Freiheit ohne Grenzen?: Privatrechtstheoretische Diskussion im 19. Jahrhundert 9783161580253, 3161475763

Die Ansicht, daß die Rechtswissenschaft im 19. Jahrhundert von unbeschränkter individueller Freiheit als Prinzip des Pri

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German Pages 326 [331] Year 2020

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Titel
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
I. Der Mythos von der grundsätzlich unbeschränkten Privatautonomie
1. Das traditionelle Bild des Privatrechtsmodells im 19. Jahrhundert
2. Das Schweigen der Quellen
3. Privatrechtskonzeptionen als Forschungsansatz
II. Perspektiven bisheriger rechtshistorischer Untersuchungen zur Vertragsfreiheit im 19. Jahrhundert
1. Vertragsfreiheit im gesellschaftlichen Kontext
2. Legitimationen von Vertragsfreiheit
3. Vertragsfreiheit und politischer Freiheitsbegriff
4. Dogmengeschichte der Abschluß-, Form- und Inhaltsfreiheit
III. Vertragsfreiheit als Prinzip des Privatrechts
1. Teil: Diskussionen um Prinzipien der Privatrechtsordnung
1. Abschnitt: Altgermanische Freiheit – ein Prinzip für die Privatrechtsordnung? Germanistische Konzeptionen der 30er und 40er Jahre
I. Die Germanisten und der Grundsatz ›Freiheit‹
1. Freiheit als Prinzip des deutschen Privatrechts?
2. Diskrepanzen zwischen politischen und juristischen Forderungen
II. Autonomie als Prinzip des Privatrechts
1. Puchtas Kennzeichnung der Autonomie als Ausdruck individueller Freiheit
2. ›Privatautonomie‹ in der Definition Wildas
3. Autonomie als Grundsatz des Privatrechts bei Pfizer
III. Deutsche Freiheit als Prinzip des Privatrechts
1. Beseler: Prinzipien der germanischen Freiheit
2. Schmid: Rechtliche und politische Prinzipien
3. Bornemann: Christlich-deutsche Prinzipien
4. Gerber: Freie Willensbestimmung als privatrechtliches Prinzip
IV. Zusammenfassung
2. Abschnitt: Der prinzipielle Unterschied zwischen römischem und deutschem Recht. Die Debatte in den 50er Jahren
I. C.A. Schmidt: Schrankenlose oder durch Sittengesetz beschränkte Freiheit
1. Die Fundamentalprinzipien ›Subjektivität‹ und ›Objektivität‹
2. Drei Modelle für die Rechtsordnung
3. Konsequenzen für die Gestaltung des Privatrechts
a. Rechtsgleichheit und Rechtsfähigkeit
b. Subjektive Rechte
c. Obligationenrecht
4. Bewertung der Prinzipien
II. Lenz: Unbeschränkte Freiheit als Prinzip
III. Jhering: Objektiver Freiheitsgehalt der Rechtsinstitute als Schranke für die Privatautonomie
1. Systeme der Freiheit und Unfreiheit
2. Individuelle Freiheit und ihre Grenzen
IV. Röder: Das materiale Prinzip des Rechts als Maßstab für den Umfang individueller Freiheit
1. Das materiale Prinzip des Rechts
2. Einzelfreiheit und Gesellschaftsordnung
V. Zusammenfassung
3. Abschnitt: Prinzipien der Privatrechtsordnung und Nationalökonomie. Die Diskussion in den 60er und 70er Jahren
I. Prinzipien des römischen Rechts und ökonomische Grundsätze
II. Die Prinzipiendebatte in der Nationalökonomie
1. Zur Situation
2. Prince-Smith: Unbeschränkte Freiheit als Prinzip
3. Böhmert: Freiheit als Grundregel
4. Oppenheim: Freiheit als Grundregel
5. Roscher: Präsumtion für die Freiheit
6. Schmoller: Freiheitsfragen als Bildungsfragen
7. Wagner: Bedingungen des wirtschaftlichen Gemeinschaftslebens als Maßstab
a. Volkswirtschaft und Recht
b. Sozialrechtliche Auffassung statt Individualismus
c. Das »zwangsgemeinwirtschaftliche« System
8. Zusammenfassung der ökonomischen Prinzipiendebatte
III. Lassalles Privatrechtskonzeption: Einheit zwischen Willensfreiheit und Willensgemeinschaft
1. Produktivassoziationen mit Staatskredit als Grundsatz der Wirtschaftsordnung
2. Die Privatrechtsordnung
a. Prinzipien des Privatrechts
b. Die Entwicklung der Privatrechtsordnung
c. Das Eigentumsrecht und seine Zukunft
IV. Reaktionen auf die ökonomische Debatte bei Juristen
1. Arnold: Freiheit als relatives Prinzip
2. Jhering: Freiheit und Gemeinschaftsinteresse
3. Gierke: Individuelle Freiheit innerhalb von Gemeinschaften
a. Herrschaftsverbände und Genossenschaften
b. Genossenschaften und individuelle Freiheit
c. Staatshilfe für Genossenschaften
d. Das Prinzip der wirtschaftlichen Assoziation
4. Roesler: Privatrecht und soziales Verwaltungsrecht
5. Gareis: Freiheit im Kulturrechtsstaat
a. Freiheit als Grundsatz des Kulturrechtsstaats
b. Freiheit durch Willküreinschränkung
6. Zusammenfassung
4. Abschnitt: Vertragsfreiheit als Prinzip im ersten Entwurf eines Bürgerlichen Gesetzbuchs für das deutsche Reich. Die Diskussion Ende der 80er Jahre
I. Menger: Ablehnung prinzipieller Vertragsfreiheit im Interesse der besitzlosen Volksklassen
1. Prinzipien eines sozialistischen Vermögensrechts
2. Kritik am geltenden Privatrecht
II. Gierke: Immanente Schranken individueller Freiheit
1. Germanisches contra römisches Recht
2. Beschränkungen der Vertragsfreiheit
III. Baron: Freiheit als Prinzip
IV. Zusammenfassung
2. Teil: Diskussionen um Prinzipien des Obligationen- und Sachenrechts
1. Abschnitt: Die Diskussion um ungewollte Erklärungen
I. Einleitung
II. Prinzipielle Konzeptionen der Willenstheorie
1. Savigny: Individuelle Freiheit im Rahmen der Verkehrsgemeinschaft
a. Grundsätze der Irrtumslehre
b. Zweck und Wesen des Rechts
2. Jhering: Autonomie und persönliche Verantwortung
3. Windscheid: Autonomie und persönliche Verantwortung
4. Zitelmann: Privatautonomie als ausnahmsloser Grundsatz des Privatrechts
III. Prinzipielle Konzeptionen der Erklärungstheorie
1. Regelsberger: Verkehrssicherheit als Schranke
2. Roever: Natur der Sache als Maßstab
3. Bähr: Verkehrsinteressen als Maßstab
4. Bekker: Verkehrsinteressen als Schranken
5. Hartmann: Verkehrsbedürfnisse und bona fides als Maßstäbe
6. Leonhard: Verkehrsinteressen als Grundsatz
IV. Zusammenfassung
2. Abschnitt: Die Diskussion um das Verhältnis von Wille und Rechtsordnung
I. Einleitung
II. Prinzipien für die gesetzliche Regelung vertraglicher Rechtsfolgen
1. Zitelmann: Die rechtliche Freiheit der Person
2. Kohler: »Interessen der Rechtsordnung«
3. Schlossmann: Vernünftiger Interessenausgleich
4. Lenel: Schutz des Vertrauens
5. Thon: »Das Interesse der Gemeinschaft«
a. Die Imperative de Rechtsordnung
b. Subjektive Rechte als rechtlich geschützte Freiräume
6. Bülow: Der subjektive Wille als »Hilfsglied« der Rechtnormierung
III. Zusammenfassung
3. Abschnitt: Die Diskussion um Macht als Element der Definition von subjektivem Recht und Obligation
I. Einleitung
II. Einzelne Stellungnahmen
1. Savigny: Natürliche Freiheit als Grenze individueller Macht
2. Puchta: Rechtliche Macht und vernünftige Freiheit
3. Brinz: Physische Macht
4. Kuntze: Ideelle Macht der Persönlichkeit
5. Windscheid: Willensmacht in den Grenzen der Rechtsordnung
6. Jhering: Verkehrsinteressen als Grenze der Willensmacht
7. Hartmann: Willensmacht im Rahmen der ethischen Bedeutung des Rechts
8. Sohm: Privatrechtliche Souveränität und »Ohnmacht«
III. Zusammenfassung
4. Abschnitt: Diskussionen um die Grundlagen vertraglicher Verpflichtung
I. Ausführungen zur Stipulation als Kristallisationspunkt für prinzipielle Stellungnahmen zur Privatautonomie
II. Vertrauen als Prinzip des Privatrechts
1. Girtanner: Vertrauen versus Autonomie
2. Liebe: Verletzung als Grundlage vertraglicher Bindung
3. Schlossmann: Schutz des subjektiven Vertrauens
III. Autonomie als Prinzip des Privatrechts
1. Savigny: Die Stipulation als Ausdruck prinzipieller Freiheit
a. Creditum und Willkür
b. Gestaltungsfreiheit als Prinzip
2. Privatautonomie als Legitimationsgrund für abstrakte Verträge
a. Freiheit des subjektiven Willens als Prinzip
b. Freiheit von staatlicher Bevormundung
3. Kuntze: Inhaberschuldverschreibungen als Akt »autonomischer Souveränität«
IV. Zusammenfassung
5. Abschnitt: Diskussionen um Freiheit bei der Gestaltung beschränkter dinglicher Rechte
I. Vertragsfreiheit bei der Begründung beschränkter dinglicher Rechte?
II. Die juristische Debatte
1. Savigny: Eigentumsfreiheit als Grenze der Verfügungsfreiheit
2. Jhering: Eigentumsfreiheit als Grenze der Verfügungsfreiheit
3. Gierke: Vertragsfreiheit als Grundsatz des Sachenrechts
4. Maurenbrecher, Gerber: Prinzipiell freie Begründung von Reallasten
5. Eigentumsfreiheit als Grundsatz des Sachenrechts
III. Die rechtspolitische Debatte
1. Eigentumsfreiheit und Agrarverfassung
2. Die Debatte um innere Kolonisation in Preußen
IV. Die ökonomische Debatte
1. Rodbertus’ Rentenprinzip
2. Das Gegenkonzept von E.I. Bekker
V. Zusammenfassung
Ergebnis: Privatrechtskonzeptionen des 19. Jahrhunderts
I. Freiheit ohne Grenzen
II. Modelle ohne Freiheit als Prinzip
1. Vertrauen als Prinzip des Privatrechts
2. Gemeinschaftsinteressen als Prinzip des Privatrechts
3. Natur der Sache als Gestaltungsprinzip
III. Freiheit in Grenzen
1. Immanent begrenzte Freiheit
2. Freiheit als Regel
a. Gemeinschaftsinteressen als Schranken individueller Freiheit
b. Freiheit als Grundsatz für Freiheitseinschränkungen
Ausblick
Quellen- und Literaturverzeichnis
Personenregister
Sachregister
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Freiheit ohne Grenzen?: Privatrechtstheoretische Diskussion im 19. Jahrhundert
 9783161580253, 3161475763

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JUS P R I V A T U M Beiträge zum Privatrecht Band 53

Sibylle Hofer

Freiheit ohne Grenzen? Privatrechtstheoretische Diskussionen im 19. Jahrhundert

Mohr Siebeck

Sibylle Hofer, geboren 1960; 1981-86 Studium der Rechtswissenschaften in München; 1989 zweites jur. Staatsexamen; 1992 Promotion; 1991-93 Wiss. Assistentin an der Universität Hannover, 1993-98 in Frankfurt/M.; 2000 Habilitation; z. Zt. Privatdozentin an der Universität Frankfurt/M.

Als Habilitationsschrift auf Empfehlung des Fachbereichs Rechtswissenschaft der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt gedruckt mit Unterstützung der Deutschen Forschungsgemeinschaft.

Die Deutsche Bibliothek -

ClP-Einheitsaufnahme

Hofer, Sibylle: Freiheit ohne Grenzen? : privatrechtstheoretische Diskussionen im 19. Jahrhundert / Sibylle Hofer. - 1. Aufl. - Tübingen : Mohr Siebeck, 2001 978-3-16-158025-3 Unveränderte eBook-Ausgabe 2019 (Jus privatum ; 53) ISBN 3-16-147576-3

© 2001 J.C.B. Mohr (Paul Siebeck) Tübingen. Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das Buch wurde von Guide-Druck in Tübingen aus der Times-Antiqua belichtet, auf alterungsbeständiges Werkdruckpapier gedruckt und von der Großbuchbinderei Heinr. Koch in Tübingen gebunden. ISSN 0940-9610

Meinem Lehrer

Prof. Dr. Joachim Rückert

Inhaltsverzeichnis Einleitung

l

I. Der Mythos von der grundsätzlich unbeschränkten Privatautonomie 1. Das traditionelle Bild des Privatrechtsmodells im 19. Jahrhundert 2. Das Schweigen der Quellen 3. Privatrechtskonzeptionen als Forschungsansatz

1 2 4

II. Perspektiven bisheriger rechtshistorischer Untersuchungen zur Vertragsfreiheit im 19. Jahrhundert 1. Vertragsfreiheit im gesellschaftlichen Kontext 2. Legitimationen von Vertragsfreiheit 3. Vertragsfreiheit und politischer Freiheitsbegriff 4. Dogmengeschichte der Abschluß-, Form- und I n h a l t s f r e i h e i t . . . .

5 5 8 9 9

III. Vertragsfreiheit als Prinzip des Privatrechts

1

9

1. Teil:

Diskussionen um Prinzipien der Privatrechtsordnung

13

/. Abschnitt: Altgermanische Freiheit - ein Prinzip für die Privatrechtsordnung? Germanistische Konzeptionen der 30er und 40er Jahre

15

I. Die Germanisten und der Grundsatz >Freiheit< 1. Freiheit als Prinzip des deutschen Privatrechts? 2. Diskrepanzen zwischen politischen und juristischen Forderungen II. Autonomie als Prinzip des Privatrechts 1. Puchtas Kennzeichnung der A u t o n o m i e als Ausdruck individueller Freiheit 2. >Privatautonomie< in der Definition Wildas 3. Autonomie als Grundsatz des Privatrechts bei Pfizer III. Deutsche Freiheit als Prinzip des Privatrechts 1. Beseler: Prinzipien der germanischen Freiheit

15 15 19 23 25 26 29 32 32

Vili

Inhaltsverzeichnis

2. Schmid: Rechtliche und politische Prinzipien 3. B o r n e m a n n : Christlich-deutsche Prinzipien 4. G e r b e r : Freie Willensbestimmung als privatrechtliches Prinzip . .

