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German Pages 220 Year 2000
FRANK MOLL
Tarifausstieg der Arbeitgeberseite: Mitgliedschaft im Arbeitgeberverband "Ohne Taritbindung"
Schriften zum Sozial- und Arbeitsrecht Band 179
Tarifausstieg der Arbeitgeberseite: Mitgliedschaft im Arbeitgeberverband "Ohne Taritbindung"
Von
Frank Moll
Duncker & Humblot . Berlin
Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme
Moll, Frank: Tarifausstieg der Arbeitgeberseite : Mitgliedschaft im Arbeitgeberverband "Ohne Tarifbindung" I von Frank Moll. - Berlin : Duncker und Humblot, 2000 (Schriften zum Sozial- und Arbeitsrecht; Bd. 179) Zug\.: Hamburg, Univ., Diss., 1998 ISBN 3-428-09986-9
Alle Rechte vorbehalten
© 2000 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübemahme und Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0582-0227 ISBN 3-428-09986-9 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 97069
Vorwort Diese Arbeit hat im Wintersemester 1998/99 dem Fachbereich Rechtswissenschaft der Universität Hamburg als Dissertation vorgelegen. Sie ist von Herrn Prof. Dr. Klaus-Peter Martens betreut worden, dessen vielfältige Unterstützung zu ihrem Gelingen beigetragen hat; hierfür möchte ich ihm an dieser Stelle meinen besonderen Dank aussprechen. Außerdem danke ich ihm und Herrn Univ.-Prof. Dr. Detlev Joost für die Begutachtung der Arbeit im Promotionsverfahren. Mein Dank gilt auch dem "Arbeitskreis Wirtschaft und Recht" im "Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft", der die Enstehung der Arbeit durch ein Stipendium gefördert hat. Hamburg, im Mai 2000
Frank Moll
Inhaltsverzeichnis Einleitung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
15
§ 1 Rechtliche Begründung für die Herausnahme der verbandsangehörigen
Arbeitgeber "Ohne Taritbindung" aus der Anwendung der Verbandstarifverträge ..........................................................................
20
I. Tarifgebundenheit kraft Mitgliedschaft ......... . ...................... . .......
20
I. Mitgliedschaft und Vereinsrecht ............... . . . ..........................
20
2. Mitgliedschaft und Tarifrecht ...............................................
21
3. Berechtigung des Verbands zur Einrichtung der Mitgliedschaft "Ohne Tarifbindung" ...................................................................
23
a) Koalitionsfreiheit zugunsten der Arbeitgeber. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
24
b) Innerverbandliche Organisationsautonomie ..............................
25
c) Grenzen der Organisationsfreiheit ......................... . .............
26
aa) Koalitionszweck: Ordnungsfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
26
bb) Gewerkschaft .......................................................
29
d) Ergebnis.................................................................
30
4. Ergebnis zu I. ....... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
30
II. Begrenzung der Rechtsetzungsfähigkeit des Verbands
30
I. Tarifwilligkeit als Voraussetzung der Tariffähigkeit
31
a) Weimarer Republik: Schutz der Zwangs schlichtung .......... . . . . . . . . . . . .
31
b) § 2 Abs. 3 TVG ..........................................................
32
c) Protokoll über Leitsätze zum Vertrag über die Schaffung einer Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion .....................................
33
d) Koalitionsfreiheit und Tarifwilligkeit ....................................
34
e) Begrenzung des Umfangs der Tariffähigkeit .............................
36
Inhaltsverzeichnis
8 2. Tarifzuständigkeit
37
a) Begriff und Funktion ....................................................
37
b) Begrenzung der Tarifzuständigkeit auf einen Teil der Verbandsangehörigen ......................................................................
39
c) Tarifzuständigkeit und Arbeitskampf ....................................
41
d) Tarifzuständigkeit und Tariffähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
44
e) Ergebnis....... . .... . .......... . ...... . .............. . ..... . .......... . ..
45
3. Ergebnis zu 11. ..............................................................
46
4. Zahlenmäßige Begrenzung der Mitglieder "Ohne Tarifbindung" innerhalb des Verbands ...............................................................
46
III. Gesamtergebnis zu § I ............. . . . ............ . ....................... . . . ..
47
§ 2 Anforderungen an den inneren Aufbau der Arbeitgeberverbände: Ausschluß
der Mitglieder "Ohne Tarifbindung" von der Tarifpolitik ......................
48
I. Demokratieprinzip und zivilrechtliches Vereinsrecht ...........................
48
11. Rechtliche Begründungen für die Notwendigkeit eines demokratischen Aufbaus der Tarifverbände ........................................................
49
I. Koalitionsfreiheit und Selbstbestimmungsrecht .............................
50
2. Koalitionsfreiheit und Teilnahmerecht ......................................
50
3. Öffentlichkeitscharakter der Koalitionen und fehlende Staatsaufsicht. . . . . . . .
51
4. Analogie zum Gebot innerparteilicher Demokratie ..........................
52
a) Verbandsmacht .............. . ........ . .......... . . . . . .......... . . . . . ....
52
b) Politische Betätigung ....................................................
53
c) Staatsgerichtete Tätigkeit ................................................
54
5. Demokratische Organisation als Voraussetzung für die Verwirklichung der tarifpolitischen Interessen der Mitglieder. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
55
6. Koalitionsfreiheit als individuelles Kommunikationsgrundrecht .............
59
7. Rechtsetzungsmacht und demokratische Legitimation.......................
59
a) Meinungsstand
59
b) Stellungnahme
61
Inhaltsverzeichnis c) Demokratische Legitimation und externe Geltung von Tarifnormen kraft Gesetzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) § 5 Abs. 4 TVG
9
62 62
bb) § 3 Abs. 2 TVG
63
cc) § 7 Abs. I und 2 ArbZG .............................................
67
dd) Ergebnis .................. . ........ . ... . .......... . . . . . .............
67
d) Ergebnis ......... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
68
8. Ergebnis zu 11. ..............................................................
68
111. Demokratiegebot und Verbandsautonomie .....................................
68
IV. Anforderungen an die Binnenverfassung des Arbeitgeberverbands .............
69
1. Tarifpolitische Entscheidungen .............................................
71
a) Mitgliederversammlung ................................... . .............
71
b) Vorstand .................. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
72
c) "Sozialpolitischer Ausschuß" .............................. . .......... . ..
73
d) Ergebnis.................................................................
74
2. Arbeitskampfpolitik ........................................................
74
3. Beitragserhebung zur Finanzierung der tarif- und arbeitskampfpolitischen Arbeit ......................................................................
75
a) Vereinsrechtlicher Gleichbehandlungsgrundsatz .........................
76
aa) Tarifpolitische Arbeit ...............................................
76
bb) Arbeitskampffonds ..................................................
78
cc) Ergebnis ....................... . ................ . ................ . ..
80
b) Verhandlungsparität .....................................................
80
c) Beitragserhebung, Haushaltsbeschluß und Demokratiegebot .......... . ..
81
d) Ergebnis.................................................................
82
4. Ergebnis zu IV. .............................................................
82
V. Folgen eines Verstoßes gegen das Demokratieprinzip ..........................
83
I. Einbeziehung der Mitglieder "Ohne Tarifbindung" in die Tarifpolitik .......
83
2. Demokratische Verbandsverfassung und Tariffähigkeit ...... . ...... . . . ... . ..
83
VI. Gesamtergebnis zu § 2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
86
10
Inhaltsverzeichnis
§ 3 TarifrechtIiche Folgen des Wechsels von der Vollmitgliedschaft zur Mitglieds-
gruppe "Ohne Taritbindung" ....................................................
87
I. Verfassungsmäßigkeit des § 3 Abs. 3 TVG . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
88
11. Anwendbarkeit des § 3 Abs. 3 TVG beim Wechsel der Mitgliedskategorie
90
III. Dauer der Tarifgebundenheit .................................... . .............
93
1. Begrenzung der Tarifgebundenheit auf den ersten Kündigungstermin .......
94
2. Zeitliche Höchstgrenze für die Tarifgebundenheit ................... . .......
95
IV. Umfang der Tarifgebundenheit ................................................
97
I. Gewerkschaftsbeitritt und Einstellung des Arbeitnehmers nach dem Wechsel der Mitgliedsgruppe ........................................................
98
2. Beiderseitiger Verbandsaustritt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
98
3. Nachträgliche Änderungen des Tarifvertrags................................
99
4. Tarifvertragliches Zusatzabkommen und fortgesetzte Bindung an den Tarifvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 I 5. Stufentarifverträge .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . .. . ... . . . . . . . . . .. . .. . . . . . . . . . . . . . 102 a) Zulässigkeit von Stufentarifverträgen .................................... 103 b) Fortgesetzte Tarifgebundenheit bei unmittelbaren Stufentarifverträgen ... 103 c) Fortgesetzte Tarifgebundenheit bei mittelbaren Stufentarifverträgen ...... 104 d) Ergebnis................................................................. 105 V. Gesamtergebnis zu § 3 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106
§ 4 Beendigung des Tarifvertrags und Nachwirkung der Tarifnormen ............. 107
I. Unmittelbare Anwendung des § 4 Abs. 5 TVG .. . ... . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . ... . 108
11. Analoge Anwendung des § 4 Abs. 5 TVG ..................................... 108 I. Gesetzeslücke .................... . ...... . ... . . . ............................ 108
2. Vergleichbarkeit der Interessenlagen ........................................ 11 0 3. Ergebnis zu 11. ............................... . ................ . ............. 114
Inhaltsverzeichnis III. Personelle Reichweite der nachwirkenden Tarifnormen
11 114
1. Tarifgebundene Arbeitnehmer .............................................. 114 2. Nichttarifgebundene Arbeitnehmer ......... . ................ . .............. 115 3. Ergebnis zu III. ...................... . ...................................... 116 IV. Beendigung der Nachwirkung durch Ablösung der fortgeltenden Tarifnormen
117
1. Einzelarbeitsvertrag ........................................................ 117 a) Wiederaufleben bisheriger Vertragsabsprachen ............ . . . . . . . . . . . . . . . 118 b) Arbeitsvertragliche Neuregelung und Ausschluß der Nachwirkung ....... 119 c) Änderungskündigung.................................................... 120 aa) Zulässigkeit der Änderungskündigung zur Ablösung der nachwirkenden Tarifnormen .................................................... 120 bb) Änderungskündigung zur Steigerung der Ertragslage ................ 121 (1) Verringerun~ der Vergütung ....... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121
(a) Soziale Rechtfertigung der ordentlichen Änderungskündigung ........................................................ 122 (aa) Gerichtlicher Prüfungsgegenstand und Prüfungsumfang bei der Änderungskündigung ..................... 122 (bb) Zulässigkeitskriterien für die Änderungskündigung zur Entgeltsenkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 (cc) Zumutbarkeitsprüfung................................. 129 (dd) Ergebnis .............................................. 131 (b) Massenänderungskündigungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 (c) Außerordentliche Änderungskündigung zur Reduzierung der Entgelte .................................................... 134 (aa) Notwendigkeit der Änderung der Arbeitsbedingungen 135 (bb) Zumutbarkeitsprüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 136 (cc) Ergebnis .......................................... . ... 136 (d) Ergebnis ........ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 136 (2) Verlängerung der Arbeitszeit ohne zusätzliche Vergütung ....... 137 (3) Ergebnis ........................................................ 138 cc) Allgemeine Rechtmäßigkeitsanforderungen an die Änderungskündigung ................................................................ 139 dd) Besonderer Kündigungsschutz ................. . ..... . .......... . ... 139 ee) Ergebnis ............................................................ 142 d) Ergebnis................................................................. 142
12
Inhaltsverzeichnis 2. Ablösung der nachwirkenden Tarifnormen durch Betriebsvereinbarungen
143
a) Tarifsperre des § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG ............................... 143 b) Kompetenzbereich der Betriebsparteien .................... . .......... . .. 146 aa) Erzwingbare Mitbestimmung........................................ 147 (I) Vergütungshöhe ................................... . .......... . ..
147
(a) § 87 Abs. 1 Nr. 11 BetrVG .................................. 148 (aa) Akkordlohn.............. . ........ . . . . . .. ............. 149 (bb) Prämienlohn .............................. . ........... 151 (cc) Ergebnis .............................................. 153 (b) § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG .............. . ................ . .. 153 (c) Ergebnis.................................................... 154 (2) Länge der Arbeitszeit ...... . . . ........ . . . . . ............ . ........ 155 (3) Ergebnis ........................................................ 160 bb) Gegenstand freiwilliger Betriebsvereinbarungen ..................... 160 c) Ergebnis................................................................. 163
V. Gesamtergebnis zu § 4 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163
§ 5 ArbeitskampfrechtIiche Stellung der Mitglieder "Ohne Tarifbindung" . . . . . . . .. 165
I. Firmentarifverträge und Arbeitskampf ......................................... 165
1. Tarif- und Arbeitskampffähigkeit des einzelnen Arbeitgebers ............... 165
2. Firmenbezogene Streiks gegenüber verbandsangehörigen Arbeitgebern ..... 168 3. Arbeitskampf bei fortgesetzter Tarifgebundenheit ........................... 169 4. Abwehraussperrung .............................. . ......................... 171 5. Ergebnis zu I. .......... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 H. Einbeziehung der Mitglieder "Ohne Tarifbindung" in einen Verbands arbeitskampf ......................................................................... 172 1. Streik gegenüber den Mitgliedern "Ohne Tarifbindung" bei einem Verbandsarbeitskampf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 172 a) Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur Zulässigkeit von Unterstützungsstreiks . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 174 b) Unterstützungsstreiks als tradiertes Arbeitskampfmitte1 ........ . ......... 175
Inhaltsverzeichnis
13
c) Unterstützungsstreiks als Ausdruck der Arbeitnehmersolidarität .......... 176 d) Ergebnis................................................................. 177 2. Beteiligung der Mitglieder "Ohne Tarifbindung" an einer Abwehraussperrung des Verbands .......................................................... 177 3. Ergebnis zu 11. .................................... . ................ . ..... . .. 179 III. Mitgliedschaft im Arbeitgeberverband "Ohne Tarifbindung" und Arbeitskampfrisikolehre .............................................................. 179 IV. Gesamtergebnis zu § 5 . .. . .. . .. .. .. . .. .. . .. . .. .. .. . . .. . .. . .. . .. .. .. .. .. .. .. .. .. 181
§ 6 Ergebnis der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182
Anhang ............................................................................... 187
Verband der holz- und kunststoffverarbeitenden Industrie Rheinland-Pfalz e.V., Satzung .. .. . .. . .. . .. .. .. .. .. . .. . .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. . .. .. .. . .. .. . .. .. . .. .. .. .. .. 187 Verband der Nord-Westdeutschen Textilindustrie e.v. Münster, Satzung....... .. .. 195
Literaturverzeichnis .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . .. .. . .. .. 204
Sachwortverzeichnis . . . . . .. . . . . . . . .. . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . .. . . . .. . .. .. 217
Einleitung "Der Tarifvertrag steht im Mittelpunkt vielfältiger Kritik." Mit diesem Satz beginnt Gamillschegs Lehrbuch! zum kollektiven Arbeitsrecht aus dem Jahr 1997. Die Kritik wird vor allem von Arbeitgeberseite 2 geäußert und richtet sich gegen die von den Verbänden geschlossenen Flächentarifverträge. Viele Arbeitgeber sind mit der Tarifpolitik der Verbände nicht einverstanden, mit den vergangenen Tarifabschlüssen sind sie unzufrieden. Aber auch in der öffentlichen Meinung mehren sich die kritischen Stimmen 3 : Die Tarifabschlüsse der letzten Jahre hätten die Kosten der Arbeit immer weiter in die Höhe getrieben. Sie seien zu einer Belastung für den "Produktionsstandort Deutschland,,4 geworden und hätten zum Abbau von Arbeitsplätzen geführt; sie trügen deswegen eine Mitschuld an der hohen Arbeitslosigkeit. 5 Außerdem würden die verbands weit einheitlich geItenden Flächentarifverträge der unterschiedlichen wirtschaftlichen Situation der einzelnen Unternehmen nicht gerecht;6 die Lohn- und sonstigen Arbeitskosten, die ein prosperierendes Unternehmen verkraften könne, könnten für ein insolvenzbedrohtes Unternehmen den Ruin bedeuten. Erforderlich sei deshalb die Auflockerung der tarifvertraglichen Ordnung zugunsten einer betriebsnäheren Gestaltung der Arbeitsbedingungen. 7 In der Praxis weichen die Arbeitgeber bereits in einem erheblichen Umfang durch Sonderabsprachen mit den Betriebsräten oder den Mitarbeitern von den tarifvertraglichen Vorgaben ab. 8 So wird oftmals die im Tarifvertrag festgelegte Wo-
1
I. Band, Vorwort, S. VII.
Henkel, Präsident des Bundesverbands der Deutschen Industrie, zitiert in der F.A.Z. vom 16. I. 1998, S. 15; Heraeus, Vorsitzender der Geschäftsleitung des Heraeus-Konzerns, im Gespräch mit der F.A.Z. vom 20. 5. 1996, s. 17; Necker, Vizepräsident des Bundesverbands der Deutschen Industrie, im Gespräch mit der F.A.Z. vom 31. I. 1998, s. 13. 3 Eekhoff, F.A.Z. vom 22. 3.1997, S. 15; Graf Lambsdorff, F.A.Z. vom 29. 3.1997, S. 14; Soltwedel, F.A.Z. vom 18.5.1996, S. 13; ders., F.A.Z. vom 8. 3.1997, S. 15. 4 Heraeus im Gespräch mit der F.A.Z. vom 20. 5. 1996, S. 17. 5 Eekhoff, F.A.Z. vom 22.3.1997, S. 15; Buchner, NZA 1995, S. 761 f.; Ehmann/Th. B. Schmidt, NZA 1995, S. 193 f. 6 Feudner, DB 1993, S. 2231; S.-1. OUo, NZA 1996, S. 624. 7 Wie Fußnote 3 sowie M. J. M. Neumann, Vorsitzender des Wissenschaftlichen Beirats beim Bundeswirtschaftsministerium, zitiert in der F.A.Z. vom 24. I. 1998, S. 16; Henssler, ZfA 1994, S. 487, 488, 496; Konzen, NZA 1995, S. 913, 916. R Eekhoff, F.A.Z. vom 22. 3. 1997, S. 15; Heraeus im Gespräch mit der F.A.z. vom 20.5.1996, S. 17; Ehmann/Th. B. Schmidt, NZA 1995, S. 193, 194. 2
16
Einleitung
chenarbeitszeit verlängert, wobei die Mehrarbeit nicht vergütet wird. Beim Druckunternehmen "Burda GmbH,,9 ist dies durch eine Betriebsvereinbarung und bei den "Viessmann Werken GmbH & CO,,10 durch arbeitsvertragliche Abreden unter Mitwirkung des Betriebsrats geschehen; im Gegenzug haben die Arbeitgeber auf betriebsbedingte Kündigungen verzichtet. Teilweise wird dieser Tatbestand schon als "kollektivrechtliche Subkultur" 11 bezeichnet. Darüber hinaus verlassen immer mehr Arbeitgeber die Verbände in der Hoffnung, sich den Flächentarifverträgen entziehen zu können. 12 Diese Arbeitgeber beabsichtigen, die Arbeitsverhältnisse außerhalb der Verbände auf betrieblicher oder einzel vertraglicher Ebene in einer Art zu gestalten, die ihren Vorstellungen eher entspricht. Als Reaktion auf die "Verbandsflucht" suchen die Arbeitgebervereinigungen nach Wegen, die es ihren Mitgliedern erlauben, sich innerhalb des Verbands von der tarifvertraglichen Ordnung loszusagen. Um dieses Ziel zu erreichen, versuchen die Verbände, eine oder mehrere Voraussetzungen für die Anwendung der Tarifverträge auf die bei den tarifmüden Arbeitgebern bestehenden Arbeitsverhältnissen zu beseitigen. Ein Verbandstarifvertrag ist auf ein Arbeitsverhältnis anzuwenden, wenn er von tariffähigen Parteien im Rahmen ihrer Tarifzuständigkeit abgeschlossen wird, Arbeitgeber und Arbeitnehmer aufgrund ihrer Mitgliedschaft in den Tarifvertragsparteien nach § 4 Abs. I, § 3 Abs. I TVG tarifgebunden sind und der Geltungsbereich des Tarifvertrags sich gemäß § 4 Abs. I TVG auf das Arbeitsverhältnis erstreckt. Die am Verbandstarifgeschehen nicht interessierten Mitgliedsarbeitgeber können durch die Herausnahme aus dem persönlichen Geltungsbereich des Tarifvertrags von dessen Wirkungen freigestellt werden. 13 Die Tarifvertragsparteien legen den Geltungsbereich im Tarifvertrag fest. 14 Auf diese Weise bestimmen sie, welche ihrer Mitglieder von den tariflichen Normen erfaßt werden,15 und können einzelne Arbeitgeber und Arbeitnehmer ausklammern. Als Inhalt der tarifvertraglichen Absprache kann der Geltungsbereich jedoch nur im Konsens mit der Gewerkschaft eingeschränkt werden. Als tarifvertraglich reEA.Z. vom 13.3.1996, S. 19. EA.Z. vom 13. 4. 1996, S. 17. Ähnliche Vereinbarungen haben die Progress-Werke Oberkirch AG und die Rohwedder GmbH & Co KG mit ihren Mitarbeitern getroffen (EA.Z. vom 22. 9. 1997, S. 22). 11 Linnenkohl, BB 1994, S. 2077, 2083. 12 Hank, EA.Z. vom 11. 6.1996, S. 14; Ehmann/Th. B. Schmidt, NZA 1995, S. 193, 194. 13 Besgen, S. 13 f.; Buchner, NZA 1994, S. 2, 3 f.; Däubler, ZTR 1994, S. 448, 453; ders., NZA 1996, S. 225,231; S.-J. Otto, NZA 1996, S. 624, 627; Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch, § 203 VI. 1. a), S. 1695. 14 Löwisch, in: Münchener Handbuch Arbeitsrecht, § 239 Rdnr. 90, § 257 Rdnr. 1. 15 Löwisch, in: Münchener Handbuch Arbeitsrecht, § 257 Rdnr. I. 9
IO
Einleitung
17
gelbares Ziel ist er außerdem dem Streik zugänglich. 16 Die Arbeitgeberverbände sehen sich gegenwärtig indes nicht in der Lage, sich im Arbeitskampf gegenüber den Gewerkschaften durchzusetzen. 17 Sie sind daher bestrebt, die tarifunwilligen Mitglieder ohne Mitwirkung und Einflußnahme der Gewerkschaften vom Wirkungsbereich der Tarifverträge zu befreien. Einige Verbände l8 haben aus diesem Grund die Mitgliedschaft "Ohne Tarifbindung" eingeführt. Es handelt sich um eine Mitgliedsform mit geminderten Rechten und Pflichten, die neben der Vollmitgliedschaft angeboten wird. Den Mitgliedsstatus "Ohne Tarifbindung" können diejenigen Arbeitgeber wählen, die die Dienstleistungen des Verbands in Anspruch nehmen wollen, ohne gleichzeitig in dessen Tarifordnung einbezogen zu werden. 19 Die Mitglieder "Ohne Tarifbindung" erhalten keine Mitbestimmungsrechte bei tarif- und arbeitskampfpolitischen Entscheidungen des Verbands,2o damit sie dessen tarif- und arbeitskampfbezogene Tätigkeit nicht beeinflussen können; ansonsten stehen ihnen die gleichen Rechte wie den Vollmitgliedern ZU. 21 Aus der Einrichtung der Mitgliedschaft "Ohne Tarifbindung" ergibt sich eine Vielzahl rechtlicher Fragen. Ihnen nachzugehen ist Ziel der vorliegenden Abhandlung. Zunächst ist zu untersuchen, ob ein Arbeitgeberverband berechtigt ist, die Mitgliedschaft "Ohne Tarifbindung" bereitzustellen (§ 1). Zum zweiten ist zu klären, wie der Verband seinen inneren Aufbau gestalten muß, wenn er diese Mitgliedsform einführt (§ 2). Darüber hinaus sind die tarifrechtlichen Folgen herauszuarbeiten, die sich für einen Arbeitgeber einstellen, wenn er dem Verband zunächst als tarifgebundenes Vollmitglied beitritt und später in die Mitgliedsgruppe "Ohne Tarifbindung" wechselt (§ 3 bis § 4 III.). Im Anschluß daran wird auf die Frage eingegangen, in welchem Umfang dieser Arbeitgeber die Arbeitsbedingungen durch 16 Buchner, NZA 1994, S. 2, 4; S.-J. Ouo, NZA 1996, S. 624, 627; Seiter, Streikrecht, S.504. 17 Aussage des Arbeitgeberverbands Gesamtmetall, wiedergegeben in der F.A.Z. vom 7.3.1998, S. 13; Necker im Gespräch mit der F.A.Z. vom 31. I. 1998, S. 13; Buchner, NZA 1995, S. 761, 763. 18 Verband der holz- und kunststoffverarbeitenden Industrie Rheinland-Pfalz e.V. (§ 4 Ziff. 1 der Satzung); Verband der Nord-Westdeutschen Textilindustrie e.v. (§ 3 Ziff. 4 Iit. b Satz 1 der Satzung). 19 § 4 Ziff. 2 Satz 6 der Satzung des Verbands der holz- und kunststoffverarbeitenden Industrie Rheinland-Pfalz e.V.; § 2 Ziff. 1 Satz 3 i.V.m. § 3 Ziff. 4 Iit. b Satz 1 der Satzung des Verbands der Nord-Westdeutschen Textilindustrie e.v. 20 § 5 Ziff. 2 f., § 7 Ziff. 4, § 9 Ziff. 1 Satz 5 der Satzung des Verbands der holz- und kunststoffverarbeitenden Industrie Rheinland-Pfalz e. v.; § 3 Ziff. 4 Iit. b Satz 5, § 5 Ziff. 1 Satz 3, Ziff. 2 Satz 2 der Satzung des Verbands der Nord-Westdeutschen Textilindustrie e.V. 21 § 5 Ziff. I, § 7 Ziff. 3 Satz 4 der Satzung des Verbands der holz- und kunststoffverarbeitenden Industrie Rheinland-Pfalz e.v.; § 5 der Satzung des Verbands der Nord-Westdeutschen Textilindustrie e.v.; Buchner, NZA 1994, S. 2, 6; Ostrop, S. 41 f.; Schaub, BB 1994, S. 2005, 2007. 2 Moll
18
Einleitung
einzel vertragliche und betriebliche Regelungen neu gestalten kann, um die Personalkosten zu verringern (§ 4 IV.). Im letzten Schritt wird die arbeitskampfrechtliche Position der tariffreien Mitgliedsarbeitgeber herausgearbeitet (§ 5). Das Thema dieser Arbeit berührt grundlegende Fragen des Tarifrechts. Es werden die Voraussetzungen der durch die Mitgliedschaft vermittelten Tarifgebundenheit im Sinne des § 3 Abs. 1 TVG (§ I 1.) und die Anforderungen an die Tariffahigkeit eines Arbeitgeberverbands gemäß § 2 Abs. 1 TVG (§ 1 11.) untersucht, wobei insbesondere geprüft wird, ob die Tariffähigkeit die Tarifwilligkeit des Verbands erfordert (§ 1 11. 1.) und ob der Verband seine tarifvertragliehe Regelungsmacht auf einen Teil seiner Mitglieder begrenzen kann (§ 1 11.2.). Um diese Fragen beantworten zu können, sind zunächst einige methodologische Vorbemerkungen notwendig. Das Tarifvertragsgesetz verleiht in § 2 Abs. 1 Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern die Fähigkeit, Tarifvertragspartei zu sein, ohne selbst festzulegen, welchen Anforderungen ein Zusammenschluß von Arbeitnehmern oder Arbeitgebern genügen muß, um die Tariffähigkeit zu erlangen. 22 Die Aufgabe, dies festzulegen, hat der Gesetzgeber der Rechtsprechung und der Lehre übertragen. 23 In der Arbeitsrechtswissenschaft besteht keine Einigkeit darüber, wie die Merkmale eines tariffähigen Verbands zu bestimmen sind. Es ist umstritten, ob der normative Gehalt des Gesetzes oder ob die Vorstellungen in der Rechtsgemeinschaft entscheidend sind. Nach Ansicht einiger Autoren 24 sind die Voraussetzungen für die Tariffähigkeit allein aus dem Gesetz abzuleiten. Nur die streng auf das Gesetz gestützte Rechtsauslegung stelle sicher, daß die vom Gesetzgeber getroffenen Wertentscheidungen umgesetzt würden. Daher sei eine auf die Rechtswirklichkeit blickende Interpretation abzulehnen. Demgegenüber vertreten andere 25 die Auffassung, der Gesetzgeber habe mit der Aufnahme der Begriffe "Gewerkschaften" und "Vereinigungen von Arbeitgebern" auf Organisationen Bezug genommen, die in der gesellschaftlichen Realität existieren würden, wodurch er sich deren außerjuristische Bedeutung zu eigen gemacht habe. Deshalb seien die Eigenschaften der Tarifvertragsparteien aus der in der Gesellschaft bestehenden Rechtsanschauung zu erschließen. Zu berücksichtigen seien außerdem die geschichtliche Herkunft der Verbände und vor allem deren Selbstverständnis. Ohne eine an der Praxis des Arbeitslebens orientierte Auslegung 22 Zur Frage, ob § 2 Abs. 3 TVG und das ProtokoJl über Leitsätze zum Vertrag über die Schaffung einer Währungs-, Wirtschafts- und Sozial union zwischen der Bundesrepublik und der DDR Aussagen zu den Voraussetzungen der Tariffahigkeit zulassen, siehe unten: § I 11. \. b) und c), S. 32 ff. 23 Löwisch, ZfA 1970, S. 295; Wiedemann/Stumpf, § 2 Rdnr. 96. 24 Mayer-Maly, DB 1966, S. 821, 824; Richardi, KoJlektivgewalt, S. 5 f. 25 A. Hueck/Nipperdey, II./\., § 6, S. 82; Kaskel/Dersch, 5. Aufl., § 13 I. 2., S. 51 f.; Nipperdey, RdA 1964, S. 361; Schnorr, JR 1966, S. 327, 330.
Einleitung
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ließen sich die Tarifverbände als historische und soziale Erscheinungen nicht zutreffend erfassen. Gegenüber dieser Interpretationsmethode wird allerdings eingewendet, daß sie keine Antwort auf die Frage geben könne, wie zu verfahren sei, wenn sich die heutige Bewertung von der Ausgangslage entfernt habe. 26 Gesellschaftliche Phänomene seien Veränderungen unterworfen und ließen sich nicht auf einer bestimmten Entwicklungsstufe festhalten, so daß aus ihnen keine verbindlichen Anhaltspunkte für die Auslegung abgeleitet werden könnten. Der Rechtsanwender habe die Wahl, ob er den Anschauungen zur Zeit der Entstehung der Verbände oder dem gewandelten Verständnis den Vorrang einräume. Die Auslegung werde daher beliebig und konturlos. Der Einwand greift jedoch zu kurz. Bei einer Interpretation, die ihre Erkenntnisse den Vorstellungen der Rechtspraxis entnimmt, sind die ursprüngliche Selbsteinschätzung der Verbände und ihre geschichtliche Herkunft nur einzelne Gesichtspunkte innerhalb einer Gesamtbetrachtung, 27 die der Entwicklung gegenüber offen ist. Die sich heute stellenden rechtlichen Probleme sind auf der Grundlage der heutigen Sinndeutung der Rechtssätze zu lösen,28 so daß es nur auf den gegenwärtig erreichten Stand dieser Entwicklung ankommt. Dennoch ist der Ansicht nicht zu folgen, die die Gesetzesauslegung an der in der Rechtswirklichkeit vorhandenen Betrachtung des Erkenntnisgegenstands orientiert. Sie läßt die Regelungsaufgabe des staatlichen Rechts und seine demokratischen Grundlagen außer acht. Wollte man den Inhalt einer Norm aus Wertesystemen der Rechtsgemeinschaft gewinnen, insbesondere aus der Selbsteinschätzung der beteiligten Kreise, nähme man dem Staat die Beantwortung rechtlicher Fragen aus der Hand. Für die Rechtsauslegung wären nicht mehr die Willensentschließungen des Gesetzgebers maßgeblich, sondern die partikularen Ordnungsprinzipien einzelner gesellschaftlicher Gruppen, die gegenüber der Allgemeinheit der Normunterworfenen nicht demokratisch ermächtigt sind. Diese Gruppen würden zu authentischen Interpreten des Gesetzes, wodurch die Legitimationskeue staatlichen Handeins unterbrochen würde, die gemäß Art. 20 Abs. 2 GG vom Willen des Volkes ausgehen muß und im Gesetzestext ihren Ausdruck findet. 29 Ausgangspunkt der Interpretation ist das Gesetz. Dessen Aussagen sind losgelöst von den Anschauungen der Rechtswirklichkeit anhand der allgemein anerkannten Regeln der juristischen Ausiegung 30 nach der Wortbedeutung der Tatbestandsmerkmale, dem Sinnzusammenhang des Gesetzes und dessen Zwecksetzung sowie den Zielen des historischen Gesetzgebers herauszuarbeiten. 26
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Löwisch, ZfA 1970, S. 295, 300; Popp, Aufgaben, S. 58. A. Hueck/Nipperdey, 11.11., § 6, S. 82; Nipperdey, RdA 1964, S. 361. Larenz, S. 116, 318. BVerfGE 33, S. 125, 158; 64, S. 208, 214 f. Larenz, S. 320 ff.
§ 1 Rechtliche Begründung für die Herausnahme der verbandsangehörigen Arbeitgeber "Ohne Tarifbindung" aus der Anwendung der Verbandstarifverträge Die Verbandssatzungen bestimmen, daß die Mitglieder "Ohne Tarifbindung" von den Verbandstarifverträgen nicht erfaßt werden. I In Rechtsprechung 2 und Literatur3 wird angenommen, daß die Verbände mit dieser Satzungsregelung zwei Voraussetzungen für die Anwendung der Tarifverträge mit Wirkung gegenüber den Arbeitgebern "Ohne Tarifbindung" aufheben: Zum einen werden diese Arbeitgeber von der Tarifgebundenheit nach § 3 Abs. 1 TVG befreit; zum anderen reduzieren die Verbände ihre tarifvertragliche Rechtsetzungsmacht und klammem die Mitglieder "Ohne Tarifbindung" aus ihrem Zuständigkeits bereich aus. Es ist zu untersuchen, ob diese Annahme zutrifft.
I. Tarifgebundenheit kraft Mitgliedschaft 1. Mitgliedschaft und Vereinsrecht Tarifgebunden sind gemäß § 3 Abs. 1 TVG die Mitglieder der Tarifvertragsparteien. Das Tarifvertragsgesetz nimmt mit der Mitgliedschaft auf einen gesellschaftsrechtlichen Begriff Bezug. Die Arbeitgeberverbände sind regelmäßig als rechtsfähige Vereine organisiert,4 so daß sich die Voraussetzungen und der Inhalt der Mitgliedschaft nach dem zivilrechtlichen Vereinsrecht bestimmen. 5 I § 4 Ziff. 2 Satz 6 der Satzung des Verbands der holz- und kunststoffverarbeitenden Industrie Rheinland-Pfalz e.V.; § 2 Ziff. I Satz 3 i.V.m. § 3 Ziff. 4 lit. b Satz I der Satzung des Verbands der Nord-Westdeutschen Textilindustrie e.V. 2 LAG Rheinland-Pfalz, NZA 1995, S. 800, 802; offengelassen vom BAG, AP NT. 15 zu § 3 TVG - Verbandszugehörigkeit, BI. 3 f. 3 Buchner, NZA 1994, S. 2, 4 ff.; ders., NZA 1995, S. 761, 764 ff.; S.-1. Ouo, NZA 1996, S. 624, 627 ff.; Reuter, RdA 1996, S. 201, 203 ff.; Thüsing, S. 150 ff. 4 Löwisch, in: Münchener Handbuch Arbeitsrecht, § 243 Rdnr. 2; § 1 Ziff. I der Satzung des Verbands der holz- und kunststoffverarbeitenden Industrie Rheinland-Pfalz e.Y.; § 1 Ziff. 2 Satz I der Satzung des Verbands der Nord-Westdeutschen Textilindustrie e.Y. S BAG, JZ 1961, S. 386, 387; AP Nr. 12 zu § 3 TVG - Verbandszugehörigkeit, BI. 1 verso; A. Hueck/Nipperdey, 11./ \., § 23 V. 2., S. 487; Löwisch, in: Münchener Handbuch Arbeitsrecht, § 260 Rdnr. 5; ders./ Rieble, TVG, § 3 Rdnr. 14; Wiedemann / Stumpf, § 3 Rdnr. 40.
I. Tarifgebundenheit kraft Mitgliedschaft
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Die Mitgliedschaft ist die auf der Zugehörigkeit zu einem Verein beruhende Rechtsstellung einer Person. 6 Sie umfaßt die mitgliedschaftlichen Rechte und Pflichten, wie sie sich aus dem gesetzlichen Vereinsrecht und der Satzung ergeben, und wird durch die Beteiligung am Gründungsakt oder den späteren Beitritt begründet.? Um von einer Mitgliedschaft im vereinsrechtlichen Sinne sprechen zu können, muß dem Verbandsangehörigen ein Mindestmaß an mitgliedschaftlichen Rechten eingeräumt werden. 8 Zu diesen Rechten zählen die Berechtigung zur Teilnahme an der Mitgliederversammlung und die Befugnis, die Mitgliederversammlung gemäß § 37 BGB einzuberufen. 9 Diese Rechte stehen den im Verband organisierten Arbeitgebern mit dem Mitgliedsstatus "Ohne Tarifbindung" zu. 1O Sie erfüllen somit die Anforderungen des vereinsrechtlichen Mitgliedsbegriffs und wären demzufolge gemäß § 3 Abs. 1 TVG tarifgebunden. 11 Diese Feststellung kann aber nur ein vorläufiges Ergebnis sein. Es ist zu bedenken, daß sich die Arbeitgeber gerade für den Status "Ohne Tarifbindung" entschieden haben, um nicht in den Tarifvertrag einbezogen zu werden. Dies könnte der Annahme der Tarifgebundenheit entgegenstehen.
2. Mitgliedschaft und Tarifrecht Tarifgebundenheit bedeutet, daß das Mitglied der tarifvertraglichen Rechtsetzungsmacht des Verbands unterliegt. Eine derartige Unterordnung erfordert nach herrschender Ansicht l2 die Legitimation durch das Mitglied. Das Mitglied müsse den Verband ermächtigen, bindende Normen zu setzen. 13 Diese Ermächtigung wer6
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Reuter, in: Münchener Kommentar BGB, § 38 Rdnr. I; K. Schmidt, § 19 I. 1. b), S. 547. Hadding, in: Soergel, § 38 Rdnr. 2; Reichert/Dannecker, Rdnrn. 470 ff.; Stöber, Rdnr.
50. BGHZ 14, S. 264, 270, in bezug auf die GmbH; BAG, NJW 1996, S. 143, 151 f. BAG, NJW 1996, S. 143, 151; LG Bremen, RPfl. 1990, S. 262 f.; Reichert/Dannecker, Rdnr.471. IO § 5 Ziff. 2 Satz 2, § 7 Ziff. I, § 8 Ziff. 5 Satz I und Ziff. 6 der Satzung des Verbands der Nord-Westdeutschen Textilindustrie e.Y. 11 Thüsing, S. 151. 12 BAG, AP Nr. 12 zu § 3 TVG - Verbandszugehörigkeit, BI. I verso f.; Nr. 8 zu § 11 ArbGG 1979 - Prozeßvertreter, BI. 2; LAG Rheinland-Pfalz, NZA 1995, S. 800, 802; Besgen, S. 94 f.; Buchner, NZA 1994, S. 2, 6 f.; ders., NZA 1995, S. 761, 764, 767 f.; Löwisch/Rieble, TVG, § 3 Rdnr. 17; Ostrop, S. 118 f.; S.-1. Ouo, NZA 1996, S. 624,628; Richardi, Kollektivgewalt, S. 162. 13 LAG Rheinland-Pfalz, NZA 1995, S. 800, 802; Buchner, NZA 1994, S. 2, 6 f.; ders., NZA 1995, S. 761, 764, 767 f.; Dietz, in: FS Nipperdey 11, S. 141, 142; Richardi, Kollektivgewalt, S. 162 f. Nach S.-J. OUo, NZA 1996, S. 624, 628, ist es für die Mitgliedseigenschaft zwar maßgeblich, daß die Satzung dem Verbandsangehörigen die Teilnahme an der innerverbandlichen Willensbildung in Tariffragen ermöglicht, dennoch verneint S.-J. Ouo die Tarifg
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§ I Herausnahme der verbandsangehörigen Arbeitgeber
de erteilt, wenn das Mitglied durch seinen Beitritt die normgebende Gewalt des Verbands anerkenne und sich ihr unterwerfe. Das Bundesarbeitsgericht 14 und ein Teil der Literatur 15 halten es darüber hinaus für notwendig, daß die tarifschließenden Verbandsorgane das einzelne Mitglied repräsentieren. Nur unter dieser Bedingung sei die Tarifgebundenheit zu bejahen. Maßgeblich sei es, ob dem Verbandsangehörigen diejenigen mitgliedschaftlicheiJ. Rechte zustünden, die ihm die Beteiligung an der innerverbandlichen Entscheidungsfindung in Tariffragen ermöglichen würden. 16 Demgegenüber vertritt ein Teil der Lehre 17 die Ansicht, § 3 Abs. I TVG erfordere keine zusätzliche Unterwerfung unter die tarifliche Normgebungsbefugnis des Verbands. Vielmehr folge aus der Verbands zugehörigkeit stets die Vollmitgliedschaft und damit die Tarifgebundenheit. Von dieser gesetzlichen Regelung könne auch die Einrichtung der Mitgliedschaft "Ohne Tarifbindung" nicht befreien. Die Vertreter der zuletzt genannten Rechtsmeinung berücksichtigen nicht hinreichend, daß der Mitgliedsbegriff in § 3 Abs. 1 TVG nicht allein vereinsrechtlich zu bestimmen ist, sondern tarifrechtlich überlagert wird. Dies folgt aus der Rechtsetzungsmacht der Tarifvertragsparteien. Die Tarifverträge werden durch die Arbeitgeberverbände und die Gewerkschaften geschlossen. Adressaten der tarifvertraglichen Normen sind gemäß § 4 Abs. 1, § 3 Abs. 1 TVG die jeweiligen Verbandsmitglieder. Die Tarifverträge gelten gegenüber den Arbeitsverhältnissen der beiderseits tarifgebundenen Arbeitgeber und Arbeitnehmer unmittelbar und zwingend. Die Arbeitgeber und Arbeitnehmer werden rechtsverbindlichen Regeln untergeordnet, an deren Zustandekommen sie nicht beteiligt sind. Mit den Tarifverträgen schaffen die Verbände folglich Regelungswerke, die aufgrund ihrer Normwirkung Rechtsbeziehungen zwischen Dritten ordnen. Diese drittbezogene Regelungszuständigkeit erfordert die Ermächtigung durch die von den Tarifnormen erfaßten Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Die Notwendigkeit zur Ermächtigung ergibt sich aus der zugunsten der tarifgebundenen Arbeitsvertragsparteien bestehenden Privatautonomie. Das einzelne Arbeitsverhältnis wird durch den Arbeitsvertrag begründet 18 und gehört dem Privatrecht an. 19 Es kommt durch die Entscheidung des Arbeitgebers und des Arbeitnehgebundenheit der Mitgliedsarbeitgeber ohne tarifvertragliehe Bindung allein wegen des fehlenden Willens, sich der Tarifmacht des Verbands zu unterwerfen, nicht aber wegen des satzungsmäßigen Ausschlusses von der tarifpolitischen Entscheidungsfindung. 14 AP Nr. 12 zu § 3 TVG - Verbandszugehörigkeit, BI. 2. IS Löwisch/Rieble, TVG, § 3 Rdnr. 17. 16 BAG, AP Nr. 12 zu § 3 TVG - Verbandszugehörigkeit, BI. I verso f.; Nr. 8 zu § 11 ArbGG 1979 - Prozeßvertreter, BI. 2. 17 Däubler, ZTR 1994, S. 448, 453; ders., NZA 1996, S. 225, 231; Feger, AiB 1995, S. 490, 502 f. 18 BAG, AP Nr. 3 zu § 611 BGB - Mittelbares Arbeitsverhältnis, BI. 2; A. Hueck/Nipperdey, 1., § 21 IV., S. 120; Müller-Glöge, in: Münchener Kommentar BGB, § 611 Rdnr. 125.
I. Tarifgebundenheit kraft Mitgliedschaft
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mers über seinen Abschluß zustande. 2o Seinen Inhalt regeln die Vertragsparteien frei und selbstbestimmt. Es gilt die Arbeitsvertragsfreiheit. Durch sie wird die Privatautonomie realisiert. Die Privatautonomie gebietet, daß die Tarifverträge, die das Arbeitsverhältnis der beiderseits Tarifgebundenen gestalten, ihrerseits auf den Willen der tarifgebundenen Arbeitsvertragsparteien zurückgehen. Ohne diese Rückkoppelung an den Individualwillen der Normgebundenen wäre die tarifvertragliche Rechtsetzung eine mit der Privatautonomie schwerlich zu vereinbarende Fremdbestimmung. Aus diesem Grund erfordert die Normgebung durch Tarifvertrag die Ermächtigung durch die Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Die Ermächtigung wird durch die Willensentschließung des einzelnen Arbeitgebers und Arbeitnehmers erteilt, sich der Regelungsmacht des jeweiligen Verbands zu unterwerfen. Sie wird ausgedrückt durch den Beitritt zum Verband. Der Inhalt der Beitrittserklärung entspricht dem in der Satzung angebotenen Mitgliedsstatus. Die Verbandssatzungen 21 bestimmen, daß die Arbeitgeber, die die Vollmitgliedschaft wählen, den Verband zum Abschluß von Tarifverträgen bevollmächtigen. Diese Arbeitgeber ermächtigen den Verband folglich durch ihren Beitritt, ihnen gegenüber verbindliche Tarifregelungen zu schaffen, und sie sind damit tarifgebunden. Demgegenüber verweigern die Arbeitgeber, die als Mitglieder "Ohne Tarifbindung" beitreten, dem Verband die Ermächtigung zur Normgebung. Diese Verbandsangehörigen sind mithin keine tarifgebundenen Mitglieder im Sinne des § 3 Abs. 1 TVG, so daß sie vom Verbandstarifvertrag nicht erfaßt werden. 22
3. Berechtigung des Verbands zur Einrichtung der Mitgliedschaft "Ohne Taritbindung" Es stellt sich aber die Frage, ob der Verband überhaupt berechtigt ist, die Mitgliedschaft "Ohne Tarifbindung" einzurichten. Sollte er nur die Vollmitgliedschaft bereitstellen dürfen, wäre der einzelne Arbeitgeber vor die Alternative gestellt, als 19 A. Hueck/Nipperdey, 1., § 221., S. 128; Richardi, in: Münchener Handbuch Arbeitsrecht, § 1 Rdnr. 8, § 8 Rdnr. I, § 9 Rdnr. 5; Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch, § 29 I. 2., S. 161. 20 Richardi, ZfA 1988, S. 221 f. 21 § 4 Ziff. 2 Satz 5 der Satzung des Verbands der holz- und kunststoffverarbeitenden Industrie Rheinland-Pfalz e.Y.; § 6 Ziff. 3 Satz 1 der Satzung des Verbands der Nord-Westdeutschen Textilindustrie e. V. 22 Es kommt in diesem Zusammenhang nicht mehr darauf an, ob die Satzung den Verbandsarbeitgebern "Ohne Tarifbindung" das Recht zur Teilnahme an der innerverbandlichen Entscheidungsfindung in Tariffragen einräumt. Zwar ist es wegen der Verpflichtung der Arbeitgeberverbände auf das Demokratieprinzip (ausführlich: § 2, S. 48 ff.) richtig, daß die Verbandsangehörigen bei der Regelung der tarifpolitischen Angelegenheiten beteiligt werden müssen, doch ist dies für die hier in Frage stehende Mitgliedschaft der Arbeitgeber "Ohne Tarifbindung" nicht ausschlaggebend. Da sich diese Arbeitgeber nicht der Rechtsetzungsmacht des Verbands unterworfen haben, fehlt die für die Normgebung rechtfertigende Ermächtigung. Es ist daher an dieser Stelle unerheblich, welche Mitwirkungsrechte die Satzung ihnen gewährt.
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§ I Herausnahme der verbandsangehörigen Arbeitgeber
tarifgebundenes Mitglied beizutreten und sich der Tarifrnacht zu unterwerfen oder dem Verband fernzubleiben. Im Schrifttum wird die Abstufung der Mitgliedsgruppen teils 23 als zulässig angesehen, teils 24 als unzulässig abgelehnt. Die Befürworter leiten die Berechtigung des Arbeitgeberverbands, verschiedene Mitgliedsformen anzubieten, aus dessen grundrechtlich durch Art. 9 Abs. 3 Satz 1 GG gewährleisteter innerer Organisationsautonomie ab. Diese Begründung setzt voraus, daß sich der Schutzbereich der Koalitionsfreiheit des Art. 9 Abs. 3 Satz 1 GG auf die Arbeitgeberseite erstreckt (a). Im zweiten Schritt wird zu prüfen sein, ob die grundrechtliche Gewährleistung die Berechtigung umfaßt, die Mitgliedschaft "Ohne Tarifbindung" einzuführen (b).
a) Koalitionsfreiheit zugunsten der Arbeitgeber
Rechtsprechung 25 und herrschende Lehre 26 beziehen Arbeitnehmer und Arbeitgeber gleichermaßen in den Schutzbereich des Art. 9 Abs. 3 Satz 1 GG ein. Sie berufen sich überwiegend auf den "Jedermann"-Charakter des Grundrechts, durch den neben den Arbeitnehmern auch die Arbeitgeber erfaßt würden. 27 Teilweise 28 wird darüber hinaus der Grundrechtsschutz zugunsten der Arbeitgeber aus der Notwendigkeit abgeleitet, ein mögliches Verhandlungsübergewicht der organisierten Arbeitnehmerseite auszugleichen und die einseitige Durchsetzung ihrer Interessen zu verhindern. Auf diese Weise soll der Ausgleich der gegensätzlichen Interessen der Arbeitgeber und Arbeitnehmer sichergestellt werden, um die Funktionsfahigkeit des Systems der kollektiven Gestaltung der Arbeitsbedingungen aufrechtzuerhalten. Demgegenüber begrenzen einzelne Stimmen in der Literatur29 den Anwendungsbereich des Art. 9 Abs. 3 Satz 1 GG auf die Arbeitnehmer. Sie stützen ihre Ansicht auf die historische Funktion der Koalitionsfreiheit, die sie im Ausgleich der prinzipiellen Unterlegenheit des Arbeitnehmers gegenüber dem Arbeitgeber 23 Buchner, NZA 1995, S. 761, 768; Ostrop, S. 114 ff.; S.-1. Otto, NZA 1996, S. 624, 628; Reuter, RdA 1996, S. 201, 205, 209. 24 Däubler, ZTR 1994, S. 448, 453; ders., NZA 1996, S. 225, 231; Feger, AiB 1995, S. 490, 502 f.; Kempen/Zachert, § 2 Rdnr. 90; Schaub, BB 1994, S. 2005, 2007; ders., BB 1995,S.2OO3,2005. 25 BVerfGE 84, S. 212, 224; BAG, AP Nr. 4 zu § 2 TVG - Tarifzuständigkeit, BI. 9; Nr. 64 zu Art. 9 GG - Arbeitskampf, BI. 8; Nr. 101 zu Art. 9 GG - Arbeitskampf, BI. 5. 26 Friauf, RdA 1986, S. 188, 189; Krölls, S. 208; Löwisch, in: Münchener Handbuch Arbeitsrecht, § 236 Rdnr. 26; Raiser, S. 22; Scholz, ZfA 1980, S. 357, 359. 27 BVerfGE 84, S. 212,224; BAG, AP Nr. 64 zu Art. 9 GG - Arbeitskampf, BI. 8; Nr. 101 zu Art. 9 GG - Arbeitskampf, BI. 5; Löwisch, in: Münchener Handbuch Arbeitsrecht, § 236 Rdnr. 19; Raiser, S. 22. 28 Krölls, S. 208. 29 Däubler I Hege, Rdnr. 87; Hoffmann, in: Kittner, S. 47,67; Mayer, S. 174.
I. Tarifgebundenheit kraft Mitgliedschaft
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bei der Aushandlung der Arbeitsbedingungen sehen. Durch die gemeinschaftliche Wahrnehmung der Arbeitnehmerinteressen werde die fehlende Parität wettgemacht. 30 Die Berechtigung der Arbeitgeber, sich zu einem Verband zusammenzuschließen, ergebe sich allenfalls aus der allgemeinen Vereinigungsfreiheit des Art. 9 Abs. 1 GG 31 oder werde zwar von Art. 9 Abs. 3 Satz 1 GG erfaßt, aber nur als Annex zur Koalitionsfreiheit der Arbeitnehmer, damit der Gewerkschaft ein Vertragspartner für den Abschluß des Verbandstarifvertrags zur Verfügung stehe. 32 Ob den Arbeitgebern der Schutz des Art. 9 Abs. 3 Satz 1 GG zuteil wird, muß vom Normzweck des Grundrechts aus beantwortet werden. Art. 9 Abs. 3 Satz 1 GG gewährleistet die Freiheit, Vereinigungen zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen zu bilden und diese Zwecke gemeinsam zu verfolgen. 33 Subjekte der Gestaltung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen sind Arbeitnehmer und Arbeitgeber. Beiden Seiten obliegt in gegenseitiger und gleichberechtigter Verantwortung die Aufgabe der Regelung des Arbeitslebens. Die Koalitionsfreiheit garantiert Arbeitnehmern und Arbeitgebern die wechselseitige Verfolgung ihrer aufeinander bezogenen Belange. 34 Art. 9 Abs. 3 Satz I GG ist daher kein exklusives Arbeitnehmergrundrecht, sondern bezieht sich ebenso auf die Arbeitgeber.
b) Innerverbandliehe Organisationsautonomie Art. 9 Abs. 3 Satz 1 GG gewährleistet dem einzelnen die Freiheit, sich mit anderen zweckgebunden zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen zusammenzuschließen, mithin eine Koalition einzugehen. Darüber hinaus erstreckt sich der Grundrechtsschutz auch auf die Koalition als solche,35 da ohne den Schutz der Vereinigung das individuelle Recht des Koalierens seinen Sinn verlöre. 36 Die Gewährleistung umfaßt den Bestand der Koalition und deren koalitionsmäßige Betätigung. 37 Die Betätigungsfreiheit garantiert den Koalitionen das Recht, die in Art. 9 Abs. 3 Satz 1 GG genannten Zwecke zu verfolgen. Sie sind berechtigt, die Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen durch einen kollektiven Ausgleich ihrer Interessen mit Hilfe des Tarifvertrags in eigener Verantwortung zu regeln. 38 Ihnen wird durch Art. 9 Abs. 3 Satz 1 GG die Tarifautonomie eingeräumt. 39 Hoffmann, in: Kittner, S. 47, 60; Mayer, S. 175. Mayer, S. 174. 32 Kempen/Zachert, § 2 Rdnrn. 88,117. 33 BVerfGE 92, S. 365, 393. 34 Löwisch, in: Münchener Handbuch Arbeitsrecht, § 236 Rdnr. 26; Scholz, ZfA 1980, S. 357, 359. 35 BVerfGE 4, S. 96, 101 f.; 50, S. 290, 367; 92, S. 26, 28; 94, S. 268, 282. 36 Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch, § 188 V. 1., S. 1591. 37 BVerfGE 50, S. 290, 367; 92, S. 26, 38. 38 BVerfGE 18, S. 18,26; 44, S. 322, 341; 50, S. 290, 367; 92, S. 26, 38. 30 31
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§ 1 Herausnahme der verbandsangehörigen Arbeitgeber
Des weiteren gewährleistet das Grundrecht den Koalitionen die Selbstbestimmung über ihren inneren Autbau. 4o Die Freiheit, zur Verfolgung eines bestimmten Zwecks eine Vereinigung bilden zu dürfen, beinhaltet notwendigerweise die Berechtigung, eine Organisationsform zu wählen, die nach der eigenen Vorstellung der Zweckerreichung am besten dient. 41 Die interne Gestaltungsfreiheit umfaßt die Berechtigung, verschiedene Arten der Mitgliedschaft anzubieten und folglich die Mitgliedschaft "Ohne Taritbindung" einzuführen. Dies zeigt ein Vergleich mit dem allgemeinen Vereinsrecht, in dem anerkannt ist, daß ein Verein mehrere Mitgliedsformen einrichten und mit unterschiedlichen Rechten und Pflichten ausstatten kann. 42
c) Grenzen der Organisationsfreiheit Die Organisationsautonomie der Koalitionen wird jedoch durch den Vereinigungszweck begrenzt. 43 Der Verfassungsgeber hat den Koalitionen die Regelung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen überantwortet. Die Ausübung der Koalitionsfreiheit steht nicht im freien Ermessen der Vereinigungen, sondern ist entsprechend der Zielsetzung des Art. 9 Abs. 3 Satz 1 GG funktionsgebunden. 44 Im folgenden ist daher zu untersuchen, ob die Bereitstellung der Mitgliedschaft "Ohne Tarifbindung" mit der grundgesetzlichen Zweckbestimmung der Koalitionen (aa) vereinbar ist. Außerdem ist zu bedenken, daß mit der Einrichtung der Mitgliedschaft "Ohne Taritbindung" die Herausnahme einzelner Arbeitgeber aus dem Flächentarifvertrag angestrebt wird. Dies betrifft unmittelbar die tarifvertragliche Handlungsfähigkeit der Gewerkschaft als der sozialen Gegenspielerin des Arbeitgeberverbands. Deren Position ist bei der Bestimmung der Grenzen der inneren Gestaltungsfreiheit des Arbeitgeberverbands ebenfalls zu berücksichtigen (bb).
aa) Koalitionszweck: Ordnungsfunktion
Die Koalitionen haben den grundgesetzlich erteilten Auftrag, das Arbeitsleben sinnvoll zu ordnen und zu befrieden. 45 Damit sie diesen Auftrag ausführen können, haben ihnen der Verfassungsgeber die Tarifautonomie und der Gesetzgeber BVerfGE 18, S. 18,26; 44, S. 322,344; 50, S. 290, 367. BVerfGE 50, S. 290, 373; 92, S. 365,403; 94, S. 268, 282 f. 41 Säcker, Grundprobleme, S. 61. 42 BAG, NJW 1996, S. 143, 151; LG Bremen, RPfl. 1990, S. 262 f.; Hadding, in: Soergel, § 38 Rdnr. 4; Reichert I Dannecker, Rdnrn. 497 ff., 546; Stöber, Rdnr. 52. 43 Säcker, Grundprobleme, S. 61. 44 BVerfGE 4, S. 96, 107; 18, S. 18,27; 44, S. 322, 341; 50, S. 290, 367 f.; K.-P. Martens, SAE 1987, S. 7, 9; Wiedemann, RdA 1975, S. 78, 81; ders.lStumpf, § 2 Rdnr. 33. 45 BVerfGE 4, S. 96,107; 18, S. 18,27 f.; 44, S. 322, 341; 50, S. 290, 372. 39
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I. Tarifgebundenheit kraft Mitgliedschaft
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das Tarifvertragsrecht zur Verfügung gestellt. 46 Diese Zweckbindung der Tarifautonomie und des Tarifvertragsrechts setzt der Organisationsfreiheit der Verbände Grenzen. Die Verbände dürfen sich keine Organisationsform geben, die es ihnen nicht mehr erlaubt, die mit dem Tarifvertrag zu erfüllenden Aufgaben sachgerecht wahrzunehmen. Der Tarifvertrag dient der Verwirklichung verschiedener Ziele, denen die Verbände nachzukommen haben. In erster Linie dient die tarifvertragliche Gestaltung der Arbeitsbedingungen dem Schutz der Arbeitnehmer. Sie verhindert, daß der Arbeitgeber den Inhalt der Arbeitsverhältnisse aufgrund seines Verhandlungsübergewichts einseitig und allein zu seinen Gunsten festsetzen kann. Zum zweiten ermöglicht der Tarifvertrag die . Beteiligung der Arbeitnehmer am erwirtschafteten Sozialprodukt. Darüber hinaus bestimmt er über die Einkommensverteilung zwischen den Arbeitnehmern, indem er deren Entgelte durch die Bildung unterschiedlicher Lohn- und Gehaltsgruppen abstuft. Außerdem verbietet er während seiner Laufzeit Arbeitskämpfe und übernimmt hierdurch eine Friedensfunktion. 47 Des weiteren obliegt ihm eine Ordnungsaufgabe, unter der verschiedene Funktionen zusammengefaßt werden. Zum einen gestaltet der Tarifvertrag die Arbeitsverhältnisse, so daß die Regelung der Arbeitsbedingungen durch den Einzelarbeitsvertrag entbehrlich wird. Die Normen des Tarifvertrags typisieren die Rechte und Pflichten der Arbeitsvertragsparteien und erleichtern den Abschluß der einzelnen Arbeitsverträge. Außerdem schafft der Tarifvertrag für beide Seiten eine sichere Kalkulationsgrundlage, da sie darauf vertrauen können, daß die Arbeitsbedingungen während seiner Geltungsdauer unverändert bleiben.48 Die genannten Funktionen des Tarifvertrags beziehen sich auf das Innenverhältnis zwischen dem tarifgebundenen Arbeitgeber und dem gewerkschaftlich organisierten Arbeitnehmer. Diese arbeitsrechtliche Beziehung wird nicht betroffen, wenn es dem Arbeitgeberverband erlaubt wird, einzelne Mitglieder aus seinem tarifvertraglichen Vertretungsbereich herauszunehmen. Für die beiderseits tarifgebundenen Arbeitsvertragsparteien wird der Verbandstarifvertrag weiterhin die uneingeschränkte Regelung aller Sachfragen ermöglichen. Es besteht nicht die Gefahr, daß die Arbeitsbedingungen durch den Tarifvertrag nur noch lückenhaft und unvollkommen geordnet werden. Dies gilt auch für den Fall, daß sich eine größere Zahl von Arbeitgebern für die Mitgliedschaft "Ohne Tarifbindung" entscheidet. Durch diese Mitgliedschaft verringert sich zwar die personelle Reichweite der Ta-
BVerfGE 44, S. 322,341. Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch, § 198 I. 2., S. 1651; Wiedemann I Stumpf, Einl. Rdnrn. 2 ff., 10 ff., 14. 48 A. Hueckl Nipperdey, 1I./1., § 14 1I. 1. und 2., S. 235 f.; Löwisch, in: Münchener Handbuch Arbeitsrecht, § 245 Rdnrn. 36 f.; Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch,.§ 198 I. 2., S. 1651; ders., RdA 1995, S. 65, 67 f.; Wiedemann I Stumpf, Einl. Rdnr. 6. 46 47
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§ 1 Herausnahme der verbandsangehörigen Arbeitgeber
rifnormen, die sachliche Regelungsfunktion der Tarifbestimmungen bleibt aber unberührt. Allerdings werden den Tarifvertragsparteien auch Aufgaben für das gesamte Wirtschaftsleben zugewiesen, die über die Gestaltung der Arbeitsverhältnisse ihrer Mitglieder hinausgehen und die sie im Interesse der Allgemeinheit zu erfüllen haben. 49 Zum einen ermöglicht die durch den Tarifvertrag herbeigeführte Vereinheitlichung der Arbeitsbedingungen nicht nur eine Rationalisierung bei der Gestaltung der Arbeitsverträge, sondern entfaltet zusätzlich eine Kartellwirkung, da der Wettbewerb zwischen den Unternehmen um die Bedingungen der Arbeit ausgeschaltet wird. 5o Diese branchenweite Bedeutung des Tarifvertrags geht zwangsläufig zurück, je kleiner der Kreis der dem Tarifvertrag unterliegenden Arbeitgeber wird. Die Tarifverbände und ihre Regelwerke werden zudem als volkswirtschaftliche Ordnungsfaktoren angesehen. Die Tarifverträge setzen Maßstäbe, die wegen ihrer hervorgehobenen Stellung über den Organisationsbereich der an ihrem Zustandekommen beteiligten Parteien hinausreichen. 51 Dieser richtungweisende Einfluß erfordert ein erhebliches Gewicht innerhalb der Wirtschaftswelt, das mit einer rückläufigen Zahl tarifgebundener Arbeitsvertragsparteien unweigerlich abnimmt. 52 Bei den dargestellten gesamtwirtschaftlichen Wirkungen der Tarifverträge handelt es sich jedoch lediglich um faktische Folgen der Koalitionstätigkeit. 53 Die Verbände sind rechtlich nicht verpflichtet, diese übergeordneten Aufgaben wahrzunehmen. Ihre Ordnungskompetenz ist auf ihre Mitglieder begrenzt. 54 Auch das Bundesverfassungsgericht hat die Zweckbestimmung der Koalitionen, die Arbeitsund Wirtschafts bedingungen zu gestalten, nur auf deren Mitglieder bezogen55 und ihnen die Regelungsbefugnis gegenüber nicht mitgliedschaftlich gebundenen Arbeitgebern und Arbeitnehmern abgesprochen. 56 Den Koalitionen können keine volkswirtschaftlichen Aufgaben zugewiesen werden, die über die Regelung der Angelegenheiten ihrer Mitglieder hinausgehen. Auf-
49 Mayer-Maly, OB 1965, S. 32, 33; G. Müller, OB 1975, S. 205, 207; ders., AuR 1992, S. 257, 258; Siebert, in: FS Nipperdey I, S. 119, 122; Wiedemann I Stumpf, Ein\. Rdnr. I.
50 A. Hueck/Nipperdey, 11./1., § 1411.2., S. 236; G. Müller, AuR 1992, S. 257,258; Löwisch, in: Münchener Handbuch Arbeitsrecht, § 245 Rdnr. 37; Schaub, RdA 1995, S. 65, 68; Wiedemann I Stumpf, Ein\. Rdnrn. 6, 9. 51 G. Müller, AuR 1992, S. 257, 258, Fn. 6; Zander, BB 1987, S. 1315.1316. 52 Zander, BB 1987, S. 1315, 1316. 53 Däubler, TVR, Rdnr. 18; Radke, OB 1965. S. 1176; Wiedemann I Stumpf. Ein\. Rdnr. 9; Zander, BB 1987, S. 1315, 1316. 54 A. Hueckl Nipperdey, 11./1., § 1411.4., S. 238. 55 BVerfGE 17, S. 319, 333; 18, S. 18,26.28; 42. S. 133, 138; 44, S. 322, 347 f.; 55, S. 7. 23; 57, S. 29, 37. 56 BVerfGE 44, S. 322, 348; 64, S. 208, 214 f.; 78, S. 32, 36.
I. Tarifgebundenheit kraft Mitgliedschaft
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grund der durch § 4 Abs. I, § 3 Abs. I TVG gesetzten personellen Schranken ihrer tarifvertraglichen Handlungsbefugnis verfügen die Verbände nicht über die rechtlichen Möglichkeiten, die es ihnen gestatten würden, derartige Pflichten zu erfüllen. Die Rechtsordnung kann den Tarifvertragsparteien kein Ordnungsmandat für Bereiche auferlegen, die ihrer Einwirkung entzogen sind. 57 Die rechtlich verbindliche Ordnungsfunktion der Tarifverbände kann sich daher nur auf die inhaltliche Gestaltung der Arbeitsverhältnisse ihrer tarifgebundenen Mitglieder erstrecken. 58 Dieser Aufgabe kann ein Arbeitgeberverband, der die Mitgliedsgruppe "Ohne Tarifbindung" einrichtet, zugunsten seiner Vollmitglieder uneingeschränkt nachkommen. Aus den Regelungsaufgaben der Verbände lassen sich folglich keine Einwände gegen die Abstufung der Mitgliedsgruppen und die Bereitstellung der Mitgliedschaft "Ohne Tarifbindung" ableiten.
bb) Gewerkschaft
Die Einrichtung der Mitgliedschaft "Ohne Tarifbindung" betrifft nicht nur den Arbeitgeberverband und seine Mitglieder, sondern auch die Gewerkschaft. Diese wird durch den Abschluß eines Verbandstarifvertrags nicht mehr die Arbeitsverhältnisse derjenigen Arbeitnehmer gestalten können, die bei den Arbeitgebern "Ohne Tarifbindung" beschäftigt sind. Es gehört jedoch zu den grundgesetzlich geschützten Funktionen der Gewerkschaft, die Arbeitsbedingungen für alle bei ihr organisierten Arbeitnehmer durch Tarifvertrag zu regeln. 59 Die Gewerkschaft kann aber Firmentarifverträge mit den einzelnen tariffreien Verbandsarbeitgebern gemäß § 2 Abs. I TVG abschließen. 60 Auf diese Weise wird ihre tarifpolitische Handlungsfähigkeit sichergestellt. Sie muß sich allerdings um eine größere Zahl von Firmentarifverträgen bemühen und möglicherweise eine Mehrzahl von unternehmensbezogenen Arbeitskämpfen führen. 61 Diese im Vergleich zu einer verbandsweiten Regelung der Arbeitsbedingungen durch einen F1ächentarifvertrag erhöhte Beanspruchung der Gewerkschaft steht jedoch im Einklang mit der Rechtsordnung und muß von der Gewerkschaft hingenommen werden. Die Situation stellt sich für sie nicht anders dar als beim rechtlich zulässigen Verzicht der Arbeitgeber, einem Verband beizutreten. In beiden Fällen muß die Gewerkschaft den Abschluß von Tarifverträgen mit den einzelnen Arbeitgebern suchen. 62 Reuter, RdA 1996, S. 201, 204. Hensche,RdA 197I,S.9,14f.;Radke,DB 1965,S. 1176,1178. S9 BVerfGE 92, S. 26,45. 60 Zur Tariffähigkeit des einzelnen Arbeitgebers ausführlich: § 5 I. I., S. 165 ff. 61 Die IG-Metall stärkt bereits ihre betriebliche Präsenz, um gegenüber den einzelnen Arbeitgebern unternehmens bezogene Tarifverhandlungen und Streiks einleiten zu können (F.A.Z. vom 17. 11. 1997, S. 17). 62 Buchner, NZA 1995, S. 761, 769; Ostrop, S. 127; Reuter, RdA 1996, S. 201, 205. S7
S8
§ 1 Herausnahme der verbandsangehörigen Arbeitgeber
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Die Gewerkschaft muß allerdings vom Arbeitgeberverband Auskunft verlangen können, welche Arbeitgeber als Mitglieder "Ohne Tarifbindung" nicht dem Flächentarifvertrag unterliegen,63 damit sie mit den einzelnen Arbeitgebern Firmentarifverträge abschließen kann. Dieser Anspruch auf Auskunft sichert der Gewerkschaft die koalitionsmäßige Betätigung im Rahmen der Tarifautonomie und findet seine Rechtsgrundlage unmittelbar in Art. 9 Abs. 3 Satz 1 GG.
d) Ergebnis Die Arbeitgeberverbände können die Mitgliedschaft "Ohne Tarifbindung" einrichten. Die Berechtigung dazu folgt aus ihrer Organisationsautonomie, die ihnen grundrechtlieh durch Art. 9 Abs. 3 Satz 1 GG .gewährleistet wird. Die Zweckbindung der Koalitionsfreiheit und der Schutz der tarifvertraglichen Handlungsfähigkeit der Gewerkschaft stehen dem nicht entgegen.
4. Ergebnis zu I. Die verbandsangehörigen Arbeitgeber in der Mitgliedsgruppe "Ohne Tarifbindung" sind keine tarifgebundenen Mitglieder im Sinne des § 3 Abs. 1 TVG. Die Tarifverbände benötigen die Ermächtigung ihrer Mitglieder, um ihnen gegenüber verbindliche tarifvertragliehe Regeln setzen zu können. Diese Ermächtigung wird erteilt, wenn sich die einzelnen Mitglieder durch ihren Beitritt der normgebenden Gewalt ihres Verbands unterwerfen. Wenn ein Arbeitgeber in die Mitgliedsgruppe "Ohne Tarifbindung" eintritt, verweigert er dem Verband die erforderliche Legitimation zur Rechtsetzung. Dieser Arbeitgeber ist, obwohl er dem Verband angehört, nicht tarifgebunden.
11. Begrenzung der Rechtsetzungsfähigkeit des Verbands Im zweiten Schritt ist nun zu untersuchen, ob der Arbeitgeberverband die Mitglieder "Ohne Tarifbindung" nicht nur von der Tarifgebundenheit im Sinne des § 3 Abs. 1 TVG befreit, sondern sie darüber hinaus auch aus seiner tarifvertraglichen Regelungszuständigkeit herausnehmen kann. Die eigenständige Bedeutung dieser Frage ergibt sich daraus, daß die fehlende Tarifgebundenheit durch die Allgemeinverbindlicherklärung des Tarifvertrags gemäß § 5 Abs. 4 TVG überwunden werden kann, nicht hingegen die Grenze der Rechtsetzungszuständigkeit. 64 Besgen, S. 93; Ostrop, S. 123. BAG, AP Nr. 3 zu § 2 TVG, BI. 1 verso; Nr. 95 zu § 1 TVG - Tarifverträge: Bau, BI. 3 verso; Löwisch I Rieble, TVG, § 5 Rdnr. 32; Wiedemann I Stumpf, § 5 Rdnr. 72. 63
M
11. Begrenzung der Rechtsetzungsfähigkeit des Verbands
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Dies folgt aus der Systematik des Gesetzes. Gemäß § 5 Abs. 4 TVG dehnt die Allgemeinverbindlicherklärung den Wirkungsbereich der Tarifnormen auf die bisher nichttarifgebundenen Arbeitgeber und Arbeitnehmer aus. Tarifgebunden sind gemäß § 3 Abs. I TVG die Mitglieder der. Tarifvertragsparteien. Die Allgemeinverbindlicherklärung überbrückt also lediglich die fehlende Mitgliedschaft als Geltungsgrenze des Tarifvertrags, vermag aber keine weiteren Anwendungshindernisse zu beseitigen. 65 Zu prüfen ist folglich, ob es dem Verband mit der Einrichtung der Mitgliedschaft "Ohne Tarifbindung" gelingt, die Arbeitgeber in dieser Mitgliedsgruppe aus seiner Rechtsetzungszuständigkeit zu entlassen. Wäre dies zu bejahen, könnten die Mitglieder "Ohne Tarifbindung" nicht im Wege der Allgemeinverbindlicherklärung in den Wirkungsbereich des Tarifvertrags einbezogen werden. Die vom Verband angestrebte Entpflichtung dieser Arbeitgeber vom Tarifvertrag wäre mithin gegenüber der Einwirkung von außen stabil. Voraussetzung ist, daß der Verband seinen Zuständigkeitsbereich zurücknehmen und seine tarifvertragliehe Rechtsetzungsfähigkeit gegenüber den Mitgliedern "Ohne Tarifbindung" ablegen kann. Dies wäre der Fall, wenn der Verband über seine Tariffähigkeit und deren Reichweite selbst bestimmen könnte. Erforderlich ist, daß die tarifvertragliehe Normsetzungsfähigkeit von seinem Willen abhängt. Nur unter dieser Bedingung kann der Verband .über seine Regelungsgewalt disponieren und sie mit Wirkung gegenüber einem Teil seiner Mitglieder aufgeben, während er sie gleichzeitig zugunsten seiner tarifgebundenen Vollmitglieder behält. Damit ist die Frage aufgeworfen, ob die Tarifwilligkeit des Verbands eine Voraussetzung für seine Tariffähigkeit ist (1.) und inwieweit der Verband den Umfang seiner tarifvertraglichen Rechtsetzungszuständigkeit begrenzen kann (2.).
1. Tarifwilligkeit als Voraussetzung der TaritTähigkeit Seit der Weimarer Republik wird kontrovers diskutiert, ob der Wille des Arbeitgeberverbands Einfluß auf seine Tariffähigkeit hat. a) Weimarer Republik: Schutz der Zwangsschlichtung
Zur Zeit der Weimarer Republik gingen Rechtsprechung 66 und herrschende Lehdavon aus, daß die Tarifwilligkeit eines Verbands für seine Fähigkeit, Partei eines Tarifvertrags zu sein, unbeachtlich ist. Zur Begründung wurde auf die gesetzre 67
65
66 67
BAG, AP Nr. 42 zu § 1 BetrAVG - Zusatzversorgungskassen, BI. 3 verso. RAGE 8, S. 165, 168. Jacobi, S. 169 ff.; Kaskel / Dersch, 4. Aufl., § 15 I. 1., S. 50 f.; Sinzheimer, S. 254 f.
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§ 1 Herausnahme der verbands angehörigen Arbeitgeber
lich vorgesehene Zwangsschlichtung verwiesen. Nach § 6 der SchlichtungsVO vom 30. Oktober 192368 konnte der staatlicherseits einzusetzende Schlichtungsausschuß einen für die Tarifparteien verbindlichen Schiedsspruch fällen, der nach erfolglosen Tarifverhandlungen den Tarifabschluß ersetzte. Man nahm an, daß die Rechtsordnung nicht gleichzeitig die zwangsweise Schlichtung einrichten und die Tariffähigkeit vom Willen der Verbände abhängig machen konnte. Anderenfalls wäre den Vereinigungen die Chance eröffnet worden, durch das Ablegen der TarifwiIligkeit gezielt die Tarifunfähigkeit herbeizuführen, um die Parteifähigkeit im Schlichtungsverfahren aufzugeben und sich dem Schiedsspruch zu entziehen. Die Zwangsschlichtung wäre ins Leere gelaufen und hätte ihren Zweck somit verfehlt. 69 Die heutige Gesetzeslage stellt sich unter der Geltung des Kontrollratsgesetzes Nr. 35 70 anders dar. Das Gesetz gilt gemäß Art. 123 Abs. 1, Art. 125 GG als Bundesrecht fort. 71 Nach Maßgabe des Kontrollratsgesetzes findet eine verbindliche staatliche Schlichtung nur noch statt, wenn beide Tarifparteien die Streitigkeit dem zuständigen Schiedsausschuß übergeben und die Annahme als Schiedsspruch vereinbaren. Demzufolge ist eine zwangsweise und ohne den Willen der Tarifvertragsparteien vorgenommene Regelung von dritter Seite nicht mehr möglich. Der Schutz der staatlichen Zwangsschlichtung ist nicht mehr erforderlich und hat daher für die Beantwortung der Frage, ob die Tariffähigkeit an die TarifwiIligkeit gebunden ist, seine Bedeutung verloren. 72
b) § 2 Abs. 3 TVG
Eine gesetzliche Regelung der Tarifwilligkeit als Voraussetzung der Tariffähigkeit findet sich in § 2 Abs. 3 TVG. Die Vorschrift bestimmt, daß Spitzenorganisationen der Gewerkschaften und der Vereinigungen von Arbeitgebern im Sinne des § 2 Abs. 2 TVG selbst Parteien eines Tarifvertrags sein können, wenn der Abschluß von Tarifverträgen zu ihren satzungsmäßigen Aufgaben gehört. Fraglich ist, ob aus dieser Norm abgeleitet werden kann, daß auch bei anderen Verbänden, die keine Spitzenorganisationen sind, die Tariffähigkeit die Bereitschaft zum Abschluß von Tarifverträgen erfordert. In der Literatur wird dies teilweise73 bejaht. Treffender ist es jedoch, in § 2 Abs. 3 TVG eine nicht verallgemeiRArbBI. 1923, A.T., S. 736. Jacobi, S. 170; Kaskel/Dersch, 4. Aufl., § 15 I. 1., S. 50 f., und § 1511.2. d), S. 59 f. 70 Kontrollratsgesetz Nr. 35 betreffend Ausgleichs- und Schiedsverfahren in Arbeitsstreitigkeiten vorn 10. August 1946, Amtsbl. des Kontrollrats, S. 174. 71 H. Otto, in: Münchener Handbuch Arbeitsrecht, § 286 Rdnr. 18. n A. Hueck/Nipperdey, 11./ 1., § 6 III. 3., S. 106 f.; Richardi, Kollektivgewalt, S. 151; Wiedemann / Stumpf, § 2 Rdnr. 12. 73 Besgen, S. 34 f.; Link, Diss., S. 55; Wiedemann / Stumpf, § 2 Rdnr. 179. 68
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11. Begrenzung der Rechtsetzungsfähigkeit des Verbands
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nerbare Ausnahmebestimmung für Spitzenorganisationen zu sehen,74 der eine Entscheidung zur Erforderlichkeit der Tarifwilligkeit bei Arbeitgeber- und Arbeitnehmervereinigungen, die keine Spitzenorganisationen sind, nicht entnommen werden kann. Vor dem Erlaß des Tarifvertragsgesetzes und während der Beratungen zu diesem Gesetz war die Tariffahigkeit von Spitzenorganisationen umstritten. 75 Diese Streitfrage hat der Gesetzgeber in § 2 Abs. 3 TVG geklärt. Die Vorschrift bestimmt, daß Spitzenorganisationen die Tariffahigkeit nur besitzen, wenn sie tarifwillig sind. Sie enthält lediglich eine Regelung für Spitzenorganisationen. Ihr kann daher keine darüber hinausgehende allgemeine Aussage zu der Frage entnommen werden, ob prinzipiell nur tarifwillige Arbeitgeberverbände und Gewerkschaften tariffahig sind. c) Protokoll über Leitsätze zum Vertrag über die Schaffung einer Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion Im "Gemeinsamen Protokoll über Leitsätze" zum "Vertrag über die Schaffung einer Wahrungs-, Wirtschafts- und Sozialunion zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik" vom 18. Mai 199076 sind die Voraussetzungen der Tariffahigkeit eines Verbands niedergelegt. Gemäß Punkt A. III. Nr. 2 des Protokolls müssen tariffahige Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände frei gebildet, gegnerfrei, auf überbetrieblicher Grundlage organisiert und unabhängig sein sowie das geltende Tarifrecht für sich als verbindlich anerkennen. Außerdem müssen sie in der Lage sein, durch Ausübung von Druck auf den Tarifpartner einen Tarifabschluß zu erzwingen. In das Protokoll wurde der Katalog der Merkmale tariffähiger Vereinigungen, den das Bundesarbeitsgericht77 erstellt hat, mit Ausnahme der Tarifwilligkeit aufgenommen. Es kann daher der Schluß gezogen werden, daß die Tarifwilligkeit von den Parteien des Vertrags über die Schaffung einer Wahrungs-, Wirtschafts- und Sozial union nicht ais Voraussetzung der Tariffahigkeit angesehen wurde. Es ist jedoch zu bedenken, daß die Vertragsparteien mit dem Vertrag über die Schaffung einer Wahrungs-, Wirtschafts- und Sozialunion einschließlich seines Protokolls gemäß Art. 4 Abs. 1 Satz 1 des Vertrags lediglich die erforderliche Rechtsanpassung in der ehemaligen DDR herbeiführen wollten, ohne eine Regelung für das gesamtdeutsche Recht zu treffen. Allerdings wird die Ansicht 78 vertreten, die Bestimmungen des Protokolls müßten im Interesse der Rechtseinheit gleichermaßen in den alten Bundesländern als Auslegungsregeln zur Anwendung kommen. 74 75 76 77
78
3 Moll
Richardi, Kollektivgewalt, S. 151 f. Wiedemann I Stumpf, § 2 Rdnr. 202. BGBI. 11, S. 537, 545. AP Nr. 24 zu Art. 9 GG, BI. 3 verso. Kisse1, NZA 1990, S. 545, 549.
