Einstein auf die, wie er es ausdrückte, vorwissenschaftliche Herkunft physikalischer Begriffe verwiesen und deutlich gemacht, dass die Alltagssprache den nicht zu vernachlässigenden, von der Philosophie und vergleichbaren vorwissenschaftlichen Disziplinen eigens zu bedenkenden Kontext aller naturwissenschaftlichen Theoriebildungen darstelle. „So ist es auch im besonderen beim Raumbegriffe.“ (94) Verfolgt man seine Terminologiegeschichte, so kann bereits einem Vergleich mit der Geschichte des lateinischen Wortes spatium, das den Raumbegriff nicht nur in den romanischen Sprachen prägte, ein bemerkenswerter Hinweis entnommen werden „auf zwei sehr unterschiedliche raumtheoretische Positionen: auf die Annahme einer absoluten, territorialen Bindung einerseits und auf den Ausgangspunkt einer relationalen Verortung andererseits, die auch für gegenwärtige raumtheoretische Diskussionen eine bedeutende Rolle spielen“21; in den Konzeptionen von Newton und Leibniz seien sie prototypisch ausgeprägt. Was für die terminologie- und geistesgeschichtliche Bedeutung des Raumbegriffs gilt, die seine physikalischen Verwendungsweisen bis heute mitbestimmt, trifft mindestens ebenso für die Relevanz der Herkunftsgeschichte des Begriffs des Feldes zu, der in enger Verbindung mit denjenigen des Raumes, der Zeit und der Kraft für Pannenbergs Denken nach eigenem Bekunden seit Anfang der 70er Jahre des vergangenen Jahrhunderts in hohem Maße bestimmend geworden ist. Entscheidend dafür war der erbrachte Nachweis eines begriffsgeschichtlichen und bedeutungskonstitutiven Zusammenhangs „mit dem Begriff des Geistes …, wie er sowohl im Alten Testament als auch in den Pneumalehren der griechischen Antike verwurzelt ist“22. Dieser Zusammenhang habe ihm den „theologische(n) Zugang zum Verständnis der Dynamik des Naturgeschehens“23 erschlossen: „Einen frühen Anstoß in dieser Sicht bildete die kritische Beschäftigung mit Teilhard de Chardin (Geist und Energie 1971). Eine umfassende Durchführung dieses Gesichtspunkts versuchte ich im Schöpfungskapitel meiner Systematischen Theologie (Bd. 2, 1991, Kap. 7) zu geben.“24 Zentral hierfür ist die im ersten 21 22 23 24

J. Dünne/St. Günzel, Vorwort, in: diess. (Hg.), Raumtheorie, 9–15, hier: 10. W. Pannenberg, Vorwort, in: ders., Natur und Mensch, 7–10, hier: 7. Ebd. Ebd. Vgl. bes. W. Pannenberg, Systematische Theologie, Bd. 2, 99–105: Kraft, Feld, Geist.

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Band des opus magnum entwickelte Lehre von den Eigenschaften Gottes und dabei insbesondere die Lehre von der göttlichen Unermesslichkeit und Allgegenwart, wie denn überhaupt die Verwendung des Feldbegriffs in der Theologie nach Pannenbergs Urteil „gar nicht in erster Linie durch die Frage nach dem Wirken Gottes in der Natur nahegelegt (wird), sondern von den internen Problemen der Gotteslehre selbst“25. Auch Pannenbergs Auseinandersetzung mit dem Disput zwischen Leibniz und Clarke hat ihren systematischen Ort primär in der Gotteslehre im Allgemeinen und in der Lehre von den göttlichen Eigenschaften, näherhin von dem Gottesattribut der Allgegenwart im Besonderen. In diesem Zusammenhang würdigt Pannenberg Newtons Versuch, „im Anschluß an den Philosophen Henry More den physikalischen Raum als die Form der Allgegenwart Gottes bei seinen Geschöpfen“26 aufzufassen. Mit Recht habe Clarke diese Auffassung gegen die Kritik von Leibniz verteidigt. Auch durch Einsteins Einwände gegen Newtons Begriff des absoluten Raumes sei sie keineswegs obsolet geworden, jedenfalls für den Fall nicht, dass man, wie bei Einstein geschehen, „die Funktion, die der Raumbegriff bei Newton hat, zu einer allgemeinen Feldtheorie der Raumzeit erweitert“ (447). Nicht hinreichend zu klären vermochte Newton indes nach Pannenbergs Urteil „die Vereinbarkeit von Transzendenz und Gegenwart Gottes bei seinen Geschöpfen“ (ebd.) und zwar deshalb nicht, „weil er seinen Gedanken nicht trinitätstheologisch entfaltet hat“ (ebd.). Mit dem Vermerk eines trinitätstheologischen Defizits Newtons und Clarkes endet der einschlägige Exkurs im ersten Band der „Systematischen Theologie“. Für alles Weitere zum Thema des Leibniz-Clarke-Disputs wird auf die Ausführungen in dem Text „Gott und die Natur. Zur Geschichte der Auseinandersetzungen zwischen Theologie und Naturwissenschaft“ verwiesen, der 1983 erstmals erschienen ist. Dort wird nach einer Schilderung von Anlass und Fortgang des Briefwechsels Newtons, „durch den englischen Platoniker Henry More aus Cambridge angeregte, theologische Deutung des Raumes als Form der Allgegenwart Gottes bei seinen Geschöpfen“27, welche durch die Wendung „sensorium Dei“ bezeichnet sei, im Verein mit Clarke ausführlich gegen Leibniz verteidigt: „wie das sensorium in unserer Wahrnehmung die Bilder der Dinge hervorbringt, 25 Ders., Theologie der Schöpfung und Naturwissenschaft (1995), in: ders., Natur und Mensch, 39. 26 Ders., Systematische Theologie. Bd. 1, 446. Die nachfolgenden Seitenverweise im Text beziehen sich hierauf. 27 W. Pannenberg, Gott und die Natur. Zur Geschichte der Auseinandersetzungen zwischen Theologie und Naturwissenschaft (1983), in: ders., Natur und Mensch, 11–29, bes. 21ff., hier: 22. Die nachfolgenden Seitenverweise im Text beziehen sich hierauf. Vgl. ferner: W. Pannenberg, Theologie der Schöpfung und Naturwissenschaft (1995), in: ders., a. a. O., 36ff.; ders., Das Wirken Gottes und die Dynamik des Naturgeschehens (1995), in: a. a. O., 48ff.

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erzeuge Gott durch den Raum die Dinge selbst“ (23). Was aber den Raum als solchen betreffe, so sei er durch die Sempiternität Gottes konstituiert gemäß Newtons Grundsatz: „existendo semper et ubique, durationem et spatium constituit.“ (23; vgl. Anm. 42) Gott erschaffe den Raum, der er nicht unmittelbar selbst sei, um mittels seiner das All zu wirken und aller Wirklichkeit gegenwärtig zu sein. Die Vorstellung des absoluten Raumes habe bei Newton und Clarke den Gottesgedanken zur impliziten Voraussetzung und sei dessen explizite Folge in dem Sinne, dass der ungeteilte und unteilbare Schöpfergott in, mit und durch ihn (der in seiner Unendlichkeit zwar ebenfalls ungeteilt, aber doch teilbar bzw. die Möglichkeitsbedingung von Raumteilen und ihrer wechselseitigen Verbindung zu einem Ganzen sei) schöpferisch wirke und die Wirklichkeit seiner Geschöpfe durchwalte. Mag auch, schreibt Pannenberg, die „physikalische Begründung des absoluten Raumes bei Newton durch die Relativitätstheorie hinfällig geworden sein, so braucht die philosophische Begründung des Gedankens auf den Gottesbegriff davon noch nicht betroffen zu sein“ (25f.)28 Das Argument, wonach die Anschauung des ungeteilten Ganzen des Raumes aller Unterscheidung von Raumteilen stets vorausgesetzt sei, könne „unabhängig von aller Veränderung physikalischer Theorien“ (26) Geltung beanspruchen. Die im Kontext seiner Rezeption des Leibniz-Clarke-Disputes skizzierte These, dass der Gottesgedanke über das Moment der Unendlichkeit die Vorstellung des unendlichen Raumes impliziere und konstituiere, hat Pannenberg in seiner im ersten Band der „Systematischen Theologie“ entfalteten Lehre von den Eigenschaften Gottes gegen die mit dem Namen Kants verbundene Tendenz, „die Raumanschauung gänzlich auf die menschliche Subjektivität zurückzunehmen“ (25), aber auch über Newtons Theologie hinaus, die „kein Verhältnis zur Trinitätslehre“ (29) gehabt habe, entschieden trinitätstheologisch entwickelt. Nur so sei das Verhältnis von Immanenz und Transzendenz in Bezug auf Gottes Schöpfung angemessen zu beschreiben. Der Feldbegriff könne dabei hilfreich sein. Die immensitas Dei ist unermesslich und durch kein geometrisches oder sonstiges Maß zu fassen; sie ist aber nicht maßlos, sondern maßvoll insofern, als 28 Mit der These einer Absolutheit des Raumes und der Zeit ist weder eine reale Unabhängigkeit beider von materiellen Körpern noch eine Unabhängigkeit voneinander behauptet. Ihr Sinn ist durch die relativitätstheoretische Annahme eines vierdimensionalen Raum-Zeit-Kontinuums, welches die elementare Rahmenbedingung aller materiellen Prozesse darstellt, ohne deren Kontext aber seinerseits nicht zu fassen ist, keineswegs notwendigerweise destruiert. Es kommt lediglich darauf an zu klären, was beispielsweise unter absolutem Raum zu verstehen ist. Er ist zwar als losgelöst von jedem bestimmten Raum und insofern als ungeteilt, aber zugleich als offen für alle Teilräume und mithin als teilbar zu denken. Der für die Raumvorstellung bzw. die Vorstellung einer Raumzeit aufschlussreiche Feldbegriff enthält nicht von ungefähr beide Bedeutungsmomente in sich. Das Kraftfeld geht körperlichen Erscheinungen potentiell voran, entspricht seinem Begriff aber nur, wenn es diese auch realiter bewirkt.

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der Schöpfergeist in seiner Unermesslichkeit den bemessenen Raum der Welt kreiert. Losgelöst von allen Teilräumen und mithin absolut begriffen ist der Weltraum ungeteilt; er ist aber teilbar, wohingegen Gott in seiner Unermesslichkeit sowohl als ungeteilt als auch als unteilbar zu gelten hat. Doch nimmt der unteilbare Gott ungeteilten Anteil am All, dessen Ermöglichungsgrund der absolute, nicht in Einzelräume geteilte Raum ist. Medium und Vollzugsorgan dieser Anteilnahme, die Anteilgabe und Anteilhabe differenziert in sich vereint, ist der Gottesgeist, ihr Modus die göttliche All-Gegenwart, die als omnipräsente Ubiquität nicht nur alle relativen Teilräume, sondern den ganzen Raum in seiner Absolutheit umfasst und transzendiert. Mit der Erschaffung des Weltraums ist das Feld für alles Mögliche von Gott her erschlossen, zu dessen Realisierung es indes der Weltzeit bedarf, deren Zeitigung in ihren allen Zeiten zuvorkommenden Absolutheit mit der Ewigkeit Gottes zu assoziieren ist. Sie schließt Gottes Allgegenwart ebenso in sich ein wie die absolute Weltzeit den absoluten Weltraum in sich aufhebt. Wenn Pannenberg die Erschaffung von Raum und Zeit als Simultangeschehen bezeichnet, so hebt er genau hierauf ab, wobei der Begriff der Simultaneität sowohl auf die Gleichursprünglichkeit von Raum und Zeit als auch – und zwar in der Bedeutung von Gleichzeitigkeit – auf eine momentane Vorzugsstellung der Zeit dem Raum gegenüber verweist. Ohne Zeiträume erschließende Raumzeit bliebe es bei einem Feld unbegrenzter Möglichkeiten von unendlicher Weite, bei einem absoluten Vakuum völliger Leere und ohne jede Realität. Erst im Zuge der Zeitigung der Zeit hebe reales Beginnen an und das All des Universums werde anfänglich wirklich. Was den Anfang der Welt in seiner schieren Anfänglichkeit angeht, so entzieht er sich nach Pannenberg jedweder chronologischen Bemessung und findet, wenn man so will, in der Ewigkeit statt, ohne deshalb zeitlos zu sein, da er eine Zeitenfolge aus sich entlässt, deren Beginn er ist. Entsprechendes wäre in Bezug auf die Vorstellung eines Weltendes zu sagen; sie enthält einen eminenten Zeitbezug in sich, sofern sie den Abschluss aller Zeitläufte benennt; sie transzendiert aber zugleich jede Zeitrelation, da sie den Anbruch der Ewigkeit bezeichnet. Unbeschadet eines formalen Entsprechungsverhältnisses zwischen der Rede von einem Anfang und einem Ende der Welt gelangt die Analogie an eine Grenze, sofern die Differenz von Anfang und Ende von prinzipieller Bedeutung und von Relevanz für die Gottheit Gottes selbst ist, dessen künftige Erscheinung nicht mit seiner anfänglichen Manifestation gleichgesetzt werden kann. Nicht von ungefähr erkennt Pannenberg der Zukunft eine theologische Vorrangstellung unter den Zeitdimensionen zu und versieht die Eschatologie mit einer endzeitlichen Bedeutung, die protologisch nicht hinreichend zu erfassen ist. Ja, er geht so weit, die eschatologische Zukunft zum kreativen Wirkgrund vollkommener Realität zu erklären. Das wahre Wesen des Seienden wird nach seinem Urteil erst vom Ende

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her erkannt und nicht nur erkannt, sondern in seiner Wahrheit allererst vollkommen gewirkt. Der endzeitlichen Zukunft kommt so nicht nur retrospektive, sondern retroaktive Wirkung zu. Dies ist deshalb möglich und denkbar, weil die eschatologische Endzeit zwar in einem temporalen Bezug zu allen Zeiten steht, darin aber nicht aufgeht, sondern Ewigkeitsrelevanz hat. Vermöge ihrer Ewigkeitsbedeutung eignet der eschatologischen Endzeit nach Pannenberg eine retroaktive Kraft von nicht lediglich gnoseologischer, sondern ontologischer Potenz. Den genauen Sinn dieser These zu erschließen, dürfte zu den reizvollsten Interpretationsaufgaben in Bezug auf das Pannenbergsche Denken gehören. Um im gegebenen Zusammenhang nur ihre, wenn man so will, Rückwirkung auf seine theologische Raumtheorie in Betracht zu ziehen29: Jeder geteilte Raum bzw. Raumteil und mithin jede geometrische Maßeinheit setzt das ungeteilte Ganze des Raums voraus, als dessen Einheitsgrund der unermessliche Gott wirkt, der als trinitarischer indes nicht in seiner Unermesslichkeit verharrt, sondern in der Kraft seines logosbestimmten Geistes aufgeschlossen ist für den Raum der Welt, in dem er allgegenwärtig ist. Der eine Gott ist in seiner Dreieinigkeit offen für Anderes und erschließt so das weite Feld des Alls, dessen Grundsignatur der differenzbestimmte Unterschied von Einem und Andren ist, der im räumlichen Nebeneinander erste Konturen erhält. Indes ist der Raum nur die elementarste Grundbedingung kreatürlicher Wirklichkeit, deren Fortentwicklung noch aussteht. Die Grundbedingung hierfür ist die primordiale Zeitigung der Zeit, ohne welche eine Indifferenzierung des Raumes statthaben müsste, die ein simultanes Nebeneinander als undenkbar erscheinen ließe. Pannenberg unterstreicht den skizzierten durch den wiederholt begegnenden Hinweis, dass die Zeit im Verhältnis zum Raum insofern fundamental sei, als das räumliche Miteinander selber schon durch Gleichzeitigkeit fundiert sei. Signifikanterweise behandelt er in der Lehre von den Eigenschaften Gottes, wie erwähnt, die die Zeit konstituierende göttliche Ewigkeit vor den Attributen der Allgegenwart und Allmacht. In der Schöpfungslehre, näherhin in der Lehre von der Welt der Geschöpfe, wie sie im zweiten Band der „Systematischen Theologie“ zur Darstellung kommt, erörtert er hingegen unter dem Gesichtspunkt des 29 Was die Zeit betrifft, so liegt die Vermutung nahe, „dass die Evolution des Kosmos seit dem Urknall sich auch auf den Ablauf der Zeit auswirkt“ (A. Unzicker, Auf dem Holzweg durchs Universum. Warum sich die Physik verlaufen hat, München 2012, 81). Was damit gemeint sein könnte, bedürfte genauerer philosophisch-theologischer Erörterungen. Dann erst ließen sich so etwas wie eine Geschichte der Zeit skizzieren und die grundlegenden Veränderungen der Auffassung vom Universum in der nachnewtonschen Physik in ihrer Bedeutung ermessen: „An die Stelle der alten Vorstellung von einem im Wesentlichen unveränderlichen, ewig bestehenden Universum trat das Modell eines dynamischen, expandierenden Universums, das einen zeitlich fixierbaren Anfang zu haben scheint und zu einem bestimmten Zeitpunkt in der Zukunft enden könnte.“ (St. Hawking, Eine kurze Geschichte der Zeit, München 2001, 51)

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Geistwirkens und der Dynamik des Naturgeschehens zunächst den der Allmacht Gottes korrespondierenden kreatürlichen Raum, um erst dann den ewigkeitsbegründeten Begriff kreatürlicher Zeit und schließlich den allmachtsbedingten Begriff geschöpflicher Kraft zu thematisieren, womit das weite Feld eröffnet ist, in welchem die Reihe der kreatürlichen Gestalten sich auf eschatologische Zukunft hin entwickelt. Wie auch immer: Mag der Raum als die fundamentalste aller kreatürlichen Realitäten in Anschlag zu bringen sein, so ist er doch zugleich die vergleichsweise abstrakteste und ohne Zeit und Kraft, ja ohne die Reihe der dem entgegenkommenden Eschaton zustrebenden Kreaturgestalten, die kraft des dynamischen Wirkfeldes des Gottesgeistes logosgemäß geformt werden, realiter nicht denkbar. Was es damit im Einzelnen auf sich hat, kann im zweiten Band der „Systematischen Theologie“ detailliert studiert werden. Um nur mehr den Raum als Aspekt des Geistwirkens ins Auge zu fassen30, so wird nach erneuter Bezugnahme auf den Clarke-Leibniz-Disput (vgl. 106f.) die immensitas Dei als raumtranszendent, aber raumeinräumend bestimmt dergestalt, dass mit dem unendlichen Raum in seiner absoluten Einheit die Möglichkeit kreatürlicher Lokalitäten gesetzt ist, die von den einzelnen Kreaturen zu besetzen und in Besitz zu nehmen sind, damit sie nebeneinander einen Ort in der Welt haben. Dabei betont Pannenberg ausdrücklich, dass die „beiden historisch einflußreichen Auffassungen des Raumes als Inbegriff der Relationen von Körpern bzw. von Teilräumen und Orten einerseits, als aller Teilung und aller Beziehung von Geteiltem vorgegebenen andererseits“ (109) sich nicht auszuschließen brauchen: „Sie lassen sich so verbinden, daß die erstere Auffassung den Raum der geschöpflichen Welt beschreibt, die zweite hingegen die diesen Raum konstituierende Unermeßlichkeit Gottes.“ (Ebd.) Damit ist der Gegensatz zwischen den Positionen von Clarke/Newton und Leibniz tendenziell behoben, die Streitalternative relativiert. Relativiert wird im Übrigen auch der Unterschied von Raum und Zeit, sofern beider Differenzierung als „ein Werk der Reflexion“ (111) bezeichnet wird, „die das Nebeneinander der Erscheinungen im Raume vom Nacheinander der zeitlichen Folge abhebt“ (ebd.). Wenn gleichwohl der Zeit eine Vorzugsstellung dem Raum gegenüber zuerkannt wird, dann deshalb, weil ansonsten die Dynamik des schöpferischen Geschehens der Entwicklung der Natur nicht verstanden werden könnte.31 Das Kraftfeld schöpferischen Geistwirkens ist temporal strukturiert. 30 Vgl. W. Pannenberg, Systematische Theologie. Bd. 2, 105ff.; die nachfolgenden Seitenverweise im Text beziehen sich hierauf. 31 Ist der Raum durch die Simulataneität eines äußerlichen Nebeneinanders gekennzeichnet, so gilt Pannenberg als Elementarcharakteristikum der Zeit die Abfolge eines Nacheinanders im Sinne unumkehrbarer Sukzession. Als naturwissenschaftlicher Beleg für die Unumkehrbarkeit der Zeit wird häufig der zweite Hauptsatz der Thermodynamik angeführt, wonach der Vorgang aller wärmeerzeugenden Prozesse gerichtet und nicht vollständig umkehrbar sei.

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Ohne seine temporale Strukturierung könnte die Wirksamkeit, die es entfaltet, nicht begriffen werden. Zwar ist sie auch räumlich dimensioniert; aber sie erschöpft sich nicht im Raum als einem stationären Gebilde, sondern erfüllt ihn durch Verzeitigung und jene energiereiche Dynamisierung, deren Endziel die Zukunft des Reiches Gottes ist. Hat „Erscheinung als Ankunft des Zukünftigen“32 zu gelten, wie Pannenberg dies bereits in einem 1965 entstandenen Beitrag programmatisch konstatiert hat, und ist der eschatologischen Zukunft nicht nur retrospektive, sondern retroaktive Relevanz für die Phänomenalität des Weltgeschehens zuzuerkennen, dann hat dies auch Auswirkungen auf das Verständnis des Raumes. Er wäre nicht, was er seinem protologischen Begriff gemäß ist, würde es nicht die endzeitlich orientierte Entwicklung der Schöpfung geben, die aus ihm hervorgeht.33 Wie die Physik die zwar fundamentalste, aber zugleich abstrakteste Naturwissenschaft darstellt, so ist der Begriff des Raumes, der in der Alltagssprache nicht von ungefähr mit demjenigen des Universums als der Welt überhaupt gleichgesetzt zu werden pflegt, der zwar grundlegendste, aber zugleich unentwickeltste Begriff einer theologischen Lehre von der Schöpfung. Nur wenn er sich mit demjenigen der Zeit und der Kraft verbindet, wird durch ihn jenes weite Feld erschlossen, in dem die einzelnen Kreaturen der vorgesehenen Reihe und Ordnung nach den je

Doch sind nach Pannenberg nicht nur thermodynamische, sondern alle konkreten Prozesse der Natur zeitlich gerichtet und in ihrer zeitlichen Gerichtetheit unbeschadet aller wiederholten Gleichförmigkeiten, welche die Formulierung von Gesetzen und auf Gesetzen beruhende Prognosen ermöglichen, grundsätzlich unumkehrbar. Die Zeit fungiert sonach wie der Raum als eine natürliche Größe erster Ordnung. Indes gibt Pannenberg immer wieder zu bedenken, dass zeitliche Ereignisfolgen von kontingenten und unwiederholbaren Geschehnissen erst im Kontext von Lebensprozessen und insbesondere im Zusammenhang menschlicher Geschichte jene Komplexität erlangen, die ihnen ihre eigentümliche Bedeutung gibt. Ist damit gemeint, dass beispielsweise der physikalische Zeitbegriff zu wenig komplex ist, um temporale Abfolgen wie diejenige von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft zu erfassen? Ist der Kollaps der Raum-Zeit-Differenz in makro- und mikrokosmischen Grenzbereichen nicht ein Hinweis darauf, dass die Zeitigung der Zeit in einem Vollzug erfolgt, dessen Bestimmungsmomente nicht unmittelbar vergleichbar sind? Kann der Begriff der Zeit wie derjenige des Raumes auf allen Komplexitätsebenen seiner Verwendung gleichsinnig gebraucht werden? 32 Vgl. W. Pannenberg, Erscheinung als Ankunft des Zukünftigen (1965), in: ders., Theologie und Reich Gottes, Gütersloh 1971, 79–91. 33 Auch für den Kontingenzbegriff kann der Gedanke eschatologischer Retroaktivität nicht folgenlos bleiben. Kontingent ist dasjenige zu nennen, was vom Vergangenen bzw. von seiner Gegenwart her nicht notwendig ist – und das ist schlechterdings alles Seiende. Von der Zukunft her geurteilt hingegen tritt, jedenfalls wenn es sich um die eschatologisch-endzeitliche Zukunft des Reiches Gottes handelt, alles Kreatürliche in seinem Sein mit Wesensnotwendigkeit zutage.

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eigenen Platz und den Ort finden können, der ihnen von Gott her auf ihre Vollendung hin zugewiesen ist.34

34 Die Theologie kann es entsprechend nicht bei der Auseinandersetzung mit mathematischgeometrisch-physikalischen Raumbegriffen belassen, sondern hat ihre topographische Aufmerksamkeit zudem den Raumphänomenen zuzuwenden, die fühlendes Innesein einer Innen-Außen-Differenz zur Voraussetzung haben, den leibhaften Tast-, Seh- und Hörraum samt sonstigen Sinnesräumen organischer Entitäten, den Wahrnehmungs-, Erlebnis- und Aktionsraum bewusstseins- und selbstbewusstseinsbegabter Wesen usw. (vgl. dazu die Auflistung in dem Werk von A. Gosztonyi, Der Raum. Geschichte seiner Probleme in Philosophie und Wissenschaften, 2 Bde., Freiburg/München 1976, Bd.1, 34ff. Bd. 1 des Werkes enthält ferner aufschlussreiche Hinweise zu Henry Mores Raummetaphysik [266ff.], zu Newtons Raumlehre und zur Diskussion des absoluten Raumes [329ff.; bes. 346ff.] sowie zum Raumproblem bei Leibniz [355ff.].) Über „Die Geschichte der Begriffe des Raumes und der Zeit von Aristoteles bis zum vorkritischen Kant (1768)“ informiert ferner der gleichnamige erste Band des Werkes von W. Gent, Die Philosophie des Raumes und der Zeit. Historische, kritische und analytische Untersuchungen, Hildesheim/New York 21971.

Manuel Zelger

Impliziert der Begriff des Raumes den Gottesgedanken? Kritische Anmerkungen zu einem Topos der Schöpfungslehre Pannenbergs

Als ein Thema der Theologie, insbesondere als eines der Dogmatik verortet Pannenberg den Raumbegriff in der Schöpfungslehre. Da es für ihn unveräußerliche Aufgabe der Theologie ist, die Wirklichkeit, wie sie in ihrer jeweiligen Gegenwart erfahren und erkannt wird, als eine durch den biblischen Gott bestimmte begreiflich zu machen, erhält bei ihm der Begriff des Raumes die zusätzliche Funktion, die neuzeitlichen Naturwissenschaften, hier vor allem die Physik, als zumindest implizit den Gottesgedanken enthaltende ausweisen zu können. Einen Weg, die Erkenntnisse der neuzeitlichen Naturwissenschaften als den Gottesgedanken implizierende verstehen zu können, erblickt er darin, dass jegliche, der Physik zu Grunde gelegten Vorstellungen vom Raum, bzw. Räumen die Vorstellung des einen, aktual unendlichen und ungeteilten Raumes voraussetzen. „Der unendliche und ungeteilte Raum ist Vorbedingung für das Auftreten und für die Vorstellung besonderer Raumeinheiten und für alle Teilung und Zusammensetzung im Raum.“1 Der Gottesgedanke inhäriert diesem Konzept des Raums als des einen unendlichen und ungeteilten nach Pannenberg deshalb, weil Unendlichkeit einzig von Gott auszusagen ist2 und die „göttliche[n] Unermesslichkeit“ sich somit für alles Räumliche als konstitutiv erweisen lässt. Vornehmliche Zielsetzung des im Folgenden Auszuführenden ist es, die Begründung Pannenbergs für seine Behauptung, der Raumbegriff impliziere letztendlich den Gottesgedanken, auf ihre Triftigkeit zu prüfen. Hierfür ist in einem ersten Schritt danach zu fragen, inwieweit man berechtigt ist, zu behaupten, eine Vielheit von Räumen trete nur unter Voraussetzung des einen unendlichen und ungeteilten Raumes auf. Kann diese Voraussetzung gerecht1 W. Pannenberg, Das Verhältnis unserer Begriffe von Raum und Zeit zum Gedanken der Ewigkeit, in: O. Reinke (Hg.), Ewigkeit? Klärungsversuche aus Natur- und Geisteswissenschaften, Göttingen 2004, S.102–109, hier S. 107f. 2 Wenn es auch nicht genügt, Gott nur als das Unendliche aufzufassen, so gilt nach Pannenberg dennoch, „daß das in seinem vollen Sinne gedachte Unendliche […] faktisch mit Gott identisch [ist] und nur mit ihm identisch sein [kann], nur von ihm in Wahrheit prädiziert werden [kann].“ (W. Pannenberg, MuG, S. 24).

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Manuel Zelger

fertigt werden, dann muss in einem zweiten Schritt geklärt werden, wie die Unendlichkeit des Raumes mit der Bestimmung Gottes als des einzig wahrhaft Unendlichen in einen konsistenten Zusammenhang gebracht werden kann. Hier ist dann auch die Verortung des Raumbegriffs in der Schöpfungslehre zu thematisieren.

I. Um die Begründung für die Behauptung prüfen zu können, Raumeinheiten bzw. Räume seien nur unter der Voraussetzung des einen als aktual Unendliches gegebenen Raumes möglich, muss zunächst einmal ausgeführt werden, worin eine Vielheit von Räumen im Allgemeinen besteht. Da Pannenberg auf diese Frage nicht näher eingeht3, sei sie zunächst in der gebotenen Ausführlichkeit eigenständig beantwortet4 und dann im Nachhinein geprüft, ob sich die Be3 Überall dort (Vgl. W. Pannenberg, MuG, S. 25; ders., STh II, S. 106ff.; ders., Theologie der Schöpfung und Naturwissenschaft, in: ders., BSTh 2, S. 30–42, hier S. 37; ders., Das Verhältnis, (wie Anm. 1), S. 107f.; ders., Raum, Zeit und Ewigkeit, in: C. Böttigheimer / H. Filser (Hg.), Kircheneinheit und Weltverantwortung (FS Peter Neuner), Regensburg 2006, S. 209–219, hier S. 210), wo Pannenberg das Argument ins Feld führt, eine Vielheit von Räumen, setze stets den einen unendlichen und ungeteilten Raum voraus, belässt er es bei der Behauptung, dass es so sei, sagt aber nicht, wie der unendliche und ungeteilte Raum für endliche Teilräume Voraussetzung sein kann. 4 Da Pannenberg explizit beansprucht, in der Vermittlung von Schöpfungstheologie und Naturwissenschaften philosophisch zu argumentieren (Vgl. W. Pannenberg, Raum, (wie Anm. 3), S. 210: „[Es] sollte deutlich sein, dass die Bestimmung des Raumbegriffs nicht exklusiv der Geometrie zukommt, sondern auch und zwar primär Sache der Philosophie ist.“), wird sich auch die kritische Auseinandersetzung mit seiner Raumkonzeption eines rein philosophischen Argumentationsstils befleißigen. Die im Abschnitt I. zu entwickelnden Bestimmungen des Raumes greifen in erster Linie auf eine, von Hegels eigenem Vorgehen abweichende realphilosophische Interpretation seiner Wissenschaft der Logik zurück. Der für die Entwicklung der Bestimmungen des Raumes entscheidende Grundgedanke ist, die Seinslogik realphilosophisch als Bestimmung des Raumes zu lesen. Dabei ist es nicht darum zu tun, Begriffe, die in der Logik einzig als unangemessene Weisen des Begreifens des Begriffs, d. h. des Begriffs des Begriffs begriffen werden, so auf den ihnen vorgegebenen Raum zu beziehen, dass er unter sie subsumiert wird. Vielmehr gilt es zu zeigen, dass der Raum die ihn bestimmenden Begriffe als Bestimmtheitsweisen des Raumes zum Ausdruck bringt. Für an der Philosophie Hegels Interessierte sei vermerkt, dass die in Abschnitt I. vorgeführte Entfaltung der Bestimmtheitsweisen, in denen sich der Raum zeigt, an der Begriffsentwicklung des ersten Abschnitts (Qualität) der Seinslogik orientiert ist (Vgl. G. W. F. Hegel, Wissenschaft der Logik, in: ders., Gesammelte Werke, Band 21, Hamburg 1985, S. 68–172). Die Anregung zu der skizzierten realphilosophischen Lesart der Logik ist allerdings nicht dem Hegelschen Text entnommen. Der Kerngedanke, der Raum zeige sich in seinen Bestimmungen selbst, verdankt sich der zeichenphilosophischen Interpretation Spinozas durch Peter Reisinger (P. Reisinger, Modelle des Absoluten, in: R. Löw (Hg.), Oikeiosis. Festschrift für Robert Spaemann, Weinheim 1987, S. 225–249, hier S. 228–229) und deren – mit dem hier Dargelegten nicht vollständig konvergierenden – Entfaltung an Spinozas Raumkonzeption durch Stephan

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hauptung Pannenbergs, mehrere Räumen wären nur unter der Voraussetzung des einen, ungeteilten, aktual unendlichen möglich, bestätigen lässt. Von einer Vielheit von Räumen, lässt sich nur dann sprechen, wenn Räume voneinander unterschieden werden können. Zwar begründet Pannenberg die Abhängigkeit einer Vielheit von Räumen von dem einen unendlichen Raum damit, sie könnten nur in diesem voneinander unterschieden werden, sagt aber gerade nichts darüber, weshalb Räume dadurch unterschieden sind, dass sie in einem, sie umfassenden Raum sind. In dem einen umfassenden Raum zu sein, ist im Gegenteil eine Bestimmung, die all diesen Räumen gemeinsam ist und sie eben nicht unterscheidet. Wodurch unterscheidet sich also ein Raum von einem anderen? Die Rede von Räumen soll hier zunächst einmal so verstanden werden, dass sie sowohl geometrische ideale Gebilde wie Kugeln, Pyramiden, Kegel, usw. als auch materielle Körper wie Steine, Pflanzen, Tiere usw. umfasst. Unterscheiden lassen sie sich alle dadurch, dass sie durch eine Begrenzung als einzigartige, unverwechselbare Exemplare der Gattung Raum vereinzelt sind. Die Begrenzung bestimmt einen Raum folglich zu dem, was er ist, indem sie ihn von dem scheidet, was er nicht ist. Bestimmter Raum ist der Einschluss innerhalb einer Begrenzung und somit zugleich Ausschluss von anderem Raum. Der von der Begrenzung eines bestimmten Raumes ausgeschlossene Raum ist durch dieselbe Begrenzung bestimmter Raum. Damit ist die identische Begrenzung nichts anderes, als der Ausschluss eines Raumes, der selbst den Raum ausschließt, von dem er ausgeschlossen ist. Neben dem durch die eigene Begrenzung ausgeschlossenen Raum, der konstitutiv der Bestimmtheit eines begrenzten Raumes inhäriert, bedarf ein begrenzter Raum dafür, dass er dieser bestimmte Raum ist, keines anders begrenzten Raumes. Begrenzte Räume erlangen ihre Bestimmtheit nicht dadurch, dass sie anders begrenzten Räumen entgegengesetzt werden, sondern einfach durch ihr eigenes Begrenzt-Sein. Eine Begrenzung lässt sich von einer anderen nur unterscheiden, wenn zumindest von einer der beiden ausgeschlossener Raum von der anderen eingeschlossen wird. Hierfür ist aber vorausgesetzt, dass für beide Begrenzungen unabhängig voneinander feststeht, welchen Raum sie einschließen und welchen sie ausschließen. Es ist zwar seine Begrenzung, die bestimmt, dass der Raum so und nicht anders ist, aber die Tatsache, dass Eingeschlossenes und Ausgeschlossenes jeweils Raum sind, verdankt sich nicht der Begrenzung. Raum sind beide Seiten der Begrenzung, weil jede Begrenzung stets ein und denselben Raum als einen in die Begrenzung eingeschlossenen und einen dadurch ausgeschlossenen einteilt. Welche Begrenzung auch immer einen bestimmten Raum konstituiert und damit Büttner (S. Büttner, Gott und Raum. Spinozas innovative Konzeption der Ausdehnung und Körperwelt, Schriftenreihe der Spinoza-Gesellschaft Band 15, Würzburg 2011).

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Raum als durch dieselbe Begrenzung als anders bestimmten Raum ausschließt, stets bleibt in seine Begrenzung eingeschlossener Raum zusammen mit dem durch diese Begrenzung ausgeschlossenen Raum ein und derselbe Raum. Wären begrenzte Räume zusammen mit den von ihnen ausgeschlossenen Räumen jeweils verschiedene Räume, so wären diese verschiedenen Räume wiederum nichts anderes als die Einteilungen ein und desselben Raumes. Der eine Raum, der notwendige Bedingung dafür ist, dass bestimmte Räume möglich sind, kann selbst kein bestimmter, d. h. begrenzter Raum mehr sein. Als der eine Raum, der das Diesseits und das Jenseits jeglicher Begrenzung ist, kann er, wie es von begrenzten Räumen zu fordern ist, keinen Raum als sein Anderes ausschließen. Weil der eine Raum, der Voraussetzung für alle begrenzten Räume ist, selbst nicht begrenzt sein kann, soll er im Folgenden unter dem Label „unbegrenzter Raum“ firmieren. Wenn aber die Begrenzung die Unterscheidbarkeit von Räumen ermöglicht, wie kann der unbegrenzte Raum dann von den begrenzten unterschieden werden? Die einfache und zunächst trivial anmutende Antwort lautet, der eine unbegrenzte Raum unterscheide sich von allen begrenzten Räumen nur durch seine Unbegrenztheit. Da seine Unbegrenztheit es unmöglich macht, dass der unbegrenzte Raum irgendeinen Raum von sich ausschließt, ist er Raum überhaupt, der Begrenzung erst zur Beziehung von eingeschlossenem Raum und ausgeschlossenem Raum macht. Generell ist bestimmter Raum, was er ist, immer nur zusammen mit dem von ihm ausgeschlossenen und damit nicht ohne den einen unbegrenzten Raum. Da dieser in jeder Teilung ein und derselbe ist, also durch die Teilung keine Veränderung erfährt, muss jede Teilung so begriffen werden, dass sie jeweils ein bestimmter Ausdruck ein und desselben unbegrenzten Raumes ist. Jede Teilung zeigt den einen Raum als sich einander begrenzende und darin aneinander angrenzende Räume. Daher setzt der unbegrenzte Raum als der eine, beliebig teilbare keine begrenzten Räume voraus, um das zu sein, was er ist. Wenn begrenzte Räume für den unbegrenzten Raum in keiner Weise konstitutiv sind, dann muss der unbegrenzte Raum ohne Bezugnahme auf begrenzte Räume bestimmbar sein. Ohne die Bezugnahme auf eine mögliche Vielheit von Räumen ist der unbegrenzte Raum unterschiedslos einfach nur Raum überhaupt. Alles was Raum ist, ist einzig er alleine. Als einfacher Raum überhaupt5 5 Mit der Bestimmung des Raumes als einfachen Raum, soll zum einen Pannenbergs Bestimmung des unendlichen Raumes als eines ungeteilten abgedeckt werden, zum anderen aber noch mehr ausgedrückt werden, was, wie in Abschnitt II., unten S. 56–61, darzulegen ist –, den Intentionen Pannenbergs sogar widerspricht. Einfach zu sein, heißt hier nicht nur, nicht aus Teilen zusammengesetzt zu sein, sondern besagt hier auch, einzig zu sein, so dass das, was Raum ist, nur der eine Raum ist. Damit ist bereits eine solche Raumkonzeption obsolet geworden, die den einen einfachen Raum und eine Vielheit von Räumen in ein ontologisches Verhältnis setzt, so dass der einfache Raum etwas anderes ist als eine Vielheit von Räumen.

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und somit nur durch sich selbst bestimmter ist der unbegrenzte Raum leerer Raum. In der Leerheit zeigt der Raum seine Bestimmung, unabhängig von der Bezugnahme auf begrenzte Räume zu sein. Kann über die Leerheit des einfachen Raumes allerdings nicht mehr gesagt werden, als dass sie in der Unabhängigkeit von begrenzten Räumen besteht, dann ist der leere Raum in seiner Unabhängigkeit von begrenzten Räumen immer noch auf diese – wenn auch negativ – bezogen. Was die Leerheit des unbegrenzten Raumes an sich ausmacht, ohne die negative Bezugnahme auf begrenzte Räume, ist der Punkt. Er ist hier nur als die Bestimmtheit zu nehmen, Ausschluss von Raum überhaupt zu sein und nicht in Vielheit vorzuliegen. Weil der Punkt Ausschluss von Raum überhaupt ist, kann von ihm gesagt werden, er sei das, was die Leerheit des einfachen Raumes ausmacht. Der Raum, der einfach Raum ist, ist leerer Raum, da alles was er einschließt, Ausschluss von Raum, d. h. Punkt ist. Raum zu sein, heißt demnach nichts anderes als leer zu sein, was wiederum nichts anderes meint als den Einschluss des Ausschlusses von Raum. Insofern der einfache Raum das einschließt, was ihn ausschließt, ist er die Negation seiner Negation. Wenn der leere Raum einfach nur Raum ist, der keinerlei Raum einschließt, wie kann er dann als Bedingung einer Vielheit von Räumen namhaft gemacht werden? Als Bedingung begrenzter Räume einsichtig machen lässt sich der einfache leere Raum, wenn man die Bestimmtheit des Punktes weiter analysiert. Als Ausschluss allen Raums ist der Punkt das einzige, was der leere Raum einschließen kann. Indem der Punkt Raum von sich ausschließt, schließt er sich selbst von sich aus, da alles, was der komplett ausgeschlossene Raum einschließt, nichts als Punkt ist. Diese Bestimmung des Punktes, im Ausschluss von Raum auch Ausschluss von sich selbst zu sein, heißt nichts anderes, als dass der Punkt nur im Ausschluss von sich selbst Punkt ist. Als der, im vom Punkt ausgeschlossenen Raum eingeschlossene Punkt ist der Punkt anderer Punkt. Die konstitutive Bestimmtheit des Punktes, auf anderen Punkt bezogen zu sein, drückt den leeren Raum als Negation seiner Negation aus, d. h. sie muss sich als räumliche Bestimmtheit zeigen. Als Raum zeigt sich der Punkt in seinem Bezogen-Sein auf anderen Punkt in der trennenden räumlichen Distanz, in der Strecke. Die Strecke ist nichts anderes als der räumliche Ausdruck für den Bezug vom Punkt zu anderem Punkt, der als Punkt wiederum der Ausschluss des ihn ausschließenden Punktes ist. Die Identität der einen Strecke, die Punkte auseinanderhält, macht anschaulich, dass die Punkte nur dadurch unterschieden werden, dass das Ausschließen eines Punktes identisch damit ist, zugleich von diesem ausgeschlossen zu werden. Der Punkt, der jeweils als im Raum eingeschlossener ausgeschlossen ist, ist deshalb selbst als Raum ausschließender bestimmt. Die Strecke ist dann nichts anderes als der Raum, der im wechselseitigen füreinander Anders-Sein der Punkte beidseitig ausgeschlossen wird. Die Punkte

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sind einzig dadurch füreinander anderes, dass sie durch die eine Strecke auseinandergehalten werden. Als durch die Strecke konstitutiv bestimmter ist der leere Raum zum sich erstreckenden, zum ausgedehnten Raum bestimmt. Raum ist einfach sich erstreckender Raum. Als leerer Raum ist die Strecke deshalb auch Einschluss von Punkten. Die negativ aufeinander bezogenen Punkte konstituieren als Endpunkte die Strecke, indem sie sie als bestimmten Raum von sich ausschließen und damit auch die von der Strecke eingeschlossenen Punkte. Von den von der Strecke eingeschlossenen Punkten kann auch gesagt werden, sie lägen auf der Strecke. Da auf der Strecke liegende Punkte durch Strecken auseinander gehalten werden, sind Strecken so bestimmt, dass sie auch immer Strecken einschließen, oder anders gesagt, Strecken auf ihnen liegen. Als sich erstreckender Raum schließt die Strecke notwendigerweise andere Strecke ein. Umgekehrt ist aber genau deshalb die andere Strecke einschließende Strecke auch wieder von anderer Strecke eingeschlossene Strecke. Um sagen zu können, die bis hierhin entwickelten Bestimmungen des einfachen Raumes explizierten das, was Pannenberg mit dem, allen Vorstellungen von Räumen vorauszusetzenden einen Raum intendiert, muss noch ausgeführt werden, inwiefern die entwickelte Bestimmtheit des leeren Raums auch die für Pannenbergs theologische Zielsetzung entscheidende Bestimmung der Unendlichkeit einschließt. Da die Bestimmung der Unendlichkeit als deren Negation von der der Endlichkeit abhängt, sei zunächst ausgeführt, was es für einen Raum heißt, ein endlicher zu sein. Der Begriff „endlich“ und damit auch der Begriff „unendlich“ beziehen sich, ist die Rede von Räumen, auf deren Ausdehnung bzw. deren Erstreckung. Für die Definition der Endlichkeit von Räumen sei deshalb auch der bereits eingeführte Begriff der Strecke genutzt. Bevor dies geschehen kann, muss ein Zwischenschritt gemacht werden, der den Begriff des begrenzten Raums unter der Bedingung des entwickelten Begriffs der Strecke wieder aufnimmt. Die Begrenzung eines Raums erweist sich nunmehr als lediglich notwendige aber nicht hinreichende Bedingung der Unterscheidbarkeit von Räumen. Für das Ziel, den einen unbegrenzten Raum als notwendige Bedingung einer möglichen Vielheit von Räumen auszuweisen, war diese Beschränkung legitim. Da räumlicher Unterschied sich nur als Strecke zeigen kann, reicht die eine identische Begrenzung nicht zu, die Räume auseinanderzuhalten. Die Unterscheidung eines eingeschlossenen Raumes von einem ausgeschlossenen, von Räumen diesseits und jenseits der Begrenzung bedient sich implizit der Bestimmung des Raumes als eines sich erstreckenden. Da Teilräume immer nur bestimmter Ausdruck des einen sich erstreckenden Raums sind, sind sie sich erstreckende Räume. Als solche sind sie Punkte einschließende Räume. Von einem begrenzten Raum eingeschlossener Punkt zu sein, besagt dann, als ein Endpunkt von Strecken

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bestimmt zu sein, die ihr Ende in einem Punkt finden, der von dem durch die Begrenzung ausgeschlossenen Raum eingeschlossen wird. Die Begrenzung findet ihren Ausdruck durch einen auf den entsprechenden Strecken liegenden Punkt. Eine solche, die Begrenzung in einem ihrer Punkte kreuzende Strecke sei im Folgenden Kreuzung genannt. Da jeder von einem begrenzten Raum eingeschlossene Punkt mit einem Punkt, der von dem durch die Begrenzung ausgeschlossenen Raum eingeschlossen ist, eine Kreuzung bestimmt, sind die durch die Begrenzung voneinander abgegrenzten Räume vollständig räumlich von voneinander distanziert und auseinanderzuhalten. Erst aufgrund der Ausdehnung des Raumes sind durch die eine identische Begrenzung voneinander abgegrenzte Räume räumlich unterschieden. Es legt sich nun auf den ersten Blick nahe, die endliche Erstreckung eines Raums darin zu sehen, dass er begrenzt ist.6 Aus den mit der Begrenzung eines Raumes gegebenen Kreuzungen ließe sich nämlich herauslesen, dass der begrenzte Raum sich nicht über den auf einer Kreuzung liegenden Grenzpunkt hinaus erstreckt, an ihm also ein Ende findet. Da Kreuzungen Strecken sind, könnte mittels ihrer auch die Erstreckung eines Raumes bestimmt werden. Eine solche Festlegung der endlichen Erstreckung von Räumen übersieht allerdings, dass in einem begrenzten Raum nur die Strecken als Kreuzungen fungieren, die bereits auf die Begrenzung bezogen sind. Um die Erstreckung eines begrenzten Raumes insgesamt als eine endliche kennzeichnen zu können, müssten sich aber alle Strecken in ihm auf die Begrenzung beziehen lassen. Endlich sei deshalb ein Raum genannt, wenn er begrenzt ist und jede Strecke, deren Endpunkte er einschließt, auf einer Strecke liegt, deren Endpunkte wiederum auf der Begrenzung liegende Punkte sind. Wenn alle Strecken innerhalb eines begrenzten Raumes auf Strecken liegen, deren beide Endpunkte auf der Begrenzung dieses Raumes liegen, dann findet seine Erstreckung mithin an seiner Begrenzung ihr Ende. Die endliche Erstreckung eines begrenzten Raumes findet also ihr Maß in der Endlichkeit der Strecke, sprich in deren definitiven Ende in ihren Endpunkten. Aus der Definition der Endlichkeit von Räumen lässt sich ersehen, dass deren Bestimmtheit, begrenzt zu sein, nicht zureicht, sie als endliche zu qualifizieren. Der von einem endlichen Raum aufgrund seiner Begrenzung ausgeschlossene und deshalb durch dieselbe Begrenzung ebenfalls begrenzte Raum ist nämlich kein endlicher. Da es wesentliche Bestimmung der Begrenzung ist, bestimmter Ausdruck des einen unbegrenzten Raumes zu sein, muss es zumindest in einem der beiden Teilräume Strecken geben, die auf solchen Strecken liegen, die in keiner Begrenzung ihr Ende finden. Deshalb erfüllt der von einem endlichen 6 Es wird sich unten, S. 57ff., zeigen, dass Pannenbergs Konzeption endlicher Räume in diesem nur auf den ersten Blick überzeugenden Verständnis endlicher Räume ihre Basis findet.

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Raum ausgeschlossene Raum nicht die zweite Bedingung der Definition, jede Strecke in ihm müsse auf einer Strecke liegen, deren Endpunkte auf seiner Begrenzung liegen. Ist aber mit der Feststellung, die Erstreckung eines Raumes finde kein Ende, bereits gesagt, sie sei eine unendliche? Gegen eine solche Schlussfolgerung wäre einzuwenden, die Erstreckung eines Raumes sei grundsätzlich durch Strecken bestimmt und diese fänden per definitionem in ihren Endpunkten ihr Ende. Allerdings sind die Endpunkte von Strecken niemals das Ende von Erstreckung überhaupt, weil sie stets auf Strecken liegen, die nicht in ihnen enden und sich somit über sie hinaus erstrecken. Rein als solche sind die Endpunkte von Strecken also nicht in der Lage, als das generelle Ende der Erstreckung zu fungieren. Es ist umgekehrt die Bestimmung der Strecke als solcher, die besagt, die Endpunkte seien immer auch negierte, da sie immer auch auf anderer Strecke liegende und darin keine Endpunkte mehr seien. Es bietet sich deshalb an, die unendliche Erstreckung in dem Prozess zu sehen, in dem Endpunkte niemals das Ende von Erstreckung sind, weil sie stets auf anderer Strecke liegen. Da dies die Bestimmung jeder Strecke ist, also jede Strecke auf einer weiteren liegt, ist der in die Bestimmung der Strecke eingelagerte nicht zu beendende Prozess der Ausdruck unendlicher Erstreckung. Das Ende der Erstreckung eines begrenzten Raums können Endpunkte nur deshalb bilden, weil sie zudem auf der Begrenzung des Raumes liegen, der mit ihnen endet. Räume, deren Erstreckung durch ihre Begrenzung nicht beendet werden kann, dürfen so als unendlich erstreckte bezeichnet werden. So wie der Begriff der unendlichen Erstreckung bisher entwickelt wurde, kann er allerdings noch nicht zufriedenstellen. Einerseits gilt, dass die unendliche Erstreckung als Erstreckung durchgängig durch Strecken bestimmt ist, da es ja der Einschluss von Strecken in Strecken ist, der sichtbar macht, dass die Endpunkte von Strecken nicht das Ende von Erstreckung überhaupt sein können. Andererseits gilt aber auch, dass die unendliche Erstreckung als unendliche nicht durchgängig durch Strecken bestimmbar ist, da keine Strecke es vermag, sich über ihre Endpunkte hinaus zu erstrecken und somit unendliche Erstreckung zu sein. Jede Strecke ist durch ihre Endpunkte eine endliche und somit verbleibt der Prozess im Endlichen. Der Widerspruch, dass der nicht zu beendende Prozess, in dem die Endpunkte, negiert werden, indem sie auf einer anderen Strecke zu liegen kommen, trotzdem im Endlichen, nämlich innerhalb der durch Endpunkte terminierten Strecken verbleibt, findet seine Auflösung in den Bestimmungen der Geraden. Sie ist der adäquate Ausdruck unendlicher Erstreckung. Erstreckung drückt eine Gerade dadurch aus, dass auf ihr alle die Strecken liegen, die zu einer Folge von Strecken gehören, in der jeder Strecke immer eine weitere folgt, auf der sie liegt. Die Erstreckung einer Geraden zeigt sich folglich in der Folge sich immer weiter erstreckender Strecken. Die Unendlichkeit ihrer Er-

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streckung zeigt die Gerade aber darin, dass sie im Gegensatz zu den auf ihr liegenden Strecken durch keine Endpunkte begrenzt ist, also sich über die auf ihr liegenden Strecken hinaus erstreckt. Deshalb kann es keine Strecke geben, auf der alle Punkte liegen, die eine Gerade einschließt. Was heißt es dann aber für Punkte, auf einer Geraden zu liegen, wenn diese keine Strecke ist? Strecken bestimmen einzig durch ihre Endpunkte, deren räumliches Auseinander sie darstellen, welche Punkte auf ihnen liegen und welche nicht. Die Punkte, die auf der Strecke liegen, sind ja nichts anderes als die von dem Raum eingeschlossenen, der einzig durch den wechselseitigen Ausschluss von Punkten bestimmt ist. Geraden und damit die Punkte, die auf ihnen liegen, können sich im leeren Raum auf diese Weise nicht zeigen, weil sie nicht als durch Endpunkte bestimmte und damit als deren Distanz auszuweisen sind. Die von einer Geraden eingeschlossenen Punkte sind deshalb nicht mehr durch die distanzierende Bezugnahme auf andere Punkte bestimmt, sondern unabhängig davon unmittelbar durch sich selbst. Die unendliche Erstreckung des leeren Raums stellt die in ihm seienden Punkte als Orte dar. Ort zu sein, heißt, bestimmt zu sein, ohne auf einen anderen Ort bezogen sein müssen, um durch Unterschied zu diesem die eigene Bestimmtheit zu erfahren. Als Negation ihres negativen Bezogen-Seins sind Orte Für-sich-Sein. Nicht etwa sind die Punkte an einem bestimmten Ort, sondern sie sind unmittelbar die bestimmten Orte selbst. Eine Gerade ist etwas Bestimmtes im Raum einzig durch die Orte, die sie konstituieren.7 Nur als der Einschluss dieser Orte ist sie diese bestimmte, ist sie selbst bestimmter Ort im Raum. Da durch die Gerade die Folge von Strecken gegeben 7 Der hier verwendete Begriff der Geraden verhält sich gegenüber der Unterscheidung von gerade und gekrümmt neutral. Wovon Geraden unterschieden werden, sind nicht gekrümmte Linien sondern Strecken, die im Gegensatz zu Geraden durch Endpunkte gekennzeichnet sind. Auf der Basis der bis hierin entwickelten Raumbestimmungen können gerade Linien von gekrümmten noch gar nicht unterschieden werden. Möglich wird eine solche Unterscheidung durch eine weitere Analyse des Für-sich-bestimmt-Seins der Orte. Weil Orte ohne Bezugnahme aufeinander nur für sich bestimmt, somit füreinander gleich-gültig sind, ist ihre Unterscheidbarkeit nicht mehr durch die Strecke zwischen ihnen zu bestimmen, die bekanntlich nur in der negativen, ausschließenden Bezugnahme aufeinander besteht. Wie können Orte als Orte aber dann noch unterschieden werden? Was macht Orte füreinander zu anderen Orten? Es macht gerade die einzigartige Bestimmtheit eines Ortes aus, die er ohne Bezugnahme auf andere hat, dass er sich von diesen anders unterscheidet als diese sich von ihm. Der Ort ist es, der spezifiziert, wie er sich von anderem Ort unterscheidet. Als Bestimmung des Raumes zeigen sich diese unterschiedenen Unterscheidungen als zu unterscheidende Richtungen der Distanznahme. Die Richtung, die von einem Ort O1 aus auf einen Ort O2 zeigt, ist eine andere als die von O2 aus auf O1 zeigt. Auf der Bestimmung des Punktes als Ort fußt also die Unterscheidbarkeit von Richtungen und mithin die Möglichkeit von Vektoren. Die Unterscheidung von geraden von gekrümmten Linien hängt wiederum von der Möglichkeit ab, Richtungen zu unterscheiden. Da der Gedankengang des Haupttexts, den Begriff der Geraden nur als Gegenbegriff zum Begriff der Strecke verwendet, soll es bei den obenstehenden Anmerkungen bleiben.

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ist, in der auf eine Strecke immer eine weitere folgt, auf der sie liegt, und nicht umgekehrt die Gerade durch die nicht zu beendende Folge von Strecken gegeben ist, ist die Gerade aktual unendlich. Aktual ist die Unendlichkeit der Geraden, weil sie nicht in dem nicht zu beendenden Prozess aufgeht, der die Erstreckung immer weiter treibt, sondern diesen zum einen transzendiert und zugleich die Bedingung dafür ist, dass zu jeder Strecke eine weitere gegeben ist, auf der sie liegt. Einzig deswegen, weil im Ort einer Geraden die Orte aller Strecken, die sie einschließt, mitgegeben sind, ist die Lage einer Geraden aus der Lage einer Strecke bzw. deren sie bestimmenden Endpunkte zu bestimmen.8 Pannenbergs nicht weiter begründete Behauptung, eine Vielzahl von Räumen setze für ihre Möglichkeit den einen aktual unendlichen, ungeteilten, d. h. einfachen Raum voraus, kann durch das Vorhergehende als begründet angesehen werden, weil aus den Bestimmungen des einen Raumes als eines einfachen und leeren seine Teilbarkeit in eine Vielheit von Räumen abgeleitet werden konnte. Vom der Vielfalt der Räume vorhergehenden oder ihr vorausgesetzten unendlichen und ungeteilten Raum lässt sich nur begründet reden, wenn die ihm notwendig zukommenden Bestimmung, ungeteilt bzw. einfach zu sein, als die Bedingung der Möglichkeit der Vielheit von Räumen begreiflich gemacht werden kann, ohne sie von vornherein mit der Vielheit der Räume in Beziehung zu setzen. Gelingt dies nicht, bliebe nur die unbegründete Behauptung, es sei so. Kann aber der eine einfache aktual unendliche Raum, so wie er hier als Bedingung der Möglichkeit alles Räumlichen entwickelt wurde, noch zur Begründung der These herangezogen werden, der Begriff des Raumes impliziere letztendlich den Gottesgedanken?

8 In geometrische Beschreibungen von Räumen geht das zuletzt benannte Verhältnis von Strecken, bzw. deren Endpunkten zu Geraden häufig in deren Axiomatik ein. Das Axiom, zwei voneinander verschiedene Punkte P und Q bestimmten stets genau eine Gerade g (Vgl. die Axiome I 1. und I 2. in: D. Hilbert, Grundlagen der Geometrie, Stuttgart 121977, S. 3), fasst die aus ihrer Bestimmtheit zu begründende Eigenschaft der Geraden, durch zwei Punkte festgelegt zu sein, als nicht weiter begründbare Festlegung. Aus der Tatsache, dass das Axiom auch von den nicht-euklidischen Geometrien erfüllt wird, lässt sich zumindest der Hinweis entnehmen, dass die hier vorgestellte Raumkonzeption nicht auf eine bestimmte Geometrie festzulegen ist. Umgekehrt kann sie als eine philosophische Begründung der, in der Praxis der Geometer als nicht weiter begründbare Festlegungen behandelten Axiome angesehen werden. Insofern entspricht das hier vorgelegte Raumkonzept dem, was Pannenberg von der Philosophie in Sachen Raum einfordert (siehe Anm. 4).