37 41 44

IV. Z u s a m m e n f a s s u n g

47

2. Abschnitt: D e r prinzipielle Unterschied zwischen römischem und deutschem Recht. Die D e b a t t e in den 50er Jahren

49

I. C. A. Schmidt: Schrankenlose oder durch Sittengesetz beschränkte Freiheit 1. Die Fundamentalprinzipien >Subjektivität< und >Objektivität< . . . 2. Drei Modelle für die Rechtsordnung 3. Konsequenzen für die Gestaltung des Privatrechts a. Rechtsgleichheit und Rechtsfähigkeit b. Subjektive Rechte c. Obligationenrecht 4. Bewertung der Prinzipien II. Lenz: U n b e s c h r ä n k t e Freiheit als Prinzip

50 50 51 53 54 54 55 56 58

III. Jhering: Objektiver Freiheitsgehalt der Rechtsinstitute als Schranke für die Privatautonomie 1. Systeme der Freiheit und Unfreiheit 2. Individuelle Freiheit und ihre G r e n z e n

61 62 63

IV. Röder: D a s materiale Prinzip des Rechts als Maßstab für den Umfang individueller Freiheit 1. Das materiale Prinzip des Rechts 2. Einzelfreiheit und Gesellschaftsordnung

66 66 69

V. Zusammenfassung 3. Abschnitt: Prinzipien der Privatrechtsordnung und Nationalökonomie. Die Diskussion in den 60er und 70er Jahren I. Prinzipien des römischen Rechts und ökonomische G r u n d s ä t z e . . . . II. Die Prinzipiendebatte in der Nationalökonomie 1. Z u r Situation 2. Prince-Smith: U n b e s c h r ä n k t e Freiheit als Prinzip 3. Böhmert: Freiheit als Grundregel 4. O p p e n h e i m : Freiheit als Grundregel 5. Roscher: Präsumtion für die Freiheit 6. Schmoller: Freiheitsfragen als Bildungsfragen

72

74 74 77 78 80 81 83 84 86

Inhaltsverzeichnis

IX

7. Wagner: Bedingungen des wirtschaftlichen Gemeinschaftslebens als Maßstab

90

a. Volkswirtschaft und Recht b. Sozialrechtliche Auffassung statt Individualismus c. D a s »zwangsgemeinwirtschaftliche« System

8. Zusammenfassung der ökonomischen Prinzipiendebatte III. Lassalles Privatrechtskonzeption: Einheit zwischen Willensfreiheit und Willensgemeinschaft 1. Produktivassoziationen mit Staatskredit als Grundsatz der Wirtschaftsordnung 2. Die Privatrechtsordnung a. Prinzipien des Privatrechts b. Die Entwicklung der Privatrechtsordnung c. D a s Eigentumsrecht und seine Z u k u n f t

IV. Reaktionen auf die ökonomische D e b a t t e bei Juristen 1. Arnold: Freiheit als relatives Prinzip 2. Jhering: Freiheit und Gemeinschaftsinteresse 3. Gierke: Individuelle Freiheit innerhalb von Gemeinschaften . . . . a. b. c. d.

H e r r s c h a f t s v e r b ä n d e und G e n o s s e n s c h a f t e n G e n o s s e n s c h a f t e n und individuelle Freiheit Staatshilfe für Genossenschaften D a s Prinzip der wirtschaftlichen Assoziation

4. Roesler: Privatrecht und soziales Verwaltungsrecht 5. Gareis: Freiheit im Kulturrechtsstaat a. Freiheit als G r u n d s a t z des Kulturrechtsstaats b. Freiheit durch Willküreinschränkung

6. Zusammenfassung 4. Abschnitt: Vertragsfreiheit als Prinzip im ersten Entwurf eines Bürgerlichen Gesetzbuchs für das deutsche Reich. Die Diskussion E n d e der 80er Jahre I. Menger: A b l e h n u n g prinzipieller Vertragsfreiheit im Interesse der besitzlosen Volksklassen 1. Prinzipien eines sozialistischen Vermögensrechts 2. Kritik am geltenden Privatrecht II. Gierke: I m m a n e n t e Schranken individueller Freiheit 1. Germanisches contra römisches Recht 2. Beschränkungen der Vertragsfreiheit

90 92 95

98 99 99 102 102 104 106

107 108 111 115 117 119 121 121

122 126 127 128

130

132 134 135 139 141 143 145

III. Baron: Freiheit als Prinzip

148

IV. Zusammenfassung

152

X

Inhaltsverzeichnis

2. Teil:

Diskussionen um Prinzipien des Obligationen- und Sachenrechts

155

1. Abschnitt: Die Diskussion um ungewollte Erklärungen

157

I. Einleitung II. Prinzipielle Konzeptionen der Willenstheorie 1. Savigny: Individuelle Freiheit im Rahmen der Verkehrsgemeinschaft a. Grundsätze der Irrtumslehre b. Zweck und Wesen des Rechts

2. Jhering: Autonomie und persönliche Verantwortung 3. Windscheid: Autonomie und persönliche Verantwortung 4. Zitelmann: Privatautonomie als ausnahmsloser Grundsatz des Privatrechts

157 158 158 159 161

163 167 169

III. Prinzipielle Konzeptionen der Erklärungstheorie 1. Regelsberger: Verkehrssicherheit als Schranke 2. Roever: Natur der Sache als Maßstab 3. Bahr: Verkehrsinteressen als Maßstab 4. Bekker: Verkehrsinteressen als Schranken 5. Hartmann: Verkehrsbedürfnisse und bona fides als Maßstäbe . . . 6. Leonhard: Verkehrsinteressen als Grundsatz

173 173 175 177 178 180 181

IV. Zusammenfassung

184

2. Abschnitt: Die Diskussion um das Verhältnis von Wille und Rechtsordnung

186

I. Einleitung II. Prinzipien für die gesetzliche Regelung vertraglicher Rechtsfolgen . 1. Zitelmann: Die rechtliche Freiheit der Person 2. Kohler: »Interessen der Rechtsordnung« 3. Schlossmann: Vernünftiger Interessenausgleich 4. Lenel: Schutz des Vertrauens 5. Thon: »Das Interesse der Gemeinschaft« a. Die Imperative de Rechtsordnung b. Subjektive Rechte als rechtlich geschützte Freiräume

6. Bülow: Der subjektive Wille als »Hilfsglied« der Rechtnormierung III. Zusammenfassung

186 187 187 188 191 193 195 195 197

201 204

Inhaltsverzeichnis

3. Abschnitt: D i e Diskussion um Macht als E l e m e n t d e r D e f i n i t i o n von s u b j e k t i v e m R e c h t u n d Obligation I. Einleitung II. Einzelne S t e l l u n g n a h m e n 1. Savigny: Natürliche Freiheit als G r e n z e individueller M a c h t 2. Puchta: R e c h t l i c h e Macht und v e r n ü n f t i g e Freiheit 3. Brinz: Physische Macht 4. Kuntze: Ideelle Macht der Persönlichkeit 5. Windscheid: Willensmacht in d e n G r e n z e n der R e c h t s o r d n u n g .. 6. Jhering: Verkehrsinteressen als G r e n z e d e r Willensmacht 7. H a r t m a n n : Willensmacht im R a h m e n d e r ethischen B e d e u t u n g des R e c h t s 8. Sohm: Privatrechtliche Souveränität u n d » O h n m a c h t «

XI

205 205 206 206 209 211 213 216 218 221 222

III. Z u s a m m e n f a s s u n g

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4. Abschnitt: tung

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D i s k u s s i o n e n um die G r u n d l a g e n vertraglicher Verpflich-

I. A u s f ü h r u n g e n zur Stipulation als Kristallisationspunkt f ü r prinzipielle S t e l l u n g n a h m e n zur P r i v a t a u t o n o m i e II. V e r t r a u e n als Prinzip des Privatrechts 1. G i r t a n n e r : V e r t r a u e n versus A u t o n o m i e 2. Liebe: Verletzung als G r u n d l a g e vertraglicher B i n d u n g 3. Schlossmann: Schutz des subjektiven V e r t r a u e n s III. A u t o n o m i e als Prinzip des Privatrechts 1. Savigny: D i e Stipulation als A u s d r u c k prinzipieller Freiheit a. C r e d i t u m und Willkür b. Gestaltungsfreiheit als Prinzip

2. P r i v a t a u t o n o m i e als Legitimationsgrund f ü r a b s t r a k t e V e r t r ä g e . a. Freiheit des subjektiven Willens als Prinzip b. Freiheit von staatlicher B e v o r m u n d u n g

3. Kuntze: I n h a b e r s c h u l d v e r s c h r e i b u n g e n als A k t » a u t o n o m i s c h e r Souveränität«

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240 241 245

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IV. Z u s a m m e n f a s s u n g

248

5. Abschnitt: D i s k u s s i o n e n um Freiheit bei d e r G e s t a l t u n g b e s c h r ä n k t e r dinglicher R e c h t e

250

I. Vertragsfreiheit bei der B e g r ü n d u n g b e s c h r ä n k t e r dinglicher Rechte?

250

XII

Inhaltsverzeichnis

II. Die juristische Debatte 1. Savigny: Eigentumsfreiheit als Grenze der Verfügungsfreiheit... 2. Jhering: Eigentumsfreiheit als Grenze der Verfügungsfreiheit . . . 3. Gierke: Vertragsfreiheit als Grundsatz des Sachenrechts 4. Maurenbrecher, Gerber: Prinzipiell freie Begründung von Reallasten 5. Eigentumsfreiheit als Grundsatz des Sachenrechts

252 252 253 255 256 258

III. Die rechtspolitische Debatte 1. Eigentumsfreiheit und Agrarverfassung 2. Die Debatte um innere Kolonisation in Preußen

259 259 262

IV. Die ökonomische Debatte 1. Rodbertus' Rentenprinzip 2. Das Gegenkonzept von E.I. Bekker

268 269 271

V. Zusammenfassung

274

Ergebnis: Privatrechtskonzeptionen des 19. Jahrhunderts I. Freiheit ohne Grenzen II. Modelle ohne Freiheit als Prinzip 1. Vertrauen als Prinzip des Privatrechts 2. Gemeinschaftsinteressen als Prinzip des Privatrechts 3. Natur der Sache als Gestaltungsprinzip III. Freiheit in Grenzen 1. Immanent begrenzte Freiheit 2. Freiheit als Regel a. G e m e i n s c h a f t s i n t e r e s s e n als Schranken individueller Freiheit b. Freiheit als Grundsatz für Freiheitseinschränkungen

275 276 277 277 278 279 279 280 281 281 282

Ausblick

284

Quellen- und Literaturverzeichnis

287

Personenregister

309

Sachregister

311

Abkürzungen Auflage Archiv f ü r civilistische Praxis Allgemeine D e u t s c h e Biographie Anmerkung Archiv für Rechts- und Sozialphilosophie Band D e u t s c h e r Juristentag D e u t s c h e Juristenzeitung Festschrift Zeitschrift f ü r das Privat- und Öffentliche R e c h t der G e g e n w a r t Beiträge zur E r l ä u t e r u n g des Preußischen Rechts, des Handelsund Wechselrechts durch Theorie und Praxis Preußische Gesetzessammlung GS Handbuch Hdb H a n d w ö r t e r b u c h der Staatswissenschaften HdStW H a n d w ö r t e r b u c h zur deutschen Rechtsgeschichte HRG J b f. N Ö u. Statistik Jahrbücher für N a t i o n a l ö k o n o m i e und Statistik Jahrbücher f ü r die D o g m a t i k des heutigen römischen und deutJhJb schen Privatrechts (ab 1897: Jherings J a h r b ü c h e r f ü r die Dogmatik des bürgerlichen Rechts) Jahrgang Jhg. Juristische Schulung JuS Kritische Justiz KJ Kritische Vierteljahresschrift für G e s e t z g e b u n g und RechtswissenKritVJS schaft Königlich Preußisches L a n d e s ö k o n o m i e k o l l g i u m LÖK N e u e Folge NF N e u e D e u t s c h e Biographie NDB N e u e Juristische Wochenschrift NJW Mit weiteren Nachweisen mwN Rechtshistorisches Journal RJ Jahrbuch f ü r Gesetzgebung, Verwaltung und Volkswirtschaft im Schmollers J b D e u t s c h e n Reich Verhandlungen Verhdlg. Verein für Sozialpolitik VfS Zeitschrift f ü r deutsches R e c h t und deutsche Rechtswissenschaft ZDR Zeitschrift f ü r das gesamte H a n d e l s r e c h t ZHR Zeitschrift f ü r n e u e r e Rechtsgeschichte ZNR Zeitschrift f ü r Rechtsgeschichte ZRG Zeitschrift d e r Savigny-Stiftung f ü r Rechtsgeschichte; GermanistiZS (Germ) sche A b t e i l u n g Zeitschrift der Savigny-Stiftung f ü r Rechtsgeschichte; RomanistiZS (Rom) sche A b t e i l u n g A. AcP ADB Anm. ARSP Bd. DJT DJZ FS GrünhutsZ GruchotsBeitr.

Einleitung I. Der Mythos von der grundsätzlich unbeschränkten Privatautonomie 1. D a s traditionelle Bild d e s P r i v a t r e c h t s m o d e l l s im 19. J a h r h u n d e r t »Nach der naturrechtlichen Begründung der Vertragsfreiheit im Zeitalter des Vernunftrechts durch Grotius und Pufendorf (sc. hat) der rechtswissenschaftliche Positivismus der Pandektistik die Privatautonomie und mit ihr die Vertragsfreiheit zu zentralen Prinzipien des Rechts gemacht«. 1 Mit dieser und ähnlichen B e m e r k u n g e n beschwört die m o d e r n e Rechtswissenschaft immer wieder dasselbe Bild: Individuelle Freiheit soll das beherrschende Prinzip in der Privatrechtslehre und -gesetzgebung des 19. Jahrhunderts gewesen sein. 2 Dabei wird stets, wenn auch nicht immer ausdrücklich, vorausgesetzt, daß die individuelle Freiheit im 19. Jahrhundert als grundsätzlich unbeschränkt verstanden wurde. Diese Vorstellung bildet die Grundlage für eine Kritik am »liberalen Modell« 3 und am B G B als »spätgeborene(m) Kind der Pandektenwissenschaft« 4 , bei welcher der Privatrechtslehre des 19. Jahrhunderts vorgeworfen wird, d a ß sie neben der Privatautonomie keine anderen - insbesondere nicht soziale - Gesichtsp u n k t e berücksichtigt habe. 5 Eine derartige Charakterisierung des Privatrechtsmodells des vergangenen Jahrhunderts erfolgt meist im Kontext mit Überlegungen zu Begrenzungen der Vertragsfreiheit, welche die Diskussion des 20. Jahrhunderts zum T h e m a Privatautonomie beherrschen. 6 Nicht zu übersehen ist, d a ß die E r w ä h n u n g eines Pri1

Hönn, Vertragsparität, S.5. Vgl. nur Coing, Zivilrechtssystem. S.26ff; Kubler, Privatrecht, S.700; Zöllner, Rolle, S.330; Hönn, Vertragsparität, S. 10; Wieacker, Sozialmodell, S. 12; Küpper, Scheitern, S. 142; Luig, Pandektenwissenschaft, Sp. 1423. Allerdings m u ß Luig bei n ä h e r e r U n t e r s u c h u n g d e r Vorgeschichte des § 138 II B G B zugeben, daß es »keine lange P e r i o d e u n g e t r ü b t e r H e r r s c h a f t e x t r e m liberaler Prinzipien im bürgerlichen Recht« gegeben h a b e (Äquivalenzprinzip, S. 172). 2

3

Kubier, Privatrecht, S.700. Wieacker, Sozialmodell, S. 15. 5 Vgl. nur E. Schmidt, Sozialautonomie; Spellenberg, Privatrecht, S.35. In e n g e m Z u s a m m e n h a n g damit steht d e r Vorwurf der Realitätsferne (dazu Falk, Windscheid, S.4f m w N ) . 6 Schon Stammler macht in seinem Artikel über »Vertrag und Vertragsfreiheit« für die zweite Auflage des H d S t W (1901) in p u n c t o Vertragsfreiheit allein A u s f ü h r u n g e n zu d e r e n G r e n zen (s. S. 478, dazu Rückert, Legitimation, S. 146). Bei der folgenden Diskussion lassen sich verschiedene Phasen unterscheiden: A b g e s e h e n von massiven A n g r i f f e n gegen d e n G r u n d s a t z 4

2

Einleitung

vatrechtsmodells, das von grundsätzlich unbeschränkter Freiheit als Prinzip ausgeht, in diesem Zusammenhang eine ganz bestimmte Funktion erfüllt. Sie dient nämlich als Kontrast im Rahmen der Begründung von Privatrechtskonzeptionen, deren Leitlinie lautet »Einschränkungen schrankenloser Vertragsfreiheit« 7 . Eine Identifizierung des Rechtslehre des 19. Jahrhunderts mit dem Grundsatz unbegrenzter Privatautonomie kommt modernen privatrechtstheoretischen Überlegungen also entgegen, weil dadurch ein Gegenbild geschaffen wird, von dem man sich absetzen kann. Bereits dieser Befund ist geeignet, Skepsis gegenüber der traditionellen Kennzeichnung des Privatrechtsmodells des 19. Jahrhunderts zu wecken.