§ I Herausnahme der verbandsangehörigen Arbeitgeber
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Der Verweis auf die gebotene Rechtseinheit ist jedoch mit dem Beitritt der DDR am 3. Oktober 199079 gegenstandslos geworden. 8o Mit dem Beitritt trat gemäß Art. 8 des Einigungsvertrags von 199081 das schon vor dem Abschluß des Vertrags über die Schaffung einer Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion geltende bundesdeutsche Tarifrecht auch im Beitrittsgebiet in Kraft. Die genannten Bestimmungen im Protokoll entfalten daher im Beitrittsgebiet keine rechtlichen Wirkungen mehr, so daß es auch aus Gründen der Rechtseinheit nicht mehr geboten ist, die Bestimmungen des Protokolls in den alten Ländern als Auslegungshilfen heranzuziehen. Aus dem Protokoll können folglich keine verbindlichen Aussagen über die Tarifwilligkeit als Voraussetzung der Tariffähigkeit abgeleitet werden. d) Koalitionsfreiheit und Tarifwilligkeit
Häufig82 wird aus Art. 9 Abs. 3 Satz I GG der Schluß gezogen, daß die Arbeitgeberverbände entscheiden könnten, mit welchen Mitteln sie sich an der Gestaltung der Arbeits- und Wirtschafts bedingungen beteiligen wollen. Sie sollen daher selbst darüber bestimmen können, ob sie zur Verwirklichung des Koalitionszwecks den Tarifvertrag einsetzen. Zur Begründung wird auf die Freiwilligkeit der Koalitionsbildung verwiesen. Wenn der Zusammenschluß zu einer Koalition der freien Willensentschließung der Arbeitgeber überlassen sei, dann hätten sie auch die Berechtigung, die Koalitionsmittel frei auszuwählen. Ein Verband sei daher nur tariffähig, wenn er bereit sei, Tarifverträge abzuschließen. Diese Sicht wird vom Bundesarbeitsgericht 83 und der herrschenden Lehre 84 geteilt. Nach der Gegenmeinung 8S soll die Tarifflihigkeit eines Arbeitgeberverbands hingegen nicht von dessen Tarifwilligkeit abhängig sein. Mit den Vertretern der herrschenden Ansicht besteht jedoch darin Einigkeit, daß der Verband zumindest das Ziel verfolgen muß, an der Regelung der Arbeits- und WirtschaftsbedingunArt. 1 Abs. 1 Satz 1 des Einigungsvertrags vom 31. August 1990, BGBI. 11, S. 889, 890. Löwisch, in: Münchener Handbuch Arbeitsrecht, § 235 Rdnr. 18; ders./Rieble, TVG, § 2 Rdnr. 2. 81 BGBI. 11, S. 889, 892. 82 LAG Rheinland-Pfalz, NZA 1995, S. 800,802; Buchner, NZA 1994, S. 2,10; S.-1. Otto, NZA 1996, S. 624, 625; Wiedemann/Stumpf, § 2 Rdnr. 12. 83 AP Nr. 24 zu Art. 9 GG, BI. 3 verso f. 84 Besgen, S. 30 ff., 35; A. Hueck/Nipperdey, 11./1., § 6 III. 3., S. 105, und § 20 III. A. 10., S. 433; Löwisch, ZfA 1970, S. 295, 304; ders., ZfA 1974, S. 29, 32 ff.; ders., in: Münchener Handbuch Arbeitsrecht, § 248 Rdnr. 16; Ostrop, S. 29; Richardi, Kollektivgewalt, S. 155; ders., gern. Anm. zu BAG, AP Nrn. 2 und 3 zu § 2 TVG - Tarifzuständigkeit, BI. 5 verso f.; Schaub, BB 1995, S. 2003, 2004; Zöllner/Loritz, § 34 I. 2. b), S. 341. 8~ Däubler, TVR, Rdnr. 73; ders., ZTR 1994, S. 448, 454; ders., NZA 1996, S. 225, 232; Kempen/Zachert, § 2 Rdnr. 79; Huber, 11., § 94 IV. 1. a) aa) und b) bb), S. 444 f.; Nikisch, 11., § 70 III. 2., S. 245. 79
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11. Begrenzung der Rechtsetzungsfähigkeit des Verbands
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gen teilzunehmen, und daß er dementsprechend die Anforderungen des Koalitionsbegriffs im Sinne des Art. 9 Abs. 3 Satz 1 GG erfüllen muß. 86 Wenn dessen Voraussetzungen bei einem Arbeitgeberverband aber vorliegen, dann soll dieser Verband die Tarifflihigkeit automatisch besitzen. Auf seine Tarifwilligkeit soll es nicht ankommen. Die Vertreter dieser Ansicht gehen davon aus, daß die Begriffe der Koalition im Sinne des Art. 9 Abs. 3 Satz I GG und der Tarifvertragspartei nach § 2 Abs. 1 TVG gleich auszulegen sind. Die Tariffähigkeit sei eine durch das Gesetz verliehene Befugnis, die an die Koalitionseigenschaft anknüpfe und demzufolge der Dispositionsmacht der Verbände entzogen sei. 87 Nur durch Aufgabe des Zwecks, sich als Vereinigung von Arbeitgebern an der Gestaltung des Arbeitslebens zu beteiligen, könne ein Arbeitgeberverband die Tariffähigkeit ablegen, was allerdings mit dem Verlust der Koalitionseigenschaft verbunden sei. 88 Diese restriktive Sicht widerspricht jedoch dem Selbstbestimmungsrecht der Koalitionen. Den Koalitionen wird durch Art. 9 Abs. 3 Satz 1 GG das Recht zur autonomen Gestaltung der Arbeitsbedingungen gewährleistet. Wie das Bundesverfassungsgericht 89 mehrfach festgestellt hat, um faßt diese Berechtigung das Recht zur freien Wahl der Koalitionsmittel. Mit dieser Freiheit wäre es nicht zu vereinbaren, einem Arbeitgeberverband entgegen seinem Willen die Tariffähigkeit aufzuerlegen. 90 Daher ist nicht jede Koalition von Arbeitgebern automatisch tarifflihig, sondern nur diejenige, die beabsichtigt, die Arbeitsbedingungen durch den Abschluß von Tarifverträgen zu regeln. Es wird jedoch eingewendet, die Koalitionsfreiheit sei apriori insofern begrenzt, als der Verband nicht kraft eigener Entscheidung über seine Beteiligung an der tarifvertraglichen Regelung der Arbeitsbedingungen bestimmen könne. 91 Außerdem sei das Verhalten der Arbeitgeber widersprüchlich und folglich unzulässig, wenn sie sich zur gemeinsamen Vertretung ihrer Interessen zusammenschließen, aber gleichzeitig die kollektivrechtliche Auseinandersetzung durch Erklärung der Tarifunwilligkeit verweigern würden. 92 Diesen bei den Einwänden ist entgegenzuhalten, daß die Ausübung der Koalitionsfreiheit auf seiten der Arbeitgeber und ihres Verbands nicht zwingend an die kollektivrechtliche Auseinandersetzung und den Einsatz des Tarifvertrags ge86 Kempen/Zachert, § 2 Rdnr. 78; Huber, 11., § 94 IV. 2. b), S. 446; Nikisch, 11., § 70 III. 2., S. 244, und 3., S. 247. 87 Däubler, TVR, Rdnr. 73; Kempen/Zachert, § 2 Rdnr. 79; Huber, 11., § 94 IV. 2. a), S. 446; Nikisch, 11., § 70111. 2., S. 245. 88 Däubler, TVR, Rdnr. 73; Kempen/Zachert, § 2 Rdnr. 79; Huber, 11., § 94 IV. 2. c), S. 447; Nikisch, 11., § 70 III. 2., S. 245. 89 BVerfGE 18, S. 18,32; 50, S. 290, 368, 371; 84, S. 212, 224; 92, S. 365, 393. 90 Löwisch, in: Münchener Handbuch Arbeitsrecht, § 248 Rdnr. 16; Wiedemann I Stumpf, § 2 Rdnr. 12. 91 Huber, 11., § 94 IV. 2. c), S. 447. 92 Däubler, TVR, Rdnr. 73; ders., ZTR 1994, S. 448, 454; ders., NZA 1996, S. 225, 232.
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koppelt ist. Die Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen können nicht nur durch den Tarifvertrag gestaltet werden. 93 Der Arbeitgeberverband kann vom Gebrauch der tarifvertraglichen Mittel absehen und versuchen, die Belange seiner Mitglieder durch Rechtsberatung, Unterstützung und Öffentlichkeitsarbeit wahrzunehmen. 94 Allerdings ist die Entscheidung des Arbeitgeberverbands über seine Mitwirkung am Tarifgeschehen keine ausschließlich verbandsinteme Angelegenheit. Sie betrifft gleichermaßen die Gewerkschaft. Ihr wird die Möglichkeit zum Abschluß von Flächentarifverträgen genommen, wenn der Arbeitgeberverband auf die Tariffähigkeit verzichtet. Dies führt aber nicht zu einer unzulässigen Beeinträchtigung ihrer tarifvertraglichen Handlungsfähigkeit, worauf bereits an anderer Stelle95 hingewiesen wurde. Angesichts der Tariffähigkeit des einzelnen Arbeitgebers gemäß § 2 Abs. 1 TVG steht der Gewerkschaft stets ein Tarifpartner zur Verfügung, so daß ihre tarifrechtlichen Interessen gewahrt bleiben. 96 Es ist daher nicht erforderlich, einem Arbeitgeberverband die Freiheit zu nehmen, selbst zu bestimmen, ob er vom Tarifvertrag Gebrauch macht oder davon absieht. Die Tariffähigkeit ist somit an die TarifwiIligkeit gebunden. Ein Arbeitgeberverband besitzt folglich nur dann die Eigenschaft, Tarifvertragspartei zu sein, wenn er willens ist, den Tarifvertrag als Mittel zur Gestaltung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen einzusetzen. e) Begrenzung des Umfangs der TarifTähigkeit
Wenn die Tariffähigkeit an die Bereitschaft des Verbands zum Abschluß von Tarifverträgen gebunden ist, stellt sich die weitere Frage, ob der Verband auch den Umfang seiner Tariffähigkeit selbständig festlegen kann. Dies wird von einem Teil der Literatur97 bejaht. Die vorherrschende Rechtsmeinung98 geht hingegen vom "Alles-oder-nichts"-Prinzip aus. Die Dispositionsbefugnis des Verbands umfasse nur die Freiheit zu entscheiden, ob er am Tarifgeschehen teilnehme. Er könne sich aber nicht einzelne tarifrechtliche Tätigkeitsfe1der heraussuchen, andere ausschließen und hierdurch tarifvertragliehe "Tabuzonen" schaffen. 99 Zur Begründung wird BVerfGE 50, S. 290, 371. Gamillscheg, 1., § 14 I. 6. a) (I), S. 527 f.; Wiedemannl Stumpf, § 2 Rdnr. 12. 95 § I I. 3. c) bb), S. 29. 96 Löwisch, ZfA 1974, S. 29, 34; S.-J. Ouo, NZA 1996, S. 624, 625; Richardi, Kollektivgewalt, S. 154 f. 97 Link, Diss., S. 55 f.; Richardi, Kollektivgewalt, S. 161; ders., gern. Anm. zu BAG, AP Nrn. 2 und 3 zu § 2 TVG - Tarifzuständigkeit, BI. 5, 6; offengelassen von Zöllner/Loritz, § 34 I. 2. b), S. 341 f. 98 Löwisch, ZfA 1974, S. 29, 34 ff.; ders., in: Münchener Handbuch Arbeitsrecht, § 248 Rdnr. 17; K.-P. Martens, SAE 1987, S. 7, 9; Reuter, RdA 1996, S. 201,203; Schaub, BB 1995, S. 2003, 2004; Wiedemann I Stumpf, § 2 Rdnrn. 10, 183. 93
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11. Begrenzung der Rechtsetzungsfähigkeit des Verbands
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eine Parallele zur Rechtsfähigkeit gezogen. Wie die Rechtsfähigkeit sei auch die Tariffähigkeit zur Sicherung der Rechtsklarheit und zum Schutz des Rechtsverkehrs nicht teilbar. 100 Dennoch gestatten die Rechtsprechung lOl und einige Vertreter der Lehre lO2 den Tarifverbänden, die tarifvertragliehe Rechtsetzungsbefugnis auf einen Teil ihrer Mitglieder zu begrenzen. Dies wird jedoch überwiegend 103 nicht als Beschränkung der Tariffahigkeit, sondern der Tarifzuständigkeit angesehen. Im folgenden wird daher zu untersuchen sein, ob der Verband seine Tarifzuständigkeit in personenbezogener Hinsicht beschränken kann. Dies setzt voraus, daß der Verband berechtigt ist, seinen tarifvertraglichen Zuständigkeitsbereich autonom festzulegen. Anschließend wird zu klären sein, ob die Tarifzuständigkeit eine eigenständige Geltungsvoraussetzung für den Tarifvertrag ist oder lediglich einen Bestandteil der Tariffähigkeit darstellt und demzufolge entgegen der herrschenden Ansicht zur partiellen Tarifunfähigkeit führt.
2. Tarifzuständigkeit a) Begriff und Funktion Die Tarifzuständigkeit umfaßt den Geschäftsbereich eines Tarifverbands, innerhalb dessen er willens und fähig ist, Tarifverträge abzuschließen. I04 Den Umfang der Tarifzuständigkeit legt der Verband autonom fest und nimmt die Entscheidung über die Reichweite seiner Zuständigkeit in die Satzung auf. lOS Mit der Bestimmung seines Tätigkeitsfelds zeigt der Verband an, für weIche Arbeitsverhältnisse er tarifvertragliehe 'Normen setzen will. 106 Auf diese Weise ermöglicht er es dem 99 Löwisch, in: Münchener Handbuch Arbeitsrecht, § 248 Rdnr. 17; K.-P. Martens, SAE 1987, S. 7, 9; Schaub, BB 1995, S. 2003, 2004. 100 Buchner, NZA 1994, S. 2, 10; Däubler, ZTR 1994, S. 448, 453; ders., NZA 1996, S. 225, 231; Löwisch, ZfA 1974, S. 29, 37. 101 LAG Rheinland-Pfalz, NZA 1995, S. 800, 802 f. 102 Buchner, NZA 1994, S. 2, 5; Löwisch, ZfA 1974, S. 29, 37 ff.; S.-J. Otto, NZA 1996, S. 624, 629; Reuter, RdA 1996, S. 201, 203, 205, 209; Wiedemann/Stumpf, § 2 Rdnr. 35. 103 Löwisch, ZfA 1974, S. 29, 37; ders., in: Münchener Handbuch Arbeitsrecht, § 248 Rdnr. 19; Wiedemann/Stumpf, § 2 Rdnr. 35. 104 BAG, AP Nr. 5 zu § 2 TVG - Tarifzuständigkeit, BI. 2 verso; Nr. 95 zu § I TVG Tarifverträge: Bau, BI. 3 verso; Nr. 11 zu § 2 TVG - Tarifzuständigkeit, BI. 3; Wiedemann, RdA 1975, S. 78, 79; ders.1 Stumpf, § 2 Rdnr. 25. 105 BAG, AP Nr. 1 zu § 2 TVG - Tarifzuständigkeit, BI. 3; Nr. 7 zu § 2 TVG - Tarifzuständigkeit, BI. 3 verso; Nr. 11 zu § 2 TVG - Tarifzuständigkeit, BI. 3; A. Hueck/Nipperdey, 11.1 1., § 20 VIII. 5., S. 447; Löwisch I Rieble, TVG, § 2 Rdnr. 94; Wiedemann, RdA 1975, S. 78, 80; ders.1 Stumpf, § 2 Rdnr. 29. 106 Buchner, ZfA 1995, S. 95, 101.
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§ 1 Herausnahme der verbandsangehörigen Arbeitgeber
einzelnen beitrittswilligen Arbeitgeber oder Arbeitnehmer, die für ihn räumlich, fachlich und persönlich zuständige Vereinigung zu erkennen und durch die Wahl des insoweit "richtigen" Verbands seine individuelle Koalitionsfreiheit sachgerecht auszuüben. Die Abgrenzung des Zuständigkeitsbereichs gewährleistet zudem die sachnahe Regelung der Arbeitsbedingungen und verhindert Kompetenzstreitigkeiten gleichrangiger Organisationen. 107 Nach überwiegender Auffassung lO8 ist die Wirksamkeit des Tarifvertrags daran gebunden, daß die tarifschließenden Parteien die Grenzen ihrer Tarifzuständigkeit beachten und dem Tarifvertrag keinen Geltungsbereich geben, der außerhalb ihres Handlungsgebiets liegt. Die Tarifzuständigkeit wird im Tarifvertragsgesetz zwar nicht erwähnt, es ist jedoch weitgehend 109 anerkannt, daß die Tarifverbände ihren Zuständigkeitsbereich eigenständig festlegen und nur innerhalb der Grenzen ihres Betätigungsgebiets Tarifverträge abschließen können. Die Berechtigung der Verbände zur Bestimmung ihrer Tarifzuständigkeit wird überwiegend 110 aus der durch Art. 9 Abs. 3 Satz 1 GG gewährleisteten Koalitionsmittelfreiheit abgeleitet. Die Verbände können frei entscheiden, wie sie den grundgesetzlieh vorgegebenen Koalitionszweck verwirklichen wollen. Sie können aufgrund der Wahlfreiheit der Mittel selbst darüber befinden, ob sie am Tarifgeschehen teilnehmen wollen. Auf dieser Grundlage wird ihnen auch die Befugnis zuerkannt, darüber zu bestimmen, in welchem Umfang sie vom Tarifvertrag Gebrauch machen. ll1
107 Link, Diss., S. 40; ders., AuR 1966, S. 38, 40; Wiedemann, RdA 1975, S. 78, 79; ders.1 Stumpf, § 2 Rdnr. 26; Zachert, AuR 1982, S. 181. 108 BAG, AP Nr. 3 zu § 2 TVG, BI. 1 verso; Nr. 1 zu § 2 TVG - Tarifzuständigkeit, BI. 2; Nr. 3 zu § 2 TVG - Tarifzuständigkeit, BI. 3 verso; Nr. 168 zu § 1 TVG - Tarifverträge: Bau, BI. 3; Buchner, ZfA 1995, S. 95,105 f.; Däubler, TVR, Rdnr. 86; Kempen/Zachert, § 2 Rdnr. 110; Löwisch, in: Münchener Handbuch Arbeitsrecht, § 248 Rdnr. 76; ders.lRieble, TVG, § 2 Rdnr. 103; Wiedemann I Stumpf, § 2 Rdnm. 9, 27. 109 BAG, AP Nr. 3 zu § 2 TVG, BI. 1 verso; Nr. 1 zu § 2 TVG - Tarifzuständigkeit, BI. 2; Nr. 2 zu § 1 TVG - Tarifverträge: Graphisches Gewerbe, BI. 2; Nr. 95 zu § 1 TVG - Tarifverträge: Bau, BI. 3 verso; Buchner, NZA 1994, S. 2, 5; ders., ZfA 1995, S. 95,104; Däubler, TVR, Rdnr. 86; Kempen/Zachert, § 2 Rdnr. 110; A. Hueck/Nipperdey, II./l., § 20 VIII., S. 445; Löwisch, in: Münchener Handbuch Arbeitsrecht, § 248 Rdnr. 61; ders./Rieble, TVG, § 2 Rdnr. 88; S.-J. Otto, NZA 1996, S. 624, 629; Richardi, Kollektivgewalt, S. 160 f.; Wiedemann I Stumpf, § 2 Rdnr. 25. 110 BAG, AP Nr. 1 zu § 2 TVG - Tarifzuständigkeit, BI. 3 f.; Nr. 3 zu § 2 TVG - Tarifzuständigkeit, BI. 4 verso f.; Nr. 4 zu § 2 TVG - Tarifzuständigkeit, BI. 7; LAG RheinlandPfalz, NZA 1995, S. 800, 802; Buchner, ZfA 1995, S. 95, 99; A. Hueck/Nipperdey, ILI 1., § 20 VIII. 3., Fn. 88b, S. 446; Link, Diss., S. 39; ders., AuR 1966, S. 38,40; Löwisch/Rieble, TVG, § 2 Rdnr. 87; S.-1. Otto, NZA 1996, S. 624, 629; Richardi, gern. Anm. zu BAG, AP Nm. 2 und 3 zu § 2 TVG - Tarifzuständigkeit, BI. 5, 6; Wiedemann, RdA 1975, S. 78, 81; ders.1 Stumpf, § 2 Rdnr. 32. 111 Link, Diss., S. 43.
II. Begrenzung der Rechtsetzungsfahigkeit des Verbands
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b) Begrenzung der Tarifzuständigkeit auf einen Teil der Verbandsangehörigen Es stellt sich nun die Frage, ob der Arbeitgeberverband berechtigt ist, die Mitglieder "Ohne Taritbindung" aus seiner Tarifzuständigkeit herauszunehmen. Diese Frage wird vom Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz 112 und der Mehrzahl der Vertreter der Rechtslehre 113 bejaht. Sie halten den Verband für befugt, seine Zuständigkeit nach personenbezogenen Merkmalen auszuwählen und auf einen Teil seiner Mitglieder zu begrenzen. Zur Begründung verweisen sie vor allem auf die Systematik, die ihrer Ansicht nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur Tarifzuständigkeit zugrunde liegt. Sie gehen davon aus, daß das Bundesarbeitsgericht das Merkmal der persönlichen Tarifzuständigkeit als personenbezogene Grenze der tarifvertraglichen Normgebung anerkannt und als eigenständige Anwendungsvoraussetzung für den Tarifvertrag neben die Tarifgebundenheit gestellt hat. Aus dieser Interpretation der Rechtsprechung ziehen sie den Schluß, daß der Verband seine Vertretung durch Tarifvertrag auf einzelne Mitglieder oder Mitgliedsgruppen beschränken kann. Bei einer anderen Deutung wäre die Tarifzuständigkeit für jedes tarifgebundene Mitglied stets gegeben und neben der Tarifgebundenheit ohne eigenständige Bedeutung. Dem Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz und der vorherrschenden Literaturmeinung ist im Ergebnis zu folgen. Die durch die Mitgliedschaft gemäß § 3 Abs. 1 TVG vermittelte Tarifgebundenheit stellt die äußerste personelle Grenze für die Geltung des Tarifvertrags dar. 114 Es trifft daher zu, daß die Funktion der Tarifzuständigkeit als Anwendungsbedingung für den Tarifvertrag nur in der weiteren Eingrenzung seines Wirkungsbereichs bestehen kann. 115 Anderenfalls wäre die Tarifzuständigkeit neben der gesetzlichen Regelung der Tarifgebundenheit überflüssig. Mit dieser Feststellung ist aber noch nicht entschieden, nach welchen Kriterien der Verband sein Betätigungsgebiet abstecken kann. In der Literatur 116 wird zwar angenommen, daß die Tarifzuständigkeit nach persönlichen Merkmalen festgelegt und auf einzelne Mitglieder bezogen werden kann, das Bundesarbeitsgericht hat sich hierzu jedoch noch nicht geäußert. Es hatte bislang ausschließlich über die Rechtmäßigkeit von Verbandssatzungen zu urteilen, in denen der Zuständigkeitsbereich abstrakt nach fachlichen Merkmalen umschrieben war. 117 NZA 1995, S. 800, 802 f. Besgen, S. 89 ff.; Buchner, NZA 1994, S. 2, 5 f.; Ostrop, S. 114 ff.; S.-J. Otto, NZA 1996, S. 624, 629; Reuter, RdA 1996, S. 201, 203, 209. 114 Wiedemann! Stumpf, § 2 Rdnr. 25. 115 Wiedemann, RdA 1975, S. 78, 80. 116 Löwisch, ZfA 1974, S. 29, 37; ders.!Rieb1e, TVG, § 2 Rdnr. 93; Wiedemann, RdA 1975, S. 78, 82; ders.! Stumpf, § 2 Rdnr. 35. 117 Däubler, ZTR 1994, S. 448, 453, Fn. 75; ders., NZA 1996, S. 225, 231, Fn. 98. 112 113
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§ I Herausnahme der verbandsangehörigen Arbeitgeber
In seiner neuesten Rechtsprechung" 8 hat das Gericht den Verbänden jedoch die Befugnis zugesprochen, den Zuständigkeits bereich frei zu bestimmen. Als Bezugsgrößen fUr die Tarifzuständigkeit nennt es zwar ausdrücklich die betriebliche und unternehmerische Ausrichtung, die Aufzählung ist aber nur beispielhaft. Es hält die Verbände aufgrund ihrer Organisationsautonomie fUr berechtigt, auch auf "sonstige Kriterien" zurückzugreifen. 119 Die Verbände haben mithin das Recht, die Merkmale zur Abgrenzung des Betätigungsgebiets selbst auszuwählen. Auf der Grundlage dieser Rechtsprechung ist ihnen auch die Berechtigung zuzuerkennen, ihre Tarifzuständigkeit in persönlicher Hinsicht festzulegen und auf eine Mitgliedsgruppe zu begrenzen. Diese Auslegung der Rechtsprechung findet ihre Bestätigung in der durch Art. 9 Abs. 3 Satz I GG gewährleisteten Koalitionsmittelfreiheit der Verbände und deren Entscheidungsfreiheit über die Beteiligung an der tarifvertraglichen Gestaltung der Arbeitsbedingungen. 120 Wenn die Verbände darüber bestimmen können, ob und in welchem Umfang sie am Tarifgeschehen teilnehmen, dann steht es ihnen auch frei, die Kriterien selbst zu definieren, mit denen sie ihre Zuständigkeit abgrenzen. Sie können personenbezogene Merkmale wählen und die Tarifzuständigkeit auf die tarifgebundenen Vollmitglieder reduzieren. Auf diese Weise können sie die Mitglieder "Ohne Tarifbindung" aus ihrer Tarifzuständigkeit ausklammern. Es wird allerdings eingewendet, daß die Herausnahme einzelner Mitglieder aus der tarifvertraglichen Regelungszuständigkeit zu einer Umgehung des § 3 Abs. I TVG fUhrt. Nach Maßgabe dieser Vorschrift folge aus der Mitgliedschaft stets die Tarifgebundenheit. Dieser gesetzlichen Rechtsfolge dürfe nicht dadurch ausgewichen werden, daß sich der Verband hinsichtlich einzelner Mitglieder fUr tarifunzu. ständig erkläre. 121 Diesem Einwand liegt die Annahme zugrunde, daß die Differenzierung zwischen den Mitgliedskategorien nicht zulässig und an die Verbandszugehörigkeit immer die Tarifgebundenheit gekoppelt ist. Dies wurde jedoch bereits widerlegt. 122 Die verbandszugehörigen Arbeitgeber mit dem Mitgliedsstatus "Ohne Tarifbindung" sind keine Mitglieder im Sinne des § 3 Abs. I TVG, so daß die Begrenzung der persönlichen Tarifzuständigkeit nicht die gesetzliche Regelung über die Tarifgebundenheit unterläuft. Die freie Wahl der Tarifzuständigkeit wird allerdings begrenzt durch die Zweckbestimmung des Art. 9 Abs. 3 Satz I GG. Der Verfassungsgeber hat den Koalitionen die Gestaltung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen überantwortet und ihnen zur Erfüllung dieser Aufgabe die Tarifautonomie eingeräumt. Die Ausübung 118 BAG, AP Nr. 10 zu § 2 TVG - Tarifzuständigkeit, BI. 4 verso; Nr. 11 zu § 2 TVG Tarifzuständigkeit, BI. 3. 119 BAG, AP Nr. 10 zu § 2 TVG - Tarifzuständigkeit, BI. 4 verso. 120 Ostrop, S. 114. 121 Däubler, ZTR 1994, S. 448, 453; ders., NZA 1996, S. 225, 231. 122 § I I. 2., S. 22 f.
11. Begrenzung der Rechtsetzungsfähigkeit des Verbands
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der Tarifautonomie steht nicht im freien Ermessen der Koalitionen, sondern ist entsprechend der Zielsetzung des Art. 9 Abs. 3 Satz 1 GG funktionsgebunden zur sinnvollen Ordnung des Arbeitslebens einzusetzen. 123 Daher dürfen die Tarifverbände ihre Tarifzuständigkeit nicht in einer Weise begrenzen, die der genannten AufgabensteIlung zuwiderläuft. 124 Bedenken gegen die Einschränkung der persönlichen Tarifzuständigkeit ergeben sich aus der Zweckbindung der Tarifautonomie jedoch nicht. Gegenüber den tarifgebundenen Vollmitgliedern kann der Verband die Arbeitsbedingungen weiterhin vollständig regeln, so daß er seine Ordnungsaufgabe zu erfüllen vermagYs Es ist aber auch zu berücksichtigen, daß die Festlegung der Tarifzuständigkeit nicht nur eine innerverbandliehe Angelegenheit ist, sondern Außenwirkung entfaltet. Die Tarifzuständigkeit entscheidet über die Reichweite der tarifrechtlichen Regelungsbefugnis des Verbands 126 und bestimmt hierdurch das Verhältnis zur Gewerkschaft. Deren Interessen sind zu beachten und gegen die Satzungsautonomie des Verbands abzuwägen. Der Gewerkschaft steht aber gemäß § 2 Abs. 1 TVG der einzelne tariffreie Arbeitgeber als Tarifvertragspartner zur Verfügung, so daß sie die Belange ihrer Mitgliedsarbeitnehmer durch den Abschluß von Firmentarifverträgen uneingeschränkt wahrnehmen kann. Aus der Aufgabe der Verbände, die Arbeitsbedingungen zu gestalten, lassen sich daher keine Gründe ableiten, die der Begrenzung der persönlichen Tarifzuständigkeit entgegenstehen. Einem Arbeitgeberverband kann mithin die Berechtigung zu· erkannt werden, einzelne Mitglieder aus seiner Tarifzuständigkeit auszuklammern.
c) Tarifzuständigkeit und Arbeitskampf
Mit der Einrichtung der Mitgliedsgruppe "Ohne Tarifbindung" bezweckt der Arbeitgeberverband, durch eine innerverbandliehe Organisationsentscheidung den Wirkungsbereich des Flächentarifvertrags zu reduzieren. Einzelne Mitglieder sollen ohne Einflußnahme der Gewerkschaft von der Anwendung der tarifvertraglichen Normen befreit werden. Um dieses Ziel zu erreichen, nimmt der Verband die tarifunwilligen Arbeitgeber aus seiner Tarifzuständigkeit heraus und begibt sich ihnen gegenüber seiner tarifvertraglichen Rechtsetzungsbefugnis. Dieser Weg zur Loslösung der verbands angehörigen Arbeitgeber vom Tarifvertrag hat jedoch nur dann Aussicht auf Erfolg, wenn der Verband nicht durch einen Streik von seiten der Gewerkschaft zur Erweiterung seines Zuständigkeitsbereichs gezwungen werden kann.
123
§ I I. 3. c), S. 26.
K.-P. Martens, SAE 1987, S. 7,9 f.; Wiedemann, RdA 1975, S. 78, 81; ders.lStumpf, § 2 Rdnr. 33. 125 § I I. 3. c) aa), S. 27 ff. 124
126
LAG Rheinland-Pfalz, NZA 1995, S. 800, 802; Richardi, Kollektivgewalt, S. 161.
42
§ 1 Herausnahme der verbandsangehörigen Arbeitgeber
Es ist daher zu untersuchen, ob eine Veränderung der Tarifzuständigkeit mit den Mitteln des Arbeitskampfs durchgesetzt werden kann. Zachert 127 räumt der Gewerkschaft das Recht ein, ihre eigene Tarifzuständigkeit gegenüber dem Arbeitgeberverband mittels eines Streiks zur Geltung zu bringen, wenn dieser einen abweichenden Zuständigkeitsbereich gewählt hat. Er geht davon aus, daß die Gewerkschaft mit der Bestimmung ihres Tätigkeitsfelds gleichzeitig die Tarifzuständigkeit ihres tarifvertraglichen Gegenspielers festlegt. Für Zachert ist die Entschließung des Arbeitgeberverbands über dessen eigene Tarifzuständigkeit in der tarif- und arbeitskampfrechtlichen Beziehung zur Gewerkschaft bedeutungslos. Maßgeblich sei es allein, ob die Gewerkschaft bei der Erhebung ihrer Streikforderung die eigene Tarifzuständigkeit in Abgrenzung zu anderen Gewerkschaften beachtet. 128 Diese Ansicht Zacherts gründet sich auf die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts 129 zum Schiedsverfahren des "Deutschen Gewerkschaftsbunds" (DGB), das bei Streitigkeiten unter den Einzelgewerkschaften über ihre jeweiligen tarifvertraglichen Tätigkeitsbereiche anzuwenden ist. Der Schiedsspruch entscheidet über die Zuständigkeitsverteilung zwischen den im DGB zusammengeschlossenen GewerkschaftenYo Nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts l3l wird durch den Schiedsspruch die Tarifzuständigkeit der DGB-Gewerkschaften auch für den tarifvertraglichen Gegenspieler bindend festgestellt. Aus dieser Rechtsprechung schließt Zachert 132 , der Schiedsspruch entfalte Außenwirkung gegenüber dem Arbeitgeberverband und lege folglich die Tarifzuständigkeit beider Tarifvertragsparteien verbindlich fest. Der Gewerkschaftsseite sei demzufolge die Entscheidung des Arbeitgeberverbands über dessen tarifvertraglichen Betätigungsbereich nicht vorgegeben. Daher könne sie ihre abweichende Tarifzuständigkeit gegenüber der Arbeitgeberkoalition im Wege des Streiks verwirklichen. Diese Schlußfolgerung ist jedoch nicht gerechtfertigt. Der Schiedsspruch regelt innerhalb des DGB, welche Gewerkschaft für die im Arbeitgeberverband organisierten Unternehmen zuständig ist. 133 Seine externe Wirkung besteht nur darin, daß der Arbeitgeberverband die Aufnahme von Tarifverhandlungen nicht mehr mit dem Hinweis auf die fehlende Tarifzuständigkeit der Gewerkschaft ablehnen AuR 1982, S. 181, 183 f. Zachert, AuR 1982, S. 181, 185. 129 AP Nm. 3, 4, 5 und 10 zu § 2 TVG - Tarifzuständigkeit. 130 BAG, AP Nr. 3 zu § 2 TVG - Tarifzuständigkeit, BI. 4 verso; Nr. 10 zu § 2 TVG Tarifzuständigkeit, BI. 4 verso. 131 AP Nr. 3 zu § 2 TVG - Tarifzuständigkeit, 3. Leitsatz; Nr. 10 zu § 2 TVG - Tarifzuständigkeit, 1. Leitsatz und BI. 7. 132 AuR 1982, S. 181, 183 f. 133 BAG, AP Nr. 4 zu § 2 TVG - Tarifzuständigkeit, BI. 7; Nr. 5 zu § 2 TVG - Tarifzuständigkeit, BI. 2 verso. 127 128
11. Begrenzung der Rechtsetzungsfahigkeit des Verbands
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kann. 134 Die Tarifzuständigkeit der Arbeitgebervereinigung bleibt davon jedoch unberührt. Jede Tarifvertragspartei kann nur die eigene Tarifzuständigkeit bestimmen. 135 Zachert geht daher von einer unzutreffenden Prämisse aus. Im Gegensatz zu Zachert hält der überwiegende Teil der Lehre 136 die Wahl des Zuständigkeitsbereichs für streikresistent. Zur Begründung wird teilweise 137 darauf hingewiesen, daß ein Streik nur zur Durchsetzung eines tarifvertraglieh regelbaren Ziels eingesetzt werden dürfe. Die Einhaltung der Tarifzuständigkeit der Verbände sei hingegen eine äußere Rechtmäßigkeitsvoraussetzung für den Tarifvertrag. Die Veränderung der Tarifzuständigkeit könne daher nicht zum Inhalt eines Tarifvertrags gemacht werden und sei folglich nicht erstreikbar. Dieses Argument greift allerdings zu kurz. Es ist zwar richtig, daß die Tarifzuständigkeit des Verbands nicht durch den Tarifvertrag selbst festgelegt werden kann; in den schuldrechtlichen Teil des Tarifvertrags könnte aber die Verpflichtung des Verbands zur Erweiterung seines Zuständigkeitsbereichs aufgenommen werden und wäre als Bestandteil des Tarifvertrags dem Arbeitskampf gegenüber offen. 138 Der Zu lässigkeit eines Streiks zur Veränderung der Tarifzuständigkeit stehen jedoch die individuelle Koalitionsfreiheit der Mitgliedsarbeitgeber und die Organisationsfreiheit des Verbands entgegen. Die Beeinflussung der Tarifzuständigkeit des Arbeitgeberverbands durch die Gewerkschaft hätte Rückwirkungen auf dessen Mitgliederstruktur. 139 Die Gewerkschaft könnte durch den Streik mitbestimmen, welche Mitgliedsunternehmen der Arbeitgeberverband tarifvertraglieh vertreten kann. Einzelne Arbeitgeber könnten ohne ihren Willen vom Verbandstarifgeschehen ausgeschlossen und zum Verbandswechsel gezwungen werden, was mit Art. 9 Abs. 3 Satz 1 GG nicht vereinbar wäre. Des weiteren würde die grundrechtlieh geschützte Entscheidungsfreiheit des Verbands über seinen Zuständigkeitsbereich obsolet, wenn die Tarifzuständigkeit der Fremdbestimmung durch den Arbeitskampf zugänglich wäre. 140 Daher darf die Tarifzuständigkeit nicht zum Gegenstand eines Arbeitskampfs gemacht werden.
BAG, AP Nr. 3 zu § 2 TVG - Tarifzuständigkeit, BI. 4 verso. BAG, AP Nr. 11 zu § 2 TVG - Tarifzuständigkeit, BI. 5. 136 Kutscher, S. 116; Löwisch/Rieble, TVG, § 2 Rdnr. 94; K.-P. Martens, SAE 1987, S. 7, 9; Ostrop, S. 127 f.; Wiedemann, RdA 1975, S. 78, 81; ders./Stumpf, § 2 Rdnr. 32. 137 Kutscher, S. 116. 138 Seiter, Streikrecht, S. 488 ff. 139 K.-P. Martens, SAE 1987, S. 7, 9. 140 Löwisch/Rieble, TVG, § 2 Rdnr. 94; Ostrop, S. 127; Wiedemann, RdA 1975, S. 78, 81; ders./Stumpf, § 2 Rdnr. 32. 134 135
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§ 1 Herausnahme der verbandsangehörigen Arbeitgeber
d) Tarifzuständigkeit und Tariffähigkeit
Zu klären bleibt die eingangs aufgeworfene Frage nach dem Verhältnis der Tarifzuständigkeit zur Tariffcihigkeit. Das Bundesarbeitsgericht sieht in der Tarifzuständigkeit eine selbständige tarifvertragliehe Wirksamkeitsvoraussetzung, die neben die Tariffahigkeit tritt. Es hat zwar betont, daß die Ausgestaltung der Tarifzuständigkeit in einem weiteren Sinne die Tariffahigkeit betreffe, da es jeweils darum gehe, ob ein Verband einen bestimmten Tarifvertrag schließen könne,141 dennoch hat es die Tarifzuständigkeit regelmäßig von der Tariffcihigkeit getrennt. 142 Die meisten Autoren 143 gehen wie die Rechtsprechung von der Eigenständigkeit der Tarifzuständigkeit aus. Sie stützen ihre Ansicht vor allem auf § 2a Abs. 1 Nr. 4, § 97 ArbGG. Die Vorschriften bestimmen, daß die Tariffahigkeit und die Tarifzuständigkeit einer Vereinigung im arbeitsgerichtlichen Beschlußverfahren überprüft werden können. Die Möglichkeit, die Tarifzuständigkeit gerichtlich feststellen zu lassen, wurde im Anschluß an die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts durch die Neufassung des Arbeitsgerichtsgesetzes im Jahr 1979 144 in das Gesetz eingefügt. Aus der Aufnahme der Tarifzuständigkeit und deren gleichberechtigter Erwähnung neben der Tariffcihigkeit wird nun gefolgert, der Gesetzgeber habe die von der Rechtsprechung angenommene Verselbständigung der Tarifzuständigkeit bestätigt. 145 Dieser Deutung steht aber die Entstehungsgeschichte des Gesetzes entgegen. Der Gesetzgeber wollte die Tarifzuständigkeit lediglich übernehmen, wie sie von der Rechtsprechung zum Zeitpunkt des Gesetzgebungsverfahrens geformt worden ist, ohne eine eigene Regelung zu treffen. 146 Das Bundesarbeitsgericht 147 hatte bereits vor der Neufassung des Arbeitsgerichtsgesetzes entschieden, daß die Tarifzuständigkeit der gerichtlichen Kontrolle im Wege des Beschlußverfahrens unterzogen werden kann. Der Gesetzgeber hat diese vorgefundene Rechtslage lediglich übernommen und kodifiziert, ohne sie selbst zu gestalten. Er hat die Tarifzuständigkeit nur zur besseren Übersichtlichkeit und zur Klarstellung eingefügt. 148 Aus der parallelen Nennung der Tarifzuständigkeit neben der Tariffcihigkeit kann somit nicht auf die Eigenständigkeit der Tarifzuständigkeit geschlossen werden. 141 BAG, AP Nr. 3 zu § 2 TVG - Tarifzuständigkeit, BI. 3. 142 BAG, AP Nr. 1 zu § 2 TVG - Tarifzuständigkeit, BI. 2; Nr. 7 zu § 2 TVG - Tarifzuständigkeit, BI. 3 verso; Nr. 8 zu § 2 TVG - Tarifzuständigkeit, BI. 2 verso. 143 Gumpert, BB 1959, S. 488; Kempen/Zachert, § 2 Rdnr. 111; A. Hueck 1Nipperdey, 11./ 1., § 20 VIII. 2., S. 446; Kutscher, S. 100; Nikisch, 11., § 70 I. 4., S. 240; Reuter, RdA 1996, S. 201, 203; Wiedemann, RdA 1975, S. 78, 80; ders./Stumpf, § 2 Rdnr. 28; Zöllnerl Loritz, § 34 VI., S. 345. 144 Gesetz vom 21. Mai 1979, BGB1. I, S. 545, 546, 556. 145 Buchner, ZfA 1995, S. 95, 98; Zöllner 1Loritz, § 34 VI., S. 345. 146 Grunsky, § 2a Rdnr. 35; van Venrooy, ZfA 1983, S. 49, 72. 147 AP Nr. 1 zu § 2 TVG - Tarifzuständigkeit, BI. 2 f.; Nr. 2 zu § 2 TVG - Tarifzuständigkeit, BI. 1 verso; Nr. 3 zu § 2 TVG - Tarifzuständigkeit, BI. 3. 148 BT-Drucks. 8/1567, S. 27.
H. Begrenzung der Rechtsetzungsfähigkeit des Verbands
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Es ist überdies auch wenig sinnvoll, die Tarifzuständigkeit zu verselbständigen und von der Tariffähigkeit zu trennen. Bezugspunkt für beide ist der in der Satzung niedergelegte Wille des Verbands zur Teilnahme am Tarifgeschehen, so daß sie als Einheit anzusehen sind. 149 Gegenüber dieser Kritik wird allerdings eingewendet, für die Tarifzuständigkeit gelte ein anderer Maßstab als für die Tariffähigkeit, was eine gesonderte Prüfung notwendig mache. Die Tariffähigkeit erfordere die Entscheidung zur Teilnahme am Tarifgeschehen, die im freien Ermessen des Verbands liege. Demgegenüber habe der Verband bei der Festlegung seines tarifrechtlichen Zuständigkeitsbereichs Grenzen zu beachten, die sich aus dem Koalitionsauftrag zur sinnvollen Ordnung des Arbeitslebens ergeben. 150 Dennoch kann die Tarifzuständigkeit nicht als selbständig angesehen und der Tariffähigkeit gegenübergestellt werden. Die Tariffähigkeit ist die Berechtigung eines Verbands zur Normsetzung durch Tarifvertrag. Die Reichweite der Tariffähigkeit bestimmt sich nach der Tarifzuständigkeit. Einem Verband kann nicht jenseits seines Zuständigkeitsbereichs die Tariffähigkeit und damit die Rechtsetzungsmacht zuerkannt werden, wenn er dort mangels Tarifzuständigkeit keine Tarifnormen schaffen kann. Die Befugnis zur Rechtsetzung kann nicht von ihren Grenzen getrennt werden. Die Tarifzuständigkeit beschränkt die Tariffähigkeit und ist folglich als deren Bestandteil anzusehen. 1S1 Ein Verband besitzt daher nur innerhalb seines satzungsmäßigen Geschäftsfelds die Tariffähigkeit.
e) Ergebnis
Die Koalitionsmittelfreiheit verleiht dem Arbeitgeberverband die Berechtigung, seinen tarifvertraglichen Zuständigkeitsbereich satzungsautonom festzulegen. Durch die Begrenzung seiner Tarifzuständigkeit beschränkt der Verband seine tarifvertragliche Normgebungsmacht und folglich seine Tariffähigkeit. Die Mitglieder "Ohne Tarifbindung" unterliegen nicht der persönlichen Tarifzuständigkeit des Verbands und werden von dessen tarifvertraglicher Rechtsetzungsgewalt nicht erfaßt. Die Entscheidung des Verbands über seinen Zuständigkeitsbereich kann nicht von außen überwunden werden. Es können weder die mit der Tarifzuständigkeit gezogenen personellen Grenzen des Tarifvertrags durch die Erklärung der Allgemeinverbindlichkeit aufgehoben noch kann eine Veränderung des in der Satzung niedergelegten tarifvertraglichen Betätigungsfelds im Wege des Arbeitskampfs erzwungen werden.
149 Link, Diss., S. 56; Richardi, gern. Anm. zu BAG, AP Nrn. 2 und 3 TVG - Tarifzuständigkeit, BI. 5 f. 150 Kutscher, S. 100; Wiedemann, RdA 1975, S. 78, 80; ders./ Stumpf, § 2 Rdnr. 28. 151 De1heid, S. 33 f.
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§ 1 Herausnahme der verbandsangehörigen Arbeitgeber
3. Ergebnis zu 11. Art. 9 Abs. 3 Satz 1 GG gewährt dem Arbeitgeberverband die freie Wahl der Koalitionsmittel. Der Verband ist nicht verpflichtet, den Tarifvertrag einzusetzen. Vielmehr entscheidet er autonom, ob er sich an der Gestaltung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen durch Tarifvertrag beteiligt. Diese Entscheidungsfreiheit besitzt er auch in der Frage nach dem Umfang seiner Teilnahme am Tarifgeschehen. Er kann einen Teil seiner Mitglieder aus dem tarifpolitischen Handlungsbereich herausnehmen. Mit der Einrichtung der Mitgliedschaft "Ohne Tarifbindung" hat er dies getan. Er legt seine Regelungsbefugnis mit Wirkung für die verbandsangehörigen Arbeitgeber in der Mitgliedskategorie "Ohne Tarifbindung" ab.
4. Zahlenmäßige Begrenzung der Mitglieder "Ohne Tarifbindung" innerhalb des Verbands Nach Auffassung von Teilen der Literatur 152 darf der Verband allerdings keine größere Zahl von Mitgliedern "Ohne Tarifbindung" aufnehmen, als er Vollmitglieder hat. Halte er sich nicht an diese Vorgabe, sei zu vermuten, daß er sich von dem Ziel der Regelung der Arbeits- und Wirtschafts bedingungen durch Tarifvertrag abgewandt habe. Er sei nicht mehr tarifwillig, was den Verlust der Tariffähigkeit zur Folge habe. Dieser Ansicht ist nicht zu folgen. Es trifft zu, daß die Tarifwilligkeit eines Verbands nur dann zu bejahen ist, wenn der Abschluß von Tarifverträgen ernsthaft gewollt ist. 153 Es genügt nicht, daß die Beteiligung am Tarifgeschehen als Verbandszweck in der Satzung erwähnt wird. Allerdings braucht sich der Verband nicht auf die tarifpolitische Interessenvertretung zu beschränken. Er kann daneben weitere Ziele verfolgen. 154 Für die Annahme seiner Tarifwilligkeit ist allein von Bedeutung, daß die Bereitschaft zur Teilnahme am Tarifvertragswesen tatsächlich vorhanden ist. An dieser Bereitschaft besteht bei einem Verband, der die Mitgliedschaft "Ohne Tarifbindung" anbietet, kein Zweifel, solange er die Belange der Vollmitglieder durch den Abschluß von Verbandstarifverträgen wahrnimmt. 155 Das Vorhandensein und die Anzahl der Mitglieder "Ohne Tarifbindung" erlauben folglich keine Rückschlüsse auf die Tarifwilligkeit der Arbeitgebervereinigung.
152 Besgen, S. 116; Däubler, NZA 1996, S. 225,231; Gamillscheg, I., § 14 I. 6. a) (3), S. 529; S.-1. Duo, NZA 1996, S. 624, 627. 153 BAG, AP Nr. 24 zu Art. 9 GG, BI. 6 verso f.; Nr. 32 zu § 2 TVG, BI. 2 verso. 154 A. Hueck I Nipperdey, 11./1., § 20111. A. 10., S. 433; Kempen/Zachert, § 2 Rdnr. 78; Wiedemann I Stumpf, § 2 Rdnr. 130. ISS Buchner, NZA 1994, S. 2, 7.
III. Gesamtergebnis zu § 1
47
III. Gesamtergebnis zu § 1 Die Nonnen des vom Verband geschlossenen Tarifvertrags kommen gegenüber den Mitgliedsarbeitgebern "Ohne Tarifbindting" nicht zum Tragen. Gegenüber diesen Arbeitgebern entfallen zwei Anwendungsvoraussetzungen für den Tarifvertrag. Zum einen sind sie keine Mitglieder im Sinne des § 3 Abs. 1 TVG und daher nicht tarifgebunden. Zum anderen hat der Verband sie aus seiner tarifvertraglichen NonngebungsgewaIt ausgeklammert.
§ 2 Anforderungen an den inneren Aufbau der Arbeitgeberverbände: Ausschluß der Mitglieder "Ohne Tarifbindung" von der Tarifpolitik Die verbandsangehörigen Arbeitgeber "Ohne Tarifbindung" unterliegen nicht den vom Verband geschlossenen Tarifverträgen. Sie werden folglich von der Tarifpolitik des Verbands nicht erfaßt. Aus diesem Grund wird es ihnen verwehrt, sich an der Entscheidungsfindung des Verbands in tarifpolitischen Fragen zu beteiligen. Ihre Mitwirkungsrechte werden in der Satzung begrenzt. 1 Der Ausschluß von der Tarifpolitik wird mit der Verpflichtung der Arbeitgeberverbände auf das Demokratiegebot begründet. 2 Im folgenden ist zu untersuchen, ob die Arbeitgebervereinigungen an das Demokratiegebot gebunden sind und welche Konsequenzen hieraus für die Mitglieder "Ohne Tarifbindung" zu ziehen sind.
I. Demokratieprinzip und zivilrechtliches Vereinsrecht Die Geltung des Demokratiegebots könnte sich bereits aus dem bürgerlichrechtlichen Vereinsrecht ergeben, dem die Arbeitgeberverbände als rechtsfähige Vereine unterworfen sind. 3 Ein Verein muß als notwendige Organe eine Mitgliederversammlung und gemäß § 26 Abs. I Satz I BGB einen Vorstand einrichten,4 der nach § 27 Abs. 1 BGB von der Mitgliederversammlung bestellt wird. Die Angelegenheiten des Vereins werden, sofern sie nicht durch den Vorstand oder ein anderes Organ zu besorgen sind, gemäß § 32 Abs. 1 Satz 1 BGB von der Mitgliederversammlung geordnet. Die Beschlüsse der Mitgliederversammlung werden gemäß § 32 Abs. 1 Satz 3 BGB mit der Mehrheit der erschienenen Mitglieder gefaßt. Bei der Regelung der Vereinsangelegenheiten durch die Mitgliederversammlung wird
I § 5 Ziff. 2 f., § 7 Ziff. 4, § 9 Ziff. 1 Satz 5 der Satzung des Verbands der holz- und kunststoffverarbeitenden Industrie Rheinland-Pfalz e.V.; § 3 Ziff. 4 Iit. b Satz 5, § 5 Ziff. 2 Satz 2 der Satzung des Verbands der Nord-Westdeutschen Textilindustrie e.V. 2 Besgen, S. 117; Buchner, NZA 1994, S. 2,6; Löwisch, ZfA 1974, S. 29,40; S.-1. Otto, NZA 1996, S. 624, 627; Röck\, DB 1993, S. 2382. 3 § 1 I. I., S. 20. 4 Reuter, in: Münchener Kommentar BGB, § 32 Rdnr. I, § 26 Rdnr. I; Reichert I Dannekker, Rdnrn. 723, 726.
11. Die Notwendigkeit eines demokratischen Aufbaus der Tarifverbände
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die Entscheidungsfindung des Vereins unmittelbar an den Willen der Vereinsangehörigen gebunden. Wenn diese Aufgabe vom Vorstand wahrgenommen wird, üben die Mitglieder durch die Vorstandswahlen einen mittelbaren Einfluß auf die Regelung der vereinsrechtlichen Belange aus. Nach dieser Grundkonzeption wird der Verein von der Willensbildung seiner Mitglieder getragen. 5 Allerdings sind § 27 Abs. 1 und § 32 BGB gemäß § 40 BGB satzungsdispositiv. In der Satzung kann bestimmt werden, daß die Zuständigkeiten der Mitgliederversammlung auf den Vorstand übertragen werden und der Vorstand nicht durch die Mitgliederversammlung zu bestellen ist. 6 Der Verein darf aufgrund seiner Satzungsautonomie nach § 25 BGB die interne Organisation weitgehend frei gestalten. 7 In der Literatur wird allerdings teilweise 8 die Meinung vertreten, daß der Mitgliederversammlung ein Mindestmaß an Regelungskompetenz zugebilligt werden muß. Die Vertreter dieser Ansicht lassen es jedoch ausreichen, wenn der Mitgliederversammlung das Recht eingeräumt wird, die Befugnis zur Satzungsänderung an sich zu ziehen. Eine zwingende Regelung der Vereinsangelegenheiten durch die Mitgliederversammlung verlangen hingegen auch diese Autoren nicht. Es kann daher festgehalten werden, daß das zivilrechtliche Vereinsrecht die Verbände nicht auf eine Willensbildung nach demokratischen Grundsätzen verpflichtet. 9
11. Rechtliche Begründungen für die Notwendigkeit eines demokratischen Aufbaus der Tarifverbände Innerhalb des Schrifttums wird die Frage kontrovers diskutiert, ob sich die tarifpolitischen Organisationen dennoch eine demokratische Binnenstruktur geben müssen. Teils lO wird dies verneint, teils ll wird angenommen, nur die Gewerkschaften, nicht jedoch die Arbeitgebervereinigungen müßten demokratischen Anforderungen genügen, überwiegend l2 wird das Demokratiegebot jedoch auf beide Seiten bezogen. OLG Celle, Nds.Rpfl. 1995, S. 48. Hadding. in: SoergeI, § 32 Rdnrn. 4 f.; Popp, JöR 26 (1977), S. 145, 156; Teubner, S. 26. 7 OLG Köln, NJW 1992, S. 1048. B Reichert/Dannecker, Rdnr. 746; Reuter, in: Münchener Kommentar BGB, § 33 Rdnr. 8. 9 OLG Celle, Nds.Rpfl. 1995, S. 48; Popp, Aufgaben, S. 170, 182; ders., JöR 26 (1977), S. 145, 156; Teubner, S. 27. 10 Richardi, Kollektivgewalt, S. 164, Fn. 87; HerscheI, in: Verhandlungen des 46. DJT, Bd. 11, D 7, D 18; Löwer, in: von Münch/Kunig, Art. 9 Rdnr. 71; Wiedemann/Stumpf, § 2 Rdnr.162. 11 Kempen / Zachert, Grundlagen Rdnrn. 58, 64 f., 76, 78 f., § 2 Rdnr. 89; Föhr, NJW 1975, S. 617, 620. 5
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§ 2 Anforderungen an den inneren Aufbau der Arbeitgeberverbände
1. Koalitionsfreiheit und Selbstbestimmungsrecht Einige Stimmen in der Literatur I3 leiten die Geltung des Demokratieprinzips gegenüber den Tarifverbänden aus dem Selbstbestimmungsrecht des einzelnen Mitglieds ab. Mit diesem Erklärungsansatz begründen sie jedoch nur die Verpflichtung der Gewerkschaften auf das Gebot innerverbandlicher Demokratie. Sie sehen die Aufgabe der Koalitionsfreiheit in der Verwirklichung des Selbstbestimmungsrechts des Arbeitnehmers. Diese personale Ausrichtung ergebe sich daraus, daß der Arbeitnehmer im Arbeitsprozeß und beim Streik seine gesamte Person einbringen müsse. Sein Recht auf Selbstbestimmung werde durch die Gewerkschaft realisiert. Zur Umsetzung seines Selbstbestimmungsrechts innerhalb der Gewerkschaft müsse er gleichberechtigt mit den anderen Mitgliedern am internen Willensbildungsprozeß teilnehmen können. Das Selbstbestimmungsrecht des Arbeitnehmers erfordere folglich eine demokratische Binnenstruktur der Gewerkschaft. Für den Arbeitgeber und dessen Verband gelte nicht das gleiche. Die Position des Arbeitgebers im Arbeitsverhältnis beruhe auf seiner Verfügungsbefugnis über die Arbeitsplätze und seinem Direktionsrecht. Es fehle der Bezug zur Persönlichkeit. Der Arbeitgeberverband diene wirtschaftlichen Interessen und lasse sich nicht auf das Selbstbestimmungsprinzip zurückfUhren. Mit dem Selbstbestimmungsrecht des einzelnen sei deswegen die Verpflichtung des Arbeitgeberverbands auf das Demokratieprinzip nicht zu begründen.
2. Koalitionsfreiheit und Teilnahmerecht Das Bundesverfassungsgericht l4 hat in zwei Entscheidungen festgestellt, daß das Individualgrundrecht des Art. 9 Abs. 3 Satz I GG dem einzelnen das Recht auf Teilnahme an der Tätigkeit seiner Koalition gewährt. In bei den Fällen hatte sich das Gericht mit dem Umfang der koalitionsrechtlichen Betätigungsfreiheit auseinanderzusetzen. Im ersten Verfahren 15 ging es um die Zulässigkeit der gewerkschaftlichen Werbung vor Personalratswahlen in der Dienststelle. Gegenstand des zweiten Prozesses 16 war die von der Gewerkschaft betriebene Mitgliederwerbung. Nach Ansicht des Gerichts darf sich das einzelne Mitglied hieran beteiligen und genießt den Schutz des Art. 9 Abs. 3 Satz 1 GG. Ein Anspruch auf Mitbestimmung innerhalb des Verbands läßt sich dieser Rechtsprechung jedoch nicht entnehmen. 17 12 Biedenkopf, Tarifautonomie, S. 49, 52; A. Hueck 1Nipperdey, 11.1 1., § 611. 6., S. 101 f.; Löwisch, ZfA 1970, S. 295, 306; ders., in: Münchener Handbuch Arbeitsrecht, § 248 Rdnr. 3; ders./Rieble, TVG, § 2 Rdnr. 19; Nipperdey/Säcker, in: AR-Blattei D, Berufsverbände I, unter C. I. 3.; U. Schmidt, S. 51 ff., 159; Zöllner 1 Loritz, § 8 III. 8., S. 104. 13 Däubler/Hege, Rdnrn. 132 f.; Kempen/Zachert, Grundlagen Rdnrn. 58, 64 f., 76, 78 f., § 2 Rdnr. 89. 14 BVerfGE 19, S. 303,312; 28, S. 295, 304. 1~ BVerfGE 19, S. 303, 312. 16 BVerfGE 28, S. 295, 304.
11. Die Notwendigkeit eines demokratischen Aufbaus der Tarifverbände
51
Demgegenüber leitet ein Teil der Literatur 18 aus der individuellen Koalitionsfreiheit ein Recht der Verbandsangehörigen auf Teilnahme an der Willensbildung des Verbands ab. Diese Teilnahmeberechtigung solle aber nur im Rahmen der geltenden Verbandssatzung bestehen. Die Verpflichtung, Elemente einer demokratischen Willensbildung in die Satzung aufzunehmen, kann hingegen auch aus dieser Interpretation des Art. 9 Abs. 3 Satz 1 GG nicht abgeleitet werden. Mit dem dargelegten Individualanspruch aus der Koalitionsfreiheit läßt sich das Erfordernis einer demokratischen Verbandsorganisation nicht erklären.
3. ÖffentIichkeitscharakter der Koalitionen und fehlende Staatsaufsicht Vielfach 19 wird aus dem Öffentlichkeitsbezug der Koalitionen auf die Notwendigkeit einer demokratischen Verbandsverfassung geschlossen. Der Öffentlichkeitsbezug wird darin gesehen, daß sich die Aufgaben der Koalitionen nicht auf die Regelung interner Angelegenheiten beschränken. Vielmehr übernähmen die Koalitionen darüber hinausgehende Funktionen, wodurch sie in den öffentlichen Bereich vorgedrungen seien. Durch Art. 9 Abs. 3 Satz 1 GG sei ihnen die gesamtgesellschaftliche Aufgabe der sinnvollen Ordnung des Arbeitslebens überantwortet worden, die sie durch den autonom herbeizuführenden Ausgleich ihrer gegensätzlichen Interessen im Wege des Tarifvertrags zu erfüllen hätten. Mit der Wahrnehmung dieser Funktion und der Mitwirkung an der staatlichen Wirtschafts-, Arbeitsund Sozialpolitik hätten sie einen öffentlichen Status und eine Bedeutung erhalten, die sie auf die Gebote demokratischer Willens- und Organisationsbildung verpflichteten. Durch die Anwendung dieser staatsrechtlichen Grundsätze werde die Bindung der Koalitionen, die keiner Staatsaufsicht unterliegen, an die verfassungsrechtliche Grundordnung sichergestellt. 2o Mit dem beschriebenen Öffentlichkeitscharakter wird eine Eigenschaft der Koalitionen wiedergegeben, die sie von den meisten anderen Vereinigungen unterscheidet. Außer den Koalitionen weisen jedoch auch die Presse, durch ihren Einfluß auf die öffentliche Meinung, und die Interessenverbände einen Bezug zur Öffentlichkeit auf, so daß an diese konsequenterweise die gleichen Anforderungen zu stellen wären. Dies ist aber wegen der Verschiedenartigkeit der genannten Institutionen und ihrer Funktionen nicht möglich. Allein aus dem Begriff des Öffentlichen las17
Schüren, Legitimation, S. 235.
18
W. Martens, S. 168; Wengier, S. 48.
19 Nicklisch, in: FS Schiedermeier, S. 459, 469 f.; Lerche, S. 29; Rüthers, Arbeitsrecht und politisches System, S. 106; Scheuner, in: Weber I Scheunerl Dietz, S. 27, 68. 20 Föhr, Willensbildung, S. 132; Lerche, S. 27 ff.; Scheuner, in: Weber I Scheuner I Dietz, S. 27, 68.
4"
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§ 2 Anforderungen an den inneren Aufbau der Arbeitgeberverbände
sen sich daher keine einheitlichen und für alle Bereiche geltenden Rechtspflichten ableiten. 21
4. Analogie zum Gebot innerparteilicher Demokratie Häufig wird die Bindung der Tarifverbände an das Demokratiegebot aus einer Analogie zu Art. 21 Abs. 1 Satz 3 GG, der Verpflichtung politischer Parteien auf demokratische Grundsätze, abgeleitet.
a) Verbandsmacht Die weiteste Ausdehnung seines Anwendungsbereichs erfahrt Art. 21 Abs. 1 Satz 3 GG bei denjenigen, die den Analogieschluß an die Mächtigkeit einer Vereinigung knüpfen. Ramm 22 entnimmt der Vorschrift den allgemeinen Grundsatz, daß alle Gruppen, die politische oder soziale Macht tragen, zum Schutz der Gesamtordnung und des einzelnen vor Machtmißbrauch demokratisch organisiert sein müssen. Nach Ansicht von Kriele 23 läßt die Mächtigkeit eine Vereinigung über den Bereich gesellschaftlicher Interessenvertretung hinaus in die Nähe politischer Organisationen rücken, wodurch sie auf demokratische Prinzipien verpflichtet werde. Auf der Grundlage dieser Auslegung des Art. 21 Abs. 1 Satz 3 GG müßte eine Vielzahl von Organisationen dem Demokratiegebot unterliegen. Die Ausübung von Macht ist jedoch nicht generell an eine demokratische Legitimation gebunden. So konzentrieren sowohl die Presse mit der Wahrnehmung ihrer meinungsbildenden Funktion und die Wirtschaftsunternehmen aufgrund ihrer mit der EigentümersteIlung verbundenen Bestimmungsbefugnis über die Produktion und die Verwertung der Produktionsergebnisse als auch die Religionsgemeinschaften gesellschaftliche Macht, ohne sich auf eine demokratische Rechtfertigung berufen zu können. 24 Darüber hinaus verliert die Grundgesetznorm durch die weite Auslegung ihre Sonderstellung im Parteienrecht. Die Parteien haben gemäß Art. 21 Abs. 1 Satz 1 GG die Funktion, bei der politischen - also der staatsgerichteten - Willensbildung mitzuwirken. Art. 21 Abs. 1 Satz 3 GG bestimmt, daß sich an der politischen Willensbildung keine undemokratisch aufgebauten Parteien beteiligen dürfen. Dieser staatliche Bezug steht der ausnahmslosen Erweiterung der Vorschrift auf jeden Machtträger entgegen. 25 21 22 23
24 2S
Popp, Aufgaben, S. 45; ders., JöR 26 (1977), S. 145, 149 f.; Teubner, S. 248. Willensbildung, S. 119; ders., Kampfmaßnahme, S. 46. VVDStRL 29 (1971), S. 46, 77. Popp, Aufgaben, S. 51; Schüren, Legitimation, S. 238. Gitter, JZ 1965, S. 197, 198; ScheIter, S. 45.
II. Die Notwendigkeit eines demokratischen Aufbaus der Tarifverbände
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b) Politische Betätigung Einige Autoren 26 erstrecken das Demokratiegebot des Art. 21 Abs. 1 Satz 3 GG auf alle politisch tätigen Vereinigungen, zu denen sich neben den Parteien auch die Tarifverbände zählen lassen. Nach Ridde~7 handelt es sich bei Art. 21 GG um die Grundnorm der institutionalisierten öffentlichen Meinungsfreiheit. Die Grundgesetzvorschrift gewährleiste allen Gruppierungen des politischen Prozesses die Teilnahme an der öffentlichen Meinungs- und Willensbildung und verpflichte sie gleichzeitig auf die in Art. 21 GG niedergelegten Grundsätze, um die freiheitlich-demokratische Entscheidungsbeeinflussung der Staatsgewalt durch das Volk zu sichern?8 Piepenstock 29 stellt eine inhaltliche Verbindung zwischen Art. 21 Abs. 1 Satz 3 GG und Art. 9 GG her. Er verweist darauf, daß die politischen Parteien dem gesellschaftlichen Bereich angehörten und deswegen nicht nur Art. 21 GG, sondern, wie andere private Vereinigungen auch, dem Art. 9 Abs. 1 GG zuzuordnen seien. Aufgrund dieser Übereinstimmung sei es konsequent, das in Art. 21 Abs. I Satz 3 GG angeordnete Strukturprinzip auf alle Verbände im Sinne des Art. 9 GG zu erstrekken, die am politischen Prozeß beteiligt seien. Bedenken gegen diesen Begründungsansatz ergeben sich aus der begrifflichen Unbestimmtheit der Gruppen des politischen Prozesses und der fehlenden Abgrenzbarkeit zu nichtpolitischen Vereinigungen. Es lassen sich keine hinreichend konturierten Maßstäbe für eine gerichtlich überprüfbare Einschränkung der grundrechtlich geschützten Organisationsautonomie 3o gewinnen. Vor allem aber können allein aufgrund der Teilnahme an der politischen Meinungsbildung keine einheitlichen Organisationsanforderungen formuliert werden. Im Vorfeld der staatlichen Entscheidungsfindl,mg betätigen sich außer den Parteien und den Koalitionen weitere Interessengruppen und insbesondere auch die Presse. Die Gleichsetzung aller dieser Vereinigungen und Einrichtungen ist aufgrund ihrer Vielgestaltigkeit und der unterschiedlichen Wege der Einflußnahme nicht gerechtfertigt. 31 Während den tarifflihigen Verbänden mit der Beteiligung an der Rechtsprechung und an der Verwaltung institutionalisierte Mitwirkungsrechte zustehen, kann die Presse demgegenüber nur meinungsbildend wirken. Mit den bisherigen Erklärungsansätzen läßt sich die Analogie daher nicht rechtfertigen.
26
27 28 29 30
31
Piepenstock, S. 50; Ridder, Meinungsfreiheit, S. 243, 256 f. Meinungsfreiheit, S. 243, 257. Ridder, Meinungsfreiheit, S. 243, 256 f. S. 50 f. § 1 I. 3. b), S. 26. Popp, Aufgaben, S. 88; ders., JöR 26 (1977), S. 145, 166.
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§ 2 Anforderungen an den inneren Aufbau der Arbeitgeberverbände
c) Staatsgerichtete Tätigkeit
Teilweise wird versucht, die analoge Anwendung des Art. 21 Abs. 1 Satz 3 GG mit funktionellen Ähnlichkeiten zwischen den politischen Parteien und den Tarifverbänden zu begründen. Föh?2 sieht die Parteien und Tarifverbände in ihrer Eigenschaft als Instanzen politischer Interessenartikulation und in ihrer Mitwirkung im staatlichen Bereich als vergleichbar an. Beide griffen gesellschaftliche Themen auf und faßten sie zu Forderungen gegenüber den staatlichen Entscheidungsträgern zusammen. Sie bestimmten über die Besetzung staatlicher Stellen mit und nähmen Einfluß auf diese. Während die Parteien diese Aufgabe durch die Kandidatenaufstellung für die staatlichen Wahlen und durch die Fraktionstätigkeit innerhalb der Parlamente ausübten, erstellten die Tarifverbände Vorschlagslisten für die Berufung der ehrenamtlichen Richter an die Arbeits- und Sozialgerichte und beteiligten sich über die Sozialwahlen an der mittelbaren Staatsverwaltung. Für POpp33 steht die Funktion der Parteien und Verbände als Mittler zwischen dem Bürger und dem Staat im Vordergrund. Die repräsentative Demokratie erfordere eine enge Verbindung der politischen Führungsschicht mit der Bevölkerung, die über den Wahlakt hinausgehen müsse. Die Aufgabe, die staatlichen Entscheidungsträger mit der Bevölkerung zu verbinden, obliege den Parteien und den sonstigen politisch agierenden Interessenverbänden. Die Erfüllung dieser Aufgabe verlange von den Verbänden den Autbau einer demokratischen Binnenstruktur, um den Mitgliedern die aktive Beteiligung am Willensbildungsprozeß zu ermöglichen. Nach Teubner34 sollen die Tarifverbände den politischen Parteien insoweit vergleichbar sein, als sie innerverbandliehe Interessen gegenüber staatlichen Stellen vertreten würden und der hierdurch ausgeübte Einfluß eine den Parteien vergleichbare Intensität erreiche. Diese Voraussetzungen seien bei der gesetzlich vorgesehenen Beteiligung an der Rechtsprechung und der Verwaltung erfüllt. 35 Die dargelegten Funktionsvergleiche beziehen sich auf die staatsgerichtete Tätigkeit der Parteien und Verbände. Die Verwirklichung des für den Staat geltenden Demokratieprinzips des Art. 20 Abs. 1 und 2 GG erfordert, daß die von dritter Seite vorgeformte und in ihn hineingetragene Willensbildung der Parteien und Verbände ebenfalls auf demokratische Grundsätze zurückführbar ist. 36 Insoweit ist die Analogie zu Art. 21 Abs. 1 Satz 3 GG gerechtfertigt. Sie ist aber darauf zu begrenzen. Für die unterschiedlichen Betätigungsfelder der Koalitionen muß die Geltung demokratischer Grundsätze jeweils eigenständig 32 33 34
3S 36
Willensbildung, S. 125 ff. Aufgaben, S. 92f.; ders., JöR 26 (1977), S. 145, 167f. S. 179 ff. SO auch ScheIter, S. 46. Föhr, Willensbildung, S. 126 f.; Ramm, Willensbildung, S. 116; Schelter, S. 46.
11. Die Notwendigkeit eines demokratischen Aufbaus der Tarifverbände
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begründet werden. Die Analogie läßt sich nicht allgemein auf alle Tatigkeitsbereiche der Verbände übertragen, sofern sich keine funktionellen Parallelen zu den Parteien aufzeigen lassen. 37 Dies gilt insbesondere für die tarifliche Normsetzungsbefugnis. Sie ist exklusiv den Tarifvertragsparteien vorbehalten. Die politischen Parteien erfüllen keine vergleichbare Aufgabe. Zwar treffen sie durch die Kandidatenaufstellung eine Vorauswahl für die Zusammensetzung der Parlamente und beeinflussen über die Fraktionen die staatliche Gesetzgebung,38 dennoch geht ihre Beteiligung an der Staatswillensbildung nicht über das Vorfeld hinaus; denn der Abgeordnete erhält seine legitimation allein aus dem Wahlgang und ist gemäß Art. 38 Abs. I Satz 2 GG dem Allgemeinwohl verpflichtet und nur seinem Gewissen unterworfen, nicht aber dem Votum seiner Partei. 39 Für die Rechtsetzungsbefugnis durch Tarifvertrag läßt sich das Demokratiegebot daher nicht aus einer Analogie zu Art. 21 Abs. 1 Satz 3 GG herleiten.
5. Demokratische Organisation als Voraussetzung für die Verwirklichung der tarifpolitischen Interessen der Mitglieder Nach einer weiteren in der Literatur vertretenen Ansicht40 erfordert die verbandsinterne Umsetzung der tarifpolitischen Interessen der Mitglieder, daß sich der Verband eine demokratische Verbandsorganisation gibt. Die Verbände übernehmen als Tarifvertragsparteien die Aufgabe, die Belange ihrer Mitglieder mit den Mitteln des Tarifvertrags zu verwirklichen. Sie müssen sich daher eine für die Erfüllung dieser Funktion adäquate Organisation geben. 41 Es wird nun angenommen, daß die Verbände der ihnen anvertrauten Aufgabe nicht nachkommen können, wenn sie keinen demokratischen Aufbau wählen. Aus dem Recht zur Gestaltung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen folge für sie die Pflicht, die für die Ausführung dieser Aufgabe notwendigen Strukturen zu schaffen. 42 Dieser Erklärungsansatz erweist sich als zutreffend, um die Bindung der Arbeitgeberverbände an demokratische Grundsätze zu begründen. Teubner, S. 179; Popp, Aufgaben, S. 46. Schüren, Legitimation, S. 243. 39 Ridder, Stellung, S. 21. 40 Löwisch, ZfA 1970, S. 295, 306; ders., in: Münchener Handbuch Arbeitsrecht, § 248 Rdnr. 3; Reichei, RdA 1972, S. 143, 151. Teilweise wird die demokratische Binnenstruktur als eine Voraussetzung für die Koalitionseigenschaft im Sinne des Art. 9 Abs. 3 Satz 1 GG angesehen (Popp, Aufgaben, S. 66 ff.; Zöllner I Loritz, § 8 III. 8., S. 104). Da die Tariffähigkeit die Koalitionseigenschaft einschließt und ein Verband daher die Anforderungen des Koalitionsbegriffs erfüllen muß, um tariffähig zu sein (Zöllner I Loritz, § 34 I. 1. und 2., S. 340 f.), können beide Begründungsansätze im Rahmen dieser Arbeit zusammengefaßt werden. 41 Popp, Aufgaben, S. 59 ff. 42 Popp, Aufgaben, S. 60. 37
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Die Arbeitgeber schließen sich zur gemeinschaftlichen Vertretung ihrer Interessen zu einem Verband zusammen. Der Verband dient folglich der Durchsetzung der Interessen seiner Mitglieder. Wenn er diese Aufgabe durch den Abschluß von Tarifverträgen verwirklicht, müssen die Mitglieder ihre Interessen in die tarifpolitische Entscheidungsfindung des Verbands einbringen können. Dies kann durch die Beteiligung der Mitglieder an der verbandsinternen Willensbildung erreicht werden. Die Verbände müßten den Prozeß der Entscheidungsfindung in tarifbezogenen Angelegenheiten nach demokratischen Grundsätzen aufbauen. Es ist aber zu bedenken, daß die Verbände Organisationsfreiheit genießen. 43 Sie sind berechtigt, ihre innere Ordnung frei zu gestalten: Daher können sie nur dann auf das Demokratieprinzip verpflichtet werden, wenn sich auf andere Weise nicht sicherstellen läßt, daß der Wille der Mitglieder innerhalb des Verbands berücksichtigt wird. Für die Verbände könnte sich die Notwendigkeit, die Belange ihrer Mitglieder zu beachten, bereits aus der Freiwilligkeit der Mitgliedschaft ergeben. Der einzelne kann frei über den Erwerb der Mitgliedschaft und sein Verbleiben im Verband entscheiden. Der Beitritt erfolgt freiwillig, und das Mitglied kann austreten, wenn es mit den Verbandsbeschlüssen nicht einverstanden ist. Die Zahl der Ein- und Austritte gibt Aufschluß über das Maß der Zufriedenheit der Mitglieder mit der Verbandspolitik. 44 Als eine "Abstimmung mit den Füßen" dient die Ein- und Austrittsfreiheit zur Kontrolle des Verbands. Der Verband muß sich um Zustimmung für seine Entscheidungen bemühen, um Mitglieder zu werben und zu halten. Auf diese Weise wird er faktisch an den Willen seiner Mitglieder gebunden. 45 Es könnte mithin davon abgesehen werden, den Verbänden eine demokratische Organisationsform verbindlich vorzuschreiben. Allerdings darf nicht außer acht gelassen werden, daß die Verbände durch die Vielzahl der von ihnen wahrgenommenen Funktionen neben der tarifpolitischen Vertretung weitere Anreize schaffen, die die Arbeitgeber zum Beitritt bewegen und vom Austritt abhalten. Daher werden viele Arbeitgeber ihre Verbände auch bei fehlender Akzeptanz der Tarifarbeit nicht verlassen, wodurch die Aussagefähigkeit der freiwilligen Verbandszugehörigkeit als eines Plebiszits zugunsten der Verbandstätigkeit in Tariffragen gemindert wird. 46 Vor allem aber kann die Freiwilligkeit der Mitgliedschaft die Aufgabe, die Entscheidungsträger des Verbands an den Mitgliederwillen zu binden, nur dann erfüllen, wenn der einzelne nicht auf die Leistungen eines bestimmten Verbands angewiesen ist. Er muß die reale Chance haben, seine Interessen auch außerhalb einer § 1 I. 3. b), S. 26. Wiedemann I Stumpf, Ein!. Rdnr. 72. 45 Reuter, in: Münchener Kommentar BGB, § 32 Rdnr. 11; Schüren, RdA 1988, S. 138, 141 f.; Teubner, S. 186. 46 Reuter, in: Münchener Kommentar BGB, Vor. § 21 Rdnr. 67; Teubner, S. 61. 43
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11. Die Notwendigkeit eines demokratischen Aufbaus der Tarifverbände
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konkreten Vereinigung zu verwirklichen. 47 Dies setzt voraus, daß das Mitglied entweder in einen anderen Verband wechseln kann, der vergleichbare Leistungen anbietet, oder in der Lage ist, seine Angelegenheiten außerhalb einer Organisation eigenständig zu regeln. 48 Sofern hierdurch eine wirksame ,,Marktkontrolle,,49 ausgeübt wird, ist es nicht erforderlich, einen Verein auf das Demokratiegebot zu verpflichten. Die Möglichkeit zum Übertritt in einen anderen Verband besteht für den Arbeitgeber allerdings nicht. Aufgrund der fachlichen und regionalen Aufteilung der Arbeitgeberorganisationen fehlt der für den Wechsel erforderliche Wettbewerb mehrerer Verbände,5o zwischen denen der Übertrittswillige frei auswählen könnte. Der Arbeitgeber könnte versuchen, selbst einen Konkurrenzverband zu gründen. Bei dem in der Bundesrepublik vorhandenen Organisatipnsgrad, der trotz der in der Einleitung erwähnten Austrittstendenzen noch sehr hoch ist,51 ist er darauf angewiesen, die benötigten Mitglieder aus den existierenden Vereinigungen abzuwerben. Der Arbeitgeber müßte die mit der Tätigkeit ihrer Verbände ebenfalls unzufriedenen Mitglieder zum Austritt und zur gemeinsamen Gründung eines neuen Verbands motivieren. Für den Arbeitgeber ist es jedoch nicht sicher, ob andere Verbandsangehörige in ausreichender Zahl bereit sein werden, auf die verschiedenen von ihren Verbänden übernommenen Funktionen zu verzichten, die der neue Verband zumindest in der Gründungsphase nicht wahrnehmen kann. Außerdem ist es fraglich, ob diejenigen Arbeitgeber, die sich in Tariffragen nicht angemessen durch ihre Verbände vertreten fühlen, in ihren tarifpolitischen Vorstellungen so weit übereinstimmen, daß sie willens sind, sich zusammenzuschließen und sich erneut der Regelungsmacht eines Verbands unterzuordnen. Es ist daher für den Arbeitgeber nicht vorhersehbar, ob ihm der Aufbau eines neuen Verbands gelingen wird. Dieser Weg erweist sich somit nicht als gleichwertige Alternative zur bestehenden Mitgliedschaft. Es bleibt zu prüfen, ob der Arbeitgeber seine Interessen eigenständig und ohne die Unterstützung eines Verbands effektiv vertreten kann. Er kann die Arbeitsbedingungen innerhalb seines Unternehmens auf betrieblicher und einzelvertraglicher Ebene gestalten. Darüber hinaus ist er gemäß § 2 Abs. 1 TVG tariffähig, so daß er seine tarifpolitischen Belange eigenständig wahrnehmen kann. Er erhält jedoch bei einem Arbeitskampf um einen Firmentarifvertrag keine Hilfe durch den Verband; er partizipiert weder am Arbeitskampffonds noch am Streikhilfeabkommen, in dem 47 Reuter, in: Münchener Kommentar BGB, § 32 Rdnr. 11; U. Schmidt, S. 28 f.; Schüren, Legitimation, S. 262; Teubner, S. 61 f., 262. 48 Schüren, Legitimation, S. 262. 49 Reuter, Anm. zu BAG, AP Nr. 4 zu § 2 TVG - Tarifzuständigkeit, BI. 9 verso. so Reuter, RdA 1996, S. 201, 206. SI Der Organisationsgrad der Arbeitgeber in Industrie, Banken und Versicherungen wird auf 80 % der Betriebe und 90 % der beschäftigten Arbeitnehmer geschätzt (Gamillscheg, 1., § 11 11., S. 473).