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II. Pannenberg verfolgt, wie gesagt, die Strategie, die theologischen Implikationen des Raumbegriffs mit Hilfe des Begriffs der Unendlichkeit auszuweisen. Es ist nämlich Gott, dem nach Maßgabe Pannenbergs als einzigem die Eigenschaft zugesprochen werden kann, wahrhaft unendlich zu sein. Wahrhaft unendlich zu sein, besagt dabei mehr als, bloßer Gegensatz zum Endlichen zu sein. „Das nur […] im Gegensatz zum Endlichen vorgestellte Unendliche ist selber endlich. Um wahrhaft als unendlich gedacht zu sein, darf das Unendliche dem Endlichen nicht nur entgegengesetzt sein, sondern muß zugleich diesen Gegensatz auch übergreifen. Es muß sowohl als im Verhältnis zum Endlichen ihm transzendent als auch als ihm immanent gedacht werden“9 Bevor die Frage zu beantworten ist, wie die als aktual unendlich qualifizierte Erstreckung des unbegrenzten Raumes mit der Bestimmung Gottes, als des Unendlichkeit exklusiv für sich in Anspruch Nehmenden konsistent in Zusammenhang gebracht werden kann, gilt es zu klären, inwiefern die Erstreckung des leeren Raumes nach dem von Pannenberg benannten Kriterium eine wahrhaft unendliche ist . Einerseits transzendiert die aktual unendliche Gerade die endliche Strecke, weil sie als Ausdruck des Fürsich-bestimmt-Seins des Ortes nicht durch den wechselseitigen Ausschluss von Punkten, d. h. durch ihre Endpunkte konstituiert ist. Weil die Gerade sich nicht durch Endpunkte, sprich ein Ende auszeichnet, ist sie die Negation der Endlichkeit der Strecke. Als sich im Raum erstreckende, ist die Gerade aber auch der Ort, der es ermöglicht, dass jede Strecke auf einer weiteren liegt, die sich über jene hinaus erstreckt und sie somit als endlich bestimmt. In ihrer wesentlichen Endlichkeit ist die Strecke also notwendigerweise ein durch seine Endpunkte beschränkter Teil der Geraden. Somit ist die unendliche Gerade der endlichen Strecke auch immanent. Es gibt keine Strecke, die nicht auf einer Geraden läge. Insofern kommt der Erstreckung der Geraden die Eigenschaft zu, wahrhaft unendlich zu sein. Da die aktual unendliche Erstreckung des Raumes sich in der Geraden zeigt, kann auch dem einen Raum wahrhafte Unendlichkeit zugesprochen werden. Soll von Gott als einzigem wahrhafte Unendlichkeit ausgesagt werden, dann muss Gott mit dem sich unendlich erstreckenden leeren Raum identisch und alles, was räumlich, begrenzter Raum ist, sich als sein Modus zeigen. Will man diese theologisch unerwünschte akosmistische Konsequenz verhindern, dass nämlich alles Räumliche in Gott sei, bieten sich zwei Optionen an: Man lässt erstens neben Gott den einen unbegrenzten Raum als wahrhaftes Unendliches zu, oder man fasst zweitens den unendlichen und ungeteilten Raum als Ausdruck der wahrhaften Unendlichkeit Gottes in der Weise, dass Räume in einer Mehrzahl 9 W. Pannenberg, MuG, S. 29

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nicht Begrenzungen in ihm, sondern einen Raum bilden der von dem ungeteilten unendlichen unterschieden ist. Pannenberg optiert für die zweite Variante, indem er den „Raum der Geschöpfe“, der „erst mit der Erschaffung von Geschöpfen“ als „eine Mannigfaltigkeit von Örtern, also von gegeneinander abgegrenzten Teilräumen entsteht“10, von der Unermesslichkeit und Ewigkeit des Schöpfers unterscheidet. Wenn der Raum der Geschöpfe, als der geschaffene Raum der gegeneinander abgegrenzten und aufeinander bezogenen Teilräume von Gott, dem einen wahrhaft unendlichen Schöpfer bedingt ist, was kann es dann aber noch heißen, es sei der unendliche und ungeteilte Raum, der die „Vorbedingung für das Auftreten […] besonderer Raumeinheiten“11 sei? Offensichtlich kann dem unendlichen und ungeteilten Raum, auf den die „Vorstellungen der göttlichen Unermeßlichkeit und Allgegenwart bei den Geschöpfen bezogen werden“12 können, nicht die Eigenschaft zugesprochen werden, ausgedehnt zu sein, bzw. sich zu erstrecken, weil sich nach dem oben im Abschnitt I. Gesagten unendliche Erstreckung nur in der Vielheit der rein für sich bestimmten Orte zeigt. Der einfache, leere Raum ist demnach nur als ausgedehnter die Distanz aller sich wechselseitig ausschließenden Räume und somit die Bedingung ihrer Möglichkeit. Abgesehen davon, dass Pannenberg den, um seiner Verwendbarkeit als Interpretament göttlicher Eigenschaften des Merkmals der Ausdehnung beraubten Raumbegriff nur noch äquivok13 verwenden und sich dabei schwerlich auf Kant14 10 W. Pannenberg, STh I, S. 107. Vgl. auch W. Pannenberg, Theologie der Schöpfung (wie Anm. 3), S. 37: „Der Übergang zu dem durch Teile und Örter gekennzeichneten Raum entsteht dann erst durch das Auftreten endlicher Gegebenheiten im Raum und ihrer Verhältnisse zueinander.“ 11 W. Pannenberg, Das Verhältnis (wie Anm. 1), S. 107f. 12 Ebd. 13 Gegen den Vorwurf eines äquivoken Gebrauchs des Raumbegriffs könnte eingewendet werden, dass es Pannenberg doch gelänge, indem er das räumliche Nebeneinander als in der Zeit fundiertes begreift, Ausdehnung so zu fassen, dass sie mit der Unermesslichkeit Gottes vereinbar ist. „Als Ordnung des Gleichzeitigen, als Nebeneinander, ist der Begriff des Raumes abhängig von dem der Zeit, genauer vom Zeitmodus der Gegenwart, und steht in einer Beziehung zur Ewigkeit als unbegrenzter Gegenwart.“ (W. Pannenberg, Das Verhältnis (wie Anm. 1), S. 108); „Der Begriff des Raumes ist nämlich durch die Gleichzeitigkeit des Verschiedenen konstituiert. Der Raum umfaßt alles das, was gleichzeitig gegenwärtig ist.“). Dieser in der „Reduktion des Raumes auf die Zeit“ (W. Pannenberg, STh II, S. 111) gründende Einwand vermag allerdings schwerlich zu überzeugen, weshalb die Auseinandersetzung mit ihm auch in der Anmerkung geführt wird. Ist von Gleichzeitigkeit die Rede, dann impliziert diese immer etwas, das mit etwas anderem in das Verhältnis der Gleichzeitigkeit gesetzt wird. Was zueinander in der Relation der Gleichzeitigkeit zu stehen vermag, sind Ereignisse. Etwas geschieht zur selben Zeit, zu der auch etwas anderes geschieht. Der Formulierung Pannenbergs, der Raum sei durch die Gleichzeitigkeit konstituiert, ist zu entnehmen, dass er die Gleichzeitigkeit als hinreichende Bedingung für das Nebeneinander verstanden wissen will. Aber bereits ein einfacher Fall von Gleichzeitigkeit wie der, an einem Schreibtisch zu sitzen und gleichzeitig über den Raum nachzudenken, kann nicht mehr begreiflich machen, was das

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beziehen kann, liegt das schwerwiegendere Problem darin, wie die Abhängigkeit des durch Ausdehnung – „Teile und Örter“ – gekennzeichneten Raumes von „der Erschaffung von Geschöpfen“ bzw. dem „Auftreten endlicher Gegebenheiten“ begreiflich gemacht werden kann, ohne den einen leeren, ausgedehnten, aktual unendlichen und damit durch die Vielheit von Orten gekennzeichneten Raum in Anspruch zu nehmen. Ohne die Erschaffung von Geschöpfen und dem damit einhergehenden Auftreten endlicher Gegebenheiten soll laut Pannenberg der Raum, in dem Räumliches voneinander geschieden ist, nicht möglich sein. Was ist es, das Erschaffenes so auszeichnet, dass erst mit ihm der Raum einer Mannigfaltigkeit abgegrenzter Teilräume möglich ist? Obwohl Pannenberg den Zusammenhang zwischen Erschaffen-Sein und Konstitution des Raumes, der durch Örter und Teile gekennzeichnet ist, nicht explizit ausgearbeitet hat, seien dennoch aus verstreuten Bemerkungen zwei hinreichend explizite Argumentationsstränge entwickelt, die daraufhin zu prüfen sind, ob sie den benannten Zusammenhang konsistent begreiflich machen können. Eine grundlegende Eigenschaft alles Erschaffenen ist es, endlich15 zu sein. Wenn Gott einzig wahrhaft unendlich ist und Erschaffenes generell vom Schöpfer zu unterscheiden ist, dann muss alles Erschaffene endlich sein. Was versteht Pannenberg aber unter Endlichkeit? Der eine der hier zu entwickelnden Argumentationsstränge entnimmt der Äußerung Pannenbergs, der Raum der Geschöpfe sei „dadurch gebildet, daß sie gerade durch ihre Endlichkeit – in der Abgrenzung voneinander – gleichzeitig aufeinander bezogen sind“16, Endliches sei dadurch bestimmt, dass es von anderem17 abgegrenzt ist,

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räumliche Nebeneinander der Geschehnisse des Sitzens und des Nachdenkens ausmache. Es sei denn, man mache vom Begriff des Nebeneinanders einen äquivoken Gebrauch und setze ihn mit dem Begriff der Gleichzeitigkeit in eins. Auf Kant könnte sich Pannenberg nur beziehen, wenn er die Kröte schluckte, dass jeder beschränkte Raum als Raum ausschließender und darin von Raum ausgeschlossener Erscheinung in der Form des einen aktual gegebenen Raumes ist. Beschränkte Räume sind Modi des einen unendlichen Raumes, der in jeder Beschränkung ein und derselbe, in unterschiedlicher Weise erscheinende bleibt. Kant ist Spinozas Auffassung vom Raum sehr viel näher als der Pannenbergs (Vgl. zur strukturellen Verwandtschaft der Raumkonzepte Kants und Spinozas: S. Büttner (wie Anm. 4), S. 221–226) Von daher wäre auch zu bedenken, ob Kant nicht gute Gründe hat, den Raum als Anschauungsform zu bestimmen, in der sich jeder ihrer Inhalte als Raum zeigt, und nicht, wie es Pannenberg im theologischen Interesse fordert, als etwas an sich Seiendes, das von anderem räumlich Seienden zu scheiden ist. Eine detaillierte Auseinandersetzung mit der Kant-Interpretation Pannenbergs kann hier leider nicht erfolgen. Im Zitat aus Anm. 10 verweist Pannenberg explizit auf endliche Gegebenheiten. W. Pannenberg, STh 2, S. 107f. Als Beleg für Pannenbergs Auffassung der Endlichkeit als Begrenztheit kann auch die folgende Charakterisierung des Begriff des Endlichen angeführt werden: „Der Begriff des Endlichen läßt sich sowohl noetisch als auch ontisch charakterisieren: Ontisch als das reale Enden im Raum und in der Zeit, begrenzt durch anderes [Hrvh. M. Z.], noetisch, insofern

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welches als dadurch selbst wiederum von anderem Abgegrenztes ebenfalls endlich ist. Da Endliches nur in Abgrenzung von anderem Endlichen Endliches ist, ist jedes Endliche dadurch, dass es von Endlichem abzugrenzen ist, auf alles andere Endliche bezogen. Endliches ist demnach nur in Vielheit möglich. Die für das Vorliegen einer Vielheit benötigte Unterscheidbarkeit der Elemente, die die Vielheit konstituieren, wird durch die Abgrenzung voneinander garantiert. Die Gesamtheit der Relationen, in der die voneinander Abgegrenzten allein schon durch ihre wechselseitige Abgrenzung stehen, kann als der durch die Vielheit des Endlichen konstituierte Raum18 verstanden werden. So weit also lässt sich der Raum der Geschöpfe als durch die Geschöpfe konstituierter auffassen. Allerdings beruht der Erfolg der gesamten Argumentation darauf, dass sich die Bestimmung des Endlichen als von anderem Abgegrenztes halten lässt. Da die auf ihre Konsistenz zu prüfende Bestimmung des Endlichen, bereits in einem Modell erfüllt wird, in dem ein Endliches von einem anderen abgegrenzt ist, kann im Folgenden dieses Modell ohne Verlust an argumentativer Überzeugungskraft zugrunde gelegt werden. Die für Endliches konstitutive Bestimmung, in Vielheit vorzuliegen, ist im Modell dadurch erfüllt, dass es ein und ein weiteres Element enthält. Wenn nun gesagt wird, die beiden seien dadurch unterschieden, dass sie voneinander abgegrenzt sind, dann zeigt sich genauerem Hinsehen, dass die Charakterisierung, vom anderen abgegrenzt zu sein, gar keine Unterscheidung erlaubt, weil sie für beide Elemente in identischer Weise gilt. Das, was Unterscheidung aussagen soll, zeigt sich als deren Negation. Es steht zu vermuten, dass Pannenberg dieser offensichtliche Widerspruch entgangen ist, weil er dem Begriff der Abgrenzung doch den der Ausdehnung unterschiebt, der als konstitutives Merkmal von Raum überhaupt begründet, weshalb alles im Raum auseinanderzuhalten ist und somit ein und dieselbe Begrenzung Räume zu unterscheiden vermag. Macht man allerdings diese stillschweigende Präsupposition bewusst, dann fällt die Annahme, der Raum der Geschöpfe sei durch diese konstituiert. Sie müssen ihn voraussetzten, damit sie als Teile und Örter in Rejedes ‚etwas‘ nur in seiner Unterschiedenheit von anderem das ist, was es in seiner Besonderheit ist. Die Abgrenzung [Hrvh. M. Z.] des einen vom anderen bzw. von allem anderen konstituiert seinen Begriff.“ (W. Pannenberg, MuG, S. 21). 18 Auf den Gebrauch der Termini „Teil“ oder „Teilraum“, den Pannenberg häufig zur Kennzeichnung des Endlichen verwendet, das den Raum der Geschöpfe konstituiert, wurde in der Nachzeichnung des ersten Argumentationsstrangs deswegen verzichtet, weil dadurch die Stringenz der Argumentation eher behindert als befördert wird. Da der Begriff des Teils notwendigerweise den des Ganzen impliziert, stellt sich unabwendbar die Frage, was das Ganze der Teile bzw. der Teilräume ist. Pannenberg verwendet den Begriff des Ganzen im Zusammenhang mit dem Raumbegriff einzig für den ungeteilten und unendlichen Raum (Vgl. W. Pannenberg, STh II, S. 110; ders. Theologie (wie Anm. 3), S. 37; ders., Das Verhältnis (wie Anm. 1), S. 104; ders. Raum (wie. Anm. 3), S. 210). Wenn die Teile aber Teile des einen unendlichen Raums sind, kann er nicht mehr von ihm gesagt werden, er sei ungeteilt.

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lationen zueinander stehen können. Der erste Versuch, Argumente dafür zu entwickeln, dass der Raum der Teile und Örter durch diese konstituiert wird, muss also als gescheitert angesehen werden. Damit erfährt zugleich die Behauptung der in Abschnitt I. in ihren ersten Schritten entwickelten Raumtheorie, die Erstreckung des einen und einfachen Raumes sei die notwendige Bedingung einer Vielheit von Räumen, eine zusätzliche Bestätigung. Der andere, nun zu entwickelnde Argumentationsstrang kann zugleich als ein Einwand gegen das im Abschnitt I. Vorgetragene gelesen werden. Der Nachweis von Inkonsistenzen im entwickelten zweiten Argumentationsstrang dient dann zugleich der Verteidigung der Raumkonzeption von Abschnitt I. Pannenbergs in Anm. 17 zitierte ontische Charakterisierung des Endlichen lässt sich auch anders lesen als es im ersten Argumentationsgang geschah. „[D]as reale Enden im Raum“ lässt sich so verstehen, dass dasjenige, das im Raum endet, real, d. h, an sich endlich ist, ohne dafür anderes es Begrenzendes oder den einen Raum beanspruchen zu müssen, durch den es, als in ihn eingeschlossenes, überhaupt erst ein endlicher Raum ist. Im Raum zu enden, ist eine Eigenschaft die etwas, intrinsisch, unabhängig von anderem besitzt. Das, was ein endlicher Raum ist, ohne hierfür anderen Raum zu benötigen, sei Körper genannt. Der Raum der Geschöpfe wäre dann der „Inbegriff von Relationen zwischen“19 den Körpern. Aufgrund ihrer Endlichkeit ermöglichen Körper, anderen Körpern mit ihnen in der Relation des Nebeneinanders zu stehen. Mit der Einführung der Körper als endliche Räume drängt sich zugleich die Rückfrage an das in Abschnitt I. Dargelegte auf, wie sich das, aus der Bestimmung des Raumes als leeren entwickelte Raumkonzept zu solchem Raum verhält, der nicht ein Modus des einen leeren Raumes ist. Auch die Alltagserfahrung scheint einen darüber zu belehren, dass der Raum mit etwas gefüllt ist, das sich schwerlich als Ausdruck seiner Leere bestimmen lässt.20 Die Eigenschaft des Körpers, unabhängig von anderem Raum, 19 W. Pannenberg, STh II, S. 108. 20 Da die Argumente des Haupttexts nicht auf der Unterscheidung zwischen leerem Raum und gefülltem Raum fußen, ist es angebracht, diesen in der Anmerkung zu verhandeln. Gleichwohl ist die Bestimmung des Verhältnisses von leerem und gefülltem Raum kein zu marginalisierendes Problem. Die Neigung, die im Haupttext diskutierte Frage zu bejahen, ob etwas an sich, also unabhängig von anderem die Eigenschaft zukommt, endlich zu sein, resultiert häufig aus der Annahme, gefüllte Räume repräsentierten Dinge an sich. Die Annahme eines Unterschieds zwischen leerem und gefülltem Raum orientiert sich an der Vorstellung von Behältern. Das, was im gefüllten Behälter ist, ist nicht im leeren. Bezeichnet man das, was den Behälter füllt, als Stoff, kann man den Unterschied zwischen gefülltem und leerem Behälter auf den zwischen der Anwesenheit von Stoff und der Abwesenheit von Stoff reduzieren. Hat man die Differenz zwischen gefülltem und leerem Raum auf die zwischen der Anwesenheit von Stoff und der Abwesenheit von Stoff reduziert, dann drängt sich die Frage auf, welchen Unterschied diese Differenz hinsichtlich der räumlichen Bestimmungen des Behälters macht. Ändert die Anwesenheit von Stoff etwas an seiner Erstreckung, wie sie sich etwa im Volumen zeigt? Was den Behälter zum Raum macht, hängt nicht von der Anwesenheit oder

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bestimmter Raum sein zu können, prädestiniert ihn dazu, als etwas Raum Füllendes verstanden zu werden. Die Gesamtheit der Relationen zwischen den Körpern konstituierte dann einen nicht-leeren Raum. Die Schlüssigkeit des gesamten zweiten Argumentationsstrangs beruht auf der Möglichkeit, etwas räumliche Endlichkeit als seine intrinsische Eigenschaft zusprechen zu können. Nun impliziert aber bereits der Begriff der Endlichkeit den negativen Bezug auf anderes. Die Bestimmung des Endes schließt notwendigerweise die Negation eines Weiter ein. Da das Weiter auch die Negation des Endes ist – wo es weitergeht, ist kein Ende –, lässt sich das Ende als Negation seiner Negation bestimmen. Für die Erstreckung eines Körpers heißt das, dass er dort, wo seine Erstreckung endet, an seiner Begrenzung, sich nicht weiter erstreckt. Damit einem Körper die Eigenschaft zugesprochen werden kann, ein sich endlich erstreckender zu sein, muss es folglich weitere Erstreckung geben, die nicht die seine ist. Ohne weitere Erstreckung wäre endliche Erstreckung gar nicht als endliche bestimmbar. Endliche Erstreckung besitzen Räume nur unter der Bedingung weiterer Erstreckung, deren Negation sie sind. Sie erstrecken sich endlich, weil sie sich nicht weiter erstrecken. Aufgrund dieses konstitutiven extrinsischen Bezugs auf weitere Erstreckung kann Endlichkeit Räumen nicht als intrinsische Eigenschaft zugesprochen werden. Mithin muss auch der zweite Versuch, die These zu begründen, der Raum der vielen Räume, sei durch diese konstituiert, als gescheitert angesehen werden. Zugleich liefert das Scheitern des Begründungsversuchs eine Bestätigung für die in Abschnitt I. entfaltete Raumkonzeption. Am Paradigma endlicher Erstreckung, der Strecke, lässt sich mit Hilfe des in Abschnitt I. Entwickelten ablesen, dass die für das Ende der Strecke notwendige weitere Erstreckung ihren räumlichen Ausdruck in der aktual unendlichen Geraden findet. In der Geraden zeigt sich das Weiter, das die Endpunkte der Strecke als ihr Ende bestimmen. Als Erstreckung über das Ende von Erstreckung hinaus fungiert die Gerade als die Einheit der endlichen Strecke und des durch diese geforderten Weiter der Erstreckung. Die Strecke ebenso wie die weitere Erstreckung, die nicht die ihre ist, bilden die Erstreckung der unendlichen Geraden. Extrapoliert man das von der Strecke Gesagte auf endliche Räume, dann gilt von diesen, dass die für ihre Endlichkeit erforderliche weitere Erstreckung Ausdruck des unendlichen Raumes ist. Als der sich unendliche erstreckende ist der eine Raum die eine Erstreckung, die sich in der Erstreckung des der Abwesenheit von Stoff ab. Hinsichtlich seiner Bestimmtheit als Raum, ist leerer Raum dasselbe wie gefüllter Raum. Damit entfällt auch die dingontologische Vorstellung des leeren Raumes als eines Behälters, in dem Stoff abwesend ist. In der hier vorgelegten Raumkonzeption steht der Begriff der Leere nicht dem der Fülle gegenüber, sondern für die Einfachheit des Raumes überhaupt, dem gegenüber anderer Raum nichts ist. Damit ist selbstverständlich nicht gesagt, Anwesenheit von Stoff sei dasselbe wie dessen Abwesenheit. Es handelt sich dabei nur nicht um unterschiedliche Bestimmungen von Raum.

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endlichen Raumes und in der, des sich über dessen Ende weiter erstreckenden Raums zeigt. Pannenbergs Strategie, den Raum, in dem endliche Teilräume ihren Ort finden, erst mit deren Erschaffung entstehen zu lassen, um damit die akosmistische Konsequenz zu verhindern, alle Räume als Einschluss damit auch als Ausschluss von Raum, als Ausdrucksweisen von Raum überhaupt zu begreifen, scheitert daran, dass der Raum endlicher Teilräume mit dem einen einfachen und unendlichen Raum identisch ist. Endlicher Raum als Negation seiner Negation ist nur im Zusammenhang mit weitergehendem Raum begreifbar und so als Erscheinungsweise der einen aktual unendlichen Einheit von Raum überhaupt. Resümierend lässt sich also feststellen, dass zwar zu begründen ist, Räume, die in Vielheit auftreten, hätten grundsätzlich den einen aktual unendlichen Raum zu ihrer notwendigen Bedingung. Der Versuch aber, durch schöpfungstheologische Maßnahmen, den Raum der endlichen Räume von dem einen ungeteilten und unendlichen Raum als etwas anderes zu unterscheiden, muss als gescheitert angesehen werden. Umgekehrt stellen die in Abschnitt I. dargelegten und in Abschnitt II. bestätigten Raumargumente somit eine ernstzunehmende Herausforderung an die Schöpfungstheologie dar.

Karl-Hinrich Manzke

Das Phänomen der Zeit – ausdrückliche und unausgesprochene Voraussetzungen von Wolfhart Pannenbergs Verständnis der Zeit

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Vorspann: Die Stimme in′s All – Stephen Hawkings Beispiel

Im Beisein von rund eintausend geladenen Gästen hat am 15. Juni 2018 in der Westminster Abbey die Gedenkfeier für den im März d. J. verstorbenen Physiker Stephen W. Hawking stattgefunden. Seine Asche ist dort, in London, zwischen den Gräbern von Charles Darwin und Isaac Newton beigesetzt worden. Gekrönt wurden die Feierlichkeiten mit einem Akt, der hohe Symbolkraft besitzen sollte. Die Europäische Weltraumorganisation hat mit einer Radioantenne ein von Musik untermaltes Statement des berühmten Physikers in′s All gesendet. Laut Hawkings Familie handelt es sich um eine Botschaft des Friedens und der Hoffnung des Physikers, um seinen letzten Willen für die bewohnte Erde und das zwar unbewohnte, aber nicht ziellose Universum. Hawking rief in seiner letzten Botschaft dazu auf, gemeinsam und in Harmonie auf unserem Planeten zu leben – in einer anzustrebenden Harmonie zwischen den Erdenbürgern und möglichen Bewohnern fremder Sterne. Bezeichnend ist, wohin die Botschaft geschickt wurde. Als Ziel wurde ein Doppelstern-System mit der Bezeichnung ‚A0620–00‘ ausgewählt. In diesem System kreist ein sonnenähnlicher Stern um ein Schwarzes Loch, das nur ungefähr 3.500 Lichtjahre von uns entfernt ist. Angesichts der von Stephen Hawking berechneten Größe des gleichwohl begrenzten Kosmos eine geradezu lächerliche Entfernung. Denn es handelt sich hier um das uns, der Menschheit, nächst gelegene und bekannteste Schwarze Loch. Besser konnte man wohl Hawking kaum würdigen, wenn man seine Botschaft dorthin sendete. Denn die Entdeckung sogenannter Schwarzer Löcher, Orte extrem verdichteter Materie, an deren Existenz er in den letzten Jahren seines Lebens dann doch wieder zweifelte, haben ihn einst berühmt gemacht. Bis kurz vor seinem Tode beschäftigte er sich mit diesen seltsamen Objekten, die Physiker auch noch heute vor große Rätsel stellen. In seinem Buch „Eine kurze Geschichte der Zeit“, das Stephen Hawking auch bei Laien populär gemacht hat, bezeichnet er Schwarze Löcher als die Orte, wo Raum- und Zeitdimensionen, wie wir sie auf der Erde zu beschreiben in der Lage sind, völlig „verdichtet und aufgehoben“ sind.

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Der symbolische Akt mit der Besprechung des Schwarzen Loches, das uns Menschen am nächsten gelegen ist, entbehrt nicht einer gewissen Ironie. Denn „zu Lebzeiten“ hat Hawking eindringlich davor gewarnt, Botschaften ins All zu schicken. Er war überzeugt davon, dass es irgendwo da draußen intelligente Wesen gibt. Allerdings hegte er Zweifel, ob diese der Menschheit wohl gesonnen sind. Deshalb lautete seine Devise: „Besser nicht melden und nicht auf sich aufmerksam machen, damit diese intelligenten Wesen nicht auf die Erde aufmerksam werden und der Labilität und Verletzlichkeit der ihrer selbst nicht gewissen Menschheit eingedenk werden könnten und diese ausnutzen sollten.“ Dass Hawking’s Botschaft von intelligenten Wesen aufgefangen und zurückverfolgt wird, ist allerdings unwahrscheinlich. Denn es gibt im Universum wohnlichere Orte als das anvisierte Doppelstern-System ‚A0620–00‘. Das Schwarze Loch entreißt seinem Begleitstern beständig Materie, die sich an einer Scheibe um das Schwarze Loch sammelt und intensive Röntgenstrahlung aussendet. Das sind keine Bedingungen, unter denen es sich gut leben und in aller Entspanntheit denken lässt. Einem Bericht der Tochter von Stephen Hawking zu Folge übrigens hatte der Physiker ursprünglich daran gedacht, sein nach allgemeiner Meinung sehr üppig ausgestattetes Gehirn nach seinem Tod in Richtung des Schwarzen Loches zu senden, um seine Friedensbotschaft noch mächtiger und ausdrücklicher zu machen. Nun denn – worauf weist diese kurze Erzählung aus dem Frühjahr des Jahres 2018, in dem wir hier zum Pannenberg Symposium zusammenkommen, hin? Zunächst auf die Fähigkeit eines einzelnen Menschenkindes, Phänomene der Wirklichkeit auch in der Kosmologie mit Bezug auf die eigene Denkleistung zu deuten und zweitens sie ganz offensichtlich für beeinflussbar zu halten. Als denkende und glaubende Wesen können wir Anteil nehmen an dem, was innerhalb und außerhalb der Welt in den Grenzen der bloßen Vernunft sich ereignen will! Zu seinem sechzigsten Geburtstag hat Stephen Hawking bekanntlicherweise ein Experiment konsequent und zu seinem Schaden, so vermute ich, durchgeführt. Hawking hielt Zeitreisen für denkbar und möglich – Zeitreisen in die Vergangenheit und Sprünge in die Zukunft. Und zwar auf dem Hintergrund der Erkenntnisse schon Albert Einsteins, dass die verbrauchte Zeit relativ ist zu der Geschwindigkeit des Objektes, in dem oder auf dem man sich bewegt. Auf dem Hintergrund der Erkenntnis, dass die Zeit auf Orten mit unterschiedlicher Geschwindigkeit auch unterschiedlich schnell vergeht, hat er experimentiert. Auf einem Flugkörper, der sich mit Lichtgeschwindigkeit bewegt, wird weniger Zeit verbraucht als beispielsweise auf der Erde, die sich gemächlich um die Sonne dreht. So hat Hawking manche Einladungen zu seinem 60zigsten Geburtstag erst einen Tag nach der Geburtstagsfeier verschickt. Er wollte zeigen und testen, ob die Einladung möglicherweise von Wesen wahrgenommen wird, die zurück in die

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Vergangenheit reisen können und auf diese Einladung nur gewartet haben und deswegen nach Empfang der Einladung, zurück in die Vergangenheit reisend, ihn zu seinem Geburtstag beehren würden. Er „habe alles vorbereitet, edlen Wein, gute Salzstangen und leichte Snacks, womit man eben in England Gäste erfreut.“ Mit großer Enttäuschung habe er aber feststellen müssen, dass die nach dem Tag der Feierlichkeit versandte Einladung ihm keine Gäste ins Haus ‚gespült hätte‘ – auch und gerade nicht Bewohner fremder Sterne. Das Experiment kann insofern als gelungen gelten, als es zeigt: Kosmologie und eine ausgeklügelte Theorie der Zeit und der Relativität ihres Verlaufes sind nicht zwingend gute Voraussetzungen für eine gelungene Geburtstagsparty. Und was sagt uns die Reminiszenz an Stephen Hawking noch? Dass über Ende und Anfang der Zeit nachzudenken, auch Auskunft zu geben vermag über die tiefe Überzeugung eines Menschen, wohin denn Anfang und Ende der Lebenszeit ihn wohl führen mögen. Und was ein Menschenkind wohl glauben möchte. Ob es ein Woher oder Wohin gibt, ein Ort, an dem wir bleiben und unsere Identität wahren können? Noch mehr und weitergehender formuliert: Ob da wohl eine Kraft unserem persönlichen Wandel auch Aufmerksamkeit schenken will und eine Zeit und einen Ort für uns übrig hat, wenn uns die Erde entschwindet?

2.

Das Schlüsselproblem der Eschatologie – Über Ewigkeit und Zeit verständlich reden und ihr Verhältnis angemessen beschreiben

Das Verhältnis von Zeit und Ewigkeit ist das Schlüsselproblem der Eschatologie – und eine nicht sachgerechte Ausführung dieser Problemstellung wirkt sich auf alle Teilbereiche der christlichen Dogmatik negativ aus. „Die Identität der in Zukunft Auferstehenden mit den jetzt Lebenden, das Verhältnis der endgeschichtlichen Zukunft des Gottesreiches zu seiner Gegenwart im Wirken Jesu, das Verhältnis der allgemeinen Auferstehung der Toten bei der Wiederkunft Jesu Christi dazu, dass die in ihm Entschlafenen schon im Tod bei ihm sind, so dass ihre Gemeinschaft mit ihm nicht unterbrochen wird, das Verhältnis der Wiederkunft Jesu selbst zu seinem irdischen Wirken und nicht zuletzt das Verhältnis des ewigen Königtum Gottes und seiner Weltregierung zur Zukünftigkeit seines Reiches, – das alles sind Fragen und Themen, die ohne Antwort bleiben und deren Gegenstand nicht verständlich wird ohne Klärung des Verhältnisses von Zeit und Ewigkeit“.1 Dieser ausführliche Satz aus dem dritten Band der Syste1 Wolfhart Pannenberg, Systematische Theologie. Band 3, 1993, 641f.

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matischen Theologie meines verehrten Lehrers Wolfhart Pannenbergs zeigt, es geht bei dem Verständnis der Zeit um′s Ganze! Und was dieses Wort, ‘es geht ums Ganze′, bedeuten könnte, dem möchte ich meine Gedanken vor Ihnen heute widmen. Es gilt dabei ohne Frage: das hat eine systematisch-theologische Seite, was eben den wissenschaftlichen Diskurs betrifft, und eine Seite, die in der Frömmigkeit verankert ist. Und im Leben und Wirken von Wolfhart Pannenberg verbindet sich das, so scheint mir, in besonderer und bemerkenswerter Weise. Das denkbare Ganze der Wirklichkeit, das ein Wesen, das wir Gott zu nennen bereit sind, lenkt, muss deshalb als möglich gedacht werden können – damit ich es glauben kann, dass es keinen Ort und keine Zeit gibt, in der ich von Christus getrennt bin. So, mit dieser Zielbestimmung, geht der verehrte Lehrer auf die Reise, um seine Eschatologie zu entfalten. In seiner Eschatologie, also der Lehre von den letzten Dingen – im dritten Band der Systematischen Theologie – hat Wolfhart Pannenberg eine Summe seines Denkens über die Geschichte und die Zeit vorgelegt. Das hat ihn von Anfang an geprägt: von Gott so zu reden, dass er das Ganze der Geschichte lenkt und bestimmt. Und ferner, dass es möglich sein muss, das so zu denken und zu beschreiben, dass kein Ungläubiger diese Möglichkeit widerlegen kann. Im Jahr 1969 hat Wolfhart Pannenberg in einem Beitrag „Wie kann heute glaubwürdig von Gott geredet werden?“ folgendes aufgeschrieben: „Die Herrschaft Gottes bricht inmitten dieser Welt an. Sie bricht da an, wo Menschen frei werden zur Menschlichkeit, wo sie sich ihres Lebens in Dankbarkeit freuen, wo sie ihren eigenen Leiden dennoch die Hoffnung entgegen setzen und den Leiden und Entbehrungen Anderer abhelfen“.2 Wenn Gott die alles bestimmende Wirklichkeit ist, dann bestimmt er alle Dinge. „In der Vergangenheit hat er sich bekundet durch eine reiche Geschichte, unüberholbar in der Gestalt Jesu und in der Überwindung des Todes durch seine Auferstehung. Aber in der Gegenwart sind wir selbst, nämlich die heute lebende Menschheit und in ihr besonders die Christenheit unserer Zeit, der Ort der Wirklichkeit Gottes. An uns liegt es, ob die Wirklichkeit Gottes in der gegenwärtigen Welt verdunkelt wird oder zum Leuchten kommt.“3 Ich möchte nun in ganz kurzen Zügen versuchen zu zeigen, wie der verehrte Lehrer die für ihn maßgeblichen Versuche der philosophischen Tradition in westlicher Prägung, das Phänomen der Zeit zu beschreiben, rezipiert und sie dahingehend kritisiert, wie und ob sie die Offenheit für den christlichen Glauben und die christliche Theologie, von Gott zu reden, freigeben.

2 Wolfhart Pannenberg, Wie kann heute glaubwürdig von Gott geredet werden?, in: Gottesfrage heute, 14. Dt. Evangelische Kirchentag, 1969, 64. 3 W. Pannenberg, ebenda.

Das Phänomen der Zeit – ausdrückliche und unausgesprochene Voraussetzungen

3.

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Die Zeit als Signum der Kreatürlichkeit und Begrenztheit des Lebendigen

Die dem christlich-jüdischen Glauben eigentümliche Behauptung eines künftigen Endes der Welt im Sinne ihre Vollendung kann sich für Pannenberg auf die Welterkenntnis der neuesten Naturwissenschaft stützen. Die Kosmologie habe seit Aristoteles die Rede von dem Gott, der alles geschaffen hat, nicht ausgeschlossen –und auch nicht für denkunmöglich erklärt. Aristoteles hat mit seiner Definition der Zeit als die „Zahl der Bewegung gemäss dem später und früher“ (αριτμον κινησɛοσ κατα προτɛρον και υστɛρον) bleibende Grundlagen gelegt. Grundlagen, die Zeit auch als Grundlage dafür zu verstehen, dass Aussagen über Gesetzmäßigkeiten in der Erforschung der Naturphänomene möglich sind. Die Naturwissenschaft misst und schreibt Gesetze auf des Bewegten, wie es sich bewegt; sie weiss aber nicht um Anfang und Ende des Geschaffenen. Das einzige, was sie in der Hinsicht liefert, ist das Staunen über die Geordnetheit des Universums. Die moderne naturwissenschaftliche Kosmologie seit Einstein und Heissenberg, so Pannenberg, behauptet nicht mehr eine unbegrenzte Ausdehnung des Universums in Raum und Zeit, sondern lehrt dessen Endlichkeit im Raum; sie hat nämlich erwiesen: das All hat einen Anfang und ein mögliches Ende – und es expandiert. „Auch die Vorstellung eines künftigen Weltendes ist dem heutigen naturwissenschaftlichen Weltbild zumindest als Möglichkeit vertraut, sei es im Sinne des früher viel erörterten Wärmetodes als Konsequenz aus der unbeschränkten Geltung des Entropiesatzes, sei es im Sinne eines Verschwindens aller Materie in Schwarzen Löchern. Das Bild einer im Raum und vor allem in der Zeit endlichen Welt ist zweifellos mit dem biblischen Weltverständnis eher vereinbar als der Gedanke einer aus sich heraus unendlichen und unvergänglichen Welt.“4 Ausgehend von dieser von ihm so festgestellten Offenheit moderner, kosmologischer Erkenntnisse für den christlichen Glauben an die Vollendung der Geschichte durch Gott kommt es Pannenberg nun darauf an, alle Selbstdeutungen des christlichen Glaubens in der Theologie zu kritisieren, die das Zeitphänomen unterbestimmen. Und das heißt für ihn: die die Einsicht nicht berücksichtigen, dass die Zeitphänomene auf eine Ganzheit der Zeit hin interpretierbar sind und interpretiert werden müssen. So versteht sich seine deutliche Kritik an Karl Barth und Paul Tillich. Ersterer kommt aus einer simplen Gegenüberstellung von Ewigkeit (Gottes) und Zeit (als Signum des Geschaffenen) nicht hinaus – und kappt damit die Verständlichkeit der Rede vom Wirken Gottes in der Geschichte. Letzterer hat wohl die Absicht, die Offenheit der Zeit für die

4 Wolfhart Pannenberg, Systematische Theologie, Band 3, a. a. O., 635.

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Ewigkeit Gottes aus ihrer Deutung heraus zu verstehen; allerdings fehlt ihm das Vermögen, den Begriff der Ewigkeit Gottes geschichtlich zu entfalten.5 Die Argumentation Pannenbergs rufe ich hier nur in Erinnerung – ich kann sie hier nicht ausführlich darstellen. Von entscheidender Wichtigkeit ist jedenfalls für den verehrten Lehrer in seinem Anliegen einer rechten und aussagbaren Gestalt der Eschatologie, die Geschöpflichkeit alles Seienden so zu entfalten, dass es aus sich heraus in Beziehung gesetzt werden kann zu der Idee einer Ganzheit und Vollendung alles Geschaffenen.

4.

Die Geschichtlichkeit des menschlichen Sinnbewusstseins – die Ausdehnung der Seele im inneren Zeitbewußtsein

Unter sorgfältigem Studium von modernen Analysen des inneren Zeitbewusstseins von Wilhelm Dilthey über Edmund Husserl bis zu Henri Bergson gilt es für Pannenberg als ausgemacht, dass das menschliche Zeitbewusstsein so geartet ist, dass es auf einen Erfahrungszusammenhang ausgelegt ist. Erfahrung impliziert einen Deutungszusammenhang von einzelnen Momenten – und zielt letztlich auf ein Ganzes der Wirklichkeit. Jede einzelne Erfahrung hat ihre Bestimmtheit nur im Zusammenhang eines Kontextes, der seinerseits im Rahmen umfassenderer Kontexte steht – bis hin zur Totalität aller Erfahrungen. Jede einzelne Bedeutung ist also letztlich abhängig von der Bedeutung des Ganzen aller Erfahrungen; und damit auch von der Totalität alles Geschehens und aller Wirklichkeit, die überhaupt Gegenstand von Erfahrungen werden können. Menschliche Erfahrung also greift voraus auf das Ganze eines Zeitzusammenhangs. Hier sind für Pannenberg Augustins Analysen eines inneren Zeitbewusstseins aus den Psalmenkommentaren maßgeblich – aber auch die Entfaltung des inneren Zeitbewusstseins als Sorgestruktur, wie sie Martin Heidegger in ‚Sein und Zeit‘ vorgelegt hat. Das zeitliche Subjekt als ‚Sich vorweg schon sein als Sein bei‘ – also in seiner sogenannten Sorgestruktur kennzeichnet menschliche Subjektivität in ihrem besonderen Selbstbewusstsein als offene und ansprechbare Subjektivität. Die vollendete Synthesis des Ganzen der Erfahrung also kommt aus der Analyse menschlicher Erfahrung und der in ihr angelegten Selbst-Deutungskraft des menschlichen Bewusstseins. Eine Offenheit und ein Angelegtsein auf ein Ende und damit auf ein Ganzes lässt sich aufgrund der Geschichtlichkeit unserer Erfahrung und unserer Frage nach Sinn und Bedeutung sehr wohl behaupten, so hält er seinen Kritikern entgegen.6 Und alles, was die Zeitlichkeit lediglich als eine 5 Vgl. Wolfhart Pannenberg, Syst. Theologie, Band 3, a. a. O., 649. 6 Vgl. W. Pannenberg, Syst. Theologie, Band 3, a. a. O., 638ff.

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für sich abgeschlossene Selbstbeschreibung des endlichen Subjekts verstehen möchte – verdient unbedingte Kritik und deutlichen Widerspruch.

5.

Das unstillbare Verlangen nach Ganzheit – Deutung und Antizipation

Die große Auseinandersetzung des Lehrers Wolfhart Pannenberg innerhalb der neuzeitlichen systematischen Theologie gilt zeitlebens Karl Barth. Mit ihm ist er bis zum Schluss seines wissenschaftlichen Wirkens im Gespräch – strittig und wohlwollend zugleich, wie mir scheint. Ihm, Karl Barth, ist auch das letzte Zitat in dem dritten Band der Systematischen Theologie gewidmet. Zum Ende der Überlegungen also, die Weltherrschaft Gottes so zu beschreiben, dass sie auch einem Nicht-Gläubigen als Möglichkeit einsichtig ist für die wissenschaftliche Deutung der Wirklichkeit, führt Pannenberg seine Gedanken dahin, dass er den Begriff der Ewigkeit Gottes entwickelt und dabei den Anteil des Menschen daran in den Blick nimmt: die Ewigkeit Gottes kann nur angemessen beschrieben werden, wenn sie nicht die zeitlichen Bedingungen aufhebt, sondern die Ganzheit des Lebens ermöglicht und verbürgt. „In allen Lebewesen ist ein Verlangen nach einer Ganzheit ihres Lebens wirksam, die sie noch nicht in Vollendung besitzen. Auf der Stufe des Menschen mit seinen durch Erinnerungen und Erwartungen erweiterten Gegenwartsbewusstsein, das auch ein Wissen um das nicht mehr des Vergangenen und um das Noch nicht des Künftigen einschließt, wird die Ganzheit des eigenen Daseins in einer neuen Weise thematisch, nämlich im Wissen darum, dass wir die Ganzheit unseres Lebens nicht besitzen in der Weise, wie der Ewigkeit Gottes die Ganzheit seines Lebens und auch das seiner Geschöpfe unverlierbare Gegenwart ist“.7 Und Barth habe das eben ungenügend gedacht, er habe gut platonisch, wie er eben gesonnen war, die Ewigkeit nur als Gegenüberstellung zu dem Phänomen der Zerstreutheit in der Zeit denken können. Und so habe er nicht an „die Einbeziehung der Geschöpfe in die Einheit des trinitarischen Lebens“ denken können. Der Herzschlag Gottes sei bei Barth eben nicht mit dem Herzschlag des Menschen in Verbindung gebracht worden. Um das aber als möglich zu denken, macht sich Pannenberg die berühmte Definition von Boetius zunutze: „Aeternitas igitur est interminabilis vitae tota simul et perfecta possessio“8 – „Ewigkeit ist der totale und zugleich umfassende Besitz des ausgebreiteten Lebens“. So ist die Ewigkeit als Eigenschaft Gottes das Aufbewahren und das Umgreifen der Ganzheit der einzelnen Lebensmomente des Geschaffenen. 7 Wolfhart Pannenberg, Systematische Theologie, Band 3, a. a. O. 647. 8 Boethius, De consolatione philosophiae, V, 6,4 – in: CCL 94, 101.

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Die Bezüge auf seine philosophischen und theologischen Väter kennen wir bei Wolfhart Pannenberg, das ist inzwischen auch gut erforscht. Aber wenn man einmal genau die Formulierung aus dem dritten Band der Systematischen Theologie anschaut, dann wird mir zumindest neu deutlich, wie eng der Versuch, die Möglichkeit des christlichen Gottesglaubens und der christlichen Art, von Gott zu reden, als vernünftig und haltbar zu erweisen, mit den eigenen Gewissheitsfragen des Verfassers verbunden ist. Nur so, dass wir die christliche Rede von der Weltherrschaft Gottes vernünftig vortragen können, dass sie auch dem Ungläubigen einsehbar ist, nur so bin ich selbst bereit, mir vorstellen zu wollen und zu können, dass ich daran teilhabe; so scheint mir der Lehrer zu sprechen. Er möchte nicht auf etwas vertrauen müssen, was unvernünftig und nicht einsehbar ist. Zwar ist auch für Pannenberg unabhängig vom Glauben der Menschen die eschatologische Wahrheit schon gegenwärtige Realität, aber eben in verborgener Gestalt – und vorweg im Leben des Jesus von Nazareth. Der Glaubende möchte ihre Vernünftigkeit einsehen können, um den Schritt und das Wagnis des Glaubens eingehen zu können. Gewiss gilt auch für Pannenberg in einem wissenschaftlichen Diskurs, dass die Teilnahme des Geschöpfes an der Ewigkeit Gottes nur möglich ist unter der Bedingung einer radikalen Verwandlung, nicht nur wegen der Aufhebung der Zeit in die ewige Gleichzeitigkeit des göttlichen Lebens, sondern auch und vor allem wegen der mit unserer Zeitlichkeit verbundenen Sünde der Trennung von Gott. Aber es gilt, das zeigen die Ausführungen über das Verhältnis von Ewigkeit und Zeit als der Nagelprobe für das Vertrauen, das der Mensch in Christus haben kann: ich mag und kann nur demjenigen Weltenherrscher vertrauen, der mich in seine Geschichte mit seiner Welt einbeziehen möchte.

6.

Der Anspruch der Wissenschaftlichkeit und die Sprache der Eschatologie

In seinem Bemühen lässt Wolfhart Pannenberg zeitlebens nicht nach, Aussagen des gläubigen Bewusstseins, in denen der Mensch im gottesdienstlichen Geschehen, im persönlichen Gebet oder im vertrauensvollen Gespräch sein Gottvertrauen zum Ausdruck bringt, in der systematischen Theologie so zu deuten und aufzuarbeiten, dass sie anschlussfähig sind für den wissenschaftlichen Diskurs. So zu reden, dass der Glaube nicht als nicht erschließbares und bloßes Behaupten zu stehen kommt, ist sein Ziel. Das führt ihn in der Eschatologie zum Nachdenken über die besondere Sprache der christlichen Eschatologie und zur Bedeutung bildhafter Rede. Die Aussagen der Eschatologie nehmen die

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menschliche Erfahrungswelt auf und überschreiten sie zugleich. Die Aussagen über die „Heilszukunft der Toten als Auferweckung oder Auferstehung vom Tode“ beispielsweise übersteigen in besonderer Weise „alles menschliche Begreifen“. Das heißt aber nicht, dass „sie der Begründung entbehren“.9 „Im Gegenteil, in ihnen kommt ein Bewusstsein der Defizienz der gegenwärtig erfahrenen Wirklichkeit der Menschen und ihres Geschicks“ zum Ausdruck.10 Metaphorische Wortbildungen werden dadurch aber nötig und hervorgebracht, weil sie zum einen die als Mangel zu deutende Grenze menschlicher Selbstwahrnehmung und Weltdeutung, wie sie in der wissenschaftlichen Sprache vorliegt, aufnehmen; und zum anderen, weil die Sprache der heiligen Schriften und die Sprache Jesu das nahelegt. Die Sache, die in den Aussagen christlicher Eschatologie entfaltet wird, ist aber nicht Metapher, sondern „nur die Form der Aussage“.11 Die vornehmsten Gegenstände der Eschatologie sind für Pannenberg im übrigen wissenschaftlichen Diskursen zugänglich. Das gilt für Begriffe wie Leben, Zeit und Ewigkeit. Die Sorge um die Diskursfähigkeit systematischtheologischer Aussagen und des Glaubens hält W. Pannenberg davon ab, die Wissenschaftssprache zu ‘verlassen′. Gleichwohl wird deutlich, dass es dem Theologen am Ende vor allem darum geht, die Hoffnung des Gläubigen als wahr zu erweisen, an der Ewigkeit Gottes so teilzuhaben, dass nichts von dem menschlichen Leben, das die Christusnachfolge schon unter irdischen Bedingungen gelebt hat, verloren gehen wird.

7.

Teilhabe an der Ewigkeit als Ziel christlicher Existenz – … „ich bring alles wieder…“

Der junge Martin Luther hat in seiner Schrift vom seligen Sterben, „Ein Sermon von der Bereitung zum Sterben“ aus dem Jahre 1519 in seiner Weise über die letzten Dinge gesprochen. In diesem berühmten Sermon spricht er von der Notwendigkeit, sich schon in jungen Jahren mit dem Ende zu befassen; ebenso wie mit der Frage, wie denn die vom Gläubigen ersehnte Gemeinschaft mit Christus zu denken ist. Er beschreibt die Notwendigkeit, gegen die Anfechtung und gegen die Sünde zu kämpfen. Und er spricht in dieser Auftragsschrift über die Ewigkeit. „Zum 12ten darfst du die Hölle und die Ewigkeit der Pein samt der Verwerfung nicht in dir, nicht in ihr selbst, nicht in denen, die verdammt sind, ansehen, auch dich nicht bekümmern mit so viel Menschen in der ganzen Welt, die nicht erwählt sind. Du musst doch Gott lassen, Gott zu sein, dass er wisse 9 W. Pannenberg, Systematische Theologie, Band 3, a. a. O., 667. 10 Ebenda. 11 W. Pannenberg, Systematische Theologie, Band 3, 668.

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mehr von dir als du selbst. Darum sieh das himmlische Bild Christi an, der um deinetwillen zur Hölle gefahren und von Gott ist verlassen gewesen als einer, der verdammt sei, ewiglich. Sieh‘, in dem Bild ist überwunden deine Hölle und deine ungewisse Erwählung gewiss gemacht. Wenn du allein darum dich bekümmerst, und das glaubst, als für dich geschehen, so wirst du in diesem Glauben gewiss errettet. Darum lass’s dir nur nicht aus den Augen nehmen und suche dich nur in Christus und nicht in dir, so wirst du dich auf ewig in ihm finden“. „Darum siehst du, dass er ein wahrer Gott ist und rechte, große göttliche Werke an dir wirkt. Warum sollte er dir nicht etwas Großes auferlegen, wenn er so großen Vorteil, so große Hilfe und Stärke dazu tut, damit er erprobe, was seine Gnade vermag, wie geschrieben steht ‘die Werke Gottes sind groß und auserwählt nach allem seinen Wohlgefallen. Und an denen hast du Anteil′.“12 Wie unterschiedlich die Herangehensweise an die Aussagen der christlichen Hoffnung bei Martin Luther und Wolfhart Pannenberg auch sein mag; eines verbindet sie in jedem Fall: die leidenschaftliche Suche nach einer unverlierbaren Gewissheit, wie die menschliche Kreatur an dem Sein und Wirken des in Christus in umfassender Weise erkennbar gewordenen ewigen Gottes teilhat. Die Suche nach dieser Gewissheit, so glaube ich, hat W. Pannenberg zum Nachdenken in der Eschatologie angetrieben. Am Schluss meiner Überlegungen soll aus guten Gründen der geistlichen Dichtung Raum gegeben werden, geht es doch in allem um nichts weniger als die Darstellung und Entfaltung menschlicher Hoffnung. Paul Gerhardt hat in einem bekannten Weihnachtslied der Hoffnung auf die Teilhabe an der alles umgreifenden Ewigkeit Gottes folgenden Ausdruck gegeben: „Nun er liegt in seiner Krippen, ruft zu sich mich und dich, spricht mit süßen Lippen. Lasset fahrn, o liebe Brüder, was euch quält, was euch fehlt. Ich bring alles wieder. (EG 36, Strophe 5 – Fröhlich soll mein Herze springen)

12 Martin Luther, Ein Sermon von der Bereitung zum Sterben, in: M. Luther, ausgewählte Werke, zweiter Band, hrsg. Von Karin Bornkamm und Gerhard Ebeling, 1981, 23.

Friederike Nüssel

Vom Anfang und Ende der Welt – Pannenbergs schöpfungstheologische Auseinandersetzung mit Kosmologie und Zeitverständnis

Zu den zentralen Aufgaben der Schöpfungslehre gehört die Klärung der Frage, welche Bedeutung den modernen naturwissenschaftlichen Erkenntnissen in der Evolutionsbiologie und physikalischen Kosmologie für das christliche Weltverständnis zukommt bzw. zukommen kann und soll. Hier werden in der Theologie des 20. und frühen 21. Jahrhunderts unterschiedliche Antworten gegeben. Wolfhart Pannenberg gehört bekanntlich zu den theologischen Denkern, die die konstruktive Auseinandersetzung nicht nur mit den Naturwissenschaften, sondern überhaupt mit allen wissenschaftlichen Erkenntnissen und Positionen für unabdingbar halten, die für den Wahrheitsanspruch des christlichen Glaubens von Belang sind. In seiner Auseinandersetzung mit den Naturwissenschaften verfolgt Pannenberg dabei nicht einfach ein apologetisches Interesse nach außen. Vielmehr ergeben sich die Notwendigkeit und die Möglichkeit interdisziplinärer Verständigung aus dem allgemeinen Verständnis des Gottesgedankens als der alles bestimmenden Wirklichkeit und damit aus dem Gegenstand der Theologie selbst.1 Mit dem Begriff Gottes als der alles bestimmenden Wirklichkeit, den Pannenberg Rudolf Bultmann entlehnt und der in seinem Denken an die Stelle der scholastischen und altprotestantischen Begriffe summum bonum, prima causa, essentia spiritualis infinita2, spiritus independens3 und ens perfectissimum tritt, verbindet Pannenberg nicht nur den Gedanken der Einzigkeit und Souveränität Gottes, sondern die Pointe, dass das Geschaffene die Signatur der Geschöpflichkeit trägt und darin auf seinen Grund zurückverweist. Unter dieser 1 Vgl. dazu Friederike Nüssel, „Dogmatik als Systematische Theologie!“ Zur Aktualität des Dogmatik-Verständnisses bei W. Pannenberg, in: Gunther Wenz (Hg.), „Eine neue Menschheit darstellen“ – Religionsphilosophie als Weltverantwortung und Weltgestaltung, PannenbergStudien Bd. 1, Göttingen 2015, 57–74. 2 Siehe dazu Heinrich Schmid, Die Dogmatik der evangelisch-lutherischen Kirche dargestellt und aus den Quellen belegt, neu hg. von Horst Georg Pöhlmann, 11. Aufl. Gütersloh 1990, 85. 3 Vgl. dazu Friederike Nüssel, Gott als spiritus independens. Zur Umformung der Gotteslehre in der lutherischen Theologie der Frühaufklärung, in: Jörg Lauster/Bernd Oberdorfer (Hgg.), Der Gott der Vernunft. Protestantismus und vernünftiger Gottesgedanke, Religion in philosophy and theology 41, Tübingen 2009, 93–108.

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Voraussetzung sind die Erkenntnisse außertheologischer Wissenschaften für die Theologie prinzipiell von Interesse, insofern sie selbst Teil der Wirklichkeit sind und sich ihr Erkenntnisinteresse auf dieselbe Wirklichkeit bezieht, die theologisch als von Gott bedingt und bestimmt verstanden wird.

1.

Distinktion oder Integration? Polarisierungen in der Verhältnisbestimmung von Schöpfungslehre und Naturwissenschaft

Das spezifische Profil der Pannenbergschen Schöpfungslehre und des Umgangs mit den kosmologischen Themen lässt sich präziser wahrnehmen, wenn man seinen Ansatz im Kontext der dominierenden Ansätze zur Verhältnisbestimmung von Theologie und Naturwissenschaft betrachtet, die sich insbesondere in und seit der theologischen Debatte um die Evolutionstheorie von Charles Darwin4 herausgebildet haben. In einer eindrucksvollen theologiehistorischen Studie zur Evolutionsbiologie als Herausforderung des Christentums5 hat Albrecht Beutel die Modelle der Antithese, der Integration und der Distinktion als Grundmodelle der Verhältnisbestimmung von Schöpfungslehre und Naturwissenschaft rekonstruiert, die in der damaligen Debatte entwickelt wurden. Den Weg der Antithese beschritt Beutels Analyse zufolge der Greifswalder Theologe und Konsistorialrat Otto Zöckler (1833–1906), indem er „Bibel und Biologie in eine eindimensional und parteilich geführte, in beidem fatale Konfrontation“6 brachte. Demgegenüber habe der Wiener systematische Theologen Karl Beth (1872–1959) den Weg interdisziplinärer Verständigung beschritten, indem er eine integrative Verhältnisbestimmung von Schöpfungslehre und Evolutionsbiologie angestrebt habe. Als dritten Weg schließlich identifiziert Beutel das distinktive Modell, das auf eine säuberliche Scheidung von Theologie und Naturwissenschaft abhebe und in einer frühen Phase der Diskussion von dem Hallenser Theologen Wilhelm Hermann (1846–1922) in Anknüpfung an Fried4 Charles Darwin, On the Origin of Species by Means of Natural Selection, or the Preservation of Favoured Races in the Struggle of Life, London 1859. Ders., Über die Entstehung der Arten im Thier- und Pflanzen-Reich durch natürliche Züchtung, oder Erhaltung der vervollkommneten Rassen im Kampf ums Daseyn, Stuttgart 1860. Wenngleich schon die kopernikanische Entdeckung das biblische Weltbild in Frage gestellt hatte, so zwang doch erst die Evolutionstheorie von Darwin den inzwischen vielfältigen Denominationen und Theologien die Frage auf, ob bzw. wie die biblischen Schöpfungsvorstellungen mit der Darwinsche Theorie über die Entstehung der Arten zu vereinbaren seien. 5 Albrecht Beutel, Evolutionsbiologie als Herausforderung des Christentums, in: Eilert Herms (Hg.), Leben: Versta¨ ndnis. Wissenschaft. Technik. Kongressband des XI. Europa¨ ischen Kongresses fu¨ r Theologie 15.–19. September 2002 in Zu¨ rich, Gütersloh 2005, 96–119. 6 Beutel, Evolutionsbiologie, 101.

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rich Schleiermacher vertreten worden sei. Es dürfte nicht verwundern, dass diese drei Grundmodelle der Antithese, der Integration und der Distinktion sich bis heute in verschiedenen Spielarten nicht nur in der Auseinandersetzung mit der Evolutionsbiologie, sondern auch mit der kosmologischen Forschung zu Anfang und Ende der Welt bzw. des Universums finden. Während der Weg der Antithese oder Konfrontation, den man zum Beispiel im modernen Kreationismus antreffen kann, in der modernen Universitätstheologie zumeist abgelehnt wird, lässt sich die akademisch-theologische Diskussion schematisch als Auseinandersetzung über integrative oder distinktive Argumentationsweisen erfassen. Der prominenteste Ansatz einer distinktiven Verhältnisbestimmung im 20. Jh. dürfte sich bei Karl Barth finden, der in der Schöpfungslehre seiner Kirchlichen Dogmatik programmatisch die These vertritt, dass sich allein im Glauben an Jesus Christus die Erkenntnis der Schöpfung Gottes vollzieht, genauer: „in der Erkenntnis der in ihm [Jesus Christus] verwirklichten Einheit von Schöpfer und Geschöpf und in dem durch ihn vermittelten Leben in der Gegenwart, unter dem Recht und in der Erfahrung der Güte des Schöpfers seinem Geschöpf gegenüber“7. Denn nach dem Zeugnis der Bibel sei „die Absicht und also auch der Sinn der Schöpfung … die Ermöglichung der Geschichte des Bundes Gottes mit dem Menschen, die in Jesus Christus ihren Anfang, ihre Mitte und ihr Ende hat: Die Geschichte des Bundes ist ebenso das Ziel der Schöpfung wie die Schöpfung selbst der Anfang dieser Geschichte ist.“8 Die Schöpfung als das erste Werk „in der Reihe der Werke des dreieinigen Gottes“ sei „der Anfang aller von Gott selbst verschiedenen Dinge“ und schließe damit den Beginn der Zeit in sich.9 Entsprechend entziehe sich die Schöpfung in ihrer geschichtlichen Wirklichkeit „aller historischen Beobachtung und Berichterstattung“ und habe deshalb „auch in den biblischen Schöpfungsgeschichten nur in Form reiner Sage bezeugt werden“10 können. In dieser Auslegung werden biblische Schöpfungsgeschichte und Evolutionstheorie in ihrer Deutungs- bzw. Erklärungsabsicht deutlich voneinander abgehoben, und zwar gerade so, dass mit der Distinktion zugleich ein antithetisches Verhältnis ausgeschlossen ist. Damit verbunden stellt Barth heraus, dass der mit der Schöpfung bezeichnete Anfang der Welt, insofern er den Anfang der Zeit einschließt, geschichtlicher und naturwissenschaftlicher Betrachtung entzogen ist. Vor allem aber markiert er, dass der Sinn der christlichen Schöpfungslehre nicht in der Erklärung des Anfangs, sondern in der Bestimmung des Ziels der Schöpfung bestehe. Der Sinn und 7 K. Barth, Kirchliche Dogmatik, III/1, 3. Aufl. Zürich 1957, § 40, 1. 8 Barth, KD III/1, § 41, 44. 9 Ebd. Vgl. zur Interpretation der Zeit bei Karl Barth als der Zeit Gottes für den Menschen und darin als wirklicher Zeit: Karl H. Manzke, Ewigkeit und Zeitlichkeit. Aspekte für eine theologische Deutung der Zeit, FSÖTh 63, Göttingen 1992, 490ff. 10 Ebd.

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innere Grund der Schöpfung besteht nach Barth in Gottes Bund mit dem Menschen. In der Schöpfungslehre geht es für Barth mithin nicht um Kosmologie, sondern um Anthropologie. In anderer Weise vertritt auch Ulrich Barth in seinem Aufsatz „Abschied von der Kosmologie“11 eine dezidiert distinktive Verhältnisbestimmung von Schöpfungslehre und Naturwissenschaft. In einer theologie- und philosophiehistorischen Rekonstruktion epochaler Entwicklungen in der Zuordnung von Theologie und Kosmologie seit der Antike zeigt Barth, dass sich die Moderne im Unterschied zur altkirchlichen Integration von Christologie und Kosmologie und der mittelalterlichen Synthese von Theologie und Naturwissenschaft durch strikte Trennung von Theologie und Naturwissenschaft bzw. Sinndeutung und Welterklärung auszeichne. In Bezug auf die naturwissenschaftliche Erkenntnis hält Barth fest, dass Naturwissenschaft die Wirklichkeit nicht einfach abbilde, ihre Modelle auch nicht einfach aus der Naturbetrachtung abstrahiere, sondern diese vielmehr selbst erzeuge und in deren Horizont die Empirie strukturiere.12 Religiöse Sinndeutung und naturwissenschaftliche Welterklärung seien mithin nicht als subjektive und objektive Erkenntnis zu unterscheiden. Im Rekurs auf die Erkenntniskritik Kants und den Grundgedanken des Idealismus macht Barth geltend, dass Gott kein Gegenstand der Erkenntnis sei, insofern er außerhalb des Bereichs objektiv erfassbarer Gegenstände liege, sondern vielmehr nur „als innerer Grund von Subjektivität“13 gedacht werden könne, der als absolute Einheit die Einheit der Subjektivität und der Welt sichere. Entsprechend definiert Barth Religion „ihrem transzendentalen Begriff nach“ als „das lebensweltliche Bewußtsein des Gegründetseins in unbedingter Einheit und des Sich-Erfassens in Differenz“ und versteht religiöse Selbstdeutung mithin als inneren Umgang „mit der Entzweiungs- und Versöhnungserfahrung“.14 Schöpfungsglaube lässt sich so als „Bewußtsein unbedingten Gegründetseins“15 entschlüsseln und ist nach Barth „nichts anderes als der innere Umgang des Menschen mit Endlichkeitserfahrung“16 in Gestalt religiöser Selbstreflexion endlicher Freiheit17. Mit diesen Überlegungen begründet Ulrich Barth die Distinktion zwischen Schöpfungslehre und Naturwissenschaften mithin nicht wie Karl Barth aus dem biblisch-theologischen Schöpfungsverständnis heraus, sondern epistemologisch und religionstheologisch. 11 Ulrich Barth, Abschied von der Kosmologie. Welterklärung und religiöse Endlichkeitsreflexion, in: Ders., Religion in der Moderne, Tübingen 2003, 401–426. 12 Barth, Abschied, 417. 13 Barth, Abschied, 417. 14 Barth, Abschied, 418. 15 Barth, Abschied, 419. 16 Barth, Abschied, 421. 17 Barth, Abschied, 422.