2. D a s Schweigen der Quellen Die Zweifel mehren sich anläßlich einer weiteren Beobachtung. Bei kritischer Lektüre von Ausführungen zur Privatrechtskonzeption des 19. Jahrhunderts fällt nämlich auf, daß darin durchweg keine Belege aus juristischen Texten angeführt werden. Stattdessen erfolgen in der Regel allein Hinweise auf die Lehren von Adam Smith8 und Immanuel Kant9. Dieses Vorgehen setzt eine Perspektive voraus, die Wieacker in seinen Aufsätzen zu dem Thema »Industriegesellschaft und Privatrechtsordnung« begründet hat. Danach ist die Pandektenwissenschaft in der Tradition des »klassischen Liberalismus« 10 und der Pflichten- und Freiheitsethik Kants 11 zu sehen. Im Anschluß daran werden heute üblicherwei-

der Vertragsfreiheit in der Zeit des Nationalsozialismus (vgl. n u r Lorenz, »Wandlungen des Vertragsbegriffs«, in: D e u t s c h e s R e c h t 1935, S. 488ff), w e r d e n B e g r e n z u n g e n der Vertragsfreiheit im R a h m e n der Kartellrechtsdebatte erörtert (dazu Nörr, Leiden). E i n e intensive Auseina n d e r s e t z u n g mit d e m G r u n d s a t z findet d a n n in d e n 50er und 60er J a h r e n statt (erwähnt seien nur: Raiser, »Vertragsfreiheit heute«, 1958; Flume, »Rechtsgeschäft und Privatautonomie«, 1960; Bydlinski, » P r i v a t a u t o n o m i e und objektive G r u n d l a g e des verpflichtenden Rechtsgeschäfts«, 1967), worauf eine Welle der Privatautonomiekritik folgt (Nachweise bei Zöllner, R e gelungsspielräume, A n m . 10, S.2f). In d e n 90er J a h r e n k o m m t vor allem die Frage nach Einschränkungen von Vertragsfreiheit durch richterliche Inhaltkontrolle in die Diskussion (s. nur: Coester-Waltjen, »Die Inhaltskontrolle von V e r t r ä g e n a u ß e r h a l b des A G B G « (1990); Fast rieh. »Richterliche Inhaltskontrolle im Privatrecht«, 1992), die b e s o n d e r e Impulse durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts erhält (sog. H a n d e l s v e r t r e t e r e n t s c h e i d u n g 1990, B V e r f G E 81, 242, zur Diskussion d a r ü b e r Grunsky, Vertragsfreiheit, A n m . 5, S.6; sowie die Bürgschaftsentscheidungen 1993, 1994, N J W 1994, S.36ff, 1749ff, zur Diskussion d a r ü b e r Gernhuber, J Z 1995, 1086ff). 7 So der Titel einer A b h a n d l u n g in der D e u t s c h e n Richterzeitung aus d e m Jahr 1916, Sp.29ff (verfaßt von Landgerichtsrat Mangler). 8 Vgl. n u r Grimm, Vertragsfreiheit, S. 1232,1234; Zöllner, Rolle, S.330; Bürge, Privatrecht, der S. 312 »Kant, Savigny u n d A d a m Smith« in eine R e i h e stellt. 9 Vgl. n u r Bürge, Privatrecht, S.43ff, 70ff, 77, 91; Raiser, Vertragsfreiheit, S.2; Spellenberg, Privatrecht, S. 29, 32; Küpper, Scheitern, S. 142f; J. Schröder, Theorien, S. 336f. 10 Wieacker, Sozialmodell, S.22, e b e n s o ders., Privatrechtsgeschichte, S. 441 ff. 11 Wieacker, Sozialmodell, S. 11; Wandel, S.37, 44; P a n d e k t e n w i s s e n s c h a f t S.59, 61; Privatrechtsgeschichte, S.375f, 397 f.

Einleitung

3

se aus politischen, ökonomischen und philosophischen Postulaten 12 Rückschlüsse auf die Privatrechtskonzeption gezogen. 1 3 Dabei entsteht der Eindruck, daß es zahllose Quellen aus der Rechtsliteratur des 19. Jahrhunderts gäbe, welche (unbeschränkte) Freiheit als Prinzip des Privatrechts postulierten. Diese Erwartung erweist sich jedoch schnell als unzutreffend, wennm man systematische Darstellungen des Zivilrechts aus jenem Jahrhundert aufschlägt. Dort findet man nämlich keinerlei Erwähnungen von >PrivatautonomieVertragsfreiheitWillkür Vertragsfreiheit« und > Privatautonomie« sind darin keine Stichworte (vgl. auch Rücken, Legitimation, S. 145, A n m . 4 6 ) . 16 Z.B.: »System des heutigen römischen Rechts« von Savigny; »Lehrbuch der P a n d e k t e n « von Puchta o d e r » L e h r b u c h des P a n d e k t e n r e c h t s « von Windscheid. 17 Luig, Pandektenwissenschaft, Sp. 1423. iK Z.B.: »Einleitung in das deutsche Privatrecht« von Eichhorn; » L e h r b u c h des deutschen Privatrechts« von Mittermaier o d e r »System des g e m e i n e n deutschen Privatrechts« von Beseler. " D e r Ausdruck >Vertragsfreiheit< war im 19. J a h r h u n d e r t j e d o c h bereits b e k a n n t , wie zwei Beispiele aus den ersten Jahrzehnten belegen. So schreibt Johann Christian Hasse 1815: »Daraus folgt dann, d a ß eine solche im Volk h e r g e b r a c h t e Verpflichtungsform sehr heilsam sein kann; d e n n es ist n u r ein vulgärer I r r t h u m , daß o h n e diese und bey völliger Vertragsfreiheit die Fälle, da die Absicht zu verpflichten und verpflichtet zu w e r d e n , auch in effectu erreicht wird, häufiger seyn m ü ß t e n : im Gegentheil sie müssen seltener v o r k o m m e n , d e n n verständige Richter müssen nun im Zweifel gegen den Vertrag, nämlich gegen die Existenz desselben sprechen, und also ein mündliches Versprechen öfter, als m a n zu g l a u b e n geneigt seyn möchte, im o r d e n t lichen Wege R e c h t e n s unwirksam bleiben, w e n n es gleich wirksam gemeint war« ( E i g e n t u m , S. 18f). U n d Christian Ludwig Runde b e m e r k t 1805 in seinem Werk »Die Rechtslehre von der Leibzucht o d e r d e m Altentheile auf D e u t s c h e n B a u e r n g ü t e r n nach g e m e i n e n und b e s o n d e r e n Rechten«: »Da die Leibzuchten durch lange D a u e r und unverhältnismäßige G r ö ß e , so wie durch die Streitigkeiten, welche m a n c h e A r t e n derselben im G e f o l g e h a b e n , leicht eine so d r ü c k e n d e Last für die C o l o n a t e w e r d e n k ö n n e n , d a ß sie d e n gänzlichen Verfall der B a u e r n wirthschaft nach sich ziehen, so e r f o r d e r t es das Interesse des G u t s h e r r n und der Regierung, der Vertragsfreiheyt ü b e r diesen G e g e n s t a n d gewisse G r ä n z e n zu setzen« (S.494). In demselben Buch findet sich auch der Begriff >AutonomiePrivatautonomie< im 19. J a h r h u n d e r t allerdings umstritten war (s. dazu u n t e n 1. Teil, 1. A b schnitt, A n m . 100, S.26f): »Warum wird die A u t o n o m i e der vertragschließenden Theile durch die B e a m t e n , welchen die Bestätigung der Altentheils-Verträge überlassen ist, so selten zweckmäßig geleitet?« (S. XII). 13

4

Einleitung

BGB, die stets ein einleitendes Kapitel über Privatautonomie/Vertragsfreiheit als Prinzipien des Privatrechts enthalten 2 0 , sucht m a n entsprechende grundsätzliche Abschnitte in den genannten Darstellungen des 19. Jahrhunderts vergeblich. 21 Vor diesem Hintergrund erscheinen die B e r u f u n g e n auf Kant und Smith für die Begründung der Privatrechtskonzeption des 19. Jahrhunderts in einem neuen Licht. Auf diese Weise wird offensichtlich die Schwierigkeit umgangen, d a ß - zumindest bei einer ersten Durchsicht der H a u p t w e r k e des 19. Jahrhunderts - in juristischen Quellen keine A u s f ü h r u n g e n über Prinzipien des Privatrechts zu finden sind. 3. P r i v a t r e c h t s k o n z e p t i o n e n als F o r s c h u n g s a n s a t z Diese B e f u n d e zeigen, d a ß es keineswegs überflüssig, sondern im Gegenteil sogar geboten ist, die Frage zu stellen: Wurde von der Privatrechtswissenschaft des 19. Jahrhunderts wirklich Freiheit als unbeschränktes Prinzip angesehen? Die Feststellung, daß in dieser Zeit keine A b h a n d l u n g e n ü b e r Privatautonomie oder Vertragsfreiheit als Grundsatz verfaßt wurden, erschwert eine solche Untersuchung zwar sehr, macht sie jedoch nicht unmöglich. Auch wenn Prinzipien nicht ausdrücklich angesprochen werden, lassen sich solche doch in juristischen Argumentationen nachweisen. 2 2 Es gilt somit, A u s f ü h r u n g e n der Privatrechtswissenschaft des 19. Jahrhunderts auf ihre »Anfänge oder leitende(n) G r u n d sätze im System« 23 , nach Überlegungen zu »Grund, Kriterium und Rechtfertigung« von Weisungen 2 4 hin zu untersuchen. Verfolgt wird damit ein privatrechtstheoretischer Ansatz in historischer Perspektive. Im Mittelpunkt steht die Frage nach dem Verständnis von Freiheit als Prinzip des Privatrechts im 19. Jahrhundert. Nun beinhaltet zwar die Entscheidung für Privatrecht bereits die grundsätzliche Entscheidung dafür, einen Bereich der Privatautonomie der Individuen zu überlassen. 2 5 Jedoch sind innerhalb dieses R a h m e n s verschiedene Konzeptionen möglich hinsichtlich des Umfangs, welcher der individuellen Selbstbestimmung zugestanden wird. Z u r entscheidenden Frage wird damit die20 Vgl. n u r Medicus, Allgemeiner Teil, §17: »Rechtsgeschäft und Privatautonomie«, und A u s f ü h r u n g e n zu »Die Vertragsfreiheit und ihre G r e n z e n im Schuldrecht« bei Lorenz, Schuldrecht I, §4, sowie Esser/Schmidt, Schuldrecht I, § 10. 21 G r u n d s a t z f r a g e n w e r d e n auch nicht in d e n A b s c h n i t t e n ü b e r dispositives Recht, subjektive R e c h t e o d e r Obligationen erörtert. 22 Z u r Rolle von Prinzipien bei der juristischen A r g u m e n t a t i o n g r u n d l e g e n d Esser, » G r u n d satz und Norm«. 23 Bethmann-Hollwegs Definition für »principia«, Savigny, S.51. 24 Essers Definition von Prinzipien, G r u n d s a t z , S.51 f. Ein n ä h e r e s E i n g e h e n auf Definitionen von >PrinzipienPrinzip der Vertragsfreiheit< wird n u r beiläufig erwähnt, S. 224). Für das 19. J a h r h u n d e r t findet sich die Perspektive etwa in einem Aufsatz von Litig, in d e m jedoch zur Ü b e r p r ü f u n g von Wieackers T h e s e eines Wandels von formaler Freiheits- zur Verantwortungsethik allein das Äquivalenzprinzip untersucht wird (»Vertragsfreiheit und Äquivalenzprinzip«, 1982). D e m g e g e n ü b e r setzt R. Schröder bei seinen Forschungen zum Erbrecht im 19. J a h r h u n d e r t nicht am Prinzip der Testierfreiheit an. Stattdessen untersucht er ausgehend von den A u s f ü h r u n g e n des B G B - R e d a k t o r s Schmitt d e r e n politisches, ökonomisches und philosophisches U m f e l d . Dies f ü h r t Schröder zu politischen T h e o r i e n zur Lösung der sozialen Frage (S. 165ff, 286ff), zu ö k o n o m i s c h e n Vorschlägen zur G ü t e r v e r t e i l u n g (S.306ff, 375ff) und zum Einfluß kantischer Vorstellungen (S. 389ff, 487ff). In diesem weiten R a h m e n werden Stimm e n zur E r b r e c h t s r e f o r m zusammengestellt, o h n e d a ß speziell prinzipielle Konzeptionen herausgearbeitet werden. Beabsichtigt ist vielmehr die Darstellung von Z e i t s t r ö m u n g e n als Kontext von juristischen Stellungnahmen. 67

68

Vgl. dazu insbes. Teil 2 der Arbeit. Wenn die U n t e r s u c h u n g im wesentlichen auf die Privatrechtswissenschaft begrenzt wird, d a n n geschieht dies nicht, weil historische, ö k o n o m i s c h e , philosophische o d e r politische Z u s a m m e n h ä n g e geleugnet o d e r geringgewertet w ü r d e n , s o n d e r n auf G r u n d der Beobachtung, d a ß ü b e r d e m Interesse an K o n t e x t e n ein Defizit an A n a l y s e n von Privatrechtskonzeptionen e n t s t a n d e n ist. Dies Defizit wiegt u m so schwerer als ein b e s t i m m t e s Ergebnis einer solchen Analyse bei w e i t e r g e h e n d e n U n t e r s u c h u n g e n u n g e p r ü f t vorausgesetzt wird. Z u Vorteilen ei69

Einleitung

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suchung von Privatrechtskonzeptionen bei rechtsphilosophischen Texten anzusetzen. Ist es doch die Rechtsphilosophie, die es sich zur Aufgabe macht, »Gestaltungsprinzipien des Rechts und der Staatslehre« zu begreifen und zu lehren. 7 0 Hier interessiert jedoch die Verbindung von prinzipiellen Positionen mit privatrechtlicher Dogmatik. Deswegen werden vorrangig Texte aus dem Bereich der Privatrechtswissenschaft analysiert. Dabei genügt es nicht, die Untersuchung auf Aussagen zu einzelnen Begriffen wie >RechtObligation< etc. zu beschränken. Die Schwierigkeiten einer solchen Begrenzung zeigen K. W. Nörrs Forschungen zum Privatrechtsverständnis von Juristen im 19. Jahrhundert aus dem Blickwinkel der »Privatrechtsidee«. 7 1 Diese Idee sieht Nörr verwirklicht, wenn als G r u n d und Zweck des Privatrechts die Freiheit und Selbstbestimmung der Menschen a n g e n o m m e n wird. 72 D e m e n t s p r e c h e n d wird eine »Denaturierung« von Vertragsfreiheit als »Verfälschung« des Privatrechts verstanden. 7 3 Dieser Ansatz führt Nörr jedoch nicht zu einer eingehenden Analyse von Prinzipien des Privatrechts bei den Juristen des 19. Jahrhunderts. 7 4 Untersucht werden vielmehr allein »rechtstheoretische Reflexionen« 7 5 der Juristen, ihre Definitionen von Recht und Staat 7 6 oder Ausführungen über Begründung und Bestimmung des Privatrechts 7 7 . A m E n d e stehen vier Modelle, welche nach der Rolle des Privatrechts im Verhältnis zum öffentlichen Recht abgestuft sind. Dabei zeigt sich jedoch, daß die ausgewählten Quellen nicht ausreichen, um einzelne Juristen zweifelsfrei bestimmten Modellen zuordnen zu können. 7 8 Bedeutsam für die folgende Untersuchung ist im übrigen die Entscheidung, wissenschaftliche Diskussionen als Leitlinie für die nähere Quellenauswahl zu verwenden. Angesetzt wird damit nicht primär bei einzelnen Personen und ihner auf leitende Begriffe und K o n z e p t e konzentrierten - im U n t e r s c h i e d zur sozialgeschichtlichen - Sicht Luig, Rez. Gordley, Origins, S. 539f. ™ S. Warnkönig, Rezension G ä r t n e r , S. 199. 71 Hegel, S. 54. Die Privatrechtsidee dient Nörr auch in a n d e r e n A r b e i t e n als M a ß s t a b für eine Beurteilung des Z u s t a n d e s des Privatrechts zu b e s t i m m t e n Z e i t e n , vgl. Mühlsteine, S. 3 (dazu Simitis, Stolpersteine, S. 3ff); Leiden, S.223 (dazu Kiibler, Kartellrechtsgeschichte, S.593f, 598 ff). 72 S. Mühlsteine, S.3. Vgl. auch Hegel, S.49ff, wo N ö r r die Privatrechtsidee in e i n e m Modell findet, das die A u t o n o m i e des einzelnen in den M i t t e l p u n k t des Rechtsbegriffs stellt. 73 Leiden, S.223, im A n s c h l u ß an F. B ö h m . 74 Dies gilt auch für Nörrs U n t e r s u c h u n g zum Kartell- u n d W e t t b e w e r b s r e c h t im 20. Jahrh u n d e r t . H i e r werden abschließend im Hinblick auf die Vertragsfreiheit Modelle der » D o m e stizierung und Relativierung des Privatrechts« (S.224) gebildet. U n t e r s c h e i d u n g s k r i t e r i u m bei dieser Modellbildung ist die jeweilige »Sicht«-weise (S.225, 226) auf Vertragsfreiheit (z.B. funktional, institutionell), nicht jedoch die Frage, o b u n d inwieweit Vertragsfreiheit noch als Prinzip des Privatrechts bejaht wird. 75 Nörr, Hegel, S.9, 16. U n t e r diesem Gesichtspunkt analysiert auch A. Brockmöller, Rechtstheorie, die A u s f ü h r u n g einzelner Privatrechtswissenschaftler. H e r a n g e z o g e n w e r d e n dazu u.a. A u s f ü h r u n g e n zu d e n A s p e k t e n Rechtsquellen, Rechtsbegriff, Rechtssystem (S. 19). 76 Nörr, H e g e l S.49. 77 S. 18. 78 Nörr m u ß die Z u o r d n u n g der Juristen zu d e n M o d e l l e n m e h r f a c h o f f e n lassen, vgl. S.52, 54.

