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SEBASTIAN APFELBAUM
Die Verpfändung der Mitgliedschaft in der Aktiengesellschaft
Schriften zum Wirtschaftsrecht Band 180
Die Verpfändung der Mitgliedschaft in der Aktiengesellschaft
Von Sebastian Apfelbaum
Duncker & Humblot · Berlin
Die Juristische Fakultät der Universität Bayreuth hat diese Arbeit im Sommersemester 2004 als Dissertation angenommen.
Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
D 703 Alle Rechte vorbehalten © 2005 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fotoprint: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0582-026X ISBN 3-428-11622-4 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706 θ Internet: http://www.duncker-humblot.de
Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Sommersemester 2004 an der Juristischen Fakultät der Universität Bayreuth als Dissertation angenommen. Gesetzesstand, Rechtsprechung und Literatur sind bis Ende April 2004 eingearbeitet. Mein besonderer Dank gilt meinem Doktorvater Herrn Professor Dr. Volker Emmerich, der mich zur Behandlung der gewählten Thematik ermuntert, die Entstehung des Werkes mit Interesse begleitet und die mühevolle Arbeit des Erstgutachters übernommen hat. Zu Dank verpflichtet bin ich zudem Herrn Professor Dr. Karl-Georg Loritz für die zügige Erstellung des Zweitgutachtens. Wertvolle Hinweise aus der Vertragspraxis habe ich durch Herrn Dr. Thomas Ingenhoven LL.M., Rechtsanwalt bei Baker & McKenzie in Frankfurt, erhalten, für dessen ständige Gesprächsbereitschaft ich sehr dankbar bin. Mein Dank gilt des Weiteren Herrn Mark Hoßdorf, Legal Counsel bei der Clearstream Banking AG in Frankfurt, der mir wichtige Einblicke in die Praxis der Abwicklung von Wertpapiergeschäften ermöglichte. Meinen Eltern danke ich für ihre stete Unterstützung während der Zeit des Studiums und der Promotion. Dank gebührt auch meinen Studienkollegen und Freunden Frau Dr. Karin Beck, Rechtsanwältin bei Gleiss Lutz in Stuttgart, und Herrn Klaus Dumser, Rechtsanwalt bei Rödl & Partner in Nürnberg, die stets kundige Diskussionspartner waren und trotz ihrer beruflichen Inanspruchnahme die wichtige Arbeit des Korrekturlesens übernahmen. Schließlich danke ich im Besonderen meiner Freundin Nadine Müller, Wissenschaftliche Assistentin an der Universität Bayreuth, die mir mit ihrem juristischen Sachverstand bei schwierigen dogmatischen Problemen stets eine verlässliche Ansprechpartnerin war. Sie hat mit weiteren bedeutsamen Unterstützungsleistungen zur Erstellung dieser Arbeit beigetragen. Sebastian Apfelbaum
Inhaltsverzeichnis § 1 Einführung
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§ 2 Die Mitgliedschaft in der Aktiengesellschaft als Gegenstand der Verpfändung
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A. Die Mitgliedschaft als bloßes Rechtsverhältnis
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B. Die Mitgliedschaft als subjektives Recht
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C. Stellungnahme
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§ 3 Die Pfandrechtsbestellung an der Mitgliedschaft in der Aktiengesellschaft.
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A. Die Voraussetzungen der Verpfändung I. Die Pfandrechtsbestellung gemäß §§ 1292 f. BGB 1. Die Verpfändung der Namensaktie 2. Die Verpfändung der Inhaberaktie II. Die Pfandrechtsbestellung gemäß §§ 1274 ff. BGB 1. Die Anwendbarkeit der §§ 1274 ff. BGB 2. Die Anwendbarkeit der §§ 1279 ff. BGB III. Die Verpfändung der in vinkulierten Namensaktien verbrieften Mitgliedschaft
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B. Die Eintragung des Pfandgläubigers im Aktienregister I. Eintragungspflicht II. Eintragungsfähigkeit
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C. Der statuarische Ausschluss der Verpfändbarkeit der Mitgliedschaft I. Der Grundsatz der freien Verfügbarkeit der Mitgliedschaft II. Folgerungen für den statuarischen Ausschluss der Verpfändbarkeit 1. Möglichkeiten der Einschränkung der Verpfändbarkeit bei der vinkulierten Namensaktie 2. Der Zustimmungsvorbehalt der Gesel lschafi
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D. Die Verpfändung bei girosammelverwahrten Aktien I. Problemstellung: Die Entmaterialisierung des Wertpapierrechts II. Die Grundlagen der Girosammelverwahrung 1. Die Funktion der Girosammelverwahrung 2. Der Begriff und die Funktionsweise der Girosammelverwahrung.... 3. Die Bedeutung der Girosammelverwahrung bei Aktien III. Der Pfandrechtserwerb bei girosammelverwahrten Aktien
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sverzeichnis 1. Die im Miteigentumsanteil verbriefte Mitgliedschaft als bestimmbarer Gegenstand der Pfandrechtsbestellung 2. Das Erfordernis der Übergabe a) Die Besitzverhältnisse an girosammelverwahrten Aktien aa) Der Meinungsstand bb) Stellungnahme b) Die Verpfändung an einen Dritten aa) Die Übergabe nach § 1205 1 1 BGB bb) Die Pfandrechtsbestellung nach § 1205 I 2 BGB cc) Das Übergabesurrogat nach § 1205 II BGB (1) Zum Erfordernis der Abtretung des Anspruchs aus §§ 546 II, 604IV BGB analog (2) Der Adressat der Verpfändungsanzeige (3) Nr. 43 AGB-Clearstream c) Die Verpfändung an einen höherstufigen Verwahrer d) Die mehrfache Verpfändung bei girosammelverwahrten Aktien . aa) Die praktische Bedeutung bei Mezzanine-Darlehen bb) Die rechtliche Konstruktion 3. Die Möglichkeit des gutgläubigen Pfandrechtserwerbs a) Der Mitbesitz als Vertrauenstatbestand b) Die Disposition über den Besitz als Vertrauenstatbestand c) Die Besitzverschaffungsmacht als Vertrauenstatbestand E. Die Verpfändung der in einer Globalurkunde verbrieften Mitgliedschaft... I. Der Begriff der globalverbrieften Aktie II. Die Pfandrechtsbestellung durch den Berechtigten 1. Die Verpfändung gemäß §§ 1292 f., 1205 BGB a) Herausgabeanspruch aus § 7 11. Hs. DepotG b) Herausgabeanspruch aus § 695 BGB c) Herausgabeanspruch aus § 749 II 1 BGB d) Anwendung der Regeln über besitzlose Sachen e) Der Herausgabeanspruch als konstitutive Voraussetzung fur mittelbaren Besitz 2. Die Verpfändung gemäß §§ 1274 ff. BGB III. Die Möglichkeit des gutgläubigen Pfandrechtserwerbs 1. Die Buchungsveranlassungsmacht als Rechtsscheinsträger 2. Die Bedeutung des Rechtsscheinsträgers der Veranlassung einer Buchung bei der Verpfändung a) Die Veranlassung einer Buchung auf ein Unterkonto des Verpfänders b) Die Verpfändung an einen höherstufigen Verwahrer c) Das Tatbestandsmerkmal der Redlichkeit IV. Bewertung der Dauerglobalaktie
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nsverzeichnis F. Das anwendbare Recht bei der grenzüberschreitenden Aktienverpfändung I. Die Erscheinungsformen des grenzüberschreitenden Effektengiroverkehrs II. Das Wertpapiersachstatut III. § 17a DepotG IV. Das 36. Haager Übereinkommen 1. Der zentrale Regelungsinhalt 2. Bewertung und Bedeutung der Kollisionsregel §4 Die Rechtsstellung des Pfandgläubigers A. Die Einwirkungsmöglichkeiten des Pfandgläubigers auf Gesellschafterbeschlüsse I. Das Stimmrecht und das Recht zur Teilnahme an der Hauptversammlung II. Das Zustimmungsrecht gemäß § 1276 BGB bei Gesellschafterbeschlüssen 1. Problemstellung 2. Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 1276 BGB a) Die beeinträchtigende Rechtsänderung i.S.d. § 1276 II BGB aa) Der Begriff der Rechtsänderung bb) Die Feststellung der Beeinträchtigung b) Die Rechtsaufhebung i.S.d. § 1276 I BGB aa) Die Einziehung des Anteils bb) Die Auflösung der Gesellschaft 3. Die Grenzen des Zustimmungsrechts a) Die Kausalität der Stimmmacht des Verpfänders b)§ 1287 BGB c) Das Prinzip der Verbandssouveränität d) Die Rechtssicherheit 4. Die Rechtsfolge der fehlenden Zustimmung 5. Die Anwendbarkeit des § 1276 BGB auf die in Inhaberaktien verbriefte Mitgliedschaft III. Die Anfechtung von Hauptversammlungsbeschlüssen 1. Das Recht des Pfandgläubigers zur Anfechtung 2. Die Pflicht des Verpfänders zur Anfechtung von Hauptversammlungsbeschlüssen B. Die Rechte des Pfandgläubigers bei der Kaduzierung von Aktien I. Der ersatzlose Untergang des Pfandrechts II. Die Rechte des Pfandgläubigers bei drohender Kaduzierung 1. Das Ablösungsrecht gemäß § 268 BGB analog 2. Das Verwertungsrecht gemäß § 1219 BGB
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nsverzeichnis
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III. Die Schadensersatzpflicht des Verpfänders nach erfolgter Kaduzierung
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C. Die Rechte des Pfandgläubigers in Bezug auf Vermögensrechte I. Die Erstreckung des Pfandrechts auf den Gewinnanspruch 1. Bei Verbriefung des Dividendenanspruchs 2. Bei fehlender Verbriefung des Dividendenanspruchs 3. Zur These der Pfandverhaftung des Gewinnanspruchs aufgrund der Stamm wertbelastung 4. Vergleichende Betrachtung zum Recht der Personengesellschaft.... II. Die Erstreckung des Pfandrechts auf das Bezugsrecht an neuen Aktien 1. Die effektive Kapitalerhöhung a) Die Bedeutung des Bezugsrechts für den Wert des Pfandrechts.. b) Die Zuständigkeit zur Ausübung des Bezugsrechts c) Die Erweiterung des Pfandrechts kraft Gesetzes d) Die Pflicht des Verpfänders zur Erweiterung des Pfandrechts e) Die Anwendbarkeit des § 1276 II BGB auf den Kapitalerhöhungsbeschluss f) Die Anwendbarkeit des § 1219 BGB aa) Beim Verlust an Herrschaftsmacht bb) Beim erheblichen Verwässerungseffekt g) Der Bezugsrechtsausschluss 2. Die Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln
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D. Die Bedeutung des § 1219 BGB I. Beim Unternehmensvertrag 1. Beim Pfandrecht am Anteil des herrschenden Unternehmens 2. Beim Pfandrecht am Anteil des außenstehenden Aktionärs II. Bei der Eingliederung III. Bei der Umwandlung
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§ 5 Der vertragliche Regelungsbedarf im Interesse des Pfandgläubigers A. Die Stimmrechtsausübung I. Die möglichen Gestaltungsformen II. Die Effektivität der zulässigen Gestaltungsformen 1. Der Stimmbindungsvertrag 2. Die Vollmacht und die Ermächtigung zur Stimmrechtsausübung.... III. Die Grenzen der Vertragsgestaltung 1. Satzungsänderungen 2. Umfassende Stimmbindung 3. Die Kernbereichslehre 4. Die Treuepflicht 5. Das Erfordernis der Zustimmung der Gesellschafter
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nsverzeichnis a) Das generelle Zustimmungserfordernis b) Das Zustimmungserfordernis bei der in vinkulierten Namensaktien verbrieften Mitgliedschaft aa) Beim Stimmbindungsvertrag bb) Bei der Vollmacht und der Ermächtigung zur Stimmrechtsausübung
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B. Die Einräumung weiterer mitgliedschaftlicher Verwaltungsrechte
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C. Die Verpfändung der Vermögensrechte I. Der Dividendenanspruch 1. Die Voraussetzungen der Verpfändung des Dividendenanspruchs... a) Der verbriefte Dividendenanspruch b) Der unverbriefte Dividendenanspruch 2. Das Nutzungspfand a) Die Bestellung des Nutzungspfands b) Der Umfang des Nutzungspfands c) Die Rechtsstellung des Nutzungspfandgläubigers bei verdeckten und bei unwirksamen Gewinnausschüttungen II. Das Recht zum Bezug neuer Aktien III. Der Regelungsbedarf hinsichtlich der §§ 304, 305, 320b AktG IV. Der Regelungsbedarf hinsichtlich der §§ 29,207 UmwG
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D. Die Anwendbarkeit der Kapitalersatzregeln auf den Pfandgläubiger I. Die Pfandgläubiger-Entscheidung des BGH 1. Das Urteil BGHZ 119, 191 2. Die dogmatische Einordnung a) Der Begriff des Dritten i.S.d. § 32a III 1 GmbHG aa) Das Erfordernis eines gesellschaftsrechtlich bedingten Einflusses (1) Der Begriff, die Aufgabe und die Ausgestaltung von Covenants (2) Der Meinungsstand in der Literatur (3) Stellungnahme bb) Weitere grundsätzliche Kriterien zur Bestimmung des Begriffs des Dritten b) Der atypische Pfandgläubiger am GmbH-Anteil aa) Die erforderliche Vermögensteilhabe bb) Der Einfluss über die mitgliedschaftlichen Verwaltungsrechte (1) Das Erfordernis der gesellschaftsrechtlichen Bedingtheit (2) Präzisierung der notwendigen Reichweite des Einflusspotentials II. Die Anwendbarkeit der Eigenkapitalersatzregeln im Aktienrecht III. Der atypische Pfandgläubiger am Anteil an einer Aktiengesellschaft...
201 203 204 206 208 208 208 210 210 210 211 212 213 218 219 219 222 222 224 226 230
nsverzeichnis
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1. Die personelle Ausdehnung der Eigenkapitalersatzhaftung im Aktienrecht 2. Das erforderliche Maß an Einfluss auf die Geschäftsführung 3. Die Finanzierungsfolgenverantwortung des Pfandgläubigers am AG-Anteil § 6 Die Teilabtretung der besicherten Forderung
230 231 232 235
A. Überblick über den Ablauf des Syndizierungsverfahrens
235
B. Die Kreditsyndizierung als Problem der Teilabtretung
238
C. Problemstellungen für die Vertragspraxis bei der Syndizierung akzessorisch besicherter Kredite
241
D. Die Folge der Teilabtretung der besicherten Forderung für das Pfandrecht I. Bei der Syndizierung nach Valutierung des Darlehens II. Bei der Syndizierung vor Valutierung des Darlehens
242 242 244
E. Die Pfandrechtsbestellung zugunsten eines Konsorten mit Hilfe eines Vertreters ohne Vertretungsmacht
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F. Die Pfandrechtsbestellung zugunsten eines Sicherheitentreuhänders (Parallel Debt) I. Die rechtliche Einordnung der Parallel Debt II. Die Vereinbarkeit mit dem Grundsatz der Typenfixierung 1. Bei der Syndizierung durch Teilabtretung und Vertragsübernahme. 2. Bei der Syndizierung durch Novation III. Die Vereinbarkeit mit § 13 81 BGB IV. Die Insolvenz des Sicherheitentreuhänders
249 250 252 252 257 261 263
G. Der Sicherheitentreuhänder als Gesamtgläubiger
265
§7 Die Erstreckung des Pfandrechts auf Mitgliedschaftssubstitute
270
A. Die analoge Anwendung des § 1287 BGB
270
B. Das Einziehungsentgelt
271
C. Der Liquidationserlös
275
D. Weitere Mitgliedschaftssubstitute
276
E. Die Konkurrenz zur Abtretung und Verpfändung der Einzelansprüche I. Der Meinungsstand II. Stellungnahme
278 278 281
§ 8 Die Verwertung des Pfandrechts
286
A. Die möglichen Verwertungsformen
286
B. Die Besonderheiten bei der Girosammelverwahrung
287
nsverzeichnis
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I. Bei Verbriefung der Mitgliedschaft in Einzelurkunden II. Bei Verbriefung der Mitgliedschaft in einer Globalurkunde III. Die Verlustverteilung bei der Verpfändung durch den Nichtberechtigten 1. Bei einer belastenden Gegenbuchung 2. Bei Fehlen einer belastenden Gegenbuchung
287 290 291 291 292
C. Die Verwertung nach § 1277, 1 BGB I. Außerhalb der Girosammelverwahrung 1. Bei Verbriefung der Mitgliedschaft in Aktien 2. Bei der unverbrieften Mitgliedschaft II. Bei der Girosammelverwahrung 1. Bei Verbriefung der Mitgliedschaft in Einzelurkunden 2. Bei Verbriefung der Mitgliedschaft in einer Globalurkunde
294 295 295 295 297 297 300
D. Die Verwertung der in vinkulierten Namensaktien verbrieften Mitgliedschaft I. Die BGB-rechtliche Verwertung nach § 1277, 2 BGB II. Die Verwertung im Wege der Zwangsvollstreckung
301 301 302
E. Die Verwertung durch einen zweitrangigen Sicherungsnehmer I. Das Widerspruchsrecht des vorrangigen Pfandgläubigers nach § 1232, 2 BGB 1. Zur Auslegung des § 1232, 2 BGB 2. Das Widerspruchsrecht bei einzelverbrieften, girosammelverwahrten Aktien 3. Das Widerspruchsrecht bei der unverbrieften und der globalverbrieften Mitgliedschaft II. Die Rechtsfolgen der Verwertung § 9 Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse Literatu rverzeich η is Stichwortverzeichnis
304 304 304 306 308 310 312 320 347
Abkürzungsverzeichnis aA. AB1EG Abs. AcP a.F. AG
AGB AGB-Banken AGB-Clearstream AktG Alt. Anh. AnleiheG Anm. AO Art. Aufl. BAnz. BayObLG BayObLGZ BB BFH BGB BGBl. BGE BGH BGHZ BKR BNotO BT-Drucks. BVerfG
anderer Auffassung Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften Absatz Archiv für die civilistische Praxis alte Fassung - Die Aktiengesellschaft, Zeitschrift für das gesamte Aktienwesen - Aktiengesellschaft Allgemeine Geschäftsbedingungen Allgemeine Geschäftsbedingungen der (privaten) Banken Allgemeine Geschäftsbedingungen der Clearstream Banking Aktiengesellschaft Aktiengesetz Alternative Anhang Anleihe-Gesetz Anmerkung Abgabenordnung Artikel Auflage Bundesanzeiger Bayerisches Oberstes Landesgericht Entscheidungen des Bayerischen Obersten Landgerichts in Zivilsachen Der Betriebs-Berater Bundesfinanzhof Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts, Amtliche Sammlung Bundesgerichtshof Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen Bank- und Kapitalmarktrecht Bundesnotarordnung Bundestags-Drucksache Bundesverfassungsgericht
Abkürzungsverzeichnis BVerfGE bzw. ca. DB DepotG ders. dies. DNotZ DStR EGBGB Einl. EuGH EWiR f., ff. Fn. GBO GbR GenG GesRZ GewO GG GmbH GmbHG GmbHR HGB h.L. h.M. Hrsg. hrsg. v. Hs. i.d.R. i.E. InsO IntGesR IntSachenR IPR IPrax i.S. i.S.d.
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Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts beziehungsweise circa Der Betrieb Depotgesetz derselbe dieselbe(n) Deutsche Notar-Zeitschrift Deutsches Steuerrecht Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuche Einleitung Europäischer Gerichtshof Entscheidungen zum Wirtschaftsrecht folgende Fußnote Grundbuchordnung Gesellschaft bürgerlichen Rechts Gesetz betreffend die Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaft Der Gesellschafter, Zeitschrift für das Gesellschafts- und Unternehmensrecht Gewerbeordnung Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland Gesellschaft mit beschränkter Haftung Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung GmbH-Rundschau, Gesellschafts- und Steuerrecht der GmbH und GmbH & Co. Handelsgesetzbuch herrschende Lehre herrschende Meinung Herausgeber herausgegeben von Halbsatz in der Regel im Einzelnen Insolvenzordnung Internationales Gesellschaftsrecht Internationales Sachenrecht Internationales Privatrecht Praxis des internationalen Privat- und Verfahrensrechts im Sinn im Sinn des/der
16 i.V.m. JA JhJb JR JuS JW JZ KG KostO KVStG KWG lit m.a.W. MDR m.w.N. n.F. NJW NJW-RR Nr. NZG öOGH OHG OLG OR PatG RabelsZ RegE RG RGBl. RGZ RIW Rn. Rs. S. ScheckG Slg. sog. StBerG std. Rspr. SZ
Abkürzungsverzeichnis in Verbindung mit Juristische Arbeitsblätter Jherings Jahrbücher der Dogmatik des bürgerlichen Rechts Juristische Rundschau Juristische Schulung Juristische Wochenschrift Juristen-Zeitung Kommanditgesellschaft Kostenordnung Kapitalverkehrssteuergesetz Gesetz über das Kreditwesen 1 itera mit anderen Worten Monatsschrift für Deutsches Recht mit weiteren Nachweisen neue Fassung Neue Juristische Wochenschrift NJW-Rechtsprechungs-Report Zivilrecht Nummer Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht Oberster Gerichtshof (Österreich) offene Handelsgesellschaft Oberlandesgericht Bundesgesetz betreffend die Ergänzung des Schweizerischen Zivilgesetzbuches (Fünfter Teil: Obligationenrecht) Patentgesetz Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht, begründet von Ernst Rabel Regierungsentwurf Reichsgericht Reichsgesetzblatt Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen Recht der internationalen Wirtschaft Randnummer Rechtssache Seite, Satz Scheckgesetz Sammlung der Rechtsprechung des Gerichtshofes und des Gerichts erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften sogenannte(r)(n) Steuerberatungsgesetz ständige Rechtsprechung Süddeutsche Zeitung
Abkürzungsverzeichnis SZW Tz. u.a. UmwG u.U. VersR vgl. VO Vorb. WEG WG WM WPg WPO WRV WuB z.B. ZBB ZGB ZGR ZHR ZIP zit. ZKW ZPO z.T. ZVG ZVglRWiss
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Schweizerische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Teilziffer unter anderem Umwandlungsgesetz unter Umständen Versicherungsrecht vergleiche (europäische) Verordnung Vorbemerkung Wohnungseigentumsgesetz Wechselgesetz Zeitschrift für Wirtschafts- und Bankrecht, Wertpapiermitteilungen Die Wirtschaftsprüfung Wirtschaftprüferordnung Weimarer Reichsverfassung Entscheidungssammlung zum Wirtschafts- und Bankrecht zum Beispiel Zeitschrift für Bankrecht und Bankwirtschaft Schweizerisches Zivilgesetzbuch Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht und Wirtschaftsrecht Zeitschrift für Wirtschaftsrecht zitiert Zeitschrift für das gesamte Kreditwesen Zivilprozessordnung zum Teil Gesetz über die Zwangsversteigerung und die Zwangsverwaltung Zeitschrift für vergleichende Rechtswissenschaft
§ 1 Einfuhrung Die Verpfändung von Gesellschaftsanteilen stellt in der Praxis ein bedeutendes Finanzierungsinstrument dar. Im Wesentlichen kommt ihr eine zweifache Funktion zu: Zum einen dient die Inpfandgabe der zu erwerbenden Gesellschaftsanteile an ein Kreditinstitut im Rahmen der kreditfinanzierten Unternehmensakquisition dem Ausgleich nicht oder zumindest nicht in ausreichendem Maß vorhandener Eigenmittel. Zum anderen kann die Verpfändung des AG-Anteils auch im operativen Geschäft als durch die Gesellschafter zu stellende Sicherheit für die Kreditgewährung an die Gesellschaft eine bedeutende Rolle spielen. In der rechtswissenschaftlichen Literatur stand bisher die Behandlung der Verpfändung von Personengesellschaftanteilen 1 und in noch größerem Maß von GmbH-Anteilen im Vordergrund 2. Dagegen finden sich für die AG kaum ausführlichere Abhandlungen dieser Thematik3. Anliegen dieser Arbeit ist es, diese literarische Lücke zu schließen. Die sich bei der AGAnteilsverpfändung ergebenden Probleme sollen in einer Gesamtdarstellung erörtert werden. Diese Aufgabenstellung erscheint vor dem Hintergrund reizvoll, dass zahlreiche Rechtsbereiche berührt werden. So greifen Sachen-, Gesellschafts-, Wertpapier- sowie Depotrecht ineinander. Insbesondere in diesem letztgenannten Rechtsbereich stand für girosammelverwahrte Aktien bislang die Erörterung der Übertragung des Vollrechts im Vordergrund. Hingegen erscheinen die dort diskutierten Lösungs- und Begründungsansätze bei der Verpfändung häufig in einem anderen Licht. Zahlreiche rechtliche Probleme ergeben sich des Weiteren aus der Berührung mit dem Gesellschaftsrecht. Konkret geht es um die Frage einer modifizierten Anwendung sachenrechtlicher Regelungen aufgrund der Eigenart des Sicherungsgegenstands als komplexes, zahlreiche Einzelrechte beinhaltendes Recht, bei dem auch die Interessen Dritter, nämlich die der Mitgesellschafter eine 1
Hackenbroch, Verpfändung; Hadding, Mitgliedschaft, S. 37 ff.; Roth, Verpfändung von Gesellschaftsanteilen, ZGR 2000, S. 204 f., 209 ff.; Rümker, Kreditsicherung, WM 1973, S. 626 ff.; Rümker/Büchler, Festschrift Claussen, S. 337 ff. 2 Büchner, Verpfändung; Mertens, Verpfändung, ZIP 1998, S. 1787 ff.; Mühl, Kreditsicherheit, S. 129 ff.; Sieger/Hasselbach, Verpfändung, GmbHR 1999, S. 633 ff. Vgl. zudem die ausführlichen Kommentierungen in Hachenburg, Zutt, GmbHG, Anh. § 15, Rn. 39 ff; Münchener Kommentar BGB, Damrau, § 1274, Rn. 51 ff.; Scholz, Winter, GmbHG, § 15, Rn. 154 ff. 3 Bisher nur Kraft/Hönn, Aktien als Kreditsicherheit, S. 163 ff; Wiedemann, Mitgliedschaftsrechte, S. 421 ff.
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§ 1 Einführung
Rolle spielen können. Behandelt wird damit auch ein Teilbereich des grundsätzlich gegebenen Spannungsverhältnisses zwischen dem Gesellschaftsrecht und dem allgemeinen Zivilrecht, dessen bekanntestes Beispiel wohl die Nachfolge mehrerer Erben in einen Personengesellschaftsanteil ist. Dass bisher in der Literatur vor allem die Verpfändung der GmbH-Mitgliedschaft erörtert wurde, hat seinen Grund sicherlich in der rechtspraktisch weitaus größeren Bedeutung dieser Gesellschaftsform im Vergleich zur AG. Gerade in den achtziger und neunziger Jahren war ihr Zuwachs erheblich. Gab es 1982 noch 296.693 GmbHs, hat sich ihre Zahl bis 1998 auf ca. 815.000 erhöht4. Die in neuerer Zeit ebenfalls wachsende Zahl an AGs und damit auch ihre erhöhte praktische Bedeutung rechtfertigt eine Behandlung des Themas. Denn seit 1983 hat sich die Anzahl der AGs in Deutschland mehr als versiebenfacht 5. Während vor 20 Jahren ein Tiefstand bei nur 2122 Gesellschaften festgestellt wurde, gab es Ende April 2003 bereits 15.033 AGs. Diese Entwicklung dürfte vor allem auf zwei Ursachen rückfÜhrbar sein. Einmal auf die Änderungen des Binnenrechts der AG durch das Gesetz für kleine Aktiengesellschaften und zur Deregulierung des Aktienrechts vom 2.8.19946, welches diese Rechtsform auch für kleinere und mittlere Unternehmen attraktiver machte und damit stärker in Konkurrenz zur GmbH treten ließ. Zum anderen versuchten zahlreiche weitere Reformgesetze, das deutsche Aktienrecht insbesondere für die am Kapitalmarkt notierte AG zu modernisieren, indem es internationalen Standards angepasst und auch stärker auf die Wertsteigerung für Anteilseigner sowie den Anlegerschutz orientiert wurde7. Tatsächlich wurde namentlich durch die öffentlichkeitswirksame Gestaltung der Börseneinführung der Aktie der Deutschen Telekom und die Börsenhausse der Jahre 1999/2000 ein breites Anlegerinteresse geweckt. Dieses führte zu einem deutlichen Anwachsen der am Kapitalmarkt notierten AGs. Ihre Zahl stieg von 679 im Jahr 1987 auf einen bisherigen Höchststand von 931 in 1999; im Jahr 2002 betrug sie 8678.
4
Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 33 III 1 a. SZ Nr. 151 vom 4.7.2003, S. 19 unter Berufung auf Angaben des Deutschen Aktieninstituts (DAI). 6 BGBl. I, S. 1961. Vgl. zu den Neuerungen i.E. Lutter, Aktienrecht, AG 1994, S. 429 ff. 7 Zweites Finanzmarktförderungsgesetz vom 26.7.1994 (BGBl. I, S. 1749); Drittes Finanzmarktförderungsgesetz vom 24.3.1998 (BGBl. I, S. 529); Gesetz über die Zulassung von Stückaktien (StückAG) vom 25.3.1998 (BGBl. I, S. 590); Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich (KonTraG) vom 27.4.1998 (BGBl. I, S. 786); Gesetz zur Namensaktie und zur Erleichterung des Stimmrechtsausübung (NaStraG) vom 18.1.2001 (BGBl. I, S. 123); Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz (WpÜG) vom 20.12.2001 (BGBl. I, S. 3822); Viertes Finanzmarktförderungsgesetz vom 21.6.2002 (BGBl. I, S. 2010); Transparenz- und Publizitätsgesetz (TransPuG) vom 19.7.2002 (BGBl. I, S. 2681). 8 SZ Nr. 254 vom 5.11.2003, S. 19 unter Berufung auf Angaben des DAI. 5
§ 1 Einführung
Aufmerksamkeit erlangte die Thematik in jüngerer Zeit darüber hinaus durch die Verpfändung eines 40%-Anteils an der Axel Springer Verlag AG durch den Medienunternehmer Leo Kirch an die Deutsche Bank AG. Im Zusammenhang mit der Insolvenz der Kirch-Gruppe hatte diese Pfandrechtsbegründung zur Folge, dass die Deutsche Bank AG sich im Wesentlichen im Hinblick auf die von ihr gegebenen Kredite schadlos halten konnte9. Die Verpfändung von AG-Anteilen ist im AktG in § 7le für einen Sonderfall angesprochen. Die Regelung normiert ein grundsätzliches Verbot der Inpfandnahme eigener Aktien durch die AG. Systematisch ist § 71e AktG unter die Vorschriften über den Erwerb eigener Anteile eingefügt, da bei der Pfandverwertung ein Erwerbsrecht nach § 71 I 1 Nr. 1 AktG entstehen kann, wenn sich kein Käufer findet und aus diesem Umstand heraus größere Verluste zu befürchten sind. Damit dient die Norm dem Entgegenwirken der Gefahren, die sich für Gesellschaftsgläubiger aus dem Erwerb eigener Anteile ergeben können, weil sachlich eine Einlagenrückgewähr vorliegt. Da § 71e AktG somit dem Themenbereich der Kapitalerhaltung zugehörig ist, soll er in dieser Arbeit nicht weitergehend behandelt werden.
9 Die Deutsche Bank hatte Kredite im Gesamtwert von ca. 720 Mio. Euro gegeben. Im Oktober 2002 ersteigerte sie im Rahmen einer öffentlichen Versteigerung als einziger Bieter den Anteil zum Mindestgebot von 667 Mio. Euro. Mittlerweile veräußerte die Bank wieder einen 10%-Anteil an Friede Springer und einen 19,4%-Anteil an den USamerikanischen Finanzinvestor Hellman & Friedman LLC.
§ 2 Die Mitgliedschaft in der Aktiengesellschaft als Gegenstand der Verpfändung Im Gesellschaftsrecht bezeichnet die Mitgliedschaft die auf der Zugehörigkeit zu einem Verband beruhende Rechtsstellung einer Person10. Aus dieser Definition sind zwei Begriffsfunktionen zu entnehmen. Zum einen wird die Eigenschaft eines Rechtssubjekts beschrieben, Mitglied eines bestimmten Personenverbands zu sein. Zum anderen ergeben sich aus der konkreten Ausgestaltung der Mitgliedschaft die Rechte und Pflichten des Verbandsmitglieds gegenüber dem Verband, die sich weiter in einen Vermögens- und einen mitverwaltungsrechtlichen Teil aufteilen lassen. Ob die Mitgliedschaft als Inbegriff sämtlicher gesellschaftlicher Rechte und Pflichten Gegenstand einer Verpfändung sein kann, wird in der Rechtswissenschaft nicht einheitlich beurteilt. Abhängig ist dies von ihrer Rechtsnatur. Denn unter einem verpfändbaren Recht i.S.d. §§ 1273 ff. BGB versteht man nur ein subjektives Recht, da nur ein solches Gegenstand einer Verfügung sein kann11.
A. Die Mitgliedschaft als bloßes Rechtsverhältnis Indes wird die Mitgliedschaft zum Teil lediglich als begriffliche Verkörperung eines Rechtsverhältnisses verstanden, aus dem sich die einzelnen subjektiven Rechte und Pflichten eines Gesellschafters erst ergeben und die dieses gleichsam ausfüllen 12. Insoweit wird die rechtliche Stellung als Gesellschafter reduziert auf den Umstand, Vertragspartner eines Gesellschaftsvertrags zu sein, der sich gegenüber anderen schuldrechtlichen Verträgen vor allem durch die größere Intensität der Rechtsbeziehungen der einzelnen Parteien und seine Dauerhaftigkeit unterscheidet. Wie z.B. der Kaufvertrag auch soll das gesellschaftsrechtliche Rechtsverhältnis als solches kein eigenes subjektives Recht sein, sondern nur Entstehungsgrundlage für einzelne subjektive Forderungsrechte. Grundsätzliche Konsequenz ist, dass die Mitgliedschaft wie jedes ande10
Lutter, Mitgliedschaft, AcP 1980, S. 86; Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 19 I 1 b; Wiedemann, Mitgliedschaftsrechte, S. 23 ff. 11 BGHZ 101, 24, 26; Medicus, BGB AT, Rn. 208; Staudinger, Wiegand, BGB, § 1273, Rn. 4. 12 Beuthien, Genossenschaftlicher Geschäftsanteil, AG 2002, S. 268; Hadding, Festschrift Steindorff, S. 36 ff.; ders., Festschrift Reinhardt, S. 249 ff; ders., Mitgliedschaft, S. 39 ff; Klink, Mitgliedschaft, S. 125 ff. Bedenken auch bei Roth, Festschrift Henckel, S. 713 f.
Α. Die Mitgliedschaft als bloßes Rechtsverhältnis
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re komplexe Rechtsverhältnis nur ein unvollkommener Verfügungsgegenstand wäre und im Wege der Vertragsübernahme übertragen werden müsste, nicht aber Gegenstand einer dinglichen Belastung sein könnte13. Die fehlende Möglichkeit der Belastung der Mitgliedschaft wird selbst dann vertreten, wenn ihre Übertragung gesetzlich vorgesehen ist wie in § 15 I GmbHG für den Geschäftsanteil an der GmbH und in §§ 10, 68 AktG aufgrund der wertpapierrechtlichen Verbriefung für den AG-Anteil. Die Bedeutung der Verbriefung in Aktien wird allein darin gesehen, dem Liquiditätsinteresse des Aktionärs durch leichte Veräußerbarkeit entgegenzukommen14. Insoweit kann in Übereinstimmung mit den Grundlagen des Wertpapierrechts die Verbriefung nur die rechtlichen Voraussetzungen der Pfandrechtsbestellung ändern, nicht aber den möglichen Verfügungsgegenstand. Einheitlich für alle Gesellschaftsformen könnten demnach Gegenstand einer Pfandrechtsbegründung nur die einzelnen übertragbaren Vermögensrechte sein, die für den Gesellschafter aus dem Gesellschaftsverhältnis entstanden sind und noch entstehen werden. Werde somit von einer Verpfändung der Mitgliedschaft oder der Aktie wie in §§ 1292 f. BGB gesprochen, sei dies dahingehend auszulegen, alle übertragbaren mitgliedschaftlichen Vermögensrechte von der dinglichen Belastung zu erfassen. Begründet15 wird diese Rechtsauffassung insbesondere damit, dass der Gesetzgeber sowohl für die Grundform aller körperschaftlich aufgebauten zivilrechtlichen Gemeinschaften, den Verein, in § 38 BGB als auch für die Grundform der Personengesellschaft, die GbR, in § 717 BGB deutlich zwischen der Mitgliedschaft als Rechtsverhältnis und den einzelnen übertragbaren mitgliedschaftlichen Vermögensrechten und damit subjektiven Forderungsrechten differenziere. Auch stehe der Einordnung als subjektives Recht entgegen, dass aus der Mitgliedschaft nicht nur Rechte, sondern auch Pflichten erwachsen würden. Schließlich wird § 15 I GmbHG herangezogen. Wäre die Mitgliedschaft subjektives Recht, wäre sie kraft dieser rechtlichen Qualifikation nach §§ 413, 398 BGB übertragbar, und es bedürfte der ausdrücklichen gesetzlichen Anordnung der Übertragbarkeit nicht. Konsequenterweise wäre demnach § 15 I GmbHG als gesetzliche Erleichterung der allgemeinen Vertragsübernahmeregelungen zu verstehen, da eine Mitwirkung der Gesellschaft oder der anderen Gesellschafter an der Vertragsübernahme nicht erforderlich ist.
13 14 15
Νörr/Shey hing/P öggeler, Sukzessionen, § 17 III 2. Hadding, Festschrift Steindorff, S. 40 f. Vgl. ausführlich Hadding, Festschrift Steindorff, S. 35 ff.
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§ 2 Die Mitgliedschaft in der AG als Gegenstand der Verpfändung
B. Die Mitgliedschaft als subjektives Recht Nach heute herrschender Auffassung ist die gesellschaftsrechtliche Mitgliedschaft hingegen auch subjektives Recht16. Dabei bereitet die genauere rechtsdogmatische Begründung jedoch erhebliche Schwierigkeiten, weil sich die Mitgliedschaft in ihrer Struktur erheblich von anderen subjektiven Rechten unterscheidet. Insofern wird sie auch als subjektives Recht sui generis bezeichnet17. Anders als bei Sachen- und Immaterialgüterrechten fehlt es an der Zuweisung eines außerhalb ihrer selbst liegenden Gegenstands im herkömmlichen Sinn. Von Forderungsrechten unterscheidet sich die Mitgliedschaft durch ihre weitaus größere Komplexität. Zudem gibt es aufgrund ihrer Vielgestaltigkeit keine konkret fassbare Definition des subjektiven Rechts. Vielmehr handelt es sich um einen ausfüllungsbedürftigen Rahmenbegriff, der eine individuelle Berechtigung zum Ausdruck bringt, also dass dem Berechtigten „etwas rechtens zukommt oder gebührt"18. Keine grundsätzlichen Schwierigkeiten für die Einordnung als subjektives Recht bereitet die Existenz des mitgliedschaftlichen Rechtsverhältnisses, weil die geltende Rechtsordnung Rechtsverhältnisse kennt, die zwar einzelne subjektive Rechte als Einzelelemente in sich vereinigen, ungeachtet dessen zugleich auch subjektives Recht sind19. Grundlegendes Beispiel hierfür ist das Eigentum. So begründet insbesondere Wiedemann 20 die Qualifikation der Mitgliedschaft als subjektives Recht mit dem Vergleich zum Eigentum. Habersack 21 lehnt eine solche Gleichstellung aufgrund struktureller Unterschiede ab. Während nämlich das gesellschaftliche Verhältnis bloß schuldrechtlicher Natur sei, sich also gerade und ausschließlich gegen die daran beteiligten Rechtssubjekte konkret und aktuell richte (konkretes und aktualisiertes Rechtsverhältnis), handele es sich bei dem mit dem Eigentum verbundenen Rechtsverhältnis um ein solches, das zwischen dem Eigentümer auf der einen Seite und allen anderen Rechtssubjekten auf der anderen Seite bestehe (absolute Wirkung) und idealiter keinerlei konkreten Ansprüche erzeuge (allgemeines und noch latentes Rechtsverhältnis). Er zieht hingegen einen Vergleich zu den ebenfalls die rechtliche Qualität eines subjektiven Rechts aufweisenden beschränkt dinglichen Rechten, weil auch hier zwischen dem Eigentümer und dem jeweiligen (§ 1251 II 1 BGB) Inhaber des beschränkt dinglichen Rechts ein konkretes und aktuali16
Flume , Juristische Person, S. 258; Lutter, Mitgliedschaft, AcP 1980, S. 101; Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 19 I 3; Wiedemann , Mitgliedschaftsrechte, S. 39. Ausführlich Habersack, Mitgliedschaft, S. 28 ff. 17 So Habersack, Mitgliedschaft, S. 99 ff. 18 Lorenz, Festschrift Sontis, S. 147. 19 Habersack, Mitgliedschaft, S. 62 ff. 20 Mitgliedschaftsrechte, S. 39. 21 Mitgliedschaft, S. 69 f.
C. Stellungnahme
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siertes Rechtsverhältnis bestehe, wie für das Pfandrecht die §§1214, 1215, 1223 BGB zeigten22. Den maßgeblichen Grund dafür, dass sich das durch den Gesellschaftsvertrag begründete Rechtsverhältnis im Unterschied zu anderen Vertragstypen zu einem subjektiven Recht verdichte, sieht Habersack 23 in seinen besonderen rechtlichen Kennzeichen. Denn über die Begründung schuldrechtlicher Rechte und Pflichten hinaus sei der Vertrag auch auf die Begründung eines Personenverbands gerichtet, womit die Befugnis verbunden sei, als Teil des Verbands am Verbandsleben teilzunehmen und dessen Schicksal zu bestimmen24. Ein weiterer Unterschied bestehe darin, dass das gesellschaftsvertragliche Rechtsverhältnis aufgrund des für die Mitverwaltungsrechte geltenden Abspaltungsverbots und des nicht abtrennbaren Vermögensstammrechts sich nicht in seine einzelnen Teile zerlegen lasse, und insofern ein sich geschlossenes Ganzes darstelle. Schließlich verweist Habersaclfc 25 darauf, dass auch die Existenz mitgliedschaftlicher Pflichten angesichts ihrer bloß dienenden Funktion der rechtlichen Qualifikation der Mitgliedschaft als subjektives Recht nicht entgegenstünde. Für die mitgliedschaftlichen Loyalitäts- und Unterlassungspflichten ergebe sich dies aus der Überlegung, dass sie lediglich den mit den Schutz- und Teilhaberechten verbundenen Einwirkungsmöglichkeiten Rechnung trügen und damit die mitgliedschaftliche Gestaltungsmacht im Interesse der schutzwürdigen Belange der Mitgesellschafter sowie der Erreichung des gemeinsamen Zwecks begrenzten. Die mitgliedschaftliche Beitragspflicht sei als unabdingbare Voraussetzung eines Gesellschaftsvertrags dem Begriff der Verbandsmitgliedschaft immanent. Konsequenz dieser rechtlichen Einordnung ist, dass im Gegensatz zu der unter A. dargestellten Rechtsauffassung zwischen der Verpfändung der Mitgliedschaft und der einzelner vermögensrechtlicher Ansprüche aus der Mitgliedschaft differenziert werden muss.
C. Stellungnahme Die Mitgliedschaft ist ein subjektives Recht. Insoweit als die Gegenansicht auf den nach dieser Interpretation überflüssigen § 15 I GmbHG verweist, lässt sich die Entstehungsreihenfolge des GmbHG und des BGB anführen. Da das GmbHG die ältere Kodifikation ist 26 , kann die Vorschrift nicht bereits im Zeit22
Habersack, Mitgliedschaft, S. 70 ff. Mitgliedschaft, S. 76 ff. 24 Lutter, Mitgliedschaft, AcP 1980, S. 91 f. spricht insoweit von einem „offenen System". Der Verband sei „nach vorne offen", wenn auch in seiner Richtung durch den Zweck festgelegt. 25 Mitgliedschaft, S. 93 ff. 26 Es datiert vom 20.4.1892 (RGBl., S. 477). 23
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§ 2 Die Mitgliedschaft in der AG als Gegenstand der Verpfändung
punkt ihrer Entstehung als überflüssig angesehen werden. Auch könnte nach der Gegenansicht die pfandrechtliche Verwertungsmöglichkeit eines Gesellschaftsanteils dogmatisch nicht begründet werden. Denn unstreitig kann die Rechtsstellung als Gesellschafter im Rahmen der Pfandverwertung übertragen werden. Wenn aber das dingliche Recht nicht die Mitgliedschaft als Einheit, sondern nur einzelne vermögensrechtliche Ansprüche erfassen kann, bleibt die rechtliche Grundlage für einen solchen Pfandverkauf unklar. Insofern kann die Verpfändung von Aktien auch nicht dahingehend charakterisiert werden, lediglich die vermögensrechtlichen Komponenten der Mitgliedschaft würden erfasst 27. Denn unabhängig von der Frage, ob und inwieweit einem Pfandgläubiger Mitverwaltungsrechte zustehen, erhält ein Erwerber bei der Pfandverwertung jedenfalls die volle Mitgliedschaft übertragen. Entscheidend ist mit Habersack zudem die Erwägung, dass die rechtliche Behandlung und der rechtliche Gehalt eines Gesellschaftsvertrags sich nicht mit anderen Vertragstypen vergleichen lassen. So sind nach den Grundsätzen der fehlerhaften Gesellschaft die Nichtigkeitsregeln des Allgemeinen Teils des BGB teleologisch zu reduzieren. Auch finden die Regeln des Allgemeinen Schuldrechts, insbesondere die §§ 320 ff. BGB nur bedingt Anwendung. In der Charakterisierung als subjektives Recht kommt vielmehr der organisationsrechtliche Teil des Gesellschaftsvertrags zum Ausdruck, während die zusätzliche Einordnung als Rechtsverhältnis dem schuldrechtlichen Teil entspricht. Somit spiegelt sich die allgemein akzeptierte Doppelnatur des Gesellschaftsvertrags 28 in der zweifachen rechtsdogmatischen Einordnung der Mitgliedschaft wider. Der Aussagegehalt, Partei eines Gesellschaftsvertrags zu sein, geht über den, Partei eines Kauf- oder Mietvertrags zu sein, hinaus, da damit zugleich die Eigenschaft beschrieben wird, Mitglied eines durch diesen Vertrag erst geschaffenen neuen Verbands zu sein. Die Mitgliedschaft bringt damit zum Ausdruck, dass der betreffenden Person die Stellung als Gesellschafter in dem entsprechenden Verband mit allen daraus erwachsenden und gegen den neu geschaffenen Rechtsträger gerichteten mitgliedschaftlichen Rechten und Pflichten „zukommt bzw. gebührt".
27 So für das schweizerische Recht Zürcher Kommentar ZGB, Oftinger/Bär, Rn. 32. 28 Vgl. nur Kraft/Kreutz, Gesellschaftsrecht, S. 39 f.
Art. 899,
§ 3 Die Pfandrechtsbestellung an der Mitgliedschaft in der Aktiengesellschaft A. Die Voraussetzungen der Verpfandung I. Die Pfandrechtsbestellung gemäß §§ 1292 f. BGB 1. Die Verpfändung der Namensaktie Nach § 1292 BGB erfordert die Verpfändung der in Namensaktien (§ 10 I 2. Alt. AktG) verbrieften Mitgliedschaft eine Einigung, eine Übergabe sowie ein Indossament. Die Annäherung an die Regelung des Pfandrechtserwerbs an beweglichen Sachen mit dem Erfordernis der Übergabe, welches sich nach §§ 1205, 1206 BGB richtet29, beruht auf dem Umstand, dass die Orderpapiere nach den §§ 929 ff. BGB übertragen werden, und damit das Recht aus dem Papier dem Recht am Papier folgt. Gleichwohl ist anders als bei den Inhaberpapieren nach § 1293 BGB keine vollständige Gleichstellung an die Regeln über den Pfandrechtserwerb an beweglichen Sachen erfolgt, da sie im Gegensatz zu den Inhaberpapieren durch Indossament übertragen werden. Hinsichtlich des Indossaments ist bei § 1292 BGB zwischen dem offenen und dem verdeckten Pfandindossament zu unterscheiden. Während das in Art. 19 WG geregelte offene Pfandindossament nach außen ersichtlich zum Ausdruck bringt, dass das Orderpapier lediglich verpfändet wird, liegt beim verdeckten Pfandindossament seinem äußeren Anschein nach ein Vollindossament und damit eine Vollrechtsübertragung vor 30. Dabei stellt sich bei der Verpfändung von Namensaktien das Problem, ob eine Pfandrechtsbestellung über ein offenes Pfandindossament erfolgen kann. Dies könnte der Systematik des Gesetzes widersprechen. Denn in § 68 I 2 AktG wird lediglich auf Art. 12, 13, 16 WG verwiesen, nicht hingegen auf Art. 19 WG. Indes bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber absichtlich nicht auf diese Vorschrift verwiesen hat und er damit bei der Verpfändung der in Namensaktien verbrieften Mitgliedschaft nur ein verdecktes Pfandindossament zulassen wollte. Insoweit besteht eine Lücke im Gesetz31, 29 RGZ 126, 348, 352; Palandt, Bassenge, BGB, § 1292, Rn. 2; Münchener Kommentar BGB, Damrau, § 1292, Rn. 5; Soergel, Habersack, BGB, § 1292, Rn. 4. 30 Erman, Küchenhoff/Michalski, BGB, § 1292, Rn. 3. 31 Lorenz, Methodenlehre, S. 413 f.; Pawlowski, Methodenlehre, Rn. 473; Zippelius, Methodenlehre, §111.
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§ 3 Die Pfandrechtsbestellung an der Mitgliedschaft in der AG
entsprechende Anwendung des Art. 19 WG zu schließen ist 32 , da - wie beim Wechsel - auch bei der Namensaktie ein Bedürfnis für ein offenes Pfandindossament besteht. Denn ein rechtlicher Unterschied der beiden Formen der Indossamente ergibt sich insofern, als ein gutgläubiger Erwerber vom durch ein verdecktes Pfandindossament legitimierten Pfandrechtgläubiger das Vollrecht erwerben kann, weil nach außen nicht ersichtlich ist, dass der Besitzer der Namensaktie lediglich Inhaber eines Pfandrechts und nicht des Vollrechts ist, § 68 12 AktG, Art. 16 II WG. Konsequenz der rechtlichen Einordnung als Orderpapier ist die Möglichkeit des gutgläubigen Erwerbs. Indem die in der Namensaktie verbriefte Mitgliedschaft sachenrechtlichen Regeln unterstellt wird, wird der Gutglaubensschutz auf dieses Recht ausgedehnt und damit die Umlauffähigkeit gesteigert. Für die Namensaktie ergibt sich dies aus § 68 I 2 AktG, Art. 16 WG. Dabei kommt der Kette von Indossamenten neben dem Besitz an der Aktienurkunde die Funktion eines Rechtsscheinstatbestands als Grundvoraussetzung eines gutgläubigen Erwerbs zu. Gemäß § 68 I 2 AktG, Art. 16 II WG, der lex specialis gegenüber §§ 932 I 1, 935 II BGB ist, überträgt das Indossament die Mitgliedschaft bei einer ununterbrochener Indossamentenkette auch dann auf den gutgläubigen Erwerber, wenn die Aktie dem eigentlich Berechtigten irgendwie abhanden gekommen33 ist. Im Unterschied zur Inhaberaktie ist aber ein gutgläubiger Erwerb des Vorrangs ausgeschlossen, da wegen § 1273 II 2 BGB die Regelung des § 1208 BGB kraft ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung nicht zur Anwendung gelangt. 2. Die Verpfändung der Inhaberaktie Für die Inhaberaktie (§1011. Alt. AktG) bestimmt § 1293 BGB die Anwendung der Regeln über die Verpfändung beweglicher Sachen. Die Regelung ist Ausdruck der Rechtsnatur der Inhaberaktie als Wertpapier des öffentlichen Glaubens, welches nach §§ 929 ff. BGB übertragen wird und bei dem das Recht aus dem Papier dem Recht am Papier folgt. Gleichwohl ist gesetzessystematisch die Verweisung des § 1293 BGB auf die Regelungen über den Pfandrechtserwerb an beweglichen Sachen erforderlich, weil Gegenstand der Pfandrechtsbestellung nicht die bewegliche Sache Aktienurkunde, sondern die Mitgliedschaft in der AG ist. Konsequenz dieser gesetzgeberischen Verweisung ist die Anwendung der Vorschriften über den gutgläubigen Pfandrechtserwerb 32 Geßler/Hefermehl, Hefermehl/Bungeroth, AktG, § 68, Rn. 58; Hüffer, AktG, § 68, Rn. 6; Kölner Kommentar AktG, Lutter, § 68, Rn. 20. 33 Darunter versteht man weiter als bei § 935 BGB jedes in fremde Hände Gelangen ohne rechtswirksamen Begebungsvertrag. Vgl. statt aller Baumbach/Hefermehl, WG, Art. 16, Rn. 9.
Α. Die Voraussetzungen der Verpfändung
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nach §§ 1207 f. BGB. Dabei ist wegen der Verweisung der §§ 1207 f. BGB auf § 935 II BGB auch ein redlicher Erwerb an abhanden gekommenen Inhaberaktien möglich. II. Die Pfandrechtsbestellung gemäß §§ 1274 ff. BGB 7. Die Anwendbarkeit der §§ 1274 ff BGB §§ 1292 f. BGB treffen in Bezug auf die wertpapierrechtlich verbriefte Mitgliedschaft keine abschließende Regelung hinsichtlich der Möglichkeit der Pfandrechtsbestellung. Nach h.L. kann das in einem Inhaber- oder Orderpapier verbriefte Recht nach allgemeinen Grundsätzen des Wertpapierrechts ebenso gemäß den Regeln über die Übertragung von Rechten nach §§ 413, 398 BGB veräußert werden34. Dahinter steht der Gedanke, dass es entsprechend dem Prinzip der Vertragsfreiheit den Vertragsparteien überlassen ist, zwischen verschiedenen Übertragungsformen zu wählen, und dass sie auf den Schutz der speziellen wertpapierrechtlichen Übertragungsform verzichten können. Dieser Gedanke kommt darüber hinaus in den Regeln der Art. 11 II WG, 14 II ScheckG zum Ausdruck. Ein Auseinanderfallen zwischen der Rechtsinhaberschaft des verbrieften Rechts und der Urkunde soll durch eine entsprechende Anwendung des § 952 BGB verhindert werden35. In diesem Fall folgt das Recht am Papier dem Recht aus dem Papier. Für die Verpfändung der Mitgliedschaft ergibt sich daraus die Heranziehung der §§ 1274 ff. BGB. Insofern kann von einem Dualismus bei den Formen der Pfandrechtsbestellung gesprochen werden. Erforderlich für die Bestellung eines Pfandrechts ist zunächst eine Einigung nach §§ 1274 I 1, 413, 398 BGB. Umstritten ist aber, ob zusätzlich die Übergabe der Aktienurkunde bzw. ein Übergabesurrogat erforderlich ist36, oder ob die schlichte Einigung genügt37. Dabei lässt sich für das Erfordernis einer Übergabe zum einen das sachenrechtliche Traditionsprinzip und zum anderen der Gesichtspunkt der Rechtssicherheit anführen, der es erfordert, dass Inhaberschaft des verbrieften Rechts und Besitz an der Urkunde möglichst in einer 34 Großkommentar HGB (3. Aufl.,), Canaris, § 364, Anm. 15; Münchener Kommentar BGB, Hüffen § 793, Rn. 18 f.; Staudinger, Marburger, BGB, § 793, Rn. 20; Zöllner, Festschrift Raiser, S. 277 f. Für das schweizerische Recht ist dies auch höchstrichterlich anerkannt: BGE 42 III, 286, 297 ff. 35 Palandt, Bassenge, BGB, § 952, Rn. 3; Zöllner, Festschrift Raiser, S. 277 f. 36 BGH NJW 1958, S. 302 f.; BGH WM 1970, S. 245 f.; BGH WM 1988, S. 816 ff. jeweils für den Orderwechsel. 37 Muscheler, Wechseldiskont, NJW 1981, S. 658 f.; Soergel, Habersack, BGB, § 1292, Rn. 7; Zöllner, Wertpapierrecht, § 14 I 2.
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§ 3 Die Pfandrechtsbestellung an der Mitgliedschaft in der AG
Hand sind38. Die Vertreter der Gegenauffassung verweisen vor allem auf den Umstand, dass über eine Anwendung des § 952 BGB zumindest ein Auseinanderfallen von Papiereigentum und Rechtsinhaberschaft verhindert werde sowie auf den generellen Bedeutungsverlust des Papiers als Rechtsträger im heutigen Wertpapierwesen39. Diese Streitfrage ist wegen § 1274 I 1 BGB auch bei der Verpfändung von Relevanz. Meines Erachtens ist die Übergabe entbehrlich. Tragend ist die Überlegung, dass eine Übertragung der Mitgliedschaft nicht entsprechend der Regeln über den Erwerb beweglicher Sachen nach §§ 929 ff. BGB, sondern durch Zession nach §§413, 398 BGB erfolgt. Es handelt sich dabei um zwei dogmatisch streng voneinander zu trennende Übertragungsformen. Das in dem Übergabeerfordernis enthaltene Traditionsprinzip hat der Gesetzgeber nur bei den Vorschriften über den Erwerb beweglicher Sachen normiert, nicht hingegen bei den §§ 413, 398 BGB, falls über die Verpflichtung etwa eine Schuldurkunde ausgestellt worden ist. Im Rahmen dieser Übertragungsform ist daher auch der Gesichtspunkt des Auseinanderfallens von Besitz am Papier und Rechtsinhaberschaft ohne Relevanz, wie die Regelung des § 952 BGB zeigt, die nur auf die Übereinstimmung von Rechtsinhaberschaft und Eigentum am Papier abstellt. Weiter dient das in dem Übergabeerfordernis enthaltene Traditionsprinzip beim Erwerb vom Nichtberechtigten als Rechtsscheinstatbestand. Diese Funktion ist ebenfalls irrelevant, da die §§ 413, 398 BGB - vom Ausnahmefall des § 405 BGB abgesehen - keinen gutgläubigen Erwerb kennen. Aus diesen Gründen kann es auch keine Rolle spielen, dass eine Besonderheit bei den in Inhaberoder Orderpapieren verbrieften Rechten darin besteht, dass sie - im Gegensatz zu den meisten anderen nach §§ 413, 398 BGB übertragbaren Rechten - darüber hinaus entsprechend der Normen über bewegliche Sachen übertragen werden können und in ihrer rechtlichen Behandlung hiervon beherrscht werden40. Entscheidend muss die gewählte Übertragungsform sein, nicht jene, die hätte gewählt werden können. Für die nicht verbriefte aktienrechtliche Mitgliedschaft stellen die §§ 1274 ff. BGB naturgemäß die einzig mögliche Verpfändungsform dar.
38 BGH NJW 1958, S. 302, 303; Großkommentar HGB (3. Aufl.), Canaris , § 364, Anm. 15. 39 Zöllner, Wertpapierrecht, § 1412. Ähnlich Hueck/Canaris, Wertpapierrecht, § 1 I 5 b: Die Autoren differenzieren nach Effekten, also Kapitalmarktpapieren und den übrigen Wertpapieren. Nur bei letzteren soll eine Übergabe erforderlich sein, da bei den Effekten das Verbriefiingselement heute weitgehend in den Hintergrund getreten sei. 40 Auf diesen Gesichtspunkt stellt Canaris in Großkommentar HGB (3 . Aufl.), § 364, Anm. 15 bei den kaufmännischen Orderpapieren zur Begründung des Übergabeerfordernisses ab.
Α. Die Voraussetzungen der Verpfändung
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2. Die Anwendbarkeit der §§ 1279 ff BGB Die Problematik des Übergabeerfordernisses ist darüber hinaus auch in einer anderen Hinsicht von Bedeutung. Denn eine Anzeige nach § 1280 BGB wird zur Begründung des Pfandrechts für notwendig erachtet41, wenn man ein Übergabeerfordernis verneint. Dies kann begründungslos nur insofern gelten, als in dem Wertpapier, wie etwa beim Wechsel oder Scheck, ein schuldrechtliches Forderungsrecht verbrieft wird, da § 1280 BGB die Verpfändung einer Forderung i.S.d. § 241 I BGB voraussetzt. Hier ist Pfandgegenstand indes die Mitgliedschaft, also ein umfassenderes subjektives Recht. Damit sind die §§ 1279 ff. BGB auf die Verpfändung der Mitgliedschaft nicht direkt anwendbar. Es stellt sich aber die Frage, ob die Verpfändung der in Aktien verkörperten Mitgliedschaft durch schlichte Einigung erfolgen kann, wenn man das Übergabeerfordernis bei der Übertragung des Vollrechts nicht für notwendig erachtet, oder ob § 1280 BGB analog heranzuziehen ist42. Bedeutung hat diese Streitfrage daneben in dem Fall der unverbrieften Mitgliedschaft, weil mangels Existenz einer Aktienurkunde das Übergabeerfordernis für eine Verpfändung nach §§ 1292 f. BGB keinesfalls erfüllt werden kann. Die Rechtsprechung hat eine analoge Anwendung des § 1280 BGB auf die Verpfändung von Anteilen an einer GbR abgelehnt43. Eine analoge Anwendung des § 1280 BGB ist bei der Verpfändung jeglicher gesellschaftsrechtlicher Mitgliedschaft abzulehnen. Voraussetzung einer Analogie ist die planwidrige Unvollständigkeit des Gesetzes, also das Fehlen einer bestimmten nach dem Regelungsplan oder dem Gesamtzusammenhang des Gesetzes zu erwartenden Regel44. Dieses Erfordernis ist nicht erfüllt. Der Regelungsgrund des § 1280 BGB liegt in erster Linie darin, im Interesse des Pfandgläubigers zu verhindern, dass der Schuldner mit befreiender Wirkung an den Gläubiger leistet (§ 407 BGB) 45 . Zum anderen soll die Anzeige wie die Übergabe der Sache an den Pfandnehmer die Verpfändung, also die bedingte Aus41
Einsele, Wertpapierrecht, S. 120; Staudinger, Wiegand, BGB, § 1292, Rn. 16. Die Frage einer entsprechenden Anwendbarkeit des § 1280 BGB stellt sich umso mehr, als bei der Zwangsvollstreckung in die unverbriefte Mitgliedschaft die Zustellung des Pfändungsbeschlusses an die Gesellschaft für erforderlich gehalten wird. Vgl. § 8 C. I. 2. 43 RGZ 57, 414. Allerdings bestand in dem Fall aber die Besonderheit, dass die Mitgliedschaft in der GbR in einem Anteilsschein verbrieft war, und nach dem Gesellschaftsvertrag sowohl eine Übergabe des Anteilsscheins als auch eine schriftliche Übertragungserklärung erforderlich war, so dass auch aus diesem Grund schon eine Anwendung des § 1280 BGB verneint werden konnte. 44 Larenz, Methodenlehre, S. 370 ff. 45 Münchener Kommentar BGB, Damrau, § 1280, Rn. 1; Staudinger, Wiegand, BGB, § 1280, Rn. 1. 42
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§ 3 Die Pfandrechtsbestellung an der Mitgliedschaft in der AG
sonderung aus dem Vermögen des Verpfänders für Dritte, insbesondere für künftige Kreditgeber entsprechend dem sachenrechtlichen Publizitätsprinzip erkennbar machen46. Diese Funktionen des § 1280 BGB sind bei der Verpfändung der Mitgliedschaft irrelevant. Entscheidend ist, dass ein Drittschuldner im Zeitpunkt der Pfandrechtsbestellung nicht vorhanden ist. Denn regelmäßig wird die aktienrechtliche Mitgliedschaft durch Veräußerung verwertet. Denkbarer Anzeigeempfänger nach § 1280 BGB ist damit der Erwerber, dessen Identität erst im Zeitpunkt der Verwertung bekannt ist. Bei § 1280 BGB zeigt sich, dass die Rechtsnatur der Mitgliedschaft nicht nur von theoretischem Interesse ist. Denn sieht man die Mitgliedschaft als bloßes Rechtsverhältnis an, sind Gegenstand der Pfandrechtsbestellung lediglich die gegen die AG gerichteten vermögensrechtlichen Einzelansprüche. Konsequenterweise müsste man auch die Anzeige als Entstehungsvoraussetzung ansehen. Jedoch erscheint es auch bei Annahme eines subjektiven Rechts nicht abwegig, § 1280 BGB analog anwenden zu wollen im Hinblick auf die mitgliedschaftlichen Surrogatansprüche, deren Gegner ebenfalls die Gesellschaft ist. Vertritt man darüber hinaus eine Erstreckung des Pfandrechts auch auf Gewinnansprüche, spricht einiges für eine Analogie. Indes ist letzteres abzulehnen, wie in § 4 C. I. näher dargelegt werden wird. Der Pfandbelastung der Surrogatansprüche kann ebenfalls keine entscheidende Bedeutung beigemessen werden, da es sich hier angesichts der Übertragbarkeit der Mitgliedschaft und der Tatsache, dass eine Gesellschaft regelmäßig auf Dauer angelegt ist, nur um einen Ausnahmetatbestand handelt. Hinzu kommt, dass es auch andere Rechte gibt, die keine Forderungen i.S.d. § 1280 BGB sind und ebenfalls durch bloße Einigung übertragbar und verpfändbar sind. Das ist insbesondere bei den Immaterialgüterrechten der Fall 47 . Insoweit ist eine Durchbrechung des Publizitätsprinzips bei der Rechtsverpfändung nicht unüblich. Damit lässt sich festhalten, dass die §§ 1279 ff. BGB auf den Fall der Verpfandung der Mitgliedschaft nicht anwendbar sind. Für die Banken bedeutet die Nichtanwendbarkeit des § 1280 BGB, dass sie ein Pfandrecht an den in ihren Besitz gelangten Aktien nach Art. 14 AGB-Banken erhalten, falls die Verpfändung über §§ 1274 ff. BGB vorgenommen wird. Denn eine Verpfändungsanzeige erfolgt im normalen Geschäftsverkehr aufgrund ihrer fehlenden Praktikabilität regelmäßig nicht. Bei der in Aktien verkörperten Mitgliedschaft hat eine Verpfändung nach §§ 1274 ff. BGB indes - vorbehaltlich der Ausführungen unter § 3 E. III. - den Nachteil der fehlenden Möglichkeit des redlichen Erwerbs. 46
Erman, Küchenhoff/Michalski, BGB, § 1280, Rn. 1; Münchener Kommentar BGB, Damrau,, § 1280, Rn. 1. 47 Hubmann/Götting, Gewerblicher Rechtsschutz, § 22, Rn. 2; Staudinger, Wiegand, BGB, § 1280, Rn. 4.
Α. Die Voraussetzungen der Verpfändung
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III. Die Verpfändung der in vinkulierten Namenaktien verbrieften Mitgliedschaft Hinsichtlich der Verpfändungsvoraussetzungen der in vinkulierten Namensaktien verbrieften Mitgliedschaft kann im Grundsatz auf die Ausführungen unter § 3 Α. I. 1. verwiesen werden, da es sich bei der vinkulierten Namensaktie nur um einen besonderen Fall der Namensaktie handelt. Einziges zusätzliches Erfordernis ist nach h.M. die Zustimmung der AG nach Maßgabe des § 68 II 2-4 AktG 48. Dies folgt aus § 1274 I 1 BGB, wonach sich die Begründung des Pfandrechts an einem Recht nach den Vorschriften über die Übertragung dieses Rechts richtet. Trotz der Regelung des § 1274 I 1 BGB wird nach einem Teil der Literatur bei der Verpfändung der in vinkulierten Namensaktien verbrieften Mitgliedschaft eine Zustimmung der Gesellschaft nicht für erforderlich gehalten49. Analog zur Rechtslage bei der Pfändung soll nur die Verwertung zustimmungsbedürftig sein. Verwiesen wird zum einen auf den Gedanken, § 68 II AktG sei als Ausnahmenorm zum Grundsatz derfreien Übertragbarkeit der Aktie eng auszulegen. Zum anderen wird auf den Sinn und Zweck des Zustimmungserfordernisses abgestellt. Danach berühre die Verpfändung ebenso wenig wie eine Pfändung die Interessen der Gesellschaft, da sie nur ein Verwertungsrecht, aber kein Recht zur Teilnahme an der Hauptversammlung oder zur Ausübung anderer Mitgliedschaftsrechte begründe. Diese rein teleologische Argumentation vermag nicht zu überzeugen. Eine Gleichstellung der Verpfändung mit der Pfändung, die auch beim vinkulierten AG-Anteil ohne Zustimmung der Gesellschaft möglich ist50, kann nicht vorgenommen werden. Eine Gemeinsamkeit der beiden Formen des Zugriffs auf die Mitgliedschaft ist zwar insofern gegeben, als in beiden Fällen ein Konflikt zwischen dem Gesellschaftsrecht bzw. dem Interesse der Gesellschafter vor einer Überfremdung einerseits und dem Gläubigerinteresse andererseits gegeben ist. Ein wesentlicher Unterschied besteht aber darin, dass das Zwangsvollstreckungsverfahren ein hoheitliches Zwangsverfahren darstellt, welches in besonderer Weise die Gläubigerinteressen betont, weil der Gläubiger durch einen staatlichen Vollstreckungstitel als Rechtsinhaber in besonders glaubhafter 48
Geßler/Hefermehl, Hefermehl/Bungeroth, AktG, § 68, Rn. 89; Hüffer, AktG, § 68, Rn. 11; Kölner Kommentar AktG, Lutter, § 68, Rn. 22; Münchener Kommentar AktG, Bayer, § 68, Rn. 56; Soergel, Habersack, BGB, § 1274, Rn. 6, 33. 49 Bork, Festschrift Henckel, S. 31, Liebscher/Lübke, Vinkulierte Anteile, ZIP 2004, S. 250 f. 50 Geßler/Hefermehl, Hefermehl/Bungeroth, AktG, § 68, Rn. 152; Kölner Kommentar AktG, Lutter, § 68, Rn. 22; Stein/Jonas, Brehm, ZPO, § 859, Rn. 25; Münchener Handbuch GesR IV, Wiesner, § 14, Rn. 22. Strittig ist aber, ob die Verwertung zustimmungsbedürftig ist (vgl. § 8 D. II.).