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Im Unterschied zu diesen beiden distinktiven Ansätzen lässt sich bei Edmund Schlink, dem Doktorvater von Wolfhart Pannenberg in Heidelberg, in seiner Ökumenischen Dogmatik18 eine Verbindung von distinktivem und integrativem Ansatz ausmachen. Schlink geht wie Karl Barth von dem spezifischen Profil der biblischen Schöpfungsaussagen aus. Er versteht sie als „Entfaltungen des Glaubens an Gott, der sich in seinem geschichtlichen Heilshandeln als der Herr offenbart hat.“19 Die Voraussetzung biblischer Schöpfungslehre liege mithin in der Heilstat Gottes. Die alttestamentlichen Schöpfungsberichte, denen zufolge Gott am Anfang Himmel und Erde geschaffen habe, seien Auseinandersetzung mit den herrschenden kosmogonischen Mythen der Umwelt und darin „zugleich ein polemischer Akt“20, mit dem jede kultische Verehrung von Himmel und Erde ausgeschlossen werde. Im Unterschied zu Barth markiert Schlink, dass mit den antimythischen Aussagen im Alten und Neuen Testament eine Offenbarung Gottes auch außerhalb der geschichtlichen Offenbarung durch die Werke seiner Schöpfung keineswegs bestritten, sondern vielmehr bezeugt werde.21 Doch diese Wahrheit werde von den Menschen verkannt und sei „erst ans Licht gebracht durch Gottes menschgewordenes Wort, das immer ‚das Licht des Menschen‘ war.“22 Bei aller Mannigfaltigkeit sei den biblischen Schöpfungsaussagen dabei gemeinsam, „daß der jeweilige allgemeine Stand der Welterkenntnis vorausgesetzt ist“23. Weder im Alten noch im Neuen Testament fänden „sich besondere Naturerkenntnisse, die von der Naturerkenntnis der Umwelt wesentlich unterschieden wäre.“24 Vielmehr teilten die alt- und neutestamentlichen Schöpfungsaussagen die „Vorstellungen über den Aufbau und die Gestalt der Welt … mit der jeweiligen Welterkenntnis ihrer Zeit“25 – eine Einsicht, die sowohl von Pannenberg26 wie auch in der gegenwärtigen alttestamentlichen Exegese etwa 18 Edmund Schlink, Ökumenische Dogmatik. Grundzüge, 3. Auflage, hg. und mit einem Nachwort versehen von Michael Plathow, Vorwort von Wolfhart Pannenberg. In: Klaus Engelhardt et al. (Hg.), Schriften zu Ökumene und Bekenntnis, Bd. 2, Göttingen 2005. Die Lehre von der Schöpfung bildet den ersten Teil der Dogmatik. Für die kosmologische Frage ist das Kapitel IV über die Erschaffung der Welt grundlegend. 19 Schlink, Dogmatik, 74. 20 Schlink, Dogmatik, 74. 21 Schlink, Dogmatik, 75. 22 Schlink, Dogmatik, 75. 23 Schlink, Dogmatik, 75. 24 Schlink, Dogmatik, 75. 25 Schlink, Dogmatik, 75. 26 Wolfhart Pannenberg, Systematische Theologie, Bd. 2, Göttingen 1990, 75: „Theologische Schöpfungslehre sollte gerade dadurch der Wegweisung des biblischen Zeugnisses folgen, daß sie den darin erkennbaren Akt der Inanspruchnahme zeitgenössischer Welterkenntnis für die Beschreibung des göttlichen Schöpfungswerkes nachvollzieht mit den Mitteln des jeweils aktuellen Standes der Welterkenntnis.“ Aus dem Bezug alttestamentlicher Schöpfungslehre auf die zeitgenössisch fortschrittlichste Kosmologie folgert Pannenberg, der „Autorität des biblischen Zeugnisses würde die Theologie gerade dann nicht entsprechen, wenn sie die

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von Jan Christian Gertz zur Geltung gebracht wird.27 Zugleich streicht Schlink aber heraus, dass die „Kosmologie als solche … weder in der alt- noch in der neutestamentlichen Verkündigung bedeutsam“28 sei. Die Pointe liege darin, „daß alle erkannte und auch alle nur geahnte und gefürchtete kosmische Wirklichkeit Gottes Herrschaft unterstellt ist in Anerkennung seiner Schöpfungstat.“29 Für Schlink sind die Schöpfungsaussagen dabei selbst geschichtliche Akte, in denen der Heilsglaube in den Lobpreis des Schöpfers münde. Gerade im Sinne der Anerkennung Gottes als Schöpfer und darin als Herr ist Schlink allerdings daran gelegen, kosmologisch herauszustellen, dass Gott mit der von ihm unterschiedenen Wirklichkeit „zugleich ihre Daseinsweise in Raum und Zeit“30 erschaffen habe und diesen Strukturen nicht selbst unterliege.31 In diesem Sinne betont Schlink im Unterschied zum Kantischen Verständnis von Raum und Zeit als apriorischer Anschauungsformen der reinen Vernunft, Raum und Zeit seien „die Verfaßtheit der geschöpflichen Wirklichkeit, die von ihr nicht zu lösen ist“.32 Diese Sicht wiederum stützt er durch den Hinweis auf eine Analogie zwischen physikalischen Raum- und Zeitauffassungen und der biblischen Schöpfungslehre. „Ähnlich wie nach Einsteins Relativitätslehre Raum und Zeit Funktionen der Bewegung sind, und wie nach der Feldtheorie der Materie die Dinge nicht im Raum sind, sondern der Raum als Kraftfeld der Dinge verstanden wird, so ist nach dem biblischen Denken die Zeit keine allgemeine Vorgegebenheit, sondern die mit der geschaffenen Wirklichkeit gegebene Struktur des Eigenwirkens.“33 Schlink integriert auf diese Weise kosmologische und physikalische Erkenntnis in die schöpfungstheologische Argumentation und vermeidet gezielt „einen Doketismus in der Schöpfungslehre“34, wie ihm sein Schüler Pannenberg attestiert35. Dieses Anliegen bestimmt auch die Schöpfungslehre Pannenbergs und die Art und Weise, wie er naturwissenschaftlichkosmologische Forschung in die Interpretation der schöpfungstheologischen und eschatologischen Aussagen zu Anfang und Ende der Welt einbezieht.

27 28 29 30 31 32 33 34 35

zeitgebundenen Vorstellungen, mit denen der biblische Schöpfungsbericht arbeitet, konservieren würde, statt den Akt theologischer Aneignung des Weltwissens für die eigne Gegenwart zu wiederholen.“ (Vgl. Pannenberg, aaO., 140) Jan Christian Gertz, Das erste Buch Mose (Genesis). Die Urgeschichte Gen 1–11, ATD 1, Göttingen 2018, 77–79. Schlink, Dogmatik, 75, Hervorhebung FN. Schlink, Dogmatik, 75. Schlink, Dogmatik, 81. Schlink, Dogmatik, 81. Schlink, Dogmatik, 81. Schlink, Dogmatik, 81. Schlink, Dogmatik, 75f. Wolfhart Pannenberg, Systematische Theologie, Bd. 2 (im folgenden ST 2), Göttingen 1990, 77, Anm. 150.

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2.

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Ansatz und Ausgangspunkt der Schöpfungslehre in der Systematischen Theologie Pannenbergs

Wie Pannenberg zu Beginn des Kapitels 7 über „Die Schöpfung der Welt“ darlegt, besteht die Aufgabe der Schöpfungslehre darin, das Dasein der Welt auf Gott als ihren Ursprung zurückzuführen und die Welt im Ganzen als „Produkt einer Tat Gottes“36, und zwar des biblischen Gottes, zu verstehen. Denn nur „wenn diese Welt als Schöpfung des biblischen Gottes zu verstehen ist und Gott selbst als Schöpfer dieser Welt, nur dann kann für den Glauben an seine alleinige Gottheit der begründete Anspruch auf Wahrheit erhoben werden.“37 Diese These impliziert für Pannenberg eine dreifache Aufgabe. Zum Ersten ist die Schöpfung als freie Tat Gottes zu erschließen, die „nicht notwendig aus dem göttlichen Wesen“38 hervorgeht. Zum Zweiten gilt es, die Welt der Geschöpfe in ihrer geschöpflichen Verfasstheit „als Schöpfung des trinitarischen Gottes zu interpretieren“39. Und schließlich ist Drittens der Zusammenhang zwischen Schöpfung und Eschatologie aufzuweisen, denn in „gewissem Sinne kommt erst mit der eschatologischen Vollendung der Welt auch ihre Schöpfung zum Abschluß“40. Entsprechend ist Pannenbergs Schöpfungskapitel in drei Unterkapitel über „Schöpfung als Akt Gottes“, „Die Welt der Geschöpfe“ und „Schöpfung und Eschatologie“ gegliedert. Die Auseinandersetzung mit der kosmologischen Frage nach der Weltentstehung wird dabei nicht, wie man vielleicht erwarten könnte, zu Beginn der Schöpfungslehre thematisiert, sondern erst im dritten Unterkapitel der Schöpfungslehre in dem Abschnitt „Anfang und Ende des Universums“41. Das erste Kapitel der Schöpfungslehre ist demgegenüber dem Verständnis des Schöpfungsaktes gewidmet und verfolgt das Argumentationsziel, die Freiheit des göttlichen Schöpfungshandelns als Bedingung der Kontingenz der Welt zu begründen42 und die Providenz Gottes als lenkende, aber die Geschöpfe nicht determinierende Mitwirkung Gottes zu erschließen. Den Ausgangspunkt der Argumentation bildet entsprechend die Erörterung der Eigenart des Schöpfungshandeln43 Gottes anhand der biblischen Schöpfungsaussagen, die zwar nach Pannenberg an Vorstellungen von der Weltordnung und Weltentstehung in Israels Umwelt an36 37 38 39 40 41 42 43

Pannenberg, ST 2, 15. Pannenberg, ST 2, 77. Pannenberg, ST 2, 15. Pannenberg, ST 2, 77. Pannenberg, ST 2, 13. Pannenberg, ST 2, 173ff. Vgl. Pannenberg, ST 2, 34. Für das Verständnis der Schöpfung als Akt Gottes ist dabei die Vorstellung vom Handeln Gottes vorausgesetzt, die Pannenberg in der Gotteslehre trinitätstheologisch fundiert hat. Vgl. dazu Pannenbergs Ausführungen in ders., Systematische Theologie, Bd. 1, Göttingen 1988, 398ff und 416ff.

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knüpfen, aber durch „Israels Erfahrungen von Jahwes Geschichtshandeln“44 geprägt sind und darauf abheben, die kosmische Ordnung auf den Gott der Heilsgeschichte zurückzuführen. Die Pointe der biblischen Vorstellung vom Schöpfungshandeln liegt dabei nach Pannenberg darin, dass sie eine „dualistische Auffassung von der Weltentstehung“45 ebenso ausschließt wie die Vorstellung, dass die Welt aus ihrem göttlichen Ursprung notwendig hervorgeht46. Nur so lässt sich die Schöpfung der Welt als Ausdruck der Schöpfergüte zu verstehen, in der Gott den Geschöpfen das Dasein gönnt, „und zwar ein eigenes Dasein neben seinem eigenen, göttlichen Sein, in Unterschiedenheit von ihm“47. Entscheidend für das Verständnis des Schöpfungshandelns Gottes als Ausdruck der Liebe und als Bedingung geschöpflicher Freiheit ist nach Pannenberg der trinitarische Ursprung des Schöpfungsaktes. Dieser liegt in der freien Selbstunterscheidung des Sohnes vom Vater, in der dieser „noch im Heraustreten aus der Einheit der Gottheit mit dem Vater geeint ist durch den Geist, der der Geist der Freiheit ist“.48 Im Rekurs auf die biblischen Aussagen über die Schöpfungsmittlerschaft des Sohnes und des Geistes erschließt Pannenberg das Schöpfungshandeln Gottes als trinitarisches, in dem Vater, Sohn und Geist als Prinzip des Ursprungs, des Andersseins und der Synthese interagieren. Während der Vater in seiner Vatergüte den Geschöpfen das Sein als eigenständiges Sein gönnt, „ihnen in seiner Fürsorge zugewandt ist und ihnen dadurch Fortdauer und Selbständigkeit ermöglicht“49, ist der Sohn als Gegenstand der Liebe des Vaters in seiner Selbstunterscheidung vom Vater „der Ursprung von allem dem Vater gegenüber anderen, der Ursprung also auch der Selbständigkeit der Geschöpfe gegenüber dem Schöpfer“50. Seine Schöpfungsmittlerschaft beschränkt sich dabei nicht auf den Anfang des Seins. Vielmehr ist der Sohn als generatives Prinzip der Mannigfaltigkeit der geschöpflichen Wirklichkeit zugleich „produktives Prinzip des Hervorgehens immer neuer Unterschiede und damit auch immer wieder neuer und anderer Formen endlichen Daseins“51 und „strukturelles Urbild (…) der Bestimmung alles geschöpflichen Seins zur Gemeinschaft

44 45 46 47 48

Pannenberg, ST 2, 25. Pannenberg, ST 2, 29. Vgl. Pannenberg, ST 2, 32f. Pannenberg, ST 2, 34. Pannenberg, ST 2, 45. Vgl. zur Bedeutung der trinitarischen Struktur des Schöpfungshandelns für das Verständnis der Schöpfung und Neuschöpfung Friederike Nüssel, Challenges of a Consistent Language on the Spirit in Creation and New Creation, in: M. Welker (Hg.), The Spirit in Creation and New Creation. Science and Theology in Western and Orthodox Realms, Eerdmans Publishing Company Grand Rapids Michigan/Cambridge U.K. 2012, 120–133. 49 Pannenberg, ST 2, 36. 50 Pannenberg, ST 2, 36. 51 Pannenberg, ST 2, 43.

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mit Gott durch Annahme der eigenen Unterschiedenheit von ihm“52. Seine Mitwirkung in der Schöpfung bedingt das freie und kontingente Dasein der Geschöpfe und ist zugleich untrennbar verbunden mit dem Wirken des Geistes, der den Sohn mit dem Vater eint. Der Geist ist nach Pannenberg dabei „einerseits das Prinzip der schöpferischen Gegenwart des transzendenten Gottes bei seinen Geschöpfen, andererseits umgekehrt Medium der Teilhabe der Geschöpfe am göttlichen Leben – und damit am Leben überhaupt.“53 Das besondere Werk des Geistes besteht in der Vermittlung der Teilhabe an Gott, in der die Geschöpfe ihre Endlichkeit transzendieren. Entsprechend lässt sich nach Pannenberg die dem – durch das göttliche Schöpfungshandeln begründeten – „Leben der Schöpfung innewohnende Dynamik … genauer beschreiben als Prozeß zunehmender Verinnerlichung der Selbsttranszendenz der Geschöpfe“54. Die trinitarische Explikation des Schöpfungshandelns erschließt nicht nur die Freiheit des schöpferischen Aktes als Grund der relativen Selbständigkeit und Freiheit der Geschöpfe, sondern erlaubt es zugleich, „die Schöpfungsaussage auf das Ganze der Welt in ihrer zeitlichen Erstreckung zu beziehen“.55 Denn das Schöpfungshandeln kann nach Pannenberg nicht auf den Anfang beschränkt gedacht, sondern umfasst Erhaltung, Mitwirkung und Regierung der Welt.

3.

Die kosmologische Frage nach Anfang und Ende der Welt

Für die Frage nach Pannenbergs Auseinandersetzung mit der kosmologischen Erforschung der Weltentstehung ist der trinitarische Ursprung des Schöpfungsaktes grundlegend. Im Einklang mit der antidualistischen Stoßrichtung der christlichen Schöpfungslehre begreift er die Schöpfung als Akt, der seine Voraussetzung allein in Gott selbst hat und zugleich auf die eschatologische Vollendung angelegt ist. Den Horizont für die Frage nach dem Anfang und Ende der Welt bildet für Pannenberg mithin das Verhältnis von Schöpfung und Eschatologie. Von daher wird verständlich, warum Pannenberg die Frage nach Anfang und Ende des Universums erst im dritten Unterkapitel der Schöpfungslehre behandeln kann. Der Zusammenhang von Schöpfungslehre und Eschatologie wiederum impliziert für Pannenberg, dass es überhaupt sinnvoll und sachgerecht ist, von einem Anfang zu sprechen. Eben diese Annahme eines Anfangs der Welt und damit die Lehre von der creatio ex nihilo ist aber, wie Pannenberg im Rekurs auf die Diskussion in der Patristik und im Mittelalter zeigt, alles andere als 52 53 54 55

Pannenberg, ST 2, 45. Pannenberg, ST 2, 47. Pannenberg, ST 2, 48. Pannenberg, ST 2, 49.

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selbstverständlich.56 Pannenbergs Rekonstruktion der Debatte über die kosmologische Frage nach dem Anfang der Welt seit dem Mittelalter bis in die Gegenwart ist dabei ein besonders eindrückliches Beispiel für sein wirkungsgeschichtliches Denken und dessen argumentative Rolle und soll hier kurz referiert werden. Grundlegend für die Entwicklung sind die patristische und sodann vor allem die mittelalterliche Diskussion über Anfang bzw. Anfangslosigkeit der Welt. Während auf dem IV. Laterankonzil 1215 die Lehre eines zeitlichen Anfangs der Welt für verbindlich erklärt wurde, hielt Thomas von Aquin, wie Pannenberg herausarbeitet, die Argumente für den Anfang der Welt rational nicht für überzeugend. Aus Thomas’ Sicht erschien nur eine Argumentation für die Möglichkeit des Glaubens an den zeitlichen Anfang der Welt gangbar, und zwar durch Widerlegung der Argumente für die Anfangslosigkeit.57 Wenngleich sich die Auffassung des Thomas in der Folgezeit durchgesetzt habe, konnte er nach Pannenbergs Urteil „die mehr empirisch-phänomenologischen Argumente der aristotelischen Physik für die Anfangslosigkeit der Bewegung und der Zeit“58 und insbesondere das Zeitargument nicht wirklich entkräften, welches besagt, „daß wir gar keine Zeit denken können, deren Jetzt nicht auf ein Vorhergehendes folgte“59. Während Thomas den Stellenwert dieses Arguments in seiner Begründung für einen ersten Anfang der Bewegung nicht hinreichend berücksichtigt habe, sei das Zeitargument hingegen bei Kant maßgeblich „für die Bestreitung der Annahme eines Anfangs der Welt in der Antithesis der ersten kosmologischen Antinomie“60 geworden. Kant habe in seiner Argumentation aber nicht ausschließen können, das das Zeitargument als Gesetz des Verstandes „auf seine Subjektivität bzw. auf deren Beschreibung durch die kantische Philosophie zurückfällt“61, so dass zwar die Annahme eines Anfangs bestritten werden muss, aber damit noch nicht die Behauptung einer zeitlichen Unbegrenztheit der Welt begründet ist. Nach Pannenbergs Rekonstruktion der Debatte ist erst in Hegels Auseinandersetzung mit der Begrenztheit des Endlichen durch Anfang und Ende die Frage nach der Endlichkeit der Welt als „die eigentliche Sachfrage im Hintergrund des Streites um Anfang oder Anfangslosigkeit der Welt“62 in den Blick gekommen. Dabei habe sich durch die „Verbindung der kopernikanischen Revolution des Weltbildes mit der geometrischen

56 57 58 59 60 61 62

Vgl. Pannenberg, ST 2, 172–176. Vgl. Pannenberg, ST 2, 175. Pannenberg, ST 2, 175f. Pannenberg, ST 2, 176. Pannenberg, ST 2, 176. Pannenberg, ST 2, 177. Pannenberg, ST 2, 177.

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Raumauffassung der neuen Naturwissenschaft“63 – in unterschiedlicher Weise bei Henry Moore und Isaac Newton – der neuzeitliche Glaube an die Unendlichkeit der Welt etabliert. Dieser sei zusätzlich durch die Begründung der mathematischen Mengenlehre bei Bernhard Bolzano unterstützt worden. Denn durch sein Verständnis des aktual Unendlichen als Inbegriff oder Menge einer Vielheit, die aus unendlich vielen Teilen besteht, wurde es erstmals möglich, „entgegen der auf Aristoteles zurückgehenden Tradition das Universum als nicht nur potentiell, sondern aktual unendlich zu denken“64. Zugleich habe aber die „Vorstellung der Unendlichkeit der Welt … den Charakter des gedanklich Außerordentlichen“ verloren, weil das Universum mengentheoretisch nicht als die einzige unendliche Menge zu verstehen ist. Auch wenn gegen „die Auffassung der unendlichen Menge als aktual unendlich“65 mathematisch Widerspruch angemeldet wurde, ist nach Pannenbergs Analyse der neuzeitliche Glaube an die Unendlichkeit der Welt erst durch die „Abwendung der physikalischen Kosmologie von der Vorstellung eines unendlichen Universums“66 von Grund auf in Frage gestellt worden. Für die theologische Auseinandersetzung mit der kosmologischen Fragestellung liegt nach Pannenberg in dieser Entwicklung der entscheidende Wendepunkt. Maßgeblich hierfür ist zum einen „die Relativitätstheorie, die Raum und Zeit als abhängig von Masse und Geschwindigkeit der Körper zu sehen lehrte und es erlaubte, die Welt als räumlich und begrenzt, aber endlich zu denken“.67 Zum anderen ist entscheidend „die Entdeckung der Expansionsbewegung des Universums durch Edwin Hubble und mit ihr der Schluß auf einen Anfangspunkt dieser Bewegung vor endlich langer Zeit, als die gesamte kosmische Materie auf engstem Raum zusammengedrängt gewesen sein muß.“68 Wenn seither die „Vorstellung eines ‚Urknalls‘ als Beginn der kosmischen Expansion“69 zum Standardmodell der physikalischen Kosmologie geworden ist, wie Pannenberg festhält, so liegt die Pointe dieser Entdeckung für Pannenberg nicht etwa in einer Bestätigung der biblischen Vorstellung von einem voraussetzungslosen Anfang der Welt im Sinne der creatio ex nihilo. Denn christliche Schöpfungslehre kann den Urknall nicht mit der creatio ex nihilo gleichsetzen, weil die Urknalltheorie den Urknall nicht als absolut erstes Ereignis behauptet. Die besondere Errungenschaft und für die Theologie bedeutsame Pointe der modernen physikalischen Kosmologie liegt für Pannenberg vielmehr darin, dass sie erstmals das Universum als ganzes in seiner zeitlichen und räumlichen 63 64 65 66 67 68 69

Pannenberg, ST 2, 177. Pannenberg, ST 2, 179. Pannenberg, ST 2, 180. Pannenberg, ST 2, 180. Pannenberg, ST 2, 180. Pannenberg, ST 2, 180. Pannenberg, ST 2, 181.

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Ausdehnung zum Gegenstand empirischer Forschung gemacht und „den Beweis dafür erbracht [hat], daß eine solche Vorstellung von der Welt im ganzen keineswegs die Grenzen des Erfahrungswissens überschreitet und in ein haltloses Blendwerk abgleitet, sondern auch empirisch sowohl unerläßlich als auch möglich ist.“70 Unter dieser Voraussetzung aber stellt sich auch die Frage nach einem zeitlichen Anfang des Universums und damit die Frage nach der zeitlichen Endlichkeit noch einmal neu. Pannenberg konstatiert, dass für die physikalische Forschung die Frage nach einem absolut ersten Ereignis wenn nicht sinnlos, so doch unbeantwortbar ist. Gerade auf dieser Basis plädiert er aber für die Annahme, dass mit der Endlichkeit des Universums auch ein zeitlicher Anfang verbunden sein müsse. „Wenn das Universum im ganzen als ein endlicher Prozeß zu denken ist, dann und insofern ist auch für das Universum als solches ein zeitlicher Anfang anzunehmen, unbeschadet der Relativität der Zeitabläufe und der Zeitmaße.“71 Die moderne physikalische Kosmologie lege „mit dem Standardmodell der Expansion des Universums zumindest für dessen Anfang die Annahme der Endlichkeit nahe“72. Pannenberg interpretiert also die physikalischen Ergebnisse so, dass mit einer Endlichkeit des Universums zumindest im Blick auf den Anfang desselben zu rechnen sei. Weder gebe es empirischen Anlass, das expandierende Universum als Teilprozeß einer pulsierenden Gesamtbewegung aufzufassen, in der sich Expansion und Kontraktion abwechseln, noch lege sich ein Kreismodell mit neuen Umläufen zeitlich identischer Prozesse nahe. Der Ausschluss alternativer Erklärungen erlaubt es Pannenberg, von einem zeitlichen Anfang des Universums und der Endlichkeit des Weltprozesses in der Zeit auszugehen. Das aber schließt für ihn die Unumkehrbarkeit des Zeitablaufs ein und damit auch die Unterschiedenheit von Anfang und Ende. Damit rückt sein eigentliches theologisches Interesse in den Blick. Denn seine Argumentation zielt nicht allein darauf, die christliche Schöpfungsvorstellung mit ihrer Implikation eines zeitlichen Anfangs zu plausibilisieren, sondern zugleich darauf, die Unterschiedenheit von Anfang und Ende und damit die Einzigartigkeit des den Anfang und das Ende verbindenden Geschehens herauszustellen. Wenngleich nach Pannenberg zuzugestehen ist, dass sich die Behauptung eines Zeitanfangs nicht direkt auf physikalische Befunde und Schlussfolgerungen gründen lässt und auch nicht aus dem Wesen des Endlichen begrifflich ableitbar ist, bieten für ihn die Erkenntnisse der modernen Kosmologie doch gute Gründe für diese These. Ist es gemäß der modernen Kosmologie sinnvoll und notwendig, den Gesamtprozess des Universums im Unterschied zu Kant als ein Ganzes zu den70 Pannenberg, ST 2, 181. 71 Pannenberg, ST 2, 183. 72 Pannenberg, ST 2, 183.

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ken, und kann dieser im Rekurs auf die moderne physikalische Kosmologie in seiner raumzeitlichen Gestalt als endlich betrachtet werden, dann legt sich auch der Schluss auf einen zeitlichen Anfang nahe. Dabei kann es sich nach Pannenberg – im Einklang mit Augustin und vielen modernen Theologen – nicht um einen Anfang ‚in‘ der Zeit handeln, „so als ob ihm eine leere Zeit vorausginge“.73 Vielmehr müsse der Anfang als Anfang der Zeit selbst gedacht werden, „der aber seinerseits schon zeitlich bestimmt ist, also den Beginn einer Folge von Zeitmomenten darstellt.“74 Damit aber sei eine Grenze gesetzt, „mit der die Weltzeit nicht an eine ihr vorausgehende Zeit, sondern an die Ewigkeit grenzt“.75 In der Rekonstruktion der Entwicklung der philosophisch-kosmologischen Überlegungen vom Mittelalter bis in die Neuzeit und der physikalischen Forschung bis hin zur modernen Physik kann Pannenberg also festhalten, dass die Frage nach der Endlichkeit des Universums die eigentliche Sachfrage darstellt, die in der empirisch-physikalischen Kosmologie zugunsten der Endlichkeit des Universums beantwortet wird, ohne dass empirische Befunde die gedankliche Implikation eines zeitlichen Anfangs widerlegen. Seine Rekonstruktion belegt zum einen die durchgängige Strittigkeit der These eines Anfangs der Welt bzw. des Universums bis in die Gegenwart. Zum anderen plausibilisiert sie die These von der Endlichkeit des Universums und die Vorstellung eines zeitlichen Anfangs. Für die theologische Argumentation liegt die Bedeutung darin, dass man die These von der Schöpfung der Welt im Sinne einer creatio ex nihilo und eines voraussetzungslosen Anfangs der Welt nicht als eine „dem beobachtbaren und rekonstruierbaren Naturgeschehen äußerliche Offenbarungswahrheit“76 in Anschlag bringen muss, sondern vielmehr eine Konvergenz zwischen Naturerkenntnis und Schöpfungsglaube festhalten kann. Was die Frage nach dem Ende und der Vollendung der Welt betrifft, die für den christlichen Glauben und die christliche Hoffnung konstitutiv ist, so konstatiert Pannenberg, dass dem neuzeitlichen Denken diese Vorstellung noch erheblich fremdartiger erscheine als der Gedanke eines Anfangs der Welt. Pannenberg verweist hier vor allem auf Immanuel Kant, der in seiner Schrift über „Das Ende aller Dinge“ von 1794 die Annahme eines Endes der Zeit und der Geschichte für „eine die Einbildungskraft empörende Vorstellung“77 hielt. Wiederum ist es die moderne physikalische Kosmologie, deren Erkenntnisse nach Pannenberg dazu geführt haben, dass „heute auch in dieser Frage ein höheres Maß an Überein-

73 74 75 76 77

Pannenberg, ST 2, 183. Pannenberg, ST 2, 183. Pannenberg, ST 2, 184. Pannenberg, ST 2, 183, Hervorhebung FN. Wolfhart Pannenberg, Systematische Theologie, Bd. 3, (im folgenden ST 3) Göttingen 1993, 632, dort Zitat, vgl. auch 637.

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stimmung [besteht] als in früheren Jahrhunderten der Neuzeit“78. Maßgeblich ist dafür zum einen die Entdeckung des zweiten Hauptsatzes der Thermodynamik und die Annahme eines Endzustandes thermodynamischen Gleichgewichts, des sog. Wärmetodes. Zum anderen ist das kosmologische Modell des expandierenden Universums in seinen verschiedenen Varianten von zentraler Bedeutung, das nach Pannenberg zu einer noch wesentlich radikaleren Vorstellung in Bezug auf die Endlichkeit der Welt geführt habe. Zu den Varianten zählen das Modell der „Fortsetzung der kosmischen Expansion in eine grenzenlose Weite der Raumzeit hinein“, die entgegengesetzte Möglichkeit einer Umkehrung in eine Kontraktionsbewegung mit einem Kollaps der Materie und schließlich „die Möglichkeit eines ‚flachen‘ Auslaufens der Expansionskurve mit Übergang in eine unbegrenzt stabile Phase des Gleichgewichts von expandierenden Kräften und Gravitation“79. Nach Pannenbergs Einschätzung besteht zwar eine Tendenz zum zweiten Modell, doch entscheidend für die theologische Diskussion ist vor allem, dass die „naturwissenschaftliche Kosmologie … nicht mehr eine unbegrenzte Ausdehnung des Universums in Raum und Zeit“80 lehre, sondern die Endlichkeit des Universums „im Raum, in den hinein es expandiert, und einen Anfang seiner Expansionsbewegung vor endlicher Zeit“81. Wenngleich damit die christliche Vorstellung eines künftigen Weltendes durch die Welterkenntnis der Naturwissenschaften noch keineswegs belegt ist, steht sie auch nicht im Widerspruch zu ihr.82 Allerdings betrifft die Kongruenz in Bezug auf die Endlichkeit der Welt noch nicht die christliche Vorstellung einer Vollendung der Welt am Weltende. Auch bleibt offen, wie die Differenz zwischen der biblischen Vorstellung eines nahen Weltendes in Verbindung mit dem Ende der Menschheitsgeschichte83 einerseits und der kosmologischen Perspektive auf ein mögliches Ende des Universums in ferner Zukunft andererseits zu bewerten sind. Diese Differenz wird nach Pannenberg zusätzlich noch dadurch verschärft, dass ein kosmologisches Weltende „weit jenseits der geschichtlichen Zukunft der Menschheit läge, weil die Bedingungen für organisches Leben viel früher an ein Ende kommen werden“.84 Auf der Suche nach einem naturwissenschaftlichen Modell, welches eine Konvergenz zur biblischen Vorstellung einer Vollendung der Welt und menschlichen Lebens bietet, rekurriert Pannenberg auf die Theorie des anthropischen Prinzips bei John D. Barrow und Frank J. Tipler, die in der starken Form die Entstehung 78 79 80 81 82 83 84

Pannenberg, ST 3, 635. Vgl. Pannenberg, ST 2, 185. Vgl. Pannenberg, ST 3, 635. Pannenberg, ST 3, 635. Vgl. Pannenberg, ST 3, 634f. Vgl. dazu Pannenberg, ST 2, 185f. Pannenberg, ST 2, 185.

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menschlichen Lebens und menschlicher Intelligenz als konstitutiv für die Entwicklung des Universums im Ganzen versteht und den Ziel- oder Omegapunkt des kosmischen Prozesses im Zustand einer vollendeten Gestalt geistiger Herrschaft sieht. Wie Pannenberg vermerkt, bezieht Tipler dabei in einer Weiterentwicklung seiner Theorie die mit dem Menschen im Universum aufgetretene Intelligenz „auf eine mögliche Teilhabe an der im Omega des Universums vollendeten Wirklichkeit Gottes“85 und öffnet die Theorie damit explizit für eine theologische Rezeption. Wenngleich Pannenberg den Vorzug der anthropischen Theorie darin sieht, „daß sie sich weder bloßer Analogieschlüsse bedient, noch zu einer anthropomorphen Gottesvorstellung führt“86, hält er ausdrücklich fest, dass die Übernahme eines solchen Modells für die Theologie nicht zur Diskussion stehe, weil es auf einer anderen Ebene liege.87 Zudem ist die Theorie naturwissenschaftlich hoch umstritten und hat inzwischen kaum noch Bedeutung. Das dürfte der Grund sein, warum Pannenberg sie im Eschatologiekapitel des dritten Bandes der Systematischen Theologie von 1993 auch nicht mehr erwähnt. Stattdessen belässt er es bei der Feststellung einer Kongruenz zwischen naturwissenschaftlicher Kosmologie und Schöpfungslehre in Bezug auf die Endlichkeit der Welt und hält fest, es gebe jenseits der „Zukunftsperspektive der physikalischen Kosmologie“ und des Szenarios „einer Zerstörung der irdischen Umwelt der Menschheit durch den Mißbrauch der Technik“88 noch einen anderen Anhaltspunkt dafür, dass mit einem Weltende und einem Ende der Menschheitsgeschichte zu rechnen sei. Diesen Anhaltspunkt bietet das Zeitverständnis, das Pannenberg im Rahmen seiner Schöpfungslehre und Eschatologie zum Zuge bringt. Zunächst ist für Pannenberg ähnlich wie für seinen Lehrer Edmund Schlink wichtig, die Zeit theologisch nicht nur als subjektive Kategorie der Anschauung zu verstehen, sondern als kosmische Zeit, die für die geschöpfliche Wirklichkeit und das Dasein der Geschöpfe bestimmend ist. In diesem Zusammenhang kritisiert er das Zeitverständnis in der Schöpfungslehre bei Karl Barth. Wenngleich Barth eine Entgegensetzung von Zeit und Ewigkeit abgelehnt habe zugunsten des von Boethius erschlossenen Verständnisses der Ewigkeit als Innehaben des Lebens89, laufe sein Verständnis der Zeit der Geschöpfe darauf hinaus, „daß dem menschlichen Dasein keine eigene Dauer, sondern nur das Verlangen nach Dauer gegeben“90 sei. Demgegenüber ist für Pannenberg die Dauer in der Zeit für das selbständige Dasein der Geschöpfe konstitutiv. „Nur durch die ihm eigene, wenn 85 86 87 88 89 90

Pannenberg, ST 2, 186. Pannenberg, ST 2, 187. Vgl. Pannenberg, ST 2, 187. Pannenberg, ST 3, 635. Vgl. Pannenberg, ST 3, 642. Pannenberg, ST 3, 643.

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auch begrenzte Dauer hat es [das Geschöpf| ein eigenes, von Gott und anderen Geschöpfen unterschiedenes Dasein“91. In der Dauer ihres Daseins haben auch die geschöpflichen Gestalten eine Zukunft92 und können sich in der Reihe der Gestalten entwickeln. Die Entwicklung der Geschöpfe ist dabei nach Pannenberg nicht durch die Vergangenheit determiniert, sondern vielmehr kontingent, insofern die den Geschöpfen gewährte Zukunft als „Feld des Möglichen“93 zu verstehen ist, in der sich „die Dynamik des göttlichen Geistes in der Schöpfung“94 äußert. Die der geschöpflichen Welt gewährte Zukunft ist mithin „Grund der Offenheit der Schöpfung auf eine höhere Vollendung hin und Quelle des Neuen, also der Kontingenz in jedem Ereignis“95. Die Vollendung liegt dabei nicht nur in der Zukunft, sondern geschieht aus der Zukunft. Konstitutiv für den Zusammenhang von Schöpfung und Eschaton und für die Vorstellung einer Vollendung der im Anfang geschaffenen Welt und ihrer Geschöpfe wiederum ist die Verhältnisbestimmung von Zeit und Ewigkeit. Pannenberg knüpft wie Barth an das Verständnis von Boethius an. Grundlegend ist mithin, dass die Ewigkeit nicht im Gegensatz zur Zeit und zur der die Zeit charakterisierenden Abfolge der Zeitmomente von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft zu verstehen ist. Vielmehr sei die Ewigkeit als „zeitübergreifende Gegenwart, die keine Zukunft außer sich hat“96, zu bestimmen. Die Ewigkeit umgreift die Zeit dabei so, dass die Differenz der Zeitmomente nicht annulliert, sondern in ihrem Nacheinander aufgehoben ist. Die eschatologische Vollendung der Welt wiederum realisiert sich durch den Eintritt der Ewigkeit in die Zeit.97 Darum ist schon die Dauer des Daseins jedes Geschöpfes in der eschatologischen Zukunft begründet.98 Für die Frage nach dem Ende der Welt bedeutet dies, dass das Ende dieser Weltzeit bzw. „dieses Äons … nicht nur eine Epochenschwelle im weiterlaufenden Fluß dieser Weltzeit“99 ist. Vielmehr werde „mit der Vollendung des göttlichen Geschichtsplans im Reiche Gottes auch die Zeit jedenfalls in dem Sinne an ein Ende kommen (cf. Apk 10,6f.), daß die Trennung des Vergangenen von der Gegenwart und der Zukunft Gottes überwunden wird, jene Trennung des Gegenwärtigen vom Vergangenen und Zukünftigen also, die diese kosmische 91 Pannenberg, ST 3, 643. Entsprechend kann die Schöpfung nicht als ein Akt in der Zeit verstanden werden, „sondern nur als Konstituierung der endlichen Wirklichkeit der Geschöpfe mitsamt der Zeit als ihrer Daseinsform“. (Vgl. Pannenberg, ST 2, 75) 92 Pannenberg, ST 2, 118. 93 Pannenberg, ST 2, 119. 94 Pannenberg, ST 2, 119. 95 Pannenberg, ST 2, 119. 96 Pannenberg, ST 2, 113. 97 Vgl. Pannenberg, ST 3, 649: „Die Zukunft der Vollendung ist der Eintritt der Ewigkeit in die Zeit.“ 98 Vgl. Pannenberg, ST 3, 649. 99 Pannenberg, ST 2, 116.

Vom Anfang und Ende der Welt

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Zeit im Unterschied zur Ewigkeit kennzeichnet. Für die eschatologische Vollendung wird nicht ein Verschwinden der in der kosmischen Zeit hervorgetretenen Unterschiede erwartet, aber die Trennung der Zeiten wird hinfällig, wenn die Schöpfung Anteil erhält an der Ewigkeit Gottes.“100 Indem diese Vorstellung von der Vollendung weitere Veränderung ausschließt und ein Ende der Zeit impliziert, steht sie in Gegensatz zur oben erwähnten Auffassung Kants, mit der sich Pannenberg im Eschatologiekapitel ausführlich auseinandersetzt. Kants These, dass die Vorstellung vom Ende der Zeit die Einbildungskraft empöre und dass man über jeden Zeitpunkt hinaus eine weitere Zeit denken könne, hält Pannenberg entgegen, dass seine Argumentation in der Kritik der reinen Vernunft durchaus Anhaltspunkte für ein Ende der Zeit enthalte. Denn zum Anschauungscharakter der Raumes gehöre, „daß wir ihn als ‚unendliche gegebene Größe vorstellen“ und „alle Mehrheit von Räumen … nur als Teile des einen Raumes auffassen können“101. Entsprechendes gelte auch von der Zeit. Indem nach Kant verschiedene Zeiten nur als Teile derselben Zeit gedacht werden könnten, sei damit „die ursprüngliche Vorstellung der Zeit als uneingeschränkt gegeben“102 vorausgesetzt. Dies aber impliziere „die Annahme eines Anfangs und eines Endes …, entgegen der Antithese zur ersten Antinomie“.103 Denn „ohne diese Annahme könnte die Zeit zwar Kontinuum, aber kein in der Anschauung gegebenes ‚Ganzes‘ sein.“104 Die Möglichkeit dieser Argumentation im Rekurs auf Kant ist Pannenberg deshalb wichtig, weil sie – in Abgrenzung von der Kritik von Ignaz Berten – für die Annahme eines Endes der Geschichte den „Gottesbegriff nicht schon als Argument voraussetzt“105. Ein Ende der Welt und der Zeit im Sinne der Folge der Zeitmomente ist nach Pannenberg mithin weder kosmologisch noch philosophisch ausgeschlossen. Insofern kommt dem Zeitverständnis eine Schlüsselrolle für das Verständnis von Schöpfung und Vollendung zu. Allerdings betont Pannenberg auch, dass die christliche Hoffnung auf das Eintreten der Vollendung der Welt, die ihr Ende einschließt, damit in keiner Weise garantiert sei. Vielmehr lasse sich die Erwartung einer Vollendung der Schöpfung zum Heil „erst aus dem eschatologischen Heilshandeln Gottes in Jesus Christus und aus der daraus zu gewinnenden Erkenntnis des Angelegtseins schon der Schöpfung des Menschen auf das Erscheinen des zweiten Adam begründen“106.

100 101 102 103 104 105 106

Pannenberg, ST 2, 116f. Pannenberg, ST 3, 638. Pannenberg, ST 3, 638, dort Zitat. Pannenberg, ST 3, 638. Pannenberg, ST 3, 638. Pannenberg, ST 3, 638. Pannenberg, ST 3, 638.

90

4.

Friederike Nüssel

Abschließende Überlegungen

Wie Pannenbergs Auseinandersetzung mit den kosmologischen Fragen zeigt, ist ihm daran gelegen, naturwissenschaftliche Kosmologie und christliche Schöpfungsvorstellung aufeinander zu beziehen. Maßgeblich dafür ist sein Verständnis der Aufgabe systematischer Theologie in Gestalt der Erklärung des christlichen Wahrheitsanspruchs. Die distinktiven Ansätze der Verhältnisbestimmung von Schöpfungstheologie und Naturwissenschaft, wie sie exemplarisch in den zwei wiederum gegenläufigen Varianten bei Karl Barth und Ulrich Barth anzutreffen sind, bieten für Pannenberg keine Lösung dieser Aufgabe. Seine Vorgehensweise ist demgegenüber dem Ansatz bei Edmund Schlink ähnlich, wenngleich sehr viel elaborierter, und kann grosso modo zu den integrativen Modellen gerechnet werden, die Albrecht Beutel in seiner theologiehistorischen Rekonstruktion der Debatte über die Evolutionstheorie unterschieden hat. Denn Pannenberg integriert in seine Entfaltung der Schöpfungstheologie und Eschatologie gezielt die Auseinandersetzung mit modernen physikalisch-kosmologischen Theorien, die gegenüber der Dominanz der neuzeitlichen Vorstellung von der Unendlichkeit der Welt in neuer Weise die Endlichkeit der Welt nahelegen. Seine Argumentation hebt dabei aber nicht darauf ab, die biblischen Aussagen über Schöpfung am Anfang und Weltende durch kosmologische Theorien zu bewahrheiten. Eine unmittelbare Identifikation des kosmologisch (re-)konstruierbaren Geschehens am Anfang und am Ende mit dem schöpferischen Handeln Gottes, von dem die biblischen Texte sprechen, vermeidet er. Auch geschieht die Rezeption und argumentative „Integration“ naturwissenschaftlicher Theorien nicht unkritisch. Das dokumentiert sowohl die Kritik an der unvollständigen Erklärungsleistung des anthropischen Prinzips107 wie auch die Interpretation des Feldbegriffs, die über die naturwissenschaftliche Fassung hinausgehen dürfte. Nur in einem entsprechend differenzierten Verständnis kann also von einer „Integration“ naturwissenschaftlicher und biblisch-theologischer Auffassungen in Pannenbergs Argumentation gesprochen werden. Die Pointe solcher Intergration besteht darin, eine „Konvergenz tragender Grundgedanken“108 auszumachen, die „zur Erläuterung der These über die Zukunft Gottes als schöpferischer Ursprung des Universums“109 beitragen und ihren Realitätsbezug markieren. Zu diesen tragenden Grundgedanken für eine Konvergenz gehören für Pannenberg der Gedanke der Endlichkeit der Welt, die zeitliche Strukturierung des Weltgeschehens, die Unumkehrbarkeit des Weltverlaufs und damit verbunden die Unterschiedenheit von Anfang und Ende der Welt. Die Bezüge zwischen christlicher 107 Vgl. Pannenberg, ST 2, 188. 108 Pannenberg, ST 2, 187f. Hervorhebung FN. 109 Pannenberg, ST 2, 188. Hervorhebung FN.

Vom Anfang und Ende der Welt

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und naturwissenschaftlicher Weltauffassung, die sich in der Rekonstruktion der Positionen aufweisen lassen, sind dabei ein wesentliches Indiz dafür, dass sich christliche und naturwissenschaftliche Weltauffassung auf ein und dieselbe Wirklichkeit beziehen. Dies wiederum ist eine wesentliche Voraussetzung für die Plausibilität des Gedankens von der Einheit der Welt als der einen, von Gott geschaffenen Wirklichkeit. Hier liegt der Fluchtpunkt der Argumentation: Die Auseinandersetzung zwischen Schöpfungstheologie und Naturwissenschaft dient insgesamt der Demonstration der Einheit der Welt als Produkt der Tat des einen Schöpfergottes110. Indem Pannenberg dieses Verständnis der Welt im Rekurs auf die Verbindung von Kosmologie und Zeitverständnis entfaltet, geht es ihm wie Edmund Schlink um die Vermeidung eines Doketismus in der Schöpfungstheologie und zugleich um die Wahrheit des Glaubens an den einen Gott.

110 Vgl. Pannenberg, ST 2, 15.

Stefan Bauberger

Schöpfung und Urknall, Urknall und Schöpfung

1.

Vorbemerkung: Naturwissenschaft und Religion

Pannenberg schreibt: „… der biblische Schöpfungsglaube (bezieht sich) auf dieselbe Welt (…), in der die heutige Menschheit lebt und die durch die moderne Naturwissenschaft beschrieben (wird.)“1 Diese Aussage wird im vorliegenden Artikel in der Weise aufgenommen, dass religiöse Erkenntnis nicht so verstanden wird, dass sie sich auf einen anderen Bereich neben dem weltlichen Bereich bezieht. Vielmehr beziehen sich die religiöse und die naturwissenschaftliche Erkenntnis auf dasselbe, aber sie betrachten es aus unterschiedlichen Perspektiven.2 Die naturwissenschaftliche Perspektive ist objektivierend, während die religiöse Perspektive nicht vom Subjekt des Erkennens abstrahieren kann. Der Begriff der Perspektive ist in diesem Zusammenhang eine begrenzte Metapher, weil sich die religiöse Erkenntnis auf die Wirklichkeit als Ganzes bezieht und damit das Erkenntnissubjekt miteinbezieht. Eine trotz dieser Einschränkung richtige Konsequenz des Perspektivenmodells ist, dass es ein Grundproblem jeder rationalen Gotteslehre aufnehmen kann: Gott ist kein Objekt der Erkenntnis, weil er weder ein Objekt sein kann, das der Wirklichkeit gegenüber steht, noch einfach ein Teil der geschöpflichen Wirklichkeit. Im Perspektivenmodell ist es möglich, den Begriff „Gott“ eher adjektivisch oder adverbisch zu verstehen: Etwas ist „göttlich“ oder geschieht „göttlich“. „Gott“ als Substantiv ist vom Begriff „göttlich“ abgeleitet. 1 W. Pannenberg: Natur und Mensch – und die Zukunft der Schöpfung. Göttingen 2000, 30. Zitiert nach M. Rodego: Urknall oder Schöpfung?: Eine empirische Untersuchung im Religionsunterricht der Sekundarstufe II. Kassel 2010, 120. 2 Vgl. S. Bauberger: Wahrheit ist nicht Objektivität: Naturwissenschaftliche Wahrheit und religiöse Wahrheit. In: Tobias Müller (Hrsg.): Religion im Dialog: Interdisziplinäre Perspektiven – Probleme – Lösungsansätze. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2009, S. 227–247. Sowie: S. Bauberger: Wahrheit ohne Objektivität: Was kennzeichnet religiöse Wahrheit? In: Johannes Herzgsell und Janez Percˇicˇ (Hrsg.): Religion und Rationalität. Freiburg: Herder 2011, S. 95–115.

94

2.

Stefan Bauberger

Naturwissenschaft: Urknall

Das kaum bestrittene Standardmodell der Kosmologie ist das Urknallmodell. In Anschluss an die Veröffentlichung der Allgemeinen Relativitätstheorie durch Einstein (1915) war das Problem aufgetaucht, dass der Kosmos im Großen im Rahmen dieser Theorie nicht stabil sein konnte. Eine Grundüberzeugung der meisten Physiker dieser Zeit, Einstein eingeschlossen, war jedoch, dass Veränderungen im Kosmos nur lokal bedeutsam sind. Der Kosmos als Ganzer hatte nach dieser Vorstellung keine Geschichte, nur lokale Veränderungen, die sich beliebig wiederholen können. Einstein versuchte dieses Problem durch eine Modifikation seiner Theorie (kosmologische Konstante) zu lösen. Alexander Friedmann dachte weiter und veröffentlichte 1922 eine Arbeit, in der er verschiedene mögliche „Weltmodelle“ aufzeigte, die mit der ursprünglichen Allgemeinen Relativitätstheorie verträglich waren. Alle diese Weltmodelle beinhalteten eine großräumige Veränderung im Kosmos, also eine Geschichte des Kosmos als Ganzem. Eines dieser Weltmodelle beschrieb einen expandierenden Kosmos. E. Hubble beobachtete 1929 Effekte einer solchen Expansion, nämlich die Rotverschiebung des Lichts entfernter Sterne. Aber erst fast 20 Jahre später wurde das Konzept des Urknalls geprägt. G. Gamow veröffentlichte zusammen R. Alpher und H.A. Bethe 1948 die Theorie von einem extrem heißen und dichten Anfangszustand des Universums. Die Physikerkollegen, die vielfach von dieser Idee keineswegs überzeugt waren, tauften das die Theorie vom „Big Bang“, um es zu veralbern. Der Begriff ist geblieben und wurde als Urknall ins Deutsche übersetzt. In dieser Veröffentlichung von 1948 wurde vorhergesagt, dass von diesem Anfangszustand ein Strahlungsrest im Universum zurück geblieben sein sollte. Diese Strahlung, so die Rechnung, war inzwischen durch die Expansion stark abgekühlt und sollte als Mikrowellenstrahlung aus allen Richtungen des Himmels gleichmäßig auf die Erde kommen. Niemand hat danach gesucht, aber diese Strahlung wurde zufällig 1965 von R. Wilson und A. Penzias entdeckt, in guter Übereinstimmung der Strahlungstemperatur (2,7 K) mit der Vorhersage. Heute wird sie Hintergrundstrahlung genannt. Mit dieser Entdeckung hatte die Urknalltheorie gewonnen. Die physikalische Entwicklung des Kosmos nach dem Urknall lässt sich durch Extrapolation der bekannten Naturgesetze bis kurz nach dem Anfangspunkt zurück rekonstruieren. Zunächst sind aus einem Gemisch von extrem heißer Strahlung und ständig in Umwandlung befindlicher Materie die heute vorgefundenen Elementarteilchen entstanden. In den ersten Minuten hat sich die Materie bereits in der Form gebildet, die fast unverändert heute noch gefunden werden kann: Drei Viertel Wasserstoff, ein Viertel Helium, zunächst ionisiert als Plasmazustand. Nach etwa 400.000 Jahren war das Universum so weit abgekühlt,

Schöpfung und Urknall, Urknall und Schöpfung

95

dass die Materie „durchsichtig“ wurde, also nicht mehr in ständiger Wechselwirkung mit Strahlung war. Es bildeten sich Atome. Die Hintergrundstrahlung ist eine Art Foto aus dieser Zeit. Die Materie hat sich aufgrund kleiner Dichteschwankungen unter der Wirkung der Gravitation zusammengeballt, so dass Galaxien und Sterne entstehen konnten. In den Sternen wurden dann durch Kernfusion schwerere Elemente gebildet, wie wir sie auf der Erde vorfinden. Planeten wie die Erde sind das Ergebnis von schweren Sternen, die am Ende ihrer Lebenszeit in gewaltigen Explosionen enden. Aus den Überresten dieser Explosionen konnten sich neue Sterne bilden, die von Planeten umkreist werden, die aus Materie bestehen, die in der Kernfusion des ursprünglichen Sterns gebildet worden sind. Im Großen gesehen trägt diese fusionierte Materie nicht viel zur Bilanz des Kosmos bei. Für die Entstehung von Leben ist sie aber eine grundlegende Voraussetzung. Es gibt einige Ungereimtheiten des Standardmodells der Kosmologie. Ein Großteil der Masse im Kosmos liegt in einer unbekannten Materieform vor, die sogenannte dunkle Materie, die sich nur ihre Gravitationswirkung zeigt. Weiterhin gibt es großräumig eine Kraft im Kosmos, die diesen beschleunigt expandieren lässt. Diese Kraft wird auf eine unerklärte sogenannte dunkle Energie zurückgeführt. Und weiterhin gibt es auch keine ganz überzeugende Erklärung dafür, dass sich im Kosmos recht schnell schwere Galaxien und Sterne gebildet haben. Im Rahmen der Physik sind aber die Argumente für das Urknallmodell so überzeugend, dass diese Ungereimtheiten als Rätsel betrachtet werden, die innerhalb des Modells durch Erweiterungen zu lösen sind.

3.

Schöpfung

Wenn im christlichen Kontext von Schöpfung die Rede ist, dann muss beachtet werden, dass sich dieser Begriff zwar äußerlich auf die Entstehung der Erde, des Menschen oder des Kosmos bezieht, innerlich aber eine andere Bedeutung hat. Am Anfang der hebräischen Bibel stehen zwei Schöpfungsgeschichten, die sich in Bezug auf die äußeren Fakten widersprechen: Gen 1,1–2,4a und Gen 2,4b–2,7. Der Widerspruch kann denjenigen, die die Texte zusammengestellt haben, schwerlich entgangen sein, was nur so verstanden werden kann, dass auch für sie die äußere Bedeutung nur symbolisch signifikant war. In der ersten dieser beiden Erzählungen, Gen 1,1–2,4a, werden die Schöpfungsakte sechsmal mit der Bemerkung kommentiert, „Gott sah, dass es gut war.“. Nach der Erschaffung des Menschen heißt es gar: „Es war sehr gut.“ (Gen 1,31) Die naturwissenschaftliche Perspektive ist, wie oben schon bemerkt, eine objektivierende Perspektive im Blick auf die Wirklichkeit. Die Feststellung, dass

96

Stefan Bauberger

etwas „gut“ ist, hat in dieser Perspektive keine Bedeutung. Es gibt schlicht kein Messverfahren dafür, ob etwas gut ist. Wissenschaftstheoretisch formuliert: Der Begriff „gut“ ist nicht operationalisierbar. Gleichzeitig eignet sich der Begriff „gut“, um zu rechtfertigen, dass diese objektivierende Perspektive allein nicht ausreicht. Auch Wissenschaftler sind in der Praxis ihrer Forschung darauf angewiesen, zwischen „gut“ und „schlecht“ zu unterscheiden. Nur wenn es „gut“ ist, die Wahrheit zu sagen, können sich Wissenschaftler auf die Aussagen ihrer Kollegen verlassen. Nur wenn es „gut“ ist, die Welt zu erforschen, hat es eine Berechtigung, Mühe und Geld darauf zu verwenden. Die objektivierende Perspektive der Naturwissenschaft setzt also in ihrer Praxis voraus, dass Begriffe wie „gut“ eine wirkliche Bedeutung haben. Wenn die Aussage, „die Welt ist von Gott geschaffen“, die innere Bedeutung hat, „die Welt ist gut“, ja sogar, „die Welt ist sehr gut“, dann ist es eine große Aussage. Diese Aussage ist keineswegs selbstverständlich. Und diese Aussage hat eine entscheidende Bedeutung für das Leben eines Menschen.

4.

Ein Missverständnis zum Anfang des Universums

In Anschluss an diese Überlegungen kann ein Missverständnis ausgeräumt werden: Die physikalische Erklärung des Urknallmodells sei richtig bis zum Augenblick des Urknalls zurück. Dieser Augenblick, der erste Moment des Universums, sei aber dann der physikalischen Erklärung entzogen. Da komme dann Gott ins Spiel, das sei der Moment der Schöpfung. Insofern sei die Urknalltheorie ein Beweis oder zumindest Hinweis auf Schöpfung, weil eben der erste Augenblick physikalisch unerklärbar bleibt3. Das widerspricht dem Rahmen der oben in der Vorbemerkung genannt wurde. Es widerspricht dem Anspruch, den auch Pannenberg formuliert hat (oben zitiert), dass sich der Schöpfungsglaube und die Naturwissenschaft auf dieselbe Wirklichkeit beziehen. Weiterhin läuft eine solche Interpretation schnell in die Falle, Gott dort zu verorten, wo die Naturwissenschaft an die Grenzen ihrer Erklärung stößt. Tatsächlich gibt es bereits eine Fülle von (sehr spekulativen) Theorien, die auch für den Moment des Urknalls physikalische Erklärungen suchen, vor allem Quantenkosmologien und Multiversumstheorien. Aus prinzipiellen Gründen müssen diese Erklärungen von anderer Art sein als gewöhnliche physikalische Erklärungen (weil es Erklärungen außerhalb der zeitlichen Ursachenkette sind), aber die Physik hat schon oft den Rahmen ihrer Methoden erfolgreich erweitert. 3 S. Hawking schreibt diese Auffassung auch dem verstorbenen Papst Johannes Paul II zu, in seinem Buch: Eine kurze Geschichte der Zeit. Reinbek bei Hamburg 1988.

Schöpfung und Urknall, Urknall und Schöpfung

97

Und nicht zuletzt verletzt eine solche Interpretation den religiösen Anspruch, dass sich das Reden über Gott und damit auch über Schöpfung auf Transzendenz bezieht. Gott ist kein Glied in der physikalischen Ursachenkette. Damit würde das Göttliche banalisiert.

5.

Schöpfung als Erklärung für die Existenz der Welt

Die beschriebene Banalisierung des Schöpfungsbegriff als Lückenbüßer für bisher unerklärte physikalische Phänomene knüpft an das berechtige Anliegen an, Schöpfung als Erklärung für die Existenz der Welt zu verstehen. Die Aussage, dass die Welt gut ist, ist also gleichzeitig in einem gewissen Sinn eine Erklärung für die Existenz der Welt. Theologisch lässt sich Schöpfung in diesem Sinn so formulieren: „Die Welt existiert, weil sie gut ist, und weil sie deshalb von Gott gewollt ist.“ Dazu noch zwei Bemerkungen: Erstens: Diese Erklärung für die Existenz der Welt hat eine gewisse formale Entsprechung zu den angeführten hypothetischen physikalischen Erklärungsversuchen für den Urknall. Auch diese (zumindest die quantenkosmologischen) erklären den Urknall nicht durch Rückführung auf eine bestimmte materielle Ursache, sondern aus abstrakten Prinzipien heraus, oft unreflektiert platonisch. Zweitens: Diese Erklärung für Schöpfung setzt eine Ontologie voraus, die „personale“ Erklärungen als eigenständige neben den physikalischen Erklärungen zulässt4: Wenn ich etwas bewusst tue, dann tue ich es, weil es in gewisser Weise gut ist. Unbeschadet dessen kann dieselbe Handlung vollständig in einer physikalischen Ursachenkette beschrieben werden. – Zwei ganz unterschiedliche Erklärungen, die sich auf dasselbe Phänomen beziehen, ohne sich auszuschließen. Dabei muss aber wieder die Falle eines primitiven Anthropomorphismus vermieden werden, was bei Swinburne nicht ganz klar wird. Um die Transzendenzdimension des Schöpfungsbegriffs zu wahren, muss die angeführte Erklärung, „die Welt existiert, weil sie gut ist, und weil sie deshalb von Gott gewollt ist,“ selbstverständlich analog verstanden werden. Eine Ontologie, die personale Verursachung als eigenständige Erklärung neben5 der physikalischen zulässt, öffnet den Raum für transzendente Erklärungen. Damit schließt sich ein Bogen 4 Vgl. R. Swinburne: Die Existenz Gottes. Stuttgart 1987. 5 „Neben“: Dies kann wieder im Sinn des Perspektivenmodells verstanden werden. Die personale Erklärung ist eine Erklärung aus einer anderen Perspektive als die physikalische Erklärung.

98

Stefan Bauberger

zum Beginn des Artikels: Vielleicht ist eine noch bessere Formulierung des Schöpfungsbegriffs: „Die Welt existiert, weil sie gut ist, und das ist gleichbedeutend damit, dass sie göttlich ist.“

Ulrich Beuttler

Feldtheorie und Wirken Gottes

1.

Das Kraftfeld als pneumatisches Wirkfeld Gottes

W. Pannenberg hat das physikalische Feld als vermittelnden Begriff zwischen dem schöpfungstheologischem Wirken Gottes und dem natürlichem Eigenwirken angesehen, um die schöpfungstheologische und die physikalische Weltbeschreibung aufeinander zu beziehen. Mittels der von Faraday zur Erklärung mechanischer Kraftwirkungen entwickelten, von Maxwell und Hertz auf elektromagnetische Kräfte erweiterten und von Einstein auf metrische Felder verallgemeinerten Feldtheorien ist es gelungen, die aristotelisch-cartesische Physik der Berührungskausalität und des materiellen Kraftbegriffs zugunsten von fernwirkenden und nichtmateriellen Kräften zu überwinden. Hierdurch werde, wie Pannenberg mit G. Süßmann sagt, eine Art „geistiges“ Verständnis der Naturwirklichkeit möglich1, das sich dann mit der christlichen Lehre von der dynamischen Wirksamkeit des göttlichen Pneuma in der Schöpfung in Beziehung setzen lasse. Außerdem lasse sich aufgrund der Begriffsgeschichte, dass sich der Feldbegriff aus dem stoisch-christlichen Begriff des Pneuma entwickelt habe, auch umgekehrt die Dynamik des göttlichen Geistes, der in aller Schöpfung und Geschichte wirksam ist, nach Art eines physikalischen Kraftfeldes denken. Hierdurch bestehe zwischen der theologischen „Lehre vom göttlichen Pneuma und den Feldtheorien ein sachlich viel engerer Zusammenhang als er im Mittelalter im Verhältnis zur aristotelischen Bewegungslehre gegeben war.“2 Dieser Äußerung lässt sich entnehmen, dass Pannenberg mittels des Feldbegriffs nicht nur eine analoge oder metaphorische Beziehung zwischen theologischen und naturwissenschaftlichen Aussagen, sondern einen sachlichen Zusammenhang herzustellen beabsichtigt, mithin physikalische Felder als Instrumente des Wirkens Gottes in der Welt zu interpretieren versucht. Diesen 1 G. Süßmann, Geist und Materie, in: H. Dietzfelbinger / L. Mohnhaupt (Hg.), Gott – Geist – Materie, Hamburg 1980, 14–31, hier bes. 18–28; vgl. Pannenberg, STh II, 102. 2 Pannenberg, STh II, 102.