12

Einleitung

rem Werk, sondern bei bestimmten Themen, die über unterschiedlich lange Zeiträume hin lebhaft erörtert wurden. 79 Ein Vorteil dieser Methode liegt darin, daß die Ansichten einzelner Juristen so nicht isoliert, sondern in Zusammenhang mit anderen Lösungen gesehen werden. Dies gibt Gelegenheit zu einer genauen Bestimmung und Abgrenzung der einzelnen Positionen. Darüber hinaus zeigt die Orientierung an der wissenschaftlichen Diskussion aber auch, welche Fragestellungen zu einer bestimmten Zeit interessieren, und wie sich diese eventuell im Laufe der Zeit verändern oder in andere Diskussionsforen wandern. Auf diese Weise wird es unter anderem möglich, Verbindungen zwischen der Jurisprudenz und Nachbarwissenschaften 80 aufzuzeigen.

79 80

N ä h e r e s zu d i e s e n T h e m e n in d e n E i n l e i t u n g e n zu Teil 1, S. 13f, u n d Teil 2, S. 155f. Vgl. insbes. 1. Teil, 3. A b s c h n i t t , Ziff. II, S.77ff; 2. Teil, 5. A b s c h n i t t , Ziff. III, IV, S.259ff.

/. Teil

Diskussionen um Prinzipien der Privatrechtsordnung Eine besondere Schwierigkeit für die U n t e r s u c h u n g von Privatrechtskonzeptionen des 19. Jahrhunderts besteht darin, T h e m e n zu finden, bei deren Erörterung grundsätzliche Vorstellungen einzelner Juristen e r k e n n b a r werden. Wie bereits gezeigt 1 , ist der direkte Weg - die Analyse von expliziten Ausführungen zu Privatautonomie und Vertragsfreiheit - verschlossen, da solche Überlegungen fehlen. Nun sind Prinzipien jedoch nicht Theoriekonstruktionen ohne Beziehung zur Rechtsdogmatik. Vielmehr werden Entscheidungen dogmatischer Fragen mehr oder weniger deutlich von grundsätzlichen Vorstellungen über die Gestaltung des Privatrechts geprägt. D a h e r m u ß es von der Anwendungsseite her möglich sein, Privatrechtskonzeptionen auszumachen. 2 Ausführungen zu konkreten dogmatischen Problemen sind jedoch nicht die einzige Gelegenheit für Analysen von prinzpiellen Stellungnahmen, sondern es gibt in der rechtswissenschaftlichen Literatur des 19. Jahrhunderts noch einen weiteren bedeutsamen Ansatzpunkt. 3 Eine ersten Hinweis auf diesen erhält man durch das 1853 veröffentlichte Werk »Der principielle Unterschied zwischen römischem und germanischem Recht« von Carl Adolf Schmidt. Bereits der Titel dieser Arbeit deutet darauf hin, daß Charakterisierungen des römischen beziehungsweise deutschen Rechts im 19. Jahrhundert eine Perspektive sein könnte, unter der Privatrechtsmodelle erörtert werden. Diese A n n a h m e wird durch nähere Untersuchungen bestätigt. Nicht nur in den 50er Jahren erscheinen im Anschluß an Schmidts Buch m e h r e r e Arbeiten zum römischen und deutschen Recht, in denen Grundsätze des Privatrechts erörtert werden. 4 Dieser Gesichtspunkt ist vielmehr auch für die 30er und 40er Jahre ergiebig. 5 Und in den 80er Jahren wird die Thematik noch einmal besonders aktuell anläßlich der Veröffentlichung des ersten Entwurfs für ein deutsches bürgerliches Gesetzbuch. In diesem Z u s a m m e n h a n g wird dann endlich auch Vertragsfreiheit als Grundsatz ausdrücklich angesprochen. 6 1

S. Einleitung, Ziff. 12, S.2ff. S. dazu 2. Teil. 3 Lohnenswert wäre es im übrigen auch, die Diskussionen im Vorfeld der zahlreichen Kodifikationsprojekte in dieser Zeit (zu diesen Coing, Hdb europ. Privatrechtsgeschichte III 2) zu analysieren. Die Untersuchung von Grundsatzüberlegungen in den Beratungen von Zivilrechtskodifikationen im 19. Jahrhundert wäre jedoch Thema einer eigenen Arbeit. 4 Unten 2. Abschnitt, S.49ff. 5 Unten 1. Abschnitt, S.15ff. 6 S.4. Abschnitt, S.132ff. 2

14

1. Teil: Diskussionen

um Prinzipien

der

Privatrechtsordnung

U n d auch in den 60er und 70er Jahre des 19. Jahrhunderts wird über Prinzipien des römischen und deutschen Rechts diskutiert - allerdings weniger in juristischen, sondern vornehmlich in ökonomischen Werken. Die Orientierung an Diskussionsthemen 7 führt hier zu dem wichtigen Ergebnis, daß sich die Erörterung von Privatrechtskonzeptionen in die Nachbarwissenschaft verlagert. Dort erfolgen nun klare prinzipielle Stellungnahmen für die Privatrechtsordnung, wobei u.a. auch ausdrücklich Überlegungen zur Vertragsfreiheit als Grundsatz des Privatrechts angestellt werden. 8 A b e r nicht nur die Tatsache, daß Nationalö k o n o m e n Privatrechtskonzeptionen formulieren, ist von Interesse. Vielmehr erscheint vor diesem Hintergrund auch die spätere juristische Diskussion in n e u e m Licht, da sich etliche Verbindungen zur ökonomischen D e b a t t e aufzeigen lassen. 9

7 8 9

S. Einleitung, Ziff. II 4 aE, S. 11 f. S.3. Abschnitt, S.74ff. S.4. Abschnitt, S.132ff.

1.

Abschnitt

Altgermanische Freiheit ein Prinzip für die Privatrechtsordnung? Germanistische Konzeptionen der 30er und 40er Jahre I. Die Germanisten und der Grundsatz >Freiheit< 1. Freiheit als Prinzip d e s d e u t s c h e n P r i v a t r e c h t s ? Für die 30er und 40er Jahre des 19. Jahrhunderts erwartet m a n vor allem bei den Germanisten Ausführungen zur Freiheit als Prinzip des Privatrechts. Diese Erwartung gründet sich auf das politische E n g a g e m e n t dieser Juristen. Unterstützten sie doch in den politischen D e b a t t e n ihrer Zeit nachdrücklich die Forderung nach individueller Freiheit. 1 Hingewiesen sei nur auf Beselers2 und Mittermaiers 3 R e d e n in der Frankfurter Nationalversammlung, Reyschers Tätigkeit in den württembergischen verfassungsgebenden Landesversammlungen 4 oder Jacob Grimms Teilnahme an dem Protest der Göttinger Sieben 5 . D a die Germanisten gleichzeitig in der juristischen Diskussion für ein deutsches Recht und eine deutsche Rechtswissenschaft 6 eintraten, ist die A n n a h m e naheliegend, daß die Germanisten »das Prinzip des Individualismus und des Freiheitsstrebens eher oder zumindest auch im deutschen Recht verwirklicht«

1 Vgl. nur Gierke, G e r m a n i s t e n , S.26; Sinzheimer, Wilda, S. 115f. Allgemein z u m Liberalismus d e r G e r m a n i s t e n Böckenförde, Verfassungsgeschichtliche Forschung, S. 92ff; Kern, Beseler, S. 24ff, und Dilcher, in: Dilcher/Kern, Germanistik, S. 39ff. Geib, R e f o r m (1848) b e h a u p t e t , daß die Theorie des Liberalismus mit d e n G r u n d s ä t z e n der historischen Schule ü b e r e i n s t i m m e (S.24), wobei er sich auf deren R e c h t s e n t s t e h u n g s l e h r e b e r u f t . G e n a u e r e A u s f ü h r u n g e n zum Liberalismus und zu den Parallelen zur historischen Schule fehlen jedoch. 2 D a z u Kern, Beseler, S. 91 ff; dort S. 225ff zu Beselers Aktivitäten im Preußischen A b g e o r d neten- und H e r r e n h a u s sowie im Reichstag. 3 D a z u Mußgnug, Mittermaier, S.64ff, dort S. 55 ff zu M i t t e r m a i e r s Tätigkeit im badischen Landtag. 4 Rücken, Reyscher, S.62ff. 5 Vgl. auch G r i m m s Stellung als Vorsitzender der G e r m a n i s t e n v e r s a m m l u n g e n u n d seine Mitgliedschaft in d e r F r a n k f u r t e r Nationalversammlung; dazu Dilcher, G r i m m , S. 935 f, u n t e r B e t o n u n g der G e d a n k e n Recht, Freiheit und deutsche Einheit als G r u n d l a g e von G r i m m s politischen Aktivitäten. 6 Vgl. den Titel der von Reyscher und Wilda g e g r ü n d e t e n »Zeitschrift für deutsches R e c h t und deutsche Rechtswissenschaft«, d e r e n Erscheinen (ab 1839) einen H ö h e p u n k t im Streit zwischen R o m a n i s t e n u n d G e r m a n i s t e n darstellte.

16

1. Teil: Diskussionen

um Prinzipien

der

Privatrechtsordnung

sahen. 7 Für eine solche Auffassung scheint auch der U m s t a n d zu sprechen, daß in der politischen Diskussion häufig auf die »alte deutsche Freiheit« verwiesen wurde. 8 B e m ü h t man sich um Belege für die These, d a ß Freiheit als G r u n d g e d a n k e des deutschen Rechts angesehen wurde, so ergeben sich allerdings unerwartete Schwierigkeiten. Außer der b e r ü h m t e n B e m e r k u n g von Rogge über »germanische Freiheit« 9 und konzeptionslosen 1 0 E r w ä h n u n g e n von >Freiheit< in der Schrift von F.L. Bernhard » U e b e r die Restauration des römischen Rechts« (1829) 11 ergeben sich - gerade für den Bereich des Privatrechts - zunächst nur Fehlanzeigen. Auf der Germanistenversammlung in Lübeck benennt etwa Christ keineswegs die Freiheit als zentralen Grundsatz des deutschen Rechts, wenn er ausführt: »Der Deutsche mit seiner Gemüthlichkeit und seiner Innerlichkeit im Familienleben und mit seinen Begriffen von Frauenehre mußte ü b e r h a u p t zu einer ganz andern Gestaltung seines Rechtes k o m m e n , als der Römer. Deshalb mußte auch im Familienrechte eine ausgeprägte Verschiedenheit zwischen beiden Gesetzgebungen hervortreten, und ebenso im E r b r e c h t e (...). N e h m e n Sie das Obligationsrecht, so werden Sie finden, daß auch hier die Grundlage des römischen Rechtes auf ganz a n d e r e n A n f ä n g e n und Grundsätzen beruht, als das deutsche, welches mehr auf Manneswort, Treue und Einfachheit gebaut ist, während der Formalismus G r u n d t o n des römischen Rechts ist.« 12 Mit Gemütlichkeit, Innerlichkeit der Familie, Manneswort und Ähnli7

Luig, R e c h t s a n s c h a u u n g e n , S. 105. Ein Beispiel d a f ü r s.u. bei A n m . 150. Allg. zum G e d a n k e n der alten deutschen Freiheit bei G e r m a n i s t e n Riickert, Reyscher, S. 142; Krause, Anteil, S.316. S. auch Gierke, G e r m a n i s t e n , S.4, der für den Beginn des 19. J a h r h u n d e r t s von einem n e u e n politischen D e n k e n und Fühlen spricht, »kraft dessen der germanische Freiheitsbegriff wieder aufleuchtet (...).« Z u r Bedeutung des G e d a n k e n s der germanischen Freiheit für »politische Freiheitsbestrebungen« vom 16.-18. J a h r h u n d e r t E. Hölzle. »Die Idee einer altgermanischen Freiheit vor Montesquieu« (1925). Z u Vorstellungen über die altgermanische Rechts- und S t a a t s o r d n u n g und dabei insbes o n d e r e über die altgermanische Freiheit bei M o n t e s q u i e u , Moser, Eichhorn und Savigny vgl. Sjöholm, Rechtsgeschichte, S. 14ff. Die B e r u f u n g auf germanische Freiheit in d e r verfassungsgeschichtlichen Forschung der G e r m a n i s t e n im 19. J a h r h u n d e r t analysiert Böckenförde, Verfassungsgeschichtliche Forschung, S. 85 ff. Z u m Gesichtspunkt >altgermanische F r e i h e i t in Arbeiten des 19. J a h r h u n d e r t s zum Prozeßrecht Sjöholm, Rechtsgeschichte, S. 36ff, 76ff; zum Freiheitsverständnis in der rechtshistorischen L i t e r a t u r Willoweit, Freiheit, S. 301 ff. 8

9 A m Beginn seiner A b h a n d l u n g über das »Gerichtswesen d e r G e r m a n e n « (1820), S. 1; dazu Willoweit, Freiheit, S. 306. Vor allem auf Rogges Werk stützt sich Landau bei seiner Beschreibung eines Modells g e r m a n i s c h e r Freiheit^ Prinzipien, S. 330f. 10 Landsberg, Geschichte III 2, Text, S.497, kennzeichnet B e r n h a r d s Werk als »merkwürdig verschwommenes, ungeordnetes, p a r a d o x e s Schriftwerk«. 11 >Freiheit< wird dort fast auf j e d e r Seite erwähnt; vgl. nur S. lOf, 13. Landsberg bezeichnet die Arbeit von B e r n h a r d als »Sturmbote« des »germanistischen H e e r e s a u f g e b o t s « , Geschichte III 2, Text, S.497. Ü b e r eine allgemeine B e t o n u n g d e r G e m e i n s c h a f t an Stelle d e s Individuums k o m m t Bernhard jedoch nicht hinaus; vgl. R e s t a u r a t i o n , S. 13; A u f g a b e einer G e s e t z g e b u n g sei es, die »Freiheit aller Einzelnen zu e i n e m so h a r m o n i s c h e n Z u s t a n d e zu gestalten, d a ß sich in diesem Z u s t a n d e die h ö h e r e Freiheit des G a n z e n darstellt« (s. auch S. 16, 26f). Z u B e r n h a r d s Werk vgl. auch Luig, Rechtsanschauung, S. 109f. 12 Verhdlg. Lübeck, S.210.

Altgermanische

Freiheit - ein Prinzip für die

Privatrechtsordnung?