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sich die verbands gebundenen Arbeitgeber verpflichten, von den bestreikten Konkurrenzunternehmen keine Arbeitnehmer einzustellen, Kunden abzuwerben und keine Ansprüche wegen der arbeitskamptbedingten Nichterfüllung eingegangener Verpflichtungen geltend zu machen. 52 Außerdem ist er als Nichtmitglied von der staatsgerichteten Tätigkeit der Arbeitgeberverbände ausgeschlossen. Die Einreichung der Vorschlagslisten für die Berufung der ehrenamtlichen Richter an die Arbeits- und Sozialgerichte gemäß § 20 Abs. 1 Satz 2, § 37 Abs. 2, § 43 Abs. 1 Satz 2 ArbGG und § 14 Abs. 2, § 35 Abs. 1 Satz 2, § 46 Abs. 1 SGG sowie die Besetzung des Tarifausschusses zur Entscheidung über die Erklärung der Allgemeinverbindlichkeit nach § 5 Abs. 1 TVG sind den Verbänden vorbehalten. Der Arbeitgeber kann sich folglich nur unter Inkaufnahme erheblicher Nachteile gegen die Mitgliedschaft entscheiden. Der Austritt ist daher keine zumutbare Lösung. Allerdings ist anzumerken, daß die Arbeitgeber in steigender Zahl ihre Verbände verlassen, und zwar gerade aus Unzufriedenheit mit der Tarifpolitik. Darauf wurde in der Einleitung hingewiesen. Die Arbeitgeber nehmen also ihre Austrittsfreiheit wahr. Dies führt jedoch nicht zu einer anderen Bewertung. Maßgeblich ist nicht, ob es Austritte gibt, sondern ob die Arbeitgeber von Rechts wegen auf diesen Weg verwiesen werden dürfen. Diese letztere Frage ist zu verneinen. Die Rechtsordnung kann von dem einzelnen Arbeitgeber nicht verlangen, daß er auf die tarifvertragliche Vertretung durch seinen Verband, dessen Unterstützung beim Arbeitskampf und die sonstigen, exklusiv von den Verbänden angebotenen Leistungen verzichtet, um seinem fehlenden Einverständnis mit den Beschlüssen der Verbandsorgane Ausdruck zu geben. Die Beitritts- und Austrittsfreiheit ist folglich als Mittel zur Kontrolle der Vereinsgewalt ungeeignet. Wenn die Freiwilligkeit der Mitgliedschaft den Verband nicht an die Interessen seiner Mitglieder zu binden vermag, muß auf andere Mechanismen zurückgegriffen werden, um die Durchsetzung des Mitgliederwillens zu gewährleisten. Die Tätigkeit des Verbands und seine Beschlüsse könnten von den Gerichten auf ihre Vereinbarkeit mit den Mitgliederinteressen überwacht und kontrolliert werden. In den Fällen, in denen die Freiwilligkeit der Mitgliedschaft aufgrund bestehender Sachzwänge nicht gewahrt wird, nimmt die Rechtsprechung 53 eine inhaltliche Überprüfung der Satzung und der sonstigen Regelwerke der Verbände vor. Dieser Weg zur Überwachung und Disziplinierung der Verbandsgewalt läßt sich jedoch nicht auf die taritbezogenen Entscheidungen der Arbeitgeberverbände übertragen. Die gerichtliche Kontrolle der Tarifpolitik wäre eine staatliche Tarifzensur und mit der Tarifautonomie nicht vereinbar. 54 52
Brox/Rüthers, Rdnr. 483; H. Otto, in: Münchener Handbuch Arbeitsrecht, § 281 Rdnr.
53. BGHZ 105, S. 306, 318 f.; 128, S. 93,101. BVerfGE 84, S. 212, 231; BAG, AP Nr. 64 zu Art. 9 GG - Arbeitskampf, BI. 17; Löwisch, in: Münchener Handbuch Arbeitsrecht, § 246 Rdnr. 4. 53
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Wenn somit die externe Kontrolle fehlt, sind die Mitglieder auf die interne Mitwirkung an der Entscheidungsfindung des Verbands angewiesen. 55 Nur die Beteiligung der Mitglieder an der innerverbandlichen Willensbildung stellt sicher, daß der Verband ihren Willen in seine Beschlüsse aufnimmt. Daher müssen die Vereinigungen der Arbeitgeber ihren Mitgliedern Mitwirkungsrechte einräumen und die Willensbildung in Tariffragen nach demokratischen Grundsätzen organisieren.
6. Koalitionsfreiheit als individuelles Kommunikationsgrundrecht Die Verpflichtung der Koalitionen, den Mitgliedern die Mitbestimmung zu eröffnen, läßt sich auch dem Konzept von Scholz entnehmen. Scholz56 begreift die Koalitionsfreiheit als Kommunikationsgrundrecht. Kommunikation definiert er als Herstellung einer sinnhaften zwischenmenschlichen Beziehung, die in bezug auf Art. 9 Abs. 3 GG durch den Zusammenschluß zu einer Koalition erfolge. Die Koalitionsgründung und ihre Betätigung seien Ausdruck der interpersonalen Kommunikation. Sie sei auf eine am Koalitionszweck des Art. 9 Abs. 3 GG orientierte, aber inhaltlich offene Konsensbildung gerichtet. Als Bezugspunkt des Grundrechts erscheinen bei Scholz die einzelnen Individuen. Den Zusammenschluß der Individuen zu einem Verband deutet er als eine besondere Erscheinungsform ihrer kommunikativen Interaktion. Dementsprechend müsse sich der Verband eine Infrastruktur geben, die die interne Kommunikation sicherstelle und jedem Mitglied die gleiche und dauerhafte Teilnahme an der Willensbildung ermögliche. 57
7. Rechtsetzungsmacht und demokratische Legitimation Oftmals wird darüber hinaus die Rechtsetzungsbefugnis der Tarifparteien zum Anknüpfungspunkt für die Verpflichtung auf das Gebot innerverbandlicher Demokratie genommen. a) Meinungsstand
Zur Begründung wird teilweise 58 darauf verwiesen, daß die Tarifvertragsparteien ihre Normsetzungskompetenz vom Staat erhalten hätten. Dieser Erklärungsansatz beruht auf der Delegationstheorie, die von der Annahme ausgeht, daß die tarif55 Löwisch, in: Münchener Handbuch Arbeitsrecht, § 238 Rdnm. 33 f.; Reuter, in: Münchener Kommentar BGB, Vor. § 21 Rdnrn. 70, 117; ders., Anm. zu BAG, AP Nr. 4 zu § 2 TVG - Tarifzuständigkeit, BI. 9 verso, 10; U. Schmidt, S. 28 f.; Teubner, S. 62. 56 Koalitionsfreiheit, S. 283 Cf. 57 Scholz, Koalitionsfreiheit, S. 374 f. 58 Michlik, S. 217 f.; Popp, Aufgaben, S. 52; Ramm, Willensbildung, S. 118.
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§ 2 Anforderungen an den inneren Aufbau der Arbeitgeberverbände
liche Regelungszuständigkeit staatlicherseits verliehen worden sei. 59 Mit der Übertragung der Befugnis zur Rechtserzeugung seien gleichzeitig die für die staatliche Gesetzgebung geltenden rechtlichen Anforderungen, zu denen das Erfordernis der demokratischen Ermächtigung zähle, auf die Tarifvertragsparteien übergegangen. Der Staat dürfe den Koalitionen bei der Rechtsetzung keinen größeren Freiraum einräumen, als er selbst habe, da er sonst die verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Gesetzgebung ablegen könnte. 60 Die überwiegende Zahl der Autoren 61 leitet die Verpflichtung eines Tarifverbands, die innere Verfassung nach demokratischen Grundsätzen zu organisieren, aus seiner Befugnis ab, verbindliche Regeln für die Arbeitsverhältnisse seiner Mitglieder zu setzen. Eine normgebende Entscheidung müsse auf den Willen der Normunterworfenen zurückführbar sein. Dies sei eine Voraussetzung für jede gesetzgebende Gewalt. Dieser Grundsatz habe für den Staat in Art. 20 Abs. 1 und 2, Art. 28 Abs. 1 Satz 1 GG und für die Gemeinden in Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG seinen kodifizierten Ausdruck gefunden und gelte als allgemeines Rechtsprinzip für die gesamte Rechtsordnung. 62 An dieses Prinzip sei auch die tarifliche Normsetzung als Gesetzgebung im materiellen Sinne63 gebunden. Dem stehe nicht entgegen, daß es sich bei den Tarifbestimmungen um Regelungen privatrechtlicher Vereinigungen handele, da sie in ihren Auswirkungen den hoheitlichen Normen gleichkämen. Demgegenüber hält Richardi 64 das Tarifvertragssystem für eine strukturell von der staatlichen Gesetzgebung wesensverschiedene Form der Rechtsetzung, so daß die Anforderungen an die staatliche Gesetzgebung nicht übertragbar seien. Seiner Ansicht nach ergibt sich die Normsetzungskompetenz der Tarifparteien aus dem Beitritt der Mitglieder zum Verband. 65 Für die tarifvertragliche Rechtsetzung bedürfe es keiner zusätzlichen demokratischen Rechtfertigung durch die Mitglieder. 66 In Abweichung von der herrschenden Delegationstheorie ist nach Richardi 59 BAG, AP Nr. 4 zu Art. 3 GG, BI. 3 verso; Nr. 16 zu Art. 3 GG, BI. 5; A. Hueck/Nipperdey, 11./1., § 18 111. 2., S. 347; Nikisch, 11., § 60 I. 2., S. 45, und § 69 11. 4., S. 216. 60 Einen ähnlichen Bezug zur staatlichen Gesetzgebung weist auch der Erklärungsansatz Ridders, Stellung, S. 42, auf. Ridder leitet den GeItungsanspruch des Demokratieprinzips gegenüber der tarifvertraglichen Normgebung aus der Sozialstaatsklausel des Art. 20 Abs. I GG ab. Er entnimmt der Sozialstaatsklausel das Gebot zur "Harmonisierung ... der gesellschaftlichen Strukturen mit den staatlichen" (Stellung, S. 16), aus dem er auf die Bindung der tarifvertraglichen Rechtsetzung an die demokratischen Anforderungen schließt, die für die staatliche Gesetzgebung gelten (Stellung, S. 17, 42). 61 Biedenkopf, Tarifautonomie, S. 47 ff.; A. Hueck/Nipperdey, 11./1., § 6 11. 6., S. 102; Löwisch, in: Münchener Handbuch Arbeitsrecht, § 248 Rdnr. 3; Nipperdey I Säcker, in: ARBlattei D, Berufsverbände I, unter C. I. 3.; Reichert I Dannecker, Rdnr. 2741; Schüren, Legitimation, S. 238. 62 Biedenkopf, Tarifautonomie, S. 51 f. 63 BVerfGE 44, S. 322,341. 64 In: Münchener Handbuch Arbeitsrecht, § 10 Rdnr. 30. 65 Richardi, KollektivgewaIt, S. 161 ff.
H. Die Notwendigkeit eines demokratischen Aufbaus der Tarifverbände
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die Befugnis zur Nonngebung durch Tarifvertrag nicht vom Staat auf die Koalitionen übertragen worden, sondern beruht auf dem rechtsgeschäftlichen Unterwerfungsakt des einzelnen Mitglieds unter den Verbands willen, den es mit dem Beitritt zum Verband ausgedrückt hat. Tarifgebunden seien gemäß § 3 Abs. 1 TVG die Mitglieder der Tarifvertragsparteien. Die Mitgliedschaft werde durch den Beitritt begründet. Ihr Inhalt und ihr Umfang ergäben sich aus der Satzung. Wenn diese den Abschluß von Tarifverträgen als Aufgabe der Vereinigung vorsehe, erteile das Mitglied mit seinem Beitritt dem Verband das Mandat, für es gültige Tarifnonnen zu schaffen. Dieser privatrechtliche Sanktionierungsakt rechtfertige den Erlaß rechtsverbindlicher Regeln gegenüber den Verbandsangehörigen.
b) Stellungnahme
Die dargestellten Ansichten gehen übereinstimmend davon aus, daß der Tarifvertrag aufgrund seiner unmittelbaren und zwingenden Wirkung gegenüber den Arbeitsverhältnissen der beiderseits tarifgebundenen Verbandsmitglieder der Legitimation durch einen Willensentschluß dieser Mitglieder bedarf. Dieser Ausgangspunkt ist richtig. Er findet seine rechtliche Grundlage in der zugunsten der Arbeitsvertragsparteien bestehenden Privatautonomie. 67 Der Schutz der in der Vertragsfreiheit ausgedrückten Privatautonomie vor der'Fremdbestimmung durch die Tarifvertragsparteien erfordert, daß sich die tarifpolitischen Entscheidungen der Verbandsorgane auf den Willen der Mitglieder zurückführen lassen müssen. Die Antwort auf die Frage, ob bereits der Beitritt die erforderliche Legitimation herbeiführt oder ob darüber hinaus der Verband seinen Mitgliedern zwingende Mitbestimmungsrechte in tarifpolitischen Fragen einräumen muß, ergibt sich aus dem Maß der Freiwilligkeit der Mitgliedschaft. Wie bereits oben68 ausgeführt, können die Arbeitgeber nicht ohne Hinnahme von Nachteilen von der Mitgliedschaft absehen, wodurch die Legitimationskraft der Freiwilligkeit der Entscheidung zum Beitritt und zum Verbleib im Verband gemindert wird. Dies läßt die Beteiligung der Mitgliedsarbeitgeber an der innerverbandlichen Willensbildung in tarifpolitischen Fragen erforderlich werden. 69 Die mit dem Beitritt des Mitglieds verbundene Ermächtigung des Verbands zur Nonnsetzung ist mithin zwar eine notwendige, aber keine hinreichende Legitimation zur Rechtsetzung durch Tarifvertrag. Erforderlich ist zusätzlich die Berechtigung zur Teilnahme an der verbandsinternen Entscheidungsfindung. Die Tarifverbände müssen sich folglich eine demokratische Binnenverfassung geben.
Richardi, Kollektivgewalt, S. 164, Fn. 87. Der Zusammenhang zwischen der Privatautonomie und dem Legitimationsinteresse der tarifgebundenen Mitglieder wurde bereits dargelegt: § 1 I. 2., S. 22 f. 68 § 2 H. 5., S. 56 ff. 69 Michlik, S. 218 f.; Schüren, Legitimation, S. 238 f. 66 67
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c) Demokratische Legitimation und externe Geltung von Tarifnormen kraft Gesetzes Wenn aber die Legitimation durch die Normunterworfenen eine Voraussetzung für die Normgebung ist, dann bildet sie gleichzeitig deren personelle Grenze. Allerdings dehnen § 5 Abs. 4 und § 3 Abs. 2 TVG sowie § 7 ArbZG die Regelungszuständigkeit der Tarifvertragsparteien über den Kreis ihrer Mitglieder hinaus aus. Diese externe Geltung der Tarifnormen scheint der Annahme entgegenzustehen, daß die tarifvertragliehe Normgebung der demokratischen Rechtfertigung bedarf.
aa) § 5 Abs. 4 TVG
Durch die Erklärung der Allgemeinverbindlichkeit erfassen die tarifvertraglichen Regelungen gemäß § 5 Abs. 4 TVG auch die Arbeitsverhältnisse zwischen den nichtorganisierten Arbeitgebern und Arbeitnehmern, obwohl diese von der Beteiligung an der tarifpolitischen Willensbildung der Verbände ausgeschlossen sind. Nach Ansicht von Biedenkopfo führt das den Außenseitern gemäß § 5 Abs. 2 TVG eingeräumte rechtliche Gehör die erforderliche Legitimation herbei. Diese Begründung greift allerdings zu kurz. Wie der Umkehrschluß zu § 5 Abs. 3 TVG zeigt, steht den Außenseitern gegenüber der Erklärung der Allgemeinverbindlichkeit kein Vetorecht zu. Eine derart unverbindliche Stellungnahme vermag die fehlende Mitwirkung an der Willensbildung der Tarifvertragsparteien nicht auszugleichen. Es ist aber zu berücksichtigen, daß die Allgemeinverbindlichkeit gemäß § 5 Abs. 1 TVG durch den zuständigen Bundesminister erklärt wird. Die Ausdehnung des tarifvertraglichen Wirkungsbereichs erhält durch die Beteiligung des Ministers die erforderliche demokratische Legitimation. Der Minister prüft die Voraussetzungen des § 5 TVG eigenverantwortlich und wägt die betroffenen Interessen gegeneinander ab, wobei er insbesondere die Belange der Außenseiter zu wahren hat. Bei der Entscheidung über die Erklärung der Allgemeinverbindlichkeit ist ihm ein erheblicher Spielraum gegeben. Wenn er sich für die Anordnung der Allgemeinverbindlichkeit entscheidet, nimmt er die von den Koalitionen geschaffene Rechtsordnung in seinen Willen auf, so daß der Geltungsbefehl, der die Außenseiter an die Tarifnormen bindet, maßgeblich von ihm ausgeht?! Die Bindung der Außenseiter an den Tarifvertrag gemäß § 5 Abs. 4 TVG ist auf den Bundesminister zurückzuführen und erhält aus dessen parlamentarischer Verantwortlichkeit die erforderliche demokratische Rechtfertigung.
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7!
Tarifautonomie, S. 57. BVerfGE 44, S. 322, 346.
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bb) § 3 Abs. 2 TVG
Gemäß § 3 Abs. 2 TVG gelten Tarifnormen über betriebliche und betriebsverfassungsrechtliche Fragen für alle Betriebe, deren Arbeitgeber tarifgebunden sind. Betriebliche Normen umfassen nach herkömmlicher Einteilung Solidar- und Ordnungsnormen. 72 Zu den Solidarnormen werden Regelungen gezählt, die den Arbeitgeber zu Maßnahmen zum Schutze oder zur Fürsorge für die Gesamtheit der im Betrieb Tätigen oder für eine Gruppe der Betriebsangehörigen verpflichten. Diese Maßnahmen sollen dem einzelnen Arbeitnehmer in seiner Eigenschaft als Mitglied der Belegschaft zugute kommen, wie zum Beispiel die Einrichtung einer Kantine oder von Waschräumen. 73 Ordnungsnormen bestimmen die allgemeine betriebliche Ordnung und das Verhalten der Arbeitnehmer im Betrieb; 74 zu diesen Normen gehören beispielsweise Regelungen über eine Torkontrolle und ein Rauchverbot. 75 Das Bundesarbeitsgericht rechnet in seiner neueren Rechtsprechung 76 darüber hinaus alle diejenigen tariflichen Absprachen zu den Betriebsnormen, deren Gegenstand in der sozialen Wirklichkeit aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen nur betriebseinheitlich geregelt werden kann. Es handelt sich um Bestimmungen der Betriebsgestaltung, die sich auf die Betriebsmittel, auf die Mitarbeiter und auf die organisatorische Zusammensetzung des Ganzen beziehen. Tarifnormen über betriebsverfassungsrechtliche Fragen betreffen die Errichtung und Organisation einer Betriebsverfassung sowie die Rechte der Arbeitnehmervertretung. 77 Den Tarifregelungen im Sinne des § 3 Abs. 2 TVG ist gemeinsam, daß sie im Unterschied zu den tarifvertraglichen Individualnormen nicht das einzelne Arbeitsverhältnis erfassen wollen, sondern alle Arbeitnehmer des Betriebs in ihrer Gesamtheit ohne Rücksicht auf ihre Organisationszugehörigkeit. 78 Dies scheint der These zu widersprechen, daß die Befugnis zur tariflichen Normsetzung nur so weit reichen kann, wie das gesetzgebende Organ durch die Normadressaten aufgrund ihrer Teilnahme an der Willensbildung demokratisch legitimiert ist. Biedenkopf79 versucht den Widerspruch aufzulösen, indem er die Regelung betrieblicher und betriebsverfassungsrechtlicher Fragen von der tariflichen Rechtset72 BAG, AP Nr. 1 zu § 4 TVG - Lehrlingsskalen, BI. 2 verso; A. Hueck/Nipperdey, 11.1 1., § 15 IV. 2. und 3., S. 291 f.; Nikisch, 11., § 73 IV., S. 299 ff. 73 A. Hueckl Nipperdey, 11.11., § 15 IV. 2., S. 291; Nikisch, 11., § 73 IV., S. 299 f. 74 A. Hueckl Nipperdey, 11./1., § 15 IV. 3., S. 291; Nikisch, 11., § 73 IV. 2., S. 301 f. 7S A. Hueck I Nipperdey, 11.11., § 15 IV. 3., S. 292. 76 BAG, AP Nr. 46 zu Art. 9 GG, BI. 3 verso; Nr. 47 zu Art. 9 GG, BI. 4; Nr. 57 zu Art. 9 GG, BI. 6 verso f. 77 A. Hueck/Nipperdey, 11.11., § 15 v., S. 293; Löwisch/Rieble, TVG, § 1 Rdnr. IOD; Nikisch, 11., § 73 V. 1., S. 303; Wiedemann I Stumpf, § I Rdnr. 248. 78 Lieb, Arbeitsrecht, Rdnrn. 536 f.; Löwisch I Rieble, TVG, § I Rdnr.82.
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zung trennt. Er weist den Tarifvertragsparteien insoweit keine tarifrechtliche, sondern eine "betriebsverfassungsrechtliche Zuständigkeit,,80 zu und unterwirft sie den Anforderungen des Betriebsverfassungsrechts. Nach seiner Ansicht erfordert der betriebsverfassungsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz die Einbeziehung der Nichtorganisierten. 81 Diese Erklärung vermag jedoch nicht die fehlende Beteiligung des nichtorganisierten Arbeitnehmers an der Entscheidungsfindung zu überbrücken. Auch Rechtsnormen auf der Ebene des Betriebsverfassungsrechts bedürfen der demokratischen Legitimation. Die Legitimation durch die Außenseiter ist den tarifschließenden Parteien aber weder in ihrer Eigenschaft als Tarifvertragsparteien noch in der ihnen von Biedenkopf zugesprochenen Funktion als "Industriebetriebsrat,,82 erteilt worden. 83 Der Begründungsansatz von Biedenkopf ist daher nicht schlüssig. Teilweise84 wird die Regelungskompetenz der Tarifparteien gegenüber den gewerkschaftlich nichtorganisierten Arbeitnehmern mit der Notwendigkeit der einheitlichen Regelung im ganzen Betrieb gerechtfertigt. Mit diesem Erklärungsversuch läßt sich das Legitimationsdefizit jedoch nicht beseitigen. Auch die Erforderlichkeit der betriebsweiten Ordnung ändert nichts daran, daß die Außenseiter keinen Einfluß auf das Zustandekommen der Tarifnormen nehmen können. Einige Autoren 85 rechtfertigen die Einbeziehung der Nichtmitglieder in den Tarifvertrag mit der Kompetenz des Gesetzgebers, die Regelungszuständigkeit der Tarifvertragsparteien auf Dritte auszudehnen. Teils86 wird § 3 Abs. 2 TVG als eine gesetzlich vorweggenommene Erklärung der Allgemeinverbindlichkeit gedeutet, teils 87 wird eine Parallele zum öffentlichen Recht gezogen, das die gesetzliche Eingliederung Dritter in die Satzungsbefugnis von Selbstverwaltungskörperschaften erlaubt. Im Tarifrecht sei mit § 3 Abs. 2 TVG eine vergleichbare gesetzliche Ermächtigung für die Tarifverbände geschaffen worden. Bei dieser Deutung des § 3 Abs. 2 TVG hätte der Gesetzgeber seine Gesetzgebungszuständigkeit gegenüber den Nichtmitgliedern jedoch in unzulässiger Weise 79 Tarifautonomie, S. 310 ff.; ihm folgend A. Hueck/Nipperdey, 11.11., § 23 11., Fn. 20a, S. 482 f. 80 Biedenkopf, Tarifautonomie, S. 311. 81 Biedenkopf, Tarifautonomie, S. 311. K2 Wiedemann/Stumpf, § 3 Rdnr. 67. K3 Popp, Aufgaben, S. 54; Lieb, RdA 1967, S. 441, 447. 114 Reuß, DB 1964, S. 1410, 1412; Wiedemann, RdA 1969, S. 321, 323; ders./Stumpf, § 3 Rdnr.67. 8S A. Hueck/Nipperdey, 11./1., § 2311., Fn. 20a, S. 482 f.; Kempen/Zachert, § 3 Rdnr. 18; Wiedemann I Stumpf, § 3 Rdnr. 67. 86 Huber, 11., § 94 III. 1. c), S. 437; Säcker IOetker, Tarifautonomie, S. 135; Schneider, in: FS Möhring, S. 521, 535. 87 Säcker, Gruppenautonomie, S. 331.
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auf die Tarifverbände übertragen. Der Geltungsbefehl für die Tarifnormen über betriebliche Fragen ginge gegenüber den Außenseitern zwar vom Gesetz aus, sein Inhalt würde hingegen von den Tarifvertragsparteien bestimmt. § 3 Abs. 2 TVG wäre eine dynamische Verweisung des Gesetzes auf den Tarifvertrag. 88 Bei einer dynamischen Verweisung wird der Inhalt der Verweisungsvorschrift unabhängig vom Willen des Gesetzgebers von dritter Seite bestimmt. 89 Eine derartige gesetzliche Bezugnahme auf einen Tarifvertrag ist nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts90 nur verfassungsgemäß, wenn der Inhalt der tariflichen Bestimmung im wesentlichen feststeht. Die Regelung betrieblicher Fragen hat der Gesetzgeber den Tarifvertragsparteien indes zur freien Gestaltung überlassen. Eine so weit gehende gesetzliche Verweisung wäre grundgesetzwidrig,91 da das staatliche Demokratieprinzip des Art. 20 Abs. 1 und 2 GG es dem Gesetzgeber untersagt, sich seiner Legislativfunktion zu entäußern. 92 Mit den bisherigen Ansätzen läßt sich daher die Geltung der Betriebsnormen gegenüber den Außenseiter-Arbeitnehmern nicht rechtfertigen. Aus diesem Grund hält Zöllner93 die gesetzliche Erweiterung der Rechtsetzungskompetenz der Tarifverbände auf Nichtmitglieder für unzulässig. Seiner Ansicht nach läßt sich § 3 Abs. 2 TVG allerdings verfassungskonform dahingehend auslegen, daß der Tarifvertrag gegenüber den Außenseitern nur eine schuldrechtliche Wirkung entfaltet. Begünstigende Abreden seien als Vertrag zugunsten Dritter im Sinne des § 328 BGB anzusehen. Hinsichtlich der belastenden Regelungen fungiere § 3 Abs. 2 TVG als gesetzliche Ausnahme zum Verbot des Vertrags zu Lasten Dritter. Bei der verfassungskonformen Auslegung muß aber darauf geachtet werden, daß nicht in den Aufgabenbereich des Gesetzgebers eingegriffen wird. Daher darf einer Vorschrift keine Bedeutung zuerkannt werden, die nicht mehr von ihrem Wortlaut gedeckt ist oder ihre prinzipielle Zielsetzung nicht bewahrt. 94 In § 3 Abs. 2, § 4 Abs. 1 Satz 2 TVG ordnet das Gesetz die normative Geltung der tarifvertraglichen Bestimmungen über betriebliche und betriebsverfassungsrechtliche Fragen an und weist sie in § 1 Abs. 1 TVG dem normativen Teil des Tarifvertrags zu. Die Umdeutung in schuldrechtliche Tarifregeln überschreitet die Grenzen der verfassungskonformen Auslegung. 95 Sie ist daher abzulehnen. Auszugehen ist weiterhin von der normativen Wirkung der Tarifbestimmungen.
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Löwisch. in: Münchener Handbuch Arbeitsrecht, § 238 Rdnr. 42. Amdt, JuS 1979. S. 784, 785. BVerfGE 78, S. 32. 36. BVerfGE 64, S. 208.214 f. BVerfGE 33, S. 125, 158; 64. S. 208. 214 f.; 78, S. 32. 36. RdA 1962, S. 453,458 f.; ders., RdA 1964, S. 443. 446 f. BVerfGE 8. S. 28. 34; 86, S. 288, 320. Buchner. Diss., S. 84.
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Richardi 96 hat darauf aufmerksam gemacht, daß die Geltung der tarifvertraglichen Regelungen gegenüber den Nichtorganisierten auf das dem Arbeitgeber zustehende betriebliche Gestaltungs- und Weisungsrecht zurückgeführt werden kann. Betriebliche Ordnungsnonnen im Tarifvertrag seien für die Außenseiter durch die "dogmatische Brücke,,97 des arbeitgeberseitigen Weisungsrechts verbindlich. Aufgrund des Arbeitsvertrags sei der Arbeitgeber berechtigt, im Rahmen seines Direktionsrechts für die Betriebsangehörigen gültige Arbeitsbedingungen einseitig zu setzen. Die Tarifnonnen über betriebliche und betriebsverfassungsrechtliche Fragen bänden lediglich den tarifgebundenen Arbeitgeber in seinem Recht zur freien kollektiv bestimmten Ordnung des Betriebs. Es könne den Arbeitnehmern innerhalb ihrer Gehorsamspflicht nun gleichgültig sein, inwieweit der Arbeitgeber in der Ausübung seines Organisations- und Weisungsrechts durch den Tarifvertrag beschränkt werde. Diese Begründung überzeugt. Betriebsnonnen enthalten Regelungsgegenstände, die der betrieblichen Dispositions- und Gestaltungsfreiheit des Arbeitgebers unterliegen. Er entscheidet über die Einrichtung einer Kantine, darf eine Torkontrolle anordnen und für die Arbeitsplätze ein bestimmtes Anforderungsprofil 98 erstellen. Der Arbeitnehmer unterwirft sich mit dem Abschluß des Arbeitsvertrags freiwillig dieser Fremdbestimmung und rechtfertigt dadurch die Ordnungsmacht des Arbeitgebers. 99 Eine darüber hinausgehende demokratische Legitimation ist nicht erforderlich. Tarifliche Nonnen über betriebsverfassungsrechtliche Fragen regeln im Gegensatz zu den betrieblichen Vorschriften nicht die inneren Angelegenheiten des Betriebs, sondern schaffen die äußeren Voraussetzungen für die Beteiligung der Arbeitnehmer an der Gestaltung der betrieblichen Belange. lOo Die betriebliche Mitbestimmung wird durch den Betriebsrat als das Repräsentationsorgan der Arbeitnehmer wahrgenommen. Die Arbeitsverhältnisse werden nicht von den tarifvertraglichen Nonnen selbst erfaßt, sondern erst durch die Tätigkeit des Betriebsrats. 101 Folglich bedarf es erst auf der betriebsverfassungsrechtlichen Ebene einer Legitimation durch die Arbeitnehmer als Nonnunterworfene, die sie dem Betriebsrat mit der Betriebsratswahl verleihen.
Kollektivgewalt, S. 236 f. Richardi, Kollektivgewalt, S. 237. 98 Das Bundesarbeitsgericht, AP Nr. 57 zu Art. 9 GG, BI. 7, zählt "qualifizierte Besetzungsregeln" in Tarifverträgen zu den Betriebsnormen. 99 Von Hoyningen-Huene, in: Münchener Handbuch Arbeitsrecht, § 289 Rdnr. 14. 100 Richardi, Kollektivgewalt, S. 245. 101 BAG, AP Nr. 23 zu § 77 BetrVG 1972, BI. 5 verso; Nr. 53 zu § 99 BetrVG 1972, BI. 5 verso. 96
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ce) § 7 Abs. J und 2 ArbZG
Gemäß § 7 Abs. 1 und 2 ArbZG können im Tarifvertrag oder aufgrund eines Tarifvertrags in einer Betriebsvereinbarung Abweichungen von den Vorschriften des Arbeitszeitgesetzes zugelassen werden. 102 Wie § 7 Abs. 3 ArbZG zeigt, setzt die Anwendung des Tarifvertrags im Rahmen des § 7 Abs. 1 und 2 ArbZG die Tarifgebundenheit des Arbeitgebers voraus, nicht jedoch die der Arbeitnehmer. 103 Da die tarifvertragliche Regelung betriebsweit gilt, scheint das Gesetz die Normsetzungsbefugnis der Tarifvertragsparteien auf die nichtorganisierten Arbeitnehmer zu erweitern. Der Tarifvertrag ersetzt jedoch lediglich den gesetzlichen Arbeitsschutz, ohne gleichzeitig das einzelne Arbeitsverhältnis zu gestalten. Dem Arbeitgeber wird es nur gestattet, in seinem Betrieb eine vom Gesetz abweichende arbeitsrechtliche Ordnung einzuführen. Die Umsetzung dieser Ordnung innerhalb des einzelnen Arbeitsverhältnisses erfordert eine zusätzliche Vereinbarung im Rahmen eines Tarifvertrags, einer Betriebsvereinbarung oder des Einzelarbeitsvertrags. 104 Eine entsprechende tarifvertragliche Absprache über die Arbeitszeit gilt als Inhaltsnorm im Sinne des § 1 Abs. 1 TVG gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1, § 3 Abs. 1 TVG nur zwischen den beiderseits tarifgebundenen Arbeitsvertragsparteien. Außenseiter werden von ihr nicht erfaßt. 105 § 7 ArbZG eröffnet demzufolge keine tarifvertragliche Rechtsetzungsmacht gegenüber den nichttarifgebundenen Arbeitnehmern.
dd) Ergebnis
Die Vorschriften, die eine externe Anwendung der Tarifnormen über den Mitgliederkreis der Tarifvertragsparteien hinaus ermöglichen, sind mit der Annahme vereinbar, daß die tarifvertragliche Normsetzung der demokratischen Legitimation bedarf. Die Erklärung der Allgemeinverbindlichkeit erhält ihre demokratische Rechtfertigung durch die Beteiligung des zuständigen Bundesministers. Die Tarifnormen über betriebliche Fragen begrenzen allein den tarifgebundenen Arbeitgeber in der Ausübung seines Rechts zur Gestaltung des Betriebsablaufs. Betriebsverfassungsrechtliche Normen im Tarifvertrag schaffen erst die Voraussetzungen für eine betriebliche Absprache mit dem Betriebsrat, ohne die Arbeitsverhältnisse selbst zu regeln. Die tarifvertraglichen Bestimmungen über die Arbeitszeit nach § 7 ArbZG erweitern lediglich die gesetzlichen Grenzen über die Länge und die Verteilung der werktäglichen Arbeitszeit, ohne gleichzeitig den nichttarifgebundeÄhnlich gestaltet ist § 21a Abs. 1 JArbSchG. D. Neumann / Bieb!, ArbZG, § 7 Rdnr. 42. 104 Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung, BT-Drucks. 12/5888, S. 20; BAG, AP Nr. 2 zu § 13 AZO, BI. 9 verso; D. Neumann / Bieb!, ArbZG, § 7 Rdnrn. 42, 44; Richardi, Kollektivgewalt, S. 241 f. 105 Richardi, Kollektivgewalt, S. 242. 102 103
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nen Arbeitnehmer zu verpflichten, zu den geänderten Rahmenbedingungen zu arbeiten. d) Ergebnis
Die Rechtsetzung der Tarifvertragsparteien bedarf der demokratischen Legitimation durch die tarifgebundenen Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Die als Mitglieder tarifgebundenen Arbeitsvertragsparteien ermächtigen ihre Verbände zwar schon durch ihren Beitritt zur Normgebung, doch müssen sie darüber hinaus die Berechtigung zur Teilnahme an der tarifpolitischen Willensbildung erhalten. Nur so ist gewährleistet, daß ihre Interessen und Belange bei der innerverbandlichen Entscheidungsfindung berücksichtigt werden.
8. Ergebnis zu 11. Die Tarifverbände sind multifunktionelle Vereinigungen, die eine Vielzahl verschiedener Aufgaben wahrnehmen. 106 Die Anforderungen an ihre Organisation sind im Hinblick auf die unterschiedlichen Verbandszwecke jeweils eigenständig zu begründen. 107 In bezug auf die tarifpolitische Tätigkeit haben sich für die Verpflichtung der Arbeitgeberverbände auf das Demokratieprinzip diejenigen Erklärungsansätze als tragfähig erwiesen, die eine demokratische Binnenstruktur als Voraussetzung für die Verwirklichung der tarifpolitischen Interessen der Mitglieder und für die tarifvertragliche Normsetzungsbefugnis ansehen. Die Arbeitgeberverbände müssen daher ihren Mitgliedern in tarifpolitischen Angelegenheiten zwingend Mitbestimmungsrechte einräumen.
III. Demokratiegebot und Verbandsautonomie Es ist aber zu bedenken, daß Art. 9 Abs. 3 Satz 1 GG den Koalitionen die interne Organisationsfreiheit 108 und damit die Selbstbestimmung über das Verfahren ihrer Willensbildung gewährleistet. 109 Mit der Verpflichtung auf eine demokratische Binnenstruktur wird jedoch eine besondere Anforderung an den Verbandsaufbau geschaffen. Die Bindung an das Demokratiegebot begrenzt folglich die innere Verbandsfreiheit. 106 107 108 109
Zu den Aufgaben: § 1 I. 3. c) aa), S. 26 ff.; § 211. 4. c), S. 54; § 211.5., S. 56 ff. Teubner, S. 179; Popp, JöR 26 (1977), S. 145, 151,179. § 1 I. 3. b), S. 26. BVerfGE 50, S. 290, 373; 92, S. 365,403; 94, S. 268, 282.
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Dies steht jedoch im Einklang mit der Koalitionsfreiheit. Aufgrund der Funktionsgebundenheit llO der Koalitionsfreiheit kann die Ausübung dieses Grundrechts von besonderen Voraussetzungen abhängig gemacht werden. Dies gilt vor allem für die Verbände, die sich an der tarifautonomen Gestaltung der Arbeitsbedingungen beteiligen. Wie das BundesverfassungsgerichtIlI festgestellt hat, kann die Teilnahme am Tarifgeschehen an Bedingungen geknüpft werden, die für das sinnvolle Funktionieren der Tarifautonomie erforderlich sind. Unzulässig sind indes Anforderungen, die die freie Entwicklung der Koalitionen und damit ihr Entscheidungsrecht über die eigene Gestaltungsform sachwidrig hemmen oder in ihrem Kern antasten. 1l2 Im vorhergehenden Abschnitt wurde dargelegt, daß die demokratische Organisation in Tariffragen zur Umsetzung der Interessen der Mitgliedsarbeitgeber innerhalb des Verbands geboten ist. Sie ermöglicht die Realisierung der tarifpolitischen Interessen der Arbeitgeber und gewährleistet mithin die Verwirklichung des Koalitionszwecks; sie ist insoweit geradezu Bestandteil der Koalitionsfreiheit. Die weitere Untersuchung in den folgenden Abschnitten wird zeigen, daß sich die aus dem Demokratieprinzip abzuleitenden Anforderungen an die Verbandsverfassung innerhalb des geltenden Vereinsrechts erfüllen lassen. Sie erschweren die Verbandsarbeit nicht und verletzen daher nicht das Selbstbestimmungsrecht des Arbeitgeberverbands über seinen inneren Aufbau.
IV. Anforderungen an die Binnenverfassung des Arbeitgeberverbands Es stellt sich nun die Frage, wie die Verfassung einer Vereinigung von Arbeitgebern bei der Einrichtung der Mitgliedschaft "Ohne Tarifbindung" gestaltet werden muß, um den Anforderungen des Demokratiegebots zu genügen. In der Literatur bestehen unterschiedliche Ansichten zur Umsetzung demokratischer Grundsätze in den Tarifverbänden. Während einige Autoren die im Grundgesetz niedergelegten Prinzipien der staatlichen Willensbildung übertragen 113 oder das Parteiengesetz entsprechend anwenden ll4 , lassen andere 1l5 den Verbänden weitgehend freie Hand, sofern die Satzung die unmittelbare oder mittelbare Beteiligung der Mitglieder an der Formulierung der Verbandsmeinung ermöglicht. 110 111 112 113
114 llS
§ 1 1. 3. c), S. 26. BVerfGE 18, S. 18,28; 50, S. 290, 369. BVerfGE 4, S. 96, 109. Föhr, Willensbildung, S. 144; Michlik, S. 233; Schüren, Legitimation, S. 242, 244. Popp, Aufgaben, S. 114 ff. Gitter, JZ 1965, S. 197, 199; Wengier, S. 48.
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§ 2 Anforderungen an den inneren Aufbau der Arbeitgeberverbände
Welche Anforderungen an den demokratischen Aufbau eines Arbeitgeberverbands zu stellen sind, ist auf der Grundlage der Erklärungsansätze zu bestimmen, die sich als stichhaltig erwiesen haben, um die Verpflichtung der Verbände auf das Demokratieprinzip zu begründen. Anderenfalls würde die Auswahl der Anforderungen willkürlich und ließe sich rechtlich nicht begründen. 116 Es wurde zum einen gezeigt, daß die Verwirklichung der tarifpolitischen Belange der Mitglieder innerhalb des Verbands nur sichergestellt ist, wenn sie ihre Interessen durch die Teilnahme an der Willensbildung in die Entscheidungsfindung einbringen können. Zum anderen erfordert die Befugnis der Tarifverbände zur Nonnsetzung die Legitimation durch den Willensentschluß der Normadressaten. Nach beiden Begründungsansätzen muß die innerverbandliche Willensbildung den Individualwillen der Mitglieder zum Ausgangspunkt nehmen. Daher muß der Verband eine Organisationsfonn finden, bei der die tarifpolitische Entscheidungsfindung von den Mitgliedern ausgeht. Die Willensbildung muß von unten nach oben erfolgenY7 Des weiteren muß sichergestellt werden, daß sich der Wille der von der tarifpolitischen Entscheidung erfaßten Mitgliedsarbeitgeber möglichst weitgehend im Verbandsbeschluß niederschlagen kann. 118 Bei der Bildung der Verbandsmeinung in Tariffragen dürfen deshalb nur die vom Tarifvertrag erfaßten Arbeitgeber beteiligt werden, so daß die Einflußnahme der Verbands angehörigen "Ohne Tarifbindung" ausgeschlossen werden muß. 119 Anderenfalls würde die Beschlußfassung des Verbands zum Teil auf andere als tarifpolitische Interessen zurückgehen und wäre kein authentisches Abbild des Willens der tariflich gebundenen Mitglieder. Dies wäre vor allem deswegen problematisch, weil die Interessen der einzelnen Arbeitgeber nicht gleichgerichtet sind. Es gibt kein objektiv gemeinsames Interesse der Arbeitgeber. Ihre Vorstellungen über das, was dem einzelnen nützt und Inhalt eines Tarifvertrags werden soll, weichen voneinander ab. Die Arbeitgeber stellen aufgrund der verschiedenen Strukturen ihrer Betriebe und Unternehmen unterschiedliche Ansprüche an den Tarifvertrag. Eine tarifliche Bestimmung, die für ein Großunternehmen tragbar ist, kann die Leistungsfahigkeit eines mittelständischen Arbeitgebers übersteigen.
Popp, Aufgaben, S. 109 f. Föhr, Willensbildung, S. 150; ders., NJW 1975, S. 617, 620; Leßmann, S. 249; Popp, Aufgaben, S. 114; U. Schmidt, S. 159. 118 Löwisch, ZiA 1974, S. 29, 40; Popp, Aufgaben, S. 111; ders., JöR 26 (1977), S. 145, 174; Schüren, Legitimation, S. 256. Diese Grundstrukturen dürften auch der von Scholz, Koalitionsfreiheit, S. 374 ff., geforderten ,,freiheitlichen Kommunikationsverfassung" zur Stiftung eines "allseitigen Sinnkonsenses" mittels "gleicher Teilhabe an der innerverbandlichen Kommunikation und der verbandsmäßigen Organbildung" genügen. 119 Besgen, S. 117; Buchner, NZA 1994, S. 2, 6; Ostrop, S. 122; S.-J. Otto, NZA 1996, S. 624, 627; Röckl, DB 1993, S. 2382, 2384. 116
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IV. Anforderungen an die Binnenverfassung des Arbeitgeberverbands
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Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, daß die Arbeitgeber in ihrer Eigenschaft als Unternehmer miteinander konkurrieren. Der Einfluß eines tariffreien Wettbewerbers auf die durch den Flächentarifvertrag gestalteten Arbeitsbedingungen und damit die Produktionskosten des tarifgebundenen Arbeitgebers müßte dessen Marktposition zwangsläufig verschlechtern. 120
1. Tarifpolitische Entscheidungen Ausgangspunkt der Überlegungen zum Aufbau eines Verbands ist das zivilrechtliche Vereinsrecht, das auf die Arbeitgeberverbände, die regelmäßig die Rechtsform des rechtsfähigen Vereins gewählt haben,121 anzuwenden ist. Die Angelegenheiten eines Vereins können gemäß § 32 Abs. 1 Satz 1 BGB durch die Mitgliederversammlung, den Vorstand oder ein anderes Organ geordnet werden.
a) Mitgliederversammlung
Wenn die tarifpolitischen Belange des Verbands durch die Mitgliederversammlung geregelt werden, müssen allen tarifgebundenen Mitgliedern Stimmrechte eingeräumt werden. Den nichttarifunterworfenen Arbeitgebern ist die Beteiligung an den Abstimmungen vorzuenthalten. 122 Zwar sieht § 32 BGB die Mitwirkung aller Mitglieder vor,123 doch kann das Stimmrecht als allgemeines Mitgliedschaftsrecht gemäß § 40 BGB durch die Satzung entzogen werden. 124 Die Arbeitgeber "Ohne Tarifbindung" können allerdings beratend tätig werden. 125 Die Beratung führt zu keinem unzulässigen Eingriff von dritter Seite in das Tarifgeschehen, da mit der Beschlußfassung die rechtlich relevante Handlung allein durch die Tarifgebundenen erfolgt. Nach Ansicht von Schaub 126 widerspricht die Abschichtung der Stimmrechte jedoch dem vereinsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz. Dieser Grundsatz gebietet dem Verein, im Verhältnis zu seinen Mitgliedern gleiche Sachverhalte gleich zu behandeln,127 woraus insbesondere die Verpflichtung 120 Mit dem Wettbewerb zwischen den Arbeitgebern desselben Verbands begründet das Bundesarbeitsgericht, AP Nr. 65 zu Art. 9 GG - Arbeitskampf, BI. 11 verso f., die Zulässigkeit der Verbandsaussperrung zur Erweiterung des Arbeitskampfrahmens bei Schwerpunktstreiks. Dies zeigt die rechtliche Bedeutung der Konkurrenzlage unter den Arbeitgebern. 121 § 1 I. 1., S. 20. 122 Buchner, NZA 1995, S. 761, 766. 123 G. Hueck, Grundsatz, S. 45. 124 KG, NJW 1962, S. 1917. 125 S.-J. Otto, NZA 1996, S. 624, 627. 126 BB 1994, S. 2005, 2007. 127 Reichert/Dannecker, Rdnr. 545; K. Schmidt, § 16 H. 4. b), S. 468; Stöber, Rdnr. 69; Weick, in: Staudinger, § 35 Rdnr. 13.
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folgt, den Mitgliedern gleiche Mitwirkungsrechte einzuräumen. 128 Der Gleichbehandlungsanspruch ist ein allgemeines, mit der Mitgliedschaft verbundenes Recht,129 das vom Gesetz zwar nicht ausdrücklich erwähnt, dessen Existenz im Vereinsrecht aber in § 35 BGB vorausgesetzt wird. 13o Mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz vereinbar ist eine sachlich begründete Ungleichbehandlung. 131 Zulässige Differenzierungsgründe können sich vor allem aus der mitgliedschaftlichen Position ergeben, die ein Verbandsangehöriger innerhalb des Vereins einnimmt. 132 Außerdem ist eine Ungleichbehandlung als Ausdruck der Privatautonomie in aller Regel gerechtfertigt, wenn sich das Mitglied freiwillig für eine geminderte Rechtsstellung entscheidet. 133 Der Ausschluß des nicht vom Tarifvertrag erfaßten Mitgliedsarbeitgebers von der Abstimmung findet seine sachliche Begründung in dessen fehlender Tarifgebundenheit und der Freiwilligkeit seines Entschlusses, der Mitgliedsgruppe "Ohne Tarifbindung" beizutreten, so daß das vereinsrechtliche Gleichbehandlungsgebot entgegen der Auffassung von Schaub nicht verletzt wird. 134
b) Vorstand In Betracht kommt zum zweiten die Übertragung der tarifpolitischen Zuständigkeit auf den Vorstand gemäß § 32 Abs. 1 Satz 1 BGB. Der Vorstand müßte entsprechend dem demokratischen Grundsatz der Willensbildung von unten nach oben zwingend durch die Mitgliederversammlung bestellt werden. § 27 Abs. 1 BGB wäre gegenüber der Satzung resistent. § 40 BGB wäre insoweit einzuschränken. Bei der Wahl des Vorstands wären jedoch alle Mitglieder stimmberechtigt. Die Begrenzung der Stimmrechte auf die tarifgebundenen Mitglieder verstieße gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz, da der Vorstand nicht nur für die Regelung der Tariffragen zuständig wäre, sondern gemäß § 27 Abs. 3 BGB auch für die Geschäftsführung des Vereins, die alle Mitglieder gleichennaßen betrifft. Die nichttarifunterworfenen Mitglieder könnten über die Wahl des Vereinsvorstands indes
128 BGHZ 55, S. 381, 384; Hadding, in: Soergel, § 32 Rdnr. 22; Leßrnann, S. 253; Weick, in: Staudinger, § 32 Rdnr. 19. 129 KG, NJW 1962, S. 1917; G. Hueck, Grundsatz, S. 52,171; Reichert I Dannecker, Rdnr. 543. 130 G. Hueck, Grundsatz, S. 91 f.; Stöber, Rdnr. 69. 131 BGHZ 47, S. 381,385 f.; BVerwG, NJW 1987, S. 1900, 1902; Hadding, in: Soergel, § 32 Rdnr. 22; Leßrnann, S. 253; Reichert/Dannecker, Rdnr. 545; Stöber, Rdnr. 69. 132 Hadding, in: SoergeI, § 38 Rdnr. 19; Weick, in: Staudinger, § 35 Rdnr. 13. 133 G. Hueck, Grundsatz, S. 250 ff.; Reichert/Dannecker, Rdnr. 549. 134 Besgen, S. 123; Buchner, NZA 1995, S. 761, 766; Däubler, NZA 1996, S. 225, 230; Feger, AiB 1995, S. 490, 502; Ostrop, S. 109 f.; S.-I. Otto, NZA 1996, S. 624, 629; Röckl, DB 1993, S. 2382, 2383.
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einen unzulässigen Einfluß auf das Tarifgeschehen nehmen. Der Vorstand darf daher nicht mit der Gestaltung der tarifpolitischen Aufgaben betraut werden. c) "Sozialpolitischer Ausschuß"
Der Verein kann aufgrund seiner Organisationsautonomie neben der Mitgliederversammlung und dem Vorstand weitere Organe einrichten. 135 Die Arbeitgeberverbände haben häufig einen "Sozialpolitischen Ausschuß,,136 oder ein vergleichbares Organ 137 eingesetzt, das die tarifpolitischen Aufgaben wahrnimmt und die Position des Verbands gegenüber der Gewerkschaft vertritt oder aus seinen Reihen eine Tarifkommission 138 wählt, die den Verbandstarifvertrag aushandelt und abschließt. Die personelle Besetzung des "Sozialpolitischen Aussch!lsses" muß, um ihm die demokratische Legitimation durch die Mitglieder zugeben, durch die Mitgliederversammlung vorgenommen werden, wobei allein den vom Tarifvertrag erfaBten Arbeitgebern das aktive Stimmrecht zusteht. 139 Es ist jedoch nicht erforderlich, auch das passive Wahlrecht auf die Tarifgebundenen zu begrenzen. Solange die Wahl der Ausschußmitglieder den vom Tarifvertrag erfaßten Verbandsangehörigen vorbehalten ist, können sie frei entscheiden, wem sie die Wahrnehmung ihrer tarifpolitischen Interessen anvertrauen. Die Vollmitglieder können auch einen verbandsfremden Dritten mit der Regelung der Tariffragen beauftragen und ihn als Vertreter im Willen gemäß §§ 164 ff. BGB zum Abschluß von Tarifverträgen bevollmächtigen. Es muß ihnen daher ebenso gestattet sein, diese Aufgabe einem tariffreien Mitglied zu übertragen. Die Verbandssatzung muß nur sicherstellen, daB die Entscheidung darüber, wem die Tarifarbeit überantwortet wird, in der Hand der an den Tarifvertrag gebundenen Mitgliedsarbeitgeber verbleibt. Des weiteren muß die rechtliche Unabhängigkeit des "Sozialpolitischen Ausschusses" von anderen Verbandsorganen gewährleistet werden, die wie der Vorstand auch die Interessen der nichttarifwilligen Mitgliedsarbeitgeber repräsentieren. Unzulässig ist deswegen die verschiedentlich in den Satzungen l40 vorgesehene Reichert / Dannecker, Rdnr. 727. § 9 Ziff. 1 der Satzung des Verbands der holz- und kunststoffverarbeitenden Industrie Rheinland-Pfalz e.V. 137 § 7 Ziff. 2, § 9 der Satzung des Verbands der Nord-Westdeutschen Textilindustrie e.V. 138 § 9 Ziff. 1 Satz 10 der Satzung des Verbands der holz- und kunststoffverarbeitenden Industrie Rheinland-Pfalz e.V.; § 9 Ziff. 3 Satz I der Satzung des Verbands der Nord-Westdeutschen Textilindustrie e. V. 139 Buchner, NZA 1995, S. 761, 766; Ostrop, S. 122. 140 § 9 Ziff. I Satz 2 der Satzung des Verbands der holz- und kunststoffverarbeitenden Industrie Rheinland-Pfalz e.V. Die Vorstandsmitglieder aus Firmen, die eine Mitgliedschaft "Ohne Tarifbindung" unterhalten, sind jedoch nicht stimmberechtigt (§ 9 Ziff. 1 Satz 5 der Satzung), wodurch sichergestellt wird, daß nur die Interessen der tarifgebundenen Mitglieder in die Beschlußfassung einfließen. 135
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Zugehörigkeit der Vorstandsmitglieder zum "Sozialpolitischen Ausschuß" kraft Amtes, sofern die Vorstands vertreter die gleichen Stimmrechte erhalten und nicht nur eine beratende Funktion ausüben. Dem Vorstand kann hingegen ein Vorschlagsrecht für die Besetzung des Ausschusses eingeräumt werden, sofern er hierauf kein Monopol erhält und den tarifgebundenen Mitgliedern nicht die Möglichkeit genommen wird, andere Personen zu berufen.
d) Ergebnis Der Verband kann die Regelung der tarifpolitischen Aufgaben der Mitgliederversammlung oder dem "Sozialpolitischen Ausschuß" zuweisen, nicht aber dem Vorstand. Bei Abstimmungen in tarifbezogenen Fragen sind auf der Mitgliederversammlung alle tarifunterworfenen Vollmitglieder stimmberechtigt. Die verbandsangehörigen Arbeitgeber "Ohne Tarifbindung" erhalten keine Stimmrechte. Die Angehörigen des "Sozialpolitischen Ausschusses" müssen durch die Mitgliederversammlung gewählt werden. Das aktive Wahlrecht steht nur den tarifgebundenen Arbeitgebern zu. Der "Sozialpolitische Ausschuß" muß von den Verbandsorganen, die nicht ausschließlich die Vollmitglieder vertreten, organisatorisch und personell unabhängig sein.
2. Arbeitskampfpolitik Die Anforderungen an die Organisation der verbandsinternen Willensbildung in Arbeitskampffragen sind aus der Funktion des Arbeitskampfs zu erschließen. Die grundrechtlich durch Art. 9 Abs. 3 Satz I GG geschützte kollektive Betätigungsfreiheit gewährleistet den Koalitionen die Tarifautonomie 141 und verpflichtet den Staat, die zur Wahrnehmung der Tarifautonomie erforderlichen rechtlichen Rahmenbedingungen zu schaffen. 142 Diese Aufgabe hat er zum einen durch die Einrichtung des Tarifvertragssystems erfüllt. 143 Darüber hinaus muß den Koalitionen zur Herbeiführung des für die Gestaltung des Arbeitslebens notwendigen Interessenausgleichs ein Instrument zur Lösung von Konflikten bereitgestellt werden, das es ihnen ermöglicht, den freiwillig nicht erzielbaren Abschluß eines Tarifvertrags erzwingen zu können. l44 Aufgrund des durch die Tarifautonomie vermittelten Rechts zur staatsfreien und se1bstbestimmten Gestaltung des Arbeitslebens muß die Lösung des Interessenkonflikts gleichfalls den Koalitionen zur eigenverantwortlichen Regelung überlassen werden. Eine generelle staatliche Zwangsschlich§ 1 I. 3. b), S. 25. BVerfGE 18, S. 18,26; 20, S. 312, 319 f.; 38, S. 281,306. 143 BAG, AP Nr. 65 zu Art. 9 GG - Arbeitskampf, BI. 3 verso. 144 BAG, AP Nr. 43 zu Art. 9 GG - Arbeitskampf, BI. 6 verso; Nr. 65 zu Art. 9 GG Arbeitskampf, BI. 3; Nr. 81 zu Art. 9 GG - Arbeitskampf, BI. 10. 141
142
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tung zur Beilegung von Dissensen der Tarifvertragsparteien wäre mit der Tarifautonomie nicht zu vereinbaren. 145 Das Mittel zur autonomen Austragung eines Tarifkonflikts ist der Arbeitskampf. In dieser Funktion als Annexinstitut zur Tarifautonomie wird der Arbeitskampf von der Rechtsordnung anerkannt und durch Art. 9 Abs. 3 Satz 1 GG grundrechtlieh geschützt. 146 Aus dieser Zweckbestimmung des Arbeitskampfs sind die Anforderungen an die Willensbildung des Verbands in arbeitskampfpolitischen Fragen abzuleiten. Aufgrund seiner Hilfsfunktion zugunsten der Tarifautonomie unterliegt die Entscheidungsfindung in arbeitskampfpolitischen Angelegenheiten den gleichen demokratischen Grundsätzen wie die Willensbildung in Tariffragen. Die Verbandsverfassung muß folglich bei der Regelung arbeitskampfpolitischer Belange zwingende Mitwirkungsrechte zugunsten der an .den Verbandstarifvertrag gebundenen Arbeitgeber vorsehen und die Mitglieder "Ohne Tarifbindung" von der Willensbildung ausschließen, um ihnen nicht die Möglichkeit zu eröffnen, über die Einwirkung auf das Arbeitskampfverhalten des Verbands dessen Tarifpolitik zu beeinflussen. Dem Verband bleibt es aufgrund seiner Organisationsautonomie überlassen, die Entscheidungsbefugnis in Arbeitskampffragen der Mitgliederversammlung oder einem anderen Organ zuzuweisen, wie beispielsweise dem "Sozialpolitischen Ausschuß". Unzulässig wäre es jedoch, die Entscheidungsmacht an den Vorstand zu delegieren, da auch die verbandsangehörigen Arbeitgeber "Ohne Tarifbindung" an den Wahlen zum Vorstand beteiligt werden müssen und dieser folglich nicht ausschließlich die Interessen der tarifgebundenen Mitgliedsarbeitgeber vertritt. 147 Wenn die Zuständigkeit bei der Mitgliederversammlung liegt, sind alle tarifgebundenen Arbeitgeber stimmberechtigt, nicht jedoch die Mitglieder "Ohne Tarifbindung" . Wird die Entscheidungsbefugnis auf ein anderes Organ übertragen, muß dieses Organ durch die Mitgliederversammlung bestellt werden, wobei das aktive Stimmrecht den tariflich gebundenen Verbandsmitgliedern vorzubehalten ist.
3. Beitragserhebung zur Finanzierung der tarifund arbeitskarnpfpolitischen Arbeit Die Arbeitgeberverbände erheben von ihren Mitgliedern Beiträge. Aus dem Beitragsaufkommen werden neben der sonstigen Verbandstätigkeit auch die tarifpolitiH. Otto, in: Münchener Handbuch Arbeitsrecht, § 288 Rdnr. 14. BVerfGE 84, S. 212, 225; 88, S. 103, 114; 92, S. 365, 393 f.; BAG, AP Nr. 81 zu Art. 9 - Arbeitskampf, BI. 10. 147 Zur parallelen Problematik der Zuständigkeitsverteilung bei der Regelung der Tariffragen: § 2 IV. 1. b), S. 72 f. 145
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sche Arbeit und der Arbeitskampffonds finanziert. 148 Mit den Mitteln des Arbeitskampffonds werden die verbandsangehörigen Arbeitgeber bei Arbeitskämpfen finanziell unterstützt. 149 Die Beitragsordnungen differenzieren nicht zwischen den Verbandsmitgliedern mit und ohne tarifvertragliche Bindung,150 so daß die nichttarifgebundenen Arbeitgeber an der Aufbringung der Mittel für die tarif- und arbeitskampfpolitische Arbeit beteiligt werden. Rechtliche Bedenken hiergegen werden im Hinblick auf die Vereinbarkeit mit dem vereinsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz (a) und der Parität bei Tarifverhandlungen (b) erhoben. Darüber hinaus stellt sich die Frage, ob die Finanzierung der tarif- und arbeitskampfpolitischen Tätigkeit des Verbands durch alle Mitglieder mit dem Demokratiegebot (c) vereinbar ist.
a) Vereinsrechtlicher Gleichbehandlungsgrundsatz
Der Gleichbehandlungsgrundsatz gebietet dem Verband nicht nur die Gleichbehandlung seiner Mitglieder, sondern verpflichtet ihn auch, ungleiche Sachverhalte entsprechend ihrer Eigenart ungleich zu behandeln. 151 Die Gleichbehandlung ungleicher Tatbestände ist allerdings zulässig, soweit sie sachlich begründet ist. 152
aa) Tarifpolitische Arbeit
Zur Rechtfertigung der Einbeziehung aller Mitglieder in die Finanzierung der tarifpolitischen Arbeit wird teilweise l53 darauf verwiesen, daß der nichttarifunterworfene Verbandsarbeitgeber jederzeit zur Vollmitgliedschaft übertreten könne. Als einem dann regulären Mitglied kämen ihm die Bestimmungen des Verbandstarifvertrags und dessen Friedenspflicht zugute. Gegen diese Begründung ist einzuwenden, daß der Tarifvertrag für das nunmehr tarifgebundene Vollmitglied erst ab dem Zeitpunkt des Übertritts gilt. Die tarifvertraglichen Regelungen wirken nur ex nunc. 154 Die Zahlung des zur Finanzierung der Tarifpolitik vorgesehenen Beitragsteils in der Vergangenheit läßt sich folglich nicht mit der zukünftigen Einbeziehung in den Tarifvertrag rechtfertigen. Buchner, NZA 1995, S. 761, 766. Brox/Rüthers, Rdnr. 484; H. Qtto, in: Münchener Handbuch Arbeitsrecht, § 275 Rdnr. 44, § 281 Rdnr. 50. ISO § 11 Ziff. 1 Satz 1 der Satzung des Verbands der holz- und kunststoffverarbeitenden Industrie Rheinland-Pfalz e.V.; § 3 Ziff. 4 lit. b Satz 7, § 14 der Satzung des Verbands der Nord-Westdeutschen Textilindustrie e. V. 1S1 K. Schmidt, § 1611.4. b), S. 468; Stöber, Rdnr. 69. 1S2 Stöber, Rdnr. 69. 1S3 Buchner, NZA 1995, S. 761, 766; Qstrop, S. 111; S.-J. QUo, NZA 1996, S. 624, 630. 1S4 Löwisch I Rieble, TVG, § 3 Rdnr. 54; Wiedemann I Stumpf, § 3 Rdnr. 21. 148 149
IV. Anforderungen an die Binnenverfassung des Arbeitgeberverbands
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Etwas anderes wäre nur dann anzunehmen, wenn die Beitragsleistungen die Aussicht des Mitglieds "Ohne Taritbindung" auf Aufnahme als Vollmitglied im Vergleich zu einem Außenseiter-Arbeitgeber verbesserten. 155 Dies ist aber nach Maßgabe der Rechtsprechung l56 zum Aufnahmezwang bei Vereinen, die auf ihrem Tatigkeitsfeld eine Monopol- oder eine überragende Machtstellung im wirtschaftlichen und sozialen Bereich einnehmen und bei denen ein wesentliches und grundlegendes Interesse am Erwerb der Mitgliedschaft besteht, nicht der Fall. Nach dieser Rechtsprechung darf einem Bewerber der Eintritt nicht ohne sachlichen Grund versagt werden, wenn er die in der Satzung vorgesehenen Aufnahmevoraussetzungen erfüllt. Zu den Vereinen mit einer derart herausgehobenen Position werden die Verbände der Arbeitgeber gerechnet. 157 Sie unterliegen der Aufnahmeverpflichtung. Wie an anderer Stelle 158 bereits dargelegt, kann der einzelne Arbeitgeber nicht ohne Hinnahme von Nachteilen bei der Gestaltung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen auf die Mitgliedschaft verzichten. Er hat daher ein erhebliches Interesse an der Verbandszugehörigkeit. Da aufgrund der Abgrenzung der Zuständigkeitsbereiche zwischen den Arbeitgeberverbänden kein Wettbewerb stattfindet, ist der Arbeitgeber zur Verwirklichung seiner individuellen Koalitionsfreiheit auf die Mitgliedschaft in einem bestimmten Verband angewiesen. Zu seinen Gunsten ist daher ein Aufnahmeanspruch anzuerkennen. Folglich kann das Aufnahmegesuch eines Außenseiters nur bei Vorliegen eines sachlichen Grundes zurückgewiesen werden. Unter den gleichen Voraussetzungen darf der Verband jedoch auch einem Mitglied "Ohne Taritbindung" den Wechsel der Mitgliedsgruppe verweigern. Mithin hat der Antrag des tariflich nichtgebundenen Verbandsangehörigen auf Beitritt als Vollmitglied keine größere Aussicht auf Erfolg als der des Außenseiters. Die Chancen, ein Verbandsmitglied mit allen Rechten und Pflichten zu werden, sind für die Verbandsangehörigen "Ohne Tarifbindung" nicht größer als für einen nichtorganisierten Arbeitgeber. Daher vermag die Möglichkeit zum Übertritt in eine andere Mitgliedsgruppe die gleichmäßige Beitragserhebung nicht zu rechtfertigen. 159 Die Einbeziehung der nicht tariflich gebundenen Mitglieder in die Finanzierung der tarifpolitischen Verbandsarbeit wird jedoch des weiteren auf das Argument gestützt, daß sich der Verbandstarifvertrag mittelbar auf die Gestaltung der Arbeitsbedingungen bei den tariffreien Arbeitgebern auswirke und sie deswegen an der tarifvertraglichen Tatigkeit des Verbands partizipierten. Der Verbandstarifvertrag setze innerhalb der Branche Maßstäbe, denen sich die Außenseiter bei der Aushandlung von Firmentarifverträgen, Betriebsvereinbarungen und EinzeIarbeitsverträgen nicht entziehen könnten. 160 155 156 157 158 159
Reuter, RdA 1996, S. 20 I, 207. BGHZ 63, S. 283, 284 ff.; 93, S. 151, 152ff.; 102, S. 267, 276. Reuter, RdA 1996, S. 201, 207. § 2 11. 5., S. 56 ff. Reuter, RdA 1996, S. 201, 207.
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Der tarifunwillige Arbeitgeber wird indes gerade mit dem Ziel, von der tarifvertraglichen Regelungsmacht der Verbände ausgenommen zu sein, der Mitgliedsgruppe "Ohne Tarifbindung" beitreten. Ihm wird es darauf ankommen, an Stelle des Verbandstarifvertrags für sein Unternehmen maßgeschneiderte Arbeitsbedingungen auszuhandeln. Gemessen an diesem Zweck, ist die Pilotfunktion des Flächentarifvertrags nachteilig. Der Arbeitgeber ohne tarifliche Bindung darf nicht zur Finanzierung derjenigen tarifvertraglichen Ordnung herangezogen werden, der er sich zulässigerweise zu entziehen sucht. 161 Die Gleichbehandlung bei der Beitragsberechnung ist jedoch sachlich begründet, wenn der Verband den nichttarifunterworfenen Mitgliedern vergleichbare Leistungen zur Verfügung stellt wie den Vollmitgliedern. 162 Wenn die Satzung 163 den Mitgliedern "Ohne Tarifbindung" einen Anspruch auf Beratung, Mitwirkung und Vertretung durch den Verband beim Abschluß eines Firmentarifvertrags einräumt, werden sie hinsichtlich der vom Verband angebotenen Leistungen nicht benachteiligt. Da der Firmentarifvertrag auf ihre individuellen Bedürfnisse Rücksicht nehmen wird, werden sie gegenüber den tarifgebundenen Mitgliedern, die den standardisierten Regelungen des Flächentarifvertrags unterworfen sind, eher bessergestellt. Sofern der Verband seinen Mitgliedern mit und ohne tarifvertragliche Bindung die gleichen Leistungen anbietet, ist die gleichmäßige Beteiligung an der Finanzierung der tarifpolitischen Arbeit mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz vereinbar.
bb) Arbeitskampffonds
Es ist des weiteren umstritten, ob die nicht tariflich gebundenen Arbeitgeber an der Aufbringung der Mittel für den Arbeitskampffonds beteiligt werden dürfen. Einige Stimmen in der Literatur l64 sehen hierin eine sachlich nicht begründete Gleichbehandlung, da die für den Arbeitskampf bestimmten Gelder allein den Vollmitgliedern vorbehalten seien. Andere 165 halten es hingegen für zulässig, daß der Verband den tariffreien Arbeitgebern die gleichen Beitragslasten auferlegt. Voraussetzung sei aber, daß er ihnen Leistungen aus dem Arbeitskampffonds gewähre, etwa bei einem Arbeitskampf um den Abschluß eines Firmentarifvertrags. Buchner, NZA 1995, S. 761. 766; S.-J. Otto, NZA 1996, S. 624, 630. Reuter, RdA 1996, S. 201, 207. 162 Buchner, NZA 1995, S. 761, 767; Ostrop, S. 110 f. 163 § 5 Ziff. 3 Satz 2 der Satzung des Verbands der ho1z- und kunststoffverarbeitenden Industrie Rheinland-Pfalz e. V. 164 Däubler, ZTR 1994, S. 448, 453; ders., NZA 1996, S. 225, 230; Feger, AiS 1995, S. 490, 502; Röckl, DB 1993, S. 2382, 2384. 165 Besgen, S. 124; Buchner, NZA 1995, S. 761, 767; Ostrop, S. 112 ff.; S.-J. Otto, NZA 1996, S. 624, 630. 160
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IV. Anforderungen an die Binnenverfassung des Arbeitgeberverbands
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Nach Ansicht eines Teils des Schrifttums 166 soll es dem Verband allerdings verwehrt sein, die nichttarifgebundenen Arbeitgeber bei einem firmenbezogenen Arbeitskampf zu unterstützen. Die Mittel des Verbands dürften nur zur Verfolgung des in der Satzung bestimmten Vereinszwecks, des Abschlusses eines Verbandstarifvertrags, eingesetzt werden. Der Arbeitskampf eines tariflich nichtgebundenen Arbeitgebers liege hingegen nicht im Interesse des Verbands. Wenn der Arbeitskampffonds den tariflich nichtgebundenen Arbeitgebern nicht zugute komme, könnten sie aber konsequenterweise auch nicht zu seiner Finanzierung herangezogen werden. Dieser Auffassung ist entgegenzuhalten, daß die Satzung die Unterstützung der Mitgliedsarbeitgeber "Ohne Tarifbindung" in einem Arbeitskampf vorsehen kann, wodurch die Hilfestellung zu einer satzungsmäßigen Aufgabe des Verbands wird, so daß der Einsatz von Beitragsgeldern zugunsten dieser Arbeitgeber nicht zweckwidrig ist. 167 Folglich können sie auch an der Finanzierung des Arbeitskampffonds beteiligt werden. Es stellt sich aber die Frage nach ihrer Teilnahme an der Entscheidung über den Einsatz der Gelder. Innerhalb der Rechtslehre 168 besteht Einigkeit, daß die Verteilung der für den Arbeitskampf zur Verfügung stehenden Mittel nicht vom Votum dieser Mitgliedsarbeitgeber abhängig gemacht werden darf, um ihnen keinen bestimmenden Einfluß auf das Arbeitskampfverhalten und damit die Tarifpolitik des Verbands zu geben. Wahrend Buchner 169 die Mitwirkung unterhalb dieser Schwelle als zulässig ansieht, will S.-J. Otto 170 den Mitgliedern "Ohne Tarifbindung" ein Mitspracherecht über die Höhe des Arbeitskampffonds einräumen, nicht aber über die Verteilung im Einzelfall. Reuter 171 hingegen hält es für unvereinbar mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz, allen Mitgliedsarbeitgebern die gleichen Beiträge abzuverlangen, einem Teil von ihnen aber die gleichberechtigte Mitbestimmung vorzuenthalten. Seiner Ansicht nach muß der Verband den Arbeitgebern "Ohne Tarifbindung" entweder die gleichen Teilnahmerechte einräumen oder sie umfassend von der tarif- und arbeitskampfpolitischen Tatigkeit des Verbands und de"ren Finanzierung abkoppeln. Der Auffassung von Reuter kann nicht gefolgt werden. Wenn der Verband seine Mitglieder "Ohne Tarifbindung" bei einem Arbeitskampf unterstützt, können diese zur Finanzierung des Arbeitskampffonds herangezogen werden. Sofern die Arbeit166 167 168 169 170 171
Röckl, DB 1993, S. 2382, 2384. S.-J. Ouo, NZA 1996, S. 624, 630; Reuter, RdA 1996, S. 201, 206. Besgen, S. 124; Buchner, NZA 1995, S. 761,767; S.-J. Ouo, NZA 1996, S. 624,630. NZA 1995, S. 761, 767. NZA 1996, S. 624, 630. RdA 1996, S. 201, 207.
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§ 2 Anforderungen an den inneren Aufbau der Arbeitgeberverbände
geber mit und die ohne tarifliche Bindung vergleichbare Leistungen erhalten, ist die Erhebung gleicher Beiträge sachlich gerechtfertigt. Allerdings muß das nicht an den Verbands tarifvertrag gebundene Mitglied von der Entscheidung über den Einsatz der Mittel aus dem Arbeitskampffonds ausgeschlossen werden, um ihm keine Möglichkeit zur Einwirkung auf das Arbeitskampfverhalten des Verbands zu geben. 172 Seine Rechtsposition wird hierdurch jedoch nicht in unzulässiger Weise beeinträchtigt. Die Mittelzuweisung aus dem Arbeitskampffonds liegt zwar im Ermessen des zuständigen Verbandsorgans,I73 dessen Entscheidung ist jedoch wiederum an den Gleichbehandlungsgrundsatz gebunden,I74 so daß sichergestellt wird, daß der nicht in den Tarifvertrag einbezogene Verbandsarbeitgeber bei gleicher Sachlage die gleichen Mittel beanspruchen kann wie die Vollmitglieder.
ce) Ergebnis
Die Beteiligung der Mitglieder "Ohne Tarifbindung" an der Finanzierung der tarif- und arbeitskampfbezogenen Verbandstätigkeit ist mit dem vereinsrechtlichen Gleichheitsgrundsatz vereinbar. Sie stellt keine unzulässige Gleichbehandlung mit den tarifgebundenen Vollmitgliedern dar, sofern die Angehörigen beider Mitgliedsgruppen gleichermaßen an den Verbandsleistungen partizipieren können.
b) Verhandlungsparität
Nach Ansicht einiger Autoren l75 verschiebt die Beteiligung der tariflich nichtgebundenen Arbeitgeber an der finanziellen Ausstattung des Arbeitgeberverbands unzulässigerweise die Parität bei Tarifverhandlungen zuungunsten der Gewerkschaft. Die Verhandlungsstärke einer Tarifpartei bei der Aushandlung eines Tarifvertrags ergibt sich aus ihrer Fähigkeit, die andere Seite in einem Arbeitskampf unter Druck zu setzen. Die Durchsetzungsfähigkeit des Arbeitgeberverbands verbessert sich, wenn er in der Tarif- und Arbeitskampfauseinandersetzung finanzielle Hilfe von den tariffreien Arbeitgebern erhält. Dementsprechend verschlechtern sich die Verhandlungschancen der Gewerkschaft. Dennoch besteht nicht die Notwendigkeit, die Mitglieder "Ohne Tarifbindung" zum Schutz der Verhandlungsparität von der Finanzierung der Verbandsarbeit auszunehmen.
§ 2 IV. 2., S. 75. Buchner, NZA 1995, S. 761, 767. 174 Reuter, RdA 1996, S. 201, 207. 175 Däub1er, NZA 1996, S. 225, 231; Schaub, BB 1994, S. 2005, 2007; ders., BB 1995, S. 2003, 2005. 172
173
IV. Anforderungen an die Binnenverfassung des Arbeitgeberverbands
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Wie später l76 dargestellt wird, kann die Gewerkschaft die tariffreien Arbeitgeber in den Arbeitskampf einbeziehen, wenn diese den Arbeitgeberverband unterstützen und hierdurch das Verhandlungsgleichgewicht stören. Die Gewerkschaft ist berechtigt, in den Betrieben eines verbandsangehörigen Arbeitgebers "Ohne Tarifbindung" zu einem Streik aufzurufen, wenn dieser Arbeitgeber in den Verbands arbeitskampf eingreift. Der Gewerkschaft stehen somit Reaktionsmöglichkeiten zur Verfügung, um die Verschlechterung ihrer Verhandlungssituation auszugleichen. Zur Wahrung der Verhandlungsparität ist es daher nicht erforderlich, die Mitglieder "Ohne Tarifbindung" von der Finanzierung der tarif- und arbeitskampfpolitischen Verbandsarbeit auszuschließen.
c) Beitragserhebung, Haushaltsbeschluß und Demokratiegebot
Eine andere Beurteilung ist aber auf der Grundlage des Demokratieprinzips geboten. Die Verpflichtung der Arbeitgebervereinigungen auf eine demokratische Verbandsverfassung steht der Erhebung gleich hoher Beiträge und der Finanzierung der tarif- und arbeitskampfbezogenen Tätigkeit aus der Gesamtheit der Beiträge entgegen. Es wurde a~fgezeigt, 177 daß die nichttarifgebundenen Arbeitgeber keinen Einfluß auf die Tarif- und Arbeitskampfpolitik des Verbands erhalten dürfen. Dies wäre jedoch bei der Erhebung einheitlicher Beiträge zur finanziellen Deckung aller Bereiche der Verbandstätigkeit der Fall. Über die Höhe der Beiträge und die Verteilung der aus dem allgemeinen Beitragsaufkommen gespeisten Haushaltsmittel entscheidet die Mitgliederversammlung. 178 Bei der Beschlußfassung über die Beiträge und den Haushalt sind alle Mitglieder stimmberechtigt. Eine etwaige Begrenzung der Stimmrechte auf die tarifgebundenen Arbeitgeber widerspräche dem Gleichbehandlungsgrundsatz, da mit den Beiträgen nicht nur die tarif- und arbeitskampfpolitische Tätigkeit, sondern auch die sonstige, alle Mitglieder betreffende Arbeit des Verbands bezahlt wird. Durch die Teilnahme an der Abstimmung über die Beitragshöhe und die Zuweisung der Haushaltsmittel würde den Mitgliedern "Ohne Tarifbindung" jedoch die Möglichkeit eröffnet, auf das Tarif- und Arbeitskampfverhalten des Verbands einzuwirken. Das Zustandekommen des Verbandstarifvertrags würde in unzulässiger Weise durch die Interessen nichttarifunterworfener Dritter mitbestimmt. Dies verstieße gegen das Prinzip, daß sich die tarifpolitischen Entscheidungen des Verbands aJlein auf den Willen der an den Verbandstarifvertrag gebundenen Mitgliedsarbeitgeber zurückführen lassen müssen. Die auf
176
§ 5 II. 1. a), S. 175.
177
§ 2 IV., S. 70; § 2 IV. 2., S. 75.