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§ 3 Die Pfandrechtsbestellung an der Mitgliedschaft in der AG
Weise legitimiert ist und die Haftung des Vollstreckungsschuldners mit seinem gesamten Vermögen einen Grundsatz des Vollstreckungsrechts darstellt. Hingegen beruht die Rechtsposition des Vertragspfandnehmers lediglich auf einem privatrechtlichen Vertrag. Neben diesem strukturellen Unterschied ist diese Rechtsposition aber vor allem mit Blick auf § 1274 1 1 BGB nicht haltbar. Stellt danach § 68 II AktG für die Übertragung des Vollrechts zusätzliche Voraussetzungen auf, sind diese unabhängig von der Teleologie der Vorschrift auch bei der Pfandrechtsbestellung zu beachten. Das Argument, bei § 68 II AktG handele es sich um eine Ausnahmevorschrift, kann keine Bedeutung erlangen. § 1274 I 1 BGB fordert seinem eindeutigen Wortlaut nach eine Anwendung der Ausnahmevorschrift gerade auch, falls man § 68 II AktG bei seiner isolierter Betrachtung dahingehend auslegen wollte, unter den Begriff der Übertragung falle nur die Übereignung. Im Ergebnis bedarf es daher zur wirksamen Pfandrechtsbestellung einer Zustimmung der Gesellschaft. Eine ohne sie vorgenommene Verpfändung ist zunächst schwebend unwirksam. Mit der Erteilung der Genehmigung wird die Verfügung ex tunc wirksam, mit ihrer Versagung von Anfang an unwirksam. B. Die Eintragung des Pfandgläubigers im Aktienregister I. Eintragungspflicht Es besteht keine Pflicht zur Eintragung des Pfandgläubigers im Aktienregister (§ 67 AktG). Dies entspricht der einhelligen Auffassung in der Literatur 51. Denn nach § 67 I AktG ist nur der „Inhaber" der Namensaktie als Berechtigter in das Aktienregister einzutragen. Unter Inhaber ist nicht der Besitzer der Aktienurkunde zu verstehen, welcher auch der Pfandnehmer sein könnte. Vielmehr stellt der Begriff auf den Inhaber des verbrieften Mitgliedschaftsrechts ab. Dies ergibt sich aus dem systematischen Zusammenhang mit § 68 AktG, der die Vollrechtsübertragung von Namensaktien regelt. II. Eintragungsfahigkeit Umstritten ist hingegen, ob die dingliche Belastung Pfandrecht im Aktienregister eintragungsfähig ist 52 . Der Wortlaut des § 67 I AktG gibt für eine Ent51 Happ, Festschrift Bezzenberger, S. 120; Hüffer, AktG, § 67, Rn. 5; Kölner Kommentar AktG, Lutter, § 67, Rn. 10; Münchener Kommentar AktG, Bayer, § 67, Rn. 30. 52 Gegen eine Eintragungsfahigkeit ohne Begründung Geßler/Hefermehl, Hefermehl/Bungeroth, AktG, § 67, Rn. 12. Für eine Eintragungsföhigkeit sprechen sich aus Happ, Festschrift Bezzenberger, S. 120; Hüffer, AktG, § 67, Rn. 5; Münchener Kommentar AktG, Bayer, § 67, Rn. 30; Wiedemann, Mitgliedschaftsrechte, S. 424. Differen-
Β. Die Eintragung des Pfandgläubigers im Aktienregister
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Scheidung dieser Streitfrage nichts her. Er regelt nur die Frage der Eintragungspflicht, nicht hingegen, welche zusätzlichen Angaben fakultativ in das Aktienregister aufgenommen werden können. Dies folgt aus dem Begriff „sind" in § 67 I AktG. Bei der Frage der Eintragungsfähigkeit geht es um das Problem, ob auch ohne besondere gesetzliche Anordnung der Vorstand von sich aus Rechtsänderungen einzutragen hat, die sich auf die Aktie i.S.d. der Mitgliedschaft selbst beziehen, weil das Aktienregister sonst ein falsches Bild vermitteln würde53. Diese Frage ist vor dem Hintergrund des Sinn und Zwecks einer Eintragung zu beantworten. Die Bedeutung einer Eintragung liegt in der Rechtsfolge des § 67 II AktG. Danach dient sie der verbindlichen Feststellung des Mitgliedschaftsverhältnisses zwischen der AG und der eingetragenen Person. Die mitgliedschaftliche Berechtigung wird im Verhältnis zur AG nach überwiegender Auffassung unwiderlegbar vermutet54. Vor allem auf der Seite der AG besteht ein Interesse an Rechtsklarheit, welche Personen ihr gegenüber berechtigt und verpflichtet sind. Denn sie wird durch Leistung an den ordnungsgemäß Eingetragenen befreit (Liberationswirkung). Damit hängt die Beantwortung der Frage nach der Eintragungsfähigkeit davon ab, ob und inwieweit Teile der mitgliedschaftlichen Stellung des Aktionärs nunmehr nicht mehr von ihm, sondern vom Pfandgläubiger ausgeübt werden. Ist man der Auffassung, dem Pfandgläubiger stünden mitgliedschaftliche Verwaltungsrechte nicht zu, macht unter diesem Gesichtspunkt eine Eintragung keinen Sinn, da der Pfandnehmer insoweit nicht in die Vermutungswirkung des § 67 II AktG einbezogen werden muss. In Bezug auf die mitgliedschaftlichen Vermögensrechte Dividendenanspruch und Anspruch auf den Bezug neuer Aktien gilt, dass allenfalls ein Verwertungsrecht an diesen einzelnen Rechten mit der Verpfändung der Mitgliedschaft begründet wird 55. Insoweit ist die Rechtslage anders als beim Nießbrauch an der Mitgliedschaft, da dem Nießbraucher der Dividendenanspruch zusteht, und damit unzweifelhaft auch eine Eintragungsfähigkeit im Aktienregister bejaht werden kann56. Gleichwohl besteht auch ein Bedürfiiis für eine Eintragung des Pfandnehmers. Denn im Hinblick auf die gemeinschaftliche (§1281 BGB) oder alleinige (§ 1282 BGB) Berechtigung des Pfandgläubigers zur Einziehung der Dividende zierend Kölner Kommentar AktG, Lutter, § 67, Rn. 11. Er stellt darauf ab, ob der Anspruch auf die Gewinnanteile besonders mitverpfändet wurde, und keine den Gewinnanspruch selbständig verbriefenden Dividendenscheine ausgegeben wurden. 53 Hüffer, AktG, § 67, Rn. 5. 54 Huep, Namensaktie, WM 2000, S. 1625; Münchener Kommentar AktG, Bayer, § 67, Rn. 39; Spindler, NastraG, ZGR 2000, S. 423. Das ältere Schrifttum ging im Hinblick auf den Wortlaut des § 67 II AktG („gilt") noch von einer widerlegbaren Vermutung aus. So von Godin/WilhelmU AktG, § 67, Anm. 4. 55 Vgl. ausführlich § 4 C. 56 Vgl. zur Eintragungsfähigkeit des Nießbrauchers im Aktienregister ausführlich Kölner Kommentar AktG, Lutter, § 67, Rn. 10.
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§ 3 Die Pfandrechtsbestellung an der Mitgliedschaft in der AG
ist diese Rechtsstellung im Verhältnis zur AG von Bedeutung. Zwar besteht bei diesem Anspruch die Besonderheit, dass er i.d.R. in einem selbständigen Wertpapier, dem Dividendenschein verbrieft ist. Zumindest trägt dieser Gedanke aber für den Anspruch auf den Liquidations- oder den Einziehungserlös. In dieser Hinsicht erfüllt die Eintragung im Aktienregister dieselbe Funktion wie die bei der gesellschaftsrechtlichen Mitgliedschaft nicht erforderliche Verpfändungsanzeige nach § 1280 BGB. Zum anderen ist die Rechtsstellung als Pfandgläubiger für die AG auch unter dem Gesichtspunkt eines Zustimmungsrechts nach § 1276 BGB zu Hauptversammlungsbeschlüssen von rechtlicher Relevanz. Eine Eintragungsfähigkeit der Pfandnehmereigenschaft ist somit zu bejahen.
C. Der statuarische Ausschluss der Verpfändbarkeit der Mitgliedschaft Für eine AG kann ein Interesse daran bestehen, die Verpfändbarkeit der Mitgliedschaft auszuschließen. Denn die dingliche Belastung kann bei Eintritt des Verwertungsfalls und der sich daran anschließenden Veräußerung zu einer nicht erwünschten Veränderung der Beteiligungsstruktur führen. Dieser Aspekt kann insbesondere bei einer in der Rechtsform der AG geführten Familienunternehmung Bedeutung erlangen. Hingegen ist bei der börsennotierten Publikums·AG diese Fragestellung mangels ausreichender Bedeutung der jeweiligen Beteiligungsgröße des Kleinanlegers zumindest für diesen Aktionärskreis ohne Relevanz. Bei der AG ist eine statuarische Einschränkung der Verpfändbarkeit nur eingeschränkt möglich. Dies beruht auf dem in dieser Gesellschaftsform geltenden sog. Grundsatz der freien Verfügbarkeit der Mitgliedschaft. I. Der Grundsatz der freien Verfügbarkeit der Mitgliedschaft Der Grundsatz der freien Verfügbarkeit der Mitgliedschaft 57 ist nicht ausdrücklich kodifiziert. Seine Grundlage könnte man in § 137, 1 BGB erblicken, der die Unzulässigkeit eines Ausschlusses der Verfügungsmöglichkeit mit dinglicher Wirkung normiert. Hiergegen spricht aber, dass diese Vorschrift und der die Vinkulierung gestattende § 68 II AktG nach h.M. die Regelung unterschiedlicher Sachfragen zum Gegenstand haben. § 137, 1 BGB bezieht sich allein auf das Merkmal der Verfügungsbefugnis eines Rechtsinhabers, während
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BGH WM 1987, S. 174, 175; BayObLGZ 1988, 371, 377; Geßler/Hefermehl, Hefermehl/Bungeroth, AktG, § 68, Rn. 67; Hüffer, AktG, § 68, Rn. 10; Kölner Kommentar AktG, Lutter, § 68, Rn. 23; Kossmann, Vinkulierte Namensaktien, BB 1985, S. 1364 f.; Münchener Handbuch GesR IV, Wiesner, § 14, Rn. 16; Münchener Kommentar AktG, Bayer, § 68, Rn. 34; Reuter, Perpetuierung von Unternehmen, S. 434 ff.
C. Statuarischer Ausschluss der Verpfändbarkeit
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§ 68 II AktG den möglichen Inhalt eines Rechts regelt. In dieser Hinsicht stellt § 68 II AktG eine Sonderregelung gegenüber den ebenfalls inhaltsbestimmenden §§ 413, 399 2. Alt. BGB dar. Im Vergleich zu § 137, 1 BGB ist damit ein aliud-Verhältnis gegeben. Hintergrund dieser Auslegung ist der Gedanke, dass tatbestandliche Voraussetzung des § 137, 1 BGB die Veräußerbarkeit des Rechts ist, dieses Tatbestandsmerkmal aber von vornherein nicht vorliegt, wenn das Recht von Anfang an von seinem Inhalt her als unveräußerliches oder nur beschränkt veräußerbares zur Entstehung gelangt58. Zur Begründung des Prinzips derfreien Verfügbarkeit des AG-Anteils könnte § 137, 1 BGB lediglich dann herangezogen werden, wenn man der Norm entgegen ihrem Wortlaut weitergehend den Aussagegehalt entnehmen wollte, sie hindere die absolute Wirkung jeglichen rechtsgeschäftlichen Verfügungshindernisses59. Danach würde § 68 II AktG eine Ausnahmebestimmung zum Grundsatz des § 137, 1 BGB darstellen, auf den bei fehlender Vinkulierung zurückgegriffen werden könnte. In der aktienrechtlichen Literatur wird vielfach das Prinzip auf den Umstand zurückgeführt, dass der Aktionär weder ein ordentliches Kündigungsrecht noch ein außerordentliches Austrittsrecht innehat60. Damit stellt die Übertragbarkeit der Aktie die einzige Möglichkeit dar, mit der der Aktionär von sich aus seine Mitgliedschaft an der Gesellschaft beenden kann. Dieser Begründungsansatz verliert prima facie an Überzeugungskraft, wenn man dem Aktionär - wie neuerdings vereinzelt vertreten wird 61 - ein außerordentliches Austrittsrecht aus wichtigem Grund zuerkennen will. Denn ein Bedürfnis für die Veräußerbarkeit des Anteils besteht in erster Linie in einer Situation, in der Umstände eingetreten sind, die das Verbleiben in der Gesellschaft für den Aktionär unzumutbar machen. Hinzu kommt, dass bei der GmbH ein derartiger Grundsatz nicht gilt, obwohl auch hier ein ordentliches gesetzliches Kündigungsrecht des Gesellschafters, also ein Recht zum Austritt ohne wichtigen Grund, überwiegend 58
Diese Auslegung entspricht der ganz h.M.: BGHZ 19, 355, 359; Blaum, Abtretungsverbot, S. 29; Flume, Rechtsgeschäft, § 17 7; Münchener Kommentar BGB (4. Aufl.), Roth, § 399, Rn. 36; Soergel, Hefermehl, BGB, § 137, Rn. 6; Staudinger, Busche, BGB, § 399, Rn. 52. 59 So Wagner, Rechtsgeschäftliche Unübertragbarkeit, AcP 1994, S. 451 ff. Er beruft sich vor allem auf den Sinn und Zweck des § 137, 1 BGB, der in der Gewährleistung von Rechtssicherheit liege. Potentielle Erwerber eines prinzipiell veräußerbaren Rechts sollen sich darauf verlassen dürfen, dass die Übertragbarkeit nicht rechtsgeschäftlich ausgeschlossen oder beschränkt ist. 60 Geßler/Hefermehl, Hefermehl/Bungeroth, AktG, § 68, Rn. 67; Münchener Handbuch GesR IV, Wiesner, § 14, Rn. 16; Kölner Kommentar AktG, Lutter, § 68, Rn. 23; Wirth, Vinkulierte Namensaktien, DB 1992, S. 617. 61 Grunewald, Festschrift Claussen, S. 111 ff.; Raiser, Kapitalgesellschaftsrecht, § 12, Rn. 63. Liebscher, Konzernbildungskontrolle, S. 203 erkennt ein Austrittsrecht nur bei der personalistisch geprägten AG an.
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§ 3 Die Pfandrechtsbestellung an der Mitgliedschaft in der AG
genauso wie bei der AG abgelehnt wird, da eine dementsprechende Regelung fehle und einem derartigen ungeschriebenen Rechtssatz das Argument der Aushöhlung der Vinkulierung nach § 15 V GmbHG entgegenstehe62. Bei dieser Gesellschaftsform ist ebenfalls nur ein außerordentliches Austrittsrecht anerkannt63. Als tragend für dieses Prinzip sind letztlich die folgenden Gesichtspunkte anzusehen. Maßgeblich ist vor allem § 68 II AktG. Die Regelung steckt die äußerste Grenze ab, bis zu der die Verkehrsfähigkeit der Namensaktie beschränkt werden kann. Im Umkehrschluss folgt daraus aber auch, dass die in Inhaberaktien verbriefte Mitgliedschaft keinen Veräußerungsbeschränkungen zugänglich ist. Das steht in Übereinstimmung damit, dass das Inhaberpapier die verkehrsfreundlichste Wertpapierart darstellt, da zu seiner Übertragung im Gegensatz zum Orderpapier ein Indossament nicht erforderlich ist und es zur Legitimation des Papierinhabers einer Indossamentenkette nicht bedarf. Zudem deutet die nach der gesetzgeberischen Vorstellung erfolgende wertpapierrechtliche Verbriefung in Aktienurkunden (§10 AktG) auf die verkehrsfreundliche Ausgestaltung der Mitgliedschaft hin. Des Weiteren kann im Gegensatz zu § 15 V GmbHG die Veräußerbarkeit nicht absolut ausgeschlossen werden. Damit trägt der vorgenommene Vergleich zum GmbH-Recht nicht. Auf der Grundlage dieser Gesetzeslage besteht daher selbst bei Anerkennung eines außerordentlichen Austrittsrechts ein Bedürfiiis für eine grundsätzlich freie Veräußerbarkeit, weil ein Lösungsrecht nur in einer Ausnahmesituation der gesetzgeberisch gewollten Fungibilität des Anteils zuwiderlaufen würde. Insofern erlangt der Gesichtspunkt des Nichtbestehens eines ordentlichen Kündigungsrechts des Aktionärs besondere Bedeutung. II. Folgerungen für den statuarischen Ausschluss der Verpfändbarkeit 1. Möglichkeiten der Einschränkung der Verpfändbarkeit bei der vinkulierten Namensaktie Im Ergebnis folgt aus dem Prinzip der freien Verfügbarkeit der Mitgliedschaft, dass eine statuarische Beschränkung der Verpfändbarkeit nur bei der Ausgabe von Namensaktien, nicht hingegen bei Inhaberaktien denkbar ist. Für eine Beschränkung der Verpfändbarkeit kommen zwei Wege in Betracht. Zum einen besteht die Möglichkeit, die Vinkulierung auf alle rechtsgeschäftlichen Übertragungstatbestände zu erstrecken. In diesem Fall ist wegen § 1274 I 1, II BGB auch die Bestellung eines Pfandrechts zustimmungsbedürftig. Hier
62 63
Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 35 IV 3 a m.w.N. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 35 IV 3 b m.w.N.
C. Statuarischer Ausschluss der Verpfändbarkeit
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ist auf die Ausführungen in § 3 A. III. zu verweisen. In diesem Fall liegt eine gewöhnliche Vinkulierungsanordnung vor. Fraglich ist, ob zum anderen auch die Möglichkeit gegeben ist, die Vinkulierung isoliert auf die Verpfändung zu erstrecken, ohne die Vollrechtsübertragung derselben Beschränkung zu unterwerfen 64. Angesichts des primären Zwecks der Vinkulierung, den gesellschafterlichen Einfluss unerwünschter Personen zu verhindern, erscheint diese Fallgestaltung in dieser reinen Ausprägung weniger von praktischem, als von dogmatisch theoretischem Interesse. So wäre etwa eine Sicherungsübertragung des Anteils zulässig, die dem Sicherungsnehmer weniger weitreichenden Einfluss auf die Gesellschaft gestattende Verpfändung aber dem Zustimmungsvorbehalt der Gesellschaft unterworfen. Eine gewisse praktische Relevanz kann diese Frage aber im Hinblick auf § 68 II 4 AktG erlangen. Danach könnten statuarisch für die Verpfändung weitere Verweigerungsgründe festgelegt werden, so dass sie stärker beschränkt ist als die Vollrechtsübertragung. Der Wortlaut des § 68 II 1 AktG schweigt zu dieser Problematik, da in der Norm lediglich von einer „Übertragung" gesprochen wird, und darunter sowohl die Übertragung des Vollrechts als auch, wie bei den beschränkt dinglichen Rechten, die Überlassung nur eines Teils der Befugnisse des Rechtsinhabers verstanden werden kann. Die Zulässigkeit der isolierten Vinkulierung der Verpfändung entspräche der zu § 15 V GmbHG vertretenen Auffassung. Auch in dieser Vorschrift ist lediglich von der „Abtretung" die Rede, jedoch ist der isolierte Ausschluss der Verpfändbarkeit in der GmbHrechtlichen Literatur weithin anerkannt65. Gleichwohl kann aus diesem Umstand und der äußerlichen Ähnlichkeit von § 15 V GmbHG und § 68 II AktG noch nicht geschlossen werden, eine isolierte Beschränkung der Verpfändung sei auch im Aktienrecht zulässig. Dies beruht auf den strukturellen Unterschieden zwischen dem GmbH- und dem Aktienrecht. Das Aktienrecht gewährt hinsichtlich der Gestaltung der rechtlichen Stellung der Gesellschafter grundsätzlich keine Freiheit66. Nach § 23 V AktG gilt das Prinzip der formellen Satzungsstrenge. Im GmbHG fehlt eine vergleichbare Bestimmung. Im Gegenteil gewährt § 45 II GmbHG den Gesellschaftern Gestaltungsfreiheit. § 68 II AktG stellt damit eine Ausnahmebestimmung zum System gesetzlicher Normativbestimmungen bei der AG dar. Nach allgemeinen rechtsdogmatischen Grundsätzen ist eine Ausnahmevorschrift eng auszulegen und nicht erweiterungsfähig, 64
Davon gehen unausgesprochen und ohne Begründung aus Geßler/Hefermehl, Hefermehl/Bungeroth, AktG, § 68, Rn. 98; Münchener Kommentar AktG, Bayer, § 68, Rn. 57. 65 Baumbach/Hueck, Hueck/Fastrich, GmbHG, § 15, Rn. 48; Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 15, Rn. 48; Müller, Verpfändung von GmbH-Anteilen, GmbHR 1969, S. 5; Münchener Kommentar BGB, Damrau, § 1274, Rn. 51; Roth/Altmeppen, Altmeppen, GmbHG, § 15, Rn. 54; Scholz, Winter, GmbHG, § 15, Rn. 154. 66 Däubler, Ausschluss der Veräußerlichkeit von Rechten, NJW 1968, S. 1123; Geßler, Festschrift Luther, S. 69 ff.; Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 26 III 1 c.
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§ 3 Die Pfandrechtsbestellung an der Mitgliedschaft in der AG
was bei erster Betrachtung gegen die Zulässigkeit der isolierten Zustimmungsbedürftigkeit der Verpfändung zu sprechen scheint. Bei der Frage nach der Rechtmäßigkeit dieser Gestaltung erlangt § 1274 I 1, II BGB unmittelbar keine Bedeutung, weil er auf die für eine Vollrechtsübertragung geltenden Beschränkungen abstellt. Zu beurteilen ist diese Problematik daher nach Maßgabe des § 68 II AktG. Das isolierte Abstellen auf die Teleologie dieser Vorschrift scheint auch gegen die Zulässigkeit dieser Konstruktion zu sprechen, da mit der Verpfändung noch keine Änderung in der gesellschafterlichen Zusammensetzung eintritt 67. Diese Lösung ist aber keinesfalls zwingend. Denn die Gefahr einer künftigen Änderung in der Zusammensetzung der Gesellschafter ist bereits bei der Verpfändung der Mitgliedschaft gegeben, weil bei Eintritt der Pfandreife diese durch Veräußerung verwertet werden kann. Aus diesem Blickwinkel spricht auch der Ausnahmecharakter des § 68 II AktG nicht gegen die Zulässigkeit dieser Gestaltung, da rechtsdogmatisch eine enge Auslegung nur insofern geboten ist, als andernfalls die Regelungsabsicht des Gesetzgebers in ihr Gegenteil verkehrt würde68. Zwar könnte man insoweit auch der Auffassung sein, diese Gefahr könne ebenso durch die Zustimmungsbedürftigkeit der Vollrechtsübertragung vermieden werden, so dass es nicht der Figur einer isolierten Vinkulierung der Verpfändbarkeit bedürfte. Denn in diesem Fall wäre eine Verwertung der vinkulierten Namensaktie im Zeitpunkt der Pfandreife zustimmungsbedürftig. Dies kann aber kein Gegenargument für die Rechtmäßigkeit der isolierten Beschränkung der Verpfändbarkeit begründen, da die Sicherstellung der Kontrollmöglichkeit der AG in diesem Fall lediglich in einem späteren Verfahrensstadium, nämlich bei der Verwertung gewährleistet ist. Zu bedenken ist zudem, dass bei einer Verwertung des Gesellschaftsanteils über § 1277, 2 BGB im Wege der Zwangsvollstreckung nach h.M. die Zustimmung aus Gründen eines effektiven Schutzes der Vollstreckungsgläubiger nur aus wichtigem Grund verweigert werden darf bzw. nach anderer, auch hier in § 8 D. II. vertretener Auffassung ein Zustimmungsvorbehalt sogar überhaupt nicht besteht. Die mit der statuarischen Anordnung der Vinkulierung verbundenen Interessen der Gesellschaft könnten daher sehr viel effektiver in diesemfrüheren Verfahrensstadium geschützt werden. Des Weiteren kann die Rechtmäßigkeit der Gestaltung mit einem argumentum a majore ad minus begründet werden. Wenn die AG die Möglichkeit hat, die Freiheit des Aktionärs bei der Übertragung des Vollrechts einzuschränken, muss es auch ihrer Gestaltungsfreiheit unterliegen, seine Rechtsposition durch weniger beeinträchtigende Maßnahmen wie bei der Verpfändung zu beschrän67
So für das schweizerische Recht Zobl, Verpfändung, SZW 1994, S. 166 f. Für nicht börsenkotierte Namensaktien ist dies in Art. 685b VII OR auch ausdrücklich normiert. 68 Lorenz, Methodenlehre, S. 355 f.
C. Statuarischer Ausschluss der Verpfändbarkeit
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ken, zumal diese von ihrem Verfahren her im Vorfeld der Übertragung des Vollrechts angesiedelt werden kann. Die Gestaltung ist somit zulässig. 2. Der Zustimmungsvorbehalt
der Gesellschaft
Hinsichtlich der Wirkung entsprechender die Verpfändbarkeit beschränkender Klauseln ist zu beachten, dass die Pfandrechtsbestellung im Gegensatz zu § 15 V GmbHG nicht zwingend ausgeschlossen, sondern nach dem Wortlaut des § 68 II 1 AktG lediglich an die Zustimmung der Gesellschaft gebunden werden kann, die grundsätzlich der Vorstand (§ 68 II 2 AktG) erteilt, aber nach einer entsprechenden Satzungsbestimmung auch durch den Aufsichtsrat oder die Hauptversammlung gegeben werden kann (§ 68 II 3 AktG). Die Entscheidung über die Zustimmung ist vom zuständigen Organ nach pflichtgemäßem Ermessen69 zu treffen, selbst wenn in der Satzung die Verweigerungsgründe detailliert festgelegt sind. Denn nach dem Wortlaut des § 68 II 4 AktG („darf 4) muss dem für zuständig erklärten Gesellschaftsorgan eine Entscheidungsspielraum über die Erteilung oder Verweigerung der Zustimmung verbleiben. Wegen dieses Wortlauts ist das Ziel des vollständigen Ausschlusses der Übertragbarkeit bzw. der Verpfändbarkeit auch nicht über die Anordnung eines absoluten, für jeden Fall geltenden Zustimmungsverbots in der Satzung nach § 68 II 4 AktG erreichbar. Ein solches ist unzulässig70. Hierfür spricht des Weiteren sowohl der Ausnahmecharakter des § 68 II AktG als auch der Grundsatz der freien Verfügbarkeit der Mitgliedschaft. Das bedeutet einerseits, dass eine die Verpfändung an die Zustimmung der Gesellschaft knüpfende Satzungsklausel insofern in ihrer Wirkung einer den vollständigen Ausschluss anordnenden Klausel nahe kommen könnte, als im gesetzlichen Regelfall des § 68 II 2 AktG dem Vorstand entsprechend der allgemeinen Grundsätze zu § 76 I AktG 71 ein breites unternehmerisches Ermessen zukommt, bei dessen Ausübung in erster Linie die Interessen der Gesellschaft zu berücksichtigen sind. Ob die Beteiligung einer bestimmten Person oder eines bestimmten Unternehmens an der AG für diese von Nachteil oder von Vorteil ist, ist eine unternehmerische Prognoseentscheidung, die sich der rechtlichen 69 BGH DB 1987, S. 679; Friedewald, Personalistische AG, S. 41 ff.; Geßler/Hefermehl, Hefermehl/Bungeroth, AktG, § 68, Rn. 124; Hüffer, AktG, § 68, Rn. 10; Immenga, Vinkulierung von Aktien, AG 1992, S. 82; Kölner Kommentar AktG, Lutter, § 68, Rn. 30; ders., Vinkulierte Namensaktien, AG 1992, S. 370 f.; Münchener Kommentar AktG, Bayer, § 68, Rn. 72; Wirth, Vinkulierte Namensaktien, DB 1992, S. 617 ff. 70 Münchener Kommentar AktG, Bayer, § 68, Rn. 62. 71 Geßler/Hefermehl, Hefermehl, AktG, §76, Rn. 21; Kölner Kommentar AktG, Mertens, § 76, Rn. 10 ff.; Münchener Handbuch GesR IV, Wiesner, § 19, Rn. 16; Teubner, Unternehmensinteresse, ZHR 1985, S. 470 ff.
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§ 3 Die Pfandrechtsbestellung an der Mitgliedschaft in der AG
und gerichtlichen Nachprüfung i.d.R. entzieht. Pflichtwidrig und mithin rechtswidrig wäre die Entscheidung nur, wenn sie ersichtlich andere Interessen verfolgt oder ebenso erkennbar die Interessen der betreffenden AG verletzt. Hinter diesem sehr strengen Prüfungsmaßstab steht die Überlegung, das in § 76 I AktG verankerte selbstverantwortliche unternehmerische Handeln sei ohne einen Entscheidungsspielraum des Vorstands nicht denkbar72. Die Rechtsordnung muss diese unternehmerische Selbstverantwortung und Handlungsfreiheit garantieren, darf aber auf der anderen Seite die schutzwürdigen Belange der Aktionäre nicht gänzlich außer Betracht lassen. Dem Ausgleich dieser Interessen tragen § 76 I AktG und die Haftungsnorm des § 93 I, II AktG Rechnung. Der strenge Prüfungsmaßstab darf aber andererseits auch nicht zu der Annahme verleiten, das Interesse des Aktionärs an der Verpfändbarkeit seines Anteils wäre vollkommen ohne praktische Bedeutung innerhalb dieses Ermessensprozesses. So betont der BGH, dass „die Vinkulierung nicht zu einer grundsätzlichen Unveräußerlichkeit der Aktien auf unabsehbare Zeit führen" dürfe; vielmehr sei der Ermessensspielraum durch den Grundsatz begrenzt, dass „niemand auf Dauer in einer AG festgehalten werden kann"73. Dabei kann dieses Aktionärsinteresse sogar bis zu einer Pflicht der AG führen, die Aktien zu einem angemessenen Preis zu übernehmen, solle die Verweigerung der Zustimmung zur Veräußerung an einen Dritten nicht rechtswidrig werden74. Diese Grundsätze können sich auch im Fall der Verpfändung auswirken. Die aus dem Prinzip der freien Übertragbarkeit sich ergebende Verkehrsfähigkeit der Aktie ist hier vor allem in dem Interesse des Aktionärs zu berücksichtigen, ein Kreditsicherungsmittel zur Verfügung zu haben. Insoweit kann eine Einschränkung der Verpfändbarkeit in ihrer wirtschaftlichen Auswirkung eine dem Ausschluss der Übertragbarkeit vergleichbare Bedeutung zukommen. Dabei kann insbesondere auch der Umstand mit in die Betrachtung einzustellen sein, dass die Verpfändung noch nicht zu einer Veränderung im Gesellschafterkreis führt und auch nicht notwendigerweise führen muss. Insoweit kann das Aktionärsinteresse im Vergleich zur Übertragung des Vollrechts ein größeres Ge72
BGHZ 135, 244, Leitsatz b) (,ARAG/Garmenbecktl); Horn, Haftung, ZIP 1997, S. 1134 ff.; Kindler, Pflichtenbindung, ZHR 1998, S. 101 ff. In dem BGH-Urteil wird in Anlehnung an die im amerikanischen Gesellschaftsrecht entwickelte „business judgment rule " der Grundsatz aufgestellt, dass Entscheidungen des Managements der Gerichtskontrolle entzogen sind, solange das Management die Voraussetzungen rechtmäßiger Ermessensausübung eingehalten hat. Vgl. zu dieser Parallele Thümmel, Aufsichtsratshaftung, DB 1999, S. 886; Ulmer, Aktionärsklage, ZHR 1999, S. 298. 73 BGH DB 1987, S. 679. 74 Zugleich sagt aber der BGH damit auch, dass zumindest bei einer wie in der Entscheidung vorliegenden Familien-AG eine drohende Überfremdung einen rechtfertigenden Grund für die im deutschen Recht stark eingeschränkte Zulässigkeit des Erwerbs eigener Anteile wegen der Abwehr eines schweren, unmittelbar bevorstehenden Schadens für die Gesellschaft nach § 71 I 1 Nr. 1 AktG darstellen kann. Vgl. ausführlich zu dieser Frage Münchener Kommentar AktG, Oechsler, § 71, Rn. 103 ff. m.w.N.
D. Die Verpfändung bei girosammelverwahrten Aktien
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wicht erhalten. Denn erteilt die AG ihre Zustimmung zur Verpfändung, kann sie ihre Interessen durch einen ausdrücklichen Zustimmungsvorbehalt für den bei der Verwertung erfolgenden privatrechtlichen Veräußerungsvorgang wahren. Im Rahmen der Ermessensausübung muss auf der anderen Seite jedoch auch eine Rolle spielen, dass bei einer zwangsvollstreckungsrechtlichen Verwertung gemäß § 1277, 2 BGB nach h.M. nur aus wichtigem Grund eine Verweigerung der Zustimmung möglich ist, und nach anderer Auffassung ein Zustimmungsvorbehalt sogar überhaupt nicht gegeben ist. Zu beachten ist jedoch der Gleichbehandlungsgrundsatz des § 53a AktG 75 . Ist einem anderen Aktionär die Zustimmung unter vergleichbaren Umständen bereits einmal erteilt worden, muss sie auch diesmal erteilt werden. Im Ergebnis kann festgehalten werden, dass die eine Zustimmungspflicht der AG begründenden Kriterien in hohem Maße einzelfallabhängig sind.
D. Die Verpfändung bei girosammelverwahrten Aktien I. Problemstellung: Die Entmaterialisierung des Wertpapierrechts Nach dem gesetzlichen Leitbild des BGB spielt die einzelne Aktienurkunde bei der Bestellung des Pfandrechts eine bedeutende Rolle. Entsprechend der allgemeinen Grundsätze des Wertpapierrechts besteht ihre Funktion darin, ein Recht durch Verkörperung in einer beweglichen Sache verkehrsfähig zu machen. Dadurch soll zum einen der Papierinhaber als Berechtigter des in der Urkunde verbrieften Rechts ausgewiesen werden, und der Schuldner soll an ihn mit befreiender Wirkung leisten können (sog. Legitimationswirkung). Zum anderen soll eine Anwendung der Regeln des gutgläubigen Erwerbs ermöglicht werden, indem mit der Urkunde ein Rechtsscheinsträger vorhanden ist (sog. Verkehrsschutzfunktion). So wird nach der gesetzgeberischen Konzeption des BGB das Pfandrecht an der Mitgliedschaft in der AG in der Weise bestellt, dass der Verpfänder seine Aktienurkunden, die er physisch in seinen Händen hält, dem Pfandgläubiger übergibt, und sich beide über die Bestellung eines Pfandrechts einigen. Insgesamt nehmen damit die Regeln des BGB starken Bezug auf das Verkörperungselement, auf die rechtliche Ausgestaltung der Mitgliedschaft in der Aktie als bewegliche Sache hinsichtlich der Übertragung und der dinglichen Belastung. Diese Vorstellung des Gesetzgebers entspricht der heutigen Lebenswirklichkeit in den meisten Fällen nicht. Die Bedeutung der Einzelurkunde als Sache für Bestand, Ausübung oder Übertragung des Rechts wurde durch die tatsächli75 LG Aachen ZIP 1992, S. 924, 929; Bork, Festschrift Henckel, S. 26; Lutter, Vinkulierte Namensaktien, AG 1992, S. 372; Wirth, Vinkulierte Namensaktien, DB 1992, S. 619.
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§ 3 Die Pfandrechtsbestellung an der Mitgliedschaft in der AG
che und in der Folge durch die rechtliche Entwicklung ganz erheblich modifiziert. So werden girosammelverwahrte Aktien zu ihrer Übertragung nicht mehr bewegt. Die Übertragimg erfolgt vielmehr stückelos und zumindest in tatsächlicher Hinsicht durch Umbuchung bei einem Zentralverwahrer, bei dem die Urkunden i.d.R. dauernd lagern. Dieser Entwicklung trägt das DepotG Rechnung, indem es einen gesetzlichen Rahmen für diese Art der Verwahrung zur Verfügung stellt. Konsequenz ist, dass der einzelne Aktionär sein Wertpapier regelmäßig niemals zu Gesicht bekommen oder gar jemals in Händen halten wird. Diese Verwahrungsform der Aktienurkunde ist neben der Reduzierung der Wertpapierurkunden durch die Einführung der Globalurkunde (§ 9a DepotG) und der Schuldbuchforderungen 76 der wesentliche Grund für die Zurückdrängung des Verkörperungselements bzw. für die Entmaterialisierung des Wertpapierrechts 77 bei Effekten, also bei Papieren des Kapitalmarkts die Gegenstand gewerbsmäßiger Umsatzgeschäfte sein können78. Diese Entmaterialisierung läuft den hinter der Ausbildung des Wertpapierrechts stehenden und auch in den §§ 1292 f. BGB zum Ausdruck kommenden Gedanken zuwider. Denn entwicklungsgeschichtlich stellt das Wertpapierrecht die Antwort des Rechts auf die gegenständliche Dokumentation (Verkörperung) von Rechten dar 79. Der Bedeutungsverlust des Verkörperungselements ist bei der Legitimationsfunktion nach ihrem klassischen Verständnis besonders augenscheinlich, da eine Ausübung der Aktionärsrechte weitgehend ohne Urkundenvorlage erfolgt. Nach § 123 III 2 AktG genügt für die Ausübung des Stimmrechts in der Hauptversammlung die Hinterlegungsbescheinigung der Wertpapiersammelbank. 76
Darunter versteht man unverbriefte Forderungsrechte (sog. Wertrechte), die rechtlich sammelverwahrten verbrieften Rechten gleichgestellt wurden. An die Stelle der Verbriefung tritt die Eintragung in ein öffentliches Register. Die Gleichstellung zu verbrieften Rechten geschah durch die beiden „Verordnungen über die Behandlung von Anleihen des Deutschen Reiches im Bank- und Börsenverkehr" vom 31.12.1940 (RGBl. 1941 I, S. 21) und 18.4.1942 (RGBl. I, S. 183) (jeweils § 2 der Verordnungen). Nach § 1 AnleiheG vom 29.3.1951 (BGBl. I, S. 218) gelten diese Vorschriften für Schuldbuchforderungen gegen den Bund sinngemäß fort. Gemäß Art. 2 des ÄnderungsG zum DepotG vom 24.5.1972 (BGBl. I, S. 801) sind die Vorschriften auch auf die in den Schuldbüchern der Länder eingetragenen Anleihenforderungen anzuwenden. Damit haben diese Regelungen für die Staatsanleihen des Bundes und der Länder erhebliche praktische Bedeutung. Vgl. Canaris , Bankvertragsrecht, Rn. 2052 ff.; Einsele, Wertpapiere im elektronischen Bankgeschäft, WM 2001, S. 9; Fabricius, Stückeloser Effektengiroverkehr, AcP 1963, S. 456 ff.; Peters, Effektensystem, S. 27 ff.; Staudinger, Marburger, BGB, vor § 793, Rn. 25, 34; Than, Festschrift Schimansky, S. 831 f. 77 Grundlegend Zöllner, Festschrift Raiser, S. 249 ff. Vgl. zudem Brink, Effektengiroverkehr, S. 67 ff., 77 ff; Dechamps, Effektengiroverkehr, S. 14 ff; Einsele, Wertpapierrecht, S. 12 ff; Hueck/Canaris, Wertpapierrecht, § 1 III; Than, Festschrift Schimansky, S. 827 ff. 78 Vgl. zum Effektenbegriff Bankrechts-Handbuch II, Gößmann, § 72, Rn. 51; Baumbach/Hefermehl, WPR, Rn. 21. 79 Schmidt, Handelsrecht, § 24 I 1 b.
D. Die Verpfändung bei girosammelverwahrten Aktien
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Ebenso verzichten die Emittenten häufig auf die Vorlage der Gewinnanteilsscheine, an deren Stelle eine Bestätigung der Wertpapiersammelbank über die Höhe des Bestands tritt 80 . Vor dem Hintergrund, dass der weite Wertpapierbegriff zur Abgrenzung von bloßen Beweisurkunden gerade auf den Vorlagecharakter abstellt, der Vorlegungszwang somit das eigentliche Charakteristikum der Wertpapiere darstellt, wird für Kapitalmarktpapiere ein modifizierter Wertpapierbegriff vertreten. Für sie wird es als ausreichend erachtet, dass „der Berechtigte das Papier in einer Weise (mittelbar) besitzt, bei der sichergestellt ist, dass eine Benützung durch andere, insbesondere durchfrühere Rechtsinhaber praktisch ausgeschlossen ist" 81 . Aus diesen tatsächlichen und rechtlichen Gegebenheiten ergibt sich folgender Grundkonflikt, der sich auch bei der Bestellung eines Pfandrechts an girosammelverwahrten Aktien auswirkt: Die Regeln des DepotG sind Ausfluss der wirtschaftlichen Bedürfnisse der Kapitalmarktteilnehmer und unterstützen damit die Entwicklung der Zurückdrängung des Verkörperungselements. Auf der anderen Seite sind die Regeln des Sachenrechts noch auf die Verkörperung der Mitgliedschaft in einzelnen Urkunden zugeschnitten. Da eine vertragliche Modifikation der sachenrechtlichen Vorschriften wegen ihres zwingenden Charakters ausscheidet, stellt sich für die Rechtspraxis bei der Verpfändung von girosammelverwahrten Wertpapieren das Problem, auf welche Weise eine Pfandrechtsbestellung unter Anwendung der auf andere Fallgestaltungen durch den Gesetzgeber zugeschnittenen Regeln des BGB erfolgen kann, bzw. welche Grenzen sich für die Leistungsfähigkeit des Effektengiroverkehrs auf sachenrechtlicher Grundlage ergeben. Dieser Grundkonflikt wirkt sich schwerpunktmäßig bei zwei Fragestellungen aus: Zum einen bei der Frage, wie eine Übergabe von girosammelverwahrten Aktien erfolgt; zum anderen beim Problem des gutgläubigen Erwerbs, da hier dem Besitz an der Aktienurkunde bzw. der Besitzverschafïungsmacht eine Rechtsscheinsfunktion zukommt. Außer Betracht bleiben soll in der Darstellung zunächst das Problem der in einer Globalurkunde nach §§ 10 V AktG, 9a DepotG verbrieften Mitgliedschaft in der AG, weil sich hier weitere über den Fall der girosammelverwahrten einzelverbrieften Mitgliedschaft hinausgehende Problemstellungen ergeben. Um
80 Deforme, Wertpapiersammelbanken, S. 57 ff.; Münchener Kommentar HGB, Einsele, Depotgeschäft, Rn. 55; Peters, Entwicklungsmöglichkeiten im Effektenbereich, S. 28 f. 81 So Zöllner, Festschrift Raiser, S. 271. Ihm folgend Hueck/Canaris, Wertpapierrecht, § 1 III 4 b. Ebenfalls für eine Modifizierung des Wertpapierbegriffs ist Kumpel, Wertpapierbegriff, WM 1983, Beilage 6, S. 14: „Wertpapier ist jede ein privates Recht verbriefende Urkunde, deren Umlauffähigkeit dadurch gesteigert ist, dass der Aussteller nur die ihm unmittelbar gegen den Inhaber der Urkunde zustehenden Einwendungen geltend machen und/oder nur an diesen mit befreiender Wirkung leisten kann."
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§ 3 Die Pfandrechtsbestellung an der Mitgliedschaft in der AG
die sachenrechtliche Problematik erfassen zu können, ist zunächst auf die rechtlichen Grundlagen und die Funktionsweise der Girosammeiverwahrung einzugehen. II. Die Grundlagen der Girosammeiverwahrung 7. Die Funktion der Girosammeiverwahrung Maßgeblicher Sinn und Zweck der Girosammeiverwahrung ist die Rationalisierung und Vereinfachung des Effektengiroverkehrs 82. Ohne die Konzentration der Wertpapiere bei einer Wertpapiersammelbank wäre ein rascher und billiger Massenumsatz in Effekten nicht vorstellbar, da dann stets die einzelnen Stücke bewegt werden müssten, um die Übertragungsvoraussetzungen des § 929 BGB zu erfüllen. Die Girosammeiverwahrung ersetzt den aufwendigen Transport von Wertpapieren durch die buchungstechnische Übertragung. Im Rahmen der verschiedenen im DepotG geregelten Verwahrungsformen kommt diese Rationalisierungsfimktion am deutlichsten bei der Girosammeiverwahrung zum Tragen. Sie ist deshalb in der Praxis die regelmäßige Form der bankmäßigen Aufbewahrung 83. 2. Der Begriff und die Funktionsweise der Girosammeiverwahrung Der Begriff der Girosammeiverwahrung wird vom Gesetzgeber nicht gebraucht. Er wurde durch die Literatur herausgebildet und ist heute allgemein gebräuchlich. Mit ihm wird die Sammelverwahrung der bankmäßig verwahrten Wertpapiere durch eine Wertpapiersammelbank i.S.d. Legaldefinition des § 1 III DepotG bezeichnet84. Zum Verständnis dieses Begriffsinhalts ist die Sammelverwahrung bei einer Wertpapiersammelbank ( § 5 1 1 DepotG) zunächst abzugrenzen von der bei einer Depotbank (sog. Haussammeiverwahrung, § 5 I 2 DepotG). Die Sammelverwahrung ist dadurch charakterisiert, dass im Gegensatz zur Sonderverwahrung nach § 2 DepotG die Wertpapiere eines jeden Hinterlegers nicht gesondert unter seiner äußerlich erkennbarer Bezeichnung aufzubewahren sind, sondern mit gleichartigen Wertpapieren anderer Hinterleger und solchen des Verwahrers (sog. Nostrobestände) selbst vermischt werden können85. Während bei der 82
Canaris , Bankvertragsrecht, Rn. 2088; Kumpel, Bankrecht, Rn. 11.127. Bankrechts-Handbuch II, Gößmann, § 72, Rn. 73. 84 Bankrechts-Handbuch II, Gößmann, § 72, Rn. 73; Canaris, Bankvertragsrecht, Rn. 2150; Claussen, Bankrecht, § 9, Rn. 114; Kumpel, Bankrecht, Rn. 11.126. 85 Heinsius/Horn/Than, DepotG, § 5, Rn. 16; Kapitalanlagerecht, Kumpel, § 13, Rn. 29 f.; Schlegelberger, Hefermehl, HGB, Anh. § 406, Rn. 263 ff. 83
D. Die Verpfändung bei girosammelverwahrten Aktien
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Haussammeiverwahrung die Wertpapiere, die der Wertpapierinhaber seiner Bank zur Aufbewahrung gibt (sog. Depotbank), von dieser selbst verwahrt werden, liegt die besondere Kennzeichnung der Girosammelverwahrung in der Person des Verwahrers. Hier werden die Wertpapiere von der Depotbank an eine Wertpapiersammelbank i.S.d. § 1 III DepotG zur Verwahrung weitergegeben. Einzige deutsche Wertpapiersammelbank i.S.d. § 1 III DepotG ist die Clearstream Banking AG 86 . Damit handelt es sich bei der Girosammelverwahrung um eine Drittverwahrung, die der Depotbank in § 3 I DepotG ausdrücklich gestattet ist. Rechtssystematisch kehrt diese depotrechtliche Vorschrift die Auslegungsregel des § 691 BGB, nach der eine Drittverwahrung im Zweifel unzulässig ist, um. Dass es sich bei der Verwahrung von Wertpapieren bei Clearstream i.d.R. um eine Drittverwahrkonstellation handelt, folgt aus Nr. 2 I AGB-Clearstream. Danach können Depotinhaber bei ihr nur der gesetzlichen Depotprüfung (§ 30 KWG) unterliegende Kredit- und Finanzdienstleistungsinstitute sein, während nicht der gesetzlichen Depotprüfung unterliegende Privat- und Geschäftskunden ihrerseits lediglich ein Depot bei dem jeweiligen Kreditinstitut unterhalten. An einer Drittverwahrung bei Clearstream fehlt es dagegen, wenn die Nostrobestände der Depotinhaber bei ihr verwahrt werden. Vereinfachend, ohne Berücksichtigung weiterer Zwischenverwahrer, kann demnach im Regelfall von einer dreistufigen Depotpyramide gesprochen werden, an deren Spitze die das Wertpapier unmittelbar verwahrende Wertpapiersammelbank steht. Auf der zweiten Stufe findet sich eine begrenzte Anzahl von Kreditinstituten, Finanzdienstleistern und anderen nationalen Verwahrern (sog. Intermediäre), die eine unmittelbare vertragliche Beziehung zu dem Zentralverwahrer unterhalten. Auf der untersten Stufe steht der einzelne Anleger, dessen Anteile an dem Sammelbestand seines Intermediärs wiederum auf einem bei seinem Intermediär geführten Depot verbucht sind. Weil dieses System mithin ein indirektes, mehrstufiges Verwahrsystem ist, an dem auf verschiedenen Stufen Zwischenverwahrer beteiligt sind, wird es als „indirect or multi-tiered holding system " bezeichnet . Rechtlich gesehen bedeutet dies, dass bei der Drittverwahrung zwei Depotverträge geschlossen werden, nämlich der Depotvertrag zwischen dem Hinterleger und seiner Depotbank und der Depotvertrag zwischen der Depotbank und Clearstream. Da die Depotbank als Zwischenverwahrerin gegenüber der Wertpapiersammelbank im eigenen Namen auftritt, liegen zwei voneinander unabhängige Depotverträge vor 88 . 86
Im Folgenden Clearstream. Bernasconi , Yearbook, S. 66 ff. 88 Bankrechts-Handbuch II, Gößmann, §72, Rn. 12; Canaris , Bankvertragsrecht, Rn. 2158. 87
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§ 3 Die Pfandrechtsbestellung an der Mitgliedschaft in der AG
Diese Ausführungen verdeutlichen auch den Begriffsinhalt „Giro". Mit dem Girogeschäft wird die „Durchführung des bargeldlosen Zahlungsverkehrs" i.S.d. § 1 I Nr. 9 KWG bezeichnet89. Übertragen auf Wertpapiere bedeutet dies einen stückelosen Effektenverkehr, der nur durch den großen, bei Clearstream gebildeten Sammelbestand möglich ist. Der wesentliche Grund für den Rationalisierungseffekt bei der Girosammeiverwahrung liegt in der Regelung des § 6 I DepotG, der die rechtliche Stellung des einzelnen Hinterlegers in Bezug auf den Sammelbestand zum Gegenstand hat. Der bisherige Eigentümer verliert mit der Einlieferung der Wertpapiere in die Sammelverwahrung sein Allein-, Mit- oder Gesamthandseigentum und wird kraft Gesetzes Miteigentümer nach Bruchteilen (§§ 1008 ff., 741 ff. BGB) an den zum Sammelbestand des Verwahrers gehörenden Wertpapieren derselben Art, wobei für die Bestimmung des Bruchteils der Wertpapiernennbetrag und bei Wertpapieren ohne Nennbetrag die Stückzahl maßgebend ist90. Dogmatisch handelt es sich um einen eigenständigen Miteigentumserwerb kraft Gesetzes, der sich nicht unter die vom BGB vorgesehenen gesetzlichen Eigentumserwerbstatbestände, insbesondere auch nicht unter die §§ 947 f. BGB fassen lässt91. Denn mit Eingang der Wertpapiere wird automatisch Miteigentum erworben, ohne dass es auf das Kriterium der Vermischung ankommt. Das bedeutet für den Regelfall der Zwischenverwahrung durch eine Depotbank, die die Papiere nicht selbst in Obhut nimmt, sondern im eigenen Namen Clearstream in Verwahrung gibt, dass das Miteigentum erst mit der Einlieferung der Wertpapiere bei diesem Zentralverwahrer entsteht und nicht bei der Depotbank, die die Papiere vom Kunden entgegennimmt92. Dieses Verfahren bewirkt die Rationalisierung des Effektenverkehrs, indem nicht individuelle effektive Stücke gehandelt und bewegt werden müssen, sondern ideelle Miteigentumsanteile an den in dem Sammelbestand dauerhaft eingelagerten Wertpapieren derselben Art. 3. Die Bedeutung der Girosammeiverwahrung
für Aktien
Bei Aktien hat die Girosammeiverwahrung eine große praktische Bedeutung. Die meisten der in Deutschland gehandelten inländischen Aktien werden in dieser Form verwahrt. Rechtliche Grundlage dafür ist, dass es sich bei ihnen 89
Bankrechts-Handbuch I, Schimansky, § 47, Rn. 1 f.; Kumpel, Bankrecht, Rn. 4.1. Der Bruchteilsnenner bestimmt sich aus der Anzahl der im Sammelbestand vorhandenen Wertpapieren derselben Art, der Bruchteilszähler aus der vom Depotkunden eingelieferten Wertpapiere. Vgl. Kapitalanlagerecht, Kümpel, § 13, Rn. 43. 91 Baumbach/Hopt, Hopt, DepotG, § 6, Rn. 1; Canaris, Bankvertragsrecht, Rn. 2104; Heinsius/Horn/Than, DepotG, § 6, Rn. 3; Schlegelberger, Hefermehl, HGB, Anh. § 406, Rn. 281; Schönle, Bankrecht, § 20 II 2 b. 92 Einsele, Wertpapierrecht, S. 25; Heinsius/Horn/Than, DepotG, § 6, Rn. 7. 90
D. Die Verpfändung bei girosammelverwahrten Aktien
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um sammelverwahrfähige vertretbare Wertpapiere i.S.d. § 5 I 1 DepotG handelt. Die Aktie ist in § 1 I DepotG ausdrücklich als Wertpapier i.S.d. DepotG bezeichnet. Zudem ist auch das Merkmal der Vertretbarkeit erfüllt. Dieser Begriff wird unter Rückgriff auf § 91 BGB definiert 93. Danach sind Wertpapiere vertretbar, wenn sie im Verkehr nach Stückzahl - wie bei der Stückaktie - oder Nennbetrag - so bei der Nennbetragsaktie - bestimmt werden. In dieser Hinsicht kennt das AktG keine dritte Kategorie. Das Erfordernis der Vertretbarkeit ist auch bei Namensaktien erfüllt, obgleich diese durch ein Indossament übertragen werden, welches nach seinem Grundfall den Indossatar, also den Erwerber namentlich bezeichnet. Die Notwendigkeit einer derartigen namentlichen Bezeichnung würde den Namensaktien die Austauschbarkeit nehmen, da die Übertragung mittels Vollindossaments die Rechte aus der Aktie allein auf diese individuell bezeichnete Person übergehen lässt. Um Sammelverwahrfähigkeit zu besitzen, müssen die Aktienurkunden blankoindossiert (§ 68 12 AktG, Art. 13 II WG) sein94. Damit bleibt die Person des konkreten Erwerbers offen (Art. 13 II WG). Der Inhaber der Namensaktie kann diese ohne weiteren Skripturakt, also durch bloße Einigung und Übergabe auf den Erwerber übertragen (§ 68 I 2 AktG, Art. 14 II Nr. 3 WG). Für die Pfandrechtsbestellung kann das Blankoindossament die Funktion eines verdeckten Pfandindossaments erlangen. Aus praktischen Gründen regelt Nr. 46 II AGB-Clearstream eine weitere Besonderheit bei der Verwahrung dieser Aktiengattung. Danach hat die Einlieferung die Bedeutung einer Legitimationsübertragung durch den hinterlegenden Anleger, indem dieser Clearstream ermächtigt, entweder sich selbst oder das zwischenverwahrende Kreditinstitut treuhänderisch als Aktionär in das Aktienregister der Gesellschaft einzutragen. Dadurch wird dem eingetragenen Kreditinstitut zum einen die ihm obliegende Verwaltungstätigkeit ermöglicht und zum anderen eine Umschreibung im Aktienregister bei einer Veräußerung der Mitgliedschaft vermieden. Problematischer ist hingegen die Frage, ob die Vinkulierung der Namensaktie ihrer Sammelverwahreignung entgegensteht. Während ein Teil des Schrifttums dies verneint95, bejahen andere Autoren die Sammelverwahrfähigkeit nur unter der Voraussetzung, dass durch eine Absprache mit der Emittentin hinsichtlich der Zustimmungspraxis die Verkehrsfähigkeit nicht beeinträchtigt erscheint96. Danach hat sich die Emittentin zu verpflichten, ihre Zustimmung zur Übertragung nur in wenigen Ausnahmefällen zu verweigern. Eine dritte Gruppe hält
93
Baumbach/Hopt, Hopt, DepotG, § 5, Rn. 1; Heinsius/Horn/Than, DepotG, § 5, Rn. 25; Kumpel, Bankrecht, Rn. 11.140. 94 Bankrechts-Handbuch II, Gößmann, § 72, Rn. 77; Heinsius/Horn/Than, DepotG, § 5, Rn. 25. So auch Nr. 461 der AGB-Clearstream. 95 Schlegelberger, Hefermehl, HGB, Anh. § 406, Rn. 267. 96 Heinsius/Horn/Than, DepotG, § 5, Rn. 30; Opitz, DepotG, § 5, Anm. 16.
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§ 3 Die Pfandrechtsbestellung an der Mitgliedschaft in der AG
die vinkulierte Namensaktie uneingeschränkt für sammelverwahrfähig 97. Dieser zuletzt erwähnten Rechtsauffassung ist zu folgen. Denn für die Verwahreignung kommt es nach § 5 I 1 DepotG allein auf die Frage an, ob es sich bei der vinkulierten Namensaktie um ein vertretbares Wertpapier i.S.d. Vorschrift handelt. Hinter den einschränkenden Auffassungen steht der Gedanke, bei einer restriktiven Zustimmungspraxis sei die Fungibilität der Mitgliedschaft eingeschränkt. Diese Argumentation setzt die Auslegung des Tatbestandsmerkmals der Vertretbarkeit in unzulässiger Weise mit der Frage der leichten Börsenhandelbarkeit der vinkulierten Namensaktie gleich. Das beruht auf einem kapitalmarktbezogenem Verständnis des Begriffs der Vertretbarkeit in § 5 I 1 DepotG. Dieser Rechtsposition ist zuzugeben, dass auch das Depotrecht Teil des Kapitalmarktrechts 98 ist, da ihm eine marktbezogene Hilfsfunktion hinsichtlich der leichten Handelbarkeit von Effekten zukommt99. Nach einem solchen Begriffsverständnis soll das Merkmal der Vertretbarkeit vor allem die Fungibilität der sammelverwahrten Wertpapiere sicherstellen, damit diese am Kapitalmarkt schnell umgesetzt werden können. Jedoch kann dieser Begriff im DepotG nicht primär kapitalmarktbezogen verstanden werden. Vielmehr ist das Merkmal vor dem Hintergrund der Funktionsweise der Sammelverwahrung auszulegen. Danach ist aber die Vertretbarkeit der Wertpapiere deshalb unabdingbare Voraussetzung, weil sich nur vertretbare Wertpapiere zu einem Sammelbestand dergestalt vereinigen lassen, dass die Hinterleger Miteigentum an diesen gemäß § 6 DepotG erwerben 100. Für die Funktionsweise der Sammelverwahrung ist unerheblich, ob eine Zustimmung der Gesellschaft nach § 68 II AktG vorliegt. Denn bei dem Eigentumserwerb gemäß § 6 DepotG handelt es sich um einen gesetzlichen Miteigentumserwerb. Solche Eigentumsveränderungen bleiben aber von der Vinkulation unberührt; sie erfasst nur rechtsgeschäftliche Übertragungen101. Dieses an der Funktionsfähigkeit der Sammelverwahrung orientierte Begriffsverständnis ergibt sich des Weiteren daraus, dass die Sammelverwahrung nicht nur bei am Kapitalmarkt notierten Unternehmen Bedeutung hat, sondern auch bei den nicht börsennotierten Unternehmen, deren Aktien auch durch Clearstream verwahrt werden können. Dies setzt voraus, dass ein Kredit-
97
Bankrechts-Handbuch II, Gößmann, § 72, Rn. 78 ff.; Baumbach/Hopt, Hopt, DepotG, § 5, Rn. 1; Heißel/Kienle, Vinkulierte Namensaktien, WM 1993, S. 1910; Kumpel, Vinkulierte Namensaktien, WM 1983, Beilage 8, S. 8 ff. 98 Das Kapitalmarktrecht kann definiert werden als die Gesamtheit der Normen, Geschäftsbedingungen und Standards, mit denen die Organisation der Kapitalmärkte und der auf sie bezogenen Tätigkeit sowie das marktbezogene Verhalten der Marktteilnehmer geregelt werden sollen. So Kümpel, Bankrecht, Rn. 1.5. Vgl. zur Begriffsbildung außerdem Großkommentar AktG, Assmann, Einl., Rn. 352 ff. 99 Kümpel, Bankrecht, Rn. 1.8. 100 Bankrechts-Handbuch II, Gößmann, § 72, Rn. 75. 101 Heißel/Kienle, Vinkulierte Namensaktien, WM 1993, S. 1910; Kümpel, Vinkulierte Namensaktien, WM 1983, Beilage 8, S. 8.
D. Die Verpfändung bei girosammelverwahrten Aktien
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institut, welches Kontoinhaber bei Clearstream ist, bei ihr einen schriftlichen Antrag auf Verwahrung stellt und zugleich bereit ist, die Betreuungsfunktion für das neue Unternehmen zu übernehmen (Nr. 27 III AGB-Clearstream). Tatsächlich werden vinkulierte Namensaktien von Clearstream erst seit 1997 sammelverwahrt, nachdem vorher die Sonderverwahrung praktiziert wurde 102. Verkehrshindernd wirkte sich das Erfordernis der Umschreibung im Aktienregister aus. Denn anders als bei der nicht vinkulierten Namensaktie konnte das Treuhandverfahren nicht praktiziert werden. Sofern nämlich die vinkulierte Namensaktie nicht voll eingezahlt wurde (§ 10 II 1 AktG), hätte der ins Aktienregister Eingetragene nach § 67 II AktG für die noch offene Einlagenverbindlichkeit haften müssen. Dieser Gefahr durften sich Kreditinstitute aus aufsichtsrechtlichen Gründen nicht aussetzen103. Erst das Abwicklungssystem CASCADE-RS ermöglichte es, die Umschreibungen ohne großen Aufwand rein elektronisch vorzunehmen, indem durch eine elektronische Verbindung zwischen den AGs und Clearstream die an den Wertpapierbörsen vorgenommenen Übertragungsvorgänge girosammelverwahrter Aktien gemeldet werden. Heute enthalten die AGB-Clearstream eine detaillierte Regelung über die Sammelverwahrung der vinkulierten Namensaktie. Nach Nr. 48 II ist die Ausstellung einer Globalurkunde erforderlich, die auf die Wertpapiersammelbank als Treuhänderin aller Aktionäre lautet, deren Girosammelanteile sie verbrieft. Im Aktienregister bleiben die einzelnen Inhaber der Sammelbestandanteile eingetragen. Im Ergebnis hat daher die Frage der Pfandrechtsbestellung bei girosammelverwahrten Aktien für alle Aktiengattungen Bedeutung. III. Der Pfandrechtserwerb bei girosammelverwahrten Aktien /. Die im Miteigentumsanteil verbriefte Mitgliedschaft Gegenstand der Pfandrechtsbestellung
als bestimmbarer
Wird eine in girosammelverwahrten Aktien verbriefte Mitgliedschaft verpfändet, kann die Pfandrechtsbestellung nicht über eine dingliche Belastung der einzelnen Aktienurkunden erfolgen, da insoweit wegen § 6 I DepotG ein Eigentumsrecht des Verpfänders nicht mehr gegeben ist. An seine Stelle ist der Miteigentumsanteil an den in der Sammelverwahrung sich befindenden Aktien derselben Art getreten. Das Miteigentum ist rechtlich wie Volleigentum zu behandeln104. Damit richtet sich die Pfandrechtsbestellung nach den Vorschrif102
Deutsche Börse Clearing AG, CASCADE-RS, S. 8. Vgl. Nr. 11 5 der „Bekanntmachung über die Anforderungen an die Ordnungsmäßigkeit des Depotgeschäfts und der Erfüllung von Wertpapierverpflichtungen vom 21.12.1998" (BAnz. Nr. 246 vom 31.12.1998). 104 BGHZ 36, 365, 368; Münchener Kommentar BGB, Schmidt, § 1008, Rn. 1,16. 103
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§ 3 Die Pfandrechtsbestellung an der Mitgliedschaft in der AG
ten, die für das Volleigentum gelten. Handelt es sich bei den girosammelverwahrten Aktien um Inhaberpapiere, sind die §§ 1008, 747, 1293, 1204 ff. BGB heranzuziehen, bei Namensaktien sind die §§ 1008, 747, 1292 BGB maßgeblich mit der Besonderheit, dass es wegen der Blankoindossierung nur der Einigung und der Übergabe bedarf (§ 68 12 AktG, Art. 14 II Nr. 3 WG). Im Zusammenhang mit der Übertragung des Vollrechts am Sammeldepotanteil ist umstritten, zwischen welchen Personen die dingliche Einigung zustande kommt, wobei es hier insbesondere um die rechtliche Stellung der Depotbank des Veräußerers wie des Erwerbers geht105. Diese Probleme stellen sich bei der Einigung über die Bestellung eines Pfandrechts nicht. Auf der Ebene der dinglichen Einigung müssen die Depotbanken von Veräußerer und Erwerber nicht eingeschaltet werden, weil als Vertragsparteien der Sicherungsgeber und der Sicherungsnehmer feststehen. Dies ist bei der Übertragung des Vollrechts regelmäßig anders. Hier erteilt der Girosammeldepotinhaber seiner Bank lediglich einen Auftrag zur Veräußerung seines Miteigentumsanteils, ohne die Person des Erwerbers zu kennen. Entsprechend erteilt der Erwerber seiner Depotbank einen Kaufauftrag, ohne die Person des Veräußerers zu kennen. Allerdings stellt sich auch bei der dinglichen Einigung über die Bestellung eines Pfandrechts an girosammelverwahrten AG-Anteilen die Frage der Bestimmtheit des Verfügungsobjekts. Nach dem sachenrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatz sind die zu belastenden Gegenstände im Vertrag so präzise zu bezeichnen, dass sie aufgrund der dabei verwendeten Individualisierungsmerkmale für die Parteien konkret vorstellbar sind106. Danach genügt bei einer Sachgesamtheit eine bloß mengen-, quoten- oder wertmäßige Bezeichnung nicht, da es an einer Konkretisierung des Verfügungsobjekts fehlt. Zweifel an der Wahrung des Bestimmtheitsgrundsatzes könnten damit insofern erhoben werden, als es sich auch bei den sammelverwahrten Wertpapieren um eine Sachgesamtheit handelt, und dem Verpfänder lediglich ein quotenmäßig bestimmter Anteil an dem Sammelbestand zusteht. Gleichwohl ist in dieser Hinsicht der Bestimmtheitsgrundsatz gewahrt. Der Grund hierfür liegt im Verfügungsobjekt. Dinglich belastet wird nicht eine individuell bestimmte Sache im Ganzen, sondern ein ideeller Miteigentumsanteil, so dass dem Bestimmtheitsgrundsatz bereits dann genüge getan ist, wenn der ideelle Bruchteil bestimmt ist. 105
Ausführlich Einsele, Wertpapierrecht, S. 42 ff. Vgl. zudem Bankrechts-Handbuch II, Gößmann, § 72, Rn. 108; Canaris , Bankvertragsrecht, Rn. 2016 ff.; Rümpel, Bankrecht, Rn. 11.318 ff.; Mentz/Fröhling, Übertragung von Aktien, NZG 2002, S. 206. Nach h.M. handelt die Depotbank des Verkäufers als zur Veräußerung Ermächtigte und die Wertpapiersammelbank als Stellvertreterin des Erwerbers. 106 BGHZ 21, 52, 55; Baur/Stürner, Sachenrecht, § 4, Rn. 17 ff.; Münchener Kommentar BGB, Quack, § 929, Rn. 75 ff.; Palandt, Bassenge, BGB, § 930, Rn. 2; Serick, Eigentumsvorbehalt und Sicherungsübertragung II, § 211.