17

chem wird von Christ das deutsche Recht charakterisiert - nicht jedoch mit dem Grundsatz der Freiheit. A b e r nicht nur zur Freiheit als Prinzip des (alten) deutschen Rechts fehlen Ausführungen, sondern auch allgemein zur grundsätzlichen Konzeption des Privatrechts. In den juristischen Arbeiten derjenigen Rechtswissenschaftler, die mit Redebeiträgen auf den Germanistenversammlungen oder mit Aufsätzen in der »Zeitschrift für deutsches Recht« - dem Sprachrohr der engagierten Germanisten 1 3 - hervortreten 1 4 , wird die prinzipielle Gestaltung des Privatrechts entweder gar nicht oder höchstens am Rande 1 5 erwähnt 1 6 : Reyscher beschäftigt sich in seinen Beiträgen in der »Zeitschrift für deutsches Recht und deutsche Rechtswissenschaft« 1 7 mit d e m nationalen Charakter des deutschen Rechts, dem Begriff des gemeinen Rechts und dessen wissenschaftlicher Behandlung - nicht jedoch mit inhaltlichen Prinzipien. 1 8 Auch in seinem »Württembergischen Privatrecht« fehlt dieser Aspekt. Bei ihm wird die These, daß er das deutsche Recht als ein prinzipiell freiheitliches Recht verstanden habe, denn auch allein mit dem Hinweis darauf begründet, daß ein Z u s a m m e n hang zwischen den Forderungen >Nation< und >FreiheitPrinzip< läßt sich jedoch noch ein anderer Gedankengang feststellen. Die von Beseler befürwortete Pflicht des Testamentsvollstreckers zu Rechenschaftslegung179 und Inventaraufnahme180 sowie Begrenzungen der Berechtigung des Testamentsvollstreckers, Besitz von der Erbschaft zu ergreifen181, können nicht 171

S. 180. Zur historischen Herleitung dieses Prinzips durch Beseler Hofer, Treuhand, S.409f. 172 Dazu Beseler, Testamentsvollzieher, S. 157ff, 165ff; Volksrecht, S.324ff. Derartige Konstruktionen lehnt Beseler als Juristenrecht ab, Volksrecht, S. 321 ff. Unter »Juristenrecht« versteht er vom Juristenstand erzeugtes Recht. Davon unterscheidet er die Deduktion »aus dem Geiste des positiven Rechts« durch Juristen (s. Volksrecht S. 87), die er zum Volksrecht zählt (s. auch S. 304). Es ist mißverständlich, wenn Kern, Beseler, S. 433, die Lehre von der Testamentsvollstreckung als »Beispiel für ein Juristenrecht« nennt. In diesem Zusammenhang erwähnt Beseler zwar das Thema in >Volksrecht und JuristenrechtRecht ist Freiheit hinstellt, Beselerrezension, S. 400. 197 Methodik, S. 138. 190

38

1. Teil: Diskussionen

um Prinzipien

der

Privatrechtsordnung

ler ausdrücklich aus der alten deutschen Freiheit hergeleitet. Doch findet sich in der Einleitung des Werkes eine Kennzeichnung der deutschen - im Unterschied zur römischen - Freiheit, die durchaus Parallelen zu Schmids Vorstellungen über die Gestaltung des geltenden Rechts aufweist, wenn diese auch nicht ausdrücklich benannt werden: »Die rechtliche Freiheit der Germanen unterscheidet sich im Gegentheil gerade dadurch von der römischen, daß sie keine individuelle, sondern wesentlich eine korporative oder genossenschaftliche war. Die Freiheit und das Recht des Individuums hing durchaus von der Theilnahme an einer von den Gemeinheiten ab, in die das ganze Volk zerfiel, und deren Gesetze rechtlich ein Verhältnis strenger Abhängigkeit für ihre Mitglieder begründeten. (...) Diesem Streben nach korporativer Freiheit gegenüber finden wir nun im römischen Recht das Prinzip einer isolirten Freiheit des Individuums streng durchgeführt; ob als ursprüngliches Recht oder als Resultat einer spätem Entwicklung, (...) kann uns hier gleichgültig sein. Überall zeigt sich da eine möglichst scharfe Sonderung und Abmarkung der Rechte, durch die jedem Individuum eine genau begrenzte Sphäre gesichert wird, innerhalb welcher er sich unbekümmert um den Einfluß, den seine Handlungen auf Andre habe können, frei bewegt.« 198

Schmid bleibt jedoch nicht bei solchen allgemeinen Aussagen stehen, sondern er geht näher auf Prinzipien für Gesetzgebungen im Bereich des bürgerlichen Rechts ein. Diese Prinzipien teilt er in zwei Kategorien ein: politische und »rein rechtliche«. 199 Die sog. rein rechtlichen Prinzipien entspringen nach Schmid »der philosophischen Grundidee der Gerechtigkeit«. 200 »Letzter und höchster« Gegenstand menschlicher Wertschätzung sei »das Geistesleben selbst in seiner Selbstthätigkeit oder die Vernunft. In dem Wesen des vernünftigen Geistes besteht nun aber die menschliche Persönlichkeit: nennen wir daher einen absoluten, über jede Vergleichung erhabenen Werth Würde, so können wir auch sagen, der höchste Gegenstand unserer Werthschätzung sei die persönliche Würde.«201 Aus der Achtung der »persönlichen Würde« resultieren nach Schmid Pflichten. 202 Diese durch die Forderung der Vernunft erkannten Pflichten seien dem Menschen »ein nothwendiges, d.i. ein sittliches Gebot, denn er würde mit sich in Widerspruch kommen und seine Würde als Vernunftwesen verletzen, wenn er sich demselben entziehen wollte.« 203 Konkret denkt Schmid an die Pflicht der Ehre und die für die Rechtslehre bedeutsame Pflicht der Gerechtigkeit. 204 Letztere verbiete es, andere als bloßes Mittel für eigene Zwecke zu gebrauchen. Konsequenz der Pflicht der Gerechtigkeit seien daher die »sittlichen

198 199 200 201 202 203 204

S. 14f. S. 142; vgl. auch S. 35ff. S. 142. S.101. S.100. S.100. S. 104.

Altgermanische

Freiheit - ein Prinzip für die Privatrechtsordnung?

39

Ideale der Wohlthätigkeit, der Freundschaft, der Liebe, des Gemeingeistes 205

U.S.W.«

Aber diese idealen Grundsätze reichen, wie Schmid erkennt, nicht aus, um die Aufgaben der Gesetzgebung zu bestimmen. 206 Deswegen stellt Schmid neben die rein rechtlichen die sog. politischen Prinzipien, die er aus den »positiven Zwecken des öffentlichen Lebens« ableiten will.207 Dafür fordert er eine »Beobachtung unserer erfahrungsmäßigen Zustände« und deren Bewertung »nach dem niedern Maaßstabe des Wohlbefindens und dem höhern der Geistesbildung«. 208 Die politischen Prinzipien sind für Schmid »Grundsätze bloßer Nützlichkeit und Zweckmäßigkeit«. 209 Als Konsequenz dieses Ansatzes gewinnen »Grundsätze der Volkswirtschaft« einen »großen Einfluß« auf die Ausbildung des Vermögensrechts. 210 Aus ihnen ergibt sich nämlich nach Schmids Ansicht die Beurteilung, ob eine Regelung »zweckmäßig« oder »rathsam« ist.211 Allerdings muß Schmid insoweit zugeben, daß »unsere Staatsöconomen« den Grundsatz, »daß der Wohlstand nur ein Gut ist, insofern er den höhern Lebenszwecken dient, also die leibliche und geistige Gesundheit des Volkes in seiner Gesammtheit fördert«, lange noch nicht in seiner Bedeutung richtig gewürdigt hätten. 212 Wie er sich die konkrete Umsetzung dieses Ansatzes vorstellt, zeigt Schmid am Beispiel des Eigentums. 213 An diesem Rechtsinstitut interessiert ihn gerade, daß bei der Festlegung des Umfangs von Eigentumsrechten verschiedene Grundsätze aufeinandertreffen, nämlich die »freie Entwicklung der Privatwillkür« einerseits und Prinzipien, die sich durch den engen Zusammenhang mit »dem ganzen wirthschaftlichen, politischen und sittlichen Leben des Volkes« ergeben, andererseits. 214 Hier wird also ganz konkret Freiheit als Grundsatz des Privatrechts thematisiert, wobei Schmid davon ausgeht, daß individuelle Freiheit »nothwendig eine Schranke« haben müsse, die sich aus dem »Interesse Aller« ergebe 215 : »Wir müssen deshalb, um festsetzen zu können, in welchen Be205

S. 104. S. 147f, vgl. auch S. 102. 207 S. 142, vgl. auch S. 102, 105. 20S S. 102, vgl. auch S. 105. 209 S. 119. 210 S. 143; vgl. auch S.18, 19. 211 S. Schmids Bewertungen S. 155. 212 S. 143. Vgl. auch schon Beselerrezension, S. 391: »Wenn er (sc. Savigny) bemerkt, es dürfe dem sittlichen Ziel kein davon unabhängiges zweites unter dem Namen des öffentlichen Wohles an die Seite gesetzt werden, weil, indem das letztere auf Erweiterung unserer Herrschaft über die Natur hinstrebe, es nur die Mittel vermehren und veredeln könne, durch welche die sittlichen Zwecke der menschlichen Natur zu erreichen seien, so stimmen wir ihm aus voller Ueberzeugung bei und wünschen nur, dass unsere industriellen Reformatoren der Staatsökonomie, die uns seit einigen Jahren, wie Schlosser sich kürzlich ausdrückte, die Ohren in den Zeitungen müde schreien, sich diese Wahrheit beherzigen möchten.« 213 Methodik, S.144ff. 214 S. 144 f. 215 S. 146. 206

40

1. Teil: Diskussionen

um Prinzipien

der

Privatrechtsordnung

Ziehungen die Privatwillkür bei der Gestaltung der Eigenthumsverhältnisse einer Beschränkung zu unterwerfen ist, über das Privatinteresse der einzelnen Besitzer hinaus das ganze wirthschaftliche Leben der Völker in seinem organischen Zusammenhang und mit seinen folgenreichen Beziehungen auf die sittlichen Ideale eines in Gerechtigkeit geordneten öffentlichen Lebens überhaupt in Betracht ziehen.« 216 Nach Schmids Ansicht soll also der Umfang der individuellen rechtlichen Freiheit an die konkrete ökonomische Situation angepaßt werden. Das bedeutet, daß der Umfang nach Ort und Zeit variiert: »Während (...) die Gesetzgebung in industriellen Gegenden der Neigung zur Zersplitterung des Landeigenthums freie Entwicklung gestatten und etwaige Hindernisse der durch das Bedürfnis geforderten Verbreitung s.g. Zwegwirtschaften beseitigen soll, scheint es zweckmäßig, in vorherrschend ackerbauenden Gegenden die Erhaltung und neue Bildung geschlossener Bauerngüter zu begünstigen, durch die auch allein der Kern eines wohlhabenden, tüchtigen Bauernstandes gesichert werden kann.« 217 Allgemein formuliert Schmid: »Der Werth einer Gesetzgebung hängt nicht von dem nationalen Ursprung ab, sondern lediglich davon, ob sie den Verhältnissen, auf die sie angewendet werden soll, vollkommen entspricht, ob ihr gesunde politische und volkswirtschaftliche Ansichten zu Grunde liegen, und vor Allem, ob sie von dem Geiste wahrer Gerechtigkeit durchdrungen ist.«218 »Ein Bedürfnis zu Reformen wird also nur eintreten, wo entweder die Lebensverhältnisse selbst sich geändert haben, oder wo man von andern politischen und nationalökonomischen Grundsätzen glaubt ausgehen zu müssen.« 219 Aus diesen Zitaten ergibt sich, daß Schmid für die Gestaltung der Privatrechtsordnung nicht nur die ökonomischen Verhältnisse, sondern auch die politischen und ökonomischen Theorien in den Blick nimmt. Konsequent setzt er sich daher auch mit den »neueren Socialtheorien« 220 und deren Forderung nach Abschaffung des Privateigentums zugunsten von Gesamteigentum auseinander. An diesem Punkt zeigt sich die Bedeutung, die er seinen Bewertungsmaßstäben (Wohlbefinden, Geistesbildung) 221 zumißt. Mit deren Hilfe lehnt er nämlich eine Aufhebung von Privateigentum ab: Jede Eigentumsordnung müsse »auch höhern geistigen Interessen des Lebens dienen«. »Ein freies, sich selbständig entwickelndes Geistesleben aber setzt nothwendig ein freies, selbständiges Eigenthumsrecht voraus, denn man kann unmöglich seines eigenen Lebens Meister werden, wenn man nicht Meister dessen ist, wodurch die äußere Gestaltung der Lebensverhältnisse wesentlich bedingt ist.«222

216 217 218 219 220 221 222

S. 147. S. 155. S. 17f. S. 19. S. 150. S.o. bei Anm.208. S. 151.

Altgermanische Freiheit - ein Prinzip für die

Privatrechtsordnung?

41

An Schmids Konzeption ist bemerkenswert, daß hier schon 1848 eine Parallele zum Ansatz der sog. Historischen Schule der Nationalökonomie 223 besteht. Der Umfang der individuellen Freiheit wird abhängig gemacht von den ökonomischen Verhältnissen. Die von Schmid vorgenommene Verbindung von Jurisprudenz und Natinalökonomie findet eine - gerade für die Prinzpienfrage bedeutsame - Fortsetzung ab den 60er Jahren des 19. Jahrhunderts.224 3. Bornemann: Christlich- deutsche Prinzipien Ebenfalls nicht zu den sog. Germanisten wird Friedrich Wilhelm Ludwig Bornemann gezählt. Jedoch auch dieser mit dem preußischen Recht praktisch und theoretisch befaßte Jurist225 bezieht in den 30er Jahren des 19. Jahrhunderts eine erklärte Position gegen das römische Recht und stellt diesem eine andere Konzeption gegenüber, die er mit dem deutschen Recht in Zusammenhang bringt.226 Allerdings nimmt Bornemann nicht auf die alte deutsche Freiheit, sondern auf die deutsche Sittlichkeit Bezug. Unter diesem Gesichtspunkt steht auch schon seine Charakterisierung des römischen Rechts. Als »Grundprinzip des Römischen Lebens« macht Bornemann den »absolute(n) oder eiserne(n) Wille(n)« fest.227 Dabei unterscheidet er zwei Stufen in der römischen Entwicklung. Zunächst sei dem Gesamtwillen zentrale Bedeutung zugekommen. Die einzelnen hätten in dieser Zeit nur als »integrirende Theile des Gesammtwillens« gegolten.228 Individuelle Bestimmungen seien als »untergeordnete« und »abgeleitete Kräfte des Gesammtwillens« an bestimmte Formen und das ius publicum gebunden gewesen.229 Bornemann versteht dies vor allem dahingehend, daß die individuellen Rechtsgestaltungen der Sitte unterworfen waren.230 In 223

Dazu unten 3. Abschnitt, S.79, 84ff. S. unten Abschnitte 3 und 4, S.74ff. 225 1798-1864. Bornemann war zunächst als Richter am Oberappellationsgericht in Greifswald, später als Kammergerichtsrat tätig. Seit 1844 Direktor im preuß. Justizministerium und Mitglied der Gesetzeskommission, bekleidete er 1848 den Posten des Justizminister in den Kabinetten Armin-Boitzenburg und Camphausen. Danach arbeitete Bornemann wieder im Bereich der Justiz und zwar als zweiter Präsident am preußischen Obertribunal. Bornemann gilt als Liberaler (Landau, Bornemann, S. 76,80). Sein Hauptwerk ist die sechsbändige »Systematische Darstellung des preußischen Civilrechts mit Benutzung der Materialien des Allgemeinen Landrechts«, die in zwei Auflagen erschien. (Zu Leben und Werk Bornemanns Landau, Bornemann, S.57ff mwN). 226 Hauptquellen sind insoweit Bornemanns Aufsatz »Ueber die wahrhaft geschichtliche Entstehung und Bedeutung des preußischen Rechts in materieller und formeller Beziehung; ein Wink für die Revisoren« (1830-33), sowie die Einleitung zur 1. Auflage seiner »systematischen Darstellung des preußischen Civilrechts« (1834). Später greift Bornemann das Thema nochmals auf in seiner Schrift »Die Rechtsentwicklung in Deutschland und deren Zukunft mit besonderer Hinsicht auf Preußen« (1856). 227 Revision, S.220. Vgl. auch Preussisches Civilrecht I, 1. A., S.30ff; Rechtsentwicklung, S.7ff. 228 Revision, S.224. 229 S.224. 230 S.225, und sehr deutlich später Rechtsentwicklung, S. 14. 224

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1. Teil: Diskussionen um Prinzipien der