§ 11 Ziff. I Satz I der Satzung des Verbands der holz- und kunststoffverarbeitenden Industrie Rheinland-Pfalz e. v.; § 8 Ziff. 2 lit. d und e, § 14 Ziff. 1 Satz 2 der Satzung des Verbands der Nord-Westdeutschen Textilindustrie e.V. 178
6 Moll
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§ 2 Anforderungen an den inneren Aufbau der Arbeitgeberverbände
das Tarifgeschehen des Verbands gerichtete interne Willensbildung darf nicht durch Dritte beeinflußt werden. Die Finanzierung der tarif- und arbeitskampfpolitischen Betätigung sowie des Arbeitskampffonds muß daher von der allgemeinen Beitragserhebung getrennt werden. Für die Ausstattung dieser Bereiche der Verbandsarbeit mit Geldmitteln ist die Zahlung eines gesonderten Beitrags durch die tarifgebundenen Mitglieder erforderlich, über dessen Höhe und Verwendung ausschließlich diese Mitgliedsarbeitgeber zu entscheiden haben. Als Ergebnis ist festzuhalten, daß die Einziehung gleicher Beiträge zur umfassenden Finanzierung aller Tätigkeitsbereiche des Verbands unzulässig ist.
d) Ergebnis Die Erhebung einheitlicher Beiträge zur Finanzierung der tarif- und arbeitskampfbezogenen Tätigkeit des Verbands ist mit dem vereinsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz vereinbar und verschiebt nicht in unvertretbarer Weise das Verhandlungsgleichgewicht zu Lasten der Gewerkschaft. Sie verstößt aber gegen die Anforderungen des Gebots innerverbandlicher Demokratie. Die Mitglieder "Ohne Tarifbindung" müßten auf der Mitgliederversammlung an der Abstimmung über die Beitragshöhe und die Zuweisung der Haushaltsmittel beteiligt werden, wodurch sie einen unzulässigen Einfluß auf die Arbeitskampffähigkeit und die Tarifpolitik des Verbands erhielten.
4. Ergebnis zu IV. Die Arbeitgeberverbände sind verpflichtet, die interne Willensbildung in tarifund arbeitskampfpolitischen Angelegenheiten nach demokratischen Grundsätzen zu organisieren. Die Entscheidung des Verbands muß sich auf den Willen seiner Mitglieder zurückführen lassen. Aus diesem Grund muß das Tarif- und Arbeitskampfverhalten des Verbands von der Mitgliederversammlung oder einem anderen von der Mitgliederversammlung zu bestellenden Verbandsorgan geregelt werden. Bei der Gestaltung der Tarif- und Arbeitskampfpolitik muß der Verband jeden unmittelbaren und mittelbaren Einfluß der Mitgliedsarbeitgeber "Ohne Tarifbindung" ausschließen. Daher muß er diesen Verbandsmitgliedern das Stimmrecht bei der Beschlußfassung der Mitgliederversammlung in tarif- und arbeitskampfpolitischen Fragen vorenthalten. Zum anderen darf er sie nicht an der Finanzierung der tarifpolitischen Arbeit und des Arbeitskampffonds durch die Erhebung verbandseinheitlicher Beiträge beteiligen. Zur finanziellen Ausstattung der tarifpolitischen Arbeit des Verbands und des Arbeitskampffonds müssen deshalb gesonderte Beiträge von den Mitgliedsarbeitgebern mit Tarifbindung erhoben werden.
V. Folgen eines Verstoßes gegen das Demokratieprinzip
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V. Folgen eines Verstoßes gegen das Demokratieprinzip Abschließend ist der Frage nachzugehen, welche Folgen eintreten, wenn die Verbandsverfassung nicht den demokratischen Erfordernissen entspricht. Verstöße gegen das Demokratiegebot können daraus resultieren, daß der Arbeitgeberverband seinen tarifgebundenen Mitgliedern keine Mitwirkungsrechte einräumt oder den verbandsangehörigen Arbeitgebern ohne tarifliche Bindung die Einflußnahme auf die tarif- und arbeitskampfpolitische Entscheidungsfindung ermöglicht.
1. Einbeziehung der Mitglieder "Ohne Taritbindung" in die Tarifpolitik . Wenn der Arbeitgeberverband seine Mitglieder "Ohne Tarifbindung" unzulässigerweise an der innerverbandlichen Gestaltung der Tarifarbeit teilnehmen läßt, sollen sie nach einer in der Literatur vertretenen Ansicht l79 in die Anwendung des Tarifvertrags einbezogen werden. Es wird ihnen verwehrt, sich auf die fehlende Vollmitgliedschaft zu berufen. Zur Begründung wird darauf verwiesen, daß es rechtsmißbräuchlich und mithin unzulässig sei, einerseits an der Formulierung der Verbandsmeinung in Tariffragen mitzuwirken, gleichzeitig aber die Erfüllung der Pflichten aus dem Tarifvertrag zu verweigern. Dieser Gedanke scheint auf den ersten Blick schlüssig. Wenn nur derjenige an den Tarifvertrag gebunden ist, der sich verbandsintern an der tarifpolitischen Entscheidungsfindung beteiligen kann, so unterliegt umgekehrt auch jeder den Tarifnormen, dem die Satzung die Mitbestimmung eröffnet. Allerdings wird zum einen nicht beachtet, daß sich das Mitglied "Ohne Tarifbindung" nicht der Tarifgewalt seines Verbands unterworfen und dem Arbeitgeberverband nicht die erforderliche Ermächtigung zur Rechtsetzung erteilt hat. Des weiteren ist das Risiko der fehlerhaften Satzungsregelung dem Verband zuzuweisen, nicht hingegen dem einzelnen Mitglied, das zumindest im Zeitpunkt seines Beitritts keine Einflußmöglichkeit auf den Inhalt der Satzung hat. Daher kann die Rechtsfolge des Fehlverhaltens des Verbands nicht in der Tarifgebundenheit seiner nach der Satzung tariffreien Mitglieder bestehen.
2. Demokratische Verbandsverfassung und Tariträhigkeit Es wurde bereits mehrfach betont, daß die demokratische Binnenstruktur des Verbands eine Voraussetzung für dessen tarifvertragliche Rechtsetzungsbefugnis ist. Hängt aber die Berechtigung des Verbands zur tarifvertraglichen Normgebung von der Einhaltung demokratischer Prinzipien ab, dann ist die Beachtung des De179
6'
S.-J. OUo, NZA 1996, S. 624, 628 f.
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§ 2 Anforderungen an den inneren Aufbau der Arbeitgeberverbände
mokratiegebots durch den Verband eine Voraussetzung für dessen Tariffähigkeit. Einem Arbeitgeberverband müßte demzufolge die Fähigkeit zum Abschluß von Tarifverträgen abgesprochen werden, sollte er die Anforderungen an eine nach demokratischen Grundsätzen organisierte Willensbildung nicht erfüllen. In der Literatur wird diese Konsequenz jedoch nur von einigen Autoren l80 gezogen. Die Mehrzahl der Vertreter des Schrifttums 181 folgt dem nicht. Es wird befürchtet, daß die bestehenden Tarifverbände den demokratischen Anforderungen nicht genügen könnten und das Tarifwesen in Ermangelung tariffähiger Akteure seine Bedeutung verlöre. 182 Teilweise l83 wird darauf verwiesen, daß Art. 9 Abs. 3 GG die Rechtsordnung verpflichtet, ein funktionsfähiges Tarifvertragssystem zur Verfügung zu stellen. Deswegen dürfe die Tariffähigkeit nicht an Bedingungen gebunden werden, die die bestehenden Verbände derzeit nicht erfüllten. Außerdem wird vorgebracht, die Tariffähigkeit könne nicht von einer derart ungewissen Voraussetzung abhängen, wie sie das Demokratieprinzip zur Zeit noch darstelle. 184 Es solle zwar nicht der Geltungsanspruch des Demokratiegebots gehemmt sein, aber seine Wirksamkeit, solange detaillierte Bestimmungen über seine Objekte und die Modi seiner Realisierung fehlten. 185 Aus diesem Grund wird zum Teil 186 gefordert, die Verbände gänzlich von den Anforderungen einer demokratischen Organisation freizustellen, solange eine gesetzliche Regelung fehlt. Es ist jedoch zu bedenken, daß in den Bereichen, die der Gesetzgeber nicht normiert hat, den Gerichten und der Lehre die Aufgabe zufällt, regelnd tätig zu werden. Sie müssen dort, wo gesetzliche Vorgaben fehlen, das materielle Recht mit den anerkannten Methoden der Rechtsfindung aus den allgemeinen Rechtsgrundlagen ableiten. 187 Dies gilt insbesondere für das Tarifrecht. Der Gesetzgeber hat es unterlassen, die Voraussetzungen für die Tariffähigkeit zu normieren. Diese Aufgabe hat er der Rechtsprechung und der Rechtswissenschaft überantwortet, 188 die einen umfassenden Katalog der Voraussetzungen erstellt haben. 189 180 Löwisch, in: Münchener Handbuch Arbeitsrecht, § 248 Rdnr. 31; ders.l Rieble, TVG, § 2 Rdnr. 49; S.-J. Qtto, NZA 1996, S. 624,628; Ramm, Willensbildung, S. 119. 181 W. Martens, S. 168; Nipperdey / Säcker, in: AR-Blattei D, Berufsverbände I, unter C. I. 3.; Schüren, Legitimation, S. 275; Wiedemann/Stumpf, § 2 Rdnr. 162. 182 Schüren, Legitimation, S. 275. 183 Schüren, Legitimation, S. 275. 184 Wiedemann/Stumpf, § 2 Rdnr. 162. 18~ W. Martens, S. 168; Nipperdey / Säcker, in: AR-B1attei D, Berufsverbände I, unter C. I. 3. 186 Weick, in: Staudinger, Vorbem. zu §§ 21 ff. Rdnr. 42. 187 BVerfGE 84, S. 212, 226. 188 Einleitung, S. 18. 189 Um tariffähig zu sein, muß ein Arbeitgeberverband neben dem demokratischen Aufbau folgende Merkmale aufweisen: Es muß sich um eine frei gebildete, auf Dauer ausgerichtete, privatrechtliche Vereinigung zum Zwecke der Erhaltung und Förderung der Arbeits- und
V. Folgen eines Verstoßes gegen das Demokratieprinzip
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Die von ihnen erarbeiteten Anforderungen sind für die Tariffähigkeit konstitutiv. Liegen sie im Einzelfall nicht vor, wird die Tariffähigkeit verneint. l90 Es ist kein Grund ersichtlich, in bezug auf das Erfordernis einer nach demokratischen Grundsätzen organisierten Willensbildung in Tariffragen davon abzuweichen. Etwas anderes wäre nur dann anzunehmen, wenn es dem Verband im Rahmen des für ihn geltenden Vereinsrechts nicht möglich wäre, die demokratischen Erfordernisse umzusetzen. Die Rechtsordnung darf nichts verlangen, was rechtlich unmöglich ist. Die in der vorliegenden Arbeit auf der Grundlage des Demokratiegebots erstellten Mindestanforderungen an die Verbands verfassung lassen sich jedoch innerhalb des geltenden bürgerlichrechtlichen Vereinsrechts verwirklichen. Dies gilt auch für die Bedingungen, die im Hinblick auf die Mitgliedschaft "Ohne Tarifbindung" herausgearbeitet wurden. Der Verband muß lediglich sicherstellen, daß die Entscheidungen in tarif- und arbeitskampfpolitischen Angelegenheiten durch die Mitgliederversammlung oder den "Sozialpolitischen Ausschuß" getroffen werden und das aktive Wahlrecht bei der erforderlichen Beschlußfassung den tarifgebundenen Mitgliedsarbeitgebern vorbehalten bleibt. Diese demokratische Organisation entspricht der in § 32 Abs. 1 BGB ausgedrückten Grundkonzeption, bei der der Verein von der Willensbildung seiner Mitglieder getragen wird. 191 Des weiteren muß die Finanzierung der Tarifarbeit und des Arbeitskampffonds vom allgemeinen Beitragsaufkommen getrennt werden. Über die Höhe dieser gesondert zu erhebenden Beiträge und deren Verwendung dürfen allein die tarifgebundenen Verbandsmitglieder beschließen. Die Abschichtung der Stimmrechte und die Erhebung besonderer Beiträge sind mit dem vereinsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz vereinbar. Von den Arbeitgeberverbänden, die die Mitgliedschaft "Ohne Tarifbindung" anbieten, wird folglich nichts verlangt, was sie nach den Bestimmungen des geltenden Rechts nicht erfüllen können. Es ist deswegen nicht gerechtfertigt, der Verpflichtung auf einen demokratischen Aufbau eine geringere rechtliche Bedeutung beizumessen als den anderen Voraussetzungen der Tariffahigkeit. Allerdings muß berücksichtigt werden, daß von der Frage der Tariffahigkeit eines Arbeitgeberverbands nicht nur er selbst, sondern auch die Gewerkschaft als seine soziale Gegenspielerin betroffen wird. Als außenstehende Dritte, die auf die innere Verbandsverfassung ihres Gegenübers keinen Einfluß hat, ist sie im Hinblick auf ihre tarifvertragliche Handlungsfahigkeit schutz würdig. Wirtschaftsbedingungen mit körperschaftlicher Organisation handeln, die gegnerfrei, unabhängig von Staat, Parteien und Kirche ist und über den Bereich des einzelnen Unternehmens hinausgreift. Des weiteren muß sie tarifwillig sein und das geltende Tarif-, Schlichtungs- und Arbeitskampfrecht für sich als verbindlich anerkennen (BAG, AP Nr. 24 zu Art. 9 GG, BI. 3 verso; Nr. 30 zu § 2 TVG, BI. 3; A. Hueck/Nipperdey, 11./1., § 20 III. A., S. 426 ff.; Löwisch, ZfA 1970, S. 295, 296; ders./Rieble, TVG, § 2 Rdnrn. 3 ff.). 190 BAG, AP Nr. 25 zu § 2 TVG, BI. 4; A. Hueck/Nipperdey, 11.11., § 20 V., S. 441; Löwisch/Rieble, TVG, § 2 Rdnr. 46. 191 § 21., S. 48 f.
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§ 2 Anforderungen an den inneren Aufbau der Arbeitgeberverbände
Ihre Interessen bleiben jedoch gewahrt. Sie kann gemäß § 2a Abs. 1 Nr. 4 ArbGG die Tariffähigkeit eines Arbeitgeberverbands gerichtlich überprüfen lassen, bevor sie Tarifverhandlungen eröffnet oder einen Streik einleitet. Des weiteren bleibt ihr gemäß § 2 Abs. 1 TVG die Möglichkeit zum Abschluß von Firmentarifverträgen, sofern sich ein Arbeitgeberverband im Einzelfall wegen des Verstoßes gegen das Demokratieprinzip als nicht tariffähig erweist, so daß ihre Fähigkeit, mit der Arbeitgeberseite Tarifverträge abzuschließen, nicht beeinträchtigt wird. Es stehen daher keine Gründe entgegen, einem Arbeitgeberverband die Tariffähigkeit abzuerkennen, dessen Entscheidungsfindung in tarifpolitischen Fragen den hier erarbeiteten demokratischen Anforderungen nicht entspricht.
VI. Gesamtergebnis zu § 2 Der Arbeitgeberverband muß die Willensbildung in Tarif- und Arbeitskampffragen nach demokratischen Grundsätzen organisieren. Er ist verpflichtet, seine tarifgebundenen Mitglieder an der verbandsinternen Entscheidungsfindung zu beteiligen, um sicherzustellen, daß die Mitglieder ihre tarifbezogenen Belange einbringen können und ihre Interessen durch die Verbandsbeschlüsse repräsentiert werden. Dies ist eine Voraussetzung für die Berechtigung des Verbands, gegenüber den tarifgebundenen Mitgliedsarbeitgebern verbindliche Tarifnormen zu setzen. Die Entschließungen des Verbands müssen sich vom Willen der tarifgebundenen Vollmitglieder ableiten lassen. Aus diesem Grund sind die tarif- und arbeitskampfpolitischen Angelegenheiten von der Mitgliederversammlung zu regeln oder auf den "Sozialpolitischen Ausschuß" zu übertragen, der wiederum von der Mitgliederversammlung bestellt wird. Die Mitglieder "Ohne Tarifbindung" sind vom Prozeß der Willensbildung in tarif- und arbeitskampfpolitischen Fragen fernzuhalten, um zu gewährleisten, daß der Wille der tarifgebundenen Vollmitglieder im Verbandsbeschluß authentisch wiedergegeben wird. Ein Verband, der die genannten Anforderungen an den inneren Aufbau nicht erfüllt, verliert seine Tariffähigkeit.
§ 3 Tarifrechtliche Folgen des Wechsels von der Vollmitgliedschaft zur Mitgliedsgruppe "Ohne Taritbindung" Die Verbände bieten ihren tarifgebundenen Vollmitgliedern die Möglichkeit zum Übertritt in die Mitgliedsgruppe "Ohne Tarifbindung" an. I Sie wollen ihnen die Chance eröffnen, sich bei fortbestehender Verbandszugehörigkeit von den Tarifverträgen zu lösen. Zu prüfen ist, ob sie dieses Ziel erreichen können. In der Literatur wird einhellig die Ansicht2 vertreten, daß der Wechsel der Mitgliedskategorie dem Ausscheiden aus dem Verband gleichsteht und daher § 3 Abs. 3 TVG anzuwenden ist.
Nach § 3 Abs. 3 TVG bleibt die Tarifgebundenheit bestehen, bis der Tarifvertrag endet. Ein tarifgebundener Arbeitgeber kann sich nicht durch die Aufkündigung der Mitgliedschaft vom Tarifvertrag befreien. Es soll verhindert werden, daß ein Arbeitgeber, der einen Tarifvertragsschluß durch seine Verbandszugehörigkeit legitimiert hat, nachträglich die Tarifgebundenheit ablegen und sich den Verpflichtungen aus dem Tarifvertrag entziehen kann. 3 Auf diese Weise wird die Kontinuität des Tarifvertrags sichergestellt und die Tarifautonomie stabilisiert. 4 Es wird gewährleistet, daß der Tarifvertrag seine Gestaltungsaufgabe gegenüber den Arbeitsverhältnissen und seine Schutzfunktion für die Arbeitnehmer erfüllen kann. S Eine weitere Zielsetzung des § 3 Abs. 3 TVG besteht darin, dem Arbeitgeberverband eine hohe Mitgliederzahl zu erhalten. Durch die Fortsetzung der Tarifgebundenheit soll dem Arbeitgeber der Anreiz genommen werden, den Verband zu 1 § 4 Ziff. 2 Satz 2 der Satzung des Verbands der ho1z- und kunststoffverarbeitenden Industrie Rhein1and-Pfa1z e.v.; § 3 Ziff. 4 1it. b Satz 3 der Satzung des Verbands der Nord-Westdeutschen Textilindustrie e. V. 2 Besgen, S. 104; Buchner, NZA 1994, S. 2, 9; Oäub1er, ZTR 1994, S. 448, 453; ders., NZA 1996, S. 225,231; Garnillscheg, 1., § 14 I. 6. a) (3), S. 529; Ostrop, S. 129; S.-J. Otto, NZA 1996, S. 624, 630; Reuter, RdA 1996, S. 201, 208, 209. 3 BauerlDiller, OB 1993, S. 1085; Hersche1, ZfA 1973, S. 183, 192; Lieb, NZA 1994, S. 337; Löwisch, in: Münchener Handbuch Arbeitsrecht, § 260 Rdnr. 22; ders./Rieb1e, TVG, § 3 Rdnr. 74; Wiedemann I Stumpf, § 3 Rdnr. 29. 4 Biedenkopf, Tarifautonomie, S. 231; Oah1bender, S. 31 f.; Lieb, NZA 1994, S. 337; Richardi, Kollektivgewalt, S. 224. 5 Buchner, Oiss., S. 88; Bieback, OB 1989, S. 477; Konzen, ZfA 1975, S. 401, 411. Zur Schutzfunktion des Tarifvertrags: § 1 I. 3. c) aa), S. 27.
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§ 3 TarifrechtIiche Folgen des Wechsels
verlassen. 6 Mit dem Austritt verliert er zwar seine vereinsrechtlichen Pflichten, er kann sich jedoch nicht von der tarifvertraglichen Ordnung befreien. Er begibt sich zudem der Möglichkeit, an der Willensbildung des Verbands teilzunehmen und dessen Tarifpolitik zu beeinflussen. Der Austritt bietet ihm folglich keine tarifrechtlichen Vorteile. Aus diesem Grund werden sich viele Arbeitgeber für den Verbleib im Verband entscheiden, wodurch dessen Bestand gefestigt wird.
I. Verfassungsmäßigkeit des § 3 Abs. 3 TVG Im Schrifttum7 werden allerdings im Hinblick auf die negative Koalitionsfreiheit verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Zu lässigkeit der fortbestehenden Tarifgebundenheit erhoben. Unter der negativen Koalitionsfreiheit wird die Freiheit verstanden, eine Koalition verlassen oder ihr von vornherein fernbleiben zu können;8 der Außenseiter darf nicht durch sozial inadäquaten Druck zur Mitgliedschaft gezwungen werden. 9 Darüber hinaus schützt die negative Koalitionsfreiheit den Nichtorganisierten davor, von der Tätigkeit der Koalitionen erfaßt zu werden. 1O Sie dient mithin dem Schutz vor Fremdbestimmung und sichert dem einzelnen das Recht zur privatautonomen Gestaltung der Arbeitsbedingungen. Die negative Koalitionsfreiheit wird im Grundgesetz zwar nicht ausdrücklich erwähnt, ihre Existenz wird von der Rechtsprechung ll und der Lehre 12 jedoch anerkannt. Umstritten ist allerdings ihre verfassungsrechtliche Grundlage.
6 BAG, AP Nr. 3 zu § 3 TVG - Verbandsaustritt, BI. 3 verso; Herschel, ZfA 1973, S. 183, 192; Krebs, SAE 1993, S. 133, 138; Rieble, SAE 1994, S. 158, 159; Schaub, ArbeitsrechtsHandbuch, § 206 11. 3. a), S. 1724; ders., BB 1994, S. 2005, 2006; ders., BB 1995, S. 2003. 7 Adomeit, S. 158; Biedenkopf, Tarifautonomie, S. 99, Fn. 147, S. 231; Dietz, RdA 1957, S. 178, 179; Reuter, ZfA 1995, S. 1,40. 8 BVerfGE 57, S. 220,245; 73, S. 261, 270; 84, S. 212, 224; BAG, AP Nr. 13 zu Art. 9 GG, BI. 18 f.; Löwisch, in: Münchener Handbuch Arbeitsrecht, § 237 Rdnr. 3. 9 BVerfGE 44, S. 322, 352; BAG, AP Nr. 13 zu Art. 9 GG, BI. 23 verso f.; Löwisch, in: Münchener Handbuch Arbeitsrecht, § 237 Rdnr. 3. 10 Biedenkopf, Tarifautonomie, S. 99; Buchner, Diss., S. 60 f.; Dahlbender, S. 23; Henssler, ZfA 1994, S. 487, 498; Oetker, gern. Anm. zu BAG, EzA Nm. 14 und 15 zu § 4 TVGNachwirkung, S. 17,25; Zöllner, RdA 1962, S. 453, 458. 11 BVerfGE 57, S. 220, 245; 73, S. 261, 270; BAG, AP Nr. 13 zu Art. 9 GG, BI. 19; Nr. 46 zu Art. 9 GG, BI. 5; Nr. 47 zu Art. 9 GG, BI. 5 verso f.; Nr. 1 zu § 3 TVG - Betriebsnorrnen, BI. 3 verso. 12 Dietz, RdA 1957, S. 178, 179; A. Hueck / Nipperdey, 11./1., § 10 11. 2. b), S. 159; Löwisch, in: Münchener Handbuch Arbeitsrecht, § 237 Rdnr. 3; D. Neumann, RdA 1989, S. 243, 245,246; Nikisch, 11., § 58 III. 1., S. 29.
I. Verfassungsmäßigkeit des § 3 Abs. 3 TVG
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Überwiegend 13 wird sie als Korrelat der positiven Koalitionsfreiheit aus Art. 9 Abs. 3 Satz 1 GG abgeleitet. Die Freiwilligkeit der Koalitionsbildung setze voraus, daß sich der einzelne Grundrechtsträger gegen den Beitritt zu einer Vereinigung entscheiden oder nach erfolgtem Eintritt wieder austreten könne. Die Freiheit, eine grundrechtlich gewährleistete Handlung vorzunehmen, bleibe nur gewahrt, wenn der Berechtigte auf die Ausübung verzichten könne. Vereinzelt wird die negative Koalitionsfreiheit der allgemeinen Vereinigungsfreiheit des Art. 9 Abs. 1 GG I4 oder der allgemeinen Handlungsfreiheit im Sinne des Art. 2 Abs. 1 GG I5 zugeordnet und unterhalb des Rangs der positiven Koalitionsfreiheit angesiedelt. Es ist jedoch der herrschenden Meinung zu folgen. Die grundrechtlich garantierte Freiwilligkeit der Koalitionsgründung und des Beitritts verbietet die zwangsweise Inkorporation. Daher. ist die negative Koalitionsfreiheit als Komplementärgrundrecht zur positiven Koalitionsfreiheit wie diese aus Art. 9 Abs. 3 Satz 1 GG abzuleiten. Das Fembleiberecht ergänzt die Freiheit des Sichzusammenschließens zum Zwecke der Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen, so daß beide Grundrechte derselben Rechtsgrundlage zuzuweisen sind. Art. 9 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG treten als Standorte der negativen Koalitionsfreiheit hinter den spezielleren Art. 9 Abs. 3 Satz 1 GG zurück. Die negative Koalitionsfreiheit des austrittswilligen Arbeitgebers wird durch § 3 Abs. 3 TVG auf zweifache Weise verkürzt. Die Regelung ist darauf gerichtet, den Verbandsangehörigen vom Austritt abzuhalten. 16 Darüber hinaus bleibt der Arbeitgeber, wenn er sich zum Austritt entschließt, durch die Fortdauer der Tarifgebundenheit weiterhin in die tarifvertraglichen Bestimmungen des Verbands einbezogen, obwohl er diesem nicht mehr mitgliedschaftlich verbunden ist. 17 Das Bundesarbeitsgericht l8 hält § 3 Abs. 3 TVG dennoch für vereinbar mit der negativen Koalitionsfreiheit. Zur Begründung verweist es auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts l9 zur Verfassungsmäßigkeit der Allgemeinverbindlicherklärung nach § 5 TVG. Dem Bundesarbeitsgericht ist im Ergebnis, aber nicht in der Begründung zu folgen. Das Bundesverfassungsgericht hat in der genannten Entscheidung nur festge-
13 BVerfGE 57, S. 220, 245; 73, S. 261, 270; BAG, AP Nr. 13 zu Art. 9 GG, BI. 18 f.; Dietz, RdA 1957, S. 178, 179; Löwisch, in: Münchener Handbuch Arbeitsrecht, § 237 Rdnr. 3, § 238 Rdnr. 35; D. Neumann, RdA 1989, S. 243, 245; Nikisch, 11., § 58111. 1., S. 29. 14 Däubler I Hege, Rdnr. 174. 15 Biedenkopf, JZ 1961, S. 346, 352; A. Hueck/Nipperdey, 11./1., § 10 11.2. b), S. 159. 16 Oetker, gern. Anm. zu BAG, EzA Nm. 14 und 15 zu § 4 TVG - Nachwirkung, S. 17, 22; Rieble, SAE 1994, S. 158, 159. 17 Buchner, Diss., S. 61, 85; Dahlbender, S. 24. 18 AP Nr. 15 zu § 3 TVG, BI. 1 verso. 19 BVerfGE 44, S. 322,352.
§ 3 Tarifrechtliehe Folgen des Wechsels
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stellt, daß § 5 TVG nicht das Recht des Außenseiters verletzt, einer Koalition fernzubleiben, da durch die Allgemeinverbindlichkeit des Tarifvertrags kein Beitrittszwang ausgeübt wird. Das Bundesverfassungsgericht hat hingegen nicht die weitere Frage untersucht, ob es zulässig ist, die tarifvertragliche Ordnung auf die Nichtmitglieder zu erstrecken, so daß die Bezugnahme des Bundesarbeitsgerichts auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu kurz greift, um die Verfassungsmäßigkeit des § 3 Abs. 3 TVG zu begründen?O Die Rechtfertigung für die fortgesetzte Tarifgebundenheit ist in der mitgliedschaftlichen Legitimation des geltenden Tarifvertrags zu suchen. 21 Der Arbeitgeber gehörte zur Zeit des Abschlusses des Tarifvertrags dem tarifschließenden Arbeitgeberverband an. Er hat sich durch seinen Beitritt der Rechtsetzung durch Tarifvertrag unterworfen und durch die verbandsinterne Willensbildung an dessen Zustandekommen mitgewirkt. Den geltenden Tarifvertrag hat er folglich mitgetragen. Gegen diese Argumentation wird jedoch eingewendet, die Unterwerfung erkläre nur die während der Verbandsangehörigkeit bestehende Tarifgebundenheit. Durch den Austritt werde aber die an die Mitgliedschaft gekoppelte Unterwerfung aufgehoben, so daß der Arbeitgeber vom Tarifvertrag zu entpflichten sei. 22 Bei diesem Einwand wird nicht berücksichtigt, daß der Arbeitgeber in dem Umfang an die tarifvertragliche Rechtsetzung seines Verbands gebunden ist, in dem er sich ihr unterworfen hat. Die Ennächtigung zur Nonngebung bezieht sich auf den gesamten Tarifvertrag und mithin auch auf dessen Laufzeit. Auf der Grundlage der mitgliedschaftlich begründeten Legitimation ist es daher gerechtfertigt und mit der negativen Koalitionsfreiheit vereinbar, wenn § 3 Abs. 3 TVG die Tarifgebundenheit bis zum Ende des Tarifvertrags anordnet.
11. Anwendbarkeit des § 3 Abs. 3 TVG beim Wechsel der Mitgliedskategorie Die eingangs erwähnte, in der Literatur befürwortete Anwendbarkeit des § 3 Abs. 3 TVG auf den Fall des Übertritts des verbandsangehörigen Arbeitgebers in die Mitgliedsgruppe "Ohne Tarifbindung" wird zum einen mit dem Schluß a maiore ad minus erklärt: 23 Wenn der Austritt die Tarifgebundenheit nicht beende, dann erst recht nicht die Umwandlung der Mitgliedsfonn bei fortbestehender VerbandszugeDahlbender, S. 24, Fn. 2. Bieback, DB 1989, S. 477, 478; Buchner, Diss., S. 86 ff.; Kempen/Zachert, § 3 Rdnr. 22; Richardi, Kollektivgewalt, S. 222 f.; Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch, § 206 11. 3. a), S. 1724; ders., BB 1994, S. 2005, 2006; ders., BB 1995, S. 2003. 22 Dahlbender, S. 25 f. 23 Besgen, S. 105; Buchner, NZA 1994, S. 2, 9; Reuter, RdA 1996, S. 201, 208. 20
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11. Anwendbarkeit des § 3 Abs. 3 TVG
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hörigkeit. Darüber hinaus wird auf das Ziel der Vorschrift verwiesen. 24 Die gesetzliche Regelung soll verhindern, daß sich der Arbeitgeber nachträglich dem von ihm legitimierten Tarifvertrag entzieht. Daher sei es gerechtfertigt, § 3 Abs. 3 TVG auf den Arbeitgeber anzuwenden, der mit seinem Übertritt in die Mitgliedsgruppe "Ohne Tarifbindung" gerade anstrebe, sich vom Tarifvertrag zu lösen. Der herrschenden Ansicht zur Anwendbarkeit des § 3 Abs. 3 TVG auf den Wechsel der Mitgliedskategorie kann aber nur teilweise zugestimmt werden. § 3 Abs. 3 TVG hält die mit der Mitgliedschaft gemäß § 3 Abs. 1 TVG begründete Tarifgebundenheit aufrecht. Mitglieder im Sinne des § 3 Abs. 1 TVG sind Vollmitglieder, die sich durch ihren Beitritt der Tarifrnacht ihres Verbands unterworfen haben?5 § 3 Abs. 3 TVG ist anzuwenden, wenn der Arbeitgeber die Vollmitgliedschaft abstreifen und hierdurch die Tarifgebundenheit ablegen möchte. Dies trifft auf den Arbeitgeber zu, der mit der Veränderung seiner mitgliedschaftlichen Beziehung zum Verband die Stellung als Vollmitglied aufgibt; insoweit läßt sich der Wechsel in die Mitgliedskategorie "Ohne Tarifbindung" unmittelbar unter den Tatbestand des § 3 Abs. 3 TVG subsumieren.
Es ist aber zu bedenken, daß der Arbeitgeber mit dem Wechsel nicht nur seinen Mitgliedsstatus ändert, sondern in einen Bereich eintritt, für den der Verband nicht tarifzuständig ist. 26 Dieses wird von denjenigen Autoren27 nicht berücksichtigt, die die Mitgliedschaft ohne tarifliche Bindung zwar als Begrenzung der Tarifzuständigkeit deuten, im Übertritt jedoch lediglich die Aufgabe der Vollmitgliedschaft im Sinne des § 3 Abs. 1 TVG sehen. Die Fortwirkung der Tarifgebundenheit gemäß § 3 Abs. 3 TVG erfordert, daß außer der Vollmitgliedschaft weiterhin alle sonstigen Geltungsvoraussetzungen des Tarifvertrags erfüllt sind,28 zu denen die Tarifzuständigkeit zählt. 29 Der Wortlaut des § 3 Abs. 3 TVG erlaubt es zwar, auf die Norm zurückzugreifen, wenn die Tarifzuständigkeit nachträglich entfällt; es widerspricht aber der Gesetzessystematik. Die Vorschrift kann ausschließlich auf den Fall der Beendigung der Mitgliedschaft angewendet werden. Dies ergibt sich aus ihrer Einbettung in § 3 TVG und der daraus folgenden Bezugnahme auf den ersten Absatz dieses Paragraphen, der einzig die Tarifgebundenheit des Mitglieds regelt, nicht aber die Tarifzuständigkeit des Verbands. 24 Däubler, ZTR 1994, S. 448, 453; ders., NZA 1996, S. 225, 231; Ostrop, S. 129; S.-J. Otto, NZA 1996, S. 624, 631. 25 § 1 I. 2., S. 21 ff. 26 § 1 11.2. b), S. 39 ff. 27 Besgen, S. 93, 104, 107; Buchner, NZA 1994, S. 2, 4 ff., 9; S.-I. Otto, NZA 1996, S. 624, 629, 631; Reuter, RdA 1996, S. 201, 203 ff., 208. 28 Wiedemann I Stumpf, § 3 Rdnr. 32. 29 BAG, AP Nr. 17 zu § 613a BGB, BI. 3; Nr. 2 zu § 3 TVG - Verbandsaustritt, BI. 2 verso; Bieback, DB 1989, S. 477, 478; Kempen/Zachert, § 3 Rdnr. 26; Konzen, ZfA 1975, S. 401, 417; Wiedemann, RdA 1975, S. 78, 83; ders.lStumpf, § 3 Rdnr. 32.
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In Betracht kommt allerdings die analoge Anwendung. Voraussetzungen der Gesetzesanalogie sind das Vorhandensein einer planwidrigen Gesetzeslücke und die Vergleichbarkeit des von der Norm erfaßten und des zu regelnden Sachverhalts. 30 Die Tarifzuständigkeit wird im Tarifvertragsgesetz nicht erwähnt, so daß das Gesetz auch keine ausdrückliche Bestimmung für ihren nachträglichen Wegfall beinhaltet. Im Schrifttum 31 wird aber zum Teil auf § 4 Abs. 5 TVG zurückgegriffen, wenn der Verband nach Tarifvertragsschluß die Tarifzuständigkeit für einzelne seiner Mitgliedsarbeitgeber verliert. Gemäß § 4 Abs. 5 TVG gelten die Tarifnormen nach Ablauf des Tarifvertrags weiter, verlieren jedoch ihre zwingende Wirkung. Es könnte daher bereits im Gesetz selbst eine Lösung angelegt sein, die der Analogie entgegenstünde. § 4 Abs. 5 TVG wird beim Wegfall der Tarifzuständigkeit von den Vertretern der genannten Rechtsansicht aber nur angewendet, wenn der Arbeitgeber durch die Umstellung der Produktion aus dem sachlichen Zuständigkeitsbereich des Verbands herauswächst. Bei derartigen Sachverhalten ist es geboten, den Arbeitgeber aus der zwingenden Anwendung des Tarifvertrags zu entlassen, um es ihm zu ermöglichen, die Arbeitsbedingungen an die geänderten Produktionsbedürfnisse anzupassen. Demgegenüber bleiben beim Übertritt in die Mitglieds gruppe "Ohne Tarifbindung" die Produktionsverhältnisse unverändert, so daß sich die Geltung des § 4 Abs. 5 TVG nicht übertragen läßt. Das Tarifvertragsgesetz beinhaltet folglich keine Bestimmung für den Fall des nachträglichen Austritts eines Mitglieds aus der Tarifzuständigkeit des Verbands und ist insoweit lückenhaft. Die Lücke kann durch die analoge Anwendung des § 3 Abs. 3 TVG ausgefüllt werden. Dies erfordert, daß der Fall des Wechsels in die Mitgliedsgruppe, für die der Verband nicht tarifzuständig ist, in den Regelungszweck dieser Vorschrift einbezogen werden kann. § 3 Abs. 3 TVG ist aufgrund der Erfahrungen aus der Rechtslage unter der Geltung der Tarifvertragsverordnung in das Tarifvertragsgesetz aufgenommen worden. 32 Gemäß § 1 Abs. 2 TVVO blieb die Tarifgebundenheit des ehemaligen Mitglieds nach seinem Austritt nur dann bestehen, wenn es dem tarifvertragschließenden Verband beim Abschluß des Arbeitsvertrags bereits angehört hatte. Der Arbeitgeber konnte daher die durch § lAbs. 2 TVVO fortgesetzte Bindung an den Tarifvertrag ablegen, indem er den Verband verließ und im Anschluß daran den Arbeitsvertrag kündigte und erneut abschloß. 33 Da das neue Arbeitsverhältnis wähLarenz, S. 370 ff., 381. Kempen/Zachert, § 3 Rdnr. 26; Konzen, ZfA 1975, S. 401, 417; Wiedemann, RdA 1975, S. 78, 83. 32 Kempen I Zachert, § 3 Rdnr. 21; Wiedemann I Stumpf, § 3 Rdnr. 28. 33 A. Hueck/Nipperdey, 11./1., § 23 V. 3. a), S. 490; E. Molitor, § I Rdnr. 50; Nikisch, 11., § 71 IV. 2., S. 271; Wiedemann/Stumpf, § 3 Rdnr. 28. 30 31
III. Dauer der Tarifgebundenheit
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rend der Verbandszugehörigkeit des Arbeitgebers noch nicht bestand, unterlag es nicht dem Tarifvertrag. Diese Möglichkeit, aus dem Wirkungsbereich des Tarifvertrags auszuscheiden, wollte der Gesetzgeber dem Arbeitgeber mit der Neuregelung des Tarifvertragsrechts nehmen. § 3 Abs. 3 TVG soll verhindern, daß sich der Arbeitgeber durch die Ausnutzung privatrechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten der Tarifgebundenheit entziehen kann. 34 Dieser Gesichtspunkt müßte, um die Analogie rechtfertigen zu können, auch beim Wechsel der Mitgliedskategorie zum Tragen kommen. Dies ist der Fall. Mit dem Übertritt von der Gruppe der dem Tarifvertrag unterworfenen Vollmitglieder zu den Mitgliedern "Ohne Tarifbindung" bezweckt der Arbeitgeber, sich durch den Gebrauch der ihm vereinsrechtlich gebotenen Möglichkeiten von der Anwendung des Tarifvertrags zu befreien. Einen derartigen Erfolg will § 3 Abs. 3 TVG vereiteln. Es ist daher geboten, die Vorschrift analog anzuwenden und den Arbeitgeber nach dem Wechsel der Mitgliedsgruppe weiterhin an den Tarifvertrag zu binden. 35 Das Mitglied "Ohne Tarifbindung" wird folglich dem Arbeitgeber gleichgestellt, der aus seinem Verband austritt.
111. Dauer der Tarifgebundenheit Die durch § 3 Abs. 3 TVG vermittelte Tarifgebundenheit dauert bis zum Ende des Tarifvertrags. Beendigungstatbestände sind der Ablauf der vereinbarten tarifvertraglichen Geltungsdauer, der Eintritt einer auflösenden Bedingung gemäß § 158 Abs. 2 BGB und die Aufhebung des laufenden Tarifvertrags durch den Abschluß eines ablösenden Tarifvertrags. 36 Des weiteren können Tarifverträge durch eine ordentliche Kündigung beendet werden. 37 Die ordentliche Kündigung kommt beim Tarifvertrag wie bei allen Dauerrechtsverhältnissen in Betracht, wenn die Vertragsparteien eine Kündigungsoption vereinbaren oder auf die Befristung des Vertrags verzichten. 38 Außerdem kann jede Partei den Tarifvertrag aus wichtigem Grund außerordentlich kündigen, wenn das Festhalten am Vertrag für sie unzumutbar ist. 39
34 BAG, AP Nr. 3 zu § 3 TVG, BI. 2 verso; Hersche\, ZfA 1973, S. 183, 192; Wiedemann I Stumpf, § 3 Rdnr. 29. 3S Däubler, NZA 1996, S. 225, 231 f. 36 Löwisch/Rieb1e, TVG, § I Rdnrn. 356 ff.; Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch, § 199 IV. 1., S. 1670; Wiedemann I Stumpf, § 4 Rdnrn. 8 ff. 3? Löwisch/Rieble, TVG, § I Rdnr. 360; Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch, § 199 IV. 1. d), S. 1670. 38 Nikisch, 11., § 76 I. I., S. 348, und 3., S. 350; Wiedemann I Stumpf, § 4 Rdnrn. 17 f. 39 Löwisch I Rieble, TVG, § I Rdnrn. 363 ff.
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§ 3 TariCrechtliche Folgen des Wechsels
1. Begrenzung der Tarifgebundenheit auf den ersten Kündigungstermin Die Tarifgebundenheit findet ihr Ende, wenn der Tarifvertrag gekündigt wird und die Kündigung wirksam wird. Darüber hinaus begrenzen das Landesarbeitsgericht Düsseldorf'O und Teile der Literatur41 die fortgesetzte Tarifgebundenheit auf den ersten Kündigungstermin. Ihrer Ansicht nach wird das ehemalige Mitglied vom Tarifvertrag befreit, wenn die tarifschließenden Verbände die erste auf den Austritt folgende Kündigungsmöglichkeit ungenutzt verstreichen lassen. Zur Begründung führen sie aus, daß die durch § 3 Abs. 3 TVG angestrebte Sicherung des tarifvertraglichen Regelungsanspruchs und der angestrebte Arbeitnehmerschutz es nicht rechtfertigten, den Ausgetretenen gegen seinen Willen länger an den Tarifvertrag zu binden. Der Arbeitgeberverband und die Gewerkschaft hätten den Tarifvertrag durch die Aufnahme der Kündigungsmöglichkeit selbst zur Disposition gestellt, so daß eine über diesen Zeitpunkt hinausgehende Aufrechterhaltung ihres Regelungsanspruchs nicht geboten sei. 42 Des weiteren sei der durch den Tarifvertrag bewirkte Arbeitnehmerschutz wegen der Kündbarkeit des Tarifvertrags von vornherein begrenzt, so daß der Arbeitnehmer nicht auf die Verlängerung des Tarifvertrags über den ersten Kündigungszeitpunkt hinaus vertrauen könne. 43 Gegen diese Ansicht sprechen jedoch verbandsrechtliche Überlegungen. Der Tarifvertrag wird vom Arbeitgeberverband mit der Gewerkschaft geschlossen. Als Parteien des Tarifvertrags können nur sie die Kündigung aussprechen. Das Mitglied ist an die Entscheidung seines Verbands über die Erklärung der Kündigung gebunden. 44 Dieser Rechtslage widerspräche es, wollte man den ausgetretenen Arbeitgeber ab dem ersten Kündigungstermin aus der Tarifgebundenheit entlassen, da es dann in seiner Hand läge, die Wirkung des Tarifvertrags durch seinen Austritt vorzeitig faktisch zu beenden. Dieser Argumentation wird allerdings entgegengehalten, daß der Arbeitgeber dem Verband durch seinen Austritt die Ermächtigung entziehe, für ihn verbindliche tarifpolitische Entscheidungen zu treffen. Daher habe der vom Verband ge faßte Beschluß, den Tarifvertrag nicht zu kündigen, gegenüber dem zuvor ausgetretenen Arbeitgeber keine Wirkung. 45 OB 1953, S. 108. Bauer/Oiller, OB 1993, S. 1085, 1086; Oahlbender, S. 58 C.; Lieb, NZA 1994, S. 337; Löwisch, in: Münchener Handbuch Arbeitsrecht, § 260 Rdnr. 22; ders.1 Rieble, TVG, § 3 Rdnr. 74; Schwab, BB 1994, S. 781. 42 Oahlbender, S. 58 C.; Löwisch, in: Münchener Handbuch Arbeitsrecht, § 260 Rdnr. 25; ders./Rieble, TVG, § 3 Rdnr. 77. 43 Löwisch, in: Münchener Handbuch Arbeitsrecht, § 260 Rdnrn. 22, 25; ders.1 Rieble, TVG, § 3 Rdnr. 74; Schwab, BB 1994, S. 781. 44 HoB I Liebscher, OB 1995, S. 2525, 2526; Kempen I Zachert, § 3 Rdnr. 22. 40 41
III. Dauer der Tarifgebundenheit
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Es darf jedoch nicht außer acht gelassen werden, daß der Arbeitgeber den gesamten Tarifvertrag durch die zur Zeit des Tarifabschlusses bestehende Mitgliedschaft legitimiert hat. 46 Er hat den Tarifvertrag auch hinsichtlich der Laufzeit und der Kündigungsregelung mitgetragen. Im ,,Normprogramm"47 dieses Tarifvertrags war die Möglichkeit, daß der Verband auf die Kündigung verzichtet, von Anfang an enthalten. Die Legitimation des Tarifvertrags wirkt folglich über den ersten Kündigungstermin hinaus bis zu seiner tatsächlichen Beendigung. Daher kann die Tarifgebundenheit nicht auf den ersten Kündigungstermin beschränkt werden. Diese Ansicht wird von der im Schrifttum vorherrschenden Rechtsmeinung48 geteilt. Es ist somit davon auszugehen, daß die Bindung an den Tarifvertrag entsprechend dem Wortlaut des § 3 Abs. 3 TVG erst mit der tatsächlichen Beendigung des Tarifvertrags durch die Erklärung und das Wirksam werden der Kündigung beendet wird.
2. Zeitliche Höchstgrenze für die Tarifgebundenheit Allerdings kann die gemäß § 3 Abs. 3 TVG fortbestehende Tarifgebundenheit über einen unabsehbaren Zeitraum andauern, wenn die Tarifvertragsparteien die Kündigungsmöglichkeiten nicht wahrnehmen. In diesem Fall würde die individuelle Handlungsfreiheit des Arbeitgebers auf nicht überschaubare Zeit gegenüber dem Verbandsinteresse an der Kontinuität der tarifvertraglichen Ordnung zurückgestellt. Um dieses Ergebnis zu verhindern, sprechen sich mehrere Autoren49 für eine zeitliche Höchstgrenze der Tarifgebundenheit aus. Biedenkopf5o schlägt vor, die Geltungsdauer der Tarifbindung nach § 3 Abs. 3 TVG entsprechend der betriebsverfassungsrechtlichen Amtszeit des Betriebsrats zu beschränken. Die Legitimation zur Normgebung sei, wenn sie wie bei § 3 Abs. 3 TVG kraft Gesetzes bestehe und nicht auf freiwilliger Mitgliedschaft beruhe, auf die Zeit der Legislaturperiode des normsetzenden Organs begrenzt. Mit dem Ende der Amtszeit müsse die Tarifgebundenheit daher auslaufen. In Ermangelung einer
45 Bauer I Diller, DB 1993, S. 1085, 1086; Löwisch, in: Münchener Handbuch Arbeitsrecht, § 260 Rdnr. 22; ders.lRieb1e, TVG, § 3 Rdnr. 74; Schwab, BB 1994, S. 78l. 46 Däub1er, ZTR 1994, S. 448, 449 f.; ders., NZA 1996, S. 225, 226; Hanau/Kania, DB 1995,S. 1229, 1232. 47 Däubler, ZTR 1994, S. 448, 449 f.; ders., NZA 1996, S. 225, 226. 48 Däubler, ZTR 1994, S. 448, 449 f.; ders., NZA 1996, S. 225, 226; Hanau/Kania, DB 1995, S. 1229, 1232; Hoß/Liebscher, DB 1995, S. 2525, 2526; A. Hueck/Nipperdey,II./l., § 23 IV. 3. c), Fn. 47, S. 491; Kempen/Zachert, § 3 Rdnr. 31; Nikisch, 11., § 71 IV. 2. b), S. 272; Wiedemann/Stumpf, § 3 Rdnr. 35. 49 Biedenkopf, Tarifautonomie, S. 231 f.; Däub1er, NZA 1996, S. 225, 227; Konzen, NZA 1995, S. 913, 920; Richardi, Kollektivgewalt, S. 224; Rieb1e, RdA 1996, S. 151, 155. so Tarifautonomie, S. 232.
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§ 3 Tarifrechtliche Folgen des Wechsels
Regelung im Tarifvertragsgesetz überträgt Biedenkopf die Bestimmungen des Betriebsverfassungsrechts über die Amtsdauer des Betriebsrats. Biedenkopf berücksichtigt jedoch nicht, daß die Legislaturperiode eines Normgebers und die Geltungszeit seiner Normwerke zu trennen sind. 51 So ist auch die Laufzeit der betriebsverfassungsrechtlichen Abreden nicht an die Amtszeit des Betriebsrats gekoppelt. Mit dem Verweis auf die Amtszeit des Betriebsrats lassen sich daher keine Beschränkungen der Tarifgebundenheit begründen. Nach Ansicht von Richardi 52 darf die Tarifgebundenheit die übliche Laufzeit von Tarifverträgen des Verbands, dessen Mitglied der Arbeitgeber war, nicht wesentlich überschreiten. Richardi verzichtet aber darauf, der Tarifgebundenheit nach § 3 Abs. 3 TVG eine feste zeitliche Grenze zu ziehen. Dem Lösungsansatz von Richardi ist aufgrund der Unbestimmtheit der Maßstäbe nicht zuzustimmen. Das austrittswillige Mitglied kann das Ende seiner Tarifgebundenheit nicht vorhersehen. Dies ist jedoch erforderlich, damit es seine grundrechtlich garantierte Austrittsfreiheit sachgerecht ausüben kann. Rieble 53 möchte die Regelung des § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB übertragen und die fortgesetzte Tarifgebundenheit auf ein Jahr begrenzen. Aber auch dem Vorschlag von Rieble ist nicht zu folgen. § 6l3a Abs. 1 Satz 2 BGB regelt die Fortgeltung der Tarifnormen und Betriebsvereinbarungen beim Betriebsübergang. Die Vorschrift bestimmt, daß die kollektivrechtlichen Abreden Inhalt der Arbeitsverhältnisse werden und für ein Jahr zugunsten der Arbeitnehmer Bestandsschutz genießen. Nach Ablauf der Jahresfrist verlieren sie ihre zwingende Wirkung und können auch zum Nachteil der Arbeitnehmer geändert werden. Der Sinn der Jahresgrenze in § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB besteht darin, dem Erwerber eines Betriebs nach einem absehbaren Zeitraum die Vereinheitlichung der Arbeitsbedingungen innerhalb seines Unternehmens zu ermöglichen. 54 Dieser Gesichtspunkt kommt indessen gegenüber demjenigen Arbeitgeber nicht zum Tragen, der die Vollmitgliedschaft in seinem Verband aufgekündigt hat. Zudem ist zu bedenken, daß der Betriebsnachfolger die tarifvertraglichen Bestimmungen, die er nach Maßgabe des § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB weiterhin anzuwenden hat, nicht mitgliedschaftlich legitimiert hat. Aus diesem Grund ist seine nur einjährige Bindung gerechtfertigt. Demgegenüber hat der Arbeitgeber, der die Vollmitgliedschaft aufgibt, den laufenden Tarifvertrag kraft seiner Verbandszugehörigkeit mitgetragen. Es ist daher nicht vertretbar, ihn bereits nach einem Jahr aus der Geltung des Tarifvertrags zu entlassen. SI Oetker, gern. Anm. zu BAG, EzA Nm. 14 und 15 zu § 4 TVG - Nachwirkung, S. 17, 28; Richardi, Kollektivgewalt, S. 224. 52 Kollektivgewalt, S. 224. 53 RdA 1996, S. 151, 155; ähnlich Konzen, NZA 1995, S. 913, 920. 54 Richardi, in: Staudinger, § 613a Rdnr. 176; Schaub, in: Münchener Kommentar BGB, § 613a Rdnr. 168.
IV. Umfang der Tarifgebundenheit
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Einige Stimmen in der Literatur55 beftirworten die Anwendung der Fünf-JahresGrenze des § 624 Satz 1 BGB. Gemäß dieser Vorschrift kann der Dienstverpflichtete das Dienstverhältnis, wenn es ftir die Lebenszeit oder ftir mehr als ftinf Jahre eingegangen ist, nach Ablauf von ftinf Jahren kündigen. Die Norm verleiht allerdings nur dem Dienstverpflichteten und mithin dem Arbeitnehmer ein Kündigungsrecht. Der in ihr enthaltene Rechtsgedanke ist aber auf den Arbeitgeber übertragbar, der seinen Verband verlassen hat und gemäß § 3 Abs. 3 TVG an den Tarifvertrag gebunden bleibt. Dem Arbeitnehmer wird es durch § 624 Satz 1 BGB ermöglicht, sich nach ftinf Jahren beruflich neu zu orientieren. Er kann das Arbeitsverhältnis beenden oder versuchen, veränderte Arbeitsbedingungen im Wege der Änderungskündigung durchzusetzen. Seine arbeitsvertragliehe Privatautonomie wird ihm nach ftinfjähriger Bindung zurückgegeben. Das Kündigungsrecht dient dem Schutz seiner beruflichen Freiheit. 56 In diese Zielsetzung der Vorschrift läßt sich der ausgetretene Arbeitgeber einbeziehen. Er ist als Nichtmitglied von der Willensbildung des Arbeitgeberverbands ausgeschlossen und kann auf dessen Entscheidung über die Beendigung oder Fortsetzung des Tarifvertrags keinen Einfluß nehmen. Er unterliegt der Fremdbestimmung durch den Verband. Sein Recht zur privatautonomen Gestaltung der Arbeitsbedingungen wird verkürzt. Die Interessenlagen des Arbeitnehmers, der gemäß § 624 Satz 1 BGB nach ftinf Jahren den Arbeitsvertrag kündigen kann und seine Vertragsfreiheit zurückerhält, und des Arbeitgebers, der durch seinen Austritt aus dem Tarifverband seine privatautonome Regelungsfreiheit zurückzugewinnen sucht, sind daher vergleichbar. Es ist deswegen gerechtfertigt, § 624 Satz 1 BGB zugunsten des ausgetretenen Arbeitgebers anzuwenden und die Dauer der Tarifgebundenheit auf ftinf Jahre zu begrenzen. Als Ergebnis ist festzuhalten, daß der Arbeitgeber bis zur tatsächlichen Beendigung des Tarifvertrags an diesen gebunden bleibt, längstens jedoch ftir ftinf Jahre.
IV. Umfang der Tarifgebundenheit Der Arbeitgeber ist nach seinem Übertritt von der Vollmitgliedschaft in die Mitgliedskategorie "Ohne Tarifbindung" analog § 3 Abs. 3 TVG im gleichen Umfang an den Tarifvertrag gebunden wie zuvor. Er unterliegt weiterhin der unmittelbaren und zwingenden Wirkung der Tarifnormen gemäß § 4 Abs. 1 und 2 TVG.
Däubler, NZA 1996, S. 225,227; Hanau/Kania, DB 1995, S. 1229, 1233. Binder, ZfA 1978, S. 75, 87 f.; Schwerdtner, in: Münchener Kommentar BGB, § 624 Rdnr. I. 55
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7 Moll
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§ 3 Tarifrechtliche Folgen des Wechsels
1. Gewerkschaftsbeitritt und Einstellung des Arbeitnehmers nach dem Wechsel der Mitgliedsgruppe Der Tarifvertrag ist in der Fortgeltungsphase nach § 3 Abs. 3 TVG uneingeschränkt auf die Arbeitsverhältnisse mit den tarifgebundenen Arbeitnehmern anzuwenden. Dies gilt auch zugunsten derjenigen Mitarbeiter, die erst in dieser Zeit die Voraussetzungen für die Anwendung des Tarifvertrags schaffen, indem sie der Gewerkschaft beitretenS7 oder einen Arbeitsvertrag mit dem Arbeitgeber eingehen. 58 § 3 Abs. 3 TVG setzt nicht voraus, daß beide Parteien des Arbeitsvertrags bereits vor dem Austritt des Arbeitgebers aus der Vollmitgliedschaft tarifgebunden waren. Das Gesetz stellt die durch § 3 Abs. 3 TVG vermittelte Tarifgebundenheit vollständig mit der mitgliedschaftlich begründeten Bindung an den Tarifvertrag gleich. 59 Geltungsbedingung für den Tarifvertrag ist die beiderseitige Tarifgebundenheit, nicht hingegen die beiderseitige Mitgliedschaft, so daß auch diejenigen Arbeitsverhältnisse vom Tarifvertrag erfaßt werden, deren vertragschließende Parteien niemals gleichzeitig den Tarifverbänden angehörten. Maßgeblich ist nur, daß der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer zu irgendeiner Zeit während der Geltungsdauer des Tarifvertrags Mitglieder der Tarifvertragsparteien waren. 60
2. Beiderseitiger Verbandsaustritt Die beiderseitige Tarifgebundenheit besteht nach § 3 Abs. 3 TVG auch dann weiter, wenn sowohl der Arbeitgeber als auch der Arbeitnehmer die Mitgliedschaft im Sinne des § 3 Abs. 1 TVG beenden. 61 Allerdings wird in diesen Fällen teilweise 62 eine teleologische Reduktion des § 3 Abs. 3 TVG für notwendig gehalten. Der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer verfolgten durch den gleichzeitigen Verbandsaustritt das gemeinsame Ziel, sich dem Tarifvertrag zu entziehen. Es sei verfassungsrechtlich unzulässig, den Parteien des Arbeitsvertrags entgegen ihrem übereinstimmenden Willen die Tarifbindung aufzuerlegen. Bei dieser Einschränkung des § 3 Abs. 3 TVG wird jedoch außer acht gelassen, daß die Arbeitsvertragsparteien aus Gründen des Arbeitnehmerschutzes nicht über 57 BAG, AP Nr. 15 zu § 3 TVG. BI. 1 verso; Bauer/Oiller, DB 1993, S. 1085; Wiedemann I Stumpf, § 3 Rdnr. 31. 58 Däubler, NZA 1996, S. 225,226; Hoß/Liebscher. OB 1995, S. 2525; Löwisch/Rieble. TVG, § 3 Rdnr. 78; Wiedemann I Stumpf, § 3 Rdnr. 31. 59 BAG, AP Nr. 15 zu § 3 TVG. BI. 1 verso; Bauer I Diller, OB 1993, S. 1085. 60 BAG, AP Nr. 15 zu § 3 TVG, BI. I verso; Schaub, BB 1994, S. 2005, 2006; ders .• BB 1995, S. 2003. 61 BAG, AP Nr. 15 zu § 3 TVG, BI. 1 verso. 62 Rieble. SAE 1994, S. 158, 159 f.
IV. Umfang der Tarifgebundenheit
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die Geltung der Tarifnormen disponieren können. Dies wird durch die zwingende Wirkung der Tarifnorrnen gemäß § 4 Abs. 1 TVG und den in § 4 Abs. 4 Satz 1 TVG enthaltenen Schutzgedanken deutlich. Dem Arbeitnehmer wird durch § 4 Abs. 4 Satz 1 TVG die Möglichkeit genommen, auf entstandene tarifliche Rechte zu verzichten. Er soll davor bewahrt werden, durch Absprachen mit dem Arbeitgeber die tarifvertraglich geregelten Arbeitsbedingungen zu unterschreiten. Der Arbeitnehmer wird vor sich selbst geschützt. Mit diesem Schutzgedanken ist es nicht vereinbar, den Arbeitsvertragsparteien zu gestatten, im Wege des beiderseitigen Verbandsaustritts die Bindungen an den Tarifvertrag zu beseitigen. Des weiteren sichert die fortdauernde Tarifgebundenheit die Regelungsfunktion des Tarifvertrags und erhält hierdurch einen über den Individualschutz hinausgehenden kollektiven Bezug, der es zusätzlich rechtfertigt, den tarifvertraglichen Ordnungsanspruch auch gegen den übereinstimmenden Willen des Arbeitgebers und Arbeitnehmers aufrechtzuerhalten. Die geforderte Begrenzung des Anwendungsbereichs des § 3 Abs. 3 TVG ist daher abzulehnen.
~. Nachträgliche Änderungen des Tarifvertrags Die Tarifverbände können den laufenden Tarifvertrag durch den Abschluß eines ablösenden Tarifvertrags ersetzen. Der nachfolgende Tarifvertrag hebt den bisherigen Tarifvertrag auf und beendet die fortbestehende Tarifgebundenheit des ausgetretenen Arbeitgebers. 63 Die Tarifvertragsparteien brauchen jedoch nicht den gesamten Tarifvertrag zu ersetzen, sondern können sich darauf beschränken, einzelne Bestimmungen zu ändern. Den mit der Änderung neu eingeführten Tarifnorrnen unterliegt der Ausgetretene aufgrund der fehlenden Mitgliedschaft gemäß § 4 Abs. 1, § 3 Abs. 1 TVG nicht. 64 Umstritten ist allerdings, inwieweit er an den bisherigen Tarifvertrag gebunden bleibt. Nach Ansicht eines Teils der Literatur65 soll der Tarifvertrag in seiner Gesamtheit gegenüber dem ehemaligen Mitglied einheitlich fortwirken, bis die nachträglichen Änderungen derart gravierend werden, daß der alte Tarifvertrag nicht mehr als fortbestehend gelten kann. Es ist jedoch nicht mit dem Gesetz vereinbar, den Tarifvertrag gegenüber dem Ausgetretenen trotz der Änderungen im vollen Umfang aufrechtzuerhalten. Der Änderungsvertrag hebt den bisherigen Tarifvertrag teilweise auf. Der Aufhebungsvertrag ist ein tarifvertraglicher Beendigungstatbestand, der das ehemalige Mit63 64
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Löwisch/Rieble, TVG, § 1 Rdnrn. 358 f. BAG, AP Nr. 3 zu § 3 TVG, BI. 2 verso; Nr. 15 zu § 1 TVG - Rückwirkung, BI. 3. Bieback, OB 1989, S. 477, 479; Gerhards, BB 1995, S. 1290, 1292.
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§ 3 Tarifrechtliche Folgen des Wechsels
glied entsprechend dem Wortlaut des § 3 Abs. 3 TVG aus der fortgesetzten Tarifgebundenheit entläßt. Fraglich kann daher nur sein, inwieweit das ehemalige Mitglied an die nicht geänderten und folglich nicht aufgehobenen Abschnitte des bisherigen Tarifvertrags gebunden bleibt. Einige Autoren 66 befürworten die Fortsetzung der Tarifbindung an die unveränderten Bestandteile des Tarifvertrags, soweit sie eine eigenständige Bedeutung haben. Demgegenüber sprechen sich das Bundesarbeitsgericht67 und der überwiegende Teil des Schrifttums68 aus Gründen der Rechtsklarheit dafür aus, den Tarifvertrag im ganzen als beendet anzusehen und den Ausgetretenen aus der zwingenden Wirkung auch der nicht geänderten Tarifnormen zu entlassen. Gegen die Weitergeltung der unveränderten Tarifregelungen führen Vertreter69 dieser herrschenden Meinung an, der Ausgetretene werde im Falle der Fortwirkung nur einzelner Tarifbestimmungen einer Tarifordnung unterworfen, die während seiner Verbandszugehörigkeit in dieser Form nicht bestanden habe. Dies widerspreche der Aufgabe des § 3 Abs. 3 TVG, lediglich die Bindung des ehemaligen Mitglieds an die zur Zeit seines Austritts bestehende Fassung des Tarifvertrags zu perpetuieren. Außerdem würde die Richtigkeitsgewähr des als geschlossene Einheit ausgehandelten Tarifvertrags nicht gewahrt, wenn einzelne Regelungsbereiche gleichsam aus dem Zusammenhang herausgelöst weiterwirkten?O Vor allem wird eine erhebliche Rechtsunsicherheit befürchSet, wenn nach jeder Änderung des Tarifvertrags zu klären wäre, ob der verbleibende Rest noch eine eigenständige Ordnung bildet. 71 Diese Kritik an der teil weisen Fortgeltung der Tarifgebundenheit berücksichtigt die Schutzfunktion des § 3 Abs. 3 TVG zugunsten des Arbeitnehmers, der tarifvertraglichen Ordnung und des Bestands der Verbände nicht ausreichend. Diese Schutzfunktion kann nicht schon aufgrund einer möglicherweise nur geringfügigen Änderung des Tarifvertrags in Frage gestellt werden. 72 66 Oäubler, TVR, Rdnr. 1513; ders., ZTR 1994, S. 448, 450; ders., NZA 1996, S. 225, 227; Kempen/Zachert, § 3 Rdnr. 32; Krauss, OB 1995, S. 1562; Löwisch I Rieble, TVG, § 3 Rdnr. 86; Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch, § 206 II. 3. c), S. 1724; ders., BB 1994, S. 2005, 2006; ders., BB 1995, S. 2003; Schwab, BB 1994, S. 781. 67 AP Nr. 13 zu § 3 TVG, BI. 2. 68 Oahlbender, S. 62; Fröhlich, NZA 1992, S. 1105, 1106; Hanau/Kania, OB 1995, S. 1229, 1232; Krebs, SAE 1993, S. 133, 139; Hoß/Liebscher, OB 1995, S. 2525, 2526; A. Hueck/Nipperdey, II./I., § 23 V. 3. c), S. 492; Nikisch, II., § 71 IV. 2. cl, S. 273 f.; Wiedemann I Stumpf, § 3 Rdnr. 36. 69 Fröhlich, NZA 1992, S. 1105, 1106; A. Hueck/Nipperdey, 11./1., § 23 V. 3. c), S. 492; Nikisch, II., § 71 IV. 2. c), S. 274; Wiedemann I Stumpf, § 3 Rdnr. 36. 70 Hanau/Kania, OB 1995, S. 1229, 1232. 71 Oah1bender, S. 61; Hanau/Kania, OB 1995, S. 1229,1232; Hoß/Liebscher, OB 1995, S. 2525,2526.
IV. Umfang der Tarifgebundenheit
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Die Vertreter der herrschenden Ansicht übersehen zudem, daß dem Tarifrecht die partielle Anwendung eines Tarifvertrags nicht unbekannt ist. Wenn ein Tarifvertrag teilweise nichtig ist, wird angenommen, daß er in seinem wirksamen Teil zur Anwendung kommt, soweit dieser Teil eine sinnvolle und in sich geschlossene Regelung darstellt. 73 Es ist deswegen nicht geboten, jede Änderung des Tarifvertrags mit der Beendigung gleichzusetzen und den ausgetretenen Arbeitgeber aus der Tarifgebundenheit zu entlassen. Vielmehr ist die Bindung an die unveränderten Tarifbestimmungen zu bejahen, sofern sie sich nach den Regeln, die für die Anwendung eines teilnichtigen Tarifvertrags zur Verfügung stehen,14 vom geänderten Teil trennen lassen. 75
4. Tarifvertragliches Zusatzabkommen und fortgesetzte Bindung an den Tarifvertrag Teilweise76 wird die Ansicht vertreten, daß die fortwirkende Tarifgebundenheit entfällt, wenn die Tarifverbände ein Zusatzabkommen abschließen, das bisher im Tarifvertrag nicht behandelte Fragen betrifft und die zur Zeit des Austritts bestehenden Tarifbestimmungen zwar nicht inhaltlich verändert, aber ergänzt. Es sei unzulässig, den Ausgetretenen an den bisherigen Tarifvertrag zu binden, während gegenüber den gegenwärtigen Mitgliedern ein zum Teil anderes, durch das Zusatzabkommen erweitertes Regelwerk anzuwenden sei. Die im Schrifttum herrschende Meinung77 ist dem nicht gefolgt. Sie leil,nt es zu Recht ab, die Ergänzung des Tarifvertrags mit dessen Aufhebung gleichzusetzen. Es trifft zu, daß der Ausgetretene als Nichtmitglied von der Zusatzvereinbarung nicht erfaßt wird. {\llerdings bleibt er weiterhin an die bislang gültigen Tarifnormen gebunden. § 3 Abs. 3 TVG soll verhindern, daß sich der Arbeitgeber durch die Ausnutzung privatrechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten den Tarifregelungen entzieht, die er kraft seiner Verbandsangehörigkeit mitgetragen hat. Die Zielsetzung der Vorschrift besteht hingegen nicht darin, eine einheitliche tarifvertragliche Ordnung mit den derzeitigen Vollmitgliedern aufrechtzuerhalten. Der Tarifvertrag 72 Bieback, DB 1989, S. 477, 479; Däubler, TVR, Rdnr. 1513; ders., ZTR 1994, S. 448, 450; ders., NZA 1996, S. 225, 227; Gerhards, BB 1995, S. 1290,1292; Kempen/Zachert, § 3 Rdnr.32. 73 BAG, AP Nr. 12 zu § 4 TVG - Ordnungsprinzip, BI. 2 f.; Löwisch/Rieble, TVG, § I Rdnr. 251; Wiedemann I Stumpf, § I Rdnr. 111. 74 Rechtsprechung und Literatur wie in der Fußnote zuvor. 75 Däubler, ZTR 1994, S. 448, 450; ders., NZA 1996, S. 225, 227; Löwisch I Rieble, TVG, § 3 Rdnr. 86; Schwab, BB 1994, S. 781. 76 A. Hueck/Nipperdey, 11./1., § 23 V. 3. c), Fn. 50, S. 492. 77 Däubler, TVR, Rdnr. 1513; ders., ZTR 1994, S. 448, 450; ders., NZA 1996, S. 225, 227; Hoß/Liebscher, DB 1995, S. 2525, 2526; Kempen I Zachert, § 3 Rdnr. 32; Nikisch, 11., § 71 IV. 2. c), S. 273; Wiedemann I Stumpf, § 3 Rdnr. 36.
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§ 3 Tarifrechtliche Folgen des Wechsels
kann daher für die ausgeschiedenen Mitglieder in einer anderen Fassung gelten als für die jetzigen Koalitionsangehörigen. 78 Deswegen ist es nicht gerechtfertigt, die Bindung an den Tarifvertrag aufzuheben, solange dessen Inhalt durch die Zusatzabsprachen unberührt bleibt.
S. Stufentarifverträge Die Tarifvertragsparteien können vereinbaren, daß die Regelungen im Tarifvertrag ab dem Beginn seiner Laufzeit im vollen Umfang gelten. Sie haben aber auch die Möglichkeit zum Abschluß von Stufentarifverträgen, bei denen die einzelnen Tarifbestimmungen zeitlich gestaffelt zur Anwendung kommen. 79 Stufentarifverträge können als unmittelbare und mittelbare Stufentarifverträge gestaltet werden. Als unmittelbare Stufentarifverträge80 werden Tarifverträge bezeichnet, bei denen die Tarifvertragsparteien den Inhalt der Tarifstufen selbst festlegen, wobei ihnen mehrere Gestaltungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen. Zum einen können sie sich im schuldrechtlichen Teil des Tarifvertrags verpflichten, zu einem späteren Zeitpunkt Tarifnormen mit einem bereits im einzelnen festgelegten Inhalt zu erlassen. Zum anderen können sie die Tarifstufen in den normativen Abschnitt des Tarifvertrags aufnehmen, so daß die Tarifnormen aufgrund ihrer gesetzesgleichen Wirkung die Arbeitsverhältnisse im vorgesehenen Geltungszeitraum ohne eine weitere Umsetzung gestalten. Im zuletzt genannten Fall stellen die Tarifstufen eine Abrede über den zeitlichen Geltungsbereich der Tarifregelungen im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 1 TVG dar. Ein Beispiel für einen unmittelbaren Stufentarifvertrag mit normativer Geltung der Tarifstufen ist der Tarifvertrag der bayerischen Metallindustrie vom 1. Dezember 1973 in der Fassung vom 7. Mai 1991 81 über die sukzessive Absenkung der wöchentlichen Arbeitszeit. Bei einem mittelbaren Stufentarifvertrag 82 werden die einzelnen Tarifstufen durch andere, später abzuschließende Tarifverträge konkretisiert, auf die der Stufentarifvertrag Bezug nimmt. Die tarifschließenden Verbände verzichten darauf, den Inhalt der einzelnen Tarifstufen selbst zu bestimmen, und übernehmen statt dessen die Regelungen künftiger Tarifverträge. Eine derartige Tarifvereinbarung haben die Tarifvertragsparteien der ostdeutschen Metallindustrie im März 1991 83
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79 80 81 82 83
Nikisch, 11., § 71 IV. 2. c), S. 273; Wiedemannl Stumpf, § 3 Rdnr. 36. Hanaul Kania, DB 1995, S. 1229. Hanau/Kania, DB 1995, S. 1229 f.; Kempen/Zachert, § 3 Rdnr. 33. Darstellung bei Hanaul Kania, DB 1995, S. 1229. Hanau I Kania, DB 1995, S. 1229, 1230; Kempen/Zachert, § 3 Rdnr. 33. Darstellung bei Buchner, NZA 1993, S. 289 ff.
IV. Umfang der Tarifgebundenheit
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zur schrittweisen Anpassung der Löhne und Gehälter an das Entgeltniveau der in den alten Bundesländern gültigen Tarifverträge getroffen. Die Stufentarifverträge zur Arbeitszeitverkürzung und zur Lohnangleichung haben für diese Untersuchung eine besondere Bedeutung. Sie ergibt sich daraus, daß diese Tarifverträge von seiten der Arbeitgeber84 als tarifpolitische Fehlentscheidungen angesehen werden und ein wesentlicher Grund für ihre derzeitige Unzufriedenheit mit der Tarifpolitik sind.
a) Zulässigkeit von Stufentarifverträgen Aufgrund der durch Art. 9 Abs. 3 Satz 1 GG gewährleisteten Regelungsfreiheit können die Tarifverbände verschiedene Geltungszeiträume für die einzelnen Tarifbestimmungen vereinbaren, so daß Stufentarifverträge zulässig sind. 85 Bei mittelbaren Stufentarifverträgen sind allerdings die Grenzen zu beachten, die das Bundesarbeitsgericht86 den Verweisungen in einem Tarifvertrag auf einen anderen, später abzuschließenden Tarifvertrag zieht. Die Tarifvertragsparteien können bei der Verweisung auf einen anderen Tarifvertrag in aller Regel nicht sicherstellen, daß die Tarifvorschriften, auf die sie verweisen, eine angemessene Regelung der Arbeitsbedingungen im Bereich ihres Tarifvertrags darstellen. Aus diesem Grund gestattet das Bundesarbeitsgericht den Tarifverbänden nur dann eine Verweisung, wenn die Verbände die Sachgerechtigkeit des Tarifvertrags, auf den sie Bezug nehmen, für ihr Tarifgebiet im voraus beurteilen können. Dies ist der Fall, wenn sie auf einen Tarifvertrag verweisen, den sie selbst abschließen werden, oder wenn zwischen dem Geltungsbereich der verweisenden Tarifnormen und der Tarifregelungen, die übernommen werden, ein enger sachlicher Zusammenhang besteht. Soweit die Tanfvertragsparteien diese Vorgaben befolgen, können sie mittelbare Stufentarifverträge abschließen.
b) Fortgesetzte Tarifgebundenheit bei unmittelbaren Stufen tarifverträgen Nach überwiegend vertretener Ansicht87 erstreckt sich die gemäß § 3 Abs. 3 TVG fortgesetzte Tarifgebundenheit bei einem unmittelbaren Stufentarifvertrag 84 Necker, Vizepräsident des Bundesverbands der Deutschen Industrie, im Gespräch mit der F.A.Z. vom 31. 1. 1998, S. 13. 85 Hanau I Kania, OB 1995, S. 1229, 1230. 86 AP Nr. 7 zu § 1 TVG - Form, BI. 3 verso ff.; Nr. 8 zu § 1 TVG - Form, BI. 3 ff.; Nr. 169 zu § 1 TVG - Tarifverträge: Bau, BI. 5 f.; Nr. 5 zu § 1 TVG - Verweisungstarifvertrag, BI. 4. 87 Däubler, ZTR 1994, S. 448,450; ders., NZA 1996, S. 225, 227; Hanau/Kania, OB 1995, S. 1229, 1231 f.; Kempen/Zachert, § 3 Rdnr. 33; Lieb, NZA 1994, S. 337 f.; Schwab, BB 1994, S. 781, 782.
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§ 3 Tarifrechtliche Folgen des Wechsels
auch auf die Stufen, die in Kraft treten, nachdem der Arbeitgeber den Verband verlassen hat. Demgegenüber spricht sich ein Teil der Literatur88 dafür aus, die Tarifgebundenheit auf die zur Zeit des Austritts erreichte Stufe zu begrenzen. Die Bindung an die nachfolgenden Stufen wird als Verstoß gegen die negative Koalitionsfreiheit angesehen. Die negative Koalitionsfreiheit gebiete, daß sich das ehemalige Mitglied auf zumutbare Weise vom Tarifvertrag lösen könne. Dies sei ihm bei fortbestehender Tarifgebundenheit wegen der zwingenden Wirkung des Tarifvertrags gemäß § 4 Abs. 1 TVG nicht möglich. Diese Beschränkung der individuellen Regelungsfreiheit sei bei Tarifverträgen, die eine kurze Laufzeit haben, mit der negativen Koalitionsfreiheit vereinbar, nicht aber bei langfristig geltenden Stufentarifverträgen. Diese Einschränkung der fortdauernden Tarifgebundenheit widerspricht jedoch dem Zweck des § 3 Abs. 3 TVG. Die Vorschrift soll verhindern, daß sich der Arbeitgeber den Verpflichtungen aus dem Tarifvertrag entzieht, der zur Zeit seiner Mitgliedschaft zustande kam. 89 Der Arbeitgeber hat den Tarifvertrag einschließlich der Stufenregelung mitgetragen,90 so daß er auch an die auf seinen Austritt folgenden Stufen gebunden wird. Dies gilt auch dann, wenn die Stufenrege1ung nicht Bestandteil des normativen Teils des Tarifvertrags geworden ist, sondern als schuldrechtliche Verpflichtung vereinbart worden ist und einer zusätzlichen tarifvertraglichen Umsetzung bedarf, um gegenüber den Arbeitgebern und deren Arbeitnehmern zur Anwendung zu kommen. Es muß nur sichergestellt sein, daß der Inhalt der später zu erlassenden Tarifnormen bereits konkret vorbestimmt ist und keine Abweichung zuläßt. 91 In diesem Fall ist die zukünftige Gestaltung des Tarifvertrags vorhersehbar und von der mitgliedschaftlichen Legitimation gedeckt.
c) Fortgesetzte Tarifgebundenheit bei mittelbaren Stufentarifverträgen
Im Schrifttum 92 wird die Auffassung vertreten, daß der ausgeschiedene Arbeitgeber bei einem mittelbaren Stufentarifvertrag nicht den später wirksam werdenden Tarifbestimmungen unterliegt. Die nachträgliche Ausfüllung der auf den Austritt folgenden Stufen durch den späteren Abschluß eines Tarifvertrags, auf den verwiesen wird, sei eine Änderung der bisher geltenden Tarifbestimmungen, an die das ehemalige Mitglied gemäß § 4 Abs. 1, § 3 Abs. 1 TVG nicht gebunden sei. 88 89
Bauer/Oiller, OB 1993, S. 1085, 1088; Gerhards, BB 1997, S. 362, 363. § 3, S. 87; § 3 11., S. 91 ff.
90 Hanau/Kania, OB 1995, S. 1229, 1231 f.; Kempen/Zachen, § 3 Rdnr. 33; Schwab, BB 1994, S. 781, 782. 91 Oäubler, NZA 1996, S. 225, 227; Hanaul Kania, OB 1995, S. 1229, 1233. 92 Hanau/Kania, OB 1995, S. 1229, 1233; Kempen/Zachen, § 3 Rdnr. 33; offengelassen von Oäubler, NZA 1996, S. 225, 227, Fn. 39.