D. Die Verpfändung bei girosammelverwahrten Aktien
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Jedoch auch unter Zugrundelegung dieses Verfügungsgegenstands bereitet die Wahrung des Bestimmtheitsgrundsatzes Schwierigkeiten, weil den Vertragsparteien regelmäßig die genaue Höhe des Sammelbestandanteils nicht bekannt ist. Denn dafür müsste ihnen der Gesamtbestand an der jeweiligen Wertpapierart bekannt sein, der sich aus dem Depotbuch des Verwahrers nach § 14 DepotG ergibt. Hinzu kommt, dass der Sammelbestand sich mit jeder Einund Auslieferung ändert und damit auch die Miteigentumsquote. Das bedeutet für die dingliche Einigung, dass in ihr lediglich die Grundlagen der rechnungsmäßigen Feststellung des Miteigentumsanteils enthalten sein können, nämlich durch Angabe des Nennbetrags bzw. der Stückzahl der Aktien des Verpfänders, jedoch die genaue Miteigentumsquote sich erst durch vertragliche Bezugnahme auf das Depotbuch ergibt. Ob damit der Bestimmtheitsgrundsatz - so wie er für körperliche Gegenstände verstanden wird - gewahrt ist, wird in der Literatur nur zum Teil bejaht107. Wegen der notwendigen Bezugnahme auf das Depotbuch sehen andere den Gegenstand der Verfügung lediglich als bestimmbar an108. Gleichwohl wird dies aufgrund der andersartigen Struktur des Verfügungsgegenstands Miteigentumsquote als etwas Unkörperlichem, nur Gedachtem für ausreichend erachtet, und insoweit eine Gleichstellung zur Forderung vorgenommen. Die ausdrückliche oder konkludente vertragliche Bezugnahme auf das Depotbuch bewirkt keine Bestimmtheit, sondern eine bloße Bestimmbarkeit der Verfügung. Der Begriff der Bestimmbarkeit ist insofern weiter gefasst, als auch außervertragliche Umstände zur Feststellung des Verfügungsgegenstands herangezogen werden können109. Wird hinsichtlich des Umfangs des Gesamtsammelbestands vertraglich auf das Depotbuch Bezug genommen, so kann diese Ziffer nicht Inhalt des Vertrags werden im Gegensatz zum Anhang beim Raumsicherungsvertrag, der die einzelnen zu übereignenden Gegenstände konkret bezeichnet. Der grundlegende Unterschied zwischen den beiden Sachverhalten liegt darin, dass nur im zweiten Fall der Informationsinhalt den Vertragsparteien ohne weiteres zur Verfügung steht, während sie dagegen i.d.R. keinen Einblick in das Depotbuch haben. Nur der Bestimmbarkeits-, nicht der Bestimmtheitsgrundsatz ist damit gewahrt. Diese Feststellung führt zu der Folgefrage, ob trotz Heranziehung der §§ 929 ff. BGB für die Wirksamkeit der dinglichen Einigung wie bei § 398 BGB ihre Bestimmbarkeit genügt. Diese Problematik ist nach Maßgabe der Gründe für die unterschiedlichen Anforderungen an die Verfügungen über die verschiedenen Verfügungsobjekte zu beurteilen. Danach beruht die strengere 107
Bankrechts-Handbuch II, Gößmann, § 72, Rn. 109. Canaris , Bankvertragsrecht, Rn. 2022; Kümpel, Verfügungen über Sammeldepotguthaben, WM 1980, S. 426. 109 SericJc, Eigentumsvorbehalt und Sicherungsübertragung II, § 22 II 2. 108
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§ 3 Die Pfandrechtsbestellung an der Mitgliedschaft in der AG
Sichtweise bei den §§ 929 ff. BGB auf dem Merkmal der Besitzübertragung 110. Besitz wird erworben durch die Erlangung der tatsächlichen Gewalt über die Sache (§ 854 I BGB). Tatsächliche Gewalt kann aber erst ausgeübt werden, wenn ihr Gegenstand feststeht, wenn also eine konkrete, bestimmte Sache in den Herrschaftsbereich des Besitzers gelangt ist. Kennzeichnend für die Besitzverhältnisse am Girosammelbestand ist aber der Mitbesitz an jeder einzelnen Aktienurkunde. Damit steht auch der Gegenstand der Besitzübertragung eindeutig fest. Es handelt sich um den gesamten Sammelbestand. Eine bloße Bestimmbarkeit ist somit ausreichend. Von ihrer Struktur her bezieht sich damit die Einigung stets auf eine bestimmte Miteigentumsquote an dem Sammelbestand. Das bedeutet im Fall des Miteigentums nach Bruchteilen an einer Sachgesamtheit zwar, dass in Bezug auf jede einzelne Sache eine bestimmte ideelle Miteigentumsquote besteht111. Entgegen der Bestimmung des § 747, 1 BGB kann aber Gegenstand der Pfandrechtsbestellung nicht der ideelle Anteil an einem einzelnen Wertpapier sein, da dies mit dem Zweck der Sammelverwahrung unvereinbar wäre 112. Denn der Rationalisierungszweck wird vor allem dadurch erzielt, dass an den einzelnen Aktien in jeweils derselben Art und Weise Berechtigungen der einzelnen Hinterleger bestehen. Soll daher nur an einem Teil der Mitgliedschaft ein Pfandrecht bestellt werden, kann dies nur in der Weise geschehen, dass lediglich ein Teil der Miteigentumsquote des Hinterlegers belastet wird. 2. Das Erfordernis
der Übergabe
Die Pfandrechtsbestellung an girosammelverwahrten AG-Anteilen setzt die Übergabe der Aktien voraus, wenn die Pfandrechtsbestellung nach §§ 1008, 747, 1292 f. BGB erfolgt. § 1293 BGB verweist direkt auf das Übergabeerfordernis und dessen Surrogate nach §§ 1205 I 1, 2, II, 1206 BGB. Das Tatbestandsmerkmal der Übergabe in § 1292 BGB wird ebenfalls unter Rückgriff auf diese Vorschriften interpretiert 113. Des Weiteren kann das Übergabeerfordernis auch bei der Pfandrechtsbestellung nach §§ 1274 ff. BGB Bedeutung erlangen, wenn man dies als ungeschriebene tatbestandliche Voraussetzung ansieht114. Einzugehen ist daher zunächst auf die Frage, ob ein Verpfänder überhaupt eine 110
Serick, Eigentumsvorbehalt und Sicherungsübertragung II, § 2112. Münchener Kommentar BGB, Schmidt, §741, Rn. 32; Schulze-Osterloh, Gesamthänderische Bindung, S. 208. 112 Canaris , Bankvertragsrecht, Rn. 2115 f.; Einsele, Wertpapierrecht, S. 42; Kumpel, Girosammelverwahrung, WM 1976, S. 951; Schlegelberger, Hefermehl, HGB, Anh. § 406, Rn. 282; Schulze-Osterloh, Gesamthänderische Bindung, S. 148. 1,3 RGZ 126, 348, 352; Münchener Kommentar BGB, Damrau, § 1292, Rn. 5; Palandt, Bassenge, BGB, § 1292, Rn. 2; Soergel, Habersack, BGB, § 1292, Rn. 4. 114 Vgl. zu dieser Streitfrage § 3 Α. II. 1. 111
D. Die Verpfändung bei girosammelverwahrten Aktien
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besitzrechtliche Beziehung zu den in Girosammeiverwahrung sich befindenden Aktien hat. Ausgegangen wird dabei von der in § 3 D. II. 2. geschilderten DreiPersonen-Konstellation von Clearstream, Depotbank und Bankkunde. a) Die Besitzverhältnisse an girosammelverwahrten Aktien aa) Der Meinungsstand Unzweifelhaft ist, dass Clearstream als Verwahrerin unmittelbare Besitzerin nach § 854 I BGB ist. Umstritten ist jedoch, ob die Depotbank und der Verpfänder mittelbare Besitzer nach § 868 BGB sind. Die h.M. bejaht dies: Danach ist die Depotbank mittelbare Fremdbesitzerin erster Stufe und der Bankkunde mittelbarer Eigenbesitzer zweiter Stufe i.S.d. § 871 BGB 115 . Darüber hinaus handelt es sich bei dem mittelbaren Besitz um Mitbesitz. Als konstitutive Voraussetzung für das Vorliegen dieser Besitzform wird überwiegend das Bestehen eines Herausgabeanspruchs des mittelbaren Besitzers gegenüber dem in der Besitzleiter jeweils vor ihm stehenden Besitzer angesehen116. Dieser Anspruch soll sich sowohl für die Depotbank gegenüber Clearstream als auch für den Bankkunden gegenüber der Depotbank aus § 7 I 1 .Hs DepotG ergeben. Demnach stellt der zwischen diesen jeweiligen Personen bestehende Depotvertrag das Besitzkonstitut dar. Im Verhältnis des Depotkunden zu seiner Bank kommt noch eine weitere Anspruchsgrundlage in Betracht, auf die der mittelbare Besitz gestützt werden kann, nämlich der Herausgabeanspruch aus §§ 7 I 1. Hs., 8 DepotG117. Dieser Rechtsauffassung ist für den Fall der Wirksamkeit des das Besitzmittlungsverhältnis begründenden Depotvertrags nicht zu folgen. Denn Kennzeichen für einen den mittelbaren Besitz begründenden Herausgabeanspruch ist, dass er sich aus dem Besitzkonstitut ergibt und nur bei seiner Unwirksamkeit aus einer anderen Anspruchsgrundlage folgt 118 . Dieses Argument gilt unabhängig von der dogmatischen Einordnung des Anspruchs aus §§ 7 I 1. Hs., 8 DepotG. Hält man diesen lediglich für einen schuldrechtlichen, den Anspruch auf Aufhebung 115 BGH NJW 1997, S. 2110, 2111; Bankrechts-Handbuch II, Gößmann, § 72, Rn. 106, Merkel, § 93, Rn. 84; Canaris, Bankvertragsrecht, Rn. 2020; Claussen, Bankrecht, § 9, Rn. 285; Habersack/Mayer, Globalverbriefte Aktien, WM 2000, S. 1680; Kapitalanlagerecht, Kümpel, § 13, Rn. 39; Münchener Kommentar BGB, Schmidt, § 1008, Rn. 30. 116 BGHZ 10, 81, 87; Baur/Stürner, Sachenrecht, § 7, Rn. 43; Münchener Kommentar BGB, Joost, § 868, Rn. 15; Palandt, Bassenge, BGB, § 868, Rn. 9; Staudinger, Bund, BGB, § 868, Rn. 23. 117 So Habersack/Mayer, Globalverbriefte Aktien, WM 2000, S. 1680; Heinsius/Horn/Than, DepotG, § 6, Rn. 46. 118 Baur/Stürner, Sachenrecht, § 7, Rn. 44 f.; Münchener Kommentar BGB, Joost, § 868, Rn. 16; Staudinger, Bund, BGB, § 868, Rn. 23.
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§ 3 Die Pfandrechtsbestellung an der Mitgliedschaft in der AG
der Miteigentumsgemeinschaft nach §§ 1008, 749 BGB modifizierenden Anspruch119, kann er mittelbaren Besitz nicht begründen, weil er sich aus dem schuldrechtlichen Verhältnis der Miteigentümer untereinander ergibt und nicht aus dem Depotvertrag gegenüber der Depotbank. Misst man dem Anspruch daneben auch einen dinglichen, den § 985 BGB modifizierenden Charakter bei 120 , folgt dieses Ergebnis aus derselben Überlegung, nämlich dem fehlenden Zusammenhang der Anspruchsgrundlage mit dem Besitzkonstitut. Richtigerweise ist in dieser Streitfrage von einer Doppelfunktionalität des Anspruchs auszugehen. Seine grundlegende Bedeutung liegt darin, an die Stelle der aufgrund der Funktionsweise der Sammelverwahrung praktisch bedeutungslosen Forderung aus § 985 BGB zu treten. Diese Bedeutungslosigkeit ist auf den Verlust des Alleineigentums des Aktionärs an den eingelieferten Wertpapieren zurückzuführen. § 985 BGB wäre auf Einräumung des regelmäßig schon gegebenen Mitbesitzes gerichtet. Wegen § 1011 2. Hs. BGB könnte eine Herausgabe des unmittelbaren Besitzes aus der Sammelverwahrung über §§1011, 985 BGB nur an alle Miteigentümer und damit alle Aktionäre verlangt werden. Die Parallelität zum Vindikationsanspruch und damit die Einordnung als dinglicher Anspruch ergeben sich darüber hinaus aus der gesetzlichen Formulierung, weil beide Regelungen die Eigentümerstellung als Anspruchsvoraussetzung normieren. Eine Gegenauffassung 121 verneint eine besitzrechtliche Position von Depotbank und Bankkunde. Zum einen könne der Herausgabeanspruch aus § 7 I 1. Hs. DepotG mittelbaren Besitz an dem Sammelbestand nicht begründen, da er auf Auslieferung einzelner, bisher noch nicht individualisierter Wertpapiere gerichtet sei und damit nicht mit den Sachen (Mitbesitz an jedem einzelnen Wertpapier) korreliere, hinsichtlich derer der Besitz gemittelt werden solle122. Der Anspruch gleiche vielmehr der Forderung eines Hinterlegers im Fall einer unregelmäßigen Verwahrung (§§ 700 BGB, 15 DepotG), bei der nach den in § 700 I 1 BGB für anwendbar erklärten Vorschriften des Sachdarlehensvertrags keine individualisierte Sache, sondern nur Sachen von gleicher Art, Güte und Menge zurückzugewähren seien. Anerkanntermaßen könne aber die Rückerstattungsforderung des Sachdarlehensgebers aus § 607 I 2 BGB kein Besitzmittlungsverhältnis begründen. Des Weiteren sei zwar unter dem Gesichtspunkt der notwendigen Identität zwischen besitzrechtlicher Position und darauf ge119
Einsele, Wertpapiere im elektronischen Bankgeschäft, WM 2001, S. 11; Heinsius/Horn/Than, DepotG, § 6, Rn. 25. 120 So Canaris, Bankvertragsrecht, Rn. 2120. 121 Einsele, Wertpapierrecht, S. 65 ff.; dies., Wertpapiere im elektronischen Bankgeschäft, WM 2001, S. 11. 122 Aus dieser Erwägung heraus verneint auch Koller, Effektengiroverkehr, DB 1972, S. 1861 die Möglichkeit der Begründung von mittelbarem Besitz über den Herausgabeanspruch aus § 711. Hs. DepotG.
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richtetem Herausgabeanspruch eine Forderung aller Hinterleger auf Herausgabe an alle Hinterleger aus den jeweiligen Verwahrungsverträgen geeignet, mittelbaren Besitz zu begründen, jedoch sei ein solcher Herausgabeanspruch nicht gegeben123. Denn nur die Ansprüche aus §§ 7 I 1. Hs., 8 DepotG auf Auslieferung einzelner Wertpapiere nach Wahl des Sammelverwahrers und nicht ein Gesamtanspruch entsprächen dem Wesen der Sammeldepotgemeinschaft als einer ständig im Bestand wechselnden zahlenmäßig praktisch nicht überschaubaren und untereinander nicht in Verbindung stehenden Miteigentümergemeinschaft. Abgestellt wird demnach darauf, dass die Realisierung eines derartigen Anspruchs aufgrund der Größe der Miteigentümergemeinschaft eine bloße Illusion darstellen würde. bb) Stellungnahme Der Rechtsauffassung von Einsele ist zuzugeben, dass sie hinsichtlich der Ablehnung der Begründung eines Besitzkonstituts über §§ 7, 8 DepotG einer stringenten Umsetzung der Dogmatik des mittelbaren Besitzes entspricht, so wie dieser durch den Gesetzgeber des BGB ausgestaltet worden ist. Nach dieser Dogmatik ist für das Vorliegen von mittelbarem Besitz wesentlich, dass sich die Herausgabeverpflichtung des Besitzmittlers genau auf die Sache bezieht, an der der mittelbare Besitz bestehen soll. Insoweit ist Identität erforderlich. Das ergibt sich aus dem Wesen des mittelbaren Besitzes. Nach seinem herrschenden Verständnis soll der mittelbare Besitzer an einer konkreten Sache tatsächliche Sachherrschaft innehaben124, mithin ist diese Besitzform nicht als Besitz ohne Sachherrschaft oder nur rechtlichfingierter Besitz zu verstehen125. Dem DepotG liegt hingegen eine andere Vorstellung zugrunde. Diese ergibt sich im Wesentlichen aus dem Anspruchsinhalt der §§ 6 I, 7 I, 8 DepotG und ist geprägt vom Rationalisierungsgedanken. Es gilt der „Grundsatz der gelockerten Identität"126. Denn die Wirkung der Regelungen besteht darin, dass der Gegenstand einer sachenrechtlichen Verfügung (Miteigentumsanteil am Sammelbestand) und der Gegenstand eines Herausgabeanspruchs gegen den Sammelverwahrer (einzelne Wertpapiere aus einer beschränkten Gattung) unterschiedlich 123
an.
Einen solchen Anspruch nimmt Koller, Effektengiroverkehr, DB 1972, S. 1861
124 BGH NJW 1955, S. 499; Baur/Stürner, Sachenrecht, § 7, Rn. 4; Erman, Werner, BGB, § 868, Rn. 2; Heck, Sachenrecht, § 8 1; Palandt, Bassenge, BGB, § 868, Rn. 1; RGRK, Kregel, BGB, § 868, Rn. 3; Staudinger, Bund, BGB, § 868, Rn. 5; Wolf/Raiser, Sachenrecht, § 8 11. 125 So die Gegenauffassung von Müller-Erzbach, Rechtsprinzipien, JhJB 1908, S. 362ff.; Münchener Kommentar BGB, Joost, § 868, Rn. 4 f.; Wieling, Mittelbarer Besitz, AcP 1984, S. 439 f. 126 Dieser Ausdruck stammt von Opitz, DepotG, §§ 6-8, Anm. 25.
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§ 3 Die Pfandrechtsbestellung an der Mitgliedschaft in der AG
sind. Aus dieser gelockerten Identität darf jedoch nicht der Schluss gezogen werden, hinsichtlich des Gegenstands der Verfügung bestünde keine mittelbare besitzrechtliche Position. Denn dies würde dem hinter den §§ 61, 7 I, 8 DepotG stehenden Gedanken widersprechen. Im Interesse der Funktionsfähigkeit des Effektengiroverkehrs soll im Gegensatz zur Sonderverwahrung nach § 2 DepotG nicht das Bedürfnis einer gesonderten Aufbewahrung der Wertpapiere der einzelnen Hinterleger bestehen. Aus diesem Grund ist nach § 712. Hs. DepotG der Anspruch auf die konkret gelieferten Stücke ausgeschlossen. Hätte jedoch der Hinterleger keine besitzrechtliche Position am Sammelbestand inne, wären Übereignungen im Effektengiroverkehr nicht über §§ 929 ff. BGB möglich. Damit bestünde grundsätzlich auch nicht die Möglichkeit eines gutgläubigen Erwerbs nach §§ 932 ff. BGB, der im Interesse der Funktionsfähigkeit des Effektengiroverkehrs als unabdingbar angesehen wird 127 . Eine rein funktionale Betrachtungsweise vermag jedoch die Ausgestaltung eines so zentralen besitzrechtlichen Instituts wie des mittelbaren Besitzes nicht zu modifizieren, wenn diese Änderung sachenrechtlicher Regelungen nicht auch im DepotG als gesetzgeberisches Prinzip verwirklicht worden wäre und insoweit keine Ausnahme darstellt. Denn ausdrücklich nimmt der Gesetzgeber eine solche Modifizierung der Regeln des mittelbaren Besitzes nicht vor. Jedoch hat er im DepotG verschiedene Regelungen geschaffen, die sich nicht unter die vom BGB geschaffenen sachenrechtlichen Institute fassen lassen oder sachenrechtliche Vorschriften modifizieren. Wie bereits unter § 3 D. II. 2. gezeigt, stellt § 6 I DepotG einen eigenständigen, im BGB nicht normierten Fall des gesetzlichen Eigentumserwerbs dar. Weiter werden die §§ 1008, 741 ff. BGB als durch die Sondervorschriften der §§6 ff. DepotG weitgehend verdrängt angesehen128. Im Fall des § 5 II DepotG soll der Übergang des Alleineigentums des eingelieferten Wertpapiers auf die Geschäftsbank ipso iure und damit ebenfalls außerhalb der BGB-rechtlichen Systematik mit der Übertragung des Miteigentumsanteils der Geschäftsbank stattfinden 129. § 8 DepotG ist als sinngemäße Abwandlung des dinglichen Herausgabeanspruchs aus § 985 BGB zu begreifen. § 24 II DepotG sieht einen gesetzlichen Eigentumserwerb an dem Girosammeldepotanteil mit Eintragung des Übertragungsvermerks im Verwahrbuch vor, der sich ebenfalls nicht unter die Formen des gesetzlichen Eigentumserwerbs nach dem BGB fassen lässt. 127 Becker, Gutgläubiger Erwerb, S. 13; Canaris , Bankvertragsrecht, Rn. 2026; Deforme ·, Effektengiroverkehr, Die Bank 1979, S. 450. 128 Canaris , Bankvertragsrecht, Rn. 2115; Kumpel, Verfügungen über Sammeldepotguthaben, WM 1980, S. 432; Schönte, Bankrecht, § 20 II 2 b. 129 Canaris, Bankvertragsrecht, Rn. 2109; Einsele, Wertpapierrecht, S. 27. Nach a.A. soll der Eigentumserwerb der Bank aufgrund einer Ermächtigung zur Aneignung erfolgen, die in der Ermächtigung zur SammelVerwahrung konkludent enthalten sein soll. So Heinsius/Horn/Than, DepotG, §5, Rn. 60; Schlegelberger, Hefermehl, HGB, Anh. § 406, Rn. 284.
D. Die Verpfändung bei girosammelverwahrten Aktien
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Weiter kann der Vergleich zur unregelmäßigen Verwahrung, die kein Besitzmittlungsverhältnis i.S.d. § 868 BGB darstellt, nicht gezogen werden. Denn das DepotG behandelt in § 15 selbst den Fall der unregelmäßigen Verwahrung, um klarzustellen, dass der für die in den §§2-17 DepotG geregelten Verwahrgeschäften geltende Schutz des DepotG nicht eingreift 130, und um damit die rechtlichen Unterschiede zwischen diesen beiden Verwahrformen zum Ausdruck zu bringen. Dass bei der unregelmäßigen Verwahrung der Hinterleger keinen mittelbaren Besitz hat, lässt damit gerade keine Rückschlüsse auf die rechtliche Behandlung beim Hinterleger in der Sammelverwahrung zu. Die für mittelbaren Besitz wesensnotwendige Möglichkeit der Ausübung der Sachherrschaft durch den Hinterleger ist schließlich dadurch sichergestellt, dass er nach § 7 I 1. Hs. DepotG jederzeit die Auslieferung der seinem Anteilswert entsprechenden Aktienurkunden verlangen kann. Insgesamt können damit die §§ 7 I 1. Hs., 8 DepotG einen mittelbaren Besitz von Geschäftsbank und Bankkunde begründen. b) Die Verpfändung an einen Dritten aa) Die Übergabe nach § 120511 BGB Soll eine Verpfändung an einen außerhalb der Verwahrpyramide stehenden Dritten erfolgen, stehen dafür theoretisch drei Möglichkeiten zur Verfügung: § 1205 1 1 BGB, § 1205 12 BGB und § 1205 II BGB. Der in § 1205 I 1 BGB geregelten Übergabe kommt in der Praxis insofern eine große Bedeutung zu, als bei der Vollrechtsübertragung ein Besitzübergang regelmäßig nach der entsprechenden Bestimmung des § 929, 1 BGB erfolgt. Besteht wie bei der Girosammeiverwahrung nur mittelbarer Besitz des Verfügenden, erfordert die Übergabe i.S.d. § 929, 1 die Umstellung des Besitzkonstituts auf den Erwerber des dinglichen Rechts131. Klarzustellen ist, dass es sich dabei nicht um einen Fall des § 931 BGB bzw. des § 1205 II BGB handelt132. Zwar erfolgt in dieser Gestaltung wie bei § 931 BGB eine Übereignung, ohne dass die Sache bewegt werden muss. Der entscheidende Unterschied zwischen den beiden Formen des Besitzübergangs liegt aber darin, dass bei § 929,1 BGB das alte Besitzkonstitut zum Veräußerer beendet und ein neues zwischen Besitzmittler und Erwerber begründet wird, während bei § 931 BGB die besitz130
Heinsius/Horn/Than, DepotG, § 15, Rn. 1. BGH NJW 1959, S. 1536, 1539; Baur/Stürner, Sachenrecht, § 51, Rn. 14; Tiedtke, Sicherungseigentum, WM 1978, S. 446 ff. Für die Übereignung von Girosammeldepotanteilen ausdrücklich der BGH in WM 1999, S. 484. 132 So aber Planck, Flad, BGB, § 1205, Anm. 2a; Wolf/Raiser, Sachenrecht, § 163 Fn. 8. 131
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§ 3 Die Pfandrechtsbestellung an der Mitgliedschaft in der AG
rechtliche Position des Verfügenden auf den Erwerber übertragen wird und damit eine Mitwirkung des Besitzmittlers nicht erforderlich ist. Die Zulässigkeit dieses Vorgehens ergibt sich aus der durch den Gesetzgeber in § 868 BGB vorgenommenen Gleichstellung von unmittelbarem und mittelbarem Besitz. Die Verschaffung des mittelbaren Besitzes genügt bei §§ 929, 1,1205 1 1 BGB, wenn der Verfügende nicht unmittelbarer Besitzer ist 133 . In der technischen Abwicklung ist hierzu erforderlich, dass der Verfügende seine Depotbank als Kontoinhaberin bei Clearstream beauftragt, sie solle Clearstream anweisen, mit der Depotbank des Erwerbers ein neues Besitzmittlungsverhältnis zu begründen. Der Vorgang der Umstellung des Besitzkonstituts gestaltet sich aufgrund der nach Nr. 2 AGB-Clearstream notwendigen Einbeziehung von Depotbanken sowohl auf Veräußerer- als auch auf Erwerberseite kompliziert. Technisch liegt eine Übertragung von Sammelbestandanteilen durch Wertpapierübertrag nach Nr. 42 AGB-Clearstream vor. Rein rechtlich ist auch die Pfandrechtsbestellung über eine Umbuchung des Depotguthabens vom Konto des Verpfänders auf eines des Pfandnehmers möglich. Gemäß Nr. 8 I 4 AGB-Clearstream erfolgt die Besitzübertragung mit Abschluss des Buchungsvorgangs134. Auch die Literatur unterstellt bei der Verpfändung ähnliche Buchungspraktiken wie bei der Übereignung und nimmt daher grundsätzlich eine Pfandrechtsbestellung nach § 1205 I 1 BGB an 135 . Indes entspricht dies der heutigen Praxis nicht mehr. Bestellt ein Depotkunde ein Pfandrecht an seinem AG-Anteil, erfolgt regelmäßig keine Umbuchung136. Denn der Verpfänder soll i.d.R. weiterhin Dividenden aus seinem Anteil ziehen können und diesbezüglich auch steuerpflichtig bleiben. Ebenso soll er über die Ausübung des Bezugsrechts entscheiden können. Zudem sollen ihm neue Mitgliedschaften aus einer Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln zustehen. Dazu ist erforderlich, dass er Inhaber des Wertpapierkontos bleibt. Einen weiteren Einwand stellt die Unpraktikabilität dieses Verfahrens dar. Eine Einschaltung der von der Depotbank des Verpfänders verschiedenen Bank des Pfandnehmers und damit zugleich von Clearstream erscheint nicht erforderlich, wenn der Vorgang ebenso auf einer niedrigeren Verwahrebene über § 1205 II BGB vorgenommen werden kann.
133
Bei der Übereignung ergibt sich diese Einschränkung aus der Abgrenzung zu § 930 BGB, bei der Verpfändung aus dem Fehlen einer vergleichbaren Vorschrift zu § 930 BGB. 134 Bei der Übereignung von Sammeldepotanteilen hängt der Zeitpunkt des Besitzübergangs davon ab, ob die Umbuchung innerhalb (Nr. 8 I 5 AGB-Clearstream) oder außerhalb des Geldverrechnungssystems (Nr. 8 I 4 AGB-Clearstream) von Clearstream erfolgt (vgl. Kümpel, Bankrecht, Rn. 11.306 ff.). Da bei der Verpfändung kein Veräußerungspreis fließt, ist eine Teilnahme am Geldverrechnungsverfahren nicht denkbar. 135 Canaris , Bankvertragsrecht, Rn. 2034; Opitz, DepotG, §§ 6-8, Anm. 31. 136 Dittrich, Effektengiroverkehr, S. 102 f.
D. Die Verpfändung bei girosammelverwahrten Aktien
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Verpfändet ein Kontoinhaber bei Clearstream seine Mitgliedschaft an einen anderen Kontoinhaber, erfolgte dies früher über die Einreichung eines grünen Wertpapierschecks bei Clearstream, der die Anweisung der Umbuchung des Sammelbestands auf ein Pfandkonto des Pfandgläubigers enthielt. Umstritten war, ob dieses Verfahren § 1205 I 1 BGB oder § 1205 II BGB unterfiel 137. Heute erfolgt eine Pfandrechtsbestellung in dieser Konstellation unzweifelhaft über § 1205 II BGB gemäß Nr. 43 I AGB-Clearstream. bb) Die Pfandrechtsbestellung
nach § 120512 BGB
Ist der außerhalb der Verwahrpyramide stehende Dritte bereits am Girosammelbestand beteiligt und daher Mitbesitzer, und soll eine Pfandrechtsbestellung wie bei der Übereignung ausnahmsweise durch Umbuchung erfolgen, ist nicht § 1205 I 1 BGB, sondern § 1205 I 2 BGB heranzuziehen138. Denn in diesem Fall hat nach der Konstruktion des Mitbesitzes der Pfandnehmer bereits an jeder einzelnen Aktienurkunde Mitbesitz inne. Dagegen ist eine Aufteilung dieses Mitbesitzes in ideelle Anteile nicht möglich139. Dies beruht auf dem Umstand, dass für den Besitz als Tatsache und nicht als Recht der Gesichtspunkt der tatsächlichen Sachherrschaft im Vordergrund steht und nach der Verkehrsanschauung sich diese stets auf eine Sache im gesamten bezieht. Prägnant hat dies Wolff zum Ausdruck gebracht: Danach bestehe eine „Mehrheit von Sachherrschaften", „Jeder Mitbesitzer ist Ganzbesitzer, ist Gewaltherr" 140. 137
Heinsius/Horn/Than, DepotG, § 6, Rn. 96 m.w.N. Für § 929, 2 BGB Einsele, Wertpapierrecht, S. 96 f.; Grathwohl, Girosammelverwahrung, S. 128 f.; Koller, Effektengiroverkehr, DB 1972, S. 1859 Fn. 35; Wolter, Effektenkommission, S. 326 ff. A.A. ist Dechamps, Effektengiroverkehr, S. 66 ff. Nach seiner Auffassung steht die Eigenart des Mitbesitzes am Girosammelbestand einer Subsumtion unter § 929, 2 BGB entgegen. Aufgrund der Auslieferungsansprüche aus § 7 I 1. Hs. DepotG und §§ 7 I 1. Hs., 8 DepotG, die sich auf konkrete einzelne Aktien beziehen, liege kein durch die Mitberechtigung der übrigen Mitbesitzer beschränktes Recht an dem gemeinsamen Gegenstand vor, sondern ein individualisierbarer körperlicher Bezugspunkt. Zudem sieht er die Gefahr einer nicht wünschbaren Konsensualübereignung. 139 RGZ 13, 172, 179; Erman, Werner, BGB, § 865, Rn. 1; Koller, Gutgläubiger Erwerb, JZ 1972, S. 649; RGRK, Kregel, BGB, § 866, Rn. 2; Staudinger, Bund, BGB, § 866, Rn. 3. A.A. ist Becker, Gutgläubiger Erwerb, S. 34 ff., der einen ideellen Anteilsbesitz bei mittelbarem Besitz bejaht. Dahinter steht die Überlegung, dass die Argumentation der h.M., die maßgeblich auf die natürlichen Vorstellungen abstellt, nicht für den mittelbaren Besitz trägt, da dieser nur gedanklich, nicht aber tatsächlich darstellbar ist. Letztlich steht dahinter auch das Verständnis des mittelbaren Besitzes als Besitz ohne Sachherrschaft. 140 Wolff, Mitbesitz, JhJb 1902, S. 158. Vgl. auch Hummel, Mitbesitz, MDR 1967, S. 968: Mitbesitz ist „keine unter den Mitbesitzern zerlegte Einzelsachherrschaft, sondern Mehrheit von Ganzsachherrschaften entsprechend der Anzahl der Mitbesitzer." 138
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§ 3 Die Pfandrechtsbestellung an der Mitgliedschaft in der AG
Das bedeutet aber zumindest bei der Übereignung im Effektengiroverkehr nicht, dass eine Rechtsübertragung allein durch bloße Einigung erfolgen könnte, also ein Fall der Konsensualübereignung vorliegt. Wie bei § 929, 1 BGB ist eine Umstellung des Besitzmittlungsverhältnisses auf die Person des Erwerbers erforderlich. Denn eine Übergabe i.S.d. § 929 BGB setzt die Aufgabe jeglicher besitzrechtlicher Beziehung zur Sache auf Seiten des Veräußerers voraus 141. Im Effektengiroverkehr unterliegen somit eine Übereignung nach § 929, 1 BGB und nach § 929, 2 BGB derselben rechtlichen Abwicklung. Die Geltung der gleichen Grundsätze für die Pfandrechtsbestellung am girosammelverwahrten AG-Anteil ist begründungsbedürftig. Denn der Übergabebegriff in § 1205 BGB ist nicht vollständig mit demjenigen in § 929 BGB deckungsgleich. Das Erfordernis der vollständigen Aufgabe einer besitzrechtlichen Beziehung auf Seiten des Verfügenden muss einem modifizierten Verständnis unterliegen, weil das zwischen Pfandnehmer und Pfandgeber bestehende Schuldverhältnis nach dem eindeutigen Wortlaut des § 868 BGB ein Besitzkonstitut darstellt und daher mittelbaren Besitz des Sicherungsgebers begründet. Auf der anderen Seite hat der Gesetzgeber mit dem Übergabeerfordernis das Traditionsprinzip umgesetzt. Er hat nur diejenigen Übergabeformen bzw. Übergabesurrogate als zur Pfandrechtsbestellung hinreichend anerkannt, die eine weitere Verfügung oder Einwirkung auf die Sache ausschließen. Somit ist das Definitionselement der vollständigen Aufgabe der besitzrechtlichen Beziehung zur Sache dahingehend zu verstehen, dass der Verpfänder nur eine solche mittelbare besitzrechtliche Position innehaben darf, die durch den Pfandgläubiger vermittelt wird. Für den Mitbesitz am Girosammelbestand bedeutet dies, dass mittelbarer Mitbesitz auf keiner davon abweichenden Besitzleiter bestehen darf, falls der gesamte AGAnteil verpfändet wurde. Das Erfordernis der Umstellung des Besitzkonstituts besteht damit auch bei § 1205 I 2 BGB. Insoweit ist sein Wortlaut, nach dem die Einigung genügt, missverständlich. In diesem Zusammenhang soll noch ein weiteres Problemfeld angesprochen werden, bei dem das Kriterium der vollständigen Aufgabe der bisherigen besitzrechtlichen Position Schwierigkeiten bereitet und das sich auch gleichermaßen bei der Verpfändung nach § 1205 I 1, II BGB stellt, nämlich die Verpfändung eines Teils des Girosammelbestands. In diesem Fall behält der Verpfänder, da eine Aufteilung des Mitbesitzes in ideelle Anteile nicht möglich ist, seine bisherige besitzrechtliche Position bei, nur ist lediglich ein Teil seiner Quote am Girosammelbestand mit einem Pfandrecht belastet. Entsprechend zu den Ausführungen zu § 1205 I 2 BGB darf auch in diesem Fall in Höhe der verpfändeten Quote mittelbarer Mitbesitz nur noch in der in dem vorhergehenden Absatz dargestellten Form bestehen. Bei einer Pfandrechtsbegründung nach
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So für § 929, 2 BGB Münchener Kommentar BGB, Quack, § 929, Rn. 160; Palandt, Bassenge, BGB, § 929, Rn. 22; Staudinger, Wiegand, BGB, § 929, Rn. 124.
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§ 1205 1 1,2 BGB ist demnach auch hier eine Umstellung des Besitzmittlungsverhältnisses erforderlich. cc) Das Übergabesurrogat nach § 1205 II BGB Die wichtigste Form der Übergabe im Effektengiroverkehr stellt bei der Verpfändung § 1205 II BGB dar. Erforderlich ist dafür zunächst, dass der Verpfänder seinen mittelbaren Besitz an den Pfandnehmer überträgt, indem er gemäß § 870 BGB seinen Herausgabeanspruch aus § 7 I 1. Hs. DepotG nach § 398 BGB abtritt 142. Verpfändet ein Bankkunde seinen sammelverwahrten AGAnteil, erfolgt dies in der technischen Abwicklung über ein Pfandkonto des Pfandgebers bei seiner Depotbank zugunsten des Pfandgläubigers. Kontotechnisch handelt es sich dabei um ein Unterkonto des Verpfänders, das mit einem Sperrvermerk versehen ist und über dessen Inhalt nur mit Einwilligung des Pfandnehmers verfügt werden kann. Eine in der Praxis weniger gebräuchliche Alternative ist, dass der Verpfänder ein Konto beim Kreditinstitut des Pfandnehmers einrichtet, um es anschließend zu verpfänden 143. Ein Interesse für den Pfandnehmer an dem Wechsel der Verwahrinstitute kann jedoch insofern bestehen, als er dadurch das Insolvenzrisiko auf ein ihn bekanntes Kreditinstitut beschränkt. (1) Zum Erfordernis der Abtretung des Anspruchs aus §§ 546 II, 604 IV BGB analog Im Zusammenhang mit dem Erfordernis der Übertragung des mittelbaren Besitzes bei § 1205 II BGB erlangt ein weiterer, bisher noch unerwähnt gebliebener Gesichtspunkt Bedeutung. Erkennt man dem Bankkunden gegenüber dem Drittverwahrer einen Direktherausgabeanspruch aus einer Analogie zu §§ 546 II, 604 IV BGB zu 144 , stellt sich die Frage, ob auch die Abtretung dieses An142
Dechamps, Effektengiroverkehr, S. 64 (zu § 931 BGB) und Heinsius/Horn/Than, DepotG, § 6, Rn. 46 halten auch eine Abtretung des Anspruches aus §§ 7 I 1. Hs., 8 DepotG für erforderlich. Dem kann aus dem in § 3 D. III. 2. a) aa) genannten Grund nicht gefolgt werden: Es handelt sich i.d.R. um keinen den mittelbaren Besitz begründenden Anspruch. Hält man darüber hinaus den Anspruch für eine Modifizierung des Vindikationsrechts aus § 985 BGB, folgt dieses Ergebnis auch aus der dann nach richtiger Auffassung gegebenen Unabtretbarkeit des Anspruchs (so: BGHZ 111, 364, 369; Henckel, Vorbeugender Rechtsschutz, AcP 1974, S. 129 f.; Münchener Kommentar BGB, Medicus, vor § 985, Rn. 5; Neumayer, Festschrift Lange, S. 314 ff.; Palandt, Bassenge, BGB, § 985, Rn. 2). 143 Dittrich, Effektengiroverkehr, S. 102 Fn. 294. 144 So Canaris, Bankvertragsrecht, Rn. 2163; Claussen, Bankrecht, § 9, Rn. 286; Kümpel, Bankrecht, Rn. 11.153; Opitz, DepotG, §§ 6-8, Anm. 25; Schönte, Bankrecht, §21 II 2.
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§ 3 Die Pfandrechtsbestellung an der Mitgliedschaft in der AG
spruchs zur Bestellung eines Pfandrechts an der aktienrechtlichen Mitgliedschaft nach § 1205 II BGB notwendig ist. Vor Beantwortung dieser Problematik soll auf die Vorfrage eingegangen werden, ob ein solcher Anspruch aus §§ 546 II, 604 IV BGB analog tatsächlich besteht. Gegen seine Anerkennung wird die Rationalisierungsfunktion der Sammelverwahrung vorgebracht 145. So liege ein wesentlicher Vorteil des heutigen, tatsächlich gehandhabten Systems der Wertpapierverwahrung in ihrem hierarchischen Aufbau, bei dem nach Nr. 2 AGB-Clearstream die Wertpapiersammelbank nur mit relativ wenigen Kunden, nämlich mit den Kredit- und Finanzdienstleistungsinstituten zu tun hat und zu tun haben will. Dieser Einwand trägt nicht. Denn rein rechtlich besteht für Clearstream keine Handhabe, einen Herausgabeanspruch eines Bankkunden, zu dem ja keine eigene vertragliche Beziehung besteht, abzuwehren, da diesem bereits ein dinglicher Herausgabeanspruch aus §§ 7 I 1. Hs., 8 DepotG zusteht146. Insofern kann der hierarchische Aufbau der Depotpyramide nicht verhindern, Ansprüchen eines Hinterlegers ausgesetzt zu sein, der sich nicht auf der nächsten Stufe der Pyramide befindet. Insbesondere vermag dies auch nicht Nr. 2 AGB-Clearstream, weil nach allgemeinen vertragsrechtlichen Grundsätzen diese Bestimmung nur dem eigenen Vertragspartner entgegengehalten werden kann, nicht aber einem dinglichen oder dem aus einem anderen Depotvertrag sich ergebenden Anspruch aus §§ 546 II, 604 IV BGB analog. Zudem spricht für die Anerkennung dieser Forderung die Rechtsnatur des Depotvertrags als modifizierte Form des Verwahrungsvertrags, da die entsprechende Anwendung dieser Vorschriften bei diesem anerkannt ist 147 . Für § 1205 II BGB ist nunmehr von Bedeutung, welche besitzrechtlichen Konsequenzen aus dem Bestehen dieses Anspruchs zu ziehen sind. Würde auch die Forderung aus §§ 546 II, 604 IV BGB analog mittelbaren Besitz begründen, müsste auch sie zur wirksamen Pfandrechtsbestellung abgetreten werden. Dieser Direktanspruch gegen Clearstream begründet keinen mittelbaren Eigenbesitz erster Stufe, der neben dem auf derselben Stufe stehenden mittelbaren Besitz der Depotbank tritt 148 . Es fehlt an einem direkten Besitzmittlungsverhältnis zu Clearstream. Denn abgesehen von dem Herausgabeanspruch beste145 Bankrechts-Handbuch II, Gößmann, § 72, Rn. 90; Einsele, Wertpapiere im elektronischen Bankgeschäft, WM 2001, S. 11; Heinsius/Horn/Than, DepotG, §7, Rn. 4; Zöllner, Festschrift Raiser, S. 264 f. 146 Zuzugeben ist, dass die Gegenauffassung konsequent bleibt, wenn sie dem Anspruch aus §§7 I 1. Hs., 8 DepotG keine Ergänzungsfunktion gegenüber § 985 BGB zuerkennt. 147 Erman, Seiler, BGB, § 691, Rn. 3; Münchener Kommentar BGB, Hüffer, § 691, Rn. 7,11 ; Palandt, Sprau, BGB, § 691, Rn. 1 ; Staudinger, Reuter, BGB, § 691, Rn. 6, 11. 148 Diese Konsequenz zieht Zöllner, Festschrift Raiser, S. 264 aus einer Anerkennung des Direktanspruchs.
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hen zwischen dem Verpfänder und der Wertpapiersammelbank keine rechtlichen Beziehungen. Allein das Bestehen dieses Herausgabeanspruchs begründet kein Vertragsverhältnis zwischen Wertpapiersammelbank und Verpfänder 149. Auch ergibt sich dieses Ergebnis aus dem Sinn und Zweck der §§ 546 II, 604 IV BGB. Ihnen kommt eine Ergänzungsfunktion gegenüber § 985 BGB zu. Der Vermieter oder Verleiher, der nicht zugleich Eigentümer der Sache ist, soll wie der Eigentümer aus § 985 BGB einen unmittelbaren Herausgabeanspruch gegen einen nicht berechtigt besitzenden Dritten haben150. Allein ein Herausgabeanspruch aus § 985 BGB, ohne Vorliegen eines vermeintlich wirksamen Besitzmittlungsverhältnisses vermag mittelbaren Besitz aber ebenso nicht zu begründen151. Letztlich haben die §§ 546 II, 604 IV BGB damit die Aufgabe, dem Vermieter bzw. Verleiher die Ausübung der Sachherrschaft über eine dem Vertragspartner übergebene Sache zu ermöglichen. In dieser Hinsicht kommt diesen Vorschriften bei der Girosammeiverwahrung eine Ergänzungsfunktion gegenüber dem dinglichen Auslieferungsanspruch aus §§ 7 I 1. Hs., 8 DepotG zu, der sich nicht nur gegen die Depotbank, sondern auch gegen Clearstream richtet. Aus diesen Überlegungen heraus stellt sich die Frage, ob es sich bei dem Auslieferungsanspruch aus §§ 546 II, 604 IV BGB analog um einen den mittelbaren Besitz im Verhältnis zur Depotbank mitbegründenden Anspruch handelt. Dafür spricht die hier aufgezeigte Funktion dieser Forderung. Zudem findet der Anspruch seine Grundlage in einem wirksamen Depotvertrag und damit gerade in dem Besitzkonstitut, aus welchem die Sachherrschaft des mittelbaren Besitzers abgeleitet wird. Gleichwohl ist der Anspruch auch in diesem Verhältnis nicht als mittelbaren Besitz begründend anzusehen. Denn wie sich aus § 871 BGB ergibt, ist der mehrstufige mittelbare Besitz dadurch gekennzeichnet, dass der jeweilige mittelbare Besitzer seine Sachherrschaft aus dem Verhältnis zu seinem unmittelbaren Besitzmittler und weitergehend aus dessen Verhältnis zu seinem Besitzmittler ableitet. Besitzkonstitut und Herausgabeanspruch müssen sich somit in der Weise entsprechen, dass sich beide gegen dieselbe Person richten. Gegen ein Abtretungserfordernis spricht auch die Einordnung der §§ 546 II, 604 IV BGB als gesetzliche Ansprüche152. Liegt ein vertragliches Besitzkonstitut vor, ist der Herausgabeanspruch aber typischerweise ebenfalls vertragsrechtlicher Natur. 149
So für den Anspruch aus § 546 II BGB RGZ 110, 124, 126; 156, 150, 153; Staudinger, Rolfs, BGB, § 546, Rn. 51. 150 Münchener Kommentar BGB, Voelskow, § 556, Rn. 25; Staudinger, Rolfs, BGB, § 546, Rn. 49. 151 Baur/Stürner, Sachenrecht, § 7, Rn. 44 f.; Münchener Kommentar BGB, Joost, § 868, Rn. 16; Staudinger, Bund, BGB, § 868, Rn. 23. 152 Hohmeister, § 556 III BGB, JA 1994, S. 423 ff.; Lorenz, Schuldrecht II/l, § 48 VII.
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§ 3 Die Pfandrechtsbestellung an der Mitgliedschaft in der AG
Trotz ihrer systematischen Einordnung und obwohl ihre Entstehungsvoraussetzung ein wirksamer Vertrag ist 153 , stellt die Forderung aus der Sicht des Anspruchsgegners eine gesetzliche dar. Denn Kennzeichen für einen vertraglichen Anspruch ist wegen des Prinzips der Unzulässigkeit von Verträgen zulasten Dritter, dass die Leistungspflicht einer am Vertragsschluss beteiligten Person auferlegt wird. Diese rechtliche Einordnung ergibt sich aus der Ergänzungsfunktion gegenüber § 985 BGB, der ebenfalls eine gesetzliche Forderung darstellt. Gegen ein Abtretungserfordernis spricht des Weiteren, dass dem Anspruch aus §§ 546 II, 604 IV BGB analog eine praktische Bedeutung nur in einer Situation zukommen kann, die im Fall der Verpfändung nicht vorliegt. Dieser schuldrechtliche Anspruch gewinnt neben dem dinglichen Herausgabeanspruch für den Hinterleger aus §§ 7 I 1. Hs., 8 DepotG nur Bedeutung, wenn der Depotkunde nicht zugleich auch Eigentümer der von ihm eingelieferten Wertpapiere ist, und ihm daher die dingliche Forderung fehlt. Eine Pfandrechtsbestellung setzt aber nach § 1205 BGB regelmäßig eine Bestellung durch den Eigentümer voraus. Zur Übertragung des mittelbaren Besitzes an den Pfandgläubiger ist damit lediglich die Abtretung des Auslieferungsanspruchs gegen die Depotbank aus § 7 11. Hs. DepotG notwendig. (2) Der Adressat der Verpfändungsanzeige Die zweite tatbestandliche Voraussetzung des § 1205 II BGB ist die Verpfändungsanzeige an den „Besitzer". Da ein mehrstufiger mittelbarer Besitz vorliegt, bestehen für die Person des Adressaten der Anzeige mehrere Möglichkeiten. Denkbar ist sowohl das Erfordernis einer Anzeige gegenüber der Depotbank154 als auch gegenüber Clearstream als auch gegenüber beiden. Zur Beantwortung dieser Frage ist auf den Sinn und Zweck der Anzeigepflicht abzustellen. Auch diese Pflicht wird als Ausdruck des bei der Verpfändung in strengerer Weise als bei der Übereignung ausgebildeten Publizitätsprinzips angesehen155. Dieses weite Zweckverständnis könnte dafür sprechen, bei gestuften Besitzkonstituten eine Anzeige an alle Besitzmittler für erforderlich zu 153 Aus diesen Gründen sind für eine dogmatische Einordnung als vertraglicher Anspruch Erman, Jendrek, BGB, § 556, Rn. 14; Esser/Weyers, Schuldrecht II/l, § 17 II; Münchener Kommentar BGB, Voelskow, § 556, Rn. 26; Palandt, Weidenkaff, BGB, § 546, Rn. 19. 154 OLG Karlsruhe WM 1999, S. 2451, 2455. Dem Urteil folgend BankrechtsHandbuch II, Merkel, § 93, Rn. 87; Palandt, Bassenge, BGB, § 1205, Rn. 9; Soergel, Habersack, BGB, § 1205, Rn. 26; Staudinger, Wiegand, BGB, § 1205, Rn. 30. Noch nicht geäußert hat sich zu dieser Frage der BGH. In BGH ZIP 1996, S. 588 hat er eine Anzeige an die Depotbank zwar für erforderlich erachtet, hier ging es aber nur um die Zwei-Personen-Konstellation Bankkunde/Depotbank. 155 Münchener Kommentar BGB, Damrau, § 1205, Rn. 20; Soergel, Habersack, BGB, § 1205, Rn. 26; Staudinger, Wiegand, BGB, § 1205, Rn. 27.
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halten, da die dingliche Rechtsstellung im Grundsatz einem möglichst großen Personenkreis gegenüber offen gelegt werden soll. Jedoch ist das Publizitätsprinzip in dem Anzeigeerfordernis nicht in dieser allgemeinen Form, sondern nur in sehr eingeschränkter, relativer Weise verwirklicht worden. Denn eine öffentliche Anzeige ist gerade nicht erforderlich. Zudem steht diese tatbestandliche Voraussetzung mit einem weiteren Gedanken in Zusammenhang. Eine Anzeige ist - wie bei § 1280 BGB - vor allem deshalb als Verpfändungserfordernis in das Gesetz aufgenommen worden, weil in erster Linie der Schuldner des abgetretenen Herausgabeanspruchs ein Bedürfnis an dieser Information hat156. Er soll künftig nicht mehr an den Verpfänder mit befreiender Wirkung nach § 407 BGB leisten, sondern an den Pfandnehmer. Somit besteht eine Αηzeigepflicht lediglich gegenüber der Depotbank, weil sie Gegnerin des zur Besitzübertragung abgetretenen Anspruchs aus § 7 I l.Hs. DepotG ist. Das verdeutlicht, dass auch bei diesem zweiten Tatbestandsmerkmal des § 1205 II BGB die Frage eine Rolle spielt, ob der Anspruch aus §§ 546 II, 604 IV BGB analog gegen den Drittverwahrer mit abzutreten ist. Hielte man dies für erforderlich, wäre wegen des dargelegten Sinn und Zwecks der Anzeigepflicht auch eine Anzeige an Clearstream notwendig. (3) Nr. 43 AGB-Clearstream Verpfändet ein Kontoinhaber bei Clearstream seine Mitgliedschaft an einen anderen Kontoinhaber über § 1205 II BGB (so Nr. 43 I AGB-Clearstream), wird die Bestellung des dinglichen Rechts durch Eröffnung eines entsprechend bezeichneten und - im Gegensatz zu den Zeiten des grünen Wertpapierschecks - auf den Namen des Verpfänders lautenden Pfandkontos sowie durch Einbuchung der Wertpapiere auf dieses Konto vorgenommen. Nr. 43 AGB-Clearstream kommt darüber hinaus die Bedeutung einer standardisierten Festlegung der Rechte von Pfandgläubiger und Verpfänder zu. Nach Nr. 43 II AGB-Clearstream verbleibt das Recht zur Geltendmachung des Dividendenanspruchs beim Verpfänder. Auch bleibt er zur Hauptversammlungsteilnahme sowie zur Ausübung oder Veräußerung des Bezugsrechts aus einer Kapitalerhöhung befugt, indes nur mit Zustimmung des Pfandgläubigers. Gemäß Nr. 43 III AGB-Clearstream darf der Pfandgeber über die verpfändeten Aktien ebenfalls nur mit Zustimmung des Pfandnehmers verfügen.
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RGZ 85, 431, 436; Münchener Kommentar BGB, Damrau, § 1205, Rn. 20; Staudinger, Wiegand, BGB, § 1205, Rn. 30.
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c) Die Verpfändung an einen höherstufigen Verwahrer Die Verpfändung an den höherstufigen Verwahrer hat besondere praktische Bedeutung zum einen aufgrund § 12 DepotG, der es der Depotbank aufgrund einer Ermächtigung des Kunden gestattet, die ihr zur Verwahrung anvertrauten Wertpapiere für die Refinanzierung eines ihrem Depotkunden eingeräumten Kredits der refinanzierenden Bank zu verpfänden. Zum anderen erlangt nach Art. 14 AGB-Banken die Depotbank ein Pfandrecht an den Aktien zur Sicherung der Ansprüche, die ihr gegenüber dem Kunden aus dem bankmäßigen Geschäftsverkehr zustehen. In Betracht kommt dabei vor allem auch die Kaufpreisforderung, die die Bank als Kommissionärin bei der Einkaufskommission von Wertpapieren erwirbt. Erfolgt eine solche Verpfändung durch den Bankkunden an die Depotbank, wird die Auffassung vertreten, eine Pfandrechtsbestellung könne über § 1206 2. Alt. BGB erfolgen 157. Erforderlich dafür ist, dass der unmittelbare Besitzer (sog. Pfandhalter) Clearstream aufgrund einer zu schließenden schuldrechtlichen Abrede verpflichtet wird, die auszuliefernden Aktien nur noch an die Depotbank und den Bankkunden gemeinschaftlich herauszugeben. In § 1206 2. Alt. BGB ist der Fall geregelt, dass der Verpfänder mittelbarer Besitzer ist und er dem Pfandgläubiger mittelbaren Mitbesitz einräumt. Die Besonderheit des Falls der Verpfändung an die Depotbank liegt darin, dass diese bereits vor der Pfandrechtsbestellung mittelbare Besitzerin niederer Stufe ist. Diese Konstellation kann nicht unter § 1206 2. Alt. BGB gefasst werden 158, weil die Regelung voraussetzt, dass der Pfandgläubiger vor der Bestellung des dinglichen Rechts noch keine besitzrechtliche Beziehung zum Verfügungsgegenstand hatte. Dafür spricht zum einen der Wortlaut. Nach ihm ist die „Einräumung" des Mitbesitzes erforderlich. War der Pfandnehmer bereits Besitzer, kann ihm der Besitz denknotwendig nicht mehr eingeräumt werden. Zum anderen kann für diese Lösung auch die Abgrenzung zu § 1205 I 2 BGB herangezogen werden. Diese Vorschrift behandelt den Fall, dass der Pfandgläubiger bereits im Besitz der Sache war, abschließend. Eine Pfandrechtsbestellung an den höherstufigen Verwahrer erfolgt damit über § 1205 I 2 BGB. Das bedeutet für die Verpfändung von Aktien von dem Bankkunden an seine Depotbank, dass eine Pfandrechtsbegründung durch schlichte Einigung erfolgen kann. Anders als bei der Verpfändung nach § 1205 I 2 BGB an einen Dritten muss keine Umstellung des Besitzmittlungsverhältnisses erfolgen. Damit gibt auch der Verpfänder seine bisherige besitzrechtliche Position als mittelbarer Mitbesitzer zweiter Stufe nicht auf. Dieses Ergebnis 157 Heinsius/Horn/Than, DepotG, § 6, Rn. 46; Stauder /Comes, Pfandrechte, WM 1969, S. 612 Fn. 20. 158 So auch Einsele, Wertpapierrecht, S. 127 f.
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folgt aus der hierarchischen Stufung der Besitzpyramide. Eine Veränderung zur vorher bestehenden Rechtslage ist nur insofern gegeben, als eine Auslieferung über den den mittelbaren Besitz begründenden Anspruch aus § 7 I 1. Hs. DepotG nicht verlangt werden kann. Denn eine Herausgabe würde wegen § 1253 I BGB zu einem Erlöschen des Pfandrechts führen. Insoweit ist von einer Stundung oder einem pactum de non petendo auszugehen. d) Die mehrfache Verpfändung bei girosammelverwahrten Aktien aa) Die praktische Bedeutung bei Mezzanine-Darlehen Die mehrfache Verpfändung des girosammelverwahrten AG-Anteils hat in der Praxis im Zusammenhang mit mezzaninen159 Finanzierungen eine größere Bedeutung. Im engeren Sinn versteht man darunter Darlehen, die sich durch Nachrangigkeit gegenüber den anderen Bankgläubigern (Senior Lenders) und eine Tilgung, die vollständig erst am Ende der Laufzeit erfolgt, auszeichnen160. Der Vorteil dieses Tilgungszeitpunkts liegt darin, während der Rückzahlung des Senior-Darlehens den Cashflow der Gesellschaft nicht zusätzlich zu belasten. Die diesen Finanzierungen ihren Namen gebende Zwischenstellung ergibt sich daraus, dass Mezzanine-Kapital sowohl charakteristische Eigenschaften des Eigen- wie des Fremdkapitals aufweist. So ergibt sich eine eigenkapitalähnliche Haftungsfunktion aus der nachrangigen Befriedigung des mezzaninen Darlehensgebers. Diese Nachrangigkeit ergibt sich i.d.R. aus einer entsprechenden Vereinbarung unter den Darlehensgebern (IntercreditorAgreement) 161. Gleichwohl unterscheiden sich Mezzanine-Darlehen vom echten Eigenkapital insofern, als sie zeitlich befristet gewährt werden, im Insolvenzfall vorrangig zu befriedigen sind, und der Zins für die Überlassung der mezzaninen Mittel handels- und steuerrechtlich regelmäßig als Betriebsaufwand zu qualifizieren ist 162 . Als Ausgleich für das vom mezzaninen Darlehensgeber aufgrund der nachrangigen Befriedigung übernommene Risiko wird ihm eine erhöhte Rendite von regelmäßig 15-20% gewährt, die sich aus zwei Komponenten zusammensetzt: Zum einen aus einem Zinssatz, der 3-8% über den gängigen Referenzzinssätzen liegt; zum anderen aus einem Equity Kicker, der entweder als Option (Warrant) oder als Wandelrecht (Convertible Bond) dem 159
Der Begriff Mezzanine stammt aus dem italienischen „Mezzanino" und bezeichnet ein für die Baukunst der Renaissance und des Barock typisches Zwischengeschoss inmitten zweier Hauptetagen eines Gebäudes. 160 Betsch/Groh/Lohmann, Corporate Finance, S. 301 f.; Jänisch/Moran/Waibel, Mezzanine, DB 2002, S. 2451 ; Schrell/Kirchner, Mezzanine, BKR 2003, S. 14. 161 Schrell/Kirchner, Mezzanine, BKR 2003, S. 14. 162 Jänisch/Moran/Waibel, Mezzanine, DB 2002, S. 2451 ff.; Schrell/Kirchner, Mezzanine, BKR 2003, S. 14.
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§ 3 Die Pfandrechtsbestellung an der Mitgliedschaft in der AG
Mezzaninegeber die Möglichkeit gibt, am Wertschöpfimgspotential des Unternehmens durch Anteilserwerb teilzunehmen163. Mezzanine-Kredite kommen heute vor allem bei Akquisitions- und Projektfinanzierungen sowie bei Expansions- und Reorganisationsfinanzierungen zur Anwendung. Die zunehmende praktische Bedeutung gerade auf diesen Feldern erklärt sich aus den Vorteilen dieser Finanzierungsform für beide Vertragsparteien. So liegt die Attraktivität für den Darlehensgeber in der höheren Rendite, die Attraktivität für den Darlehensnehmer darin, an keinen zusätzlichen Gegenständen Sicherheiten bestellen zu müssen. Denn der mezzanine Darlehensgeber ist typischerweise durch dieselben Sicherheiten wie der SeniorDarlehensgeber gesichert. Für den Fall der Verpfändung bedeutet dies, dass an denselben Gegenständen eine Sicherheit bestellt wird, allerdings nur im zweiten Rang. bb) Die rechtliche Konstruktion Um die rechtliche Konstruktion einer Verpfändung girosammelverwahrter Aktien im zweiten Rang darstellen zu können, ist zunächst eine genaue Festlegung der besitzrechtlichen Stellung des Verpfänders in statischem Zustand, also vor der zweiten Pfandrechtsbestellung erforderlich. War der Eigentümer im Rahmen der dieser Darstellung zugrunde liegenden Drei-Personen-Konstellation vor der ersten Verpfändung mittelbarer Mitbesitzer zweiter Stufe, so ist er nunmehr bei einer Verpfändung an einen außerhalb der Verwahrpyramide stehenden Dritten mittelbarer Mitbesitzer dritter Stufe. Zwischen ihm und dem Pfandgläubiger ersten Rangs besteht ein Besitzkonstitut in Form des durch die Pfandrechtsbestellung begründeten Schuldverhältnisses, das durch die §§ 12151221, 1223-1226 BGB näher ausgestaltet ist und ein in § 868 BGB ausdrücklich vom Gesetzgeber benanntes Besitzmittlungsverhältnis darstellt. Der den mittelbaren Besitz konstituierende Herausgabeanspruch ergibt sich aus § 1223 I BGB. Der Inhalt dieses Anspruchs hängt von der Art der Pfandrechtsbegründung ab. Bei der Bestellung des dinglichen Rechts über § 1205 1 1,2 BGB an einen außerhalb der Verwahrpyramide stehenden Dritten ist er gerichtet auf Wiedereinräumung des mittelbaren Mitbesitzes zweiter Stufe, indem entsprechend zum Vorgang der Pfandrechtsbegründung auf Anweisung des Pfandgläubigers sein Besitzkonstitut beendet, und ein neues mit der Depotbank des Verpfänders begründet wird. Bei § 1205 II BGB begründet er ein Recht auf Rückabtretung des Auslieferungsanspruchs gegen die Depotbank des Verpfänders nach § 7 11. Hs. DepotG.
163 Betsch/Groh/Lohmann, Corporate Finance, S. 302; Jänisch/Moran/Waibel, zanine, DB 2002, S. 2451 ff.; Sehr eil/Kirchner, Mezzanine, BKR 2003, S. 14.
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Für die Bestellung eines zweitrangigen Pfandrechts kommen nunmehr zwei Möglichkeiten in Betracht: § 1205 II BGB und § 1205 I 2 BGB. Keine Pfandrechtsbegründung kann hingegen über § 1205 I 1 BGB erfolgen. In Betracht käme insoweit lediglich eine Übergabe in Form der Umstellung des Besitzmittlungsverhältnisses. Das würde jedoch eine Aufhebung des zum erstrangigen Pfandnehmer bestehenden Besitzkonstituts, also des auf die Pfandrechtsbestellung gerichteten Vertrags voraussetzen. Damit würde das zugunsten des erstrangigen Pfandgläubigers entstandene dingliche Recht nach § 1255 I BGB erlöschen. § 1205 I 2 BGB ist nur denkbar bei der Bestellung des Pfandrechts an den höherstufigen Verwahrer. Denn die Verpfändung nach § 1205 I 2 BGB an einen außerhalb der Verwahrpyramide stehenden Dritten setzt wie bei § 1205 11 BGB eine Umstellung des Besitzkonstituts in Form der Umbuchung voraus. Demnach kommt ein zweitrangiges dingliches Recht nach § 1205 I 2 BGB bei der Verpfändung zugunsten der Depotbank des Eigentümers in Betracht, jedoch nur unter der zusätzlichen Voraussetzung, dass es bei der ersten Pfandrechtsbegründung nicht zu einer Umstellung des Besitzmittlungsverhältnisses auf die Depotbank des erstrangigen Pfandgläubigers kommt. Im Fall der Umstellung des Besitzkonstituts gelangt § 1205 I 2 BGB zur Anwendung, wenn das zweitrangige Pfandrecht nunmehr zugunsten der Depotbank des erstrangigen Pfandgläubigers bestellt werden soll. Uneingeschränkt möglich ist die Bestellung eines zweitrangigen Rechts über eine Abtretung des gegen den Pfandnehmer ersten Rangs gerichteten Herausgabeanspruchs aus § 1223 I BGB und eine entsprechende Anzeige an ihn (§ 1205 II BGB). Erläuterungsbedürftig ist diese Möglichkeit im Hinblick auf das Bestehen eines Herausgabeanspruchs aus § 1223 I BGB nur im Fall der erstrangigen Verpfändung über § 1205 I 2 BGB an den höherstufigen Verwahrer, da in diesem Fall zur Bestellung des dinglichen Rechts die Einigung genügte, und ein irgendwie gearteter Aufhebungsvertrag bei Tilgung der Darlehensforderung wegen der Akzessorietät des Pfandrechts (§ 1252 BGB) nicht erforderlich ist, weshalb auch kein auf Abschluss eines solchen Vertrags sowie auf Rückgewähr gerichteter, besitzbegründender Anspruch gegeben sein kann. Der Anspruch aus § 1223 I BGB hat hier denselben Inhalt wie die Auslieferungsforderung aus § 7 I 1. Hs. DepotG. Man muss sich vor Augen führen, dass bei der Bestellung eines Pfandrechts zugunsten der eigenen Depotbank zwei Besitzkonstitute zwischen Depotbank und Bankkunde bestehen: Zum einen der Depotvertrag, zum anderen das Schuldverhältnis aus der Pfandrechtsbestellung. Soll daher ein zweitrangiges Pfandrecht bestellt werden, muss der Eigentümer sowohl den Anspruch aus § 7 I 1. Hs. DepotG als auch den aus § 1223 I BGB an den zweitrangigen Pfandgläubiger abtreten, da nach der Regelung des § 1205 II BGB der Verpfänder seine bisherige mittelbare besitzrechtliche Position auf den Pfandnehmer vollständig übertragen muss.
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§ 3 Die Pfandrechtsbestellung an der Mitgliedschaft in der AG
Bei der Verpfändung des Sammelbestandanteils eines Kontoinhabers bei Clearstream an einen anderen normiert Nr. 43 VI AGB-Clearstream ausdrücklich einen Ausschluss der Zweitverpfändung durch Abtretung des Auslieferungsanspruchs aus §7 I l.Hs. DepotG. Dieser Regelung kommt eine rein deklaratorische Bedeutung zu, da dieses Ergebnis bereits aus Nr. 43 I AGBClearstream folgt. Wird danach das dingliche Recht im ersten Rang ausschließlich über § 1205 II BGB bestellt, setzt dies eine Abtretung gerade dieser Forderung voraus. Nicht ausgeschlossen ist damit indes ein zweitrangiges Pfandrecht über eine Abtretung des Anspruchs aus § 1223 I BGB auf Rückabtretung der Auslieferungsforderung aus § 7 I 1. Hs. DepotG. Im Übrigen wäre ein Verbot der Zweitverpfändung mit dinglicher Wirkung mit § 137, 1 BGB unvereinbar. 3. Die Möglichkeit des gutgläubigen Pfandrechtserwerbs Aus der Tatsache, dass die Verpfändung der in girosammelverwahrten Aktien verbrieften Mitgliedschaft den Regeln der §§ 1292 f., 1205 BGB folgt, kann nicht automatisch der Schluss gezogen werden, auch der gutgläubige Erwerb sei nach § 1207 BGB bei Inhaberaktien bzw. nach § 68 I 2 AktG, Art. 16 II WG bei Namensaktien möglich. Der Grund dafür liegt in dem Rechtsscheinsträger. Zu berücksichtigen ist, dass der Verpfänder lediglich Mitbesitz innehat, und die Frage, inwieweit in einer solchen Fallgestaltung ein gutgläubiger Erwerb anzuerkennen ist, sehr unterschiedlich beantwortet wird. Wird die Möglichkeit eines redlichen Erwerbs an einem im Grundbuch unrichtig verlautbarten Miteigentumsanteil noch durchweg bejaht164, weil die betreffenden Miteigentumsquoten aus dem Grundbuch für jedermann (§ 12 I GBO) äußerlich wahrnehmbar sind, ist die Rechtslage bei den auch im Effektengiroverkehr bedeutsamen Miteigentumsanteilen an beweglichen Sachen weniger klar. Letztlich hängt die Entscheidung dieser Frage von dem Rechtsscheinsträger im Rahmen der §§ 932 ff. BGB und damit auch des § 1207 BGB sowie des Art. 16 II WG ab. a) Der Mitbesitz als Vertrauenstatbestand Sieht man den Besitz als maßgeblichen Vertrauenstatbestand an 165 , ergibt sich nur ein sehr geringer Anwendungsbereich für einen gutgläubigen Erwerb. Denn der Mitbesitz begründet lediglich die Vermutung, dass die Sache allen 164 Koller, Gutgläubiger Erwerb, JZ 1972, S. 647 f.; Lutter, Gutglaubensschutz im Grundbuch, AcP 1964, S. 164 f.; Münchener Kommentar BGB, Schmidt, § 747, Rn. 17; RGRK, Pikart, BGB, § 1008, Rn. 35. 165 Erman, Michalski, BGB, Vorb. §§ 932 ff., Rn. 1; Müller, Sachenrecht, Rn. 57 f.; RGRK, Pikart, BGB, § 932, Rn. 1; Staudinger, Wiegand, BGB, § 932, Rn. 14.
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Mitbesitzern zu Miteigentum zusteht. Der Besitz an jeder einzelnen Urkunde des Sammelbestands als zumindest theoretisch äußerlich wahrnehmbarem Tatbestand kann aber keine Vermutung begründen hinsichtlich einer nicht sichtbaren, rein gedanklich gegebenen bestimmten Höhe des Miteigentums. Ein Pfandgläubiger könnte daher allenfalls darauf vertrauen, dass der Mitbesitzer Miteigentümer ist, nicht aber auch darauf, dass er es zu der von ihm angegebenen Quote ist. Insofern handelt es sich beim Mitbesitz um einen vieldeutigen, unbestimmten Sachverhalt. Konsequenz ist, dass ein gutgläubiger Erwerb lediglich bejaht wird, wenn ein Alleineigentümer über angebliches Miteigentum verfügt, oder alle Mitbesitzer der Verfügung zustimmen166, weil in diesem Fall wie bei der Verfügung über Volleigentum der Rechtsschein des alleinigen Besitzes bzw. der vollständigen Entäußerungsmöglichkeit für den Verfügenden streitet. Da dieser Lösungsansatz wegen seiner Enge zur Bewältigung der Problematik des redlichen Erwerbs im Effektengiroverkehr ungeeignet ist, wird im Wege der Rechtsfortbildung auf einen anderen Rechtsscheinsträger, die Buchung rekurriert 167. b) Die Disposition über den Besitz als Vertrauenstatbestand Zum Teil wird die Disposition über den Besitz als Rechtsscheinsträger angesehen168. Legt man dabei das Schwergewicht auf das Kriterium der vollständigen Besitzaufgabe auf Seiten des Verfügenden 169, scheint ein geeigneter Lösungsansatz für das Problem des redlichen Erwerbs eines Pfandrechts am Girosammelanteil vorzuliegen. Denn man könnte auch ohne eine Bejahung der Rechtsfigur des ideellen Anteilsbesitzes den gutgläubigen Pfandrechtserwerb am Miteigentumsanteil bejahen, falls der vermeintliche Eigentümer seine volle Miteigentumsquote verpfändet. In diesem Fall muss er nämlich seine bisherige besitzrechtliche Position vollständig aufgeben. In diesem Punkt ist die rechtliche Situation anders als bei der Übertragung des Vollrechts am Miteigentumsanteil. Der Grund dafür liegt in dem Umstand, dass Verfügender in diesem Fall nicht der Eigentümer, sondern nach h.M. die Depotbank des Verpfänders ist, 166 Koller, Gutgläubiger Erwerb, JZ 1972, S. 650; Münchener Kommentar BGB, Schmidt, § 747, Rn. 17; Palandt, Bassenge, BGB, § 932, Rn. 1; Schulze-Orter/oA, Gesamthänderische Bindung, S. 212. 167 Brink, Effektengiroverkehr, S. 102; Canaris, Bankvertragsrecht, Rn. 2027; Dechamps, Effektengiroverkehr, S. 119 f.; Fabricius, Stückeloser Effektengiroverkehr, AcP 1963, S. 481 f.; Heinsius/Horn/Than, DepotG, § 6, Rn. 91; Koller, Effektengiroverkehr, DB 1972, S. 1905 f.; Schlegelberger, Hefermehl, HGB, Anh. § 406, Rn. 327. 168 Einsele, Wertpapierrecht, S. 104; Gernhuber, Buchbesprechung, JZ 1956, S. 544; Westermann/Gursky/Eickmann, Sachenrecht, § 45 III 1 a. 169 So vor allem Becker, Gutgläubiger Erwerb, S. 32 ff., der diesen Lösungsansatz speziell in Bezug auf Girosammeldepotanteile diskutiert. Das Schwergewicht auf das Kriterium der Besitzaufgabe legt auch Bauer, Festschrift Bosch, S. 18 ff.