Privatrechtsordnung

diesem Sinn bemerkt er, daß der römische Wille in der frühen Zeit »jede nackte Willkührlichkeit verschmäht, und so sich selbst eine starke Schranke ist«.231 Von dieser Situation unterscheidet Bornemann die spätere Ausbildung der »individuellein) Selbständigkeit der Volksglieder«232, in welcher der »eiserne individuelle Wille« zur Geltung gekommen sei233. Als Kennzeichen dieser Richtung, die er der römischen Kaiserzeit zuordnet 234 , hebt Bornemann hervor, daß der alte Sittenschutz aufgehoben wurde. Die Individuen »bestimmen (...) das Maaß ihrer Sittlichkeit«, wobei der individuelle Wille »oft in die rasende Willkühr und Sittenlosigkeit« ausartete.235 Dementsprechend versteht Bornemann das im Corpus iuris civilis gesammelte römische Recht als »eine kalte, mit mathematischer Verstandesconsequenz berechnete, den ererbten Formen und Grundsätzen sich möglichst anschließende Ausgleichung der gegenseitigen egoistischen Forderungen des individuellen Willens, (sc. welches) mithin der Liebe entbehrt, obgleich es jene Ausgleichung Pietät oder Nächstenliebe zu nennen sich häufig nicht entblödet.« 2 3 6

Diese Bemerkung ist in mehrfacher Hinsicht aufschlußreich für Bornemanns eigene Konzeption. Zunächst kommt darin zum Ausdruck, daß der >Ausgleich von individuellen Willen< derjenige Aspekt ist, unter dem Bornemann eine Rechtsordnung betrachtet und bewertet. 237 Dies steht in Zusammenhang mit seiner Definition des subjektiven Rechts als »Verwirklichung des Willens in seiner für das Subject thätigen, durch bestimmte Regeln aber gebundenen, Richtung gegen den Willen Anderer«. 238 Regelungen, die zwei Willen voneinander abgrenzen, interessieren Bornemann. 239 Die diesbezügliche Lösung des römischen Rechts nennt er »kalt« und »mit mathematischer Verstandesconsequenz« berechnet 240 , d.h. unsittlich241. Diese Bewertung erfolgt vor dem Hintergrund der Befürwortung eines Gegenkonzepts, das als »christlich-deutsch« bezeichnet wird.242 Für dieses präzisiert Bornemann die zitierte Definition des subjektiven Rechts zur »Verwirklichung des Willens in seiner für das Subject thätigen, durch 231

Revision, S. 221. S.225. S.228. 234 S. 229. 235 S. 226. 236 S. 229; ähnlich Preussisches Civilrecht 1,1. A.S.61. Vgl. auch Revision, S.249,342. 237 Vgl. auch Revision, S.201. 238 S. 198. 239 Yg[ auch Preussisches Civilrecht I, 1. A., S.7: Es müßten Formen und Wirkungen der verschiedenen Willensäußerungen dergestalt bestimmt werden, »daß zwar keinem seine Freiheit und Selbständigkeit entzogen, jedem aber doch das, die Willkühr ausschließende, und seine Freiheit mit der Freiheit aller vereinbarende, Maaß gesetzt wird.« 240 S.o. Zitat bei Anm.236. In diesem Sinne nennt er das römische Recht auch »abstract«, vgl. S. 239, 246, 338,342. 241 S. Landau, Bornemann, S. 70, mit Hinweis auf das abstrakte Privatrecht im Sinne von Hegel. 242 Vgl. Bornemann, Revision, S.246, 233, 236. 232

233

Altgermanische Freiheit - ein Prinzip für die

Privatrechtsordnung?

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das herrschende religiöse Grundprincip aber bestimmten und geregelten, und in so fern von den Banden des Egoismus befreiten oder freien Richtung gegen den Willen Anderer«. 243 Bornemann stellt somit zwei Ansätze für die Gestaltung des Privatrechts gegenüber: Nach dem einen bestimmt der individuelle Egoismus das rechtliche Verhältnis zwischen zwei Personen. Nach dem anderen ist für dieses Verhältnis christliche (Nächsten-)Liebe und Pietät244, d.h. das religiöse Grundprinzip maßgebend. Über Bornemanns Bewertung besteht kein Zweifel. Die »Forderungen der christlichen Sittlichkeit«245 haben nach seiner Auffassung Prinzipien für die Privatrechtsordnung zu sein. Bornemann ist der Ansicht, daß das preußische Recht diesen Grundsatz verwirkliche. Er sieht das ALR als »wiedergebornes deutsches Recht«246, das von »christlich-deutschem Geist« durchdrungen •247

sei . In diesem Rahmen wird dann der Umfang der individuellen rechtlichen Freiheit bestimmt. Das Christentum, so bemerkt Bornemann, begünstige »eine vernünftige individuelle Freiheit«. Die Individuen seien berechtigt, »eine Anerkennung der Forderungen ihres Willens, so weit dieselben dem geoffenbarten göttlichen Willen gemäß gestimmt sind', zu verlangen.«248 Das Prinzip einer christlichen Privatrechtsordnung ist danach individuelle Freiheit - aber verstanden als Freiheit, die nur in einem bestimmten Sinn gebraucht werden darf. Dem entsprechen Bornemanns Ausführungen zur Gesetzgebung. Einerseits warnt er davor, das Christentum »auf papistische Weise« zu fesseln. Eine Fixierung christlicher Gebote sei eigentlich unchristlich, da die Befolgung der Gebote Ergebnis freier Überzeugung sein sollte. Andererseits sei eine gesetzliche Anordnung der Unwirksamkeit unchristlicher Handlungen so lange notwendig, als die Masse des Volkes nicht »reich genug« sei, »die Freiheit und Wahrheit (...) ohne Gefahr des Mißbrauchs zu ertragen«.249 Die Freiheit, die dem einzelnen in einer vom christlichen Prinzip geprägten Privatrechtsordnung zukommt, ist also mit ganz bestimmten inhaltlichen Anforderungen verbunden. Nur ein diesen Anforderungen entsprechender Gebrauch der Freiheit wird als rechtmäßig anerkannt.250 243

S.219 (der ganze Satz ist im Original im Druckbild hervorgehoben). S.o. bei Anm.236. 245 S. 246; vgl. auch S. 239, 249. 246 Preussisches Civilrecht I, 2. A., S. 13. 247 Revision, S.246; Preussisches Civilrecht 1,1. A., S. 134. 248 Revision, S. 214. Vgl. auch Bornemanns Bestimmung von >Vernunft< durch christliche Einsicht S.246. 249 S. 240. 250 Erwähnt sei abschließend, daß Bornemann diese Gedanken in späteren Werken (»Rechtsentstehung« und die späteren Auflagen des »preußischen Civilrechts«) nicht mehr ausspricht. Landau vermutet als Grund für den Wegfall der historischen Einleitung in der zweiten Auflage der »systematischen Darstellung des preußischen Civilrechts«, daß »Bornemanns Mischung von Aufklärung und Christentum« der Staatsauffassung des 1840 an die Regierung gekommenen Friedrich Wilhelm IV. nicht entsprach (Landau, Bornemann, Anm. 19, S.64). 244

44

1. Teil: Diskussionen

um Prinzipien der

Privatrechtsordnung

4. G e r b e r : Freie Willensbestimmung als privatrechtliches Prinzip In nochmals ganz anderer Weise verwendet in den 40er Jahren Carl Friedrich Gerber das alte deutsche Recht für seine Privatrechtskonzeption. Gerber, der ungefähr 20 Jahre jünger als Reyscher ist 251 , wird 1846 zum außerordentlichen Professor in Jena und 1847 zum ordentlichen Professor in Erlangen ernannt. 2 5 2 E r nimmt 1846 an der Germanistenversammlung in Frankfurt teil, ohne dort besonders hervorzutreten. Im selben Jahr erscheint dann ein Werk Gerbers, das erhebliches Aufsehen erregt 253 : »Das wissenschaftliche Prinzip des deutschen Privatrechts«. Gerbers Zielpunkt bei dieser Untersuchung ist die Herausarbeitung eines Prinzips, von dem aus »der Inbegriff der auf deutschem Boden erwachsenen Rechtssätze aufgefaßt und dargestellt« werden könne. 254 Nicht eine bloße Sammlung der zahlreichen partikulären Bestimmungen ist beabsichtigt 255 , sondern »aus der Totalität aller durch die particulären Organe erzeugten Rechtsstoffe« sollen allgemeine leitende Ideen enthüllt werden. 2 5 6 Aus diesen Ideen sei ein System zu konstruieren 2 5 7 , wobei ein einheitliches Prinzip im Zentrum stehen soll, das »alle einzelnen Theile beherrscht und mit überall sichtbaren Fäden in sich, als den lebendigen Mittelpunct, vereinigt«. 258 Die Gesamtheit des germanistischen Stoffs werde auf diese Weise zu einem »wissenschaftlichen Ganzen« 2 5 9 zusammengefügt. 1846 arbeitet Gerber vor allem den methodischen Aspekt des wissenschaftlichen Prinzips heraus. 260 Daneben findet sich aber etWenn auch das Christentum als Faktor der deutschen Rechtsentwicklung nur noch am Rande genannt wird (vgl. Preußisches Civilrecht 1,2. A., S. 2; Rechtsentstehung, S. 39f), so scheint Bornemann diesen Ansatz jedoch später nicht aufgeben zu wollen. Auf jeden Fall entwickelt er kein neues Konzept für die Gestaltung der Privatrechtsordnung. 251 Gerber 1823-1891; Reyscher 1802-1880; Beseler 1809-1888. 252 1 851 ging Gerber dann an die Universität Tübingen. 1857-1861 war er württembergischer Vertreter bei den Konferenzen zur Vorbereitung der Kodifikation des Handelsrechts. Später wechselte Gerber nach Jena (1862) und 1863 nach Leipzig als Professor des deutschen Privatrechts, Staats- und Kirchenrechts. 1871 erhielt er das Amt des sächsischen Kultusministers, welches er bis zu seinem Tod innehatte. (Zu Gerber Landsberg, Geschichte III 2, Text, S. 778ff, Noten, S. 334; Losano, Jhering und Gerber II, S. 305 ff, dort S. 90ff Näheres zu Gerbers Werk). 253 Landsberg, Geschichte III 2, Text, S. 778ff. Die Arbeit war Gerbers Habilitationsschrift. 254 Gerber, Princip, S. 15. Zu der Forderung nach der Ausarbeitung eines Systems des deutschen Privatrechts im 19. Jahrhundert und deren Umsetzung H. Schlosser, »Das >wissenschaftliche Prinzip< der germanischen Privatrechtssysteme«, in: Kleinheyer/ Mikat (Hrsg.), Beiträge zur Rechtsgeschichte, Gedächtnisschrift für H. Conrad, Paderborn, 1979, S. 491-514. 255 S.S.238, 241, 260. 256 S. 263. Vgl. auch die Beschreibung seiner Methode in Reallasten, S.40f. 257 Das auf diese Weise entwickelte gemeine deutsche Recht versteht Gerber jedoch nicht als praktisch anwendbares Recht, s. Princip, S.272ff. Zum Systembegriff Gerbers Losano, Jhering und Gerber II, S. 130ff; entsprechend ders., System, S. 647ff. 258 Gerber, Princip, S. 242. 259 S. 238; vgl. auch S. 241. 260 Sein Ergebnis lautet: »Das heutige gemeine deutsche Privatrecht muß deshalb nach seiner wissenschaftlichen Natur aufgefaßt werden, als die Darstellung der gegenwärtigen Aeußerungen der Rechtsüberzeugung des deutschen Volks auf dem Gebiete des Privatrechts« (S. 269).

Altgermanische

Freiheit - ein Prinzip für die

Privatrechtsordnung?

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was versteckt auch schon eine Andeutung, wie er den Inhalt des privatrechtlichen Prinzips versteht. Gerber geht davon aus, daß sich das Volksbewußtsein und damit auch das Recht organisch entwickeln. 261 In diesem Sinn bemerkt er, daß »selbst die Rechtserzeugnisse der neuesten Zeit mit dem Inhalte der ältesten Rechtsdenkmäler in eine wirkliche Verbindung« gesetzt werden können. Und - so fährt Gerber fort - »es ist unbedingt nothwendig zur Erkenntnis unseres Rechtes, diese Verbindung zu erfassen, weil jede organische Bildung in ihrer allmählichen Entwicklung will begriffen sein«. 262 Ausgehend von diesem Gedanken konstruiert er dann eine Kette von der Gegenwart bis zu den Volksrechten. 263 Und für letztere stellt er fest, daß sie »durchdrungen (sc. sind) von einer Grundfarbe«: » U e b e r allen diesen Rechtsbüchern schwebt als b e h e r r s c h e n d e s E l e m e n t die Idee der germanischen Freiheit und das ihr e n t s p r e c h e n d e R e c h t des Einzelnen, das Fehderecht.« 2 6 4

Gerber bestimmt die Freiheit in diesem Zusammenhang als »individuelle Selbständigkeit«, als »persönliche Ungebundenheit, die der Einzelne keiner höheren Gewalt opfern will«.265 Er lehnt Rogges Definition der germanischen Freiheit ab, verneint aber ebenso die Ansicht, »den Begriff der Freiheit vollständig in der Wirksamkeit des Einzelnen in der Gemeinde aufgehen zu lassen«. 266 Die Verbindung zum Privatrecht stellt er über das Fehderecht her. Gerber deutet an, daß das »germanische Delictrecht« und die Berechtigung an Sachen »Anwendungen der Idee des Fehderechts« seien. 267 Um Kontinuitäten zur alten Zeit herzustellen, läßt er für das Mittelalter die Übernahme von Rechtsformen als Verbindungsglied genügen: »Die Begriffe von Gewere und Vogtschaft haben ihre Beziehung zum alten Fehderecht und der alten Gemeindeverfassung verloren, aber die äußere Gestalt derselben ist noch immer festgehalten, wenn sie auch mit einem andern, der neueren Zeit entsprechenden Stoffe gefüllt ist.« 268 Diese Linie zieht Gerber dann nicht weiter für die spätere Zeit. Indem Gerber die »germanische Freiheit« als Ausgangspunkt einer organischen Entwicklung des Rechts 269 benennt, wird jedoch die Vorstellung erweckt, daß die261 S.269ff billigt Gerber ausdrücklich die Rechtsentstehungslehre der historischen Schule. Vgl. auch S. 245, 253. 262 S. 253. 263 Für »die Zeit der nächsten Vergangenheit« stellt Gerber fest, daß sie »durch eine gewisse Wahlverwandtschaft an jene ursprünglichen deutschen Rechtsideen geknüpft sind, welche die lebendige Volkskraft im Mittelalter geschaffen« hat (S.253). Hinsichtlich der angesprochenen Zeit des Mittelalters behauptet Gerber dann einen Zusammenhang mit »alten germanischen Rechtsideen« (S.249; vgl. auch S.250, 252). 264 S.246 (Hervorhebung nicht im Original). 265 Anm.3, S.246f. 266 Anm.3, S.246. 267 S.249. 268 S.250f. 269 S.o. bei Anm.261.