IV. Umfang der Tarifgebundenheit
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Gegenüber dem ausgetretenen Arbeitgeber gelte nur die Stufe weiter, die zur Zeit seines Austritts erreicht war. Dieser Ansicht kann nicht gefolgt werden. Die spätere Modifikation des Stufentarifvertrags durch den Tarifvertrag, auf den verwiesen wird, kann nicht mit der nachträglichen Änderung gleichgesetzt werden. Bei einer Änderung wird der laufende Tarifvertrag teilweise aufgehoben und durch neue Tarifnormen ersetzt. Demgegenüber führt der Abschluß des Tarifvertrags, auf den verwiesen wird, zur Konkretisierung des Stufentarifvertrags, die im Unterschied zur Änderung von vornherein im Tarifvertrag angelegt ist. Der Stufentarifvertrag ist ein einheitliches Tarifwerk, in dem die spätere inhaltliche Gestaltung selbst vorgesehen ist. Durch die Verweisung haben die Tarifvertragsparteien die künftigen Tarifnormen in ihren Willen aufgenommen und zum Bestandteil ihres Tarifvertrags gemacht. Diesen Tarifvertrag hat der später ausgetretene Arbeitgeber im vollen Umfang mitgliedschaftlieh legitimiert, so daß die fortgesetzte Tarifgebundenheit auch die nachfolgenden Stufen einschließt. Dieser Lösung wird allerdings entgegengehalten, sie führe zu einem Wertungswiderspruch. 93 Die Arbeitgeber, die vom Stufentarifvertrag erfaßt werden, könnten sich den späteren Tarifstufen nicht durch Austritt entziehen. Diese Chance hätten hingegen diejenigen Arbeitgeber, die nicht dem Stufentarifvertrag, sondern unmittelbar dem in Bezug genommenen Tarifvertrag unterliegen. Diese Arbeitgeber könnten die Bindung an die zukünftigen Tarifregelungen durch rechtzeitigen Aus~ tritt abwenden. Folglich hätte der Tarifvertrag, auf den verwiesen wird, gegenüber den Arbeitgebern, die dem verweisenden Stufentarifvertrag unterworfen sind, eine stärkere Bindungswirkung. Dies entspreche nicht dem Sinn des Stufentarifvertrags, die Gleichstellung der Arbeitgeber herbeizuführen. Diese Kritik vernachlässigt jedoch die Eigenständigkeit des Stufentarifvertrags gegenüber dem Tarifvertrag, auf den verwiesen wird. Der Stufentarifvertrag gilt unabhängig vom Tarifvertrag, dessen Regelungen übernommen werden. Er kann eine abweichende Laufzeit und einen unterschiedlichen Adressatenkreis haben. Die Bindung an den Stufentarifvertrag ist getrennt von der Geltung des Tarifvertrags, auf den Bezug genommen wird, zu beurteilen. Die fortgesetzte Bindung an den Stufentarifvertrag endet erst mit dessen Ablauf. Dies ist die Rechtsfolge des § 3 Abs. 3 TVG. Die von der Gegenmeinung befürwortete Beschränkung der fortgesetzten Tarifgebundenheit ist daher nicht mit dem Gesetz vereinbar.
d) Ergebnis Bei Stufentarifverträgen kommen die einzelnen Tarifbestimmungen in unterschiedlichen zeitlichen Abschnitten zur Anwendung. Stufentarifverträge können als unmittelbare und mittelbare Stufentarifverträge gestaltet werden. Bei unmittel93
Hanau/Kania, OB 1995. S. 1229. 1233.
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§ 3 Tarifrechtliche Folgen des Wechsels
baren Stufentarifverträgen legen die Tarifvertragsparteien den Inhalt der einzelnen Stufen bereits beim Abschluß des Tarifvertrags selbst fest; bei mittelbaren Stufentarifverträgen nehmen sie auf andere, in der Zukunft zu schließende Tarifverträge Bezug. Wenn die Tarifvertragsparteien einen mittelbaren Stufentarifvertrag vereinbaren, müssen sie die Grenzen beachten, die die Rechtsprechung der Verweisung auf zukünftige Tarifverträge setzt. Die durch § 3 Abs. 3 TVG vermittelte Tarifgebundenheit erfaßt die zur Zeit des Austritts erreichten Stufen und umfaßt auch die folgenden Tarifregelungen.
v. Gesamtergebnis zu § 3 Wenn der Arbeitgeber von der Gruppe der dem Tarifvertrag unterworfenen Vollmitglieder zu den Mitgliedern "Ohne Tarifbindung" wechselt, bleibt er weiterhin an den geltenden Tarifvertrag gebunden. Die Rechtsgrundlage besteht in der Analogie zu § 3 Abs. 3 TVG. Die Tarifgebundenheit dauert bis zur Beendigung des Tarifvertrags durch Zeitablauf, Kündigung oder Aufhebung durch einen ablösenden Tarifvertrag. Sie darf jedoch die Höchstgrenze von fünf Jahren nicht überschreiten. Die Änderung des Tarifvertrags führt zu seiner Aufhebung und Beendigung. Bei einer partiellen Änderung wird der Tarifvertrag nur teilweise aufgehoben. Der Arbeitgeber bleibt an die unveränderten Teile des Tarifvertrags gebunden, sofern diese eine eigenständige und in sich geschlossene Regelung darstellen. Das Gesetz stellt die durch § 3 Abs. 3 TVG vermittelte Tarifgebundenheit mit der kraft Mitgliedschaft bestehenden Bindung an den Tarifvertrag gleich. Demzufolge finden dessen Regelungen auch gegenüber denjenigen Arbeitsverhältnissen Anwendung, die der Arbeitgeber nach seinem Übertritt in die Mitgliedsgruppe "Ohne Tarifbindung" eingeht. Sie kommen ebenso zum Tragen, wenn der Arbeitnehmer erst zu diesem Zeitpunkt der Gewerkschaft beitritt. Bei Stufentarifverträgen erstreckt sich die fortbestehende Tarifgebundenheit auch auf die Bestimmungen des Tarifvertrags, die nach dem Wechsel der Mitgliedskategorie wirksam werden.
§ 4 Beendigung des Tarifvertrags und Nachwirkung der Tarifnormen Wenn der Tarifvertrag beendet wird, entfallen gegenüber dem verbandsangehörigen Arbeitgeber, der von der Vollmitgliedschaft in die Mitgliedsgruppe "Ohne Tarifbindung" übergetreten ist, zwei Voraussetzungen für die Anwendung des Tarifvertrags: Zum einen endet die zeitliche Geltung des Tarifvertrags; zum anderen wird der Arbeitgeber von der fortgesetzten Tarifgebundenheit befreit. Die im Tarifvertrag enthaltenen Bestimmungen kommen ihm gegenüber jedoch weiterhin zum Tragen, wenn er von der Nachwirkung der Tarifnormen gemäß § 4 Abs. 5 TVG erfaßt wird. Nach dieser Vorschrift gelten die Rechtsnormen des Tarifvertrags nach dessen Ablauf weiter, bis sie durch eine andere Abmachung ersetzt werden. § 4 Abs. 5 TVG hebt folglich die Grenze für die zeitliche Geltung der Tarifregelungen auf. Umstritten ist, ob die Vorschrift darüber hinaus auch das Ende der gemäß § 3 Abs. 3 TVG vermittelten Tarifgebundenheit überwindet. Während die herrschende Meinung diese Frage bejaht und § 4 Abs. 5 TVG unmittelbar I oder analog2 anwendet, lehnen es das Landesarbeitsgericht Köln 3 und Teile des Schrifttums4 ab, das ehemalige Mitglied in die Nachwirkung der Tarifregelungen einzubeziehen.
1 BAG, Dritter Senat, AP Nr. 42 zu § 1 BetrAVG - Zusatzversorgungskassen, BI. 4; Achter Senat, AP Nr. 10 zu § 3 TVG, BI. 1; Bieback, OB 1989, S. 477, 478; Däubler, TVR, Rdnr. 1470; ders., ZTR 1994, S. 448, 451; ders., NZA 1996, S. 225, 227; Kernpen/Zachert, § 3 Rdnr. 34; Krauss, OB 1995, S. 1562; ders., OB 1996, S. 528; Lieb, NZA 1994, S. 337, 342; A. Hueck/Nipperdey, 11./1., § 27 IV. 3., S. 539; Ostrop, S. 130; Schaub, ArbeitsrechtsHandbuch, § 20611. 3. d), S. 1725; ders., BB 1994, S. 2005, 2006; Wiedernann/Sturnpf, § 3 Rdnr. 37, § 4 Rdnr. 188; offengelassen von Krebs, SAE 1993, S. 133, 138. 2 BAG, Vierter Senat, AP Nr. 13 zu § 3 TVG, BI. 1 verso; Nr. 3 zu § 3 TVG - Verbandsaustritt, BI. 2 verso f.; Besgen, S. 106 f.; Dahlbender, S. 72, 77; Fröhlich, NZA 1992, S. 1105, 1107; Gerhards, BB 1997, S. 362; Reuter, RdA 1996, S. 201, 209; Rieble, Anrn. zu BAG, AP Nr. 3 zu § 3 TVG - Verbandsaustritt, BI. 4, 4 verso, unter Aufgabe seiner Gegenansicht in: Löwisch/Rieble, TVG, § 4 Rdnrn. 241 ff.; offengelassen vom Neunten Senat des BAG, AP Nr. 42 zu § 3 TVG - Verbandsaustritt, BI. 2 verso. 3 NZA 1990, S. 502. 4 Hoß/Liebscher, OB 1995, S. 2525,2527; Löwisch, in: Münchener Handbuch Arbeitsrecht, § 266 Rdnr. 19; Oetker, gern. Anrn. zu BAG, EzA Nm. 14 und 15 zu § 4 TIlG - Nachwirkung, S. 17,24; Schwab, BB 1994, S. 781, 782; Zöllner I Loritz, § 3711.5., S. 374.
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§ 4 Beendigung des Tarifvertrags und Nachwirkung der Tarifnormen
I. Unmittelbare Anwendung des § 4 Abs. 5 TVG Nach Ansicht einiger Autoren 5 gestattet der Wortlaut des § 4 Abs. 5 TVG die unmittelbare Anwendung der Vorschrift gegenüber dem Arbeitgeber, dessen Tarifgebundenheit mit dem Ende des Tarifvertrags entfällt. Der Wortsinn der vom Gesetz verwendeten Begriffe "Ablauf des Tarifvertrags" beziehe sich auf den Fortfall einer jeden Anwendungsvoraussetzung des Tarifvertrags im Sinne des § 4 Abs. 1 TVG und mithin auch auf das Ende der Tarifgebundenheit. Daher sei § 4 Abs. 5 TVG auch auf diesen Fall anzuwenden. Auf die mit dem Auslaufen der tarifvertraglichen Geltungszeit beendete Tarifgebundenheit folge somit die Phase der Nachwirkung. Demgegenüber interpretieren der Vierte Senat des Bundesarbeitsgerichts 6 und ein Teil der Literatur7 den Wortlaut des § 4 Abs. 5 TVG enger. Sie erstrecken den ,,Ablauf des Tarifvertrags" allein auf dessen zeitliches Ende. Dieser restriktiven Auslegung ist zuzustimmen. Der Begriff ,,Ablauf' bedeutet Ende der Laufzeit des Tarifvertrags und erfaßt nur die Beendigung der tarifvertraglichen Geltungsdauer, nicht hingegen das Ende der Tarifgebundenheit, so daß die unmittelbare Anwendung der Vorschrift ausscheidet.
11. Analoge Anwendung des § 4 Abs. 5 TVG In Betracht kommt die analoge Anwendung des § 4 Abs. 5 TVG.
1. Gesetzeslücke Die Analogie setzt eine planwidrige Regelungslücke im Gesetz voraus. 8 Das Tarifvertragsgesetz hat keine Bestimmung für die Fortgeltung der Tarifnormen nach der Beendigung der Tarifgebundenheit getroffen und könnte insofern lückenhaft und ergänzungsbedürftig sein. Allerdings wird die Lückenhaftigkeit des Gesetzes von einzelnen Stimmen in der Literatur 9 mit dem Argument bestritten, § 3 Abs. 3 TVG regele die tarifrechtlis Däubler, Z1R 1994, S. 448, 451; ders., NZA 1996, S. 225, 227; Kernpen/Zachert, § 3 Rdnr. 34; Krebs, SAE 1993, S. 133, 138. 6 AP Nr. 13 zu § 3 TVG, BI. 1 verso; Nr. 14 zu § 3 TVG - Verbandszugehörigkeit, BI. 3 verso. 7 Th. Müller/Peters, Anrn. zu BAG, AP Nr. 14 zu § 3 TVG - Verbandszugehörigkeit, BI. 6, 7 verso; Oetker, gern. Anrn. zu BAG, EzA Nrn. 14 und 15 zu § 4 TVG - Nachwirkung, S.17,18f. 8 Zu den Voraussetzungen der Gesetzesanalogie: § 3 1I., S. 92.
11. Analoge Anwendung des § 4 Abs. 5 TVG
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chen Folgen des Austritts abschließend. Gemäß dem Wortlaut der Vorschrift solle das ehemalige Mitglied nur bis zum Ende der Geltungsdauer des Tarifvertrags an diesen gebunden bleiben, woraus zu folgern sei, daß es danach von der Anwendung der Tarifbestimmungen befreit werden müsse. § 3 Abs. 3 TVG beinhalte eine Sonderregelung für den Austritt des Arbeitgebers, die die Bindung an den Tarifvertrag nach dem Verbandsaustritt nur zeitlich begrenzt fortbestehen lasse. Mit dieser gesetzlichen Wertung sei es nicht vereinbar, das ehemalige Mitglied über das Ende des Tarifvertrags hinaus auf die Anwendung der Tarifnormen zu verpflichten. § 3 Abs. 3 TVG trifft jedoch lediglich eine Regelung zur Aufrechterhaltung der tarifvertraglichen Ordnung bis zum Ende des Tarifvertrags, ohne gleichzeitig die darauf folgende Weitergeltung der Tarifbestimmungen aufgrund anderer Vorschriften auszuschließen. Aus § 3 Abs. 3 TVG läßt sich daher nicht die Aussage ableiten, daß der ausgetretene Arbeitgeber nach dem Ende des Tarifvertrags von der Anwendung der Tarifnormen ausgenommen werden soll.
Für diese Auslegung spricht auch der Wille des historischen Gesetzgebers, der mit der Aufnahme der § 3 Abs. 3 und § 4 Abs. 5 TVG unterschiedliche Zwecke verfolgte. In § 3 Abs. 3 TVG ordnet er als Reaktion auf die Rechtslage unter der Geltung der Tarifvertragsverordnung die Fortsetzung der Tarifgebundenheit über die Beendigung der Mitgliedschaft hinaus an, um die nachträgliche Flucht des Arbeitgebers aus dem Tarifvertrag zu verhindern. 1O Demgegenüber wollte der Gesetzgeber mit § 4 Abs. 5 TVG die Fortgeltung der Tarifbestimmungen nach dem zeitlichen Ablauf des Tarifvertrags gewährleisten II und die zur Zeit der Weimarer Republik geführte Diskussion über die Nachwirkung eines Tarifvertrags beenden. 12 Um dieses Ziel zu erreichen, hat er die Nachwirkung auf eine eigene Rechtsgrundlage gestellt. § 3 Abs. 3 und § 4 Abs. 5 TVG haben mithin verschiedene Rechtsfragen zum Gegenstand und sind demzufolge nicht im Sinne eines Ausschließlichkeitsverhältnisses aufeinander bezogen. 13
Als Zwischenergebnis ist daher festzuhalten, daß das Tarifvertragsgesetz die Frage der Fortwirkung der Tarifnormen nach der Beendigung der Tarifgebundenheit nicht entschieden hat und insofern eine Lücke aufweist.
9 Löwisch, in: Münchener Handbuch Arbeitsrecht, § 266 Rdnr. 19; Oetker, gern. Anrn. zu BAG, EzA Nrn. 14 und 15 zu § 4 TVG - Nachwirkung, S. 17, 20 f. 10 § 3 11., S. 92 f. 11 BAG, AP Nr. 14 zu § 3 TVG - Verbandszugehörigkeit, BI. 4; Herschel, ZfA 1976, S. 89, 95. 12 BAG, AP Nr. I zu § 4 TVG - Nachwirkung, BI. 2; Hersehe!, ZfA 1976, S. 89,99. 13 BAG, AP Nr. 3 zu § 3 TVG - Verbandsaustritt, BI. 3 verso; Dahlbender, S. 77; Krauss, DB 1996, S. 528; Krebs, SAE 1993, S. 133, 138.
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§ 4 Beendigung des Tarifvertrags und Nachwirkung der Tarifnormen
2. Vergleichbarkeit der Interessenlagen Die Analogie erfordert des weiteren, daß die Interessenlage der gesetzlich erfaßten Fallgestaltung mit derjenigen vergleichbar ist, die der zu entscheidenden Regelungsfrage zugrunde liegt. § 4 Abs. 5 TVG stellt die Fortgeltung der tarifvertraglieh bestimmten Arbeitsbedingungen nach dem Ablauf des Tarifvertrags sicher und verhindert, daß die tarifvertraglieh gestalteten Arbeitsverhältnisse bis zur Neuregelung vollständig oder partiell inhaltsleer werden. 14 Die Nachwirkung der Tarifnormen sichert im Interesse beider Arbeitsvertragsparteien die bisherige Einheitlichkeit der Arbeitsbedingungen, bis andere kollektiv- oder einzel vertragliche Abreden an deren Stelle treten. 15 Darüber hinaus dient die Vorschrift dem Schutz des Arbeitnehmers, indem sie nach der Beendigung des Tarifvertrags das erreichte tarifvertragIiche Leistungsniveau aufrechterhält. 16
Diese Gesichtspunkte kommen auch nach dem Ablauf der durch § 3 Abs. 3 TVG vermittelten Tarifgebundenheit zum Tragen und sprechen für die analoge Anwendung des § 4 Abs. 5 TVG. Die mit dem Ende des Tarifvertrags entstehende Lücke in den Arbeitsverhältnissen könnte allerdings ebenso durch § 612 Abs. 2 BGB, das dispositive Gesetzesrecht und das einseitige Leistungsbestimmungsrecht des Arbeitgebers ausgefüllt werden. 17 Dies wollte der Gesetzgeber jedoch gerade vermeiden. Mit § 4 Abs. 5 TVG hat er eine eigenständige Regelung zur Überbrückung der Zeit nach Ablauf des Tarifvertrags geschaffen und bestimmt, daß dessen Ordnung über das Vertragsende hinaus vorläufig fortbesteht. 18 § 4 Abs. 5 TVG enthält die gesetzgeberische Wertung, daß der Regelungsanspruch der Tarifnormen gegenüber den Arbeitsverhältnissen über das Ende des Tarifvertrags hinaus erhalten bleibt und nicht durch das ergänzende System des § 612 Abs. 2 BGB, des Gesetzesrechts und des einseitigen Dispositionsrechts des Arbeitgebers ersetzt wird. 19
14 BAG, AP Nr. 1 zu § 4 TVG - Nachwirkung, BI. 2; Nr. 13 zu § 3 TVG, BI. 1 verso; Nr. 14 zu § 3 TVG - Verbandszugehörigkeit, BI. 4; Nr. 3 zu § 3 TVG - Verbandsaustritt, BI. 3; Kempen I Zachert, § 3 Rdnr. 34, § 4 Rdnr. 293; Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch, § 206 11. 3. d), S. 1725; Wiedemann I Stumpf, § 4 Rdnr. 185. 15 BAG, AP Nr. 13 zu § 3 TVG, BI. 1 verso; Gerhards, BB 1997, S. 362. 16 BAG, AP Nr. 14 zu § 3 TVG - Verbandszugehörigkeit, BI. 4; Rieb1e, Anm. zu BAG, AP Nr. 3 zu § 3 TVG - Verbandsaustritt, BI. 4, 6 f.; Wiedemann I Stumpf, § 4 Rdnr. 185. 17 Lieb, NZA 1994, S. 337,338 f.; Löwisch/Rieb1e, TVG, § 4 Rdnr. 221; Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch, § 20611.3. d), S. 1725. 18 BAG, AP Nr. 13 zu § 3 TVG, BI. 1 verso; Nr. 14 zu § 3 TVG - Verbandszugehörigkeit, BI. 4; Wiedemann I Stumpf, § 4 Rdnr. 185. 19 Krebs, SAE 1993, S. 133, 135.
H. Analoge Anwendung des § 4 Abs. 5 TVG
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Es wird jedoch teilweise 20 der Einwand erhoben, § 4 Abs. 5 TVG habe lediglich die Funktion, die tariffreie Zeit bis zum Abschluß des nächsten Tarifvertrags auszufüllen. Da der Arbeitgeber, der die Vollmitgliedschaft abgelegt habe, nicht an den nachfolgenden Verbandstarifvertrag gebunden sein werde, entfalle ihm gegenüber der Grund für die Fortsetzung der Tarifgeltung. Es sei daher nicht gerechtfertigt, die Nachwirkung der Tarifnormen auf ihn zu erstrecken. Diese Einschränkung ihres Anwendungsbereichs läßt sich der Vorschrift jedoch nicht entnehmen. 21 § 4 Abs. 5 TVG setzt nur voraus, daß die Arbeitsbedingungen bislang durch einen Tarifvertrag gestaltet worden sind, nicht jedoch, daß sie wieder tarifvertraglich geordnet werden. Die Vorschrift soll den regelungsfreien Zustand im Anschluß an einen Tarifvertrag verhindern, und zwar unabhängig davon, ob erneut ein Tarifvertrag zustande kommen wird,z2 Dies ergibt sich aus dem Wortlaut des § 4 Abs. 5 TVG. Die Normen des Tarifvertrags gelten weiter, bis sie durch andere Abmachungen ersetzt werden. Der Wortsinn des Begriffs "Abmachung" erfaßt jede vertragliche Absprache. Die durch den beendeten Tarifvertrag bestimmten Arbeitsbedingungen können folglich nicht nur durch einen nachfolgenden Tarifvertrag, sondern ebenso durch einzelvertragliche und betriebliche Vereinbarungen abgelöst werden. 23 Mithin ist die ÜberbfÜckungsfunktion des § 4 Abs. 5 TVG nicht nur auf einen Anschlußtarifvertrag gerichtet. 24 Somit kann die Fortwirkung der Tarifnormen gegenüber dem aus der Tarifgebundenheit ausgeschiedenen Arbeitgeber nicht mit dem Hinweis verneint werden, daß dieser Arbeitgeber an einen Folgetarifvertrag nicht gebunden sein wird. Allerdings darf nicht außer acht gelassen werden, daß die Geltung von Tarifnormen der Legitimation durch den Arbeitgeber als Normadressaten bedarf,zs Den abgelaufenen Tarifvertrag hatte der Arbeitgeber zwar durch seine Verbandszugehörigkeit mitgetragen,26 diese Legitimation war aber auf die Laufzeit des Tarifvertrags begrenzt und ist mit deren Ende erloschen. Sie besteht in der Nachwirkungszeit nicht mehr. 27 Diesen Bedenken wird entgegengehalten, daß die Nachwirkung der Tarifnormen nicht auf dem Tarifvertrag beruhe, sondern kraft Gesetzes erfolge, so daß die feh20 Lieb, NZA 1994, S. 337, 338; Löwisch, in: Münchener Handbuch Arbeitsrecht, § 266 Rdnr. 19. 21 Däubler, ZTR 1994, S. 448, 451; ders., NZA 1996, S. 225, 228. 22 BAG, AP Nr. 3 zu § 3 TVG - Verbandsaustritt, BI. 3; Krebs, SAE 1993, S. 133, 139. 23 BAG, AP Nr. 13 zu § 3 TVG, BI. 2; Krebs, SAE 1993, S. 133, 135; Wiedemannl Stumpf, § 4 Rdnr. 194. 24 BAG, AP Nr. 14 zu § 3 TVG - Verbandszugehörigkeit, BI. 4 verso; Nr. 3 zu § 3 TVGVerbandsaustritt, BI. 3; Krauss, DB 1996, S. 528, 529; Th. Müller/Peters, Anm. zu BAG, AP Nr. 14 zu § 3 TVG - Verbandszugehörigkeit, BI. 6, 7 verso. 2~ § 1 I. 2., S. 22 f. 26 § 31., S. 90. 27 Schwab, BB 1994, S. 781, 782.
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lende Mitgliedschaft als Voraussetzung für die Nonngeltung bedeutungslos sei. 28 Die Nachwirkung finde ihren Rechtsgrund allein in § 4 Abs. 5 TVG und somit im staatlichen Gesetz,29 aus dem sie die notwendige Legitimation erhalte. Mit dieser Argumentation lassen sich die dargelegten Bedenken jedoch nicht ausräumen. Wenn das Gesetz selbst die Rechtsquelle für die Nachwirkung wäre, übernähme das Tarifvertragsgesetz mit der Regelung in § 4 Abs. 5 den Inhalt des Tarifvertrags. Eine derartige gesetzliche Bezugnahme auf Tarifbestimmungen, die von den Tarifvertragsparteien selbständig und ohne Kontrolle durch den Gesetzgeber erlassen werden, wäre eine dynamische Verweisung. 3o Sie wäre nach Maßgabe der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts als Verstoß gegen die Bindung des Gesetzgebers an das Demokratieprinzip des Art. 20 Abs. 1 und 2 GG unzulässig?! Die Nachwirkung kann daher nicht auf staatlicher Legitimation beruhen. Die nachwirkenden Tarifnonnen sind folglich mit einem Legitimationsrückstand belastet. Dies ist jedoch im Rahmen des § 4 Abs. 5 TVG zugunsten seiner Überbrückungsfunktion zu akzeptieren. Der Arbeitgeber wird in seiner Gestaltungsfreiheit nicht übennäßig behindert. Die Tarifnonnen verlieren in der Nachwirkungsphase ihre zwingende Wirkung. Sie können jederzeit durch einzelvertragliche oder betriebliche Abreden abgelöst werden, so daß der Arbeitgeber nicht unabänderlich den Tarifnonnen ausgesetzt bleibt. 32 Gegen diese Begründung wird allerdings angeführt, dem Arbeitgeber sei es zwar rechtlich gestattet, die Tarifbestimmungen auf einzelvertraglicher und betrieblicher Ebene abzulösen, in tatsächlicher Hinsicht sei dies aber ausgeschlossen. 33 Betrieblichen Abmachungen stehe die Sperre des § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG entgegen,34 so daß der Arbeitgeber auf einzelvertragliche Änderungsabsprachen mit den Arbeitnehmern verwiesen sei. Wenn sich die Arbeitnehmer aber nicht zu Vertragsänderungen bereit flinden, müsse der Arbeitgeber die Änderungskündigung einsetzen, die aber wegen des Kündigungsschutzes und der dazu ergangenen restriktiven Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts faktisch nicht in Betracht komme. 35 Reuter, RdA 1996, S. 201, 208. BAG, AP Nr. 14 zu § 3 TVG - Verbandszugehörigkeit, BI. 4 f.; Nr. 3 zu § 3 TVG Verbandsaustritt, BI. 3 verso; Th. Müller I Peters, Anm. zu BAG, AP Nr. 14 zu § 3 TVG Verbandszugehörigkeit, BI. 6, 7 verso; Schaub, BB 1994, S. 2005, 2006. 30 Rotter, S. 69 ff. 31 § 211. 7. c) bb), S. 64 f. 32 Däubler, ZTR 1994, S. 448, 451; ders., NZA 1996, S. 225, 228; Dahlbender, S. 73 f.; Gerhards, BB 1997, S. 362; Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch, § 20611. 3. d), S. 1725; ders., BB 1995, S. 2003. 33 Lieb, NZA 1994, S. 337, 338; Oetker, gern. Anm. zu BAG, EzA Nrn. 14 und 15 zu § 4 TVG - Nachwirkung, S. 17,22. 34 Ob § 77 Abs. 3 Satz 1 TVG gegenüber dem Mitglied "Ohne Tarifbindung" anzuwenden ist, wird an anderer Stelle ausführlich behandelt: § 4 IV. 2. a), S. 143 ff. 35 Zur Frage, inwieweit der Arbeitgeber die Änderungskündigung einsetzen kann, wird später umfassend Stellung bezogen: § 4 IV. 1. c), S. 120 ff. 28 29
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Der Arbeitgeber könne sich daher nicht von den Tarifbestimmungen befreien. Dies widerspreche der negativen Koalitionsfreiheit,36 die gebiete, daß sich das ehemalige Mitglied auf zumutbare Weise von der tarifvertraglichen Ordnung lösen können müsse?7 Außerdem werde die Austrittsfreiheit des Arbeitgebers verkürzt, da er sich wegen der geringen Chancen zur Veränderung der Arbeitsbedingungen gezwungen sehen werde, im Verband zu verbleiben, um durch die Teilnahme an der innerverbandlichen Willensbildung zumindest die weitere Tarifpolitik in seinem Sinn zu beeinflussen. 38 Es ist aber zu bedenken, daß der Arbeitgeber durch die nur noch dispositiv nachwirkenden Tarifnormen nicht stärker gebunden wird, als dies bei einzelvertraglich getroffenen Vereinbarungen mit den Arbeitnehmern der Fall ist. Derartige Abreden kann er ebenfalls nur im Konsens mit den Arbeitnehmern oder im Rahmen des Kündigungsschutzes durch eine Änderungskündigung modifizieren. Es ist kein Grund ersichtlich, weswegen der Arbeitgeber in der Lage sein soll, sich von zuvor tarifvertraglich bestimmten Arbeitsbedingungen leichter zu lösen als von den Inhalten des Einzelarbeitsvertrags. 39 Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, daß der Arbeitgeber, der seine VolImitgliedschaft aufkündigt, die Position eines Außenseiter-Arbeitgebers anstrebt, der keinem Verband beigetreten ist und zu keinem Zeitpunkt tarifgebunden war. Diesem Ziel steht seine Einbeziehung in die Nachwirkung der Tarifnormen nicht entgegen. Er wird vielmehr mit dem Arbeitgeber gleichgestellt, der dem Verband von vornherein ferngeblieben ist. 4o Auch dieser Außenseiter-Arbeitgeber muß die Regelungen anwenden, die er einzelvertraglich oder betrieblich getroffen hat. Er kann sie ebenfalls nur mit Zustimmung der Arbeitnehmer oder durch Änderungskündigungen sowie in den gesetzlichen Grenzen durch Betriebsvereinbarungen ersetzen. Folglich führt die Fortwirkung der Tarifnormen nach § 4 Abs. 5 TVG zu keiner besonderen und unzumutbaren Belastung für den ehemals tarifgebundenen Arbeitgeber. Überdies hat die Nachwirkung für ihn auch Vorteile. Er wird oftmals nicht in der Lage sein, den Tarifvertrag zügig durch eine neue arbeitsrechtliche Ordnung abzulösen. 41 Er müßte beim ersatzlosen Fortfall der Tarifbestimmungen gemäß § 612 Abs. 2 BGB die übliche Vergütung zahlen und die gesetzlichen Mindestar36 Oetker, gern. Anrn. zu BAG, EzA Nm. 14 und 15 zu § 4 TVG - Nachwirkung, S. 17; Schwab, BB 1994, S. 781, 782. 37 Bauer I Diller, DB 1993, S. \085, 1088. 38 Oetker, gern. Anrn. zu BAG, EzA Nm. 14 und 15 zu § 4 TVG - Nachwirkung, S. 17, 22 f. 39 BAG, AP Nr. 14 zu § 3 TVG - Verbandszugehörigkeit, BI. 4 verso; Nr. 3 zu § 3 TVGVerbandsaustritt, BI. 3 verso. 40 Reuter, RdA 1996, S. 201, 208. 41 BAG, AP Nr. 14 zu § 3 TVG - Verbandszugehörigkeit, BI. 4; Wiedernann I Sturnpf, § 4 Rdnr. 185.
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§ 4 Beendigung des Tarifvertrags und Nachwirkung der Tarifnormen
beitsbedingungen gewähren. 42 Das gemäß § 612 Abs. 2 BGB zu zahlende Entgelt wird von der Rechtsprechung43 in aller Regel nach dem jeweils geltenden Tarifvertrag bestimmt, der bei Tarifgebundenheit anzuwenden wäre. Wenn die Löhne und Gehälter zwischenzeitlich durch einen neuen Tarifvertrag erhöht wurden, müßte der Arbeitgeber die höhere Vergütung zahlen. 44 Demgegenüber wird bei der Anwendung des § 4 Abs. 5 TVG lediglich das bisherige tarifvertragliehe Niveau der Arbeitsbedingungen perpetuiert. 45 Dem Arbeitgeber kommen damit automatisch ,,Nullrunden" zugute. Außerdem erhält er die Möglichkeit, Lohnsteigerungen von Zugeständnissen der Arbeitnehmer in anderen Bereichen abhängig zu machen. 46 Auf diese Weise kann er die Arbeitsbedingungen schrittweise seinen Bedürfnissen anpassen. Es ist daher der herrschenden Meinung zu folgen, die in analoger Anwendung des § 4 Abs. 5 TVG den ehemals als tarifgebundenes Vollmitglied organisierten Arbeitgeber in die Nachwirkung der Tarifnormen einbezieht.
3. Ergebnis zu 11. § 4 Abs. 5 TVG kommt nach dem Ablauf der durch § 3Abs. 3 TVG vermittelten Tarifgebundenheit nicht unmittelbar, aber analog zur Anwendung. Die tarifvertraglichen Bestimmungen behalten weiterhin ihre Gültigkeit. Folglich unterliegt auch der Arbeitgeber, der von der Gruppe der Vollmitglieder zu den Mitgliedern "Ohne Tarifbindung" wechselt, nach dem Ende des Verbandstarifvertrags weiterhin dessen Normen.
IH. Personelle Reichweite der nachwirkenden Tarifnormen 1. Tarifgebundene Arbeitnehmer § 4 Abs. 5 TVG erhält die Regelungsfunktion der Tarifnormen zugunsten der bislang tarifvertraglieh gestalteten Arbeitsverhältnisse über das Ende des Tarifvertrags hinaus aufrecht. Dementsprechend erfaßt der Anwendungsbereich der Vorschrift zumindest die während der Laufzeit des Tarifvertrags bestehenden Arbeitsverhältnisse des Arbeitgebers mit den tarifgebundenen Arbeitnehmern. Krebs, SAE 1993, S. 133, 135, 138. BAG, APNr. 23 zu § 612 BGB, BI. 3 C.; LAG Düsse1dorf, DB 1978, S. 165, 166. 44 Lieb, NZA 1994, S. 337, 338; Schaub, BB 1994, S. 2005, 2006; ders., BB 1995, S.2003. 45 BAG, AP Nr. 3 zu § 3 TVG - Verbandsaustritt, BI. 4; Däubler, ZTR 1994, S. 448, 451; ders., NZA 1996, S. 225,228; Lieb, NZA 1994, S. 337, 339. 46 BAG, AP Nr. 3 zu § 3 TVG - Verbandsaustritt, BI. 4; Rieb1e, SAE 1995, S. 77, 78; Schaub, BB 1994, S. 2005, 2006. 42 43
III. Personelle Reichweite der nachwirkenden Tarifnormen
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Umstritten ist, ob sich darüber hinaus die Fortgeltung der Tarifnonnen auch auf die nach dem Ablauf des Tarifvertrags begründeten Arbeitsverhältnisse erstreckt. Diese Frage wird von einem Teil des Schrifttums47 bejaht, vom Bundesarbeitsgericht48 und einigen Vertretern der Lehre49 jedoch verneint. Die Streitfrage braucht im Rahmen dieser Arbeit nicht entschieden zu werden. Folgt man der zuletzt genannten Ansicht, so entfällt die Regelungsfunktion der nachwirkenden Tarifnonnen gegenüber den neubegründeten Arbeitsverhältnissen. Der Arbeitgeber und die Arbeitnehmer müssen den Inhalt ihrer Arbeitsbeziehung im Arbeitsvertrag umfassend gestalten. Bei diesem Lösungsansatz treten die einzelvertraglichen Absprachen von vornherein an die Stelle des Tarifvertrags. Zum gleichen Ergebnis gelangt man, wenn man mit der Gegenauffassung davon ausgeht, daß die neueingestellten Arbeitnehmer in die Nachwirkung einbezogen werden. Mit dem Wechsel von der Vollmitgliedschaft in die Mitgliedsgruppe "Ohne Tarifbindung" beabsichtigt der Arbeitgeber die Befreiung von der tarifvertraglichen Ordnung und die Neuregelung der Arbeitsbedingungen jenseits des Verbandstarifvertrags. Er wird aus diesem Grunde ohnehin mit den Arbeitsplatzbewerbern individualvertraglich andere als die im Tarifvertrag enthaltenen Konditionen vereinbaren. Die jeweilige einzelvertragliche Absprache stellt eine "andere Abmachung" im Sinne des § 4 Abs. 5 TVG dar und verdrängt die fortgeltenden Tarifnormen. Folglich verlieren die tarifvertraglichen Bestimmungen auch auf der Grundlage dieser Ansicht ihre Gültigkeit.
2. Nichttarifgebundene Arbeitnehmer § 4 Abs. 5 TVG verlängert die zeitliche Geltung der Tarifnonnen, setzt jedoch das Vorliegen aller sonstigen Anwendungsvoraussetzungen für den Tarifvertrag voraus. Die nachwirkenden Tarifnonnen erfassen folglich nur die gewerkschaftlich organisierten und daher gemäß § 3 Abs. I TVG tarifgebundenen Arbeitnehmer.
Die tarifvertragliehe Ordnung kommt den Außenseiter-Arbeitnehmern jedoch gleichfalls zugute, wenn sie einzelvertraglich mit dem Arbeitgeber die Anwendung des Tarifvertrags vereinbaren. 5o Mit der Übernahme der tariflichen Regelungen in die Einzelarbeitsverträge bezweckt der Arbeitgeber die Vereinheitlichung der Arbeitsbedingungen und eine Vereinfachung bei der Gestaltung der Arbeitsverhält47 Däubler, TVR, Rdnr. 1464; Kempen/Zachert, § 4 Rdnr. 294; Krebs, SAE 1993, S. 133, 140; Wiedemann I Stumpf, § 4 Rdnrn. 185 f. 48 AP Nr. 1 zu § 4 TVG - Nachwirkung, BI. 1 verso; Nr. 8 zu § 4 TVG - Nachwirkung, BI. 3; Nr. 3 zu § 3 TVG - Verbandsaustritt, BI. 3 verso. 49 A. Hueck I Nipperdey, 11./1., § 27 IV. 5., S. 540; Leipold, SAE 1976, S. 89,90; Nikisch, 11., § 79 III. 3., Fn. 38, S. 391; Rüthers, in: FS G. Müller, S. 445, 450; Rieble, Anm. zu BAG, AP Nr. 3 zu § 3 TVG - Verbandsaustritt, BI. 4, 7. so Löwisch I Rieble, TVG, § 3 Rdnr. 99; Wiedemann I Stumpf, § 3 Rdnr. 84.
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§ 4 Beendigung des Tarifvertrags und Nachwirkung der Tarifnormen
nisse innerhalb seines Betriebs. 51 Diese Zielsetzung behält auch in der Nachwirkungszeit ihre Gültigkeit. Aus diesem Grund erstreckt sich die arbeitsvertragliehe Einbeziehung des Tarifvertrags auch auf die gemäß § 4 Abs. 5 TVG fortgeltenden Tarifnormen. 52 Demgegenüber soll sich nach Schwab53 die Verweisung auf den Tarifvertrag im Fall des Verbandsaustritts des Arbeitgebers nur auf die Zeit der durch § 3 Abs. 3 TVG fortgesetzten Tarifgebundenheit beziehen. Schwab54 geht allerdings von der Annahme aus, daß die Wirksamkeit der Tarifnormen gegenüber dem ausgetretenen Arbeitgeber auf das Ende der Tarifgebundenheit begrenzt ist, und lehnt die dann folgende Anwendung des § 4 Abs. 5 TVG ab. Seiner Ansicht nach wirken die Tarifnormen nicht nach und kommen auch gegenüber den tarifgebundenen Arbeitnehmern nicht mehr zum Tragen. Von diesem Ausgangspunkt aus ist es folgerichtig, die vertragliche Einbeziehung des Tarifvertrags ebenfalls auf das Ende der Tarifgebundenheit zu beschränken. Indes entfällt die von Schwab gesetzte Prämisse, da sich nach der hier vertretenen Ansicht die Phase der Nachwirkung gemäß § 4 Abs. 5 TVG analog an die Zeit der durch § 3 Abs. 3 TVG vermittelten Tarifgebundenheit des Arbeitgebers anschließt. 55 Gegenüber den gewerkschaftlich organisierten Arbeitnehmern setzt sich die Geltung der Tarifnormen mithin fort. Die tarifvertraglichen Bestimmungen bleiben zu ihren Gunsten erhalten. Wenn der Arbeitgeber die nicht gewerkschaftlich organisierten Arbeitnehmer durch die einzelvertragliche Bezugnahme auf den Tarifvertrag mit den Gewerkschaftsmitgliedern gleichstellen will, wird sich dies nicht auf die Laufzeit des Tarifvertrags beschränken, sondern so lange gelten, wie die tarifvertragliche Ordnung innerhalb seines Betriebs zur Anwendung kommt. Es ist daher anzunehmen, daß die Nichtmitglieder gleichermaßen an den nachwirkenden Tarifregelungen partizipieren sollen.
3. Ergebnis zu III. Die Tarifnormen gelten nicht nur gegenüber den gewerkschaftlich organisierten und mithin tarifgebundenen Arbeitnehmern weiter, sondern auch zugunsten der Außenseiter-Arbeitnehmer, sofern der Arbeitgeber mit ihnen die Anwendung des 51 BAG, AP Nr. 5 zu § 1 TVG - Bezugnahme auf Tarifvertrag, BI. 4; Däubler, NZA 1996, S. 225, 228; von Hoyningen-Huene, RdA 1974, S. 138, 139; Säcker/Oetker, ZfA 1993, S. I, 14 f. 52 BAG, AP Nr. 8 zu § 4 TVG - Nachwirkung, BI. 3 verso f.; Nr. 42 zu § 99 BetrVG 1972, BI. 4 verso f.; Hoß/Liebscher, DB 1995, S. 2525,2527; Löwisch/Rieble, TVG, § 3 Rdnr. 105; Wiedemann I Stumpf, § 3 Rdnr. 103. 53 BB 1994, S. 781, 784. 54 BB 1994, S. 781, 782. 55 § 411.2., S. 110 ff.
IV. Ablösung der fortgeltenden Tarifnormen
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Tarifvertrags vereinbart hat. Die fortwirkenden Taritbestimmungen kommen aber nur gegenüber den Arbeitsverhältnissen zum Tragen, die schon während der Laufzeit des Tarifvertrags bestanden, nicht aber gegenüber den später begründeten Arbeitsverhältnissen.
IV. Beendigung der Nachwirkung durch Ablösung der fortgeltenden Tarifnormen Die tarifvertraglichen Normen gelten weiter, bis eine andere Abmachung an ihre Stelle tritt, die ein neuer Tarifvertrag, eine Betriebsvereinbarung oder eine arbeitsvertragliche Absprache sein kann. 56 Diese Abreden ersetzen die Tarifnormen und übernehmen deren Regelungsfunktion gegenüber den Arbeitsverhältnissen. Als ablösende Vereinbarungen kommen daher nur Absprachen in Betracht, die die jeweiligen Arbeitsverhältnisse erfassen. 57 Demzufolge kann ein Verbandstarifvertrag, der nach dem Wechsel des Arbeitgebers von der Vollmitgliedschaft in die Mitgliedskategorie "Ohne Taritbindung" abgeschlossen wird, die Fortgeltung der Tarifnormen mit Wirkung gegenüber diesem Arbeitgeber nicht beenden. Dieser Arbeitgeber ist an den neuen Verbandstarifvertrag gemäß § 4 Abs. 1, § 3 Abs. 1 TVG nicht gebunden und steht zudem außerhalb der Tarifzuständigkeit seines Verbands, so daß der Tarifvertrag ihm gegenüber nicht gilt und die nachwirkenden Normen des bisherigen Tarifvertrags folglich nicht ersetzen kann. Der Arbeitgeber ohne tarifvertragliche Bindung muß daher die Arbeitsbedingungen eigenständig durch einen Firmentarifvertrag, eine Betriebsvereinbarung oder die Änderung der einzelnen Arbeitsverträge neu gestalten, um die Nachwirkung zu beenden. Auf die Möglichkeit, Firmentarifverträge abzuschließen, wird im Abschnitt über die arbeitskampfrechtliche Position der Mitglieder "Ohne Taritbindung" ausführlich eingegangen,58 worauf an dieser Stelle verwiesen werden kann.
1. Einzelarbeitsvertrag Auf einzelvertraglicher Ebene kann die Beendigung der tarifvertraglichen Nachwirkung auf verschiedene Weisen herbeigeführt werden.
§ 4 11. 2., S. 1lI. BAG, AP Nr. 22 zu § 4 TVG - Nachwirkung, BI. 3; LAG Berlin, AP Nr. 20 zu § 4 TVG - Nachwirkung, BI. 1 verso. 58 § 5 I. 1., S. 165 ff. 56 57
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§ 4 Beendigung des Tarifvertrags und Nachwirkung der Tarifnormen
Zum einen ist es denkbar, daß die vom Tarifvertrag abweichenden und bisher gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 TVG gegenüber dem Tarifvertrag zurückgetretenen arbeitsvertraglichen Regelungen nach dem Ablauf des Tarifvertrags und dem Ende der zwingenden Wirkung der Tarifnormen automatisch wiederaufleben und an die Stelle der tarifvertraglichen Bestimmungen treten (a). Darüber hinaus kann der Arbeitgeber mit seinen Arbeitnehmern Änderungsverträge zur Ablösung der Tarifnormen vereinbaren (b). Wenn die Arbeitnehmer zu einer einvernehmlichen Umgestaltung der Arbeitsverträge nicht bereit sind, kann der Arbeitgeber versuchen, die Neufassung der Arbeitsbedingungen im Wege der Änderungskündigung durchzusetzen (c).
a) Wiederaufleben bisheriger Vertragsabsprachen
Es wird unterschiedlich beurteilt, ob die vom Tarifvertrag überlagerten arbeitsvertraglichen Bestimmungen nach dem Ablauf seiner Geltungsdauer automatisch wieder in Kraft treten und als "andere Abmachungen" im Sinne des § 4 Abs. 5 TVG die Tarifnormen ersetzen. Nach Ansicht des Ersten Senats des Bundesarbeitsgerichts 59 "spricht viel dafür", daß eine frühere vertragliche Vereinbarung bei Beendigung der zwingenden Geltungskraft der Tarifnormen an deren Stelle tritt und die Nachwirkung beendet. Der Senat sieht in der arbeitsvertraglichen Regelung der Arbeitsbedingungen einen Mindeststandard ftir den Arbeitnehmer. Es sei anzunehmen, daß dieser Mindeststandard nach dem Willen der Arbeitsvertragsparteien beim Wegfall der zwingenden Wirkung der Tarifnormen zugunsten des Arbeitnehmers erhalten bleiben solle und folglich erneut in Geltung trete. Der Achte Senat des Bundesarbeitsgerichts60 , das Landesarbeitsgericht Berlin61 und die Vertreter der Lehre62 halten es hingegen für ausgeschlossen, daß die arbeitsvertraglichen Bestimmungen erneut aufleben können. Sie gehen davon aus, daß die Tarifnormen gemäß § 4 Abs. 5 TVG auch in der Zeit nach Ablauf des Tarifvertrags die einzel vertraglichen Abreden weiterhin verdrängen und deren Inkrafttreten verhindern. 63 AP Nr. 43 zu § 77 BetrVG 1972, BI. 6 f. AP Nr. 10 zu § 3 TVG, BI. 2. 61 NZA 1991, S. 278,279. 62 Oäubler, TVR, Rdnr. 1459; Etzel, Beilage 1 zu NZA 1987, S. 19,23; Fröhlich, NZA 1992, S. 1105, 1110 f.; Hoß/Liebscher, OB 1995, S. 2525, 2531; A. Hueck/Nipperdey, 11./ 1., § 27 IV. 8. c), S. 544; Kempen/Zachert, § 4 Rdnrn. 12,307; Löwisch, Anm. zu BAG, AP Nr. 43 zu § 77 BetrVG 1972, BI. 8 verso, 9 verso; ders.1 Rieble, TVG, § 4 Rdnr. 234; Nikisch, 11., § 791II. 5. b), S. 394. 63 BAG, Achter Senat, AP Nr. 10 zu § 3 TVG, BI. 2; Däubler, TVR, Rdnr. 183; Etzel, Beilage 1 zu NZA 1987, S. 19,23; Hoß/Liebscher, OB 1995, S. 2525, 2531; Kempen/Zachert, § 4 Rdnrn. 12,307. 59
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IV. Ablösung der fortgehenden Tarifnonnen
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Der herrschenden Meinung ist zu folgen. Nur sie wird der Zwecksetzung des § 4 Abs. 5 TVG gerecht. Durch die Fortwirkung der Tarifregelungen soll deren Ordnung für eine Übergangszeit aufrechterhalten werden. 64 Dieses Ziel ließe sich nicht erreichen, wenn die bisherigen Absprachen der Arbeitsvertragsparteien wieder Anwendung fänden. 65 Es kämen Vereinbarungen zum Tragen, die an den zur Zeit des Abschlusses des Arbeitsvertrags bestehenden Verhältnissen in der Vergangenheit orientiert wären und der heutigen Interessenlage der Arbeitsvertragsparteien nicht mehr entsprächen. Dies hätte insbesondere die Benachteiligung des Arbeitnehmers zur Folge. Er würde auf ein unter Umständen viele Jahre zurückliegendes und von der Entwicklung überholtes Leistungsniveau herabgestuft, was der inhaltlichen Ausgewogenheit des Arbeitsvertrags zuwiderliefe. Die Vorrangstellung der Tarifnormen gegenüber den vor Ablauf des Tarifvertrags getroffenen Absprachen der Arbeitsvertragsparteien ist daher auch in der Nachwirkungszeit anzuerkennen und das Wiederaufleben der einzelvertraglichen Bestimmungen zu verneinen.
b) Arbeitsvertragliche Neuregelung
und Ausschluß der Nachwirkung
Der Arbeitgeber kann die fortgeltenden Tarifnormen in der Nachwirkungszeit partiell oder vollständig durch einzelvertragliche Abmachungen mit den Arbeitnehmern ersetzen. Umstritten ist, ob die Arbeitsvertragsparteien bereits zur Zeit der Geltung des Tarifvertrags im Hinblick auf dessen Ende Absprachen treffen können, die beim Ablauf des Tarifvertrags zur Anwendung kommen und die Nachwirkung der Tarifnormen ausschlielkn. Während das Bundesarbeitsgericht66 die Streitfrage offengelassen hat, gestatten das Landesarbeitsgericht Berlin67 und die überwiegende Lehrmeinung68 den Arbeitgebern und Arbeitnehmern, derartige Vereinbarungen in die Arbeitsverträge aufzunehmen. Demgegenüber erachten einige Stimmen in der Literatur69 diese
§ 411. 2., S. \10. LAG Berlin, NZA 1991, S. 278,279; Däubler, TVR, Rdnr. 1459; Fröhlich, NZA 1992, S. Il05, \lIl; Löwisch, Anm. zu BAG, AP Nr. 43 zu § 77 BetrVG 1972, BI. 8 verso, 9 verso. 66 AP Nr. 10 zu § 3 TVG, BI. 2. 67 AP Nr. 20 zu § 4 TVG - Nachwirkung, BI. 2. 68 A. Hueckl Nipperdey, 11./1., § 27 IV. 8. c), S. 544; G. Hueck, in: FS E. Molitor, S. 203, 217; Löwisch/Rieble, TVG, § 4 Rdnr. 234; Nikisch, 11., § 79 III. 5. b), S. 394; Wiedemannl Stumpf, § 4 Rdnrn. 196,201. 69 Fröhlich, NZA 1992, S. Il05, 1111; Hoß/Liebscher, DB 1995, S. 2525, 2531; Kempen/Zachert, § 4 Rdnr. 307. 64
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§ 4 Beendigung des Tarifvertrags und Nachwirkung der Tarifnormen
Vertragsabreden für unvereinbar mit dem Wortlaut des § 4 Abs. 5 TVG, der ihrer Ansicht nach aufgrund seiner zukunftsorientierten Formulierung nur eine Neufassung der Arbeitsbedingungen nach dem Ablauf des Tarifvertrags erlaubt. Der Wortlaut des § 4 Abs. 5 TVG steht vertraglichen Absprachen jedoch nicht entgegen, die nach dem Ende des Tarifvertrags in Kraft treten sollen. Die Geltung dieser Vertragsabreden ist abhängig von der Beendigung des Tarifvertrags. Die Abmachungen werden gemäß §§ 163, 158 Abs. 1 BGB mit dem Ende des Tarifvertrags wirksam und entfalten erst zu diesem Zeitpunkt ihre Rechtswirkungen. Sie sind auf die Zukunft bezogen und stehen daher mit der Wortfassung des § 4 Abs. 5 TVG im Einklang. Aufgrund ihrer privatautonomen Regelungsfreiheit können die Arbeitsvertragsparteien vereinbaren, daß im Zeitraum nach dem Ablauf des Tarifvertrags andere arbeitsrechtliche Bedingungen gelten sollen. Für die Zulässigkeit derartiger Abreden spricht, daß sie gerade auf die Nachwirkungszeit gerichtet sind und demzufolge den gegenwärtigen Interessen beider Seiten des Arbeitsvertrags entsprechen. In diesem Punkt unterscheiden sie sich von den in der Vergangenheit abgeschlossenen und vom Tarifvertrag verdrängten Vereinbarungen, die nach der hier vertretenen Ansicht bei Beendigung des Tarifvertrags nicht wiederaufleben. Der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer sind daher berechtigt, den Inhalt ihres Arbeitsverhältnisses im Vorgriff auf den Ablauf des Tarifvertrags neu zu ordnen.
c) Änderungskündigung
aa) Zu lässigkeit der Änderungskündigung zur Ablösung der nachwirkenden Tarifnormen
Die bislang tarifvertraglieh bestimmten Arbeitsverhältnisse können im Nachwirkungszeitraum nach Ansicht der Rechtsprechung70 und der herrschenden Lehre 71 vom Arbeitgeber nicht nur durch einvernehmliche Absprachen mit den Arbeitnehmern ersetzt werden, sondern auch durch die Änderungskündigung. Mit der Formulierung "andere Abmachung" nehme das Gesetz umfassend auf alle vertraglichen Gestaltungsmittel einschließlich der jeweiligen Konfliktlösungsmechanismen Bezug, zu denen auf individualvertraglicher Ebene die Änderungskündigung gehöre. 72
70 BAG, AP Nr. 16 zu § 4 TVG - Nachwirkung, BI. 3 verso; Nr. 10 zu § 3 TVG, BI. 1 verso. 71 Däubler, TVR, Rdnr. 1449; Fröhlich, NZA 1992, S. 1105, 1110; Henssler, ZfA 1994, S. 487, 515; Krause, DB 1995, S. 574; Löwisch/Rieble, TVG, § 4 Rdnr. 229; Schwab, BB 1994, S. 781, 782; Wiedemann/Stumpf, § 4 Rdnr. 196. 72 Schwab, BB 1994, S. 781, 782; Löwisch I Rieble, TVG, § 4 Rdnr. 229.
IV. Ablösung der fortgeltenden Tarifnormen
121
Ein Teil der Literatur73 vertritt demgegenüber die Auffassung, die Wortbedeutung des Begriffs "Abmachung" erlaube nur die konsensuale, nicht aber die einseitig vom Arbeitgeber im Wege der Kündigung erzwungene Neufassung der Arbeitsbedingungen. Diese restriktive Auslegung ist abzulehnen. Der Wortlaut des § 4 Abs. 5 TVG erfaßt auch die mit der Änderungskündigung herbeigeführte inhaltliche Neubestimmung der Arbeitsverhältnisse. Die Änderungskündigung beinhaltet zwei Willenserklärungen: Der Arbeitgeber kündigt den bestehenden Arbeitsvertrag und bietet dem Arbeitnehmer gleichzeitig die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu anderen Bedingungen an?4 Wenn der Arbeitnehmer das Angebot annimmt, kommt ein Änderungsvertrag zustande, der eine vertragliche ,,Abmachung" im Sinne des § 4 Abs. 5 TVG darstellt. Auf diese Abrede läßt sich der Arbeitnehmer zwar nur im Hinblick auf die drohende Beendigung des Arbeitsverhältnisses ein, eine Begrenzung der nach § 4 Abs. 5 TVG zulässigen Vereinbarungen auf freiwillige Absprachen ist der Vorschrift jedoch nicht zu entnehmen. Es ist daher der vorherrschenden Meinung zu folgen und die Ablösung der nachwirkenden Tarifnormen durch die Änderungskündigung zuzulassen.
bb) Änderungskündigung zur Steigerung der Ertragslage Den Arbeitgebern wird mit der Änderungskündigung die Möglichkeit eröffnet, die Neugestaltung der Arbeitsverhältnisse zu erzwingen. Dies ist vor allem für diejenigen Arbeitgeber von Bedeutung, die das Niveau der bisher tarifvertraglieh bestimmten Personalkosten reduzieren möchten, um die Ertragskraft ihrer Betriebe zu verbessern. Zur Erreichung dieses Ziels bieten sich in erSter Linie zwei Wege an: die Absenkung der Vergütung bei gleicher Arbeitsleistung und die Verlängerung der Arbeitszeit ohne eine zusätzliche Entlohnung. Die Frage, ob der Arbeitgeber die Änderungskündigung zu diesem Zweck einsetzen kann, wird im Mittelpunkt der weiteren Untersuchung stehen. Um die Übersichtlichkeit der Darstellung zu wahren, werden zunächst die Voraussetzungen der Änderungskündigung zur Entgeltminderung erörtert.
(1) Verringerung der Vergütung Die Änderungskündigung ist eine Kündigung im Sinne des Kündigungsschutzrechts und muß dessen Anforderungen genügen. 75 Sie kann als ordentliche und auKempen/Zachert, § 4 Rdnr. 306. LAG Hamm, LAGE Nr. 7 zu § 2 KSchG, S. 2; G. Hueck/von Hoyningen-Huene, § 2 Rdnr. 4; Rost, in: Gemeinschaftskommentar zum Kündigungsschutzgesetz, § 2 KSchG Rdnr. 12; Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch, § 137 I. 1., S. 1226. 75 Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch, § 137 I. 2., S. 1226. 73
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§ 4 Beendigung des Tarifvertrags und Nachwirkung der Tarifnormen
ßerordentliche Kündigung eingesetzt werden. 76 Im Zusammenhang mit der vom Arbeitgeber angestrebten Leistungskürzung stellen sich vor allem die Fragen nach den Voraussetzungen der sozialen Rechtfertigung der ordentlichen Änderungskündigung und nach der Möglichkeit des Arbeitgebers, gegenüber den Arbeitnehmern, denen nicht ordentlich gekündigt werden kann, die außerordentliche Kündigung auszusprechen. (a) Soziale Rechtfertigung der ordentlichen Änderungskündigung
Wenn der Arbeitgeber mehr als fünf Arbeitnehmer beschäftigt, bedarf die ordentliche Änderungskündigung gemäß § 1 Abs. 1 und 2 Satz 1, § 2 Satz 1, § 23 Abs. 1 KSchG gegenüber den Arbeitnehmern, deren Arbeitsverhältnisse länger als sechs Monate bestehen, der sozialen Rechtfertigung. Zur Annahme der sozialen Rechtfertigung muß die Änderungskündigung gemäß § 2 Satz 1 KSchG in Verbindung mit § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG durch Gründe in der Person oder dem Verhalten des Arbeitnehmers oder durch dringende betriebliche Erfordernisse bedingt sein. Mit der angestrebten Herabsetzung der Vergütung bezweckt der Arbeitgeber, die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit seines Betriebs und dessen Ertragslage zu steigern. Die zu diesem Zweck ausgesprochene Änderungskündigung knüpft folglich an Umstände an, die nicht in der Person oder dem Verhalten des einzelnen Arbeitnehmers liegen, sondern der Sphäre des Arbeitgebers zuzuordnen sind. Derartige arbeitgeberseitige Gründe können die Änderungskündigung nur dann sozial rechtfertigen, wenn sie betrieblich veraniaßt sind. 77 Im folgenden ist daher zu untersuchen, unter welchen Voraussetzungen das Ziel des Arbeitgebers, die wirtschaftliche Situation des Betriebs zu verbessern, als betriebsbedingter Grund zur Rechtfertigung der Leistungsminderung anzuerkennen ist. Zuvor ist allerdings zu klären, inwieweit seine Entscheidung, zur Steigerung der Rentabilität die Entgelte zu senken, der gerichtlichen Überprüfung zugänglich ist. (aa) Gerichtlicher Prüfungsgegenstand und Prüfungsumfang bei der Änderungskündigung Die Änderungskündigung ist auf die inhaltliche Veränderung des Arbeitsvertrags gerichtet. Prüfungsgegenstand ist demzufolge im Gegensatz zur Beendigungskündigung nicht die Frage nach der sozialen Rechtfertigung der auf die Auflösung des Arbeitsverhältnisses bezogenen Kündigungserklärung, sondern gemäß § 2 Satz 1 und § 4 Satz 2 KSchG die soziale Rechtfertigung des Änderungsangebots. 78 76 BAG, AP Nr. 1 zu § 626 BGB - Änderungskündigung, BI. 2 verso; Nr. 36 zu § 15 KSchG 1969, BI. 2 verso; Rost, in: Gemeinschaftskommentar zum Kündigungsschutzgesetz, § 2 KSchG Rdnrn. 29 f.; Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch, § 137 I. 4., S. 1227. 77 Hromadka, NZA 1996, S. 1,9. 78 BAG, AP Nr. 1 zu § 626 - Änderungskündigung, BI. 3 verso; Nr. 27 zu § 2 KSchG 1969, BI. 2 verso; Nr. 31 zu § 2 KSchG 1969, BI. 3 verso; Nr. 42 zu § 2 KSchG 1969, BI. 2; G. Hueck/von Hoyningen-Huene, § 2 Rdnrn. 54, 59a; Rost, in: Gemeinschaftskommentar
IV. Ablösung der fortgeltenden Tarifnormen
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Das Bundesarbeitsgericht79 prüft die soziale Rechtfertigung der betriebsbedingten Änderungskündigung in zwei Stufen. Zunächst stellt es fest, ob ein dringendes betriebliches Erfordernis im Sinne des § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG die Änderung des Arbeitsverhältnisses bedingt. Im zweiten Schritt untersucht es, ob der Arbeitnehmer das Änderungsangebot billigerweise hinnehmen muß. 80 Betriebliche Erfordernisse machen die Änderung notwendig, wenn der Arbeitgeber eine organisatorische Entscheidung trifft, deren Umsetzung innerhalb des Betriebs Auswirkungen auf die Arbeitsplätze hat und der Weiterbeschäftigung der Arbeitnehmer zu den bisherigen Bedingungen entgegensteht. 81 Die betrieblichen Maßnahmen können unter anderem in der Veränderung der Arbeitsabläufe durch vermehrte Automatisierung und der Verdichtung, Umstellung oder Einschränkung der Produktion liegen. 82 Im Kündigungsschutzprozeß haben die Gerichte umfassend nachzuprüfen, ob die betriebliche Umgestaltung das Anforderungsprofil des Arbeitsplatzes verändert hat und als Folge dieser Veränderung das Bedürfnis nach Fortsetzung des Beschäftigungsverhältnisses zu gleichbleibenden Modalitäten entfallen ist. 83 Hinsichtlich der unternehmerischen Organisationsentscheidung des Arbeitgebers, auf der die betriebliche Neuordnung beruht, ist die Prüfungskompetenz der Gerichte allerdings auf eine Mißbrauchskontrolle beschränkt. Die Unternehmerentscheidung wird nicht auf ihre sachliche Notwendigkeit und ihre Zweckmäßigkeit hin untersucht, sondern einzig darauf, ob sie offensichtlich unsachlich, unvernünftig oder willkürlich ist. 84 Die Begrenzung der Kontrolldichte basiert auf der wirtschaftlichen Gestaltungsfreiheit des Arbeitgebers in seiner Eigenschaft als Unternehmer, die durch Art. 2 Abs. I, 12 Abs. 1 und 14 Abs. 1 GG grundrechtlieh geschützt ist und ihn berechtigt, den Betrieb nach seinen ökonomischen Zielvorgaben einzurichten. 85 zum Kündigungsschutzgesetz, § 2 KSchG Rdnr. 84; Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch, § 137 III. 3. b), S. 1229 f. 79 AP Nr. 6 zu § I KSchG 1969 - Soziale Auswahl, BI. 3 verso; Nr. 14 zu § 2 KSchG 1969, BI. 5; Nr. 31 zu § 2 KSchG 1969, BI. 4; Nr. 36 zu § 2 KSchG 1969, BI. 3 verso; Nr. 42 zu § 2 KSchG 1969, BI. 2. 80 Darüber hinaus muß die Sozialauswahl gemäß § 2 Satz I i. V. m. § 1 Abs. 3 KSchG ordnungsgemäß vorgenommen werden. Die Sozialauswahl ist von den Gegebenheiten des Einzelfalls abhängig. Ihre Maßstäbe sollen im Rahmen dieser Abhandlung nicht thematisiert werden. 81 BAG, AP Nr. 27 zu § 2 KSchG 1969, BI. 2 verso; Nr. 31 zu § 2 KSchG, BI. 3 verso; Nr. 42 zu § 2 KSchG 1969, BI. 2; LAG Baden-Württemberg, LAGE Nr. 18 zu § 2 KSchG, S. 8 f. 82 BAG, AP Nr. 42 zu § 2 KSchG 1969, BI. 2 verso; G. Hueck/von Hoyningen-Huene, § 1 Rdnr.367. 83 BAG, AP Nr. 6 zu § 1 KSchG 1969 - Betriebsbedingte Kündigung, BI. 2 verso; Nr. 50 zu § 1 KSchG 1969 - Betriebsbedingte Kündigung, BI. 4; Nr. 27 zu § 2 KSchG 1969, BI. 2 verso. 84 BAG, AP Nr. 6 zu § 1 KSchG 1969 - Betriebsbedingte Kündigung, BI. 2 verso; Nr. 31 zu § 2 KSchG 1969, BI. 4; Nr. 42 zu § 2 KSchG 1969, BI. 2 f. 85 Hromadka, RdA 1992, S. 234,252; G. Hueck/von Hoyningen-Huene, § 1 Rdnr. 371a.
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§ 4 Beendigung des Tarifvertrags und Nachwirkung der Tarifnormen
Bei der Änderungskündigung hingegen, die der Arbeitgeber ohne vorherige betriebliche Veränderungen allein zur Herabsetzung der Entgelte ausspricht, erweitert die Rechtsprechung 86 die gerichtliche Prüfungszuständigkeit. Sie untersucht die inhaltliche Rechtfertigung des unternehmerischen Entschlusses, die Geschäftsentwicklung durch die Verringerung der Personalkosten positiver zu gestalten. Anderenfalls könne der Arbeitgeber die Kündigung stets mit dem Argument rechtfertigen, die Kürzung der Vergütung sei aus seiner unternehmerischen Sicht zur Verbesserung der wirtschaftlichen Lage notwendig. Mit dieser Begründung könne er die Kündigung der gerichtlichen Prüfung faktisch entziehen. Der Ausdehnung des Kontrollumfangs bei der Änderungskündigung zur Entgeltsenkung ist zuzustimmen. Der Änderungskündigung zur Herabsetzung der Vergütung geht keine betrieblich-organisatorische Maßnahme voraus, die die Anforderungen an den Arbeitsplatz verändert und vom Arbeitsgericht darauf zu überprüfen wäre, ob sie die inhaltliche Anpassung des Arbeitsverhältnisses erfordert. Sie beruht vielmehr einzig auf dem Entschluß des Arbeitgebers, die Personalkosten zu reduzieren. Wäre diese Willensentschließung eine vom Gericht verbindlich hinzunehmende Unternehmerentscheidung, wäre dem Kündigungsschutzverfahren der Prüfungs gegenstand entzogen. Dem Gericht bliebe zwar die Mißbrauchskontrolle der Unternehmerentscheidung, doch ist das Ziel des Arbeitgebers, Produktionskosten zu mindern und den Ertrag zu steigern, bei einem marktwirtschaftlich orientierten Unternehmen legitim und folglich nicht "offensichtlich unsachlich", so daß es regelmäßig nicht als mißbräuchlich eingestuft werden kann. 87 Mithin wäre die mit der finanziellen Entlastung und dem Rentabilitätsinteresse begründete Kündigung gerichtsresistent, wodurch der gesetzliche Kündigungsschutz weitgehend entleert würde. Die von der Rechtsprechung aufgestellten Grundsätze über den Kontrollumfang bei der Änderungskündigung zur Lohnsenkung werden auch innerhalb der Literatur88 allgemein gebilligt. (bb) Zulässigkeitskriterien für die Änderungskündigung zur Entgeltsenkung In Rechtsprechung und Rechtslehre ist umstritten, welche Kriterien erfüllt sein müssen, damit der Arbeitgeber die Löhne und Gehälter im Wege der betriebsbedingten Änderungskündigung mit dem Ziel herabsetzen kann, die Ertragslage seines Betriebs zu verbessern. 86 BAG, AP Nr. 14 zu § 2 KSchG 1969, BI. 4 verso; Nr. 36 zu § 2 KSchG 1969, BI. 3 verso; LAG Köln, LAGE Nr. 8 zu § 2 KSchG, S. 4 f. 87 Löwisch, NZA 1988, S. 633, 637. 88 Ascheid, Rdnr. 499; G. Hueck/von Hoyningen-Huene, § 2 Rdnr. 71b; Krause, DB 1995, S. 574, 576; Löwisch, Kündigungsschutzgesetz, § 2 Rdnr. 38; ders., NZA 1988, S. 633, 636 f.; Precklein, S. 96 f.; Rost, in: Gemeinschaftskommentar zum Kündigungsschutzgesetz, § 2 KSchG Rdnr. 107c; Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch, § 137111. 3. d), S. 1230; Stahlhakke I Preis, Rdnr. 779.
IV. Ablösung der fortgeltenden Tarifnormen
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Das Bundesarbeitsgericht 89 nimmt eine restriktive Position ein und läßt die Änderungskündigung nur zu, wenn durch die Senkung der Personalkosten die Stilllegung des Betriebs oder die Reduzierung der Belegschaft verhindert werden kann und soll. Erforderlich sei, daß die Arbeitsplätze bereits akut gefährdet seien und dem Arbeitgeber keine anderen Maßnahmen zur Kosteneinsparung zur Verfügung stünden. Das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg90 und ein Teil der Literatur91 haben sich dem Bundesarbeitsgericht angeschlossen. Demgegenüber lehnen das Landesarbeitsgericht Köln 92 und eine Vielzahl von Stimmen im Schrifttum93 die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts als zu eng ab und verweisen zur Begründung darauf, daß dessen strenge Maßstäbe das Kündigungsschutzrecht in sein Gegenteil verkehrten. Bis ein Arbeitgeber zur Vermeidung von EntlaSsungen die Lohnkosten senken könne, würde er gezwungen, über Jahre hinweg Verluste zu erwirtschaften. Die Situation seines Betriebs könne sich zwischenzeitlich derart verschlechtern, daß der Betrieb auch durch die Einsparung von Personalkosten nicht mehr gerettet werden könne und der Verlust der Arbeitsplätze zu befürchten sei. 94 Es sei daher erforderlich, die Anforderungen an die soziale Rechtfertigung der Änderungskündigung zu verringern. Das Landesarbeitsgericht Köln 95 spricht sich dafür aus, dem Arbeitgeber die Änderungskündigung zu gestatten, wenn dringende Gründe vorliegen, die die angestrebte Änderung der Arbeitsentgelte als angemessen und billigenswert erscheinen lassen. Einige Vertreter der Rechtslehre lassen jedes sachliche Interesse von einigem Gewicht als Kündigungsgrund genügen, wozu sie eine angemessene Rentabilität zählen,96 oder fordern zwar triftige wirtschaftliche Belange, deren Vorliegen sie aber bereits bejahen, wenn der Betrieb mit Verlust arbeitet. 97 89 AP Nr. 14 zu § 2 KSchG 1969, BI. 5; Nr. 47 zu § I KSchG 1969 - Betriebsbedingte Kündigung, BI. 4; Nr. 36 zu § 2 KSchG 1969, BI. 3 verso. 90 LAGE Nr. 18 zu § 2 KSchG, S. 5. 91 Ascheid, Rdnr. 503; Dänzer-Vanotti/Engels, DB 1986, S. 1390, 1392; Enderlein, gern. Anm. zu BAG, AP Nm. 36 und 37 zu § 2 KSchG 1969, BI. 4, 10 verso; Hillebrecht, ZIP 1985, S. 257, 259; Hromadka, RdA 1992, S. 234, 256; ders., NZA 1996, S. I, 10, 14; G. Hueck/von Hoyningen-Huene, § 2 Rdnr. 71b; Precklein, S. 105; Rost, in: Gemeinschaftskommentar zum Kündigungsschutzgesetz, § 2 KSchG Rdnr. 107b. 92 LAGE Nr. 8 zu § 2 KSchG, S. 6; Nr. 10 zu § 2 KSchG, S. 6. 93 Berger-De1hey, Anm. zu BAG, AP Nr. 47 zu § I KSchG 1969 - Betriebsbedingte Kündigung, BI. 6, 7; Hilbrandt, Diss., S. 174; Krause, DB 1995, S. 574,577; Lieb, Arbeitsrecht, Rdnr. 404; Löwisch, Kündigungsschutzgesetz, § 2 Rdnr. 38; ders., NZA 1988, S. 633, 637; ders./Bemards, Anm. zu BAG, EzA Nr. 6 zu § 2 KSchG, S. 50a, 50d; H. Müller, NZA 1985, S. 307, 310; Schaub, in: Hromadka, Änderung von Arbeitsbedingungen, S. 73, 93; Stahlhakke,DB 1994,S. 1361,1368;ders.lPreis,Rdnr. 779. 94 LAG Köln, LAGE Nr. 8 zu § 2 KSchG, S. 6; Krause, DB 1995, S. 574, 577; Lieb, Arbeitsrecht, Rdnr. 404; Löwisch, Kündigungsschutzgesetz, § 2 Rdnr. 38; ders., NZA 1988, S. 633, 637; ders. / Bemards, Anm. zu BAG, EzA Nr. 6 zu § 2 KSchG, S. 50a, 5Od. 95 LAGE Nr. 8 zu § 2 KSchG, S. 6.
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§ 4 Beendigung des Tarifvertrags und Nachwirkung der Tarifnormen
Nach Ansicht von Schaub98 ist die Rückführung der Gehälter und Löhne gerechtfertigt, wenn zur Erhaltung, Sicherung und Entwicklung des Betriebs dessen Ertragskraft verbessert werden muß. Auch Krause 99 ist der Auffassung, daß es dem Arbeitgeber möglich sein muß, bereits vor dem Eintritt einer für den Bestand des Betriebs bedrohlichen wirtschaftlichen Lage die Personalkosten im Wege der Änderungskündigung herabzusetzen, um der weiteren negativen Entwicklung gegensteuern und späteren Entlassungen vorbeugen zu können. Dieser Punkt sei erreicht, wenn in einer die Kündigungsfrist maßvoll übersteigenden Zeit, die Krause lOO mit sechs bis zwölf Monaten angibt, die Insolvenz drohe. Die Kritiker des Bundesarbeitsgerichts berücksichtigen nicht hinreichend, daß eine Kündigung aus betriebsbedingten Gründen nur zulässig ist, wenn sich die Anforderungen an den Arbeitsplatz ändern und hieraus die Notwendigkeit zur inhaltlichen Anpassung des Arbeitsverhältnisses folgt. 101 Bei Gewinnverfall und fehlender Rentabilität bleibt der Arbeitsbedarf innerhalb des Betriebs jedoch gleich. Eine schlechte Ertragslage hat als solche keine Auswirkungen auf die einzelnen Arbeitsplätze. 102 Sie steht, wie es § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG als Voraussetzung für die betriebsbedingte Kündigung formuliert, der Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nicht entgegen. Dies ist erst dann der Fall, wenn der Arbeitgeber zur Verbesserung der Geschäftsentwicklung organisatorische Maßnahmen ergreift und im Betrieb realisiert. 103 Eine ohne derartige Umstellungen der Produktion ausgesprochene Kündigung, die allein auf die Entgeltsenkung gerichtet ist, ist nicht durch betriebliche Erfordernisse begründet. 104 Sie beruht einzig auf dem wirtschaftlichen Interesse des Arbeitgebers an Ertragssteigerung. Das Wirtschaftsrisiko trägt jedoch der 96 Lieb, Arbeitsrecht, Rdnr. 404; Löwisch, Kündigungsschutzgesetz, § 2 Rdnr. 38; ders., NZA 1988, S. 633, 637; ders./Bernards, Anrn. zu BAG, EzA Nr. 6 zu § 2 KSchG, S. 50a, 50d. 97 Stahlhacke, OB 1994, S. 1361, 1368; ders./Preis, Rdnr. 779. 98 In: Hrornadka, Änderung von Arbeitsbedingungen, S. 73, 93. 99 OB 1995, S. 574, 577 ff. 100 OB 1995, S. 574, 577, Fn. 54. 101 LAG Baden-Württernberg, LAGE Nr. 18 zu § 2 KSchG, S. 9; Hrornadka, RdA 1992, S. 234, 253. 102 BAG, AP Nr. 6 zu § 1 KSchG 1969 - Betriebsbedingte Kündigung, BI. 2; Nr. 8 zu § 1 KSchG 1969 - Betriebsbedingte Kündigung, BI. 3 verso; Nr. 42 zu § 1 KSchG 1969 - Betriebsbedingte Kündigung, BI. 3 verso; Nr. 14 zu § 2 KSchG 1969, BI. 4; Hillebrecht, ZIP 1985, S. 257, 259; ders., ZfA 1991, S. 87,94; Hrornadka, RdA 1992, S. 234, 254; Precklein, S. 93 f. 103 BAG, AP Nr. 6 zu § 1 KSchG 1969 - Betriebsbedingte Kündigung, BI. 2; Nr. 8 zu § 1 KSchG 1969 - Betriebsbedingte Kündigung, BI. 2 f.; Nr. 42 zu § 1 KSchG 1969 - Betriebsbedingte Kündigung, BI. 3 verso; LAG Baden-Württernberg, LAGE Nr. 18 zu § 2 KSchG, S. 8; Enderlein, gern. Anrn. zu BAG, AP Nrn. 36 und 37 zu § 2 KSchG 1969, BI. 4, 7 verso; Hillebrecht, ZfA 1991, S. 87, 94; Precklein, S. 98. 104 LAG Baden-Württernberg, LAGE Nr. 18 zu § 2 KSchG, S. 8; Hrornadka, RdA 1992, S. 234, 253, 255; ders., NZA 1996, S. 1,9.
IV. Ablösung der fortgeltenden Tarifnormen
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Arbeitgeber in seiner Eigenschaft als Unternehmer 105 und kann es nicht auf seine Arbeitnehmer abwälzen, die weder als Gesellschafter noch in anderer Weise an Gewinn und Verlust des Unternehmens beteiligt sind. 106 Mit der Änderungskündigung wird dem Arbeitgeber ein Mittel an die Hand gegeben, mit dessen Hilfe er die Leistungspflicht des Arbeitnehmers neu bestimmen kann, um sie nach einer betrieblichen Umstellung den veränderten Anforderungen anzupassen. 107 Die Änderungskündigung zur Entgeltsenkung, die nicht an eine vorherige organisatorische Veränderung anknüpft, zielt hingegen ausschließlich auf die Reduzierung der vertraglichen Gegenleistungspflicht des Arbeitgebers. 108 Das Kündigungsschutzgesetz will dem Arbeitgeber jedoch nicht die Chance vermitteln, sich einseitig von den eingegangenen Pflichten zu befreien. Durch § 2 Satz 1, § 4 Satz 2, § 8 KSchG wird der Inhalt des Arbeitsverhältnisses zugunsten des Arbeitnehmers geschützt. Dieser Inhaltsschutz wird nur durchbrochen, wenn der Arbeitgeber die Leistungspflicht des Arbeitnehmers infolge einer betrieblichen Neuordnung verändert. Dies kann zwar ebenfalls zur Änderung der arbeitgeberseitigen Gegenleistungspflicht fUhren, sie ist aber nur Folge der betrieblich veranlaßten Neuordnung der Arbeitsleistung. Sie gleicht die Beziehung zwischen Tätigkeit und Entgelt wieder aus, soweit sich diese durch die Veränderung der Anforderungen an den Arbeitsplatz verschoben hat. 109 Daher vermag allein das Ziel des Arbeitgebers, durch Einsparungen die negative Geschäftslage zu verbessern, die auf die Minderung der Vergütung gerichtete Änderungskündigung nicht zu rechtfertigen. Dies ist allerdings anders, wenn ohne die Reduzierung der Personalkosten Entlassungen drohen. Wenn der Arbeitgeber wegen der schlechten wirtschaftlichen Situation seines Betriebs die Produktion zurücknehmen oder einstellen muß und infolgedessen der Arbeitsbedarf sinkt oder vollständig wegfällt, wird er aus betriebsbedingten Gründen Beendigungskündigungen aussprechen. Auf die Beendigungskündigung soll der Arbeitgeber aber erst zurückgreifen, wenn er der betrieblichen Lage nicht durch andere Maßnahmen begegnen kann. 110 Die Fortsetzung des Beschäftigungsverhältnisses darf nicht unter anderen und für den Arbeitnehmer gegebenenfalls ungünstigeren Bedingungen möglich sein. 111 Dies folgt aus der Funktion des Kündigungsschutzrechts, dem Arbeitnehmer in erster Linie den Arbeitsplatz als materielle Grundlage seiner Lebensgestaltung zu sichern. 112 Die Auflö105 BAG, AP Nr. 2 zu § 615 BGB - Kurzarbeit, BI. 2; Nr. 8 zu § 1 KSchG 1969 - Betriebsbedingte Kündigung, BI. 3; Nr. 70 zu Art. 9 GG - Arbeitskampf, BI. 3; Hromadka, RdA 1992, S. 234, 254; Precklein, S. 103 f. 106 Ascheid, Rdnr. 498. 107 Hromadka, RdA 1992, S. 234, 253; ders., NZA 1996, S. 1,9 f. 108 Hromadka, RdA 1992, S. 234, 255; ders., NZA 1996, S. I, 10. 109 Ascheid, Rdnr. 499; Hromadka, RdA 1992, S. 234, 253; ders., NZA 1996, S. I, 14. 110 BAG, AP Nr. 8 zu § 2 KSchG 1969, BI. 2 verso; Nr. 27 zu § 2 KSchG 1969, BI. 3. 111 BAG, AP Nr. 70 zu § 626 BGB, BI. 2 verso. 112 Zu den Schutzaufgaben des Kündigungsschutzrechts: BAG, AP Nr. 31 zu § 2 KSchG 1969, BI. 5 verso.