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§ 3 Die Pfandrechtsbestellung an der Mitgliedschaft in der AG
die nach § 185 I BGB vom Eigentümer dazu ermächtigt wurde 170, und daher die Gutglaubensschutzvorschriften über § 366 HGB Anwendung finden. Erfolgt aber ein Erwerb aufgrund des guten Glaubens an die Verfügungsermächtigung, ist ebenfalls erforderlich, dass der Ermächtigte vollständig seinen Besitz an dem Übertragungsgegenstand aufgibt 171, da er der Verfügende ist, und der Besitz bzw. die Besitzverschaffungsmacht des Verfügenden Rechtsscheinstatbestand im Rahmen des § 366 HGB ist. Diese Voraussetzung wird aber regelmäßig nicht erfüllt sein, weil die Depotbank i.d.R. entweder aufgrund ihrer Nostrobestände oder aufgrund der Besitzmittlung für weitere Depotkunden mittelbare Mitbesitzerin bleibt. Im Ergebnis würde dies bedeuten, dass die Möglichkeiten des redlichen Erwerbs bei der Verpfändung regelmäßig besser wären als beim Erwerb des Vollrechts. Juristisch liegt der Grund dafür in der Person des Verfügenden, der als solcher für den Erwerber erkennbar ist, und dessen Vertrauen daher auch in Anspruch genommen wird. Insofern besteht durchaus ein sachlicher Grund für die unterschiedliche Behandlung. Sachwidrig erscheint jedoch, dass die Möglichkeit des gutgläubigen Erwerbs davon abhängt, ob der vermeintliche Eigentümer seinen vollen Girosammeldepotanteil verpfändet oder nur einen Teil, da im zweiten Fall der Mitbesitz des Verpfänders erhalten bleibt, und damit das Merkmal der vollständigen Besitzaufgabe nicht erfüllt wäre. Denn hinsichtlich der Stärke des Rechtsscheinstatbestands ist kein Unterschied erkennbar, weil der Verpfänder in beiden Fällen durch den Mitbesitz legitimiert ist bzw. er in beiden Fällen dem Sicherungsnehmer Mitbesitz zu verschaffen vermag. Bei der Teilverpfändung wäre ein gutgläubiger Erwerb nach dem Kriterium der vollständigen Besitzaufgabe nur über die nicht anzuerkennende Rechtsfigur 172 des ideellen Bruchteilbesitzes möglich. Dieser Umstand zeigt auch die entscheidende Schwäche dieser Auffassung. Zu einseitig wird das Element der vollständigen Besitzaufgabe auf Seiten des Verfügenden betont, indem dies als wesentlicher Rechtsscheinsträger angesehen wird. Bedeutsam ist in allen Tatbestände der §§ 932 ff. BGB jedoch vor allem das Element der Besitzerlangung auf Seiten des Erwerbers. Dies zeigt besonders die Regelung des § 934 2. Alt. BGB, die einen redlichen Erwerb vom nichtbesitzenden vermeintlichen Eigentümer ermöglicht, sowie insgesamt die Rechtsprechung zum Geheißerwerb 173, die einen gutgläubigen Erwerb zulässt, wenn der Verfügende keine besitzrechtliche Beziehung zur Sache innehat, falls er nur dem Erwerber Besitz zu verschaffen vermag. Diese Erwägungen sprechen gleichermaßen dagegen, den Besitz als Vertrauenstatbestand anzusehen. 170 Vgl. bereits Fn. 129. Nach a.A. gibt die Wertpapiersammelbank das Einigungsangebot ab. So Brink, Effektengiroverkehr, S. 93; Büchner, Effektengiroverkehr, S. 111 f. 171 Großkommentar HGB (3. Aufl.), Canaris , § 366, Anm. 15. 172 Vgl. § 3 D. III. 2. b) bb). 173 BGHZ 36, 56, 60; BGH NJW 1979, S. 203.
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c) Die Besitzverschaffiingsmacht als Vertrauenstatbestand Als richtiger Rechtsscheinsträger im Rahmen der §§ 932 ff. BGB ist somit die Besitzverschaffiingsmacht anzusehen174. Denn gemeinsam ist allen Tatbeständen der §§ 932-934 BGB, dass der bloße Besitz des Veräußerers für den gutgläubigen Erwerb nicht genügt, sondern immer noch hinzukommen muss, dass der Nichtberechtigte dem Erwerber tatsächlich den Besitz verschafft, und sich dadurch die angenommene Rechtsmacht des Nichtberechtigten aus der Sicht des gutgläubigen Erwerbers bewährt. Hat ein Erwerber erhalten, was aus seiner Sicht für den Erwerb nötig war, kann er unterstellen, die Verfügung gehe in Ordnung. Für den redlichen Erwerb eines Miteigentumsanteils bedeutet diese Rechtsauffassung, dass ein solcher insoweit möglich ist, als der Veräußerer keinen größeren Anteil am Besitz überträgt als er selbst innehatte, m.a.W. der Erwerb sich nicht zulasten der übrigen Mitbesitzer auswirkt, sondern zulasten eines nichtbesitzenden Eigentümers175. Räumt der Veräußerer dem Erwerber eine umfangreichere Quote ein, so soll die Übergabe den übrigen Mitbesitzern nicht zuzurechnen sein, es sei denn, sie hätten dazu ihre, auch durch Täuschung erschlichene, Zustimmung erteilt 176. Zu beachten ist für den Effektengiroverkehr in Aktien, dass diese Einschränkung hinsichtlich des gutgläubigen Erwerbs über dieses Zurechnungskriterium nicht gelten kann, da wegen § 935 II BGB in Bezug auf Inhaberaktien und Art. 16 II WG in Bezug auf Namensaktien Zurechnungsgesichtspunkte keine Rolle spielen, also eine Fall der reinen Rechtsscheinshaftung vorliegt. Es ist daher kritisch zu hinterfragen, ob dieser Lösungsansatz im Effektengiroverkehr sachgerechte Ergebnisse hervorzubringen vermag oder ob er zu weit geraten ist, weil er sehr weitgehend dem Verkehrsschutzbedürfnis Rechnung trägt und das Eigentümerinteresse zu sehr vernachlässigt. Denn Folge aus dem Fehlen eines Zurechnungselements ist, dass ein gutgläubiger Miteigentumserwerb am Girosammelbestand insoweit möglich ist, als der Verfügende dem Erwerber Besitz zu verschaffen vermag. Diese Konsequenz ist aus verschiedenen Gründen unbedenklich. Zum einen entspricht diese erweiterte Möglichkeit des redlichen Erwerbs einem auch vom Gesetzgeber in den genannten Vorschriften anerkannten gesteigerten Verkehrsschutzbedürfnis im Umlauf von Geld- und Inhaberpapieren. Des Weiteren besteht gerade im Effektengiroverkehr aufgrund seiner Abwicklungsmechanismen regelmäßig die beschriebene Gefahr nicht, da ein Kunde einer Depotbank regelmäßig nur die Wertpapiere veräußern oder verpfänden kann, hinsichtlich derer er nach dem Depotauszug auch als Rechtsin174
Ausführlich Hager, Verkehrsschutz, S. 239 ff. Vgl. zudem Giehl, Gutgläubiger Mobiliarerwerb, AcP 1962, S. 362 ff.; Habersack, Sachenrecht, Rn. 147; Rebe, Gutgläubiger Mobiliarerwerb, AcP 1973, S. 194. 175 Hager, Verkehrsschutz, S. 324; Staudinger, Langhein, BGB, § 747, Rn. 21 ff. 176 So Hager, Verkehrsschutz, S. 324.
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§ 3 Die Pfandrechtsbestellung an der Mitgliedschaft in der AG
haber ausgewiesen ist. Schließlich gibt es ein weiteres, die Eigentümerinteressen berücksichtigendes Korrektiv über das Element der Gutgläubigkeit. Zwar ist zuzugeben, dass i.d.R. eine solche Redlichkeit auf Seiten eines Käufers oder Pfandnehmers vorliegen wird, wenn der Veräußerer oder Pfandgeber in der Lage ist, die Bank zu einer solchen Buchung und damit Besitzübertragung zu veranlassen, und somit das Tatbestandsmerkmal der Redlichkeit nur in seltenen Fallgestaltungen seine den gutgläubigen Erwerb begrenzende Funktion zu erfüllen vermag177. Dem ist entgegenzuhalten, dass sich der Vertrauenstatbestand der Besitzverschaffungsmacht aus dem Regelungssystem der §§ 932 ff. BGB ergibt. Zudem darf ein Erwerber oder Pfandnehmer aufgrund der Einschaltung der unter staatlicher Aufsicht und Kontrolle stehenden Banken und aufgrund der mit zahlreichen technischen Sicherheitsvorkehrungen versehenen Geschäftsabwicklung berechtigterweise auf die Rechtsinhaberschaft des Verfügenden vertrauen. Letztlich kann daher konstatiert werden, dass sich der Verkehrsschutz auf das Vertrauen gründet, das die Banken in unserem Wirtschaftsleben genießen, und ihre Redlichkeit und Korrektheit von den Verkehrsteilnehmern unterstellt wird 178 . Ein entscheidender Vorteil dieses Lösungsansatzes besteht auch darin, widersinnige Ergebnisse zu vermeiden. Sieht man als maßgeblichen Rechtsscheinsträger die Besitzverschaffungsmacht an, ermöglicht dies gleichermaßen einen redlichen Erwerb unabhängig davon, ob ein Fall der Veräußerung des Vollrechts oder der Verpfändung, ein Fall der Teilverpfändung oder der vollständigen Verpfändung vorliegt. In all diesen Fällen erscheint der Verfügende aus der Sicht eines Erwerbers in gleicher Weise legitimiert, da er über die Rechtsmacht verfügt, einem anderen die Ausübung der Sachherrschaft zu ermöglichen. Lediglich in einer Fallgestaltung ist ein gutgläubiger Pfandrechtserwerb ausgeschlossen, nämlich bei der Verpfändung nach § 1205 I 2 BGB an einen höherstufigen Verwahrer und damit auch im praktisch bedeutsamen Fall der Einkaufskommission, obwohl der Verpfänder dem Pfandgläubiger auch hier Besitz zu verschaffen vermag. Denn ein redlicher Erwerb über §§ 1207, 932 I 2 BGB ist nur möglich, wenn der Pfandnehmer den Besitz vom Verpfänder bzw. auf dessen Veranlassung hin erhalten hat 179 . Die Besitzverschaffungsmacht kann den Verfügenden nur unter dieser Voraussetzung legitimieren und damit Vertrauenstatbestand sein, weil nur dann ein persönlicher Bezug des Verfügenden zum Verfügungsgegenstand gegeben ist. Bei der Verpfändung an den höherstufigen Verwahrer ist diese Voraussetzung nicht erfüllt, da der Besitz der Depot-
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Dahin geht die Kritik von Einsele,Wertpapierrecht, S. 184 f. an dem Rechtsscheinsträger der Besitzverschaffungsmacht. 178 Zöllner, Festschrift Raiser, S. 267. 179 Münchener Kommentar BGB, Damrau, § 1207, Rn. 4; Staudinger, Wiegand, BGB, § 1207, Rn. 10.
E. Die Verpfändung der globalverbrieften Mitgliedschaft
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bank bereits beim vermeintlichen Vollrechtserwerb des Sicherungsgebers durch den Veräußerer, also durch die Depotbank des veräußernden Eigentümers erlangt wurde. Die Ausführungen zeigen, dass es trotz der Zurückdrängung des Verkörperungselements auf der Grundlage des geltenden Sachenrechts möglich ist, im Effektengiroverkehr Verkehrsschutz durch die Anwendung der §§ 932 ff. BGB zu gewährleisten. Zwar wird vielfach kritisiert, dass faktisch an die Stelle des Besitzes die Umbuchung getreten sei, vor allem weil der Besitz seine ursprüngliche Funktion als Mittel der Publizität und als Verlautbarung des Eigentums angesichts seiner Verdünnung zu einem mehrfach gestuften mittelbaren Besitz verloren habe180. Das kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Gesetzgeber diese Entwicklung selbst ermöglicht: Zum einen über das Rechtsinstitut des mittelbaren Besitzes, welches eine Veräußerung des verbrieften Rechts ohne Bewegung der Urkunde gestattet; zum anderen über den gewählten Rechtsscheinsträger. Insoweit hat sich damit auch das geltende Wertpapierrecht als leistungsfähig erwiesen, obgleich die Drittverwahrung des Wertpapiers und die daraus resultierende „verdeckte" Form der Verfügung nicht dem klassischen Verständnis des Wertpapierrechts entsprechen.
E. Die Verpfändung der in einer Globalurkunde verbrieften Mitgliedschaft I. Der Begriff der globalverbrieften Aktie Gesetzgeberisch anerkannt wurde die Globalurkunde erstmals 1972 mit der Einfügung des § 9a in das DepotG181. Der Gesetzgeber verwendet dabei den Ausdruck der Sammelurkunde. Näher betrachtet werden soll lediglich die sog. Dauerglobalurkunde, weil allein sie im heutigen Aktienrecht eine Rolle spielt. Eine Dauerglobalurkunde verbrieft eine Emission für ihre gesamte Laufzeit. Unwesentliches Kennzeichen liegt im Ausschluss des Drucks und der Lieferung von Einzelstücken (§ 9a III 2 DepotG), so dass für die wertpapierrechtliche Verbriefung eine einzige Urkunde, die Dauerglobalurkunde genügt. Der Grund für die Einführung dieser Art der Verbriefung lag in dem sehr weitgehenden durch die Ersparnis von Druckkosten und von Verwahrungsraum bedingten Rationalisierungseffekt 182. § 9a DepotG regelt dabei nur die Behandlung von 180
Canaris , Bankvertragsrecht, Rn. 2022; Kümpel, Bankrecht, Rn. 11.317. Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die Verwahrung und Anschaffung von Wertpapieren vom 24.5.1972, BGBl. I, S. 801. 182 Delorme, Wertpapiere, ZKW 1990, S. 276; Kessler, Globalurkunde, ZKW 1990, S. 126; Kümpel, Globalurkunde, WM 1982, S. 736 f.; Pleyer/Schleijfer, Entwicklungen im Depotrecht, DB 1972, S. 77 f.; Westermann, Girosammeidepot, RabelsZ 1985, S. 220. 181
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Globalurkunden im Rahmen einer Girosammelverwahrung. Ob der Aussteller eines Wertpapiers berechtigt ist, Globalurkunden statt Einzelurkunden auszugeben, richtet sich nach dem „zugrunde liegenden Rechtsverhältnis" i.S.d. § 9a III 2 DepotG. In Bezug auf Aktien kommt dieser Regelung erst seit einigen Jahren Bedeutung zu. Obwohl das AktG eine ausdrückliche Regelung nicht enthält, hat nach h.M. jeder Aktionär einen mitgliedschaftlichen Anspruch auf Verbriefung 183. Hinter diesem Grundsatz steht der Gedanke, dass für die Mitgliedschaft in der AG wegen des Fehlens eines Kündigungsrechts ein erhöhtes Bedürfnis für Verkehrsfähigkeit besteht. Ein zügiger Nachweis der eigenen Mitgliedschaft ist dabei über die Innehabung der Aktienurkunde möglich. Dieser Anspruch wurde erst 1994 eingeschränkt, indem gemäß § 10 V AktG a.F. statuarisch der Anspruch auf Lieferung von Aktienurkunden in kleinster Stückelung ausgeschlossen und durch Lieferung einer Mehrfachurkunde über alle Anteile des betreffenden Anteilseigners zusammengefasst in einem Wertpapier erfüllt werden konnte184. Erst in einem zweiten Schritt wurde 1998 der völlige Ausschluss des Anspruchs auf Einzelverbriefung in § 10 V AktG n.F. zugelassen185. Seitdem hat die Dauerglobalaktie eine erhebliche praktische Bedeutung erlangt, da zahlreiche Unternehmen von der völligen statuarischen Ausschlussmöglichkeit Gebrauch gemacht haben. Umso bedeutsamer ist auch eine Darlegung ihrer rechtlichen Behandlung bei der Verpfändung. Dabei soll besonderes Augenmerk auf die Frage gelegt werden, ob der Zweck der nach wie vor bestehenden Verbriefung, nämlich die Anwendung der verkehrsfreundlichen sachenrechtlichen Normen der §§ 929 ff., 932 ff. BGB zu ermöglichen, erreicht werden kann. Denn bewusst wurde der Weg zu einer vollständigen Entmaterialisierung wie bei den Wertrechten, bei denen an die Stelle der Verbriefung eine schlichte Registereintragung tritt und die sachen183 Geßler/Hefermehl, Eckardt, AktG, § 10, Rn. 23; Großkommentar AktG, Brändel, § 10, Rn. 23; Hölters/Deilmann, Kleine AG, S. 18; Hüffer, AktG, § 10, Rn. 3, 11; Kölner Kommentar AktG, Kraft, § 10, Rn. 8; Münchener Handbuch GesR IV, Wiesner, § 12, Rn. 4. A.A. Canaris , Bankvertragsrecht, Rn. 2135; Schwennicke, Ausschluss der Verbriefung, AG 2001, S. 119 f. mit Hinweis auf § 214 IV AktG. Dagegen lässt sich ausführen, dass der Bedeutungsgehalt des § 214 IV AktG sich in der Aussage erschöpft, dass es auch eine unverbriefte Mitgliedschaft geben kann, m.a.W. es sich bei der Aktie um ein deklaratorisches Wertpapier handelt. Im Übrigen setzt § 10 V AktG einen Verbriefungsanspruch voraus. 184 Gesetz für kleine Aktiengesellschaften und zur Deregulierung des Aktienrechts vom 2.8.1994, BGBl. I, S. 1961. Der Wortlaut des § 10 V AktG lautete: „In der Satzung kann der Anspruch auf Einzelverbriefung der Aktien ausgeschlossen oder eingeschränkt werden." 185 Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich (KonTraG) vom 27.4.1998, BGBl. I, S. 786. Vgl. zu dieser Entwicklung Seibert, Ausschluss des Verbriefungsanspruchs, DB 1999, S. 267 ff.
E. Die Verpfändung der globalverbrieften Mitgliedschaft
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rechtlichen Regeln nur über eine gesetzliche Gleichstellungsfiktion Anwendung finden, nicht gegangen186. Vielmehr sollte die Dauerglobalurkunde die Verbindung von angestrebter weitgehender Rationalisierung des Effektengiroverkehrs und Anwendung des Sachenrechts ermöglichen. Betrachtet werden soll dabei die Regelfallkonstellation nach § 9a I 1 1. Hs. DepotG, in der Clearstream die Globalurkunde in Sammelverwahrung nimmt. II. Die Pfandrechtsbestellung durch den Berechtigten 1. Die Verpfändung gemäß §§ 1292f, 1205 BGB Die Einordnung der Globalurkunde unter die Regeln der Sammelverwahrung in § 9a I 1 DepotG hat zur Folge, dass die in ihr verbrieften Einzelrechte als Miteigentumsanteile i.S.d. § 6 DepotG anzusehen sind. Dementsprechend kommt als Verfügungsgegenstand der Miteigentumsanteil in Betracht. Insoweit ergibt sich kein Unterschied zum Fall der Verbriefimg in einzelnen Aktienurkunden. Allerdings ist höchst zweifelhaft, ob der Hinterleger mittelbaren Mitbesitz an der Sammelurkunde innehat. Die grundlegende Schwierigkeit besteht in der Frage, ob der von der h.M. als unabdingbare Voraussetzung für den mittelbaren Besitz angesehene Herausgabeanspruch gegeben ist. Führt man sich vor Augen, dass bei der Dauerglobalaktie der Anspruch auf die Auslieferung von einzelnen Wertpapieren (§7 1 1. Hs. DepotG) gemäß § 9a III 2 DepotG ausgeschlossen ist, scheint ziemlich eindeutig zu sein, dass kein mittelbarer Besitz vorliegt 187. Gleichwohl ist diese Rechtsposition nicht unumstritten. a) Herausgabeanspruch aus § 7 11. Hs. DepotG Trotz § 9a III 2 DepotG wird zum Teil ein Herausgabeanspruch aus § 7 I 1. Hs. DepotG bejaht188. Dahinter steht die Überlegung, bei § 9a III 2 DepotG handele es sich nur um eine überwindbare Einwendung gegen den grundsätzlich bestehenden Auslieferungsanspruch aus § 7 I 1. Hs. DepotG. Auch eine mit einer Einwendung behaftete Herausgabeforderung sei aber geeignet, mittelbaren Besitz zu begründen. Die Einwendung sei überwindbar, wenn eine einzige 186
Vgl. auch die Begründung der Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses zum KonTraG zu § 10 V AktG, ZIP 1998, S. 487 ff. In der Begründung zu § 10 V AktG heißt es: „Damit wird nicht der Schritt zum Wertrecht unter Abkehr vom Wertpapier vollzogen, denn der Ausschluß der Verbriefung betrifft lediglich den jeweiligen Anteil der einzelnen Aktionäre." 187 Canaris , Bankvertragsrecht, Rn. 2124; Del or me, Effektengiroverkehr, Die Bank 1979, S. 449; Einsele, Wertpapierrecht, S. 75; Habersack/Mayer, Globalverbriefte Aktien, WM 2000, S. 1681. 188 Becker, Gutgläubiger Erwerb, S. 53 ff.
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Person den gesamten in der Globalurkunde verbrieften Sammelbestand erworben habe. Dieser Rechtsauffassung ist zuzugestehen, dass in der Tat in der beschriebenen Fallkonstellation der Verweigerung der Erfüllung der Forderung aus § 7 I 1. Hs. DepotG unter Hinweis auf § 9a III 2 DepotG die beschriebene Rationalisierungsfunktion der Vorschrift nicht entgegensteht. Auch beruht der Anspruchsausschluss nach § 9a III 2 DepotG gerade auf der Überlegung, dass Einzelurkunden überhaupt nicht existieren, sondern lediglich die Globalurkunde, die aber bei einem alleinigen Anteilseigner gleichsam einem zusammengefassten Bündel aller Einzelurkunden herausgegeben werden kann, da ein weiterer Aktionär, der ein Interesse an der Innehabung des Wertpapiers haben könnte, nicht vorhanden ist. Höchst fraglich ist jedoch, ob ein Auslieferungsanspruch, der nur in einer derart extremen Fallkonstellation zum Tragen kommt, geeignet ist, mittelbaren Besitz zu begründen. Grundsätzlich ist anerkannt, dass auch ein bedingter Herausgabeanspruch mittelbaren Besitz konstituieren kann189. Ausreichend ist es aber nicht, wenn die Herausgabeforderung desjenigen, der die Stellung des Oberbesitzers beansprucht, für jede Zeit und endgültig ausgeschlossen ist 190 . So liegt der Fall aber regelmäßig bei einer Publikums-AG. Denn hier ist dem Hinterleger die Sachherrschaftsausübung an der Globalurkunde faktisch nicht möglich. Es besteht nicht viel mehr als eine lediglich theoretische Chance, Anteilseigner zu 100% zu werden, um so den Herausgabeanspruch erfolgreich geltend machen zu können. Daran können auch die neu eingeführten Regeln der §§ 327a ff. AktG 191 über die Durchführung eines Squeeze-Out nichts ändern, die wegen § 327e III 1 AktG eine Beherrschung der AG zu 100% ermöglichen. Auch hier hat die überwiegende Mehrzahl der Marktteilnehmer nicht einmal diefinanziellen Mittel, die betreffende AG zu 100% aufzukaufen. Auch insoweit kann ein Herausgabeanspruch als völlig ausgeschlossen angesehen werden. Aber selbst für die Anteilseigner, die über derartige finanzielle Ressourcen verfügen, muss die Stellung als mittelbarer Besitzer verneint werden. Gegen die gesamte Konstruktion besteht ein grundsätzlicher Einwand. Eine Herausgabeforderung aus § 7 I 1. Hs. DepotG wäre seinem Wortlaut nach gerichtet auf den unmittelbaren Alleinbesitz an dem Wertpapier. Soll aber die Wertpapiersammelbank bzw. die Depotbank über diesen Anspruch jedem Anteilseigner den Besitz mittein, so setzte dies voraus, dass sie jeden einzelnen, auch mit einer noch so geringen Quote beteiligten Aktionär als alleinigen 189
Erman, Werner, BGB, § 868, Rn. 8; Palandt, Bassenge, BGB, § 868, Rn. 9; RGRK, Kregel, BGB, § 868, Rn. 7; Wolf/Raiser, Sachenrecht, § 8 I 2. 190 BGHZ 10, 81, 87; Staudinger, Bund, BGB, § 868, Rn. 23. 191 Gesetz zur Regelung von öffentlichen Angeboten zum Erwerb von Wertpapieren und von Unternehmensübernahmen (WpÜG) vom 20.12.2001, BGBl. I, S. 3822.
E. Die Verpfändung der globalverbrieften Mitgliedschaft
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Oberbesitzer anerkennen müsste. Es kann schon als sehr fragwürdig angesehen werden, ob die Wertpapiersammelbank bzw. die Depotbanken einen entsprechenden Besitzmittlungswillen tatsächlich haben. Noch schwerwiegender kann aber gegen diese Auffassung vorgebracht werden, dass sie zur Annahme der Rechtsfigur des mittelbaren Nebenbesitzes führt. Denn die einzelnen Anteilseigner stehen untereinander weder im Verhältnis der Besitzmittlung noch in dem des Mitbesitzes. Ein Besitzkonstitut bestünde lediglich in dem Verhältnis Clearstream/Depotbank/einzelner Anteilseigner. Ein mittelbarer Nebenbesitz ist jedoch nicht anzuerkennen192. Das Rechtsinstitut ist in sich widersprüchlich. Das Wesen des mittelbaren Besitzes liegt darin, dass der mittelbare Besitzer Sachherrschaft durch eine andere Person, den Besitzmittler ausübt. Um welche Art von Sachherrschaft es sich handelt, beurteilt sich nach der Art des Besitzes. Beim Mitbesitz akzeptiert der mittelbare Mitbesitzer auch die Sachherrschaft anderer Personen. Hingegen übt beim Alleinbesitz der Besitzer die Sachherrschaft alleine unter Ausschluss aller anderen Personen aus. Berücksichtigt man darüber hinaus, dass die Sachherrschaft sich nicht nur aus einem bestimmten Rechtsverhältnis, sondern daneben ganz wesentlich aus dem Verhalten des Besitzmittlers ableitet, also aus seinem Willen, die jeweilige Art des Besitzes für den mittelbaren Besitzer auszuüben193, wird deutlich, dass der einzelne Aktionär eine derartige, auf Alleinbesitz gerichtete Sachherrschaftsposition nicht innehat. Denn die Wertpapiersammelbank müsste Alleinbesitz einer Vielzahl von Depotbanken, die Depotbanken einer Vielzahl von Depotkunden dergestalt mittein, dass jede einzelne Depotbank bzw. jeder einzelne Kunde eine vollständige, von anderen unabhängige Sachherrschaft ausüben könnte. Eine solche Widersprüchlichkeit kann keine rechtliche Anerkennung finden. b) Herausgabeanspruch aus § 695 BGB Der Einwand des mittelbaren Nebenbesitzes trägt nicht, wenn der Herausgabeanspruch lediglich auf den Mitbesitz an der Globalurkunde gerichtet ist. Kumpel leitet einen solchen Anspruch aus § 695 BGB ab, da ein verwahrangs192
So die h.M.: BGHZ 28, 16, 27 f.; 50, 45, 50 f.; Erman, Werner, BGB, § 868, Rn. 19; Ernst, Eigenbesitz, S. 310 f.; Münchener Kommentar BGB, Joost, § 868, Rn. 20; Palandt, Bassenge, BGB, § 868, Rn. 2; Picker, Nebenbesitz, AcP 1988, S. 533 ff.; RGRK, Kregel, BGB, § 868, Rn. 21; Staudinger, Wiegand, BGB, § 934, Rn. 3; Westermann/Gursky/Eickmann, Sachenrecht, § 19 II 4. Zahlreiche Vertreter der Literatur halten den Nebenbesitz hingegen für möglich: Baur/Stürner, Sachenrecht, § 52, Rn. 24; Brem, Nebenbesitz, S. 97 ff.; Medicus, Festschrift Hübner, S. 611 ff. 193 Unter diesem Blickwinkel kann man beim mittelbaren Besitz selbst unter der Prämisse einer tatsächlichen Sachherrschaft des mittelbaren Besitzers auch von vergeistigter Sachherrschaft sprechen. Der Ausdruck stammt von Strohal, Besitzrecht, JhJb 1892, S. 17.
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§ 3 Die Pfandrechtsbestellung an der Mitgliedschaft in der AG
rechtlicher Rückforderungsanspruch für die depotgeschäftliche Verwahrung begriffsnotwendig und unverzichtbar sei 194 . Insbesondere stehe einem solchen Anspruch der Wortlaut des § 9a III 2 DepotG nicht entgegen, da nach dieser Vorschrift nur die Auslieferung von „einzelnen" Wertpapieren nicht verlangt werden könne, keine Aussage aber zur Sammelurkunde selbst getroffen werde. Bei dieser Argumentation erscheint insbesondere der Rückgriff auf § 695 BGB tragfähig. Bei der Verwahrung von einzelnen Aktienurkunden ist der Anspruch aus § 695 BGB wegen § 7 I 2. Hs. DepotG ausgeschlossen. An seine Stelle tritt der Anspruch aus § 7 I 1. Hs. DepotG. Ist nun aber diese Forderung wegen § 9a III 2 DepotG nicht gegeben, ist es systemkonform, wieder auf den allgemeinen verwahrungsrechtlichen Rückforderungsanspruch zurückzugreifen, zumal die eingelieferte Globalurkunde wie im Grundfall der Verwahrung mit der ausgelieferten identisch ist. Jedoch lassen sich gegen diesen Rechtsstandpunkt auch gewichtige Bedenken anführen. Das gilt zunächst einmal für die Fallkonstellation, dass die Depotbank selbst Aktionärin ist und damit eine Eigenbesitzerposition (§ 872 BGB) an der Globalurkunde innehat. Mittelt sie daneben ihren Depotkunden Besitz, wäre sie in dieser Stellung zugleich Fremdbesitzerin. Der Besitzmittlung steht aber der Eigenbesitz entgegen, wenn ein Nebeneinander von Eigen- und Fremdbesitz an derselben Sache unmöglich ist 195 . Ein solcher ungleichartiger gestufter Mitbesitz an der Globalurkunde ist abzulehnen196. Tragendes Argument ist, dass in ein- und derselben Person nicht zugleich ein Eigen- und Fremdbesitzerwille vorhanden sein können. Der Besitzmittlungswille beinhaltet nämlich die Bereitschaft des Besitzmittlers, die umfassendere Herrschaftsposition eines Oberbesitzers und damit seine eigene Unterordnung unter diesen anzuerkennen197. Hingegen ist der Eigenbesitz nach § 872 BGB durch den Willen des Besitzers gekennzeichnet, eine Sache „als ihm gehörend", d.h. als selbständig und unter Ausschluss anderer Personen zu besitzen. Zu berücksichtigen ist aber, dass dieses Argument dem Vorliegen von mittelbarem Besitz nicht generell entgegengehalten werden kann, sondern nur wenn die Depotbank zugleich Aktionärin ist. Grundlegender ist der Einwand, dass für den einzelnen Aktionär nach der Verkehrsauffassung die Möglichkeit einer realen Sachherrschaftsausübung, die 194
Bankrecht und Bankpraxis, Kümpel, Rn. 8/100b. Habersack/Mayer, Globalverbriefte Aktien, WM 2000, S. 1680 f. 196 BGH WM 2000, S. 1431 f.; Erman, Wenzel, BGB, § 1154, Rn. 8; Hummel, Mitbesitz, NJW 1965, S. 2379; Münchener Kommentar BGB, Joost, § 866, Rn. 10; Palandt, Bassenge, BGB, § 1154, Rn. 12; Westermann/Gursky/Eickmann, Sachenrecht, § 11 II 2. A.A. Baur, Mitbesitz, NJW 1967, S. 22 f.; Baur/Stürner, Sachenrecht, § 7, Rn. 80; Staudinger, Bund, BGB, § 866, Rn. 21 f. 197 Münchener Kommentar BGB, Joost, § 868, Rn. 17; Staudinger, Bund, BGB, § 868, Rn. 22. 195
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ja das Wesen des Besitzes ausmacht198, nicht besteht. In dieser Hinsicht unterscheidet sich die Rechtslage bei der Dauerglobalaktie deutlich von derjenigen bei der Verbriefung der Mitgliedschaft in einzelnen Aktienurkunden, bei der der Auslieferungsanspruch aus § 7 I 1. Hs. DepotG dem einzelnen Aktionär die Ausübung des unmittelbaren Allein- und Eigenbesitzes an bestimmten Aktienurkunden ermöglicht, und über den Gedanken der gelockerten Identität auch mittelbarer Besitz begründet werden konnte. Der wesentliche Grund dafür liegt in dem regelmäßig gegebenen Zwang zur Sammelverwahrung bei Clearstream, welche nach § 9a I 1 1. Hs. DepotG den gesetzlichen Regelfall der Verwahrung darstellt199. Besteht aber ein faktischer Zwang zur Dauerverwahrung bei einer dritten Person, kann von einer tatsächlich Möglichkeit der Herrschaftsausübung nicht gesprochen werden. Neben der Verwahrung bei der Wertpapiersammelbank kommen noch zwei weitere Formen der Verwahrung in Betracht, die aber an enge Voraussetzungen geknüpft sind und deshalb für eine Vielzahl von AGs ausscheiden. Zu nennen ist zunächst die Eigenverwahrung durch die Gesellschaft. Sie ist nur in Ausnahmefällen möglich, weil die Verwahrung und Verwaltung von Aktien ein nach § 1 I 2 Nr. 5 KWG den Kreditinstituten vorbehaltenes, erlaubnispflichtiges Bankgeschäft ist, soweit dieses einen kaufmännischen Geschäftsbetrieb erfordert (§111 KWG). Diese Voraussetzung des § 1 11 KWG ist zum einen erfüllt, wenn die Gesellschaft für die Verwahrung eine Gebühr verlangt. Zudem liegt das gewerbsmäßige Betreiben eines Depotgeschäfts nach der Verwaltungspraxis des Bundesaufsichtsamts für das Kreditwesen auch bei kostenloser Verwahrung vor, wenn die Rechte an der Globalurkunde mehr als fünf Berechtigten zustehen oder in der Globalurkunde mehr als 25 Mitgliedschaftsrechte verbrieft sind200. Aus diesem Grund scheidet diese Verwahrform bei der Publikums-AG, die durch einen sehr großen Aktionärskreis gekennzeichnet ist, von vornherein aus. Die Eigenverwahrung ist nur möglich bei der EinpersonenAG sowie bei der kleinen und der Familien-AG, sofern ein geringer, namentlich bekannter Aktionärskreis gegeben ist. Besteht für die Aktionäre diese Möglichkeit der Eigenverwahrung, kann das Kriterium der Möglichkeit der Sachherrschaftsausübung bejaht werden, weil in diesem Fall die Aktionäre die Urkunde tatsächlich von Clearstream herausverlangen könnten, um selbst ihren Aufenthaltsort bestimmen zu können. Insofern ist ein Herausgabeanspruch aus § 695 BGB nicht tatsächlich für jede Zeit und endgültig ausgeschlossen, wes198
Baur/Stürner, Sachenrecht, § 7, Rn. 4; Erman, Werner, BGB, vor § 854, Rn. 1; Palandt, Bassenge, BGB, vor § 854, Rn. 1; Westermann/Gursky/Eickmann, Sachenrecht,
§81.
199
Mit § 9a I 1 DepotG begründen auch Habersack/Mayer, Globalverbriefte Aktien, WM 2000, S. 1680 das Nichtbestehen einer besitzrechtlichen Position der Verwahrer. 200 Lauppe, Kleine AG, DB 2000, S. 808, 810; Schwennicke, Ausschluss der Verbriefung, AG 2001, S. 119; Szagunn/Haug/Ergenzinger, KWG, § 1, Rn. 8.
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§ 3 Die Pfandrechtsbestellung an der Mitgliedschaft in der AG
halb mittelbarer Mitbesitz der Aktionäre an der Dauerglobalaktie bejaht werden kann. Insbesondere könnte die Wertpapiersammelbank einem solchen Herausgabeverlangen auch nicht die Vorschrift des § 9a III 2 DepotG entgegenhalten, da ansonsten sogar ein Alleingesellschafter, der die Globalurkunde in Verwahrung gegeben hat, niemals mehr eigene Sachherrschaft über die Aktienurkunde ausüben könnte. Eine derartige Lösung wäre unvertretbar. Des Weiteren ist nach §§ 9a I 1 2. Hs., 2 DepotG eine Sonderverwahrung möglich. Die praktische Undurchführbarkeit dieser Verwahrform bei der Publikums-AG resultiert jedoch daraus, dass sie gemäß § 9a 11 2. Hs. DepotG an die Zustimmung aller Aktionäre geknüpft ist. Zudem ist zu berücksichtigen, dass selbst bei Vorliegen einer solchen Zustimmung die Herrschaftsausübung der Aktionäre darauf beschränkt wäre, zwischen zwei Formen der Verwahrung, nämlich der Sammelverwahrung bei Clearstream und der Sonderverwahrung bei einer Depotbank wählen zu können. Hierbei handelt es sich aber nicht um eine Rechtsmacht, die Besitz begründen könnte. Denn danach müsste nach der Verkehrsauffassung die Möglichkeit der Ausübung der tatsächlichen Sachherrschaft bestehen. Diese Voraussetzung ist nur bei einer möglichen Eigenverwahrung gegeben ist. Bei der Sonderverwahrung ließe sich Mitbesitz nur unter Zuhilfenahme eines weiteren Gedankens bejahen. So wird § 9a III 2 DepotG dahingehend interpretiert, nur die Wertpapiersammelbank könne einem Begehren des Aktionärs auf Auslieferung einer die Mitgliedschaft verbriefenden Aktienurkunde den Einwand des § 9a III 2 DepotG entgegenhalten, weil nur sie in der Vorschrift genannt sei. Hingegen müsse eine die Globalurkunde verwahrende Depotbank trotz des Ausschlusses des Anspruchs auf Einzelverbriefung in der Satzung einem entsprechenden Aktionärsverlangen Folge leisten201. Dieser Rechtsstandpunkt verkennt, dass die Frage, ob ein Verwahrer einen verwahrungsrechtlichen Herausgabeanspruch zu erfüllen hat, sich nicht nur nach § 9a III 2 DepotGrichtet, sondern primär nach der satzungsrechtlichen Regelung über einen Verbriefungsanspruch. Besteht danach nur ein Recht des Aktionärs auf Globalverbriefung von allen Anteilen aller Gesellschafter, kann der Sonderverwahrer einem Begehren des Aktionärs die satzungsrechtliche Bestimmung des Ausschlusses eines Einzelverbriefungsanspruchs entgegenhalten. Nicht die verwahrungsrechtlichen Regelungen des DepotG, sondern die Satzung und die aktienrechtlichen Bestimmungen regeln die mitgliedschaftliche Stellung des Aktionärs und somit auch die Frage des Verbriefungsanspruchs. Das anerkennt auch § 9a III 2 DepotG, indem er auf das „zugrunde liegende Rechtsverhältnis" verweist. Festzuhalten bleibt, dass mittelbarer Besitz über einen Herausgabeanspruch aus § 695 BGB auf unmittelbaren Mitbesitz an der Globalurkunde nur bei AGs 201
Schwennicke, Ausschluss der Verbriefung, AG 2001, S. 123.
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mit einem kleinen Aktionärskreis, zu dem nicht die verwahrende Depotbank gehören darf, in Betracht kommt, bei der Masse der AGs hingegen nicht. Damit ermöglicht dieses Ergebnis keine einheitliche Handhabung für alle Ausgestaltungen dieser Gesellschaftsform. c) Herausgabeanspruch aus § 749 II 1 BGB Der Einwand der fehlenden Sachherrschaft besteht nicht, wenn auch bei der Verbriefung in einer Dauerglobalurkunde ein Anspruch des einzelnen Aktionärs auf Auslieferung einzelner, seine Mitgliedschaft verbriefende Wertpapiere gegeben wäre. Eine solche Forderung wird von einem Teil der Literatur aus § 749 II 1 BGB unter der Voraussetzung wesentlicher, in absehbarer Zeit nicht behebbarer Funktionsstörungen im System des Effektengiroverkehrs abgeleitet 202 . Aus dem Aufhebungsanspruch solle sich ein Forderungsrecht gegen die Wertpapiersammelbank sowie gegen die AG ergeben, die Aufhebung der Zwangsgemeinschaft durch die Auslieferung einzelner Wertpapiere zu ermöglichen. Für die Anerkennung eines solchen Anspruchs lässt sich anführen, dass § 749 II 1 BGB bei der Verbriefung der Mitgliedschaft in einzelnen Aktienurkunden gerade wegen des Auslieferungsanspruchs aus § 7 I 1. Hs. DepotG keine Anwendung findet 203. Besteht dieser Anspruch aber wegen § 9a III 2 DepotG nicht, ist durchaus ein Bedürfnis für ein Lösungsrecht aus der Miteigentümergemeinschaft aus wichtigem Grund gegeben. Dieses Prinzip ist in Bezug auf Dauerschuldverhältnisse in §314 BGB ausdrücklich gesetzlich festgelegt. Präzisierend ist aber darauf hinzuweisen, dass es sich von vornherein nur um eine entsprechende Anwendung des § 749 II 1 BGB handeln kann, da Anspruchsgegner bei direkter Anwendung der Norm jeder Miteigentümer ist 204 , hier aber die Wertpapiersammelbank sowie der Emittent anspruchsverpflichtet sein sollen. Angesichts der Standardisierung der Abwicklungsvorgänge im Effektengiroverkehr sowie des Umstands, dass eine derartige beschriebene Situation bisher niemals aufgetreten ist, genügt auch dieser, materiellrechtlich tatsächlich bestehende Anspruch auf Auslieferung einzelner Wertpapiere zur Begründung von mittelbarem Besitz nicht 205 . Eine Herrschaftsbeziehung des mittelbaren Besitzers zur Sache kann nur dann vorliegen, wenn der Herausgabeanspruch nicht tatsächlich endgültig versagt ist. Hinzu kommt ein weiteres: Die einzelnen 202
Becker, Gutgläubiger Erwerb, S. 54; Heinsius/Horn/Than, DepotG, § 9a, Rn. 56. Canaris, Bankvertragsrecht, Rn. 2119; Kumpel, Verfügungen über Sammeldepotguthaben, WM 1980, S. 432. 204 Münchener Kommentar BGB, Schmidt, § 749, Rn. 17. 205 So auch Einsele, Wertpapierrecht, S. 75. 203
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§ 3 Die Pfandrechtsbestellung an der Mitgliedschaft in der AG
Urkunden, die im Interesse der Fungibilität des Anteilsrechts zu liefern sind, würden regelmäßig erst im Zeitpunkt der dauerhaften Funktionsstörung erstellt werden, weil ja die Dauerglobalaktie gerade bezweckt, die Druckkosten für eine Vielzahl von Aktien zu vermeiden. Ein Auslieferungsanspruch, der in Zukunft einmal mit einzelnen Urkunden erfüllt wird, die im Zeitpunkt des Bestehens dieser Forderung noch nicht einmal hergestellt waren, kann keine mittelbare Sachherrschaft an dem Girosammelbestand begründen206. d) Anwendung der Regeln über besitzlose Sachen Eine Verpfändung nach §§ 1292 f., 1205 BGB wäre des Weiteren bei einer Anwendung der Regeln über besitzlose Sachen möglich. Bei der Übertragung des Vollrechts an der dauerglobalverbrieften Mitgliedschaft wird eine Anwendung der §§ 929, 1, 931 BGB nach diesen Grundsätzen bejaht207. An diesem Ansatz ist zunächst klarzustellen, dass die Globalurkunde nicht besitzlos ist, da Clearstream unmittelbaren Besitz innehat. Es handelt sich vielmehr um eine Fallgestaltung, bei der dem Eigentümer lediglich ein nicht abtretbarer Herausgabeanspruch aus § 985 BGB zusteht. Jedoch wird auch in dieser Konstellation wie bei besitzlosen Sachen eine Übereignung durch bloße Einigung und damit unter vollständiger Aufgabe des Traditionsprinzips im Interesse der Erhaltung der Verkehrsfähigkeit sowie des Erwerberschutzes zugelassen208. Diese Form der Verfügung ist aber im Anwendungsbereich des Pfandrechts an beweglichen Sachen nicht möglich, da § 1205 II BGB im Gegensatz zu § 931 BGB den mittelbaren Besitz des Verpfänders als Tatbestandsvoraussetzung normiert. Auch in diesem Punkt zeigt sich die stärkere Berücksichtigung des Publizitätsprinzips beim Pfandrecht. Möglich ist bei der Globalverbriefung die Pfandrechtsbestellung durch bloße Einigung nur nach § 1205 I 2 BGB zugunsten des unmittelbar besitzenden Verwahrers, im Regelfall also zugunsten von Clearstream. e) Der Herausgabeanspruch als konstitutive Voraussetzung für mittelbaren Besitz Als Ergebnis festzuhalten bleibt somit, dass ein den mittelbaren Besitz begründender Herausgabeanspruch bei der Mehrzahl der AGs nicht gegeben ist. Zu der Annahme von Besitz trotz Fehlens eines Herausgabeanspruchs käme 206
Münchener Kommentar HGB, Einsele, Depotgeschäft, Rn. 91. Canaris , Bankvertragsrecht, Rn. 2125. 208 Jauernig, Jauernig, BGB, § 931, Rn. 10; Neumayer, Festschrift Lange, S. 314; Palandt, Bassenge, BGB, § 931, Rn. 1, 3; Staudinger, Wiegand, BGB, § 931, Rn. 16; Westermann/Gursky/Eickmann, Sachenrecht, § 42 II 4 b. 207
E. Die Verpfändung der globalverbriefen Mitgliedschaft
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man nur unter der Prämisse, einen solchen nicht als mittelbaren Besitz konstituierend anzusehen209. Diese Rechtsauffassung ist indes abzulehnen. Hinter ihr steht die unrichtige Vorstellung, mittelbarer Besitz sei Besitz ohne Sachherrschaft. Es stellt sich indes die Frage, ob die Regeln des DepotG auch insoweit die allgemein-bürgerlichrechtliche Ausgestaltung dieses Rechtsinstituts modifizieren 210. Als Lösungsansatz wäre daran zu denken, einen Herausgabeanspruch im Anwendungsbereich des DepotG als entbehrlich anzusehen oder an die Stelle des Herausgabeanspruchs die Rechtsmacht der einzelnen Hinterleger treten zu lassen, im Effektengiroverkehr über ihre Anteile an der Globalurkunde zu verfügen 211. Neben dem Gesichtspunkt, dass eine Modifizierung sachenrechtlicher Normen in zahlreichen Vorschriften des DepotG vorgenommen wird 212 , spricht hierfür auch das erkennbare gesetzgeberische Ziel bei der Einfügung des § 9a in das DepotG. Bereits vor Schaffung dieser Norm wurde das Globalurkundsverfahren praktiziert. Nach überwiegender Auffassung konnte dabei jedoch nicht der Auslieferungsanspruch aus §7 1 l.Hs. DepotG abbedungen werden213, so dass Verfügungen auf der Grundlage der §§ 929 ff BGB zugelassen werden konnten. Zwar traf der Gesetzgeber in § 9a III 2 DepotG eine entgegengesetzte Regelung, er ging aber erkennbar davon aus, dass sich an der materiellrechtlichen Grundlage von Verfügungen keine Änderungen ergeben würden. Denn in demselben Gesetz214 wurde in Art. 2 die Anwendbarkeit sachenrechtlicher Normen auf Staatsanleihen der Länder wegen ihrer fehlenden Verbriefung ausdrücklich bestimmt. Trotz dieser Überlegungen können Miteigentumsanteile an Dauerglobalurkunden nicht auf der Grundlage der §§ 1292 f., 1205 BGB verpfändet werden215. Wie bereits mehrfach betont, besteht das Wesen des Besitzes in der Möglichkeit der Ausübung der tatsächlichen Gewalt, welche für den mittelbaren Besitzer vor allem über den Herausgabeanspruch gewährleistet ist. Würde man daher auf dieses Kriterium verzichten, würde der Besitz seines wesentli209
So Planck, Brodmann, BGB, § 868, Anm. 3; Wieling, Mittelbarer Besitz, AcP 1984, S. 445 ff. 210 Vgl. zur Entbehrlichkeit der Identität der Sache, an der mittelbarer Besitz besteht, und der Sache, die herausverlangt werden kann, § 3 D. III. 2. a) bb). 2,1 Diese Auffassung vertritt Dechamps, Effektengiroverkehr, S. 43. 212 Vgl. § 3 D. III. 2. a) bb). 213 Kessler, Globalurkunde, ZKW 1964, S. 832; Pleyer/Schleiffer, Entwicklungen im Depotrecht, DB 1972, S. 78; Scholtz, Globalurkunden, S. 42 ff. A.A., d.h. Abdingbarkeit des § 711. Hs. DepotG, Philipp, Globalurkunde, WM 1965, S. 218. 214 Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die Verwahrung und Anschaffung von Wertpapieren vom 24.5.1972, BGBl. I, S. 801. 215 Habersack/Mayer, Globalverbriefte Aktien, WM 2000, S. 1684. Hinsichtlich §§ 929 ff. BGB ebenso Peters, Entwicklungsmöglichkeiten im Effektenbereich, S. 30; Westermann, Girosammeidepot, RabelsZ 1985, S. 227.
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§ 3 Die Pfandrechtsbestellung an der Mitgliedschaft in der AG
chen Inhalts beraubt. Rechtsmethodisch wäre daher ein Verzicht auf den Herausgabeanspruch oder seine Ersetzung durch die Verfügungsmöglichkeit nur im Wege der Rechtsfortbildung möglich, da die Besitzübertragung in den §§ 1205 f. BGB nach dem Regelungsplan des Gesetzgebers wegen der notwendigen Publizität der Verpfändung als wesentlicher Inhaltsbestandteil anzusehen ist. Voraussetzung für eine Rechtsfortbildung wäre eine Lücke, also das Fehlen einer bestimmten nach dem Regelungsplan oder dem Gesamtzusammenhang des Gesetzes zu erwartenden Regel216. Diese Voraussetzung ist nicht erfüllt, da die in der Dauerglobalurkunde verbriefte Mitgliedschaft in der AG im Wege der §§ 1274 ff. BGB verpfändet werden kann. Ein letzter, zur Anwendung der §§ 1292 f., 1205 f. BGB führender Lösungsansatz könnte in einem Abstellen auf den Begriff des Wertpapiers in § 9a DepotG bestehen. Aus dieser Vorschrift ist die gesetzgeberische Anordnung zu entnehmen, auch die Dauerglobalurkunde solle ein Wertpapier darstellen. Insoweit könnte man daran denken, dass mit dieser Begrifflichkeit der Gesetzgeber Besitz an der Urkunde ebenso fingiert, wie er für unverbriefte Wertrechte eine Anwendung der sachenrechtlichen Normen vorschreibt. Denn das Erfordernis der Innehabung der Urkunde zur Geltendmachung des verbrieften Rechts bildet gerade die Grenze zwischen Urkunden mit und ohne Wertpapiercharakter. Dabei ist für Wertpapiere des Kapitalmarkts, wie bereits unter § 3 D. I. gezeigt, die Innehabung nicht i.S. eines Vorlageerfordernisses zu verstehen, sondern nur i.S. eines Besitzes in einer Art und Weise, die gewährleistet, dass eine Verwendung des Papiers durch Dritte ausgeschlossen ist. Weitergehend ließe sich aus dieser Begrifflichkeit sogar die gesetzgeberische Anordnung ableiten, dem dauerglobalverbrieften Recht dieselben wertpapierrechtlichen Funktionen wie dem entsprechenden einzelverbrieften Recht zu entnehmen. Indes liegt die Schwierigkeit eines solchen Ansatzes darin, dass anders als bei den Wertrechten ein solcher gesetzgeberischer Wille im Wortlaut der Norm nicht ausdrücklich zum Ausdruck kommt. Im Ergebnis ist der Ansatz abzulehnen. Denn auch der dauerglobalverbrieften aktienrechtlichen Mitgliedschaft lassen sich wertpapierrechtliche Funktionen entnehmen, namentlich die zugunsten des Papierinhabers streitende Legitimationsfunktion sowie die zugunsten des Schuldners wirkende Liberationsfunktion, wonach er durch Leistung an den Papierinhaber von seiner Pflicht befreit wird 217 . Maßgeblich hierfür ist der Gesichtspunkt, dass zwar kein Besitz des materiell berechtigten Aktionärs gegeben ist, wie dies nach klassischem Verständnis der Legitimations- und Liberationsfunktion erforderlich ist. Indes liegt ein solcher der Wertpapiersammelbank vor. Ihre Aufgabe ist es gemäß Nr. 33 1 lit. a AGB-Clearstream, das Inkasso für den Aktionär vorzunehmen. Um als 216 217
Larenz, Methodenlehre, S. 375. Ebenso Kümpel, Globalurkunden, WM 1982, S. 731.
E. Die Verpfändung der globalverbrieften Mitgliedschaft
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Ermächtigte die Aktionärsrechte geltend machen zu können, bedarf sie nach wertpapierrechtlichen Grundsätzen somit der Innehabung des Papiers, wenn auch seine Vorlage nicht erforderlich ist. Zuzugeben ist, dass andere normalerweise mit einem Inhaber- oder Namenspapier verknüpfte wertpapierrechtliche Funktionen nicht vorliegen. Das betrifft insbesondere die Verkehrsschutzfunktion, die einen Erwerb eines nicht entstandenen Rechts, den Erwerb vom Nichtberechtigten sowie einen einwendungsfreien Erwerb ermöglicht, weil diese sich auf die §§ 932 ff. BGB gründet. Sofern trotzdem die Möglichkeit eines gutgläubigen Erwerbs der dauerglobalverbrieften Mitgliedschaft sogleich bejaht werden wird, beruht dies auf einem anderen Rechtsscheinsträger als dem Wertpapier. Daraus lässt sich aber allenfalls eine Funktionsschwäche, nicht aber eine Verneinung der Wertpapiereigenschaft unter Zugrundelegung seiner Aufgaben ableiten. Dabei ist zu bedenken, dass der Verlust der Verkehrsschutzfunktion von der h.M. sogar für die einzelverbriefte, girosammelverwahrte Urkunde angenommen wird, da von ihr als maßgeblicher Rechtsscheinstatbestand die Buchung angesehen wird, sie aber aus diesem Befund nicht die Konsequenz einer Ablehnung der Wertpapiereigenschaft zieht218. Wenn danach der Rechtserwerb auf eine Buchung und nicht mehr auf eine Verfügung über das Papier gestützt wird, ist damit sogar der zentrale, herkömmlicherweise für Inhaber· und Namenspapiere geltende Grundsatz, dass das Recht aus dem Papier dem Recht am Papier folgt, aufgehoben. Für die Dauernamens- bzw. Dauerinhaberaktie bedeutet dies eine atypische rechtliche Ausgestaltung, weil nach der hier vertretenen Ansicht mangels Anwendbarkeit der §§ 929 ff. BGB dieser Grundsatz vollends, nämlich auch bei der Verfügung des Berechtigten aufgehoben ist und stattdessen zessionsrechtlich verfügt wird. Die das Wertpapierrecht kennzeichnende Identität von Rechtsinhaberschaft am Recht und am Papier wird dagegen über § 952 BGB sichergestellt. 2. Die Verpfändung gemäß §§ 1274ff. BGB Bei der Verpfändung der Dauerglobalurkunde nach §§ 1274 ff. BGB stellt sich das Problem, ob für die Verfügung des in einem Wertpapier verbrieften Rechts die schlichte Einigung genügt oder ob es einer Übergabe des Papiers bedarf. Da hier in den meisten Fällen die Voraussetzung der Papierübergabe nicht erfüllt werden kann, hat die in § 3 A. II. 1. angesprochene Streitfrage bei der Dauerglobalurkunde eine bedeutende praktische Relevanz. In diesem Licht zeigt das Problem im Übrigen auch, welche nachteiligen und dogmatisch letzt218
Sofern daher Kumpel, Globalurkunden, WM 1982, S. 732 f. für die Dauerglobalurkunde die wertpapierrechtliche Funktion des Ausschlusses persönlicher Einwendungen und präklusionsfähiger Gültigkeitsein Wendungen bejaht, kann dem nicht gefolgt werden, da Grundlage der Einwendungslehre die wertpapierrechtliche Rechtsscheinstheorie ist, die auf der Annahme des Wertpapiers als Rechtsscheinsgrundlage aufbaut.
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lieh nicht erklärbaren Konsequenzen die Hinzufügung einer weiteren, vom Gesetzgeber nicht geforderten Übertragungsvoraussetzung nach sich ziehen kann. Denn hält man tatsächlich das Übergabeerfordernis für unentbehrlich, müsste man bei der girosammelverwahrten Globalurkunde regelmäßig eine Ausnahme von dieser Voraussetzung zulassen, weil andernfalls die Mitgliedschaft nicht übertragen werden könnte. Dies würde aber dem aktienrechtlichen Prinzip derfreien Verfügbarkeit der Mitgliedschaft widersprechen. III. Die Möglichkeit des gutgläubigen Pfandrechtserwerbs 1. Die Buchungsveranlassungsmacht als Rechtsscheinsträger Da in den meisten Fällen der girosammelverwahrten Dauerglobalaktie eine besitzrechtliche Position des Anteilseigners nicht besteht, kann ein gutgläubiger Erwerb nicht in direkter Anwendung der §§ 932 ff. BGB erfolgen. Denn dem Besitz bzw. der Besitzverschaffimgsmacht kommt eine für den Redlichkeitserwerb unabdingbare Rechtsscheinsfunktion zu. Zu diskutieren bleibt, ob ein gutgläubiger Erwerb auf der Grundlage eines anderen Rechtsscheinsträgers möglich ist. Dogmatisch würde es sich dabei um eine gesetzesübersteigende Rechtsfortbildung 219 handeln, weil der Gesetzgeber den Gutglaubenserwerb eines Miteigentumsanteils an einer beweglichen Sache auf der Grundlage eines anderen Rechtsscheinstatbestands bewusst nicht normiert hat. Insoweit wird heute bei girosammelverwahrten Aktien sowohl bei Einzel- als auch bei Globalverbriefiing vielfach die Buchung im Verwahrbuch als möglicher Vertrauenstatbestand angesehen220. Gestützt wird diese Rechtsauffassung auf die Tatsache, dass die Depotbücher eine hohe Richtigkeitsgewähr beanspruchen können. So existieren zahlreiche Sicherungsmechanismen gegen Falsch- und Fehlbuchungen bei der Abwicklung von Wertpapiertransaktionen. Weiter ist eine strikte Funktionentrennung zwischen der Führung des Depotbuchs und den für die Verwahrung der Wertpapiere verantwortlichen bzw. bei der Drittverwahrung verfügungsberechtigten Sachbearbeitern erforderlich 221. Schließlich kann auch auf den Umstand der jährlich stattfindenden Depotprüfung nach § 30 I KWG durch das Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen verwiesen werden. Da die zahlreichen Sicherungs- und Kontrollmaßnahmen im Einzelnen bereits an anderer Stelle222 ausführlich dargelegt wurden, erübrigt sich ein weiteres Eingehen auf sie. Vielmehr ist die hohe Richtigkeitsgewähr selbst bei den Au219
Lorenz, Methodenlehre, S. 413 ff. Vgl. die in Fn. 167 Genannten. 221 Vgl. Nr. 10 III lit. a der „Bekanntmachung über die Anforderungen an die Ordnungsmäßigkeit des Depotgeschäfts und der Erfüllung von Wertpapierverpflichtungen vom 21.12.1998". 222 Einsele, Wertpapierrecht, S. 161 ff. 220
E. Die Verpfändung der globalverbrieften Mitgliedschaft
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toren anerkannt, die die Buchung gleichwohl als Rechtsscheinsträger ablehnen223. Denn die Anerkennung als Vertrauenstatbestand scheidet ihrer Ansicht nach an ihrer fehlenden allgemeinen Erkennbarkeit und Offenkundigkeit, die das sachenrechtliche Publizitätsprinzip für einen Rechtsscheinsträger erfordere 224 . Feststeht, dass die Grundvoraussetzung für eine gesetzesübersteigende Rechtsfortbildung, nämlich ein unabweisbares Bedürfnis des Rechtsverkehrs225 gegeben ist. Dem steht nicht der Umstand entgegen, dass eine Verpfändung auf der Grundlage der §§ 1274 ff. BGB erfolgt, und die §§ 12741 1, 413, 398 BGB im allgemeinen einen Gutglaubenserwerb nicht kennen. Denn zum einen zeigt § 405 BGB, dass auch das an sich nicht sichtbare Recht redlich erworben werden kann, wenn nur ein ausreichender Veitrauenstatbestand gegeben ist. Zum anderen wird der Verkehrsschutz, der durch den gutgläubigen Erwerb ermöglicht wird, für die Funktionsfähigkeit des stückelosen Wertpapierverkehrs als unentbehrlich angesehen226. Dahinter steht die Überlegung, ein prägendes Kennzeichen für den Effektenverkehr sei die schnelle Geschäftsabwicklung, bei der ein Erwerber darauf vertrauen können muss, verlässlich das in einem Wertpapier verbriefte Recht zu erwerben. Würde im Effektenverkehr keine Rechtsscheinshaftung bestehen, widerspräche dies auch dem gesetzgeberischen Prinzip, dass gerade im Recht der Umlaufpapiere ein Hauptanwendungsfeld für die Rechtsscheinshaftung liegt, und daher auch der Verkehrsschutz gegenüber den allgemeinen Regeln erweiternd ausgestaltet wurde, wie vor allem die §§ 793 I 2, 796,935 II BGB, Art. 10, 16, 17 WG zeigen. Des Weiteren ist für die Frage, ob die Buchung als tauglicher Rechtsscheinsträger angesehen werden kann, ein zweiter rechtsmethodischer Gesichtspunkt von Bedeutung. Die Rechtsfortbildung muss mit den in der Rechtsordnung zum Ausdruck kommenden Prinzipien vereinbar sein und darf sich nicht über diese hinwegsetzen227. An diesem Punkt stellt sich das Problem, ob das sachenrechtliche Publizitätsprinzip der Anerkennung der Buchung als Vertrauenstatbestand entgegensteht. Als Grundaussage des Offenkundigkeitsgrundsatzes wird allgemein228 angesehen, dass mit Rücksicht auf den absoluten Charakter des dingli223 Einsele, Wertpapierrecht, S. 171; Habersack/Mayer, Global verbriefte Aktien, WM 2000, S. 1682 f. 224 Einsele, Wertpapierrecht, S. 176 f. Ihr folgend Habersack/Mayer, Global verbriefte Aktien, WM 2000, S. 1683. 225 Lorenz, Methodenlehre, S. 413. 226 Becker, Gutgläubiger Erwerb, S. 17 f.; Canaris , Bankvertragsrecht, Rn. 2026; Kumpel, Bankrecht, Rn. 11.335. 227 Larenz, Methodenlehre, S. 414. 228 Vgl. nur Baur/Stürner, Sachenrecht, § 4, Rn. 9; Habersack, Sachenrecht, Rn. 18; Martinek, Geheißerwerb, AcP 1988, S. 576; Münchener Kommentar BGB, Quack, Einl. Sachenrecht, Rn. 45; Schwab/Prutting, Sachenrecht, Rn. 31 ; Schreiber, Sachenrecht, Rn.
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chen Rechts die dingliche Rechtslage und jede Änderung derselben nach außen für jedermann sichtbar sein muss. Legt man lediglich diese Aussage zugrunde, erscheint es in der Tat nicht möglich, die Buchung als Vertrauenstatbestand anzuerkennen, da wegen des in Art. 2 AGB-Banken, Nr. 5 AGB-Clearstream normierten Bankgeheimnisses die sachenrechtliche Zuordnung nach außen nicht erkennbar ist. Jedoch ist der bloße Hinweis auf das sachenrechtliche Publizitätsprinzip zu allgemein gehalten. Für die Frage der Zulässigkeit einer Rechtsfortbildung ist vielmehr konkreter an das Regelungssystem der §§ 932 ff. BGB anzuknüpfen. Das Sachenrecht des BGB kennt im Grundsatz zwei NormengefÜge, die einen gutgläubigen Erwerb zulassen, §§ 932 ff. BGB und §§ 892 f. BGB. Das Abstellen auf einen dieser Normenkomplexe ist geboten, weil das hier in Streit stehende Publizitätsprinzip jeweils eine vollkommen unterschiedliche Ausgestaltung erfahren hat. Wegen § 12 I GBO ist es nur bei §§ 892 f. BGB sehr streng verwirklicht. Aus rechtsmethodischer Sicht ist an den sachnäheren Normkomplex anzuknüpfen. Zwar wird in der Literatur ein Vergleich des Verwahrbuchs mit dem Grundbuch vorgenommen229, weil es sich in beiden Fällen um Register handelt, und gerade einer bestimmten Eintragung im Register eine Rechtsscheinsfunktion zukommt. Der grundlegende Unterschied zwischen beiden Registern ist indes darin zu sehen, dass beim Grundbuch ein staatlich, beim Verwahrbuch aber ein privat geführtes Register vorliegt, und die Mitwirkung eines staatlichen Organs eine besondere Gewähr für die Richtigkeit des Vertrauenstatbestands bietet230. Zu bedenken ist zudem, dass es letztlich auch um die Frage des redlichen Erwerbs eines Miteigentumsanteils an einer beweglichen Sache geht. Hierfür sind die §§ 932 ff. BGB die sachnäheren Normen. Damit geht es bei der Rechtsfortbildung um die Frage, ob die Buchung als Rechtsscheinsträger mit den vom Gesetzgeber in den §§ 932 ff. BGB geschaffenen Prinzipien vereinbar ist. In diesen Vorschriften ist aber das Publizitätsprinzip i.S.d. gerade aufgezeigten engen Begriffsverständnisses einer allgemeinen äußeren Sichtbarkeit nur unvollkommen verwirklicht. Das gilt zum einen für die nicht erforderliche Legitimation des Veräußerers über den Besitz. Hier sind dieselben Erwägungen maßgeblich, die auch die Ablehnung des Besitzes
20; Staudinger, Seiler, BGB, Einl. Sachenrecht, Rn. 56; Westermann/Gursky/Eickmann, Sachenrecht, § 3 12. 229 Dechamps, Effektengiroverkehr, S. 137; Fabricius, Stückeloser Effektengiroverkehr, AcP 1963, S. 482. 230 Canaris, Vertrauenshaftung, § 37 II 1 ; Westermann, Gutglaubensschutz, JuS 1963, S. 4; Wiegand, Grundbuch, JuS 1975, S. 206. Dieselbe Überlegung gilt für einen Vergleich zum ebenfalls staatlich geführten Handelsregister (§ 8 HGB) und damit zu § 15 HGB. Dass auf die Richtigkeit staatlicher Hoheitsakte in besonderer Weise vertraut werden darf, ergibt sich des Weiteren aus dem Zwangsvollstreckungsrecht, vgl. etwa § 836 II ZPO.
E. Die Verpfändung der globalverbrieften Mitgliedschaft
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als Rechtsscheinstatbestand in den §§ 932 ff. BGB tragen231. Noch augenscheinlicher wird das Fehlen einer äußeren Sichtbarkeit, wenn man den Erwerbsvorgang selbst betrachtet. Denn in vielen Fällen besteht die Möglichkeit eines gutgläubigen Erwerbs, ohne dass der Verfügungsgegenstand bewegt werden müsste. So genügt für eine Übergabe nach §§ 929, 1, 932 I 1 BGB die bloße Umstellung des Besitzkonstituts. Dies ist gerade die typische Übereignungsform bei der Girosammeiverwahrung. Evident ist dies weiter für den Fall der §§ 929, 2, 932 I 2 BGB. Bei §§ 929, 1, 931, 934 1. Alt. BGB führt ohne jegliche Kundgabe einer Änderung der Besitzmittlung bereits die bloße Abtretung des Herausgabeanspruchs den gutgläubigen Erwerb herbei. Die Ausführungen zeigen, dass der Gesetzgeber in den §§ 932 ff. BGB den Offenkundigkeitsgrundsatz nicht i.S.d. idealtypischen engen Begriffsverständnisses verwirklicht hat, und dieses damit auch nicht einer Rechtsfortbildung bei Vorhandensein eines zur Besitzveranlassungsmacht vergleichbaren Rechtsscheinsträgers entgegengehalten werden kann. Das gilt auch beim Pfandrecht, obwohl diesem sachenrechtlichen Prinzip hier im Grundsatz eine größere Bedeutung zukommt. Jedoch hat auch hier der Gesetzgeber die Publizität nicht i.S. einer Erkennbarkeit gegenüber jedermann verwirklicht, sondern, wie die Regelungen der §§ 1205 II, 1280 BGB zeigen, nur i.S. einer Erkennbarkeit für von der Verfügung Betroffene. Weiter wendet Einsele ein, die Grenzen der Rechtsfortbildung würden überschritten, weil wegen des Bankgeheimnisses die Buchung im Gegensatz zum Besitz ein typischerweise nicht erkennbarer Vertrauenstatbestand sei232. Dem Einwand ist entgegenzuhalten, dass es für den maßgeblichen Rechtsscheinsträger im direkten Anwendungsbereich der §§ 932 ff. BGB weniger auf das Kriterium der typischerweise gegebenen Erkennbarkeit ankommt als vielmehr auf die Möglichkeit der Sachherrschaflsausübung auf Seiten des Erwerbers, die sich in der Besitzverschaffungsmacht als Vertrauenstatbestand manifestiert. Die Besitzverschaffung, die bei Einzelverbriefimg regelmäßig technisch über eine Umbuchung im Verwahrbuch erfolgt, eröffnet einem Erwerber insbesondere die Verfügungsmöglichkeit über den Girosammeldepotanteil. Ist die Mitgliedschaft in der AG in einer Dauerglobalaktie verbrieft, ist die Situation ähnlich. Zwar kann hier einem Erwerber keine besitzrechtliche Position eingeräumt werden, jedoch ermöglicht die Umbuchung dem Erwerber ebenfalls die Verfügung über seinen Sammeldepotanteil und nimmt so eine vergleichbare Funktion wie die Besitzverschaffung ein. Dabei liegt aufgrund des die Rechtsänderung dokumentierenden Depotauszugs sogar ein Mehr an Erkennbarkeit vor. Als maßgeblicher Rechtsscheinsträger ist somit in Anlehnung an die Besitzverschaffungsmacht im direkten Anwendungsbereich der §§ 932 ff. BGB die 231 232
Vgl. § 3 D. III. 3. Einsele, Wertpapierrecht, S. 176 f.
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§ 3 Die Pfandrechtsbestellung an der Mitgliedschaft in der AG
Rechtsmacht des Veräußerers zur Veranlassung einer Buchung anzusehen, nicht jedoch die Buchung selbst233. Dies ergibt sich aus dem rechtsmethodischen Gesichtspunkt, eine Rechtsfortbildung in möglichst naher Anlehnung an die aus dem Gesetz ableitbaren Prinzipien vorzunehmen. 2. Die Bedeutung des Rechtsscheinsträgers der Veranlassung einer Buchung bei der Verpfändung a) Die Veranlassung einer Buchung auf ein Unterkonto des Verpfänders Sieht man als maßgeblichen Rechtsscheinsträger die Rechtsmacht des vermeintlichen Eigentümers an, eine Buchung zugunsten des Pfandgläubigers zu veranlassen, ergibt sich bei der Verpfändung das Problem, dass eine derartige Umbuchung auf ein Konto des Pfandnehmers anders als bei der Vollrechtsübertragung nur in seltenen Fällen stattfindet: Grundsätzlich erfolgt die Verfügung über § 1205 II BGB, nämlich bei einer Verpfändung des AG-Anteils eines Bankkunden an einen Dritten durch Umbuchung auf ein mit einem Sperrvermerk versehenes Unterkonto des Verpfänders sowie bei einer Verpfändung eines Kontoinhabers bei Clearstream an einen anderen Kontoinhaber durch Umbuchung auf ein Pfanddepot des Verpfänders. Maßgeblich ist daher die Frage, ob im Fall einer globalverbrieften Mitgliedschaft die Buchung auf ein anderes Konto des Pfandgebers genauso einen Vertrauenstatbestand darstellt wie die auf ein Konto des Pfandnehmers. Grundsätzliche Einwände hiergegen sind nicht erkennbar. Vielmehr sind beide Konstellationen insofern vergleichbar, als selbst bei einer Buchung auf ein Konto des Pfandgläubigers wegen § 9a III 2 DepotG eine Auslieferung nicht verlangt werden kann, und somit ein Mehr an Rechtsmacht nicht besteht. Auch ist in beiden Fällen die Buchung beim Erwerb vom Berechtigten rechtlich irrelevant, da für die Verfügung eine bloße Einigung genügt. Für die Anerkennung dieser zweiten Variante als Scheintatbestand spricht vielmehr, dass sich auch hier der Verfügende durch die Rechtsmacht legitimiert, eine Buchung veranlassen zu können, die auf den Rechtserwerb einer anderen Person gerichtet ist. Auch liegt nicht nur wie im Grundfall der Verfügung über ein Recht ein rein gedanklicher Vorgang vor, weil eine Umbuchung i.S. eines tatsächlichen Vorgangs stattfindet und diese durch die Depotbank bzw. Clearstream dem Pfandgläubiger gegenüber bestätigt wird. Insofern lässt sich ein Vergleich zum Fall des § 405 1. Alt. BGB ziehen. Schließlich findet dieses Ergebnis seine Rechtfertigung auch in der Funktionsfähigkeit des Effektengiroverkehrs.