100

Ulrich Beuttler

Zusammenhang stellt Pannenberg mittels des Feldbegriffs her. Zwar verböten es die prinzipiellen Differenzen zwischen physikalischer und theologischer Betrachtungsweise, die physikalischen Feldtheorien direkt theologisch zu interpretieren, doch könne man der Physik immerhin eine Annäherung an die eine Wirklichkeit zugestehen, die auch Gegenstand der theologischen Schöpfungsaussagen ist3. Die Einheit der Wirklichkeit spiegele sich in der Parallelität und Beziehbarkeit der beiden Aussageebenen. Im Einzelnen benennt Pannenberg folgende parallele Charakteristika physikalischer und theologischer Feldtheorie:4 1. Die Fundamentalität des spirituellen Feldes vor dem materiellen Teilchen, 2. die ontologische Priorität der Möglichkeit vor der Wirklichkeit, 3. die Priorität der Zukunft vor der Vergangenheit, 4. das relationale, nichtsubstantielle Verständnis von Raum und Zeit und 5. die Zurückführung des Raumes auf die Zeit. Pannenbergs Feldtheorie5 im Einzelnen zu entfalten, würde zuviel Raum einnehmen. Wir beschränken uns auf einige kritische Bemerkungen. Ad 1. Fundamentalität des „spirituellen“ Feldes vor dem „materiellen Teilchen“: Die modernen physikalischen Feldtheorien betrachten die Körper als Erscheinungsformen von Kräften, genauer als Singularitäten von Kraftfeldern. Daraus folgert Pannenberg, die Felder würden als den Körpererscheinungen vorgängige, ontologisch selbständige Realitäten angesehen und Materie, Masse und Kraft auf Feld zurückgeführt.6 Ebenso sei auch Gott als pneuma und ruach dem stoischen göttlichen Pneuma näher als die reine intellektuelle Vernunft, und dieses Pneuma als direkter Vorläufer des modernen Feldbegriffs anzusehen. Den Feldbegriff für die Klärung der Geistigkeit Gottes in Anspruch zu nehmen, sei daher keine fremde Metaphysik, sondern eine sachgemäße Rückübertragung.7 Pannenbergs Begründung wäre dann gut, wenn sich erstens aus den physikalischen Feldtheorien ein ontologischer Primat des Feldes vor dem Teilchen erheben ließe und zweitens die Begriffsgeschichte einen sachlichen Zusammenhang von physikalischem Feld und Gott als Geist belegen würde. Beides ist nicht der Fall.

3 Vgl. a. a. O., 103. 4 Vgl. auch R. Bernhardt, Was heißt ‚Handeln Gottes‘? Eine Rekonstruktion der Lehre von der Vorsehung, Gütersloh 1999, 409–422. 5 Außer dem Haupttext Pannenberg, STh II, 96–138, vgl. STh I, 412–416; Ders., Schöpfungstheologie und moderne Naturwissenschaft, in: H. Deuser / G. Martin / K. Stock / M. Welker, Gottes Zukunft – Zukunft der Welt. FS f. J. Moltmann z. 60. Geb., München 1986, 276–291, hier bes. 282–285; Ders., The Doctrine of Creation and modern Science, in: Zygon 23/1 (1988), 3–21; Ders., Geist als Feld – nur eine Metapher?, BSTh 2, 64–68; Ders., Das Wirken Gottes und die Dynamik des Naturgeschehens, BSTh 2, 43–54; Ders., Der Glaube an Gott und die Welt der Natur, ThLZ 131 (2006), 123–130. 6 STh II, 100. 7 Geist als Feld – nur eine Metapher? A. a. O., 257.

Feldtheorie und Wirken Gottes

101

1.1. Pannenbergs wiederholt angeführter Gewährsmann M. Jammer liefert in seinem begriffshistorischen Artikel Feld keinen Beleg für einen Sachzusammenhang, sondern nur eine lose Parallelität der stoischen Pneumalehre zur Feldtheorie, nämlich als Theorie der Nahwirkung, nach der wie später beim Feld auch das alles durchdringende Pneuma per Spannung (tonos) Ursache der Bewegung ist.8 Jammer und Pannenberg hätten plausibler für Faraday auf die Korrespondenz seiner Feldtheorie mit der natürlichen Theologie Henry Mores verweisen können, da er, wie auch später Maxwell, den Raum via Äther als Träger der nahwirkenden Kräfte und Vermittler der erhaltenden göttlichen Allgegenwart ansah9. Zumal das Faraday-Maxwellsche Feld wie das stoische Pneuma essentiell mit dem (fein-stofflich-materiellen!) Äther als Träger verbunden war.10 Die Allgemeine Relativitätstheorie und die Quantenfeldtheorien allerdings verzichten auf das materielle Äthersubstrat und zeichnen den Begriff des Feldes nicht ontologisch aus, da sie das, was Materie ist, ungeklärt lassen. Genauso kann man Materie als Manifestation von Raum-Zeit- bzw. Energiefeldern ansehen, wie umgekehrt.11 Feld ist ebenso „materiell“ und keineswegs „geistiger“ wie Masse, Kraft usw.12 1.2. Wenn man dann noch wie Pannenberg den Feldbegriff univok trinitarisch verwendet und die Person des Heiligen Geist als „einmalige Manifestation (Singularität) des Feldes der göttlichen Wesenheit“13 bezeichnet, handelt es sich um eine vielleicht illustrative Metapher, höchstens um eine analogia nominum ohne fundamentum in re. 8 M. Jammer, Art. Feld, HWPh, Bd. 2, 923; Ders., Art. Fernwirkung, HWPh 2, 994f; Ders., Art. Kraft, HWPh, Bd. 4, 1178f. 9 Vgl. T.F. Torrence, Das Verhältnis zwischen christlichem Glauben und moderner Naturwissenschaft. Die geistesgeschichtliche Bedeutung von James Clerk Maxwell, in: ibw-journal, Sonderbeilage zu Heft 2, Paderborn 1982, 1–24, 13; W. Berkson, Fields of Force. The Development of a World View from Faraday to Einstein, New York 1974, 58f; D. Gooding, Metaphysics versus measurement: The conversion and conservation of force in Faraday’s Physics, in: Annals of Science 37 (1980), 1–29; G. Cantor, Michael Faraday: Sandemanian and Scientist, New York 1991, 168–173 (hier 170 das Zitat, dass “the conservation of force” der Grund der “stability of creation” und diese wiederum in der göttlichen Erhaltung begründet sei, da allein Gott Kräfte schaffen könne und daher Kräfte in der physikalischen Welt erhalten werden müssten. Die Selbsterhaltung des Systems Materie und Kräfte bewies in Faradays natürlicher Theologie den Schöpfer als perfekten Designer). 10 Vgl. S. Mason, Geschichte der Naturwissenschaft in der Entwicklung ihrer Denkweisen (1974), unveränd. ND Bassum 1998, 567–572; Berkson, Fields of Force. The Development of a World View from Faraday to Einstein, New York 1974, 148–152; G. Cantor / D. Gooding / F. James (Ed.), Michael Faraday, New Jersey 1996, 81–83. 11 Vgl. A. Einstein, Maxwells Einfluss auf die Entwicklung der Auffassung des PhysikalischRealen, in: Mein Weltbild, München 272001, 177–182; Ders. / L. Infeld, Die Evolution der Physik, Hamburg 182002, 231–236. 12 Vgl. H.-D. Mutschler, Schöpfungstheologie und physikalischer Feldbegriff bei Wolfhart Pannenberg, in: ThPh 70 (1995), 543–558. 13 STh II, 104.

102

Ulrich Beuttler

Dieser Einwand gilt auch gegen die 2.–3. Eigenschaft: Ontologische Priorität der Möglichkeit vor der Wirklichkeit und Priorität der Zukunft vor der Vergangenheit. Pannenbergs theologische Interpretation des Heiligen Geistes von Röm 8 her als „Macht der Zukunft“14 lässt sich zwar (A.M.K. Müller folgend) auf ein bestimmtes modallogisches Zeitverständnis beziehen und von diesem her das Kraftfeld des Geistes als Eröffnung eines Möglichkeitsfeldes interpretieren, welches von der Zukunft her, sozusagen in finaler Kausalität wirkt und die Schöpfung ihre Möglichkeiten entfalten lässt. Aber solches Wirken Gottes kraft der Zeit, genauer kraft der Zukunft der offenen Möglichkeiten, lässt sich nicht mit physikalischen Feldbegriffen erhärten. Denn die Rede vom „Möglichkeitsfeld zukünftiger Ereignisse“15 als Umkehrung des Zeitpfeils der deterministischen Physik lässt sich gewiss nicht aus der Physik der Quantenfeldtheorien16 erheben, die ebenso kausal-deterministisch sind wie die (physikalisch sehr anderen) Feldtheorien von Maxwell und Einstein, sondern nur unter Unterstellung eines bestimmten philosophischen Zeitverständnisses, welches der Zukunft als dem „Reich des Möglichen“ eine größere „Mächtigkeit“ gegenüber dem Faktischen zuspricht. Die Quantenfeldtheorien und die Theorie der selbstorganisierenden, offenen Systeme stützen solches Zeitverständnis nicht direkt, sondern nur über den Umweg naturphilosophischer Reflexion, begründen höchstens die Denkmöglichkeit und Anschlussfähigkeit der theologischen Deutung, nicht aber, wie Pannenberg beansprucht, die Denkund Anschlussnotwendigkeit.17 Die „Möglichkeiten“ sind physikalisch kein „wirk-mächtiges Feld“, sondern die statistisch erwartbaren Wahrscheinlichkeiten, die sich aus dem Faktischen ergeben. Sie „bewirken“ nichts, obwohl sie die Kausalstruktur bestimmen. Auch kann man (ad 4.–5.: Relationales, nichtsubstantielle Verständnis von Raum und Zeit und Zurückführung des Raumes auf die Zeit) nicht sagen, dass der relationale Raumbegriff, welcher das substantielle receptaculum überwand, eine Rückführung des Raumes auf die Zeit impliziere. Die Physik kennt keinen ontologischen Vorrang der Zeit vor dem Raum. Dass in Wahrheit „der Raum Zeit

14 STh II, 119–124. 15 H.-P. Dürr, Über die Notwendigkeit, in offenen Systemen zu denken, in: G. Altner (Hg.), Die Welt als offenes System. Eine Kontroverse um das Werk von Ilya Prigogine, Frankfurt a.M. 1986, 9–31, 28. 16 Eine Einführung mit Mitteln der strikt zeitdeterministischen Feynmanschen Pfadintegrale geben J.D. Bjorken / S.D. Drell, Relativistische Quantenfeldtheorie, Mannheim / Wien / Zürich 1990. 17 So Pannenberg, Geist als Feld, a. a. O. 258, gegen die Kritik Mutschlers, a. a. O., 556.

Feldtheorie und Wirken Gottes

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ist“, wie Pannenberg mit Georg Picht sagt18, ist Ergebnis einer respektablen metaphysischen Zeittheorie, aber keiner physikalischen.19 Pannenbergs theologische Interpretation der Gegenwart Gottes im Raum als „Dynamik des göttlichen Geistes, die als Macht der Zukunft, in allem Geschehen schöpferisch ist“, kann als „ein Feld mit spezifisch temporaler Struktur“20 verstanden werden, jedoch nicht als Feld im physikalischen Sinn, sondern in einem spezifisch theologischen Sinn als „eschatologisches Wirk-Feld Gottes“, wobei die Semantik dessen, was hier mit Feld gemeint ist, eher quer zu den zeitumkehrbaren physikalischen Feldbegriffen steht. Pannenbergs theologischer Feldbegriff ist nicht hinreichend gegen physikalische Feldbegriffe abgegrenzt, ganz gegen seine Absicht, die prinzipiellen Differenzen physikalischer und theologischer Wirklichkeitsbetrachtung nicht zu übergehen. Aber die schöpfungstheologische Prämisse, dass Gott der einende Grund der ganzen Wirklichkeit ist und sich daher physikalische und theologische Aussagen auf „dieselbe Wirklichkeit“ beziehen, verleitet ihn dazu, bestärkt durch die angebliche Begriffsgeschichte, den neuzeitlichen Feldtheorien eine „implizit theologische Relevanz“ zu unterstellen. Die (im Übrigen höchst divergenten) physikalischen Feldtheorien erlauben m. E. höchstens eine unscharfe Illustration der theologischen Deutung Pannenbergs bzgl. des „göttlichen Geistes als alles durchdringendes und dynamisch alldurchwaltendes Feld“21. Die geeignete, physikalisch und metaphysisch gleichermaßen begründete, Theorie wäre hierfür die Raumtheorie von More, Raphson, Newton und Clarke gewesen,22 wenn sie nicht sowohl physikalisch wie metaphysisch überholt wäre. Mit anderen Worten: Pannenbergs Feldtheorie stellt den Versuch dar, ein sowohl metaphysisch als auch physikalisch begründetes Modell für das dynamische Geistwirken zu geben. Der Feldbegriff kann diese Begründungslast aber nicht tragen. Ein physikalisches Feld kann nicht realistisch als das Instrument, sondern nur metaphorisch als die Art und Weise begriffen werden, wie Gott in der Welt wirksam gegenwärtig ist. Dafür ist das physikalische Feld gewiss illustrativ, der atmosphärische und systemtheoretische Feldbegriff jedoch weit ertragreicher, da er auch den geschichtlichen, personalen und sozialen Bereich umfasst.

18 G. Picht, Die Zeit und die Modalitäten, in: Quanten und Felder. Physikalische und philosophische Betrachtungen zum 70. Geburtstag von Werner Heisenberg, Braunschweig 1971, 67– 76, 74. 19 Pannenberg, Geist als Feld, a. a. O., 259; Ders., STh II, 111. 20 STh II, 122f. 21 Geist als Feld, a. a. O., 257. 22 Vgl. U. Beuttler, Gott und Raum. Theologie der Weltgegenwart Gottes, Göttingen 2010, 203– 233.

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Dazu hat z. B. Michael Welker eine umfängliche Pneumatologie des Wirkens Gottes aus der Metapher des Kraftfeldes entwickelt.23 Zurecht hat Pannenberg jedoch darauf insistiert, dass Gottes Wirken in der Welt nur über vermittelnde, naturphilosophisch reflektierte Kategorien realistisch auf die wirkliche Welt bezogen werden kann. Eine umfassende Diskussion der Problematik, wie das Wirken Gottes mit dem naturgesetzlichen Eigenwirken vermittelt werden kann, kann hier nicht erfolgen. Es wäre, kurz gesagt, eine naturphilosophisch und theologisch gleichermaßen begründete Neufassung der Lehre vom concursus divinus vorzulegen.24 Wir beschränken uns auf die Skizze eines theologischen Weltbegriffs25 und konzentrieren uns auf die zentralen Punkte des offenen Weltbegriffs, des Verhältnisses von Naturgesetz, Kausalität und Kontingenz. Dass wir hierfür u. a. auf die naturphilosophisch höchst präzisen und fundierten Überlegungen Pannenbergs zurückgreifen können, soll ausdrücklich erwähnt werden.26

2.

Offener Weltbegriff und Kontingenz der Naturordnung

1. Offener Weltbegriff: Eine Bedingung dafür, das Wirken Gottes in der physischen, raumzeitlichen Welt denken zu können, ist ein sog. offener Weltbegriff: Der nomologische, naturgesetzliche Weltzusammenhang bildet darin keinen in sich geschlossenen, einlinig-deterministischen Kausalzusammenhang, wie der Laplace’sche Mechanismus meinte, der offene Weltbegriff darf aber auch nicht der empirisch vielfach bestätigten energetisch-materiellen sowie der physikalisch-kausalen Geschlossenheit der Welt widersprechen, wie es die Erhaltungs23 Vgl. M. Welker, Gottes Geist. Theologie des Heiligen Geiste, hierzu vgl. Beuttler, Gott und Raum, a. a. O., 358–363. 24 Hierzu vgl. u. a. B. Weissmahr, Gottes Wirken in der Welt. Ein Diskussionsbeitrag zur Frage der Evolution und des Wunders, Frankfurt a.M. 1973; A. Peacocke, Gottes Wirken in der Welt. Theologie im Zeitalter der Naturwissenschaften, Mainz 1998; Bernhardt, Was heißt ‚Handeln Gottes‘? A. a. O., 271–434. 25 Ausführlicher vgl. U. Beuttler, Gottesgewissheit in der relativen Welt. Karl Heims naturphilosophische und erkenntnistheoretische Reflexion des Glaubens, Stuttgart 20, 335–386; Ders., Die „offenen Dimensionen“ des raumzeitlichen Weltgeschehens. Skizze eines theologisch und naturphilosophisch verantworteten Weltbegriffs, in: NZSTh 48 (2006), 200–221; Ders., Die Welt ist noch nicht fertig. Die Zeit, die Naturgesetze und das Wirken Gottes, in: Zeitzeichen 2/2007, 19–21; Ders., Gottes Wirken in der Zeit – Über die Vereinbarkeit von Naturgesetzlichkeit und freiem Wirken Gottes. Eine Gottesbildklärung angesichts des naturwissenschaftlichen Weltverständnisses, in: G. Souvignier u. a. (Hg.),Gottesbilder an der Grenze zwischen Naturwissenschaft und Theologie, Darmstadt 2008, 94–103. 26 Vgl. besonders W. Pannenberg, Kontingenz und Naturgesetz, in: Ders. / A.M.K. Müller, Erwägungen zu einer Theologie der Natur, Gütersloh 1970, 33–80; Ders., STh II, 79–92; 111– 124; Ders., Das Wirken Gottes und die Dynamik des Naturgeschehens, a. a. O.; Ders., Die Kontingenz der geschöpflichen Wirklichkeit, in: ThLZ 131 (2006), 123–130.

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sätze der Physik widerspiegeln. Das Wirken Gottes ist – theologisch gesagt – zwar immer neu, agiert aber nicht gegen die geschaffene Welt. Das Welthandeln Gottes knüpft an das Bestehende an und bleibt im Rahmen der regulären Naturordnung. Das erhaltende Wirken Gottes bedeutet auch die Erhaltung der Naturordnung. Die Naturgesetze schließen das Wirken Gottes jedoch dann nicht aus, wenn die Natur keinen deterministisch-geschlossenen, alleinzigen Kausalzusammenhang darstellt. Dann ist die Offenheit der Welt für Kontingenz und Neues auch im naturwissenschaftlichen Weltbegriff gewahrt, welche theologisch als Offenheit für die weltimmanent unvorhersehbaren Möglichkeiten Gottes gedeutet werden kann. Die Bedingung dafür ist ein offener, nicht-deterministischer Weltbegriff, wofür die Naturwissenschaften des 20. Jahrhunderts selbst ihren Beitrag geleistet haben. Dafür sind der mikrophysikalisch statistische Kausalitätsbegriff der Quantentheorie, der Erwartungswahrscheinlichkeiten, aber keine Notwendigkeiten für zukünftige Ereignisse formuliert, und der offene Systembegriff der Synergetik, der die Selbstorganisation von „neuen“ Ordnungsstrukturen zulässt, eine gute Basis. Die sog. Nichtgleichgewichtsthermodynamik der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts hat einen neuen, offenen Systembegriff entwickelt und zeigen können, dass sich in offenen Systemen fernab des thermodynamischen Gleichgewichts durch den beständigen Zustrom von Energie die zuvor statistisch ungeordneten mikroskopischen Systemvariablen gleichtaktig zusammenordnen zu einer makroskopischen Ordnungsstruktur.27 Im Unterschied zu den geschlossenen Systemen der Gleichgewichtsthermodynamik, die bei Energieerhaltung ins Gleichgewicht der größten Entropie, d. h. in den statistisch wahrscheinlichsten Gleichverteilungszustand übergehen, gilt in den offenen Systemen weder der erste (Energiesatz) noch der zweite Hauptsatz der Thermodynamik (Entropiesatz). Während in den abgeschlossenen Systemen die Zeit nur als Parameter auftritt und die Entwicklung determiniert, also im Prinzip zeitumkehrinvariant, verläuft, sind die offenen Systeme mit einer echten Zeitrichtung versehen und durch Offenheit des Prozesses hinsichtlich der Zukunft charakterisiert. Die irreversible Zeit tritt als wirkende Größe auf,28 so dass den offenen Systemen „der Zug von Offenheit als Offenheit gegenüber künftigem Geschehen zukommt“29. 27 Bekannte Beispiele sind der LASER, die Konvektionsmuster, die in erhitzten Flüssigkeiten entstehen, sowie die Supraleitung und der Magnetismus, vgl. H. Haken, Erfolgsgeheimnisse der Natur. Synergetik: Die Lehre vom Zusammenwirken, Frankfurt / Berlin 1990, 39–42; 61– 72. 28 Vgl. I. Prigogines Formulierung der Zeit als Operator, d. h. als wirkende Größe, statt als Parameter (Vom Sein zum Werden. Zeit und Komplexität in den Naturwissenschaften, München 61992, 240–244). 29 H. Wehrt, Über Irreversibilität, Naturprozesse und Zeitstruktur, in: E.U.v. Weizsäcker (Hg.), Offene Systeme I. Beiträge zur Zeitstruktur von Information, Entropie und Evolution, Stuttgart 1974, 114–199, 141.

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Den selbstorganisierenden, offenen Systemen eignet erstens zeitliche Irreversibilität, zweitens die Fähigkeit zum Aufbau von Komplexität aufgrund der systemimmanenten Potentialitäten und drittens Offenheit und Nichtdeterminiertheit hinsichtlich der Zukunft.30 2. Kausalität und Kontingenz: Zunächst ist zu klären, inwiefern der offene Weltbegriff auch wissenschaftstheoretisch angesichts neuerer Überlegungen zur Naturgesetzlichkeit vertreten werden kann und wie naturgesetzliche Kausalität, Kontingenz und Wirken Gottes zusammengedacht werden können. Die Dialektik des geschlossenen und des offenen Weltaspektes zeigt sich in Bezug auf die Naturgesetzlichkeit daran, dass einerseits alle Gegenstände und Ereignisse im geschlossenen Kausalzusammenhang stehen, insofern jedes Weltereignis mit einem zurückliegenden Ereignis kausal verknüpft werden kann, aber andererseits jedes Ereignis in der unmittelbaren Erfahrung als unvermittelt neu, d. h. als akausal gesetzt erlebt wird. Alles hat einerseits ein Warum und ist andererseits ohne Warum.31 Die unmittelbare existentielle Erfahrung erlebt alles Wirkliche als im Augenblick gesetzt, erst das objektivierende Erkennen löst den unendlichen Regress der kausalen Frage aus.32 Diese Doppelgesichtigkeit der alltäglichen Naturerfahrung zeigt sich in Bezug auf den naturwissenschaftlichen Begriff des Naturgesetzes in der Dialektik von Gesetz und Randbedingungen beziehungsweise von „Kontingenz und Naturgesetz“33 (Pannenbergs naturtheologisches Thema!). Jedes bekannte und mathematisch formulierte Naturgesetz enthält aufgrund der mathematischen Form der Differentialgleichung offene Konstanten und Randbedingungen, die durch dieses Naturgesetz nicht festgelegt sind, sondern höchstens durch übergeordnete Gesetze, die wiederum offene Randbedingungen enthalten usf. (sog. deduktivnomologisches Erklärungsschema nach Hempel-Oppenheim). Dass in Bezug auf ein Gesetz gerade diese und nicht jene der möglichen Randbedingungen realisiert wird, unterliegt nicht dem Gesetz, sondern bleibt frei wählbar. Im deduktivnomologischen Erklärungsschema von Hempel-Oppenheim34 kommt der Geset30 A. a. O., 135–144. 31 Vgl. Angelus Silesius’ schönen Sinnspruch: „Die Ros’ ist ohn warumb/sie bluehet weil sie bluehet/Sie achtt nicht jhrer selbst/fragt nicht ob man sie sihet“ (Cherubinischer Wandersmann, Buch I, Nr. 289, Stuttgart 1984, 69). 32 Phänomenologisch ist beim Wahrnehmungsvorgang das unvermittelt-widerfahrende, leiblichatmosphärische Erleben, das „Spüren von Anwesenheit“, bei dem Wahrnehmung und Wahrgenommenes noch völlig ineinander liegen, primär vor der sekundären Dingwahrnehmung, bei der das Ding festgestellt, objektiviert und im Raum lokalisiert wird, vgl. G. Böhme, Aisthetik. Vorlesungen über Ästhetik als allgemeine Wahrnehmungslehre, München 2001, 45.172. 33 Vgl. Pannenberg, Kontingenz und Naturgesetz, a. a. O., der entsprechend dem biblischen Verständnis von Naturordnung Naturgesetzlichkeit aus der Kontingenz des Naturgeschehens und nicht im Widerspruch dazu begreiflich macht. 34 Vgl. C.G. Hempel, Philosophie der Naturwissenschaften, München 1974, 72ff.

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zesaussage der modallogische Status des Möglichen, den kontingenten Anfangsbedingungen aber der Status des Wirklichen zu. Das Wirkliche ist in Bezug auf das korrelierte Gesetz akausal, d. h. unvorhersehbar. Die Freiheit des Wirklichen hat keine Ursache, aber einen Grund: das „primäre Werden“35, das noch diesseits der gegenständlichen, im kausalen Gesetzeszusammenhang gefügten Welt steht. Bereits die Humesche und Kantsche Analyse der Naturgesetze hat gezeigt, dass Naturgesetze Konstruktionen der objektivierenden und verallgemeinernden Naturbeobachtung sind. „Die Ordnung und Regelmäßigkeit also an den Erscheinungen, die wir Natur nennen, bringen wir selbst hinein, und würden sie auch nicht darin finden können, hätten wir sie nicht, oder die Natur unseres Gemüts ursprünglich hineingelegt“ (I. Kant)36. Quantitative empirische Naturgesetze beruhen auf qualitativen Naturerfahrungen und sind zu Gesetzen hypostasierte Regelhaftigkeiten der praktischen Lebenserfahrung. Kein Naturgesetz ist universell verifizierbar wegen des sog. Induktionsproblems (Hume, Popper). 3. Naturgesetz und Naturerfahrung: Dennoch ist die Annahme von Naturnotwendigkeit oder wenigstens von Regelhaftigkeit notwendig für Naturerfahrung. Naturgesetze sind also Bedingungen für die Möglichkeit von regelhafter Naturerfahrung. In der Natur gibt es keine Notwendigkeit, aber die Naturgesetzlichkeit ist notwendig für unsere Naturerfahrung in Alltag und Wissenschaft. Daraus folgt: Naturgesetze sind nicht naturnotwendig, sondern sind die „Bedingungen der Möglichkeit der Objektivierbarkeit“37 des Naturgeschehens (v. Weizsäcker). Naturgesetze legen das Naturgeschehen und die Naturerfahrungen nicht fest, sondern ermöglichen letztere. Notwendig und hinreichend sind die Naturgesetze nur für die rückblickende Kausalerklärung des vergangenen Naturgeschehens; für die zukünftigen Erfahrungen sind Naturgesetze relativ notwendig – weil nur an vergangenes anknüpfendes und mit ihm vergleichbares, d. h. regelhaftes Naturgeschehen identifizierbar und verstehbar ist. Für die zukünftige Wirklichkeit sind sie nicht einmal notwendig. Die Naturgesetze könnten, damit die Wirklichkeit und die Erfahrung des Wirklichen so zustande kommen, wie sie zustande kommen, auch anders sein.38 Naturgesetze sind nach heutiger, nomi35 K. Heim, Glaube und Denken. Philosophische Grundlegung einer christlichen Lebensanschauung, 1. Aufl. 1931, 152, hierzu U. Beuttler, Gottesgewissheit in der relativen Welt, a. a. O. 36 I. Kant, Kritik der reinen Vernunft, A 125. 37 C.F. v. Weizsäcker, Die Einheit der Natur, München 1974, 288. 38 Pannenberg, STh II, 85.88f, unterscheidet hilfreich zwischen der nomologischen Kontingenz der Ereignisse relativ zu den Naturgesetzen als deren freie Randbedingungen, und zwischen der Geschehens- oder Ereigniskontingenz des einzelnen Ereignisses relativ zur Zeit, das einmalig und insofern kontingent ist, unbeschadet seines gesetzmäßigen Zusammenhanges zu anderen Ereignissen, deren Regelmäßigkeit den Charakter der „offenen Prozesshaftigkeit“ (89) hat.

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nalistischer Auffassung ceteris-paribus-Bedingungen39, d. h. sie sagen, was geschieht unter der Bedingung, dass die Naturgesetze so sind, wie sie sind. Kausalität und Naturgesetzlichkeit sind Reflexionskategorien, aber keine Seinskategorien.40 Sie sind notwendig zur Beobachtung und Erklärung der Welt. Primäre Wirklichkeit sind die freien Ereignisse. Naturgesetze sind Strukturen in der Zeit. Damit bin ich wieder beim Thema der Kontingenz und kann das Gesagte mit einem letzten Zitat von W. Pannenberg zusammenfassen: Unter der entwickelten Kontingenz-Theorie der Natur und ihrer Gesetzlichkeit werden sowohl die geregelte Gleichförmigkeit und die Nichtdeterminiertheit des Naturgeschehens als auch das freie „Handeln Gottes im Naturgeschehen“ und seine Anknüpfung am Naturgeschehen zusammen denkbar, weil gezeigt wurde, dass erstens die „Kontingenz des Naturgeschehens […] für den Begriff des Naturgesetzes selbst konstitutiv ist, und zweitens Ereigniskontingenz nicht nur für das durch Gesetzesformeln nicht geregelte Einzelgeschehen, sondern generell für alles natürliche Geschehen behauptet werden kann.“41

39 Vgl. U. Beuttler, Art. Erkenntnis I. naturwissenschaftlich, in: Evangelisches Lexikon für Theologie und Gemeinde, Neuausgabe Bd. 1, Holzgerlingen 2017, 1722–1724. 40 Mit Kant, KrV, A 80.91, gegen Nicolai Hartmann, Neue Wege der Ontologie, Stuttgart 1969, 52. 41 STh II, 90.

Walter Dietz

Naturgeschichte und Evolution im Kontext der Schöpfungslehre W. Pannenbergs

1.

Methodische Zugänge zur Schöpfungslehre – Abgrenzung zu K. Barth

Schon früh legt Pannenberg Wert auf den Gedanken, dass Schöpfung nicht in zweierlei Weise reduktiv missverstanden werden darf: erstens nicht bloß als anfängliches, den Ursprung begründendes Handeln; und zweitens auch nicht in einer existenzdialektischen Zuspitzung, wie etwa in Luthers Auslegung des I. Credo-Artikels: „Ich weiß, dass Gott mich erschaffen hat …“. In dieser Zuspitzung wird die Kosmologie ausgeblendet und Gott unmittelbar auf die Schöpfung und Erhaltung der menschlich-individuellen Existenz bezogen. Diese Pointierung sieht Luther (im Katechismus) als Konzentration und Stärkung des Schöpfungsgedankens, Pannenberg hingegen als dessen Subjektivierung und Depotenzierung. Im Vergleich mit Luther wird bei ihm die existenzhermeneutische Dimension des Schöpfungsglaubens zugunsten einer universalen, kosmologischen Ausweitung abgeschwächt. Im Vergleich mit Karl Barth1 zeigt sich, dass Pannenberg seine Schöpfungstheologie nicht als Appendix zu einer christologisch zentrierten Offenbarungslehre verstanden wissen will. Noch brisanter ist jedoch der Unterschied in der Auffassung der methodischen Grundlagen der Schöpfungslehre. Gerade im Gegenüber zu Karl Barth wird die Eigenart und Bedeutung von Pannenbergs naturgeschichtlich orientierter Kosmologie, verbunden mit dem Impetus eines offenen Dialogs von Theologie und Naturwissenschaft, deutlich. Barths Schöpfungslehre verzichtet ganz auf einen konstruktiven Dialog mit Natur- und Humanwissenschaften. Somit bleibt sie nach Pannenberg den Nachweis schuldig, dass sie relevante Aussagen zu derselben Welt macht, auf die sich naturwissenschaftliche Aussagen beziehen.2 Schöpfungsaussagen haben 1 Vgl. Karl Barth, KD III, 4 Bände 1945–51. 2 BSTh II, 30. Sie droht damit ihrerseits irrelevant zu werden, da das naturwissenschaftliche Weltbild den Vorzug genießt, eine gesellschaftlich anerkannte und plausible Form wissenschaftlicher Wahrheit darzustellen.

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dadurch nur den Status von theologischen Selbstläufern oder Blindgängern, die nicht allgemein zur Erhellung der Welt und des wirklichen Lebens in ihr beitragen. Zwar kommt es nicht zum Konflikt, aber auch nicht zum Dialog. Die Option einer dialogischen Enthaltsamkeit, d. h. „Karl Barths Entscheidung, in der Schöpfungslehre seiner ‚Kirchlichen Dogmatik‘ auf jede Bezugnahme auf naturwissenschaftliche Methoden und Erkenntnisse zu verzichten“3, könnte allerdings auch als Stärke interpretiert werden: nämlich als Fokussierung auf das reine Offenbarungsgeschehen und seine heilsgeschichtliche (bundestheologische) Relevanz. Pannenberg sieht diesen Verzicht aber eher als Bankrott, resultierend aus einem selbstgefälligen Rückzug in die splendid isolation reiner (d. h. offenbarungstheologisch begründeter) Theologie. Ted Peters hat Pannenbergs Intention sehr schön auf den Punkt gebracht: „He wants to extricate theology from its selfimposed isolation, to extract it from its ghetto and place it in the arena of open discussion with other disciplines.“4 Peters bezieht diese Intention auf Pannenbergs wissenschaftstheoretischen Ansatz, wonach Theologie mit ihren assertions „ought not to claim any privileged status for its faith assertions“.5 Diese Einschätzung ergibt sich bereits aus Pannenbergs wissenschaftstheoretischer Grundlegung.6

2.

Worin besteht das Wesen der Schöpfung?

Es scheint vom Begriff her keineswegs abwegig, Schöpfung (nur) als den Akt einer Hervorbringung von etwas (sc. von Welt) zu interpretieren. Schöpfung könnte ursprungsbegründendes Handeln sein, wodurch etwas entsteht, das vorher nicht da gewesen ist. Begrifflich gesehen ist das kein unzulässiger (unzulässig verkürzender) Begriff von Schöpfung. Geht man etwa vom Schöpfungskonzept bei Dtjes aus (Jes 45), so lässt sich das Schöpfungshandeln Gottes nicht von seiner Wirksamkeit in Gegenwart und Geschichte absondern. Schöpfung erweist sich demnach als Prozess. Die Vorstellung einer Geschichte der Natur steht nicht im Gegensatz zu einer fortdauernden Wirksamkeit Gottes an und in seiner Schöpfung. Allerdings darf die Entwicklung der Natur nicht als „Selbstläufer“ gedacht werden, sei es im Sinn einer vom Anfang her implementierten Entwicklungsanlage (vgl. das aristotelische Entelechie-Prinzip), oder sei es durch ein vom Ende her wirksames teleologisches Prinzip der Universalgeschichte (vgl. etwa den 3 4 5 6

BSTh II, 11. T. Peters (ed.): Toward a Theology of Nature (= TTN, 1993), p.6 (introduction). Op.cit. (TTN) p.7. Vgl. WuTh 1973.

Naturgeschichte und Evolution im Kontext der Schöpfungslehre W. Pannenbergs

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Punkt Omega bei Teilhard de Chardin7). Pannenberg lehnt interessanterweise gleichermaßen beide Konzeptionen ab, die entelechitische ebenso wie die teleologische. Das heißt freilich nicht, dass der Geschichtsverlauf als willkürlich und zufällig zu verstehen sei. Wenn Gott wirklich als der allmächtige Ursprung der Weltwirklichkeit im Ganzen gedacht wird, so muss dieser auch fortan für die Entwicklung des Weltgeschehens relevant sein. Diese Wirksamkeit versucht Pannenberg nun aber so zu denken, dass die relative Selbständigkeit des Geschöpfes nicht in Abrede gestellt wird. Der Weltprozess ist kein Marionettenspiel. Zudem versucht Pannenberg einen Supranaturalismus zu vermeiden, wonach das Weltgeschehen zwar insgesamt regulär nach Naturgesetzen abläuft, Gott aber gelegentlich direkt eingreift, wobei er in seinem Handeln über den Naturgesetzen steht bzw. sie phasenweise außer Kraft setzt (Mose spaltet das Meer, Jesus geht über das Wasser, Tote werden wieder lebendig usw.). Dieser supranaturalistischen Konzeption versucht Pannenberg nun keinen platten Rationalismus entgegenzustellen, etwa eine „Theologie der Vernunft“, die Gott gebunden sein lässt an ewige Naturgesetze. Die Wundererzählungen der Bibel hätten dann nicht berichtende Funktion, sondern würden eine höhere Wahrheit (die man nur mit dem Herzen klar sieht) zum Ausdruck bringen. Diese Form des Supranaturalismus, der die Bedeutsamkeit von Wunderberichten auf die existenzhermeneutische Ebene reduziert, ist Pannenberg nicht nur von seiner Konsequenz (Reduktion des Wahrheitsverständnis auf die rein subjektive Ebene), sondern schon von seinen supranaturalistischen Voraussetzungen her äußerst suspekt. Die Voraussetzung der Allmacht Gottes ist für Pannenberg dabei keine beliebige Option, die sich vom Schöpfungsglauben absondern ließe. Mehrfach zitiert er Luthers Auslegung des 1. Glaubensartikels, wonach selbst ein kleines Kind darauf kommen kann, dass diese unsere Welt nicht das Produkt irdischer Genialität oder Kreativität ist, sondern allein auf Gott als allmächtigen Seinsgrund der Welt zurückzuführen ist.8 Vielmehr sieht Pannenberg ein 7 Zur Kritik Pannenbergs an Teilhard de Chardin vgl. insbes. Teil 3. seines Aufsatzes „Geist und Energie“ (1971), in: BSTh II, 55–63, hier 61ff. Wie sich der Punkt Omega zum Weltprozess verhält, bleibe vage und uneindeutig; die Vermittlung seiner Wirksamkeit (etwa durch eine pneumatologische Feldtheorie) sei ungeklärt; so wird er zu einer Inversion des aristotelischen Entelechieprinzips. Pannenberg lehnt den „Finalismus“ (60f) T. de Chardins ab, nicht jedoch dessen Ausrichtung der Kosmologie auf die Eschatologie. 8 Vgl. z. B. STh II, 77; BSTh II, 81: „So hat Luther bei der Auslegung des ersten Glaubensartikels im Großen Katechismus von 1529 den Glauben an Gott den Vater damit begründet, daß […] ‚kein anderer Himmel und Erde schaffen könnte‘ [WA 30/I, 483]. Das ist eine ziemlich starke Aussage.“ Sie setzt voraus, dass die Welt von irgendwoher kommen muss uns nicht als ewig in und aus sich selber bestehend gedacht werden kann. Außerdem macht sie deutlich, dass im Bewusstsein des Menschen die Evidenz angelegt ist zu erkennen, „daß es für das Dasein der Welt im ganzen wie auch für das ihrer einzelnen Gestalten keinen besseren [und überhaupt: keinen anderen] Grund gibt als den Gott der Bibel.“ Der König mag noch so mächtig sein, die

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Hauptproblem in der Voraussetzung des Supranaturalismus, dass es so etwas wie unabänderliche Naturgesetze gebe. Der Satz „Es gibt X“ (z. B. X = Gestirne, Meere, Berge, Tiere, Menschen, Stühle etc.: Dingliches oder Lebewesen) hat einen anderen Aussagehorizont als die These „Es gibt Naturgesetze“, denn der Modus des Gegebenseins9 von Naturgesetzen ist „naturgemäß“ ein anderer als etwa in der Aussage „Es gibt graue Katzen“ oder „Es gibt schwarze Schwäne“. Der Modus des Gegebenseins ist bei Naturgesetzen ganz unabhängig vom Vorhandensein bestimmter Dinge. Die spannende Frage ist, worin das Wesen der Naturgesetze unserer Welt besteht, und in welchem Sinn man sie für gegeben, wirklich oder gültig ansieht. Richtet sich die Weltwirklichkeit wirklich nach Naturgesetzen? Oder wenn Naturgesetze nur Beschreibungsschemata der Verhaltensweisen natürlicher Prozesse sind, wie verhält sich dann beides zueinander: die Natur und das Naturgesetz? Ist das Weltgeschehen vielleicht im Grunde gar nicht so regulär, wie es die Naturgesetze uns zu glauben lehren? Ist das Weltgeschehen im Kern womöglich ein kontingenter und eben kein notwendig und gesetzmäßig ablaufender Vorgang?

3.

Der Begriff der Kontingenz

Diese Fragen führten Pannenberg bereits in den Sechzigerjahren auf eine interessante Fährte, nämlich zum Begriff der Kontingenz. Philosophiegeschichtlich ist er durch Leibniz geprägt, der von der Kontingenz der Welt auf Gott als ens necessarium geschlossen hat. In der Geschichte der Physik hat der Kontingenzbegriff seinen wissenschaftlichen Sitz im Zentrum der Quantenphysik, wie sie durch M. Planck und W. Heisenberg begründet worden ist. C.F.v. Weizsäcker (zeitweise noch mit W. Heisenberg) war eines der führenden Mitglieder eines Eltern noch so toll, die Engel noch so imposant: Keine jener Instanzen kann ernsthaft als Ursprung und schöpferische Macht über das Weltganze angenommen werden. Um zu dieser Erkenntnis zu kommen, bedarf es nach Luther keiner spezifischen Offenbarung; bereits das einfache Teil-dieser-Welt-Sein ist, verbunden mit dem Vermögen der Reflexion auf die Welt (wie es zwar nicht das Tier, aber doch der Mensch hat), genügt, um mit dem Licht der natürlichen Vernunft auf Gott als den allmächtigen Ursprung und Grund des Weltganzen schließen zu können. Die aus dem Staunen über das Seiende kommende ontologische Grundfrage („Warum ist überhaupt etwas und nicht vielmehr nichts“ – das Wunder des absoluten Anfangs: „the absolute miracle at the beginning“ TTN p.90) führt das Denken über sich hinaus zu dem Grund alles Wirklichen. Den nennen wir ‚Gott‘. Für Pannenberg sind zur Präzision des Gottesgedankens zwei Wesensbestimmungen unverzichtbar: Erstens seine Bestimmung als allmächtiges Wesen; und zweitens die Trinität, d. h. den dreieinigen Gott als Schöpfer der Welt anzunehmen. 9 Die Aussage „Es gibt…“ ist bedeutungsoffen und vielschichtig; was heißt es, dass X existiert bzw. dass X der Fall ist? Inwiefern ist der Gegebenseinsmodus von Welt ein anderer als der von Naturgesetzen?

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Göttinger (später Heidelberger) Gesprächskreises, der das Verhältnis von Naturwissenschaften und Theologie behandelte und an dem Pannenberg teilgenommen hat. 1970 veröffentlichte Pannenberg aus jener Frühphase seines Dialogs mit den Naturwissenschaften den Aufsatz „Kontingenz und Naturgesetz“ (zus. mit A.M.Kl. Müller). Darin geht es vor allem um eine Erschließung des Kontingenzbegriffs. Wenn die Welt als Schöpfung Gottes begriffen wird (d. h. nicht als ewiger Ausfluss der Gottheit oder ewig aus sich selbst bestehend), dann bedeutet dies, dass sie auch ebensogut nicht sein könnte. Der Kontingenzbegriff korrespondiert demnach dem Schöpfungsgedanken.10 Dieser Begriff wird für Pannenberg zum Schlüssel, um eine Theologie der – nicht-mechanistisch begriffenen – Natur zu entwerfen. Diese ist nicht einfach identisch mit einer Theologie der Schöpfung, da die Natur auch ganz außer- oder untheologisch behandelt werden kann. Ist die ganze Welt aber Gottes Schöpfung und Natur ein Teil von Welt, so bedarf es nach Pannenberg auch eigens der Reflexion auf eine Theologie der Natur.11 Durch die Emanzipation der modernen Naturwissenschaft von der klassischen Naturphilosophie (die im antik-griechischen Denken noch offen war für den Gottesgedanken) bedarf die Konzeption einer Theologie der Natur einer besonderen Rechtfertigung. Worum geht es einer Theologie der Natur? Worum soll es ihr gehen? Um eine Heimholung des Begriffs der Natur in den Mutterschoß theologischer Welt- und Lebensdeutung? Ruft so die Theologie der Naturwissenschaft ein „Zurück zur Theologie“ zu? Oder um eine Erneuerung des apologetischen Interesses der Theologie, die ihre Bastionen nicht kampflos preisgeben will? Oder geht es bei einer Theologie der Natur um ein philosophisches Brückensegment zwischen Theologie und Naturwissenschaft, das nur im uneigentlichen Sinn Theologie ist? Oder muss sie als unbrauchbar und offenbarungstheologisch nicht adaptierbar ganz abgelehnt und ausgeschieden werden? Müsste man nicht aus der Perspektive eines offenbarungstheologischen Ansatzes jene Fehlgeburt namens 10 1970, 40: Der Schöpfungsglaube besagt: „die Welt im ganzen mitsamt der Menschheit wird als kontingente Setzung gedacht“. Schöpfung (als freier Akt Gottes) und Kontingenz sind korrelative Begriffe. 11 Freilich geht es nicht darum, den Naturbegriff theologisch zu absorbieren oder eine hegemoniale Deutungskompetenz der Theologie über die Natur im Ganzen zu behaupten. Wichtig ist für Pannenberg allerdings, dass sich der Begriff der Natur nicht von naturgesetzlichen Erkenntnissen her rein physikalisch gewinnen lässt, sondern nur im Verbund mit philosophischer und theologischer Erkenntnis eruiert werden kann. Kurzum: Die „Theologie der Natur“ versteht sich als notwendiges Komplementärstück und Korrektiv zu einer rein säkular naturwissenschaftlichen Erschließung des Wesens der Natur. Ebenso wie nach Pannenberg eine rein mechanistisch-atheistische Sicht der Evolutionslehre (vgl. in Deutschland insbes. Ernst Haeckel) eines Korrektivs durch Denkmodelle bedarf, die es erlauben die Evolution so zu denken, dass ein Wirken Gottes durch sie als plausibel und nicht als überflüssig eingeschätzt werden kann.

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theologia naturalis gänzlich verdammen, gerade um der Freiheit der Theologie und der Freiheit der Naturwissenschaften willen, wie es Karl Barth vorexerziert hat? Pannenberg ist sich der Strittigkeit seines Versuches bewusst, eine neue theologia naturalis zu entwickeln, die nicht einfach als „Leibniz 2.0“ und im angestaubten Flair aufgewärmter Apologetik daherkommt. Dazu dient ihm die Einsicht, dass die naturwissenschaftliche Weltsicht heute über beide, Leibniz wie Newton, weit hinausgeschritten ist12 – durch das Weltbild der modernen Physik, geprägt durch Einstein sowie Planck, Bohr und Heisenberg. In seiner Deutung des geschichtlichen Wandels des neuzeitlichen Weltbildes wurde Pannenberg stark durch Alexandre Koyré13 beeinflusst. Nach Koyré hat sich der geschlossene Kosmos von Antike und Mittelalter verwandelt (und d. h.: er wurde zerstört!) in ein offenes System des Universums: das infinite universe. Ebenso könnte man nicht fragen, ob sich nicht auch der Begriff der Natur radikal modifiziert, wenn nicht aufgelöst, hat. Was ist überhaupt Natur? Ist Natur etwas substantiell Fixes? Oder etwas Veränderliches? Etwas Materielles? Oder etwas Materielles, das in sich Formen des Geistigen aufnehmen kann? Hat die Natur eine Geschichte? Oder bewegt sich die Geschichte des Menschen in einem festen, konstanten Rahmen von Natur? Gibt es so etwas wie die Einheit der Natur14, und – wenn ja – wie lässt sie sich fassen? Oder ist die Natur selbst ein Abstraktum, ein vager Begriff, der für etwas in sich Vielspältiges steht? Wie kann der Geist die Natur erfassen, sofern er diese immer schon transzendiert und nicht von ihrer Welt ist?15 Daran wird deutlich, wie wichtig es ist, die Begriffe so offen zu fassen, dass im naturwissenschaftlich-theologischen Dialog Klarheit über ihre Bedeutung herrscht. Das gilt nicht zuletzt auch für den Begriff der Kontingenz. Pannenberg will ihn so fassen, dass er sich auch einer theologisch unspezifischen und unbefangenen Sichtweise erschließt. Aber auch die theologische Seite ist ihm wichtig: Das Auftreten des Unvorhersehbaren (unableitbar Zukünftigen) setzt die Kontingenz der Geschichte voraus. Die Geschichte der Naturwissenschaft hat mittlerweile die deterministische Weltsicht obsolet gemacht. Einerseits deshalb, weil sich Naturgesetze korrektur- und ergänzungsbedürftig erwiesen haben; zum andern, weil die moderne Quantenphysik aufgezeigt hat, dass die „Mikrostruktur des Naturgeschehens […] nur durch Wahrscheinlichkeitsaussagen beschreibbar“ ist, d. h. das Naturgeschehen sich jedenfalls nicht im Ganzen als determiniert

12 Vgl. S. Alexander; A. Koyré. 13 A. Koyré: From the Closed World to the Infinite Universe, Baltimore / USA 1957; dt. 1967: Von der geschlossenen Welt zum unendlichen Universum (reprint 1980 als stw-Tb.). 14 Vgl. C.F.v. Weizsäcker. 15 Diese Frage hat bekanntlich die ganze Philosophiegeschichte von Descartes bis Fichte (und darüber hinaus) beschäftigt.

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erweist.16 Was den Charakter von naturwissenschaftlichen Einsichten angeht, so zeigt sich auch hier eine deutliche geschichtliche Abhängigkeit und Prägung. Man könnte spitz sagen: Naturgesetze (als unveränderlich gültige) gibt es überhaupt nicht, und wenn es sie gibt, dann nicht in übergreifender Prägung (Ort und Raum übergreifend). Das soll natürlich nicht heißen, dass Naturgesetze nur Fiktionen sind. Sie sind abstrakte Denkmuster17, die das Verstehen von (wiederholbaren) Prozessen ermöglichen. Nach Pannenberg sagen sie aber ganz und gar nichts aus über den Charakter des Naturgeschehens insgesamt. Sie sind demnach peripher, d. h. markieren die als regulär erfasste Oberfläche eines im Ganzen kontingenten Weltgeschehens. Damit will Pannenberg die Naturgesetze depotenzieren, ohne sie als bedeutungslos hinzustellen oder auch nur ihre enorme Bedeutung in der technischen Anwendung in Abrede zu stellen.18 Es geht ihm nur um eine kritische Reflexion auf das Wesen und die Bedeutung dessen, was wir (mit oft allzu großer Selbstverständlichkeit) als Naturgesetz bezeichnen. Der negativ der Naturgesetzlichkeit korrespondierende Begriff ist der der Kontingenz. Pannenberg geht davon aus, dass es unmöglich ist, den Begriff der Kontingenz in (noch unverstandene, noch nicht begriffene) Notwendigkeit aufzulösen. Eher möchte er fragen, ob sich nicht „vielleicht umgekehrt das kontingente Geschehen als die Naturgesetzlichkeit umgreifend denken“ lässt. Das ist ein spannender Gedanke, der etwas Frappierendes an sich hat, nicht nur für den eingefleischten Deterministen, für das die Naturgesetze so etwas waren wie das liebgewordene, alte Elternhaus, in dem man sich gut zurechtfinden konnte. Bei Pannenberg hingegen scheinen die Naturgesetze wie auf einer schiefen Ebene ins Rutschen zu geraten. Aber es geht ihm nicht darum, den Diskussionspartner schwindelig zu machen (sofern er überhaupt noch an absolut gültigen Naturgesetzen festhalten will), sondern ihn für den Gedanken der Kontingenz zu gewinnen. Dazu muss dieser begrifflich präzise gefüllt werden, so dass er von allen Seiten nachvollzogen werden kann. Diese zweite Aufgabe ist Pannenberg m. E. in dem Aufsatz von 1970 nur mäßig gut geglückt. Die inhaltliche Füllung des Kontingenzbegriffs wirkt noch unscharf. Pannenbergs Impetus, „die Naturgesetzlichkeit selbst im Horizont der Kontingenz des Geschehens“ zu begreifen19, bleibt auch später unverändert bestehen. Die Betrachtungen von 16 Vgl. STh II, 121. 17 Vgl. Toward a Theology of Nature (TTN) p. 36: „… focusing on the aspect of law constitutes the specifically abstract character of a scientific description of natural processes”. Die Naturgesetze sind nach Pannenberg nicht ewig und zeitlos gültig, sondern als kontingente Hervorbringungen („products“) der schöpferischen Freiheit Gottes aufzufassen (p. 37). 18 Allerdings können sie keineswegs die Grundsäulen einer Theologie der Natur bilden. Denn sie sind nur Schematismen unserer Auffassung von Natur, die an ihr nur das Regelmäßige, nicht aber das Einmalige erfassen. 19 1970, 42.

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1970 standen noch ganz unter dem Eindruck der Gespräche mit C.F. v. Weizsäcker20, verbunden mit Fragen nach der Entstehung und dem Charakter des Universums (spekulative Kosmologie). In einem viel später verfassten Aufsatz (ThLZ 1996) mit dem Titel „Die Kontingenz der geschöpflichen Wirklichkeit“ wird Kontingenz wesentlich präziser erfasst, sowohl in philosophischer als auch in theologischer Perspektive. Der Begriff der Kontingenz ermögliche eben das zu erfassen, was die Bibel als Wunder beschreibe (vgl. Hi 5,9; Ex 34,10). Die Schöpfung insgesamt stelle etwas Wunderbares dar, das kontingent ist, wenngleich in ihr periodisch regelmäßig wiederkehrende Vorgänge am Werk sind (Gen 8,22). Die von Gott installierte Weltordnung bildet somit den Rahmen seines kontingenten Geschichtshandelns. Die Kontingenz der Welt gründet in der Freiheit Gottes und gibt ihr Ausdruck. Philosophisch wird als kontingent das bezeichnet, was so oder auch anders sein könnte.21 Nach Duns Scotus gründet die Kontingenz in der Freiheit des göttlichen Willens und beschreibt etwas, das „auch anders oder nicht sein könnte“22. Im neuzeitlich-mechanistischen Weltbild ist im Naturgeschehen kein Raum für Kontingenz. Von uns als kontingent Aufgefasstes geschieht sub specie divinitatis notwendig.23 Anders als in der klassisch-neuzeitlichen Physik ist in der modernen Quantenphysik die Vorstellung der Kontingenz nicht ausgeschlossen. Die „quantenphysikalische Unbestimmtheit“ ermöglicht es, die Welt als in jedem Augenblick neu entstehend zu denken. Salopp gesagt: Das Neue ist dabei nicht das Unvermutbare und Überraschende, sondern der Regelfall von Wirklichkeit. Die Welt kann so als „offenes System“ (I. Prigogine) gedacht werden.24 Für den Zeitverlauf eines im ganzen kontingenten Weltgeschehens bedeutet dies, dass jedes Ereignis einmalig und unumkehrbar ist.25 Kontingenz begründet somit eine 20 Insbesondere in den Achtzigerjahren ist dann anstelle von C.F. v. Weizsäcker der Physiker H.P. Dürr zu einem vorrangingen Gesprächspartner (aus dem Umfeld der Quantenphysik) für Pannenberg geworden. 21 BSTh II, 71 mit Bezug auf Arist. Met 1047a21f. 22 BSTh II, 73. 23 Spinoza; cf. BSTh II, 75f; mit dem Gedanken der Kontingenz der Welt wird dann, aus Pannenbergs Sicht konsequent, auch die Vorstellung der Freiheit Gottes liquidiert. 24 BSTh II, 77 mit Anm. 20; STh II, 137 mit Anm. 292. Die Zukunftsoffenheit ist bekanntlich ein wichtiges Axiom der Schöpfungstheologie Pannenbergs, das auch seinen Gottesbegriff nicht unberührt lässt. Dies trifft sich auch mit der Pannenberg vertrauten Konzeption Samuel Alexanders, der von einer Raum-Zeit-Einheit mit offener Zukunft ausgeht. Vgl. Space, Time, and Deity. The Gifford Lectures at Glasgow 1916–1918, Vol .I+II, London 1966. Er behauptet einen radikalen Indeterminismus, der sich dabei auch auf Gott selbst bezieht: „there is one part of the universe which in any case even God cannot predict, and that is his own future“ (II, 329). Die Idee einer offenen Zukunft, die in Gottes eigener Zukunft gründet, hat auch (der frühe) Pannenberg aufgegriffen. 25 Die Einmaligkeit und Unumkehrbarkeit des zeitlichen Verlaufs wurde insbes. von P. Jordahn und C.F. v. Weizsäcker herausgestellt, ist aber auch für S. Alexander kennzeichnend. Mit allen drei Denkern war Pannenberg vertraut.

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Form der Geschichtlichkeit, die nicht nur den Menschen, sondern die Natur im Ganzen in sich schließt. Daraus ergibt sich, dass auch die Naturgeschichte verbunden mit der Evolution der Lebewesen nicht mechanistisch als Abfolge von Ereignissen zu erklären ist, die gleichsam eins aus dem andern heraus erfolgen. Die (vermeintlichen?) Brüche und Lücken in der Evolutionsgeschichte sind somit Ausdruck einer Kontingenz, die auch die Naturgeschichte kennzeichnet. Der Begriff der Kontingenz wird dabei bei Pannenberg stringent mit der Entstehung des Neuen verbunden und nicht als Ausdruck von Zufälligkeit interpretiert. Nicht allein der Mensch, sondern auch die Natur selbst hat eine Geschichte, in der er sich („kontingent“) vorfindet. Aber nicht nur die Natur, auch die Naturgesetze selber sind geschichtlich und nicht ewig. Dieser Gedanke bereitet Schwierigkeiten, da es ja gerade der ‚Witz‘ von Naturgesetzen zu sein scheint, dass sie immer gelten, unabänderlich, jedenfalls in bestimmten Konstellationen und Systemen (z. B. im euklidischen Raum). Dass die Anfangsbedingungen jeweils kontingent sind, wie Pannenberg betont, scheint der Universalität von Naturgesetzen nicht zu widersprechen. Allerdings ist unstrittig, dass die Evidenz von physikalischen Gesetzen nicht die gleiche ist wie diejenige von mathematischen Gesetzmäßigkeiten.26 Von daher ist die Frage durchaus sinnvoll, ob Naturgesetze, die sich unter bestimmten Versuchsbedingungen immer wieder bestätigen lassen (im Sinne experimenteller Evidenz), tatsächlich als „ewig“ gültig anzusehen sind. Unabhängig davon scheint es aber auch unbestreitbare Gleichförmigkeiten im Naturprozess zu geben, die wir ganz zurecht als gesetzmäßig so auftretend interpretieren. Die Evidenz dieser Gleichförmigkeit bestreitet Pannenberg auch gar nicht. Allerdings versteht er sie als Epiphänomen einer insgesamt kontingenten Wirklichkeit, d. h. begreift ihre „Notwendigkeit“ (so und nicht anders zu verlaufen) ihrerseits als ein „kontingentes Datum“27. Man könnte dieses Verfahren Pannenbergs als einen invertierten Spinozismus bezeichnen: Während bei Spinoza das Kontingente als Scheinphänomen in einem insgesamt notwendigen Weltprozess verstanden wird, erweist sich bei Pannenberg das Notwendige (im Naturgesetz) als Ausdruck eines insgesamt kontingenten Weltgeschehens. Die Antwort auf die Frage kann offen bleiben, ob damit Pannenberg Spinozas philosophisches Konzept vom Kopf auf die Füße gestellt hat, oder vielleicht eher von den Füßen auf den Kopf. Angelpunkt seiner Kritik an Spinoza ist weniger das monistische Gesamtkonzept als ein Gottesbegriff, der weder für Gott selbst noch für seine Schöpfung einen Spielraum kontingenter Verwirklichung zulässt. Im 26 Wobei C.F. v. Weizsäcker die Mathematik nicht zu den Naturwissenschaften rechnet, sondern zu den Strukturwissenschaften. 27 BSTh II, 79.

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Hintergrund dieser Kritik steht Pannenbergs Anknüpfung an Duns Scotus und dessen Idee (die ihn z. B. auch von Leibniz unterscheidet), dass Gott auch der Herr über die Naturgesetze sei. 1996 erfolgt somit bei Pannenberg eine wesentlich tiefgründigere Aufarbeitung des Kontingenzbegriffs, der 1970 eine noch unkonturierte Gestalt hatte. In seiner erweiterten bzw. revidierten Fassung dieses Begriffs fasst Pannenberg das Kontingente nun als etwas, „was nicht unmöglich ist, aber nichtsein könnte und doch tatsächlich ist“28. Unter dieses so als kontingent Begriffene fällt nicht nur das unableitbar Einmalige, sondern paradoxerweise auch das „mit naturgesetzlicher Notwendigkeit sich Ereignende“29. Naturgesetzliche Notwendigkeit darf dabei nicht mit Naturnotwendigkeit (etwa im Sinne Spinozas) verwechselt werden. Alles, was sich mit naturgesetzlicher Notwendigkeit so und nicht anders vollzieht, hat diesen Vollzug nicht aufgrund eines Gesetzes, sondern allein im „kontingent sich Ereignenden“30. Die Naturgesetze sind also nur mathematisch formierte Beschreibungen von regelmäßig erscheinenden Vorgängen, die nicht die Dimension der Tiefe der Wirklichkeit erfassen, sondern nur epiphänomenale Regelmäßigkeiten, die uns helfen, die Welt zu beschreiben und zu beherrschen. Naturgesetze sind demnach keineswegs bedeutungslos, aber sie tragen nicht dazu bei, den kontingenten Kern der Weltwirklichkeit zu erfassen. In wissenschaftlicher Hinsicht sind sie Brille und Leiter, in naturphilosophischer und theologischer Hinsicht eher Verstellung und Ablenkung vom Kern des Problems. Dieser Kern liegt darin, den Prozess des Weltgeschehens adäquat zu erfassen, ohne ihn unter die Prämissen eines bestimmten „Systems“ zu pressen.31 Das von Pannenberg aufgegriffene Konzept des „offenen Systems“ (Prigogine, Altner32) kann in diesem Sinn als Sprengung (statt als Erweiterung) des klassisch-philosophischen Systemgedankens interpretiert werden. Der Begriff der Kontingenz dient Pannenberg analog dazu, den Gedanken der Notwendigkeit des Weltgeschehens nicht nur aufzulockern, sondern im Kern aus den Angeln zu heben. Wichtig ist, dass er auf die Welt im Ganzen bezogen wird; d. h. es gibt keine (ir)regulären Sonderbereiche, in denen die Notwendigkeit die Kontingenz aufhöbe. Das Weltgeschehen ist insgesamt kontingent. „Nur dasjenige, das aus und durch sich selber ist, so daß sein Nichtsein undenkbar ist, wäre nicht kontingent.“33 Ein Satz, den in dieser Form ohne weiteres auch Leibniz unterschrieben hätte, bei dem bekanntlich die Kontingenz ein Beitrag dazu ist, die zwar im ganzen gute, jedoch unvollkommene Welt samt ihrer Übel zu in28 29 30 31 32 33

BSTh II, 80. Ebd. Ebd. Vgl. etwa Spinoza, Hegel, Marx u. a. Vgl. STh II, 88f mit Anm. 172 sowie II, 118f Anm. 252 cf. 258. BSTh II, 80.