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§ 4 Beendigung des Tarifvertrags und Nachwirkung der Tarifnormen
sung des Arbeitsverhältnisses muß mithin unvermeidbar sein. Dem Arbeitgeber muß es daher zunächst offenstehen, die finanziellen Leistungen an die Arbeitnehmer durch Änderungskündigungen herabzusetzen, wenn er nur noch durch eine Entlastung bei den Personalkosten die wirtschaftliche Situation seines Betriebs stabilisieren und Beendigungskündigungen abwenden kann. 113 Die Änderungskündigung zur Kostensenkung findet daher ihre Rechtfertigung in der Verhinderung der wegen Produktionsabbaus möglichen Beendigungskündigungen. 114 Sie kann folglich eingesetzt werden, soweit sie zur Vermeidung von ansonsten notwendigen Entlassungen erforderlich ist. Die rechtliche Zulässigkeit der Änderungskündigung zur Entgeltkürzung ergibt sich somit aus der Bezugnahme auf die Beendigungskündigung. Einige Vertreter der Rechtslehre 115 verweisen jedoch darauf, daß es bei der Änderungskündigung nicht um den Bestand des Arbeitsverhältnisses geht, sondern um dessen inhaltliche Veränderung. Sie ziehen daraus den Schluß, daß geringere Anforderungen an den betrieblichen Grund zu stellen seien" 6 und sich die Voraussetzungen fUr die soziale Rechtfertigung der Änderungskündigung in dem Maße verringern müßten, je weniger schwerwiegend die Änderung sei. ll7 Mit dieser Kritik wird aber außer acht gelassen, daß das Kündigungsschutzgesetz den Inhalt des Arbeitsvertrags im vollen Umfang schützt. 118 Auch bei einer geringen Änderung muß sich der Arbeitgeber gemäß § 2 Satz 1 KSchG in Verbindung mit § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG auf dringende betriebliche Erfordernisse berufen können, 119 die bei der Änderungskündigung zur Entgeltsenkung nur vorliegen, wenn ohne die Einsparung bei den Personalkosten Arbeitsplätze abgebaut werden müßten. Eine Ausnahme ist auch bei einer nur geringen Reduzierung der Vergütung nicht zuzulassen. Der Arbeitgeber greift mit der beabsichtigten Kürzung der Löhne und Gehälter in das vertragliche Austauschverhältnis von Leistung und Gegenleistung ein, um seine Vergütungspflicht zu verringern. Eine dahingehende Eingriffsermächtigung verleiht ihm das Kündigungsschutzgesetz - wie gezeigt - jedoch nicht, sofern es nicht um die Abwendung von Entlassungen geht. Folglich fUhrt der Hinweis, daß es bei der Änderungskündigung lediglich auf die soziale Rechtfertigung des Änderungsangebots ankommt, nicht zu einer anderen Bewertung der Kriterien für die Zulässigkeit der Änderungskündigung zur Entgeltkürzung. Dänzer-VanottilEngels, DB 1986, S. 1390,1391 f.; Precklein, S. 105. Hromadka, RdA 1992, S. 234, 255; ders., NZA 1996, S. I, 10, 14. 115 Berger-Delhey, Anm. zu BAG, AP Nr. 47 zu § 1 KSchG 1969 - Betriebsbedingte Kündigung, BI. 6, 7 verso f.; Hilbrandt, Diss., S. 174; H. Müller, NZA 1985, S. 307, 310. 116 Hilbrandt, Diss., S. 174. 117 H. Müller, NZA 1985, S. 307, 310. 118 BAG, AP Nr. 10 zu § 620 BGB - Änderungskündigung, BI. 3; Nr. 31 zu § 2 KSchG 1969, BI. 5 verso; Dänzer-VanottilEngels, DB 1986, S. 1390, 1391; Rost, in: Gemeinschaftskommentar zum Kündigungsschutzgesetz, § 2 KSchG Rdnr. 108. 119 Dänzer-VanottilEngeJs, DB 1986, S. 1390, 1392. 113
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IV. Ablösung der fortgehenden Tarifnorrnen
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Als Ergebnis ist daher festzuhalten, daß die Steigerung der Ertragslage als betriebsbedingter Kündigungsgrund zur Herabsetzung der Löhne und Gehälter nur anzuerkennen ist, wenn anderenfalls Arbeitsplätze wegfielen. Dies bedeutet, daß die Änderungskündigung zur Entgeltsenkung ausschließlich dann in Betracht kommt, wenn nicht auf andere Weise eine Verbesserung der wirtschaftlichen Lage des Betriebs herbeigeführt und der Erhalt der Arbeitsplätze gewährleistet werden kann. (cc) Zumutbarkeitsprüfung Wenn die soeben dargelegten Anforderungen aber erfüllt sind, ist nach der Rechtsprechung 120 innerhalb der zweistufigen Prüfung der sozialen Rechtfertigung einer betriebsbedingten Änderungskündigung zu untersuchen, ob der Arbeitnehmer die Änderung billigerweise hinnehmen muß. Dies ist nach Ansicht des Bundesarbeitsgerichts 121 der Fall, wenn die geänderten Arbeitsbedingungen dem Arbeitnehmer zumutbar sind. Die Zumutbarkeit hat das Bundesarbeitsgericht in seiner älteren Rechtsprechung bei der Änderungskündigung 122 aus betrieblichem Anlaß gleichermaßen wie bei der betriebsbedingten Beendigungskündigung 123 in einer umfassenden Abwägung der Interessen des Arbeitgebers gegen diejenigen des Arbeitnehmers festgestellt. Es hat die für den Arbeitgeber mit der inhaltlichen Neufassung oder der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu erwartenden Vorteile gegen die Belastungen abgewogen, die sich für den Arbeitnehmer ergeben. Später hat das Bundesarbeitsgericht 124 zwar an der Notwendigkeit der Interessenabwägung festgehalten, hat sie aber bei der betriebsbedingten Beendigungskündigung zugunsten des Kündigungsinteresses des Arbeitgebers weit zurückgenommen und auf eine Härtefallkontrolle beschränkt: Nur wenn der Arbeitnehmer aufgrund schwerwiegender persönlicher Umstände besonders schutzwürdig sei, solle das betrieblich veranlaßte Kündigungserfordernis zurücktreten und das Arbeitsverhältnis fortgesetzt werden. Durch die Beschränkung der Interessenabwägung vermeidet das Gericht, die weitgehend gerichtsfreie unternehmerische Entscheidung des Arbeitgebers,125 auf deren betrieblicher Umsetzung die Kündigung beruht, durch den Vergleich mit den Nachteilen für den Arbeitnehmer einer Bewertung zu unterziehen. 120 § 4 IV. 1. c) bb) (I) (a) (aa), S. 123. 121 AP Nr. I zu § 75 BPersVG, BI. 6; Nr. 14 zu § 2 KSchG 1969, BI. 6. 122
BAG, AP Nr. 10 zu § 620 BGB - Änderungskündigung, BI. 3.
123 BAGE 9, S. 36,43; BAG, AP Nr. 5 zu § 1 KSchG 1969 - Betriebsbedingte Kündigung, BI. 2 verso. 124 AP Nr. 8 zu § I KSchG 1969 - Betriebsbedingte Kündigung, BI. 4; Nr. 42 zu § I KSchG 1969 - Betriebsbedingte Kündigung, BI. 2; Nr. 27 zu § 2 KSchG, BI. 3 verso. 125 Zur Bindungskraft der Unternehmerentscheidung für das Gericht: § 4 IV. 1. c) bb) (I) (a) (aa), S. 123. 9 Moll
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§ 4 Beendigung des Tarifvertrags und Nachwirkung der Tarifnormen
Diese Begrenzung der Interessenabwägung hat die Rechtsprechung bislang allerdings noch nicht auf die Änderungskündigung übertragen, die auf die Herabsetzung der Löhne und Gehälter gerichtet ist. Die Gerichte 126 prüfen weiterhin die Zumutbarkeit der Entgeltkürzung für den Arbeitnehmer und fragen, ob die vom Arbeitgeber angestrebte finanzielle Entlastung in einem angemessenen Verhältnis zum Einkommensverlust des Arbeitnehmers steht. Im Schrifttum 127 wird die von der Rechtsprechung bei der betriebsbedingten Beendigungskündigung vorgenommene Einschränkung der Interessenabwägung allgemein begrüßt. Dagegen ist der Meinungsstand hinsichtlich der Notwendigkeit und des Umfangs der Zumutbarkeitsprüfung bei der Änderungskündigung zur Herabsetzung der Vergütung uneinheitlich. Während teilweise 128 jede Zumutbarkeitskontrolle abgelehnt wird, wird überwiegend 129 die Vornahme der Interessenabwägung zwar befürwortet, wobei aber wiederum die Ansichten über deren Reichweite divergieren. Die Meinungsgrenze verläuft ungefähr an der Trennlinie zwischen den unterschiedlichen Auffassungen zu der Frage, unter welchen Voraussetzungen die Notwendigkeit zu Einsparungen als betriebsbedingter Grund für die Änderungskündigung zur Leistungskürzung anzuerkennen ist. 130 Für die Vertreter der Rechtslehre 131 , die es dem Arbeitgeber nur bei akuter Gefährdung des Betriebs oder einzelner Arbeitsplätze erlauben, die Löhne und Gehälter zu senken, hat die Interessenabwägung eine geringe Bedeutung. Diese Autoren gehen davon aus, daß die Interessenabwägung nur in Ausnahmefällen zugunsten des Arbeitnehmers ausfallen wird. Dagegen gewinnt die Zumutbarkeitsprüfung bei denjenigen ein größeres Gewicht, die eine angemessene Rentabilität des Unternehmens als betriebsbedingten Änderungsgrund ausreichen lassen. 132 Die Interessenabwägung dient als Korrektiv gegenüber der einseitigen Durchsetzung der wirtschaftlichen Erwägungen des Arbeitgebers. 133 Das Ertragsinteresse des Arbeitgebers wird zur Verdienstminderung des Arbeitnehmers ins Verhältnis gesetzt und beides gegeneinander abgewogen. BAG, AP Nr. 14 zu § 2 KSchG, BI. 6; LAG Köln, LAGE Nr. 8 zu § 2 KSchG, S. 6. Ascheid, Rdnr. 349; Enderlein, gern. Anrn. zu BAG, AP Nm. 36 und 37 zu § 2 KSchG 1969, BI. 4, 10 verso; G. Hueck/von Hoyningen-Huene, § 1 Rdnr. 371c; Oetker, SAE 1991, S. 15,18 f.; Stahlhacke/Preis, Rdnr. 643. 128 Hrornadka, RdA 1992, S. 234, 256; Precklein, S. 107 f. 129 Dänzer-Vanotti/Engels, DB 1986, S. 1390, 1392; Krause, 1995, S. 574, 579; Löwisch, NZA 1988, S. 633, 637; ders./Bemards, Anrn. zu BAG, EzA Nr. 6 zu § 2 KSchG, S. 50a, 5Od; offengelassen von Enderlein, gern. Anrn. zu BAG, AP Nm. 36 und 37 zu § 2 KSchG 1969, BI. 4, 10 verso. 130 § 4 IV. 1. c) bb) (I)(a) (bb), S. 124 ff. 131 Dänzer-Vanotti I Engels, DB 1986, S. 1390, 1392. 132 Löwisch, Kündigungsschutzgesetz, § 2 Rdnr. 38; ders., NZA 1988, S. 633, 637; ders.l Bemards, Anrn. zu BAG, EzA Nr. 6 zu § 2 KSchG, S. 50a, 5Od. m Enderlein, gern. Anrn. zu BAG, AP Nm. 36 und 37 zu § 2 KSchG 1969, BI. 4, 10 verso. 126 121
IV. Ablösung der fortgeltenden Tarifnonnen
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Nach der hier vertretenen Ansicht 134 kommt die Änderungskündigung zur Entgeltsenkung nur in Betracht, wenn ohne die Reduzierung der Personalkosten Arbeitsplätze abgebaut werden müßten. Nur unter dieser Voraussetzung ist die schlechte wirtschaftliche Lage eines Unternehmens als betrieblicher Kündigungsgrund im Sinne des § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG anzuerkennen. Die Änderungskündigung zur Lohn- und Gehaltskürzung darf nur als letztes Mittel zur Abwendung von ansonsten drohenden Entlassungen eingesetzt werden. Bei Anwendung dieser strengen Anforderungen bleibt für eine im Ergebnis notwendigerweise offene Abwägung der arbeitgeber- und arbeitnehmerseitigen Interessen kein Raum. Wenn der Arbeitgeber als Folge der Zumutbarkeitsprüfung zur Aufrechterhaltung der bisher geltenden Arbeitsbedingungen verpflichtet würde, könnte er der wirtschaftlichen Notlage des Betriebs nur noch durch die Reduzierung der Belegschaft begegnen, wodurch das Ziel des Kündigungsschutzrechts, der Erhalt der Arbeitsplätze, konterkariert würde. Folglich ist mit der Feststellung, daß die Einsparung von Personalkosten zur Rettung der Arbeitsplätze erforderlich ist und mithin ein betriebliches Erfordernis für die Herabsetzung der Entgelte darstellt, das Ergebnis der Interessenabwägung regelmäßig vorweggenommen. Daher ist die Zumutbarkeitsprüfung gegenstandslos. (dd) Ergebnis . Die ordentliche Änderungskündigung zur Kürzung der Entgelte ist aus betrieblichen Gründen sozial gerechtfertigt, wenn ohne Einsparung bei den Personalkosten die Fortsetzung des Betriebs in Frage gestellt ist und Entlassungen drohen. Ob dies der Fall ist, haben die Arbeitsgerichte im Kündigungsschutzverfahren zu überprüfen. Die Freiheit der unternehmerischen Planung steht der umfassenden gerichtlichen Kontrolle nicht entgegen. Wenn feststeht, daß die Herabsetzung der Löhne und Gehälter zum Schutz der Arbeitsplätze erforderlich ist, ist die Änderungskündigung zulässig. Auf die Zumutbarkeit des Änderungsangebots für den Arbeitnehmer kommt es nicht an. (h) Massenänderungskündigungen
Soweit der Arbeitgeber die gemäß § 4 Abs. 5 TVG fortgeltenden Tarifnormen mit Hilfe der Änderungskündigung ablösen kann, stellt sich für ihn die Frage, ob und unter weIchen Voraussetzungen er einzelne Änderungskündigungen zu gleichlautenden Massenänderungskündigungen zusammenfassen kann. Diese Kündigungen könnte er gegenüber allen seinen Arbeitnehmern gleichzeitig erklären und hätte die Möglichkeit, die kollektive Ordnung des Tarifvertrags durch einheitliche neue Arbeitsbedingungen zu ersetzen.
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§ 4 IV. 1. c) bb) (1) (a) (bb), S. 127 ff.
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§ 4 Beendigung des Tarifvertrags und Nachwirkung der Tarifnormen
Das Bundesarbeitsgericht 135 und der weit überwiegende Teil der Rechtslehre 136 gehen von der Zulässigkeit der arbeitgeberseitigen Massenänderungskündigungen aus. Dem ist zu folgen. Die Änderungskündigung führt bei Annahme des Änderungsangebots zur Neuregelung des Arbeitsverhältnisses und bei Ablehnung zu dessen Beendigung. Das Recht zur Neufassung und zur Beendigung der Arbeitsbeziehung ist wie die Vertragsabschluß- und Vertragsinhaltsfreiheit Bestandteil der Vertragsfreiheit und findet seine rechtliche Grundlage in Art. 12 Abs. I GG. 137 Diese grundrechtIiche Gewährleistung umfaßt auch die Berechtigung, gleichartige Änderungskündigungen gegenüber mehreren Arbeitnehmern zusammenzufassen. Es ist aber zu bedenken, daß der Arbeitgeber mit den Massenänderungskündigungen eine auf die gesamte Belegschaft bezogene Ordnung der Arbeitsbedingungen anstrebt, wodurch er in Konkurrenz zum kollektivrechtlichen Gestaltungsanspruch der Tarifverbände tritt. Aus diesem Grund hält es Säcker 138 für erforderlich, den Einsatz der Massenänderungskündigungen zu begrenzen. Seiner Ansicht nach ist der Arbeitgeber verpflichtet, zunächst eine kollektivrechtliche Lösung zu suchen. Der Arbeitgeber müßte folglich mit der Gewerkschaft einen Firmentarifvertrag abschließen oder das Zustandekommen eines Verbandstarifvertrags abwarten. Die Ansicht Säckers wird in der Literatur 139 zu Recht abgelehnt. Sie schränkt die Freiheit des Arbeitgebers zur privatautonomen Gestaltung der Arbeitsbedingungen mit einzelvertraglichen Mitteln ein,14O obwohl dies zum Schutz der Tarifverbände nicht notwendig ist.
135 AP Nr. I zu Art. 9 GG - Arbeitskampf, BI. 10 verso; Nr. 17 zu § 77 BetrVG 1972, BI. 13 verso; Nr. 14 zu § 2 KSchG 1969. 136 Brox/Dudenbostel, DB 1979, S. 1841, 1842 ff., 1848; Brox/Rüthers, Rdnr. 69; Hilbrandt, Diss., S. 158; G. Hueck/von Hoyningen-Huene, § 25 Rdnr. 15; Lieb, Arbeitsrecht, Rdnr. 705; Löwisch, Kündigungsschutzgesetz, § 25 Rdnr. 6; ders.1 Rieble, in: Löwisch, Arbeitskampfrecht, 11. Rdnr. 308; H. Otto, in: Münchener Handbuch Arbeitsrecht, § 279 Rdnr. 119; Seiter, Streikrecht, S. 410 f.; Weigand, in: Gemeinschaftskommentar zum Kündigungsschutzgesetz, § 25 KSchG Rdnm. 30 f.; Zöllner I Loritz, § 40 111. 2., S. 409. 137 Seiter, Streikrecht, S. 401, ordnet die Arbeitsvertragsfreiheit wie die allgemeine Vertragsfreiheit dem Art. 2 Abs. I GG zu. Die vertragliche Gestaltung der Arbeitsleistung wird jedoch vom spezielleren Grundrecht der Berufsfreiheit erfaßt. 138 Gruppenautonomie, S. 395. Säcker, Gruppenautonomie, S. 336, gestattet dem Arbeitgeber aber den gebündelten Einsatz inhaltlich übereinstimmender Änderungskündigungen gegenüber den gewerkschaftlich nichtorganisierten Arbeitnehmern. Dies ist von seinem Standpunkt aus konsequent: Die Außenseiter-Arbeitnehmer werden vom Organisationsanspruch der Tarifverbände nicht erfaßt; ihnen gegenüber stellt sich folglich nicht die Frage nach der Vereinbarkeit der Änderungskündigungen mit der kollektivrechtlichen Gestaltungsaufgabe der Koalitionen. 139 Brox/Dudenbostel, DB 1979, S. 1841, 1842; Brox/Rüthers, Rdnr. 554; Hilbrandt, Diss., S. 147 ff.; Seiter, Streikrecht, S. 401 ff. 140 Brox I Dudenbostel, DB 1979, S. 1841, 1843; Brox/Rüthers, Rdnr. 554.
IV. Ablösung der fortgeltenden Tarifnormen
133
Dies gilt sowohl für den Arbeitgeberverband wie für die Gewerkschaft. Der Arbeitgeberverband kann jederzeit mit der Gewerkschaft einen Verbandstarifvertrag abschließen, der die individualvertragliche Änderung der Arbeitsverhältnisse verdrängt. Unterläßt er dies aber oder zieht er sich wie mit der Einrichtung der Mitgliedschaft "Ohne Tarifbindung" aus der tarifvertraglichen Betreuung der ihm zugehörigen Arbeitgeber zurück, so ist er nicht schutzwürdig. Auch der gewerkschaftliche Regelungsanspruch erfordert nicht das Verbot von Massenänderungskündigungen. Der Gewerkschaft bleibt es aufgrund der Tariffähigkeit des einzelnen Arbeitgebers gemäß § 2 Abs. 1 TVG unbenommen, den Abschluß eines Firmentarifvertrags zu suchen und gegebenenfalls streikweise zu erzwingen. Ihre kollektivrechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten werden durch die Zulassung der Massenänderungskündigungen nicht beeinträchtigt. Es ist daher nicht erforderlich, dem Arbeitgeber den Einsatz von Massenänderungskündigungen zu untersagen. Wenn die arbeitgeberseitigen Massenänderungskündigungen als zulässiges Gestaltungsmittel anzuerkennen sind, schließt sich die Frage nach den Voraussetzungen an, denen sie entsprechen müssen. Umstritten ist, ob sie als Arbeitskampfmittel anzusehen sind. Wäre dies zu bejahen, wären sie den Anforderungen des Arbeitskampfrechts unterworfen. Sie wären gleichzeitig gemäß § 25 KSchG von den Bindungen des Kündigungsschutzgesetzes befreit und bedürften demzufolge nicht der sozialen Rechtfertigung nach § 2 Satz 1 KSchG in Verbindung mit § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG. 141 Einige Vertreter der Rechtslehre 142 stellen die Massenänderungskündigungen mit der Aussperrung gleich und stufen sie als Arbeitskampfmaßnahmen ein. Die Vergleichbarkeit sehen sie im kollektiven Bezug des Regelungszwecks, die Arbeitsbedingungen einheitlich neu zu gestalten. Zum zweiten verweisen sie auf die Wirkungsweise der Massenänderungskündigungen, die wie die Aussperrung gegenüber einer Vielzahl von Arbeitnehmern Druck erzeugen, um die Forderung nach Änderung der Arbeitsbedingungen durchzusetzen. Dieser Ansicht ist jedoch nicht zu folgen. Die einzelnen Änderungskündigungen verlieren auch durch ihre Zusammenfassung zu Massenänderungskündigungen nicht ihre individuaIrechtliche Zuordnung. 143 Sie unterliegen nicht dem Arbeitskampfrecht und dessen Maßstäben, wie Hilbrandt l44 herausgearbeitet hat: Die von 141 Brox/Oudenbostel, OB 1979, S. 1841, 1847; Brox I Rüthers, Rdnr. 575; Lieb, Arbeitsrecht, Rdnr. 705. 142 Brox/Oudenbostel, OB 1979, S. 1841, 1848; Brox/Rüthers, Rdnr. 69; Lieb, Arbeitsrecht, Rdnr. 705; Weller, AuR 1967, S. 76, 81. 143 BAG, AP Nr. 1 zu Art. 9 GO - Arbeitskampf, BI. 10 verso; Nr. 17 zu § 77 BetrVG 1972, BI. 13 verso; Hilbrandt, Oiss., S. 57 ff.; G. Hueck/von Hoyningen-Huene, § 25 Rdnr. 15; Löwisch, Kündigungsschutzgesetz, § 25 Rdnr. 6; H. Otto, in: Münchener Handbuch Arbeitsrecht, § 279 Rdnr. 119; Weigand, in: Gemeinschaftskornrnentar zum Kündigungsschutzgesetz, § 25 KSchG Rdnm. 30 f.; Zöllner I Loritz, § 40 111. 2., S. 409.
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§ 4 Beendigung des Tarifvertrags und Nachwirkung der Tarifnonnen
der Rechtsprechung 145 entwickelten Regeln des Arbeitskampfrechts ermöglichen die Rechtfertigung der arbeitskampfbedingten Störung der arbeitsvertraglichen Pflichten. Die Kündigung und mithin auch die Änderungskündigung sind als vertragliche Gestaltungsfaktoren hingegen Bestandteil der Vertragsordnung. Die Ausübung des Rechts zur Änderungskündigung führt daher nicht zur Verletzung der Vertragspflichten, so daß der Grund für die Anwendung des Arbeitskampfrechts entfällt. Dies gilt auch dann, wenn die Änderungskündigungen gebündelt als Massenänderungskündigungen ausgesprochen werden. Sie verbleiben wie die Einzeländerungskündigung im Individualarbeitsrecht und werden nicht arbeitskampfrechtlich überlagert. Aus ihrer individualrechtlichen Zugehörigkeit folgt des weiteren, daß sie keine arbeitskampfbezogenen Kündigungen im Sinne des § 25 KSchG darstellen und somit nicht den Normen des Kündigungsschutzgesetzes entzogen sind. 146 (c) Außerordentliche Änderungskündigung zur Reduzierung der Entgelte
Neben der ordentlichen Änderungskündigung kommt auch die außerordentliche Änderungskündigung in Betracht. 147 Mit Hilfe der außerordentlichen Änderungskündigung kann der Arbeitgeber die Neuordnung der Arbeitsbedingungen auch gegenüber denjenigen Arbeitnehmern durchsetzen, denen er ordentlich nicht kündigen kann. 148 Dies verschafft ihm die Möglichkeit, alle Belegschaftsangehörigen gleichermaßen in die Massenänderungskündigungen zur Entgeltsenkung einzubeziehen. Bei der außerordentlichen Änderungskündigung bedarf der Arbeitgeber gemäß § 626 Abs. 1 BGB eines wichtigen Grundes für die inhaltliche Neugestaltung der
Arbeitsverhältnisse. Das Bundesarbeitsgericht 149 prüft das Vorliegen des wichtigen Grundes in zwei Schritten, in denen es zum einen fragt, ob die alsbaldige Änderung der Arbeitsbedingungen für den Arbeitgeber unabweisbar notwendig ist, und zum anderen, inwieweit die neuen Bedingungen für den einzelnen Arbeitnehmer zumutbar sind.
Diss., S. 58 f. BAG, AP Nr. 1 zu Art. 9 GG - Arbeitskampf, BI. 6 ff.; Nr. 43 zu Art. 9 GG - Arbeitskampf, BI. 3 verso f. 146 G. Hueck / von Hoyningen-Huene, § 25 Rdnr. 15; Löwisch, Kündigungsschutzgesetz, § 25 Rdnr. 6; Weigand, in: Gemeinschaftskommentar zum Kündigungsschutzgesetz, § 25 KSchG Rdnm. 30 f.; Zöllner/Loritz, § 40 III. 2., S. 409. 147 § 4 IV. 1. c) bb) (1), S. 121 f. 148 Hromadka, RdA 1992, S. 234, 257; Löwisch, NZA 1988, S. 633, 640. 149 AP Nr. 19 zu § 15 KSchG 1969, BI. 5; Nr. 36 zu § 15 KSchG 1969, BI. 2 verso, 4 verso. 144
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IV. Ablösung der fortgeltenden Tarifnormen
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(aa) Notwendigkeit der Änderung der Arbeitsbedingungen An die Notwendigkeit der außerordentlichen Änderungskündigung, die der Arbeitgeber zur Herabsetzung der Löhne und Gehälter einsetzt, werden in Rechtsprechung l50 und Literatur I51 strenge Anforderungen gestellt. Die außerordentliche Änderungskündigung wird nur als letztes Mittel zur Beseitigung einer wirtschaftlichen Notlage des Betriebs zugelassen, um den drohenden Abbau von Arbeitsplätzen zu verhindern. Das Ziel, die Rentabilität des Betriebs zu verbessern, soll nicht ausreichen. Diese Ansicht wird auch von denjenigen vertreten, die bei der ordentlichen Änderungskündigung geringere Anforderungen an die soziale Rechtfertigung stellen und dort das Ziel genügen lassen, eine angemessene Ertragskraft zu erreichen. Sie halten die außerordentliche Änderungskündigung nur für begründet, wenn ohne die Einsparung von Personalkosten Entlassungen zu befürchten sind l52 oder eine wirtschaftliche Notlage für den Betrieb eingetreten ist, die dem Fortfall der Geschäftsgrundlage vergleichbar ist. 153 Diese Maßstäbe entsprechen den Anforderungen, die in dieser Untersuchung für die soziale Rechtfertigung der ordentlichen Änderungskündigung aus betrieblichen Gründen erarbeitet wurden. 154 Sie sind auf die außerordentliche Änderungskündigung zu übertragen. Der Arbeitgeber ist an die Verpflichtung zur Zahlung der Löhne und Gehälter in der vereinbarten Höhe gebunden und kann sich ihr nicht unter Verweis auf die veränderte wirtschaftliche Lage entziehen. Er trägt das wirtschaftliche Risiko für die Erfüllung seiner vertraglich eingegangenen Vergütungspflicht. Die Ertragsschwäche seines Betriebs stellt daher ebensowenig einen wichtigen Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB dar, wie sie die betriebsbedingte ordentliche Änderungskündigung gemäß § 2 Satz 1 KSchG in Verbindung mit § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG zu rechtfertigen vermag. Allerdings ist hiervon wie bei der ordentlichen Änderungskündigung aufgrund der Funktion des Kündigungsschutzes, dem Arbeitnehmer den Arbeitsplatz zu erhalten, eine Ausnahme zu machen, wenn der Arbeitgeber ohne die Herabsetzung der Entgelte Arbeitnehmer entlassen müßte. Die ordentliche und die außerordentliche Änderungskündigung zur Entgeltsenkung sind daher unter den gleichen engen Bedingungen zulässig. Der Arbeitgeber kann somit bei einer Bestandsgefahr für den Betrieb die außerordentliche Änderungskündigung zur Absenkung der Vergütung einsetzen, um die Bedrohung für die Arbeitsplätze abzuwenden.
LAG Köln, LAGE Nr. 10 zu § 2 KSchG, S. 6 f. Hillebrecht, in: Gemeinschaftskornrnentar zum Kündigungsschutzgesetz, § 626 BGB Rdnr. 147; Löwisch, Kündigungsschutzgesetz, § 2 Rdnr. 69; ders., NZA 1988, S. 633, 640; Precklein, S. 109. 152 LAG Köln, LAGE Nr. 10 zu § 2 KSchG, S. 7. 153 Löwisch, Kündigungsschutzgesetz, § 2 Rdnr. 69; ders., NZA 1988, S. 633, 640. 154 § 4 IV. 1. c) bb) (I) (a) (bb), S. 127 ff. 150 151
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§ 4 Beendigung des Tarifvertrags und Nachwirkung der Tarifnormen
(bb) Zumutbarkeitsprüfung Wenn nun feststeht, daß die negative wirtschaftliche Entwicklung des Betriebs angesichts der Existenzgefährdung für die Arbeitsplätze als Kündigungsgrund anzuerkennen ist, müßte nach der eingangs dargelegten Stufenprüfung des Bundesarbeitsgerichts im zweiten Schritt untersucht werden, ob die vom Arbeitgeber angebotene Änderung der Arbeitsbedingungen für die einzelnen Arbeitnehmer zumutbar ist. Für die Zumutbarkeitskontrolle bleibt allerdings wie bei der ordentlichen Änderungskündigung zur Entgeltsenkung 155 kein Raum. Die Reduzierung der Vergütung ist als Ultima ratio nur zulässig, wenn dem Arbeitgeber aufgrund der Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage seines Betriebs keine Möglichkeit zur Fortsetzung der Arbeitsbeziehungen zu den bisherigen Konditionen bleibt und die Freisetzung von Arbeitnehmern zu befürchten ist. Wenn nun die Herabsenkung der Entgelte zur Abwendung von Entlassungen unabweisbar erforderlich ist, der Arbeitgeber aber dennoch als Ergebnis der Zumutbarkeitsprüfung gezwungen werden könnte, einzelne Arbeitnehmer mit unveränderten Bezügen weiterzubeschäftigen, müßte er zum Ausgleich der finanziellen Belastung Beendigungskündigungen aussprechen. Dies soll mit der Zulassung der Änderungskündigung zur Lohnsenkung jedoch gerade verhindert werden. Daher muß die Zumutbarkeitsprüfung bei der außerordentlichen ebenso wie bei der ordentlichen Änderungskündigung entfallen. (cc) Ergebnis Der Arbeitgeber kann zur Herabsetzung der Vergütung die außerordentliche Änderungskündigung einsetzen. Für diese Kündigung gelten die gleichen Anforderungen wie für die soziale Rechtfertigung der ordentlichen betriebsbedingten Änderungskündigung. Die außerordentliche Änderungskündigung zur Entgeltsenkung ist nur zulässig, wenn aufgrund der wirtschaftlichen Lage des Betriebs Entlassungen drohen und durch die angestrebte Einsparung bei den Personalkosten der Arbeitsplatzabbau verhindert werden kann. Wenn diese Voraussetzungen erfüllt sind, kommt es nicht darauf an, ob das Änderungsangebot dem betroffenen Arbeitnehmer zumutbar ist. (d) Ergebnis
Der Arbeitgeber kann zur Verbesserung der wirtschaftlichen Situation seines Betriebs die Löhne und Gehälter mit Hilfe der Änderungskündigung reduzieren. Die Änderungskündigung kann aber nur als letztes Mittel zur Rettung von Arbeitsplätzen eingesetzt werden. Sind diese Voraussetzungen erfüllt, darf der Arbeitgeber die ordentliche oder außerordentliche Änderungskündigung aussprechen und die einzelnen Änderungskündigungen zu Massenänderungskündigungen zusammenfassen. Die Massenänderungskündigungen sind keine Arbeitskampfmittel und unterliegen nicht den Anforderungen des Arbeitskampfrechts. Für sie gelten wie für ISS
§ 4 IV. 1. c) bb) (1) (a) (ce), S. 131.
IV. Ablösung der fortgeltenden Tarifnormen
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die einzelne Änderungskündigung die Maßstäbe des individualrechtlichen Kündigungsschutzes.
(2) Verlängerung der Arbeitszeit ohne zusätzliche Vergütung
Wie in der Einleitung l56 erwähnt, versuchen viele Arbeitgeber, die Personalkosten nicht durch die Kürzung der Löhne und Gehälter zu reduzieren, sondern indem sie bei gleichbleibender Vergütung die Arbeitszeit heraufsetzen. In den eingangs der Untersuchung genannten Beispielen haben sich die Arbeitnehmer vor dem Hintergrund der angespannten Arbeitsmarktlage bereit gefunden, ohne eine zusätzliche Entlohnung länger zu arbeiten. Im Gegenzug haben sich die Arbeitgeber verpflichtet, innerhalb einer bestimmten Zeitspanne keine Mitarbeiter aus betrieblichen Gründen zu entlassen. Zu prüfen ist, unter welchen Voraussetzungen der Arbeitgeber darüber hinaus auch ohne eine derartige Gegenleistung die Verlängerung der Arbeitszeit durch ordentliche betriebsbedingte und außerordentliche Änderungskündigungen durchsetzen kann. Rechtsprechung l57 und Literatur I58 gehen davon aus, daß der Arbeitgeber die Arbeitszeit im Wege der ordentlichen Änderungskündigung erhöhen kann, um sie veränderten betrieblichen Erfordernissen anzupassen. Derartige Veränderungen können darin bestehen, daß der Arbeitgeber die Kapazität seines Betriebs bei gleichbleibender Belegschaftsgröße ausbaut, die Maschinenlaufzeiten verlängert oder das bisherige Arbeitsvolumen auf weniger Arbeitnehmer verteilt. In diesen Fällen ordnet der Arbeitgeber den Umfang der Produktion und die Art und Weise des Personaleinsatzes neu, wodurch sich die Anforderungen an die einzelnen Arbeitsplätze ändern und die Verlängerung der Arbeitsdauer erforderlich wird. Um die Länge der Arbeitszeit den gewandelten Produktionsbedürfnissen anzugleichen, kann der Arbeitgeber Änderungskündigungen aussprechen. Diese Änderungskündigungen sind betrieblich veraniaßt. Die produktionstechnischen Veränderungen erfordern hingegen nicht, die Arbeitnehmer ohne zusätzliche Bezahlung länger arbeiten zu lassen. Mit der Ausweitung der Arbeitszeit ohne entsprechenden Lohnausgleich bezweckt der Arbeitgeber die Verschiebung des Verhältnisses zwischen der Tätigkeit des Arbeitnehmers und dem Entgelt, um die Personalaufwendungen zu verringern und die Gewinnsituation zu verbessern. Der Eingriff in die Austauschbeziehung von Leistung und Gegenleistung ist folglich nicht betrieblich motiviert, sondern entspringt allein den 156
S. 15 f.
BAG, AP Nr. 42 zu § 2 KSchG 1969, BI. 2 verso; LAG Berlin, DB 1982, S. 334, 335; LAG Harnm, ARSt. 1981, Nr. 1129, S. 110; LAG Rheinland-Pfalz, LAGE Nr. 16 zu § I KSchG - Betriebsbedingte Kündigung, S. 4; LAG Saarland, ARSt. 1981, Nr. 73, S. 87 f. 158 Hromadka, RdA 1992, S. 234, 255; G. Hueck/von Hoyningen-Huene, § 1 Rdnr. 367a, § 2 Rdnr. 73; Löwisch, Kündigungsschutzgesetz, § 2 Rdnr. 35; Rost, in: Gemeinschaftskommentar zum Kündigungsschutzgesetz, § 2 KSchG Rdnr. 112. 157
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§ 4 Beendigung des Tarifvertrags und Nachwirkung der Tarifnormen
Ertragserwartungen des Arbeitgebers. Derartige wirtschaftliche Überlegungen können die Änderungskündigung jedoch nicht rechtfertigen, was bereits bei der Änderungskündigung zur Lohnsenkung aufgezeigt wurde. 159 Auf die dortigen Ausführungen kann daher Bezug genommen werden. Es ist allerdings hier wie dort eine Ausnahme zuzulassen, wenn der Arbeitgeber den Betrieb ohne die Reduzierung der Personalkosten nicht weiterführen kann und Entlassungen drohen. Dies folgt aus der Funktion des Kündigungsschutzes, den Arbeitnehmern die Arbeitsplätze zu erhalten, und dem Ultima-ratio-Prinzip, dem die Beendigungskündigung unterliegt. Auf die Beendigungskündigung soll nur zurückgegriffen werden, wenn die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu geänderten Bedingungen nicht möglich ist. Mithin ist vorrangig die Änderungskündigung einzusetzen. Die Änderungskündigung zur Anhebung der Arbeitsdauer ohne Lohnausgleich ist somit gerechtfertigt, soweit sie zur Sicherung der Arbeitsplätze notwendig ist. Diese Feststellungen decken sich mit denen, die bei der Änderungskündigung zur Entgeltsenkung getroffen wurden. l60 An die ordentliche Änderungskündigung zur Arbeitszeitverlängerung ohne zusätzliche Vergütung ist daher der gleiche Maßstab anzulegen wie an die Änderungskündigung zur Absenkung der Entgelte. Entsprechendes gilt auch für die außerordentliche Änderungskündigung zur Verlängerung der Arbeitszeit. Hier ist eine Parallele zur außerordentlichen Änderungskündigung zur Lohnsenkung zu ziehen, die den gleichen Anforderungen unterliegt wie die ordentliche Änderungskündigung. 161 Wenn der Fortbestand des Betriebs nur noch durch die Reduzierung der Personalkosten gesichert werden kann, muß der Arbeitgeber im Interesse der Erhaltung der Arbeitsplätze im Wege der außerordentlichen Änderungskündigung die gleichen Maßnahmen umsetzen können wie mit der ordentlichen Änderungskündigung.
(3) Ergebnis Wenn der Arbeitgeber zur Verbesserung der wirtschaftlichen Lage seines Betriebs die Personalkosten senken will, kann er dies im Wege der Änderungskündigung durch die Reduzierung der Vergütung oder die Verlängerung der Arbeitszeit ohne Lohnausgleich erreichen. In beiden Fällen greift er in das vertragliche Austauschverhältnis von Leistung und Gegenleistung ein. Dies kann vor dem Hintergrund des Inhaltsschutzes des Arbeitsverhältnisses, den das Kündigungsschutzrecht dem Arbeitnehmer gewährt, nur ausnahmsweise zugelassen werden. Zu fordern ist, daß durch die Änderung der Arbeitsbedingungen die Ertragskraft des Betriebs stabilisiert wird und Entlassungen vermieden werden.
160
§ 4 IV. 1. c) bb) (1) (a) (bb), S. 126 f. § 4 IV. 1. c) bb) (1) (a) (bb), S. 127 ff.
161
§ 4 IV. 1. c) bb) (1) (c) (aa), S. 135.
159
IV. Ablösung der fortgeltenden Tarifnormen
139
cc) Allgemeine Rechtmäßigkeitsanforderungen an die Änderungskündigung
Bevor der Arbeitgeber die ordentliche oder außerordentliche Änderungskündigung erklärt, muß er - soweit vorhanden - den Betriebsrat gemäß § 102 BetrVG anhören, wobei er ihm das Änderungsangebot und die Gründe für die Änderung der Arbeitsbedingungen mitzuteilen hat. 162 Sofern Mitglieder des Betriebsrats in die Änderungskündigungen einbezogen werden, ist gemäß § 103 BetrVG die Zustimmung des Betriebsrats oder deren Ersetzung durch das Arbeitsgericht erforderlich. 163 Zum zweiten muß der Arbeitgeber bei der Verlängerung der Arbeitszeit und bei der Lohnsenkung die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nm. 2 und 10 BetrVG beachten. Die Neuregelung der Arbeitszeit und - soweit sich die bisherige betriebliche Lohngestaltung als Folge der Änderungskündigung zur Entgeltminderung verschiebt - die vom Arbeitgeber angestrebte Neuordnung des Lohn- und Gehaltsgefüges sind nur wirksam, wenn der Betriebsrat einverstanden ist oder die erforderliche Einigung durch den Spruch der Einigungsstelle ersetzt wird. l64 Bei Massenänderungskündigungen ist der Arbeitgeber gemäß § 23 Abs. 2, § 17 KSchG überdies verpflichtet, dem Arbeitsamt Anzeige zu erstatten. Die Meldepflicht erstreckt sich auf die Arbeitnehmer, die das Änderungsangebot ablehnen und denen gegenüber die Kündigung in Kraft tritt. 165
dd) Besonderer Kündigungsschutz
Zu klären ist des weiteren, ob der Arbeitgeber darüber hinaus den besonderen Kündigungsschutz nach § 9 MuSchG, § 18 BErzGG, §§ 15 ff. SchwbG und § 15 KSchG beachten muß. Diese Frage wird unterschiedlich beantwortet. Wahrend sie von der herrschenden Meinung l66 bejaht wird, möchte Hromadka 167 die Änderungskündigung generell vom Sonderkündigungsschutz freistellen. Zur Begründung verweist er auf die Funktion des besonderen Kündigungsschutzes, die darin bestehe, dem begünstigten Arbeitnehmerkreis den Bestand des Arbeitsverhältnisses zu sichern, nicht aber dessen Inhalt. 162 BAG, AP Nr. 14 zu § 2 KSchG 1969, BI. 3; Nr. 31 zu § 2 KSchG 1969, BI. 6 verso; LAG Harnrn, OB 1997, S. 1722. 163 BAG, AP Nr. 36 zu § 15 KSchG 1969, BI. 2 verso. 164 BAG, AP Nr. 14 zu § 2 KSchG 1969, BI. 3 verso f. 16S BAG, AP Nr. 2 zu § 2 KSchG 1969, BI. 3 verso f. 166 Berger-Oelhey, OB 1991, S. 1571, 1572; H. Müller, NZA 1985, S. 307, 310 f.; Rost, in: Gemeinschaftskommentar zum Kündigungsschutzgesetz, § 2 KSchG Rdnrn. 179 ff.; Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch, § 137 I. 2., S. 1226; Stahlhacke/Preis, Rdnrn. 798, 861, 903,991. 167 RdA 1992, S. 234, 257.
140
§ 4 Beendigung des Tarifvertrags und Nachwirkung der Tarifnormen
Allerdings wird auch bei der Änderungskündigung der Bestand des Arbeitsverhältnisses betroffen. Die Änderungskündigung ist ein Rechtsgeschäft, das zwei Erklärungen enthält: das Änderungsangebot und die Kündigung, wobei die Kündigung unter der aufschiebenden Bedingung der Nichtannahme des Änderungsangebots steht. Wenn nun der Arbeitnehmer die Änderungsofferte ablehnt, tritt die Bedingung ein und die Kündigung wird wirksam, so daß der Geltungsbereich des Sonderkündigungsschutzes eröffnet ist. Die von Hromadka befürwortete Herausnahme der Änderungskündigung aus den Vorschriften des besonderen Kündigungsschutzes läßt sich daher nur durch eine teleologische Reduktion erreichen. Die teleologische Reduktion kommt in Betracht, wenn der Regelungszweck der Vorschriften die Einschränkung ihres Anwendungsbereichs erfordert, um den Eigenarten besonders gelagerter Fallkonstellationen gerecht zu werden. 168 Mithin ist zu klären, ob Zielsetzung und Sinnzusammenhang der Regelungen des besonderen Kündigungsschutzes es gebieten, die Änderungskündigung auszuklammern. Wie im folgenden gezeigt wird, ist dies in bezug auf die Normen des Mutterschutz-, des Bundeserziehungsgeld- und des Schwerbehindertengesetzes zu verneinen. Mit dem Ausschluß der Kündigung gemäß § 9 MuSchG wollte der Gesetzgeber der Schwangeren und der Wöchnerin die Sorge um den Erhalt des Arbeitsplatzes nehmen und sie vor der psychischen Belastung eines Kündigungsschutzprozesses schützen. 169 Wenn der Arbeitgeber die Änderungskündigung ausspricht, droht der Arbeitnehmerin der Verlust des Arbeitsplatzes, sofern sie das Änderungsangebot nicht annimmt, und sie wäre gezwungen, die Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit der Kündigungsschutzklage abzuwehren. Es entstünde für sie die Drucksituation, die das Gesetz gerade abwenden soll. Es ist daher nicht anzunehmen, daß der Gesetzgeber die Änderungskündigung von den Bindungen des Mutterschutzgesetzes freistellen wollte. Entsprechendes gilt im Ergebnis auch für das Kündigungsverbot nach § 18 BErzGG, jedoch mit anderer Begründung. Wahrend des Erziehungsurlaubs ruht das Arbeitsverhältnis und die Hauptleistungspflichten beider Seiten des Arbeitsvertrags sind außer Kraft gesetzt. 170 Für den Arbeitgeber besteht mithin keine Notwendigkeit, in dieser Zeit die Arbeitsbedingungen durch eine Änderungskündigung neu zu regeln. Die Neugestaltung wird erst mit der Wiederaufnahme der Arbeit nach Ablauf des Erziehungsurlaubs erforderlich.
168 169 170
verso.
Fikentscher, IV., S. 311; Larenz, S. 391 f. BAG, AP Nr. 20 zu § 9 MuSchG 1968, BI. 4. BAG, AP Nr. 1 zu § 15 BErzGG, l. Leitsatz und BI. 2; Nr. 2 zu § 15 BErzGG, BI. 2
IV. Ablösung der fortgeitenden Tarifnonnen
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Ab diesem Zeitpunkt kann der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis durch die Änderungskündigung neu fassen. Den Interessen des Arbeitgebers wird hierdurch hinreichend Rechnung getragen, so daß es nicht geboten ist, den Anwendungsbereich des § 18 BErzGG entgegen seinem Wortlaut zu begrenzen und die Änderungskündigung aus der Kündigungssperre auszuklammern. Auch im Schwerbehindertenrecht entspricht es dem gesetzgeberischen Willen, den Sonderkündigungsschutz auf die Änderungskündigung zu erstrecken. Dies zeigt § 19 Abs. 2 SchwbG. Nach dieser Vorschrift soll die HauptfürsorgesteIle die Zustimmung zu einer arbeitgeberseitigen Kündigung erteilen, wenn dem Schwerbehinderten ein anderer angemessener und zumutbarer Arbeitsplatz gesichert ist. Durch die Kündigung wird das Arbeitsverhältnis auf dem bisherigen Arbeitsplatz beendet. Der Schwerbehinderte muß auf dem neuen Arbeitsplatz weiterarbeiten. Die Zuweisung auf einen neuen Arbeitsplatz ist aber in aller Regel nicht vom laufenden Arbeitsvertrag gedeckt und kann folglich nur mit Hilfe der Änderungskündigung herbeigeführt werden. 171 Auf diesen Fall ist § 19 Abs. 2 SchwbG zugeschnitten, was zeigt, daß das Gesetz generell vom Zustimmungserfordernis für die Änderungskündigung ausgeht 172 und die Änderungskündigung folglich dem Sonderkündigungsschutz für Schwerbehinderte unterwirft. Die Auslegung der Kündigungsschutzvorschriften des Mutterschutz-, des Bundeserziehungsgeld- und des Schwerbehindertengesetzes hat ergeben, daß die tatbestandliche Einbeziehung der Änderungskündig~ng entgegen der Ansicht Hromadkas nicht plan widrig ist. Für die teleologische Reduktion bleibt daher kein Raum, so daß der Arbeitgeber die genannten Normen bei der Erklärung der Änderungskündigung zu berücksichtigen hat. Umstritten ist, ob gleiches auch für § 15 KSchG gilt. Nach § 15 Abs. 1 KSchG ist die Kündigung eines Mitglieds eines Betriebsrats, einer Jugend- und Auszubildendenvertretung, einer Bordvertretung oder eines Seebetriebsrats nur aus wichtigem Grund zulässig. Die ordentliche Kündigung und mithin auch die ordentliche Änderungskündigung sind folglich ausgeschlossen. Hromadka 173 spricht sich jedoch auch hier dafür aus, den Anwendungsbereich der Norm zu begrenzen und die ordentliche Änderungskündigung zuzulassen. Diese Ansicht findet innerhalb der Literatur 174 Zustimmung, wenn der Arbeitgeber die Angehörigen der Betriebsvertretungen in Massenänderungskündigungen einbeziehen möchte, um die Arbeitsbedingungen gegenüber der gesamten Belegschaft einheitlich neu zu regeln. Demgegenüber geht das Bundesarbeitsgericht 175 von der uneingeschränkten Geltung der Vorschrift aus. Löwisch, NZA 1988, S. 633,642. D. Neumann/Pahlen, SchwbG, § 15 Rdnr. 63. 173 RdA 1992, S. 234, 257. 174 Stellvertretend Hilbrandt, NZA 1997, S. 465, 467 ff., mit umfassender Darstellung des Meinungsstands. 171
172
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§ 4 Beendigung des Tarifvertrags und Nachwirkung der Tarifnonnen
Diese Streitfrage braucht im Rahmen der vorliegenden Untersuchung nicht entschieden zu werden. Folgt man dem Bundesarbeitsgericht, so ist die Änderungskündigung gegenüber dem Angehörigen einer Betriebsvertretung gemäß § 15 Abs. 1 KSchG nur begründet, wenn ein wichtiger Grund besteht. Das Vorliegen des wichtigen Grundes prüft das Bundesarbeitsgericht l76 nach den für § 626 BGB erarbeiteten Maßstäben. Nimmt man hingegen an, daß der Arbeitgeber bei der Änderungskündigung von § 15 KSchG befreit ist, muß er die allgemeinen kündigungsschutzrechtlichen Normen einhalten. Die Änderungskündigung bedarf nach § 2 Satz 1 KSchG in Verbindung mit § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG der sozialen Rechtfertigung. 177 Bei der Änderungskündigung zur Kürzung der Vergütung oder Verlängerung der Arbeitszeit ohne Lohnausgleich ist es aber unerheblich, ob man sie den Anforderungen des § 15 KSchG oder denen des § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG unterstellt. Nach der hier vertretenen Ansicht l78 müssen die ordentliche betriebsbedingte und die außerordentliche Änderungskündigung den gleichen Voraussetzungen genügen. Daher kann die Frage unbeantwortet bleiben, ob die Änderungskündigung aus dem Anwendungsbereich des § 15 KSchG herauszunehmen ist.
ee) Ergebnis
Der Arbeitgeber kann auf die Änderungskündigung zurückgreifen, um die Arbeitsbedingungen neu zu gestalten, wobei er die Anforderungen des allgemeinen und besonderen Kündigungsschutzes zu beachten hat. Der gesetzliche Kündigungsschutz sichert den Bestand und den Inhalt des Arbeitsverhältnisses zugunsten des Arbeitnehmers. Die Änderungskündigungen zur Herabsetzung der Entgelte und zur Verlängerung der Arbeitszeit ohne Lohnausgleich, mit denen der Arbeitgeber das Austauschverhältnis von Leistung und Gegenleistung verschiebt, können nur zugelassen werden, wenn ohne die Kostensenkung Arbeitsplätze verlorengingen und mithin die ansonsten zu erwartenden Beendigungskündigungen abgewendet werden können. d) Ergebnis
Auf einzelvertraglicher Ebene kann der Arbeitgeber die analog § 4 Abs. 5 TVG nachwirkenden Tarifnormen durch Änderungsverträge mit den einzelnen Arbeitnehmern ablösen. Der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer können die Änderungsverträge schon vor dem Ablauf des Tarifvertrags im Hinblick auf dessen Ende ab175 176 177
178
AP Nr. 19 zu § 15 KSchG 1969, BI. 3 verso; Nr. 36 zu § 15 KSchG 1969, BI. 2 verso. AP Nr. 36 zu § 15 KSchG 1969, BI. 2. H. Müller, NZA 1985, S. 307, 311. § 41V. 1. c) bb) (1) (c) (ce), S. 136; § 41V. 1. c) bb) (2), S. 138.
IV. Ablösung der fortgeltenden Tarifnormen
143
schließen und auf diese Weise die Nachwirkung der Tarifbestimmungen vermeiden. Allerdings treten die arbeitsvertraglichen Regelungen, die vom Tarifvertrag während seiner Geltungsdauer verdrängt wurden, nicht erneut in Kraft. Wenn die Arbeitnehmer sich nicht zu einer einvernehmlichen Neuregelung bereit finden, kann der Arbeitgeber die Änderungskündigung aussprechen.
2. Ablösung der nachwirkenden Tarifnormen durch Betriebsvereinbarungen Die gemäß § 4 Abs. 5 TVG fortgeltenden Tarifnormen können nicht nur durch einzelvertragliche Absprachen, sondern auch durch Betriebsvereinbarungen ersetzt werden. 179 Welche Voraussetzungen und Grenzen die Betriebsparteien zu berücksichtigen haben, wird im folgenden geprüft. Wie bei der Änderungskündigung soll sich die Untersuchung auf die Frage konzentrieren, ob der Arbeitgeber mit dem Mitgliedsstatus "Ohne Tarifbindung" das Leistungsniveau der bislang tarifvertraglich bestimmten Arbeitsbedingungen durch die Veränderung der Vergütungshöhe und der Arbeitsdauer neu festlegen kann. Die Möglichkeit zum Einsatz der Betriebsvereinbarung ist für den Arbeitgeber von herausragendem Interesse, da er mit diesem kollektivrechtlichen Gestaltungsmittel die Chance erhält, den Inhalt der Arbeitsverhältnisse durch ein überindividuelles Regelungswerk betriebseinheitlich zu ordnen. Er braucht nicht mit jedem Arbeitnehmer einen Änderungsvertrag auszuhandeln und ist von den strengen Anforderungen der Änderungskündigungen befreit. Aus diesem Grund sehen viele Arbeitgeber in der Betriebsvereinbarung eine Alternative zum Tarifvertrag, von der sie sich aber im Unterschied zum Tarifvertrag die betriebsnähere Gestaltung der Arbeitsverhältnisse erhoffen. 18o a) Tarifsperre des § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG Allerdings setzt der Tarifvorbehalt des § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG der Betriebsvereinbarung enge Grenzen: Arbeitsentgelte und sonstige Arbeitsbedingungen, die durch Tarifvertrag geregelt sind oder üblicherweise geregelt werden, können nicht Gegenstand einer Betriebsvereinbarung sein. Mit dieser Vorschrift schützt das Gesetz die Tarifautonomie, indem es dem Regelungsanspruch des Tarifvertrags gegenüber einem konkurrierenden Normensystem auf betrieblicher Ebene den Vorrang einräumt. Es verleiht den Tarifverbänden ein Gestaltungsvorrecht, soweit sie ihren Ordnungsauftrag durch den Abschluß von Tarifverträgen erfüllen. 181 179 180
§ 4 11. 2., S. 111. Einleitung, S. 15 f.
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§ 4 Beendigung des Tarifvertrags und Nachwirkung der Tarifnormen
Die Sperre des § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG greift ein, wenn die Arbeitsbedingungen tarifvertraglich geregelt sind oder üblicherweise geregelt werden. Eine Tarifregelung im Sinne der ersten Variante des § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG liegt vor, wenn ein Tarifvertrag abgeschlossen ist und der Betrieb in den Geltungsbereich des Tarifvertrags fällt. 182 Der Tarifvertrag muß mit zwingender Wirkung innerhalb des Betriebs anzuwenden sein,183 was nur während seiner Laufzeit der Fall ist. Nach dem Ende des Tarifvertrags gelten seine Normen gemäß § 4 Abs. 5 TVG nur noch dispositiv weiter, so daß ab diesem Zeitpunkt eine verbindliche tarifvertragliche Regelung nicht mehr besteht. 184 In der Fortwirkungszeit kommt jedoch die Sperre der Tarifüblichkeit im Sinne der zweiten Variante des § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG zur Anwendung. 185 Eine tarifvertragliche Regelung über einen Gegenstand ist üblich, wenn sie sich eingebürgert hat. 186 Dies ist der Fall, wenn sie bislang Inhalt der tarifvertraglichen Absprachen war und anzunehmen ist, daß die Tarifvertragsparteien sie erneut in ihre Tarifverträge aufnehmen werden. 187 Diese bei den Anforderungen sind in bezug auf die Festlegung der Vergütungshöhe und die Dauer der Arbeitszeit erfüllt. Als Inhalt der nachwirkenden Tarifnormen waren sie Bestandteil des abgelaufenen Tarifvertrags. 188 Es ist zudem davon auszugehen, daß die Entlohnung und die zeitlich bestimmte Arbeitsleistung als die Hauptleistungspflichten des Arbeitgebers und der Arbeitnehmer auch zukünftig tarifvertraglich erfaßt werden. Allerdings ist zu bedenken, daß die im Verband organisierten Arbeitgeber mit dem Mitgliedsstatus "Ohne Tarifbindung" nicht mehr tarifgebunden und darüber hinaus aus der Tarifzuständigkeit des Verbands ausgeklammert sind. Der neue Tarifvertrag wird ihnen gegenüber nicht zur Anwendung kommen. Es stellt sich die Frage, ob die Regelungssperre des § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG dennoch ausgelöst wird. 181 BAG, AP Nr. 51 zu § 87 BetrVG 1972 - Lohngestaltung, BI. 5; Nr. 22 zu § 23 BetrVG 1972, BI. 3 verso; Nr. 8 zu § 77 BetrVG 1972 - Tarifvorbehalt, BI. 2; Nr. 10 zu § 77 BetrVG 1972 - Tarifvorbehalt, BI. 4 verso; Fitting I Kaiser I Heither I Engels, § 77 Rdnr. 61; von Hoyningen-Huene/Meier-Krenz, NZA 1987, S. 793, 794; Kempen/Zachert, Grundlagen Rdnr. 254; Kissel, NZA 1995, S. 1,5. 182 BAG, OB 1983, S. 996; Fitting/Kaiser/Heither/Engels, § 77 Rdnr. 67; Kreutz, in: Gemeinschaftskommentar BetrVG, § 77 Rdnr. 81. 183 LAG Berlin, OB 1981, S. 1730; Galperin I Löwisch, § 77 Rdnr. 70; Kreutz, in: Gemeinschaftskommentar BetrVG, § 77 Rdnr. 87. 184 Fitting I Kaiserl Heither I Engels, § 77 Rdnr. 73. 185 Fitting I Kaiser I Heither I Engels, § 77 Rdnr. 73; Kreutz, in: Gemeinschaftskommentar BetrVG, § 77 Rdnr. 87; Wank, RdA 1991, S. 129, 133. 186 Oietz/Richardi, § 77 Rdnr. 207. 187 Von Hoyningen-Huene/Meier-Krenz, NZA 1987, S. 793, 795; Kreutz, in: Gemeinschaftskommentar BetrVG, § 77 Rdnr. 96; Matthes, in: Münchener Handbuch Arbeitsrecht, § 318 Rdnr. 65; Waltermann, RdA 1996, S. 129, 131; Wank, RdA 1991, S. 129, 133. 188 Kreutz, in: Gemeinschaftskommentar BetrVG, § 77 Rdnr. 96.
IV. Ablösung der fortgeltenden Tarifnormen
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Das Bundesarbeitsgericht 189 und der überwiegende Teil der Vertreter des Schrifttums l90 halten es für unerheblich, ob der Arbeitgeber tarifgebunden ist. Sie verweisen zur Begründung auf die Schutzfunktion des § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG zugunsten der Tarifautonomie. Die Regelungsbefugnis der Tarifvertragsparteien soll nicht durch abweichende Vereinbarungen des Arbeitgebers mit dem Betriebsrat beeinträchtigt werden. Es wird befürchtet, daß die Attraktivität der Tarifverbände abnimmt und die Tarifautonomie an Bedeutung verliert, wenn der nichtorganisierte Arbeitgeber Betriebsvereinbarungen in Angelegenheiten treffen könnte, die ansonsten tarifvertraglich gestaltet werden. 191 § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG wird als eine Vorschrift gedeutet, die den Tarifvertragsparteien ein generelles Normsetzungsvorrecht in dem von ihnen ausgefüllten Bereich gegenüber den Betriebspar. teien gewährt. 192 Auf der Grundlage dieser Rechtsmeinung steht die Tatsache, daß die Mitgliedsarbeitgeber "Ohne Tarifbindung" an den zukünftigen Tarifvertrag gemäß § 4 Abs. 1, § 3 Abs. 1 TVG nicht gebunden sein werden, der Geltung der Tarifsperre nicht entgegen. Eine andere Beurteilung ergibt sich aber im Hinblick auf die fehlende Tarifzuständigkeit des Verbands. § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG dient dem Schutz der von den Tarifverbänden ausgeübten Tarifautonomie. 193 Folglich kann die Tarifsperre nur in den Bereichen zum Tragen kommen, in denen die Koalitionen ihre Gestaltungsaufgabe durch den Abschluß von Tarifverträgen wahrnehmen. Den Schutz des § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG können die Tarifvertragsparteien hingegen nicht in Gebieten beanspruchen, aus denen sie sich kraft eigener Entscheidung durch die Begrenzung ihrer Tarifzuständigkeit zurückgezogen haben. Außerhalb des Betätigungsbereichs der Tarifverbände ist es daher nicht geboten, das Zustandekommen von Betriebsvereinbarungen zu untersagen.
Diese Sicht entspricht der Rechtsprechung 194 und der Lehre 19S , die davon ausgehen, daß sich die Sperre tarifüblicher Regelungen auf den Geltungsbereich der 189 AP Nr. 8 zu § 77 BetrVG 1972 - Tarifvorbehalt, BI. 2 f.; Nr. 10 zu § 77 BetrVG 1972 - Tarifvorbehalt, BI. 4 verso. 190 Oietz/Richardi, § 77 Rdnr. 198; Fitting I Kaiser I Heither/Engels, § 77 Rdnr. 68; Hess, in: ders. I Schlochauer/GlaubiiZ, § 77 Rdnr. 141; von Hoyningen-Huene/Meier-Krenz, NZA 1987, S. 793, 795; Kempen/Zachert, Grundlagen Rdnr. 254; Krauss, OB 1995, S. 1562, 1563; W. Moll, Tarifvorrang, S. 42; Walterrnann, RdA 1996, S. 129, 131; a.A. Barwasser, OB 1975, S. 2275; Ehmann I Lambrich, NZA 1996, S. 346, 356; Kreutz, in: Gemeinschaftskommentar BetrVG, § 77 Rdnrn. 83, 100. 191 Fitting/Kaiser/Heither/Engels, § 77 Rdnr. 68; Krauss, OB 1996, S. 528, 529; W. Moll, Tarifvorrang, S. 42. 192 Von Hoyningen-Huene/Meier-Krenz, NZA 1987, S. 793, 794; Kempen/Zachert, Grundlagen Rdnr. 254; Zöllner I Loritz, § 46 11. 6. b), S. 485. 193 BAG, AP Nr. 8 zu § 77 BetrVG 1972 - Tarifvorbehalt, BI. 2. 194 BAG, OB 1983, S. 996; AP Nr. 11 zu § 50 BetrVG 1972, BI. 4.
10 Moll
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§ 4 Beendigung des Tarifvertrags und Nachwirkung der Tarifnorrnen
Tarifverträge beschränkt. Da aber die tarifschließenden Parteien dem Tarifvertrag nur einen Geltungsbereich geben können, der sich in den Grenzen ihrer Tarifzuständigkeit hält,l96 kann die Tarifsperre des § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG außerhalb der Tarifzuständigkeit der Verbände keine Anwendung finden. Allenfalls wäre daran zu denken, daß die Gewerkschaft - deren Tarifzuständigkeit fortbesteht - in Zukunft Firmentarifverträge mit den Arbeitgebern "Ohne Tarifbindung" über die bislang im Verbandstarifvertrag geregelten Fragen schließen wird. Durch diese Aussicht auf die zu erwartenden Firmentarifverträge bliebe die Tarifüblichkeit im Sinne des § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG erhalten. Allerdings darf nicht außer acht gelassen werden, daß es zunächst unklar ist, in welchem Umfang die Gewerkschaft ihre firmenbezogene Normsetzungsbefugnis ausüben kann. Dies hängt von den jeweiligen betrieblichen Gegebenheiten ab, vor allem vom gewerkschaftlichen Organisationsgrad der Belegschaft, der für die Streik- und Durchsetzungsfähigkeit der Gewerkschaft maßgeblich ist. Es ist deswegen nicht vorhersehbar, gegenüber welchen Arbeitgebern sich die Gewerkschaft mit welchen Forderungen durchsetzen kann. Solange aber offen ist, ob und mit welchen Arbeitgebern die Gewerkschaft Firmentarifverträge zustande bringen wird, kann von Tarifüblichkeit nicht gesprochen werden. Der Abschluß von Betriebsvereinbarungen scheitert somit nicht an der Sperre der Tarifüblichkeit. Es ist daher festzuhalten, daß in den Betrieben der verbandsangehörigen Arbeitgeber "Ohne Tarifbindung" Betriebsvereinbarungen zur Ablösung der nachwirkenden Tarifnormen zulässig sind. § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG steht dem nicht entgegen. b) Kompetenzbereich der Betriebsparteien
Der Abschluß von Betriebsvereinbarungen über die Lohnhöhe und die Dauer der Arbeitszeit setzt aber des weiteren voraus, daß diese Regelungsgegenstände dem Kompetenzbereich der Betriebsparteien zuzurechnen und mithin den Mitbestimmungsrechten des Betriebsrats unterworfen sind. In Frage kommt die Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten gemäß §§ 87 f. BetrVG, wobei zwischen den Gebieten der erzwingbaren und der freiwilligen Mitbestimmung zu unterscheiden ist. Im Rahmen der freiwilligen Mitbestimmung kann der Arbeitgeber eine betriebliche Regelung nur mit Zustimmung des Betriebsrats herbeiführen. Demgegenüber kann er im Geltungsbereich der obligatorischen Mitbestimmung gemäß § 87 Abs. 2 BetrVG die Einigungsstelle anrufen, deren Spruch die erforderliche Übereinkunft ersetzt; er ist auf das Einverständnis des Betriebsrats nicht angewiesen. 19~ Berg, in: Däubler/Kittner/Klebe, § 77 Rdnr. 71; Dietz/Richardi, § 77 Rdnr. 202 ff.; Fitting/Kaiser/Heither/Engels, § 77 Rdnr. 85; Hess, in: ders.ISchlochauer/Glaubitz, § 77 Rdnr. 146; Kreutz, in: Gemeinschaftskommentar BetrVG, § 77 Rdnr. 100. 196 § 1 11. 2. a), S. 38.
IV. Ablösung der fortgehenden Tarifnormen
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aa) Erzwingbare Mitbestimmung
Im Hinblick auf die Festlegung der Vergütungshöhe können die Mitbestimmungstatbestände des § 87 Abs. I Nm. 10 und 11 BetrVG einschlägig sein; in bezug auf die Länge der Arbeitszeit kommt die Geltung des § 87 Abs. 1 Nm. 2 und 3 BetrVG in Betracht. Der Katalog der Mitbestimmungsrechte des § 87 Abs. 1 BetrVG ist gemäß dem Einleitungssatz dieser Vorschrift eröffnet, soweit eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht besteht. Die Frage, wann eine gesetzliche Regelung die Mitbestimmung ausschließt, kann unberücksichtigt bleiben, da im Rahmen dieser Untersuchung nur die Möglichkeiten der Arbeitgeber thematisiert werden, sich von der tarifvertraglichen Ordnung zu lösen. Zu prüfen ist mithin einzig, wann eine tarifliche Regelung im Sinne des § 87 Abs. 1 Einleitungssatz BetrVG besteht und die betriebliche Mitbestimmung verdrängt. Die Mitbestimmung durch den Betriebsrat soll nur dann zurückstehen, wenn die kollektive Wahrnehmung der Arbeitnehmerinteressen durch den Tarifvertrag gewährleistet iSt. 197 Dies setzt voraus, daß der Tarifvertrag innerhalb des Betriebs mit zwingender Wirkung zur Anwendung kommt, was nur während seiner Laufzeit und bei Tarifgebundenheit des Arbeitgebers der Fall ist. 198 Folglich greift der Ausschlußtatbestand des § 87 Abs. 1 Einleitungssatz BetrVG nicht mehr, sobald die durch § 3 Abs. 3 TVG vennittelte Tarifgebundenheit mit Ablauf des Tarifvertrags beendet wird und die Nachwirkungszeit der Tarifnonnen analog § 4 Abs. 5 TVG beginnt. Ab diesem Zeitpunkt können die Betriebsparteien über die in § 87 Abs. 1 BetrVG zusammengestellten Regelungsgegenstände Betriebsvereinbarungen abschließen. (1) Vergütungshöhe Nach § 87 Abs. I Nr. 10 BetrVG umfaßt die Mitbestimmung die Fragen der betrieblichen Lohngestaltung, insbesondere die Aufstellung von Entlohnungsgrundsätzen und die Einführung und Anwendung von neuen Entlohnungsmethoden sowie deren Änderung. Gegenüber § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG enthält § 87 Abs. 1 Nr. 11 BetrVG eine ergänzende Regelung für Leistungsvergütungen. l99 Die Vorschrift verleiht dem Betriebsrat ein Mitspracherecht bei der Festsetzung der AkBAG, AP Nr. 21 zu § 77 BetrVG 1972, BI. 5; Kraft, in: FS K. Molitor, S. 207, 208. BAG, AP Nr. 21 zu § 77 BetrVG 1972, BI. 7 f.; Nr. 6 zu § 87 BetrVG 1972 - Auszahlung, BI. 3; Glaubitz, in: Hess/Schlochauer/Glaubitz, § 87 Rdnrn. 53, 55; Kraft, in: FS K. Molitor, S. 207.208 f. 199 Dietz I Richardi, § 87 Rdnr. 494; Fitting I Kaiser I Heither/Engels, § 87 Rdnr. 337; Klebe, in: Däubler I Kittner I Klebe. § 87 Rdnr. 255; W. Moll, Entgelt, S. 28; Richardi, 'liA 1976, S. I, 19. 197
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§ 4 Beendigung des Tarifvertrags und Nachwirkung der Tarifnormen
kord- und Prämiensätze und vergleichbarer leistungsbezogener Entgelte, einschließlich der Geldfaktoren. Es wird kontrovers diskutiert, inwieweit diese Mitbestimmungstatbestände dem Betriebsrat die Zuständigkeit geben, über die Höhe der Vergütung mitzuentscheiden. Das Bundesarbeitsgericht differenziert. Bei den Leistungslöhnen sieht es den Betriebsrat durch die Aufnahme des Geldfaktors in die Mitbestimmung als berechtigt an, an der Regelung der Entgelthöhe teilzunehmen. 2OO Demgegenüber begrenzt es die Mitbestimmung bei § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG auf das Verfahren der Lohnfindung und verneint das Mitentscheidungsrecht hinsichtlich der Lohnhöhe. 201 Innerhalb des Schrifttums ist das Meinungsbild geteilt. Einige Stimmen 202 folgen dem Bundesarbeitsgericht, andere 203 halten den Betriebsrat sowohl im Rahmen des § 87 Abs. 1 Nr. 11 BetrVG als auch bei § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG für befugt, bei der Festlegung der Vergütungshöhe mitzubestimmen. Eine dritte Gruppe von Autoren 204 versagt dem Betriebsrat hingegen bei bei den Mitbestimmungstatbeständen die Berechtigung zur Teilnahme an der Regelung der Lohnhöhe. (a) § 87 Abs. 1 Nr. 11 BetrVG
Mit der Einbeziehung des Geldfaktors bei der Bestimmung der Akkord- und Prämiensätze sowie vergleichbarer leistungsbezogener Entgelte in die betriebliche Mitbestimmung wird dem Betriebsrat das Recht zur Teilnahme an der Ordnung der geldwerten Seite der Leistungsvergütung eingeräumt. 2os Umstritten ist aber, ob dem Betriebsrat hierdurch die Möglichkeit gegeben wird, über die Höhe der Entlohnung mitzuentscheiden und auf diese Weise Lohnpolitik zu betreiben, wie es vom Bundesarbeitsgericht206 angenommen wird. Zur Klärung dieser Frage ist der Inhalt des auf den Geldfaktor bezogenen Mitbestimmungsrechts zu untersuchen. 200 BAG, AP Nr. 3 zu § 87 BetrVG 1972 - Prämie, BI. 4 verso; Nr. 8 zu § 87 BetrVG 1972 - Prämie, BI. 3; Nr. 8 zu § 87 BetrVG 1972 - Akkord, BI. 2 verso. 201 BAG, AP Nr. I zu § 87 BetrVG 1972 - Provision, BI. 3 verso; Nr. 3 zu § 87 BetrVG 1972 - Lohngestaitung, BI. 6; Nr. 10 zu § 77 BetrVG 1972 - Tarifvorbehait, BI. 4 verso. 202 Fitting I Kaiser I Heither I Engels, § 87 Rdnm. 305, 352, 360; Matthes, in: Münchener Handbuch Arbeitsrecht, § 333 Rdnm. 4, 75 f.; Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch, § 235 11. 10. a), S. 1929, und § 235 11. 14. c), S. 1934; Wiese, in: Gemeinschaftskommentar BetrVG, § 87 Rdnrn. 700, 860, 870; zuvor bereits Hanau, RdA 1973, S. 281, 282; Starck, S. 54 ff., 63 ff. 203 Gerster IIsenhardt, RdA 1974, S. 80, 84; Klebe, in: Däubler I Kittner I Klebe, § 87 Rdnrn. 254, 284; Klinkhammer, AuR 1977, S. 363, 365 f.; W. Moll, Entgelt, S. 50, 52, 188; Strieder, BB 1980, S. 420, 423. 204 Dietz/Richardi, § 87 Rdnm. 493, 591, 599; Galperin I Löwisch, § 87 Rdnrn. 32, 218a, 242,247; Glaubitz, in: Hess/Schlochauer/Glaubitz, § 87 Rdnm. 474, 532 f.; Joost, ZfA 1993, S. 257, 270 ff., 278; Lieb, Arbeitsrecht, Rdnrn. 815, 817; Löwisch, ZHR 139 (1975), S. 362, 373, 378; Richardi, ZfA 1976, S. I, 18 f.; Zöllner/Loritz, § 47 11.10. a), S. 504, und 11., S. 505. 20S BAG, AP Nr. 3 zu § 87 BetrVG 1972 - Prämie, BI. 3. 206 AP Nr. I zu § 87 BetrVG 1972 - Provision, BI. 4.
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(aa) Akkordlohn Beim Akkordlohn gibt der Geldfaktor den für den Arbeitnehmer je Leistungseinheit zu verdienenden Geldbetrag an. 207 Dieser Geldbetrag wird beim Geldakkord einer bestimmten Arbeitsmenge zugeordnet. Beim Zeitakkord ist der Geldfaktor regelmäßig auf die Minute bezogen und beträgt ein Sechzigstel des Akkordrichtsatzes. Der Akkordrichtsatz ist der für die Normalleistung vorgesehene Stundenlohn 208 und ist folglich für die Lohnhöhe maßgeblich. Die Streitfrage über das Beteiligungsrecht des Betriebsrats besteht nun darin, ob es sich auf die Festsetzung des Akkordrichtsatzes erstreckt. Dies wird von einem Teil der Rechtslehre 209 verneint. Diese Autoren wollen die Festsetzung der Entgelthöhe als eine lohnpolitische Entscheidung aus der erzwingbaren Mitbestimmung heraushalten und sie der Regelung durch den Tarifvertrag und den Einzelarbeitsvertrag vorbehalten. Allenfalls sollen freiwillige Betriebsvereinbarungen gemäß § 88 BetrVG in Betracht kommen. Zur Begründung wird vor allem angeführt, daß bei fehlender Übereinkunft der Betriebsparteien die Einigungsstelle nach Maßgabe der § 87 Abs. 2, § 76 Abs. 5 Satz 3 BetrVG die Vergütungshöhe verbindlich festzulegen hätte. Die Vertreter dieser Meinungsrichtung halten das Verfahren vor der Einigungsstelle jedoch für ungeeignet, eine sach- und interessengerechte Entscheidung über die Lohnhöhe herbeizuführen. Die Einigungsstelle müßte den Produktionszuwachs, die Gewinnsituation und die Marktposition des Unternehmens innerhalb der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung berücksichtigen. Diese Aufgabe könne sie aber nicht erfüllen, da sie derartige auf das Unternehmen bezogene Daten nur bei der Aufstellung des Sozialplans gemäß § 112 Abs. 5 BetrVG zu beachten habe, nicht hingegen bei den in § 87 Abs. 1 BetrVG normierten Mitbestimmungstatbeständen. Hier habe sie gemäß § 76 Abs. 5 Satz 3 BetrVG die Belange des Betriebs zu bewerten, nicht aber die wirtschaftlichen Interessen des Unternehmens. 210 Von der Einigungsstelle dürfe jedoch nichts verlangt werden, was sie im Rahmen des § 76 Abs. 5 Satz 3 BetrVG nicht leisten könne. Daher müsse die Bestimmung der Lohnhöhe aus dem Katalog des § 87 Abs. 1 BetrVG herausgehalten werden.
Wiese, in: Gemeinschaftskornrnentar BetrVG, § 87 Rdnr. 850. Wiese, in: Gemeinschaftskornrnentar BetrVG, § 87 Rdnr. 851. 209 Joost, ZfA 1993, S. 257, 271; Lieb, Arbeitsrecht, Rdnm. 815, 817; ders., ZfA 1978, S. 179,202; Reuter, JuS 1982, S. 148; Richardi, ZfA 1976, S. 1,29; Zöllner I Loritz, § 47. 11. 11., S. 505. 210 Oietz/Richardi, § 87 Rdnr. 30; Eich, OB 1980, S. 1340, 1343; Lieb, ZfA 1988, S. 413, 436; Reuter, AT-Angestellte, S. 13 ff.; ders., ZfA 1981, S. 165, 181 ff.; ders., JuS 1982, S. 148. Im Ergebnis ebenso Löwisch, ZHR 139 (1975), S. 362, 372, 379, der die Einigungsstelle als überfordert ansieht, da § 76 Abs. 5 Satz 3 BetrVG ihr im Unterschied zu § 112 Abs. 5 BetrVG keine Beurteilungsmaßstäbe vorgebe. 207
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Nach Ansicht dieser Autoren 211 soll die Beteiligung des Betriebsrats bei der Festsetzung des Geldfaktors lediglich dem Schutz der Arbeitnehmer vor der einseitigen Bewertung dieser Bestimmungsgröße durch den Arbeitgeber dienen. Ohne das durch § 87 Abs. 1 Nr. 11 BetrVG verliehene Mitbestimmungsrecht könnte der Arbeitgeber den Geldfaktor allein festsetzen. Der Geldfaktor beträgt beim Zeitakkord zwar vorwiegend ein Sechzigstel des Akkordrichtsatzes und ist beim Geldakkord so bemessen, daß der Arbeitnehmer bei durchschnittlicher Arbeitsleistung den Akkordrichtsatz erhält, doch ist dies nicht zwingend. Der Arbeitgeber kann den Geldfaktor abweichend und niedriger ansetzen. 212 Auf diese Weise hätte er es in der Hand, die Akkordvergütung einseitig zu ordnen, wodurch die Effektivität der Mitbestimmung bei den anderen Bestimmungsgrößen der Akkordsätze beeinträchtigt würde.2 13 Gegen diese restriktive Auslegung des Mitbestimmungstatbestands werden jedoch Einwände vorgebracht, die sich auf seine Entstehungsgeschichte beziehen. 214 Ausweislich der Regierungsbegründung zum Gesetzentwurf 15 sollte mit der Einführung des § 87 Abs. 1 Nr. 11 BetrVG die unter der Geltung des Betriebsverfassungsgesetzes von 1952 in Rechtsprechung und Literatur umstrittene Frage entschieden werden, ob sich das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats auf die Festlegung aller Bezugsgrößen erstreckt, die für die Ermittlung und Berechnung der leistungsbezogenen Entgelte von Bedeutung sind. Der damalige Meinungsstreit bezog sich auf die Frage, ob § 56 Abs. 1 Iit. g BetrVG 1952 den Geldfaktor und damit die geldbezogene Seite der Leistungslöhne erfasse. Von der herrschenden Auffassung 216 wurde dies verneint, um die Regelung lohnpolitischer Angelegenheiten aus den Betrieben herauszuhalten und sie nicht dem verbindlichen Spruch der Einigungsstelle zu unterwerfen. Mit der Aufnahme des Geldfaktors in § 87 Abs. 1 Nr. 11 BetrVG wollte der Gesetzgeber diese Auslegung korrigieren, die sich zur Vorgängernorm herausgebildet und verfestigt hatte. 211 Galperin/Löwiseh, § 87 Rdnr. 241; Lieb, Arbeitsrecht, Rdnrn. 818 f.; Löwisch, ZHR 139 (1975), S. 362, 378; Reuter, JuS 1982, S. 148; Richardi, ZfA 1976, S. 1,26; Zöllner I Loritz, § 47 11. 11., S. 506. 212 Berger, AuR 1959, S. 37, 38; Lieb, Arbeitsrecht, Rdnr. 819; Reuter, AT-Angestellte, S.12. 213 Berger, AuR 1959, S. 37, 38; Hersehei, AuR 1967, S. 65, 70; Reuter, AT-Angestellte, S.12. 214 W. Moll, Entgelt, S. 49 f.; Starck, S. 55. m BT-Drucks. VII 1786, S. 49. Durch den 10. Ausschuß des Bundestags für Arbeit und Sozialordnung ist der Gesetzestext des § 87 Abs. I Nr. II BetrVG abweichend vom Regierungsentwurf neu formuliert worden und hat die vom Gesetzgeber beschlossene Fassung erhalten (BT-Drucks. V1/2729, S. 39). Doch war hiermit keine inhaltliche Änderung, sondern nur eine Präzisierung bezweckt (zu BT-Drucks. VI I 2729, S. 4). 216 BAG, AP Nr. 3 zu § 56 BetrVG - Akkord, BI. 4 verso f.; Nr. 3 zu § 56 BetrVG - Entlohnung, BI. 3; Galperin/Siebert, § 56 Rdnr. 82; A. Hueck/Nipperdey/Säcker, H./2., § 70 B. 1., S. 1359, und § 70 B. H. 7. b), S. 1382; Nikiseh, III., § 113 IX. 2., S. 423 C.; Richardi, Kollektivgewalt, S. 272.