233
So auch Hager, Verkehrsschutz, S. 327 f.
E. Die Verpfändung der globalverbrieften Mitgliedschaft
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b) Die Verpfändung an einen höherstufigen Verwahrer Fraglich ist zudem, ob ein redlicher Erwerb bei der Verpfändung an den höherstufigen Verwahrer, also vom Kontoinhaber bei Clearstream an sie oder vom Bankkunden an die Depotbank, ausgeschlossen ist, wie dies für die einzelverbriefte, sammelverwahrte Mitgliedschaft in § 3 D. III. 3. c) vertreten wird. Aufgrund des anderen Rechtsscheinstatbestands Buchungsveranlassungsmacht gestaltet sich die Rechtslage bei der Globalverbriefimg in diesem Punkt komplizierter. Denn einerseits besteht eine Vergleichbarkeit zur Lösung bei der Einzelverbriefung insofern, als die Buchposition des Pfandgläubigers nicht auf Veranlassung des Verpfänders hin erlangt wurde, sondern der Verwahrer bereits beim Erwerb der Rechtsinhaberschaft an der Mitgliedschaft durch den Pfandnehmer buchmäßig legitimiert war, nämlich Clearstream über die Einbuchung der Wertpapiere in ihre unmittelbare Verwahrung, sowie die Depotbank über die Berechtigung gegenüber dem höherstufigen Verwahrer Clearstream. Auf der anderen Seitefindet bei der Verpfändung aber eine Umbuchung auf ein Pfandkonto bei Clearstream bzw. auf ein Unterkonto bei der Depotbank tatsächlich statt. Insofern verfügt der Pfandgeber über die Rechtsmacht, eine Buchung zu veranlassen. Dies spricht für die Möglichkeit eines redlichen Erwerbs. Dabei besteht jedoch die grundsätzliche Schwierigkeit, dass der Pfandgläubiger auf einen selbst gesetzten Rechtsscheinstatbestand vertraut. Denn er nahm als höherstufiger Verwahrer die Buchung zugunsten des jetzigen Pfandgebers bei seinem vorangegangenen vermeintlichen Vollrechtserwerb vor. Diese Situation einer Personenidentität ist im Effektengiroverkehr bei der Übertragung des Vollrechts gängig, da hier Clearstream als Stellvertreterin des Erwerbers handelt 234 und es damit auf deren Gut- oder Bösgläubigkeit ankommt (§ 166 I BGB), sie aber gleichfalls die Buchung zugunsten des jetzigen Veräußerers bei seinem vorangegangenem Erwerbsvorgang vornahm. Die Frage, ob ein selbst gesetzter Vertrauenstatbestand Grundlage für einen Rechtsscheinserwerb sein kann, wird in der Literatur daher vor allem in dieser Situation diskutiert. Während dies zum Teil als eine das Rechtsinstitut des Vertrauensschutzes überspannende Annahme bezeichnet wird 235 , halten andere dies grundsätzlich für möglich, da es sich ausschließlich um ein Problem der Redlichkeit des Erwerbers handele236. Letztlich kann diese Fragestellung aber dahingestellt bleiben, weil schon aus anderen Gründen ein gutgläubiger Pfandrechtserwerb eines höherstufigen Ver234 Vgl. bereits Fn. 129. Nach a.A. handelt Clearstream als Bote des Erwerbers. So Dechamps, Effektengiroverkehr, S. 60; Kümpel, Girosammei Verwahrung, WM 1976, S. 953. Nach dieser Meinung stellt sich das aufgezeigte Problem nicht, da es bei Botenschaft auf die Gut- oder Bösgläubigkeit des Geschäftsherrn ankommt. 235 Dechamps, Effektengiroverkehr, S. 142. 236 Einsele, Wertpapierrecht, S. 174 f.; Koller, Effektengiroverkehr, DB 1972, S. 1907.
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§ 3 Die Pfandrechtsbestellung an der Mitgliedschaft in der AG
wahrers auf der Grundlage der Buchungsveranlassungsmacht ausscheiden muss. Zum einen erscheint es wertungswidersprüchlich, dass bei einer Anwendung der Prinzipien der §§ 932 ff. BGB im Wege der gesetzesübersteigenden Rechtsfortbildung eine weitergehende Möglichkeit des gutgläubigen Erwerbs eröffnet ist als in einer vergleichbaren Fallgestaltung im direkten Anwendungsbereich. Zum anderen kommt es für das Pfandrecht in erster Linie auf die bereits vor Begründung des dinglichen Rechts gegebene Legitimation Clearstreams aufgrund der Einbuchung bei ihr bzw. auf die Legitimation der Depotbank aufgrund der Berechtigung gegenüber Clearstream an, weil sie entscheidend für die Realisierung der Verwertungsbefugnis ist. Denn eine Umbuchung hat bei der Pfandveräußerung auch durch diesen höherstufigen Verwahrer zu erfolgen. Der Umbuchung bei der Pfandrechtsbegründung selbst auf ein Pfandkonto bei Clearstream bzw. auf ein Unterkonto bei der Depotbank kommt damit für die Verwertungsbefugnis lediglich eine untergeordnete Bedeutung zu. c) Das Tatbestandsmerkmal der Redlichkeit Eine weitere Schwierigkeit bei der Übertragung des Vollrechts liegt in der Tatbestandsvoraussetzung der Redlichkeit. Bei der Dauerglobalaktie wird es als problematisch angesehen, dass aufgrund des in tatsächlicher Hinsicht gegebenen Zwangs zur Sammelverwahrung bei Clearstream nach § 9a I 1 DepotG für einen Erwerber praktisch keine Auswahlmöglichkeit in Bezug auf die Person des Stellvertreters beim Erwerbsvorgang gegeben sei und dies dem Prinzip der freien Auswahlmöglichkeit hinsichtlich des Vertreters widerspreche, durch das erst eine Wissenszurechnung an den Vertretenen nach § 166 I BGB gerechtfertigt werden könne237. Auch diese Problematik beruht indes auf der Stellung der Wertpapiersammelbank als Stellvertreterin des Erwerbers beim Vollrecht. In diesem Punkt ist die rechtliche Situation bei der Verpfändung anders, weil bei der dinglichen Einigung Sicherungsgeber und Sicherungsnehmer persönlich oder durch selbst gewählte Vertreter handeln. IV. Bewertung der Dauerglobalaktie Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die Dauerglobalaktie den ihr vom Gesetzgeber zugedachten Zweck der Rationalisierung unter unveränderter Anknüpfung an sachenrechtliche Verfügungstatbestände nicht zu erfüllen vermag238. Der Grund hierfür liegt in dem regelmäßig fehlenden Besitz der An237
Vgl. zum Redlichkeitsproblem ausführlich Einsele, Wertpapierrecht, S. 177 ff. Ebenso Habersack/Mayer, Globalverbriefte Aktien, WM 2000, S. 1684. Kritisch äußern sich auch Canaris , Bankvertragsrecht, Rn. 2042; Fabricius, Stückeloser Effek238
F. Anwendbares Recht bei der grenzüberschreitenden Verpfändung
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teilseigner an der Dauerglobalurkunde. Dieser Umstand führt insbesondere bei der für die Funktionsfähigkeit des Effektengiroverkehrs bedeutsamen Möglichkeit des redlichen Erwerbs zu einem beträchtlichen Begründungsaufwand. Aus dem Gesichtspunkt der Rechtssicherheit wäre daher eine gesetzliche Gleichstellungsfiktion wie bei den Staatsanleihen von Bund und Ländern vorteilhaft.
F. Das anwendbare Recht bei der grenzüberschreitenden Aktienverpfandung I. Die Erscheinungsformen des grenzüberschreitenden Effektengiroverkehrs Erhebliche Probleme bereitet der Rechtspraxis die Bestimmung des anwendbaren Rechts bei der grenzüberschreitenden Aktienverpfändung. Im Effektengiroverkehr können sich Berührungspunkte mit ausländischen Rechtsordnungen auf verschiedene Weise ergeben. So kann der Verpfänder oder der Pfandnehmer oder ein bei Verwahrung und Handel eingeschaltetes Kreditinstitut seinen Sitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland haben. Eine Auslandsberührung kann auch dadurch bedingt sein, dass die Effekten selbst von einer ausländischen Rechtsordnung beherrscht werden oder im Ausland belegen sind. Da auf den internationalen Finanzmärkten in großem Umfang Kredite gegen Bestellung dinglicher Sicherheiten ausgelegt werden, spielt das Kollisionsrecht eine bedeutende praktische Rolle. Denn die Kreditgeber müssen zweifelsfrei beurteilen können, ob die ihnen gewährte Sicherheit unter der jeweils anwendbaren Rechtsordnung rechtswirksam bestellt ist, und ihnen damit eine vollstreckungsund insolvenzfeste Rechtsposition eingeräumt wird. Gesetzgeber und Praxis haben verschiedene Formen des auslandsbezogenen Effektengiroverkehrs entwickelt. Eine Erscheinungsform stellt die Zweitverbriefung des ausländischen Aktienzertifikats in einem in die deutsche Sammelverwahrung einbezogenen Inhaberpapier (Nr. 57 II lit. b AGB-Clearstream) dar, welches als Dauerglobalurkunde gemäß § 9a DepotG ausgestaltet ist. Entwickelt wurde diese Zweitverbriefung für ausländische Papiere, denen es entweder an der nach § § 5 1 1 , 1 1 DepotG erforderlichen spezifischen wertpapierrechtlichen Verkörperung des Rechts in einer Urkunde fehlt oder die sich wegen mangelnder Sammelverwahrfähigkeit oder -eignung gegen eine nationale Sammelverwahrung sperren. So sind etwa die von britischen AGs ausgestellten share certificates keine Wertpapiere i.S.d. deutschen Rechts, sondern lediglich Beweisurkunden (sectitengiroverkehr, AcP 1963, S. 481; Peters, Effektensystem, S. 70; Zöllner, Festschrift Raiser, S. 255. Hingegen äußern sich positiv gegenüber der Dauerglobalurkunde Kümpel, Globalurkunden, WM 1982, S. 730 ff.; Pleyer, Festschrift Werner, S. 648 ff.
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§ 3 Die Pfandrechtsbestellung an der Mitgliedschaft in der AG
on 186 Companies Act 1985) 239. Bei japanischen Aktien behindern Sprach- und Schriftbarrieren eine Einbeziehung in die deutsche Sammelverwahrung240. Clearstream erwirbt im Fall der Zweitverbriefung die ausländischen Werte. Sie wird also bei ausländischen Namensaktien als Aktionärin eingetragen und fungiert gegenüber den Anlegern als Treuhänderin (Nr. 57 II AGB-Clearstream). Inhaltlich verbrieft das Inhaberzertifikat in erster Linie einen Anspruch gegen Clearstream auf Auslieferung von soviel Originalaktien, wie es dem Miteigentumsanteil des Zertifikatsinhabers entspricht241. Damit verkörpert das Inhabersammeizertifikat keine dingliche Berechtigung an den ausländischen Effekten, sondern ein Forderungsrecht. Auf diese Fallkonstellation findet deutsches Recht Anwendung. Dies ergibt sich aus den für Wertpapiere maßgeblichen Kollisionsnormen. Es wird zwischen dem Wertpapierrechtsstatut (sog. Hauptstatut), das über das Schicksal des verbrieften Rechts entscheidet und für das die Regeln der Rechtsordnung gelten, denen das verbriefte Recht selbst folgt, auf der einen Seite und dem Wertpapiersachstatut, nach dem sich bestimmt, welches Recht für die Übertragung des Eigentums an Wertpapieren und Sammelbestandanteilen bzw. für die Bestellung dinglicher Sicherheiten an Wertpapieren gilt, auf der anderen Seite unterschieden242. Maßgeblich ist die Überlegung, dass ein deutsches Wertpapier Ansprüche gegen eine deutsche Gesellschaft, nämlich Clearstream verbrieft. Eine zweite Form des Auslandsbezugs behandelt § 22 DepotG. Bei Wertpapieren, die im Ausland angeschafft und im Ausland verwahrt werden, muss das beauftragte Kreditinstitut nach dieser Regelung weder effektive Stücke noch Miteigentumsanteile verschaffen, sofern der Kunde dies nicht schriftlich verlangt. Vielmehr handelt die Depotbank als Treuhänderin und erwirbt nach Maßgabe des Art. 12 I Sonderbedingungen für Wertpapiergeschäfte Miteigentum an dem ausländischen Sammelbestand. Der Kunde erlangt eine Wertpapierrechnungs-Gutschrift (Nr. 64 AGB-Clearstream), die ein abstraktes Schuldversprechen mit dem Inhalt darstellt, eine entsprechende Anzahl der ausländischen Wertpapiere auszuliefern 243. Gegenstand einer Verpfändung ist damit ebenfalls ein gegen ein deutsches Kreditinstitut gerichteter schuldrechtlicher Herausgabeanspruch und keine dinglich verfestigte Rechtsstellung des Kunden an im Ausland verwahrten Wertpapierbeständen. Kollisionsrechtliche Fragen stellen sich demnach nicht. Somit ist dieselbe Rechtsfolge wie bei der Zweitverbriefung gegeben; ein Unterschied besteht nur hinsichtlich des Verfügungsgegenstands: Während es sich bei der Zweitverbriefung um einen Miteigen-
239 240 241 242 243
Heinsius/Horn/Than, DepotG, § 1, Rn. 27. Heinsius/Horn/Than, DepotG, § 1, Rn. 26. Einsele, Wertpapierrecht, S. 452 f. Dittrich, Effektengiroverkehr, S. 31 ff.; Staudinger, Stoll, IntSachenR, Rn. 412 ff. Münchener Kommentar HGB, Einsele, Depotgeschäft, Rn. 188 ff.
F. Anwendbares Recht bei der grenzüberschreitenden Verpfändung
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tumsanteil am Inhabersammeizertifikat handelt, liegt bei der Gutschrift in Wertpapierrechnung ein Anspruch vor. Schließlich behandelt § 5 IV DepotG eine sachenrechtliche Form der Belieferung von Wertpapiergeschäften, indem bei einem ausländischen Zentralverwahrer verwahrte Wertpapiere in die deutsche Sammelverwahrung einbezogen werden (Nr. 57 I AGB-Clearstream). Diese internationalisierte Girosammeiverwahrung ist durch eine auf einer gegenseitigen Drittverwahrung beruhende Kontoverbindung zwischen Clearstream und dem ausländischen Zentralverwahrer gekennzeichnet. Die Wertpapiere derselben Gattung der derart verbundenen Zentralverwahrer bilden einen einheitlichen Sammelbestand. Dabei bestimmt § 5 IV DepotG besondere rechtliche Vorgaben für die Aufnahme gegenseitiger Kontoverbindungen. Sie zielen darauf ab, dem Hinterleger zwar nicht einen mit dem deutschen Recht völlig übereinstimmenden, aber doch gleichwertigen Schutz zu bieten, der die Besonderheiten der ausländischen Rechtsordnung respektiert 244. Die Belieferung des Käufers mit ausländischen Effekten soll bei Bestehen gegenseitiger Kontoverbindungen wie im nationalen Effektengiroverkehr dadurch erfolgen, dass Girosammelanteile - auch wenn und soweit die maßgeblichen Wertpapierbestände im Ausland lagern - buchmäßig, d.h. ohne effektive Bewegung von Wertpapierurkunden übertragen werden245. In dieser Variante des grenzüberschreitenden Effektengiroverkehrs bereitet die Bestimmung des anwendbaren Rechts Schwierigkeiten (II.-IV.). II. Das Wertpapiersachstatut Erfolgt eine Verpfändung der aktienrechtlichen Mitgliedschaft durch eine Verfügung über das Papier, richtet sich das anwendbare Recht nach dem Wertpapiersachstatut. Danach untersteht das Wertpapier sachenrechtlich dem Recht des Lageortes im Zeitpunkt der Vollendung des Erwerbs- oder Verlusttatbestands246. Dieser richterrechtlich entwickelte Grundsatz der lex cartae sitae247, der auf der allgemeineren lex rei sitae aufbaut, wurde zum 1.6.1999 in Art. 43 I EGBGB kodifiziert. Auf eine Spezialregelung des Wertpapiersachstatuts im Rahmen des Gesetzes zum Internationalen Privatrecht für außervertragliche Schuldverhältnisse und für Sachen vom 21.5.1999248 verzichtete der Gesetzgeber ausdrücklich, weil es aus seiner Sicht an einem Regelungsbedürfnis fehl244
BT-Drucks. 10/1904, S. 7. Einsele, Finalitätsrichtlinie, WM 2001, S. 2417; Hellner, Festschrift Heinsius, S. 218; Kümpel, Giroverkehr, WM 1985, S. 1381; Than , WM-Festgabe Thorwald 1994, S.89. 246 Münchener Kommentar EGBGB, Kreuzer, Anh. I nach Art. 38, Rn. 120; Staudinger, Stoll, IntSachenR, Rn. 413. 247 BGHZ 108, 353,356. 248 BGBl. I, S. 1026. 245
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§ 3 Die Pfandrechtsbestellung an der Mitgliedschaft in der AG
te 249 . Im Rahmen von gegenseitigen Kontoverbindungen bereitet diese Bestimmung indes erhebliche Probleme, da Verfügungen über Miteigentumsanteile am Sammelbestand zu ihrer Wirksamkeit den sachenrechtlichen Anforderungen aller Staaten genügen müssen, in denen der Sammelbestand verwahrt wird, obwohl nur ein einheitlicher Geschäftsvorfall vorliegt 250. Aus der Sicht eines Hinterlegers läuft dies dem mit der Sammelverwahrung und § 5 IV DepotG verfolgten Rationalisierungszweck entgegen. Gerade bei der Verpfändung von AG-Anteilen ist dies problematisch, da viele Rechtsordnungen hier strenge Formvorschriften bei zentralverwahrten Effekten vorsehen251. So ist etwa nach spanischem Recht eine Beurkundung bei einem spanischen Notar zur wirksamen Bestellung eines Pfandrechts an Effekten erforderlich 252. Probleme bereitet die lex rei sitae auch vor dem Hintergrund, dass der Ort des Zentralverwahrers nicht notwendigerweise der Ort der Geschäftsabwicklung sein muss, und die Parteien damit gezwungen sind, die Rechtsnormen einer ihnen fremden Rechtsordnung anzuwenden. Schließlich ist das Abstellen auf den Lagerort der Urkunde wegen der fortschreitenden Entmaterialisierung und dem damit einhergehenden Funktionsverlust der Wertpapierurkunde nicht mehr als sachgerecht anzusehen. Letztlich bietet für den Bereich der Sicherheiten diese Kollisionsvorschrift einen passenden Norminhalt nur bei direkten Verwahrsystemen, bei denen eine körperliche Bewegung des Papiers zur Bestellung der Sicherheit notwendig war. Die globalverbriefte Aktie kann nach hier vertretener Auffassung grundsätzlich nur auf zessionsrechtlichem Weg verpfändet werden. Insoweit ist sie den Rektapapieren vergleichbar. Das anwendbare Recht für die Verpfändungsvoraussetzungen bestimmt sich daher nach dem Wertpapierrechtsstatut 253. Strittig ist bei Rektapapieren nur, ob für das an den Rechtsübergang geknüpfte sachenrechtliche Schicksal des Papiers das Wertpapiersachstatut gilt 254 . Konkret geht es dabei um die Anwendbarkeit des § 952 BGB. Für die Verpfändung spielt diese Frage mangels Übergangs der Inhaberschaft am Recht keine Rolle. Für die Pfandrechtsbegründung an globalverbrieften Aktien ist deshalb insgesamt das Wertpapierrechtsstatut heranzuziehen. Ein Vorteil gegenüber dem Wertpapiersachstatut ergibt sich aus der Anwendbarkeit lediglich einer Rechtsordnung. Für die Belastung der Mitgliedschaft gilt das Gesellschaftsstatut. Nach der Sitztheorie ist damit an das Recht des Staates anzuknüpfen, in dem sich der 249
BT-Drucks. 14/343, S. 14 f. Dittrich, Effektengiroverkehr, S. 173; Münchener Kommentar HGB, Einsele, Depotgeschäft, Rn. 177; Schefold, Wertpapierübertragungen, IPrax 2000, S. 470. 251 BT-Drucks. 14/1539, S. 15 f. 252 ISDA, Country Report of Spain, S. 3 f. 253 So die einhellige Meinung für Rektapapiere: Münchener Kommentar EGBGB, Kreuzer, Anh. I nach Art. 38, Rn. 125; Staudinger, Stoll, IntSachenR, Rn. 424. 254 Staudinger, Stoll, IntSachenR, Rn. 413 m.w.N. 250
F. Anwendbares Recht bei der grenzüberschreitenden Verpfändung
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tatsächliche Sitz der Hauptverwaltung der AG befindet, nach der Gründungstheorie auf das Recht des Gründungsstaates der Gesellschaft 255. III. § 17a DepotG Gerade der nach der lex rei sitae sich ergebenden Anwendbarkeit einer Vielzahl von Rechtsordnungen will § 17a DepotG entgegenwirken. Systematisch stellt diese in Umsetzung des Art. 9 II der Richtlinie 98/26/EG vom 19.5.1998 über die Wirksamkeit von Abrechnungen in Zahlungs- sowie Wertpapierlieferund -abrechnungssystemen (Finalitätsrichtlinie) geschaffene Regelung eine Ausnahmebestimmung zu Art. 43 I EGBGB dar. Sie ist damit Bestandteil des Internationalen Sachenrechts. § 17a DepotG knüpft an das Recht des Staates an, unter dessen Aufsicht ein Register geführt wird, in dem zugunsten eines Verfügungsempfängers eine rechtsbegründende Eintragung vorgenommen wird bzw. an das Recht der kontoführenden Haupt- oder Zweigstelle des Verwahrers, der dem Verfügungsempfänger die rechtsbegründende Kontogutschrift erteilt. Ob die Regelung ihr Ziel, die Rückverfolgung des Belegenheitsorts des Wertpapiers zur Ermittlung des anwendbaren Rechts bei grenzüberschreitenden Sicherheitenbestellungen hinfällig zu machen, erreichen kann, ist aber höchst zweifelhaft. Besondere Probleme bereitet dabei das Tatbestandsmerkmal der rechtsbegründenden Wirkung der Eintragung im Depotbuch. Nimmt man diesen Wortlaut ernst, ergibt sich nur ein äußerst geringer Anwendungsbereich dieser Kollisionsregel. Denn der einzige Fall, in dem nach deutschem Depotrecht einer Registereintragung eine konstitutive Wirkung zukommt, ist in § 24 II DepotG geregelt. Indes ist allgemein anerkannt, dass dieser den Eigentumserwerb an Wertpapieren durch Übertragung von Miteigentum am Sammelbestand regelnden Vorschrift nur eine subsidiäre Bedeutung zukommt, indem sie den spätesten Zeitpunkt eines gewöhnlich bereits nach § 929, 1 BGB erfolgten Eigentumserwerbs bestimmt256. Daneben ist eine rechtsbegründende Wirkung einer Verbuchung nur beim gutgläubigen Erwerb eines globalverbrieften Sammelbestandanteils gegeben. Auf die Verpfändung der globalverbrieften Mitgliedschaft ist aber § 17a DepotG gemäß seiner amtlichen Überschrift, die eine Ver255
Bislang war in der deutschen Rechtsprechung (BGH NJW 1994, S. 939) und dem deutschem Schrifttum (vgl. nur Staudinger, Großfeld, IntGesR, Rn. 341, 26 m.w.N.) die Sitztheorie herrschend. In dem EU-Recht unterliegenden Sachverhalten ist die Gründungsthoerie im Vordringen begriffen (EuGH NJW 2002, S. 3614 („Überseering") und EuGH NJW 2003, S. 3331 („Inspire Art")). Inwieweit die Gründungstheorie auch das anwendbare Recht bei der Verpfändung von Gesellschaftsanteilen bestimmt, ist noch nicht absehbar, erscheint nach der Rechtsprechung des EuGH, die sich auf die Niederlassungsfreiheit stützt, aber keinesfalls zwingend. 256 Münchener Kommentar HGB, Einsele, Depotgeschäft, Rn. 181.
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§ 3 Die Pfandrechtsbestellung an der Mitgliedschaft in der AG
fügung über das Papier verlangt, generell nicht anwendbar, weil die Pfandrechtsbegründung nach hier vertretener Auffassung über §§ 1274 ff. BGB erfolgt. Im Rahmen von Sicherungsgeschäften könnte § 17a DepotG damit allenfalls bei der Sicherungsübertragung einzelverbriefter Aktien, nicht aber bei der Verpfändung zur Anwendung gelangen. Ein weiterer Anwendungsbereich ergäbe sich nur, wenn man einer Buchung deshalb eine rechtsbegründende Wirkung i.S.d. § 17a DepotG zuerkennt, weil durch sie die Änderung des Besitzmittlungsverhältnisses bewirkt wird 257 . Hinter dieser Auslegung steht der Gedanke, dass andernfalls die Vorschrift für den Grundfall des inländischen Wertpapiergiros angesichts der subsidiären Bedeutung des § 24 II DepotG leer liefe. Aber auch nach diesem Verständnis ist für die Verpfändung zu beachten, dass i.d.R. eine Bestellung des dinglichen Rechts an einen außerhalb der Verwahrpyramide stehenden Dritten nicht über eine Änderung des Besitzkonstituts nach § 1205 I 1, 2 BGB vorgenommen wird. Hingegen tritt bei einer Verpfändung nach § 1205 I 2 BGB an den höherstufigen Verwahrer keine Änderung der besitzrechtlichen Lage ein. Bei § 1205 II BGB kann der Umbuchung auf ein Unterkonto oder Pfanddepot des Verpfänders nicht die Bedeutung einer Besitzübertragung beigemessen werden, da sie aufgrund der Abtretung des Herausgabeanspruchs durch die Sicherungsvertragsparteien und nicht durch den die Buchung vornehmenden Verwahrer erfolgt 258 . In diesen Fällen bliebe es demnach bei einer Anwendung der lex rei sitae. Zudem wird die Bedeutung des § 17a DepotG dadurch herabgemindert, dass eine vergleichbare Regelung für Sicherungsgeschäfte in Umsetzung der Finalitätsrichtlinie nur in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union gilt. Eine weltweite Anerkennung dieser Regel ist nicht gegeben, so dass weiter mit einer Anwendung der lex rei sitae durch den Belegenheitsstaat der Urkunde gerechnet werden muss. Hinzu kommt, dass § 17a DepotG für zahlreiche Rechtsordnungen leer läuft, weil nach dem dort geltenden Effektengirosystem die tatbestandlichen Voraussetzungen der Norm nicht erfüllt werden können259. So setzt schon die Überschrift eine Verfügung über ein Wertpapier voraus. Im USamerikanischen Recht stellt aber beim sog. indirekten Verwahrsystem die Verbuchung des Rechts security entitlement ' (section 8-102 (a) (17) Uniform Commercial Code) die originäre Begründung eines schuldrechtlichen Anspruchs gegen den Verwahrer dar 260. In Großbritannien kommt den Aktienzerti-
257
So Keller, Finalitätsrichtlinie, WM 2000, S. 1281; Schef old, Wertpapierübertragungen, IPrax 2000, S. 475 f. 258 Dittrich, Effektengiroverkehr, S. 102 f. möchte in diesem Fall § 17a DepotG analog anwenden. 259 Münchener Kommentar HGB, Einsele, Depotgeschäft, Rn. 183. 260 Ausführlich Einsele, Effektengiroverkehr, RIW 1997, S. 270 ff.
F. Anwendbares Recht bei der grenzüberschreitenden Verpfändung
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fikaten nur die Funktion einer Beweisurkunde zu. Nach schweizerischem Recht hat die Buchung sammelverwahrter Wertpapiere ebenso nur eine beweismäßige und keine rechtsbegründende Bedeutung261. IV. Das 36. Haager Übereinkommen 7. Der zentrale Regelungsinhalt Den durch die traditionell weltweit geltende lex rei sitae hervorgerufenen Defiziten versucht nunmehr auch das am 13.12.2002 verabschiedete 36. Haager Übereinkommen262 über die auf bestimmte Rechte in Bezug auf Intermediärverwahrte Wertpapiere anzuwendende Rechtsordnung zu begegnen. Da es inhaltlich nicht um eine Vereinheitlichung des materiellen Sachenrechts, sondern um die Schaffung einer weltweit geltenden Kollisionsregel geht, beschränkt sich der Anwendungsbereich des Übereinkommens darauf, das auf die dinglichen Aspekte (Art. 2) einer Wertpapiertransaktion anwendbare Recht zu bestimmen. Eine solche Kollisionsvereinheitlichung führt dazu, dass die Marktteilnehmer das letztlich zur Anwendung gelangende Recht nicht länger mit kostspieligem Aufwand ermitteln müssen, sondern es im Vorfeld ihrer Transaktionen mit hinreichender Sicherheit bestimmen können263. Der sachliche Anwendungsbereich der Kollisionsregel ist im Einzelnen in Art. 2 geregelt. Danach entscheidet das nach ihr zur Anwendung berufene Recht darüber, ob die Rechte des Anlegers an den verwahrten Wertpapieren dingliche, schuldrechtliche oder sonstige Rechte sind (Art. 2 I lit. a) und auf welche Weise über sie verfügt wird (Art. 2 I lit. b). Da diese Bestimmung nur auf die Verwahrung der Wertpapiere bei einem Intermediär abstellt, nicht aber auf eine über eine Verbuchung erfolgende Verfügung, ist die Kollisionsnorm im Gegensatz zu § 17a DepotG auch auf die Pfandrechtsbestellung über § 1205 12 BGB an den höherstufigen Verwahrer und insbesondere bei der Begründung des dinglichen Rechts über § 1205 II BGB sowie bei der globalverbrieften Mitgliedschaft anwendbar. Ebenso bestimmt die Kollisionsregel das anwendbare Recht für Fragen der Rangordnung konkurrierender Rechte (Art. 2 I lit. d), der zur Realisierung nach Eintritt des Verwertungs- und Beendigungsfalls der dinglichen Sicherheit erforderlichen Schritte (Art. 2 I lit. f) sowie für die Frage, ob sich die Verfügung, also auch die Pfandrechtsbestellung ebenfalls auf Ge-
261
Brunner, Wertrechte, S. 25. Ausgearbeitet wurde das Übereinkommen von der Haager Konferenz für Internationales Privatrecht, deren Ziel es ist, durch mehrseitige Staatsverträge das Internationale Privatrecht der inzwischen beteiligten 62 Mitgliedstaaten zu vereinheitlichen. Vgl. Kropholler, IPR, § 9 I. 263 Merkt/Rossbach, Haager Konferenz, ZVglRWiss 2003, S. 39. 262
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§ 3 Die Pfandrechtsbestellung an der Mitgliedschaft in der AG
winnausschüttungen oder einen Veräußerungserlös (Art. 2 I lit. g) erstreckt. Zahlreiche bei der Pfandrechtsbegründung bedeutsame Fragestellungen, wie die Erstreckung des dinglichen Rechts auf das Bezugsrecht an neuen Aktien, die Rechte und Pflichten aus dem zwischen Pfandnehmer und Pfandgeber bestehenden Schuldverhältnis oder die Einwirkungsmöglichkeiten des Pfandgläubigers auf den innergesellschaftlichen Willensbildungsprozess sind vom Übereinkommen nicht erfasst. Auch insoweit besteht nach wie vor die Gefahr, den einheitlichen Geschäftsvorfall Verpfändung verschiedenen Rechten zu unterwerfen. Die zentrale Neuerung des Haager Übereinkommens besteht in der Rechtswahlmöglichkeit nach Art. 4 I. Traditionellerweise werden gegen eine Rechtswahl im Internationalen Sachenrecht wegen der Verkehrs- und Drittschutzinteressen Bedenken geltend gemacht, weil das von den Parteien gewählte Recht für Dritte, die von seinen dinglichen Wirkungen betroffen sind, nicht zu erkennen ist 264 . Diese Gesichtspunkte tragen indes insbesondere für den Effektengiroverkehr nicht, da die Buchungsvorgänge für Dritte regelmäßig nicht erkennbar sind, so dass für den Rechtsverkehr kein Vertrauenstatbestand entsteht265. Art. 4 I überlässt es dem Depotinhaber und dessen direktem Intermediär, im Depotvertrag für die in Art. 2 I genannten dinglichen Gesichtspunkte die anwendbare Rechtsordnung zu bestimmen. Diese Rechtwahlmöglichkeit wird in Art. 4 I 2 insofern eingeschränkt, als der Intermediär in dem Staat, dessen Rechtsordnung kraft Parteivereinbarung zur Anwendung gelangen soll, eine Geschäftsstelle haben muss, und von dieser depotspezifische Tätigkeiten ausgeübt werden müssen. Hinter Art. 4 I steht nach der Präambel des Haager Übereinkommens der sog. PRIMA-Grundsatz266, wonach entsprechend der praktischen Abwicklung des Effektengiroverkehrs an das Recht des Ortes desjenigen Zwischenverwahrers anzuknüpfen ist, bei dem sich die Eigentumsübertragung bzw. der Erwerb einer dinglichen Sicherheit an Wertpapieren mittels Kontobuchung tatsächlich vollzieht. Für die Verpfändung von Interesse ist schließlich die Sonderregelung des Art. 4 III. Die Vorschrift regelt den Fall, dass der Depotinhaber seine Wertpapiere an seinen maßgeblichen Intermediär verpfändet oder sicherungsübereignet. Hier kann, wenn der maßgebliche Intermediär selbst überhaupt keine Eigendepots führt, sondern diese bei einem höherstufigen Intermediär geführt werden, zweifelhaft sein, ob die in dem Depotvertrag zwischen Verpfänder und Pfandgläubiger vereinbarte Rechtswahl oder die aus dem Depotvertrag zwischen maßgeblichen Intermediär und höherstufi264 von Bar, IPR II, Rn. 752 f.; von Hoffmann, IPR, § 12, Rn. 10 ff., 37, 39; Kegel/Schurig, IPR, § 19 I, IV; Münchener Kommentar EGBGB, Kreuzer, Anh. I nach Art. 38, Rn. 35, 66 f., 74 f. 265 Einsele, Wertpapierrecht, S. 474. 266 PRIMA steht für „Place of the Relevant InterMediary Approach". Dieser Gedanke liegt auch Art. 9 II der Finalitätsrichtlinie und § 17a DepotG zugrunde.
F. Anwendbares Recht bei der grenzüberschreitenden Verpfändung
105
gen Verwahrer zur Anwendung kommen soll. Um in dieser Frage Klarheit zu schaffen, stellt Art. 4 III ausdrücklich auf die Rechtswahlvereinbarung aus dem Depotvertrag der Pfandrechtsparteien ab. Falls eine Rechtswahlvereinbarung nach Art. 4 nicht getroffen wurde oder ungültig ist, greifen subsidiär die Auffangregeln des Art. 5 ein. Diese Vorschrift ist dreistufig aufgebaut. Sofern das Recht nicht nach Abs. 1 bestimmt werden kann, greift Abs. 2 ein und schließlich, falls diese Vorschrift auch nicht weiterhilft, Abs. 3. In Umsetzung des PRIMA-Ansatzes und in ausdrücklicher Abkehr von der lex rei sitae267 steht der unmittelbare Intermediär im Mittelpunkt. Ergibt sich aus dem Depotvertrag, dass der relevante Intermediär die Vereinbarung über eine bestimmte Geschäftsstelle geschlossen hat, will Art. 5 I das Recht des Staates zur Anwendung berufen, in dem sich bei Vertragsschluss diese Niederlassung befunden hat, sofern sie einen depotrelevanten Geschäftsbetrieb i.S.d. Art. 4 I 2 führt. Art. 5 II stellt auf das Recht des Staates ab, nach welchem der unmittelbare Intermediär im Zeitpunkt des Abschlusses der schriftlichen Depotvereinbarung gegründet oder in anderer Weise organisiert war. Art. 5 III sieht vor, dass die am Geschäftssitz geltende Rechtsordnung, oder falls es mehrere Geschäftssitze gibt, die am Hauptgeschäftssitz geltende Rechtsordnung im Zeitpunkt des Abschlusses des schriftlichen Depotvertrags anzuwenden ist. 2. Bewertung und Bedeutung der Kollisionsregel Hinsichtlich der Normierung einer Rechtswahlmöglichkeit ist auf die Besonderheit hinzuweisen, dass eine solche nur im Depotvertrag getroffen werden kann und demnach grundsätzlich nicht in dem Verhältnis der Sicherungsvertragsparteien. Nur im Fall der Verpfändung an den maßgeblichen Intermediär ist die Rechtswahl unmittelbar in dem Verhältnis Pfandnehmer-Pfandgeber möglich. Insoweit schränkt der subjektive Ansatz des Haager Übereinkommens den Grundsatz der fehlenden Rechtswahlmöglichkeit im Internationalen Sachenrecht nur bedingt ein. Der Regelung wohnt insofern auch eine objektive Komponente inne, als das für die Pfandrechtsbestellung anwendbare Recht von einem fremden Vertragsverhältnis bestimmt wird. Auch kommt der Art der Begründung des Pfandrechts weiter Bedeutung zu. Wenn Art. 4 I auf die Bestimmung in der Kontovereinbarung des maßgeblichen Intermediärs abstellt, ist zu berücksichtigen, dass eine solche Vereinbarung sowohl auf Seiten des Verpfänders zu seinem Kreditinstitut als auch auf Seiten des Pfandgläubigers zu dessen Kreditinstitut besteht. Insofern stellt sich bei einer divergierenden Rechtswahl im Rahmen einer Verpfändung nach § 1205 1 1,2 BGB an einen 267 Nach Art. 6 lit. b soll der Belegenheitsort der Wertpapiere ein nicht zu berücksichtigendes Anknüpfungsmerkmal sein.
106
§ 3 Die Pfandrechtsbestellung an der Mitgliedschaft in der AG
außerhalb der Verwahrpyramide stehenden Dritten die Frage, welche Vereinbarung die maßgebliche ist. Die Lösung ist in der Präambel und dem dort ausdrücklich erwähnten PRIMA-Grundsatz zu sehen. Nach ihm ist entscheidender Anknüpfungspunkt der Ort des unmittelbar depotführenden Zwischenverwahrers des Verfügungsempfängers 268, also des Pfandgläubigers. Wird indes eine Verpfändung wie bei § 1205 II BGB durch eine Verbuchung auf ein Konto des Pfandgebers vorgenommen, bleibt die in der Kontovereinbarung des Verpfänders getroffene Bestimmung maßgeblich. Vor dem Hintergrund des PRIMAAnsatzes ist schließlich auch die Einschränkung bei der Rechtswahlmöglichkeit in Art. 4 I 2 zu erklären. Soll die Person des unmittelbaren Intermediärs im Zentrum der Rechtswahl stehen, da nur mit ihr das anwendbare Recht bestimmt werden kann, ist es auch konsequent, nur eine Rechtsordnung heranziehen zu dürfen, zu der diese einen Bezug hat. Ein weiteres Problem besteht in der Vereinbarkeit der im Haager Übereinkommen normierten kollisionsrechtlichen Bestimmungen mit Art. 9 II der Finalitätsrichtlinie, der rein objektiv an das Kriterium der kontoführenden Stelle in einem Mitgliedstaat anknüpft und keine Rechtswahl zulässt. Insofern ergibt sich bei einer Art. 9 II Finalitätsrichtlinie bzw. § 17a DepotG widersprechenden Rechtswahlvereinbarung in einem dem EG-Recht unterliegenden Sachverhalt ein Konkurrenzproblem, das im Sinne des Vorrangs des EG-Rechts zu lösen ist. Relevant wird dabei das Verhältnis von Gemeinschaftsrecht zu Völkerrecht, da das Haager Übereinkommen einen völkerrechtlichen Vertrag darstellt. Hier ist anerkannt, dass bei Vorhandensein einer europarechtlichen Regelung auch die Kompetenz des Mitgliedstaats, bezüglich dieses Sachgebiets völkerrechtliche Verträge abzuschließen, an die Gemeinschaften übergegangen ist 269 . Falls man mit der Transformationslehre 270 für den Vollzug von Völkerrecht zusätzlich eine Umwandlung in das nationale Recht fordert, ergibt sich dieses Ergebnis auch aus dem Anwendungsvorrang des EG-Rechts. Erforderlich ist damit entweder eine ersatzlose Streichung des Art. 9 II Finalitätsrichtlinie oder seine inhaltliche Anpassung271.
268
Bernasconi , Preliminary Document No 1, S. 30 f.; Merkt/Ross bach, Haager Konferenz, ZVglRWiss 2003, S. 43. 269 EuGH Rs. 22/70 („AETR"), Slg. 1971, 263, 276; Hamburg Group, Comments, RabelsZ 2003, S. 55 f.; Oppermann, Europarecht, Rn. 608; Schweitzer/Hummer, Europarecht, Rn. 683 ff. 270 Vgl. zu dieser Lehre und zu weiteren Auffassungen über den innerstaatlichen Vollzug von Völkerrecht Schweitzer, Völkerrecht, Rn. 418 ff. 271 Reuschle, Neues IPR, BKR 2003, S. 571.
§ 4 Die Rechtsstellung des Pfandgläubigers Die Funktion des Pfandrechts liegt in der Sicherung des Gläubigers, die in letzter Konsequenz zur Verwertung der Pfandsache und damit zu seiner Befriedigung führen kann. Das dingliche Verwertungsrecht bildet den eigentlichen Kern des Pfandrechts und damit auch der Rechtsstellung des Pfandgläubigers. Aufgrund seiner herausgehobenen Bedeutung bleibt seine Behandlung einem eigenen Abschnitt, § 8 vorbehalten. In diesem Abschnitt soll hingegen erörtert werden, welche rechtliche Stellung der Pfandnehmer in Bezug auf die Mitgliedschaft in der AG vor ihrer Verwertung innehat.
A. Die Einwirkungsmöglichkeiten des Pfandgläubigers auf Gesellschafterbeschlüsse I. Das Stimmrecht und das Recht zur Teilnahme an der Hauptversammlung Das Stimmrecht des Aktionärs (§ 134 AktG) sowie sein Recht zur Teilnahme an der Hauptversammlung (§118 AktG) sind notwendig miteinander verknüpft, da gemäß §§ 118 I, 23 V AktG das Stimmrecht zwingend in der Hauptversammlung auszuüben ist. Diese beiden Aktionärsrechte sind daher gemeinsam zu behandeln. Bei der Verpfändung der Mitgliedschaft in der GbR wird nach einer Literaturmeinung das Stimmrecht dem Pfandgläubiger zuerkannt272. Unter Berufung auf eine analoge Anwendung der §§ 1273 II 1, 1258 I BGB wird ein allgemeines Recht des Pfandgläubigers zur Wahrnehmung von Gesellschafterrechten des Schuldners angenommen. Ob dasselbe auch für die Verpfändung der Mitgliedschaft in der AG gelten kann, soll Gegenstand der nachfolgenden Erörterung sein. Dabei bestehen für eine Anwendung der §§ 1273 II 1, 1258 I BGB bei der AG zwei Anknüpfungspunkte. Zum einen kommt eine entsprechende Anwendung nach den Grundsätzen, die für die GbR entwickelt wurden, in Betracht. Diese Rechtsauffassung beruft sich auf ein Urteil des RG 273 , in dem ohne nähere Begründung die Regelung 272
Rn. 1. 273
Palandt, Bassenge, BGB, § 1258, Rn. 2; Soergel (12.Aufl.), Mühl, BGB, § 1258, RGZ 83,27,30. Siehe auch RGZ 84, 395,396 f.; BGHZ 52, 99, 103.
108
§ 4 Die Rechtsstellung des Pfandgläubigers
des § 1258 I BGB auf die Miterbengemeinschaft angewandt wurde, obgleich die Art der Vermögensbeteiligung bei der Miteigentums- und der Gesamthandsgemeinschaft unterschiedlich ausgestaltet ist: Bezugspunkt der Berechtigung des Gesamthänders ist das gesamte Vermögen, jedem Gesamthänder gehört die ganze Sache, beschränkt durch das gleiche Recht der anderen Gesamthänder; hingegen erschöpft sich die Bruchteilszuständigkeit in der Gemeinschaft am konkreten Gegenstand274. Als Begründung für das Ergebnis des RG ließe sich heranziehen, der Regelungsinhalt des § 1258 I BGB passe auch auf die Gesamthandsgemeinschaft. Obwohl das Pfandrecht dem Gläubiger nur eine Sicherheit gewähren soll, und die Parteien i.d.R. davon ausgehen, dass es nicht zu einer Verwertung kommen wird, gewährt das Gesetz dem Pfandnehmer in § 1258 I BGB sehr weitreichende Verwaltungsbefugnisse, um eine wertmäßige Verschlechterung des Pfandgegenstands zu verhindern. Grundsätzlich ist dieser dem Schutz des Pfandgläubigers dienende Grundgedanke auch auf die Verpfändung der Mitgliedschaft in der AG übertragbar. Trotzdem ist eine Heranziehung der Norm abzulehnen. Mag mit dem RG eine Anwendung des § 1258 I BGB auf die Miterbengemeinschaft noch gerechtfertigt erscheinen, so verbietet sie sich auf jegliche Gesellschaft. Es fehlt an der für eine Analogie erforderlichen Rechtsähnlichkeit der Gesellschaft zur Bruchteilsgemeinschaft. Der entscheidende und grundlegende Strukturunterschied ist darin zu erblicken, dass das Gesellschaftsvermögen nicht als gebundenes Vermögen der Gesamthänder, sondern als Vermögen eines eigenständigen Rechtssubjekts, der Gesellschaft anzusehen ist. Insofern ist bei ihr ein geringerer dinglicher Bezug zum zu verwaltenden Gegenstand als bei der Bruchteils- oder der Gesamthandsgemeinschaft gegeben. Für die AG steht dies wegen § 1 I 1 AktG außer Zweifel. Gleiches muss aber nach der Anerkennung ihrer Teilrechtsfähigkeit durch die höchstrichterliche Rechtsprechung275 auch für die GbR gelten, zumal in einer weiteren Entscheidung der BGH die Strukturunterschiede zwischen dieser Gesellschaftsform und der Miterbengemeinschaft besonders betont hat276. Bei girosammelverwahrten Aktien kommt zudem eine Anwendung des § 1258 I BGB über § 1293 BGB bei Inhaberaktien und § 1273 II 1 BGB bei Namensaktien in Betracht, weil das dingliche Recht ja an einem Miteigentums274
BGH WM 1984, S. 873; Münchener Kommentar BGB, Schmidt, § 741, Rn. 6. BGHZ 146, 341. 276 BGH NJW 2002, S. 3389. In der Entscheidung begründet der BGH ausführlich, weshalb er der Miterbengemeinschaft anders als der GbR die Anerkennung der Rechtsfähigkeit versagt. Wegen der mangelnden Vergleichbarkeit zur Miterbengemeinschaft lehnt die h.M. in der Literatur seit jeher eine Anwendung des § 1258 I BGB auf die GbR ab. So Flume , Personengesellschaft, S. 369; Rupp/Fleischmann, Pfändung von Gesellschaftsanteilen, Rechtspfleger 1984, S. 227; Ulmer, GbR, § 719, Rn. 45. 275
Α. Einwirkungsmöglichkeiten auf Gesellschaferbeschlsse
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anteil bestellt wird. Jedoch kann auch dieser Ansatz nicht zu der Annahme eines Stimmrechts des Pfandgläubigers führen. Denn über § 1258 I BGB werden dem Pfandnehmer nur die Befugnisse aus den gemeinschaftsrechtlichen Regelungen der §§ 741 ff. BGB zuerkannt, die darüber hinaus weitgehend durch die Vorschriften des DepotG abbedungen sind. Von den Regeln der Verwaltung der Aktienurkunden streng zu unterscheiden sind indes die aktiengesetzlichen Vorschriften, die die mitgliedschaftliche Stellung des Aktionärs und somit auch sein Stimmrecht festlegen. Damit existiert keine ausdrückliche gesetzliche Regelung, die einer der Pfandrechtsparteien die Ausübung des Stimmrechts zuweist. Es entspricht aber der einhelligen Auffassung in der aktienrechtlichen Literatur, dass sowohl das Stimmrecht als auch das Recht auf Hauptversammlungsteilnahme beim Aktionär verbleiben277. Allein mit der Bedeutung des Stimmrechts für die Rechtsstellung des Aktionärs lässt sich diese Position nicht begründen, da bei der Bestellung anderer dinglicher Rechte wie dem Nießbrauch sich gerade zahlreiche Vertreter der Literatur für eine Zuständigkeit des dinglichen Rechtsinhabers bei der Stimmrechtsausübung aussprechen278. Letztlich lassen sich vor allem zwei Gesichtspunkte für diese einhellige Auffassung beim Pfandrecht anführen: Zum einen sein Inhalt. Das Pfandrecht gibt dem Pfandnehmer nur das Recht, aus dem verpfändeten Gegenstand Befriedigung für seine Forderung zu verlangen. Es verschafft ihm weder ein Nutzungs- noch ein Mitverwaltungsrecht, ihn trifft lediglich eine Verwahrungspflicht (§1215 BGB). Hingegen steht dem Nießbraucher ein umfassendes Nutzungsrecht an der belasteten Sache zu. Es ist also darauf abzustellen, dass die Verpfändung in stärkerer Weise als der Nießbrauch sich ausschließlich auf die vermögensrechtliche Seite der Mitgliedschaft i.S. einer Verwertung der Vermögenssubstanz bezieht. Zum anderen regelt für das deutsche Recht bei der Verpfändung von Rechten eine besondere Vorschrift die aufgeworfene Frage, inwieweit der Pfandgläubiger Einflussmöglichkeiten auf inhaltliche Änderungen des Pfandgegenstands hat, nämlich § 1276 BGB.
277 Großkommentar AktG, Mülbert, § 118, Rn. 50, Werner, § 129, Rn. 33; Hüffer, AktG, § 118, Rn. 15, § 133, Rn. 17; Kölner Kommentar AktG (1. Aufl.), Zöllner, § 134, Rn. 14; Münchener Handbuch GesR IV, Semler, § 38, Rn. 2; Münchener Kommentar AktG, Heider, § 12, Rn. 6; Wiedemann, Mitgliedschaftsrechte, S. 428; Würdinger, Aktienrecht, § 10 XII. Die höchstrichterliche Rechtsprechung hat sich zu dem Problem bei der AG noch nicht geäußert, lediglich bei der GmbH wurde bislang ein Stimmrecht des Pfandnehmers abgelehnt. So RGZ 139, 224,227 f. 278 Fleck, Festschrift Fischer, S. 125 f.; Flume, Personengesellschaft, S. 359 ff.; Hachenburg, Hüffer, GmbHG, §47, Rn. 51. Vgl. zu dieser Frage ausführlich Scharff Nießbrauch an Aktien, S. 89 ff.; Schön, Nießbrauch an Gesellschaftsanteilen, ZHR 1994, S. 251 ff. Der BGH NZG 2002, S. 150 hat ein Stimmrecht des Nießbrauchers am GbR-Anteil für Grundlagengeschäfte abgelehnt.
§ 4 Die Rechtsstellung des Pfandgläubigers
110
II. Das Zustimmungsrecht gemäß § 1276 BGB bei Gesellschafterbeschlüssen 1. Problemstellung Der Wert des Pfandrechts kann durch eine Vielzahl gesellschaftlicher Maßnahmen beeinträchtigt werden. Von seiner den Pfandgläubiger schützenden Zielrichtung her soll § 1276 BGB solchen Handlungen entgegenwirken. Gleichwohl ist eine Anwendung der Vorschrift auf die Verpfändung gesellschaftlicher Mitgliedschaften erheblichen Problemen unterworfen. So kann nach Auffassung des RG 279 § 1276 II BGB nicht für Rechtsänderungen gelten, „die sich auf dem Wege der körperschaftlichen Willensbildung und damit auf sozialrechtlicher Grundlage vollziehen". Damit spricht das RG einen Grundkonflikt an, der die Anwendung des § 1276 BGB auf die Verpfändung von Gesellschaftsanteilen bestimmt. Dem in der Vorschrift verwirklichten Prinzip des notwendigen Schutzes des Pfandgläubigers steht der gesellschaftsrechtliche Grundsatz der Verbandssouveränität gegenüber, welcher die Selbstbestimmung der Gesellschafter bei der Regelung der gesellschaftlichen Angelegenheiten betont. Welche Folgerungen aus der RG-Entscheidung sowie aus dem beschriebenen Grundkonflikt zu ziehen sind, ist in der Literatur höchst umstritten. Stellungnahmen dazu finden sich vor allem in Bezug auf die Verpfändung von GmbH-Anteilen, wobei regelmäßig kein einheitlicher Ansatz entwickelt, sondern zwischen verschiedenen Maßnahmen differenziert wird 280 . Diskutiert wird die Problematik auch im Recht der Personengesellschaft. Hier reicht das Meinungsbild von einem sehr weiten Anwendungsbereich des § 1276 BGB 281 bis zu einer Anwendbarkeit nur bei Rechtsänderungen, die lediglich das Recht des verpfändenden Gesellschafters oder einzelner Gesellschafter betreffen 282. Nähere Ausführungen zu dem Thema bei der AG finden sich bislang nur bei Wiede283
mann
279
RGZ 139, 224,229 f. (in Bezug auf die GmbH). Baumbach/Hueck, Hueck/Fastrich, GmbHG, § 15, Rn. 49; Erman, Küchenhoff/Michalski, BGB, § 1276, Rn. 6; Münchener Kommentar BGB, Damrau, § 1274, Rn. 60 ff.; Palandt, Bassenge, BGB, § 1276, Rn. 4; Roth/Altmeppen, Altmeppen, GmbHG, § 15, Rn. 62 f.; Roth,, Verpfändung von Gesellschaftsanteilen, ZGR 2000, S. 220, 216 ff.; Scholz, Winter, GmbHG, § 15, Rn. 168 ff. 281 Bülow, Kreditsicherheiten, Rn. 672 f.; Hadding, Mitgliedschaft, S. 52 f. 282 Flume, Personengesellschaft, S. 369 Fn. 74, 363 f. Sehr einschränkend auch Rümker, Kreditsicherung, WM 1973, S. 630 f.; Rümker/Büchler, Festschrift Claussen, S. 338 ff. mit Überblick über den Meinungsstand im Recht der Personengesellschaft. 283 Mitgliedschaftsrechte, S. 428 ff. 280
Α. Einwirkungsmöglichkeiten auf Gesellschaferbeschlsse
2. Die Tatbestandsvoraussetzungen
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des § 1276 BGB
Eine Lösung des aufgezeigten Grundkonflikts hat sich zunächst an den Tatbestandsvoraussetzungen des § 1276 BGB zu orientieren, um überhaupt feststellen zu können, wie weit bei einer grundsätzlichen Bejahung der Anwendbarkeit des § 1276 BGB die Einflussmöglichkeiten eines Pfandnehmers reichen, und damit das Prinzip der Verbandssouveränität betroffen ist. a) Die beeinträchtigende Rechtsänderung i.S.d. § 1276 II BGB aa) Der Begriff der Rechtsänderung Besteht ein Pfandrecht an einer Mitgliedschaft in der AG, sind auf der Ebene der Hauptversammlung zahlreiche Maßnahmen denkbar, die den wirtschaftlichen Wert des Pfandrechts beeinträchtigen können. Im Zusammenhang mit § 1276 II BGB von Bedeutung ist dabei eine Einteilung in zwei Gruppen, nämlich in satzungsändernde und nicht satzungsändernde Beschlüsse. In der zweiten Gruppe ist vor allem der Beschluss über der Verwendung des Bilanzgewinns (§ 119 I Nr. 2 AktG) zu nennen. Kommt es danach zu einer Gewinnausschüttung an die Aktionäre, ist das Pfandrecht insofern in seinem Wert verringert, als wirtschaftliche Substanz dem in der Mitgliedschaft verkörperten Gesellschaftsvermögen entzogen wird. Ebenso kann es sich verhalten hinsichtlich der Festlegung der Höhe der Aufsichtsratsvergütung (§ 113 I 2, II AktG) oder der Geltendmachung von Ersatzansprüchen (§ 147 I 1 AktG). Trotz der Bedeutung dieser Beschlüsse für den Pfandnehmer besteht kein Zustimmungsrecht, da keine Inhaltsänderung nach § 1276 II BGB gegeben ist. Bei der Frage nach dem Vorliegen einer Inhaltsänderung kommt dem Gegenstand der Pfandrechtsbestellung die entscheidende Bedeutung zu. Erforderlich ist, dass der Hauptversammlungsbeschluss die mitgliedschaftliche Stellung des Aktionärs berührt 284. Dies kommt im Regelfall nur bei satzungsändernden Maßnahmen, nicht jedoch bei rein tatsächlichen Fragen wie der absoluten Höhe des auszuschüttenden Gewinns in Betracht. In dieser Blickrichtung kann der satzungsändernde Hauptversammlungsbeschluss von seiner rechtlichen Natur her eine Verfügung darstellen, weil er das Mitgliedschaftsrecht inhaltlich verändern kann. Aus dem Gesagten folgt unmittelbar, dass ein Zustimmungsrecht nicht gegeben sein kann bei Maßnahmen, die von anderen Organen als der Hauptver284
Dieser Gesichtspunkt wird in der Diskussion über § 1276 BGB zum Teil außer Betracht gelassen, wenn etwa Roth, Verpfändung von Gesellschaftsanteilen, ZGR 2000, S. 217 formuliert: „Beschließen z.B. die Gesellschafter bei der Feststellung der Jahresbilanz durch vorsichtige Bewertung, keine Gewinne zu verteilen, so kann der Gläubiger seinen Schuldner daran hindern, daß er einem solchen Beschluß wirksam zustimmt."
112
§ 4 Die Rechtsstellung des Pfandgläubigers
Sammlung getroffen werden. Über die Ausgestaltung der Mitgliedschaft der einzelnen Gesellschafter können regelmäßig nur sie selbst entscheiden, weil ein Grundlagengeschäft vorliegt. So kann etwa kein Zustimmungsrecht bestehen bei Geschäftsführungsmaßnahmen, da insoweit eine Vorstandszuständigkeit gegeben ist (§ 76 I AktG) 285 . Dies gilt wegen des notwendigen inhaltlichen Bezugs der nach § 1276 II BGB zustimmungspflichtigen Maßnahme zur Mitgliedschaft ebenso bei der GmbH, bei der die Gesellschafterversammlung wegen §§ 37 1,46 Nr. 5 GmbHG ein Weisungsrecht hinsichtlich der Geschäftsführungsmaßnahmen innehat. Für den Pfandgläubiger bedeutsame Inhaltsänderungen des Mitgliedschaftsrechts sind vor allem Änderungen bei der Gewinnverteilungsquote (§ 60 III AktG), die Begründung von Nebenleistungspflichten zulasten des Verpfänders (§55 AktG), der Bezugsrechtsausschluss (§ 186 III AktG) oder Regelungen hinsichtlich der Festlegung des Einziehungs- (§ 237 II 3 AktG) sowie des Liquidationsentgelts (§ 271 AktG). Die getroffene Einteilung nach dem Kriterium der Satzungsänderung bedeutet nicht, dass nunmehr bei jeder satzungsändernden Maßnahme ein Zustimmungsrecht des Pfandnehmers bestünde. Denn nicht jede Satzungsänderung verändert die mitgliedschaftliche Stellung des Aktionärs wie die Beispiele der Festlegung des Sitzes der Gesellschaft (§§ 5, 23 III Nr. 1 AktG) oder der Firma (§§ 4,23 III Nr. 1 AktG) zeigen. Während indes die im vorhergehenden Absatz aufgezählten Maßnahmen die Frage der Vermögenssubstanz der AG betrafen, ist für die Frage der denkbaren Reichweite des Zustimmungsrechts und damit auch für den Gesichtspunkt, welches Gewicht im Verhältnis zu § 1276 BGB dem Prinzip der Verbandssouveränität zukommt, von Bedeutung, ob nach dem Kriterium der Inhaltsänderung ein Zustimmungsrecht bei Hauptversammlungsbeschlüssen über die strategische Ausrichtung der Gesellschaft bestehen kann. Eine wichtige Strukturentscheidung in der Gesellschaft stellt die Festlegung des Gegenstands des Unternehmens (§ 23 III Nr. 2 AktG) dar. Soll die Gesellschaft in einem Geschäftsfeld tätig werden, welches nicht unter den bisher festgelegten Unternehmensgegenstand fällt, besteht bei einem entsprechenden Hauptversammlungsbeschluss kein Zustimmungsrecht des Pfandgläubigers, weil die bisherige mitgliedschaftliche Stellung des Aktionärs unverändert bleibt, und sich nur das gesellschaftliche Tätigkeitsfeld ändert. Eine Inhaltsänderung ist hingegen bei einer Änderung des Verbandszwecks gegeben, wenn diese zu einem Rechtsformwechsel führt, da die mitgliedschaftlichen Rechte und Pflichten je nach Rechtsform bereits von Gesetzes wegen unterschiedlich ausgestaltet sind.
285 Auch wenn nach § 119 II AktG die Hauptversammlung über eine Geschäftsführungsmaßnahme entscheiden soll, besteht kein Zustimmungsrecht, da keine Satzungsänderung vorliegt.
Α. Einwirkungsmöglichkeiten auf Gesellschafìerbeschltlsse
113
Eine weitere bedeutsame Strukturentscheidung stellt der Abschluss eines Unternehmensvertrags nach § 293 I AktG dar. Auch hier muss nach dem Merkmal der Inhaltsänderung ein Zustimmungsrecht des Pfandnehmers bejaht werden. Ausgangspunkt für diese Beurteilung ist die Rechtsnatur eines Beherrschungsund Gewinnabführungsvertrags (§291 I AktG). Bei ihnen handelt es sich um Organisationsverträge, weil das Schwergewicht ihrer Wirkung nicht in der Begründung wechselseitiger Rechte und Pflichten der Vertragsparteien, sondern in der unmittelbaren Gestaltung der gesellschaftsrechtlichen Beziehungen zwischen der abhängigen Gesellschaft und den außenstehenden Gesellschaftern besteht286. Dass der Abschluss eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags zu einer tatsächlichen Beeinträchtigung des Vermögenswerts der Mitgliedschaft führen kann, weil der Gesellschaftszweck künftig am Konzerninteresse ausgerichtet ist (§ 308 I 2 AktG), und eine Weisungsbefugnis des herrschenden Unternehmens (§ 308 I 1 AktG) bei Maßnahmen der Geschäftsführung gegeben ist, steht außer Zweifel. Im Rahmen des § 1276 BGB von Interesse kann indes lediglich eine rechtliche Veränderung der Mitgliedschaft sein. Sowohl für die außenstehenden Aktionäre als auch für das herrschende Unternehmen287 ergibt sich die Inhaltsänderung beim Gewinnabführungsvertrag aus dem Umstand, dass ein Recht auf Gewinnbeteiligung nicht mehr besteht, weil nach dem Wortlaut des § 291 I 1 AktG der „ganze" Gewinn an das herrschende Unternehmen abzuführen ist. Schwieriger zu beurteilen ist die Situation beim Beherrschungsvertrag. Hier entspricht es allgemeiner Meinung, dass die außenstehenden Aktionäre in einem Vertragskonzern ihre Mitverwaltungsrechte weitgehend einbüßen288. Formalrechtlich betrachtet, verbleiben jedoch dem Aktionär seine bisherigen Verwaltungsrechte, nur sind sie aufgrund der Mehrheitsverhältnisse im Konzern praktisch bedeutungslos. Dass trotzdem von einer Inhaltsänderung auszugehen ist, gründet sich auf den Gesichtspunkt, dass die Ausübung der Verwaltungsrechte nicht mehr am Interesse der beherrschten Gesellschaft, sondern am Konzerninteresse und damit am Interesse eines anderen Rechtsträgers orientiert ist 289 , was den Inhalt insbesondere der Treuepflicht erheblich beeinflusst. 286
BGHZ 103, 1, 4 f.; Emmerich/Sonnenschein/Habersack, Konzernrecht, § 11 III 1; Münchener Kommentar AktG, Altmeppen, § 291, Rn. 25 ff.; Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 31 III 1 a. 287 Das Gesetz unterscheidet in den §§ 304-307 AktG zwischen dem anderen Vertragsteil, also dem herrschenden Unternehmen, und den außenstehenden Aktionären, zu denen grundsätzlich sämtliche Aktionäre mit Ausnahme des anderen Vertragsteils gehören. Vgl. Emmerich/Sonnenschein/Habersack, Konzemrecht, § 21 II 1 a. 288 BGHZ 138, 136, 138; Emmerich/Habersack, Konzernrecht, Emmerich, § 305, Rn. 1; Koppensteiner, Festschrift Ostheim, S. 421 f.; Münchener Kommentar AktG, Bilda, § 305, Rn. 2. 289 BVerfG 14, 263, 281 („Feldmühle"): „Ein wesentlicher Ausgangspunkt des Aktienrechts wird damit verlassen, nämlich die freie wirtschaftliche Betätigung des Unter-
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§ 4 Die Rechtsstellung des Pfandgläubigers
Es lässt sich daher festhalten, dass unter Zugrundelegung des Kriteriums der Inhaltsbestimmung ein Zustimmungsrecht des Pfandnehmers nicht nur bei Entscheidungen über die Vermögenssubstanz, sondern auch bei solchen über die strategische Ausrichtung der Gesellschaft besteht. Rechtsformübergreifend ausgeschlossen ist indes ein Zustimmungsrecht in Bezug auf Geschäftsführungsmaßnahmen. Hier liegt keine Inhaltsänderung der Mitgliedschaft vor. bb) Die Feststellung der Beeinträchtigung Das Tatbestandsmerkmal der Beeinträchtigung stellt ein den Einfluss des Pfandgläubigers auf die Inhaltsbestimmung des Rechts begrenzendes Merkmal dar. Im Hinblick auf das Prinzip der Verbandssouveränität kommt ihm bei der Verpfändung von Gesellschaftsanteilen eine besondere Bedeutung zu. So scheiden wegen dieses Tatbestandsmerkmals zahlreiche Satzungsänderungen aus, die zu einer Inhaltsänderung der Mitgliedschaft führen. Bei der Beurteilung, ob eine beeinträchtigende Maßnahme vorliegt, können jedoch erhebliche Schwierigkeiten auftreten. Diese beruhen auf der Komplexität des Pfandgegenstands. Im Gegensatz zu den anderen verpfändbaren Rechten besteht bei der Mitgliedschaft in der Gesellschaft eine Rechts- und Interessenbeziehung, die über das Zwei-Personen-Verhältnis von Gläubiger und Schuldner hinausreicht. So ist es etwa denkbar, dass die Rechtsstellung des verpfändenden Aktionärs durch Kürzung seiner Gewinnquote zugunsten eines anderen Anteilseigners deshalb nachteilig verändert wird, weil der andere Anteilseigner das Überleben der Gesellschaft durch eine Darlehenshingabe sichergestellt hat. Dieselbe Problematik ist gegeben, wenn der Hauptversammlungsbeschluss strategische Entscheidungen betrifft. So kann ein Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag für das Fortbestehen der Gesellschaft notwendig sein, weil der Mehrheitsaktionär dadurch seinen Einfluss auf das Handeta der Gesellschaft sicherstellen will. In diesen Fällen kann eine rechtlich nachteilige Änderung der mitgliedschaftlichen Stellung wirtschaftlich sinnvoll sein. Damit stellt sich die Frage, ob es bei der Auslegung des Tatbestandsmerkmals der Beeinträchtigung auf eine rechtliche oder eine wirtschaftliche Betrachtungsweise ankommt. Nähere Ausführungen dazu finden sich in den einschlägigen Kommentaren nicht. Meines Erachtens muss die rechtliche Betrachtung maßgeblich sein. Dies ergibt sich aus der inneren Struktur der Vorschrift, die von einem Grundbegriff des Sachenrechts, dem der Verfügung geprägt ist,
nehmens in der Richtung auf einen gemeinsamen Gesellschaftszweck der Aktionäre und die Konkretisierung dieses Zwecks auf Grund eines den Aktionären letzten Endes gemeinsamen Interesses. Diese Möglichkeiten sind im Konzern abgeschnitten; der Gesellschaftszweck wird durch das herrschende Unternehmen, also von außen bestimmt".
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indem an zwei Arten der Verfügung, die Aufhebung und die Inhaltsänderung, eine bestimmte Rechtsfolge geknüpft wird. Diese streng rechtliche Betrachtungsweise muss sich auch aus Rechtssicherheitsgründen bei der Auslegung des Merkmals der Beeinträchtigung fortsetzen, zumal das Sachenrecht von seinem Grundansatz her von einer größeren Strenge geprägt ist als andere Rechtsbereiche wie etwa das Schuldrecht, da der Typenzwang und die Typenfixierung gelten. Des Weiteren kann die Gesetzessystematik für diese Auslegung herangezogen werden. Der Begriff der Beeinträchtigung findet sich ebenso in § 2289 11 BGB. Auch bei dieser Norm wird auf rein rechtliche Kriterien abgestellt290. Hinzuweisen ist schließlich darauf, dass besonders in einer Fallgestaltung die Frage der rechtlichen Beeinträchtigung des Pfandrechts erheblichen Problemen unterworfen ist, nämlich bei der formwechselnden Umwandlung, bei der nach dem Identitätsgrundsatz (§ 202 I Nr. 1 UmwG) dieselbe Mitgliedschaft mit rechtlich verändertem Inhalt fortbesteht. Hier stellt sich beispielsweise die Frage, ob die Umwandlung eines AG- in einen GmbH- oder Personengesellschaftsanteil eine rechtliche Beeinträchtigung des Pfandrechts darstellt. Im Hinblick auf die Fungibilität der nicht vinkulierten Aktie sowie die persönliche Haftung bei der Personengesellschaft ließe sich dies durchaus bejahen. Bei der Frage nach dem Vorliegen einer Beeinträchtigung muss an diese die jeweilige Mitgliedschaft prägenden Merkmale angeknüpft werden. b) Die Rechtsaufhebung i.S.d. § 1276 I BGB aa) Die Einziehung des Anteils Bedeutung hat die Regelung des § 1276 I BGB im Aktienrecht zunächst für die Einziehung von Aktien (§ 237 AktG). Eine Rechtsaufhebung liegt vor, weil die Einziehung nach § 238, 3 AktG zu einer Vernichtung der Mitgliedschaft führt. Im Rahmen des § 1276 I BGB ist zwischen den drei verschiedenen Arten der Einziehung zu unterscheiden. Bei der angeordneten Zwangseinziehung, bei der die Satzung genau die Gründe der Einziehung und ihre Rechtsfolgen, insbesondere auch das Einziehungsentgelt bestimmt, besteht kein Zustimmungsrecht des Pfandnehmers. Dies folgt zum einen aus § 237 VI 1 AktG, wonach ein die Anwendung des § 1276 BGB auslösender Hauptversammlungsbeschluss nicht erforderlich ist, sondern an seine Stelle ein Vorstandsbeschluss treten kann (§ 237 VI 2 AktG). Zum anderen ergibt sich dies aus dem Grundsatz, dass ein Pfandgläubiger die Beschränkungen gegen sich gelten lassen muss, die im Zeitpunkt der Bestellung des dinglichen Rechts bereits bestanden. Andererseits 290 BGHZ 26, 204, 214; Brox, Erbrecht, Rn. 157; Lange/Kuchinke, Erbrecht, § 25 VI 2 a ß; Münchener Kommentar BGB, Musielak, §2289, Rn. 10; Siebert, Festschrift Hedemann, S. 248 ff.