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terpretieren. Anders als für Leibniz ist Kontingenz für Pannenberg keineswegs schon ein Ausdruck von Unvollkommenheit, vielmehr eine Manifestation der göttlichen Freiheit. Der Begriff der Kontingenz erscheint somit in einer aufgebesserten Version, wobei er bei Pannenberg seinen aristotelischen Stallgeruch (kontingent als wirklich, aber auch nicht-sein-könnend) deutlich hinter sich lässt.34 Er schafft somit Raum für eine Deutung von Naturprozessen, in denen die Entstehung von Neuem möglich ist (und zwar eher als Regel denn als Ausnahme).

4.

Schöpfung als kontinuierlicher Prozess statt als einmalige Setzung

Dies ist auch im Blick auf Pannenbergs Deutung der Evolutionstheorie von Bedeutung. Die biblische Aussage, dass Gott der Schöpfer der Welt ist, muss nach Pannenberg auf die „Welt im ganzen“ bezogen werden.35 Damit ist im Prinzip dem 1. vor dem 2. Schöpfungsbericht der Vorzug gegeben. Gen 1 liege die „mythische“ Idee zugrunde, dass „im Anfang“ bereits „ein für allemal“ das Ganze der Weltgeschichte präformiert sei.36 Damit verdeckt Gen 1 (P) den Tatbestand, dass es bei Gottes Schöpfungshandeln nicht nur um das Setzen eines Anfangs geht. Deshalb gibt Pannenberg den Schöpfungsaussagen bei Dtjes (Jes 45,7f; 48,6f) den Vorzug37: Sie bringen zum Ausdruck, dass Gott je Neues schaffen kann und Schöpfung kein einmaliger Prozess ist38 (auf den ein eher langweiliger, restaurativer Prozess der conservatio mundi folgt). Geschichtsmächtigkeit und Schöpfungshandeln werden zusammengedacht. Damit ist Gottes Schöpfungshandeln nicht auf den „Anfangsmodus“ fixiert, jedes Wesen nach seiner Art vorweg zu schaffen (innerhalb von sechs Tagen). Pannenberg macht somit deutlich, dass die Pluralität von Schöpfungsvorstellungen in der Bibel es nicht nahelegt oder gar notwendig macht, sich auf einen 34 Pannenberg kann sich jedoch der Position in Aristoteles’ Hermeneutik anschließen, wonach auch das (bedingt) Notwendige als „kontingent gegeben“ verstanden werden könnte. Allerdings scheint sein Denkhorizont von Kontingenz dem des Aristoteles nicht zu entsprechen, weshalb diese Anknüpfung (an Herm 22b) eher formalen Charakter hat und das inhaltliche Spektrum von Pannenbergs Kontingenzbegriff nicht trifft; größer ist eher die Affinität zu Duns Scotus (vgl. BSTh II, 72f). 35 BSTh II, 86. 36 Ebd. 37 Vgl. auch STh I, 147. 38 Vgl. BSTh II, 47: Nach Dtjes „ist Gott fortgesetzt schöpferisch tätig“, er „bringt fortgesetzt Neues hervor“. Die Schöpfung ist demnach kein in der Vergangenheit abgeschlossener Prozess. D. h. Gen 1 muss von Jes 45 her korrigiert werden (andere, wie z. B. Cl. Westermann, geben der Sicht von Gen 1 den Vorrang).

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kreationistischen Einspruch gegen die Evolutionslehre festzulegen. Besonders evangelikale und fundamentalistische Kreise (insbes. in den USA) halten diese Linie, deren Preisgabe für Pannenberg schon allein deshalb kein Problem ist, weil Gen 1,1–2,4a zwar eine besondere Bedeutung hat, aber keineswegs die einzige oder allein maßgebliche Schöpfungsvorstellung in der Bibel darstellt. Ein apologetischer Kampf gegen die Evolutionstheorie (wie ihn nicht nur der Protestantismus39, sondern auch der modernitätskritische Katholizismus im ausgehenden 19. Jh. verfocht) ist nach Pannenbergs Auffassung ganz überflüssig. Ja, mehr noch: Er verweist auf ein Selbstmissverständnis des Welt- und Naturverständnisses seitens der Theologie.

5.

Naturgeschichte, Evolution und einmalig fundierte Schöpfungsordnung (Gen 1,1–2,4a)

Auch wenn gilt, dass dem priesterschriftlichen Konzept von Schöpfung die Idee einer „durchgängigen Entwicklung“ (im Sinne eines Evolutionsprozesses) „völlig fremd“ sei40, muss doch auch schon in Gen 1 der Gedanke einer vermittelten Schöpfungstätigkeit (sc. der Erde, vgl. Gen 1,11f; 1,24) positiv wahrgenommen werden. Schon am Anfang verbindet sich demnach die creatio immediata (als 39 Klassische Apologetik im ausgehenden 19. Jh. findet sich insbes. bei Chr. E. Luthardt; vgl. dessen Apologetische Vorträge über Grundwahrheiten des Christentums (1864). Pannenberg kritisiert nicht Luthardts Interesse, Gottes Wirken im Schöpfungsgeschehen festzuhalten, sondern seine Entgegensetzung von Evolutionsgedanken und göttlichem Wirken (noch schärfer bei R.H. Grützmacher: Evolution oder Offenbarung, 1903); vgl. BSTh II, 19. 40 STh I, 142. Im Blick auf den P-Schöpfungsbericht wird eine elementare Stufenfolge (Reihung) der Geschöpfe angenommen, so dass nacheinander Licht/Nacht, Wasser/Firmament, Erde, Vegetation, Gestirne, Seetiere, Vögel, Landtiefe und Mensch entstehen. Pannenberg hält die Idee einer Stufenfolge für wissenschaftlich vertretbar, sofern sie nicht (kreationistisch) mit der Idee der Artenkonstanz verbunden wird. Bestimmte Elemente der Stufenfolge sind allerdings naturwissenschaftlich unhaltbar, z. B. das Firmament als Wasserabhalter (Gen 1,6f: „Himmelsglocke“). Ferner moniert Pannenberg die erst späte Erschaffung der Gestirne als bedingt durch die antibabylonische Polemik gegen Astralgottheiten. Dieser mythologischantithetische Kontext entfällt heute, weshalb die Erschaffung der Gestirne früher angesetzt werden kann, wie es ja auch heute schwierig erscheint, die Erschaffung des Lichts von den lichtspendenden Sternen abzusondern (1./ 4. Tag). Der Gedanke einer planvollen Entstehung von Kosmos, Natur und Mensch ist für P mit gesonderten, einzelnen Schöpfungsakten verbunden. Damit ist gesagt, dass alles, was ist, in der Schöpfung Gottes seinen bestimmten Ort hat. Die Arten gehen ihrer Idee und wirklichen Entstehung nach auf den mehrstufigen Schöpfungsakt Gottes zurück. Dabei ist der Gedanke einer Entwicklung der Natur aus einem immanenten Prozess heraus, an dem Gott als Schöpfer beteiligt ist, der Bibel „völlig fremd“ (STh I, 142; s. o.), weil P von einer festen, von Gott festgelegten Schöpfungsordnung ausgeht. Dieses gedankliche Element ist für Pannenberg aber nicht notwendig an den Schöpfungsbegriff gekoppelt, d. h. wir können und sollen Schöpfung so denken, dass sie nicht mit einer initial bereits festgelegten Schöpfungsordnung verbunden ist.

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Idealfall in Form der creatio ex nihilo) mit einer creatio mediata, die Bestand und Entwicklung des bereits Erschaffenen voraussetzt.41 Zumindest im Blick auf Gen 1,11 lässt P die Möglichkeit offen, dass sich aus bestehender Schöpfung heraus (z. B. der Erde) anderes und neues entwickeln kann (freilich ohne 1. den Gedanken aufzugeben, dass Gott daran maßgeblich beteiligt ist; und ohne 2. darauf zu verzichten, die Schöpfung mit einer von Gott festgelegten Schöpfungsordnung notwendig verbunden zu denken). Die Idee einer Schöpfungsordnung (Ordnung der Geschöpfe) hält Pannenberg für weltbild-kontingent, d. h. bedingt durch die Beschränkungen seinerzeitiger wissenschaftlicher Welterkenntnis. An die Stelle der ein für allemal gesetzten Schöpfungsordnung tritt bei Pannenberg die Dynamik des Schöpfungswirkens Gottes, das nicht an artspezifische Setzungen gebunden ist. Diese dynamisch-antikreationistische Sicht verbindet Pannenberg (trotz aller Differenzen im Einzelnen) mit den Schöpfungskonzepten der Prozesstheologie und Teilhard de Chardins.42 Wenngleich Gen 1 offensichtlich noch keine Evolution der Arten im Blick hat, hält Pannenberg dennoch eine Reihe sachlicher Berührungspunkte von Gen 1 mit dem modernen Weltbild fest (z. B. das Schöpfungspotential der Erde Gen 1,11; die Zusammengehörigkeit von Tier und Mensch, am selben Tag erschaffen; vor allem die Idee einer Schöpfung in Etappen, d. h. einer „Stufenfolge“ des Schöpfungsvorgangs.43) Im Anschluss an E. Schlink hebt Pannenberg hervor, dass der PSchöpfungsbericht allerdings keine Evolution der Arten aus Vorstufen kennt, so dass nach P alle Entwicklung nur innerhalb der anfangs gesetzten Schöpfungsordnung stattfinden kann.44 Pannenberg sieht darin eine prinzipielle Grenze des P-Schöpfungsberichtes. Dieser ist demnach, wie auch fundamentalistische und evangelikale sowie katholisch-traditionalistische Kreise zurecht betonen, mit der Evolutionstheorie unvereinbar. Allerdings muss diese Unvereinbarkeit nach Pannenberg nicht dazu führen, die Evolutionstheorie zu verwerfen, sondern kann dazu dienen, das Welt- und Gottesbild von Gen 1 zu hinterfragen. Gott wird als Urheber einer auf Dauer gestellten Schöpfungsordnung vorgestellt.45 Sein uranfängliches Handeln hat bindende Kraft. Demgegenüber bietet die Evolutionstheorie die Chance, die „fortgesetzte schöpferische Tätigkeit Gottes“ so zu denken, dass sie nicht auf den Aspekt der Erhaltung, sondern der Entstehung von Neuem bezogen wird.46 In 41 Zu dieser Unterscheidung vgl. STh II, 92 Anm.176 mit Verweis auf L. Hutter (1618). 42 Sie gehen von einer unfertigen, aber auf Vollendung angelegten Schöpfung aus. Dies verbindet Whitehead, Teilhard de Chardin und Pannenberg – trotz aller Differenzen im Einzelnen. 43 STh II, 141f. 44 So E. Schlink, Ökumenische Dogmatik, 1983, 93 zit. STh II, 142. 45 Vgl. Pannenbergs Verweise auf C. Westermann und insbes. O.H. Steck Anm. 308 (STh II, 142). 46 STh II, 143.

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Gen 1f ist die Möglichkeit der Entstehung von Neuem nicht in Blick, da der Schöpfungsvorgang nach sechs Tagen als abgeschlossen gilt (vgl. Gen 2,1: Vollendung der Schöpfungswerke am 7. Tag). Dies steht nach Pannenberg in deutlicher Spannung zu den Schöpfungsvorstellungen anderer Teile der Bibel (z. B. bei Dtjes und in den Psalmen). Insbesondere ergibt sich aus Gen 1,1–2,4a nicht der Gedanke einer Einheit der Natur oder einer fortgesetzten Schöpfertätigkeit Gottes. Der Sabbat ist der sanfte, aber unüberhörbare Schlussakkord des göttlichen Schaffens. Gottes fortdauerndes Wirken ist zwar nicht in Frage gestellt, aber nicht mehr erforderlich, was die Setzung einer anfänglichen und unumstößlichen Schöpfungsordnung angeht. Darin sieht P den Ausdruck der Vollkommenheit. Für Pannenberg wäre es eher Ausdruck der Unvollkommenheit Gottes als Schöpfer, wenn er sich und die Welt auf eine uranfänglich gesetzte Ordnung festlegte. Die Schöpfung geht über den Anfang hinaus, sie zielt auf das Eschaton. Dass die Schöpfung bereits in ihrem Anfang ihre endgültige Form und Bestimmung haben könnte, ist für Pannenberg undenkbar.47 Die Wahrheit des göttlichen Urteils über die Schöpfung (siehe, sie war sehr gut) kann sich nur auf die im Eschaton vollendete Schöpfung beziehen. Die „Unfertigkeit“ der Welt im Anfang (wie sie Pannenberg sieht – anders als P) gibt dem Entwicklungsgedanke seine theologische Schärfe und Pointe. In der Entwicklung ist Gott selbst am Werk, keine ursprünglich angelegte Entelechie, aber auch kein blinder Zufall, der das Ganze bestimmt. Wenn der Entwicklungsgedanke theologisch interpretiert werden kann,48 erweisen sich alle Abwehrgefechte der Theologie gegen die Evolutionslehre als Scheingefechte. Er kann sogar sagen: „Der Kampf gegen den Darwinismus gehört zu den folgenschwersten Fehlentwicklungen im Verhältnis von Theologie und Naturwissenschaften.“49 Pannenberg sieht eine tiefe innere 47 Dies verbindet ihn z. B. mit dem entwicklungstheologischen Denkansatz des Erlanger Theologen Karl Beth (1909), der Schöpfung als Freisetzung und Aktualisierung von Entwicklung (und damit offen für Evolution) sieht. Er wendet sich gegen die Idee, „dass der Mensch fix und fertig in absoluter Vollkommenheit aus Gottes Hand hervorgegangen sei und einer Entwicklung nicht bedurfte“ (196). Der Entwicklungsgedanke wird von Beth übrigens auch auf die Christologie ausgeweitet, so dass Beth auch bei Jesus von der Möglichkeit und Notwendigkeit einer Entwicklung Jesu (hin zur Gottessohnschaft) annimmt (1909, 234ff; mit Dorner, gegen Schleiermacher). Mit Pannenberg verbindet ihn die Grundidee, dass „die Entwicklung mit der Schöpfung selbst gesetzt“ sei (196; d. h. Gott setzt die Schöpfung als eine sich entwickelnde, und ohne diese Entwicklung kommt weder das Individuum noch die Schöpfung als Ganze zu ihrem Ziel). Auffallend ist, dass Beth apologetische Umgangsmodelle mit dem Darwinismus, insbesondere den Ansatz von Chr. E. Luthardt, ganz übergeht. 48 Vgl. hierzu auch die Hinweise Pannenbergs auf Karl Beth, 1909; cf. STh II, 144. Die Hauptdifferenz zu Pannenberg besteht darin, dass Beth eine teleologische Entwicklung der Welt im Ganzen behauptet, d. h. er geht von einer „alles umspannenden göttlichen Zwecksetzung“ aus (1909, S.156). 49 STh II, 143. Die Chancen einer theologischen Interpretation der Evolutions- und Naturgeschichte wurden dadurch verkannt. Die Theologie hätte sich an dieser Stelle stärker öffnen

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Harmonie zwischen dem Schöpfungs- und dem Evolutionsgedanken. Die Vorbehalte gegen die Evolutionstheorie scheinen ihm nur dort berechtigt, wo sie in einem mechanistisch-materialistischem Denkhorizont verharrt (vgl. E. Haeckel), nicht aber dort, wo sich die Entwicklung der Natur als ein offener Prozess erweist, in dem Neues entstehen kann. Die Entstehung von einzelnen Arten im Kontext der Evolutionsgeschichte schließt allerdings den kreationistischen Gedanken aus, wonach Gott jedes Wesen nach seiner Art erschaffen hat. Pannenberg geht davon aus, dass der Evolutionstheorie (trotz ihrer Schwächen und Lücken) die größere historische Evidenz zukommt (wobei der Begriff des Historischen freilich stets weit zu fassen ist, so dass er die Naturgeschichte in sich schließt).

6.

Fazit: Radikalisierte creatio continua (als creatio mediata)

Für eine Anschlussfähigkeit des P-Schöpfungsberichts spricht, dass der Gedanke einer vermittelten Wirksamkeit des Schöpfungshandelns Gottes nicht ausgeschlossen ist. So betont Gen 1,11, dass „die Erde hervorbringe“ und auch gewisse Tiere aus ihr entstehen (Gen 1,24). Eine kreationistische Bestreitung des Evolutionsgedankens erscheint Pannenberg von daher nicht nur gänzlich unnötig, sondern auch unsinnig. Dem kreationistischen Grundanliegen steht Pannenberg äußerst kritisch gegenüber, einmal wegen des fundamentalistischen Schriftgebrauchs, zum andern wegen der Idee einer im Anfang festgesetzten Schöpfungsordnung.50 Dies widerstrebt seinem Schöpfungskonzept, das Schöpfung nicht als anfangsetzendes Handeln, sondern als offenen Prozess ansieht.

sollen (wie in England, in Deutschland jedoch nur ganz vereinzelt, wie z. B. der Erlanger Theologe K. Beth, 1909). Diese Mahnung Pannenbergs gilt trotz zweier Bedenken gegen die Evolutionstheorie, die er durchaus als relevant ansieht: 1. Es wird zu wenig vonseiten der Biologie und Naturwissenschaft konzediert, dass die Evolutionstheorie kein Faktum beschreibt, sondern eine Theorie mit hypothetischem Status. Ferner muss 2. zugestanden werden, dass die Evolutionstheorie in gewissen Varianten atheistische Prämissen voraussetzt und atheistische Implikationen generiert, die den Dialog von Theologie und moderner Naturwissenschaft eher spannungsreich gestalten (vgl. E. Haeckel; R. Dawkins). Pannenberg geht, wie knapp hundert Jahre zuvor auch Karl Beth, davon aus, dass die Evolutionstheorie nicht an einen mechanistisch-materialistischen (Beth: „naturalistischen“) Deutungshorizont gebunden ist. 50 Der Gedanke einer fest gegründeten, von Gott gesetzten Schöpfung, wie er für die altprotestantische Theologie ausgehend von Gen 1 feststand, wird von Pannenberg abgelehnt. Insofern ist bei Pannenberg die creatio continua kein donum superadditum zur creatio originans, sondern die Schöpfung insgesamt ist creatio continua. Dabei wird diese nicht einfach als Erhaltung des Bestehenden, sondern als fortgesetzte, weitergehende und erneut sich vollziehende Schöpfung gedacht. Diese Dynamik im Schöpfungsbegriff verbindet Pannenberg mit Teilhard de Chardin und der Schule von A.N. Whitehead, unterscheidet ihn aber vom altprotestantischen Konzept, das aufgrund eines anfänglich abgeschlossenen Schöp-

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Der qualitative Unterschied zwischen Schöpfung („Urgeschichte“) und geschichtsmächtigem Handeln Gottes wird dadurch relativiert. Die Schöpfung ist nicht nur der festgefügte, vorgegebene Rahmen des Schöpfungshandelns Gottes, sondern sie ist selbst Ausdruck seines unablässigen Handelns und Wirkens. Durch das Wirken des Geistes Gottes sind Schöpfungshandeln und geschichtsmächtiges Handeln für Pannenberg wesentlich verbunden. Schöpfungshandeln und Geschichtshandeln zielen beide auf dasselbe eschatologische Ziel.

7.

Schöpfungslehre, Anthropologie und das dominium terrae (Rekapitulation)

Dass Gott als der allmächtige Schöpfer (wohlgemerkt nicht nur Ursprung!) der Welt zu denken ist, stellt das Zentrum der Systematischen Theologie Pannenbergs dar. Schöpfung wird dabei in material-extensiver und in zeitlicher Perspektive umfassend begriffen. Sie schließt selbstverständlich den Menschen als Teil der geschaffenen Welt mit ein. Ist Gott der Schöpfer der Welt, so freilich auch des Menschen. Nach biblischem Befund kommt dem Menschen eine Sonderstellung zu, die mit dem Auftrag des dominium terrae verbunden ist. Die Sonderstellung des Menschen könnte auch so verstanden werden, dass dem Menschen als einzigen Wesen Geschichtlichkeit und ein Bewusstsein von Geschichte gegeben ist. Dies würde den Menschen als Kreatur herausragen lassen aus dem Reich der Natur. Ist Geschichte etwas Natürliches? Hat die Natur etwas Geschichtliches? Die statische Konzeption von Natur ließe sich mit dem Gedanken in Verbindung bringen, dass Gott die Lebewesen je für sich erschaffen hat, d. h. jedes nach seiner Art. Allerdings weist bereits der erste Schöpfungsbericht der Bibel die Vorstellung auf, dass die Erde selbst (wenngleich nicht selbständig i. S.v. unabhängig von Gottes Kraft und Wirken) etwas hervorbringen könne, sofern Gottes schöpferischer Impuls in und an ihr wirkt. Pannenberg verweist darauf, dass der Gedanke einer Evolution der Arten in der Bibel nicht angelegt ist. Darwin51 hat die Spannung seiner Entdeckungen zur klassisch-theologischen Auffassung von Schöpfung selber bemerkt. Die Vorstellung, jedes Lebewesen sei nach seiner Art so von Gott geschaffen, bricht zusammen, wenn die Arten in sich das Potential haben, sich auseinander zu entwickeln, sodass die Arten nicht den Rahmen für individuelle Entwicklung abgeben, sondern selbst einer geschichtfungshandelns eine stärkere Differenz zwischen Schöpfungs-, Erhaltungs- und Geschichtshandeln festhält. 51 Daher sein Zögern und seine z. T. zurückhaltenden Formulierungen. Sein Werk On the Origin of Species (1859) erschien bereits 1860 auf Deutsch, in einer von Darwin nicht gut geheißenen Übersetzung (von H.G. Bronn). Näher am Original [Ausgabe von 1872] bewegt sich die Übersetzung von Eike Schönfeld: Charles Darwin: Der Ursprung der Arten, Stuttgart 2018.

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lichen Entwicklung unterliegen. Dies führt notwendig zum Gedanken einer relativ selbständigen Naturgeschichte, der aus dem biblischen Befund nicht ableitbar ist. Auch die altprotestantisch-orthodoxe Konzeption einer creatio continua / continuata bezieht sich nicht unbedingt auf eine Naturgeschichte, sondern nur die Vorstellung einer unablässigen Wirksamkeit der Schöpferkraft Gottes, wie sie sich z. B. schon bei Luther ausgeprägt findet. Mit Luthers Ansatz verbindet Pannenberg, dass Gottes Schöpfungshandeln nicht nur als ursprungsbegründende, sondern als kontinuierliche Wirksamkeit gedacht werden muss. Gott als die alles bestimmende Wirklichkeit muss demnach notwendig als allmächtig begriffen werden. Die Differenz zu Luther besteht darin, dass die Konzeption einer Geschichte der Natur freilich für jenen noch nicht im Blick war. Die Naturgeschichte stellt für Pannenberg jedoch ein wichtiges Schlüsselmoment der Schöpferwirksamkeit Gottes dar.52 Sie ist zugleich das Verbindungsglied zwischen Menschheitsgeschichte und Geschichte des Universums, denn der Mensch darf und muss sich als Teil jener Natur begreifen, die ihn hervorgebracht hat und ihn umgreift. Sofern nun der Prozess der Naturgeschichte als offen begriffen wird für ein Wirken Gottes (seines Geistes) an ihr und in ihr, stellt für Pannenberg die Evolutionstheorie keine polemisch abzuwehrende Konzeption dar, der man durch eine kreationistische Auffassung der geschöpflichen Welt begegnen müsste. Allerdings ist seine Auffassung von Naturgeschichte nicht teleologisch übermantelt, so dass im Prinzip die Prämissen Darwins akzeptiert werden, wenngleich Pannenberg die Evolutionslehre nur in einer dynamisch aufgebesserten Form akzeptieren kann. Diese ‚dynamische Aufbesserung‘ bedeutet für ihn aber nicht die Einschaltung eines teleologischen Prinzips in die Naturgeschichte, wodurch sein Ansatz in gewisse Nähe zur Konzeption Teilhard de Chardins geriete. Die Natur- und Evolutionsgeschichte soll nicht als „Selbstläufer“ in der Weise begriffen werden, dass Gottes Wirksamkeit in ihr weithin überflüssig wäre. Für 52 Daher rückt der Dialog mit den Naturwissenschaften ganz ins Zentrum der Schöpfungslehre Pannenbergs. Dabei vertrete ich anders als z. B. Hans Schwarz (400 Jahre Streit um die Wahrheit – Theologie und Naturwissenschaft, Göttingen 2012, 182) die These, dass der Dialog mit der Naturwissenschaft für Pannenberg durchaus den Status eines „Hauptthema[s]“ hat. So wird etwa die Exegese von Gen 1,1–2,4a ganz diesem Thema untergeordnet, d. h. die naturwissenschaftlichen Implikationen des priesterschriftlichen Schöpfungsberichts werden aus der Sicht moderner Naturwissenschaft kritisch behandelt (als nur mehr von exemplarischer Bedeutung). Das ist auch bei H. Schwarz (op.cit. 186) richtig gesehen. Die Unterordnung des biblischen Zeugnisses unter den Horizont gegenwärtigen Naturverständnisses (in wissenschaftlicher Sicht) – mit deutlich antikreationistischem Impetus – lässt sich überhaupt nur als Ausdruck einer Vorrangstellung des theologisch-naturwissenschaftlichen Dialogs verstehen, die sich somit nicht erst aus dem später in den Fokus gerückten Feldbegriff ergibt.

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Pannenberg bleibt es unstrittig, wenngleich die Naturgeschichte anderer Art ist als die Geschichte der Menschheit oder des menschlichen Individuums, dass man dennoch von einer Geschichte der Natur sprechen kann. Der Begriff der Geschichte impliziert dabei etwas anderes als eine bloße Entwicklung, ein nach äußeren Gesetzen ablaufender Prozess. Indem die Natur selbst eine Geschichte hat, unterliegt sie einem einmaligen, unumkehrbaren Prozess, der ihre Gestalt verwandelt. Darin liegt die Idee des Fortschritts von einer Gestalt zur nächsten. Der Mensch wäre somit samt seiner Geschichte Teil einer ihn umfassenden Naturgeschichte. Die Einmaligkeit und Besonderheit geschichtlicher Entwicklung wäre demnach etwas, was nicht in einzigartiger (exklusiver) Weise nur dem Menschen zukäme. Die naturgeschichtliche Einbindung des Menschen zielt dabei nicht auf eine Depotenzierung der Sonderstellung des Menschen im Kosmos. Pannenberg geht es hingegen um eine Einbindung, die seine Sonderstellung nicht als „splendid isolation“ gegenüber naturgeschichtlichen Prozessen begreift. Gerade auch im Blick auf jene Einbindung in ein integratives und dynamisches Schöpfungsmodell ist es Pannenbergs Anliegen, die Anthropologie schöpfungstheologisch zu verschränken und in diesem Kontext zu erhellen. Der naturgeschichtliche Kontext ist dabei für Pannenberg mehr als nur der äußere Rahmen der Geschichte der Menschheit. Die Wirksamkeit des göttlichen Schöpfungshandelns zielt demnach nicht exklusiv auf den Menschen, sondern die Geschichte der Natur im Ganzen. Erst in nachcartesischer Zeit konnte die Natur überhaupt so begriffen werden, dass ihr so etwas wie Geschichte und Geschichtlichkeit zukommen könnte. Pannenberg nimmt hier einerseits auf die modernen physikalischen Einsichten in die Geschichte der Natur Bezug (insbes. C.F. v. Weizsäckers), andererseits auf A. Koyrés Untersuchungen zum Wandel der naturphilosophischen Konzeption des Raumes.53 Demzufolge wird nicht nur das biblische Weltbild obsolet, sondern überhaupt jede Konzeption eines geschlossenen und geordneten Kosmos. Im nachcartesischen Zeitalter zerbricht das geschlossene Gefüge eines endlichen, „geerdeten“ Kosmos und das Universum wird als unbegrenztes und unendliches konzipiert. Die Denkform des „infinite space“ ist von weitreichender Bedeutung für die Theologie. Dies freilich nicht nur in dem naiven Sinn, dass Gott nicht mehr oberhalb des Welt-Raums als thronend gedacht werden kann, sondern dass die Welt als von Gottes Unendlichkeit umgriffen konzipiert werden muss, um das Universum nicht im bloßen Gegensatz zur Wirklichkeit Gottes zu denken. Gott wirkt demzufolge durch den Raum des Universums auf die Geschöpfe ein;54 die

53 Vgl. A. Koyré: Von der geschlossenen Welt zum unendlichen Universum (engl. 1957), 3. Aufl. Frankfurt/Main 1980. 54 Im Anschluss an Newton: das Universum als sensorium Dei.

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Vermittlung dieser Wirksamkeit kann nach Pannenberg am besten durch den Begriff des Feldes (M. Faraday) veranschaulicht werden.55

8.

Die naturgeschichtliche Stellung des Menschen im Kosmos – Kritik des anthropischen Prinzips

Den Menschen als „Krone der Schöpfung“ zu sehen, ist dem neuzeitlichen Bewusstsein suspekt – vor allem angesichts der ökologischen Katastrophen, die aus einem missverstandenen dominium terrae resultieren. Die Herrschaft über Tiere und Pflanzen ist kein Freibrief zur Ausbeutung oder Verwüstung der Natur. Die gnadenlosen Folgen eines fehlgeleiteten Vorsehungsglaubens56 werden auf eine anthropozentrische Schöpfungslehre zurückgeführt, die das dominium terrae als Ausbeutungsfreibrief 57 fehlinterpretiert. Jürgen Moltmann hat dies dazu veranlasst, im Anschluss an Karl Barth nicht den Menschen, sondern den (eschatologisch gedeuteten) Sabbat als „Krone der Schöpfung“ anzusetzen. Das Schöpfungswerk zielt demnach auf den siebten, nicht den sechsten Schöpfungstag. Der Mensch wäre somit eschatologisch insofern depotenziert, als Gottes Ruhe als das eigentliche Ziel seines Wirkens anzusehen wäre. Für Pannenberg steht der Mensch nur insofern im Zentrum der Schöpfung, als er allein „Ort und Mittler für die Gemeinschaft der Schöpfung mit Gott“ ist und sein kann.58 Natur- und evolutionsgeschichtlich entspricht dem die These eines „anthropischen Prinzips“ im Kosmos. Gegen dieses Prinzip spricht die Offenheit des evolutionären Geschehens und das Bewusstsein des modernen Menschen, nicht im Zentrum des Universums zu stehen, sondern eine Art „Zigeuner am Rande des Universums“ zu sein (J. Monod). „Da die Erde seit Kopernikus nicht 55 Wobei Feld für Pannenberg mehr und anderes ist als eine bloße Metapher; trotz seines unanschaulichen Charakters entzieht sich das Feld nicht seiner Bestimmbarkeit und Erfahrbarkeit. Gerade die Feldtheorie gehört jedoch zu den schwierigsten Details der Kosmologie Pannenbergs, da hier anstelle einer Vergegenständlichung Gottes eine andere Form der Verfremdung von Gottes Wirksamkeit zu drohen scheint. 56 Vgl. Carl Amery; s. dazu STh II, 157. Völlig zurecht hält Pannenberg Amery entgegen, dass nicht der authentisch interpretierte Schöpfungsauftrag, sondern die im säkularen Zeitalter durch Industrialisierung, moderne Konsumgesellschaft und Emanzipationsstreben verfremdete Interpretation des dominium terrae zu jenen (in der Tat für Natur und Mensch) „gnadenlosen Folgen“ des anthropozentrischen Naturverständnisses geführt hat, die Amery dem Christentum anlastet. Zur Kritik an C. Amery verweist Pannenberg (STh II, 157 Anm. 365) auf G. Altner (Schöpfung am Abgrund, 1974). 57 gegen Gen 2,15; vgl. STh II, 234f. 58 STh II, 138. Vgl. auch Anne C. Thaeder: Geistwesen oder Gentransporter. Anthropologie zwischen Theologie und Biologie am Beispiel von W. Pannenberg und E.O. Wilson, Stuttgart 2018, 59–63.

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mehr den Mittelpunkt des Universums bildet, schien damit auch der Mensch zu einer Randerscheinung des Kosmos geworden zu sein.“59 Die Kränkungen des narzisstischen Selbstwertgefühls (S. Freud) haben freilich noch nichts mit der naturwissenschaftlichen Frage zu tun, ob der Kosmos (von seinen Naturkonstanten und astronomischen Bedingungen her) „auf die Hervorbringung menschlichen Lebens angelegt ist“60. Im „Angelegtsein-auf“ sieht Pannenberg eine teleologische Denkfigur am Werk, die er als spekulativ ablehnt. Der Wahrheitsgehalt des anthropischen Prinzips liege allein darin, dass das Universum so beschaffen sei, dass es die Möglichkeit (nicht: Notwendigkeit) der Hervorbringung menschlichen Lebens in sich schließe. Die Naturgeschichte lässt sich so auffassen als ein Weg „zur Ermöglichung des Menschen“61. Damit wird das anthropische Prinzip von Pannenberg eher skeptisch-zurückhaltend beurteilt. Etwas offensiver auf die Intention des anthropischen Prinzips eingehend schreibt Pannenberg an späterer Stelle des gleichen Bandes62, „daß auch das Auftreten des Lebens und des Menschen nicht als ein für den Begriff des Universums entbehrlicher Zufall beurteilt werden kann.63 Interessant an dieser vorsichtigen Formulierung ist, dass sie die Möglichkeit des Lebens nur auf den Begriff des Universums bezieht (nicht seine Wirklichkeit). Damit ist eine Erneuerung des kosmoteleologischen Gottesbeweises64 für Pannenberg ausgeschlossen. Das anthropische Prinzip muss demnach erweitert und abgeschwächt werden. Dies korrespondiert einem Bild von Schöpfung, in dem der Mensch zwar eine zentrale Rolle innehat, aber nicht allein im Blickpunkt der göttlichen Providenz steht. Schon aus Ps 104 und den Gottesreden an Hiob ergibt sich die Unmöglichkeit, eine allein auf den Menschen zentrierte Schöpfungslehre zu entwerfen.65 Dessen ungeachtet bleibt die Frage interessant, worin die naturgeschichtlichen Bedingungen dafür liegen, dass der Mensch entstehen konnte. Der „origin of species“ (Ch. Darwin) ist für den Theologen und den Philosophen keine rein zoologische Angelegenheit. Mit einer rein zoologischen Betrachtungsweise würde er es sich zugleich zu leicht und zu schwer machen. Die Frage „Was ist der Mensch?“ kann nach Pannenberg nicht ohne Reflexion auf den schöpfungstheologischen Gesamtkontext beantwortet werden. Andererseits finden sich bei Pannenberg selber auch Anhaltspunkte dafür, dass eine immanent naturgeschichtliche Sichtweise nur den Boden für ein Verständnis des Menschen abgeben kann, ohne es selbst schon zu erfassen. In der spekulativen These eines „anthropischen Prinzips“ wird somit ein 59 60 61 62 63 64 65

STh II, 93. STh II, 95. STh II, 138. STh II (1991). STh II, 151. vgl. STh II, 151. STh II, 154.

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Konnex gewagt, der Kosmologie und Anthropologie elementar verbindet. Diese Verbindung bestreitet Pannenberg nicht, will sie aber nicht in Richtung einer teleologischen Erklärung der Natur gefüllt wissen. Fazit: Es wird festgehalten, dass die Geschichte der Natur nicht blind ist für die Option der Entstehung des Menschen; und sie verhält sich auch nicht gleichgültig zur Option der Hervorbringung von Leben (Lebewesen) überhaupt. Allerdings kann aus der Natur des Universums heraus nicht die Notwendigkeit des Auftretens von Leben (insbesondere menschlichem Leben) abgeleitet werden.

9.

Abschließende Thesen zum Desiderat einer theologia naturalis

Im Streit um eine theologia naturalis vertritt Pannenberg nicht die Auffassung, dass zu einem vorkantischen Modell von Schöpfung zurückzugehen sei, im Sinn einer barocken Reformation der Theologie. Zwar akzeptiert er nicht die Kantische Deutung von Raum und Zeit als rein subjektiver Anschauungsformen, verficht aber – ausgehend von A. Einstein und M. Jammer – andererseits auch nicht die Idee eines absoluten Raumes (trotz seiner Affinitäten zu I. Newton und S. Clarke). Für ihn gibt es fünf Grundanforderungen an eine Theologie der Natur, um gegenwärtigen Anforderungen (im Blick auf Dialogintention und wissenschaftstheoretische Prämissen) zu genügen: 1. Die Überwindung des klassischen Supranaturalismus: Gottes Wirken darf nicht als jenseits des vernünftig Nachvollziehbaren verortet werden, als schlechthin wunderbar, Naturgesetze aufhebend oder jedenfalls suspendierend. 2. Gott darf nicht in ein selbstgenügsames Jenseits verlegt werden, von wo aus er den Lauf der Geschichte (der Natur des Menschen) weder beeinflussen muss noch kann. Der deistische Uhrmachergott ist zwar als Schöpfer perfekt, aber im Blick auf seine Schöpfung nur dann, wenn die Welt als perpetuum mobile ein reiner und reibungsloser Selbstläufer wäre. Gerade so ein perfekt die Welt setzender Gott wäre ein überflüssiger Gott, der eben nicht mehr als alles bestimmende Wirklichkeit gedacht werden könnte. 3. Um den Zusammenhang von Protologie und Eschatologie denken zu können (wonach die Schöpfung auf zukünftige Vollendung hin angelegt ist), kann Gott als Schöpfer nicht bloß Urheber sein, sondern muss als der dreieinige Gott verstanden werden, wobei insbesondere die Wirksamkeit des Geistes die Präsenz Gottes am Ort des Geschöpfes gewährleistet. 4. Theologische Kosmologie darf sich nicht in Konkurrenz zu physikalischer Kosmologie verstehen und etablieren wollen. Theologische Schöpfungslehre darf nicht als „Konkurrenz zur Physik“ (oder Astronomie) konzipiert werden (BSTh

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II, 30f). Das sei schon im Ansatz abwegig, da die methodischen Ebenen sich fundamental unterscheiden. Physikalische Experimente zielen auf Wiederholbarkeit, während theologische Deutung das Weltgeschehen insgesamt „als eine einmalige und unumkehrbare Geschichte“ auffasst (BSTh II, 31). Im Hintergrund steht hier die Einsicht in die letztlich nicht auf ein Gesetz oder eine Formel reduzierbare Kontingenz des Weltgeschehens im Ganzen. 5. Die Kontingenz des Weltgeschehens schließt die Idee eines im Ganzen notwendigen oder festgelegten weltgeschichtlichen Prozesses aus (Spinoza, Hegel). Die Welt muss vielmehr als „offenes System“ (I. Prigogine) betrachtet werden. Eine Theologie der Natur, die die Idee einer zukunftsoffenen Weltwirklichkeit bewahren möchte, ist daher darauf angewiesen, trotz der Tendenz der Naturwissenschaft, übergreifende Gesetzmäßigkeiten im Naturverlauf festzumachen, das Weltgeschehen insgesamt als kontingent zu begreifen. Der Kontingenzbegriff wird daher zum notwendigen (philosophischen) Komplementärbegriff des (theologischen) Schöpfungsgedankens. Er ist somit für Pannenberg der Schlüsselbegriff zu einer Theologie der Natur, die Gott nicht in den (noch unerklärten) Lücken oder Brüchen des Weltgeschehens festmachen oder supranaturalistisch als deus ex machina in Aktion setzen will.

Literatur a)

Pannenberg (chronologisch geordnet)

Kontingenz und Naturgesetz, in: A.M. Klaus Müller / W. Pannenberg: Erwägungen zu einer Theologie der Natur, Gütersloh 1970, 33–80 Christlicher Glaube und Naturverständnis, in: H. Dietzfelbinger u. L. Mohaupt / VELKD (Hg.): Gott – Geist – Materie. Theologie und Naturwissenschaft im Gespräch, Hamburg: LVH 1980, 11–13 (neun Thesen) Gott und die Natur (1983), in: BSTh Bd. 2, 2000, 11–29 Die Kontingenz der geschöpflichen Wirklichkeit (1994), in: BSTh Bd. 2, 2000, 69–81 Die Frage nach Gott als Schöpfer und die neuere Kosmologie (1996), in: BSTh Bd. 2 2000, 82–92 Human Life: Creation versus Evolution? (1998), in: BSTh Bd. 2, 2000, 112–122 STh II = Systematisch Theologie Bd. 2 (1991), S. 77–161 („Die Welt der Geschöpfe“), insbes. 88ff.136ff.139–157 [Ted Peters, editor:] Toward a Theology of Nature. Essays on Science and Faith, USA 1993 [7 Beiträge aus den Jahren 1970–89, von denen der 3.,4. und 6. ursprl. auf Deutsch verfasst sind] [= TTN]

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Sekundärliteratur (in Auswahl)

Jammer, Max: Das Problem des Raumes. Die Entwicklung der Raumtheorien (engl. Concepts of Space 1954, ²1969), Darmstadt 21980 Jammer, Max: Einstein und die Religion (hg. Jürgen Audretsch), Konstanz: UVK 1995 Koyré, Alexandre: Von der geschlossenen Welt zum unendlichen Universum (dt. 1969; Orig.: From the Closed World to the Infinite Universe, USA 1957; übers. v. R. Dornbacher, 1980), Frankfurt/Main 2017 [stw 320] von Weizsäcker, Carl Friedrich: Die Geschichte der Natur. Zwölf Vorlesungen (1946), Göttingen 1948 von Weizsäcker, Carl Friedrich: Die Einheit der Natur, München 1971

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Schöpfung und Evolution in der Theologie Pannenbergs

„Der Schöpfungsgedanke hat sich in Israel entwickelt als Ausweitung des Heilsglaubens an den in der Geschichte erwählenden Bundesgott auf den Anfang alles Geschehens: ‚Der Beginn dieser Geschichte wurde nun bis zur Schöpfung vordatiert‘ [so Gerhard von Rad]“ (STh II, 23).1 Diese These Gerhard von Rads hat nach Pannenberg einen „bleibenden Wahrheitskern“ (25), wenn sie auch dahingehend modifiziert werden muss, dass diese Vordatierung nicht erst, wie Gerhard von Rad meinte, in der Begegnung mit den Göttern Kanaans geschehen ist, sondern in einer kritischen Aneignung auch bereits vorher schon bekannter kosmogonischer Vorstellungen der religiösem Umwelt stattgefunden hat. Die biblische Aussage ist: Gott hat Israel „aus der Sklaverei befreit“. So stellt sich der Gott vom Sinai im ersten Gebot des Dekaloges vor (Ex 20,2). Wenn er aber derjenige ist, der volles Vertrauen verdient, dann muss er mächtig sein, mächtig über alles. Wäre er nur ein Faktor unter anderen, könnte sich ein vollkommenes Vertrauen nicht auf ihn richten. Macht haben über alles bedeutet aber auch: Schöpfer über die Welt im ganzen zu sein. Der Begriff, der dieser Schöpfermacht entspricht, hat sich bekanntlich im AT erst allmählich herausgebildet, von einer Vorstellung von Schöpfung, der das „tohu wa bohu“ in eigenartiger Weise noch vorgeordnet scheint, wobei sich diese Vorordnung noch in der Formulierung des griechisch geschriebenen Weisheitsbuches findet, wo es in Anlehnung an die aristotelische Philosophie heißt, dass Gott die Welt „aus dem gestaltlosen Stoff geschaffen hat (ex amórfu hýles kitása)“ (Weis 11,17). Der Begriff von der „Schöpfung aus dem Nichts“ findet sich erst im 2. Makkabäerbuch aus dem 2. Jhrh. v. Chr. (das ebenfalls griechisch geschrieben ist). Der Zusammenhang ist folgender: Der Seleukide Antiochus Epiphanes (er herrschte 1 Zitierte Schriften Wolfhart Pannenbergs: Systematische Theologie I, II (STh I, II), Göttingen 1988 / 1991; Beiträge zur systematischen Theologie I, II (BSTh I, II), Göttingen 1999 / 2000; Theologie und Reich Gottes (TRG), Gütersloh 1971; Grundzüge der Christologie (Chr), Gütersloh 1964; Erwägungen zu einer Theologie der Natur (ETN), zus. mit A. M. Klaus Müller, Gütersloh 1970; Offenbarung als Geschichte (OaG), Göttingen 1970; Wissenschaftstheorie und Theologie (WuTh), Frankfurt a. M. 1973; Glaube und Wirklichkeit (GuW), München 1975.

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von 175–164) wollte die Religion seines Reiches vereinheitlichen. Dabei störten die Juden (Palästina gehörte zum Seleukidenreich). Der Tempel wurde geschändet. Das Volk sollte unter Todesandrohung gezwungen werden, die eigenen religiösen Gebote zu übertreten (und z. B. Schweinefleisch essen). Von einer Mutter mit ihren sieben Söhnen wird berichtet. Die Söhne bleiben standhaft. Sie werden gefoltert und getötet, einer nach dem anderen. Die Mutter muss zusehen. Schließlich ist nur noch der jüngste übrig. Antiochus fordert die Mutter auf: Wenn du willst, dass dir wenigstens dieser übrig bleibt, so bringe ihn dazu, eurem Gott abzuschwören. Die Mutter aber wendet sich mit folgenden Worten an ihr Kind: „Ich bitte dich mein Kind, schau dir den Himmel und die Erde an, sieh alles, was es da gibt, und erkenne: Gott hat das alles aus dem Nichts geschaffen (wörtlich: uk ex ónton: nicht aus Seiendem, bei einigen Textzeugen: ex uk ónton: aus nicht Seiendem), und so entstehen auch die Menschen. Hab keine Angst vor diesem Henker. Sei deiner Brüder würdig und nimm den Tod an! Dann werde ich dich zur Zeit der Gnade mit deinen Brüdern wiederbekommen“ (2 Makk 7,28 f). Der hoch spekulative Gedanke der Schöpfung aus dem Nichts wird ausgesprochen in einem dramatischen geschichtlichen Zusammenhang. Dies bindet ihn nochmals an das göttliche Geschichtswirken. Auf den Gott, der über Welt und Natur mächtig ist, kann vertraut werden. Existentiell vor dem Nichts stehend richtet sich das Vertrauen auf den, dessen Macht auch am Nichts keine Grenze hat. Aufschlussreich ist die Verbindung des Glaubens an die Schöpfung aus dem Nichts mit der Hoffnung auf die Auferstehung von den Toten. Auch sie findet sich in den älteren Schichten des AT noch nicht (Erst im 2. Jhrh. v. Chr: Dan 12; Jes 26,19; und in 2 Makk 7,9; 12,44; 14,46). Im NT findet sich diese Verknüpfung dann ebenfalls: In Römerbrief heißt es von Abraham, dass er an den Gott, „der die Toten lebendig macht und der das Nichtseinde ins Dasein ruft“, „gegen alle Hoffnung hoffend geglaubt hat“ (Röm 4,17f). Die Formulierung des Schöpfungsglaubens nach 2 Makk 7,28 wurde in der christlichen Schrift „Der Hirt des Hermas“ (um 120) aufgenommen: Gott ist der, „der aus dem nicht Seienden das Seiende geschaffen hat“ (I, 1). Irenäus (2. Jahrh.) dürfte sie wohl zitieren, wenn er von Gott sagt: „omnia […] fecit ex eo quod non erat ad hoc quod sint omnia (alles hat er gemacht aus dem, was nicht war, damit es sei)“ (adv. haer. I, 22, 1). Die klassische Lehre von der „creatio ex nihilo (der Schöpfung aus dem Nichts)“ war damit etabliert. In der scholastischen Tradition wurde sie präzisiert zu dem Begriff der creatio „ex nihilo sui et subjecti“ (d. h. der Sache selbst und ihrer Voraussetzug).2 Nochmals zur Logik dieses Glaubenszusammenhanges: Gott ist der Retter, der Gebieter. Er ist Herr über die Geschichte und deshalb über die Welt im ganzen. 2 W. Brugger, Theologia naturalis, Freiburg / Rom 1964, 352; W. Kern, in: Mysterium salutis II, Hrsg. J. Feiner / M. Löhrer, Zürich / Köln 1967, 514.

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Die Erschaffung der Welt ist also ebenfalls eine Art geschichtlicher Akt, kein natürlicher Hervorgang, sondern ein Freiheitsakt. Auch das Verständnis, dass Gott an den Menschen liegt, dass sie ihm nicht gleichgültig sind, enthält die Vorstellung eines freien Sich-Zuwendens Gottes, die dann zum Gedanken der Erwählung führt, der sich durch das ganze AT zieht. Auf diesen Gott kann man bauen. Sein Wesen ist aber dann so, dass er vom Menschen als einziger Gott anerkannt werden muss im Sinne des ersten Gebotes: Gott allein! Der hat gerettet. Auf ihn ist zu bauen. Aber er nimmt auch in die Pflicht, und rundum in die Pflicht nehmen kann nur dieser Gott. Nur er ist die letzte Instanz, die allein letztlich gebieten kann. Die Unbedingtheit der Gebote, die Unbedingtheit des Gewissens, hängt an der Unbedingtheit Gottes. Zugleich gilt: Sich von diesem Gott in die Pflicht nehmen lassen heißt auf ihn bauen, auf ihn vertrauen, und auf ihn vertrauen heißt glauben, dass er der über alles mächtige Gott ist. So hängen die zentralen Themen des AT miteinander zusammen: Das Bauen auf den Gott, der rettet, der geschichtlich wirkt, der erwählt, der unbedingt verpflichtet, und der die Welt in Freiheit erschaffen hat. Und erschaffen hat er sie, damit sie zu sich komme und ihren göttlichen Schöpfer in Freiheit erkenne und anerkenne. Dieser Gott, der den Menschen individuell und kollektiv so beansprucht, ist auch der Gott, auf den man ganz bauen kann. Dann aber muss er das Ganze unserer Wirklichkeit in der Hand haben, auch die Natur, deren Teil wir sind, d. h. er ist Schöpfer im strikten Sinn. Aus dieser Theo-Logik, also der Logik des Glaubens ergibt sich ein hoch spekulativer Gedanke, der die sich an die Bibel anschließende Schöpfungslehre der „abrahamitischen“ Religionen (Judentum, Christentum, Islam) auszeichnet, nämlich die Lehre der Schöpfung aus dem Nichts. Sie unterscheidet sich von den Vorstellungen der umliegenden Religionen und deren Mythen in dieser Radikalität des Schöpfungsgedankens, aber auch von einer Schöpfungslehre wie sie Platon im Timaios entwirft, wo der „Vater des Alls“, als Demiurg eine vorgegebene Materie nach der ewigen Ordnung der Ideen gestaltet. Und es zeigt sich, dass dieser Gedanke durchaus etwas zu tun hat mit der Frage nach der Vereinbarkeit von Schöpfungsglaube und evolutivem Weltbild. Schöpfung aus dem Nichts, das heißt: Die Welt ist „ins Nichts gestellt“. Sie grenzt nur an sich selbst, sie grenzt an „nichts“. Der positive Sinn dieser Aussage ist: Die Welt ist auf sich selbst verwiesen. Sie ist sich selbst übergeben, um sich aus sich selbst zu entwickeln. D. h. die Lehre von der Schöpfung aus dem Nichts ist die Lehre von der größtmöglichen Selbständigkeit der Welt, der größtmöglichen, das bedeutet: zwar keiner absoluten, aber doch einer solchen, dass eine „Außensteuerung“ ihrer gar nicht denkbar ist, denn sie grenzt an nichts. Sie ist auf sich verwiesen, ist als ganze sich selbst gegeben. Darin liegt aber beides: Das Selbstsein und die Abhängigkeit. Die Welt ist sich selbst gegeben, und: sie ist sich selbst gegeben. Beides sagt der Schöpfungsbegriff in Einem. Das ihr im ganzen eigene

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Bei-sich-Sein kommt in ihr zur Erscheinung, vor allem im Lebendigen und im Geistigen. Hier manifestiert sich ihr Selbstsein. Die Welt konnte aus sich Leben und Geist hervorbringen. Sie stellt sich in diesen Wirklichkeiten selbst dar, manifestiert sich in ihnen. Anders gesagt. Sie kommt zu sich. Im Geist blickt sie auf sich zurück.3 Die Lehre der Schöpfung aus dem Nichts ist von daher ganz natürlich mit einer prozessualen und evolutiven Sicht der Entstehung komplexer Gestalten in der Welt zu verbinden. Der Streit zwischen Theologie und Evolutionslehre ist also tief bedauerlich, weil völlig unnötig. Die Bibel kann gegen eine solche Verbindung nicht ins Feld geführt werden. Denn in den biblischen Schöpfungsberichten kommt es allein auf die Kernaussage an, dass die Welt letztlich in ihrem ganzen Sein von Gott abhängt. Heute wissen wir, dass sich die Welt in einem langen Prozess zum jetzigen Zustand entwickelt hat. Aber zu diesem Prozess hat Gott sie freigesetzt. Dies kann man dem Schöpfungsbericht entnehmen. Gott hat ihr Raum gegeben, sich zu entfalten und zu sich zu kommen. „Die christlichen Kirchen und ihre Theologen sind im späten 19. und noch in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts zu ihrem Schaden weithin nicht in der Lage gewesen, die Chance zu erkennen, die die Evolutionslehre für die Theologie im Verhältnis zur modernen Naturwissenschaft bot“ (STh II, 143). Geschöpfliches Sein ist Sein zum Selbstsein. Durch die mit der Endlichkeit gegebene Zeitlichkeit ist dieses Sein zum Selbstsein notwendig Prozess, ein Prozess, der aber auf ein Ziel gerichtet ist. Das Selbstsein als solches hat dieses Ziel in sich. Dieses Ziel ist ihm gegeben, wie eben das Sein ihm gegeben ist. Es ist das Ziel des Seins, das in seiner Bestimmung als Selbstsein liegt, das Ziel: zu sich zu kommen, sich darauf hin zu transzendieren, mehr zu werden, was es ist, eben zu werden was es „ist“, nämlich selbst zu sein. Diese Selbsttranszendenz ist nicht schlechthin Eigenmacht. Sie ist eine eingeräumte Eigenmächtigkeit. Das Geschöpf ist sich gegeben, eben „gegeben“, aber „sich“, „sich selbst“. Das ist der spannungsreiche Zusammenhang, der nur in dieser dialektischen Einheit zu begreifen ist und der nicht nach einer Seite aufgelöst werden kann. Das Ziel der Geschöpflichkeit ist damit gegeben, sich selbst zu erfassen, sich als Geschöpf, d. h. als sich gegeben, d. h. zu dem Bewusstsein, die eigene Selbständigkeit dem Schöpfer zu verdanken. „Wenn also der Schöpfungsakt auf die Selbständigkeit kreatürlichen Daseins zielt, dann ist auch in bestimmtem Sinne die Behauptung berechtigt, dass die Weite des expandierenden Universums mit dem Reichtum seiner Gebilde als Mittel für die Entstehung organischen Lebens zu betrachten ist. Nicht als ob die 3 Das „Nichts“ der Schöpfung ist eine kreative Anfänglichkeit, die Möglichkeit aus sich, die der Schöpfer dem Geschöpf gewährt. Er teilt ihm damit sein eigenes Sein mit, denn er selbst ist die Anfänglichkeit aus sich in absoluter Weise. Für Cusanus ist dies der höchste Gottesbegriff, die absolute Möglichkeit, das „posse ipsum“ (nach seiner letzten Schrift: „de apice theoriae“).

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Gebilde der anorganischen Natur nicht auch ihre Schönheit und ihren Sinn in sich selber hätten: Schon durch ihr bloßes Dasein preisen sie Gott als ihren Schöpfer. Aber volle geschöpfliche Selbständigkeit wird doch erst mit den Lebenwesen erreicht und unter ihnen in besonderer Weise mit der Entstehung des Menschen. – Auch für den Menschen gilt, dass seine Herkunft aus der Evolution des Lebens Bedingung für die Selbständigkeit seines Daseins als Geschöpf ist. Der Kampf gegen die Evolutionslehre erscheint von daher als theologisch geradezu widersinnig“ (STh II, 160). Im Menschen wird das Geschöpf sich seiner selbst bewusst. Es gewinnt damit sein eigentliches Selbst-Sein. Doch: „Geschöpfliche Selbständigkeit kann nicht ohne Gott oder gegen Gott Bestand haben. Sie braucht auch nicht gegen ihn errungen zu werden, denn sie ist das Ziel seines Schöpferhandelns“ (160). Aber es gehört zur Selbständigkeit, zum Bei-Sich-Sein des Geschöpfes, dass es sich als solches erkennt, und dass es lernt, aus dieser Selbstunterscheidung von Gott zu leben und so mit seinem Schöpfer eins zu sein. Die Schöpfung ist nicht Gott. Aber in der Demut ihrer Selbstunterscheidung von ihm liegt ihre Erhöhung beschlossen, eine Erhöhung bis ins Leben Gottes hinein. Denn da die Selbstunterscheidung von Gott zu dessen Leben gehört, kann diese göttliche Selbstunterscheidung auch Grund, Mitte und Ziel der Schöpfung sein. „Wenn der Mensch sich und alles Geschöpfliche von Gott unterscheidet und folglich auch sich selber zusammen mit allen Geschöpfen Gott als dem Schöpfer unterordnet und damit Gott die Ehre seiner Gottheit gibt, nimmt in ihm die Selbstunterscheidung des ewigen Sohnes vom Vater Gestalt an im Verhältnis des Geschöpfes zu seinem Schöpfer. Die Bestimmung des Menschen als Geschöpf zielt also auf die Inkarnation des Sohnes in ihm und damit auf seine Teilhabe an der ewigen Gemeinschaft des Sohnes mit dem Vater“ (161). Ich möchte diese theologische Gesamtkonzeption noch etwas genauer nach den Aspekten entfalten, in denen Pannenberg sie mit den Wissenschaften ins Gespräch bringt. Dabei setze ich ein bei einem der Angelpunkte seiner Theologie: Es ist die eschatologische Ausrichtung der Botschaft Jesu: dass Gott die Macht der Zukunft ist. Das Vertrauen auf Gott korrespondiert dieser radikalen Zukunftsperspektive. Aus ihr wird das erste Gebot vom Sinai neu in die Mitte gerückt. Es ist die eine Macht der Zukunft, die gnädig auf die Geschöpfe zukommt. Aus ihr nehmen sie sich entgegen in ihrer Existenz und in jedem ihrer Schritte dieser Existenz. Wie die Welt sich als ganze dem Schöpfer verdankt, so auch in ihrer gesamten Ereignisfolge. Dieses Sich-Gewinnen aus der Zukunft ist die Basis der Freiheit der Geschöpfe. Es bedeutet nämlich, dass sie von der Vergangenheit nicht vollkommen determiniert sind. Sie sind gerade in ihrer Selbstständigkeit über sich als Gewesene hinaus. Pannenberg verweist auf Paul Tillich, der den Vollzug des Lebendigen als „Extase“ bezeichnet (GuW, 40–46). Er erweitert diesen Gedanken Tillichs zugleich ontologisch. Denn nach ihm „erweist sich dieser Gedanke Tillichs als Hinweis auf einen Grundzug aller endlichen

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Wirklichkeit und insbesondere des organischen Lebens“ (46). D. h. im Maße seiner Selbständigkeit transzendiert sich das endliche Sein und gewinnt die Ermächtigung zu dieser „Selbsttranszendenz“ (41) aus der Macht der Zukunft. In bezug auf die Vergangenheit und die Macht ihrer Gesetze ist diese Selbsttranszendenz freilich „kontingent“. Dabei bezeichnet diese Kontingenz jedoch keine Nebensächlichkeit, nicht lediglich etwas Akzidentelles am Geschöpf, sondern den Vollzug seiner Selbständigkeit, indem es sich substantiell, und im Menschen im Namen seiner Freiheit, aus der Macht seiner Zukunft gewinnt. In diesem Sinne versteht Pannenberg den Begriff der „creatio continua“ als „fortgesetztes Schöpfungshandeln“ (STh II, 55) Das bedeutet nicht, dass der Weltprozess nur aus Kontingenzen besteht. Das würde auch dem Schöpfungsbegriff widersprechen: „Die Regelhaftigkeit des Geschehens in den elementaren Prozessen bildet über die dadurch ermöglichten Ordnungszustände die fundamentale Voraussetzung für das Entstehen dauerhafter Gestalten. Ohne Dauer gibt es kein selbständiges Dasein. Die Gleichförmigkeit des naturgesetzlich geregelten Geschehens ist daher Bedingung aller geschöpflichen Selbständigkeit“ (STh II, 91). Dennoch: Der Gesamtprozess der Welt ist, unbeschadet seiner gesetztlichen Wiederholungen, ein kontingentes Geschehen, und somit als „geschichtlich“ zu begreifen. Den Zusammenhang von Gesetzlichkeit und Kontingenz im Naturprozess beschreibt Pannenberg so: „Sie [die Gesetzte] formulieren die in Ereignisfolgen auftretenden Gleichförmigkeiten, die sich unbeschadet der Kontingenz jedes einzelnen Ereignisses an ihnen entdecken lassen. Wegen des Ineinandergreifens der Gesetzesaussagen kann die naturgesetzliche Beschreibung auch komplexe Ereignisfolgen näherungsweise rekonstruieren, weil die Anfangs- und Randbedingungen für die Anwendbarkeit eines bestimmten Gesetzes ihrerseits schon Ergebnis anderer Gesetzmäßigkeiten sind.4 Es ist daher möglich, auch bei so umfassenden Prozessen wie der Entstehung und Geschichte des uns bekannten Universums oder bei Entstehung und Entwicklung der Lebewesen die konkrete Geschehensfolge als Ergebnis des Ineinandergreifens von Gesetzen zu rekonstruieren. Allerdings bleiben solche Rekonstruktionen bloße Näherungen an den tatsächlichen Geschehensverlauf. Das ergibt sich schon daraus, dass wegen der Unumkehrbarkeit der Zeitrichtung der Weltprozess im ganzen und jedes Einzelgeschehen letztlich einmalig ist“ (STh II, 85 f). In einen Zyklus ist das Weltgeschehen nicht auflösbar. Denn es „lässt sich das Kreismodell nicht in der Weise auf den Zeitablauf anwenden, dass bei einem neuen Umlauf die zeitlichen Prozesse identisch wären mit denjenigen eines früheren“ (STh II, 183). 4 Dieses Ineinandergreifen ist der Grund für die prinzipielle Kontingenz der Gesetze, weil sie (nicht nur faktisch, sondern prinzipiell) von Anfangs- und Randbedingungen ausgehen, somit immer in einem von ihnen selbst nicht eingeholten Wenn-dann-Bezug stehen (ETN 57, 66).