46

1. Teil: Diskussionen

um Prinzipien der

Privatrechtsordnung

ser Gedanke auch als Grundlage des geltenden (deutschen) Privatrechts zu sehen sei.270 Zwei Jahre später erscheint dann der erste Teil des »System des deutschen Privatrechts«. Hier setzt Gerber seine theoretischen Erwägungen zum wissenschaftlichen Prinzip praktisch um. Auch im »System« bezeichnet er es als Aufgabe, »den Inhalt des gegenwärtigen deutschen Rechtsbewußtseins darzustellen« 271 und daraus das zentrale Prinzip zu entwickeln. Und als dieses Prinzip macht er aus: den »Personenwillen«. 272 »Eigentlich privatrechtliches Prinzip« sei die »Anerkennung der freien Möglichkeit individueller Willensbestimmung in Bezug auf die rechtliche Beherrschung der Dinge«. 273 Diesen Gedanken betont Gerber auch in späteren Arbeiten immer wieder. So heißt es in einem Aufsatz über Reallasten: »Jedenfalls kann es nicht verkannt werden, dass das Privatrecht unserer Zeit im Ganzen den Standpunkt eines Systems freier Willensmöglichkeiten behauptet.« 274 Und in Gerbers Buch »Ueber öffentliche Rechte« (1852) ist zu lesen: »Alle privatrechtlichen Befugnisse sind U n t e r w e r f u n g e n eines G e g e n s t a n d e s unter den rechtlichen Willen einer Person. D a s System des Privatrechts entwickelt nur die verschiedenen Möglichkeiten der A e u ß e r u n g dieses Willens in seiner Richtung auf G e g e n s t ä n d e der Güterwelt; die Persönlichkeit ist folglich der einzige und alleinige Ausgangspunkt, das C e n t r u m des privatrechtlichen Systems.« 2 7 5

Dabei bemerkt Gerber, daß das »Specifische des Privatrechts« im Vermögensrecht und nicht im Familienrecht zu sehen sei. 276 Er löst sich damit von der in den 30er und 40er Jahren zu beobachtenden Tendenz in der Germanistik 277 , das Familienrecht in den Mittelpunkt zu stellen und daraus die Charakteristik des Privatrechts abzuleiten. Stattdessen verwendet Gerber für das deutsche Privatrecht dasselbe Prinzip, »mit dem es möglich geworden ist, den Stoff des römischen Rechts zu einer solchen wissenschaftlichen Einheit und Durchbildung zu bringen«. 278 Probleme bereitet allerdings der Umstand, daß im deutschen Recht auf ständische Verschiedenheiten für den Umfang subjektiver Rechte abgestellt wird. Hier hilft sich Gerber, indem er den privatrechtlichen Willen, »insofern er auf die Unterwerfung einer Sache oder Person gerichtet ist«, trennt von der Ein270

In seinen Aufsätzen zum deutschen Recht 1851,1855,1865 (Abhandlungen I, S. l f f ) geht Gerber auf dieses Thema nicht ein. 271 System, S. 15. 272 Vorrede zur 1. Aufl., 6. A.S. XI, XV. Dazu Pauly, Methodenwandel, S. lOOf. Zur Bedeutung des Personenwillens für Gerbers Vorstellung vom System des Rechts, Pauly, aaO, S. 103ff; Losano, System, S.651 (entsprechend ders., Jhering und Gerber II, S. 133f. 273 System, 6. A „ S.4. 274 Reallasten (1858), S. 38. 275 Öffentl. Rechte, S.27. Vgl. auch S.28f und S.25: »Nur die Privatrechte liegen ganz in der Willenssphäre des Einzelnen und sind dessen unbeschränkter Disposition unterworfen (...).« 276 S. 29. 277 S.o. unter Ziffer I 2, S.23. 278 System, 6. A., S. XI (aus der Vorrede zur 1. A.).

Altgermanische

Freiheit - ein Prinzip fiir die

Privatrechtsordnung?

47

teilung der Personen in Stände, der ein »rein staatsrechtliches Interesse« zugrunde liege.279 Gerber sieht somit das Individuum und seinen Willen als Grundlage für die Gestaltung des Privatrechts an. Seine Position unterscheidet sich von derjenigen Beselers und späterer Germanisten 280 darin, daß er das Individuum nicht primär als Glied der Gemeinschaft betrachtet und daraus Grenzen für die individuelle Freiheit ableitet. Auch deswegen wird bei Gerber von einer »Einleitung der romanistischen Reaktion innerhalb der germanistischen Rechtswissenschaft« gesprochen. 281

IV. Zusammenfassung Die Untersuchung hat gezeigt, daß sich die Erwartung, bei den Germanisten werde parallel zu ihrer politischen Einstellung bei Ausführungen zum Privatrecht Freiheit ein zentrales Thema sein, nicht erfüllt. Das auffällige Bemühen darum, das römische Recht als despotisch zu kennzeichnen, deutet auf den Grund für dieses Ergebnis hin. Schließlich ist es kaum möglich, das alte deutsche Recht mit seiner Berücksichtigung ständischer Verschiedenheiten als freiheitlich zu bezeichnen. Eine Chance dazu bietet nur die Anerkennung autonomer Rechtssetzungen im deutschen Recht. Die alte Autonomie von Gemeinschaften wird von Germanisten jedoch nur selten mit der Dispositionsbefugnis von Einzelpersonen in Verbindung gebracht. Wildau Überlegungen zur >Privatautonomie< stellen eine Ausnahme dar, an die sich keine Grundsatzdebatte anschließt. Neben vielen Fehlanzeigen lassen sich jedoch auch einige grundsätzliche Konzeptionen nachweisen, welche von der Vorstellung einer (alten) deutschen Freiheit ausgehen. Dabei fällt auf, daß meist Grenzen der Freiheit betont werden. Nach dem »germanistischen« Modell Beselers soll die individuelle Freiheit durch die Interessen der Gemeinschaft eingeschränkt sein. Wie diese Interessen zu bestimmen sind, bleibt allerdings offen. Auf diese Frage gehen demgegenüber einige Juristen näher ein, die nicht zum Kreis der Germanisten im engeren Sinn gezählt werden. Nach Pfizers Ansicht soll eine liberal-konstitutionelle Regelung der Staatsgewalt Einfluß auf die mehrheitlich festzulegenden Staatszwecke und damit mittelbar auf die im Interesse dieser Zwecke erfolgenden

279

System, S. IXf (aus der Vorrede zur 1. A.). Angesprochen wird das Thema auch in Princip, S. 138ff, wo Gerber die Bedeutung der ständischen Verschiedenheit für das deutsche Recht jedoch nicht klar löst. 280 Dazu unten Abschnitte 2 und 4, S.49ff, 141 ff. 281 Gierke, Germanisten, S. 26. Diese Behauptung belegt Gierke allerdings nicht mit dem Prinzip für das Privatrecht, sondern mit allgemeinen Aussagen zum deutschen Recht in Gerbers Aufsätzen. Z u diesem und weiteren Vorwürfen von Germanisten gegen Gerber Pauly, Methodenwandel, S.98f.

48

1. Teil: Diskussionen

um Prinzipien

der

Privatrechtsordnung

Freiheitsbegrenzungen nehmen. Schmid versteht die Privatrechtsordnung als Ordnung der Lebenszwecke und billigt politischen und volkswirtschaftlichen Verhältnissen und Theorien eine Rolle bei der Entscheidung über Freiheitsbeschränkungen zu. Nach Bornemann bestimmen dagegen die christlichen Gebote Umfang und Gebrauch der individuellen Freiheit. Im Gegensatz dazu stellt Gerber den individuellen Willen in den Mittelpunkt; Begrenzungen im staatsrechtlichen Interesse werden angedeutet, jedoch nicht näher in die Konzeption des Privatrechts eingebaut.

2. Abschnitt

Der prinzipielle Unterschied zwischen römischem und deutschem Recht Die Debatte in den 50er Jahren Im Vergleich zu der Diskussion in den vorangegangenen Jahrzehnten fällt auf, daß in den 50er Jahren die Prinzipien des römischen und deutschen Rechts und deren Abgrenzung zum ausdrücklichen Diskussionsthema werden, wie dies bereits der Titel des 1853 erschienenen Werkes von C.A. Schmidt »Der prinzipielle Unterschied zwischen römischem und germanischem Recht« andeutet. Ein solcher Ansatz weist Parallelen zu Hegels Geschichtsschreibung auf, die um so augenfälliger sind als etliche Juristen auch vom »Geist« des römischen bzw. deutschen Rechts sprechen.1 In seinen Vorlesungen über die »Philosophie der Weltgeschichte«2 hatte Hegel den »germanischen Geist« 3 in Abgrenzung vom »römischen Geist«4 geschildert und durch bestimmte »Prinzipien« gekennzeichnet. Die germanischen Völker erscheinen als »Träger des christlichen Prinzips«5, während das »römische Prinzip«6 in der »abstrakten Persönlichkeit, welche im Privateigentum sich die Realität gibt«7, gesehen wird. Letzteres bewertet Hegel deutlich negativ, wenn er immer wieder auf die »geist- und herzlose Härte«8 so-

1 Neben Jherings »Geist des römischen Rechts« ist zu nennen das Werk von O. Plathner »Der Geist des Preußischen Privatrechts« (1854), in dem der Verfasser ausdrücklich auf Hegels Geschichtsvorlesungen Bezug nimmt (I, S. XXVIIIff). Vgl. im übrigen die Ausführungen zum »Geist« des Rechts bei Röder, Grundgedanken, S. 10,46,80,87, und Esmarch, Recht, S. 1015f, 1052f. Vorher hatte schon Hufeland den »Geist des römischen Rechts« untersucht (1815), ohne allerdings einen römischen und deutschen Geist im Sinne von Prinzipien der Privatrechtsordnung einander gegenüberzustellen. 2 1822-1830; hrsg. von E. Gans 1837; Neubearbeitung 1840 von Karl Hegel; Neuauflage 1848. 3 S. z.B. Hegel, Philosophie der Geschichte, S.413. 4 S.S. 344. 5 S.413. 6 S. 339. Dazu näher Pleister, Jhering, S. 158ff, und Dworzak, Versuche (1856), S. 5ff, wo dann auch auf die Weiterbildung der Gedanken durch Gans und Stahl eingegangen wird (S. 9ff). 7 Hegel, Philosophie der Geschichte, S. 342. Ähnlich auch in anderen Werken Hegels, vgl. nur Geschichte der Philosophie II, S.405; Grundlinien, §357. 8 Philosophie der Geschichte, S. 340; vgl. auch S. 348 »Prinzip der Härte« bei Familienverhältnissen, S.351 »Härte der Persönlichkeit«.

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1. Teil: Diskussionen

um Prinzipien der

Privatrechtsordnung

wie auf die Sittenlosigkeit 9 des römischen Prinzips verweist. Entsprechend wird für das römische Recht die Trennung von der Sitte hervorgehoben. 10 Ohne dies ausdrücklich anzusprechen, nimmt eine Gruppe von juristischen Arbeiten in den 50er Jahren Hegels Perspektive auf. 11 Damit geraten Prinzipien des römischen und deutschen Rechts in den Blick, die inhaltlich allerdings teilweise anders als bei Hegel gekennzeichnet beziehungsweise bewertet werden. Diese Werke sind im Hinblick auf Privatrechtskonzeptionen von besonderem Interesse 12 , da in ihnen einzelne Juristen auch Ansichten zur Gestaltung der Privatrechtsordnung formulieren. 13

I. C. A. Schmidt: Schrankenlose oder durch Sittengesetz beschränkte Freiheit 1. Die Fundamentalprinzipien >Subjektivität< und >Objektivität< Besonders deutlich verbindet Carl Adolf Schmidt 14 die Vorstellung von römischen und deutschen Prinzipien mit der Konstruktion des Privatrechts. Er beschreibt 1853 unterschiedliche Gestaltungen des Obligationen-, Sachen-, Erbund Familienrechts als »notwendige« Konsequenzen aus verschiedenen »Fun-

9

S.349: »So entartet und entsittlicht sehen wir hier die Grundverhältnisse der Sittlichkeit«, und vgl. dort auch »unsittliche aktive Härte«. 10 S. 351. Näheres zu Hegels Kennzeichnung des römischen Rechts als abstraktes Recht bei Villey, Recht, S. 137ff. 11 Die Verbindung zu Hegels Ansatz wird allerdings erwähnt von Kuntze, Recht, S. 177, und vor allem herausgestellt von Dworzak, Versuche, S.5ff, 193, wo im Anschluß an eine Darstellung von Hegels Ausführungen die Arbeiten von Jhering, Schmidt und Lenz ausführlich referiert werden. Daß diese Juristen Hegels »Philosophie der Geschichte« kannten, belegen gelegentliche Erwähnungen des Werkes, vgl. nur Schmidt, Unterschied, S. 39; Jhering, Geist I, S. 99, 264 (zu Bezugnahmen Jherings auf Hegel Näheres bei Pleister, Jhering, S. 150ff); Lenz, Entstehung, S. 272 Anm. 17, S. 308 Anm. 199. 12 Inwieweit die Ansätze der einzelnen Juristen mit Hegels Darstellung übereinstimmen, ist nicht Gegenstand der folgenden Untersuchung. Ebensowenig sollen Einflüsse von Hegels Konzeption des Privatrechts analysiert werden (s. Einleitung, Ziffer II 2, S.8ff). 13 Unter einem anderen Gesichtspunkt untersucht Luig die Debatte. Er analysiert die Texte allein daraufhin, wie dort deutsches Recht mit dem Gedanken von sozialem Recht verbunden wird, vgl. Rechtsanschauungen S. 106,118. 14 Der Verfasser des Werkes »Der prinzipielle Unterschied zwischen römischem und germanischem Recht« ist nicht zu verwechseln mit dem ungefähr zur selben Zeit lebenden Romanisten gleichen Namens; s. Landsberg, Geschichte III 2, Noten, S. 343. Es ist daher üblich geworden zur Unterscheidung den Romanisten nach seinem Herkunftsort >Schmidt von Ilmenau« zu nennen. Unzutreffend ist es jedoch, wenn im Nachdruck des Werkes »Der prinzipielle Unterschied« (1964) als Verfasser >Schmidt von Ilmenau< angegeben ist. Fälschlicherweise von einer Identität beider Juristen geht auch Losano, Jhering und Gerber II, aus (Personenverzeichnis, S.401; von den dort nachgewiesenen Erwähnungen von O.A. Schmidt in Briefen Jherings beziehen sich nur diejenigen von Bd. 1, S.58, 61, 65, 206, 221, auf den Verfasser des Buches über den Unterschied zwischen römischem und germanischem Recht).

Der prinzipielle

Unterschied zwischen römischem und deutschem

Recht

51

damentalprinzipien«. 15 Dabei geht er davon aus, daß es zwei derartige Prinzipien gebe, nämlich einen obersten Grundsatz des römischen Lebens und Rechts und einen obersten Grundsatz des germanischen Lebens 16 und Rechts. Inhaltlich charakterisiert Schmidt die Prinzipien der beiden Rechte mit den Begriffen >Subjektivität< (für das römische Recht) und >Objektivität< (für das germanische Recht). 1 7 Als grundlegend für diese Differenzierung wird die Entscheidung angesehen, ob der Mensch sein Ich oder die Gesamtheit der ihn umgebenden Dinge (die Welt, die Gottheit) ins Zentrum stelle. 18 2. Drei Modelle für die Rechtsordnung Die Wahl der Römer, das Individuum in den Mittelpunkt zu stellen, hat nach Schmidts Ansicht Konsequenzen für die Bedeutung, die der individuellen Freiheit zugemessen wird: »Wenn der Mensch sein Ich zum Ausgangspunkt seines D e n k e n s macht, so erblickt er in sich ein mit Vernunft und Willen begabtes Wesen, welches vermöge dieser Eigenschaften befähigt, u n d folglich, - weil der Begriff des Subjects kein M o m e n t enthält, welches ihm in Betreff des G e b r a u c h e s dieser Fähigkeit B e s c h r ä n k u n g e n auferlegte - auch berechtigt ist, selbst zu e r k e n n e n , was ihm f r o m m t , und nach eigener Wahl und freiem Entschlüsse zu handeln. In dieser naturalis facultas ejus, q u o d sibi facere libet besteht seine Freiheit, und diese Freiheit m u ß , - was das Verhältnis der verschiedenen Menschen zu e i n a n d e r betrifft, - nothwendiger Weise als eine unbeschränkte gedacht werden, weil die Coexistenz m e h r e r e r mit Vernunft und Willen begabter Wesen etwas rein Thatsächliches ist, und daher wohl thatsächliche B e s c h r ä n k u n g e n des G e b r a u c h s seiner Willensfreiheit zur Folge haben, diese selbst a b e r begreiflicher Weise weder a u f h e b e n noch m i n d e r n kann.« 1 9

Schmidt geht also von einem Zusammenhang zwischen dem (römischen) Prinzip der Subjektivität und dem Grundsatz unbeschränkter Freiheit aus. Die »absolute Freiheit des Einzelnen im Verhältnis zu den übrigen Menschen« ist ihm »logische Consequenz aus dem Begriffe des Subjects«. 20 Für die Rechtsordnung heißt dies, daß ihr oberstes Prinzip die »Wahrung und Sicherung der ursprünglichen Freiheit der Einzelnen« 21 , d.h. der »subjectiven Willensfreiheit der Einzelnen« 22 zu sein habe:

15 S. 2; S. 29: »oberste Voraussetzungen«. Das Buch, das der »Verschiedenheit der Grundbegriffe und des Privatrechts« gewidmet ist, war als erster Band konzipiert, dem ein zweiter zum Thema Staats- und Kriminalrecht folgen sollte (Unterschied, S. VII). Dieser zweite Band ist jedoch nie erschienen. Zu den Hauptgedanken von Schmidts Werk Landau, Prinzipien, S. 334ff; Liag, Rechtsanschuung, S. 114ff; Kroeschell, Eigentumsbegriff, S. 54ff. 16 S. 18. 17 Schmidt, Unterschied, vgl. nur Überschriften §§ lf, S.29, 47. 18 S.S. 17, 29, 47. 19 S.29f (Hervorhebungen nicht im Original). 20 S.31. 21 S.35. 22 S. 82.