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sind eine Inhaltsänderung und ein Zustimmungsrecht gegeben, wenn die Einziehungsklausel erst nach der Verpfändung in die Satzung aufgenommen wird. Problematischer ist die Rechtslage bei der gestatteten Zwangseinziehung, bei der die Einziehung in der Satzung auch gegen den Willen des Aktionärs zugelassen ist, ohne ihre Gründe zu benennen. Insofern ist die Rechtslage strenger als bei der GmbH, bei der die Gründe für eine Einziehung gegen den Willen des Gesellschafters nach § 34 II GmbHG näher bestimmt sein müssen291. Bei der gestatteten Zwangseinziehung ist nach §§ 237 II 1, 222 I AktG ein Hauptversammlungsbeschluss unabdingbar. Zwar erscheint das Versagen eines Zustimmungsrechts insofern problematisch, als die Einziehung letztlich im Ermessen der Hauptversammlung liegt, genauso wie etwa ein Beschluss über die Veränderung der Gewinn Verteilungsquote, bei dem ja ein Zustimmungsrecht bejaht wurde. Ein wesentlicher Unterschied zwischen den beiden Fallgestaltungen liegt jedoch darin, dass eine Änderung der Gewinnverteilungsquoten jederzeit in der Satzung beschlossen werden kann, eine Einziehung hingegen nur, falls eine entsprechende Ermächtigung in der Satzung vorliegt. Auch in diesem Fall wirkt sich aus, dass das Recht quasi belastet mit der Befugnis zur Zwangseinziehung erlangt wurde, die im Aktienrecht im Vergleich zum GmbH-Recht nur weiter gefasst werden kann. Zudem besteht ein gewisser Schutz des Pfandgläubigers darin, dass die Ausübung der Einziehungsbefugnis bei der bloß gestatteten Zwangseinziehung entsprechend der für den Bezugsrechtsausschluss geltenden Grundsätze im Einzelfall im Interesse der Gesellschaft sachlich gerechtfertigt sein muss292. Nach h.M. 293 wird eine Einziehung auch zugelassen, wenn eine entsprechende Ermächtigung in der Satzung nicht enthalten ist, der betroffene Aktionär der Einziehung seiner Aktien aber zustimmt. Begründet wird dies mit der Freiwilligkeit der Entscheidung des betroffenen Gesellschafters sowie dem Rechtsgedanken des § 180 II AktG, gemäß dem eine Verschlechterung der Rechtsstellung des betroffenen Aktionärs, nämlich die Vinkulierung auch mit seiner Zustimmung möglich ist. Da in diesem Fall der Untergang der Mitgliedschaft ausschließlich auf nach der Verpfändung entstandenen Umständen beruht, sind die Voraussetzungen des § 1276 I BGB erfüllt. 291 Wenn daher ein Zustimmungsrecht des Pfandgläubigers im GmbH-Recht bei der Zwangseinziehung verneint wird (Hachenburg, Ulmer, GmbHG, § 34, Rn. 58; Münchener Kommentar BGB, Damrau, § 1274, Rn. 66), ist dies aus der Sicht des dinglich Berechtigten weniger problematisch. 292 Grunewald, Ausschluss, S. 232 f.; Münchener Handbuch GesR IV, Krieger, § 62, Rn. 11. 293 Geßler/Hefermehl, Hefermehl, AktG, § 237, Rn. 11; Hüffer, AktG, § 237, Rn. 8; Kölner Kommentar AktG, Lutter, § 237, Rn. 30; Münchener Kommentar AktG, Oechsler, § 237, Rn. 24. A.A. Münchener Handbuch GesR IV, Krieger, § 62, Rn. 6.
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Neben der Einziehung sind im Aktienrecht weitere Fälle für eine Anwendung des § 1276 I BGB denkbar. Bei der verschmelzenden Umwandlung ist ebenfalls nach §§ 65, 73 UmwG ein Hauptversammlungsbeschluss erforderlich. Da gemäß § 20 I Nr. 2 UmwG mit der Eintragung der Verschmelzung im Handelsregister der übertragende Rechtsträger erlischt, geht auch automatisch die Mitgliedschaft unter. bb) Die Auflösung der Gesellschaft Die Anwendbarkeit des § 1276 I BGB bereitet des Weiteren Probleme bei der Auflösung durch Hauptversammlungsbeschluss (§ 262 I Nr. 2 AktG). Denn einerseits stellt die Auflösung im Wesentlichen lediglich eine bloße Änderung des Gesellschaftszwecks dar 294 , welche ein Zustimmungsrecht nicht auslösen kann. Zudem könnte im Wege einer weiteren Zweckänderung jederzeit die Fortsetzung der Gesellschaft beschlossen werden (§ 274 I AktG). Auf der anderen Seite ist es Ziel des Beschlusses, die Voraussetzungen für die Beendigung der Gesellschaft als juristischer Person und damit für einen Untergang der Mitgliedschaft zu schaffen. Dieser Gesichtspunkt muss bei der Beurteilung im Rahmen des § 1276 I BGB im Vordergrund stehen. Denn zur Vollbeendigung der AG durch die vollständige Vermögensverteilung und das Löschen im Handelsregister (§ 273 I AktG) 295 ist kein weiterer Hauptversammlungsbeschluss mehr erforderlich, so dass andernfalls bei einer ernsthaften Verfolgung des Liquidationszwecks durch die Gesellschaft entgegen der gesetzlichen Regelung des § 1276 I BGB die Möglichkeit einer Aufhebung des Rechts ohne Mitwirkung des Pfandnehmers bestünde. Zudem stellt sich im Zusammenhang mit § 262 I Nr. 2 AktG die Frage, ob einem Zustimmungsrecht des Pfandnehmers das Prinzip entgegensteht, dass dieser die Beschränkungen gegen sich gelten lassen muss, die im Zeitpunkt der Verpfändung bereits bestanden. Denn die Befugnis, die Gesellschaft durch schlichten Beschluss zur Auflösung zu bringen, ist Bestandteil der Normalverfassung einer AG. Somit stellt der Auflösungsbeschluss keine Satzungsänderung dar 296. Dem steht auch nicht der Umstand entgegen, dass die Auflösung regelmäßig als Zweckänderung begriffen wird. Denn zu unterscheiden ist zwi294
Beierstedt, Gemeinsamer Zweck, JuS 1963, S. 257; Kraft/Kreutz, Gesellschaftsrecht, S. 64; Münchener Kommentar AktG, Hüjfer, § 262, Rn. 12. 295 Ob zur Vollbeendigung der AG die Löschung im Handelsregister erforderlich ist (so Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 11 V 6) oder dieser nur eine deklaratorische Wirkung zukommt (so vor allem die Rechtsprechung: RGZ 109, 387, 391; BGHZ 53, 264, 266), ist strittig. Vgl. ausführlich Hönn, Löschung, ZHR 1974, S. 50 ff. 296 RGZ 65, 264, 266; BayObLG GmbHR 1995, S. 54; Baumbach/Hueck, SchulzeOsterloh, GmbHG, § 60, Rn. 18; Kölner Kommentar AktG (1. Aufl.), Kraft, § 262, Rn. 24; Scholz, Schmidt, GmbHG, § 60, Rn. 14.
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sehen dem Zweck des Liquidationsverfahrens und dem des aufgelösten Verbands. Der Liquidationszweck ist bloßer Verfahrenszweck und tritt nicht an die Stelle des Verbandszwecks oder des Unternehmensgegenstands, er überlagert lediglich beide297. Trotzdem ist von einer Zustimmungspflicht des Pfandgläubigers nach § 1276 I BGB auszugehen. Denn dass ein Recht durch übereinstimmende Willenserklärungen der Parteien bzw. die Mitgliedschaft durch einen Gesellschafterbeschluss, der die gesetzlich festgelegten Mehrheitserfordernisse aufweist, aufgehoben werden kann, ergibt sich als allgemeiner Grundsatz aus der Privatautonomie. Die Möglichkeit der Rechtsaufhebung ist damit jeglichem Recht bereits im Zeitpunkt der Verpfändung immanent. Diese privatautonome Möglichkeit der Parteien und damit auch des Verpfänders zur Rechtsaufhebung will § 1276 I BGB im Interesse des Pfandnehmers gerade beschränken. Auch ergibt sich kein Widerspruch zur Verneinung eines Zustimmungsrechts bei der Zwangseinziehung. Denn hierbei handelt es sich nicht um einen Normalbestandteil der Verfassung einer AG, da die Möglichkeit zur Zwangseinziehung ausdrücklich statuarisch festgelegt sein muss. Zudem stellt sie vom gesetzlichen Leitbild her keine Fallgestaltung dar, die die Regelung des § 1276 I BGB im Auge hat, weil der Untergang der Mitgliedschaft regelmäßig gegen den Willen des betroffenen Aktionärs erfolgt. Von ihrer Zweckrichtung her kann die Einziehung gerade der Entfernung unliebsamer Aktionäre wie bei der Veräußerung oder der Vererbung an Familienfremde in einer Familien-AG sein298. 3. Die Grenzen des Zustimmungsrechts a) Die Kausalität der Stimmmacht des Verpfänders Obwohl die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 1276 BGB erfüllt sind, besteht kein Zustimmungsrecht des Pfandgläubigers, wenn die Aufhebung oder die Inhaltsänderung auf einem Hauptversammlungsbeschluss beruhen, der ohne Zustimmung des verpfändenden Aktionärs wirksam werden konnte299. Diese Beschränkung ergibt sich aus der Funktion des § 1276 BGB. Danach soll die rechtsgeschäftliche Verfügungsbefugnis des Verpfänders zugunsten des Pfandgläubigers eingeschränkt werden 300. Kann dieser aber die Inhaltsänderung oder die Aufhebung der Mitgliedschaft durch sein Stimmverhalten nicht verhindern, kann dem Pfandgläubiger im Vergleich zum Vollrechtsinhaber kein Mehr an Verfügungsbefugnis zustehen. Es würde außer Acht gelassen, dass dem be297
Paura, Liquidation, S. 19 ff.; Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 11 V 4 c. Hüffer, AktG, § 237, Rn. 4; Kölner Kommentar AktG, Lutter, § 237, Rn. 13; Lutter, Festschrift Vieregge, S. 615; Reinisch, Ausschluss, S. 20. 299 Hadding, Mitgliedschaft, S. 53; Wiedemann, Mitgliedschaftsrechte, S. 429. 300 Staudinger, Wiegand, BGB, § 1276, Rn. 1. 298
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schränkt dinglichen Rechtsinhaber regelmäßig nur einzelne Befugnisse aus dem Vollrecht zugestanden werden und er daher nur solche abgeleiteten Befugnisse innehat, die auch dem Vollrechtsinhaber zustehen können. Dieses Grundprinzip des Verhältnisses von beschränkt dinglichem Recht und Vollrecht steht auch hinter der Vorschrift des § 1276 BGB. Weil der Vollrechtsinhaber die Aufhebung oder nachteilige Inhaltsänderung hätte verhindern können, soll diese Rechtsmacht auch dem Pfandgläubiger zustehen. Nach dem Grundfall des § 1276 BGB besteht lediglich ein Zwei-Personen-Verhältnis, so dass regelmäßig eine Zustimmung des Verpfänders zur Rechtsänderung erforderlich sein wird. Die hier gegebene Schwierigkeit resultiert aus einer Besonderheit des Gesellschaftsrechts, nämlich der Zulassung von Mehrheitsentscheidungen, die gegen den Willen des verpfändenden Inhabers eine Rechtsänderung bewirken können. Diese Schranke für eine Anwendbarkeit des § 1276 BGB ist sehr bedeutsam, weil nur die Verpfändung von Mitgliedschaften eine Zustimmungspflicht auslösen kann, denen eine erhebliche Stimmmacht zumindest in der Größenordnung einer Sperrminorität bezogen auf die konkrete Hauptversammlungspräsenz zukommt301. b) § 1287 BGB In der gesellschaftsrechtlichen Literatur wird die Meinung vertreten, § 1276 BGB solle nicht zur Anwendung kommen, soweit die Surrogation nach § 1287 BGB analog reicht 302. Grundsätzlich ist diesem Ansatz zuzugestehen, dass nach dem direkten Anwendungsbereich beider Vorschriften ein Exklusivitätsverhältnis besteht, und dass daraus die Entscheidung des Gesetzgebers abgeleitet werden könnte, zugunsten des Pfandgläubigers jeweils nur einen Schutzmechanismus zur Verfügung zu stellen. Das Exklusivitätsverhältnis zwischen den beiden Normen ist gegeben, weil in den Fällen des § 1287 BGB der Untergang des bisherigen Belastungsgegenstands auf der gesetzlichen Erfüllungswirkung des § 362 I BGB und nicht wie bei § 1276 I BGB auf einer rechtsgeschäftlichen Verfügung über den Pfandgegenstand beruht. Dagegen ist bei § 1287 BGB Gegenstand der Verfügung, die die gesetzliche Erfüllungswirkung herbeiführt, nicht der Pfandgegenstand, sondern der Inhalt der belasteten Forderung. Der Grund, weshalb bei der Verpfändung der Mitgliedschaft in der AG die beiden Regelungen vor allem im Fall der Auflösung nach § 262 I Nr. 2 AktG 301
Da § 179 II 1 AktG das Erfordernis einer Kapitalmehrheit von drei Vierteln des bei der Beschlussfassung vertretenen Kapitals fordert, ist für eine Sperrminorität bei einer Präsenz von 100% eine Beteiligung von mehr als 25% erforderlich. Bei einer entsprechend geringen Hauptversammlungspräsenz kann aber auch ein erheblich geringerer Kapitalanteil ausreichen. 302 Roth, Verpfändung von Gesellschaftsanteilen, ZGR 2000, S. 220,218.
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und der Verschmelzung nebeneinander zur Anwendung gelangen303, liegt in der entsprechenden Anwendung des Surrogationsprinzips, welches nach dem direkten Anwendungsbereich des § 1287 BGB beschränkt ist auf Rechte, die auf Erlöschen oder Wandlung304, nicht aber wie bei der Gesellschaft auf dauerhaftes Bestehen angelegt sind. Indes ist es dogmatisch bedenklich, eine direkt anwendbare Norm deshalb für unanwendbar zu halten, weil die durch die Vorschrift geschützte Person in geringerem Umfang auch durch die entsprechende Anwendung einer anderen Regelung geschützt ist. Vertretbar ist dieser Lösungsansatz somit nur, falls man wegen des Prinzips der Verbandssouveränität § 1276 BGB im Grundsatz unangewendet lassen will. Der geringere Schutzumfang über das Surrogationsprinzip des § 1287 BGB analog sei am Beispiel der Verschmelzung als Anwendungsfall des § 1276 I BGB exemplarisch erläutert. Insoweit könnte man an eine teleologische Reduktion des § 1276 I BGB denken. Denn hinter ihr steht der Gedanke, dass eine Aufhebung des Rechts automatisch auch zu einem Verlust der dinglichen Sicherheit führt. Dies erklärt, warum der Gesetzgeber in Absatz 1 im Unterschied zu Absatz 2 auf das Merkmal der Nachteiligkeit verzichten konnte. Eine solche Nachteiligkeit scheidet jedoch nicht schon wegen der Fortsetzung des Pfandrechts am Surrogat, nämlich an den Anteilen am übernehmenden bzw. neu gegründeten Rechtsträger (§ 20 I Nr. 3 UmwG) aus, da sie sich im Übrigen aus einer Veränderung der Beteiligungsstruktur ergeben kann (§812 UmwG). c) Das Prinzip der Verbandssouveränität Zieht man die Konsequenz aus der anfangs zitierten RG-Entscheidung, ist die Regelung des § 1276 BGB bei der Verpfändung der Mitgliedschaft in der AG weitgehend bedeutungslos, da im Regelfall die Inhaltsänderung der Mitgliedschaft eine Satzungsänderung voraussetzt, nach dem RG indes genau in diesem Fall § 1276 BGB nicht zur Anwendung gelangen kann305. Bedeutung hätte die Vorschrift damit nur bei der freiwilligen Einziehung und dem Auflösungsbeschluss nach § 262 I Nr. 2 AktG. Lediglich Absatz 1 des § 1276 BGB käme zur Anwendung, nicht aber sein Absatz 2.
303 Über § 1287 BGB analog setzt sich das Pfandrecht am Liquidationserlös bzw. an der neuen Mitgliedschaft fort. 304 Vgl. zum Grund der Surrogation bei § 1287 BGB Wolf, Surrogation, JuS 1976, S. 33 f. 305 Die Anwendung des § 1276 BGB auf Satzungsänderungen wird in der Literatur ganz überwiegend verneint. So Baumbach/Hueck, Hueck/Fastrich, GmbHG, § 15, Rn. 49; Hachenburg, Zutt, GmbHG, Anh. § 15, Rn. 44; Müller, Verpfändung von GmbHAnteilen, GmbHR 1969, S. 7 f.; Rowedder, Rowedder/Bergmann, GmbHG, § 15, Rn. 96; Scholz, Winter, GmbHG, § 15, Rn. 168.
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Dogmatischer Hintergrund dieser sehr einschränkenden Auffassung ist das Prinzip der Verbandssouveränität. Dieser Grundsatz betrifft die Frage, welchen Einfluss Dritte auf den Willensbildungsprozess in der Gesellschaft nehmen können. In seinem Kern begründet er nach h.M. eine grundsätzliche Alleinzuständigkeit der Gesellschafter bei der Vertrags- und Satzungsgestaltung306. Speziell bei der AG wird dieses Prinzip mit dem Grundsatz der Satzungsstrenge (§ 23 V AktG) und der sich daraus ergebenden zwingenden Kompetenzverteilung begründet307. Verwiesen wird des Weiteren auf die Rechtsnatur der Satzung. Da diese ein körperschaftlicher Organisationsvertrag sei, der sich darauf beschränke, die innergesellschaftlichen Rechtsbeziehungen auszugestalten, könnten in ihr eigenständige, Dritten zustehende Rechte nicht begründet werden308. Seine allgemeine und letztlich tragende Grundlage findet dieses Prinzip in dem Gedanken, dass über den Verband nur bestimmen können soll, wer auch die mit der Mitgliedschaft verbundenen Pflichten auf sich genommen hat und ihre Risiken trägt 309. Angesprochen ist damit zum einen das Verbot des Vertrags zulasten Dritter, das auch bei sonstigen Vertragsverhältnissen gilt. Zum anderen wird vor allem auf die Treuepflicht Bezug genommen, der insofern eine disziplinierende Wirkung bei der gesellschaftlichen Willensbildung zukommt, als ihre Verletzung zu einer Schadensersatzpflicht aus § 280 I BGB führt. Somit ist nur bei denjenigen, die diese Pflicht trifft, ein dem Gesellschaftsinteresse entsprechendes Abstimmungsverhalten gewährleistet. Da aber die Treuepflicht Ausfluss der mitgliedschaftlichen Beteiligung in der Gesellschaft ist, kann einen Nichtgesellschafter, dem ein Stimmrecht zukommt, diese Pflicht nicht treffen 310. Aus diesem Grund unterliegt der Pfandgläubiger bei der Ausübung seines Zustimmungsrechts nach § 1276 BGB nicht der Treuepflicht und damit auch keinem Haftungsrisiko, wenn man von dem auf Extremfälle beschränkten § 826 BGB absieht. Somit kann er sich in seinem Willensbildungsprozess vollständig von seinem Gläubigerinteresse leiten lassen. Für die AG kann sich ein Argument für die Zulässigkeit eines Dritteinflusses auf Satzungsänderungen auch nicht aus der Regelung des § 179 II 3 AktG ergeben, wonach statuarisch zusätzliche Erfordernisse für eine Satzungsänderung aufgestellt werden können. Auch diese Norm wird vor dem Hintergrund des Grundsatzes der notwendigen körperschaftlichen Selbstbestimmung ausgelegt311. 306 Herfs, Willensbildungsprozess, S. 53 ff.; Mertens, Festschrift Stimpel, S. 420 f.; Priester, Festschrift Werner, S. 663; Wiedemann , Festschrift Schilling, S. 112; Zöllner, 100 Jahre GmbHG, S. 119 f. 307 Kölner Kommentar AktG, Zöllner, § 179, Rn. 40, 143, 170. 308 Ulmer, Festschrift Werner, S. 916 ff. 309 Priester, Festschrift Werner, S. 663; Wiedemann, Festschrift Schilling, S. 111 f. 310 So für den Stimmrechtsbevollmächtigten in der Hauptversammlung einer AG BGH NJW 1995, S. 1739,1742 („Girmes"). 311 Hüffer, AktG, § 179, Rn. 23.
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Problematisch an dem geschilderten Ansatz ist die einseitige Betonung der Interessen der Gesellschaft und ihrer Mitglieder. Dagegen gibt es in einer Reihe von Fallgestaltungen ein dringendes Bedürfnis für einen Schutz des Pfandnehmers über § 1276 BGB. So kann der Wert des Gesellschaftsanteils durch eine Veränderung der Gewinnverteilungsquoten sowie eine Herabsetzung des Einziehungs- oder Liquidationsentgelts erheblich beeinträchtigt werden. Für den Pfandgläubiger des herrschenden Gesellschafters extrem benachteiligend kann auch der Abschluss eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags sein. Denn die Mitgliedschaft in der beherrschten Gesellschaft ist durch die fehlende Gewinnausschüttung und die Ausrichtung am Konzerninteresse erheblich entwertet. Anders als dem außenstehenden Aktionär stehen dem herrschenden Gesellschafter auch keine kompensierenden Ansprüche aus §§ 304, 305 AktG zu. Der Kern der vorliegenden Problematik besteht darin, dass § 1276 BGB einen gesetzgeberisch angeordneten Fall der Einflussmöglichkeit eines Dritten auf den gesellschaftlichen Willensbildungsprozess darstellt. Dem Prinzip der Verbandssouveränität müsste deshalb als gesellschaftsrechtlichem Grundsatz ein besonderes Gewicht gegenüber dieser allgemein bürgerlichrechtlichen Anordnung von Dritteinfluss zukommen. In diesem Zusammenhang ist von Bedeutung, dass das Prinzip der Verbandssouveränität in der dargestellten sehr strengen Ausgestaltung nicht unumstritten ist. So wird auch vertreten, die statuarische Einräumung des Zustimmungsvorbehalts eines gesellschaftsfremden Dritten sei gerade Ausfluss der Satzungsautonomie und ändere bei der AG nicht das gesetzlich vorgesehene Kompetenzgefüge, weil die Hauptversammlung lediglich über ihr zustehende Befugnisse verfüge und jederzeit befugt bleibe, den Dritteinfluss wieder zu beseitigen312. Vergleichbar ist aber auch die Situation bei § 1276 BGB, da der Pfandnehmer ebenfalls eine zeitlich auf das Bestehen des Pfandrechts beschränkte Einflussmöglichkeit erhält. Zwar ist dieser Dritteinfluss nicht durch einen Beschluss des Verbands legitimiert, an seine Stelle tritt aber die ausdrückliche gesetzliche Anordnung des § 1276 BGB. Hinzu kommt bei der Verpfändung von Personengesellschafts- sowie vinkulierten GmbH-Anteilen und vinkulierten Namensaktien, dass die Pfandrechtsbegründung selbst einen Zustimmungsakt der Gesellschaft voraussetzt, und insofern eine Legitimation stattfindet. Wegen dieses Vinkulierungsrechts besteht damit auch bei der AG die Möglichkeit, auf das Entstehen des Pfandrechts einen gewissen Einfluss zu nehmen. Des Weiteren müssen die Interessen der Gesellschaft und des Pfandgläubigers nicht notwendigerweise konträr zueinander stehen, weil letztlich beide am Überleben der Gesellschaft interessiert sind. Somit wird der Pfandgläubiger
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Beuthien/Gätsch, Vereinsautonomie, ZHR 1992, S. 473,477 f.
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i.d.R. im Interesse des Erhalts des Werts seiner Sicherheit vorübergehenden Belastungen des Mitgliedschaftsrechts zustimmen. Ein Interessenausgleich mit dem Prinzip der Verbandsautonomie wird schließlich durch die gesetzliche Regelung des § 1276 BGB selbst geschaffen. Denn es existieren gerade bei der Verpfändung der Mitgliedschaft zahlreiche Hürden für die Begründung eines Dritteinflusses. So liegt eine Inhaltsänderung regelmäßig nur bei satzungsändernden Maßnahmen vor. Erforderlich ist zudem, dass der Pfandnehmer eine beeinträchtigende Wirkung dieser Inhaltsänderung auf das Pfandrecht nachweisen kann. Eine weitere Schranke liegt in dem Grundsatz, dass der Pfandgläubiger die im Zeitpunkt der Verpfändung bereits bestehenden Beschränkungen der Mitgliedschaft gegen sich gelten lassen muss. Zuletzt wird der Einfluss durch die notwendige Kausalität der Stimmmacht des Verpfänders und die Rechtsfolge der fehlenden Zustimmung313 begrenzt. Unter Berücksichtigung dieser Schranken kann somit gerade nicht von einem unüberbrückbaren Gegensatz von Gesellschafts- und allgemeinem Zivilrecht wie bei der Nachfolge einer Mehrheit von Erben in einen Personengesellschaftsanteil gesprochen werden, der nach dem Grundsatz „lex specialis derogat legi generali" gelöst werden müsste. Im Hinblick auf die ausdrückliche Anordnung des Gesetzgebers, dem Pfandgläubiger ein Zustimmungsrecht hinsichtlich beeinträchtigender Inhaltsänderungen zu gewähren, sowie der Schranken, die sich bereits aus der Norm bei ihrer Heranziehung auf Gesellschaftsanteile ergeben, kann das Prinzip der Verbandssouveränität nicht der Anwendung des § 1276 BGB entgegengehalten werden. d) Die Rechtssicherheit Ein gewichtiger Einwand gegen eine Anwendung des § 1276 BGB ist der Gedanke, die Zulassung eines Zustimmungsrechts führe zu einer unerträglichen Rechtsunsicherheit hinsichtlich der Wirksamkeit von Hauptversammlungsbeschlüssen, da ihre Rechtsbeständigkeit von außerhalb der Gesellschaftssphäre liegenden Umständen abhängen kann314. Dem ist zunächst entgegenzuhalten, dass die Begründung eines Pfandrechts an der in Namensaktien verbrieften Mitgliedschaft eine im Aktienregister eintragungsfähige Tatsache darstellt. Regelmäßig wird der Pfandgläubiger eines Gesellschafters, dem eine bedeutsame Stimmmacht zukommt, eine solche Eintragung vornehmen lassen, um die Durchsetzung seiner Einflussmöglichkeiten sicherzustellen. Des Weiteren ist 313
Vgl. § 4 Α. II. 4. So Kölner Kommentar AktG, Zöllner, § 179, Rn. 167; ders., Teileingezahlte Aktien, AG 1985, S. 28. Ebenso zur vergleichbaren Regelung des § 1071 BGB im Nießbrauchsrecht Scharff, Nießbrauch an Aktien, S. 108. 314
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die Rechtsunsicherheit durch die Regeln über fehlerhafte Satzungsänderungen begrenzt, wonach deren Wirkungen eingetreten und nur für die Zukunft zu beseitigen sind315. Zuzugeben ist jedoch, dass auch mit einer Rückgängigmachung vor allem fehlerhafter Strukturänderungen erhebliche Aufwendungen verbunden sein können. Zur Veranschaulichung muss man sich nur die fehlerhafte Verschmelzung vor Augen führen. Speziell diese Fallgestaltung, aber auch der fehlerhafte Form Wechsel ist in den §§20 II, 202 III UmwG gesetzlich geregelt. Danach lassen Mängel der beschlossenen und eingetragenen Umwandlung die Wirkungen der Eintragung unberührt. Grundgedanke des § 20 II UmwG ist, dass eine Entschmelzung praktisch nicht durchführbar ist 316 . Die mit der Rückgängigmachung der fehlerhaften Satzungsänderung verbundenen Belastungen könnte man nur unter dem Gesichtspunkt für gerechtfertigt erachten, dass bei der Beschlussfassung der Mangel ftir die Gesellschaft erkennbar war, sie dagegen bei der Unkenntnis über das Bestehen eines Zustimmungsrechts des Pfandnehmers von einer Rechtswirksamkeit ausgehen konnte. Bei der AG ist zudem zu berücksichtigen, dass Beschlussmängel - vom Fall der Nichtigkeit (§ 241 AktG) abgesehen - gemäß § 246 I AktG nur innerhalb eines Monats geltend gemacht werden können, andernfalls der Mangel materiellrechtlich präkludiert 317 ist. Bei einem mit Erfolgsaussichten angefochtenen Beschluss wird der Vorstand diesen daher i.d.R. nicht ausführen, weil die Ausführungspflicht nach § 83 II AktG einen rechtmäßigen Beschluss voraussetzt318. Damit käme es im Gegensatz zum entschuldbar unentdeckt gebliebenen Mangel der fehlenden Zustimmung des Pfandgläubigers nicht zu den Belastungen der Rückgängigmachung der Strukturänderung. Hier wird jedoch ein bereits herausgearbeiteter Gesichtspunkt von Bedeutung. Dem beschränkt dinglichen Rechtsinhaber können nicht weiterreichende Befugnisse zugestanden werden als dem Vollrechtsinhaber. Ist daher der Aktionär hinsichtlich der Geltendmachung eines Beschlussmangels an die Frist des § 246 I AktG gebunden, muss dieselbe Präklusionsfrist auch für den an der Mitgliedschaft dinglich Berechtigten gelten. Da der Beginn der Frist von einer Kenntnis der Beschlussfassung unabhängig ist, sondern §246 I AktG an das objektive Kriterium der Be315
Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 6 IV 2. BT-Drucks. 12/6699 zu § 20 RegE UmwG. Zu beachten ist aber, dass die Auslegung der §§20 II, 202 III UmwG streitig und noch nicht höchstrichterlich geklärt ist. So ist unklar, ob die Eintragung zu einer materiellen Heilung des Mangels führt, worauf der Gedanke in der Gesetzesbegründung hindeutet, oder die Normen nur besagen, dass Fehler der zugrunde liegenden Beschlüsse den Eintritt der strukturändernden Wirkung nicht hindern, was den allgemeinen Regeln der fehlerhaften Satzungsänderung entsprechen würde. Vgl. Kort, Bestandsschutz, S. 266 f.; Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 6 IV 5; Veil , Umwandlung, ZIP 1996, S. 1066 ff. 317 RGZ 123, 203, 207; Großkommentar AktG, Schmidt, § 246, Rn. 13; Heuer, Anfechtungsklage, AG 1989, S. 237; Hüffer, AktG, § 246, Rn. 20. 318 Großkommentar AktG, Schmidt, § 243, Rn. 71; Hüffer, AktG, § 243, Rn. 50. 316
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schlussfassung anknüpft, ist auch dem Gedanken der Rechtssicherheit bei einer Anwendung des § 1276 BGB zumindest bei der AG genüge getan319. Festzuhalten bleibt damit, dass die Regelung mit den dargelegten Schranken auf die Verpfändung der Mitgliedschaft in der AG anzuwenden ist 320 . 4. Die Rechtsfolge der fehlenden Zustimmung Umstritten ist, welche Rechtsfolgen aus der fehlenden Zustimmung des Pfandgläubigers zur Stimmabgabe des Verpfänders zu ziehen sind. Vertreten wird, § 1276 BGB nur in dem Innenverhältnis zwischen Gesellschafter und Pfandgläubiger zur Anwendung gelangen zu lassen321. Damit ist entgegen der herkömmlichen Auslegung der Vorschrift bei einem Fehlen der Zustimmung die Verfügung nicht gegenüber dem Pfandgläubiger relativ unwirksam 322, sondern eine Stimmabgabe des Verpfänders ohne Zustimmung des Pfandgläubigers kann lediglich einen Schadensersatzanspruch aus §§ 2801, 823 I BGB auslösen. Damit würde man die Regelung ihrer eigentlichen Wirkung berauben, die in dem Schutz der dinglichen Sicherheit besteht und somit grundsätzlich auch die Wirksamkeit des Rechtsgeschäfts beeinflussen können soll. Die Funktion einer Realsicherheit besteht darin, dass der Darlehensgeber diesen Vermögensgegenstand in der Krise des Kreditnehmers an sich nehmen und sich daran schadlos halten kann323. Ein Schadensersatzanspruch würde hingegen im Fall der Insolvenz nur quotenmäßig befriedigt werden können. Nach dieser Rechtsansicht erhielte der Pfandnehmer mit dem Schadensersatzanspruch „Steine statt Brot". Nach anderer Auffassung soll bei der Kausalität der Stimmabgabe des Pfandgebers die Wirksamkeit des Gesellschafterbeschlusses von der Zustimmung des Pfandgläubigers abhängen324. Diese Auffassung hat zur Folge, dass die zu319
Auch bei der GmbH ist die Monatsfrist des § 246 I AktG Leitbild (BGHZ 111, 224). Bei der Personengesellschaft ist aufgrund der Mitwirkung der Gesellschafter bei der Verpfändung ebenfalls die Person des Pfandgläubigers bekannt. Probleme bereitet hier die Rechtssicherheit nur, wenn der Gesellschaftsanteil schon nach dem Gesellschaflsvertrag übertragbar gestaltet ist. 320 Für eine grundsätzliche Anwendbarkeit des § 1276 BGB auf Gesellschafterbeschlüsse bei der GmbH ist auch Roth, Verpfändung von Gesellschaftsanteilen, ZGR 2000, S. 220. 321 Baumbach/Hueck, Zöllner, GmbHG, § 47, Rn. 26; Bülow, Kreditsicherheiten, Rn. 672; Kölner Kommentar AktG, Zöllner, § 179, Rn. 167. 322 BGH NJW 1967, S. 200, 201; Beer, Relative Unwirksamkeit, S. 196; Börner, Erbenhaftung, JuS 1968, S. 109; Münchener Kommentar BGB, Damrau, § 1276, Rn. 4; Soergel, Habersack, BGB, § 1276, Rn. 4; Staudinger, Wiegand, BGB, § 1276, Rn. 3. 323 Lwowski, Kreditsicherung, Rn. 15; Weber, Kreditsicherheiten, § 2 II. 324 Hadding, Mitgliedschaft, S. 53; Wiedemann, Mitgliedschaftsrechte, S. 431.
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§ 4 Die Rechtsstellung des Pfandgläubigers
stimmungslose kausale Stimmabgabe des Verpfänders sich letztlich als Neinstimme bei der Abstimmung auswirkt. Dem ist nicht zu folgen, weil sie die Besonderheiten der Verfügung über die Mitgliedschaft durch einen Gesellschafierbeschluss nicht berücksichtigt. Zwar bezieht sich nach dem Wortlaut der §§ 1276, 182 BGB das Zustimmungsrecht auf das „Rechtsgeschäft" und damit den Hauptversammlungsbeschluss. Der sachliche Grund für das Bestehen eines Zustimmungsrechts knüpft jedoch stets an einen Umstand in der Person einer der Vertragsparteien an. Bei § 108 BGB liegt die Ursache in der Minderjährigkeit, bei § 1365 BGB in dem Bestehen einer Zugewinngemeinschaft und bei §§ 1071, 1276 BGB in der Bestellung eines dinglichen Rechts325. Ausgelöst wird das zusätzliche Wirksamkeitserfordernis daher durch die Abgabe der Willenserklärung nur einer der Vertragsparteien, während die Wirksamkeit der Willenserklärung der anderen keinen weiteren Einschränkungen unterliegt. Daher ist auch die Willenserklärung der in der rechtsgeschäftlichen Freiheit beschränkten Person der richtige Ansatzpunkt für die Zustimmungsbedürftigkeit. Diese Unterscheidung zwischen dem formalen und dem sachlichen Grund eines Zustimmungsrechts ist i.d.R. bedeutungslos, weil das Rechtsgeschäft ohne die Willenserklärung der die Zustimmungspflicht auslösenden Partei nicht zustande gekommen wäre. Bei Gesellschafterbeschlüssen liegt die Situation anders. Ist die Stimmabgabe des Aktionärs wegen Fehlens der Zustimmung schwebend bzw. bei ihrer Verweigerung endgültig unwirksam, bleibt diese außer Ansatz; sie wird also als nicht abgegeben behandelt, kann aber nicht generell die Wirksamkeit des Hauptversammlungsbeschlusses im Übrigen berühren 326. Bedeutung für die Rechtmäßigkeit des Beschlusses erlangt § 1276 BGB nach dieser Auslegung nur, wenn eine Zustimmung des verpfändenden Aktionärs zwingend notwendig ist (§ 180 AktG) 327 , wenn nach § 179 II 3 AktG die Satzung die Vertretung eines bestimmten Teils des Grundkapitals verlangt, und ein derartiges Quorum ohne die Stimmabgabe des Verpfänders nicht erreicht wird, oder wenn die Stimmabgabe in der Hauptversammlung zunächst als Ja- oder Neinstimme gewertet wurde, und sich bei ihrer Nichtberücksichtigung andere Mehrheitsverhältnisse ergeben. Diese Rechtsfolge des § 1276 BGB führt zu einer weiteren, dem Grundsatz der Verbandsautonomie Rechnung tragenden Beschränkung der Reichweite des § 1276 BGB. Ebenso erlangt § 1276 BGB große Effektivität bei einem Pfandrecht an einer 100%Beteiligung. Hier lässt sich gegen den Willen des Pfandnehmers keine Ände-
325
Vgl. zu den anderen Fällen eines gesetzlich vorgesehenen Zustimmungsrechts Erman, Palm, BGB, vor § 182, Rn. 1. 326 RGZ 106, 258, 263; Hüffer, AktG, § 133, Rn. 12, § 179, Rn. 14. 327 Über den Wortlaut des § 180 AktG hinaus wird wegen des Kernbereichsgedankens eine Zustimmungspflicht auch angenommen bei einer nachteiligen Veränderung des Gewinnverteilungsschlüssels sowie des Liquidationsentgelts. Vgl. ausführlich § 5 A. III. 3.
Α. Einwirkungsmöglichkeiten auf Gesellschafterbeschlüsse
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rung oder Aufhebung der Mitgliedschaft verwirklichen. Gerade in diesem Fall ist das Prinzip der Verbandssouveränität aber auch nicht betroffen, weil Interessen irgendwelcher Mitgesellschafter nicht zu berücksichtigen sind. Für die Wirkung des Zustimmungsmangels ist zudem zu beachten, dass nicht jede Rechtswidrigkeit eines Hauptversammlungsbeschlusses auch zu seiner Rechtsunwirksamkeit führt. Vielmehr sind unwirksame, nichtige und anfechtbare Beschlüsse zu unterscheiden. I.d.R. stellt das Fehlen der Zustimmung einen Fall der Gesetzesverletzung nach § 243 I 1. Alt. AktG dar, weil der Beschluss ohne das erforderliche Quorum oder die erforderliche Mehrheit zustande gekommen ist. Der nur anfechtbare Beschluss ist zwar rechtswidrig, vorerst aber wirksam und kann durch Gestaltungsklage vernichtet werden328. Nur in Ausnahmefällen liegt bei Fehlen der Zustimmung ein unwirksamer Beschluss vor, dessen schwebende oder endgültige Unwirksamkeit ohne die zeitliche Begrenzung des § 246 I AktG geltend gemacht werden kann329. Unwirksam ist ein Beschluss, dessen Wirksamwerden von der Zustimmung von Gesellschaftern, Dritten oder Behörden abhängt, bei dem indes der Beschlusstatbestand als solcher bereits gegeben ist 330 . Von Bedeutung sind hier die Fälle des § 180 AktG, also die nachträgliche Auferlegung von Nebenpflichten und die nachträgliche Vinkulierung 331, sowie die nach dem Kernbereichsgedanken zustimmungspflichtigen Tagesordnungspunkte. 5. Die Anwendbarkeit des § 1276 BGB auf die in Inhaber-aktien verbriefte Mitgliedschaft Ob die Regelung des § 1276 BGB auch auf die in Inhaberaktien verbriefte Mitgliedschaft zur Anwendung gelangen kann, erscheint angesichts des Wortlauts des § 1293 BGB begründungsbedürftig, da nach ihm die Vorschriften über das Pfandrecht an beweglichen Sachen gelten. Zieht man zudem den Vergleich zur Namensaktie, ist bei ihr dagegen klargestellt, dass grundsätzlich die Regeln der §§ 1274 ff. BGB anwendbar sein sollen. Denn nur in einzelnen Beziehungen wird auf die Normen über das Pfandrecht an beweglichen Sachen verwiesen (§ 1295 BGB für die Verwertung) oder deren Grundsätze für anwendbar erklärt (§ 1292 BGB für die Pfandrechtsbestellung). Auch ein Blick auf die Gesetzgebungsgeschichte lässt Zweifel an einer Geltung des § 1276 BGB aufkommen. Denn nach dem Entwurf der Ersten Kommission sollten 328
Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 28 IV 5 b cc. Großkommentar AktG, Schmidt, § 241, Rn. 18. 330 Geßler/Hefermehl, Hüffer, AktG, §241, Rn. 18 f.; Großkommentar AktG, Schmidt, § 241, Rn. 14 ff.; Kölner Kommentar AktG (1. Aufl.), Zöllner, § 241, Rn. 8. 331 Vgl. zu dieser Rechtsfolge bei der fehlenden Zustimmung des Aktionärs Hüffer, AktG, § 180, Rn. 6; Kölner Kommentar AktG, Zöllner, § 180, Rn. 18. 329
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§ 4 Die Rechtsstellung des Pfandgläubigers
auch bei den Inhaberpapieren die Vorschriften über das Pfandrecht an beweglichen Sachen nur in einzelnen Beziehungen, nämlich bei der Begründung, Aufhebung und Verwertung gelten332. Die noch heute geltende erweiterte Fassung wurde erst in der Zweiten Kommission geschaffen 333. Trotz dieser Gesichtspunkte kann die daraus abzuleitende These, § 1276 BGB könne auf die Verpfändung der in Inhaberaktien verbrieften Mitgliedschaft allenfalls analog zur Anwendung kommen, keine Geltung beanspruchen. Denn trotz der veränderten, weiteren Fassung des § 1293 BGB hat der Gesetzgeber die Vorschrift systematisch angesichts des Gegenstands der Pfandrechtsbestellung unter den Titel des Pfandrechts an Rechten eingeordnet. Die Bedeutung des § 1293 BGB liegt zunächst in einer Klarstellungsfunktion. Danach sollen insbesondere bei der Begründung des dinglichen Rechts die §§ 1204 ff. BGB gelten, um einen gutgläubigen Erwerb zu ermöglichen. Zudem zieht die Vorschrift die Konsequenz aus der Natur des Inhaberpapiers als Wertpapier des öffentlichen Glaubens, bei dem das Recht aus dem Papier dem Recht am Papier folgt. Dieser Unterschied hinsichtlich der Form der Übertragung (bewegliche Sache) und ihres sachlichen Gegenstands (Recht) kommt deutlich in § 1293 BGB zum Ausdruck, wenn man seinen Wortlaut und seine systematische Einordnung gegenüberstellt. § 1293 BGB soll vor allem diese Besonderheit des Wertpapierrechts aus Gründen der Klarheit herausstellen, da angesichts des wertpapierrechtlich verbrieften Rechten eigenen Dualismus der Übertragungsformen der Regelungsgehalt der Norm, die Anwendbarkeit der Vorschriften über das Pfandrecht an beweglichen Sachen, bereits aus § 1273 II 1 BGB abgeleitet werden kann. Trotzdem stellt § 1293 BGB keine rein deklaratorische Norm dar. Konstitutive Bedeutung erlangt sie im Hinblick auf den in § 1273 II 2 BGB ausdrücklich für unanwendbar erklärten § 1208 BGB, indem sie auch auf diese Regelung verweist 334. Für das gefundene Ergebnis spricht weiter, dass die direkte Anwendbarkeit des § 1276 BGB nicht von der Art der Pfandrechtsbestellung an einer in Inhaberaktien verbrieften Mitgliedschaft abhängig gemacht werden kann. Denn dass bei einer Pfandrechtsbegründung über §§ 1274 ff. BGB auch § 1276 BGB Anwendung findet, steht außer Zweifel. Zudem soll derjenige, dessen Recht in einem Wertpapier des öffentlichen Glaubens verbrieft ist, gegenüber dem herkömmlichen Rechtsinhaber im Hinblick auf die Möglichkeit des gutgläubigen Erwerbs sowie seine Legitimation durch die Innehabung des Papiers (§ 793 I 1 BGB) in besonderer Weise geschützt werden. Dem würde es widersprechen, 332
§ 1226 I: „Auf die Begründung und die Aufhebung des Pfandrechtes an einem Inhaberpapiere sowie auf die Befriedigung aus einem solchen Pfände finden die Vorschriften über das Pfandrecht an beweglichen Sachen Anwendung." 333 § 1200 des Entwurfs der 2. Kommission. 334 Vgl. zur fehlenden Anwendbarkeit des § 1213 II BGB § 5 C. I. 2. a).
Α. Einwirkungsmöglichkeiten auf Gesellschafterbeschlüsse
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wenn gerade dem Wertpapierinhaber der Schutz des § 1276 BGB nicht zuteil würde. Dass entgegen dem Wortlaut des § 1293 BGB eine Anwendung lediglich der Regeln über bewegliche Sachen nicht passt, folgt zudem aus dem Grund für das Fehlen einer vergleichbaren Vorschrift zu § 1276 BGB im Recht der Verpfändung beweglicher Sachen. Dieser greift nur, wenn auch der Gegenstand des Pfandrechts eine bewegliche Sache ist. Denn danach sind Inhaltsänderungen des Eigentums an einer beweglichen Sache im Gegensatz zu einem Recht nicht möglich. Eine Zerstörung der verpfändeten beweglichen Sache durch den Eigentümer löst lediglich Schadensersatzansprüche aus. § 1276 BGB ist damit auch auf die Verpfändung der in Inhaberaktien verbrieften Mitgliedschaft direkt anwendbar. III. Die Anfechtung von Hauptversammlungsbeschlüssen 7. Das Recht des Pfandgläubigers
zur Anfechtung
Bejaht man ein Zustimmungsrecht des Pfandgläubigers nach § 1276 BGB, ist im Hinblick auf die regelmäßige Rechtsfolge der Anfechtbarkeit bei der Nichtbeachtung dieses Rechts die Zuerkennung einer Anfechtungsbefugnis die notwendige Konsequenz, da andernfalls der Normverstoß wegen der trotzdem bestehenden Rechtswirksamkeit des Beschlusses bedeutungslos bliebe. Es gibt jedoch eine große Anzahl weiterer Fälle, in denen ein Bedürfiiis für ein Anfechtungsrecht des Pfandnehmers besteht, nämlich immer dann, wenn ein Hauptversammlungsbeschluss unwirksam ist, er das Recht des Pfandgläubigers beeinträchtigt, und der Verpfänder über keine das Zustimmungsrecht des § 1276 BGB auslösende Stimmmacht verfügt. Trotzdem besteht hier eine solche Anfechtungsbefugnis nicht 335 . Nach dem Wortlaut des § 245 Nr. 1-3 AktG steht eine solche nur dem Aktionär zu. Der Grund für die Regelung liegt darin, dass es sich bei der Anfechtungsbefugnis um ein aus der Mitgliedschaft fließendes Verwaltungsrecht, nämlich um ein privates Gestaltungsrecht336 handelt, das lediglich aus Gründen der Rechtssicherheit ausschließlich im Klagewege geltend gemacht werden kann. Soll dem Pfandnehmer daher eine solche Rechtsmacht zustehen, müsste sie sich aus den seine Rechte am Pfandgegen335 Ein Anfechtungsrecht versagen vollständig LG Mannheim AG 1991, S. 29; Geßler/Hefermehl, Hüffer, AktG, § 245, Rn. 19; Großkommentar AktG, Schmidt, § 245, Rn. 16; Kölner Kommentar AktG (1. Aufl.), Zöllner, § 245, Rn. 13; Kraft/Hönn, Aktien als Kreditsicherheit, S. 181; Münchener Handbuch GesR IV, Wiesner, § 14, Rn. 62, Semler, § 41, Rn. 60; Münchener Kommentar AktG, Hüffer, § 245, Rn. 27. 336 So BGH NJW-RR 1992, S. 1388, 1389; Boujong, Festschrift Kellermann, S. 10; Hirte, Nichtbestellung, ZIP 1988, S. 956; Hüffer, AktG, § 245, Rn. 2. Nach a.A. handelt es sich um eine Frage der Klagebefugnis. So Großkommentar AktG, Schmidt, § 245, Rn. 5 f.; ders., Festschrift Semler, S. 332 f.
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§ 4 Die Rechtsstellung des Pfandgläubigers
stand regelnden Vorschriften des BGB ergeben. Eine solche Norm ist indes nicht ersichtlich. Dogmatisch scharf hiervon zu trennen ist die Anfechtungsbefugnis des Pfandgläubigers zur Durchsetzung des Zustimmungsrechts nach § 1276 BGB, welche auch in dieser Regelung und nicht in § 245 AktG ihre Grundlage findet. Die Verletzung der für die Rechtmäßigkeit des Beschlusses kausalen Zustimmungsverweigerung nach § 1276 BGB ist damit der einzige für den dinglich Berechtigten selbständig rügbare Mangel. Das gilt auch für den Fall, dass neben § 1276 BGB weitere Gesetzes- oder Satzungsverletzungen vorliegen. § 1276 BGB beschränkt insofern den Prüfungsrahmen in der Begründetheitsprüfung. Dies ergibt sich aus der unterschiedlichen Natur der Anfechtungsrechte von Aktionär und Pfandgläubiger. Dem mitgliedschaftlichen Verwaltungsrecht des Aktionärs korrespondiert eine Mitverantwortung für die Rechtmäßigkeit des Beschlusses. So legt die Regelung des § 245 Nr. 1-3 AktG die Wahrung der Rechtmäßigkeit von Beschlüssen nicht allein in die Hand des Vorstands (§ 245 Nr. 4 AktG), sondern gibt sie auch der Initiative des einzelnen Aktionärs anheim. Das Anfechtungsrecht ist somit auch objektives Kontrollrecht der Verbandsmitglieder337. Insbesondere lässt sich dies daraus ableiten, dass § 245 Nr. 1-3 AktG keine Verletzung des Aktionärs in eigenen Rechten als Voraussetzung normiert. Beim Zustimmungsrecht des Pfandnehmers gemäß § 1276 BGB geht es hingegen ausschließlich um die Durchsetzung seines Gläubigerinteresses durch die Verhinderung einer Entwertung seiner Sicherheit. Dieser Gedanke kommt insbesondere im Tatbestandsmerkmal der Beeinträchtigung zum Ausdruck. 2. Die Pflicht des Verpfänders zur Anfechtung von Hauptversammlungsbeschlüssen Zu diskutieren bleibt, ob bei solchen rechtswidrigen, den Pfandgläubiger beeinträchtigenden Beschlüssen eine Pflicht des Verpfänders zur Anfechtung besteht. Als Rechtsgrundlage einer solchen Pflicht kommt der Sicherungsvertrag in Betracht. Regelmäßig beinhaltet dieser eine allgemeine Erhaltenspflicht, gemäß der der Schuldner alles zu unterlassen hat, was den Sicherungszweck vereiteln könnte. Eine daraus ableitbare Pflicht des Verpfänders zur Anfechtung wird jedoch nur mit Zurückhaltung angenommen werden können. Denn berücksichtigt werden muss, dass die Führung einer aktienrechtlichen Anfechtungsklage mit einem erheblichen Zeitaufwand, insbesondere aber auch mit einem beträchtlichen Kostenrisiko verbunden ist. Dies gründet sich auf den
337 Lutter, Anfechtungsrechte, ZGR 1978, S. 349 f.; ders., Mitgliedschaft, AcP 1980, S. 143; Münchener Kommentar AktG, Hüffer, § 245, Rn. 8.
Α. Einwirkungsmöglichkeiten auf Gesellschafterbeschlüsse
131
regelmäßig hohen Streitwert (§ 247 AktG) solcher Klagen338. Angesichts der hohen Hürden 339 für die Bildung einer Streitwertspaltung nach § 247 II, III AktG kann diese Regelung hinsichtlich der Frage der Anfechtungspflicht nicht zu einem anderen Ergebnis führen. Man wird daher davon auszugehen haben, dass eine solche Pflicht nur dahin gehen kann, den Pfandnehmer zur Ausübung des Anfechtungsrechts zu ermächtigen, was nach dem Rechtsgedanken des § 129 III AktG auch bei diesem mitgliedschaftlichen Verwaltungsrecht möglich ist 340 , oder die Klage auf Rechnung des Pfandgläubigers zu führen. In dieser zweiten Alternative besteht zudem für den Pfandnehmer die Möglichkeit, als Nebenintervenient auf Seiten des klagenden Aktionärs einem Prozess beizutreten, weil ein rechtliches Interesse i.S.d. § 66 I ZPO am Ausgang des Rechtsstreits bejaht werden kann. Zwar wird ein solches bei Dritten, die weder Aktionäre noch Organmitglieder sind, nur ausnahmsweise bejaht341, legt man jedoch die allgemeine Definition des rechtlichen Interesses zugrunde342, ist dieses gegeben. Denn die bereits eingetretene nachteilige Veränderung der Mitgliedschaft beeinträchtigt das Verwertungsrecht des Pfandgläubigers und wird durch die gestaltende Wirkung des Anfechtungsurteils (§ 248 AktG) wieder rückgängig gemacht. Dass die beschriebene Pflicht zudem auch engen inhaltlichen Anforderungen unterliegen muss, zeigt eine weitere Überlegung. Nach der Konzeption des Gesetzgebers obliegt der Schutz des Pfandgegenstands primär dem Pfandnehmer. Das zeigen § 1276 BGB, § 1227 BGB sowie die §§ 1215 ff. BGB, die grundsätzlich von einer fehlenden Einwirkungsmöglichkeit des Verpfänders auf den Sicherungsgegenstand ausgehen. Diese Regeln gewähren bei der Verpfändung der Mitgliedschaft in der AG nur in eingeschränktem Umfang Schutz. Vergegenwärtigt man sich den Fall des rechtswidrigen beeinträchtigenden Hauptversammlungsbeschlusses, liegt der Sache nach eine Beeinträchtigung durch eine dritte Person vor, die im Fall der Verletzung absoluter Rechte343 338
Vgl. die Beispiele aus der Rechtsprechung bei Großkommentar AktG, Schmidt, § 247, Rn. 17; Happ/Pfeifer, Streitwert, ZGR 1991, S. 108. 339 § 247 II AktG fordert eine erhebliche Gefährdung der wirtschaftlichen Lage. 340 Hüffer, AktG, § 245, Rn. 11. 341 Austmarm, Nebenintervention, ZHR 1994, S. 501 ff.; Großkommentar AktG, Schmidt, § 246, Rn. 43. 342 Ein rechtliches Interesse liegt vor, wenn die Rechtsstellung des Nebenintervenienten durch ein der unterstützten Partei ungünstiges Urteil rechtlich (nicht nur rein tatsächlich oder wirtschaftlich) verschlechtert oder durch ein günstiges Urteil rechtlich verbessert wird. Vgl. nur Thomas/Putzo, Putzo, ZPO, § 66, Rn. 5; Zöller, Vollkommer, ZPO, § 66, Rn. 8. 343 Auch bei der Mitgliedschaft in der Gesellschaft handelt es sich um ein nach §§ 823 I, 1004 I BGB absolut geschütztes Recht. Ausführlich Habersack, Mitgliedschaft, S. 117 ff. Vgl. zudem Erman, Schiemann, BGB, § 823, Rn. 41; Münchener Kommentar BGB, Mertens, § 823, Rn. 152; Palandt, Thomas, BGB, § 823, Rn. 11.
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§ 4 Die Rechtsstellung des Pfandgläubigers
grundsätzlich über §§ 1227, 1004 1 1 BGB erfasst wird. Inwieweit indes § 1227 BGB bei der Verpfändung von Rechten überhaupt zur Anwendung gelangen kann, ist umstritten. Überwiegend wird vertreten, § 1227 BGB sei über § 1273 II 1 BGB nur anzuwenden, wenn der Gläubiger wie bei Wertpapieren Besitz an einer körperlichen Sache erlangt hat 344 . Die anwendbaren Schutzansprüche beziehen sich danach nur auf die Beeinträchtigung des Besitzes am Wertpapier sowie seiner Sachsubstanz. Dahinter steht die Überlegung, dass eine rein tatsächliche vermögensmäßige Beeinträchtigung nicht ausreicht, sondern diese die dingliche Rechtsposition wie etwa den Besitz selbst als sonstiges Recht i.S.d. § 823 I BGB und damit als ebenfalls über § 1004 I 1 BGB geschützte Position betreffen muss. Diesen Gedanken der notwendigen Beeinträchtigung eines absolut geschützten Rechts zugrunde gelegt, ergibt sich jedoch auch beim Pfandrecht an Rechten ein weiterer Anwendungsbereich für § 1227 BGB. Zwar reicht im Regelfall der Schutz des § 1276 BGB aus, weil eine Rechtsbeeinträchtigung grundsätzlich nur im Wege der Verfügung und unter Mitwirkung des verpfändenden Rechtsinhabers erfolgen kann. Wie aber insbesondere die Verletzung von Immaterialgüterrechten 345 oder die durch Mehrheitsentscheidung veränderbare Mitgliedschaft in der Gesellschaft zeigen, muss dies nicht zwingend der Fall sein. Insoweit ist die Verengung des Anwendungsbereichs der §§ 1273 II 1, 1227 BGB auf Fälle der Erlangung des Besitzes an körperlichen Sachen fragwürdig. Dass gleichwohl im hier zu diskutierenden Fall kein Beseitigungsanspruch bestehen kann, ergibt sich daraus, dass die Anfechtungsbefugnis des Aktionärs aus § 245 AktG lex specialis zu § 1004 I 1 BGB ist und damit seine Anwendbarkeit ausschließt. In dieser Hinsicht ist der Charakter der Anfechtungsklage als Abwehrklage von Bedeutung346. Die besonderen Beschränkungen der Anfechtungsbefugnis würden durch einen undifferenzierten Rückgriff auf § 1004 I 1 BGB bedeutungslos gemacht werden. Aus derselben Überlegung heraus kann auch § 245 AktG selbst nicht über §§ 1273 II 1, 1293, 1227 BGB Anwendung finden. Hinzu kommt bei dieser Vorschrift der dogmatische Gesichtspunkt, dass § 1227 BGB den Pfandnehmer nur zur Geltendmachung von Ansprüchen 344 Münchener Kommentar BGB, Damrau, § 1273, Rn. 8 f.; RGRK, Kregel, BGB, § 1227, Rn. 4; Soergel, Habersack, BGB, § 1227, Rn. 1; Staudinger, Wiegand, BGB, § 1227, Rn. 19; Walsmann, Anmerkung, JW 1928, S. 2474. A.A. OLG Breslau JW 1928, S. 2474, das einen Anspruch des Pfandnehmers gegen den Eigentümer aus §§ 1273 II 1, 1227, 1004 1 1 BGB befürwortet, wenn das durch eine (verpfändete) Hypothek belastete Grundstück heruntergewirtschaftet wird. 345 So ist nach Schulte, PatG, § 139, Rn. 17 der Pfandgläubiger berechtigt, gegenüber dem Patentverletzer einen Unterlassungsanspruch geltend zu machen. 346 Kölner Kommentar AktG (1. Aufl.), Zöllner, §243, Rn. 13; Großkommentar AktG, Schmidt, § 246, Rn. 9. Schmidt spricht ausdrücklich von einer Doppelnatur der Anfechtungsklage. „Sie ist gleichzeitig actio negatoria (Abwehrklage) und Gestaltungsklage."
Β. Die Rechte des Pfandgläubigers bei der Kaduzierung von Aktien
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(§ 194 I BGB) aus dem Vollrecht berechtigt, bei § 245 AktG indes eine andere dogmatische Kategorie, nämlich ein Gestaltungsrecht vorliegt. Unter diesem Blickwinkel rechtfertigt diese Schutzlücke einerseits die Zuerkennung einer Pflicht des Pfandgebers, den Pfandnehmer zur Anfechtung zu ermächtigen oder die Klage auf seine Rechnung zu führen. Andererseits muss auch die gesetzgeberische Entscheidung berücksichtigt werden, dass der Schutz des Pfandgegenstands in erster Linie dem Pfandgläubiger obliegt. Eine Schutzpflicht des Verpfänders muss demnach die Ausnahme bleiben. Unter Berücksichtigung dieser Gesichtspunkte kann damit die aufgezeigte Pflicht nur unter der Voraussetzung einer erheblichen Beeinträchtigung des Pfandrechts und hoher Erfolgsaussichten der Anfechtungsklage bejaht werden. B. Die Rechte des Pfandgläubigers bei der Kaduzierung von Aktien I. Der ersatzlose Untergang des Pfandrechts Die Kaduzierung von Aktien führt nach § 64 III 1 AktG zu einem Verlust der Mitgliedschaft des säumigen Aktionärs. Dabei stellt sich für einen Pfandnehmer die Kaduzierung besonders nachteilig dar, da nach einhelliger Auffassung in der aktienrechtlichen Literatur 347 die dingliche Berechtigung ersatzlos untergeht und sich insbesondere auch an einem Surrogat nicht fortsetzt. Denn gemäß § 64 III 1 AktG verliert der Aktionär die geleisteten Einlagen zugunsten der AG. Das ersatzlose Erlöschen des Pfandrechts ist erläuterungsbedürftig, weil nach allgemeiner sachenrechtlicher Dogmatik dieses an sich bestehen bleiben müsste. Danach stellt die Kaduzierung eine Rechtsübertragung an die AG auf der Grundlage der Ausübung eines Gestaltungsrechts der Gesellschaft dar. Entscheidend ist zunächst die Überlegung, dass die Kaduzierung im Gegensatz zur Einziehung nicht zu einer Vernichtung der Mitgliedschaft und damit zu einer Rechtsaufhebung führt 348, sondern die AG im Interesse der realen Kapitalaufbringung die fortbestehende Mitgliedschaft nach § 65 III AktG verkaufen können soll, um den rückständigen Einlagebetrag zu erhalten349. Rechtsinhaber347 Großkommentar AktG, Gehrlein, § 64, Rn. 44; Kölner Kommentar AktG, Lutter, § 64, Rn. 31 ; Münchener Kommentar AktG, Bayer, § 64, Rn. 64. 348 Daher kommt auch eine Anwendung des § 1276 I BGB nicht in Betracht. 349 Großkommentar AktG, Gehrlein, § 64, Rn. 45 f.; Hüffer, AktG, § 64, Rn. 8; Kölner Kommentar AktG, Lutter, § 64, Rn. 35. Die Auffassung, dass die Kaduzierung zu einem treuhänderischen Erwerb der Aktie durch die AG führt, ist indes nicht unumstritten, aber vorzugswürdig, weil ein subjektloses Recht einen Widerspruch in sich bedeutet. Von einem trägerlosen Recht gehen Geßler/Hefermehl, Hefermehl/Bungeroth, AktG, § 64, Rn. 48 f. aus.
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§ 4 Die Rechtsstellung des Pfandgläubigers
schaft an der Mitgliedschaft erlangt die AG durch die Ausschlusserklärung nach § 64 III 1 AktG, die von ihrer Rechtsnatur her eine Gestaltungserklärung darstellt, da sie der AG die einseitige Rechtsmacht verleiht, einen Rechtsübergang zu bewirken. Dieser wird durch Bekanntmachung in den Gesellschaftsblättern wirksam (§§ 64 III 1, 25 AktG). Bei der Übertragung eines Rechts bleiben dingliche Belastungen wie ein Pfandrecht grundsätzlich unverändert bestehen, wie sich aus §§ 892, 936 BGB ergibt, die einen Wegfall der Belastung nur im Wege des gutgläubigen Erwerbs vorsehen. Soll daher mit dem Erwerb der Aktien durch die Gesellschaft das Pfandrecht untergehen, kann dies nur in den hinter den §§ 64, 65 AktG stehenden Gedanken seinen Grund finden, weil ihr Wortlaut für die vorliegende Problematik nichts hergibt. Ihre grundsätzliche Rechtfertigung findet das Erlöschen der dinglichen Rechte im Sinn und Zweck der Kaduzierung, die reale Kapitalaufbringung in der AG zu gewährleisten. Denn ein die fehlende Einlage deckender Verkaufserlös nach § 65 III AktG wird regelmäßig nur erzielt werden können, wenn ein Erwerber die Möglichkeit hat, eine unbelastete Mitgliedschaft zu erlangen. Bedeutung kommt in diesem Zusammenhang insbesondere auch der Tatsache zu, dass der Gesetzgeber dem Prinzip der realen Kapitalaufbringung eine außerordentlich große Bedeutung beigemessen hat, wie an der Schärfe des Kaduzierungsverfahren für den ausgeschlossenen Aktionär ersichtlich wird. Denn der Aktionär verliert seine Mitgliedschaft auf der Grundlage einer einseitigen Gestaltungserklärung der Gesellschaft, die nicht einmal einen Hauptversammlungsbeschluss erfordert und die zu einem Verlust der bereits geleisteten Einlage führt. Aus diesen Ausführungen ableitbar ist die These, ein Erlöschen des Pfandrechts entgegen der sachenrechtlichen Bestimmungen kann nur erfolgen, wenn und soweit dem Interesse der Gesellschaft an realer Kapitalaufbringung nicht genüge getan ist. Diese These hat Rückwirkung auf die dogmatische Konstruktion des Erlöschens des Pfandrechts. Sachlich liegt ein Fall zweier konkurrierender Verwertungsrechte vor. Denn die Kaduzierung trägt den Charakter einer Zwangverwertung zugunsten der AG. In dieser Hinsicht ist dieses spezielle aktienrechtliche Verwertungsrecht dem Vertragspfandrecht vergleichbar, da in beiden Fällen Gläubiger einer Forderung ein Zugriffsrecht auf einen bestimmten Gegenstand als Sicherheit innehaben. Daher kann eine Lösung in enger Anlehnung an die in den §§ 1242 ff. BGB zum Ausdruck kommenden Verwertungsgrundsätze erfolgen. Dem Verwertungsrecht der AG ist Vorrang einzuräumen, da das Recht der Gesellschaft auf Leistung der Einlagen denknotwendig älter ist als das Recht des Dritten an dieser Mitgliedschaft 350. Konkurrieren indes zwei Verwertungsrechte miteinander, kommt es zu einem Erlöschen des nachrangi350 So für den GmbH-Anteil Hachenburg (7. Aufl.), Goerdeler, Rn. 24.
GmbHG, §21,
Β. Die Rechte des Pfandgläubigers bei der Kaduzierung von Aktien
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gen Rechts erst im Zeitpunkt der Verwertung. Der Erwerber erlangt das Recht unbelastet351. Die vorrangig berechtigte Gesellschaft erwirbt das Eigentum am Erlös 352. Sollte es nun im Rahmen der Verwertung nach § 65 III AktG zu einem Übererlös kommen, d.h. ein Kaufpreis erzielt werden, der die rückständige Einlageschuld einschließlich aller Verwertungskosten übersteigt, besteht unter dem Gesichtspunkt der realen Kapitalaufbringung keine Rechtfertigung, diesen unbelastet der Gesellschaft zuzuerkennen. Auszugehen ist vielmehr davon, dass das Pfandrecht sich am Übererlös fortsetzt, der sich im Eigentum der Gesellschaft befindet 353. II. Die Rechte des Pfandgläubigers bei drohender Kaduzierung 1. Das Ablösungsrecht gemäß § 268 BGB analog Da im Rahmen einer Verwertung nach § 65 III AktG nur in Ausnahmefällen ein Übererlös zu erzielen sein wird, muss es vorrangiges Ziel des Pfandgläubigers sein, eine Kaduzierung zu verhindern. Eine Möglichkeit bestünde für den Pfandnehmer darin, die noch fällige Einlage selbst zu leisten. Diese Befugnis steht ihm nach § 267 BGB zu. Allerdings beinhaltet diese Vorschrift für den „Dritten" zwei Nachteile. Zum einen besteht nach § 267 II BGB ein Ablehnungsrecht der Gesellschaft, wenn der säumige Aktionär der Leistung durch den Pfandgläubiger widerspricht. Zum anderen ginge nach § 268 III 1 BGB analog der Einlageanspruch der Gesellschaft gegen den Aktionär auf den Pfandnehmer über, was gegenüber der bloß internen Regressmöglichkeit im 351 Vgl. § 1242 II BGB. Insoweit handelt es sich um einen allgemeinen Grundsatz des Zwangsverwertungsrechts. So erlangt auch der Ersteher der beweglichen Sache bei § 817 ZPO lastenfreies Eigentum (Thomas/Putzo, Putzo, ZPO, § 817, Rn. 10) sowie der Ersteher eines Grundstücks bei der Zwangsversteigerung (§§ 90,91 ZVG). 352 Vgl. § 1247, 1 BGB. Die Vorschrift geht davon aus, dass der Gläubiger das Eigentum am Erlös nach § 929, 1 BGB vom Ersteher erwirbt (h.M., vgl. nur Soergel, Habersack, BGB, § 1247, Rn. 1). 353
Vgl. § 1247, 2 BGB. Auch dabei handelt es sich um ein allgemeines Prinzip des Verwertungsrechts, da die Vorschrift bei der Zwangsversteigerung beweglicher Sachen analog herangezogen wird (Thomas/Putzo, Putzo, ZPO, § 819, Rn. 1). Dass die Gesellschaft und nicht der ausgeschlossene Aktionär Eigentum am Übererlös erlangt, entspricht einhelliger Auffassung: Großkommentar AktG, Gehrlein, § 65, Rn. 69; Hüffer, AktG, § 65, Rn. 10; Kölner Kommentar AktG, Lutter, § 65, Rn. 53; Münchener Kommentar AktG, Bayer, § 65, Rn. 92. Der Grund liegt darin, dass die Gesellschaft nach § 929, 1 BGB Eigentum am Erlös erlangt, und auch das in § 1247, 2 BGB enthaltene Surrogationsprinzip nicht zu einem anderen Ergebnis führen kann, weil bereits vor dem Veräußerungsvorgang nicht der ausgeschlossene Aktionär, sondern die Gesellschaft Inhaberin der Mitgliedschaft war. Denselben Lösungsansatz wie hier vertritt im GmbH-Recht Melber, Kaduzierung, S. 178 ff.