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Aus dieser Entscheidung des Gesetzgebers wird nun der Schluß gezogen, er habe dem Betriebsrat bei den Leistungslöhnen ein Mitspracherecht in lohnpolitischen Fragen und mithin bei der Festsetzung des Akkordrichtsatzes eingeräumt. Diese Folgerung ist jedoch nicht gerechtfertigt. Der Gesetzgeber wollte die skizzierte Streitfrage im Sinne derjenigen 217 entscheiden, die zur Zeit der Geltung des Betriebsverfassungsgesetzes von 1952 die Mitbestimmung des Betriebsrats bei der Festlegung des Geldfaktors befürworteten. Diese Autoren hatten sich jedoch nicht für die Einbeziehung der Lohnhöhe in die Beteiligungsrechte des Betriebsrats ausgesprochen. Ihr Anliegen beschränkte sich darauf, die Richtigkeit der Akkordentlohnung sicherzustellen und die einseitige Festsetzung durch den Arbeitgeber zu verhindern. Die Mitsprache des Betriebsrats bei der Festlegung der Lohnsumme stand hingegen nicht zur Diskussion. Dementsprechend wird der Gesetzgeber mit der angestrebten Neuregelung lediglich die Beteiligung des Betriebsrats an den Modalitäten der Berechnung des Geldfaktors vor Augen gehabt haben, nicht aber die Festlegung der Entgelthöhe. (bb) Prämienlohn Wie bei der Akkordentlohnung ist auch bei der Regelung der Prämiensätze der Umfang des betriebsverfassungsrechtlichen Mitspracherechts beim Geldfaktor strittig. Die Prämie ist eine Vergütungsform, bei der die Leistung des Arbeitnehmers ermittelt und mit einer Bezugsleistung verglichen wird, wobei sich die Höhe der Vergütung nach dem Verhältnis der jeweiligen Leistung des Arbeitnehmers zur Bezugsleistung bemißt. 218 Bei der Prämienentlohnung hat der Geldfaktor nach Ansicht des Bundesarbeitsgerichts 219 eine z~eifache Bedeutung. Das Gericht unterscheidet zwischen dem Geldfaktor im weiteren und im engeren Sinne. Der Geldfaktor im weiteren Sinne bestimmt, vergleichbar dem Akkordrichtsatz, die Lohnhöhe rür die Bezugsleistung. In seiner engeren Bedeutung legt der Geldfaktor das Verhältnis des Entgelts für die Leistung eines bestimmten Leistungsgrads zum bereits feststehenden Entgelt für die Ausgangsleistung fest, wobei die Aneinanderreihung der Geldfaktoren den Verlauf der Prämienkurve definiert. Das Bundesarbeitsgericht220 stuft die Festlegung des Geldfaktors in dessen engerer Funktion als eine Bestimmung der Entlohnungsgrundsätze und -methoden 217 Berger, AuR 1959, S. 37, 38 ff.; Fitting I Kraegeloh I Auffahrt, § 56 Rdnr. 43; Hersehel, AuR 1967, S. 65 f., 70. 218 BAG, AP Nr. 3 zu § 87 BetrVG 1972 - Prämie, BI. 2. 219 AP Nr. 2 zu § 87 BetrVG 1972 - Prämie, BI. 2 verso f.; Nr. 3 zu § 87 BetrVG 1972Prämie, BI. 2 f.; Nr. 8 zu § 87 BetrVG 1972 - Prämie, BI. 3. 220 AP Nr. 3 zu § 87 BetrVG 1972 - Prämie, BI. 3 verso f.; Nr. 8 zu § 87 BetrVG 1972Prämie, BI. 2 verso f.
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ein und unterwirft sie der Mitbestimmung nach § 87 Abs. I Nr. 10 BetrVG. Dies ennöglicht ihm die Schlußfolgerung, daß mit dem Geldfaktor im Sinne des § 87 Abs. I Nr. 11 BetrVG nur der Geldfaktor im weiteren Sinne gemeint sein kann und die Mitbestimmung demzufolge die Entscheidung über die Lohnhöhe der Ausgangsleistung um faßt. Dieses Ergebnis begründet das Bundesarbeitsgericht221 darüber hinaus mit dem von ihm angenommenen Schutzzweck des betrieblichen Mitspracherechts. Die Beteiligung des Betriebsrats bei der Bestimmung des Geldfaktors soll den Arbeitnehmer vor gesundheitsschädigender Überforderung bewahren, die das Gericht bei übennäßigen Anreizen zu weiterer Leistung befürchtet. Die systematische und teleologische Argumentation des Bundesarbeitsgerichts ist jedoch nicht stichhaltig. Zum einen ist nicht ersichtlich, weswegen der Geldfaktor in seiner engeren Bedeutung bereits dem § 87 Abs. I Nr. 10 BetrVG zugeordnet werden soll, obwohl das Gesetz den Geldfaktor erst in § 87 Abs. I Nr. l1 BetrVG einführt. Die eigenständige gesetzliche Regelung der Mitbestimmung bei der Festsetzung des Geldfaktors in § 87 Abs. I Nr. 11 BetrVG spricht eher dafür, die hierauf bezogenen Mitentscheidungsbefugnisse des Betriebsrats ausschließlich dieser Vorschrift zuzuweisen 222 und den Mitbestimmungsgegenstand des § 87 Abs. I Nr. 10 BetrVG auf die vorgelagerte Frage zu reduzieren, ob ein leistungsbezogenes Entgeltsystem eingerichtet wird. Zum anderen kann der vordringliche Regelungszweck des § 87 Abs. I Nr. 11 BetrVG nicht im Schutz des Arbeitnehmers vor gesundheitsschädigender Überforderung gesehen werden. Da das Gesetz den Gesundheitsschutz in den Mitbestimmungstatbeständen der § 87 Abs. 1 Nr. 7, § 88 Nr. I und § 89 Abs. I BetrVG im Unterschied zu § 87 Abs. I Nr. 11 BetrVG ausdrücklich nennt, wird es mit dieser Vorschrift ein anderes Ziel verfolgen. 223 Dieses Ziel besteht wie beim Akkordlohn in der Beteiligung des Betriebsrats am Verfahren der Lohnfindung zur Gewährleistung der richtigen Umsetzung des im Betrieb eingeführten Leistungslohnsystems. 224 Wenn man von der Unterscheidung des Bundesarbeitsgerichts zwischen dem Geldfaktor im engeren und im weiteren Sinne ausgeht, so bezieht sich das Mitbestimmungsrecht auf ersteren. Mitbestimmungspflichtig ist mithin die Ordnung der Prämienstufen und deren Verhältnis zur Bezugsleistung, nicht hingegen die Feststellung des Entgelts für die AP Nr. 3 zu § 87 BetrVG 1972 - Prämie, BI. 4 f. Glaubitz, in: Hess/Schlochauer/Glaubitz, § 87 Rdnr. 533; Lieb, ZfA 1988, S. 413, 421 ff., 430, 447. 223 Glaubitz, in: Hess/Schlochauer/Glaubitz, § 87 Rdnr. 533; 100st, ZfA 1993, S. 257, 273. 224 Dietz/Richardi, § 87 Rdnrn. 591,598; Galperin/Löwisch, § 87 Rdnrn. 241 f.; Glaubitz, in: Hess/ Schlochauer / Glaubitz, § 87 Rdnr. 532. 221
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Ausgangsleistung. Die Gestaltung der Prämienstufen wirkt sich zwar auf die zu zahlende Lohn- und Gehaltssumme aus,225 doch bleibt die Entlohnung der Ausgangsleistung mitbestimmungsfrei. (cc) Ergebnis Der Mitbestimmungstatbestand bei den leistungsbezogenen Entgelten nach § 87 Abs. 1 Nr. 11 BetrVG erstreckt sich nicht auf die Regelung der Entlohnungshöhe. (b) § 87 Abs. J Nr. 10 BetrVG § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG ist gegenüber § 87 Abs. 1 Nr. 11 BetrVG die Grundnorm. Sie verleiht dem Betriebsrat ein Mitentscheidungsrecht bei der betrieblichen Lohngestaltung und nennt als exemplarische Mitbestimmungsgegenstände Entlohnungsgrundsätze und -methoden. Mit den Entlohnungsgrundsätzen sind die Entscheidungen über das anzuwendende Entlohnungssystem und damit über die Einführung von Zeit- oder Leistungslohn gemeint. 226 Unter den Entlohnungsmethoden wird die Art und Weise der Ausführung der Entlohnungsgrundsätze verstanden,227 wobei § 87 Abs. 1 Nr. 11 BetrVG eine ergänzende Regelung für Leistungslöhne beinhaltet. 228
Aus diesen auf das Verfahren bezogenen Mitbestimmungsgegenständen leiten das Bundesarbeitsgericht229 und Teile der Literatur230 die Folgerung ab, daß sich die Mitbestimmung bei der Lohngestaltung nur auf die Anknüpfungspunkte zur Berechnung der Entgelte erstreckt, nicht aber auf die Festlegung der Vergütungshöhe. Die Vertreter der Gegenmeinung 231 halten dieser Interpretation jedoch entgegen, daß die Entlohnungsgrundsätze und -methoden vom Gesetz nur als Beispiele verwendet werden. Dem übergeordneten Begriff der betrieblichen Lohngestaltung müsse demzufolge eine weiter gehende Bedeutung zukommen. Da aber alle Verfahrensfragen durch die Begriffe der Entlohnungsgrundsätze und -methoden tatbestandlich erfaßt würden, könne der darüber hinausgehende Sinngehalt der betrieblichen Lohngestaltung nur auf die Mitbestimmung bei der Entscheidung über die Vergütungshöhe bezogen sein. BAG, AP Nr. 3 zu § 87 BetrVG 1972 - Prämie, BI. 2 verso. BAG, AP Nr. 1 zu § 87 BetrVG 1972 - Provision, BI. 3 verso. 227 BAG, AP Nr. 3 zu § 87 BetrVG 1972 - Lohngestaltung, BI. 6. 228 § 4 IV. 2. b) aa) (1), S. 147. 229 AP Nr. 3 zu § 87 BetrVG 1972 - Lohngestaltung, BI. 6; Nr. 15 zu § 87 BetrVG 1972Lohngestaltung, BI. 4 verso. 230 Dietz/Richardi, § 87 Rdnr. 497; Glaubitz, in: Hess/Schlochauer/Glaubitz, § 87 Rdnr. 474; Hanau, RdA 1973, S. 281, 282; Wiese, in: Gemeinschaftskommentar BetrVG, § 87 Rdnr.701. 231 Gerster I Isenhardt, RdA 1974, S. 80, 82; Klebe, in: Däubler I Kittner I Klebe, § 87 Rdnr. 254; Klinkhammer, AuR 1977, S. 363, 364; W. Moll, Entgelt, S. 184. 225
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Gegen die Mitentscheidungsbefugnis des Betriebsrats bei der Festlegung der Vergütungshöhe sprechen aber die Erkenntnisse, die bei der Untersuchung des auf den Geldfaktor bezogenen Mitbestimmungsrechts nach § 87 Abs. 1 Nr. 11 BetrVG gewonnen wurden. Beim Geldfaktor beschränkt sich die Mitbestimmung auf dessen Berechnung, um seine richtige Festsetzung sicherzustellen. Wenn sich bereits dort die Mitsprachebefugnis des Betriebsrats nur auf das Verfahren der Lohnfindung bezieht, obwohl mit dem Geldfaktor die geldwerte Seite der Leistungsentgelte in die Mitbestimmung einbezogen wird, dann wird sich bei der Grundnorm kein weiter gehendes Mitspracherecht begründen lassen. Dieser engen Auslegung des § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG wird allerdings entgegengehalten, sie widerspreche dem Anliegen des Gesetzgebers. 232 Das Mitbestimmungsrecht habe über die vor der Neufassung des Betriebsverfassungsgesetzes bestehende Rechtslage hinaus auf alle Fragen der betrieblichen Lohngestaltung erstreckt werden sollen?33 Nach damaligem Recht habe aber die Mitbestimmung gemäß § 56 Abs. 1 lit. h BetrVG 1952 bereits vollständig die verfahrensrechtliche Seite der Art und Weise der Lohnfindung erfaßt. Die Intention des Gesetzgebers bei der Neufassung des Betriebsverfassungsgesetzes könne daher nur so verstanden werden, daß auch die Bemessung der Entgelthöhe mitbestimmungspflichtig sein sollte. Diese Folgerung aus der Entstehungsgeschichte des Gesetzes ist indes nicht zwingend. Unter der Geltung des Betriebsverfassungsgesetzes von 1952 wurde das Mitspracherecht des Betriebsrats bei der Lohnhöhe allgemein abgelehnt. 234 Hätte der Gesetzgeber diese Auslegung ablösen wollen, wäre eine deutlichere Stellungnahme durch ihn zu erwarten gewesen. Wenn er die Abkehr von der zuvor überwiegend vertretenen Auslegung gewollt hätte, wäre es naheliegend gewesen, sie bei der Neufassung des Gesetzes klar zum Ausdruck zu bringen. (c) Ergebnis
Die Mitbestimmungsrechte des § 87 Abs. 1 Nm. 10 und 11 BetrVG berechtigen den Betriebsrat nicht, bei der Festsetzung der Lohnhöhe mitzuentscheiden. Den Betriebsparteien ist es daher verwehrt, gestützt auf die Tatbestände der erzwingbaren Mitbestimmung eine selbständige Lohnpolitik zu betreiben.
232 Klebe, in: Däubler 1Kittner 1Klebe, § 87 Rdnr. 255; Klinkhammer, AuR 1977, S. 363, 365; W. Moll, Entgelt, S. 183 f. 233 BT-Drucks. VII 1786, S. 49. 234 BAG, AP Nr. 3 zu § 56 BetrVG - Akkord, BI. 4 verso ff.; Nr. 3 zu § 56 BetrVG Entlohnung, BI. 3; Galperin/Siebert, vor § 56 Rdnr. 18, § 56 Rdnr. 95; A. Hueck/Nipperdey/Säcker, 11.12., § 70 B. 1., S. 1355 ff., und § 70 B. 11. 8., S. 1387; Nikisch, III., § 11211. 1., S. 375, und § 113 X. 1., S. 435; Pawelke, BB 1959, S. 1315, 1317.
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(2) Länge der Arbeitszeit
In Fragen der betrieblichen Arbeitszeit hat der Betriebsrat nach Maßgabe des § 87 Abs. 1 Nm. 2 und 3 BetrVG mitzubestimmen. Das Mitspracherecht umfaßt gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG die Regelung des Beginns und des Endes der täglichen Arbeitszeit einschließlich der Pausen sowie die Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage. Die Mitentscheidungsbefugnisse nach § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG betreffen die vorübergehende Verkürzung oder Verlängerung der betriebsüblichen Arbeitszeit.
Umstritten ist, inwieweit sich aus diesen Tatbeständen die Zuständigkeit des Betriebsrats ableiten läßt, an der Entscheidung über die Dauer der Arbeitszeit gleichberechtigt teilzunehmen. Eine dahingehende Mitsprachebefugnis enthält expressis verbis § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG. Dieses Beteiligungsrecht erstreckt sich allerdings nur auf die vorübergehende und damit zeitlich begrenzte, nicht hingegen auf die dauerhafte Veränderung der Arbeitszeit. 235 Die Mitbestimmung bezieht sich nur auf die Einführung von Kurzarbeit und Überstunden. 236 Aus der begrenzten Reichweite der betrieblichen Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG ziehen das Bundesarbeitsgericht237 und die herrschende Literaturansicht 238 Rückschlüsse auf das in § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG niedergelegte Mitbestimmungsrecht. § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG zeige, daß nur die zeitlich begrenzte Verkürzung oder Verlängerung der Arbeitszeit mitbestimmungspflichtig sei. Aus § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG könne sich demzufolge kein darüber hinausgehendes Mitbestimmungsrecht hinsichtlich der Frage ergeben, wie lange die Arbeitnehmer zu arbeiten hätten, da ansonsten der Mitbestimmungstatbestand des § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG überflüssig wäre. Eine Ausnahme wird nur bei der Bemessung der täglichen Arbeitsdauer anerkannt, da durch die Mitbestimmung über die Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage die Zahl der täglichen Arbeitsstunden festgelegt wird?39 Die Wochenarbeitszeit soll demgegenüber nicht der erzwingbaren Mitbestimmung un-
BAG, AP Nr. 2 zu § 87 BetrVG 1972 - Arbeitszeit, BI. 3. Fitting I Kaiser I Heither I Engels, § 87 Rdnr. 108. 237 AP Nr. 23 zu § 77 BetrVG 1972, BI. 6 verso f.; Nr. 24 zu § 87 BetrVG 1972 - Arbeitszeit, BI. 6. 238 Oietz/Richardi, § 87 Rdnr. 208; Fitting I Kaiser I Heitherl Engels, § 87 Rdnr. 90; Galperin/Löwisch, § 87 Rdnr. 85; Glaubitz, in: HesslSchlochauer/Glaubitz, § 87 Rdnr. 155; Richardi, NZA 1994, S. 593,594; Schwerdtner, OB 1983, S. 2763, 2771; Starck, S. 82; Wiedemann/W. Moll, Anm. zu BAG, AP Nr. 1 zu § 87 BetrVG 1972 - Arbeitszeit, BI. 2 verso, 4; Wiese, in: Gemeinschaftskommentar BetrVG, § 87 Rdnr. 244. 239 BAG, AP Nr. 24 zu § 87 BetrVG 1972 - Arbeitszeit, BI. 6 verso; Nr. 29 zu § 87 BetrVG 1972 - Arbeitszeit, BI. 3; Oietz/Richardi, § 87 Rdnr. 210; Galperin/Lö.wisch, § 87 Rdnr. 85; Wiese, in: Gemeinschaftskommentar BetrVG, § 87 Rdnr. 257. 23S
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terliegen. 24o Da die von den Arbeitnehmern zu erbringende Arbeitsleistung aber regelmäßig in Wochenstunden festgelegt wird,241 bleiben die Beteiligungsrechte des Betriebsrats bei der Entscheidung über die Arbeitsdauer gering. Innerhalb der Rechtslehre stößt die einschränkende Auslegung der herrschenden Ansicht allerdings auf Kritik. Bestritten wird vor allem die Stichhaltigkeit des Umkehrschlusses aus § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG. 242 Nach Auffassung der Kritiker wird die Veränderung der Arbeitsdauer bereits durch § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG erfaßt. § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG hebe nur zur Klarstellung die Mitbestimmung bei der zeitlich begrenzten Verkürzung oder Verlängerung der Arbeitszeit hervor, um Streitigkeiten über die Mitspracherechte bei der Einführung von Kurzarbeit und Überstunden vorzubeugen. Gestützt wird diese Ansicht auf die Gesetzesmaterialien. In der Begründung des Regierungsentwurfs 243 heißt es, daß die in § 87 Abs. 1 Nm. 2 und 3 BetrVG vorgesehene Mitbestimmung des Betriebsrats bei der Verteilung der Arbeitszeit und bei der vorübergehenden Verkürzung oder Verlängerung der Arbeitszeit an sich inhaltlich bereits von § 56 Abs. 1 lit. a BetrVG 1952 erfaßt war, jedoch der Klarheit wegen im neugefaßten Betriebsverfassungsgesetz ausdrücklich erwähnt wird. Nach § 56 Abs. 1 lit. a BetrVG 1952 hatte der Betriebsrat über den Beginn und das Ende der täglichen Arbeitszeit mitzubestimmen. Aus dieser Vorschrift wurde vereinzelt 244 ein auf die Arbeitsdauer bezogenes Mitbestimmungsrecht abgeleitet. Demgegenüber ließen das Bundesarbeitsgericht245 und die überwiegende Zahl der Vertreter der Lehre 246 sowohl die zeitweilige als auch die dauerhafte Veränderung der Arbeitsdauer mitbestimmungsfrei. Aus dem Passus der Regierungsbegründung, daß die Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage und deren vorübergehende Verkürzung oder Verlän240 Rechtsprechung und Literatur wie in der Fußnote zuvor sowie BAG, AP Nr. 22 zu § 23 BetrVG 1972, BI. 5. 241 Dietz/Richardi, § 87 Rdnr. 208; Schwerdtner, DB 1983, S. 2763, 2771; Wiese, in: Gemeinschaftskommentar BetrVG, § 87 Rdnr. 243. 242 Fahrtmann, RdA 1974, S. 65, 67; Klebe, in: Däubler I Kittner I Klebe, § 87 Rdnr. 73; Klevemann, AiB 1984, S. 90, 91. 243 BT-Drucks. VI 11786, S. 48. 244 Baum, AuR 1962, S. 272, 274; Fitting I Kraegeloh I Auffahrt, § 56 Rdnm. 16 f.; Herschel, AuR 1964, S. 257, 258. 245 AP Nr. 14 zu § 56 BetrVG, BI. 4; Nr. 1 zu § 56 BetrVG - Arbeitszeit, BI. 2 ff. 246 Galperin/Siebert, § 56 Rdnrn. 28 f., 33; A. Hueck/Nipperdey, 11./1., § 70 B. 11. 1., S. 1361 ff.; Neumann-Duesberg, S. 474 ff. Nikisch, III., § 113 I., S. 390 ff., erstreckte das Beteiligungsrecht des Betriebsrats auch auf die Festsetzung der Länge der Arbeitszeit, jedoch nur auf die Länge der täglichen Arbeitszeit zur Verteilung der tarif- oder arbeitsvertraglieh vorgegebenen Wochenarbeitszeit. Die Wochenarbeitszeit selbst war seiner Ansicht nach der erzwingbaren Mitbestimmung entzogen. Auch die Einführung von Kurzarbeit und Überstunden hielt er für nicht mitbestimmungspflichtig.
IV. Ablösung der fortgeltenden Tarifnormen
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gerung an sich schon vor Inkrafttreten des neugefaßten Betriebsverfassungsgesetzes mitbestimmungspflichtig war, wird nun gefolgert, der Gesetzgeber habe sich den Standpunkt der damaligen Minderheitsmeinung zu eigen gemacht und § 56 Abs. 1 lit. a BetrVG 1952 auf die Länge der Arbeitszeit bezogen. 247 Da der Gesetzgeber das Mitbestimmungsrecht über den Beginn und das Ende der täglichen Arbeitszeit unverändert in § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG übernommen habe, sei davon auszugehen, daß er dem Mitspracherecht die gleiche Reichweite habe geben wollen und die Regelung der Arbeitsdauer insgesamt als mitbestimmungspflichtige Angelegenheit eingestuft habe. Beim Rekurs auf die Entstehungsgeschichte darf jedoch folgendes nicht außer acht gelassen werden: Auch innerhalb der Gruppe derjenigen, die unter der Geltung des Betriebsverfassungsgesetzes von 1952 die Regelung der Arbeitsdauer als mitbestimmungspflichtige Angelegenheit ansahen, war die Reichweite der betrieblichen Mitspracherechte umstritten. Nur ein Teil der Autoren 248 hatte sich für die Mitentscheidungsbefugnis des Betriebsrats bei der Frage ausgesprochen, wie lange die Arbeitnehmer in der Woche arbeiten müssen. Demgegenüber hatte ein anderer Teil 249 die Mitbestimmungsberechtigung lediglich auf die Länge der täglichen Arbeitszeit und die Einführung von Kurzarbeit und Überstunden bezogen. Das Meinungsbild war mithin uneinheitlich. Vor diesem Hintergrund hat sich der Gesetzgeber entschieden, mit der Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage und der vorübergehenden Veränderung der Arbeitsdauer nur einzelne Regelungsgegenstände, die die Arbeitszeit betreffen, in den Katalog des § 87 Abs. 1 BetrVG aufzunehmen. Daher ist die Schlußfolgerung naheliegend, daß er die betriebliche Mitbestimmung bewußt hierauf begrenzt hat und nicht generell auf die Länge der Arbeitszeit ausdehnen wollte. 25o Für diese Auslegung spricht zudem, daß auch die alternativen Gesetzentwürfe der SPD251 und des DGB 252 zum Betriebsverfassungsgesetz ausdrücklich nur eine Mitentscheidungsbefugnis des Betriebsrats bei der Festlegung der täglichen Arbeitsdauer vorsahen. Die von der Gegenmeinung an der Entstehungsgeschichte des Gesetzes orientierte Herleitung ist somit nicht zwingend. Allerdings berufen sich einige Kritiker253 der herrschenden Auffassung darüber hinaus auf den Schutzzweck des § 87 Abs. I Nm. 2 und 3 BetrVG, der ihrer Ansicht nach die umfassende Mitsprache des Betriebsrats bei der Bestimmung der Länge der Arbeitszeit gebietet. Die Beteiligung des Betriebsrats bei der Anordnung von Kurzarbeit oder Überstunden gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 3 soll verhindern, daß die Fahrtmann, RdA 1974, S. 65, 67; Lappe, JArbR Bd. 16 (1978), S. 55, 64. Baum, AuR 1962, S. 272, 274; Hersehel, AuR 1964, S. 257, 258. 249 Fitting I Kraegeloh I Auffahrt, § 56 Rdnrn. 16 f. 2S0 Dietz/Richardi, § 87 Rdnr. 207; Wiedemann/W. Moll, Anm. zu BAG, AP Nr. I zu § 87 BetrVG 1972 - Arbeitszeit, BI. 2 verso, 4; Wiese, in: Gemeinsehaftskommentar BetrVG, § 87 Rdnr. 243. m RdA 1969, S. 24, 35, 40. m RdA 1967, S. 462, 465; 1970, S. 237, 245. m Klebe, in: Däubler I Kittner I Klebe, § 87 Rdnr. 74; Klevemann, AiB 1984, S. 90, 91. 247 248
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Arbeitnehmer bei der Reduzierung der Arbeitszeit übermäßige Lohnausfälle erleiden und bei der Anhebung der Stundenzahl überfordert werden,z54 Dieser Schutz sei aber nicht nur bei einer zeitlich begrenzten, sondern erst recht bei der dauerhaften Veränderung der Arbeitszeit erforderlich. Der Erst-recht-Schluß erweist sich jedoch als nicht tragfähig. Die Länge der betriebsüblichen Arbeitszeit wird als Hauptleistungspflicht der Arbeitnehmer in aller Regel im Tarifvertrag festgelegt,255 wodurch deren kollektivrechtlicher Schutz sichergestellt wird. Demgegenüber ist die Einführung von Kurzarbeit oder Überstunden von der jeweiligen Lage des einzelnen Betriebs abhängig und kann nicht überbetrieblich im Tarifvertrag bestimmt werden?56 Zwar können firmen- und unternehmensbezogene Verbandstarifverträge die besonderen Anforderungen einzelner Betriebe berücksichtigen, doch steht die Laufzeit des Tarifvertrags der situationsbedingten Anpassung entgegen. Da folglich die zeitweilige Verkürzung oder Verlängerung der Arbeitszeit typischerweise tarifvertraglich nicht erfaßt werden kann, hat der Gesetzgeber die Vertretung der Arbeitnehmerinteressen durch den Betriebsrat in § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG angeordnet. Demgegenüber ist die Teilnahme des Betriebsrats bei der Festlegung der betriebsüblichen Arbeitsdauer nicht erforderlich, da die Länge der regelmäßigen Arbeitszeit weitgehend tarifvertraglieh bestimmt wird. Es besteht mithin kein Bedürfnis zur Beteiligung des Betriebsrats, so daß die Grundlage für den Erst-recht-Schluß entfällt. Gegen diese Argumentation werden allerdings Einwände aus der zugunsten der Arbeitnehmer bestehenden Zwecksetzung der betrieblichen Mitbestimmung vorgebracht. Wenn kein Tarifvertrag bestehe, müsse die Arbeitszeit einzelvertraglich festgelegt werden, was aber wegen des Verhandlungsgefälles zwischen dem Arbeitgeber und den Arbeitnehmern der einseitigen Bestimmung durch den Arbeitgeber gleichkomme. Um dennoch einen gerechten Ausgleich der Interessen des Arbeitgebers und der Arbeitnehmer herbeizuführen, müsse der Betriebsrat beim Fehlen eines Tarifvertrags die Belange der Arbeitnehmer mit den Mitteln der erzwingbaren betrieblichen Mitbestimmung wahrnehmen können. 251 Dieser These von der generellen Ersatzzuständigkeit des Betriebsrats im tariffreien Raum kann indes nicht gefolgt werden. Der Gesetzgeber hat in § 87 Abs. 1 BetrVG abschließend festgelegt, welche Sachfragen im Bereich der sozialen Angelegenheiten kraft Gesetzes der Mitbestimmungspflicht unterliegen. 258 Im Hinblick auf die Regelung der Arbeitszeit hat BAG, AP Nr. 2 zu § 87 BetrVG 1972 - Arbeitszeit, BI. 3. A. Hueck/Nipperdey/Säcker, 11./2., § 70 B. 11.1., S. 1362; Starck, S. 81; Wiese, in: Gemeinschaftskommentar BetrVG, § 87 Rdnr. 243. 256 BAG, AP Nr. I zu § 87 BetrVG 1972 - Kurzarbeit, BI. 3; Wiese, in: Gemeinschaftskommentar BetrVG, § 87 Rdnr. 310. 257 Lappe, JArbR Bd. 16 (1978), S. 55, 64; Plander, AuR 1987, S. 281, 288. 2S8 Fitting 1 Kaiserl Heither 1Engels, § 87 Rdnr. 52; Galperin/Löwisch, § 87 Rdnr. 13; Glaubitz, in: Hess/Schlochauer/Glaubitz, § 87 Rdnrn. 9, 96; Wiese, in: Gemeinschaftskommentar BetrVG, § 87 Rdnr. 4. 2S4 25S
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der Betriebsrat gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG nur bei der zeitlich begrenzten. nicht aber bei der dauerhaften Verkürzung oder Verlängerung der Arbeitszeit mitzubestimmen. Nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG umfaßt sein Beteiligungsrecht die Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage und damit die Festsetzung der Anzahl der täglichen Arbeitsstunden. nicht jedoch die Bestimmung der wöchentlichen Arbeitszeit. 259 Letztere ist den Betriebsparteien durch Tarif- oder Arbeitsvertrag vorgegeben. Der Rechtsanwender ist an diese gesetzgeberische Entscheidung über den gegenständlichen Umfang der Mitbestimmung gebunden. Er darf sie nicht durch eine am Bedürfnis nach kollektivrechtlicher Vertretung der Arbeitnehmerinteressen orientierte Auslegung überspielen. Bezugspunkt der Norminterpretation muß immer der Mitbestimmungstatbestand selbst sein. Allerdings wird die Mitbestimmung des Betriebsrats bei der Festlegung der Arbeitsdauer vereinzelt260 als erforderlich angesehen. um die betrieblichen Mitspracherechte über die Verteilung und die Lage der Arbeitszeit zu sichern. Ohne diesen Flankenschutz könne der Arbeitgeber durch die Veränderung der Arbeitsdauer die verbindlichen Vereinbarungen über die Lage der täglichen Arbeitszeit und damit das Mitbestimmungsrecht über deren Beginn und Ende außer Kraft setzen. Diese Befürchtung ist jedoch nicht gerechtfertigt. Bei einer Verkürzung oder Verlängerung der Arbeitszeit entsteht betrieblicher Regelungsbedarf. Die Arbeitszeit muß auf die Wochentage verteilt und der tägliche Arbeitsbeginn und das Arbeitsende müssen neu festgelegt werden. wodurch das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG ausgelöst wird. 261 Bevor der Arbeitgeber über die Verteilung und Lage der Arbeitszeit das Einvernehmen mit dem Betriebsrat erzielt oder die Einigungsstelle eine Entscheidung getroffen hat. kann die Verlängerung oder Verkürzung der Arbeitszeit im Betrieb nicht umgesetzt werden. Folglich besteht nicht die Gefahr. daß der Betriebsrat in der Ausübung der betrieblichen Mitbestimmung beeinträchtigt wird. indem der Arbeitgeber die Zahl der Arbeitsstunden erhöht oder senkt. Vielmehr ist der Arbeitgeber auf die Zustimmung des Betriebsrats angewiesen. wenn er die Länge der Arbeitszeit verändern will. Dies zeigt im übrigen. daß der Betriebsrat durch die Wahrnehmnung seines Mitspracherechts bei der Verteilung der Arbeitszeit die Entscheidung über die Veränderung der Arbeitsdauer beeinflussen kann. Die Entscheidung als solche bleibt dennoch mitbestimmungsfrei.
Dietz/Richardi. § 87 Rdnr. 206. Fahrtmann. RdA 1974. S. 65. 67. 261 WiedemannlW. Moll. Anm. zu BAG. AP Nr. I zu § 87 BetrVG 1972 - Arbeitszeit. BI. 2 verso. 4. 159
260
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§ 4 Beendigung des Tarifvertrags und Nachwirkung der Tarifnormen
(3) Ergebnis
Die Festlegung der Vergütungshöhe und die Festsetzung der wöchentlichen Arbeitsdauer zählen nicht zu den nach § 87 Abs. 1 BetrVG mitbestimmungspflichtigen Angelegenheiten. Über diese Regelungsgegenstände können die Betriebsparteien al1enfal1s freiwillige Abreden treffen.
bb) Gegenstandfreiwilliger Betriebsvereinbarungen Durch freiwillige Betriebsvereinbarungen können gemäß § 88 BetrVG insbesondere geregelt werden 1. zusätzliche Maßnahmen zur Verhütung von Arbeitsunfallen und Gesundheitsschädigungen; 2. die Errichtung von Sozialeinrichtungen, deren Wirkungsbereich auf den Betrieb, das Unternehmen oder den Konzern beschränkt ist; 3. Maßnahmen zur Förderung der Vermögensbildung. Die Festlegung der Vergütungshöhe und der Arbeitsdauer wird in diesem Katalog nicht genannt. Die Auflistung ist jedoch nicht erschöpfend. Dies zeigt die Verwendung des Wortes "insbesondere".262 Folglich können auch andere Angelegenheiten durch freiwillige Betriebsvereinbarungen geordnet werden, woraus das Bundesarbeitsgericht 263 auf eine umfassende Gestaltungszuständigkeit der Betriebsparteien schließt und ihnen die Berechtigung zuspricht, Vereinbarungen über die Entgelthöhe264 und die Länge der Arbeitszeit 265 zu treffen. Die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts trifft innerhalb der Literatur allerdings auf Widerspruch. Joost266 bestreitet, daß aus § 88 BetrVG eine allseitige Regelungszuständigkeit der Betriebsparteien abgeleitet werden kann. Er verweist zur Begründung auf die Stel1ung der Norm innerhalb des Abschnitts über die Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten. Wenn der Gesetzgeber mit dieser Vorschrift eine generel1e Zuständigkeitsbestimmung zugunsten der Betriebsparteien gewollt hätte, so hätte er sie im al1gemeinen Teil der §§ 74 ff. BetrVG den einzelnen Tatbeständen der betrieblichen Mitbestimmung in sozialen, personellen und wirtschaftlichen Angelegenheiten sowie in Fragen der Arbeitsplatzgestaltung vorangestellt. Dies hat er jedoch unterlassen. Statt dessen hat er die Norm in den Bereich der Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten eingebettet. Die Gesetzessystematik steht nach der 262
263 264
265 266
BAG, AP Nr. 23 zu § 77 BetrVG 1972, BI. 4. AP Nr. 23 zu § 77 BetrVG 1972, BI. 4; Nr. 46 zu § 77 BetrVG 1972, BI. 2 verso f. BAG, NZA 1991, S. 734,735. BAG, AP Nr. 23 zu § 77 BetrVG 1972, BI. 3 ff. Anm. zu BAG, AP Nr. 2 zu § 620 BGB - Altersgrenze, BI. 7, 8 verso.
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Auffassung von Joost der Deutung des § 88 BetrVG als einer Generalermächtigung für die Betriebsparteien entgegen. Die Vorschrift verleiht ihnen vielmehr nur die Ordnungs befugnis in sozialen Angelegenheiten. Nach Joost 267 ist der Anwendungsbereich des § 88 BetrVG außer in den in der Vorschrift ausdrücklich genannten Fällen nur eröffnet, wenn die zu regelnde Frage Parallelen zu den in § 87 Abs. 1 BetrVG angeführten Mitbestimmungsgegenständen aufweist. Im Hinblick auf die Arbeitsdauer und die Vergütungshöhe bestehen Bezüge zu § 87 Abs. 1 Nm. 2 f. und 10 f. BetrVG. Während aber die Arbeitsdauer und die Vergütungshöhe den Umfang der Leistungspflichten des Arbeitnehmers und Arbeitgebers bestimmen, beziehen sich die genannten Mitbestimmungstatbestände des § 87 Abs. 1 BetrVG im wesentlichen nur auf die Festlegung der Modalitäten zur betrieblichen Umsetzung der wechselseitigen Leistungspflichten. 268 Die Frage nach dem Umfang der Leistungspflichten läßt sich aber nicht mit den Modalitäten ihrer betrieblichen Umsetzung gleichsetzen. Deswegen wird man die Gestaltungsbefugnis der Betriebsparteien für die Regelung der Arbeitsdauer und die Festsetzung der Entgelthöhe auf der Grundlage der Ansicht von Joost wohl verneinen müssen. Die Zuständigkeit der Betriebsparteien reicht jedoch über den von Joost gesetzten Rahmen hinaus. Dies ergibt sich aus § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG. Wie Kreutz269 und Matthes 270 aufgezeigt haben, läßt sich dieser Norm im Wege des Umkehrschlusses eine weitreichende Handlungskompetenz der Betriebsparteien entnehmen: Das Verbot des Abschlusses von Betriebsvereinbarungen über Arbeitsentgelte und sonstige Arbeitsbedingungen, die durch Tarifvertrag geregelt sind oder üblicherweise geregelt werden, zeigt, daß das Gesetz von der Gestaltungszuständigkeit der Betriebsparteien in Fragen der Vergütung und der Ordnung sonstiger Arbeitsbedingungen ausgeht; anderenfalls wäre die Sperre für konkurrierende Betriebsvereinbarungen in den von den Tarifvertragsparteien ausgefüllten Bereichen überflüssig und nicht zu erklären. Dieser Interpretation des § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG hat sich der Große Senat des Bundesarbeitsgerichts 271 angeschlossen. Die Betriebsparteien können folglich die Entgelte und mithin die an die Arbeitnehmer zu zahlenden Löhne und Gehälter durch Betriebsvereinbarungen festlegen. Darüber hinaus können sie auch die Länge der Arbeitszeit bestimmen. Die Arbeitsdauer wird von den in der Norm neben den Arbeitsentgelten erwähnten "sonstigen Arbeitsbedingungen" erfaßt: Durch die Einbeziehung des Arbeitsentgelts Anm. zu BAG, AP Nr. 2 zu § 620 BGB - Altersgrenze, BI. 7, 8 verso f. § 4 IV. 2. b) aa), S. 147 ff. 269 Betriebsautonomie, S. 208, 222. 270 In: Münchener Handbuch Arbeitsrecht, § 318 Rdnr. 51. 271 AP Nr. 46 zu § 77 BetrVG 1972, BI. 3; zuvor bereits der Erste Senat, AP Nr. 23 zu § 77 BetrVG 1972, BI. 3 verso. 267 268
11 Moll
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macht das Gesetz die Hauptleistungspflicht des Arbeitgebers der Gestaltung durch Betriebsvereinbarungen zugänglich, wodurch es den Betriebsparteien die Regelungskompetenz für das vertragliche Austauschverhältnis von Leistung und Gegenleistung eröffnet. Der Lohn- und Gehaltszahlungspflicht des Arbeitgebers steht die Arbeitspflicht des Arbeitnehmers gegenüber. Zusammen bilden sie den Inhalt der Austauschbeziehung. Sie sind aufeinander bezogen und lassen sich nicht trennen, ohne das Gefüge der wechselseitigen Hauptleistungspflichten zu zerstören. Daher ist anzunehmen, daß sich die Regelungszuständigkeit der Betriebsparteien auch auf die vom Arbeitnehmer geschuldete Arbeitsleistung erstreckt. Demgegenüber spricht sich Richardi 272 dafür aus, die Bestimmung der Arbeitsdauer und der Vergütungshöhe von der betrieblichen Ebene femzuhalten und sie exklusiv den Tarif- und Arbeitsvertragsparteien zu überlassen. Seiner Ansicht nach müssen sich die Hauptleistungspflichten von einer freien Willensentschließung der Arbeitgeber und Arbeitnehmer ableiten lassen. Diese Voraussetzung sieht er bei der Ordnung der Arbeitsbedingungen durch Betriebsvereinbarungen nur auf Arbeitgeberseite verwirklicht. Der Arbeitgeber schließe die Betriebsvereinbarung zumindest innerhalb der fakultativen Mitbestimmung freiwillig ab, so daß die betriebliche Regelung Ausdruck seines selbstbestimmten Handeins sei. Die Arbeitnehmer würden hingegen kraft Gesetzes den Betriebsvereinbarungen unterworfen. Ihre Zustimmung sei nicht erforderlich. Der Grund für die Geltung der betrieblichen Abreden bestehe ihnen gegenüber einzig in ihrer Zugehörigkeit zur verfaßten Belegschaft, in die sie mit dem Abschluß des Arbeitsvertrags automatisch inkorporiert würden. Betriebsvereinbarungen seien daher nicht auf die Privatautonomie zurückzuführen. 273 Der Ansicht von Richardi ist entgegenzuhalten, daß die fehlende Freiwilligkeit bei der Einbindung des Arbeitnehmers in die betriebsverfassungsrechtliche Ordnung durch die demokratische Binnenstruktur der Betriebsverfassung ausgeglichen wird. 274 Mit der Wahl des Betriebsrats werden dessen Entschließungen an den Willen der Belegschaftsangehörigen gekoppelt. Ausgangspunkt bei der Formulierung der Zielvorstellungen der verfaßten Belegschaft ist folglich die Willensentscheidung der einzelnen Arbeitnehmer. Dies trifft allerdings nicht auf alle Arbeitnehmer zu. Diejenigen, die während der Amtszeit des Betriebsrats eingestellt werden, waren an dessen Wahl nicht beteiligt. Dennoch sind sie an die Betriebsvereinbarungen gebunden. Ihnen gegenüber kann die demokratische Organisation der Betriebsverfassung die mangelnde Selbstbestimmung bei der Eingliederung in die verfaßte Belegschaft nicht ersetzen.
Kollektivgewalt, S. 319 ff.; Dietz/Richardi, § 77 Rdnrn. 49 C., 54, § 88 Rdnr. 24. Richardi, Kollektivgewalt, S. 313 f.; Dietz/Richardi, § 77 Rdnr. 50. 274 Ehmann/Lambrich, NZA 1996, S. 346, 351 C.; Reuter, RdA 1991, S. 193,200; Säcker, Gruppenautonomie, S. 345. 272 273
V. Gesamtergebnis zu § 4
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Allerdings wird der Abschluß des Arbeitsvertrags verschi(:dentlich 275 als Votum des einzelnen Arbeitnehmers für die im Betrieb geltende Ordnung gedeutet. Dem kann nicht gefolgt werden. Der Geltungsbefehl für die Betriebsvereinbarungen geht vom Gesetz aus und ist der Disposition durch die Arbeitsvertragsparteien entzogen. Die betrieblichen Regelungen kommen ohne Rücksicht auf die Zustimmung oder Ablehnung durch den Arbeitnehmer zur Anwendung. Ihre Verbindlichkeit ist die gesetzliche Folge des Eintritts des Arbeitnehmers in den Betrieb, so daß dessen eventuelles Einverständnis ohne Bedeutung ist und folglich als Legitimationsgrundlage ausscheidet. 276 Die Bindung der neueingestellten Arbeitnehmer an die Gestaltungsmacht der Betriebsparteien beruht folglich nicht auf einem freien Entschluß dieser Arbeitnehmer. In diesem Punkt ist Richardi zuzustimmen. Ihm ist aber in der Folgerung zu widersprechen, daß die Hauptleistungspflichten der Arbeitsvertragsparteien aus diesem Grund der Gestaltung durch Betriebsvereinbarungen entzogen sind. Die Befugnis der Betriebsparteien, normativ wirkende Absprachen über die Arbeitsdauer und die Entgelthöhe zu treffen, ergibt sich aus § 88 BetrVG in Verbindung mit dem Umkehrschluß zu § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG und ist gesetzlich begründet. Es fehlt allerdings weiterhin die Legitimation durch die neueingestellten Arbeitnehmer. Dieser Mangel besteht jedoch nur zeitlich begrenzt bis zur nächsten Betriebsratswahl und kann zugunsten der Ordnungsfunktion der Betriebsparteien und deren Gestaltungsfähigkeit hingenommen werden. Es kann daher festgehalten werden, daß der Arbeitgeber zusammen mit dem Betriebsrat die Arbeitsdauer und die Höhe der Vergütung mit Hilfe freiwilliger Betriebsvereinbarungen regeln kann. c) Ergebnis
Die Betriebsparteien können Absprachen über die Entgelthöhe und die Länge der Arbeitszeit treffen. Regelungen der Vergütungshöhe und der Arbeitsdauer unterliegen nicht der erzwingbaren Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 BetrVG. Die Betriebsparteien können aber freiwillige Betriebsvereinbarungen abschließen.
v. Gesamtergebnis zu § 4 Mit Ablauf des Tarifvertrags endet die durch die Analogie zu § 3 Abs. 3 TVG fortgesetzte Tarifgebundenheit des verbandsangehörigen Arbeitgebers mit dem 275 276
11*
Ehmann/Lambrich, NZA 1996, S. 346,351; Reuter, RdA 1991, S. 193,200. Waltermann, Rechtsetzung, S. 89 ff.
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§ 4 Beendigung des Tarifvertrags und Nachwirkung der Tarifnormen
Mitgliedsstatus "Ohne Tarifbindung". Dennoch gelten die Tarifnonnen ihm gegenüber analog § 4 Abs. 5 TVG weiter. Er kann sie aber durch einen Finnentarifvertrag, eine Betriebsvereinbarung oder arbeitsvertragliche Absprachen mit den Arbeitnehmern ersetzen. Wenn die Arbeitnehmer nicht zu einer einvernehmlichen Neuordnung der Arbeitsverhältnisse bereit sind, kann der Arbeitgeber auf die Änderungskündigung zurückgreifen. Er muß allerdings den allgemeinen und besonderen Kündigungsschutz beachten. Von dessen Voraussetzungen ist er hingegen befreit, wenn er eine Betriebsvereinbarung abschließt. Die Betriebsvereinbarung ist wie der Tarifvertrag ein kollektivrechtliches Regelungsinstrument und ennöglicht dem Arbeitgeber die betriebseinheitliche Neuordnung der Arbeitsbedingungen.
§ 5 Arbeitskampfrechtliche Stellung der Mitglieder "Ohne Tarifbindung" Im letzten Abschnitt der Untersuchung wird die arbeitskampfrechtliche Position der verbandsangehörigen Arbeitgeber ohne tarifvertragliche Bindung herausgearbeitet. Zunächst wird der Frage nach der Zulässigkeit des Arbeitskampfs um den Abschluß eines Firmentarifvertrags nachgegangen. Im zweiten Schritt wird geklärt, unter welchen Voraussetzungen die Mitglieder "Ohne Tarifbindung" in einen Arbeitskampf einbezogen werden dürfen, der auf das Zustandekommen eines Verbandstarifvertrags gerichtet ist. Es ist jeweils zu prüfen, wann der Arbeitgeber bestreikt werden darf und wann es ihm erlaubt ist, dem Streik mit der Abwehraussperrung zu begegnen. Die umstrittene Frage, ob die Arbeitgeber einen Arbeitskampf im Wege der Angriffsaussperrung beginnen können, soll unberücksichtigt bleiben. Den Arbeitgebern mit dem Mitgliedsstatus "Ohne Tarifbindung" geht es darum, sich von der Ordnung der Tarifverträge zu lösen. Sie werden deswegen kein Interesse haben, ihrerseits den Abschluß eines Tarifvertrags zu erzwingen und einen Arbeitskampf einzuleiten. Im dritten Teil dieses Abschnitts wird untersucht, ob den Mitgliedern "Ohne Tarifbindung" die Regeln der Arbeitskampfrisikolehre zugute kommen und sie von der Lohnzahlungsl?flicht befreit werden, wenn in ihren Betrieben aufgrund der Fernwirkungen eines Verbandsarbeitskampfs die Produktion ruht.
I. Firmentarifverträge und Arbeitskampf 1. Tarif- und Arbeitskampff"ähigkeit des einzelnen Arbeitgebers Gemäß § 2 Abs. 1 TVG kann der einzelne Arbeitgeber Partei eines Tarifvertrags sein. Aus seiner Tariffähigkeit wird allgemein 1 auf seine Arbeitskampffähigkeit geschlossen: Mit der durch die Tarifautonomie gewährleisteten Befugnis der Tarifvertragsparteien zur staatsfreien und selbstbestimmten Gestaltung der Arbeitsbe1 BAG, AP Nr. 43 zu Art. 9 GG - Arbeitskampf, BI. 8; LAG Düsseldorf, OB 1986, S. 807 f.; Besgen, S. 46; Kernpen/Zachert, § 1 Rdnr. 351; Konzen, SAE 1991, S. 335, 342; Löwisch/Rieble, in: Löwisch, Arbeitskampfrecht, 11. Rdnr. 5; Ostrop, S. 84; Zöllner/Loritz, § 40 11. 4., S. 407, und § 40 III. 1. b), S. 408.
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§ 5 Arbeitskampfrechtliche Stellung der Mitglieder "Ohne Tarifbindung"
dingungen ist notwendigerweise die Berechtigung zur Führung von Arbeitskämpfen verbunden. 2 Fraglich ist aber, ob die Tarif- und Arbeitskampffähigkeit eines jeden Arbeitgebers ohne Ausnahme anzuerkennen ist. Das Tarifvertragssystem dient dem Interessenausgleich der sozialen Gegenspieler und beruht wie jede Vertragsordnung auf dem Verhandlungsgleichgewicht der Vertragspartner. Gleiche Verhandlungschancen der Tarifvertragsparteien setzen ein ausgeglichenes Kräfteverhältnis im Arbeitskampf voraus, da der Abschluß des Tarifvertrags mit Hilfe des Arbeitskampfs erzwungen werden kann. Die Kampfparität ist mithin Bedingung für die inhaltliche Ausgewogenheit des Tarifvertrags, die ihrerseits Voraussetzung für die Berechtigung zur autonomen Regelung der Arbeitsbedingungen ist. 3 Innerhalb der Literatur4 wird nun teilweise vorgeschlagen, kleinen Arbeitgebern, die sich im Arbeitskampf nicht behaupten können, die Tariffähigkeit abzuerkennen. Auch der Große Senat des Bundesarbeitsgerichts5 hat Zweifel an der Durchsetzungsfähigkeit kleiner Arbeitgeber geäußert und die Frage nach der Einschränkung des § 2 Abs. 1 TVG aufgeworfen, ohne sie jedoch zu beantworten. Die Herausnahme kleiner Arbeitgeber aus dem Tatbestand des § 2 Abs. 1 TVG ist aufgrund des klaren Wortlauts der Vorschrift nur im Wege der teleologischen Reduktion möglich. 6 Diese setzt voraus, daß die Zielsetzung des § 2 Abs. 1 TVG der besonderen Situation kleiner Arbeitgeber nicht gerecht wird. Indem das Gesetz dem einzelnen Arbeitgeber die Tariffähigkeit verleiht, stellt es sicher, daß der Gewerkschaft stets ein Tarifpartner zur Verfügung steht und sie die Interessen ihrer Mitglieder kollektivrechtlich wahrnehmen kann. 7 Dies wäre nicht gewährleistet, wenn sie nur mit den Arbeitgeberverbänden Tarifverträge abschließen könnte, da die einzelnen Arbeitgeber unter Berufung auf die negative Koalitionsfreiheit den Vereinigungen fernbleiben können. Diese gesetzgeberische Intention betrifft alle Arbeitgeber ohne Rücksicht auf ihre Größe und verbietet es, den Geltungsbereich des § 2 Abs. 1 TVG zu begrenzen. Diese Ansicht wird auch innerhalb des Schrifttums8 überwiegend vertreten. 2 Der Zusammenhang zwischen der Tarifautonomie und dem Arbeitskampf wurde bereits eingehend dargelegt: § 2 IV. 2., S. 74 f. 3 BVerfGE 84, S. 212, 229; 92, S. 365, 395; BAG, AP Nr. 43 zu Art. 9 GG - Arbeitskampf, BI. 7 verso; Nr. 64 zu Art. 9 GG - Arbeitskampf, BI. 5 verso; Nr. 127 zu Art. 9 GGArbeitskampf, BI. 3 verso. 4 G. Müller, Arbeitskampf, S. 160; ders., Tarifautonomie, S. 264, 343, Fn. 538. , AP Nr. 43 zu Art. 9 GG - Arbeitskampf, BI. 8. 6 BAG, AP Nr. 40 zu § 2 TVG, BI. 2 verso; Zeuner, in: 25 Iahre Bundesarbeitsgericht, S. 727, 731. Zu den Voraussetzungen der teleologischen Reduktion: § 4 IV. 1. c) dd), S. 140. 7 BVerfGE 20, S. 312, 318; 58, S. 233, 256; BAG, AP Nr. 40 zu § 2 TVG, BI. 2 verso f.; Löwisch/Rieble, TVG, Grund1. Rdnr. 33, § 2 Rdnr. 52; Zeuner, in: 25 Iahre Bundesarbeitsgericht, S. 727, 731. 8 Kempen I Zachert, § 2 Rdnr. 69; Löwisch I Rieble, TVG, § 2 Rdnr. 52; Zeuner, in: 25 Iahre Bundesarbeitsgericht, S. 727, 731.
I. Finnentarifverträge und Arbeitskampf
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Sollte allerdings das Kräftegleichgewicht zwischen kleinen Arbeitgebern und der Gewerkschaft gestört sein, wäre allenfalls an die Herausnahme dieser Arbeitgeber aus dem Arbeitskampf zu denken. Der Gewerkschaft bliebe die Möglichkeit zum Abschluß freiwilliger Tarifverträge. Durch die Freiwilligkeit des Vertragsschlusses würde die hinreichende Beachtung der Belange der kleinen Arbeitgeber gesichert. Für diese Lösung sprechen sich einige Vertreter der Lehre 9 aus. Demgegenüber hält die Mehrzahl der Autoren 10 richtigerweise bei allen Arbeitgebern an der Einheit von Tarif- und Arbeitskampffähigkeit fest. Wenn die Gewerkschaft nicht berechtigt wäre, auch im Betrieb eines kleinen Arbeitgebers zum Streik aufzurufen, wären die von ihr geführten Tarifverhandlungen nicht mehr als ein "kollektives Betteln"ll. Die Arbeitnehmerseite ist auf den Arbeitskampf angewiesen. Der Verweis auf den freiwilligen Tarifvertragsschluß bildet keine Alternative. Daher können auch kleine Arbeitgeber nicht als arbeitskampfresistent angesehen werden. Es bleibt aber die Frage, wie die inhaltliche Ausgewogenheit des Tarifvertrags hergestellt werden kann. Von einigen Stimmen innerhalb der Literatur 12 wird zum Ausgleich der fehlenden Kampfparität die gerichtliche Inhaltskontrolle der Tarifvereinbarung in Betracht gezogen. Dieser Weg ist jedoch als unzulässige staatliche Tarifzensur abzulehnen. 13 Statt dessen sollte die Aushandlung des Tarifvertrags auch bei kleinen Arbeitgebern dem freien Spiel der Kräfte überlassen bleiben. Dieser Weg ist deswegen vorzuziehen, weil sich die angenommene Unterlegenheit des kleinen Arbeitgebers gegenüber der Gewerkschaft relativiert. Man muß bedenken, daß der Druck beim Streik nicht von der Gewerkschaft als solcher, sondern den Arbeitnehmern im Betrieb erzeugt wird, indem sie ihre Arbeitsleistung verweigern. Das Druckpotential der Arbeitnehmerseite ist folglich auf die Belegschaftsgröße begrenzt. 14 Die Stärke der Gewerkschaft, die sich aus ihrem Mitgliederbestand ergibt, ist insofern ohne Bedeutung. Sie fällt allein bei der finanziellen Streikunterstützung ins Gewicht. Die Streikkasse der Gewerkschaft wird beim Firmenarbeitskampf mit einem kleinen Arbeitgeber wegen der geringen Anzahl der betroffenen Arbeitnehmer weniger belastet. Die Unterstützung kann demzufolge über einen längeren
9 Hergenröder, Anm. zu BAG, EzA Nr. 20 zu § 2 TVG, S. 7,19; Seiter, Arbeitskampfparität, S. 87. 10 Gamillscheg, 1., § 21 11. 5. d), S. 1007 f.; von Hoyningen-Huene, ZiA 1980, S. 453, 459; Kempen/Zachert, § 1 Rdnr. 351, § 2 Rdnr. 69; Lieb, Arbeitsrecht, Rdnm. 463, 559; ders., ZiA 1982, S. 113, 173; ders., in: FS Kissel, S. 653, 675; offengelassen von Wiedemann/Stumpf, § 2 Rdnr. 61. 11 BAG, AP Nr. 64 zu Art. 9 GO - Arbeitskampf, BI. 4 verso; Nr. 84 zu Art. 9 GG - Arbeitskampf, BI. 2 verso. 12 Von Hoyningen-Huene, 'liA 1980, S. 453, 459; Wiedemann/Stumpf, § 2 Rdnr. 195. 13 § 211. 5., S. 58. 14 Gamillscheg, 1., § 21 11.5. d), S. 1008.
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§ 5 Arbeitskampfrechtliche Stellung der Mitglieder "Ohne Tarifbindung"
Zeitraum gewährt werden. Wenn der einzelne Arbeitgeber sich aus diesem Grund der Arbeitskampfauseinandersetzung mit der Gewerkschaft nicht gewachsen fühlt, kann er in den für ihn zuständigen Arbeitgeberverband eintreten und dessen Hilfestellungen in Anspruch nehmen. 15 Die auf diese Weise erzeugte Notwendigkeit, sich dem Verband anzuschließen, verkürzt zwar seine negative Koalitionsfreiheit, doch ist dies zum Schutz der tarifvertraglichen Handlungsfahigkeit der Gewerkschaft gerechtfertigt. 16 Die zu Beginn dieses Abschnitts dargelegte Verknüpfung von Tarif- und Arbeitskampffähigkeit gilt folglich auch gegenüber kleinen Arbeitgebern. Dieses Ergebnis entspricht der Rechtsprechung des Ersten Senats des Bundesarbeitsgerichts 17, des Bundesgerichtshofs 18 und des Bundesverfassungsgerichts l9 , die bislang keine Einschränkung der Arbeitskampffähigkeit des einzelnen Arbeitgebers erkennen läßt. Der einzelne Arbeitgeber ist arbeitskampffähig und kann von der Gewerkschaft mit dem Ziel bestreikt werden, einen Firmentarifvertrag abzuschließen.
2. Firmenbezogene Streiks gegenüber verbandsangehörigen Arbeitgebern Einige Stimmen in der Literatur 20 halten allerdings den Streik um einen Firmentarifvertrag für unzulässig, wenn der bestreikte Arbeitgeber einem Verband angehört. Sie sehen in derartigen Streiks Verstöße gegen die Koalitionsfreiheit des Arbeitgebers und seines Verbands. Ihrer Ansicht nach gebietet die individuelle Koalitionsfreiheit des Arbeitgebers, daß er nur dem Verbandstarifvertrag unterworfen wird. Anderenfalls würde das mit dem Beitritt verfolgte und durch Art. 9 Abs. 3 Satz 1 GG geschützte Ziel beeinträchtigt, die Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen gemeinschaftlich durch Verbandstarifverträge zu regeln. Außerdem sei der Vertretungsanspruch des Arbeitgeberverbands gefährdet, wenn die Gewerkschaft Firmentarifverträge mit den einzelnen Arbeitgebern erzwingen könnte. Diese Grenzen der Erstreikbarkeit von Firmentarifverträgen betreffen allerdings nur organisierte Arbeitgeber, die von der Tarifordnung des Verbands erfaßt werden. Dies ist jedoch bei den Mitgliedsarbeitgebern "Ohne Taritbindung" gerade nicht der Fall, so daß sich aus dem Schutzanspruch der Koalitionsfreiheit des Arbeitgebers und seines Verbands keine Schranken für Firmenarbeitskämpfe herleiten lassen. Gamillscheg, 1., § 2111.5. d), S. 1007 f.; Kempen/Zachert, § 2 Rdnr. 69. Lieb, in: FS Kissel, S. 653, 675 f. 17 AP Nr. 40 zu § 2 TVG, BI. 2 verso f.; Nr. 116, zu Art. 9 GG - Arbeitskampf, BI. 3; Nr. 124 zu Art. 9 GG - Arbeitskampf, BI. 3. 18 AP Nr. 56 zu Art. 9 GG - Arbeitskampf, BI. 2 verso. 19 BVerfGE 84, S. 212, 225 f. 20 Brox/Rüthers, Rdnr. 137; Krichel, NZA 1986, S. 731,732 f., 736. 15
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I. Firmentarifverträge und Arbeitskampf
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Als Ergebnis ist festzuhalten, daß die Mitglieder ohne tarifvertragliche Bindung im vollen Umfang tarif- und arbeitskampffähig sind.
3. Arbeitskampf bei fortgesetzter Tarifgebundenheit Die Gewerkschaft kann in den Betrieben der verbandsangehörigen Arbeitgeber mit dem Mitgliedsstatus "Ohne Tarifbindung" Arbeitskämpfe mit dem Ziel führen, Firmentarifverträge abzuschließen. Eine Ausnahme kann allerdings zugunsten derjenigen Arbeitgeber gelten, die dem Verband zunächst als Vollmitglieder beigetreten sind, aber während der Laufzeit der Verbandstarifverträge in die Gruppe der Mitglieder "Ohne Tarifbindung" wechseln und analog § 3 Abs. 3 TVG tarifgebunden bleiben. Die Regelung des § 3 Abs. 3 TVG beugt einem tariflosen Zustand vor. Sie macht den Arbeitskampf in der Zeit der fortgesetzten Tarifgebundenheit als Mittel zur Erzwingung einer tarifvertraglichen Regelung folglich entbehrlich. Aus diesem Grund könnte ein Arbeitskampf, der dennoch begonnen wird, unzulässig sein. Diese Folgerung ist allerdings voreilig. Sie trägt zwar der Verbindung zwischen Arbeitskampf und Tarifvertrag Rechnung, läßt aber die Schutzrichtung des § 3 Abs. 3 TVG außer acht. Die Begünstigten dieser Vorschrift sind der eigene Verband, dessen Bestand und Regelungsanspruch geschützt werden, und vor allem die Mitglieder der gegnerischen Koalition, die auf die fortgesetzte Geltung der Tarifnormen vertrauen. Auf den Schutzzweck der Vorschrift kann sich hingegen nicht derjenige berufen, der den Verband mit dem Ziel verläßt, sich dem Tarifvertrag zu entziehen. Wenn der Arbeitgeber aus seinem Verband austritt; legt er freiwillig den Schutz des Tarifvertrags ab und kann gegenüber dem Streikaufruf der Gewerkschaft nicht auf die gesetzlich gegen seinen Willen auferlegte Tarifgebundenheit nach § 3 Abs. 3 TVG verweisen. 21 Zu berücksichtigen ist aber, daß der Tarifvertrag die tarifschließenden Verbände verpflichtet, während seiner Laufzeit Frieden zu halten und keine Arbeitskampfmaßnahmen zu ergreifen. 22 Innerhalb des Schrifttums sprechen sich nun mehrere Stimmen23 dafür aus, die Friedenspflicht in den Wirkungsbereich des § 3 Abs. 3 TVG einzubeziehen, und begründen auf diese Weise ein Arbeitskampfverbot. Die Friedenspflicht ist jedoch Bestandteil des schuldrechtlichen Teils des Tarifvertrags. 24 Als schuldrechtliche Abrede gehört sie nicht zum Inhalt der TarifregeKonzen, ZfA 1975, S. 401, 421. BAG, AP Nr. 1 zu § 1 TVG - Friedenspflicht, BI. 1 verso; Nr. 113 zu Art. 9 GG - Arbeitskampf, BI. 3 verso; Gamillscheg, 1., § 22 11. 1., S. 1074 f.; Wiedemann I Stumpf, § 1 Rdnrn. 323 ff. 23 Bauer/Diller, DB 1993, S. 1085 f.; Dah1bender, S. 46; Gamillscheg, 1., §.22 11. 4. b) (3), S. 1083; Ostrop, S. 85 f.; Wiedemann I Stumpf, § 3 Rdnr. 33. 21
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§ 5 Arbeitskampfrechtliche Stellung der Mitglieder "Ohne Tarifbindung"
lungen, an die das ehemalige Mitglied gemäß § 3 Abs. 3 TVG gebunden bleibt. Die Tarifgebundenheit erstreckt sich gemäß § 4 Abs. 1 TVG auf die Tarifnormen, nicht aber auf die schuldrechtlichen Vereinbarungen der Tarifverbände. Daher kann die Geltung der Friedenspflicht gegenüber den ehemaligen Verbandsangehörigen nicht auf § 3 Abs. 3 TVG gestützt werden. 2s Die Friedenspflicht entfaltet ihre Wirkung indes nicht nur zwischen den Tarifvertragsparteien, sondern gilt auch zugunsten der Verbandsmitglieder. 26 Sie kann mithin auch gegenüber den Mitgliedern "Ohne Tarifbindung" zum Tragen kommen. Als Rechtsgrund für diesen begünstigenden Drittbezug werden teils 27 die Regeln des Vertrags zugunsten Dritter gemäß § 328 BGB, teils 28 die des Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter genannt. Allerdings wird von Teilen der Rechtsprechung 29 und der Literatur30 angenommen, daß die Drittwirkung der Friedenspflicht auf die Zeit der Mitgliedschaft begrenzt ist und mit deren Beendigung ausläuft. Zur Begründung wird zum einen darauf verwiesen, daß die Verbände kein Interesse am Schutz der ehemaligen Mitglieder vor Arbeitskämpfen hätten. 3 ! Zum anderen wird vorgebracht, die Friedenspflicht der Gewerkschaft könne nur so weit reichen, wie der Arbeitgeberverband die Anwendung des Tarifvertrags durch seine Mitglieder sicherstellen könne, indem er mit vereinsrechtlichen Mitteln auf sie einwirke. Mit dem Ende der Mitgliedschaft verliere der Verband aber die Einwirkungsmöglichkeit, so daß die Friedenspflicht gegenüber dem ehemaligen Mitglied entfalle. 32 Beide Gesichtspunkte greifen gegenüber den Verbandsarbeitgebern "Ohne Tarifbindung" jedoch nicht durch. Diese Arbeitgeber bleiben ihrem Verband auch nach dem Wechsel von der Vollmitgliedschaft in die Gruppe der tariffreien Mitglieder verbunden. Der Verband ist zur Wahrnehmung ihrer Belange verpflichtet. Zu die24
BAG, AP Nr. 1 zu § 1 TVG - Friedenspflicht, BI. 2; Nr. 4 zu § 1 TVG - Friedenspflicht,
BI. 2. 2S LAG Hamm, LAGE Nr. 41 zu Art. 9 GG - Arbeitskampf, S. 9 f.; Däubler, TVR, Rdnr. 304; Konzen, 'ZiA 1975, S. 401, 418. 26 BAG, AP Nr. 1 zu § 1 TVG - Friedenspflicht, BI. 2; Nr. 4 zu § 1 TVG - Friedenspflicht, BI. 2; Brox/Rüthers, Rdnr. 220; Gamillscheg, I., § 2211.3. a), S. 1080; Wiedemannl Stumpf, § 1 Rdnrn. 71, 328. 27 BAG, AP Nr. 1 zu § 1 TVG - Friedenspflicht, BI. 2; Nr. 4 zu § 1 TVG - Friedenspflicht, BI. 2; Gamillscheg, I., § 22 11. 3. a), S. 1080. 28 Brox I Rüthers, Rdnr. 220; Wiedemann I Stumpf, § 1 Rdnrn. 71, 328. 29 LAG Hamm, LAGE Nr. 41 zu Art. 9 GG - Arbeitskampf, S. 7 ff. 30 Däubler, TVR, Rdnr. 1509; ders., ZTR 1994, S. 448, 452; ders., NZA 1996, S. 225,229; Kempen/Zachert, § 3 Rdnr. 35; Konzen, 'ZiA 1975, S. 401, 420; Löwisch/Rieble, in: Löwisch, Arbeitskampfrecht, 11. Rdnr. 372; H. Otto, in: Münchener Handbuch Arbeitsrecht, § 278 Rdnr. 80. 31 Däubler, TVR, Rdnr. 1509; ders., ZTR 1994, S. 448, 452; ders., NZA 1996, S. 225, 229. 32 LAG Hamm, LAGE Nr. 41 zu Art. 9 GG - Arbeitskampf, S. 9; Kempen/Zachert, § 3 Rdnr. 35; Konzen, ZfA 1975, S. 401, 420.
I. Finnentarifverträge und Arbeitskampf
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sen Belangen zählt der Schutz vor Arbeitskämpfen, so daß er bestrebt sein wird, sie in die personelle Reichweite der Friedenspflicht einzubeziehen. 33 Gleichzeitig behält der Verband seine Einwirkungsmöglichkeit und kann die Umsetzung der noch laufenden Tarifverträge gewährleisten. Es ist daher gerechtfertigt, die Mitglieder "Ohne Taritbindung" während der analog § 3 Abs. 3 TVG fortgeltenden Tarifgebundenheit an der Friedenspflicht partizipieren zu lassen und der Gewerkschaft die Aufnahme eines Arbeitskampfs zu versagen.
4. Abwehraussperrung Wenn der einzelne Arbeitgeber die Arbeitskampffähigkeit besitzt und von der Gewerkschaft mit dem Ziel des Abschlusses eines Firmentarifvertrags bestreikt werden kann, stellt sich die Frage nach seiner Aussperrungsbefugnis. Der Große Senat des Bundesarbeitsgerichts 34 hat das Aussperrungsrecht des einzelnen Arbeitgebers anerkannt, um die Ausgeglichenheit des Kräfteverhältnisses im Arbeitskampf zu gewährleisten. Diese Rechtsprechung wird innerhalb der Literatur35 geteilt. Auch der Erste Senat des Bundesarbeitsgerichts 36 nimmt an, daß die Arbeitgeberseite zur Aufrechterhaltung der Kampfparität berechtigt sein muß, auf einen Angriffsstreik mit der Abwehraussperrung zu reagieren. Diese zunächst auf Verbandsarbeitskämpfe bezogene und vom Bundesverfassungsgericht37 gebilligte Rechtsprechung hat der Erste Senaes später auch auf Firmenarbeitskämpfe übertragen. Somit ist davon auszugehen, daß der einzelne Arbeitgeber - und mithin auch das Verbandsmitglied "Ohne Taritbindung" - befugt ist, einen Streik mit der Aussperrung zu erwidern.
Reuter, RdA 1996, S. 201, 208. AP Nr. 43 zu Art. 9 GG - Arbeitskampf, BI. 7 f. 35 Buchner, NZA 1994, S. 2, 8; Gamillscheg, 1., § 21 III. 7. a.) (1), S. 1045 f.; Löwischl Rieble, in: Löwisch, Arbeitskampfrecht, II. Rdnr. 83. 36 AP Nr. 64 zu Art. 9 GO - Arbeitskampf, BI. 3 verso, 5 verso; Nr. 84 zu Art. 9 GG Arbeitskampf, BI. 2 verso f.; Nr. 101 zu Art. 9 GG - Arbeitskampf, BI. 3 verso. 37 BVerfGE 84, S. 212,225. 38 AP Nr. 124 zu Art. 9 GG - Arbeitskampf, BI. 3; Nr. 137 zu Art. 9 GG - Arbeitskampf, BI. 2. 33
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5. Ergebnis zu I. Der einzelne verbands angehörige Arbeitgeber "Ohne Tarifbindung" ist uneingeschränkt tarif- und arbeitskampffahig. Er kann von der Gewerkschaft mit dem Ziel bestreikt werden, einen Firmentarifvertrag zu erzwingen. Den Streik kann er mit einer Abwehraussperrung beantworten. Allerdings betrifft dies nicht die Arbeitgeber, die während der Laufzeit des Tarifvertrags von der Gruppe der Vollmitglieder zu den Mitgliedern "Ohne Tarifbindung" wechseln. Ihnen kommt die Friedenspflicht zugute, die durch den Verbandstarifvertrag vermittelt wird.
11. Einbeziehung der Mitglieder "Ohne Taritbindung" in einen Verbandsarbeitskampf Es ist nun auf die Frage einzugehen, ob der Arbeitgeberverband und die Gewerkschaft berechtigt sind, die Mitgliedsarbeitgeber ohne tarifvertragliche Bindung in einen Arbeitskampf einzubeziehen, der um den Abschluß eines Verbandstarifvertrags geführt wird. Beide Seiten können ein Interesse daran haben, den Verbandsarbeitskampf auf die tariffreien Arbeitgeber auszudehnen. Indem sie den Kampfrahmen erweitern, können sie den Druck auf ihren sozialen Gegenspieler erhöhen und ihre Verhandlungschancen in der Tarifauseinandersetzung verbessern. Es ist daher zu untersuchen, ob die Gewerkschaft die Arbeitnehmer in den Betrieben der Arbeitgeber "Ohne Tarifbindung" zu Arbeitsniederlegungen aufrufen darf (1.) und ob diese Arbeitgeber ihrerseits berechtigt sind, sich einer vom Verband durchgeführten Aussperrung anzuschließen (2.).
1. Streik gegenüber den Mitgliedern "Ohne Taritbindung" bei einem Verbandsarbeitskampf Die Gewerkschaft kann mit der Ausdehnung des Verbandsarbeitskampfs auf die Mitglieder "Ohne Tarifbindung" verschiedene Streikziele verfolgen. Zum einen kann sie bestrebt sein, den Anwendungsbereich des Verbandstarifvertrags auf diese Arbeitgeber zu erstrecken. Die Arbeitgeber "Ohne Tarifbindung" wären aber wegen fehlender Vollmitgliedschaft den Normen des Verbandstarifvertrags nicht nach § 4 Abs. 1, § 3 Abs. 1 TVG unterworfen. Darüber hinaus ist der Verband gegenüber diesen Arbeitgebern nicht tarifzuständig. Er könnte die gewerkschaftliche Forderung auf Einbeziehung der tarifbindungsfreien Arbeitgeber in den Verbandstarifvertrag folglich nicht erfüllen, und der hierauf bezogene Streik wäre rechtswidrig.
11. Mitglieder "Ohne Tarifbindung" in einem Verbandsarbeitskarnpf
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Allerdings kann die Gewerkschaft den Mitgliedern "Ohne Tarifbindung" den Abschluß eines Finnentarifvertrags anbieten, der den gleichen Inhalt wie der Verbandstarifvertrag hat. Zur Durchsetzung ihrer Tarifforderung kann sie diese Arbeitgeber bestreiken lassen. In diesem Fall stellt sich der Streik für den Arbeitgeber als ein Arbeitskampf dar, der auf die Erzwingung eines Finnentarifvertrags gerichtet ist, und er wäre somit zulässig. 39 So hat auch das Bundesarbeitsgericht40 die Rechtmäßigkeit eines Streiks gegenüber einem Außenseiter-Arbeitgeber bejaht, den die Gewerkschaft parallel zu einem Verbandsarbeitskampf begonnen und um den Abschluß eines Finnentarifvertrags geführt hat. Fraglich ist hingegen, ob die Gewerkschaft in den Betrieben der Mitgliedsarbeitgeber "Ohne Tarifbindung" Streiks einleiten darf, wenn sie gegenüber diesen Arbeitgebern keine Tarifforderung erhebt, sondern es ihr einzig darum geht, die eigene Lage im Arbeitskampf gegenüber dem Verband vorteilhafter zu gestalten. Diese Frage wird man mit einem Ja beantworten müssen, wenn man der Ansicht von Birk41 folgt, der die Gewerkschaft als einen einheitlichen Kampfverband ansieht und hieraus den Schluß zieht, daß sich alle Gewerkschaftsmitglieder am Arbeitskampf beteiligen dürfen, unabhängig davon, ob ihre Arbeitsverhältnisse vom beabsichtigten Tarifabschluß erfaßt werden. Bei dieser allein an der Gewerkschaftszugehörigkeit orientierten Sichtweise wird jedoch der erforderliche Tarifbezug des' Arbeitskampfs vernachlässigt, der sich aus seiner Hilfsfunktion zugunsten der Tarifautonomie ergibt. 42 Die außerhalb des umkämpften Tarifgebiets streikenden Arbeitnehmer verfolgen kein eigenes tarifvertragliches Regelungsziel, sondern unterstützen fremde Tarifforderungen. Ein derartiger Unterstützungskampf kann zulässig sein, wenn er den Druck auf den sozialen Gegenspieler im Hauptarbeitskampf erhöht und zur Entscheidung der Tarifauseinandersetzung beitragen kann. 43 Die Mitgliedschaft in derselben Gewerkschaft ist hierfür aber nicht maßgeblich, so daß sich aus der gewerkschaftlichen Verbindung der Arbeitnehmer nicht die Berechtigung zu unterstützenden Kampfrnaßnahmen ableiten läßt. Aus diesem Grund wählt Thüsing44 einen anderen Anknüpfungspunkt als Birk. Er rückt die Position des von der Arbeitsniederlegung betroffenen Arbeitgebers in den Vordergrund. Seiner Ansicht nach darf dieser Arbeitgeber von der Gewerkschaft nicht für die Verwirklichung fremder Tarifinteressen in Anspruch genommen werden, da ein Arbeitskampf ausschließlich gegen den Adressaten der Tarifforderung zu richten sei. Kampfziel- und Kampfmitteladressat dürften nicht aus39 40
41 42 43 44
Besgen. S. 119; Ostrop, S. 125. AP Nr. 116 zu Art. 9 GG - Arbeitskampf, BI. 3. S. 61 f. § 2 IV. 2., S. 74 f. Zu dieser Frage sogleich im Text. S. 158 ff.