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Das impliziert, dass die Dinge und Geschehnisse ihre Bedeutung erst in einem geschichtlichen Prozess erhalten. Nach Pannenberg gibt es eigentlich keine „bruta facta“, sondern Fakten sind nur in ihrem Sinnzusammenhang zu begreifen, und der ist kontextabhängig, und d. h. auch geschichtlich (so in WuTh, 206–224; auch schon in OaG, 100, 112). „Was“ etwas „ist“, ist stets von seinem geschichtlich hermeneutischen Zusammenhang abhängig, letztlich von der absoluten Zukunft. Pannenberg spricht von einer „eschatologischen Ontologie“ (ETN, 44; vgl. Chr, 134, 412). „Schöpfung und Eschatologie gehören zusammen“ (TRG, 18). Letztlich heißt dies, dass alles Geschehen erst von der absoluten Macht der Zukunft seine endgültige Bestimmung, als das was es eigentlich ist, erhalten wird. In der Konsequenz dieses Gedankens liegt auch dies: Die eindeutige Bestimmung des Anfangs der Welt ist von uns aus nicht möglich. Die Antwort auf die Frage, was der Anfang eigentlich war, steht immer noch aus. Er ist von uns aus nie endgültig fixierbar. Das Bemühen um eine Bestimmung des Anfangs, aus dem alles Folgende abgeleitet werden könnte, wäre dann eine Illusion. Würde man eine solche Ableitung dennoch ins Auge fassen, wäre sie an den Gedanken gebunden, dass die Anfangsbedingungen von der absoluten Zukunft bestimmt werden, und dies entsprechend des kontingenten Geschichtsverlaufs jeweils neu. Die Welt ist sich gegeben, und sie gewinnt sich geschichtlich aus dieser Gabe. Ihre Bestimmung ist ihr eigenes Sein als Selbstsein. So gesehen enthält sie ihr Ziel in sich. Nach dieser Ontologie muss die Welt von sich aus danach streben, das zu sein, was sie ist, um schließlich zu sich selbst zu gelangen und sich als Bei-sichSein zu vollziehen. Das lässt an das „anthropische Prinzip“ denken. Dieses besagt, dass die physikalischen Ausgangsbedingungen des Universums genau so sind, dass sie die Entstehung des Lebens zulassen (schwaches a. P.) oder sogar notwendig machen (starkes a. P.). Doch von der eschatologischen Ontologie her gewinnt dieses Prinzip noch eine tiefere Begründung. Nach Pannenberg, der das anthropische Prinzip wohlwollend diskutiert, kann aber erst die Theologie „den Schritt zu der Behauptung vollziehen, dass Entstehung und Entwicklung des Lebens und das Erscheinen des Menschen den Sinn geschöpflicher Wirklichkeit überhaupt erst voll ans Licht gebracht haben“ (STh II, 158).5 Doch kann eine philosophische Ontologie, in der die Reflexionsstruktur des Seins konstitutiv ist, 5 Damit ist auch die christologische Sinnerfüllung der Schöpfung im Blick, denn: „Das geschöpfliche Dasein Jesu realisiert in seinem Lebensvollzug die Wesensstruktur und Wesensbestimmung alles geschöpflichen Daseins überhaupt, indem er […] sich ganz und gar als Gottes Geschöpf und darin Gott als seinen Vater und Schöpfer bejaht und gelten lässt“ (STh II, 38). Ähnlich sieht Karl Rahner die in den Menschen mündende allgemeine „Selbsttranszendenz des Kosmos“ in derjenigen besonderen erfüllt, in welcher der Kosmos „die unmittelbare Selbstmitteilung seines eigenen Grundes selbst empfängt“ (Grundkurs des Glaubens, Freiburg 1984, 191, dies innerhalb des Kapitels: „Die Christologie innerhalb einer evolutiven Weltanschauung“, 180–202).

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in diesem theologischen Licht auch eine Bestätigung finden, die dazu einlädt, sich auf die Spur dieses Lichtes näher einzulassen.6 Schließlich noch zum Gedanken der Einheit, den Pannenberg in verschiedener Weise immer wieder thematisiert und für den gilt: „die Frage nach einer letzten Einheit, die schlechthin alles integriert und so vereinigt, ist die Frage nach Gott so, wie sie seit den Anfängen der griechischen Philosophie gestellt und verfolgt worden ist“ (TRG 18). In unserem Zusammenhang ist der Anknüpfungspunkt folgender: In dem Geschöpf, in dem die Welt zu sich kommt, kommt die Welt auch in ihrer Einheit zum Bewusstsein. Das Geschöpf sieht sich in ihrem Kontext plaziert, der per se unbeschränkt ist. Es sieht sich im unbegrenzten Raum dieser Welt. Pannenberg knüpft an diese Erfahrung den Einheitsgedanken der Welt. Er folgt hier Newton, für den der Raum eine Vorgegebenheit vor den Dingen ist, und nicht Leibniz, der den Raum aus den Relationen der Körper sich ergeben sieht.7 Das grundlegende Argument, das Pannenberg der Kontroverse zwischen den beiden entnimmt ist, dass der Raum in den räumlichen Relationen immer schon als Einheit vorausgesetzt ist. Er ist so nicht aus Teilen zusammengesetzt zu konzipieren. Diesen Gedanken erweitert Pannenberg, indem er die Welt als Feld betrachtet, deren Körper die Manifestationen des Feldes sind. Das Feld zeigt sich im umfassenden Raum, aber auch in der Zeitlichkeit des Geschehens. Das Auseiander der Zeit ist wie der Raum nur von ihrer letztlichen Einheit her zu denken, und dies ist in ihrem Falle die Ewigkeit. „Einen wichtigen Schritt in diese Richtung tat aber Plotin, indem er den Begriff der Ewigkeit als Gegenwart der Ganzheit des Lebens bestimmte […] Die so verstandene Ewigkeit ist nach Plotin nicht nur der Zeit entgegengesetzt, sondern sie ist Voraussetzung für das Verständnis der Zeit selbst: Dass die getrennten Momente in unserer Zeiterfahrung aufeinander und auf ein Ganzes von Zeit bezogen werden können, das ist nach Plotin nur verständlich aus einem Bezug des in der Zeit Getrennten auf die Ganzheit der Ewigkeit, und dieser Bezug ist vermittelt durch die zeiterlebende Seele“ (STh I, 436).8 Für Kant sind Raum und Zeit apriorische Anschauungen. Aber sie sind als solche nicht aus Teilen zusammengesetzt. Der Raum ist nach Kant eine „unendliche gegebene Größe“ (KrV B 39), und es gilt ihm die „ursprüngliche Vorstellung Zeit als uneingeschränkt“ (KrV A 32). Nach Pannenberg 6 Die Begründung und Entfaltung einer solchen reflexiven Ontologie findet sich bei Karl Rahner: Die Hominisation als theologische Frage, in: K. Rahner / P. Overhage, Das Problem der Hominisation, Freiburg 1961, 13–90; und in der Rahner-Schule, etwa bei Béla Weissmahr; Ontologie, Stuttgart 1991. 7 Zu der Kontroverse, in der Pannenberg für Newton und Clarke gegen Leibniz Partei ergreift: STh II, 106–110; BSTh II, 20–29, 36–39. 8 Eine interessante Entsprechung zwischen Plotin und Pannenbegs ist auch darin zu sehen, dass für beide die Zeitlichkeit Ewigkeitswert hat. Bei Plotin ist sie als Seele (psyche) die dritte Hypostase nach Hen und Nous und gehört dem überweltlichen Sein an. Bei Pannenberg gibt es auch in Gott die Zeit, insofern er sich selbst Zukunft ist (siehe unten).

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hat Kant hier eine aktuale Unendlichkeit im Auge. Doch kann die nur auf die Subjektivität begründet werden? Hier verweist Pannenberg auf ein Weiterdenken durch den späten Fichte. Denn der Gedanke einer allem Auseinander vorgeordneten Einheit durch die Subjektivität „wird erst verständlich aus der Konstitution der Subjektivität selber durch die Intuition des Unendlichen als Bedingung aller endlichen Inhalte des Bewusstseins mit Einschluss des Gedankens des Ich selber“ (STh II, 116). Es ist letztlich die immer vorausgesetzte, letztlich nur von sich selbst her begreifbare Einheit, die sich unserer Erfahrung als umfassendes raum-zeitliches Feld darstellt.9 Hierbei gilt: „Auch die Unterscheidung des Raumes von der Zeit ist bereits ein Werk der Reflexion, die das Nebeneinander der Erscheinungen im Raume vom Nacheinander der zeitlichen Folge abhebt. Dabei erweist sich jedoch der Begriff der Zeit als fundamental, weil er konstitutiv ist für den des Raumes. Der Begriff des Raumes ist nämlich durch die Gleichzeitigkeit des Verschiedenen konstituiert“ (STh II, 111). Dies macht „die Zusammenfassung von Raum und Zeit zur Vorstellung der Raumzeit als eines vierdimensionalen Kontinuums philosophisch plausibel“ (111 f). Was Pannenberg hier anhand des Feldbegriffes entwickelt, entwickelt er mehr formal, aber zugleich grundlegend, am Begriff des Ganzen, bzw der Einheit. Sein Argument: wir sind unweigerlich auf eine umfassende Ganzheit ausgerichtet. Wir begreifen sie als Einheit, die aller Zusammensetzung aus Elementen vorausliegt (das gilt auch von einer potentiellen Unendlichkeit von Elementen, die immer diskrete Größen sind), einer Einheit also, die sich keiner Fremdvermittlung verdankt und nur aus sich zu begreifen ist.10

9 Zur theologischen Bedeutung des Feld-Begriffes: STh II, 99–105; 122–124; BSTh II, 51–54, 64– 68. 10 Die Bedeutung der Kategorien ‚Teil‘ und ‚Ganzes‘ für die Wissenschaftstheorie der Theologie, in: BSTh I, 85–100, besonders 93f. Die hier thematisierte Grenzenlosigkeit ist freilich nicht in ein potentelle Unendlichkeit von Elementen zu übersetzen. Pannenberg erörtert dies am Begriff des „aktual Unendlichen“ (STh II, 179 f). „Bolzano fasste das aktual Unendliche als ‚Inbegriff‘ oder ‚Menge‘ einer Vielheit auf, die aus unendlich vielen Teilen besteht“ (179). Dies übernimmt Cantor für seinen Begriff des aktual Unendlichen als komplexiven Mengenbegriff. Doch reicht dieser Begriff nicht an den einer in allen Endlichkeitsbezügen strukturell immer schon vorausgesetzten umfassenden Unendlichkeit heran. „Gegen die Auffassung der unendlichen Menge als aktual unendlich lässt sich jedoch einwenden, dass dabei immer schon die Vorstellung von Elementen, also von endlichen Teilen, aus denen eine solche Menge zusammengesetzt ist, zugrunde gelegt werden muss“ (180). Cantor scheint den Unterschied zu jenem letztlich aktual Unendlichen selbst gesehen zu haben: „Dabei galt ihm [Cantor] die Nichtvermehrbarkeit durch Hinzufügung weiterer Elemente als Kennzeichen erst des Absoluten, noch nicht des aktual Unendlichen im Unterschied zum potentiell Unendlichen“ (179 f). So ist es auch möglich, „die Welt als räumlich unbegrenzt, aber endlich zu denken“ (180).

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Das Geschöpf, in welchem die Welt zu sich kommt, verdankt dieses Bei-sich-Sein jener letzten Einheit, auf die hin sich zu überschreiten den Vollzug seiner Freiheit ausmacht. Es verdankt seine Selbständigkeit jener Macht der Zukunft. Nur auf sie kann es letztlich bauen und vertrauen, sich aus der Bindung an sie entgegennehmen und sein Selbstsein als Selbstseinsollen begreifen. Diese Annahme der eigenen Existenz ist eine religiöse Haltung. Sie gehört zum Menschen, und nach Pannenberg ist in ihr das Personwerden und Personbewusstsein begründet.11 Das Christentum ist die Religion, in welcher das Weltgeschehen als Geschichte und Gott als die Macht der Zukunft über diese Geschichte begriffen wird. Dies ist aber nicht ein nur äußerliches Gottesprädikat, sondern der Begriff von ihm, den er selbst als diese Macht uns mitgeteilt hat, d. h. der auch für ihn selbst, für sein eigenes göttliches Leben gilt. „In diesem Sinne kann Gott auch in sich selbst als Macht der Zukunft gedacht werden. Dies muss zumindest in dem Sinne behauptet werden, dass Gott keine Zukunft über sich selbst hinaus zu gewärtigen hat, wenn anders er die letzte Zukunft ist. Nun ist dies die Definition der Freiheit: Zukunft in sich selbst und aus sich selbst zu haben. Das legt nahe, Gott als reine Freiheit zu begreifen. Als reine Freiheit ist er unbeschränkt sich selbst gegenwärtig und hält dadurch alles Vergangene, dessen Zukunft er gewesen ist, sich gegenwärtig“ (TRG, 21). Das In-sich-selbst-Sein Gottes wurde in der Tradition meist der Zeitlichkeit der Welt strikt gegenübergestellt. Wird das In-sich-selbstSein Gottes aber als absolute Zukunft begriffen, kann Gott so gedacht werden, wie er sich zeigt. Die Hoffnung des Geschöpfes geht also nicht ins Leere, sondern auf ein Ziel zu, dessen Entfernung als Unendlichkeit absoluter Freiheit zugleich Nähe ist. In dieser Zukunft, die alles Vergangene bestimmt, ist alles Vergangene auch bewahrt, denn diese Zukunft ist allem Vergangenen gegenwärtig, wie sie dieses sich gegenwärtig sein lässt, indem sie es bestimmt. Dass Gott in sich selbst Zukunft ist, geht im übrigen gegen alle Vorstellungen einer abgeschlossenen Unveränderlichkeit seiner. Vielmehr lässt Gott, indem er sich als Zukunft zeigt, in sein Inneres blicken: in sein inneres trinitarisches Leben, mit dem er die Schöpfung umfasst, um sie in sein Leben hineinzunehmen und sich so als ihr Schöpfer erweist.

11 Vgl. den von Pannenberg verfassten Artikel „Person“ im RGG 1986. Es zeigt sich hier ein sachlicher Zusammenhang zwischen eschatologischem und Gewissens-Anspruch, worin Gott konkret und kontingent, in geschichtlich je neuer Perspektive sein Geschöpf in die Pflicht nimmt. Wie sollte dieser unausweichliche, Antwort heischende Anspruch nicht personal sein?

Hans-Dieter Mutschler

Pannenberg: Theologie der Natur – natürliche Theologie

Man unterscheidet gewöhnlich eine Theologie der Natur von einer natürlichen Theologie. Die Theologie der Natur setzt die Wahrheit der Theologie, insbesondere der Schöpfungstheologie, als gegeben voraus und fragt dann, ob unser modernes naturwissenschaftlich geprägtes Wissen in diesen Referenzrahmen hineinpasst. Die natürliche Theologie macht keine Glaubensvoraussetzungen, sondern sie stützt sich nur auf die allen Menschen gegebene Vernunft und fragt, ob auf dieser Basis die Existenz Gottes bewiesen, oder doch wenigstens plausibel gemacht werden kann. Grob gerechnet akzeptieren beide, die katholische und die evangelische Theologie eine Theologie der Natur, während sich Akzeptanz und Ablehnung einer natürlichen Theologie auf die katholische und evangelische Theologie verteilen. Der evangelische Theologie wird unterstellen, dass eine natürliche Theologie der Versuch ist, Gottes unabhängig von der Offenbarung habhaft zu werden und damit gegen das sola-gratia-Prinzip zu verstossen, während der katholische Theologe argumentieren wird, dass der Glaube ohne natürliche Theologie rational nicht gerechtfertigt werden kann, sowohl nach Innen, als auch nach Aussen. Diese Grobzeichnung gilt allerdings nur in erster Näherung. Wolfhart Pannenberg entwickelt weitläufig eine Theologie der Natur, während er eine natürliche Theologie ablehnt.1 Es soll nun im Folgenden gezeigt werden, dass diese Restriktion nicht durchzuhalten ist, allerdings unter der Voraussetzung, dass man die natürliche Theologie vom Anspruch eines apriorisch-notwendigen Wissens entlastet, also keine Gottesbeweise im eigentlichen, strengen Sinn mehr führt, sondern nur noch nach Hinweisen für die Existenz Gottes in unserer natürlichen Welterfahrung sucht. Pannenbergs Theologie der Natur fokussiert sich auf drei Themenkreise: 1) das Verhältnis zwischen Naturgesetzlichkeit und Ereigniskontingenz, 2) den physikalischen Feldbegriff als Platzhalter des heiligen Geistes und 3) die Inter-

1 Seine Ablehnung der natürlichen Theologie wird deutlich in STh I, 73–132.

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pretation der Evolution des Lebendigen als „creatio continua“ im Sinn einer Ermöglichung des schöpferisch Neuen. Grundprinzip von Pannenbergs Integration naturwissenschaftlicher Ergebnisse in den Referenzrahmen der Schöpfungstheologie ist eine Art philosophischer Aufbereitung naturwissenschaftlicher Ergebnisse. Pannenberg sieht völlig richtig, dass Naturwissenschaft per se keinen unmittelbaren Bezug zur Theologie haben kann. Ihre Vorgehensweise ist viel zu formal. Auf diese Art gelingt es ihm, den Wahrheitsanspruch des Christentums mit dem der Naturwissenschaften zu vermitteln. Das Gelingen eines solchen Versuchs ist gegen Karl Barth eine Frage von Sein oder Nichtsein des christlichen Glaubens. Wären die Ergebnisse der modernen Naturwissenschaft nicht in die Schöpfungstheologie integrierbar, müsste man den Glauben aufgeben. Um zwei Beispiele vorweg zu machen: der Kosmos ist ungefähr 13,8 Milliarden Jahre alt und hat einen Durchmesser von vielleicht 10 Milliarden Lichtjahren. Ist es unter dieser Voraussetzung plausibel anzunehmen, dass Gott bei der Erschaffung der Welt den Menschen von vornherein im Auge hatte? Oder: wenn die Evolution des Lebendigen sich ebenso regellosen Zufällen und sinnfreien Gesetzen verdankt, wie plausibel könnte dann die These sein, dass Gott in der Evolution schöpferisch wirksam ist? Die Beispiele könnten vermehrt werden und sie führen ja auch dazu, dass viele mit der Naturwissenschaft Vertraute den Glauben für eine Absurdität halten. Die aggressiven Atheisten der „Giordano Bruno Stiftung“ treten mit dem Slogan an die Öffentlichkeit „Glaubst Du noch oder denkst Du schon?“ In einer solchen Situation der weltanschaulichen Grabenkämpfe, die peinlich an das späte 19. Jahrhundert erinnern, ist es umso wichtiger, dass sich der christliche Glaube seiner eigenen Vernünftigkeit vergewissert und das ist es, was Pannenberg mit seiner Theologie der Natur zu leisten versucht.2 Wir werden also diesem Versuch eine hohe Dignität, ja einen zwingenden Charakter zusprechen, abgesehen davon, dass er – wie immer bei Pannenberg – auf einer stupenden Gelehrsamkeit beruht. All das sei unbenommen. Die im Folgenden geäusserte Kritik beansprucht nur zu zeigen, dass mit einer solchen Theologie der Natur das ganze Geschäft noch nicht erledigt ist. Pannenbergs Theologie der Natur richtet sich nach Innen. Sie weist nach, dass der christliche Schöpfungsglaube naturwissenschaftlich interpretierbar ist. Sie zeigt aber nicht oder will vielleicht gar nicht zeigen, dass diese Interpretierbarkeit für andere weltanschauliche Optionen genauso gut oder vielleicht sogar noch besser durchgeführt werden kann. Der Philosoph Daniel Dennett unternimmt es in immer erneuten Anläufen, alle Aspekte der für emergent gehaltenen Eigenschaften des Menschen zu na2 Seine Theologie der Natur findet sich in STh II, 77–201.

Pannenberg: Theologie der Natur – natürliche Theologie

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turalisieren (für die Natur scheint ihm das ohnehin evident).3 Wir haben also eine gewichtige Alternative zu einer Theologie der Natur, nämlich eine Art von ‚Materialismus der Natur‘. Ein solcher szientifischer Naturalismus missversteht sich freilich als direkte Konsequenz der Naturwissenschaft. Ich habe an anderer Stelle gezeigt, dass es sich dabei um eine Selbsttäuschung handelt.4 Der weltanschauliche Materialismus folgt mitnichten direkt aus den Ergebnissen der Naturwissenschaft, sondern nur wenn wir weitere, nichtempirische Prämissen als wahr unterstellen. Aber wenn wir es so sehen, dann könnten wir sagen: Der Integration naturwissenschaftlicher Ergebnisse in den Referenzrahmen der christlichen Schöpfungstheologie steht eine ähnliche Integration in den Referenzrahmen des Materialismus entgegen und es ist noch längst nicht ausgemacht, wer das Rennen gewinnt. Das soll nun an einigen Beispielen verdeutlicht werden: Es wurden oben drei wichtige Schwerpunkte Pannenbergs erwähnt, deren erster das Verhältnis zwischen Naturgesetzlichkeit und Ereigniskontingenz ist. Während ein verbreiteter physikalistischer Platonismus die zeit- und ortsinvarianten Gesetze der Physik für ontologisch fundamental hält, sodass sich Kontingenz nur an diesen Gesetzmässigkeiten bemisst (als deren Negation), geht Pannenberg davon aus, dass zeit- und ortsinvariante physikalische Gesetzmässigkeiten, die von allem Individuellen abstrahieren, sekundär sind. Primär ist für ihn Ereigniskontingenz als ein gerichtetes Werden. Er argumentiert, dass wir die Geschichtlichkeit des Menschen, aber auch der aussermenschlichen Natur, nur hinreichend verorten können, wenn wir eine solche Ereigniskontingenz unterstellen. Im umgekehrten Fall könnten dieses Geschichtliche nur gleichsam als ‚Abfallprodukt‘ nomologischer Zusammenhänge begriffen werden, wodurch es unterbestimmt bliebe. Dies ist ein sehr interessanter Gedanke, der übrigens mit Überlegungen von Charles Sanders Peirces’ evolutionärer Metaphysik übereinstimmt5, der allerdings bei Pannenberg keine Rolle spielt. Dass sich ein solcher Gedankengang zwanglos in die christliche Schöpfungstheologie hinein verlängern lässt, versteht sich von selbst, besteht diese doch aus kontingenten Heilssetzungen oder allgemein auf dem Primat des Geschichtlichen vor den Regelkreisläufen der Natur. Was man aber bedenken sollte ist, dass sich ein Materialist Pannenbergs Gedankengang genauso zunutze machen könnte. Martin Heidegger war Atheist. Sein erstes grosses Werk „Sein und Zeit“ war programmatisch.6 Traditionelle, essentialistische Philosophie betrachtete das 3 4 5 6

So z. B. Dennett 1987; 1993; 1998; 2003 usw. Mutschler 2014. Peirce 1991. Heidegger 1979.

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Sein als primär und das Werden, mithin auch die Geschichte, als akzidentell. Diese Gewichtung, die man z. B. bei Thomas von Aquin findet, wird von Heidegger auf den Kopf gestellt: Das Werden, namentlich das geschichtliche Werden ist primär und alles starre Sein nur ein Abstraktionsprodukt des zugrundeliegenden Werdens. Zwar hat Heidegger kaum über die Natur nachgedacht, aber er hätte Pannenbergs Gedankengang leicht für sich reklamieren können, nämlich als erwünsche Verlängerung seines geschichtlichen Denkens in die aussermenschliche Natur. Wer hat nun Recht? Keiner oder Jeder. Der Sachverhalt ist multipel interpretierbar und zeichnet per se keine weltanschauliche Position aus. Wir werden sehen, dass dies häufig der Fall ist, sodass es für Pannenbergs Interpretationen immer auch eine gewichtige Alternative gibt, manchmal sogar mehrere. Der zweite wesentliche Punkt bei Pannenberg ist seine Feldontologie des heiligen Geistes. Ich bin nicht der Einzige, der sie für misslungen hält.7 Aber das ist jetzt nicht der Punkt. Vielmehr lässt sich zeigen, dass eine materialistische Interpretation des Feldbegriffs mindestens ebenso plausibel ist. Solche Interpretationen beruhen allerdings in jedem Fall auf Extrapolationen, die sich von der Physik her schwerlich rechtfertigen lassen. Das liegt schon allein am relationalen Charakter physikalisch-mathematischer Gesetze. Sie zeichnen nämlich keines der Relate als Ursprüngliches aus. Ob in der klassischen Mechanik, der Elektrodynamik oder der Quantenfeldtheorie: überall finden wir nur Relationen zwischen Partikeln und Feldern, sodass es willkürlich erscheint, von einem Primat der Partikel vor den Feldern oder umgekehrt zu sprechen. Merkwürdigerweise ist sich Pannenberg dessen bewusst.8 Seine Argumente für einen Primat des Feldes vor der Partikel sind schwach: Einmal argumentiert er historisch, wonach sich der Feldbegriff aus dem des heiligen Geistes entwickelt habe, was systematisch ohne Belang ist. Zum Anderen beruft er sich auf Faraday und Einstein, die selber eine Feldontologie vertreten hätten. Das ist wohl wahr. Aber man muss auch bei grossen Physikern zwischen ihren wohlbestätigten Theorien und ihrer damit verbundenen Privatphilosophie unterscheiden. Der Primat des Feldes vor dem der Partikel ist eine solche Privatphilosophie. Bei Einstein hat sie mit seinem Spinozismus zu tun, der seinerseits keine Konsequenz der Physik ist. Der Physiker Richard Feynman hat die Gegenrechnung aufgemacht: Seine Pfadintegrale gehen von einem Primat der Partikel vor dem Feld aus. Konsequenterweise war Feynman Materialist. In Wahrheit aber kann der Sachverhalt 7 Mutschler 1995a. Vgl auch Ulrich Beuttler in diesem Band oder Polkinghorne 1998, 83. 8 Einstein habe in seiner Allgemeinen Relativitätstheorie versucht, den Kraftbegriff auf das metrische Feld zurückzuführen. Aber: „Denkbar bleibt auch die umgekehrte Reduktion des metrischen Feldes der Raumzeit auf den Kraftbegriff.“ (STh II, 101).

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multipel interpretiert werden, da es sich nur um Relationen handelt, die ihre Relate unbestimmt lassen, so dass ihre weltanschauliche Semantisierung in der Luft hängt. Materialistische wie spiritualistische Interpretationen des Sachverhalts sind beide gleich konsequent oder auch inkonsequent. Das gilt übrigens auch für das Verhältnis von Raum und Zeit. Für Pannenberg ist die Zeit im Sinn einer Ereigniskontingenz primär, der Raum sekundär. An sich generiert die Physik hier keine Vorzugsordnung. Raum- und Zeitkoordinaten spielen, physikalisch gesehen, eine ganz andere Rolle, sind also unvergleichbar. Im Minkowski-Raum der Speziellen Relativitätstheorie Einsteins spielt die Zeit eine ganz ähnliche Rolle wie die drei Raumkoordinaten. Das hat schon Einstein selbst dazu veranlasst, aufgrund seiner spinozistischen Überzeugung, die Zeit für eine Illusion zu halten und allein den Raum gelten zu lassen. Man nennt das heute auch ‚Blockuniversum‘. Das heisst also: wenn man schon aus philosophischen Gründen eine Vorzugsordnung herstellen wollte, wäre – gegen Pannenberg – diese Deutung nahliegender. Der dritte Gesichtspunkt Pannenbergs betrifft die Evolutionstheorie. Hier bedient er sich der damals modischen Extrapolationen aus der physikalischen Selbstorganisationstheorie, insbesondere Ilya Prigogines. Günter Altner, auf den er sich sehr häufig beruft, hat diese Extrapolationen aus der physikalischen Chemie in die evangelische Theologie mit grossem Erfolg verbreitet9, während sie heute charakteristischerweise vergessen ist. Mit dem üblichen ‚cultural lag‘ wurde sie dann auch in der katholischen Theologie Mode, so z. B. bei Alexandre Ganoczy.10 Hier ist es nun nicht so, dass die an sich erstrangige Entdeckung der Nichtgleichgewichtsthermodynamik philosophisch gedeutet worden wäre, sondern Prigogine hat sie selber philosophierend popularisiert, so in dem damals vielgelesenen Buch „Dialog mit der Natur“.11 Es versteht sich, dass es im Rahmen der Physik keinen solchen Dialog geben kann, denn das physikalische Experiment setzt Zwangsbedingungen, unter denen die Natur als gesetzlich geregelte erscheint auch dann, wenn es unter Nichtgleichgewichtsbedingungen Bifurkationen gibt, d. h. unvorhersehbare Verzweigungen, über die man nicht hinwegrechnen kann.12 Pannenberg bezieht den physikalisch extrapolierten Begriff der ‚Selbstorganisation‘ auf das Lebendige im Sinn echter Höherentwicklung und verbindet ihn

9 Altner 1979. 10 Ganoczy 1992; 1995. Der Theologe Wolfgang Achtner hat die ungerechtfertigten Extrapolationen aus Chaos- und Selbstorganisationstheorie klar kritisiert. (In: Achtner 1997). Vgl. auch meine diesbezügliche Kritik in: Mutschler 1990a, 178–187. 11 Prigogine/ Stengers 1981. 12 Prigogine nennt im selben Atemzug das physikalische Experiment einen «Dialog» und ein «Kreuzverhör». Das geht wohl nicht zusammen. (Prigogine/ Stengers 1981, 48).

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mit dem theologischen Begriff der ‚creatio continua‘.13 Dass all dies mit einer überschwänglich interpretierten Physik zusammenhängt, kann uns hier gleichgültig sein, in diesem Zusammenhang zählt allein die Tatsache, dass Prigogine seine Theorie durchaus materialistisch verstanden hat. Gleich zu Beginn seines „Dialogs mit der Natur“ weist er alle metaphysischen Naturdeutungen, die mit einem élan vital oder mit Entelechien arbeiten zurück, zugunsten einer rein materialistischen Erklärung.14 Das heisst, wenn man sich schon auf solche spekulativen Deutungen der Selbstorganisationstheorie einlässt, so würde sich eine solche materialistische Deutung eher nahelegen. So viel sollte vielleicht genügen. Es wäre leicht möglich, alle Deutungen Pannenbergs, die er auf die christliche Schöpfungstheologie bezieht, genauso gut materialistisch zu deuten und das ist noch nicht alles. Es gibt ja auch noch andere weltanschauliche Deutungsrahmen. Physiker, wenn sie religiös sind, sind selten Christen. Sie neigen eher zu den ostasiatischen Religionen. Das ist naheliegend, denn die Physik ist apersonal und diese Religionen sind es auch. Bei ihnen steht nicht das Personale im Zentrum, sondern der Kosmos. Aus diesem Grund war z. B. Erwin Schrödinger, einer der Erfinder der Quantentheorie, überzeugter Hinduist. Was oft übersehen wird, Carl-Friedrich von Weizsäcker war es auch.15 Kaum ein Philosoph oder Physiker wird von Pannenberg so häufig zitiert wie von Weizsäcker. Diese Seite seines Gewährsmannes hat er aber nicht berücksichtigt. Das gilt auch für David Bohm, der eine alternative Quantentheorie entwickelt hat, die durchweg deterministisch ist.16 Pannenberg erwähnt sein Werk über die „Implizite Ordnung“17, die aber Bohms vom Hinduismus inspirierte Privatphilosophie darstellt (der Hinduweise Jiddu Krishnamurti war sein Guru).18 Wie dem auch sei, die Affinität der Physik zu ostasiatischen Religionen sollte deutlich geworden sein, so dass man sich fragen könnte, ob sie nicht in deren Referenzrahmen sogar besser aufgehoben wäre?19 Und das ist ja noch nicht alles: Ernst Bloch sortierte die Naturwissenschaft in seinen weltanschaulichen Marxismus ein.20 Auch die Esoterik bietet sich an, sowie die Neognosis der Anthroposophen. Man mag darüber lächeln, aber die hohe Abstraktheit heutiger Naturwissenschaft hat als Kehrseite diese multiple 13 14 15 16 17 18 19

STh II, 152–159. Prigogine/ Stengers 1981, 11/2. Weizsäcker 1988. STh II, 114. Bohm 1985. Bohm 1988. Vgl. Fritjof Capras New Age Physik (Capra 1979). Meine Kritik dieser New Age Bewegung in: Mutschler 1990b. 20 Bloch 1985.

Pannenberg: Theologie der Natur – natürliche Theologie

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Interpretierbarkeit, was übrigens leicht die Tatsache erklärt, dass es unter bedeutenden Naturwissenschaftler alles gibt: Christen, Pantheisten, Agnostiker, Buddhisten, Hinduisten, Materialisten usw. Sollte Pannenberg mit seiner christlichen Interpretation den Anspruch der Überlegenheit gestellt haben, so hat er ihn schon allein deshalb nicht eingelöst, weil er diese Alternativen gar nicht zur Kenntnis genommen hat. Sein Unternehmen, das man dennoch nicht geringachten sollte, läuft auf eine Art „fides quaerens intellectum“ hinaus, d. h. auf eine Selbstvergewisserung des Glaubens. Die ist, wie gesagt, unabdingbar, stabilisiert das Christentum aber nur nach Innen.21 Was aber, wenn z. B. ein Atheist kommt und wissen will, welche Gründe er angesichts der naturwissenschaftlichen Weltkonstruktion hat, so etwas wie ‚Gott‘ überhaupt in Erwägung zu ziehen? Die blosse Interpretierbarkeit naturwissenschaftlicher Ergebnisse im Referenzrahmen der christlichen Schöpfungstheologie wird ihm dann nicht reichen, denn diese Interpretierbarkeit ist nicht ohne Alternativen. Es scheint, dass wir an dieser Stelle auf eine natürliche Theologie zurückgreifen sollten, allerdings nicht ohne die entsprechenden Vorsichtsmassnahmen. Pannenberg lehnt die natürliche Theologie, als den Ort der Gottesbeweise, ab. Aber solche Gottesbeweise werden selbst in der katholischen Theologie kaum mehr geführt. Klaus Müller z. B. versteht diese ‚Gottesbeweise‘ lediglich als interne Konsistenzprüfungen des Glaubens.22 Selbst ein so konservativer katholischer Autor wie Robert Spaemann gewichtet seinen ‚neuen Gottesbeweis‘ aus dem futurum exactum lediglich als ein „argumentum ad hominem“.23 Als Physiker und anglikanischer Theologe hat John Polkinghorne keine Berührungsängste mit der natürlichen Theologie. Gegen die vorgeblich strengen Gottesbeweise und apriori-Wahrheiten, spricht er von einer „new style natural theology“.24 Das ist es, worauf er hinauswill. In seiner „revidierten natürlichen Theologie“ geht es nur noch um Hinweise, nicht mehr um Beweise. Einer dieser Hinweise ergibt sich aus der Einfachheit physikalischer Grundprinzipien. Schon seit langer Zeit wundern sich die Physiker, dass die Natur nicht von der Art ist, dass jede Klasse von Phänomenen eigenen Gesetzmässigkeiten genügt, 21 Es könnte sein, dass Pannenberg seine Deutung für so bestechend hielt, dass sie von den Naturwissenschaftlern hätte akzeptiert werden sollen. Diese Reaktion ist nie eingetreten, würde aber sein Engagement für Frank Tiplers «Physik der Unsterblichkeit» erklären, ein Science Fiction Roman unter dem Vorwand der Wissenschaft. Hier interessierte sich endlich einmal ein first class Physiker für ihn. (Tipler 1994) Vgl. meine Kritik an Tipler unter Mutschler 1995b. 22 Müller 2001. 23 Spaemann 2007, 33. 24 Polkinghorne 1998, 10.

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die deduktiv unverbunden nebeneinander stehen würden, sondern dass sie auf wenige Grundprinzipien reduzierbar sind. Das ist apriori gar nicht zu erwarten. Tatsächlich haben die Physiker durch die gesamte Geschichte ihres Faches immer wieder diese Erfahrung gemacht, dass das Wissen zunächst einmal in alle Richtungen geht, sich aber nach einiger Zeit wieder zwanglos in relativ einfache Grundgleichungen auflösen lässt. Es gibt zwar keine Garantie, dass das auch in Zukunft so sein wird, aber die metaphysische Überzeugung von der Einfachheit der Natur war bisher immer eine gute regulative Idee. Sie liegt auch der heutigen Suche nach einer Vereinigten Feldtheorie zugrunde. Im Licht dieses überraschenden Resultates erscheint die Natur wie von einem Künstler hervorgebracht, der aus Wenigem Viel macht. Man hat auch von einer ‚Ökonomie der Mittel‘ gesprochen oder von der ‚Eleganz‘ und ‚Schönheit‘ mathematisch-physikalischer Formeln. Dieses Prinzip kommt auch in Anwendung, wenn wegen der empirischen Unterdeterminiertheit von Theorien, eine Auswahl getroffen werden muss. So bekam z. B. Einstein den Zuschlag, obwohl zu seiner Zeit mehrere Theorievorschläge im Umlauf waren, die manchmal sogar empirisch exakter waren als seine Spezielle Relativitätstheorie.25 „Simplex sigillum veri“: Aufgrund solcher Einsichten erscheint der Kosmos, als wäre er von einem Künstler gemacht, der mit wenig Aufwand ein Maximum an Gehalt und Schönheit hervorbringt. Wir haben also in den metatheoretischen Voraussetzungen der Physik den Hinweis auf einen schöpferischen Geist, der alles durchdringt. Polkinghorne sieht einen solchen Hinweis auch in einem Werterealismus, den er zu diesem Zweck begründet.26 Wir müssen jetzt diese „natürliche Theologie im neuen Stil“ nicht ausführlicher darstellen. Dies möge für unsere Zwecke genügen.27 Es ist nicht leicht zu sehen, weshalb eine derart tief gehängte Metaphysik der natürlichen Theologie dem sola-gratia-Prinzip widersprechen sollte. Wenn aber doch, dann sollte man sich über die Konsequenzen im Klaren sein. Nach Ingolf Dalferth verweist nichts in dieser Welt per se auf Gott, für den Gläubigen aber alles.28 Dies ist die radikalprotestantische Auffassung. Sie würde bestreiten, dass Polkinghornes Überlegungen für die Frage nach der Existenz Gottes etwas hergeben, obwohl man nicht leicht sehen kann, warum das so sein 25 Fölsing 1995, 231. 26 Polkinghorne 1995, 19/20. 27 Einmal, weil es nur um die Vermittlung von Theologie und Naturwissenschaft geht, zum Anderen, weil man anspruchsvolleren, voraussetzungsreicheren Formen der natürlichen Theologie mit Skepsis begegnen sollte. So z. B. Holm Tetens Versuch, das Theodizeeproblem mit dem Gedanken einer Gerechtigkeit für die Opfer der Geschichte kleinzureden. Je metaphysisch anspruchsvoller eine natürliche Theologie, desto weniger lässt sie sich argumentativ einlösen. (Tetens 2015). 28 Dalferth 2008, 45.

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sollte. Auf jeden Fall würde sich eine solche Position den Weg zur Auseinandersetzung mit den Materialisten abschneiden. Denn wenn jetzt ein gutwilliger Atheist dem Theologen die sehr berechtigte Frage stellen würde, was ihn denn veranlassen könnte, so etwas wie ‚Gott‘ überhaupt in Betracht zu ziehen, dann müsste ihm der Radikalprotestant erwidern: „Nichts. Du musst erst gläubig werden, die Bibel lesen, in Kirche gehen usw., dann wirst Du die Wahrheit des christlichen Glaubens einsehen.“ Der Atheist wird sich bedanken. Man bietet ihm keine neutrale Diskussionsbasis auf Augenhöhe an, sondern er muss sozusagen ‚die Katze im Sack‘ kaufen. Das wird er als paternalistisch-herablassend empfinden, als eine argumentfreie Position, die er nicht weiter ernst nehmen muss. Ein Theologe sollte wissen, wie er auf andere wirkt. Im Übrigen scheint es, dass Pannenberg selbst so etwas wie eine natürliche Theologie vertritt: In seiner Schrift „Metaphysik und Gottesgedanke“ betont Pannenberg zurecht, dass die Metaphysikphobie vieler seiner evangelischen Kollegen für die Theologie kontraproduktiv sei. Er selbst sieht die Metaphysik angesiedelt im Spannungsverhältnis zwischen Endlichem und Unendlichem, wobei das Endliche immer nur als Einschränkung des Unendlichen gedacht werden kann – ein Hegelianischer Gedanke. Es ist nicht weit hergeholt, hierin eine Art von natürlicher Theologie zu sehen.29

Literatur Achtner, Wolfgang: Die Chaostheorie. Geschichte, Gestalt, Rezeption, Berlin 1997 Altner, Günter: Die Überlebenskrise in der Gegenwart. Ansätze zum Dialog mit der Natur in Naturwissenschaft und Theologie, Darmstadt 1979 Bloch, Ernst: Das Materialismusproblem, seine Geschichte und Substanz, Frankfurt 1985 Bohm, David: Die implizite Ordnung. Grundlagen eines dynamischen Holismus, München 1985 Bohm, David: Über das Erwachen der Intelligenz. Ein Gespräch mit zwischen Jiddu Krishnamurti und Professor David Bohm, München 1988 Capra, Fritjof: Das Tao der Physik, München, 91987 Dalferth, Ingolf U.: Naturrecht in protestantischer Perspektive, Baden Baden 2008 Dennett, Daniel: The Intentional Stance, London 1987 Dennett, Daniel: Consciousness explained, New York 1993 Dennett, Daniel: Brainchildren, Cambridge Mass. 1998 Dennett, Daniel: Freedom evolves, London 2003 Fölsing, Albrecht: Albert Einstein, Frankfurt 1995

29 So seine These in MuG.

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Ganoczy, Alexandre: Suche nach Gott auf den Wegen der Natur. Theologie, Mystik, Naturwissenschaft – ein kritischer Versuch, Düsseldorf 1992 Ganoczy, Alexandre: Chaos, Zufall, Schöpfungsglaube. Die Chaostheorie als Herausforderung an die Theologie, Mainz 1995 Heidegger, Martin: Sein und Zeit, Tübingen 1979 Losch, Andreas: Jenseits der Konflikte. Eine konstruktiv-kritische Auseinandersetzung von Theologie und Naturwissenschaft, Göttingen 2011 Müller, Klaus: Gott erkennen. Das Abenteuer der Gottesbeweise, Regensburg 2001 Mutschler, Hans-Dieter: Spekulative und empirische Physik, München 1990a Mutschler, Hans-Dieter: Physik – Religion – New Age, Würzburg 1990b Mutschler, Hans-Dieter: Schöpfungstheologie und physikalischer Feldbegriff nach Wolfhart Pannenberg, in: Theologie und Philosophie, 4 (1995a) Mutschler, Hans-Dieter: Frank Tiplers Physical Eschatology in: Zygon Vol. 30 (3), Chicago September 1995b Mutschler, Hans-Dieter: Halbierte Wirklichkeit. Warum der Materialismus die Welt nicht erklärt, Darmstadt 2014 Pannenberg, Wolfhart: Systematische Theologie Bd. I–III, Göttingen 1988ff (STh I, II, III) Pannenberg, Wolfhart: Metaphysik und Gottesgedanke, Göttingen 1988 (MuG) Peirce, Charles S.: Naturordnung und Zeichenprozess, Frankfurt 1991 Polkinghorne, John: Belief in God in an Age of Science, New Haven and London 1998 Prigogine, J./ Stengers, J.: Dialog mit der Natur, München 1981 Spaemann, Robert: Das unsterbliche Gerücht. Die Frage nach Gott und die Täuschung der Moderne, Stuttgart 2007 Tetens, Holm: Gott denken. Ein Versuch über rationale Theologie, Stuttgart 2015 Tipler, Frank J.: Die Physik der Unsterblichkeit, München 1994 Weizsäcker, Carl-Friedrich/ Gopi Krishna: Die biologische Basis der religiösen Erfahrung, Frankfurt 1988

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Naturgesetze und Naturgeschichte Überlegungen zum Handeln Gottes im Anschluss an Wolfhart Pannenberg

Einleitung Schon allein aufgrund des radikalen Wahrheitsanspruches der christlichen Botschaft1 sieht Pannenberg die Theologie in der Pflicht, sich auf einen kritischen Dialog mit den Naturwissenschaften einzulassen.2 Auch wenn wir aus theologischer Perspektive die Wirklichkeit von Welt und Mensch primär von Gott her begründen und beschreiben3, können wir die prägende Rolle der Naturwissenschaften für unser modernes Welt- und Selbstverständnis nicht länger vernachlässigen.4 Der Theologe Pannenberg sucht daher aktiv das Gespräch mit neueren naturwissenschaftlichen Ansätzen der Quantentheorie, der Thermodynamik und der physikalischen Kosmologie5; er setzt sich darüber hinaus aber 1 Pannenberg spricht „von der Wahrheit der christlichen Lehre, die das Leitthema der gesamten hier vorgelegten Darstellung bildet.“ (STh III, 10). Siehe dazu weiterführend die einschlägigen Überlegungen in Wissenschaftstheorie und Theologie (1973) sowie das Kapitel Die Wahrheit der christlichen Lehre als Thema der systematischen Theologie in STh I, 11−72. Für eine kritische Analyse des dezidiert theologischen Wahrheitsverständnisses von Pannenberg, dessen komplexer synthetischer Entwurf von Wahrheit anderen wissenschaftlichen bzw. philosophischen Wahrheitskonzepten nicht einfach nur gegenübergestellt werden kann, siehe weiterführend Thorsten A. Leppek, Wahrheit bei Wolfhart Pannenberg. Eine philosophischtheologische Untersuchung (FSÖTh; 159), Göttingen 2017. 2 Vgl. STh II, 11f. 3 Vgl. STh II, 12. 4 „If the God of the Bible is the creator of the universe, then it is not possible to understand fully or even appropriately the processes of nature without any reference to that God. If, on the contrary, nature can be understood without reference to the God of the Bible, then that God cannot be the creator of the universe, and consequently he cannot be truly God and be trusted as a source of moral teaching either.“ (Wolfhart Pannenberg, Theological questions to scientists. In: Ders., Toward a theology of nature. Essays on science and faith. Edited by Ted Peters, Louisville; Kentucky 1993, 15−28; 16). 5 Siehe dazu weiterführend die Überlegungen zu einer Geschichte der Natur in Wolfhart Pannenberg, Kontingenz und Naturgesetz. In: A. M. Klaus Müller / Wolfhart Pannenberg, Erwä-

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auch intensiv mit der Biologie, der Evolutionslehre, der Verhaltensforschung und der Anthropologie6 auseinander. Mit seiner dialogorientierten Grundhaltung, die Position bezieht, ohne deshalb die andere Seite für eigene Zwecke vereinnahmen zu wollen, stellt er sich entschieden gegen den neuzeitlichen Trend7, Theologie und Naturwissenschaften fein säuberlich getrennte Arbeitsfelder mit ihren je eigenen Sprachcodes zuzuweisen8 oder der reflexiven Auseinandersetzung mit der Gottesfrage gar jeglichen wissenschaftlichen Anspruch zu bestreiten.9 Dass sich Pannenberg mit seiner differenziert abwägenden Position von naturwissenschaftlicher wie von theologischer Seite, wenn auch aus unterschiedlichen Gründen, mit teils heftigen Angriffen konfrontiert sieht, wird angesichts dieses anspruchsvollen Konzepts kaum verwundern. Soll der angezielte Dialog zwischen Naturwissenschaften und Theologie nicht ins Leere laufen, sondern eine neue Qualität bekommen, muss die Theologie nicht nur selbst als Wissenschaft begriffen werden können, sie sieht sich zugleich auch dazu aufgefordert, eine eigenständige Theologie der Natur zu entwickeln „that relies on both modern science and classical Christian committments regarding creation, conservation and governance.“10 In einem darauf aufbauenden philosophisch vermittelten Gesprächsprozess mit den Naturwissenschaften kann die Theologie nach Pannenberg nicht einfach eine aufmerksame, aber letztlich passive Zuhörerin bleiben. Sie hätte vielmehr selbst zu einer aktiven Sprecherin11 zu werden, die Thesen – wie etwa diejenige vom grundlegend geschichtlichen Charakter der Natur12 – ins wissenschaftliche Gespräch einbringt und mit Argumenten als wahr zu erweisen versucht. Mit welchen Herausforderungen sich die Theologie dabei konfrontiert sieht, wird spätestens dann deutlich, wenn Pannenberg mit aller gebotenen Nüchternheit daran erinnert, wie schwer es dem modernen Menschen insgesamt fällt, Bezüge zwischen dem Schöpfergott des christlichen Glaubens und seinem weithin durch die Naturwissenschaften ge-

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12

gungen zu einer Theologie der Natur, Gütersloh 1970, 33−80; 47−56 sowie die im zweiten Band der Beiträge zur Theologie unter dem Titel Natur und Mensch – und die Zukunft der Schöpfung (2000) versammelten Beiträge. Siehe weiterführend die einschlägigen Passagen in den beiden Werken Was ist der Mensch? (1962) und Anthropologie in theologischer Perspektive (1983). Vgl. Stanley J. Grenz, Reason for hope. The systematic theology of Wolfhart Pannenberg, Grand Rapids; Michigan 22005, 135. Für eine erste kritische Einschätzung der two-language-theory siehe Ted Peters, Editors introduction. In: Wolfhart Pannenberg, Toward a theology of nature, 1−14; 3−6. Vgl. Stanley J. Grenz, Reason for hope, 136. Ted Peters, Editors introduction, 2. Vgl. Niels Henrik Gregersen, Introduction: Wolfhart Pannenberg’s contributions to theology and science. In: Wolfhart Pannenberg, The historicity of nature. Essays on science and theology. Edited by Niels Henrik Gregersen, West Conshohocken; Pennsylvania 2008, VII– XXIV; XIII. Vgl. ebd., VII–XIV.

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prägten mechanistischen Weltbild herzustellen.13 Gott erscheint vielen bestenfalls als unbeteiligter Zuschauer naturgesetzlicher Abläufe14, aber nicht mehr als Schöpfer und Herr der Welt, als der er in der biblischen Tradition erfahren wurde. Im Folgenden kann es selbstredend nicht um eine ausführliche Analyse des Verhältnisses von Theologie und Naturwissenschaften gehen, noch wird die Wissenschaftlichkeit der Theologie thematisiert werden. Im Zentrum der nachfolgenden Überlegungen steht vielmehr die Geschichte der Natur und damit die „Frage, ob sich die Ordnung des Geschehens, die als Gesetzmäßigkeit beschreibbar wird, selbst … als fundiert durch kontingentes Geschehen“15 begreifen lässt, wie dies etwa in den hypothetischen wenn-dann Sätzen bereits angedeutet ist.16 Mit anderen Worten: Es soll diskutiert werden, ob bzw. inwieweit sich die Ordnung der Naturgesetze selbst im Horizont der ihr scheinbar entgegengesetzten Kontingenz des Geschehens begreifen lässt und dabei zugleich ein vertieftes Wirklichkeitsverständnis ermöglicht, das dem biblischen Gottesgedanken und dem eng damit verbundenen Geschichtsdenken explizit Raum gibt.17

1.

Kontingenz und Naturgesetz – auf dem Weg zu einer Geschichte der Natur

Aus Sicht des biblischen Schöpfungsglaubens liegt der Ursprung der Welt in Gott. Die Schöpfung ist „Ergebnis und Ausdruck eines freien Aktes göttlichen Wollens und Handelns“18 und existiert daher gerade nicht notwendig. Die Welt und die menschliche Geschichte sind nicht Teil des göttlichen Wesens, sie gehen nicht unmittelbar aus Gott selbst hervor.19 Sie könnten auch nicht sein und sind daher aus philosophischer Sicht kontingent, bleiben aber zugleich in ihrer geschöpflichen Abkünftigkeit auf Gott bezogen. Mit anderen Worten: Kontingenz ist ein philosophischer Ausdruck für das, „was theologisch als schöpferisches Handeln Gottes gewürdigt werden muß“20. Könnten Welt und menschliche Freiheitsgeschichte als gänzlich eigenständige und von Gott unabhängige Wirklichkeiten gedacht werden, würde damit nach Pannenberg nicht weniger als der Wahrheitsanspruch des christlichen Gottesglaubens selbst in Frage gestellt, weil „die

13 14 15 16 17 18 19 20

Vgl. BSTh 2, 12. Vgl. BSTh 2, 17 u. 30. Wolfhart Pannenberg, Kontingenz und Naturgesetz, 42. Vgl. ebd., 57. Vgl. ebd., 40−42. STh II, 15; vgl. 34. Vgl. STh II, 33. STh II, 88.

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Macht Gottes über seine Schöpfung, die darin in Erscheinung tritt, daß jede Begebenheit, jedes Ereignis zugleich eine Tat Gottes ist“21, bestritten wäre. Insofern der Gott der Bibel als eine die gesamte Wirklichkeit bestimmende schöpferische Macht22 erfahren wird, durchbricht er zugleich jegliche vorschnelle Trennung von menschlicher Geschichte und Natur.23 Gerade weil in der Perspektive des biblischen Gottesverständnisses die „Kontingenz der Welt im ganzen und aller einzelnen Ereignisse, Dinge und Wesen“24 in der schöpferischen Freiheit des allmächtigen Gottes grundgelegt sind, muss konsequenterweise auch die naturgesetzliche Ordnung mit ihren regelmäßigen Abläufen als vom Gedanken der Schöpfung umgriffen gedacht werden. Vor diesem Hintergrund wird der irreduzible Gegensatz zwischen kontingentem Ereignis und Naturgesetz zu einer theologisch drängenden Frage mit möglicherweise weitreichenden Folgen für den Wahrheitsanspruch der christlichen Botschaft.25 Die dabei auftretenden Spannungen können nach Pannenberg nicht länger einseitig zugunsten des christlichen Schöpfungsglaubens oder eines modernen, letztlich deterministischen Naturverständnisses aufgelöst werden, ohne den jeweils eigenen Wahrheitsanspruch zu unterlaufen bzw. zu überdehnen. Eine Theologie, die sich auf sich selbst zurückzieht, verliert an Glaubwürdigkeit und damit letztlich an gesellschaftlicher Relevanz.26 Wie die erstaunlichen Erfolge naturwissenschaftlicher Forschung zeigen, bieten umgekehrt aber auch die Lücken und die offenen Fragen in unseren Erklärungsversuchen natürlicher Abläufe keinen unmittelbaren Anknüpfungspunkt für die theologische Reflexi-

21 GSTh 2, 116. In dem hier zitierten Aufsatz Der Gott der Geschichte (1977) formuliert Pannenberg an anderer Stelle noch pointierter: „Man kann sich auf das Konzept einer autonomen Menschheitsgeschichte und Weltgeschichte gar nicht einlassen, ohne den biblischen Gott schon preisgegeben und auf die Rolle eines mehr oder weniger ohnmächtigen Zuschauers … reduziert zu haben. Wenn die biblischen Aussagen über das Geschichtshandeln Gottes ernst genommen werden, dann gibt es kein Ereignis … in dem nicht Gott handelte“ (GSTh 2, 116). 22 Nach Pannenberg wäre „der konkrete Begriff der Allmacht als Macht, die das andere, dessen sie mächtig ist, allerst schafft“ (STh I, 454), in enger Verbindung mit dem Schöpfungsgedanken und der Trinitätslehre auszubuchstabieren. 23 Vgl. Wolfhart Pannenberg, Kontingenz und Naturgesetz, 36. 24 STh II, 34. 25 Nach Pannenberg schließt die „gegenseitige Bedingtheit von Gottes- und Weltverhältnis … nicht aus, daß der Sache nach dem Gottesgedanken ein Vorrang für das Verständnis von Mensch und Welt zukommt, nicht umgekehrt. Jedes ernsthafte Reden von Gott impliziert die Forderung, die Wirklichkeit von Mensch und Welt als von diesem Gott bestimmt und durch ihn begründet zu denken. Darum ist umgekehrt die Möglichkeit einer zusammenhängenden Interpretation der Welt mit Einschluß der Menschheit und ihrer Geschichte von einem bestimmten Gottesgedanken her bereits eine Probe auf dessen mögliche Wahrheit, wenn auch eine solche Interpretation der Weltwirklichkeit an vielen Punkten strittig bleiben mag.“ (STh II, 12). 26 Vgl. Wolfhart Pannenberg, Kontingenz und Naturgesetz, 35f.

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on27, ja sie erweisen sich für jede Form eines begründeten Redens „von einem Handeln Gottes im Naturgeschehen“28 als geradezu kontraproduktiv. Dennoch lässt sich nach Pannenberg eine gewisse Ernüchterung gegenüber deterministischen Weltentwürfen beobachten, die der Frage nach einem umfassenden Verständnis von Wirklichkeit und einem damit einhergehenden Interesse an einer Geschichte der Natur, deren Wurzeln nicht zuletzt im biblischen Geschichtsdenken liegen dürften29, neue Aktualität verleiht. Allerdings bleibt festzuhalten, dass alle Überlegungen zu einer Geschichte der Natur im Sinne „einer philosophischen Reflexion auf kosmologische Theoriebildungen“30 fest auf dem Boden der Naturwissenschaften31 verankert bleiben. Aus diesem Grund ist es auch unzulässig, die methodischen Differenzen zwischen naturwissenschaftlicher und theologischer Weltbeschreibung einfach aufzuheben. Es ist also keineswegs von vornherein klar, in welchem Verhältnis Naturgesetze zur Theologie und damit zur Geschichte göttlichen Handelns in der Schöpfung stehen. Einen ersten Anknüpfungspunkt dafür, ob und inwiefern die Formel einer Geschichte der Natur32 für die Theologie und insbesondere für die Schöpfungslehre fruchtbar gemacht werden könnte, finden wir nach Pannenberg in der theologischen Aneignung des aristotelischen Kontingenzbegriffs. Duns Scotus betont die Freiheit des göttlichen Willens und seine schöpferische Macht, die in Gottes wunderbarem Geschichtshandeln erfahren werden kann33 und im Bekenntnis zu Gott als Schöpfer aller Dinge, des Himmels und der Erde34 ihren höchsten Ausdruck findet. Er grenzt mit diesem radikalen Perspektivenwechsel35 das Kontingente, das als das Wirkliche nicht einfach mit dem Zufälligen gleichgesetzt werden kann36, sondern all das umfasst, „was ist, obwohl es auch nicht sein könnte“37, sowohl gegenüber dem bloß logisch Möglichen als auch gegenüber dem Notwendigen ab. In dieser Perspektive wäre auch all dasjenige, 27 Vgl. ebd., 39f. 28 STh II, 90. 29 Vgl. Wolfhart Pannenberg, Kontingenz und Naturgesetz, 41. Zum Geschichtsbegriff bei Pannenberg siehe weiterführend Friederike Nüssel, Was heißt „als Geschichte“? Zur christologischen Fundierung des offenbarungstheologischen Programms. In: Gunther Wenz (Hg.), Offenbarung als Geschichte. Implikationen und Konsequenzen eines theologischen Programms (PSt; 4), Göttingen 2018, 71−89; 78−82. 30 STh II, 89. 31 Vgl. Wolfhart Pannenberg, Kontingenz und Naturgesetz, 56. 32 Pannenberg bezieht sich wiederholt auf den in Buchform veröffentlichten Vorlesungszyklus Die Geschichte der Natur (1948) des Physikers C. F. von Weizsäcker, dem auch die Formel selbst entlehnt ist. 33 Vgl. Ex 34,10. 34 Vgl. Jer 32,17. 35 Vgl. BSTh 2, 35f; 71−73 u. 79−81. 36 Vgl. BSTh 2, 70. 37 BSTh 2, 80; vgl. STh II, 85 Anm. 161.