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§ 4 Die Rechtsstellung des Pfandgläubigers
Verhältnis von Aktionär und Pfandgläubiger aus Geschäftsführung ohne Auftrag (§§ 677, 683, 1, 670 BGB) den Vorteil des Übergangs etwaiger akzessorischer Sicherheiten beinhaltet. Die Regelung des § 268 BGB ist in der vorliegenden Fallkonstellation nicht direkt anwendbar. Es fehlt an der Voraussetzung des Betreibens eines Zwangsvollstreckungsverfahrens. Jedoch ist aufgrund der Rechtsähnlichkeit von einer analogen Anwendbarkeit auszugehen. Hintergrund der Berechtigung des Dritten in § 268 BGB ist sein durch die Gefahr des Rechtsverlusts begründetes Interesse, den Gläubigerzugriff abzuwehren354. Diese Gefahr besteht typischerweise für nachrangig besicherte Gläubiger bei einem zu erwartenden unzureichenden Erlös oder für den vom Kreditnehmer verschiedenen Sicherungsgeber in Fällen, in denen ein Verwertungsrecht an einem Gegenstand besteht. So ist allgemein ein Verwertungsrecht auf der Grundlage eines Pfändungspfandrechts nach erfolgter Zwangsvollstreckung gegeben. Daneben gibt es im BGB speziell geregelte Verwertungsrechte, nämlich die Hypothek, die Grundschuld, die Rentenschuld und das Pfandrecht. Bei all diesen Verwertungsrechten besteht inhaltlich dieselbe Regelung eines Ablösungsrechts des Dritten in Verbindung mit einer cessio legis. Das gilt für das allgemeine Verwertungsrecht nach § 268 BGB und für die besonderen nach §§ 1142 f., 1150 (i.V.m. 1192 I bzw. 1200), 1223 II, 1249 BGB. Da es sich auch beim Kaduzierungsverfahren nach § 65 III AktG um ein Verwertungsverfahren handelt, ist es gerechtfertigt, diesen allen Verwertungsrechten gemeinsamen Rechtsgedanken ebenfalls bei einer Konkurrenz zu einem Pfandrecht anzuwenden. Nach der gesetzgeberischen Konzeption ist nicht von einem bewussten Absehen eines Ablösungsrechts auszugehen, weil der Gesetzgeber des AktG angesichts der auf das Gesellschaftsvermögen beschränkten Haftung der AG in effektiver und scharfer Form die reale Kapitalaufbringung sicherstellen wollte. Dieses Ziel wird indes auch bei der Leistung der Einlage durch den Pfandgläubiger erreicht. Dogmatisch ist gleichwohl nicht von einer Gesamtanalogie, sondern von einer Einzelanalogie zu § 268 BGB auszugehen. Denn systematisch erscheint schon aufgrund der Einordnung des § 268 BGB im allgemeinen Schuldrecht diese Regelung als die allgemeine Vorschrift. Eine Gesamtanalogie ist hingegen beschränkt auf Fallgestaltungen, in denen eine solche allgemeine Norm nicht existiert 355.
354 Münchener Kommentar BGB (4. Aufl.), Krüger, § 268, Rn. 2; Staudinger, Bittner, BGB, § 268, Rn. 1. 355 Vgl. zur Gesamtanalogie Larenz, Methodenlehre, S. 383 ff.
Β. Die Rechte des Pfandgläubigers bei der Kaduzierung von Aktien
2. Das Verwertungsrecht
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gemäß § 1219 BGB
Angesichts der Nachteile, die mit einer Kaduzierung für den Pfandgläubiger verbunden sind, stellt sich die Frage, ob ihm eine vorzeitige Verwertungsmöglichkeit durch öffentliche Versteigerung nach § 1219 BGB zusteht mit der Folge der Fortsetzung des Pfandrechts am Erlös (§ 1219 II BGB). Dabei ist bereits im Grundsatz strittig, ob § 1219 BGB überhaupt nach § 1273 II 1 BGB auf das Pfandrecht an Rechten entsprechend anwendbar ist, da hier wegen § 1277 BGB grundsätzlich kein Recht zum Privatverkauf besteht356. Dieses Argument trägt zumindest bei Inhaber- und an der Börse gehandelten Namensaktien wegen §§ 1293, 1295 BGB nicht. Auf diese Frage braucht aber an dieser Stelle nicht weiter eingegangen zu werden, weil schon die Tatbestandsvoraussetzungen des § 1219 I BGB nicht vorliegen. Denn die Vorschrift setzt einen Verderb oder eine zu erwartende wesentliche Wertminderung „des Pfandes" voraus. Darunter versteht jedoch der Gesetzgeber einen Umstand der in dem Pfandgegenstand selbst begründet liegt, also aus seiner Substanz oder wie bei Rechten aus dem wirtschaftlichen Umfeld oder einer Inhaltsänderung heraus resultiert. Im vorliegenden Fall liegt der Grund für die Minderung des Werts der Sicherheit in dem durch den Verlust der Mitgliedschaft begründeten Rangrücktritt im Verhältnis zum Verwertungsrecht der AG, ohne dass der Pfandgegenstand für diesen neuen Rechtsinhaber in seinem Wert beeinträchtigt wäre. Somit ist lediglich das Pfandrecht des Pfandnehmers beeinträchtigt. Der Gesetzgeber differenziert in den §§ 1204 ff. BGB bewusst zwischen dem Begriff des „Pfandes" i.S.d. Pfandgegenstands und dem des „Pfandrechts" i.S.d. Verwertungsrechts. Denn zum einen ist der Begriff des Pfandrechts in § 1204 I BGB legal definiert. Des Weiteren zeigt dies vor allem § 1212 BGB, in dem der Gesetzgeber beide Begriffe in dem dargelegten Sinn nebeneinander verwendet. Die Frage des Rangs einer Verwertung betrifft naturgemäß nur das Recht, nicht den zu verwertenden Gegenstand selbst. Dies zeigt auch § 1209 BGB, der den „Rang des Pfandrechts" regelt. Damit besteht kein vorzeitiges Befriedigungsrecht nach § 1219 BGB.
356 Gegen eine Anwendbarkeit Münchener Kommentar BGB, Damrau, § 1273, Rn. 8. Für eine Anwendbarkeit Palandt, Bassenge, BGB, § 1273, Rn. 2; Soergel, Habersack, § 1273, Rn. 10; Staudinger, Wiegand, BGB, § 1273, Rn. 19. Vgl. zu dieser Streitfrage § 4 C. II. l.f).
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§ 4 Die Rechtsstellung des Pfandgläubigers
III. Die Schadensersatzpflicht des Verpfänders nach erfolgter Kaduzierung Erfolgt eine Kaduzierung der Aktien, ist ein Schaden des Pfandnehmers wegen Verlusts der Sicherheit gegeben. Grundsätzlich kann eine Naturalrestitution nach § 249 I BGB auch in der Bestellung einer neuen, gleichwertigen Sicherheit bestehen357. Jedoch setzt eine Schadensersatzpflicht nach den hier in Betracht kommenden §§ 280 I, 823 I BGB die Erfüllung des haftungsbegründenden Tatbestands und damit insbesondere eine Pflichtverletzung des Schuldners voraus. Zu erörtern ist deshalb, ob auch gegenüber dem Pfandnehmer die Pflicht des verpfändenden Aktionärs besteht, die fällige Einlage zu zahlen, um den Verlust der Sicherheit zu vermeiden. Einer derartigen Pflicht, die als Nebenpflicht in dem Sicherungsvertrag ihre Grundlagefinden kann, ist grundsätzlich mit Zurückhaltung zu begegnen. Ausgangspunkt ist wiederum die Überlegung, dass nach der gesetzgeberischen Konzeption der §§ 1276, 1227, 1215 ff. BGB der Schutz des Pfandgegenstands primär dem Pfandgläubiger obliegt. Im Unterschied zur Frage nach der Pflicht des Pfandgebers zur Anfechtung von Hauptversammlungsbeschlüssen besteht hier eine Besonderheit darin, dass sein Verhalten zu einer Beeinträchtigung der Sicherheit führt. Typischer Inhalt der Leistungstreuepflicht ist es aber, alles zu tun, um den Vertragszweck zu erreichen 358. Zweck des Sicherungsvertrags ist die Sicherung einer Forderung durch eine bestimmte Sicherheit, die den Gläubiger im Fall der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners schadlos halten soll 359 . Grundsätzlich hat daher der Sicherungsgeber die Rechte des Gläubigers für den möglichen Eintritt des Sicherungsfalls zu wahren. In welchen Umfang indes eine solche Leistungstreuepflicht auch im Zusammenhang mit der Bestellung eines Pfandrechts bejaht werden kann, bestimmt sich nach den Umständen des Einzelfalls, wobei ein wesentlicher Gesichtspunkt die beschriebene gesetzliche Ausgestaltung dieser Sicherheit bleibt. Von Bedeutung ist zunächst, dass die Annahme eines solchen Pflichtinhalts zu einer sehr strengen Haftung des Pfandgebers führen würde. Denn die Pflicht ist auf Leistung eines Geldbetrags gerichtet, für die der Schuldner grundsätzlich ohne Verantwortlichkeit einzustehen hat 360 . Die Garantiehaflung (§ 276 I 1 BGB) ist hier der regelmäßig durch Auslegung (§§ 133, 157 BGB) sich ergebende
357 RGZ 143, 374, 376; Münchener Kommentar BGB (4. Aufl.), Oetker, § 249, Rn. 338; Staudinger, Schiemann, BGB, § 249, Rn. 192. 358 Jauernig, Vollkommer, BGB, § 242, Rn. 27; Palandt, Heinrichs, BGB, § 242, Rn. 27. 359 Bülow, Kreditsicherheiten, Rn. 59, 68. 360 BGHZ 140, 233, 239; Emmerich, Leistungsstörungen, § 3 IV 3; Lorenz/Riehm, Neues Schuldrecht, Tz. 315 f.; Medicus, Geld, AcP 1988, S. 489 ff.
Β. Die Rechte des Pfandgläubigers bei der Kaduzierung von Aktien
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Schuldinhalt, da sowohl die Verkehrssitte als auch der Gesetzgeber im Zwangsvollstreckungs- und Insolvenzrecht die jederzeitige finanzielle Leistungsfähigkeit erwarten. Zudem spielt eine große Rolle, dass der Pfandgläubiger selbst die Möglichkeit hat, eine Verschlechterung seiner Sicherheitenposition durch Zahlung der rückständigen Einlage nach § 268 BGB analog zu verhindern. Er kann somit selbst sein Recht schützen. Des Weiteren war bereits im Zeitpunkt der Pfandrechtsbestellung das Haftungsobjekt nicht voll eingezahlt. Es fällt aber grundsätzlich in den Risikobereich des Sicherheitennehmers, die Werthaltigkeit seiner Sicherheit gegebenenfalls durch Nachfragen beim Sicherungsgeber zu überprüfen. Bei der Festlegung des Risikobereichs ist wesentlich die Vorschrift des § 10 II 1 AktG zu berücksichtigen. Danach muss der Pfandnehmer grundsätzlich nur bei Namens-, nicht aber bei Inhaberaktien mit der Möglichkeit der nicht vollständigen Einzahlung rechnen. Damit kommt bei der in Inhaberaktien verbrieften Mitgliedschaft trotz der gerade vorgetragenen Argumente eine Verantwortlichkeit des Verpfänders für die Werthaltigkeit der Sicherheit in Betracht. Denn diese Aktiengattung darf nur bei Volleinzahlung ausgegeben werden. Zwar löst die Ausgabe von Inhaberaktien trotz bloßer Teileinzahlung nur eine Schadensersatzpflicht der Ausgeber, also des Vorstands und des Aufsichtsrats (§§ 93 II, III Nr. 4, 116 AktG) gegenüber der Gesellschaft, nicht jedoch eine solche des Aktionärs aus. Der Grund hierfür liegt indes nur darin, dass der Aktionär schon aus einer primären Pflicht heraus, nämlich seiner in der Mitgliedschaft begründeten Einlagepflicht (§ 54 I AktG) leisten muss. Maßgeblich ist vielmehr der Gedanke, dass entgegen § 10 II 2 AktG, wonach der Teileinzahlungsbetrag auf der Namensaktie vermerkt werden muss, der Pfandgläubiger bei der Inhaberaktie keinerlei Möglichkeit hat, diese Tatsache zu erkennen. Diese Verantwortung des Verpfänders rechtfertigt sich zudem daraus, dass der von einer Vollauszahlung in redlicher Weise ausgehende Erwerber nicht für die rückständige Einlage haftet und damit gegen ihn kein Kaduzierungsverfahren stattfinden kann361. Genauso wie der nach § 932 II BGB redliche Erwerber des AG-Anteils schutzwürdig ist, ist dies aber auch der Pfandgläubiger, der von einer Vollauszahlung ausgehen kann. Aus dieser Überlegung heraus rechtfertigt sich ebenso eine Schadensersatzpflicht bei der Namensaktie, insbesondere wenn entgegen § 10 II 2 AktG die Tatsache der Teileinzahlung nicht auf der Aktienurkunde vermerkt war. Im Ergebnis ist damit von einer Schadensersatzpflicht des Verpfänders nach erfolgter Kaduzierung sowohl beim in Inhaber- als auch beim in Namensaktien verbrieften AG-Anteil auszugehen, wenn der Pfandgläubiger redlicherweise i.S.d. § 932 II BGB von einer Vollauszahlung ausgehen konnte.
361
RGZ 144, 138, 145; Geßler/Hefermehl, Hefermehl/Bungeroth, AktG, § 64, Rn. 9; Großkommentar AktG, Brändel, § 10, Rn. 33, Gehrlein, §64, Rn. 16; Hüffer, AktG, § 10, Rn. 6; Kölner Kommentar AktG, Lutter, § 64, Rn. 13.
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§ 4 Die Rechtsstellung des Pfandgläubigers
C. Die Rechte des Pfandgläubigers in Bezug auf Vermögensrechte I. Die Erstreckung des Pfandrechts auf den Gewinnanspruch 1. Bei Verbriefung
des Dividendenanspruchs
Die Frage, welche Rechtsstellung dem Pfandnehmer hinsichtlich des verbrieften Gewinnrechts des Verpfänders zukommt, ist in § 1296 BGB geregelt. Danach erstreckt sich das Pfandrecht auch auf den „Gewinnanteilsschein". Näher darzulegen ist somit, was der Gesetzgeber darunter in Bezug auf das Gewinnrecht des Aktionärs versteht. Festzulegen ist also der genaue Gegenstand der Verbriefung und damit auch des Pfandrechts. Beim Gewinnrecht des Aktionärs ist zu unterscheiden zwischen dem in § 58 IV AktG normierten mitgliedschaftlichen Gewinnanspruch und dem konkreten Anspruch auf Leistung der Dividende, der seine Grundlage in einem Hauptversammlungsbeschluss nach §§ 174 II Nr. 2, 58 III AktG findet 362. Nur dieser konkrete Anspruch kann in einem eigenständigen Wertpapier, dem Dividendenschein oder Coupon363 verbrieft werden, da der allgemeine Gewinnanspruch als Ausfluss der Mitgliedschaft und damit als Stammrecht bereits in der Aktie selbst verkörpert ist. Von seiner Rechtsnatur her handelt es sich beim Dividendenschein regelmäßig um ein auf den Inhaber lautendes aktienrechtliches Nebenpapier, auch wenn Namensaktien ausgegeben wurden 364. Ziel ist die Erleichterung der Legitimation. Es liegt somit ein echtes Wertpapier, nämlich ein Inhaberpapier vor. Diese Qualifikation ist insofern von Interesse, als damit auch der Gewinnanteilsschein in die Girosammelverwahrung nach § 5 DepotG genommen werden kann. Somit erstreckt sich auch das Pfandrecht am AGAnteil bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 1296, 1 BGB auf diesen konkreten Gewinnauszahlungsanspruch. Voraussetzung ist nach dieser Vorschrift zunächst, dass die Mitgliedschaft ebenfalls in einer Inhaber- oder Namensaktie verbrieft ist, und auch die Verpfändung nach Maßgabe der §§ 1292 f. BGB vorgenommen worden ist. Dies ergibt sich aus den Worten „Pfandrecht an einem Wertpapier". Konsequenz dieses Erfordernisses ist, dass bei der heute gängigen Dauerglobalaktie keine 362
Großkommentar AktG, Herne, § 58, Rn. 92 ff.; Hüffer, AktG, § 58, Rn. 28; Kölner Kommentar AktG, Lutter, § 58, Rn. 96 ff.; Münchener Kommentar AktG, Bayer, § 58, Rn. 102 ff. 363 Diese Begrifflichkeit resultiert aus dem Umstand, dass das Wertpapier regelmäßig aus einzeln abtrennbaren Gewinnanteilsscheinen besteht (so A.I.4. der Richtlinien für den Druck von Wertpapieren). 364 Geßler/Hefermehl, Hefermehl/Bungeroth, AktG, § 58, Rn. 147; Hüffer, AktG, § 58, Rn. 29; Münchener Handbuch GesR IV, Wiesner, § 12, Rn. 28; Münchener Kommentar AktG, Bayer, § 58, Rn. 126.
C. Die Rechte des Pfandgläubigers in Bezug auf Vermögensrechte
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automatische Mitverpfändung des Dividendenanspruchs über § 1296, 1 BGB erfolgen kann, weil das Pfandrecht an der Mitgliedschaft nach §§ 1274 ff. BGB begründet wird. Des Weiteren wird eine Übergabe des Gewinnanteilsscheins vorausgesetzt. Erfolgt diese, vermutet § 1296,1 BGB unwiderlegbar, dass diese zu Pfandzwecken vorgenommen wurde. Auch bei diesem Merkmal spielt indes die Art der Verbriefung eine wesentliche Rolle. Selbst wenn die Mitgliedschaft nicht in einer Sammelurkunde verbrieft ist, kann die Voraussetzung nicht erfüllt werden, wenn der Dividendenschein in dieser Form seine Verkörperung gefunden hat, weil auch dann i.d.R. nach der hier vertretenen Auffassung keine besitzrechtliche Position des Aktionärs an ihm gegeben ist. Insgesamt gewährt § 1296 BGB dem Pfandgläubiger nur eine äußerst schwache Position im Hinblick auf den Dividendenanspruch. Denn § 1296, 2 BGB eröffnet dem Verpfänder eine Enthaftungsmöglichkeit für vor der Pfandreife fällig werdende Zahlungsansprüche, indem sie ihm einen Anspruch auf Herausgabe des entsprechenden Coupons zuerkennt. Der Pfandhaftung unterfällt damit letztlich nur die nach Pfandreife fällig gewordenen Dividenden. Allerdings hat diese Enthaftungsregelung in der Praxis nur eine geringe Bedeutung, da von der ausdrücklich gesetzlich eingeräumten Abbedingungsmöglichkeit regelmäßig Gebrauch gemacht wird. Insbesondere geschieht dies in Art. 14 IV AGB-Banken. 2. Bei fehlender Verbriefung
des Dividendenanspruchs
Keine gesetzliche Regelung existiert hinsichtlich der Frage einer Erstreckung des Pfandrechts auf den nicht verbrieften Dividendenanspruch. Wiedemann 365 geht von einer Erstreckung auf der Grundlage einer analogen Anwendung des § 1289 BGB auf das Pfandrecht an einem Gesellschaftsanteil aus. Dieser Auffassung ist zuzugestehen, dass im Vergleich zu der von § 1289 BGB direkt erfassten verzinslichen Geldforderung sogar ein noch größeres Bedürfnis für eine Pfandverhaftung besteht, da die Dividende nicht notwendig aus dem im betreffenden Geschäftsjahr erzielten Gewinn der Gesellschaft gezahlt werden muss, sondern auch aus vor der Pfandrechtsbestellung erwirtschafteten Erträgen geleistet werden kann, indem aus der Gewinnrücklage oder einem Gewinnvortrag Mittel entnommen werden 366. Insofern wird in der AG gebildete Substanz ausgeschüttet, die an sich der Verwertungsbefugnis des Pfandgläubigers unter365
Mitgliedschaftsrechte, S. 426. Hinsichtlich der Ausschüttungsmöglichkeit ist bei den Gewinnrücklagen (§ 266 III A. III. HGB) zwischen den gesetzlichen und den freiwillig gebildeten Rücklagen zu unterscheiden. Gemäß §§ 272 III, IV HGB, 150 AktG dürfen nur freiwillig gebildete Rücklagen in Jahren fehlender oder geringer Erträge aufgelöst und zur Zahlung von Dividenden verwendet werden. Vgl. Wöhe, Bilanzierung, S. 575 ff. 366
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§ 4 Die Rechtsstellung des Pfandgläubigers
liegen sollte. Auch ist Wiedemarsi 367 zuzugeben, dass der Ausschluss der Vermutung in § 1213 II BGB zugunsten eines Nutzungspfands für das Pfandrecht an Rechten durch § 1273 II 2 BGB nicht zwingend gegen eine Pfandverhaftung der Frucht spricht. Denn von der Frage, ob dem Pfandgläubiger aufgrund eines Nutzungspfands die Dividenden zustehen, sie also als Tilgung auf seinen Darlehensrückzahlungsanspruch anzurechnen sind, ist die Frage ihrer Pfandverhaftung, also eines bloßen Verwertungsrechts zu unterscheiden. Gleichwohl ist dieser Auffassung nicht zu folgen. Denn § 1289 BGB stellt im Verhältnis zu § 1296 BGB eine für den Pfandnehmer günstigere Regelung dar. Unter diesem Blickwinkel normiert § 1289 BGB eine Ausnahme zu dem wertpapierrechtlichen Prinzip, dass die Verbriefung dem Erwerber bzw. entsprechend dem dinglich Berechtigten angesichts der äußeren Sichtbarkeit des Rechts gerade eine Verbesserung seiner Rechtsstellung begründen soll. Deutlich kommt dies in der Legitimationsfunktion des Papierinhabers nach § 793 1 1 BGB, Art. 16 I WG (i.V.m. § 68 12 AktG bzw. § 365 I HGB), Art. 19 ScheckG zum Ausdruck. Dabei bewirkt § 1289 BGB eine Besserstellung im Vergleich zum wertpapierrechtlich verbrieften Zinsanspruch (§ 1296 BGB) in zweifacher Hinsicht. Zum einen erstreckt sich die Haftung des Verpfänders kraft Gesetzes auf die Zinsansprüche, ohne dass ein weiteres Erfordernis wie die Übergabe des Papiers hinzutreten müsste. Zum anderen unterliegen nach § 1289, 2 BGB der Pfandhaftung auch vor der Pfandreife geleistete Zinsbeträge, falls der Pfandgläubiger nur dem Schuldner der Forderung anzeigt, von seinem Einziehungsrecht nach § 1281 BGB Gebrauch zu machen. Ist somit etwa bei einer Schuldverschreibung auf den Inhaber nur der Hauptleistungsanspruch, nicht aber der Zinsanspruch in einem Zinsschein nach § 803 BGB verbrieft, erstreckt sich wegen der direkten Anwendbarkeit des § 1289 BGB das Pfandrecht ipso iure auch auf diesen. Gegen eine Analogie spricht somit das rechtsmethodische Prinzip, dass durch eine allzu weite Auslegung einer Ausnahmebestimmung die generelle Regelungsabsicht des Gesetzgebers (Besserstellung bei wertpapierrechtlicher Verbriefung) nicht in ihr Gegenteil verkehrt werden darf 368. Von Bedeutung ist in diesem Zusammenhang weiter, dass § 1296 BGB die einzige pfandrechtliche Vorschrift ist, in der der Dividendenanspruch des Aktionärs in dem Begriff des Gewinnanteilsscheins eine ausdrückliche Erwähnung gefunden hat. In dieser Hinsicht würde es vor dem Hintergrund der grundsätzlichen Funktion des Wertpapierrechts gerade bei diesem Anspruch wertungswidersprüchlich erscheinen, bei seiner fehlenden Verbriefung den Pfandgläubiger besser zu stellen. Somit soll die Erwähnung des Dividendenanspruchs in § 1296 BGB vielmehr aufgrund der Verbriefung und damit in Übereinstimmung mit dem Wertpapierrecht eine Verbesserung der Rechtsstellung des Pfandnehmers 367 368
Mitgliedschaftsrechte, S. 426. Ebenso Wertenbruch, Haftung, S. 591, 639. Vgl. zur Auslegung von Ausnahmevorschriften Lorenz, Methodenlehre, S. 355 f.
C. Die Rechte des Pfandgläubigers in Bezug auf Vermögensrechte
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bewirken. Dies zeigt auch der systematische Zusammenhang zu den §§ 12921295 BGB, die durchweg im Vergleich zu den sonstigen Regeln über das Pfandrecht an Rechten den Pfandgläubiger an einem Wertpapier begünstigen, indem ihm die Möglichkeit des gutgläubigen Erwerbs (§§ 1292 f. BGB), ein Einziehungsrecht vor Pfandreife (§ 1294 BGB) oder eine einfachere Verwertungsform (§ 1295 BGB) eingeräumt wird. Die Nichterstreckung des Pfandrechts auf den Dividendenanspruch bei fehlender Verbriefung hat auch Bedeutung für die Ausgleichszahlung an die außenstehenden Aktionäre nach § 304 AktG bei Abschluss eines Unternehmensvertrags. Dieser tritt an die Stelle des mitgliedschaftlichen Gewinnanspruchs aus § 58 IV AktG, wie sich aus § 304 II 1 AktG ergibt. Angesichts der fehlenden wertpapiermäßigen Verbriefung der konkreten Zahlungsansprüche sind diese ebenfalls nicht Haftungsgegenstand. 3. Zur These der Pfandverhaftung des Gewinnanspruchs aufgrund der Stammwertbelastung Aus den vorstehenden Ausführungen lässt sich die These ableiten, dass das Pfandrecht an der Mitgliedschaft in der AG sich grundsätzlich nicht auf den konkreten Dividendenanspruch erstreckt. Der gegenteiligen Ansicht ist Wertenbruch 369. Hinter seiner Auffassung steht der Gedanke, die Belastung des mitgliedschaftlichen Gewinnstammrechts führe automatisch zu einem Pfandrecht an dem daraus erwachsenden konkreten Dividendenanspruch. Die Anteilspfändung erfasse sämtliche Vermögenswerten Rechtspositionen und damit auch die ausgeschüttete Dividende, da sich in ihr der Ertragswert der Aktie verkörpere. § 1296 BGB stehe dem Grundsatz der Pfandverhaftung des Gewinnanspruchs nicht entgegen, weil die Vorschrift nur bezwecke, bei fehlender Übergabe der Gewinnanteilsscheine einen Streit darüber zu vermeiden, ob die Dividende dem Schuldner zustehe, falls der Gläubiger sich unter Hinweis auf § 1289 BGB auf die Erstreckung des Pfandrechts auf die Dividende berufe. Diese These ist für das Pfandrecht am Anteil an der AG oder an der GmbH abzulehnen. Denn sie unterstellt ein allgemeines Prinzip der Pfandverhaftung der Früchte des Sicherungsgegenstands i.S.d. § 99 BGB, welches dem Gesetz nicht zu entnehmen ist. Beim Pfandrecht an beweglichen Sachen erstreckt sich das dingliche Recht gemäß § 1212 BGB nur auf Erzeugnisse, nicht aber auf Zivilfrüchte i.S.d. § 99 III BGB. Diese Regelung findet beim Pfandrecht an Rechten keine Anwendung370. Hier regeln die §§ 1289, 1296 BGB als leges 369
Haftung, S. 589 ff. (für AG-Anteil), 638 f. (für GmbH-Anteil). Erman, Küchenhoff/Michalski, BGB, § 1273, Rn. 7; Soergel, Habersack, BGB, § 1273, Rn. 10; Staudinger, Wiegand, BGB, § 1273, Rn. 19. 370
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§ 4 Die Rechtsstellung des Pfandgläubigers
speciales die Frage der Pfandverhaftung der Früchte. Gerade wegen der Existenz des § 1296 BGB kann aber, wie in dem vorangegangenen Unterpunkt gezeigt, aus § 1289 BGB kein dahingehendes allgemeines Prinzip abgeleitet werden. Dass hingegen einzelne aus einem mitgliedschaftlichen Stammrecht erwachsende Ansprüche wie das Liquidations- oder das Einziehungsentgelt dem Verwertungsrecht des Pfandgläubigers unterliegen, beruht auf der analogen Anwendung des § 1287 BGB, also auf dem Surrogatcharakter dieser Ansprüche. Zudem zieht diese Rechtsansicht nicht die notwendige Konsequenz aus dem Gegenstand der Pfandrechtsbestellung. Dies ist die Mitgliedschaft und nicht nur ein Bündel vermögensrechtlicher Einzelforderungen 371. Angreifbar ist diese These bei der Verbriefung in Dividendenscheinen auch im Hinblick auf den Regelungsinhalt des § 1296 BGB. Nach dem Verständnis von Wertenbruch wäre die NichtÜbergabe der Dividendenscheine regelmäßig als Abbedingung der grundsätzlichen Pfandverhaftung des Gewinnanspruchs zu verstehen. Grundsätzlich kann aber einem bloßen Nichthandeln kein rechtsgeschäftlicher Erklärungswert entnommen werden 372. Zudem ist § 1296 BGB Ausdruck des Prinzips der Selbständigkeit des Dividendenanspruchs aufgrund seiner eigenständigen Verkörperung. Sein Bedeutungsgehalt kann demnach nicht auf eine bloße Beweisregel reduziert werden. Trotzdem gibt die hier vertretene These der fehlenden Erstreckung des Pfandrechts auf die konkreten Dividendenzahlungsansprüche Anlass zu der Frage, ob - wie es diese Sicherungsform und dieser Sicherungsgegenstand verlangen der volle in der Mitgliedschaft enthaltene Vermögenswert verwertet werden kann. Dazu gehört insbesondere auch der in den erzielten Gewinnen und ausgeschütteten Dividenden zum Ausdruck kommende Ertragswert der Mitgliedschaft, da ja auch das Gewinnstammrecht Bestandteil des Pfandgegenstands ist. Nach den heutigen Methoden der Unternehmensbewertung ist nicht nur die in der Mitgliedschaft enthaltene Vermögenssubstanz, sondern vor allem auch ihr Ertragswert, also die Höhe der künftig zu erzielenden Gewinne ein wichtiger Faktor bei der Bewertung des Werts der Mitgliedschaft 373. Auch im Vergleich zur Verpfändung der vermögensrechtlichen Einzelansprüche ist die Pfandverhaftung des mitgliedschaftlichen Ertragswerts beim Sicherungsgegenstand Gesellschaftsanteil zwingend. Denn ein wesentlicher Unterschied dieser beiden Sicherungsgegenstände liegt darin, dass das Verwertungsrecht am Anteil gerade ein Mehr gewähren soll, weil ein Gegenwert nicht nur für sämtliche vermögensrechtlichen, sondern auch für die verwaltungsrechtlichen Bestandteile der 371
Vgl. § 2. Larenz/Wolf, BGB AT, § 28, Rn. 47. 373 BVerfGE 100, 289, 307 („DAT/Altana I"); BGHZ 140, 35, 36 ff.; Aha,, Unternehmensbewertung, AG 1997, S. 28 ff.; Emmerich/Sonnenschein/Habersack, Konzernrecht, § 22 III 3; Hülsmann, Ertragswertmethode, ZIP 2001, S. 450 ff. Vgl. ausführlich zur Unternehmensbewertung Drukarczyk, Unternehmensbewertung. 372
C. Die Rechte des Pfandgläubigers in Bezug auf Vermögensrechte
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Mitgliedschaft zu zahlen ist. Jedoch ist auch bei fehlender Erstreckung des Pfandrechts auf die konkreten Dividendenansprüche sichergestellt, dass dem Befriedigungsrecht des Pfandgläubigers auch der sich aus dem Ertragswert der Mitgliedschaft ergebende Vermögenswert unterliegt. Der Pfandnehmer kann sich nur aus den vor der Anteilsveräußerung entstandenen Gewinnansprüchen nicht befriedigen. Selbst wenn der Verpfänder über die künftigen Dividendenauszahlungsansprüche anderweitig verfügt hat, indem er sie insbesondere vor der Verwertung der Mitgliedschaft an eine andere Person voraus abgetreten hat, kommt dem Mitgliedschaftserwerber der Ertragswert des Anteils zu. Denn die Abtretung der Einzelansprüche geht ins Leere, wenn die Forderungen nicht in der Person des Zedenten entstehen374. Probleme bereitet die Geltung dieses Prinzips der notwendigen Pfandverhaftung des mitgliedschaftlichen Ertragswerts lediglich bei einer Vorausabtretung der Gewinnansprüche, wenn diese in Inhaberpapieren, den Coupons selbständig verkörpert sind. Nach dem bei dieser Art von Wertpapieren geltenden Grundsatz, dass das Recht aus dem Papier dem Recht am Papier folgt, müsste der Eigentümer des Dividendenscheins im Zeitpunkt der Entstehung des konkreten Gewinnanspruchs, also mit Wirksamwerden des Gewinnverwendungsbeschlusses auch Inhaber dieser Forderung werden, selbst wenn der Veräußerer aufgrund der Pfandverwertung des Anteils nicht mehr Aktionär wäre. Davon kann indes nicht ausgegangen werden, da die Verfügung über das Papier zu einem Zeitpunkt stattfand, in dem diesem mangels Existenz einer Forderung noch kein Wertpapiercharakter zukommen und somit auch Wertpapierrecht nicht zur Anwendung gelangen konnte. Erst ab Entstehung des Gewinnanspruchs ist der auf den Inhaber ausgestellte Gewinnanteilsschein eine Inhaberschuldverschreibung375. Konsequenz ist die Geltung der allgemeinen zessionsrechtlichen Grundsätze für einen vor diesem Zeitpunkt stattfindenden Übertragungsvorgang. Damit wird der Eigentümer des Coupons Inhaber des Dividendenanspruchs nur, wenn der veräußernde Aktionär im Zeitpunkt der Forderungsentstehung aufgrund seiner Gesellschafterstellung noch verfügungsberechtigt war. Vor diesem Zeitpunkt kann der Dividendenschein wegen des aufgrund seiner Funktionsweise für jeden Erwerber erkennbaren Nichtbestehens einer Forderung auch keinen Rechtsschein hinsichtlich der Forderungsinhaberschaft des Veräußerers begründen. Denn für jeglichen Erwerber des Coupons ist unklar, ob es jemals in der Person des Veräußerers zum Entstehen eines konkreten Gewinnausschüttungsanspruchs kommen wird. Um die notwendige Identität von Rechtsinhaberschaft an der Forderung und am Papier zu wahren, ist für den Zeitpunkt der Forderungsentstehung damit davon auszugehen, dass das Recht am Papier dem Recht aus dem Papier folgt (§ 952 BGB). 374 375
BGHZ 88,205, 207. Vgl. ausführlich § 7 E. Kölner Kommentar AktG, Lutter, § 58, Rn. 120; Wertenbruch,
Haftung, S. 596 f.
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§ 4 Die Rechtsstellung des Pfandgläubigers
Diese Lösung ist auch vor dem Hintergrund der schwachen Rechtsposition des Erwerbers eines Gewinnanteilsscheins gerechtfertigt. Er ist nicht in gleicher Weise verselbständigt wie der Zinsschein, da die Entstehung des Dividendenanspruchs anders als die des Zinsanspruchs sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach noch von zusätzlichen Voraussetzungen, insbesondere einem Hauptversammlungsbeschluss abhängt. § 803 BGB findet daher keine Anwendung376. Diese Regelung verselbständigt den Zinsschein und gewährt damit besonderen Verkehrsschutz, indem das in ihm verbriefte Recht vom Bestand der Hauptforderung grundsätzlich unabhängig ist. Die Abhängigkeit des Dividendenscheins vom Schicksal der Aktie kann zudem grundsätzlich auch nicht im Wege des Einwendungsausschlusses überwunden werden. Ist die Mitgliedschaft nicht entstanden, besteht sie durch Einziehung nicht mehr, wurde sie dem Inhaber nach § 64 III AktG vor Entstehung des konkreten Nebenrechts entzogen oder für kraftlos erklärt, kann dies die AG dem gutgläubigen Erwerber des Gewinnanteilsscheins ebenso entgegenhalten wie sie ihm gegenüber aus Tatbeständen, die sich unmittelbar aus der Mitgliedschaft ergeben, Zurückbehaltüngsrechte geltend machen oder die Aufrechnung erklären kann377. Für den Erwerber der Mitgliedschaft bleibt problematisch, dass der Besitzer des Gewinnanteilsscheins diesen unter Umständen nicht freiwillig nach § 985 BGB herausgibt, und die Gesellschaft an diesen mit befreiender Wirkung gemäß § 793 I 2 BGB leisten kann. Der Anteilserwerber muss in einem solchen Fall der AG die fehlende Berechtigung des Besitzers anzeigen, da die Gesellschaft unter einschränkender Auslegung des § 793 I 2 BGB nicht befreit wird, wenn sie die fehlende materielle Berechtigung des Papierinhabers kennt oder in grob fahrlässiger Weise nicht kennt (Art. 40 III WG analog)378. Auf diese Weise ist auch bei Verkörperung des Dividendenanspruchs in Coupons die Pfandverhaftung des Ertragswerts bei der Verpfändung des AG-Anteils sichergestellt. 4. Vergleichende Betrachtung zum Recht der Personengesellschaft Im Recht der Personengesellschaft wird entgegen dem gefundenen Ergebnis zur Kapitalgesellschaft eine Erstreckung des Pfandrechts auf den Gewinnanspruch weithin befürwortet 379. Für das Pfändungspfandrecht am GbR-Anteil 376
Allgemeine Ansicht, vgl. nur Großkommentar AktG, Herne, § 58, Rn. 109; Hueck/Canaris, Wertpapierrecht, § 25 V 2 a. 377 Geßler/Hefermehl, Hefermehl/Bungeroth, AktG, § 58, Rn. 159 f.; Großkommentar AktG, Herne, § 58, Rn. 112; Kölner Kommentar AktG, Lutter, § 58, Rn. 125. 378 Hueck/Canaris, Wertpapierrecht, § 24 III 3; Münchener Kommentar BGB, Hüffer, § 793, Rn. 23 f.; Zöllner, Wertpapierrecht, § 2713. 379 Zum Vertragspfandrecht: Großkommentar HGB, Ulmer, § 105, Rn. 291; Roth, Verpfändung von Gesellschaftsanteilen, ZGR 2000, S. 204. Zum Pfändungspfandrecht: BGHZ 97, 392, 394 f.; 116, 222, 229; Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 45 IV 2.
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ergibt sich dies unmittelbar aus § 725 II BGB. Hinter dieser Vorschrift steht die Konzeption der Anteilspfändung als einer globalen Forderungspfändung, da der Gesetzgeber von der Unübertragbarkeit des Anteils ausging380. Auch noch heute tragender Gedanke ist, dem Pfändungspfandgläubiger eine Befriedigungsmöglichkeit aus sämtlichen aus dem Anteil fließenden Vermögenswerten Rechtspositionen zu eröffnen 381. Beim Vertragspfandrecht sind für eine Erstreckung des dinglichen Rechts auch auf den Gewinnanspruch trotz der heute anerkannten Übertragbarkeit des Personengesellschaftsanteils ähnliche Gesichtspunkte maßgeblich. Dabei ist zu beachten, dass es kein allgemeines Prinzip der Haftung der Früchte des Pfandgegenstands gibt. Die Rechtsauffassung ist jedoch Konsequenz aus dem Zweck des dinglichen Rechts, dem Pfandnehmer den gesamten Vermögenswert des Sicherungsgegenstands Mitgliedschaft zukommen zu lassen. Unterläge der Gewinnanspruch nicht seinem Verwertungsrecht, wäre er nach der gesetzlichen Regellage auf die Befriedigung aus dem mitgliedschaftlichen Substanzwert beschränkt, ohne den den Wert der Mitgliedschaft ebenfalls begründenden Ertragswert zu erlangen, der sich beim Kapitalgesellschaftsanteil in dem Veräußerungserlös widerspiegelt. Denn eine Verwertung durch Veräußerung stellt bei der Personengesellschaft die Ausnahme dar und ist nur zulässig, wenn alle Gesellschafter zustimmen382. Nach dem gesetzlichen Regelfall erfolgt eine Verwertung des GbR-Anteils nach §§ 1277, 1, 725 I BGB, also über eine Auflösung der Gesellschaft wegen Kündigung des Pfandgläubigers und Verteilung der gebildeten Vermögenssubstanz zum Liquidations-, nicht hingegen zum Fortführungswert. Dabei ist zu berücksichtigen, dass dieser nach der Gesetzeslage der grundsätzlich fehlenden Pfandverhaftung der Dividendenansprüche für das Vertragspfandrecht allein tragende Begründungsansatz nur für die GbR, nicht aber für die Personenhandelsgesellschaft greift. Denn dort führt die Kündigung durch den Privatgläubiger seit dem Handelsrechtsreformgesetz vom 22.6.1998383 nach §§ 135, 131 III Nr. 4 HGB nur zu einem Ausscheiden des Gesellschafters und nicht mehr zu einer Auflösung der Gesellschaft. Der Pfandgläubiger kann sich aus dem Abfindungsanspruch befriedigen, welcher sich aufgrund des Fortbestehens der Gesellschaft unter Berücksichtigung des Ertragswerts errechnet 384. Dass für das Pfändungspfandrecht am Personenhandelsgesellschaftsanteil in380
Flume , Personengesellschaft, S. 356; Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 45 IV 2. Vgl. ausführlich zu dieser Konzeption Schmidt, Vollstreckungsgegenstand, JR 1977, S. 177 ff. 381 Wertenbruch, Haftung, S. 493 ff. 382 Hadding, Mitgliedschaft, S. 58 f.; Schlegelberger, Schmidt, HGB, § 135, Rn. 38. 383 BGBl. I, S. 1474. 384 BGHZ 116, 359, 371; Baumbach/Hopt, Hopt, HGB, § 131, Rn. 49; Heymann, Emmerich, HGB, § 138, Rn. 30 ff.; Röhricht/von Westphalen, von Gerkan, HGB, § 131, Rn. 38.
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§ 4 Die Rechtsstellung des Pfandgläubigers
soweit ein anderer Lösungsansatz vertreten werden kann, hat seinen Grund in der ausdrücklichen gesetzlichen Anordnung des § 725 II BGB. Über § 105 III HGB kann diese Vorschrift auch auf die Personenhandelsgesellschaft Anwendungfinden, da nach seinem Regelungsbereich § 135 HGB lex specialis nur zu § 725 I BGB ist. Für das Vertragspfandrecht muss es bei dem Grundsatz bleiben, dass seine Erstreckung auf Gewinnansprüche aufgrund der gesetzlichen Ausgestaltung dieses dinglichen Rechts und aufgrund des Pfandgegenstands Mitgliedschaft in Abgrenzung zur Verpfändung der vermögensrechtlichen Einzelansprüche in besonderer Weise begründungsbedürftig ist. Weder die im Vergleich zum Kapitalgesellschaftsanteil geringere Fungibilität noch die häufig satzungsmäßig vorgesehene Einschränkung des Auseinandersetzungsentgelts385 rechtfertigen indes eine andere Beurteilung, weil es um die Entscheidung einer Grundsatzfrage hinsichtlich des generellen Haftungsumfangs des Pfandrechts an einem Gesellschaftsanteil geht, und insoweit das gesetzliche Leitbild maßgeblich bleiben muss. Auch bei der Personenhandelsgesellschaft erstreckt sich daher das vertragliche Pfandrecht nicht auf den Gewinnanspruch. Etwas anderes gilt nur, wenn eine Verwertung über § 1277, 1 BGB auf der Grundlage eines Pfändungspfandrechts erfolgt für die nach der Begründung dieses Verwertungsrechts entstandenen Gewinnansprüche. Denn ab diesem Zeitpunkt gelangt gemäß § 105 III HGB die Vorschrift des § 725 II BGB zur Anwendung. Zuzugeben ist, dass diese Lösung der gegenwärtigen Tendenz in der höchstrichterlichen Rechtsprechung zur Angleichung der rechtlichen Behandlung von Personenhandelsgesellschaft und GbR zuwiderläuft 386. Zu berücksichtigen ist indes die im Gegensatz zu den Fragen der Rechts- und Parteifähigkeit sowie der Gesellschafterhaftung ausdrückliche unterschiedliche positivrechtliche Regelung in den Fällen eines Gesellschafterwechsels: Dem Grundsatz der Auflösung im Recht der GbR (§§ 723 ff. BGB) steht derjenige des Fortbestands bei der OHG (§131 III HGB) gegenüber. Dass dies zu unterschiedlichen Rechts385
Derartige Beschränkungen muss sich der kündigende Gläubiger nach h.M. zumindest dann entgegenhalten lassen, sofern sie nicht gerade für den Fall des § 135 HGB, sondern generell für alle Fälle des Ausscheidens vereinbart sind. So Heymann, Emmerich, HGB, § 135, Rn. 21; Möhring, Festschrift Barz, S. 63 ff.; Ulmer, Abfindungsklauseln, NJW 1979, S. 83. Vgl. § 7 B. 386 Die Angleichung des Rechts der GbR an das der OHG betrifft zum einen die Frage ihrer Rechts- und Parteifähigkeit (BGHZ 146, 341, 1. und 2. Leitsatz) und zum anderen die Gesellschafterhaftung: Während der BGH sich im Jahr 1999 noch im Widerspruch zu der bis dahin überwiegend vertretenen Doppelverpflichtungslehre auf die Feststellung beschränkte, die Haftung für Gesellschaftsverbindlichkeiten sei eine gesetzliche (BGH NJW 1999, S. 3483), verdeutlichte er seine Rechtsposition im Jahr 2001 dahingehend, dass es sich wie bei § 128 HGB um eine akzessorische Haftung handele (BGHZ 146, 341, 3. Leitsatz). Mittlerweile dehnte der BGH die Haftung ausdrücklich auch auf gesetzlich begründete Verbindlichkeiten der Gesellschaft aus (ZIP 2003, S. 664) sowie analog zu § 130 HGB auf vor dem Eintritt in die Gesellschaft begründete Verbindlichkeiten (ZIP 2003, S. 899).
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folgen bei diesen beiden Gesellschaftsformen führen muss, ist auch in der jüngeren Rechtsprechung in anderen Zusammenhängen anerkannt387. II. Die Erstreckung des Pfandrechts auf das Bezugsrecht an neuen Aktien /. Die effektive
Kapitalerhöhung
a) Die Bedeutung des Bezugsrechts für den Wert des Pfandrechts Bei der effektiven Kapitalerhöhung388 wird der Gesellschaft neues Eigenkapital zugeführt. Wird dabei den Altaktionären ein Bezugsrecht eingeräumt, sollen die neuen Mittel von Urnen aufgebracht werden. Indes liegt die Einräumung des Bezugsrechts vor allem auch im Interesse der Altaktionäre, um den Bestand an Mitverwaltungs- und Vermögensrechten zu schützen. Diese begründen den Wert der Mitgliedschaft, weshalb ihr Erhalt gerade auch im Interesse eines Pfandgläubigers liegt. Von Bedeutung sind dabei zwei Aspekte. Zum einen soll durch die Einräumung eines Bezugsrechts eine Verschiebung des mitgliedschaftlichen Einflusses zugunsten der Zeichner und zum Nachteil der bisherigen Aktionäre verhindert werden, deren prozentualer Anteil am Grundkapital andernfalls sinken würde 389. Die Beteiligungsquote bestimmt regelmäßig die Stimmkraft (§ 134 11 AktG) sowie die Höhe des Gewinn- (§ 60 I AktG) und Liquidationsanspruchs (§ 271 II AktG). Zudem kann eine Veränderung der Beteiligungsstruktur zu einem Verlust von Verwaltungsrechten führen, wie der Sperrminorität (§ 179 II AktG) oder anderer Minderheitenrechte (§§ 93 IV 3, 122, 142 II, 147, 309 III 1 AktG). Insoweit geht es um den Erhalt der Herrschaftsmacht. Eine weitere Funktion erfüllt das Bezugsrecht, wenn der Ausgabebetrag der neuen Aktien unter dem Marktwert bzw. Börsenkurs liegt. Er dient dem Ausgleich der Wertminderung der alten Anteile (sog. Verwässerungseffekt) 390. Ein 387 Wegen § 47 GBO kann eine GbR anders als die OHG nicht unter ihrem Namen im Grundbuch eingetragen werden (BayObLG DB 2002, S. 2481). Wegen der fehlenden Eintragungsmöglichkeit im Handelsregister besteht mangels Vorlage der Vollmacht des Mitgesellschafters einer GbR ein Zurückweisungsrecht nach § 174 BGB (BGH WM 2001, S. 2441). 388 Das AktG kennt drei Formen der effektiven Kapitalerhöhung: die ordentliche Kapitalerhöhung (§§ 182-191), die bedingte Kapitalerhöhung (§§ 192-201) und die Kapitalerhöhung aus genehmigtem Kapital (§§ 202-206). 389 Münchener Handbuch GesR IV, Krieger, § 56, Rn. 57; Schumann, Bezugsrecht, S. 22. 390 Füchsel, Bezugsrechtsausschluss, BB 1972, S. 1534; Heinsius, Festschrift Kellermann, S. 117; Hirte, Bezugsrechtsausschluss, S. 7 f.
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§ 4 Die Rechtsstellung des Pfandgläubigers
Wertverlust tritt ein, weil das Grundkapital prozentual stärker steigt als das Gesamtvermögen der Gesellschaft. Sachlich spiegelt der Wert des Bezugsrechts damit den Vorteil wider, der in der Möglichkeit des Erwerbs eines Anteils unter dem Marktpreis liegt. Bei börsennotierten Unternehmen, bei denen nach dem Kriterium des Kurs-Gewinn-Verhältnisses der Ertragswert ein wichtiger Bewertungsfaktor ist, lässt sich der Verwässerungseffekt auch darin veranschaulichen, dass nunmehr ein identischer Gewinn sich auf eine größere Anzahl an Aktien verteilt, und dadurch der Kurs bei identischem Bewertungsniveau sinken muss. Diese zweite Aufgabe des Bezugsrechts lässt sich kurz auch als Erhalt des Substanzwerts der bisherigen Beteiligung bezeichnen. Der Pfandgläubiger hat ein rechtlich anerkanntes Interesse an der Erhaltung des Werts der Pfandsache (vgl. vor allem §§ 1219, 1227, 1276 BGB). Gegenstand der Darstellung muss daher die Frage sein, auf welche Weise diese Nachteile für den Pfandnehmer zu einem Ausgleich gebracht werden können. b) Die Zuständigkeit zur Ausübung des Bezugsrechts Nach einhelliger Auffassung in der Literatur bleibt das Recht zur Ausübung des Bezugsrechts beim Verpfänder 391. Grund ist, dass keine pfandrechtliche Regelung existiert, die dem Pfandgläubiger eine solche Kompetenz zuweisen würde. Auch steht dem Pfandgläubiger kein Zustimmungsrecht nach § 1276 II BGB zu 392 . Die Ausübung des Bezugsrechts kann nicht als Beeinträchtigung des Pfandrechts i.S.d. § 1276 II BGB angesehen werden. Dies gilt unabhängig von der Frage, ob trotz einer Bezugsrechtsausübung durch den Aktionär eine nachteilige Inhaltsänderung für den pfandverhafteten Teil der Mitgliedschaft des Aktionärs vorliegt 393. Denn zumindest in diesem Verfahrensstadium einer Kapitalerhöhung ist eine Beeinträchtigung i.S.d. § 1276 II BGB nicht gegeben, weil das Verhalten des Aktionärs auf einen unveränderten Inhalt seiner mitgliedschaftlichen Stellung abzielt. Zudem könnte § 1276 II BGB von seiner Rechtsfolge her für den Pfandnehmer keinen Schutz bieten, da mit einer Zustimmungsverweigerung nur die Rechtsmacht verbunden ist, die Ausübung des Bezugsrechts zunichte zu machen. 391
Geßler/Hefermehl, Hefermehl/Bungeroth, AktG, § 186, Rn. 35; Großkommentar AktG, Wiedemann, , § 186, Rn. 77; Hüffer, AktG, § 186, Rn. 11; Kölner Kommentar AktG, Lutter, § 186, Rn. 21; Meilicke, Bezugsrecht, BB 1961, S. 1281; Münchener Handbuch GesR IV, Krieger, § 56, Rn. 64; Münchener Kommentar BGB, Damrau, § 1293, Rn. 8; Soergel, Habersack, BGB, § 1274, Rn. 34. 392 Geßler/Hefermehl, Hefermehl/Bungeroth, AktG, § 186, Rn. 37; Hüffer, AktG, § 186, Rn. 11; Meilicke, Bezugsrecht, BB 1961, S. 1281. Lutter befürwortet in Kölner Kommentar AktG, § 186, Rn. 20 eine Anwendung der vergleichbaren nießbrauchrechtlichen Regelung des § 1071 BGB. 393 Vgl. ausführlich die Unterpunkte d)-f).
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Des Weiteren findet § 1276 II BGB auf die Veräußerung des Bezugsrechts mangels Vorliegens einer Inhaltsänderung ebenfalls keine Anwendung. Denn die Veräußerung eines nicht zum Pfandgegenstand gehörenden schuldrechtlichen Anspruchs kann keine Inhaltsänderung begründen. Im Gegensatz zum Bezugsstammrecht stellt das aus einem Kapitalerhöhungsbeschluss erwachsende konkrete Bezugsrecht keinen mitgliedschaftlichen Anspruch dar 394. Die Nichtausübung des Bezugsrechts innerhalb der Ausübungsfrist (§ 186 I 2 AktG) führt zu seinem Erlöschen395. § 1276 II BGB ist hier ebenfalls nicht anwendbar, weil kein rechtsgeschäftliches Verhalten vorliegt. Tauglicher Anknüpfungspunkt für § 1276 II BGB kann somit nur der Kapitalerhöhungsbeschluss der Hauptversammlung (§ 182 I AktG) sein, da er unentbehrliche Voraussetzung für die erst mit der Eintragung der Durchführung der Kapitalerhöhung im Handelsregister (§ 189 AktG) veränderte mitgliedschaftliche Stellung des Aktionärs bei Nichtausübung seines Bezugsrechts ist 396 . Hierauf soll in Unterpunkt e) näher eingegangen werden. c) Die Erweiterung des Pfandrechts kraft Gesetzes Nach einer Auffassung in der Literatur soll sich das Pfandrecht ipso iure an dem Erlös aus dem Verkauf des Bezugsrechts oder einem diesem Wert entsprechenden Teil der neuen Aktien fortsetzen 397. Zur Begründung wird auf § 1212 BGB verwiesen398. Da wertmäßig das Bezugsrecht teilweise zu Lasten der alten Aktien gehe, sei eine Gleichsetzung zum Erzeugnis gerechtfertigt. Diese Rechtsauffassung ist aus zwei Gründen abzulehnen. Zum einen existiert für sie keine gesetzliche Grundlage. Zuzugeben ist, dass eine Vergleichbarkeit zum Erzeugnis insoweit gegeben ist, als aus einer Hauptsache heraus ein neuer, rechtlich selbständiger Gegenstand geschaffen wird, der zu Lasten der Substanz der Hauptsache geht. Diese Auffassung daher allein wegen der Beschränkung des Begriffs auf organische Stoffe in § 99 I BGB abzulehnen399, 394
Rn. 6 f.
Großkommentar AktG, Wiedemann,
§ 186, Rn. 60 f.; Hüffer,
AktG, § 186,
395 Großkommentar AktG, Wiedemann, § 186, Rn. 97; Hüffer, AktG, § 186, Rn. 16; Kölner Kommentar AktG, Lutter, § 186, Rn. 34. 396 Ebenso Meilicke, Bezugsrecht, BB 1961, S. 1281, der die Frage nach einer Anwendung des § 1276 BGB in Fn. 6 offen lässt. Die Eintragung im Handelsregister hat konstitutive Wirkung. Vgl. Hüffer, AktG, § 189, Rn. 2. 397 Kölner Kommentar AktG, Lutter, § 186, Rn. 21; Münchener Kommentar BGB, Damrau, § 1293, Rn. 8. 398 So Münchener Kommentar BGB, Damrau, § 1293, Rn. 8. 399 Diese Auslegung entspricht allgemeiner Ansicht. Vgl. nur Erman, Michalski, BGB, § 99, Rn. 4; Staudinger, Dilcher, BGB, § 99, Rn. 6.
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§ 4 Die Rechtsstellung des Pfandgläubigers
erscheint zu formalistisch, da § 1273 II 1 BGB eine entsprechende, also die Besonderheit des Pfandgegenstands „Recht" berücksichtigende Anwendung vorschreibt. Indes verbietet sich eine Heranziehung der Norm, weil die Frage der Erstreckung auf aus dem verpfändeten Recht fließenden Ansprüchen in den Sonderregelungen der §§ 1289, 1296 BGB abschließend beantwortet ist. Unter diese Vorschriften kann der Fall einer Kapitalerhöhung aber ersichtlich nicht subsumiert werden. Zum anderen ist diese Auffassung auch in hohem Maße unpraktikabel. Einzugehen ist dabei zunächst auf die Frage, weshalb sich das Pfandrecht nur auf einen Teil der neuen Aktien erstrecken kann. Zu berücksichtigen ist in diesem Zusammenhang, dass dem Bezugsrecht neben der Erhaltung des Herrschaflsund Substanzwerts eine weitere Bedeutung zukommt. Der AG werden neue finanzielle Mittel zugeführt. Hinter der unverändert gebliebenen Beteiligungsquote verbirgt sich somit eine erhöhte wirtschaftliche Substanz in der Form zusätzlichen Eigenkapitals. Insoweit wurde der Pfandgegenstand wertmäßig erweitert. Dieser zusätzliche Vermögenswert soll - wie auch der Erwerb eines sonstigen Vermögensgegenstands durch den Verpfänder - nicht der Pfandhaftung unterliegen. Diese Möglichkeit besteht, weil die Mitgliedschaft des Aktionärs in einzelnen selbständig übertragbaren Aktien verbrieft ist und deshalb nicht notwendigerweise in einer Einheit übertragen werden muss. Somit kann auch nur ein Teil der Aktien Gegenstand einer pfandrechtlichen Belastung 0
· 400
sern Erhebliche Probleme kann nun die Feststellung des Teils der Aktien bereiten, auf die sich bei der Kapitalerhöhung zusätzlich das Pfandrecht erstrecken soll. Allgemein wird formuliert, das Pfandrecht solle sich nur an dem Teil der neuen Aktien fortsetzen, der dem Wertverhältnis des Bezugsrechts zum Gesamtwert der neuen Aktien entspricht401. Die genaue Festlegung der Erweiterungsquote setzt damit die Kenntnis des Betrags voraus, den der Aktionär der Gesellschaft zuführt. Dies bereitet keine Schwierigkeiten. Als problematisch kann sich indes 400
In dieser Hinsicht ist die Rechtslage einfacher als im Personengesellschaftsrecht, in dem von der Rechtsprechung und einem großen Teil der Literatur nach dem Prinzip der Einheit der Mitgliedschaft der Gesellschaftsanteil in der Hand eines Gesellschafters notwendigerweise ein einheitlicher und daher keiner Aufspaltung zugänglich ist (vgl. nur Baumbach/Hopt, Hopt, HGB, § 124, Rn. 16 m.w.N.). Nach diesem Dogma müsste sich das Pfandrecht auf den gesamten Geschäftsanteil und damit auch auf den gesamten Erhöhungsbetrag bei einer Kapitalerhöhung erstrecken. Eine Lösung läge hier nur darin, bei formalrechtlich dinglicher Belastung der gesamten Mitgliedschaft die Verwertungsbefugnis auf den bisherigen Teil des Geschäftsanteils inklusive des den Wert des Bezugsrechts ausmachenden Erhöhungsteils zu beschränken. 401 Kölner Kommentar AktG, Lutter, § 186, Rn. 21; Münchener Kommentar BGB, Damrau, § 1293, Rn. 8. Bezüglich der Wertverhältnisse ebenso die Autoren, die eine Pflicht zur Erstreckung des Pfandrechts annehmen. Vgl. die in Fn. 403 Genannten.
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die Kenntnis des Werts des Bezugsrechts erweisen. Hier ist zwischen börsennotierten und nicht börsennotierten Gesellschaften zu unterscheiden. Bei einer Börsennotierung der Aktie findet ein Bezugsrechtshandel statt, der den Marktwert des Bezugsrechts festlegt 402. Hier verdienen nur zwei weitere Gesichtspunkte Erwähnung. Zum einen stellt sich die Frage, welcher Kurswert des Bezugsrechts zugrunde zu legen ist. Abzustellen ist auf den Tag, an dem der Aktionär sein Bezugsrecht ausgeübt hat. Problematisch ist nur, dass es selbst an diesem Tag zu einer Vielzahl von Kursfeststellungen an den verschiedenen deutschen Wertpapierbörsen gekommen sein wird. Sachgerecht erscheint es, die Xetra-Schlussnotierung an der Frankfurter Börse als dem wichtigsten deutschen Kapitalmarkt für maßgeblich zu halten. Zum zweiten berücksichtigt der Kurswert nicht besondere Umstände des Einzelfalls. Den Bezugsrechten eines Großaktionärs kann insofern ein höherer Wert zukommen, als bei ihrer Veräußerung für einen Erwerber das Recht zum Erwerb einer Beteiligungsquote verbunden ist, die bezogen auf das erhöhte Kapital besondere Befugnisse wie etwa eine Sperrminorität (§ 179 II AktG) gewährt. In diesen Ausnahmefällen wird man einen Zuschlag zu ihrem Börsenkurs, den sog. Paketzuschlag festzusetzen haben. Bei nicht börsennotierten AGs setzt die Festlegung des Werts des Bezugsrechts eine Unternehmensbewertung voraus. Der notwendigen Erstreckung des Pfandrechts auf einen Teil der neuen Anteile steht hier ein Erkenntnisproblem gegenüber, da der einzelne Aktionär den Unternehmenswert regelmäßig nicht kennt. Insbesondere verfügt er auch über keine Kompetenz, eine solche Unternehmensbewertung vornehmen zu lassen. Zudem steht der damit verbundene Aufwand, vor allem die erheblichen Kosten zu dem Wert der Information für den Pfandgläubiger in keinem Verhältnis. In der Hauptversammlung hat der Aktionär weder ein Auskunftsrecht zur Höhe der stillen Reserven (§131 III 1 Nr. 3 AktG) noch zu den Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden (§ 131 III 1 Nr. 4 AktG). Einzige Erkenntnisquelle ist für ihn die Bilanz, die jedem Gesellschafter gegenüber offen zu legen ist (§§ 325 ff. HGB). Angesichts dieses Erkenntnisproblems ist eine automatische Erstreckung unpraktikabel. Eine Pflicht zur Erweiterung stellt den tauglichen Lösungsansatz dar, da in diesem Fall die Pfandvertragsparteien die Reichweite der Erstreckung auf jeden Fall ausdrück402 Dass der Börsenkurs wesentlicher Bewertungsfaktor ist, hat auch das BVerfG im Rahmen der Bestimmung der Abfindung oder des Ausgleichs für außenstehende Aktionäre nach §§ 304, 305, 320b AktG ausdrücklich anerkannt. BVerfGE 100, 289, 307 f. („DAT/Altana I"). Da der Marktwert Resultat von Angebot und Nachfrage am Kapitalmarkt ist, kann er von seinem rechnerischen Wert abweichen. Dieser bestimmt sich nach der Formel (vgl. Perridon/Steiner, Finanzwirtschaft, S. 374): Börsenkurs der alten Aktie - Börsenkurs der jungen Aktie Bezugsverhältnis + 1
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lieh in einer genauen Quote festzulegen haben unter Rückgriff auf die ihnen zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen, also im Wesentlichen die letzte Jahresbilanz. d) Die Pflicht des Verpfänders zur Erweiterung des Pfandrechts Überwiegend wird in der Literatur eine Pflicht des Verpfänders zur Bestellung eines Pfandrechts am Erlös aus der Veräußerung des Bezugsrechts bzw. an einem dem Wert des Bezugsrechts entsprechenden Teil der jungen Aktien befürwortet 403. Wegen des rechtlich anerkannten Interesses des Pfandgläubigers an Substanzerhaltung und den weiteren in dem vorhergehenden Unterpunkt dargelegten Gründen ist dieser Auffassung zu folgen. Indes soll in diesem Zusammenhang auf einen weiteren Gesichtspunkt aufmerksam gemacht werden. Die Ausübung des Bezugsrechts sichert nur dem Aktionär den Erhalt des bisherigen Herrschafts- und Substanzwerts. Für den Verpfänder hat seine Ausübung nur die Wirkung des wertmäßigen Ausgleichs des Verwässerungseffekts. Nur der Substanzwert wird erhalten. Hingegen sinkt die dem Pfandrecht unterliegende Beteiligungsquote notwendigerweise, weil sich das Pfandrecht nur auf einen Teil der neuen Aktien erstreckt. Abhängig ist die Verringerung dieser Quote zum einen von der Höhe der Differenz zwischen dem Ausgabebetrag der jungen Aktien und dem Wert der alten Anteile, zum anderen von dem Bezugsrechtsverhältnis. Ist diese Differenz sehr gering, hat das Bezugsrecht i.d.R. einen geringen Wert, und die dem Pfandrecht unterliegende Beteiligungsquote kann erheblich sinken. Entspricht beispielsweise der Ausgabebetrag der jungen Aktien genau dem Kurs der alten Anteile, hat das Bezugsrecht rechnerisch keinen Wert. Für das Pfandrecht an einem Gesellschaftsanteil von 30% führt dies bei einer Verdoppelung des Grundkapitals zu der Konsequenz, dass nur noch ein 15%-tiger Anteil der Verwertungsbefugnis des Pfandnehmers unterliegt. Liegt auf der anderen Seite der Ausgabepreis erheblich unter dem Wert der Altaktien und ist das Bezugsrechtsverhältnis höher, so verringert sich die der Pfandhaftung unterliegende Beteiligungsquote in sehr viel geringerem Maße. Gefahr für den Wert des Pfandrechts kann aber in dieser zweiten Fallgruppe bei einer Veräußerung des Bezugsrechts erwachsen. Zwar besteht dann die Pflicht zur Bestellung des Pfandrechts am Erlös, die Beteiligung des Aktionärs am Grundkapital kann aber ebenfalls nicht unbeträchtlich sinken. Insbesondere stellt die Pflicht des Verpfänders zur Bestellung eines Pfandrechts an diesem Veräußerungserlös regelmäßig kein ausreichendes Äquivalent dar, weil damit i.d.R. nur das Recht zum Erwerb einer Beteili403
Geßler/Hefermehl, Hefermehl/Bungeroth, AktG, § 186, Rn. 37; Großkommentar AktG, Wiedemann, § 186, Rn. 79; Hüffer, AktG, § 186, Rn. 11; Meilicke, Bezugsrecht, BB 1961, S. 1281; Münchener Handbuch GesR IV, Krieger, § 56, Rn. 64.
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gungsquote verbunden ist, mit der keine besonderen Rechte verbunden sind. Nur in der Hand des Verpfänders hat das Bezugsrecht einen besonderen Wert, weil seine bisherige Herrschaftsmacht aufrechterhalten werden kann. Diese Ausführungen verdeutlichen, dass mit der stets eintretenden Verringerung der der Pfandhaftung unterliegenden Beteiligungsquote in besonderen Fallkonstellationen eine erhebliche Wertminderung des Pfandrechts einhergehen kann. Das ist immer dann der Fall, wenn der Rückgang der Beteiligungsquote beim Verpfänder mit einem bedeutsamen Verlust an Herrschaftsmacht wie etwa der wichtigen Sperrminorität des § 179 II AktG verbunden ist, da der Verkehr die Möglichkeit der Ausübung dieser Herrschaftsmacht mit einem Paketzuschlag bewertet. Zu diskutieren ist daher, ob der Pfandgläubiger auch in solchen Fällen gegen den mit dem Verlust an Herrschaftsmacht verbundenen Wertverlust geschützt ist. Zu denken ist an eine gegenüber dem Pfandnehmer bestehende Pflicht des Verpfänders, das Bezugsrecht auszuüben anstatt dieses zu veräußern. Eine solche Pflicht hilft dem Pfandgläubiger aber nur, wenn gerade die Nichtausübung des Bezugsrechts zu einem Verlust der Herrschaftsmacht führt, nicht hingegen in Konstellationen, in denen selbst bei einer Ausübung des Bezugsrechts die der Pfandhaftung unterliegende Beteiligungsquote in dieser Weise absinkt. Neben diesem Gesichtspunkt, dass eine solche Pflicht keinen einheitlichen Ansatz zu begründen vermag, bestehen weitere erhebliche Bedenken. Zunächst käme eine solche Pflicht einer Nachschusspflicht gleich. Gegenüber der Gesellschaft kommt diesem Belastungsverbot, welches im Aktienrecht in § 180 I AktG ausdrücklich normiert ist, eine besondere Bedeutung zu. Denn insoweit besteht eine Ausnahme zum grundsätzlich in der AG geltenden Mehrheitsprinzip für Satzungsänderungen (§ 179 II 1 AktG). Gegen den Willen des Gesellschafters sollen ihm keine zusätzlichen Pflichten auferlegt werden können. Seine Zustimmung ist unabdingbar. Die herausgehobene Stellung dieses Prinzips wird auch in der gesellschaftsrechtlichen Literatur betont, wenn von einem „unverzichtbaren Grundrecht" 404 gesprochen wird. Da der Gesellschafter gegen eine Pflicht, Nachschüsse zu leisten, besonders geschützt ist, müssen auch gewichtige Gründe für das Bestehen einer solchen gesetzlichen Pflicht gegenüber dem Pfandgläubiger vorliegen. Solche sind jedoch nicht gegeben. Vielmehr ist auch in diesem Zusammenhang auf die gesetzgeberische Entscheidung zu verweisen, den Pfandnehmer mit der Aufgabe des Schutzes des Sicherungsgegenstands zu betrauen. Schließlich spricht gegen eine derartige Pflicht, dass der Gesetzgeber eine andere Schutzmaßnahme, nämlich § 1219 BGB vorsieht. Bevor auf diese Norm ausführlicher eingegangen wird, soll es
404
Großkommentar AktG, Wiedemann, § 180, Rn. 4.
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§ 4 Die Rechtsstellung des Pfandgläubigers
um die Frage gehen, ob der Pfandgläubiger auch über ein Zustimmungsrecht zum Kapitalerhöhungsbeschluss aus § 1276 II BGB geschützt ist. e) Die Anwendbarkeit des § 1276 II BGB auf den Kapitalerhöhungsbeschluss Aus den Ausführungen unter d) ergibt sich, dass eine Kapitalerhöhung notwendigerweise zu einer Verringerung der pfandverhafteten Beteiligungsquote führt. Allein wegen dieses Umstands kommt eine Anwendbarkeit des § 1276 II BGB in Betracht, weil der Inhalt vieler mitgliedschaftlicher Rechte an die Anteilshöhe anknüpft. Insbesondere gilt dies für die mitgliedschaftlichen Vermögensrechte und das Stimmrecht. Greifbar wird das Vorliegen einer Inhaltsänderung zudem, wenn die Kapitalerhöhung zu einem Unterschreiten bestimmter Beteiligungshöhen führt, mit denen gewisse mitgliedschaftliche Sonderrechte verbunden waren, die nunmehr entfallen. Für die AG von Relevanz sind dabei vor allem die Größen von 75% aufgrund der satzungsändernden Mehrheit, von 50% wegen der Mehrheitsherrschaft, von 25% wegen der Sperrminorität sowie von 10% (z.B. Recht, die Geltendmachung von Ersatzansprüchen wegen Gesellschaftsschädigung zu erzwingen, § 147 I AktG) und 5% (z.B. Recht auf Einberufung der Hauptversammlung, § 122 I AktG, Sperre gegen Eingliederung und Squeeze-Out , §§ 320 I 1, 327a I 1 AktG) aufgrund bestimmter damit verknüpfter Rechte405. Gleichwohl bereitet eine Heranziehung der Vorschrift erhebliche Schwierigkeiten. Denn übt der Aktionär sein Bezugsrecht in vollem Umfang aus, bleibt seine mitgliedschaftliche Stellung unverändert. Da in diesem Fall nur noch ein Teil von ihr dinglich belastet ist, ist eine Inhaltsänderung nur aus der Sicht des Pfandgläubigers gegeben. Die Annahme einer Rechtsänderung auch aus der Sicht des Aktionärs könnte sich aber mit Blick auf die Verfahrensgestaltung ergeben. Denn mit dem Bezugsrecht wird dem Aktionär lediglich die Option für einen unveränderten Fortbestand seiner Mitgliedschaft eingeräumt. Erst seine Entscheidung über ihre Ausübung beantwortet letztlich die Frage nach dem endgültigen Vorliegen einer Inhaltsänderung bei Eintragung der Kapitalerhöhung im Handelsregister. Auf der Grundlage einer streng rechtlichen Betrachtungsweise wäre demnach ein Zustimmungsrecht des Pfandnehmers zum Kapitalerhöhungsbeschluss zu bejahen, weil für den unveränderten Fortbestand der Mitgliedschaft ein zusätzliches rechtsgeschäftliches Verhalten des Aktionärs, nämlich die Ausübung des Bezugsrechts erforderlich ist. Auf der anderen Seite liegt bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise im Zeitpunkt des Kapitalerhöhungsbeschlusses wegen der Einräumung der Option auf eine unveränderte
405 Vgl. die Übersicht zu den mit diesen Anteilsgrößen verbundenen Rechten in Münchener Handbuch GesR IV, Semler, Anh. § 42, Tabelle 1.