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§ 5 Arbeitskampfrechtliche Stellung der Mitglieder "Ohne Tarifbindung"
einanderfallen. In seiner Begründung bezieht sich Thüsing auf die in Rechtsprechung und Literatur geführte Diskussion um die Zulässigkeit von Sympathiestreiks. Unter einem Sympathiestreik wird ein Unterstützungsstreik verstanden, bei dem auf Gewerkschafts- und Arbeitgeberseite andere als die im Hauptarbeitskampf stehenden Parteien beteiligt sind. 45 Beim verbandsbezogenen Streik, der auch die Mitglieder "Ohne Tarifbindung" einbezieht, werden im Unterschied zum Sympathiestreik sowohl der Haupt- als auch der Unterstützungsarbeitskampf von derselben Gewerkschaft geführt. Doch es besteht eine Parallele zum Sympathiestreik, da in beiden Fällen die von den Unterstützungskampfmaßnahmen betroffenen Arbeitgeber nicht vom Anwendungsbereich des umkämpften Tarifvertrags erfaßt werden. Die Frage nach der Rechtmäßigkeit von Sympathiestreiks wird unterschiedlich beantwortet. Teile der Rechtsprechung46 und der Literatur47 befürworten die Zulässigkeit derartiger Streiks. Sie sehen Unterstützungsstreiks als historisch überliefertes Arbeitskampfmiuel und als Ausdruck der Arbeitnehmersolidarität an.48 Demgegenüber halten das Bundesarbeitsgericht49 und die überwiegende Zahl der Vertreter der Rechtslehre 50 fremdnützige Arbeitskämpfe für rechtswidrig.
a) Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur Zulässigkeit von Unterstützungsstreiks
Nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts 51 muß der Arbeitgeber, der dem umkämpften Tarifvertrag als unbeteiligter Dritter gegenübersteht, aus dem Arbeitskampf herausgehalten werden. Dieser Arbeitgeber kann der Tarifforderung nicht nachkommen, da sie ihm gegenüber nicht erhoben wird. Er hat daher nicht die Möglichkeit zu entscheiden, ob er den Arbeitskampf weiterführt oder durch BAG, AP Nr. 85 zu Art. 9 GG - Arbeitskampf, BI. 4. BGH, AP Nr. 56 zu Art. 9 GG - Arbeitskampf, BI. 2 verso; BSG, AP Nr. 1 zu § 116 AFG, BI. 6 verso; LAG Hamm, EzA Nr. 39 zu Art. 9 GG - Arbeitskampf, S. 458. 41 Bieback, in: Däubler, Arbeitskampfrecht, Rdnr. 372; Birk, S. 79 ff.; Plander, AuR 1986, S. 193 ff.; ders., ZTR 1989, S. 135 ff.; Seiter, Streikrecht, S. 506; ders., Arbeitskampfparität, S. 50 f.; Wohlgemuth, AuR 1980, S. 33, 35 ff. 48 LAG Hamm, EzA Nr. 39 zu Art. 9 GG - Arbeitskampf, S. 458, 465 f.; Bieback, in: Däubler, Arbeitskampfrecht, Rdnrn. 372, 374b; Wohlgemuth, AuR 1980, S. 33, 37 f. 49 AP Nr. 85 zu Art. 9 GG - Arbeitskampf, BI. 4; Nr. 90 zu Art. 9 GG - Arbeitskampf, BI. 2 verso f. so Brox/Rüthers, Rdnm. 144 ff.; Gamillscheg, 1., § 24 H. 3. a) (2), S. 1139; Lieb, Arbeitsrecht, Rdnr. 687; ders., ZfA 1982, S. 113, 155 ff.; ders., SAE 1986, S. 64, 66; ders., in: FS Kissel, S. 653, 662; Löwisch I Rieble, in: Löwisch, Arbeitskampfrecht, H. Rdnr. 162; H. Otto, in: Münchener Handbuch Arbeitsrecht, § 279 Rdnr. 49; Rüthers, BB 1964, S. 312, 314 f.; Zöllner/Loritz, § 41 XI., S. 426. SI AP Nr. 85 zu Art. 9 GG - Arbeitskampf, BI. 4 verso. 45
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11. Mitglieder "Ohne Tarifbindung" in einem Verbandsarbeitskampf
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Nachgeben beendet. Aus diesem Grund sieht ihn das Bundesarbeitsgericht als schutzwürdig an und belegt den Sympathiestreik mit dem Verdikt der Rechtswidrigkeit. Es läßt jedoch Ausnahmen zu, wenn der Arbeitgeber rechtlich selbständig, aber wirtschaftlich identisch mit dem im Hauptarbeitskampf befindlichen Unternehmen ist oder wenn sich der Arbeitgeber gegenüber dem Hauptarbeitskampf nicht neutral verhält. 52 Eine Neutralitätsverletzung bejaht das Gericht beispielsweise, wenn der Arbeitgeber die Produktion für die im Hauptarbeitskampf stehenden Arbeitgeber übernimmt. Dieser Gedanke des Bundesarbeitsgerichts läßt sich dahingehend verallgemeinern, daß der Arbeitgeber bestreikt werden darf, wenn er in einem fremden Arbeitskampf Partei ergreift und hierdurch das dortige Kräfteverhältnis verändert. Die Gewerkschaft darf die Mitgliedsarbeitgeber "Ohne Tarifbindung" folglich in den Streik einbeziehen, sofern diese ihrerseits in den Verbandsarbeitskampf eingreifen und Einfluß auf dessen Ausgang nehmen. Eine derartige Parteinahme kann aber nicht bereits darin gesehen werden, daß die Mitglieder "Ohne Tarifbindung" dem vom Hauptarbeitskampf erfaßten Arbeitgeberverband angehören. Der Verband darf die Mitglieder "Ohne Tarifbindung" an seiner tarif- und arbeitskampfpolitischen Tätigkeit und deren Finanzierung nicht beteiligen. 53 Ihre Verbandszugehörigkeit hat fulglich keine Auswirkungen auf das Kräfteverhältnis im Hauptarbeitskampf und kann die Ausweitung des Streiks auf ihre Betriebe nicht rechtfertigen.
b) Unterstützungsstreiks als tradiertes Arbeitskampfmittel Die Stellung der Arbeitgeber "Ohne Tarifbindung" im Verbandsarbeitskampf wäre hingegen anders zu beurteilen, wenn man Unterstützungsstreiks als ein geschichtlich überliefertes und in der Tradition des Arbeitskampfs stehendes Mittel generell zuließe. Das historische Argument ist allerdings wenig tragfähig. Zur Zeit der Weimarer Republik hatte die Rechtsprechung 54 den Sympathiestreik zwar als rechtmäßig angesehen, doch hat das heutige Arbeitskampfrecht mit Art. 9 Abs. 3 Satz 1 GG eine neue Rechtsgrundlage erhalten, so daß nur bedingt auf die vorherige Rechtsprechung zurückgegriffen werden kann. Bei der Interpretation des Art. 9 Abs. 3 Satz 1 GG und der Ableitung des Arbeitskampfrechts hat zwar auch das Bundesverfassungsgericht55 wiederholt ge~2
BAG, AP Nr. 85 zu Art. 9 GG - Arbeitskampf, BI. 5. § 2 IV. 4., S. 82. 54 RGZ 54, S. 255, 259; 132, S. 249, 253 f. ~~ BVerfGE 4, S. 96, 106; 44, S. 322, 347 f.; 50, S. 290, 367; ausdrücklich auf den Arbeitskampf bezogen: BVerfGE 38, S. 386, 394. ~3
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§ 5 Arbeitskampfrechtliche Stellung der Mitglieder "Ohne Taritbindung"
schichtliche Bezüge hergestellt, dennoch hat es gleichermaßen die Akzessorietät des Arbeitskampfs zur Tarifautonomie betont. 56 Der Arbeitskampf dient der Lösung von Tarifkonflikten, woraus folgt, daß die eingesetzten Mittel zur Erreichung dieses Zwecks geeignet sein müssen. Mithin ist als Voraussetzung für die Einbeziehung der Mitglieder "Ohne Tarifbindung" in den Verbandsarbeitskampf zu fordern, daß die Gewerkschaft auf diesem Weg ihre Verhandlungschancen im tarifvertraglichen Einigungsprozeß stärken kann. 57 Durch die Bestreikung bisher am Arbeitskampf nicht beteiligter Arbeitgeber soll der Druck auf den Arbeitgeberverband erhöht werden. Diese Arbeitgeber werden beim Verband darauf drängen, die Tarifforderungen der Gewerkschaft zu akzeptieren, um durch ein baldiges Ende des Arbeitskampfs den Produktionsausfall gering zu halten. Die Ausweitung des Kampfrahmens durch Unterstützungsstreiks soll folglich einen Binnendruck innerhalb des Arbeitgeberlagers gegenüber dem Verband erzeugen. Dieses Ziel kann aber nur dann erreicht werden, wenn die zusätzlich in den Arbeitskampf hineingezogenen Arbeitgeber auf das Verhalten des Verbands in der Arbeitskampf- und Tarifauseinandersetzung einwirken können. Dies ist bei den Mitgliedern "Ohne Tarifbindung" wegen ihres Ausschlusses von der tarif- und arbeitskampfpolitischen Tätigkeit ihres Verbands nicht der Fall. Der Streik in den Betrieben dieser Arbeitgeber ist daher nicht geeignet, die Verhandlungsposition der Gewerkschaft gegenüber dem Verband zu verbessern, und muß deswegen aus dem Ensemble der erlaubten Kampfmittel ausscheiden.
c) Unterstützungsstreiks als Ausdruck der Arbeitnehmersolidarität Zu prüfen bleibt aber, ob die Arbeitsniederlegung der bei den verbandsangehörigen Arbeitgebern "Ohne Tarifbindung" Beschäftigten mit der Arbeitnehmersolidarität gerechtfertigt werden kann. Dem Solidaritätsgedanken liegt die Vorstellung zugrunde, daß die Arbeitnehmer durch gemeinschaftliche Interessen verbunden sind, die sich in der Durchführung gemeinsamer und unterstützender Aktionen ausdrücken können. 58 Es erscheint aber zweifelhaft, ob in einer vielgestaltigen Arbeitswelt ein allgemeines Arbeitnehmerinteresse zu unterstellen ist und daraus rechtliche Folgen hergeleitet werden können. 59 Entscheidend ist jedoch, daß mit der Arbeitnehmersolidarität der funktionelle Bezug des Arbeitskampfs zum Tarifvertrag nicht überspielt werden darf. Zu den zulässigen Kampfmitteln zählen nur solche, die einen rechtlich relevanten Einfluß auf die Verhandlungen der um den Abschluß des Tarifvertrags ringenden Parteien vermitteln. Zum Arsenal dieser Mit§ 2 IV. 2., Fußnote 146, S. 75. Seiter, Streikrecht, S. 506, 537; ders., Arbeitskampfparität, S. 51. 58 Birk, S. 72. 59 Skeptisch auch BAG, AP Nr. 70 zu Art. 9 GG - Arbeitskampf, BI. 4 verso; Lieb, ZfA 1982, S. 113, 148. 56
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11. Mitglieder "Ohne Tarifbindung" in einem Verbandsarbeitskampf
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tel zählt beim Verbandsarbeitskampf nicht der Unterstützungsstreik in den Betrieben der Mitglieder "Ohne Tarifbindung", da diese von ihrem Verband von der Entscheidungsfindung in Tarif- und Arbeitskampffragen auszuschließen sind und keinen Einfluß auf dessen Tarifpolitik nehmen dürfen.
d) Ergebnis Beim verbandsbezogenen Arbeitskampf darf die Gewerkschaft den Streik in die Betriebe der Verbandsarbeitgeber "Ohne Tarifbindung" hineintragen, wenn sie dem Arbeitgeber den Abschluß eines Firmentarifvertrags anbietet. Reine Unterstützungsstreiks sind ihr hingegen untersagt. Etwas anderes gilt mir dann, wenn der Arbeitgeber im Verbandsarbeitskampf Partei ergreift. Eine derartige Parteinahme ist aber nicht schon in der Tatsache seiner Mitgliedschaft zu sehen, da ihn der Arbeitgeberverband von jeder Einflußnahme auf die Arbeitskampfpolitik ausschließen muß.
2. Beteiligung der Mitglieder "Ohne Taritbindung" an einer Abwehraussperrung des Verbands Es stellt sich nun die Frage, ob sich die Mitglieder "Ohne Tarifbindung" einer von ihrem Verband durchgeführten Aussperrung anschließen dürfen. Die nichttarifgebundenen Arbeitgeber können aus unterschiedlichen Motiven heraus zur Teilnahme bereit sein. Zum einen kann es ihnen um die Gestaltung der Arbeitsverhältnisse mit ihren Arbeitnehmern gehen. Sie können die tarifvertraglichen Absprachen übernehmen, um deren Zustandekommen im Hauptarbeitskampf gerungen wird. Für derartige Fälle hat das Bundesverfassungsgericht60 ausdrücklich die Berechtigung des tarifvertraglichen Außenseiter-Arbeitgebers anerkannt, sich an der Verbandsaussperrung zu beteiligen. Andererseits können die Mitglieder "Ohne Tarifbindung" das Ziel verfolgen, lediglich die Verhandlungsposition des Verbands gegenüber der Gewerkschaft zu stärken. Fraglich ist aber, ob die fremdnützige Aussperrung vom Arbeitskampfrecht gedeckt ist. Sie könnte als Pendant zum Unterstützungsstreik betrachtet und wie dieser als unzulässig eingestuft werden. 61 Eine derartige formale Gleichsetzung wird jedoch dem Tarifbezug des Arbeitskampfs nicht gerecht. Der Streik in den Betrieben der Mitglieder "Ohne Tarifbindung" ist unzulässig, weil er nicht geeignet ist, den Ausgang des Verbandsarbeitskampfs und den Tarifabschluß zu beeinflussen. Dagegen ist der Einfluß der Unterstützungsaussperrung auf das Kräfteverhältnis der am Hauptarbeitskampf beteiligten Parteien nicht zu 60 61
BVerfGE 84, S. 212,225 f. Löwisch/Rieble, in: Löwisch, Arbeitskampfrecht, 11. Rdnr. 162.
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§ 5 Arbeitskampfrechtliche Stellung der Mitglieder "Ohne Tarifbindung"
bestreiten. Sie richtet sich gegen dieselbe Gewerkschaft, die den Hauptarbeitskampf führt. Im Gegensatz zum Unterstützungsstreik ist hier der Kampfmittel- mit dem Kampfzieladressaten identisch. Die Aussperrung erhöht den Druck auf die Arbeitnehmerseite. Die Gewerkschaft muß über die Unterstützung der im Hauptarbeitskampf stehenden Arbeitnehmer hinaus auch finanzielle Hilfen an ihre von den Arbeitgebern "Ohne Tarifbindung" ausgesperrten Mitglieder zahlen. Die stärkere Inanspruchnahme der Streikkasse verringert das Durchhaltevermögen der Gewerkschaft im Hauptarbeitskampf und verbessert die Verhandlungsposition des Arbeitgeberverbands. Die unterstützende Aussperrung ist mithin ein geeignetes Kampfmittel, um den Abschluß des Tarifvertrags im Sinne des Arbeitgeberverbands zu beschleunigen. Arbeitskampfmittel dürfen aber nur eingesetzt werden, soweit sie nicht die Kampfparität aufheben und die Verhandlungschancen der Gegenseite in einem Maße beeinträchtigen, daß der Tarifvertrag nicht mehr das Ergebnis gleichberechtigter Verhandlungen ist. Innerhalb des Schrifttums wird nun teilweise 62 angenommen, daß jede Unterstützungskampfmaßnahme die Parität im Hauptarbeitskampf stört und aus diesem Grund als rechtswidrig anzusehen ist. Diese Annahme beruht auf der Vermutung, daß innerhalb des Tarifgebiets, in dem ein Hauptarbeitskampf geführt wird, ein ausgeglichenes Kräfteverhältnis besteht. Dementsprechend erscheint jede Hilfeleistung von außen als Störung. Aus der Störung der Kampfparität muß aber nicht zwangsläufig die Unzulässigkeit von Unterstützungshandlungen folgen. Der Gegenseite können zur Stabilisierung des Kampf- und Verhandlungsgleichgewichts zusätzliche Reaktionsmöglichkeiten an die Hand gegeben werden. Es ist nicht notwendig, Kampfrnaßnahmen zu verbieten, solange dem sozialen Gegenspieler ausreichende Kompensationsmiuel zur Verfügung gestellt werden können. Es wurde bereits darauf hingewiesen, daß der Außenseiter-Arbeitgeber bestreikt werden darf, wenn er in einem fremden Arbeitskampf zugunsten des Arbeitgeberverbands Partei ergreift. Auf dieser Grundlage kann der Gewerkschaft die Befugnis zuerkannt werden, die Unterstützungsaussperrung ihrerseits mit einem Streik in den Betrieben der Arbeitgeber "Ohne Tarifbindung" zu beantworten. Das Verbot der Unterstützungsaussperrung ist daher zur Wahrung der Kampfparität nicht erforderlich. Diese Lösung ist im Dienste der Tarif- und Arbeitskampfautonomie vorzugswürdig.
62
Lieb, in: FS Kissei, S. 653, 672 ff.
III. Mitgliedschaft "Ohne Tarifbindung" und Arbeitskampfrisikolehre
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3. Ergebnis zu 11. Der Gewerkschaft sind bei Arbeitskämpfen, die auf den Abschluß eines Verbandstarifvertrags gerichtet sind, Unterstützungsstreiks in den Betrieben der Arbeitgeber "Ohne Tarifbindung" verwehrt. Demgegenüber dürfen sich die Mitglieder "Ohne Tarifbindung" an einer Verbandsaussperrung beteiligen. Dies gilt auch dann, wenn sie keine eigenen tarifpolitischen Interessen verfolgen, sondern lediglich die Stellung des Verbands im Hauptarbeitskampf gegenüber der Gewerkschaft stärken wollen. Allerdings ist die Gewerkschaft ihrerseits berechtigt, die Unterstützungsaussperrung mit einem Streik zu erwidern.
111. Mitgliedschaft im Arbeitgeberverband "Ohne Taritbindung" und Arbeitskampfrisikolehre Abschließend ist zu untersuchen, ob die verbandsangehörigen Arbeitgeber mit dem Mitgliedsstatus "Ohne Tarifbindung" auf der Grundlage der Arbeitskampfrisikolehre von ihrer Verpflichtung zur Lohn- und Gehaltsfortzahlung entbunden werden, wenn sie ·von den Auswirkungen eines Verbandsarbeitskampfs erfaßt werden und die Produktion in ihren Betrieben einstellen müssen. Ein Arbeitskampf wirkt sich auch außerhalb des Kampfgebiets aus und führt zu Produktionsstörungen. Die Betriebe, in denen gestreikt oder ausgesperrt wird, fallen als Lieferanten für Vorprodukte, Rohstoffe oder Energie aus. Sie können außerdem ihrerseits keine Güter abnehmen, die anderenorts von Zulieferem für sie angefertigt werden. Dies hat die Arbeitseinstellung in weiteren Betrieben zur Folge, sei es, daß diese Betriebe auf die Lieferungen aus dem Kampfgebiet angewiesen sind und die Produktion nicht mehr aufrechterhalten können, sei es, daß sie als Zulieferbetriebe die hergestellten Waren nicht mehr absetzen können und die Produktion wirtschaftlich sinnlos wird. 63 Aufgrund des Produktionsstillstands können die in diesen Betrieben tätigen Arbeitnehmer nicht weiterbeschäftigt werden. Dennoch behalten sie den Vergütungsanspruch gegenüber ihren Arbeitgebem. 64 Die Arbeitgeber tragen in ihrer Eigenschaft als Unternehmer das betriebstechnische und wirtschaftliche Risiko der Produktion und können es nicht durch Entgeltkürzungen auf die Beschäftigten abwälzen. 65 Dies ist jedoch anders, wenn die Grundsätze der Arbeitskampfrisikolehre zur Anwendung kommen. Nach diesen Grundsätzen wird der Arbeitgeber während des Boewer, in: Münchener Handbuch Arbeitsrecht, § 77 Rdnr. 29; Kalb, Rdnr. 292. Boewer, in: Münchener Handbuch Arbeitsrecht, § 77 Rdnr. 29. 65 BAG, AP Nr. 70 zu Art. 9 GG - Arbeitskampf, BI. 3; Nr. 122 zu Art. 9 GG - Arbeitskampf, BI. 2 verso f. 63
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§ 5 Arbeitskampfrechtliche Stellung der Mitglieder ..Ohne Tarifbindung"
kampfbedingten Arbeitsstillstands von der Vergütungspflicht freigestellt. 66 Voraussetzung ist allerdings, daß die Fernwirkungen des Arbeitskampfs auf diesen zurückstrahlen und das Kräfteverhältnis der Arbeitskampfparteien beeinflussen. Die von den Auswirkungen des Arbeitskampfs betroffenen Arbeitgeber erleiden wirtschaftliche Einbußen. Sie sind daher an einem möglichst schnellen Ende des Arbeitskampfs interessiert und werden die im Arbeitskampf stehenden Arbeitgeber drängen, den gewerkschaftlichen Tarifforderungen nachzugeben. Auf diese Weise verstärkt sich der Druck gegenüber den Arbeitgebern, die den Arbeitskampf führen, was ihre Position in der Auseinandersetzung mit der Gewerkschaft beeinträchtigt.67 Um die Störung der Kampfparität zu verhindern, entbindet das Bundesarbeitsgericht68 die mittelbar kampfbetroffenen Arbeitgeber von der Lohn- und Gehaltszahlungspflicht. Ihnen soll die Motivation genommen werden, die im Arbeitskampf befindlichen Arbeitgeber unter Druck zu setzen. Die Befreiung von der Vergütungspflicht läßt das Gericht aber nicht allen von den Fernwirkungen des Arbeitskampfs erfaßten Arbeitgebern zugute kommen, sondern nur denjenigen, die auf das Verhalten der im Arbeitskampf befindlichen Arbeitgeber Einfluß nehmen können. Diese Voraussetzung sieht das Bundesarbeitsgericht bei wirtschaftlicher Abhängigkeit, wie sie beispielsweise im Konzern vorhanden ist, oder koalitionspolitischen Verbindungen als erfüllt an. Die erste Alternative, die auf die wirtschaftliche Verflechtung abstellt, kann im Rahmen dieser Untersuchung vernachlässigt werden, da sie keine spezifischen Bezüge zur Mitgliedschaft "Ohne Tarifbindung" aufweist. Von größerer Bedeutung erscheint hingegen der zweite Befreiungstatbestand, der an die Verbandszugehörigkeit anknüpft. Das Bundesarbeitsgericht69 geht davon aus, daß den Arbeitgebern durch die koalitionspolitische Verbindung die Möglichkeit zur wechselseitigen Einflußnahme vermittelt wird. Dies ist bei den Mitgliedern "Ohne Tarifbindung" jedoch nicht der Fall. Der Verband ist verpflichtet, sie von der tarif- und arbeitskampfpolitischen Tatigkeit auszuschließen. Diesen Mitgliedern fehlen mithin die verbandsinternen Mittel, um auf die im Arbeitskampf stehenden Arbeitgeber Druck auszuüben. Sie können auf deren Kampfverhalten nicht einwirken, so daß das Kräftegleichgewicht im Arbeitskampf nicht verschoben wird. Somit entfällt ihnen gegenüber der Grund für die Befreiung von der Lohnzahlungspflicht. 66 BAG, AP Nr. 70 zu Art. 9 GG - Arbeitskampf, 3. Leitsatz; Boewer, in: Münchener Handbuch Arbeitsrecht, § 77 Rdnr. 34; Löwisch/Bittner, in: Löwisch, Arbeitskampfrecht, ßI. Rdnr. 3; Seiter, Staatsneutralität, S. 143. 67 BAG, AP Nr. 70 zu Art. 9 GG - Arbeitskampf, BI. 5. 68 AP Nr. 70 zu Art. 9 GG - Arbeitskampf, BI. 6 verso; Nr. 147 zu Art. 9 GG - Arbeitskampf, BI. 2 verso f. (:fJ AP Nr. 70 zu Art. 9 GG - Arbeitskampf, BI. 7.
IV. Gesamtergebnis zu § 5
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Die Mitgliedsarbeitgeber "Ohne Tarifbindung" müssen folglich die Löhne und Gehälter weiterzahlen, wenn ihre Betriebe von den Auswirkungen eines Verbandsarbeitskampfs erfaßt werden und die Produktion beenden müssen. Ihnen kommen die Regeln der Arbeitskampfrisikolehre insoweit nicht zugute. Es bleibt bei dem Grundsatz, daß der Arbeitgeber das betriebstechnische und wirtschaftliche Risiko der Produktion trägt.
IV. Gesamtergebnis zu § 5 Die Mitglieder "Ohne Tarifbindung" können Firmentarifverträge abschließen und Arbeitskämpfe führen. Sie können von der Gewerkschaft mit dem Ziel des Abschlusses eines Firmentarifvertrags bestreikt werden und können den Streik mit der Aussperrung beantworten. Darüber hinaus können sie sich an einer Verbandsaussperrung beteiligen, um die Verhandlungsposition des Verbands in der Tarifauseinandersetzung mit der Gewerkschaft zu stärken. Die Gewerkschaft darf die Unterstützungsaussperrung ihrerseits mit einem Streikaufruf in den Betrieben der Verbandsarbeitgeber "Ohne Tarifbindung" erwidern. Wenn beim verbandsbezogenen Arbeitskampf in den Betrieben der Mitglieder "Ohne Tarifbindung" nicht gestreikt oder ausgesperrt wird, die Produktion aber dennoch infolge der Fernwirkungen des Arbeitskampfs zum Erliegen kommt, bleibt der Lohnanspruch der Arbeitnehmer unverändert erhalten. Die Mitglieder "Ohne Tarifbindung" können die Entgeltzahlung nicht unter Bezugnahme auf die Grundsätze der Arbeitskampfrisikolehre verweigern.
§ 6 Ergebnis der Untersuchung ,,Es knirscht im Gebälk des deutschen Verbände staats", hat Rank in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" 1 festgestellt und auf die zunehmende "Verbandsflucht" verwiesen: Immer mehr Arbeitgeber sehen ihre Interessen durch die Tarifpolitik der Verbände nicht mehr verwirklicht und entschließen sich zum Austritt. Um die weitere Abwanderung zu stoppen, bieten einige Arbeitgebervereinigungen die Mitgliedschaft "Ohne Tarifbindung" an. Die Arbeitgeber in der Mitgliedsgruppe "Ohne Tarifbindung" sollen aus dem Einzugsbereich der Verbandstarifverträge herausgelöst werden. Ihnen soll der Tarifausstieg bei fortgesetzter Verbandszugehörigkeit ermöglicht werden. Aufgrund ihrer durch Art. 9 Abs. 3 Satz 1 GG gewährleisteten Organisationsautonomie sind die Arbeitgeberverbände berechtigt, die Mitgliedschaft "Ohne Tarifbindung" einzurichten. Die Arbeitgeber, die den Status "Ohne Tarifbindung" annehmen, unterliegen nicht den von den Verbänden geschlossenen Tarifverträgen. Ihnen gegenüber entfallen zwei Bedingungen für die Anwendung der Tarifverträge. Zum einen haben sie den Verbänden die zur tarifvertraglichen Normgebung erforderliche Ermächtigung nicht erteilt und sind daher keine tarifgebundenen Mitglieder im Sinne des § 3 Abs. 1 TVG. Zum anderen haben die Verbände sie aus ihrer Tarifzuständigkeit herausgenommen und ihnen gegenüber die Rechtsetzungsflihigkeit abgelegt. Die von den Arbeitgeberverbänden mit der Einschränkung ihrer Tarifzuständigkeit gezogene personelle Grenze der Tarifverträge kann nicht gegen ihren Willen aufgehoben werden. Sie kann weder durch die Allgemeinverbindlicherklärung der Tarifverträge überwunden werden, noch kann die Gewerkschaft die Erweiterung des Zuständigkeitsbereichs streikweise erzwingen. Die verbandsinterne Entscheidung zur Einrichtung der Mitgliedschaft "Ohne Tarifbindung" ist folglich gegenüber der Einwirkung von außen resistent; insofern können die Arbeitgeberverbände ihr eingangs dieser Untersuchung2 erwähntes Ziel erreichen, die tarifunwilligen Mitglieder ohne Einflußnahme der Gewerkschaft aus dem Regelungsbereich der Verbandstarifverträge auszuklammern. Die Verbände müssen aber jede Einwirkungsmöglichkeit der tariffreien Arbeitgeber auf ihre Tarifarbeit ausschließen. Sie müssen sie von der innerverbandlichen Willensbildung in Tarif- und Arbeitskampffragen fernhalten und sie aus der 1 2
Vorn 11. 6.1996, S. 14. Einleitung, S. 17.
§ 6 Ergebnis der Untersuchung
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Finanzierung ihrer tarif- und arbeitskampfbezogenen Tätigkeit herausnehmen. Dies ergibt sich aus ihrer Verpflichtung auf das Demokratiegebot. Die Verbände müssen die Entscheidungsfindung in Tarif- und Arbeitskampfangelegenheiten zugunsten der tarifgebundenen Vollmitglieder nach demokratischen Grundsätzen organisieren. Sie müssen sich eine Binnenverfassung geben, bei der die Willensbildung von den Vollmitgliedern ausgeht und bei der die tarifbezogenen Interessen dieser Mitglieder in den tarif- und arbeitskampfpolitischen Verbandsbeschlüssen möglichst authentisch zum Ausdruck kommen. Dies wäre indes nicht gewährleistet, wenn die Verbände die Einwirkung der Mitglieder "Ohne Tarifbindung" zuließen. Mit der Bereitstellung der Mitgliedschaft "Ohne Tarifbindung" wollen die Arbeitgebervereinigungen ihren von der Tarifpolitik enttäuschten Mitgliedern einen Anreiz bieten, im Verband zu bleiben. Aus diesem Grund eröffnen sie ihnen die Möglichkeit, innerhalb des Verbands den Mitgliedsstatus zu ändern und von der Gruppe der Vollmitglieder zu den Mitgliedern "Ohne Tarifbindung" überzutreten. Wenn ein Arbeitgeber die Mitgliedskategorie allerdings während der Geltungszeit eines Tarifvertrags wechselt, bleibt er analog § 3 Abs. 3 TVG bis zum Ende des Tarifvertrags an diesen gebunden. Er kann sich daher nicht sofort vom Tarifvertrag befreien. Darüber hinaus wird er nach Ablauf des Tarifvertrags analog § 4 Abs. 5 TVG in die Nachwirkung der Tarifnonnen einbezogen. In der Nachwirkungszeit verlieren die Tarifnormen jedoch ihre zwingende Wirkung. Der Arbeitgeber kann sie durch einen Firmentarifvertrag, Betriebsvereinbarungen oder einzelvertragliche Abreden ersetzen. Er kann nun versuchen, die durch den Tarifvertrag bestimmten und vielfach als überhöht angesehenen Leistungen zu reduzieren. Zu diesem Zweck kann er auf der Ebene des Individualvertrags die Änderungskündigung einsetzen. Der Arbeitgeber kann Änderungskündigungen zur Verringerung der Arbeitsentgelte oder zur Verlängerung der Arbeitszeit ohne lohnausgleich aussprechen. Derartige Änderungskündigungen sind nach Maßgabe des Kündigungsschutzrechts jedoch nur zulässig, soweit die angestrebte Einsparung zur Stabilisierung der wirtschaftlichen Situation des Betriebs und zur Abwendung von Entlassungen notwendig ist. Von diesen Voraussetzungen ist er hingegen entbunden, wenn er Betriebsvereinbarungen abschließt. Der Mitgliedsarbeitgeber "Ohne Tarifbindung" kann mit dem Betriebsrat Absprachen über die Vergütungshöhe und die Arbeitsdauer treffen. Die Tarifsperre des § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG steht dem nicht entgegen. Die Vorschrift sichert den Vorrang der Tarifverbände und ihrer Tarifwerke vor konkurrierenden betrieblichen Vereinbarungen. Diesen Schutz können die Verbände jedoch nur beanspruchen, soweit sie ihren Gestaltungsauftrag ausüben. Mit der Einrichtung der Mitgliedschaft "Ohne Tarifbindung" ziehen sich die Arbeitgeberverbände aber
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§ 6 Ergebnis der Untersuchung
kraft eigener Entscheidung aus der tarifvertraglichen Vertretung eines Teils ihrer Mitglieder zurück. Diesen Verbandsangehörigen gegenüber entfallt daher die Rechtfertigung für die Sperre des § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG. Folglich kann der Arbeitgeber Betriebsvereinbarungen über die bisher tarifvertraglich geregelten Angelegenheiten abschließen. Die Entgelthöhe und die Länge der Arbeitszeit kann der Arbeitgeber allerdings nur durch freiwillige Betriebsvereinbarungen mit dem Betriebsrat festsetzen und benötigt somit dessen Zustimmung. Vor diesem Hintergrund stellt sich für den bislang tarifgebundenen, aber tarifmüden Arbeitgeber die Frage, ob er den Verband verläßt oder ihm als Mitglied "Ohne Tarifbindung" treu bleibt. Dieser Arbeitgeber ist bestrebt, sich vom Geltungsanspruch des Tarifvertrags zu lösen, um die Arbeitsbedingungen in einer Art und Weise neu ordnen zu können, die seiner Vorstellung eher gerecht wird. Gemessen an diesem Ziel, versprechen beide Wege nur einen bedingten Erfolg. Der Arbeitgeber wird zwar von den Tarifverträgen, die der Verband in der Zukunft abschließen wird, nicht erfaßt, er bleibt aber an den laufenden Tarifvertrag gebunden. Im Falle des Austritts wird die Tarifgebundenheit durch § 3 Abs. 3 TVG vermittelt, im Falle des Wechsels in die Mitgliedsgruppe "Ohne Tarifbindung" durch die Analogie zu dieser Vorschrift. Er kann die Arbeitsbedingungen jeweils erst nach dem Ende des Tarifvertrags neu fassen, wobei er vom Einverständnis des Betriebsrats oder der einzelnen Arbeitnehmer abhängig ist oder auf die Änderungskündigung zurückgreifen muß, die den strengen Anforderungen des Kündigungsschutzes unterliegt. Der Arbeitgeber kann sich daher durch den Wechsel der Mitgliedsgruppe ebensowenig wie durch den Austritt ohne weiteres der tarifvertraglichen Gestaltung der Arbeitsbedingungen entziehen. Außerdem ist zu bedenken, daß er gemäß § 2 Abs. 1 TVG im vollen Umfang tariffähig ist. Die Gewerkschaft kann von ihm jederzeit den Abschluß eines Firmentarifvertrags verlangen und dessen Zustandekommen durch einen firmenbezogenen Streik erzwingen. Im Unterschied zum ausgetretenen Arbeitgeber muß sie gegenüber dem Mitglied "Ohne Tarifbindung" aber den Ablauf des geltenden Verbandstarifvertrags abwarten, dessen Friedenspflicht dem Arbeitgeber zugute kommt. Dies ist durchaus ein Vorteil, der für die Annahme der Mitgliedschaft "Ohne Tarifbindung" spricht. Dieser Vorteil ist jedoch zeitlich begrenzt auf das Ende des Tarifvertrags und regelmäßig von nur geringer Dauer. Allerdings kann der Arbeitgeber als Mitglied "Ohne Tarifbindung" weiterhin die Rechtsberatung und den sonstigen Service des Verbands in Anspruch nehmen. Beim Austritt besteht diese Möglichkeit hingegen nicht. Fraglich ist aber, ob dies ausreicht, um ihn zum Verbleib im Verband zu motivieren, da ähnliche Dienste auch von Unternehmensberatern und Rechtsanwälten offeriert werden. Der Arbeitgeber kann folglich zwischen mehreren Anbietern auswählen. Er kann sich vom Verband trennen und die Dienstleistungen von dritter Seite beziehen. Er ist nicht mehr auf seinen Verband angewiesen. Dies war anders, solange der Arbeitgeber-
§ 6 Ergebnis der Untersuchung
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verband die exklusive Rolle als Tarifverband gegenüber seinen Mitgliedern wahrgenommen hat. Nunmehr muß sich der Verband dem Wettbewerb stellen. 3 Es bleibt daher abzuwarten, ob die Arbeitgeberverbände mit der Mitgliedschaft "Ohne Tarifbindung" ein adäquates Mittel gefunden haben, um der "Verbandsflucht" entgegenzuwirken.
3
Hank, F.A.Z. vom 22. 9.1997, S. 15.
Anhang
Verband der holz- und kunststotTverarbeitenden Industrie Rheinland-Pfalz e.V. Satzung
§l Name, Sitz und Geschäftsjahr 1. Der Verband führt den Namen Verband der holz- und kunststoffverarbeitenden Industrie Rheinland-Pfalz e.V. im weiteren Text "Verband" genannt. Er ist in das Vereinsregister beim Amtsgericht Ludwigshafen (Rhein) eingetragen. 2. Sitz des Verbandes ist Neustadt an der Weinstraße. 3. Das Geschäftsjahr ist das Kalenderjahr.
§2
Zweck Der Verband bezweckt die Vertretung der gemeinsamen sozialpolitischen und wirtschaftspolitischen Interessen seiner Mitglieder. Er hat insbesondere folgende Aufgaben: a) die Zusammenführung der Mitglieder, Förderung des Erfahrungs- und Informationsaustausches, b) die Vertretung gegenüber der Öffentlichkeit, Behörden und gleichartigen Organisationen, c) die Förderung der gewerblichen Interessen der Mitglieder, d) die Beratung der Mitglieder in Rechtsangelegenheiten von allgemeiner Bedeutung für den Berufsstand, e) die Vertretung vor Arbeits- und Sozialgerichten, f) die Durchführung von Maßnahmen zur Bildung und Berufsbildung,
g) den Abschluß von Tarifverträgen,
188
Anhang
h) die Erhaltung des Arbeitsfriedens und der Solidarität seiner Mitglieder. An Mitglieder, die von einem Arbeitskampf betroffen werden, kann eine finanzielle Unterstützung gemäß besonderen Richtlinien gewährt werden. Der Verband übt keine parteipolitische oder gewerbliche Tätigkeit aus.
§3
Gliederung
Der Verband kann sich räumlich untergliedern, Fachabteilungen bilden und sich mit gleichen oder verwandten Verbänden zusammenschließen. Die Fachabteilungen können sich eine Geschäftsordnung geben, die im Einklang mit der Satzung des Verbandes stehen muß.
§4 Mitgliedschaft
I. Die Mitgliedschaft ist freiwillig. Sie kann in einer der folgenden Formen erworben werden: - Mitgliedschaft mit Verbandstarifbindung
(Mitglied T),
- Mitgliedschaft ohne Verbandstarifbindung
(Mitglied OT),
- Gast-/ Fördermitgliedschaft
(Mitglied Gp).
2. Die Mitgliedschaft T bzw. OT können alle Unternehmer und Unternehmungen (natürliche und juristische Personen) erwerben, die innerhalb des Verbandsgebietes eine industrielle Niederlassung unterhalten oder Arbeitnehmer beschäftigen. Jedes Mitglied hat das Recht, durch Kündigung von einer dieser Mitgliedschaften in die andere zu wechseln. 1 Für mehrere industrielle Niederlassungen des gleichen Arbeitgebers kann eine besondere Mitgliedschaft nur für die Niederlassung erworben werden, welche eine eigene Firma führt. In Ausnahmefällen können auch Unternehmer oder Unternehmungen, die ihren Sitz außerhalb des Verbandsgebietes haben, eine Mitgliedschaft erwerben, wenn der Vorstand dem Aufnahmeantrag mit 3/4 Mehrheit zustimmt. Für die Mitglieder mit Verbandstarifbindung ist der Verband ermächtigt, Verbandstarife abzuschließen. Die Mitglieder ohne Tarifbindung werden von den Verbandstarifen nicht erfaßt. 3. Gast-/Förderrnitglieder können Unternehmer und Unternehmungen (natürliche und juristische Personen) innerhalb oder außerhalb des Verbandsgebietes sein, die entweder den 1 Der kursiv gedruckte Text wurde eingefügt durch Satzungsergänzung und -änderung vom 10. September 1994.
Anhang
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Verband und seine Leistungen kennenlernen wollen und deshalb eine befristete bzw. kurzfristig kündbare Mitgliedschaft erwerben oder aufgrund ihrer geschäftlichen oder wirtschaftlichen Position Beziehungen zu Mitgliedern unterhalten oder an einer Zusammenarbeit mit dem Verband interessiert sind. Eine Verbandstarifbindung für diese Mitglieder entsteht nicht. Gast- / Fördennitglieder zahlen einen Jahresbeitrag, dessen Mindesthöhe vom Vorstand jeweils für ein Jahr festgesetzt wird. 4. Der Aufnahmeantrag ist schriftlich bei der Geschäftsführung des Verbandes einzureichen. Die Aufnahme durch den Vorstand erfolgt erst, wenn die antragstellende Firma die Satzung mit Schiedsgerichtsordnung schriftlich anerkannt und sich verpflichtet hat, alle satzungsgemäßen Weisungen des Verbandes zu befolgen. 5. Der Vorstand kann die Aufnahme ablehnen. Die Ablehnung muß schriftlich erfolgen und begründet werden. Gegen die Ablehnung ist innerhalb von vier Wochen nach Zustellung des Ablehnungsbescheides Einspruch möglich. Die nächste Mitgliederversammlung, zu der der Antragsteller zu laden ist, entscheidet dann endgültig über die Aufnahme unter Ausschluß des Rechtsweges. 6. Die Mitgliedschaft kann mit einer Frist von sechs Monaten zum Ende des Geschäftsjahres gekündigt werden. Bei Kündigung zum Zweck des Wechsels der Mitgliedschaftsform (Ziffer 2) sowie von Gastmitgliedschaften, für die eine verkürzte Kündigungsfrist vereinbart ist (Ziffer 3), beträgt die Kündigungsfrist zwei Wochen zu jedem Termin. Sie kann auf Antrag vom Vorstand verkürzt werden. Ohne Kündigung endet die Mitgliedschaft bei2 Liquidation der Firma sowie bei der Eröffnung des Konkurses. Der Mitgliedsbeitrag ist bis zum Schluß des Geschäftsjahres zu entrichten. Mit dem Ausscheiden erlöschen alle Ansprüche auf ein etwaiges Vermögen des Verbandes. 7. Ein Mitglied kann durch Beschluß des Vorstandes mit sofortiger oder aufschiebender Wirkung aus dem Verband ausgeschlossen werden, wenn es die Zwecke und Interessen des Verbandes gröblich schädigt, insbesondere wenn es sich weigert, die Satzung oder die gemäß der Satzung ergehenden Beschlüsse der Organe oder Ausschüsse des Verbandes zu befolgen, oder wenn es sich trotz Aufforderung weigert, die festgesetzten Beiträge und Umlagen zu zahlen. Dem Mitglied ist vorher Gelegenheit zur Äußerung zu geben. Der Beschluß auf Ausschluß bedarf einer Zweidrittelmehrheit der abgegebenen Stimmen des Vorstandes und der vorherigen Ankündigung auf der Tagesordnung. Gegen den Beschluß kann das betroffene Mitglied innerhalb von vier Wochen nach Zustellung bei der Geschäftsführung schriftlich Einspruch einlegen. Die nächste Mitgliederversammlung entscheidet über den Einspruch. Gegen die Entscheidung der Mitgliederversammlung ist innerhalb von vier Wochen nach Zustellung des Beschlusses weiterer Einspruch möglich. Über den weiteren Einspruch entscheidet das Schiedsgericht gemäß § 13.
2 Der kursiv gedruckte Text wurde eingefügt durch Satzungsergänzung und -änderung vom 10. September 1994.
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Anhang §5
Rechte und Pflichten der Mitglieder 1. Die Mitglieder T und OT sind berechtigt, nach Maßgabe dieser Satzung und der gefaßten Beschlüsse alle Einrichtungen des Verbandes zu nutzen und den Schutz des Verbandes im Rahmen seiner Zuständigkeit zu verlangen. 2. Die Mitglieder mit Verbandstarifbindung wählen aus ihren Reihen den Sozialpolitischen Ausschuß. In Mitgliederversammlungen obliegt die Beschlußfassung über Tariffragen und Arbeitskampfmaßnahmen nur ihnen als Betroffenen. 3. Mitglieder ohne Verbandstarifbindung nehmen am Verbandstarifgeschehen nicht teil. Sie haben dafür Anspruch auf Beratung, Mitwirkung und Vertretung durch den Verband bei Abschluß eines Firmentarifvertrages (Haustarifvertrag). 4. Gast- / Fördermitglieder nehmen am Tarifgeschehen nicht teil. Satzungsgemäße Verbandsleistungen ohne unmittelbaren oder mittelbaren Bezug zum Tarifgeschehen stehen ihnen zu, sofern sie im Verbandsgebiet erbracht werden können. Sie haben das Recht, an allen ordentlichen Mitgliedern offenstehenden Veranstaltungen beratend teilzunehmen. Zu anderen Veranstaltungen können sie vom jeweiligen Vorsitzenden eingeladen werden. Gast- / Fördermitglieder haben kein Stimmrecht. 5. Die Mitglieder sind verpflichtet, die Interessen des Verbandes zu fordern, alle Beschlüsse der satzungsgernäßen Organe zu befolgen, diesen Beschlüssen entgegenstehende Abmachungen mit Arbeitnehmern zu unterlassen, die von dem Verband erbetenen Auskünfte zu erteilen, die Geschäftsführung über alle grundsätzlichen, die Aufgaben des Verbandes berührenden Fragen zu unterrichten sowie die festgesetzten Beiträge und Umlagen zu zahlen. §6
Organe des Verbandes 1. Organe des Verbandes sind
1. die Mitgliederversammlung, 2. der Vorstand. 2. Den Organen des Verbandes darf nicht angehören, wer Mitglied einer Arbeitnehmerorganisation oder von ihr abhängig ist.
§7
Mitgliederversammlung 1. Zur Unterrichtung und Aussprache der Mitglieder sowie zur Beschlußfassung über die satzungsgemäßen Aufgaben beruft der Vorsitzende des Verbandes oder einer der beiden stellvertretenden Vorsitzenden Mitgliederversammlungen schriftlich ein.
Anhang
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Die ordentliche Mitgliederversammlung soll innerhalb von sechs Monaten nach Beginn des Geschäftsjahres stattfinden. 2. Die Mitgliederversammlung hat folgende Aufgaben: a) die Wahl des Vorstandes, der Ausschüsse, Arbeitskreise sowie des Verwaltungsausschusses des Unterstützungsfonds, b) die Genehmigung des Haushaltsvoranschlages, c) die Festsetzung der Höhe und Fälligkeit der Beiträge sowie die Genehmigung von Umlagen, d) die Genehmigung des Jahresabschlusses und die Entlastung von Vorstand und Geschäftsführung, e) die Beschlußfassung über Einsprüche gegen die Ablehnung der Aufnahme und gegen den Ausschluß vom Mitgliedern, f) die Beschlußfassung über die Bildung von Ausschüssen, Arbeitskreisen und räumlichen oder fachlichen Untergliederungen sowie über den Zusammenschluß mit anderen Verbänden,
g) die Beschlußfassung über Arbeitskampfmaßnahmen, h) die Beschlußfassung über Satzungsänderungen und die Auflösung des Verbandes. 3. Das Stimmrecht kann vom Firmeninhaber, Vorstandsmitgliedern und Geschäftsführern von juristischen Personen sowie Prokuristen und Leitern von Zweigbetrieben ausgeübt werden. Mitglieder, die an der Teilnahme an der Mitgliederversammlung verhindert sind, können sich von einem anderen Mitglied durch schriftliche Vollmacht vertreten lassen. Ein Mitglied kann jedoch höchstens drei weitere Mitglieder vertreten. Jedes Mitglied T und OT hat eine Stimme. Die Mehrheit der abgegebenen Stimmen entscheidet. Bei Stimmengleichheit gilt der Antrag als abgelehnt. Die Form der Abstimmung bestimmt jeweils die Mitgliederversammlung. Schriftliche Abstimmungen sind zulässig. 4. Die Wahl des Sozialpolitischen Ausschusses sowie die Beschlußfassung über Arbeitskampfrnaßnahmen erfolgt ausschließlich durch die Mitglieder mit Verbandstarifbindung (§ 5 Ziff. 2 der Satzung). 5. Über jede Mitgliederversammlung ist eine Niederschrift anzufertigen, die der Versammlungsleiter und der Geschäftsführer unterzeichnen.
§8 Vorstand
1. Der Verband wird von einem Vorstand geleitet, der aus mindestens sechs, höchstens jedoch 12 Mitgliedern besteht. Die Vorstandsmitglieder werden auf die Dauer von vier Jahren gewählt.
Anhang
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2. Der Vorstand wählt aus seiner Mitte einen Vorsitzenden, zwei stellvertretende Vorsitzende und einen Schatzmeister. 3. Gesetzlicher Vertreter im Sinne des § 26 BGB ist der Vorstand gemeinsam. Der Vorsitzende oder einer der beiden stellvertretenden Vorsitzenden kann den Verband auch allein vertreten. Dem Verband gegenüber sind sie an die Beschlüsse des Vorstandes und der Mitgliederversammlung gebunden. 4. Der Vorstand hat folgende Aufgaben: a) die Vertretung des Verbandes, b) die Ausführung der von der Mitgliederversammlung und den Ausschüssen gefaßten Beschlüsse, c) die Bestellung der Geschäftsführer, d) die Aufnahme und den Ausschluß von Mitgliedern, e) die Aufstellung des Haushaltsplanes, f) die Erledigung aller sonstigen Angelegenheiten, soweit sie nicht durch gesetzliche
Vorschriften oder Satzungsbestimmungen der Mitgliederversammlung vorbehalten sind. 5. Der Vorstand übt seine Tätigkeit ehrenamtlich aus. Er hat die Geschäfte unparteiisch zu führen und dienstlich ihm bekanntwerdende Geschäftsgeheimnisse gegenüber jedermann geheimzuhalten. 6. Der Vorsitzende oder einer der stellvertretenden Vorsitzenden beruft die Vorstandssitzung ein. Der Vorstand ist beschlußfähig, wenn mindestens die Hälfte der Mitglieder anwesend ist. Die Beschlüsse werden mit einfacher Mehrheit gefaßt. Bei Stimmengleichheit entscheidet die Stimme des Vorsitzenden. In besonderen Fällen kann auf Antrag schriftlich abgestimmt werden. 7. Über jede Sitzung ist eine Niederschrift anzufertigen, die der Sitzungsleiter und der Geschäftsführer unterzeichnen. 8. Der Schatzmeister verwaltet zusammen mit dem Geschäftsführer unter Aufsicht des Vorstandes das Vermögen des Verbandes.
§9
Ausschüsse und Arbeitskreise I. Sozialpolitischer Ausschuß Die Mitgliederversammlung hat einen Sozialpolitischen Ausschuß zu wählen, der aus mindestens 10 Mitgliedern besteht. Darüber hinaus sind die Vorstandsmitglieder kraft Amtes ebenfalls Mitglieder des Sozialpolitischen Ausschusses. Die Mitglieder werden auf vier Jahre gewählt. Für während der Wahlperiode ausscheidende Mitglieder kooptiert der Ausschuß aus dem Kreis der Mitgliedsfirmen mit Taritbindung Ersatzmitglieder.
Anhang
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Vorstandsmitglieder aus Firmen, die eine Mitgliedschaft ohne Verbandstaritbindung unterhalten, haben im Sozialpolitischen Ausschuß kein Stimmrecht und nehmen an seinen Sitzungen nur mit beratender Stimme teil. Der Sozialpolitische Ausschuß kann aus dem Kreis der Mitglieder ohne Verbandstaritbindung weitere Ausschußmitglieder kooptieren, die ohne Stimmrecht an seinen Sitzungen beratend teilnehmen. Den Vorsitz im Sozialpolitischen Ausschuß führt ein vom Vorstand gewähltes Vorstandsmitglied, das dem Kreis der Mitglieder mit Verbandstaritbindung angehören muß. In seiner Vertretung oder wenn ein solches Vorstandsmitglied nicht bestellt wird, obliegt diese Aufgabe dem Geschäftsführer des Verbandes. Der Sozialpolitische Ausschuß ist für alle Verbandstariffragen zuständig. Er wählt aus seinen Reihen von den Mitgliedern aus Firmen mit Verbandstaritbindung die Tarifkommission, welche die Tarifverhandlungen führt und Tarifverträge abschließt. 2. Weitere Ausschüsse Zur Bearbeitung besonderer Aufgaben kann die Mitgliederversarnmlung weitere Ausschüsse oder Arbeitskreise bilden. In ihnen sollen die einzelnen Fachabteilungen angemessen vertreten sein. 3. Geschäftsordnung Die Ausschüsse oder Arbeitskreise können sich eine Geschäftsordnung geben, die im Einklang mit der Satzung des Verbandes stehen muß.
§JO Geschärtsrlihrung 1. Der Vorstand bestellt einen oder mehrere Geschäftsführer, die nach seinen Weisungen die laufenden Geschäfte zu erledigen haben. 2. Der bzw. die Geschäftsführer haben die Geschäfte unparteiisch zu führen und dienstlich bekanntwerdende Geschäftsgeheimnisse gegen jedermann geheimzuhalten. 3. Der bzw. die Geschäftsführer werden für die Geschäfte der laufenden Verwaltung und den Abschluß von Anstellungsverträgen, soweit die hierfür erforderlichen Mittel in dem jeweiligen Haushaltsplan vorgesehen sind, zum besonderen Vertreter nach § 30 BGB bestellt.
§ll Beiträge I. Die Mitgliederversarnmlung stellt den Haushaltsplan fest und beschließt die Höhe und Fälligkeit der Beiträge. Mitglieder, die die zur Beitragsfestsetzung erforderlichen Angaben nicht fristgemäß durch Rücksendung des jeweiligen Erhebungsbogens machen, werden vom Vorstand mit bindender Wirkung veranlagt. 13 Moll
Anhang
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2. Die Mitgliederversammlung kann zu besonderen Zwecken außerordentliche Umlagen beschließen. § 12
Satzungsänderungen und Auflösung des Verbandes 1. Beschlüsse über Satzungsänderungen, die Auflösung des Verbandes und die Verwendung des Verbandsvermögens müssen mit einer Dreiviertelmehrheit der in der beschlußfassenden Versammlung vertretenen Stimmen gefaßt werden.
2. Über die Auflösung des Verbandes und die Verwendung des Verbandsvermögens bei der Auflösung kann eine Mitgliederversammlung nur dann beschließen, wenn mindestens die Hälfte aller Mitgliederstimmen in der Versammlung vertreten ist. Kommt bei ordnungsgemäßer Einladung eine beschlußfähige Mitgliederversammlung nicht zustande, so kann der Vorsitzende innerhalb von zwei Wochen eine zweite Versammlung einberufen, die ohne Rücksicht auf die Zahl der vertretenen Stimmen beschlußfähig ist. 3. Bei der Auflösung des Verbandes haben die Mitglieder ihre etwa noch schwebenden Verbindlichkeiten gegenüber dem Verband zu erfüllen.
§J3
Gerichtsstand und Schiedsgericht Gerichtsstand ist Neustadt an der Weinstraße. Über alle Rechtsstreitigkeiten des Vorstandes gegen die Mitglieder oder umgekehrt, ausgenommen Beitragsangelegenheiten, entscheidet unter Ausschluß des ordentlichen Rechtsweges ein Schiedsgericht, über das im Anhang besondere Bestimmungen 3 getroffen sind.
§ 14 Inkrafttreten Diese Satzungsänderung vom 29. Juni 1990 ergänzt die Satzung vom 26. August 1946, ergänzt bzw. geändert am 14. Juni 1978 und 15. Juni 1984. Sie tritt sofort in Kraft.
Neustadt an der Weinstraße, den 29. Juni 1990
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Vom Abdruck wird abgesehen.
Verband der Nord-Westdeutschen Textilindustrie e.V. Münster Satzung In der Fassung vom 2. März 1994
§l Name, Sitz und Geschäftsjahr 1. Der Verband der Nord-Westdeutschen Textilindustrie ist die auf freiwilligem Zusarnrnenschluß beruhende Vereinigung von Unternehmen der Textilindustrie in den Ländern (Landesteilen) Bremen, Niedersachsen, Hamburg, Schleswig-Holstein und Westfalen (einschließlich Ortsteil Dingden - Gemeinde Harnrninkeln im Reg.-Bezirk Düsseldorf).
2. Er ist ein rechtsfähiger Verein. Seine Dauer ist nicht beschränkt. 3. Sein Sitz ist Münster/Westfalen.
4. Das Geschäftsjahr ist das Kalenderjahr.
§2
Zweck und Aufgaben des Verbandes I. Der Verband ist ein Wirtschafts- und Arbeitgeberverband. Er hat vor allem folgende Aufgaben: - auf wirtschaftspolitischem Gebiet die gemeinsamen wirtschaftlichen, fachlichen und technischen Interessen der Textilindustrie auf berufs ständischer Ebene zu erarbeiten, zusammenzufassen, zu fördern und zu vertreten; - auf sozial- und gesellschaftspolitischem Gebiet die gemeinsamen berufsständischen Interessen der Mitglieder in allen das Verhältnis der Arbeitgeber zu den Arbeitnehmern und deren Organisationen betreffenden Fragen zu wahren und diese Interessen auch in den vorgesehenen Verfahren zu vertreten. Der Verband schließt - außer im Fall der Mitgliedschaft gemäß § 3 Ziffer 4 - die Tarifverträge mit den Organisationen der Arbeitnehmer zur Regelung von Arbeitsbedingungen und unterstützt seine Mitglieder bei der Durchführung. 2. Der Verband beschränkt sich auf die Wahrnehmung berufsständischer Interessen seiner Mitgliedsfirmen. Seine Tätigkeit ist nicht auf einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb gerichtet. Der Verband verfolgt keine parteipolitischen Zwecke. 13·
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Anhang
3. Der Verband soll auch Maßnahmen der Aus-, Fort- und Weiterbildung sowie der Öffentlichkeitsarbeit im Interesse der von ihm vertretenen Firmen fordern oder selbst durchführen.
4. Der Verband kann sich mit anderen Verbänden oder Vereinigungen zusammenschließen.
§3
Voraussetzungen der Mitgliedschaft 1. Die Mitgliedschaft ist freiwillig. Mitglied kann jede in Bremen, Niedersachsen, Hamburg, Schleswig-Holstein und Westfalen (einschI. Ortsteil Dingden der Gemeinde Hamminkeln im Reg.-Bezirk Düsseldorf) ansässige Firma mit textil industrieller oder verwandter Fertigung werden. 2. Mit erfaßt werden Nebenbetriebe aller Art im Verbandsgebiet einschI. des Verwaltungsbereiches sowie Abteilungen oder Betriebe mit Ersatz- oder Ergänzungsfertigung, sofern sie in ein Textilunternehmen eingegliedert sind oder einem Unternehmen der Textilindustrie rechtlich oder tatsächlich verbunden sind oder angehören, mögen sie an sich auch zu einem anderen Gewerbe oder Verwaltungsbereich gehören. Darüber hinaus können auch andere Firmen als Mitglieder aufgenommen werden, wenn dies im textilen Interesse liegt (z. B. Anwendung der Textiltarife). Der Vorstand entscheidet bei Meinungsverschiedenheiten über die Abgrenzungen abschließend. 3. Betreibt ein Unternehmen im Verbandsbereich mehrere Textilfrrmen, so kann das Unternehmen - falls solche Firmen nicht selbst Mitglied des Verbandes sind oder werden - nur mit diesen Firmen insgesamt dem Verband beitreten oder angehören. In Zweifelsfällen entscheidet der Vorstand endgültig. 4. a) Darüber hinaus sind Gastmitgliedschaften möglich, wenn sie im allgemeinen textilen Interesse sind. Auch Textilunternehmen mit Sitz im EG-Raum können Gastmitglieder werden. "Gastmitglieder können an allen Veranstaltungen des Verbandes - ausgenommen sind jedoch Sitzungen der Organe gern. § 7 der Satzung - teilnehmen. Das Recht auf Teilnahme an der Mitgliederversammlung ohne Stimmrecht bleibt hiervon unberührt." Über die Aufnahme eines Gastmitgliedes ist im Einvernehmen mit dem Vorstand zu entscheiden, der dazu weitere Voraussetzungen festlegen kann. b) Im Einzelfall kann bei Vorliegen besonderer Gründe (z. B. Anpassung an die gültigen Tarifverträge oder bei Vorliegen wirtschaftlicher Schwierigkeiten) eine Mitgliedschaft ohne Bindung an die vom Verband geschlossenen Tarifverträge begründet werden. Über die Aufnahme ist im Einvernehmen mit dem Vorstand zu entscheiden, der weitere Voraussetzungen (z. B. Befristungen) hierzu festlegen kann. Unter den gleichen Voraussetzungen ist auch ein Wechsel von einem Mitgliederstatus mit Tarifbindung in einen solchen ohne Tarifbindung möglich. § 4 Ziffer 3 und 5 gelten entsprechend. Mitglieder ohne Tarifbindung haben bei der Beschlußfassung über Tariffragen kein Stimmrecht.
Anhang
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Sie haben keinen Anspruch auf finanzielle Unterstützung bei Arbeitskämpfen. Ihr Beitrag richtet sich nach den allgemeinen Beschlüssen.
§4
Erwerb und Beendigung der Mitgliedschaft
1. Ein Aufnahmeantrag ist schriftlich an den Verband zu richten. 2. Die Aufnahme als Mitglied wird durch die Geschäftsflihrung nach vorheriger Rücksprache mit dem Vorsitzenden bzw. bei Verhinderung mit einem stellvertretenden Vorsitzenden bestätigt. Der Vorsitzende kann mit Zustimmung des Vorstandes die Aufnahme ablehnen. 3. Jedes Mitglied kann seine Mitgliedschaft mit sechsmonatiger Frist durch eingeschriebenen Brief an den Verband zum Jahresende kündigen. 4. Ein Mitglied kann auf Beschluß des Vorstandes wegen Verletzung der Pflichten (§ 6 der Satzung) ausgeschlossen werden. Gegen diesen Beschluß kann das betroffene Mitglied innerhalb von sechs Wochen durch eingeschriebenen Brief Einspruch erheben. Hierüber entscheidet die nächste ordentliche oder außerordentliche Mitgliederversammlung endgültig. 5. Ausgeschiedene Mitglieder haben ihre Verpflichtungen gegenüber dem Verband zu erfüllen. Sie haben keinen Anspruch auf das Verbandsvermögen.
§5 Rechte der Mitglieder
I. Alle Verbandsmitglieder haben gleiche Rechte. Keine Person oder Firma darf bevorzugt oder benachteiligt werden. Im Fall der Mitgliedschaft ohne Taritbindung gern. § 3 Ziffer 4 gelten die dort festgelegten Einschränkungen. 2. Die Mitglieder haben Anspruch auf Beratung, Auskunft und Unterstützung durch den Verband im Rahmen seiner satzungsgemäßen Aufgaben. Sie haben ferner das Recht, nach Maßgabe der Satzung in den Organen des Verbandes mitzuwirken und Anträge zu stellen (vgl. im übrigen § 3 Ziffer 4).
§6 Pflichten der Mitglieder
1. Die Mitglieder sind an die Satzung und die satzungsgemäß zustande gekommenen Beschlüsse des Verbandes gebunden. Darüber hinaus sollen sie dem Verband jede mögliche Unterstützung bei ErfIillung seiner Aufgaben gewähren.
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2. Die Mitglieder sind insbesondere verpflichtet: a) die satzungsgemäß gefaßten Beschlüsse des Verbandes auszuführen, b) dem Verband die zur Durchführung seiner Aufgaben erforderlichen Auskünfte gewissenhaft und fristgerecht zu erteilen, c) den Verband über wesentliche wirtschafts-·und sozialpolitische Vorgänge zu unterrichten, d) Mitglieder ohne Tarifbindung sind verpflichtet, den Verband bei Verhandlungen und Abschlüssen von Haustarifverträgen hinzuzuziehen und Vertragsbeschlüsse - soweit möglich - mit ihm abzustimmen, e) die festgesetzten Beiträge fristgerecht zu zahlen. 3. Durch ihren Beitritt bevollmächtigen die Mitglieder den Verband, auf sozialpolitischem Gebiet für sie bindende Vereinbarungen und Abreden, insbesondere Tarifverträge, abzuschließen. Überträgt der Verband im Einzelfall Verhandlungen mit Gewerkschaften einern Mitglied, so hat dieses nach seinen Weisungen und Grundsätzen zu handeln. 4. Die Mitglieder verpflichten sich, bei Arbeitskämpfen, die der Verband oder einzelne MitgliedsfInnen mit Billigung des Verbandes führen, solidarisch zusammenzustehen und die vorn Verband beschlossenen Maßnahmen durchzuführen. §7
Organe des Verbandes Die Organe des Verbandes sind: I. Mitgliederversammlung, 2. Hauptausschuß, 3. Vorstand, 4. Geschäftsführung. §8
Mitgliederversammlung Zuständigkeit: 1. Die Mitgliederversammlung regelt die Angelegenheiten des Verbandes, soweit sie nicht vorn Vorstand oder einern anderen Verbandsorgan entschieden werden können, durch Beschlußfassung.
Beschlußfassung: 2. Der Beschlußfassung durch die Mitgliederversammlung unterliegen: a) Wahl des Vorsitzenden, seiner Stellvertreter, des Schatzmeisters sowie der weiteren Vorstandsmitglieder,
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b) Wahl des Hauptausschusses, c) Genehmigung des Geschäftsberichtes, der Jahresrechnung und Erteilung der Entlastung für Vorstand und Geschäftsführung, d) Genehmigung des Haushaltsvoranschlages, e) Festsetzung der ordentlichen und außerordentlichen Mitgliederbeiträge, ggf. der Aufnahmebedingungen und etwaiger sonstiger finanzieller Leistungen, f) Bestellung der Rechnungsprüfer,
g) Änderung der Satzung, h) Beschlußfassung über die Auflösung des Verbandes und über die Verwendung des Verbandsvermögens, i) Entscheidung über Einsprüche gern. § 4 von Mitgliedern gegen Beschlüsse des Vorstandes und gern. § 9 vom Vorsitzenden bzw. seinen Stellvertretern gegen Beschlüsse des Hauptausschusses, j) alle Angelegenheiten, die der Mitgliederversammlung zur Beschlußfassung vom Vorstand oder Hauptausschuß vorgelegt werden. Einberufung der Mitgliederversammlung: 3. Die jährliche ordentliche Mitgliederversammlung findet möglichst in den ersten sechs Monaten des neuen Geschäftsjahres statt. 4. Die Einladung zur Mitgliederversammlung erfolgt schriftlich unter Angabe der Tagesordnung, in der Regel mit einer Frist von 14 Tagen. In eiligen Fallen genügt eine kürzere Einladungsfrist. 5. Teilnahmeberechtigt an der Mitgliederversammlung sind die Inhaber oder gesetzlichen Vertreter der Mitgliedsfinnen sowie zu diesem Zweck bevollmächtigte leitende Angestellte. Vertretung durch schriftlich bevollmächtigte Stimmberechtigte ist zulässig, jedoch können diesen nicht mehr als je 4 Fremdstimmen übertragen werden. 6. Außerordentliche Mitgliederversammlungen werden nach Bedarf oder Verlangen von 10% der Mitglieder einberufen. Die vorstehenden Ziffern gelten entsprechend. Beschlußfassung: 7. Die Mitgliederversammlung ist ohne Rücksicht auf die Zahl der erschienenen Personen beschlußfahig. Auch ohne Versammlung der Mitglieder ist ein Beschluß gültig, wenn die Mehrzahl der Mitglieder ihre Zustimmung zu dem Beschluß schriftlich erklärt. 8. Jedes Mitglied hat eine Stimme (vgl. aber § 3 Ziffer 4). 9. Beschlüsse werden mit einfacher Mehrheit gefaßt. Zu einer Satzungsänderung ist eine Mehrheit von 2/3 der vertretenen Mitgliedsfirmen und zur Auflösung des Verbandes eine Mehrheit von 3/4 aller Mitglieder notwendig. 10. Die Wahl der Vorstandsmitglieder findet durch Stimmzettel statt, falls nicht etwas anderes beschlossen wird. Über die Art anderer Abstimmungen entscheidet die Mjtgliederversammlung auf Zuruf, sofern nicht 10% widersprechen.
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Anhang
11. Über Beschlüsse der Mitgliederversammlung ist eine Niederschrift anzufertigen, die vom Versammlungsleiter und dem protokollierenden Hauptgeschäftsführer zu unterzeichnen und von der nächsten Mitgliederversammlung zu genehmigen ist.
§9
Hauptausschuß 1. Die Mitglieder des Hauptausschusses werden von der Mitgliederversammlung unter angemessener Berücksichtigung regionaler und fachlicher Gesichtspunkte für die Dauer von vier Jahren gewählt. Der Vorstand soll der Mitgliederversarnrnlung Vorschläge für die Wahl der Mitglieder des Hauptausschusses unterbreiten. Für vorzeitig ausgeschiedene Mitglieder kann der Vorstand Ersatzmitglieder bis zur nächsten Mitgliederversammlung berufen.
Die Mitgliedschaft im Hauptausschuß ist ein persönliches Amt. Es ist nicht übertragbar. Auch eine Vertretung ist ausgeschlossen.
2. Im Hauptausschuß sollen die sozial- und wirtschaftspolitischen Belange des Verbandes und seiner Mitglieder erörtert, beraten und aufeinander abgestimmt werden. Er entscheidet in allen Angelegenheiten, soweit nicht die Mitgliederversammlung zuständig ist oder diese vom Hauptausschuß angerufen wird. 3. Der Hauptausschuß beruft und bevollmächtigt die Tarifkommissionen zur Verhandlung und zum Abschluß von Tarifverträgen.
Für regional selbständige Tarifbereiche werden selbständige Tarifkommissionen gebildet.
4. Der Hauptausschuß wird vom Vorsitzenden oder im Fall seiner Verhinderung durch einen stellvertretenden Vorsitzenden des Verbandes geleitet.
5. Gegen Beschlüsse des Hauptausschusses können der Vorsitzende des Verbandes sowie seine Stellvertreter die Mitgliederversammlung anrufen. Der Einspruch hat aufschiebende Wirkung. Der Hauptausschuß kann selbst die Entscheidung der Mitgliederversammlung herbeiführen.
6. Über das Verfahren bei der Einberufung des Hauptausschusses gilt § 8 der Satzung entsprechend mit der Maßgabe, daß der Ausschuß nur dann beschlußfähig ist, wenn 51 % der teilnahmeberechtigten Mitglieder vertreten sind. Beschlüsse, die ohne diese Mehrheit gefaßt sind, werden gültig, wenn so viele Mitglieder schriftlich zustimmen, als Stimmen an der erforderlichen Mehrheit von 51 % gefehlt haben. §1O
Vorstand 1. Der Vorstand besteht aus dem Vorsitzenden, bis zu drei Stellvertretern, dem Schatzmeister und bis zu sechs weiteren Vorstandsmitgliedern. Der Vorstand kann für einzelne seiner Mitglieder Aufgabenbereiche, insbesondere für wirtschafts- und sozialpolitische Angelegenheiten, bestimmen.
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Bei der Wahl der Vorstandsmitglieder sind regionale Gesichtspunkte angemessen zu berücksichtigen. Mindestens ein stellvertretender Vorsitzender und mindestens ein weiteres Mitglied des Vorstandes sollen jeweils ihren Sitz in Niedersachsen ! Bremen bzw. Hamburg! Schleswig-Holstein haben, sofern entsprechende Vorschläge bzw. Kandidaturen vorliegen. 2. Die Vorstandsmitglieder werden für die Dauer von zwei Jahren (Kalenderjahre) gewählt. Wiederwahl ist zulässig.
3. Scheidet ein Mitglied des Vorstandes während seiner Amtszeit aus, so kann der Vorstand bis zur Neuwahl durch die nächste Mitgliederversammlung ein Ersatzmitglied bestellen. 4. Dem Vorstand obliegt die Leitung des Verbandes nach Maßgabe der Beschlüsse der Mitgliederversammlung und gemäß den Vorschriften der Satzung. Zwei Mitglieder des Vorstandes vertreten den Verband in allen gerichtlichen und außergerichtlichen Angelegenheiten. 5. Der Vorsitzende oder im Fall der Verhinderung einer seiner Stellvertreter beruft die Sitzungen der Verbandsorgane ein. In den Sitzungen und Verhandlungen führt der Vorsitzende und bei dessen Verhinderung einer seiner Stellvertreter den Vorsitz. Ist kein Mitglied des Vorstandes anwesend, so wählen die Organe aus ihrer Mitte den Leiter der Sitzung bzw. Versammlung.
6. Der Schatzmeister verwaltet das Verbandsvermögen, überwacht die Finanzgebarung und stellt den Haushaltsplan auf. 7. Der Vorstand ist beschlußfahig, wenn mindestens die Hälfte der Mitglieder, darunter der Vorsitzende oder einer seiner Stellvertreter, anwesend ist. 8. In allen wichtigen Angelegenheiten kann der Vorstand bei Gefahr im Verzuge die notwendigen Maßnahmen treffen, die danach dem zuständigen Organ zur Genehmigung vorzulegen sind.
9. Alle Vorstandsmitglieder üben nach Ablauf ihrer Amtszeit ihre Funktion aus, bis eine Neu- bzw. Wiederwahl erfolgt ist. Die Mitglieder der Vorstandes sind zu allen Sitzungen von Verbandsorganen einzuladen.
10. Alle Vorstandsmitglieder sind ehrenamtlich tätig. Erforderliche Auslagen können ersetzt werden. 11. Das Amt eines Vorstandsmitgliedes ist ein persönliches Amt. Es ist nicht übertragbar. Auch eine Vertretung ist ausgeschlossen.
§JJ
Verbandsgeschäftsführung I. Zur Durchführung seiner Aufgaben unterhält der Verband eine Hauptgeschäftsstelle sowie regionale Geschäftsstellen (Landesgeschäftsstellen). 2. Der Vorstand bestellt einen Hauptgeschäftsführer des Verbandes und - soweit erforderlich - Geschäftsführer im Verband.
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Soweit regional (vgl. § 13) ein Vorstand gewählt ist, wird der Geschäftsführer der betreffenden LandesgeschäftssteHe von diesem Vorstand in Abstimmung mit dem Verbandsvorstand besteHt. 3. Der Hauptgeschäftsführer verpflichtet das übrige Personal im Rahmen des Haushaltsplanes. Für die LandesgeschäftssteHen ist deren Geschäftsführer verantwortlich, der die Verpflichtung in Abstimmung mit dem Hauptgeschäftsführer vornimmt. 4. Der Hauptgeschäftsführer hat für die Geschäfte der laufenden Verwaltung und hinsichtlich der ihm zugewiesenen Aufgaben Vertretungsmacht im Sinne des § 30 BGB. 5. Der Hauptgeschäftsführer sowie die Geschäftsführer der LandesgeschäftssteHen nehmen an den Sitzungen der Organe des Verbandes mit beratender Stimme teil. Der Hauptgeschäftsführer hat das Recht, an aHen Sitzungen regionaler Einrichtungen teilzunehmen.
§12 Fach- und Arbeitsausschüsse
Der Vorstand kann je nach Erforderlichkeit zu seiner Beratung oder Entlastung Fach- und Arbeitsausschüsse berufen. §13
Regionale Untergliederungen
I. Auf Landes- oder Tarifbereichsebene können regionale Landesgruppen der dort ansässigen Firmen gebildet werden. 2. Die Landesgruppe kann sich eine eigene Satzung geben, einen eigenen Vorstand wählen und regionale Versammlungen abhalten. Die Satzung ist mit dem Vorstand des Verbandes abzustimmen. 3. Die Versammlung der Landesgruppe dient der Erörterung, Beratung und gegebenenfalIs Beschlußfassung a) von sozialpolitischen und wirtschaftspolitischen Angelegenheiten mit ausschließlich regionalem Interesse, b) über die BesteHung einer regionalen Tarifkommission, c) über die Wahl des Landesgruppenvorstandes und die Benennung der Vorschläge für den Vorstand. § 14 Beiträge
I. Zur Deckung der laufenden Aufwendungen und zur Wahrnehmung der übrigen Verbandsaufgaben erhebt der Verband Beiträge. Die Höhe der Beiträge wird durch die Mitgliederversammlung festgesetzt.
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2. Die Mitglieder sind verpflichtet, die Beiträge zu den festgesetzten Terminen zu begleichen. 3. Zur Überprüfung einer gleichmäßigen und gerechten Beitragserhebung sind alle Mitgliedsfirmen verpflichtet, dem Verband einen Durchschlag der Meldung zuzuleiten, die sie gem. § 741 RVO und der Satzung der Berufsgenossenschaft jährlich nach Ablauf des Geschäftsjahres der Berufsgenossenschaft mit dem Lohn- und Gehaltsnachweis für das abgelaufene Jahr einzureichen haben. 4. Zum Ausgleich außerordentlicher Ausgaben und um insbesondere Firmen, die in Arbeitskämpfe verwickelt werden, das Durchhalten im Interesse der sozialpolitischen Aufgaben des Verbandes zu ermöglichen, können außerordentliche Beiträge und besondere Umlagen von der Mitgliederversammlung beschlossen werden.
§ 15
Satzung'iiänderungen Anträge auf Abänderung der Satzung müssen vom Vorstand empfohlen oder aber von mindestens 10% der Mitglieder gestellt und einen Monat vor ihrer Beratung zur Kenntnis des Vorstandes gebracht werden.
§ 16
Auflösung des Verbandes Bei Auflösung des Verbandes entscheidet die Mitgliederversammlung mit 3/4 Mehrheit der in dieser Versammlung vertretenen Stimmen unter Beachtung der steuerrechtlichen Vorschriften über die Verwendung des Vereinsvermögens.
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Sachwortverzeichnis Änderungskündigung 120 ff., 183 - Ablösung nachwirkender Tarifnonnen 120 f. - außerordentliche 134 ff., 138 - besonderer Kündigungsschutz 139 ff. - Betriebsrat 139, 141 f. - Massenänderungskündigungen 131 ff., 139, 141 - ordentliche 121 ff. - soziale Rechtfertigung 122 ff. - Steigerung der Ertragslage 121 ff. - Verlängerung der Arbeitszeit 137 ff. - Verringerung der Vergütung 121 ff. Allgemeinverbindlicherklärung 30 f., 45, 62, 182 Arbeitgeberverband - Aufnahmezwang 77 - Beitragserhebung 75 ff. - Demokratiegebot 48 ff. - Koalitionsfreiheit 24 ff., 68 f. - tarifvertragliche Rechtsetzungsmacht 21 ff., 59 ff. - Tarifwilligkeit 31 ff. - Tarifzuständigkeit 37 ff. - Verbandsflucht 16, 182 - Vereinsrecht 20 f., 48 f. Arbeitskampf 74 f., 165 ff. - Abwehraussperrung 171, 177 ff. - Arbeitskampffahigkeit 165 ff. - Arbeitskampffonds 57, 78 ff., 82 - Arbeitskampfrisikolehre 179 ff. - Finnentarifvertrag 29, 165 ff., 173, 184 - fortbestehende Tarifgebundenheit 169 ff. - Friedenspflicht 169 ff., 184 - Kampfparität 166, 178 - rechtliche Grundlagen 74 f. - Streik 167 ff., 172 ff. - Streikhilfeabkommen 57 - Sympathiestreik 174 ff. - Tarifautonomie 74f., 165, 173
- Unterstützungsstreik 173 ff. - Verbandsarbeitskampf 172 ff. - Verhandlungsgleichgewicht 80 f., 166 Arbeitsvertragsfreiheit 23 Arbeits- und Sozialgerichte 54, 58 Arbeitszeitgesetz 67 Auskunftsanspruch 30 Auslegung - Methoden der Gesetzesauslegung 18 f. - verfassungskonfonne 65 Betriebsvereinbarungen - Ablösung nachwirkender Tarifnonnen 117, 143 ff., 183 f. - Akkordlohn 149 ff. - Arbeitszeit 155 ff. - betriebliche Lohngestaltung 153 f. - erzwingbare Mitbestimmung 147 ff. - freiwillige 160 ff., 184 - Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats 146 ff. - Prämienlohn 151 ff. - soziale Angelegenheiten 146 - Sperre des § 77 Abs. 3 Satz I BetrVG 112, 143 ff., 183 f. - Tarifüblichkeit 144 ff. - Tarifzuständigkeit 145 f. - Vergütungshöhe 147 ff. Demokratiegebot 48 ff., 183 - Allgemeinverbindlicherklärung 62, 67 - Arbeitskampffonds 57,78 ff., 82 - Arbeitskampfpolitik 74 ff. - Beitragserhebung 75 ff., 82 - betriebliche Tarifnonnen 63 ff. - betriebsverfassungsrechtliche Tarifnormen 63 ff. - Bindung an Mitgliederinteressen 55 ff. - Delegationstheorie 59 f.
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Sachwortverzeichnis
- Gleichbehandlungsgrundsatz 71 f., 76 ff., 81. 85 - innerparteiliche Demokratie 52 ff. - interne Organisationsfreiheit 68 f. - Meinungsfreiheit 53 - Mitgliederversammlung 48 f., 71 f., 81 f., 85 f. - ÖffentIichkeitsbezug der Koalitionen 51 f. - ..Sozialpolitischer Ausschuß" 73 f., 85 f. - Tariffähigkeit 83 ff. - Tarifpolitik 70 ff. - Vereinsrecht 48 f. - Vorstand 48 f., 72 ff. Deutscher Gewerkschaftsbund 42 Firmentarifvertrag 29 f., 41, 57, 77 f., 86, 117, 132 f., 146, 165 ff., 171 ff., 181, 183 f. Flächentarifvertrag 15, 78 Fortbestehende Tarifgebundenheit 87 ff., 106, 183 f. - Änderung des Tarifvertrags 99 ff. - Arbeitskampf 169 ff. - Begrenzung auf den ersten Kündigungstermin 94 f. - beiderseitiger Verbandsaustritt 98 f. - Gewerkschaftsbeitritt 98, 106 - mittelbare Stufentarifverträge 102 ff. - Nachwirkung der Tarifnormen 107 ff. - neueingestellte Arbeitnehmer 98, 106 - unmittelbare Stufentarifverträge 102 ff. - zeitliche Höchstgrenze 95 ff., 106 - Zusatzabkommen 101 f. Gesetzesanalogie 92 Gewerkschaft 16 ff., 26, 29 f., 36, 41 ff., 49 f., 80 f., 85 f., 98, 106, 146, 166 ff., 182, 184 Koalitionsfreiheit 24 ff., 34 ff., 50 f., 68 f., 168,182 - Arbeitskampf 74 f. - Betätigungsfreiheit 25 - Demokratiegebot 68 f. - Gewährleistungsinhalt 25 f. - Grenzen 26 ff., 40 f. - Koalitionsmittelfreiheit 35, 38, 40, 45 - negative 88 ff., 104, 113, 166
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Ordnungsfunktion 26 ff. Organisationsfreiheit 26, 40, 56, 68, 182 Tarifzuständigkeit 38, 40 f. Teilnahmerecht 50 f. zugunsten der Arbeitgeber 24 f.
Mitglieder ..Ohne Tarifbindung" - Abwehraussperrung 171 f., 177 ff. - Arbeitskampf 165 ff. - Arbeitskampfrisiko\ehre 179 ff. - Ausschluß von der Arbeitskampfpolitik des Verbands 75 f., 78 ff., 81 f., 86, 175 ff., 180, 182 f. - Ausschluß von der Tarifpolitik des Verbands 48, 70 ff., 81 f., 86, 175 ff., 180, 182f. - fehlende Tarifgebundenheit 20 ff., 30,47, 182 - Firmentarifvertrag s. dort - Streik 81,168 ff., 172 ff. - Tarifzuständigkeit 39 ff. - zahlenmäßige Begrenzung 46 Mitgliedschaft - Freiwilligkeit 56 ff., 61 - im tarifvertragsrechtlichen Sinne 21 ff. - im vereinsrechtlichen Sinne 20 f. Nachwirkung der Tarifnormen 92, 107 ff., 183 - Änderungskündigung s. dort - Betriebsvereinbarungen s. dort - einze\vertragliche Absprachen 117 ff. - neueingestellte Arbeitnehmer 115 - nichttarifgebundene Arbeitnehmer 115 f. Privatautonomie 22 f., 61, 97 Sozial wahlen 54 Streik 17,41 ff., 81, 165 ff., 184 Stufen tarifverträge 102 ff. Tarifautonomie 25, 30, 58. 74 f., 87, 143, 165 f. Tariffähigkeit 16, 18 f., 31 ff., 44 f., 165 ff. - Begrenzung 36 f., 44 f. - Spitzenorganisationen 32 f. - Tarifwilligkeit 31 ff.
Sachwortverzeichnis - Tarifzuständigkeit 44 f. - Voraussetzungen 84 Fn. 189 Tarifgebundenheit 16, 20 ff., 30, 87 ff., 144 f., 169 ff. Tarifnormen über betriebliche und betriebsverfassungsrechtliche Fragen 63 ff. Tarifvertrag - Arbeitskampf 74 f., 165 ff. - Beendigungstatbestände 93 - Friedenspflicht 27, 169 ff., 184 - Geltungsbereich 16 f., 38, 145 f. - Kündigung 93 ff. - Laufzeit 108, 144
- Ordnungsfunktion 26 ff. Tarifzuständigkeit 16,37 ff., 91 ff., 182 -
Arbeitskampf 41 ff., 45 Begriff37 Betriebsvereinbarungen 144 ff. Koalitionsmittelfreiheit 38 personenbezogene Begrenzung 39 ff. satzungsautonome Festlegung 37 Tariffähigkeit 44 f. Tarifvertrag 38
Zwangsschlichtung 31 f., 74 f.
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