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was unter bestimmten Voraussetzungen mit naturgesetzlicher Notwendigkeit eintritt, insofern es prinzipiell nicht sein könnte, als kontingent zu betrachten. Das naturgesetzlich oder hypothetisch Notwendige ist im Gegensatz zum streng Notwendigen, das aus und durch sich selbst ist und dessen Nichtsein daher undenkbar ist, aus Sicht Pannenbergs letztlich ein kontingentes Faktum, das sich aus dem Ineinandergreifen naturgesetzlicher Abläufe ergibt.38 Dieser erweiterte Begriff des Kontingenten, dessen Spuren sich bis Aristoteles zurückverfolgen lassen, ist dem Notwendigen nicht kontradiktorisch entgegengesetzt. Wenn das Gegenteil des Möglichen das Unmögliche sein soll, aber das Notwendige nicht einfach dem Unmöglichen zugeordnet werden kann, dann scheint der Begriff des Notwendigen selbst mehrdeutig zu sein.39 Wir müssen folglich zwischen einem hypothetisch Notwendigen, wie es in den wenn-dann Relationen naturgesetzlicher Abläufe zum Ausdruck kommt, und einem absolut Notwendigen unterscheiden. Mit diesen philosophischen Überlegungen ist der Weg dafür geebnet, die Debatten der modernen Physik, die dem Gedanken kontingenter Ereignisse nicht mehr prinzipiell ablehnend gegenübersteht, in der theologischen Reflexion aufzugreifen und sie für die Ausbuchstabierung des Schöpfungsgedankens fruchtbar zu machen. Allerdings muss sich die Theologie dabei dessen bewusst bleiben, dass die quantenphysikalische Unbestimmtheit elementarer Ereignisse, die in chaotischen Prozessen auftretenden Instabilitäten und die aus der Thermodynamik abgeleitete Unumkehrbarkeit der Zeit selbst höchst komplexe theoretische Gebilde sind, die nicht unmittelbar als Beweis für die Möglichkeit der Schöpfung bzw. eines Handelns Gottes in der Geschichte herangezogen werden können40, sie aber zumindest indirekt stützen. Je besser es 38 Nach Pannenberg ist der „Begriff des Naturgesetzes … zunächst logisch auf im Verhältnis zu ihm kontingente Bedingungen seiner Anwendung, auf Anfangs- und Rahmenbedingungen der durch die Gesetze beschriebenen Prozesse bezogen. Die Anfangs- und Randbedingungen der Anwendbarkeit einer Gesetzesformel können Ergebnis von wiederum naturgesetzlich beschriebenen Konstellationen sein. Das ändert jedoch nichts daran, daß jede solche Beschreibung wiederum kontingente Bedingungen ihrer Anwendung voraussetzt, so daß es sich nahelegt, Naturgesetze als Beschreibungen der am kontingent Gegebenen auftretenden gleichförmigen Verlaufsstrukturen aufzufassen.“ (BSTh 2, 35). 39 Vgl. BSTh 2, 80f. 40 So kommt etwa R. Bernhardt in seiner knappen Skizze zum Verhältnis von Kontingenz und schöpferischem Handeln bei Pannenberg zum Schluss, das Postulat von einer durchgehenden Kontingenz sei ein naturphilosophisches Paradigma, „das sich in dieser Allgemeinheit naturwissenschaftlich nicht erhärten lässt. Und selbst wenn man es als gültig voraussetzt, ergibt sich daraus noch keineswegs mit Notwendigkeit eine theologische Deutung der Kontingenz. Nimmt man auch diese als gegeben an, so liegt darin doch nicht mehr als die Offenlegung der Möglichkeitsbedingung einer Einflussnahme des göttlichen Handlungssubjekts auf das Naturgeschehen. Weder über das Daß noch erst recht über das das Wie des Handelns Gottes ist damit Auskunft gegeben.“ Auch wenn mit dieser Kritik der Wahrheitsgehalt der theologischen Kontingenzbehauptung nicht bestritten werden soll, so wäre doch entschieden „der Erwartung entgegenzutreten, naturwissenschaftliche Kontingenzphänomene und den

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der Theologie gelingt, naturwissenschaftliche Aussagen wenigstens „prinzipiell in den Kohärenzrahmen ihrer Beschreibung der Welt als Schöpfung Gottes“41 einzuordnen, desto eher wird sie ihren Wahrheitsanspruch erhärten können. Das entscheidende Argument für die Kontingenz natürlicher Ereignisse, unbeschadet aller Regelmäßigkeiten in von uns beobachteten Geschehensfolgen, sieht Pannenberg in der Unumkehrbarkeit der Zeit, die sich ihrerseits auf den zweiten Hauptsatz der Thermodynamik berufen kann. Wenn das Prinzip der Unumkehrbarkeit der Zeit darüber hinaus für die gesamte Geschichte des Universums gelten soll und zugleich die Einmaligkeit eines jeden Ereignisses der Regelmäßigkeit naturgesetzlicher Abläufe nicht prinzipiell entgegen stehen darf 42, muss dem gesetzmäßigen Verlauf von Naturprozessen im Bemühen um ein umfassendes Wirklichkeitsverständnis eine zweite, fundamentalere Abfolge geschichtlich kontingenter Ereignisse zur Seite treten können, ohne deshalb Natur und Geschichte, deren „eigentümliches Profil sich erst vom Ende … her bestimmen lässt“43, einfach ineinander aufgehen lassen zu dürfen. Geschichtliche Kontinuität, die streng genommen nur ex post als solche erkennbar wird, unterscheidet sich von der Regelmäßigkeit natürlicher Abläufe schon allein dadurch, dass sich die Einmaligkeit konkreter geschichtlicher Ereignisse und ihre Neuheit jeder Vorhersagbarkeit aus abstrakten naturgesetzlichen Prozessen entzieht. Letztlich hat sie ihr tieferes Fundament aber in der menschlichen Erfahrung von Wirklichkeit, die nicht auf mangelnde Kenntnis der Natur zurückgeführt werden kann, sondern an die Grundform natürlichen Geschehens anknüpft und es im Blick auf das eigene Selbstverständnis zu interpretieren sucht.44 Diese ganzheitliche Sichtweise der Wirklichkeit trägt der Einsicht Rechnung, dass jede Steigerung der Komplexität von Naturprozessen bis hin zu organischen

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Grundsatz der Irreversibilität der Zeit theologisch so in Anspruch nehmen zu können, daß sich dabei ein fundamentum in re für die Rede vom Handeln Gottes in der Natur gewinnen ließe.“ (Reinhold Bernhardt, Was heißt „Handeln Gottes“? Eine Rekonstruktion der Lehre von der Vorsehung [SSThE; 55], Wien – Zürich – Berlin 22008, 270; Hervorhebungen im Text) Da sich theologische Erkenntnis als Glaubenserkenntnis nach Bernhardt nicht von den Erkenntnissen der Naturwissenschaften abhängig machen darf und ihr Wahrheitsanspruch nicht an ihrer Fähigkeit hängen soll, naturwissenschaftliche Erkenntnisse in die theologische Reflexion zu integrieren, wäre es aus seiner Sicht intellektuell redlicher, die Beziehung zwischen beiden nach dem Modell der two-language Theorie auszubuchstabieren (vgl. 270f). Allerdings wäre von Pannenberg her zurückzufragen, wie sichergestellt werden kann, dass sich beide auf ein und dieselbe Wirklichkeit beziehen und welche Konsequenzen sich dabei für den zugegebenermaßen strittigen Wahrheitsanspruch der christlichen Botschaft (vgl. STh II, 9f u. 12), der eben gerade nicht auf das Existenzielle oder ein subjektives Gefühl reduziert werden soll, ergeben. STh II, 90. Vgl. STh II, 83f. BSTh 2, 78. Ebd.

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Lebensformen und der menschlichen Geschichte erst auf Basis einer grundlegenden Gleichförmigkeit elementarer Prozesse Gestalt gewinnen kann.45 Ein nach Gesetzmäßigkeiten strukturierter Kosmos ist demnach nicht nur eine notwendige Bedingung dauerhafter Gestalten und komplexer Lebensformen, er muss darüber hinaus auch als Voraussetzung aller geschöpflichen Selbständigkeit angesehen werden. „Wollte der Schöpfer selbständig existierende Geschöpfe hervorbringen, so bedurfte es dafür in erster Linie der Gleichförmigkeit elementarer Prozesse. Die naturgesetzliche Ordnung steht also nicht im Gegensatz zum kontingenten Wirken Gottes bei der Hervorbringung geschöpflicher Gestalten“46, sondern ist deren unabdingbare Grundlage und darüber hinaus Ausdruck der unverbrüchlichen Treue47 sowie der Beständigkeit des biblischen Schöpfergottes. Die hier nur gerafft skizzierten Überlegungen Pannenbergs zur Kontingenz und zur Geschichte der Natur, die für unvorhersehbar Neues offen bleiben soll, eröffnen einen konstruktiven Anknüpfungspunkt dafür, Gottes Schöpfungshandeln so auszudeuten, dass der Glaube an eine Schöpfung der Welt durch Gott auch für den modernen Menschen nicht zu einer belanglosen Leerformel48 verkommen muss. Die damit verbundene intellektuelle Herausforderung der Theologie kann nicht einfach durch die Behauptung abgewiesen werden, der biblische Schöpfungsglaube habe es mit derselben Welt zu tun, die auch Gegenstand naturwissenschaftlicher Beschreibungen ist.49

2.

Konsonanz von Naturwissenschaft und Schöpfungstheologie

Es wurde oben schon darauf hingewiesen, dass Theologie weder unmittelbar auf naturwissenschaftliche Beschreibungen zurückgreifen kann noch in deren theoretische Debatten eingreifen darf. Jede theologische Interpretation der Welt als Schöpfung muss sich der methodischen Spezifika ihrer Argumentation, die sich grundlegend von den Gesetzeshypothesen der Naturwissenschaften und ihrer experimentellen Überprüfbarkeit unterscheidet, bewusst bleiben. In theologischer Perspektive hat Israel die Wirklichkeit seiner Welt als eine einmalige 45 Vgl. BSTh, 2, 88. 46 STh II, 91. 47 Vgl. STh II, 56. An anderer Stelle heißt es: „Mit der Treue Gottes auf dem Weg seines geschichtlichen Handelns und also mit der Offenbarung seiner Gerechtigkeit als des Schöpfers der Welt vollendet sich erst die schöpferische Liebe Gottes. Denn nur durch Treue entsteht Dauerhaftes. Wenn Gott die Selbständigkeit seiner Geschöpfe will, dann hängt das Gelingen seines Schöpferhandelns entscheidend an der Treue seiner schöpferischen Liebe, dem Ausdruck seiner Ewigkeit im Prozeß der Zeit.“ (STh I, 473). 48 Vgl. BSTh 2, 30 u. 84. 49 Vgl. BSTh 2, 30.

Naturgesetze und Naturgeschichte

161

und unumkehrbare Geschichte mit Gott begriffen50, die zurecht als Ausdruck göttlichen Handelns an seinem Bundesvolk51 interpretiert werden konnte. Damit soll die Bedeutung von gleichförmigen Tagesabläufen oder der Ordnung der Jahreszeiten52 für das menschliche Leben keineswegs bestritten werden, allerdings werden derartige Regelmäßigkeiten selbst „als Produkt einer einmaligen göttlichen Entscheidung“53 und nicht als zeitlos gültige Naturgesetze betrachtet. Die Betonung der Einmaligkeit und der Neuheit der einzelnen Ereignisse sowie das Festhalten an der Unumkehrbarkeit des Verlaufs der Geschichte machen es der Theologie unmöglich, die Welt als Schöpfung auf mathematisch beschreibbare Naturprozesse zu reduzieren bzw. Raum und Zeit ausschließlich als geometrische, zählbare und messbare Größen zu verstehen. Allerdings kann auch eine Theologie, die „auf Basis der Offenbarung Gottes in Jesus Christus Gott als Schöpfer der Welt zu denken“54 versucht, nicht für sich beanspruchen, das Weltgeschehen in seinen Einzelheiten zu erklären. Sie bleibt, ebenso wie unsere immer wieder revisionsbedürftigen Bemühungen um ein vertieftes Verständnis der Naturabläufe, den Bedingungen der Endlichkeit allen menschlichen Erkennens unterworfen. Aus dem bisher Gesagten sollte deutlich werden, dass Naturwissenschaften und Theologie sowohl in den positiven Dynamiken der Geschichte der Natur als auch in ihren durch die menschliche Endlichkeit vorgegebenen Grenzen eine Reihe von Parallelen aufweisen, die für einen konstruktiven Dialog über ihr jeweiliges Weltverständnis fruchtbar gemacht werden können. Die dabei zutage tretenden Konsonanzen55 zielen selbstredend nicht darauf ab, theologische Ar50 Warum dabei Natur und Geschichte, anders als im Geschichtsdenken der Neuzeit, nicht als einander entgegengesetzt aufgefasst werden mussten, lässt sich mit Pannenberg folgendermaßen begründen: „Im Unterschied zum anthropozentrischen Geschichtsverständnis der Moderne, das sich von seiner geschichtstheologischen Herkunft emanzipiert hat, ist … im Alten Testament das Handeln Gottes in der Kontingenz der Ereignisse konstitutiv für Zusammenhang und Sinn der Ereignisfolge. Zwar haben auch Handeln und Absichten der Menschen ihren Ort in der Geschichte, aber deren Lauf wird letztlich nicht von den Menschen, sondern von Gott gelenkt.“ (STh II, 86). 51 Bereits in seinem Aufsatz Heilsgeschehen und Geschichte (1959) schreibt Pannenberg: „Die Voraussetzungen des geschichtlichen Bewusstseins in Israel liegen in seinem Gottesgedanken. Weil die Wirklichkeit Gottes für Israel nicht darin aufgeht, Ursprung der Welt zu sein, d. h. Ursprung der normalen, sich immer wiederholenden Vorgänge und Begebenheiten, darum kann dieser Gott in einer unvorhersehbaren Weise in den Gang seiner Schöpfung eingreifen und Neues in ihr wirken. Die Gewißheit, daß Gott immer wieder Neues wirkt, daß er ,ein lebendiger Gott‘ ist, bildet die Grundlage für Israels Verständnis der Wirklichkeit als linear zu einem Ziel hineilenden Geschichte. Die Struktur dieser Geschichte selbst ist jedoch damit noch nicht umschrieben.“ (GSTh I, 24f). 52 Vgl. Gen 8,22. 53 BSTh 2, 31. 54 BSTh 2, 32. 55 Vgl. BSTh 2, 32f.

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gumente aus naturwissenschaftlichen Erkenntnissen abzuleiten oder umgekehrt. Es geht Pannenberg vielmehr darum, über den Umweg der Philosophie eine Basis für das Gespräch zwischen Naturwissenschaften und Theologie bereitzustellen. Nicht nur Theologie ist zum Erweis ihres Wahrheitsanspruches auf die Philosophie angewiesen, auch Naturwissenschaftler bewegen sich immer schon im Medium philosophischer Reflexion, wenn sie die Relevanz ihrer Erkenntnisse für unser Welt- und Selbstverständnis ausloten.56 Dort, wo wir als Menschen unsere Stellung in der Welt ausdrücklich zum Thema machen, werden Begriffe wie Kontingenz, Geschichte der Natur, Raum oder Zeit von einer primär naturwissenschaftlichen Betrachtungsweise abgelöst und auf ihre philosophischen Voraussetzungen hin befragt, ohne mit dieser reflexiven Öffnung den komplexen Prozess der Verselbständigung der Naturwissenschaften gegenüber der Theologie einfach rückgängig machen zu können. Im Blick auf die Frage nach dem Verhältnis von Naturgesetz und Kontingenz können wir mit Pannenberg also folgendes festhalten: „Während … theologische Aussagen über geschöpfliche Wirklichkeit und über das Handeln Gottes sich primär auf diesen Kontingenzaspekt des Geschehens beziehen, ist die naturwissenschaftliche Beschreibung am Aufweis der Gesetzmäßigkeit der Abläufe interessiert, wobei jedoch die Beziehung auf kontingent Gegebenes für die Anwendbarkeit des Gesetzesbegriffs selbst konstitutiv ist.“57 Die Unterscheidung zwischen nomologischer Kontingenz und Ereigniskontingenz58, die den Gedanken des schöpferisch Neuen und der Offenheit der Zukunft miteinschließt59, eröffnet uns nach Pannenberg die Möglichkeit, an der Eigenständigkeit der natürlichen Weltprozesse festzuhalten und zugleich deren Loslösung von ihrem göttlichen Ursprung in eine trinitarische Schöpfungstheologie, die bewusst in heilsgeschichtlicher Perspektive entfaltet zu werden hätte, hinein aufzuheben60 – eine Fährte, die wir noch ein Stück weiter verfolgen wollen. 56 Vgl. BSTh 2, 44 u. 85. 57 BSTh 2, 36. 58 Pannenberg unterscheidet zwischen einer nomologischen Kontingenz und einer Ereigniskontingenz. Während erstere stets relativ auf Gesetzesformeln bezogen ist, im Verhältnis zu denen ein Sachverhalt – etwa Anfangsbedingungen – als kontingent bestimmt werden können, ohne deshalb die Notwendigkeit desselben Sachverhalts aufgrund anderer Gesetzt ausschließen zu müssen, sind Ereignisse in ihrem Bezug zur Zeit als kontingent zu denken (vgl. STh II, 85 Anm. 161). 59 Nach Pannenberg ist „der Gedanke des schöpferisch Neuen, das im Prozeß des Geschehens mit jeder neuen Gestalt geschöpflicher Wirklichkeit, im Prinzip sogar mit jedem neuen Ereignis auftritt, … für die neue Auffassung von der Schöpfung der Welt als eines Prozesses fortgesetzter Erschaffung zentral. Das schöpferisch Neue, philosophisch gesagt die Kontingenz jedes einzelnen Ereignisses, steht in einer Beziehung zur Offenheit der Zukunft im Verhältnis zu jedem gegenwärtigen Zustand. Aus der Offenheit der Zukunft fällt jeweils das neue Ereignis zu.“ (BSTh 2, 87). 60 Vgl. BSTh 2, 29.

Naturgesetze und Naturgeschichte

3.

163

Trinitarische Schöpfungstheologie – Handeln Gottes in heilsgeschichtlicher Perspektive

Schon weiter oben wurde die Schöpfung als Produkt einer Tat Gottes bestimmt, allerdings ohne näher darauf einzugehen, wie das Verhältnis der Welt zu ihrem Ursprung in bzw. aus Gott näher zu fassen wäre. In der Systematischen Theologie geht Pannenberg einen entscheidenden Schritt weiter. Er verbindet seine Überlegungen zum trinitarischen Gott so eng mit der Erschaffung der Welt61, dass die Schöpfung nun ausdrücklich „als ein freier Akt … des trinitarischen Gottes“62 bestimmt werden kann. Dieser Argumentationsschritt geht mit einer für die westliche Theologie prägenden Ausweitung der Vorstellung des göttlichen Handelns einher und schreibt mit der Tätigkeit ein dynamisches Moment in die innertrinitarischen Relationen zwischen Vater, Sohn und Geist ein, das „scharf von ihrem gemeinsamen Handeln nach außen unterschieden werden muss“63, ohne die Handlungen der drei göttlichen Personen in ihren Beziehungen zueinander von ihrem gemeinsamen Handeln nach außen abtrennen zu dürfen. Eine trinitarische Schöpfungstheologie hätte sorgsam darauf zu achten, dass „auch im gemeinsamen Handeln der Personen nach außen die Gegenseitigkeit ihrer Beziehungen“64 gewahrt bleibt und explizit zum Ausdruck gebracht wird. Soll dabei die Differenz zwischen dem trinitarischen Gott und seiner Schöpfung nicht in Zweifel gezogen werden, sind mit einem derart weit gefassten Verständnis von göttlichem Handeln unweigerlich auch Weichenstellungen für „das Verhältnis der Welt zu Gott und Gottes zur Welt“65 verbunden, die sich in einem dynamischen Verständnis von Schöpfung widerspiegeln werden. Trotz aller Schwierigkeiten, die mit der angedeuteten Ausweitung des Handlungsbegriffs in der abendländischen Theologie einhergehen mögen und die an dieser Stelle auch nicht weiter diskutiert werden sollen66, sieht Pannenberg den entscheidenden Vorteil dieser Entwicklung darin, dass Gott nun „als in sich selber tätig“67, ja als lebendiger Gott gedacht werden kann, ohne dazu der Welt in irgend einer Weise zu bedürfen. Damit wird zum einen nochmals die Freiheit Gottes gegenüber seiner Schöpfung68 unterstrichen. Zum anderen ermöglicht

61 Siehe dazu insgesamt den Abschnitt Der trinitarische Gott und die Erschaffung der Welt in Gunther Wenz, Wolfhart Pannenbergs Systematische Theologie: ein einführender Bericht, Göttingen 2003, 71−122. 62 STh II, 45; vgl. 46f. 63 STh II, 17. 64 STh II, 20 65 STh II, 15. 66 Siehe dazu weiterführend STh I, 416−429 sowie STh II, 15−23. 67 STh II, 18. 68 Vgl. STh II, 23.

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uns dieses Denkmodell aber auch, die Welt samt der damit verbundenen Phasen der Heilsökonomie göttlichen Handels als konkrete und einheitliche Gestalt des „Tätigseins des lebendigen Gottes“69 im Zusammenspiel von Schöpfung, Erhaltung und Weltregierung auszudeuten. Der Gedanke vom Schöpfungshandeln Gottes bleibt folglich nicht mehr nur auf den Anfang der Welt70 beschränkt. Seine trinitarisch-heilsgeschichtliche Entfaltung ermöglicht uns, Schöpfung „auf das Ganze der Welt in ihrer zeitlichen Erstreckung zu beziehen“71 und das Handeln des trinitarischen Gottes in der Welt bewusst in heilsgeschichtlicher Perspektive72 zu interpretieren. Bereits in seiner frühen Programmschrift Offenbarung als Geschichte (1961) hat Pannenberg Geschichte explizit als Ort des Handelns Gottes und damit zugleich seiner Selbstoffenbarung73 bestimmt. Er kann sich dabei auf den biblischen Schöpfungsglauben und auf das eng mit diesem verbundene Geschichtsverständnis stützen.74 Zwar greift Israel selbst auf mythologische Schöpfungsvorstellungen der umliegenden Kulturen zurück, erweitert und vertieft diese aber im Blick der eigenen Erfahrung mit dem Gott des Bundes nach und nach zu Aussagen „über das Handeln des einen, alleinigen Gottes in Schöpfung und Geschichte.“75 Das spezifische Profil des Handelns Gottes an und mit seiner Kreatur, das zugleich als Prozess der Selbstoffenbarung des trinitarischen Gottes gedeutet werden kann76, lässt sich zwar im Christusgeschehen77 schon erkennen, findet seine Vollendung aber erst in der eschatologischen Zukunft der Welt, wenn „die Herrlichkeit Gottes im Erweis seiner Gottheit“78 endgültig offenbar sein wird. Die hier nur angedeutete enge Verbindung zwischen Schöpfung und Eschatologie79 verdeutlicht in der ganzen Ausdehnung ihres Weges vom Beginn 69 70 71 72

73 74 75 76 77

78 79

STh II, 19. Vgl. STh II, 22 u. 26. STh II, 49. Siehe dazu weiterführend Christina Axt-Piscalar, Gottes Handeln in der Geschichte: zu Wolfhart Pannenbergs Erneuerung heilsgeschichtlicher Theologie. In: Thomas Fornet-Ponse (Hg.), Heilsgeschichte und Weltgeschichte: das Wirken Gottes in der Welt und die Geschichtlichkeit von Glaube und Theologie (JThF; 32), Münster 2018, 33−45. Vgl. OaG, 15f u. 91. Vgl. STh II, 25 u. 168−172. STh II, 27; vgl. 23 sowie OaG, 96f. Vgl. STh I, 356 u. 387. Pannenberg fasst die Bedeutung des Christusgeschehens schon früh in die knappe These, dass „die universale Offenbarung der Gottheit Gottes noch nicht in der Geschichte Israels verwirklicht [ist], sondern erst im Geschick Jesu von Nazareth, insofern darin das Ende aller Geschichte vorweg ereignet ist.“ (OaG, 103) STh III, 679. Schöpfung und Eschatologie gehören nach Pannenberg deshalb zusammen, „weil erst in der eschatologischen Vollendung die Bestimmung des Geschöpfs, insbesondere des Menschen, endgültig realisiert sein wird. Doch Schöpfung und Eschatologie sind nicht unmittelbar identisch, jedenfalls nicht vom Standpunkt des Geschöpfes aus. Für das Geschöpf ist sein

Naturgesetze und Naturgeschichte

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der Schöpfung über die Versöhnung bis hin zur eschatologischen Heilsvollendung, dass „der Gang der göttlichen Heilsökonomie Ausdruck des Sichzuvorkommens der ewigen Zukunft Gottes zum Heil der Geschöpfe und damit Manifestation der göttlichen Liebe“80 ist – womit das Handeln des trinitarischen Gottes in heilsgeschichtlicher Perspektive81 qualifiziert wäre. Die dynamische Ausgestaltung des trinitarischen Schöpfungsverständnisses82 wird Pannenberg in weiterer Folge ermöglichen, die „Schöpfungsaussage auf das Ganze der Welt in ihrer zeitlichen Erstreckung zu beziehen“83 und zugleich Gottes Handeln als Ausdruck der Teilnahme am Leben der Geschöpfe sowie als Teilgabe am göttlichen Leben84 weiter zu entfalten. Pannenbergs Ausdeutung der Schöpfung als „trinitarisch vermittelte Geschichte Gottes mit der Welt“85 schließt dabei weder eine gewisse Autonomie der Naturprozesse noch die Eigenständigkeit der Geschöpfe aus. Sie zielt vielmehr darauf ab, jeder Gestalt des Geschaffenen im vielschichtigen Zusammenspiel des Ganzen der Schöpfung den ihr eigenen Platz einzuräumen.

4.

Gottes Handeln in der Geschichte und die Dynamik des Naturgeschehens

Insofern sich schöpfungstheologische und naturwissenschaftliche Aussagen auf ein und dieselbe Welt beziehen, werden wir auch davon ausgehen müssen, dass Gottes Wirken nicht einfach von den Naturdynamiken abgetrennt werden kann, sondern sich im Gegenteil wesentlich in ihnen vollzieht. Allerdings würde dieses

80 81 82

83 84 85

Ursprung Vergangenheit, in ihr hat es die Wurzel seines Daseins. … Die Zukunft hingegen ist für das Geschöpf offen und ungewiss. Und doch öffnen sich die zu selbständigem Verhalten erwachten Geschöpfe, die Lebewesen, der Zukunft als der Dimension, aus der allein ihr Dasein Inhalt und Vollendung gewinnen kann. Doch Ursprung und Vollendung fallen für die Geschöpfe nicht zusammen. Eine Einheit bilden sie zunächst nur in der Perspektive des göttlichen Schöpfungsaktes.“ (STh II, 164f). STh III, 694. Vgl. STh I, 356f. Die Dynamik des trinitarischen Schöpfungsverständnisses lässt sich mit Pannenberg knapp folgendermaßen umreißen: Die göttliche Liebe „ist der ewige Grund für das Auseinandertreten der Immanenz des göttlichen Lebens zur heilsökonomischen Trinität und für die dadurch vermittelte Einbeziehung der Geschöpfe in die Einheit des trinitarischen Lebens. Unterscheidung und Einheit von immanenter und ökonomischer Trinität bilden den Herzschlag der göttlichen Liebe, und mit einem einzigen solchen Herzschlag umfaßt sie die ganze Welt der Geschöpfe.“ (STh III, 694) STh II, 49. Vgl. STh II, 21; 48f; 75f u. 163f. GSTh 2, 127.

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Wirken Gottes „im Wirken der Natur“86 pantheistisch missverstanden, wenn nicht mehr deutlich bleibt, worin das Spezifikum des christlichen Schöpfungsverständnisses besteht. Wie bereits oben gesagt wurde, impliziert der Glaube an Gott als Schöpfer die Behauptung, dass „Gott seine Geschöpfe im Dasein erhält und den Lauf des Weltgeschehens regiert.“87 Um nicht im Nichts zu versinken und damit zugleich ihre kreatürliche Selbständigkeit zu verlieren, sind die Welt und alle Lebewesen in jedem Augenblick ihres Daseins auf Gottes schöpferische Gegenwart angewiesen. Allerdings wird sich das biblische Schöpfungsverständnis dem modernen Menschen nur dann erschließen, wenn sich die theologische Reflexion bewusst auf die zugegebenermaßen anspruchsvolle Aufgabe einlässt, „ihre Aussagen über die Welt als Schöpfung und über die Angewiesenheit der Geschöpfe auf Gottes erhaltendes Wirken, sowie auf seine Mitwirkung in allem geschöpflichen Geschehen, auf die naturwissenschaftliche Weltbeschreibung zu beziehen.“88 Abgesehen von den unterschiedlichen methodischen Zugängen, ergeben sich daraus drei Gesichtspunkte, unter denen das Verhältnis von christlicher Schöpfungstheologie und naturwissenschaftlicher Weltbeschreibung weiter präzisiert werden müsste: In einem ersten Schritt gilt es zu klären, wie die schöpfungstheologische Behauptung von „der Zufälligkeit der Welt im ganzen und in allen ihren Teilen“89 zu verstehen ist, ohne dabei die Gesetzmäßigkeiten der natürlichen Ordnung prinzipiell in Frage zu stellen. Wenn alles Geschehen und alle Gestalten geschöpflicher Existenz als zufällig bzw. kontingent gedacht werden müssen, so streicht die christliche Schöpfungstheologie darin in erster Linie die Freiheit Gottes in seinem schöpferischen Handeln heraus. Dass die Erschaffung der Welt sowie die Hervorbringung und Erhaltung ihrer vielfältigen Gestalten und Lebensformen aus biblischer Perspektive als freie und ungeschuldete Gabe Gottes interpretiert wird, steht einer Ordnung natürlicher Abläufe aber schon allein deshalb nicht prinzipiell entgegen, weil erst auf dieser Basis die Herausbildung dauerhafter Gestalten bis hin zu komplexen Lebensformen möglich wird. Als Menschen sind wir in unserem Planen und Handeln auf die Verlässlichkeit der Welt angewiesen, die naturgesetzlichen Ordnungen bestimmen unser Leben bis in den Alltag hinein. Allerdings müssen wir nach Pannenberg zugestehen, dass uns die in Naturgesetzen gefassten Regelmäßigkeiten von Geschehensabläufen nur ex post durch Erfahrung bekannt und damit an den jeweiligen wissenschaftlichen Erkenntnisstand gebunden sind. Ein Blick auf die Geschichte lehrt, dass auch wissenschaftliche Paradigmen Veränderungen unterworfen sind. Wir 86 87 88 89

BSTh 2, 39. BSTh 2, 43. Ebd. BSTh 2, 44.

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müssen daher trotz beeindruckender naturwissenschaftlicher Fortschritte unsere Kenntnisse der natürlichen Ordnung der Welt als das bewerten, was sie sind: eine „Annäherung an die tatsächliche Ordnung des Geschehens“90, deren Komplexität uns prinzipiell unerreichbar bleibt. Ein weiteres, nicht weniger wichtiges Argument für die Kontingenz von Naturgesetzen sieht Pannenberg in der Unumkehrbarkeit der Zeit: „Wenn die Abfolge von Ereignissen in der Realität unumkehrbar, jedes einzelne Ereignis daher streng genommen einmalig ist“91, dann wäre die Ordnung der Ereignisfolge selbst, wie sie mit Hilfe von Naturgesetzen beschrieben wird, als grundsätzlich geschichtliche Ordnung zu interpretieren. Damit wäre aber nicht nur die naturwissenschaftliche Beschreibung von Ereignisfolgen als bloße Annäherung an die komplexe, letztlich selbst geschichtliche Ordnung der Naturzusammenhänge bestimmt, sondern zugleich auch ein theologischer Anknüpfungspunkt für den göttlichen Logos „als alles Geschehen und alle Gestalten der Schöpfung umgreifende Ordnung“92 angegeben. Der abstrakten Gleichförmigkeit der Naturgesetze wird im göttlichen Logos als „Inbegriff der Ordnung des Naturgeschehens in seiner unumkehrbaren Geschichtlichkeit“93 ein konkretes und zugleich „schöpferisches Ordnungsprinzip … der konkreten, geschichtlich entfalteten Ordnung der Welt“94, das auch als Prinzip der Einheit ihrer Geschichte gedeutet werden kann, an die Seite gestellt. Die mit der Einheit einer Vielzahl von geschichtlichen Ereignissen aufbrechenden Probleme leiten zur zweiten Frage über, ob die Ordnung der Welt von Anfang an festgelegt sein muss.95 Während der Schöpfungsbericht der Genesis die Entstehung der Welt und die Abfolge der geschöpflichen Gestalten mit den Mitteln altorientalischer, durch Mythen geprägter Naturkenntnis zu verdeutlichen sucht, erfährt Israel JHWH als den einen und alleinigen Gott, der fortgesetzt Neues hervorbringt und für seine Geschöpfe sorgt. Bereits Jesaja kann das Geschichtshandeln Gottes folgerichtig als ein immer wieder neues Schöpfungshandeln96 verstehen und damit den Weg zu einem breit angelegten biblischen Schöpfungsverständnis eröffnen. Die christliche Theologie beruft sich nach Pannenberg daher mit Recht auf das Zeugnis der Bibel, wenn sie Schöpfung nicht auf den Anfang der Welt festgelegt wissen will, sondern für ein dynamisch angelegtes Schöpfungsverständnis „im Sinne eines kontinuierlichen schöpferischen Wirkens Gottes in der ganzen

90 91 92 93 94 95 96

BSTh 2, 46. Ebd. Ebd. BSTh 2, 47. STh II, 81. Vgl. BSTh 2, 44. Vgl. Jes 45,7f.

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zeitliche Ausdehnung des Daseins der Welt“97 optiert. Christlich gesprochen wäre Schöpfung letztlich radikal von ihrer zukünftigen Vollendung her zu denken und „das Ganze des Weltgeschehens … auf die in Jesus Christus schon angebrochene Zukunft Gottes“98 hin auszudeuten. Die unaufgebbare Einheit des göttlichen Schöpfungshandelns umfasst in der hier ins Spiel gebrachten trinitarisch-heilsgeschichtlichen Perspektive den gesamten Weltprozess und die Menschheitsgeschichte „bis hin zu [ihrer] künftigen Vollendung.“99 Gerade die darin implizierte Dynamik, die Gottes schöpferisches Handeln nicht einfach auf einen Anfang und damit auf eine feststehende Ordnung festlegt100, macht den biblischen Schöpfungsgedanken für eine moderne Kosmologie und ihren Vorstellungen von der zeitlichen Ausdehnung des Universums oder der Evolution anschlussfähig – und umgekehrt.101 Auf dieser Basis kann in einem dritten Schritt auch die Frage, ob Grundbegriffe unserer Weltauffassung – wie etwa Zeit, Raum, Energie oder Kraft, die in anderen Beiträgen dieses Bandes ausführlich thematisiert werden – einer theologischen Interpretation zugänglich sind, einer Antwort zugeführt werden.102 Nur wenn diese von den Naturwissenschaften her geforderte und vom Schöpfungsglauben erwartete philosophische Vermittlung kohärent geleistet wird, kann der Dialog zwischen beiden gelingen und das Wirken Gottes mit der Dynamik der Naturgeschehens auf eine Weise in Einklang gebracht werden, die für die Weltund Selbsterfahrung des modernen Menschen anschlussfähig ist.

5.

Auf dem Weg zu einer Theologie der Natur? – ein kurzes Fazit

Wie zentral das Schöpfungskapitel für Pannenbergs Systematische Theologie ist, erschließt sich nicht allein aus seiner exponierten Stellung in unmittelbarem Anschluss an die trinitarische Gotteslehre und vor der Anthropologie. Auch die Dynamik der Argumentation, die beim Schöpfungsakt, „wie er sich von der Gotteslehre her darstellt und wie er sich zu den Gott zugeschriebenen Tätigkeiten 97 98 99 100 101

BSTh 2, 48. Ebd. Ebd. Vgl. STh I, 452. So hält Pannenberg mit Blick auf die Geschichte des Universums fest: „Erst die naturwissenschaftliche Kosmologie des 20. Jahrhunderts hat im Zusammenhang mit ihren Berechnungen von Alter und Entwicklung des Universums zu Betrachtungen darüber geführt, daß eine Reihe von grundlegenden kosmologischen Daten gerade so eingerichtet sind, wie es für die Entstehung des Lebens und damit auch des Menschen auf dieser Welt unerläßlich ist.“ (STh II, 93). 102 Vgl. BSTh 2, 44 u. 48f.

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der Erhaltung und Regierung der Welt verhält“103, einsetzt und sich erst in einem zweiten Schritt der Welt selbst zuwendet, „um sie als Schöpfung des trinitarischen Gottes zu interpretieren“104, unterstreicht nachdrücklich, wie eng Naturprozesse und schöpferisches Handeln miteinander verwoben sind. Gerade weil der christliche Wahrheitsanspruch und insbesondere die Deutung der Welt als Schöpfung aus prinzipiellen Überlegungen strittig bleiben müssen, kann die Theologie nicht auf eine kritische Auseinandersetzung mit den modernen Naturwissenschaften verzichten. Die Rede von einer Schöpfung der Welt wird nur dann als glaubwürdig gelten dürfen, wenn es gelingt, die Gleichförmigkeit naturgesetzlicher Abläufe mit der theologischen Interpretation des Naturgeschehens als schöpferisches Handeln des trinitarischen Gottes auf eine Weise zu verbinden, die uns als Menschen zu einem vertieften Welt- und Selbstverständnis führt. Wenn Pannenberg, wie immer wieder zu lesen ist, in seiner kritischen Auseinandersetzung mit dem Konzept einer Geschichte der Natur tatsächlich eine neue Form natürlicher Theologie im Sinne einer Theologie der Natur105 anstreben sollte, so wäre an dieser Stelle auch an seine pointierte Kritik der klassischen theologia naturalis106 zu erinnern. Theologisches Denken steht vor der schwierigen Aufgabe, eine tragfähige Balance zwischen einer philosophisch reflektierten Anknüpfung an naturwissenschaftliche Theorien und dem geschichtsmächtigen Handeln des trinitarischen Gottes zu finden. Der unabdingbaren Forderung nach Kohärenz von Natur und Geschichte, von Naturwissenschaften und Schöpfungsglaube, ohne die der Wahrheitsanspruch der christlichen Botschaft nicht mehr plausibel vermittelt werden kann, ließe sich aber im Gefolge von Pannenberg auch dadurch Rechnung tragen, dass wir uns vor dem Hintergrund der wechselseitigen Verwiesenheit von Schöpfung und Eschatologie auf Basis einer philosophisch reflektierten Geschichte der Natur darauf einlassen, die dynamischen Zusammenhänge zwischen trinitarischer Schöpfungstheologie und biblischem Geschichtsverständnis möglichst klar herauszuarbeiten – eine Aufgabe, die das dreiteilige Kapitel zur Schöpfung der Welt zu erfüllen versucht.

103 104 105 106

STh II, 77. Ebd. Vgl. Reinhold Bernhardt, Was heißt „Handeln Gottes“? 264. Siehe dazu weiterführend den Beitrag von Walter Dietz, Die Stellung von „Natürlicher Theologie“ und „natürlichem Gottesgedanken“ in Sth I. In: Gunther Wenz (Hg.), »Eine neue Menschheit darstellen« – Religionsphilosophie als Weltverantwortung und Weltgestaltung (PSt; 1), Göttingen 2015, 85−111.

Thomas Oehl

Spirit’s Self-Revelation through History*

In § 383 of the 1830 Encyclopedia, Hegel defines “spirit” as “revelation (Offenbaren)” and immediately adds the qualification “that it [sc. spirit] does not reveal something; rather, its determination and content is this revealing itself (daß er [sc. der Geist] nicht etwas offenbart, sondern seine Bestimmtheit und Inhalt ist dieses Offenbaren selbst)”1. This is a philosophical claim. However, whereas the theological reception of Hegel, for good and rather obvious reasons, has always been paying attention to this definition, the majority of (current) philosophical receptions of Hegel do not – although they are often centered around Hegel’s notion of “spirit”. These recipients – more or less tacitly – reduce “spirit” to what Hegel calls “finite spirit”, i. e. subjective and objective spirit2, and cut off absolute spirit, the very culmination of Hegel’s philosophical system.3 It is the aim of this paper to criticize this kind of approach by offering a philosophical account of what Hegel means by his definition of “spirit” as “revelation”. It will emerge that this philosophical account also constitutes a suitable framework or basis for traditional (Christian) theology; thus, the paper is also meant to be a new contribution to the old debate about how far philosophy (or metaphysics) reaches with regard to traditional theological (or dogmatic) questions.

* This is a slightly revised version of a paper I wrote during my time at the University of Pittsburgh. I am deeply grateful to my host, John McDowell, and to my colleague Maximilian Tegtmeyer for great discussions of an earlier draft of this paper, as well as to my philosophical teacher, Axel Hutter, for many invaluable discussions about Hegel’s philosophy. The paper was first published as Oehl, T. Spirit’s Self-Knowledge, History, and the Absolute. Revista Eletrônica Estudos Hegelianos, v. 15 n. 25, 2018, in a special issue on Hegel and McDowell, edited by Federico Sanguinetti and Maximilian Tegtmeyer. 1 Hegel, G.W.F. Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften im Grundrisse (1830). Hamburg: Meiner, 1991, § 383 [my translation]. 2 Cf. Hegel. Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften im Grundrisse (1830), § 386 [my translation]. 3 We will come across some examples of this kind of reductive reading of Hegel in the course of this paper.

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Thomas Oehl

I shall develop my line of argument in discussion with John McDowell, one of the most distinguished and influential analytic readers of Hegel. In a recent paper, McDowell asks the question of why it matters to Hegel that Geist has a history.4 What I shall do in this paper amounts to giving an answer to this – pretty substantial – question. My answer will go into quite a different direction than McDowell’s. I shall primarily refer to the so-called Preface to the Phenomenology of Spirit, which actually is the preface to Hegel’s system as a whole and, thus, also the place where Hegel sharply outlines his conception of the relation of spirit’s revelation to history. There are three focal, related claims,5 I argue, which we have to understand in order to see how spirit’s revelation and history are related to one another, and why it matters to Hegel that Geist (spirit) has a history: (1) Spirit can gain its full self-knowledge only through history (rather than by timeless and circular mere pure thinking, as in the Science of Logic).6 (2) Spirit can demonstrate its power only through history (by overcoming its own negativity, that is, misconceptions of itself).7 (3) Spirit can reveal itself as revolutionary only through history (by bringing about new forms of thinking that were not available yet in prior stages of history).8 In the course of this paper, I will discuss these claims, explore what they mean, and integrate them into a coherent conception of the relation of spirit’s revelation 4 McDowell, J. Why Does It Matter to Hegel That Geist Has a History?. In: Zuckert, R.; Kreines, J. (Eds.). Hegel on Philosophy in History. Cambridge: Cambridge University Press, 2017. 5 As will emerge, there is a way in which the second and the third claim can be understood as aspects (or implications) of the first claim, once it is properly understood. Still, it makes sense to distinguish these three claims from one another in order to highlight the three distinctive points they each make. 6 In § 7 of the Preface, Hegel talks about “the stage which self-conscious Spirit has presently reached” and that it “now demands from philosophy […] knowledge of what it is”. In § 25 he states: “[T]he representation of the Absolute as Spirit [is] the most sublime Notion and the one which belongs to the modern age and its religion.” In § 28 he further unfolds this thought under the heading of “Weltgeist” [Hegel, G.W.F. Phenomenology of Spirit. Trans. A. V. Miller. Oxford: Oxford University Press, 1977/1981.] 7 In § 32 of the Preface, Hegel claims: “It [sc. Spirit] wins its truth only when, in utter dismemberment, it finds itself. It is this power, not as something positive, which closes its eyes to the negative, as when we say of something that it is nothing or is false, and then, having done with it, turn away and pass on to something else; on the contrary, Spirit is this power only by looking the negative in the face, and tarrying with it. This tarrying with the negative is the magical power that converts it into being.” [Hegel. Phenomenology of Spirit, § 32]. 8 In § 11 of the Preface, Hegel states: “[I]t is not difficult to see that ours is a birth-time and a period of transition to a new era. Spirit has broken with the world it has hitherto inhabited and imagined, and is of a mind to submerge it in the past, and in the labour of its own transformation.” [Hegel. Phenomenology of Spirit, § 11].

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to history. In this conception, all of the focal concepts McDowell deals with in his paper will show up too. But they will turn out to be arranged quite differently, so that an equally different picture of Hegel’s Geist will emerge. In bringing together Hegel’s definition of “spirit” as “revelation” with “history” in the thought that sprit reveals itself through history, the theological relevance of my philosophical line of argument becomes especially patent: the theological system of Wolfhart Pannenberg, one of the most outstanding theologians of the 20th century, is an elaboration of the thought “Revelation as History (Offenbarung als Geschichte)”, which is also the title of an early programmatic work of his circle that was first published in 1961.9 It should be noted at the very beginning that the very idea of ‘spirit’s (self-) revelation through history’ implies that this idea is to be brought out differently in different stages of history. Thus, there is a substantial reason why I elaborate on this idea in discussion with current analytic receptions of Hegel. In order to point out the truth of this very idea, it is necessary to deal with this idea in a form of thinking that keeps up with the historical development of our forms of thinking. A thorough philosophical criticism of the anti-metaphysical spirit of present-day philosophy must not be nostalgic and historical, but needs to be sober and systematic. It must solely rely on arguments that are communicable on the stage spirit’s self-revelation has presently reached – even though this stage may rather appear to us to be a case of spirit’s hiddenness.

1.

Some Preliminary Remarks: Spirit’s Self-Knowledge and (Pure) Self-Consciousness

John McDowell thinks that spirit’s self-knowledge, as Hegel conceives of it, is the self-conscious self-knowledge of finite, self-conscious beings; ‘spirit’ is supposed not to signify or point to any entity distinct from the finite, self-conscious being; it rather means one “formally distinctive way of being a living thing”, namely the one that applies to human beings.10 Right at the beginning of his paper, McDowell states: Hegel introduces knowledge of Geist as knowledge of the human: not knowledge of individual human peculiarities, but “knowledge of the universal, of the human being 9 Pannenberg, W. et al. Offenbarung als Geschichte. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 1961. For an English translation cf. Pannenberg, W. et al. Revelation as History. Trans. D. Granskou. New York: Macmillan, 1968. 10 This claim is based on the assumption that Hegel largely shares Aristotle’s views about the soul of living beings. I am skeptic about this supposed closeness of Hegel and Aristotle, and will discuss this issue in section 7 of this paper.

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[des Menschen] and therewith essentially of Geist.” The philosophy of Geist is the philosophy of the human being.11

It seems to me that the short passage from § 377 McDowell quotes does not warrant what he wants it to warrant. If Hegel wanted to say, as McDowell puts it, that “[t]he philosophy of Geist is the philosophy of the human being”, he would have to explain (knowledge of) Geist in terms of (knowledge of) the human being. But he does it the other way round: he explains (knowledge of) the human being in terms of (knowledge of) Geist – which then just raises the question McDowell wanted to get answered by his reading of this passage: what does “Geist” mean here, how does it relate to the human being, and what does it tell us about the human being? Moreover, McDowell seems to presuppose that “and therewith (und damit)” signifies a relation of equivalence: the word “Geist”, at least in this context, can be replaced by the word “human being” salva veritate. But the German “und damit” does not necessarily have this meaning. It can also mean “and also”. If it means “and also”, the passage would indicate that philosophy of Geist goes beyond what can sensibly be called philosophy of the human being. That this reading – “und damit” in the sense of “and also” – is the adequate one is strongly suggested by a preceding sentence in the same paragraph which obviously echoes in the one just quoted: “… knowledge of the true about the human being and of the true in and for itself, − of the essence itself as Geist.”12 In the German original it reads: “… Erkenntnis des Wahrhaften des Menschen wie des Wahrhaften an und für sich, − des Wesens selbst als Geistes.” I think this passage directly conflicts with the view McDowell ascribes to Hegel – that the philosophy of Geist is the philosophy of the human being –, regarding the two points already mentioned: first, the German “wie” here clearly must be rendered as “and (also)”, indicating that “knowledge of the true about the human being” implies some necessary transition to “(knowledge) of the true in and for itself.” Second, Hegel does not explain Geist in terms of the human being, but the other way round, saying that philosophy of spirit is knowledge of “the true about the human being” as (knowledge of) “the true in and for itself” – (knowledge) of the “essence itself as spirit” – which just poses the question that Hegel indeed intends to raise in these opening paragraphs of the philosophy of Geist: what is Geist? This brief discussion of § 377 already provides some exegetical warrant that, according to Hegel, philosophy of spirit is not just philosophy of the human being, let alone the human soul. Rather, I will argue that it is philosophy of spirit also as far as it ‘transcends’ the human being. Philosophy of spirit, as I think Hegel conceives it, is a philosophy of the human being that, in being the phi11 McDowell. Why Does It Matter, p. 15. 12 This is my own translation, and I follow McDowell in leaving “Geist” untranslated here.

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losophy of the human being, necessarily leads up to dimensions of spirit ‘beyond’ the human being. I will take this point seriously in this paper, and try to explicate why Hegel thinks this must be so, and what spirit as ‘transcending’ or ‘being beyond’ the human being is supposed to mean. It will emerge that, in its striving for self-knowledge, the finite subject gains the insight that there is a finite subject and an infinite, absolute subject, and that this insight is a self-revelation by this absolute subject. That is, in the course of such self-knowledge, I get to know myself as being related to an absolute subject, and the absolute subject gets to know itself – reveals itself – through finite subjects. McDowell does not discuss the absolute (subject) or absolute spirit in his paper, although this, I think, is essential to answering his question of why it matters to Hegel that Geist has a history. Despite that, I agree with McDowell in one important respect. Being at one with Sebastian Rödl,13 McDowell emphasizes that understanding self-consciousness is pivotal for Hegel, just like for all German Idealists. Indeed, understanding self-consciousness is the point to start with if one intends to engage in what Hegel calls “philosophy of spirit”14. However, in some crucial passages of the Preface which my three claims above are based on Hegel does not refer to selfconsciousness without any qualification, but to what he also calls “pure selfconsciousness”, the mere “I”, or the “I = I.” This is self-consciousness as such, yet in abstraction from whatever it may permeate or be the form of; it is mere “selfcertainty”, as he also puts it later in the Phenomenology. By that he means the subject’s pure self-reference qua thinking, the subject’s thinking about itself as the thinker of this very thought, more precisely: the insight that I cannot think of myself as not-thinking.

2.

Pure Self-Consciousness and Its Two Misconceptions

Pure self-consciousness – the insight that I cannot think of myself as not-thinking – historically was first addressed by Descartes and, then, by Kant. Hegel claims that both Descartes and Kant drew wrong conclusions from it. Cartesian and Kantian philosophy thus are two significant misconceptions of pure self-consciousness in the history of philosophy, having far-reaching implications: they preclude Descartes and Kant from having a proper philosophy of spirit, of spirit 13 Cf. McDowell. Why Does It Matter, p. 17–18, referring to Rödl, S. Self-Consciousness. Cambridge, Mass.: Harvard University Press, 2007. 14 McDowell also seems right to me in resisting Robert Pippin’s tendency to enter the social dimension of self-consciousness – what Hegel calls “objective spirit” – too early, before taking the idea of self-consciousness as such under scrutiny. Cf. McDowell. Why Does It Matter, p. 17, on this.

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in its two dimensions – finite and infinite subject –, and of spirit as essentially bound up with freedom. This is how Hegel describes the period beginning with Descartes and leading to Kant, which, as a whole, prepared the ground for his own philosophy: [A]t the stage which self-conscious Spirit has presently reached, it is clear that Spirit has now got beyond the substantial life it formerly led in the element of thought [= a period ending with Descartes, i. e. to which Descartes still belongs, as its end, T.O.], that it is beyond the immediacy of faith, beyond the satisfaction and security of the certainty that consciousness then had, of its reconciliation with the essential being, and of that being’s universal presence both within and without. [= The period of Christian belief before the Enlightenment, T.O.] It has not only gone beyond all this into the other extreme of an insubstantial reflection of itself into itself [= the standpoint of Kantian philosophy, “Reflexionsphilosophie”, T.O.], but beyond that too. Spirit has not only lost its essential life; it is also conscious of this loss, and of the finitude that is its own content. Turning away from the empty husks, and confessing that it lies in wickedness, it reviles itself for so doing, and now demands from philosophy, not so much knowledge of what it is [which is what philosophy, according to Hegel, can and ought to do, T.O.], as the recovery through its agency of that lost sense of solid and substantial being. Philosophy is to meet this need, not by opening up the fast-locked nature of substance, and raising this to self-consciousness [which, again, is what philosophy, according to Hegel, can and ought to do, T.O.], not by bringing consciousness out of its chaos back to an order based on thought [which, again, is what philosophy, according to Hegel, can and ought to do, T.O.], nor to the simplicity of the Notion [which, again, is what philosophy, according to Hegel, can and ought to do, T.O.], but rather by running together what thought has put asunder, by suppressing the differentiations of the Notion and restoring the feeling of essential being [= what “Unmittelbarkeitsphilosophie” (e. g. in Schleiermacher and other Romantics) does, which Hegel is strictly averse to, T.O.].15

Hegel himself enters the stage at the culmination of this – revolutionary – period of the history of philosophy, where the need of spirit, its being unsatisfied with the available (mis)conceptions of spirit, becomes manifest. It is his task to overcome both (kinds of) misconceptions, the Cartesian and the Kantian one, without thereby lapsing into Unmittelbarkeitsphilosophie, which many of his contemporaries are prone to do. In order to see how this is meant to work, what the philosophical progress from Descartes via Kant to Hegel consists in, we first have to take Descartes’ and Kant’s (mis)conceptions of pure self-consciousness under closer scrutiny. To begin with, Descartes and Kant share the basic assumption that the fact that I cannot think of myself as not-thinking, which is known through the Cartesian meditation, is to be explained by reference to the I think16: it is because I think that 15 Hegel. Phenomenology of Spirit, § 7. 16 Which is mirrored by the fact that they first introduce the very phrase “I think” (or “cogito”) into philosophy.

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I cannot think of myself as not-thinking. Descartes specifies this assumption ontologically, by conceiving of the I think (the cogito) as the way I exist (“sum res cogitans”): as long as I exist, I am thinking, as thinking is the mode of my existence. Hence, modally, Descartes conceives of my thinking as necessary.17 Kant rejects both specifications, the ontological one by conceiving of the I think as something non-substantial instead (as pure self-reflection), the modal one by introducing the idea of spontaneity (the I think as the act of spontaneity). Now let us look at the sequence of these two (mis)conceptions in closer detail: Descartes. In his Meditations, Descartes applies what can be called the methodical principle of doubt. That is, I put into doubt any content of my thinking that can be put into doubt without ending up in an immediate contradiction. Doing so, I realize that I can indeed put into doubt any content of my thinking, with only one exception: I think. I cannot think of myself as not-thinking, for doing so would be doubting what I am doing in this very act of doubting: thinking. Descartes aims to explain why this is so. His explanation draws on a certain unquestioned principle of ontological thinking that, from a (post-)Kantian point of view, will turn out to be pre-critical. This principle says: the impossibility of thinking something as thus-and-so is to be explained by reference to this something’s being necessarily not-thus-and-so. To give an example: it is possible to think that this brown book in front of me could be blue, because it is not necessarily brown. Accordingly, as it is not possible to think of myself as notthinking, this must be because I think necessarily. The supposed necessity of my thinking is the flipside of Descartes’ ontological form of thinking: as far and as long as I exist, I am thinking necessarily, for my existence consists in my thinking. That is, I cannot think of myself as notthinking, for this would amount to thinking of myself as not existing – the immediate (performative) contradiction. Kant. Kant shares Descartes’ view that it is by reference to the cogito – the Ich denke (the I think) – that we have to explain why I cannot think of myself as notthinking. This is an implication of his general claim that the I think is the “highest point” of philosophy18: a priori truths can be explained (or justified) by reference to the I think, but the I think itself is unexplained, or explains itself. However, Kant criticizes the ontological form of Descartes’ thinking in the Paralogism chapter of his Critique of Pure Reason. His pivotal insight is that philosophizing about the I think – properly understood, as pure self-reflection – does not warrant a conception of myself as something existing in the sense of a substance, as 17 He of course does not claim that, necessarily, a finite thinking thing exists, but that, if and as long as I exist, I necessarily think, as this is what my existence consists in. 18 Kant, I. Critique of Pure Reason, B 133 [Footnote].

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Descartes thought it would. Kant conceives of the I think as the very act of thinking which qua thinking is internally self-reflective; this is opposed to a conception of the I think as consisting in or making up a thing, or a kind of thing – a res, a substance. However, this Kantian move is obscure, in even two respects: (i) First, it is unclear what a pure act is supposed to be: conceiving of a pure act as an act that has no subject of which it is to be predicated seems nonsense19; but conceiving of this act as being exhibited by a subject signified by the indexical ‘I’ raises the second problem. (ii) Second, if there is a subject of this act, this subject cannot be the individual signified by the indexical ‘I’, for then the I think would be my, N.N.’s, thinking. But my, N.N.’s, thinking cannot be the “highest point of philosophy”; if it were, philosophy would collapse into solipsism.20 Kant notices the problem and, thus, glosses “the I” in terms of “this I or He or It (The thing) which thinks”21. There are two ways of understanding this: either, there is a second I additional to me who ordinarily is signified by the indexical ‘I’ – an alter ego, so to speak –; then, we have lost track of the insights from the Cartesian meditation, in which I reflect on myself, as a real thinker about whom we can ask whether her thinking is necessary or free. Or, the Kantian quote just reflects the insight that we can talk about thought as it is in itself. That is surely true: when I think (and know) that p, it is the case that p, and the thought that p is true. However, this does not accommodate the upshots of the Cartesian meditation, either: the insight that I cannot think of myself as not-thinking. In this proposition, I obviously cannot replace ‘I’ by ‘it’. This is because, as far as we consider the I think as such, in pure self-consciousness, and not as far as it may accompany any objective thought, it does not make any sense – it is impossible – to paraphrase it without employing the indexical ‘I’. Kant seems clear about this problem too. This is why he strictly keeps to the phrase ‘I think’, both in the Transcendental Analytic and in the Paralogism 19 There has been an instructive discussion between Rosefeldt, T. Kants Ich als Gegenstand. Deutsche Zeitschrift für Philosophie, n. 54, 2006, and Horstmann, R.-P. Kants Paralogismen. Kant-Studien, n. 84, 1993, on this point: Rosefeldt thinks that Kant must conceive of the I as a thing in a minimal sense (as a “logical thing (logischer Gegenstand)”, as Rosefeldt puts it) in order to avoid the absurdity just mentioned. It should be noted, however, that Fichte’s philosophy is built on this very absurdity. As we will come to see later, all these problems are inevitable consequences of a deeper misconception Hegel is drawing our attention to. 20 Hegel seems to conceive of the Romantics as having taken this route, with the merit of being consequent at least. Thus, it seems to be Hegel’s view that the Romantics straightforwardly (re)present the (or one) absurdity of the doctrine of the I think thus conceived. 21 Kant, I. Critique of Pure Reason, A 346 / B 404.

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chapter from the Transcendental Dialectic. Kant is also clear about the contradictory difference between necessity and spontaneity; he is aware that non-necessity is a necessary, though maybe not a sufficient, condition for spontaneity. Now, I think is meant to be an act of spontaneity – the act of spontaneity. This does not mean that it is something I choose to do, or do voluntarily, and could thus decide to refrain from doing; it does not even mean that it is an action done at will. However, it means that it is an act whose defining operation – synthesis – cannot be understood in terms of necessity. Even where I find myself forced to draw the conclusion C from the premises P1, P2, P3, I am doing this not necessarily, but spontaneously: I see that it must be so, but this does not happen to me by necessity, as in the case of a mechanistic causal event. Kant’s resistance to the idea that the I think, and (its) synthesis, is something necessarily going on matters far beyond this case of drawing a logical inference. Thinking is one single capacity. That is, if I affirm that I think necessarily, this would be predicating necessity of all my individual acts of thinking, of all my particular thoughts, a priori. There is no way out of the problem by conceding that I think necessarily, but insisting that this does not mean that I necessarily think that p. This point can be made especially clear in Kant’s own terms: if the I think – the act of spontaneity, synthesis as such – were something necessarily going on, all thoughts which are thoughts due to their form – synthesis – would be necessary due to this very form, that is, as far as they are thoughts. And the problem extends even further: actions, as far as they result from thoughts about what to do, would be necessary and, thus, not free, if these thoughts were necessary. Thus, the question of whether the I think is necessary or not, is of fundamental importance. This makes clear why Kant cannot accept the Cartesian conclusion drawn from the insight that I cannot think of myself as not-thinking: I think necessarily. But, as we have seen, he cannot make sense of the I think as a spontaneous act, either.22 This is why it is right to characterize Kant’s view as a dogmatism of spontaneity, mere insistence on spontaneity (as opposed to necessity); not without any plausibility or warrant if considered against the Cartesian background, but without sufficient rational penetration, with ending up in confusion indeed that has been puzzling readers of Kant right from 1781 onwards. As we shall see in a moment, all that is because Kant – despite the differences from Descartes – shares with Descartes a fundamental and freedom-threatening misunderstanding of the logical form of the Cartesian insight that I cannot think of myself as not-thinking. That is, we can trace back the obscurities surrounding the Kantian I think to their logical root, from the viewpoint of which they do not 22 This is why Fichte, on his own premises, is right in ending up with the following exclusive disjunction: either (Spinozist) necessitarianism or a philosophy of freedom that is the freedom of self-positing, of the absolute I.

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(and cannot) appear as accidental mistakes anymore, let alone as problems resulting from a certain (mis)reading of the Kantian texts, but are revealed as unavoidable implications of this misunderstanding. So, though Kant is on the right track in overcoming the ontological misconception of the I think that shapes Descartes’ philosophy, overcoming only the ontological, but not the logical, misconception remains insufficient. As long as the logical form of the proposition ‘I cannot think of myself as not-thinking’ is not understood properly, the very idea of self-consciousness is not yet fully grasped. So Kant is the great contradiction23: he calls for freedom, but cannot account for it rationally, theoretically. As we will see more clearly in a moment, this is because he holds on to a logic that is ontologically shaped, although he has already moved beyond ontology. He underpins the realist conviction that the fact that I cannot think of myself as not-thinking must be explained by reference to something being the case anyway: I think. This is mistaken, from a Hegelian point of view – which is ours, as it belongs to the stage of history we still belong to. How precisely history comes into play will be the topic of the next sections. However, I want to remark right here that my reading allows, even implies, identifying Descartes’ and Kant’s conceptions of self-consciousness as necessary misconceptions, that is without imputing a mistake to them they could have avoided. This is an important advantage of my reading, as it allows for criticizing great philosophers without taking up the arrogant attitude of discovering ‘their’ mistakes and assuming that they result from their defectiveness. In Descartes and Kant, the time for the final conception of self-consciousness had not yet come. Later in the paper, it will emerge why spirit needs time.

3.

Hegel on the True Conception of Pure Self-Consciousness and Its Logical Ground

Descartes and Kant, I said, basically share the same misunderstanding of the logical form of the proposition ‘I cannot think of myself as not-thinking’. They think that the proposition – and its validity – is to be explained by the fact that I think. They conceive of ‘(not) thinking’ as ‘being the case or not’, and they differ in what ‘being the case’ means: being something or consisting in an act – whatever this means. Moreover, Kant differs from Descartes in calling for freedom (first in the minimal sense of spontaneity, as non-necessity) explicitly.

23 To apply Hegel’s (logical) category of ‘becoming (Werden)’: in Kant, the final realization of spirit’s self-knowledge is in the becoming. But becoming is a contradictory state, in between of ‘being’ and ‘nothing’.

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The misunderstanding of the logical form of the proposition ‘I cannot think of myself as not-thinking’ is an understanding according to which it is legitimate to apply what Sebastian Rödl, building on Héctor-Neri Castañeda24, calls “the rule of detachment”: He [sc. Castañeda] noted that the rule of detachment, which licenses the inference from S knows p to p, does not apply when what is known is specified by the special pronoun he honoured with a star, S knows that she* is F. She* is a first-person pronoun; it is that pronoun in indirect speech. When someone knows she* is F, then there is no detaching what she knows from her knowing it […].25

It is the logical form of self-consciousness that is responsible for this non-applicability of the rule of detachment. In this non-applicability of the rule of detachment, the logical form of self-consciousness is manifested, and accounting for this non-applicability is accounting for the logical form of self-consciousness. Note that the non-applicability of the rule of detachment, as it is presented by Castañeda and Rödl, only applies to sentences of the form “S knows that she* is F.” In the following, I will extend the scope of the rule of detachment (and its nonapplicability) to the proposition ‘I cannot think of myself as not-thinking’26; for it too is the logical form of self-consciousness that makes the inference from ‘I cannot think of myself as not-thinking’ to ‘I think (necessarily)’ illegitimate. Just as accounting for the non-applicability of the rule of detachment to sentences of the form “S knows that she* is F” is part of understanding what (the logical form of) self-consciousness is, accounting for the non-applicability of the rule of detachment to the proposition ‘I cannot think of myself as not-thinking’ is, I think, an essential part of the philosophy of self-consciousness, and thus also crucial for understanding the role that pure self-consciousness plays in Hegel’s philosophy of Geist. It is not legitimate, I said, to apply the rule of detachment (in its extended sense) to the proposition ‘I cannot think of myself as not-thinking’. The ‘myself ’ essentially contains a self-reference back to the preceding ‘I’, and the ‘(not-) thinking’ signifies the same as the preceding ‘think’. This is why it is illegitimate to apply the rule of detachment to it, which is what Descartes and Kant do, each of them then dealing differently with the result though. Why is it not legitimate to apply this rule? Well, it lies in the very nature of self-consciousness that ‘I (cannot) think of myself …’ is categorially different from ‘I (cannot) think of an object o …’. Seeing this is or presupposes having grasped the very point of selfconsciousness, as being categorially different from consciousness of an object, 24 Castañeda, H.-N. “He”: A Study in the Logic of Self-Consciousness. Ratio, n. 8, 1966. 25 Rödl, S. Self-Consciousness, Negation, and Disagreement. Proceedings of the Aristotelian Society, n. 117, 2017, p. 217. 26 How precisely this extension works and what it amounts to will be unfolded in the following.