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1. Teil: Diskussionen

um Prinzipien der

Privatrechtsordnung

»(...) die A u f g a b e des Staates beschränkt sich folglich einfach darauf: die R e c h t s s p h ä r e n der einzelnen Staatsbürger abzugrenzen und gegen Verletzungen zu sichern; dagegen inn e r h a l b seiner R e c h t s s p h ä r e dem einzelnen Rechtssubjecte seine volle ursprüngliche Souveränität ungeschmälert zu lassen.« 2 3

Dieser Konzeption stellt Schmidt als Gegenmodell Rechtsordnungen gegenüber, die nach dem Grundsatz der Objektivität gestaltet sind. In diesen gebe es keinen Zustand absoluter Freiheit, sondern »der Wille der Menschen ist von vom herein durch das Sittengesetz beschränkt«. 24 Damit wird die Berücksichtigung des Sittengesetzes zum entscheidenden Kriterium für die Kennzeichnung von Privatrechtskonzeptionen. Das »Wesen« des Unterschieds zwischen den Prinzipien der Subjektivität und der Objektivität besteht nach Schmidt in einer »principielle(n) scharfe(n) Unterscheidung zwischen Recht und Sittlichkeit« auf der einen 25 und deren Verbindung auf der anderen Seite. Das bedeutet: Wenn Schmidt die Freiheit im römischen Recht als unbegrenzt kennzeichnet, dann meint er damit, daß keine Einschränkungen aus der Sitte hergeleitet werden. 26 Bei den vom Grundsatz der Objektivität geprägten Rechtsordnungen differenziert Schmidt jedoch noch weiter. Auch hier spielt wiederum der Gesichtspunkt der Freiheit eine Rolle, die allerdings hier als »sittliche Freiheit« im Sinne von »sittlicher Selbstbestimmung« verstanden wird. 27 Nach dem vom Schmidt sogenannten »griechischen« Modell regelt der Staat alle Lebensverhältnisse nach den Forderungen des Ethos gesetzlich. 28 Für eine sittliche Selbstbestimmung des einzelnen bleibt kein Raum. Hierin liegt der Unterschied zum »germanischen« Modell. Wenn auch bei diesem nach Schmidt der Inhalt des Sittengesetzes für die Gestaltung der Rechtsordnung maßgebend ist, so werden doch der »legislativen und administrativen Thätigkeit des Staates durch die sittliche Freiheit der Individuen ihre natürliche Schranke gesetzt«. 29 Die »Realisierung des Sittengesetzes« bleibe »die freie That der Menschen«. 30 Für die Frage, wie eine solche sittliche Freiheit gewahrt werden könne, verweist Schmidt darauf, 23

S.35; vgl. auch S.82, 165f. S.48 (Hervorhebung nicht im Original). Die Formulierung, daß das Sittengesetz »von vornherein« den Umfang von Rechten bestimme, verwendet Schmidt häufiger, vgl. nur S. 124 und S.56: »Daher bleibt der Inhalt des Sittengesetzes maaßgebend für die Gestaltung des Rechts, und dadurch bestimmt sich von vorn herein die Art und das Maaß der Freiheit, welche der Staat den Individuen gewähren darf und soll.« Das Sittengesetz ist nach Schmidts Ansicht nicht nur zeitlich vor der staatlichen Gesetzgebung vorhanden, sondern auch richtungweisend für deren Inhalt. Dies kennzeichnet Schmidt mit dem Bild, daß sich das Recht zum Sittengesetz verhalte wie der Schmettterling zur Raupe (S.50, 69, 87). 25 Fn. S. 38; vgl. auch S. 91. 26 Daß sich aus dem Nebeneinander von Menschen tatsächliche Schranken für die Willkür ergeben, negiert Schmidt dagegen keineswegs; vgl. oben bei Anm. 19. 27 Vgl. S. 55ff, 162,166. 28 S. 53 ff. 29 S.56. 30 S.56. 24

Der prinzipielle

Unterschied zwischen römischem

und deutschem

Recht

53

daß zwei verschiedene A r t e n von sittlichen N o r m e n zu unterscheiden seien. 31 Z u m einen gebe es »unzweifelhafte« Vorschriften des Sittengesetzes, »gegen deren Existenz und Inhalt ein sittlich berechtigter Zweifel nicht wohl als möglich gedacht werden kann« 3 2 . Als Beispiele nennt Schmidt das Verbieten von Mord, Diebstahl, Betrug, Meineid, Polygamie, Konkubinat und Blasphemie 3 3 . »Dagegen enthält das Sittengesetz auch eine M e n g e von Vorschriften, deren Existenz und Inhalt nicht so absolut gewiß ist, oder wenigstens nicht so präcis gefaßt werden kann, daß über ihre A n w e n d u n g auf einen concreten Fall nicht eine Verschiedenheit der sittlichen Urtheile möglich wäre.« 3 4 Die sittliche Freiheit des Menschen bleibe erhalten, wenn nur die unzweifelhaften G e b o t e des Sittengesetzes vom Staat normiert würden, w ä h r e n d der einzelne in den übrigen Fällen ohne gesetzliche Vorgaben entscheiden könne. Insgesamt läßt sich somit feststellen, daß drei Modelle für die Gestaltung von Rechtsordnungen beschrieben werden, wobei sich die Unterschiede aus dem Verständnis und der A n e r k e n n u n g der individuellen Freiheit ergeben: 1. Das sog. römische Modell: Die »subjektive Willensfreiheit« ist der zentrale G e d a n k e des Privatrechts. Diese Freiheit ist grundsätzlich unbegrenzt. D e r Staat beschränkt allein die Mittel, mit denen ein bellum omnium contra omnes geführt wird. 35 2. Das sog. germanische Modell: Nicht die grundsätzlich unbeschränkte individuelle Freiheit wird als Prinzip des Privatrechts angesehen, sondern eine immanent begrenzte Freiheit. Die Freiheit gilt als »von vornherein« durch das Sittengesetz beschränkt. D e m Staat wird die Aufgabe zugeteilt, unzweifelhafte Sittengebote gesetzlich zu normieren. Die individuelle sittliche Freiheit darf dadurch allerdings nicht eingeschränkt werden 3 6 , sie bildet die G r e n z e für gesetzliche Regelungen. 3. D a s sog. griechische Modell 3 7 : Die Rechtsordnung verwirklicht die Sittengesetze ohne Berücksichtigung des G e d a n k e n s sittlicher Freiheit. 3. K o n s e q u e n z e n f ü r die G e s t a l t u n g d e s P r i v a t r e c h t s Diese Grundsatzvorstellungen konkretisiert Schmidt d a n n auch noch. E r nennt einige P u n k t e aus d e m Bereich des Privatrechts, die unterschiedliche Regelun-

31 Bezüglich der Feststellbarkeit dieser N o r m e n sieht Schmidt keine Probleme. Sie manifestieren sich nach seiner Ansicht »in den A e u ß e r u n g e n des sittlichen Bewußtseins der Menschen« (S.68). Die sittliche Anschauungsweise eines Volkes sei »homogen« (S.61) und das Sittengesetz mit »objectiver Gewißheit erkennbar« (Fn. S. 167). 32 S.58. 33 S.57,59. 34 S.57. 35 S.282f. 36 S. 166. 37 Dieses Modell erwähnt Schmidt hauptsächlich zur Verdeutlichung des germanischen.

54

1. Teil: Diskussionen

um Prinzipien

der

Privatrechtsordnung

gen erfahren - je nach zugrundegelegtem obersten Prinzip und daraus resultierendem Freiheitsverständnis 38 : a. Rechtsgleichheit

und

Rechtsfähigkeit

Als Konsequenz des (römischen) Prinzips der Subjektivität hebt Schmidt hervor, »daß das Recht für alle Personen gleich sein muß«. »(...) der Begriff des Subjects und der subjectiven Willensfreiheit ist überall und in allen Lebensverhältnissen derselbe; und da alle Rechtssubjecte den gleichen Anspruch auf subjective Willensfreiheit machen, so ist kein vernünftiger Grund denkbar, für die verschiedenen Lebenssphären und die verschiedenen Gegenden verschiedene Rechtsnormen aufzustellen.« 39 Damit ist auch schon die gegensätzliche Position angedeutet, nämlich eine Berücksichtigung der Verschiedenheit der Lebenssphären als Folge des (germanischen) Prinzips der Objektivität. Zur Begründung verweist Schmidt darauf, daß diese Verschiedenheit unterschiedliche Lebensaufgaben und unterschiedliche sittliche Vorstellungen zur Folge habe, die bei der Gestaltung des Rechts zu berücksichtigen seien. 40 Die »Rechtsgleichheit aller besteht nach dem germanischen Rechte vielmehr darin, daß allen gleichmäßig Raum gegeben wird, ihr Leben ihren individuellen sittlichen Vorstellungen gemäß zu gestalten.« 41 In diesem Sinn verwendet Schmidt dann auch den Begriff der >Autonomieabsolutes Recht< auffasse (Bespr. Lenz, S. 123). 85 Lenz, E n t s t e h u n g , S.82. 86 S. 84. 87 S.35. 88 S. 152. D a g e g e n Demelius, Bespr. Lenz, S. 174f; ähnlich wie Lenz sehen die Stellung der römischen Plebejer d a g e g e n Dworzak, Versuche, S. 51 ff, und Kuntze, R e c h t , S. 188f, gegen Jherings Darstellung der Plebejer. 89 Lenz, E n t s t e h u n g , S. 153. 90 Vgl. S. 191. 91 D a g e g e n Dworzak, Versuche, S.59f. 92 Lenz, E n t s t e h u n g , S. 155. 93 S.S. 158,165.

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1. Teil: Diskussionen

um Prinzipien der

Privatrechtsordnung

»Der sittliche Mensch (...) wird seinen Nachlaß denjenigen zu hinterlassen wünschen, die ihm blutsverwandt sind (...). D a die Sittlichkeit a b e r nicht erzwingbar ist, so ist für das Recht, als die Macht des Willens, das Testament das Principale (,..).« 9 4

Lenz' Credo lautete also: unbeschränkte, vor allem nicht durch sittliche Gebote beschränkte Freiheit als Grundlage der Privatrechtsordnung. In seinem etwas später (1860) erschienenen Werk über »Das Recht des Besitzes« macht Lenz in dem Abschnitt »Ueber den Begriff des Rechts und seine genesis« deutlich, wie er sich eine Harmonie der zahlreichen subjektiven Einzelwillen vorstellt, »wenn die Ausschreitungen individueller Willkühr durch ein objectives Recht nicht eingeschränkt und unterdrückt werden« 95 . Eine Kollision der Einzelwillen ist nach seiner Meinung gar nicht denkbar. Ausgehend von der »Vernünftigkeit der Wirklichkeit in Ansehung des Rechts« 96 nimmt Lenz an, daß jeder nur das wolle, was wirklich vernünftig sei97: »Es (sc. das wollende Ich) kann daher nicht wollen, was ein A n d e r e r will. Es ist frei, aber nur dadurch, worin es allen a n d e r e n gleich ist. Das, was den G r u n d m e i n e r Persönlichkeit bildet, die Freiheit des Willens, ist gleichmäßig der G r u n d jeder a n d e r n Person. Wenn ich d a h e r irgend J e m a n d e n in seiner Willenssphäre nicht respectire, wie ich in d e r meinigen respectirt zu werden verlange; so negire ich den G r u n d , der meine eigene Persönlichkeit hält und trägt: (...) Wenn es aber das eigene Gesetz Aller ist, d a ß J e d e r Jeden in seinem Kreise frei schalten lasse; wenn Alle in sich selber b i n d e n d e r G e b u n d e n h e i t , das heißt in Freiheit und Gleichheit o d e r (was damit d u r c h a u s gleichbedeutend ist) im R e c h t e leben: so ist eine Collision der Einzelnen gar nicht d e n k b a r . Vielmehr ist damit begriffsmäßig derjenige Z u s t a n d gegeben, welcher die w a h r h a f t e Verwirklichung der auf der Gleichheit Aller b e r u h e n d e n Freiheit enthält.« 9 8

Zusammenfassend läßt sich festhalten, daß bei Lenz gegenüber Schmidt kein neues Modell für die Gestaltung der Privatrechtsordnung zu finden ist. Lenz vertritt vielmehr diejenige Privatrechtskonzeption, die Schmidt als römisches Modell beschrieben hat. Er versieht dies nun allerdings im Unterschied zu Schmidt mit einer positiven Bewertung und macht sich zum Anwalt des Gedankens absoluter, nicht von Normierung sittlicher Gebote beschränkter Willensmacht als Prinzip des Privatrechts. Der Umfang individueller Freiheitssphären wird nicht klar durchdacht. 99 Lenz verzichtet auf Abgrenzungskriterien, indem er die Vorstellung einer Kollision von Rechten der einzelnen mit einem optimistischen Hinweis auf vernünftige Handhabung der individuellen Macht von sich weist.

94

Anm.441, S.349. Besitz, S. 30. 96 S.31. 97 Angedeutet auch schon in Entstehung, S. 153. 98 Besitz, S.30f. 99 Obwohl das Konzept unbegrenzter Freiheit hier nicht als Gegenbild verwendet wird, was bei Schmidt die Überzeichnung erklärt. 95

Der prinzipielle

Unterschied zwischen römischem und deutschem

Recht

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III. Jhering: Objektiver Freiheitsgehalt der Rechtsinstitute als Schranke für die Privatautonomie Kurz nach der Veröffentlichung von Schmidts Buch über den prinzipiellen Unterschied zwischen römischem und germanischem Recht erscheint 1854 der zweite Teil von Rudolf von Jherings »Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung«. Schmidt hatte eine zeitliche Nähe der Publikationstermine beider Werke angestrebt. 100 Aufgrund des ersten Bands von Jherings Werk ging er nämlich von einer Kongruenz zwischen Jherings und seinen Ansichten über das Prinzip des römischen Rechts 101 aus, weswegen er von Jherings zweitem Band eine Bekräftigung seiner Analysen erwartete: »Die Uebereinstimmung zweier völlig von einander unabhängigen Schriften bei der gänzlichen Verschiedenheit des allgemeinen Standpunktes und der Tendenz ihrer Verfasser ist eine nicht unwichtige Bestätigung einer Auffassung (...).« 102 Auch Jhering interessiert sich wie Schmidt und Lenz für Prinzipien des Rechts. 103 In einem Brief an Windscheid, in dem er auf dessen Bemerkungen zum ersten Band vom »Geist« antwortet, bemerkt Jhering ausdrücklich, daß es darauf ankomme, »das römische Recht in seinen Prinzipien zu erfassen.« 104 Jhering bekräftigt damit Ausführungen aus der Einleitung seines Werks. Dort ist zu lesen, daß »allgemeine Gedanken« zu erforschen seien, »die als solche gar keiner Anwendung fähig sind, sondern nur auf die Gestaltung der praktischen Sätze des Rechts einen bestimmenden Einfluß ausgeübt haben.« 105 Auch Jhering geht es also um die Herausarbeitung von »Grundgedanken« 106 , die das Privatrecht »durchdringen« 107 . Diese seien durch »Abstraction« zu gewinnen, d.h. durch »ein Zurücksteigen von den durch die Individualität der Institute tingierten und daher scheinbar verschiedenen nächsten Gedanken zu ihrem gemeinsamen abstrakteren Einheitspunkt«. 108 Jhering fordert daher, die einzelnen Bestimmungen »prinzipiell« zu erfassen. ISittengesetz