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already. This reflects the fact, which Rödl emphasizes all along, that there is no way towards an understanding of what self-consciousness is without having it understood already, at least implicitly. However, it makes a difference whether this claim, as in Rödl, only applies to the timeless finite subject or (also) to the history of philosophy. Rödl thinks that every individual subject has an (implicit) understanding of self-consciousness, but he does not say much about how to explain that many philosophers have failed (and still fail) to make it explicit in their philosophies. Hegel thinks that, before a certain turn in history (of philosophy), no sufficient understanding of self-consciousness was available to finite subjects, including philosophers. At the stage in history (of philosophy) discussed here – the period between Kant and Descartes on the one side and Hegel on the other side –, the very idea of self-consciousness had not been grasped yet. Rather, this period is (part of) the ongoing (not yet accomplished) struggle for understanding what self-consciousness is. This implies that the first subject to whom this understanding was available could not have taken it from the (form of) thinking she inherited from her predecessors; nor could the predecessors have arrived at it by their own (form of) thinking: they necessarily had been certain that one defining feature of thinking precisely is the universal, unrestricted applicability of the rule of detachment. Thus, the thought that this applicability is restricted is no thought, at least no thought about thinking, for them. This is why Hegel thinks that his philosophy, which is the first one that is built around a proper and full understanding of (pure) self-consciousness, is not in continuity with the philosophy of his predecessors, Descartes and Kant. Rather, he thinks that there is a leap in between. This insight has far-reaching implications, which will be the topic of the following section. Before that, we have to understand what, according to Hegel, is the proper and full understanding of (pure) self-consciousness, of the logical form of the proposition ‘I cannot think of myself as not-thinking’. How can we ‘explain’ it – and its validity – if not by applying the rule of detachment and, then, referring to the I think as something going on, as Descartes and Kant did? (Or is there no such thing as ‘explaining’ it?) Well, if the rule of detachment does not apply, the proposition cannot and must not be cracked into supposedly self-standing constituents. That is, one has to conceive of the proposition ‘I cannot think of myself as not-thinking’ as a non-separable, original unity; a unity that is an a priori impossibility – that is: a logical proposition, a proposition of “speculative logic”, as Hegel puts it. Speculative logic shares with pure formal logic that it contains a priori necessities (or impossibilities), but differs from it in one decisive respect: whereas the propositions of pure formal logic are about nothing, are “senseless (sinnlos)”, as Wittgenstein notably puts it, the propositions of speculative logic have content:

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they are, ultimately, about myself, as far as I am a self-conscious subject.27 The proposition ‘I cannot think of myself as not-thinking’ tells me something about myself, as far as I am a self-conscious subject. Due to what propositions of speculative logic share with propositions of pure formal logic, they also share with them the form of an inseparable, original unity that is prior to its constituents. In ‘A = A’, the meaning of the sign ‘=’ is defined; there is no separate item signified by the ‘=’ nor a separate item called ‘A’ which, due to their nature, can or have to combine the way ‘A = A’ expresses it.28 Likewise, the proposition ‘I cannot think of myself as not-thinking’ too cannot be explained by reference to separate items, but rather itself ‘explains’, or better: defines, what its constituents are, what is meant by ‘I’ and ‘thinking’. So the proposition explains what (pure) self-consciousness is29, and there is nothing called ‘(pure) self-consciousness’ (or the ‘I think’) which in turn would or could explain the proposition. The proposition in itself ‘explains’, or better: defines, what (pure) self-consciousness is; it can only do so if it (or its content) is not (pure) self-consciousness, but something essentially belonging to the answer to the question of what (pure) self-consciousness is. Indeed, I earlier said that pure self-consciousness is knowing that I cannot think of myself as not-thinking. Thus, (that) I cannot think of myself as not-thinking is not pure self-consciousness, but its logical form.30 Hegel refers to this logical form as “the concept in general (Begriff im Allgemeinen)”; he even introduces this concept of “the concept in general” by reference to pure self-consciousness: The Concept, as far as it has achieved an existence which is itself free, is nothing other than the I or pure self-consciousness. (Der Begriff, insofern er zu einer solchen Existenz gediehen ist, welche selbst frei ist, ist nichts anderes als Ich oder das reine Selbstbewußtsein.)31 27 That this proposition is not about myself, as far as I am a particular individual, is implied by the fact that this proposition is an a priori impossibility: there cannot be a priori impossibilities about me, as far as I am a particular individual. Note that this corresponds to what Hegel says in § 383 of the Encyclopedia. 28 This is a point made explicit by the later Wittgenstein. Cf. Baker, G.P.; Hacker, P.M.S. Wittgenstein: Understanding and Meaning, Volume 1 of an Analytical Commentary on the Philosophical Investigations, Part 1 – the Essays, 2nd edition, extensively revised by P.M.S. Hacker. Oxford: Wiley-Blackwell, 2009, on this. 29 Maybe together with other propositions. 30 On the difference between ‘the concept’, as the logical form of self-consciousness, and (really existing) self-consciousness, cf. Martin, C. Ontologie der Selbstbestimmung. Eine operationale Rekonstruktion von Hegels “Wissenschaft der Logik”. Tübingen: Mohr Siebeck, 2012. Martin also argues to conceive of ‘the concept’ as ‘self-determination (Selbstbestimmung)’, which already implies a conception of freedom beyond mere non-necessity. 31 Hegel, G.W.F. Wissenschaft der Logik. TWA, vol. 6. Frankfurt am Main: Suhrkamp, 1979, p. 252 [Miller’s English translation modified].

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That is, there is a logical form – Hegel calls it “pure relation to itself (reine Beziehung auf sich selbst)” –, which is realized by “the I”. “The I”, a self-conscious (finite) being, is this logical form, as far as it is realized, as far as it “exists”. Conversely, within the conceptual framework of Hegel’s Logic, the logical form is its “ground”. In pure self-consciousness – i. e. in knowing that I cannot think of myself as not-thinking – the self-conscious (finite) being reflects on its ground, its logical form; it makes it explicit by a proposition signifying this logical form: a proposition of speculative logic. Notably, Hegel also characterizes this logical form, “the concept” in general, as “self-referential negativity (sich auf sich selbst beziehende Negativität)”. This is something which, especially on a highly abstract level, is hard to grasp. However, with regard to the proposition ‘I cannot think of myself as not-thinking’, one can literally see what it means: the proposition is not ‘I think (of myself as thinking)’, but ‘I cannot think of myself as not-thinking’. It contains a double negation. Notably, Hegel further claims that this double negation is not futile. That is, it does not just restore what was originally negated, as is the case in pure formal logic. We can now make sense of this claim. We know that the rule of detachment is not legitimately applicable to the proposition ‘I cannot think of myself as notthinking’. Given that, it is impossible to infer ‘I think (necessarily)’ from it – which one could do if the rule of detachment were applicable. Its application would take this form (symbolizing ‘x think(s)’ by the predicate ‘Tx’, and ‘I’ by the individual ‘i’): ~◊(Ti that ~Ti) → □(Ti that Ti)32 → □Ti

The conclusion then would be: ‘I think necessarily’, just as it was in Descartes. Whereas, realizing that the rule of detachment is not legitimately applicable to ‘I cannot think of myself as not-thinking’, the only thing formal logic is entitled to do with this proposition is converting it to a necessity (instead of an impossibility): ~◊(Ti that ~Ti) → □~(Ti that ~Ti)

The conclusion is: ‘Necessarily, I do not think of myself as not-thinking’. But this is completely different from ‘I think (necessarily)’, the Cartesian conclusion, and does not imply or even warrant it. So given a proper understanding of the logical form of the proposition ‘I cannot think of myself as not-thinking’, one is not entitled to infer ‘I think necessarily’ from it, not even ‘I think’ – no propositions signifying real acts whatsoever. That is, only if one realizes that pure self-consciousness is not grounded in itself (as Kant thought it is), but in its logical form, one can account for the 32 This is an inference that can also be drawn, figuring as an illustrating ‘intermediate’ step here.

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spontaneity (and freedom) of my thinking – at least for its minimal condition being fulfilled: that my thinking is not something necessarily going on. Note that in what follows, we will have to distinguish between two senses of freedom: in its first, and minimal, sense it means the non-necessity of my thinking. This is not a sufficient characterization of thinking and its spontaneity or freedom in a positive sense yet, to be sure; but it is the reason why Hegel, in the quote, predicates “freedom” of the existing self-conscious being.33 Non-necessity is a necessary condition of spontaneity and freedom, in defense against the necessitarianism targeted by Hegel, as well as by all other philosophers of German Idealism: the Spinozist threat. In its second sense – which will come up in the following section – “freedom” means the ‘process of being freed from being committed to the view that I think necessarily’, by means of the argument just sketched. This is not only freedom because it frees me from some misconception, but primarily because it frees my from a particular misconception, namely the one according to which there can be no freedom in (my) thinking. We need to take one final step in this section: in the quote above, Hegel says that the logical form of pure self-consciousness is its “ground”, and that pure selfconsciousness “exists”, i. e. it is the ground as far as it has gained existence. In the Science of Logic, Hegel explicates the dialectical relation between ground and existence; and we can make sense of this with regard to pure self-consciousness: as I said, pure self-consciousness is grounded in its logical form which is signified by the proposition ‘I cannot think of myself as not-thinking’.34 ‘Grounded’ here has a normative sense: it is only because what the proposition says is the case that pure self-consciousness is what it is. However, this normative sense does not imply an ontological independence of the ground from what exists on the basis of it35: ‘because it is the case’ does not point to a ‘being the case’ ontologically independent of the existing pure self-consciousness, i. e. in the sense required by the realist conviction (and in the sense underpinned by crude Platonists). This point is also captured by the notion of ‘(logical) form’: like any form, also this form, qua form, does not exist but for and in existing pure self-consciousness.

33 Hegel even characterizes the transition to the Logic of the Concept (Begriffslogik) as entering “the realm of freedom”. 34 It could seem as if there were an ambiguity within the concept of ‘pure self-consciousness’: one the one hand, it means the insight (or knowledge) that I cannot think of myself as notthinking; on the other hand, it means a self-conscious (finite) being. In fact, both meanings are identical, because, as far as we are concerned with self-conscious (finite) beings here, they consist in – potentially or actually, implicitly or explicitly – having the insight (or knowing) that I cannot think of myself as not-thinking. 35 Though there is an ontological dependence of pure self-consciousness from its ground, ‘the concept’, to be sure: pure self-consciousness – knowing that I cannot think of myself as notthinking – would and could not be without the proposition it knows (and its being true).

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This is why Hegel says that not only what exists depends on its ground, but also the other way round. So far, the logical grounding of self-consciousness is nothing that would lead us beyond (pure) self-consciousness or beyond the self-conscious finite subject in ontological (or metaphysical) respect, but only in a logical one. Speculative logic so far does not contain or imply any distinctive metaphysical commitments. But as soon as we take it together with the idea of a leap in history mentioned before, this changes. Then it turns out that we have to account for an absolute subject, as something existing and being distinct from finite subjects (from ourselves) – and from which finite subjects (we) metaphysically depend. This is what I shall now turn to.

4.

The Absolute – Freedom and History

There is a leap in history, I said; in the first place, it separates Descartes and Kant on the one hand and Hegel on the other. Descartes is the beginner of a philosophy of (pure) self-consciousness, in two senses of the word ‘beginner’36: he is the first who does philosophy of (pure) self-consciousness, and he still is an amateur in philosophy of (pure) self-consciousness. He clearly sees that thinking about myself, the one who is thinking, is a crucial and focal philosophical issue; but he cannot see that its logical form conflicts with the form of ontological thinking that he leaves unquestioned, let alone that he would be (explicitly) bothered by the necessitarianist implications of his thinking. Kant sees the conflict between the (logical) form of pure self-reflection and ontological thinking, as well as the incompatibility between necessity and spontaneity (or freedom). But he does not see that what he does – applying the rule of detachment, though without ontological and necessitarianist implications (− and thus incoherent) – conflicts with the logical form of (pure) self-consciousness, which he cannot fully grasp, either. That is why his conception of (pure) self-consciousness is beyond pre-critical ontology, but this side of the new metaphysics of the absolute that, as we will now come to see, emerges from the Hegelian conception of (pure) self-consciousness and its location in the history of philosophy and, thus, of spirit. Understanding the logical form of the proposition ‘I cannot think of myself as not-thinking’ properly and, thus, understanding this proposition as a (speculative) logical one at all, was not at hand before Hegel. This is what we learn from history when we ‘read’ it philosophically, the way I am just trying to perform it. 36 In his Lectures on the History of Philosophy, Hegel explicitly calls Descartes the “beginner of modern philosophy (Anfänger der modernen Philosophie)” – in both of the following senses of the word, I take it.

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Doing that is essential to philosophy, if philosophy wants to be philosophy of spirit and not just mere logic. It seems to be an aspiration of Hegel’s Logic that we – now – have a priori knowledge of the logical succession of different forms of thinking; that is, we know a priori that, if there is reason in history and, thus, history is a philosophical topic, these forms have to develop according to this succession. But the Science of Logic cannot tell us that there are (and, as I will argue, must be) actually held misconceptions of pure self-consciousness in history (of philosophy).37 This is what Hegel means by saying that the negativity that is essential to spirit is not yet fully at work in the Logic. These misconceptions – and the overcoming of them – will, however, turn out to be necessary for the realization of spirit’s self-knowledge and -revelation, as I will argue. This explains why Hegel is such an attentive reader of history (of philosophy). It is quite patent from his Lectures on the History of Philosophy that there he is not just repeating transitions from one form of thinking to the next, which we may already have gone through in the Science of Logic; rather, he points to the actually held misconceptions which spirit is about to overcome. In order to understand the role of these misconceptions – and the overcoming of them – in the realization of spirit’s self-knowledge, we have to consider more closely what I was referring to as the leap in history. The leap means that something new, a new form of thinking, enters the stage of history (of philosophy). If we radically think through the idea of something new entering the stage of history, we must conceive of the new as something that is impossible to emerge just out of what is already there. This allows us to make sense of Hegel’s definition of ‘spirit’ in the Encyclopedia: it is “revelation (Offenbaren)”38. Interestingly enough, this very concept stems from religion. I will dwell on that later. What is meant by “revelation” basically corresponds to what I was referring to as ‘the leap’ in history (of philosophy). It is to be specified as follows: something new is shown to finite subjects; it is given as something valid, and they acknowledge it as valid although this would not have been possible on basis of their old form of thinking, as – in our case – this old form of thinking implies the universal (unrestricted) applicability of the rule of detachment, to all propositions of the form ‘I cannot think (that) x’, ‘It is impossible to think (that) x’, whatever the x 37 I leave open the hotly debated question of whether the transition from Logic to Realphilosophie is as compelling as Hegel suggests it to be. This was notably disputed already by his early critics, such as Schelling. At any rate, it should be clear that even if this transition was compelling, doing philosophy of history (of philosophy) does not and cannot just consist in repeating the Logic, but contains reference to reality and all implications this reference has. With regard to my concerns, this means that, in any case, we cannot know within the Logic that, in history, actually held misconceptions occur. 38 Hegel. Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften im Grundrisse (1830), § 383 [my translation].

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might be. It is a new form of thinking established as a successor to the old one: the applicability of the rule of detachment now is restricted. Seeing that is conceiving of self-consciousness as self-consciousness, as categorially different in (logical) form from consciousness of an object, that is, fully grasping the very idea of selfconsciousness and its logical form. Interestingly enough, Hegel says “that it [sc. spirit] does not reveal something; rather, its determination and content is this revealing itself (daß er [sc. der Geist] nicht etwas offenbart, sondern seine Bestimmtheit und Inhalt ist dieses Offenbaren selbst)”39. That is, spirit’s revelation is not exhausted by providing a new form of thinking to finite subjects; it is not exhausted by spirit’s giving something – something other than itself – to subjects. Rather, it culminates in thereby revealing revealing to them. What does that mean? Well, we have just thought through this very thought: by exploring the history of (pure) self-consciousness in Descartes, Kant, and Hegel, we realized that there is a leap between the first two and Hegel, and understood that leap in great detail; that is, we realized that there is something given at the stage of Hegel’s philosophy which was not given before and which cannot follow just from the forms of thinking available before. That is, by giving the new form of thinking, spirit also gives everything at hand to know it as the giving – in short, it reveals (its) revealing, and it reveals itself as being this revealing. The revelation of revelation is spirit’s self-revelation. Spirit is revelation of revelation; and it reveals itself as this revealing which it is. This very thought implies a difference between spirit, as far as it reveals, and spirit, as far as it receives what spirit reveals; between the one who gives the new form of thinking, and the one to whom it is given. Hegel contrasts the two dimensions of spirit as ‘the absolute’ (or the ‘infinite subject’) and the ‘finite subject’. Finite subjects are subjects which are essentially bound to history in the sense that they can only think in the form of thinking that is established in the period of history they belong to. The infinite subject is the subject that governs history by successively giving what it gives. Spirit is only the whole it is through essentially unfolding into these two dimensions. This insight is the result of a line of argument we just went through. Retrospectively, we can (and have to) characterize this line of thought both as our gaining knowledge of the absolute subject, and the absolute subject’s revealing itself as revealing. Spirit, as a whole, knows itself once it knows all this.40 39 Hegel. Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften im Grundrisse (1830), § 383 [my translation]. 40 Now we can understand what Hegel means when he writes: “The True is the whole. But the whole is nothing other than the essence consummating itself through its development. Of the Absolute it must be said that it is essentially a result, that only in the end is it what it truly is; and that precisely in this consists its nature, viz. to be actual, subject, the spontaneous becoming of itself.” [Hegel. Phenomenology of Spirit, § 20.] And: “[T]he real issue is not

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So if we look back to all this from the result we have reached – the insight into the realization of spirit’s self-knowledge –, we can answer John McDowell’s question of why it matters to Hegel that Geist has a history as follows: without spirit’s self-knowledge in its two dimensions, revelation – what spirit is, its “content” – could not be realized; revelation again could not take place if everything were already given all along; if there were nothing that is not yet given. The successive realization of different stages of forms of thinking – of what is given and not yet given – is what we call ‘history (of philosophy)’, at least from a philosophical viewpoint. This is why history is necessary for the realization of spirit’s self-knowledge. Looking back to our line of argument, we also see that it would be a misunderstanding to think that the leap is something like a mere break in history, something that brings discontinuity into history that makes it somewhat unintelligible. On the contrary, the development from Descartes over Kant to Hegel does have a continuity which is to be understood as the development towards what is finally going to be given through the leap. In other words, the misconceptions of Descartes and Kant are sensible and intelligible misconceptions: they can (and must) be ‘read’ the way we just read them41, as misconceptions resulting from the contradictory attempt to spell out the new form of thinking, which is in the coming, and its implications through the old form of thinking. Thus, it is even mistaken to think that the revelatory step only consists in the leap between Descartes and Kant on the one side and Hegel on the other. Rather, this is the conclusive step of a revelatory process starting from Descartes and, via Kant, leading to Hegel. This is why Hegel, one the one hand, emphasizes the leap,

exhausted by stating it as an aim, but by carrying it out, nor is the result the actual whole, but rather the result together with the process through which it came about.” [Hegel. Phenomenology of Spirit, § 3.] That is, first, spirit can only gain its self-knowledge just described by actually going through the process of history; and, second, an individual who stands at the stage where this process is accomplished can only reconstruct or acquire all this by referring to this process through which spirit has actually gone – as we just did it. In § 28 of the Preface, Hegel explicitly points to the fact that an individual can (only) engage in the form of thinking that spirit has already provided and, thus, only reconstruct or acquire spirit’s self-knowledge as far as this is possible on the corresponding stage of spirit’s self-revelation. 41 Generally speaking, Hegel embraces a conception of history that can be illuminated by reference to the inner logic of a story. This is pointed out and presented by Hutter, A. Wahre Endlichkeit. Hegels Lehre vom absoluten Geist. In: Drilo, K.; Hutter, A. (Eds.). Spekulation und Vorstellung in Hegels enzyklopädischem System. Tübingen: Mohr Siebeck, 2015. Hutter coins the concept of “true finitude (wahre Endlichkeit)” that is meant to reflect Hegel’s concept of “true infinity (wahre Unendlichkeit)”. The analogy to the inner logic of a story helps us to see why my detailed exposition and discussion of the philosophical period from Descartes via Kant to Hegel is not ornamental: just like a good novel does not and cannot consist in mere results, spirit’s self-revelation needs to be spelt out stepwise.

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but also the continuity – and unity – of this philosophical period starting with Descartes:42 Spirit has broken with the world it has hitherto inhabited and imagined […]. Spirit is indeed never at rest but always engaged in moving forward. But just as the first breath drawn by a child after its long, quiet nourishment breaks the gradualness of merely quantitative growth – there is a qualitative leap, and the child is born – so likewise the Spirit in its formation matures slowly and quietly into its new shape, dissolving bit by bit the structure of its previous world, whose tottering state is only hinted at by isolated symptoms. The frivolity and boredom which unsettle the established order, the vague foreboding of something unknown, these are the heralds of approaching change. The gradual crumbing that left unaltered the face of the whole [= Descartes’ and Kant’s anticipations of the leap, T.O.] is cut short by a sunburst which, in one flash [= the leap, T.O.], illuminates the features of the new world.43

This metaphoric description contains something very important to Hegel: that in the transition that corresponds to the leap nothing is added by finite subjectivity. Rather, finite subjectivity just keeps looking at what is under scrutiny – here: the proposition ‘I cannot think of myself as not-thinking’ –, and by spirit’s revealing the new form of thinking according to which this is a proposition of speculative logic, the emptiness of Kant’s conception of self-consciousness is overcome.44 As a final step of this section, I will dwell on the relation of the absolute to freedom. Let us recall: as long as the I think is meant to be the explanation of the proposition ‘I cannot think of myself as not-thinking’ – by applying the rule of 42 There are other unities in the history of philosophy, to be sure, and there is one encompassing unity that makes it be the history of one project called ‘philosophy’. But that does not conflict with the claim that there are periods in the history of philosophy in which decisive steps – leaps – occur to which certain unities (of periods) correspond. 43 Hegel. Phenomenology of Spirit, § 11. 44 In the Preface, § 32, Hegel says: “[T]hat an accident as such, detached from what circumscribes it, what is bound and is actual only in its context with others, should attain an existence of its own and a separate freedom – this is the tremendous power of the negative; it is the energy of thought, of the pure ‘I’ [= in its Kantian misconception, T.O.]. Death, if that is what we want to call this non-actuality, is of all things the most dreadful, and to hold fast what is dead requires the greatest strength. Lacking strength, Beauty hates the Understanding for asking of her what it cannot do. But the life of Spirit is not the life that shrinks from death and keeps itself untouched by devastation, but rather the life that endures it and maintains itself in it. It wins its truth only when, in utter dismemberment, it finds itself. It is this power, not as something positive, which closes its eyes to the negative, as when we say of something that it is nothing or is false, and then, having done with it, turn away and pass on to something else; on the contrary, Spirit is this power only by looking the negative in the face, and tarrying with it. This tarrying with the negative is the magical power that converts it into being. This power is identical with what we earlier called the Subject, which by giving determinateness an existence in its own element supersedes abstract immediacy, i. e. the immediacy which barely is, and thus is authentic substance: that being or immediacy whose mediation is not outside of it but which is this mediation itself.” [Hegel. Phenomenology of Spirit, § 32.]

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detachment to it –, this either makes it impossible to account for the nonnecessity of my thinking (Descartes), or it makes it impossible to account for it in a coherent way (Kant). After the leap, it is possible to account for the nonnecessity of my thinking in a coherent way. But accounting for that, if one thinks things through, also means to acknowledge the leap as the leap and, thus, spirit as what it is: revelation; revelation of itself as revealing (Hegel). If we take these insights together, it follows that there is no conception of freedom without a conception of the absolute; but also, that there is no conception of the absolute without a conception of freedom internal to it, as making my freedom conceivable is what the absolute does, and it does so through history. Thus, the absolute is not a mere – dead, powerless – principle; rather, it governs history (of philosophy) in the way just described. It is a real actor that shapes history through its revelatory work. This is why Hegel talks about it as the successor of Spinoza’s substance, liberating it from its blind necessity and conceiving of it as an infinite subject which, by making our freedom accessible through revealing new forms of thinking, reveals itself as what it is through history; it is an essentially active, not an inert, ahistorical entity. This is the deeper sense of Hegel’s famous programmatic claim that it is the task of (his) philosophy to “grasp[.] and express[.] the True, not only as Substance, but equally as Subject”45. Note that Hegel says that the substance needs to be expressed also as subject, but not only as subject, not as subject instead of a substance. This is why McDowell’s assumption that by “spirit” Hegel does not mean anything substantial seems mistaken to me.46 In the quote, Hegel refers to the “substance” that is also “subject” as “the True”. And indeed, it makes sense to characterize infinite spirit as ‘the’ true – and not only ‘something’ true – that reveals itself, that is, as the new and adequate form of thinking that suspends the old forms; it is thinking as far as it is beyond the defective thinking of finite subjectivity that can do nothing else than holding on to the old forms of thinking. Again, this amendment of the defective thinking of finite subjectivity is an amendment of actual, real thought. It is not a selfdevelopment of pure thought (as in the Science of Logic), but a transformation within real thinking, of acts of real-existing finite subjects. This is the domain of Geistphilosophie, as belonging to Realphilosophie from which Hegel explicitly excludes the Science of Logic. 45 Hegel. Phenomenology of Spirit, § 17. 46 “So Geist in particular is not a substance, material or immaterial. The idea of Geist is the idea of a distinctive way of living a life; often it is better to speak of Geistigkeit, as the defining characteristic of that distinctive form of life and thereby of the living beings that live it.” (McDowell. Why Does It Matter, p. 16.) This, I think, is in tension with McDowell’s praiseworthy anti-Pippinian attempt to pursue a metaphysical reading of Hegel instead of one that cuts down everything to mere normativity.

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We have just gone through this transformation, experienced it in this paper – as it can happen to every individual at the present stage of history. Hegel explicitly says that, once spirit has done its revelatory work through history, every individual is capable of acquiring this work by understanding it. That is, every individual can understand Descartes’ and Kant’s forms of thinking (as far as they are intelligible)47, but then also sees the progress from Kant to Hegel. This implies that she finds herself forced to dismiss a form of thinking she has held so far. But she does not do so by ‘jumping’ to another (random) form of thinking which one is free to accept or not to accept (or chooses for pragmatic reasons, gets used to through cultural influence, or something like that). Rather, she finds herself forced to acknowledge the new form of thinking as valid and true, as rightly replacing the old form of thinking. It should be clear now why I, as a finite subject, metaphysically depend on the absolute: as far as I am spirit, a finite subject, I am thinking and knowing, the highest form of which is knowing myself as what I really am. But gaining this selfknowledge – and, thus, being what I am, as far as I am spirit – is only possible through the revelatory work of the absolute by which I gain knowledge of both myself and the absolute. This knowledge of both myself and the absolute – in one coherent line of thought – is what Hegel calls “absolute spirit (absoluter Geist)”.

5.

The Three Claims (1) – (3) and How They Are Related – Philosophy and Religion as Absolute Spirit

We can now turn back to the three claims stated at the very beginning of this paper. I shall sum up their decisive points by a counterfactual commentary on each: (1) Spirit can gain its full self-knowledge only through history (rather than by timeless and circular mere pure thinking, as in the Science of Logic). Spirit could not know itself as what it is – revealing – without this revealing taking place in history, nor without being differentiated into its two dimensions: the infinite (or absolute) subject, the revealer, and the finite 47 Given that she can really understand it, this means that she must herself be in a confusion, although she lives in a stage of history in which this confusion is already overcome by spirit. In other words, she must, within herself, have a tendency to misconceive of herself, more precisely: to set herself up as the absolute. This explains why Hegel thinks every individual, even in present and future days, is or will be what Christians call a “sinner”. I will go into that in the next section. It should be noted again that Hegel does not think that individual subjects can immediately grasp the stage on which spirit presently is, but that they can only acquire it by going through the way spirit has already gone through. (Cf. Hegel. Phenomenology of Spirit, § 28.)

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subject, to whom it reveals itself so that the finite subject gains knowledge both of itself and the absolute. (2) Spirit can demonstrate its power only through history (by overcoming its own negativity, that is, misconceptions of itself). Spirit would not be a real actor if its work were restricted to pure thought (to the realm of Logic, in contrast to the realm of Realphilosophie), as there would be no misconception actually held by real subjects that is in need to be overcome; there would be no negativity for spirit to bear, nor could it demonstrate its power by really bearing and overcoming these misconceptions. (3) Spirit can reveal itself as revolutionary only through history (by bringing about new forms of thinking that were not available yet in prior stages of history). Spirit would not be able to present something new in a merely circular development of thinking (as the successions of the Logic), but only in the linear structure of history. Only in a linear structure, the result is not identical with the beginning. The latter point, revolution, points to “world-history (Weltgeschichte)” and, thus, also to what Hegel calls “objective spirit (objektiver Geist)”. I will say a few things about this in the next section, also in order to show that my reading of Hegel does not cut off this sphere of spirit. However, spirit’s self-knowledge in its two dimensions – the absolute or infinite subject, and finite subjectivity –, as a whole, is at best reflected in objective spirit, but not fully actualized. It is actualized only in absolute spirit – and especially in religion. Hegel indicates this when he says that the sphere of absolute spirit as a whole can well be called “religion” – not only the second form of this sphere.48 It is striking and irritating that the vast majority of present readers of Hegel either ignore or try to downplay Hegel’s philosophical praise of religion.49 From the texts, there can be no serious doubt that he thinks that philosophy and religion share points of congruence. In order to account for this congruence, it does not suffice to ascribe a view to Hegel according to which religion is a – partly telling, partly misleading – allegory of what philosophy accurately penetrates and describes as spirit’s self-knowledge. Rather, Hegel claims that philosophy and religion share the same content: God, as the one who reveals himself through religion and philosophy; taken 48 This is what Hegel explicitly says in § 554 of the Encyclopedia. 49 I deal with this in closer detail in Oehl, T. Selbstbewusstsein und absoluter Geist. In: Oehl, T.; Kok, A. (Eds.). Objektiver und absoluter Geist nach Hegel. Kunst, Religion und Philosophie innerhalb und außerhalb von Gesellschaft und Geschichte. Leiden/Boston: Brill, 2018.

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together with Hegel’s claim that philosophy is a presuppositionless discipline, it follows that he is committed to the claim that philosophy, out of itself, has knowledge of God’s reality.50 And indeed, it has. The absolute, as we have accounted for it, is God. This is not a philosophical cheat-identification, but meant seriously: we have seen that the absolute is an infinite subject revealing itself as what it is, and proving its power throughout history, as a real actor. That is, to the extent to which being a real actor means being a person, the absolute is personal. It is true that the way religion, in itself, talks about God’s revelation and power is categorially different from the way philosophy, in itself, does so; it is false, however, to think that what Christian believers mean by ‘God’ – a really existing, infinite, self-revealing subject, a real actor – is a different entity from what is signified by the philosophical concept of ‘the absolute’. (Though it may well be true that some further, maybe even essential features of the Christian God cannot be justified philosophically.51) This raises the question of whether there is more than one non-allegorical point in which religion and philosophy congrue. And it seems that there is: (radical) sin. By ‘(radical) sin’ Christianity means the human being’s will to set himself or herself up as the absolute.52 (This is, by the way, exactly what happens in traditional left-wing readings of Hegel which recommend to understand ‘the absolute’ as ‘the human(kind)’.) Interestingly, this is what also happens in the historical period preceding Hegel’s philosophy: instead of realizing that selfconsciousness is grounded in ‘the concept’, ‘the I’ (or ‘the I think’) is itself meant to be the ‘highest point’ (Kant) or, even worse, the ‘principle of philosophy’ (Schelling) or, absolutely worst, ‘the absolute I’ (Fichte). There can be no doubt that Hegel, all over his texts, identifies “the I” as far as it is setting itself up as the 50 Hegel claims this quite straightforwardly, in describing his philosophy as a new version of the (ontological) proof of God. 51 This is the main reason why Pannenberg thinks that systematic theology needs to go beyond metaphysics and, thus, also beyond Hegel (cf. e. g. Pannenberg, W. Metaphysik und Gottesgedanke. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 1988, p. 20–33; for an English translation cf. Pannenberg, W. Metaphysics and the Idea of God. Trans. P. Clayton. Grand Rapids: Eerdmans, 1990). I reconstruct Pannenberg’s views about this in closer detail in Oehl, T. Die theologische Insuffizienz des Begriffs. Zur Systemkonzeption Wolfhart Pannenbergs. In: Wenz, G. (Ed.). Vom wahrhaft Unendlichen. Metaphysik und Theologie bei Wolfhart Pannenberg [= Pannenberg-Studien vol. 2]. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 2016. However, I think that Hegel’s metaphysics does not fall short of systematic theology the way Pannenberg thinks it does. This paper as well as my previous work on Hegel are meant to point this out and to justify this claim (cf. also Oehl. Selbstbewusstsein und absoluter Geist). 52 This is more or less a paraphrase of Pannenberg’s excellent interpretation of the anti-subjectivist spirit of Hegel’s philosophy as a whole. Cf. Pannenberg, W. Theologie und Philosophie. Ihr Verhältnis im Lichte ihrer gemeinsamen Geschichte. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 1996, p. 257–293. On p. 287 he uses the telling phrase “Aufblähung des endlichen Subjekts zur Absolutheit”.

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absolute as the profoundest and deepest form of evil; that is, as what Christians refer to as ‘(radical) sin’.53 And there is a second aspect to the Christian – especially Pauline and Lutheran – doctrine of radical sin to which Hegel’s philosophy congrues: that finite subjects’ tendency to set themselves up as the absolute has the necessary implication of becoming unfree. This is what we saw happening especially in the Cartesian form of philosophical thinking. However, we have seen that these profound misconceptions are necessary steps in the realization of spirit’s self-knowledge through history. This is the point where Hegel’s philosophy deviates from Christian doctrine, which was one of the reasons why Hegel got under theological attack: he sounds as if sin was necessary for God’s being God. However, the deviation should not make us overlook the following: if we take the two points in which philosophy and (Christian) religion really congrue, it follows that they both share the same view about freedom. Both philosophy and religion (re)present the process in which we are freed from misconceptions according to which we cannot be free (Descartes) or cannot make sense of being free (Kant); we are freed from unfreedom, for the sake of freedom (“zur Freiheit befreit”, as Luther puts it54) – by the absolute: that is, accounting for the absolute and coherently conceiving of myself as free turn out to be internally related to one another. Thereby, it also turns out that these insights are nothing I could achieve out of myself alone, but only through and by the revelatory work of the absolute.55 Thus, the relation between philosophy and religion is far closer than most present readers are willing to accept, due to their dogmatic secularism. In fact, every reading that cannot even make sense of Hegel’s omnipresent praise of Christian religion (particularly in its Lutheran form) is at least exegetically defective.

53 In Hegel’s 1829 Göschel-Rezension, the focal role the concept of “sin” plays in his thinking becomes especially explicit. I discuss this in closer detail in Oehl. Selbstbewusstsein und absoluter Geist. For a quite comprehensive study of Hegel’s “sin” cf. also Ringleben, J. Hegels Theorie der Sünde. Die subjektivitäts-logische Konstruktion eines theologischen Begriffs. Berlin: De Gruyter, 1976. 54 This is Luther’s excellent translation of Galatians 5,1. 55 The existential dimension of this fact becomes especially clear if one assumes that finite subjects in all present and future stages of history remain sinners. Cf. also fn. 47 and fn. 40 on this point.

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6.

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Objective Spirit and (Its) Revolution(s)

The relation between the finite subject and the infinite subject, the absolute, is the focus of my reading of Hegel. In other words, absolute spirit, the knowledge of this relation, is the culmination of my reading, just as it is the culmination of Hegel’s philosophical system. Thus, my reading stands in opposition to the majority of current readings of Hegel, who instead focus on the relation between the finite subject and the institutions which it is part of and which Hegel subsumes under the notion of objective spirit. My reading implies that all readings that try to cut off (the philosophy of) absolute spirit or integrate it into (the philosophy of) objective spirit are profoundly defective.56 However, it is also true that my reading would be defective if it had nothing to say about objective spirit. If the infinite subject is really infinite, then, as Hegel makes clear, nothing is outside of it or untouched by it. If there is an absolute, there must be some manifestation of it also in the realm of objective spirit; the work of the absolute must not be restricted to history of philosophy, but also extend to history in the sense of world-history. In order to show that and how it does, I will draw on Hegel’s remarks on the French Revolution and its terror. These, I think, make for the most telling example for how straightforwardly the work of the absolute – that it negates the finite subject’s setting itself up as the absolute – extends to world-history. In the Phenomenology section on the French Revolution, Hegel interprets the guillotine as executing spirit’s revelatory power by making visible the negation of the finite subject as the Revolution misconceives of it – namely as the absolute, and as absolutely free: The sole work and deed of universal freedom is therefore death, a death too which has no inner significance or filling, for what is negated is the empty point of the absolutely free self [= the misconception of the I (think) resulting from the old forms of thinking, T.O.]. It is thus the coldest and meanest of all deaths, with no more significance than cutting off a head of cabbage or swallowing a mouthful of water.57

Though it sounds too harsh, Hegel is not exaggerating or joking here. Rather, he thinks that this decisive step in world-history, the French Revolution, is nothing but a finite execution of spirit’s revelatory power – and, thus, the execution of the 56 Proving this is one of the main aspirations of the collected volume Objektiver und absoluter Geist nach Hegel which I edited jointly with Arthur Kok (Oehl, T.; Kok, A. (Eds.). Objektiver und absoluter Geist nach Hegel. Kunst, Religion und Philosophie innerhalb und außerhalb von Gesellschaft und Geschichte. Leiden/Boston: Brill, 2018). It is directed against the widespread tendency to reduce absolute spirit to objective spirit (as it happens in the work of Habermas and Honneth), as well as the tendency to ignore absolute spirit in favor of objective spirit (as it is the case with Brandom). 57 Hegel. Phenomenology of Spirit, § 590.

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I as far as it misconceives itself. It is finite – as objective spirit in general is58 –, as it is the execution of spirit’s revelatory power showing up in a real, but particular historical event. It is not – as philosophy and religion are – universally grasping spirit’s revelatory power as such, i. e. infinitely in the sense that, once spirit’s selfknowledge is reached through history, it remains as the truth. There is a second elucidatory example in objective spirit we should briefly turn to: Hegel emphasizes that the dimension of subjective freedom is one of the defining features of modernity (of modern consciousness) – and was not in view, let alone realized, in antiquity. This fact is internally related to the historical dimension of the realization of spirit’s self-knowledge, as pointed out by my reading of Hegel. The revelation of spirit from Descartes via Kant to Hegel is an increasing clarification of the nature of (pure) self-consciousness, containing a leap between Kant and Hegel regarding the adequate understanding of the logical form of self-consciousness. That is, the depth of the very idea of self-consciousness, as being categorially different in logical form from any consciousness of a mere object, is not fully grasped before Hegel, let alone before the beginning of the historical period of philosophy discussed in this paper. Hegel thinks the very idea of self-consciousness is anticipated by Christianity, especially in its Lutheran form. He does, at any rate, not think that it was grasped in antiquity. This is reflected in the fact that the dimension of subjective freedom was not called for, let alone realized in the social and political systems of antiquity. The most obvious upshot of that is the widespread acceptance of slavery. Aristotle did not only allow for the thought, but even embraced the thought that some people are slaves by nature; he could not have the idea of the human being’s being free simply qua being an I – as he could not yet properly grasp the idea of ‘being an I’. Thus, his view about slavery is not an isolated mistake, but rather grounded in the fact that – whatever precisely he meant by “noêsis noêseôs” – this thought is not equivalent to the modern idea of (pure) self-consciousness, its logical form, and its implications – such as subjective freedom – at all.59 Pointing this out is not blaming Aristotle, but an implication of Hegel’s thought that spirit’s self-knowledge was not yet accomplished in Aristotle’s times. As we have further seen, spirit’s self-knowledge implies accounting for the reality of the infinite subject. The infinite subject thus conceived can well be addressed as God, as it really governs history and reveals itself through actually held misconceptions of finite subjects, thus freeing them from the unfreedom these misconceptions imply. The constitutive involvement of such mis58 In § 386 of the Encyclopedia, Hegel explicitly distinguishes subjective and objective spirit, which together make up “finite” spirit, from absolute spirit which is “infinite” spirit. 59 McDowell admits that self-consciousness is not thematic for Aristotle (McDowell. Why Does It Matter, p. 17–18), but I think plays down the significance of this fact and the implications it has.

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conceptions in the realization of spirit’s self-knowledge is what Hegel calls the “negativity” that spirit not only overcomes, but actually needs for its self-revelation. Now, there is nothing like this in the Aristotelian ‘God’, which thus is only a ‘God’, but not God. Aristotle’s ‘God’ is pure thinking, Hegel’s God is spirit, i. e. pure thinking as it really manifests itself through history. Thus, it is far more than pure thinking. (It is a cheat to say that Aristotle’s ‘God’ too is more than pure thinking, as this thinking as such is actuality. This still does not suffice for ‘God’s’ being God.) Unsurprisingly, these upshots of my paper make direct contact with the ones from McDowell’s paper. McDowell does not deny that, according to Hegel, there is a linear progress through history. However, he restricts this to a “second sense” of freedom which he characterizes and distinguishes form a “first” one as follows60: [Freedom in the first sense is] freedom that can be in place even if it is only as a result of, for instance, her upbringing that someone takes some consideration to have rational force. That does not threaten the subject’s freedom in the sense that figures in “the fact of reason”; however she came to take the consideration to have rational force, her taking it to have rational force precludes her from regarding its role in determining what she thinks or does as an influence from outside her rationality. But she falls short of freedom in another sense, which would require acting or thinking not just in light of something she takes to be a reason but also in light of something she knows to have the rational force she attributes to it.61

McDowell thinks that there is historical change only to the second sense of freedom, to the more or less actualized potential to recognize reasons as reasons, which, he thinks, “[a]s a feature of a life, […] comes in degrees”62. However, “[r]egarding as internal to one the force of considerations one takes to be reasons”63, McDowell thinks, does and cannot undergo change in history. This, I think, cannot be Hegel’s view. Admittedly, it is hard to imagine how it could be otherwise without ending up in the bizarre view that a Greek individual was unable to give reasons and know them as being related to her in a way that is categorially different from, let us say, her being related to external causal influences on her body. Such a view is surely false. However, as it is generally true for philosophy, a lot depends on how to understand a phrase like “regarding as internal to one the force of considerations one takes to be reasons”. According to my reading, we have to ascribe a different (and deficient) understanding of a phrase like ‘internal to one(self)’ to the Greek individual, compared to a modern 60 In what follows, I will not discuss this distinction on its own, but only what McDowell says about historical change in this context. 61 McDowell. Why Does It Matter, p. 21. 62 McDowell. Why Does It Matter, p. 31. 63 McDowell. Why Does It Matter, p. 31.

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individual. The difference is not a gradual one, but a difference in kind.64 The selfunderstanding of the modern human being is an understanding of herself as being categorially different from any object, as well as being unconditionally free. Such an abstract way of putting it may be available only to modern philosophers. However, the self-understanding of every modern human being – not only of philosophers –, their (implicit) self-consciousness, essentially contains the possibility of calling for their own subjectivity each, to what Hegel calls ‘subjective freedom’, and this is accompanied by the certainty that there is such a thing as ‘subjective freedom’, as the flipside of the fact that I am a human being, an I, just like every other human being is an I. This cannot have been the (implicit) selfunderstanding of an ancient Greek human being; it was shaped differently. According to Hegel, the appeal to subjective freedom is ambiguous. On the one hand, it expresses or reflects the adequate understanding of pure self-consciousness, on the other hand, it can also express or reflect the misconception of it, the misconception of myself as the absolute. Both were not possible in ancient times. The ancients could not be sinners in the way moderns are, and thus could not even consider God to be a self-revealing subject who, qua self-revelation, negates this sin, as Hegel presents it.65 All in all, antiquity both lacks the developed form of freedom that is constitutive of the modern world and a sufficient grasp of the logical form of (pure) self-consciousness. They could not fully understand themselves, nor God. Selfconsciousness, freedom – as well as philosophy and religion – do have a history.

7.

Critical Notes on the Relation between Hegel and Aristotle

The preceding remarks point to a general difference between my reading of Hegel and McDowell’s one. McDowell assumes that Hegel and Aristotle are very close in their focal ideas, whereas it seems to me that they primarily differ from one another. I have already pointed to some of the differences, and I will now try to sum them up in four somewhat programmatic points. I cannot justify them in

64 It is instructive to compare this point to the view – which McDowell, by the way, endorses – that perceiving, as we ascribe it to non-rational animals, is not identical with perceiving, as we ascribe it to ourselves. This is not to say that animals cannot perceive, but that their form of perception is categorially different from ours. Now my claim will of course not be that the moderns relate to the ancients like rational beings to non-rational animals, but rather that spirit’s history makes up a categorial difference among rational beings, finite subjects: between the understanding of a phrase like ‘internal to one(self)’ on the stage of antiquity and the understanding of this phrase in the modern era. 65 This is not to say that the Greek could not be sinners.

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detail here, but it should be obvious that they simply reflect the upshots of my reading of Hegel: (1. Linearity of history) Hegel thinks, as the vast majority of modern people do, that history is linear rather than circular. The idea of a linear form of history was not even considered by Aristotle, and if he had considered it, this would have meant for him that history cannot be rational, let alone be the place where spirit’s self-knowledge takes place. (2. Pure thinking) According to Hegel, pure thinking is defective. It is an abstraction from reality; and spirit, only spirit, is reality. Pure thinking does not contain negativity in the sense in which sprit’s self-knowledge, through history, does: there is incompleteness and insufficiency of the singular categories, but nothing like a manifest misconception that needs to be overcome and then is overcome, let alone a manifest misconception actually held by real-existing subjects. (This does not conflict with the fact that, according to Hegel, the true and final form of thinking can and needs to be spelt out formally, which is the task of the Science of Logic. But the proof that it is the true and final form of thinking is achieved by the revelatory work of spirit through history, and only through it.) (3. Inner Corruption of Spirit) Despite the differences pointed out, Hegel is straightforwardly Kantian in at least one important respect: he endorses the idea of an ‘inner corruption’ of reason (or spirit), which Kant first brought up with the concept of ‘transcendental illusion’ that reason is inevitably confronted with. Such an idea would have been an absurdity to Aristotle; he can only think of external factors as inhibiting or distorting the proper work of reason. (4. Outside and inside of Spirit) McDowell and Rödl are also Aristotelians in the following sense: they think that self-consciousness is a timeless form that a living being whose form it is can all along access from within, and only from within. Accordingly, the idea of a ‘transition’ from not-knowing what self-consciousness is (not even implicitly!) to knowing it is incoherent. From a Hegelian point of view, it is different: with regard to spirit’s self-knowledge as it is realized through history, the idea of a transition from a form of thinking that does not yet know what self-consciousness is to a form of thinking that does know it is constitutive.66 These fundamental differences raise the question of why Hegel does praise Aristotle the way he does. Apart from Hegel’s general admiration for all great

66 This even applies to the individuals philosophizing at (or after) the stage of history reached by Hegel: in overcoming their misconceptions (or confusions), they undergo this very transition too, thanks to the revelatory work of the absolute. Cf. also fn. 47 and fn. 40 on this.

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philosophers contributing to history in its linear development, there are two agreements between Hegel and Aristotle that I think explain it: (I. The Concept of the Concept) As McDowell himself quotes67, Hegel remarks that he is a follower of Aristotle in reintroducing the concept of ‘the concept’ to the philosophy of mind (or spirit), to the philosophy of spirit’s self-knowledge. McDowell thinks this means that Hegel picks up on the Aristotelian idea of a ‘form of a living being’ as it applies to rational living beings, finite subjects. Assuming that life plays this focal role in Hegel’s philosophy of spirit seems mistaken to me. I have offered an alternative understanding of Hegel’s remark. ‘The concept’ is the form of (pure) self-consciousness, and realizing that (pure) self-consciousness has this logical form (and is thus grounded) is the decisive step in spirit’s leading us beyond the subjectivist misconceptions discussed. The process of spirit’s self-knowledge essentially is an overcoming of misconceptions by finite subjects, that is: of necessary inner corruptions of spirit. Strikingly, Hegel characterizes the Kantian misconception – the “I think” or “I = I” – as “death (Tod)”68; and he also characterizes the perishing of these misconceptions as “death (Tod)”69. Taking these two together, this view amounts to the idea of a “death of the death (Tod des Todes)”, which Hegel, in his Lectures on the Philosophy of Religion, points out as the speculative truth of the cross and the resurrection. Now, what matters with regard to Hegel’s relation to Aristotle’s doctrine of life is this: Hegel conceives of the process of spirit’s self-knowledge as, so to speak, self-referential death70, and not as an ongoing – “deathless”71 – process of life. (II. Separateness of Spirit) Notably, Aristotle claimed that noûs is somehow separate (chôristos) from all finite beings72, and, particularly, it is not the soul of a

67 68 69 70

McDowell. Why Does It Matter, p. 15. Cf. the above quote from Hegel. Phenomenology of Spirit, § 32. Most vividly expressed in the above quote from the Phenomenology of Spirit, § 590. Gobsch, W. Philosophieren als Sterben. Selbsterkenntnis und Versöhnung bei Hegel (eine Annäherung). In: Oehl, T.; Kok, A. (Eds.). Objektiver und absoluter Geist nach Hegel. Kunst, Religion und Philosophie innerhalb und außerhalb von Gesellschaft und Geschichte. Leiden/ Boston: Brill, 2018, makes a lot of this, and he characterizes philosophizing, according to Hegel, as dying (Sterben); and Hutter, A. Methodischer Negativismus. Das Programm einer “Revolution der Denkart” bei Kant, Hegel und Kierkegaard. In: Hutter, A.; Rasmussen, A.M. (Eds.). Kierkegaard im Kontext des deutschen Idealismus. Berlin: De Gruyter, 2014, points out the relevance of this, as he calls it, “negativist” method and nature of Hegel’s philosophy which is also manifest in the (historical) process of the realization of spirit’s self-knowledge. 71 As Aristotle himself puts it in De anima III 5, 430a23. 72 Shields, C. The Active Mind of De anima iii 5. Stanford Encyclopedia of Philosophy, 2016, points out the puzzlement this remark from De anima III 5, 430a17–18 ought to cause.

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human being, nor reducible to the soul of a human being.73 Hegel too thinks that spirit, in the dimension of the absolute subject, is somehow separate from the finite subject – namely in the following sense: there is an – one – infinite subject, the absolute, whose reality is not reducible to finite subjectivity, nor to the finitude of objective spirit, nor to any other finitude. This is why Hegel quotes Aristotle on noûs at the conclusion of his philosophy of absolute spirit, where Hegel’s proof of all this is summed up.

Conclusion John McDowell’s question – why does it matter to Hegel that Geist has a history – is one of the most interesting and most important questions one has to ask in attempting to understand ‘the whole’ of Hegelian philosophy. I argued for the following answer to this question: spirit, in order to be what it essentially is, namely self-revelation, needs history, as revelation can only be realized by overcoming certain forms of thinking, by giving new forms of thinking that replace the old ones and, retrospectively, reveal them as misconceptions. Spirit’s self-knowledge is knowledge of spirit as being realized in two dimensions: the absolute, that reveals itself, and the finite subject, to whom it is revealed – through history. McDowell answers the question of why it matters to Hegel that Geist has a history without reference to the absolute and thus without reference to Hegel’s philosophy of absolute spirit. If my reading is correct, such an answer must be impossible. In fact, McDowell’s paper is the attempt to understand history, which Hegel thinks is essentially the place of revelation of spirit, without accounting for the revelation of spirit; it is the attempt to make sense of Hegel’s metaphysics – under the heading of its focal concepts ‘spirit (Geist)’, ‘self-knowledge (Selbsterkenntnis)’, ‘history (Geschichte)’, and ‘freedom (Freiheit)’ – without going into the metaphysical culmination of Hegel’s system. In this paper, I tried to focus on this culmination, following Hegel’s caveat that this cannot be achieved without pursuing the preceding course of spirit’s development in close detail. Absolute spirit – the congruence of philosophy and religion – ramifies all over Hegel’s thinking. McDowell’s Hegel is a pagan, but Hegel’s philosophy is not pagan. This is not an argument, but a trenchant summary of the difference between McDowell’s Hegel and my Hegel. They are very different – in spirit. 73 Strikingly McDowell – despite of his Aristotelianism – does not seem to make anything of this crucial point in Aristotle. Moreover, this point stands in tension to McDowell’s exclusive focus on the soul (psychê) instead of noûs.

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Felix Körner

Predigt beim Gedenkgottesdienst für Wolfhart Pannenberg (* 2. Oktober 2018) am 19. Oktober 2018 in der Kapelle des Berchmanskollegs, Kaulbachstraße, München Herrnhuter Losung für den 19. Oktober 2018 „Noah war ein frommer Mann und ohne Tadel zu seinen Zeiten; er wandelte mit Gott.“ (Gen 6,9) Was hier mit „ohne Tadel“ übersetzt ist, hebräisch tamîm, heißt wörtlich „integer, ganz“. Lesungen vom 28. Freitag im Jahreskreis, Lesejahr II: Epheser 1,11–14 und Lukas 12,1–7

Im Jahr 2013 habe ich einmal mit Wolfhart Pannenberg im evangelischen Gesangbuch geblättert; ich suchte ein Lied, weil ich dachte: Sprechen kann er fast nicht mehr; aber er singt ja gern und gut – das wäre doch etwas. Nun gibt es in diesem Gesangbuch einen Abschnitt mit den Titel „Glauben und Vertrauen“. Den Titel las Wolfhart Pannenberg mir vor, allerdings nicht ganz so, wie er dastand: Statt „Glaube und Vertrauen“ sagte er „Glaube und Verstehen“; und dann erklärte er mir: „Die meisten wollen ja nur glauben – und verschieben das Verstehen auf später.“ Frau Pannenberg und Herr Wenz hörten es im Nebenraum mit, und freuten sich mit: eines seiner letzten großen Worte! Die meisten wollen ja nur glauben – und verschieben das Verstehen auf später: Weil er sich fürs Verstehen schon jetzt interessierte, interessieren sich viele für Wolfhart Pannenbergs Denken: Die Glaubenwelt ist bei ihm keine Sonderwelt, sondern die ganze Welt; und Verstehen ist nicht Beweisen, sondern ist: die Wirklichkeit Gottes, die in allem wirksam ist, mehr und mehr durchdringen – und sich von ihr durchdringen lassen. Das ist die Nachfolge, zu der Jesus uns ruft; und deshalb warnt Jesus uns auch vor dem, was er den „Sauerteig der Pharisäer“ nennt. Den eigenen Leuten alles Mögliche durchgehen lassen, statt genau hinzuschauen – mit Macht argumentieren statt mit Gründen – den Anschein wahren, aber tatsächlich ein Doppelleben führen; also heucheln, statt sich ganz durchleuchten zu lassen vom Willen Gottes, ganz durchstrahlt und durchdrungen zu sein. Vom Willen Gottes? Hier ist es nun gut, dass wir den Gedenkgottesdienst für Wolfhart Pannenberg in einer Jesuitenkapelle feiern, also an einem Ort, den das Erbe des Ignatius von Loyola prägt. Der Gründer der Jesuiten sagt ja, dass jeder Christ den Willen Gottes für sich erkennen kann. Aber wie geht das? Dafür gibt

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Ignatius einen Rat, wie ich erkennen kann, wohin Gott mich ruft. Nicht, als gäbe es einen Trick! Ignatius rät: Jesus immer besser kennenlernen (Exerzitien 104), und dann auf die „Zeiten“ achten. Die Zeiten? Ja, lernen darauf zu achten, in welcher der beiden „Zeiten“ du dich gerade befindest (316): Misstrost oder Trost. Wenn du gerade im „Misstrost“ bist, in der desolatio, dann siehst du nicht vollständig. Dann bist du verdunkelt. Und das kommt vor. Dann bete in Dankbarkeit und Geduld und warte, bis du wieder getröstet bist. Und wann bin ich getröstet? Wenn es mir gut geht? Wenn ich in guter Stimmung bin? Nein, „Trost“ nennt Ignatius die Zeiten, in denen du von der Gottesliebe ergriffen bist: von der Schöpferliebe, der Christusliebe und der Geistliebe – so könnte man es sagen. Er führt nämlich aus: wenn du Gott in allem und alles in Gott lieben kannst – wenn du deine Schuld und die Erlösungsgeschichte Jesu spüren kannst – und wenn du merkst, dass in dir Hoffnung, Glaube, Liebe wachsen. – Das ist Trost. In der Trostzeit kannst du Gottes Willen für dich jetzt erkennen, sagt Ignatius. Aber ist das nicht doch ein bisschen zu gewagt? Den Willen Gottes für mich persönlich erkennen? Hier kann uns noch einmal Wolfhart Pannenberg helfen. Die Frage, die bei Ignatius „Gottes Willen suchen“ heißt (Exerzitien 1), behandelt Pannenberg unter der Überschrift des Gewissens. Aber Gewissen ist für ihn nicht die Stimme, die mir einen einzelnen Befehl zuflüstert; sondern: Im Gewissen tritt mir die Ganzheit vor Augen: meine eigene Ganzheit und die Welt in ihrer Erfüllung (Grundfragen II, S. 262f.). Darin wird mir meine Aufgabe für jetzt klar. Das heißt dann auch, dass man den Ruf des Gewissens nicht der Verantwortungsethik entgegensetzen kann. Das Gewissen arbeitet vielmehr aus einem Sinn für das Ganze. Das Ganze habe ich allerdings noch nicht im Einzelnen vor Augen. Ich ahne die Vollendung von allem nur voraus – erahne sie, kann für sie noch nicht die scharfen Begriffe finden; bin aber schon davon gepackt, ergriffen. Durch weiteres Nachdenken und weitere Erfahrung können wir die Ahnung klären, müssen sie zum Teil auch nachbessern. Aber fühlend können wir diese Ganzheit schon erkennen: Glauben als spürendes Verstehen – ohne das Verstehen auf später zu verschieben. Wolfhart Pannenberg wollte in seinem Denken das Ganze in den Blick bekommen. Er wusste, denkend geht das immer nur vorläufig. Aber es kann uns schon durchdringen. Ignatius sagt, das geschieht, wenn du aus den Zeiten des Trostes lebst. Jesus sagt, diese Freiheit des Blicks bringt dich heraus aus der Angst vor den Menschen und damit aus der Heuchelei. Das ist es wohl auch, was die Schrift meint, wenn sie von einem mutigen, unabhängigen Gerechten wie Noah sagt, er war „ganz“.

Predigt beim Gedenkgottesdienst für Wolfhart Pannenberg

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Fürbitten Christus hat uns beten gelehrt, hat uns gelehrt, in Ehrfurcht und Zuversicht alles dem himmlischen Vater anzuvertrauen. Deshalb beten wir: Gott, unser Vater, wir bitten dich, erhöre uns. Guter Vater, wir danken dir für unsere Vorbilder und Lehrer und bitten dich: Lass uns selbst ganz durchdrungen sein von deinem Licht. Gott, unser Vater, wir bitten dich, erhöre uns. Guter Vater, wir danken dir für unsere Berufung in deine Kirche und bitten dich: Lass sie zum überzeugenden und wirksamen Zeichen deiner Nähe werden. Gott, unser Vater, wir bitten dich, erhöre uns. Guter Vater, wir danken dir für die Menschen, die sich in Treue und Hingabe um andere kümmern: Heute beten wir besonders für Frau Pannenberg und alle, die ihr geholfen haben, ihren Mann zu pflegen. Gott, unser Vater, wir bitten dich, erhöre uns. Guter Vater, wir beten für Wolfhart Pannenberg und all unsere lieben Verstorbenen: Lass sie leben in deiner alles erfüllenden Liebe. Gott, unser Vater, wir bitten dich, erhöre uns. Darum bitten wir, durch Christus, unseren Herrn. Amen.

Verzeichnis der Autoren

Prof. Dr. Stefan Bauberger SJ, Hochschule für Philosophie München, Kaulbachstr. 31a, 80539 München Prof. Dr. Ulrich Beuttler, Röntgenstr. 9, 71522 Backnang Prof. Dr. Walter Dietz, Johannes-Gutenberg-Universität Mainz, EvangelischTheologische Fakultät, Systematische Theologie und Sozialethik, 55099 Mainz Prof. Dr. Dr. Felix Körner SJ, Pontifica Università Gregoriana, Piazza della Pilotta 4, I–00187 Roma Landesbischof Dr. Karl-Hinrich Manzke, Evangelisch-Lutherische Landeskirche Schaumburg-Lippe, Bahnhofstr. 6, 31675 Bückeburg Prof. Dr. Hans-Dieter Mutschler, Altenhofstr. 46, CH–8008 Zürich Prof. Dr. Friederike Nüssel, Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg, Theologische Fakultät, Ökumenisches Institut, Plankengasse 1–3, 69117 Heidelberg Thomas Oehl, B. A., M. A., Ludwig-Maximilians-Universität München, Fakultät für Philosophie, Wissenschaftstheorie und Religionswissenschaft, GeschwisterScholl-Platz 1, 80539 München Prof. Dr. Josef Schmidt SJ, Hochschule für Philosophie München, Kaulbachstr. 31a, 80539 München Dr. Paul Schroffner SJ, Pontifica Università Gregoriana, Piazza della Pilotta 4, I–00187 Roma

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Verzeichnis der Autoren

Prof. Dr. Dr. h. c. Gunther Wenz, Hochschule für Philosophie München, Kaulbachstr. 31a, 80539 München (Pannenberg-Forschungsstelle) Dr. Manuel Zelger, ehemaliger Leiter des Claudius Verlages, Birkerstraße 22, 80636 München