C. Die Rechte des Pfandgläubigers in Bezug auf Vermögensrechte
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Rechtsstellung keine Rechtsänderung vor. Trotz der Tatsache, dass es sich bei § 1276 BGB um eine sachenrechtliche Regelung handelt, ist diese Sichtweise heranzuziehen, weil es um einen wirtschaftsrechtlich geregelten Sachverhalt geht. Vom Ergebnis her erschiene es zudem unvertretbar, aus der Sicht des Aktionärs eine Rechtsänderung anzunehmen, obwohl rein rechtlich wegen des Zeitpunkts des Wirksamwerdens des Kapitalerhöhungsbeschlusses (§ 189 AktG) niemals eine Veränderung der mitgliedschaftlichen Stellung gegeben war. Damit kommt es für eine Anwendbarkeit des § 1276 II BGB auf die Frage an, ob der Begriff des „verpfändeten Rechts" aus der Sicht des Pfandnehmers oder der des Aktionärs zu bestimmen ist. Für ein Abstellen auf den Blickwinkel des Pfandgläubigers spricht die Teilbarkeit der Mitgliedschaft in einer Kapitalgesellschaft. Anders als der Personengesellschaftsanteil kann der AG-Anteil nicht nur vollständig, sondern auch lediglich zu einem Teil dinglich belastet werden. In dieser Konstellation unterliegt eben nur dieser Teil, nicht der Rest der Mitgliedschaft dem Verwertungsrecht und ist damit „verpfändetes Recht". In dieser Hinsicht lässt sich auch der Wortlaut der Regelung für diese Rechtsauffassung anführen. Schließlich wird sie auch durch den Sinn und Zweck der Vorschrift gestützt, der im Schutz des Pfandgläubigers liegt. Trotzdem verbietet sich diese Betrachtungsweise. Die Mitgliedschaft eines Gesellschafters ist im Rahmen des § 1276 BGB notwendig eine einheitliche. Tragend ist die Erwägung, dass die Norm eine tatsächlich vorgenommene inhaltsändernde Verfügung voraussetzt. Stellt man auf den Pfandgläubiger ab, ist das Erfordernis nicht erfüllt. Denn nicht er, sondern der Verpfänder bleibt Inhaber der mitgliedschaftlichen Vermögens- und Verwaltungsrechte, die dieser nach Ausübung des Bezugsrechts mit unverändertem Inhalt und Umfang ausüben kann. Aus der Sicht des Pfandnehmers ist die Rechtsänderung bis zum Zeitpunkt der Verwertung rein fiktiv. Erst dann wirkt sich die Verringerung der Pfandverhaftung wegen der realiter vorgenommenen Teilung der Mitgliedschaft aus. Dass der Schutz des § 1276 II BGB daneben bei fehlender Ausübung des Bezugsrechts und damit einer veränderter Rechtsstellung auch aus dem Blickwinkel des Verpfänders nicht eingreift, liegt in der geschilderten Verfahrensgestaltung und der heranzuziehenden wirtschaftlichen Betrachtungsweise begründet. Insofern haftet dem Pfandgegenstand der Mitgliedschaft in der AG eine spezifische Schwäche an, die einem Pfandgläubiger bereits bei der Bestellung des dinglichen Rechts bekannt sein kann. Genauso wie die Wahl eines beweglichen Gebrauchsgegenstands als Haftungsobjekt einem zeitabhängigen Wertverlust unterliegen kann oder wie beim Anwartschaftsrecht 406 sogar der Gefahr des 406
So hat der Pfandgläubiger den Ausfall der Bedingung durch Ausübung eines kaufVertraglichen Rücktrittsrechts hinzunehmen. Vgl. BGHZ 75, 221, 224 ff.
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§ 4 Die Rechtsstellung des Pfandgläubigers
Untergangs des Sicherungsgegenstands handelt es sich hier um einen dem Gesellschaftsanteil eigentümlichen Nachteil, gegen den der Pfandnehmer sich durch eine entsprechende Vertragsgestaltung absichern kann. f) Die Anwendbarkeit des § 1219 BGB Ein Anwendungsbereich für die in § 1219 BGB normierte Möglichkeit der sofortigen Verwertung durch öffentliche Versteigerung oder durch freihändigen Verkauf bei börsennotierten Anteilen (§ 1221 BGB) kann sich bei einer Kapitalerhöhung bezogen auf die beiden Schutzzwecke des Bezugsrechts in zwei Konstellationen ergeben. aa) Beim Verlust an Herrschaftsmacht Zum einen kommt dies in den Fällen des Verlusts an Herrschaftsmacht in Betracht. Dabei wird derfreihändige Verkauf auch bei börsennotierten Anteilen regelmäßig nicht über den Kapitalmarkt erfolgen, um den Paketzuschlag zu erlangen. In diesem Zusammenhang ist die bereits in § 4 Β. II. 2. angesprochene grundsätzliche Fragestellung relevant, inwieweit die §§ 1219 ff. BGB auch über § 1273 II 1 BGB auf das Pfandrecht an Rechten anwendbar sind407. Gegen eine grundsätzliche Anwendbarkeit der Norm bestehen keine durchgreifenden Bedenken, da auch ein Recht, wie das Beispiel der Kapitalerhöhung zeigt, dem in § 1219 BGB beschriebenen zügigen Werteverfall unterliegen kann, und in dieser Hinsicht die Vorschrift als unentbehrlicher Schutzmechanismus für den Pfandnehmer erscheint. Praktische Bedeutung kann den Normen jedoch nur zukommen, wenn die Verwertungsbefugnis des Pfandgläubigers sich auch ohne weiteres realisieren lässt. Dabei spielt die regelmäßig fehlende Verkörperung des Rechts eine bedeutsame Rolle. Die schnelle Verwertungsmöglichkeit gründet sich auch ganz maßgeblich auf den Umstand, dass der Pfandgläubiger den Haftungsgegenstand in Händen hält. § 1219 BGB steht damit in engem Zusammenhang mit dem Faustpfandprinzip. Hingegen muss der Verpfänder aktiv werden, um die Pfandveräußerung zu verhindern. Vergleichbar wird sich bei Rechten die Verwertung nur durchführen lassen, wenn der Pfandgläubiger sich nach außen als verwertungsbefugte Person legitimieren kann, indem er den unmittelbaren Besitz an den Aktienurkunden innehat, oder der Depotauszug ihn als Berechtigten ausweist. Unanwendbar erweist sich § 1219 BGB hingegen beim Personengesellschaftsanteil, wenn die Gesellschafter einer Veräußerung nicht zustimmen, weil in diesem Fall keine Alternative zur Kündigung der
407
Für die in Inhaberaktien verbriefte Mitgliedschaft steht die Anwendbarkeit der Norm wegen § 1293 BGB außer Frage.
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Gesellschaft nach §§ 1277, 1, 725 BGB, 135 HGB besteht, die ein Pfändungspfandrecht voraussetzen. Bei einem drohenden bedeutsamen Herrschaftsverlust wie etwa dem Verlust einer Sperrminorität sind die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 1219 BGB i.d.R. erfüllt. Wesentlich ist, dass die Veränderung dem Pfandgegenstand selbst anhaftet 408. Seine Änderung liegt in der Verringerung der Beteiligungsquote, die in diesen Fallkonstellationen angesichts des Verlusts des Paketzuschlags i.d.R. zu einer wesentlichen Minderung des Werts des Pfandrechts führt. Gerade in diesen Fällen können die §§ 1219 ff. BGB einen effektiven Schutzmechanismus für den Pfandnehmer darstellen, sofern seine Sicherheit gefährdet ist. Diese Effektivität gründet sich weniger auf den Verkauf selbst als vielmehr auf den Umstand, dass mit der Verkaufsbefugnis der Pfandnehmer über eine starke Verhandlungsposition verfügt, wenn er bei einer Kapitalerhöhung im Interesse des Erhalts der der Pfandhaftung unterliegenden Beteiligungsquote das Pfandrecht auf alle neuen Aktien ausdehnen möchte. Allerdings stellt sich für die Anwendung des § 1219 BGB ein Problem im zeitlichen Ablauf. Keinesfalls kann das Verwertungsrecht erst im Zeitpunkt des wirksamen Kapitalerhöhungsbeschlusses zur Entstehung gelangen, da zu demselben Zeitpunkt der konkrete Bezugsrechtsanspruch entsteht409 und damit die Gefahr seiner Veräußerung durch den Verpfänder, welche den Verlust der bedeutsamen Beteiligungsquote und somit die Werteinbuße bewirkt. Eine vorzeitige Verwertungsbefugnis ist deshalb bereits anzuerkennen, wenn in der Tagesordnung ein ordentlicher Kapitalerhöhungsbeschluss angekündigt wird, und eine Zustimmung der Hauptversammlung zu erwarten ist. Wegen des nach § 124 II 2 AktG in der Tagesordnung bekannt zu machenden Volumens der Kapitalerhöhung ist bereits zu diesem Zeitpunkt ihre Auswirkung auf den Umfang des Pfandrechts feststellbar. bb) Beim erheblichen Verwässerungseffekt Daneben kommt ein vorzeitiges Verwertungsrecht nach § 1219 BGB auch in Betracht, wenn der Verlust an Herrschaftsmacht unbedeutsam erscheint, weil bereits vor der Kapitalerhöhung nur eine geringfügige Beteiligungsquote bestand. Abzustellen ist dabei auf die zweite Funktion des Bezugsrechts, nämlich die Vermeidung eines Verwässerungseffekts. Indes setzt eine Anwendung des §1219 BGB voraus, dass aufgrund eines geringen Ausgabebetrags und eines entsprechend niedrigen Bezugsrechtsverhältnisses ein erheblicher Verwässerungseffekt und damit eine „wesentliche" Wertminderung eintreten. Bei wel-
408 409
Vgl. § 4 Β. II. 2. Hüffer, AktG, § 186, Rn. 6; Kölner Kommentar AktG, Lutter, § 186, Rn. 15.
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§ 4 Die Rechtsstellung des Pfandgläubigers
chem Ausmaß des drohenden Wertverlusts dies konkret anzunehmen ist, wird in der Kommentarliteratur nicht näher festgelegt. Da § 1219 BGB eine Ausnahme zum Grundsatz der Verwertbarkeit erst im Zeitpunkt der Pfandreife (§ 1228 II BGB) normiert, sollte dieser nicht unter 15-20% angesiedelt werden. Zudem ist zu berücksichtigen, dass es sich bei der Aktie um ein Risikopapier handelt. In vielen Fällen wird damit kein vorzeitiges Verwertungsrecht bestehen, zumal es nach dem Tatbestandsmerkmal der Gefährdung der Sicherheit des Pfandgläubigers auch auf das Wertverhältnis der Sicherheit zum noch offenen Darlehensbetrag ankommt. Auch der schuldrechtliche Anspruch auf Erstreckung des Pfandrechts auf den Erlös aus der Veräußerung des Bezugsrechts bzw. auf einen Teil der neuen Aktien kann bei einem erheblichen Verwässerungseffekt nicht zu einer Verneinung des Tatbestandsmerkmals der wesentlichen Wertminderung führen, da es sich nur um einen schuldrechtlichen Anspruch handelt, der einer dinglichen Sicherheit nicht ebenbürtig ist 410 . Zu bedenken ist jedoch, dass dem Verpfänder gemäß § 1220 BGB die Versteigerung oder der freihändige Verkauf vorher anzudrohen ist. Er hat daher die Möglichkeit, die Verwertungsbefugnis durch die Bestellung einer den Verwässerungseffekt ausgleichenden Sicherheit abzuwenden. Als ausreichend sollte es dabei auch erachtet werden, ein Pfandrecht an der kapitalmäßig erweiterten Mitgliedschaft zu bestellen. Dabei handelt es sich um die Bestellung eines Pfandrechts an einem künftigen Recht, die unter denselben Voraussetzungen wie die Vollrechtsübertragung, also der Bestimmbarkeit zum Zeitpunkt des Entstehens des Rechts zulässig ist 411 . Zwar entsteht das dingliche Recht erst im Zeitpunkt des Entstehens der neuen Mitgliedschaft, gleichwohl ist dies als ausreichender Schutz für den Pfandnehmer anzusehen, da andernfalls die vorzeitige Verwertungsbefugnis angesichts ihres Ausnahmecharakters eine zu weitgehende Ausdehnung erfahren würde. g) Der Bezugsrechtsausschluss Ein Bezugsrechtsausschluss (§ 186 III, IV AktG) des Verpfänders führt wegen des Verlusts an Herrschaftsmacht und wegen des Verwässerungseffekts bezogen auf die Altaktien zu einer Beeinträchtigung des Werts des Pfandrechts. Daher ist ein Zustimmungsrecht des Pfandgläubigers nach § 1276 II BGB zu bejahen, falls der Verpfänder über eine Stimmmacht verfügt, ohne die ein solcher Beschluss nicht zustande gekommen wäre. Hinsichtlich der Anwendung des § 1219 BGB gelten die in dem vorherigen Unterpunkt aufgezeigten Grund4,0
Geßler/Hefermehl, Hefermehl/Bungeroth, AktG, § 186, Rn. 30. Münchener Kommentar BGB, Damrau, § 1273, Rn. 4; Palandt, Bassenge, BGB, § 1273, Rn. 1; Soergel, Habersack, BGB, § 1273, Rn. 7; Staudinger, Wiegand, BGB, § 1273, Rn. 14. 411
C. Die Rechte des Pfandgläubigers in Bezug auf Vermögensrechte
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sätze. Abzustellen ist auf das Kriterium des Verlusts an Herrschaftsmacht oder des wesentlichen Verwässerungseffekts, der angesichts der engen von der Rechtsprechung entwickelten materiellen Voraussetzungen412, insbesondere der notwendigen Verhältnismäßigkeitsprüfimg keinesfalls bei jedem Bezugsrechtsausschluss bejaht werden kann. Problematischer erscheint, ob § 1276 II BGB auch bei der Kapitalerhöhung aus genehmigtem Kapital Anwendung findet. Hier ermächtigt die Hauptversammlung den Vorstand, das Grundkapital bis zu einem bestimmten Betrag durch Ausgabe neuer Aktien gegen Einlagen zu erhöhen (§ 202 I AktG). Der Ausschluss des Bezugsrechts ist auf zwei Wegen möglich: Entweder erfolgt er bereits verbindlich in der Ermächtigung (§ 202 II 1 AktG) oder erst in dem Vorstandsbeschluss (§§ 203 Π 1, 186 III, IV AktG) mit Zustimmung des Aufsichtsrats (§ 204 12 AktG), weil die Ermächtigung auch die Entscheidung über den Ausschluss des Bezugsrechts erfasst. Die Schwierigkeit hinsichtlich einer Anwendung des § 1276 II BGB liegt darin, dass die Frage, ob es tatsächlich zu einer Kapitalerhöhung kommt, oder ob in der zweiten Fallgestaltung das Bezugsrecht ausgeschlossen wird, im Zeitpunkt der Beschlussfassung der Hauptversammlung noch ungeklärt ist. § 1276 II BGB erfordert aber seinem Wortlaut nach eine Beeinträchtigung des Pfandgegenstands und nicht nur ihre Möglichkeit. Entscheidend für eine Erfüllung des Tatbestandsmerkmals spricht aber die Rechtsnatur des Ermächtigungsbeschlusses. Bei ihm handelt es sich nach § 202 II 1 AktG um eine Satzungsänderung. Der Grund für diese Regelung ist darin zu sehen, dass die Fragen der Durchführung einer Kapitalerhöhung und des Bezugsrechtsausschlusses grundsätzlich der Hauptversammlung vorbehalten sind. Erfolgt eine Übertragung dieser Grundlagenkompetenzen auf ein anderes Organ, kann dies nur durch Satzungsänderung erfolgen. Für die Mitgliedschaft des einzelnen Aktionärs bedeutet dies eine Übertragung von Entscheidungskompetenzen und damit eine Übertragung mitgliedschaftlicher Rechte. Zudem ergibt sich ein Bedürfiiis für die Zustimmungspflichtigkeit des Ermächtigungsbeschlusses. Auf das Handeln des Vorstands kann § 1276 II BGB keine Anwendung finden, weil die Norm nur die rechtsgeschäftliche Verfügungsbefugnis des Verpfänders zugunsten des Pfandgläubigers beschränkt413. Wenn im Hauptversammlungsbeschluss die Ermächtigung zum Ausschluss des Bezugsrechts erteilt wird, liegen die Voraussetzungen des § 1219 BGB noch nicht vor. Regelmäßig kann zu diesem Zeitpunkt noch nicht beurteilt werden, ob eine wesentliche Wertminderung droht, wenn die konkreten Ausga412 Grundlegend BGHZ 71, 40 („Kali+Salz"). Vgl. die übersichtliche Darstellung bei Hüffer, AktG, § 186, Rn. 25 ff. In den Fällen des § 186 III 4 AktG ist eine Anwendung des § 1219 BGB ausgeschlossen, da der Gesetzgeber die Werteinbuße hier selbst als unwesentlich bewertet. 413 Vgl. zu dieser Funktion des § 1276 BGB Staudinger, Wiegand, BGB, § 1276, Rn. 1.
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§ 4 Die Rechtsstellung des Pfandgläubigers
bebedingungen erst durch den Vorstand festgelegt werden. Zudem ist das Merkmal des Drohens nicht erfüllt, da auch der Zeitpunkt der Kapitalerhöhung noch nicht feststeht, und angesichts des Ausnahmecharakters des § 1219 BGB eine konkret feststellbare zeitliche Nähe zum Eintritt des Wertverlusts gefordert werden muss. 2. Die Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln Bei der Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln entspricht es der einhelligen Auffassung in der deutschen Literatur, dass sich das Pfandrecht kraft Gesetzes auf die neuen Mitgliedschaftsrechte erstreckt 414. Probleme bereitet lediglich die rechtliche Begründung. § 1212 BGB kann nicht herangezogen werden415. Ebenso wenig lässt sich die Auffassung auf eine analoge Anwendung des § 1287 BGB stützen. Die Regelung ist Ausdruck des Surrogationsprinzips, welches den Untergang des zu ersetzenden Gegenstands voraussetzt416. Daran fehlt es, weil die alten Mitgliedschaftsrechte erhalten bleiben. Zum Verständnis der Lösung des deutschen Schrifttums ist eine genauere rechtliche Betrachtung dieser Form der Kapitalerhöhung erforderlich. Bei ihr werden der Gesellschaft keine neuen Mittel von außen zugeführt, es werden lediglich offene Rücklagen (§ 208 AktG) in Grundkapital umgewandelt. Es handelt sich trotzdem um eine echte Kapitalerhöhung, da Vermögen den für das Grundkapital geltenden Regeln unterstellt wird 417 . Damit entstehen auch neue Mitgliedschaften zugunsten der bisherigen Aktionäre (§212 AktG). Maßgeblich ist nunmehr die Überlegung, dass der der Neuanteile zugrunde liegende Grundkapitalanteil aus der pfandbelasteten Substanz der Altanteile stammt. Nicht diese Substanz unterlag einer Veränderung, sondern nur ihre Verkörperungsart. Damit gleiche der Vorgang der Teilung einer beweglichen Sache in zwei Teile 418 . Hier sei aber anerkannt, dass sich das Pfandrecht an beiden Teilen fortsetzt 419. So plausibel dieser Gedankengang auf den ersten Blick erscheinen mag und so sehr er auch ein als sachgerecht empfundenes Ergebnis begründet, gibt doch die Tatsache Anlass zur Überprüfung seiner Richtigkeit, dass im schweizeri414
Geßler, Kapitalerhöhung, DNotZ 1960, S. 639 f.; Geßler/Hefermehl, Bungeroth, AktG, § 212, Rn. 6; Großkommentar AktG, Hirte, § 212, Rn. 12; Hüffer, AktG, § 212, Rn. 2; Kölner Kommentar AktG, Lutter, § 212, Rn. 4; Münchener Handbuch GesR IV, Krieger, § 59, Rn. 40; Münchener Kommentar BGB, Damrau, § 1293, Rn. 8. 415 Vgl. §4 C.II. 1. c). 416 Canaris, Systemdenken, S. 93; Wolf, Surrogation, JuS 1976, S. 33 f. 417 Großkommentar AktG, Hirte, § 207, Rn. 32; Hüffer, AktG, § 207, Rn. 3; Kölner Kommentar AktG, Lutter, § 207, Rn. 7, 10; Than, WM-Festgabe Heinsius 1991, S. 55. 418 Geßler, Kapitalerhöhung, DNotZ 1960, S. 639 f. 419 Soergel, Habersack, BGB, § 1204, Rn. 7; Staudinger, Wiegand, BGB, § 1204, Rn. 32.
C. Die Rechte des Pfandgläubigers in Bezug auf Vermögensrechte
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sehen Schrifttum überwiegend bei einer zum deutschen Recht vergleichbaren gesetzlichen Ausgangslage keine Erweiterung der Pfandhaftung ipso iure, sondern wie bei der effektiven Kapitalerhöhung nur eine Pflicht zur Erweiterung auf die gesamte neue Mitgliedschaft als Ausgleich für den eingetretenen Substanzverlust vertreten wird 420 . Dieser Auffassung ist auch für das deutsche Recht zu folgen. Der Vergleich zur Teilung einer beweglichen Sache in zwei Teile kann nicht gezogen werden. Denn der Grund für die Erstreckung des Pfandrechts auf beide Teile nach Aufspaltung der ursprünglich einheitlichen dinglich belasteten beweglichen Sache ist darin zu sehen, dass diese Sache in ihrer tatsächlich äußerlich wahrnehmbaren Substanz Pfandgegenstand war. Hingegen ist bei der Mitgliedschaft der AG-Anteil als Recht unmittelbarer Belastungsgegenstand, d.h. Pfand in der Terminologie des BGB, nicht die in ihr verkörperte Vermögenssubstanz. Diese ist für den Wert des Pfands allein mittelbar insofern von Bedeutung, als sie auch den zu erzielenden Verwertungserlös mitbestimmt. Die Auffassung der deutschen Rechtslehre zieht damit nicht die notwendige Konsequenz aus dem Umstand, dass über §§ 1292 f., 1273 II 1 BGB zwar aufgrund der wertpapierrechtlichen Verkörperung vor allem bei der Pfandrechtsbestellung die Regeln über das Pfandrecht an beweglichen Sachen zur Anwendung gelangen, im Übrigen aber trotz dieser Gesamtverweisung in § 1293 BGB stets im Auge behalten werden muss, dass eine Rechtsverpfändung vorliegt. Somit liegt der Grund für die aufgezeigte Lösung bei beweglichen Sachen in der Identität von Belastungsgegenstand und Verkörperung, welche bei wertpapierrechtlich verbrieften Rechten gerade nicht gegeben ist. Zudem spricht gegen die von der deutschen Rechtslehre befürwortete Lösung ebenso folgende Überlegung: In Grundkapital umwandlungsfähig sind nach § 208 AktG auch freiwillige Gewinnrücklagen sowie ein Gewinnvortrag, die ebenso als Dividende ausgeschüttet werden könnten. Wenn diese Rücklagen oder Gewinne vor der Pfandrechtsbestellung gebildet wurden, wird ebenfalls sachlich dem Verwertungsrecht an sich unterliegende Substanz ausgeschüttet und in dieser Hinsicht ihre Verkörperungsform gewandelt. In dieser Situation wird aber gleichwohl nach h.M. keine Erstreckung der Pfandhaftung auf diesen als Gewinn ausgeschütteten Betrag über eine analoge Anwendung des § 1289 BGB befürwortet. Ein Unterschied zur effektiven Kapitalerhöhung ergibt sich nach dem hier vertretenen Lösungsansatz nur insofern, als bei der Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln ein Bezugsrecht nach § 186 AktG nicht gegeben ist, die jungen Aktien vielmehr auf der Grundlage des Hauptversammlungsbeschlusses den Aktionären unmittelbar zustehen (§212 AktG), ohne dass es weiterer Rechtshandlungen bedürfte 421. Eine alternative Pflicht zur Erstreckung des 420 421
Berner Kommentar ZGB, Zobl, Art. 904, Rn. 48; Zindel, Bezugsrechte, S. 129. Hüffer, AktG, § 186, Rn. 3.
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§ 4 Die Rechtsstellung des Pfandgläubigers
Pfandrechts auf den Erlös aus der Veräußerung des Bezugsrechts ist daher naturgemäß nicht gegeben. D. Die Bedeutung des § 1219 BGB Ein weiterer Schutzmechanismus für den Pfandnehmer kann bei bedeutsamen Strukturänderungen § 1219 BGB darstellen. Dies gilt besonders in Fallgestaltungen, in denen § 1276 BGB wegen seiner Schranken nicht zur Anwendung kommt. Abzustellen ist auf das Vorliegen einer wesentlichen Wertminderung, die dem Pfandgegenstand selbst anhaftet. Angesichts des Ausnahmecharakters der Vorschrift sind hohe Anforderungen zu stellen. I. Beim Unternehmensvertrag 7. Beim Pfandrecht am Anteil des herrschenden Unternehmens Bei Unternehmensverträgen kann sich § 1219 BGB als effektive Schutznorm für den an den Anteilen des herrschenden Unternehmens an der abhängigen Gesellschaft dinglich Berechtigten erweisen. Rechtliche Schwierigkeiten beim Nachweis der zu besorgenden wesentlichen Wertminderung bestehen in mehrfacher Hinsicht. Zum einen stellt sich die Frage, ob angesichts der in den §§ 300-303, 309 f. AktG vorgesehenen Schutzmechanismen diese strenge tatbestandliche Voraussetzung erfüllt ist. Dies ist bei isolierter Betrachtung der Anteilsinhaberschaft des herrschenden Unternehmens zu bejahen. Denn diese Vorschriften bezwecken lediglich einen Mindestschutz der Gläubiger gegen einen Verlust der ihnen haftenden Vermögensmasse durch eine Aushöhlung der Gesellschaftssubstanz, indem das bei Abschluss des Unternehmensvertrags vorhandene bilanzmäßige Anfangsvermögen erhalten bleiben soll 422 . Dagegen ist das herrschende Unternehmen nicht gehindert, vorvertragliche stille Reserven nach ihrer Auflösung an sich abzuführen oder die Vermögenssubstanz der abhängigen Gesellschaft zu deren Nachteil umzuschichten423. Auch besteht keine Pflicht des herrschenden Unternehmens, die abhängige Gesellschaft mit der erforderlichen Liquidität auszustatten oder durch die Bildung zusätzlicher Rücklagen oder durch die Vornahme von Investitionen Überlebensvorsorge zu treffen 424. Nachteilige Weisungen an die abhängige Gesellschaft finden ihre
422 423
12. 424
Emmerich/Sonnenschein/Habersack, Konzernrecht, § 20 11. BGHZ 105, 168, 182 ff.; Emmerich/Sonnenschein/Habersack, Konzernrecht, § 20
Emmerich/Sonnenschein/Habersack, Konzernrecht, § 20 I 2; Kleindiek, vielfalt, S. 203 ff; Priester, Liquiditätsausstattung, ZIP 1989, S. 1301 ff.
Struktur-
D. Die Bedeutung des § 1219 BGB
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Schranke erst in der Existenzgefährdung 425. Dass dieses Schutzinstrumentarium den Vermögenswert der Mitgliedschaft nicht zu erhalten vermag, zeigen schließlich die §§ 304 f. AktG, die indes nur für außenstehende Aktionäre Ansprüche begründen und damit auch lediglich ihren Pfandgläubigern zugute kommen können. Zum anderen könnte sich der Pfandgeber gegen eine vorgezogene Verwertung der hingegebenen Sicherheit damit verteidigen, es lägen keine konkreten Anhaltspunkte für eine nachteilige Einflussnahme auf die abhängige Gesellschaft vor. Da § 1219 BGB eine für den Pfandgläubiger günstige Rechtsnorm darstellt, trägt er die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen ihrer Voraussetzungen. Zum Schutze des Pfandnehmers muss jedoch nicht auf die prozessrechtliche Kategorie des Anscheinsbeweises zurückgegriffen werden. Vielmehr wird ihm dieser Nachweis in vielen Fällen gelingen. Denn schon allein die Möglichkeit, die abhängige Gesellschaft dem Konzernwillen zu unterwerfen, kann in erheblicher Weise den Anteilswert beeinträchtigen. Schließlich ist diese Beherrschung auch regelmäßiger Zweck eines Unternehmensvertrags. Zweifel an der Anwendbarkeit des § 1219 BGB können sich jedoch bei Betrachtung des Verwertungsvorgangs ergeben. Eine Besonderheit liegt hier darin, dass mit der Veräußerung eines Teils der Mitgliedschaft des herrschenden Unternehmens der Wert dieses Teils steigt, weil dem Erwerber als außenstehendem Aktionär grundsätzlich die Ansprüche aus §§ 304 f. AktG zustehen. Denn auch ein Anteilseigner, der seine Aktien erst nach Abschluss des Unternehmensvertrags vom beherrschenden Vertragsteil erworben hat, ist außenstehender Aktionär 426. Da für einen Erwerber die Mitgliedschaft angesichts der zusätzlichen Rechte aus §§ 304 f. AktG einen höheren Wert hat als für den Veräußerer, stellt sich die Frage, ob es bei § 1219 BGB auf den Wert des Pfands in der Hand des Verpfänders oder des Erwerbers ankommt. Für den zweiten Rechtsstandpunkt sprechen die besseren Gründe. Denn vom Sinn und Zweck der Regelung her soll dem Pfandnehmer eine vorzeitige Verwertungsmöglichkeit eingeräumt werden, wenn im Zeitpunkt der Pfandreife nur noch ein erheblich geringerer Wert realisiert werden kann. Ein Erwerber zahlt jedoch regelmäßig den Wert, den ein Gegenstand in seiner Hand hat. Auch der Ausnahmecharakter des § 1219 BGB spricht für diese Auslegung. Für den Pfandgläubiger hat dies zur Folge, dass ihm die Möglichkeit der vorgezogenen Verwertung aus § 1219 BGB nur zusteht, wenn im Zeitpunkt der Pfandreife ein Verlust des Abfindungsanspruchs des außenstehenden Aktionärs aus § 305 425 Clemm, Weisungsfolgepflicht, ZHR 1977, S. 204 ff.; Hüffer, AktG, § 308, Rn. 19; Immenga, Bestandsschutz, ZHR 1976, S. 304 ff.; Sina , Weisungsrecht, AG 1991, S. 7. 426 OLG Nürnberg AG 1996, S. 228, 229; Emmerich/Habersack, Konzernrecht, Emmerich, § 304, Rn. 21.
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§ 4 Die Rechtsstellung des Pfandgläubigers
AktG wegen einer gesetzten Frist (§ 305 IV 1 AktG) droht. Desgleichen muss ihm die Verwertungsmöglichkeit zustehen bei einer bevorstehenden Beendigung des Unternehmensvertrags, weil in diesem Fall die Ansprüche aus §§ 304 f. AktG grundsätzlich erlöschen427. 2. Beim Pfandrecht am Anteil des außenstehenden Aktionärs Sind die Anteile eines außenstehenden Aktionärs pfandbelastet, liegen die Voraussetzungen des § 1219 BGB nicht schon vor, wenn der Verpfänder das Abfindungsangebot aus § 305 AktG annehmen will. Zwar führt eine solche Annahme zu einem Erwerb der Mitgliedschaft durch die herrschende Gesellschaft, im Rahmen einer Pfandverwertung ist aber erneut ein Abfindungsanspruch des Erwerbers gegeben, weil es sich um einen außenstehenden Aktionär handelt. Maßgeblich sind auch hier die Kriterien des Verlusts des Abfindungsanspruchs aufgrund einer gesetzten Frist oder einer drohenden Beendigung des Unternehmensvertrags. II. Bei der Eingliederung Ähnliche Überlegungen gelten bei der Eingliederung. Bei dieser Strukturänderung kommt eine Anwendung des § 1219 BGB gleichermaßen für den Anteil der Hauptgesellschaft als auch den des außenstehenden Aktionärs in Betracht. Für diese zweite Aktionärsgruppe liegt der Grund in § 320a AktG. Denn nach dieser Vorschrift gehen mit der Eintragung der Eingliederung in das Handelsregister die Mitgliedschaften der außenstehenden Aktionäre kraft Gesetzes auf die Hauptgesellschaft über, die Alleinaktionärin wird. Der Abfindungsanspruch aus § 320b AktG entsteht in demselben Augenblick und damit außerhalb der Mitgliedschaft und der Pfandverhaftung. Somit droht stets ein Verlust des den Wert der Mitgliedschaft ausgleichenden Abfindungsanspruchs. Da nach erfolgter Eingliederung (§ 320a AktG) die Veräußerung des Anteils der Hauptgesellschaft an dem eingegliederten Unternehmen anders als beim Unternehmensvertrag nicht zu einem erneuten Abfmdungsanspruch für den Pfanderwerber, sondern gemäß § 327 I Nr. 3 AktG zu einer Beendigung der Eingliederung führt, findet § 1219 BGB regelmäßig Anwendung. Die beim Unternehmensvertrag diskutierte Frage, ob es für die Anwendbarkeit des § 1219 BGB auf den Wert des Pfands in der Hand des Verpfänders oder des Erwerbers ankommt, ist daher bei der Eingliederung bedeutungslos. Angesichts der Wirkungen der Eingliederung droht den Anteilen auch eine wesentliche Wertminderung i.S.d. § 1219 BGB, weil sie eine nahezu totale Herrschaft der Hauptgesellschaft über die 427
Emmerich/Habersack, Konzernrecht, Emmerich, § 304, Rn. 74, § 305, Rn. 34.
D. Die Bedeutung des § 1219 BGB
167
eingegliederte Gesellschaft ermöglicht 428. So erlangt die Hauptgesellschaft ein nahezu unbeschränktes Weisungsrecht (§ 323 I AktG), welches nach h.M. 429 anders als bei Unternehmensverträgen auch existenzgefährdende Weisungen umfasst. Ebenfalls weitergehend ist der Zugriff auf das Vermögen der abhängigen Gesellschaft zulässig, weil neben der gesetzlichen Rücklage auch die vor der Eingliederung gebildeten Kapitalrücklagen oder Gewinnrücklagen zur Verlustdeckung herangezogen werden können (§ 324 III AktG). Das Konzept der Erhaltung des bilanzmäßigen Anfangsvermögens gilt nicht. Für die Anwendbarkeit des § 1219 BGB ist insbesondere auch der Gesichtspunkt bedeutungslos, dass der Pfandgläubiger sich insofern in einer starken Sicherungsposition befindet, als die Hauptgesellschaft u.U. eine Verwertung der Mitgliedschaft bei Pfandreife zu verhindern sucht, da ja bei der Veräußerung von Aktien an eine andere Person die Eingliederung gemäß § 327 I Nr. 3 AktG endet. Nach § 1219 BGB kommt es nur auf den Veräußerungswert des Pfandgegenstands an. Zu bedenken ist zudem die Gefahr, dass bei Pfandreife ein Interesse der Hauptgesellschaft an der eingegliederten Gesellschaft wegen der bereits erfolgten Verwertung der wesentlichen Vermögenssubstanz nicht mehr besteht. Folge der vorzeitigen Verwertungsmöglichkeit ist, dass ein Erwerber als außenstehender Aktionär einen Abfindungsanspruch aus § 320b AktG erhält, der zu erzielende Veräußerungserlös demnach in der Nähe dieses Werts liegen wird. Insofern gibt § 1219 BGB dem Pfandnehmer eine starke Verhandlungsbasis, wenn er beim Pfandrecht an den Anteilen der Hauptgesellschaft die Haftung eines anderen Sicherungsgegenstands oder beim Pfandrecht an den Anteilen eines außenstehenden Aktionärs die Erstreckung auf die Abfindung verlangt. III. Bei der Umwandlung In Umwandlungsfällen kommt eine Anwendung des § 1219 BGB vor allem wegen einer für die verpfändete Mitgliedschaft nachteiligen Änderung der Beteiligungsverhältnisse ( § 8 1 2 UmwG) in Betracht, die mit dem Verlust von bedeutsamen Minderheitenrechten wie einer Sperrminorität verbunden ist. Diese Möglichkeit besteht bei der Verschmelzung, aber auch bei der Aufspaltung (§123 I UmwG) und der Abspaltung (§ 123 II UmwG) trotz § 128 UmwG, gemäß dem bei der nichtverhältniswahrenden Spaltung die Zustimmung aller Anteilsinhaber erforderlich ist, und somit über § 1276 BGB der Pfandgläubiger geschützt ist. Denn zwar liegt eine nichtverhältniswahrende 428
Emmerich/Sonnenschein/Habersack, Konzernrecht, § 10 IV. Emmerich/Habersack, Konzernrecht, Habersack, § 323, Rn. 2; Kölner Kommentar AktG, Koppensteiner, § 323, Rn. 4; Münchener Handbuch GesR IV, Krieger, § 73, Rn. 49; Münchener Kommentar AktG, Grunewald, § 323, Rn. 3. 429
168
§ 4 Die Rechtsstellung des Pfandgläubigers
Spaltung bei der Spaltung zur Neugründung immer dann vor, wenn die rechnerische Beteiligungsquote am neuen Rechtsträger nicht mit derjenigen am übernehmenden Rechtsträger übereinstimmt430. Jedoch ist eine Veränderung der Beteiligungsquote bei der Spaltung zur Aufnahme denkbar, weil eine verhältniswahrende Spaltung bereits vorliegt, wenn die rechnerischen Beteiligungsquoten der Anteilsinhaber des übertragenden Rechtsträgers sich untereinander nicht ändern. Unter Berücksichtigung der Beteiligung der Altanteilseigner des übernehmenden Rechtsträgers verändern sich aber die Beteiligungshöhen an diesem im Vergleich zu denen am übertragenden Rechtsträger 431. Im Hinblick darauf, dass die Wertminderung des Anteils bereits mit dem wirksamen Umwandlungsbeschluss wegen der anschließend in naher Zukunft eintretenden Verringerung der Beteiligungsquote mit Eintragung im Handelsregister (§§ 20 I Nr. 3, 131 I Nr. 3 UmwG) eintreten wird, muss ein Verwertungsrecht bereits vor der Beschlussfassung der Hauptversammlung unter der Voraussetzung bestehen, dass eine Zustimmung wahrscheinlich ist 432 . In diesem Fall hat ein Erwerber die Möglichkeit, eine Verschmelzung zu verhindern. Alternativ besteht für den Pfandgläubiger eine Schutzmöglichkeit über eine Stimmbindungsvereinbarung. Regelmäßig nicht erfüllt sind die engen tatbestandlichen Voraussetzungen des § 1219 BGB bei der Misch Verschmelzung, bei der der übernehmende Rechtsträger einer anderen Rechtsform als der übertragende angehört, sowie beim Formwechsel. Zwar bestehen in diesen beiden Fällen Abfindungsansprüche der Umwandlung widersprechender Anteilsinhaber nach Maßgabe der §§ 29, 207 UmwG. Diese sind aber nicht Ausdruck der für § 1219 BGB erforderlichen Minderung des Beteiligungswerts, sondern des Umstands, dass jede Veränderung der Rechtsform erhebliche Auswirkungen auf die Rechtsstellung des Anteilsinhabers, insbesondere auf seine Haftungsrisiken und Einflussmöglichkeiten hat und diesem daher eine Mitgliedschaft in dem übernehmenden Rechtsträger nicht ohne weiteres zumutbar ist 433 .
430
Kallmeyer, Kallmeyer, UmwG, § 128, Rn. 2. Vgl. das Beispiel bei Kallmeyer, Kallmaeyer, UmwG, § 128, Rn. 3: „Am übertragenden Rechtsträger sind die Gesellschafter A und Β zu je !4 beteiligt. Der übernehmende Rechtsträger hat ein Kapital von 50. Alleiniger Anteilsinhaber ist C. Im Zuge der Spaltung erhöht der übernehmende Rechtsträger sein Kapital auf 100. A und Β erhalten Anteile von je 25." 432 Vgl. zum entsprechenden Problem bei der Kapitalerhöhung § 4 C II 1 f. 433 Grunewald, Festschrift Boujong, S. 176; Hoffmann-Becking , Abfindung, ZGR 1990, S. 487; Lutter, Grunewald, UmwG, § 29, Rn. 3; Schaub, Abfindungsangebot, NZG 1998, S. 626. 431
§ 5 Der vertragliche Regelungsbedarf im Interesse des Pfandgläubigers A. Die Stimmrechtsausübung I. Die möglichen Gestaltungsformen Hauptversammlungsbeschlüsse können für den Wert des Pfandrechts am Gesellschaftsanteil in vielfältiger Weise von Bedeutung sein434. Nach der hier vertretenen Konzeption verfügt der Pfandgläubiger bei einem Teil dieser Beschlüsse über ein Zustimmungsrecht nach § 1276 BGB. Trotzdem ergibt sich ein praktisches Bedürfiiis für Vereinbarungen über die Stimmrechtsausübung, falls der Verpfänder über eine nennenswerte Stimmmacht verfügt, da die h.M. einer Anwendung dieser Norm auf die Verpfändung von Gesellschaftsanteilen ablehnend gegenübersteht, und auch nach der hier vertretenen Auffassung § 1276 BGB nur beschränkten Schutz bietet. Als denkbare Gestaltungsformen kommen die Übertragung des Stimmrechts, die Vollmacht (§ 134 III AktG), die Legitimationszession (§ 129 III AktG) und der Stimmbindungsvertrag in Betracht. Die Stimmrechtsübertragung wird unter Hinweis auf das Abspaltungsverbot überwiegend als unzulässig erachtet435. Seine gesetzliche Grundlage findet dieses Prinzip für Personengesellschaften in § 717, 1 BGB. Für alle Gesellschaftsformen kann auf § 399 1. Alt. BGB zurückgegriffen werden436. Dahinter steht das Verständnis des Stimmrechts als unentbehrliches und damit inhalts434
Vgl. § 4 Α. II. 2. BGHZ 3, 354, 357; BGH NJW 1987, S. 780 (für das Aktionärsstimmrecht); Münchener Handbuch GesR IV, Wiesner, § 17, Rn. 10; Noack, Gesellschaftervereinbarungen, § 8 A III; Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 19 III 4 a; Westermann, Vertragsfreiheit, S. 394 ff.; Wiedemann, Mitgliedschaftsrechte, S. 276 ff. Vgl. zudem die zahlreichen Nachweise bei Weber, Privatautonomie, S. 62 Fn. 8. Weber lässt in Privatautonomie, S. 229 ff. eine Stimmrechtsabspaltung unter sehr engen Voraussetzungen zu. So muss ein rechtliches Grundverhältnis wie z.B. das Pfandrecht am Gesellschaftsanteil bestehen (S. 252 ff.). Erforderlich ist des Weiteren die Zustimmung der Mitgesellschafter (S. 266 ff.), die bei der AG zudem statuarisch vorgesehen sein muss (S. 262 ff.). 436 Fleck, Festschrift Fischer, S. 110. So sachlich auch der BGH NJW 1987, S. 780, wenn er formuliert: „Der Aktionär ist rechtlich nicht in der Lage, seine Mitgliedschaftsstellung beizubehalten und zugleich das ihm zustehende Stimmrecht einem anderen als eigenes Recht zu verschaffen." 435
170
§ 5 Der vertragliche Regelungsbedarf
prägendes Instrument zur Verwirklichung des gemeinschaftlichen Gesellschaftszwecks, indem der Gesellschafter an der innergesellschaftlichen Entscheidungsfindung teilnehmen kann437. Darüber hinaus liegt dem ein funktionales Verständnis des Stimmrechts als Teil des verbandsrechtlichen Ordnungsgefüges zugrunde. Danach sei nur bei der Stimmrechtsausübung durch Gesellschafter die Orientierung am gemeinsamen Interesse sichergestellt438. Schließlich wird zur Begründung auch auf den Rechtsgedanken des § 137, 1 BGB verwiesen439. Bei der Mitgliedschaft gehe die Rechtsordnung von einer grundsätzlichen Zusammengehörigkeit von Vermögensrecht und Verwaltungsbefugnissen aus. Die dauerhafte vollständige Abtrennung eines wesentlichen Bestandteils könne die Sicherheit des Rechtsverkehrs, deren Schutz § 137, 1 BGB diene, nicht hinnehmen. Ebenso scheidet nach h.M. die unwiderrufliche verdrängende Stimmrechtsvollmacht als zulässige Gestaltungsform aus440. Begründet wird diese Rechtsauffassung mit dem Abspaltungsverbot, das durch eine derartige Gestaltung der Sache nach nicht umgangen werden dürfe. Als zulässige Gestaltungsformen verbleiben demnach nur die widerrufliche Vollmacht und die Legitimationszession, die in § 134 III AktG und § 129 III AktG eine gesetzliche Anerkennung erfahren haben, sowie die Stimmrechtsvereinbarungen, deren Zulässigkeit bei einer Bindung gegenüber einem Nichtgesellschafter wegen ihrer rechtlichen Ausformung durch die Rechtsprechung des BGH 441 zunehmend kritisch hinterfragt wird 442 . Auf diese grundsätzliche
437
Fleck, Festschrift Fischer, S. 111; Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 19 III 4 a. Kubier, Gesellschaftsrecht, § 20 II 3 c; Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 19 III 4 a; Ulmer, Festschrift Fleck, S. 388; Wiedemann, Mitgliedschaftsrechte, S. 281; Zöllner, Stimmrechtsmacht, S. 36. 439 Grundlegend Wiedemarin, Mitgliedschaftsrechte, S. 283 ff. Ihm folgend Bürkle, Rechte Dritter, S. 52 ff.; Schäfer, Stimmrechtslose Anteile, GmbHR 1998, S. 116. Gegen diesen Ansatz Weber, Privatautonomie, S. 229 ff. 440 BGHZ 3, 354, 358 f.; Münchener Handbuch GesR IV, Wiesner, § 17, Rn. 10; Theißen, Stimmrechtsausübung, DB 1993, S. 470; Wiedemann, Mitgliedschaftsrechte, S. 362. Vgl. zudem die zahlreichen Nachweise bei Weber, Privatautonomie, S. 68 Fn. 44. Weber lässt auch die unwiderrufliche verdrängende Stimmrechtsvollmacht unter denselben Voraussetzungen wie die Stimmrechtsabspaltung in Privatautonomie, S. 238 ff., 257 ff. zu. 441 Vgl. §5 A.II. 1. 442 Vgl. zur grundsätzlichen Zulässigkeit BGHZ 48, 163, 166 ff.; Münchener Handbuch GesR IV, Semler, § 38, Rn. 41; Noack, Gesellschaftervereinbarungen, S. 66 ff.; Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 21 II 4 a cc; Zöllner, Stimmbindungsverträge, ZHR 1991, S. 170 m.w.N. in Fn. 6. Vgl. zu Bedenken bei Stimmbindungsverträgen mit Dritten Hachenburg, Hüffer, GmbHG, § 47, Rn. 75; Priester, Festschrift Werner, S. 667 ff.; Wiedemann, Festschrift Schilling, S. 115 f. 438
Α. Die Stimmrechtsausübung
171
Kontroverse braucht hier nicht näher eingegangen zu werden, da der Pfandgläubiger aufgrund seines dinglichen Rechts am Gesellschaftsanteil Mitberechtigter ist, und insoweit ein anerkennenswerter Grund für die Stimmbindungsvereinbarung besteht, allenfalls ihre Reichweite zweifelhaft sein kann. Näher eingegangen werden soll im Folgenden auf die Frage, welche Grenzen der Vertragsgestaltung bei einer Stimmbindungsvereinbarung mit einem Pfandgläubiger beachtet werden müssen. Dabei spielen die Gesichtspunkte eine erhebliche Rolle, welche Konsequenzen an eine weisungswidrige Stimmabgabe geknüpft sind, und wie derartige Vereinbarungen prozessual durchzusetzen sind. II. Die Effektivität der zulässigen Gestaltungsformen 1. Der Stimmbindungsvertrag Die Effektivität von Stimmbindungsvereinbarungen zur Durchsetzung des vom Weisungsbefugten gewollten Stimmverhaltens ist als hoch anzusehen. Angesichts des prozessualen und materiellrechtlichen Instrumentariums zur Durchsetzung des vertraglich Vereinbarten wird in der Literatur eine Parallele zur Stimmrechtsabspaltung gezogen443. Unter diesem Blickwinkel schränken Stimmbindungsverträge bei entsprechender Ausgestaltung das Abspaltungsverbot zwar nicht in formaljuristischer Hinsicht, jedoch der Sache nach ein. Prozessrechtlich ist heute sowohl anerkannt, dass aus einem Stimmbindungsvertrag auf Erfüllung, d.h. auf Stimmabgabe gemäß der eingegangenen Bindung geklagt werden kann, als auch die Vollstreckbarkeit eines solchen Urteils444. Geht der Anspruch aus der Stimmbindung auf eine konkrete Stimmabgabe zu einem konkreten Beschlussgegenstand, erfolgt eine Vollstreckung über § 894 ZPO445. Ist vereinbart, eine Stimme nicht oder nicht in einem bestimmten Flume , Juristische Person, S. 242 hält Stimmbindungsverträge mit Dritten grundsätzlich für unzulässig. 443 Priester, Festschrift Werner, S. 667 ff.; Weber, Privatautonomie, S. 341 f. Flume , Personengesellschaft, S. 230 begründet mit der effektiven Durchsetzbarkeit von Stimmbindungsverträgen ihre grundsätzliche Unzulässigkeit. 444 BGHZ 48, 163, 169 ff.; Münchener Handbuch GesR IV, Semler, § 38, Rn. 47; Zöllner, Stimmbindungsverträge, ZHR 1991, S. 185. Das RG JW 1927, S. 2993 hatte im Hinblick auf die Freiheit der Willensentschließung nur die Zulässigkeit einer Feststellungsklage bejaht. Konsequenterweise waren Stimmbindungsverträge nicht vollstreckbar (RGZ 160, 257, 262 f.; 170, 358, 372). Vgl. zur Entwicklung der Rechtsprechung Fischer, Festschrift Kunze, S. 98 ff.; Lübbert, Abstimmungsvereinbarungen, S. 97 ff. 445 BGHZ 48, 163, 173; Hüffer, AktG, § 133, Rn. 30; Noack, Gesellschaftervereinbarungen, S. 73 f.; Zutt, Einstweiliger Rechtsschutz, ZHR 1991, S. 197.
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§ 5 Der vertragliche Regelungsbedarf
Sinn abzugeben, wird über § 890 ZPO vollstreckt. Allerdings spielt der Hauptsacherechtsschutz für die Frage der Effektivität von Stimmbindungsverträgen nicht die entscheidende Rolle, vielmehr liegt diese angesichts des zeitlichen Ablaufs beim vorläufigen Rechtsschutz. Die Zulässigkeit gerichtlicher Eilmaßnahmen zur Durchsetzung von Stimmbindungen ist in Rechtsprechung und Lehre sehr umstritten. Die Entwicklung in der Rechtsprechung der OLGs und auch im Schrifttum geht aber dahin, einstweilige Verfügungen hinsichtlich eines bestimmten Stimmverhaltens des Gesellschafters nicht generell für unzulässig zu erachten446. Dogmatische Schwierigkeiten bereitet die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes vor allem in dreifacher Hinsicht: Erstens greift eine einstweilige Verfügung in die Willensbildung der Gesellschafter und damit in die innergesellschaftliche Autonomie ein. Zudem stellt sie eine Ausnahme zum Grundsatz des Verbots der Vorwegnahme in der Hauptsache dar. Zuletzt bereitet die Anwendbarkeit des § 894 ZPO im vorläufigen Rechtsschutzverfahren Probleme, da die Norm auf ein rechtskräftiges Hauptsacheurteil abstellt. Die geäußerten prozessrechtlichen Bedenken sind nicht stichhaltig, weil die Möglichkeit einer Hauptsachevorwegnahme sowohl vom Gesetzgeber insbesondere im Familienrecht (§§ 1615o BGB, 620, 64ld, 644 ZPO) ausdrücklich anerkannt worden ist, als auch die Rechtsprechung Leistungsverfügungen in analoger Anwendung des § 940 ZPO seit langer Zeit im Hinblick auf die Effektivität des Rechtsschutzes unter engen Voraussetzungen als unabdingbar ansieht447. Notwendige Konsequenz daraus ist, etwaige Vollstreckungsmaßnahmen auch vor Erlass eines Urteils in der Hauptsache vornehmen zu können. Dass § 894 ZPO seinem Wortlaut nach auf ein rechtskräftiges Urteil abstellt, Maßnahmen des einstweiligen Rechtsschutzes aber nur eingeschränkt rechtskraftfähig sind448 und häufig in der Form eines Beschlusses ergehen (§§ 937 II, 936, 922 I 1 2. Hs. ZPO), kann nicht entgegenstehen, da die §§ 936, 928 ZPO Ältere Auffassungen befürworten eine Vollstreckbarkeit über § 887 ZPO (.Peters, Erzwingbarkeit, AcP 1957, S. 341) oder § 888 ZPO (Fischer, Abstimmungsvereinbarungen, GmbHR 1953, S. 69 f.). Ihnen ist nur insoweit zu folgen, als es um die Erzwingung zusätzlicher Handlungen zur Durchsetzung der Stimmbindungsvereinbarung wie der Aufnahme eines Punkts in die Tagesordnung geht. 446 OLG Hamburg NJW 1992, S. 186; OLG Frankfurt GmbHR 1993, S. 161; OLG Hamm GmbHR 1993, S. 163; Damm, Einstweiliger Rechtsschutz, ZHR 1990, S. 430 ff.; von Gerkan, Einstweiliger Rechtsschutz, ZGR 1985, S. 172 ff.; Kiethe, Einstweilige Verfügung, DStR 1993, S. 609 ff.; Michalski, Stimmabgabe, GmbHR 1991, S. 12 ff.; Münchener Handbuch GesR IV, Semler, § 38, Rn. 48; Zutt, Einstweiliger Rechtsschutz, ZHR 1991, S. 199 ff. Nur für den Fall eines Unterlassens der Stimmabgabe: OLG Koblenz NJW 1986, S. 1692; OLG Stuttgart NJW 1987, S. 2449; Hüffer, AktG, § 133, Rn. 31. Generell gegen die Zulässigkeit einstweiligen Rechtsschutzes: Overrath, Stimmrechtsbindung, S. 139 ff. 447 Vgl. die zahlreichen Nachweise bei Zöller, Vollkommer, ZPO, § 940, Rn. 6. 448 Vgl. Thomas/Putzo, Reichold, ZPO, § 922, Rn. 8 ff.
Α. Die Stimmrechtsausübung
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ausdrücklich die Anwendbarkeit der zwangsvollstreckungsrechtlichen Vorschriften vorschreiben. Was schließlich den gesellschaftsrechtlichen Einwand anbelangt, liefe dieser auf einen absoluten Vorrang des Gesellschaftsrechts vor dem Prozessrecht hinaus. Die Willensbildungsfreiheit der Gesellschafter kann einen solchen nicht rechtfertigen, weil der Gesellschafter sich aus freien Stücken für eine Drittbindung entschieden hat, und zudem i.d.R. das Für und Wider eines Beschlusses schon geraume Zeit vor der Abstimmung ausgetragen wird, die Mehrzahl der Gesellschafter also mit schon festgelegter Meinung in die Abstimmung geht. Bedeutung haben diese Einwände aber in anderer Hinsicht. Da die Durchsetzbarkeit der Stimmbindung auch die Belange Dritter nach dem Prinzip der Verbandsautonomie betrifft, sowie angesichts des Ausnahmecharakters einer Leistungsverfügung kann der einstweilige Rechtsschutz nur unter sehr strengen Voraussetzungen und damit lediglich in Ausnahmefällen erfolgreich sein449. Ein Verstoß gegen eine Pflicht aus dem Stimmbindungsvertrag führt nach höchstrichterlicher Rechtsprechung zu einer Anfechtbarkeit des Beschlusses nur, wenn alle Gesellschafter dem Stimmbindungsvertrag beigetreten sind450. Diese Rechtsposition ist auf einen Stimmbindungsvertrag mit einem Dritten nicht übertragbar, weil hier die Trennung zwischen körperschaftlicher und schuldrechtlicher Ebene ausnahmslos zu beachten ist. Der Verstoß gegen eine Stimmbindung berührt hier weder die Wirksamkeit der Stimmabgabe noch die des Beschlusses451. Der entscheidende Grund für die Möglichkeit der Anfechtbarkeit in den zitierten Entscheidungen lag in der Prozessökonomie. Die vertragswidrig überstimmten Gesellschafter sollten nicht auf den umständlichen Weg einer Klage gegen die Mitgesellschafter verwiesen werden, um durch deren Verurteilung zu einer gegenteiligen Stimmabgabe den Beschluss aus der Welt zu schaffen. Materiellrechtlich erzeugen eine möglicherweise drohende Schadensersatzforderung sowie eine Vertragsstrafenabrede indirekten Druck auf den Gesellschafter, die Vertragspflicht einzuhalten.
449
So auch die Rechtsprechung. Vgl. m.w.N. OLG Hamm GmbHR 1993, S. 163: Der Erlass einer einstweiligen Verfügung ist „ausnahmsweise dann zu gestatten, wenn zugunsten des Antragstellers eine eindeutige Rechtslage oder ein überragendes Schutzbedürfnis bestehe und die einstweilige Verfügung nicht am Gebot des geringstmöglichen Eingriffs scheitere." 450 BGH NJW 1983, S. 1910, 1911; 1987, S. 1890, 1892. 451 Großkommentar AktG, Schmidt, § 243, Rn. 18; Hüffer, AktG, § 243, Rn. 9.
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§ 5 Der vertragliche Regelungsbedarf
2. Die Vollmacht und die Ermächtigung zur Stimmrechtsausübung Bei der Erteilung einer Vollmacht besteht für den Pfandgläubiger die Gefahr, dass der Aktionär selbst in der Hauptversammlung erscheint, um seine Stimme abzugeben. Wie jede andere Vollmacht auch verdrängt die Stimmrechtsvollmacht den Gesellschafter nicht aus seiner Rechtsmacht. Nur neben ihm, nicht an seiner Stelle hat der Bevollmächtigte das Recht zur Stimmabgabe. Das Verlangen des Pfandgebers, das Stimmrecht selbst auszuüben, ist als Widerruf der Vollmacht gemäß § 168, 2 BGB anzusehen452. Spätestens liegt dieser konkludent in der eigenen Stimmabgabe in der Hauptversammlung. Für die Vertragsgestaltung stellt sich daher die Frage, wie diese Gefahr des Widerrufs herabgemindert werden kann. Denkbar ist zum einen die Vereinbarung eines selbständigen Strafversprechen (§ 343 II BGB), nach dem sich der Verpfänder für den Fall des Widerrufs zur Zahlung eines bestimmten Betrags verpflichtet. Zum anderen erscheint möglich, die Vollmacht unwiderruflich mit einem nur schuldrechtlich wirkenden Stimmverzicht des Vollmachtgebers zu erteilen. Gegen beide Konstruktionen bestehen indes aus der Sicht einer dem Gebot des sichersten Wegs Rechnung tragenden Vertragsgestaltung Vorbehalte, da ihre Zulässigkeit in Deutschland höchstrichterlich noch nicht geklärt ist. Die Rechtmäßigkeit der unwiderruflichen Vollmacht mit schuldrechtlich wirkendem Stimmverzicht ist jedoch im gesellschaftsrechtlichen Schrifttum 453 und in der österreichischen Rechtsprechung454 anerkannt. Bei widersprechender Stimmabgabe wird auch hier ganz überwiegend das Abstimmungsverhalten des Vollmachtgebers für maßgeblich erachtet455. Obwohl der Bevollmächtigte im Gegensatz zum Berechtigten aus einem Stimmbindungsvertrag an der körperschaftlichen Willensbildung teilnehmen kann, hat er letztlich eine schwächere Position inne, weil der Verstoß gegen den Stimmverzicht zwar einen Schadensersatzanspruch auslöst, ihm jedoch kein prozessrechtliches Instrumentarium zur Durchsetzung des gewünschten Stimmverhaltens zur Verfügung steht. Dies spricht für die Zulässigkeit dieser Konstruktion, aus der Sicht der Vertragsgestaltung aber auch für den Vorzug des Stimmbindungsvertrags. Was das an einen Widerruf geknüpfte Strafversprechen anbelangt, erscheint die Konstruktion im Hinblick auf das Abspaltungsverbot bedenklich. Zwar ist 452
Scholz, Schmidt, GmbHG, § 47, Rn. 95. Baumbach/Hueck, Zöllner, GmbHG, § 47, Rn. 36; Hachenburg, Hüffer, GmbHG, § 47, Rn. 93; Noack, Gesellschaftervereinbarungen, S. 222; Scholz, Schmidt, GmbHG, § 47, Rn. 82. 454 öOGH AG 1994, S. 43. 455 öOHG AG 1994, S. 43; Baumbach/Hueck, Zöllner, GmbHG, § 47, Rn. 36; Huber, Vermögensanteil, S. 53; Scholz, Schmidt, GmbHG, § 47, Rn. 95. A.A. ist Schröder, Stimmrechtskonsortien, ZGR 1978, S. 594 Fn. 56: Unwirksamkeit wegen Widersprüchlichkeit. 453
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regelmäßiges Mittel bei einem zu hohen Strafversprechen ihre richterliche Herabsetzung nach § 343 II BGB, bei Hinzutreten besonderer Umstände ist aber ebenso die Unwirksamkeitssanktion anerkannt456. Als solcher Umstand kommt hier das Abspaltungsverbot in Betracht, welches auch dem Schutz der Mitgesellschafter vor unerwünschtem Außeneinfluss dient und angesichts der Mitwirkung eines Gesellschaftsfremden an der Abstimmung betroffen ist. In Betracht kommt in diesem Fall eine Umdeutung in eine widerrufliche Vollmacht ohne Strafversprechen 457. Im Folgenden wird somit von einer einfachen widerruflichen Vollmacht ausgegangen. Für die Legitimationszession nach § 129 III AktG gelten dieselben Überlegungen wie für die Vollmacht. Gemäß §§ 185 I, 183 BGB ist auch hier von einer jederzeitigenfreien Widerrufbarkeit auszugehen. III. Die Grenzen der Vertragsgestaltung Geht es um Grenzen der Vertragsgestaltung, ist der Prüfungsmaßstab gewöhnlich an den Regeln der §§ 134, 138, 307-309 BGB festzumachen. Unproblematisch sind in dieser Hinsicht lediglich Stimmbindungsvereinbarungen, deren Nichtigkeit aus § 134 BGB folgt, weil sie gegen ein gesetzliches Verbot verstoßen. Zu nennen sind hier Verträge, durch die sich der Aktionär verpflichtet, nach Weisung des Vorstands oder des Aufsichtsrats zu stimmen (§ 136 II AktG), sowie das Verbot des Stimmenkaufs (§ 405 III Nr. 6, 7 AktG). Der Prüfungsmaßstab in den hier interessierenden Fällen, in denen es um verschiedene Aspekte wie das Prinzip der Verbandssouveränität (1., 2., 4., 5.), da$ Abspaltungsverbot (2.), die Kernbereichslehre (3.) sowie die mitgliedschaftliche Treuepflicht (4.) geht, ist weniger klar. Lediglich nach der frühen Rechtsprechung des RG 458 wurde § 138 I BGB herangezogen, da die vertragliche Verpflichtung, sein Stimmrecht fremdbestimmt auszuüben, gegen die Sittenanschauung des Volksganzen wie gegen die eines ehrbaren Kaufmanns verstoße. Aus heutiger Sicht stellt dies eine Überdehnung des Sittenwidrigkeitstatbestands dar und ist nur mit derfrüheren grundsätzlichen Ablehnung von Stimmbindungsverträgen erklärbar 459.
456
BGH WM 1977, S. 641, 643; Erman, Westermann, BGB, § 343, Rn. 1; Soergel (12. Aufl.), Lindacher, BGB, § 343, Rn. 5. 457 Vgl. zur Umdeutung einer Stimmrechtsabtretung in eine widerrufliche Stimmrechtsvollmacht BGH NJW 1968, S. 396, 397. 458 RGZ 69, 134, 137. 459 RGZ 57, 205, 208; Müller-Erzbach, Mitgliedschaft, S. 249 ff.
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§ 5 Der vertragliche Regelungsbedarf
1. Satzungsänderungen Bei der Frage, ob ein Stimmbindungsvertrag auch ein bestimmtes Abstimmungsverhalten in Bezug auf Satzungsänderungen erfassen kann, geht es der Sache nach um eine Vereinbarkeit mit dem Prinzip der Verbandssouveränität. Dogmatisch stellt sich hier das Problem, in welcher Weise ein Verstoß gegen diesen gesellschaftsrechtlichen Grundsatz die Unwirksamkeit einer schuldrechtlichen Vereinbarung begründen kann. § 138 I BGB passt nicht. Die Norm erfordert einen Verstoß gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden460 und erfasst auch ein sittenwidriges Verhalten gegenüber Dritten. Diese Fallgruppe könnte zwar auch beim Prinzip der Verbandsautonomie in Betracht kommen, weil dieses vor allem dem Schutz des Verbands und seiner Mitglieder dient. Denn das gesellschaftsrechtliche OrganisationsgefÜge soll die Interessen der Gesellschafter bündeln und auf die Verfolgung des gemeinsamen Gesellschaftszwecks ausrichten und verhindern, dass Dritte den ihnen eingeräumten Einfluss zur Verfolgung außergesellschaftlicher Zwecke nutzen können. Jedoch geht es vorliegend um die Vereinbarkeit mit einem grundlegenden gesellschaftsrechtlichen Prinzip, der Sache nach also nicht um ein sittenwidriges, sondern um ein normwidriges Verhalten, ohne dass Moralanschauungen eine besondere Rolle spielten. Der Grund, weshalb § 134 BGB trotzdem nicht die Nichtigkeitssanktion zu begründen vermag, liegt darin, dass es sich um einen ungeschriebenen Grundsatz handelt, § 134 BGB aber ein Gesetz i.S.d. Art. 2 EGBGB, also zumindest Gewohnheitsrecht voraussetzt461. Angesichts der umstrittenen Reichweite des Grundsatzes der Verbandssouveränität462 fehlt es jedoch an der für Gewohnheitsrecht erforderlichen Rechtsüberzeugungsvorstellung (opinio necessitatis). Dass aber eine Inhaltskontrolle auch an ungeschriebenen Rechtsgrundätzen stattfinden kann, folgt aus § 307 III 1 BGB, weil der Begriff der Rechtsvorschrift auch diese umfasst 463. Als gesetzlicher Anknüpfungspunkt für die Inhaltskontrolle verbleibt bei der Stimmbindungsvereinbarung mangels Vorliegens von AGBs nur § 242 BGB. Schon bisher nahm die höchstrichterliche Rechtsprechung eine Inhaltskontrolle unterhalb der Sittenwidrigkeitsschwelle vor, wenn sie hierfür ein unabweisbares Bedürfnis wie im Arbeitsrecht den Arbeitnehmerschutz sah464. Ein solches Bedürfnis besteht auch beim Prinzip der Verbandsautonomie, da es hier um den Schutz der Mitgesellschafter sowie 460
BGHZ 10, 228, 232; Palandt, Heinrichs, BGB, § 138, Rn. 2. Palandt, Heinrichs, EGBGB, Art. 2, Rn. 1. 462 Vgl. § 4 Α. II. 3. c). 463 BGHZ 121,14, 18; Palandt, Heinrichs, BGB, § 307, Rn. 64. 464 BAG NJW 1971, S. 1149. Ausführlich Preis, Vertragsgestaltung, S. 180 ff. Wegen § 310 IV 2 BGB kann die Inhaltskontrolle nach der Schuldrechtsreform auf die §§ 307-309 BGB gestützt werden. 461
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der Gesellschaft und der Schließung einer Gesetzeslücke im Hinblick auf § 134 BGB geht465. Der tiefere Grund und zugleich die Rechtfertigung für diese Form der Inhaltskontrolle liegen in der Komplexität und regelmäßigen Drittbezogenheit der gesellschaftlichen Verhältnisse, für die das herkömmliche zivilrechtliche Instrumentarium nur teilweise sachgerechte Lösungsansätze bereithält. Insoweit muss nur auf die Grundsätze der fehlerhaften Gesellschaft verwiesen werden, die dogmatisch eine insbesondere aus dem Bestandsschutz der Gesellschaft gerechtfertigte Modifikation der allgemeinen Regeln über die Rechtsfolgen der Vertragsunwirksamkeit darstellen466. Dass gesellschaftsrechtliche Wertungen Maßstab für eine Inhaltskontrolle sein können, ergibt sich schließlich aus dem im Personengesellschaftsrecht durch die Rechtsprechung entwickelten Bestimmtheitsgrundsatz. Denn der Sache nach handelt es sich bei dieser ungeschriebenen, unterhalb der Sittenwidrigkeitsschwelle liegenden Schranke der Mehrheitsherrschaft um einen Fall der Inhaltskontrolle für Gesellschaftsverträge, indem bei bestimmten Beschlussgegenständen, obwohl hier das Mehrheitsprinzip ausdrücklich festgeschrieben und damit die Klausel aufgrund ihrer Eindeutigkeit an sich nicht einer Auslegung zugänglich ist, gleichwohl eine Zustimmung des betroffenen Gesellschafters als erforderlich angesehen wird. Ob eine Stimmbindung auch Satzungsänderungen erfassen kann, ist in der gesellschaftsrechtlichen Literatur umstritten. Während dies zum Teil generell für zulässig erachtet wird 467 , halten andere sie gerade bezogen auf den Pfandgläubiger für unzulässig468. Die höchstrichterliche Rechtsprechung hat eine derartige Einschränkung bisher nicht formuliert 469.
465
Mit dem Prüfungsmaßstab des Prinzips der Verbandssouveränität bei Stimmbindungsverträgen hat sich auch Herfs, Willensbildungsprozess, S. 344 ff. auseinandergesetzt. Er vertritt eine Ausstrahlungswirkung des Gesellschaftsrechts auf das Schuldrecht, die mit einer Drittwirkung von Grundrechten vergleichbar sei. 466 Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 6 13. Dass ein Bedürfnis für eine Inhaltskontrolle unterhalb der Schwelle der §§ 134, 138 BGB gerade bei Arbeits- und Gesellschaftsverträgen besteht, ist kein Zufall. Bei beiden Verträgen handelt es sich um Dauerschuldverhältnisse, bei denen einer Vertragspartei typischerweise ein hohes Maß an Rechtsmacht zukommt. Beim Arbeitsvertrag ist dies regelmäßig der Arbeitgeber, beim Gesellschaftsvertrag der einzelne Gesellschafter, der durch ein treuepflichtwidriges Verhalten die Gesellschaft erheblich schädigen kann. 467 Konzen, Mitbestimmung, AG 1983, S. 299; Roth/Altmeppen, Roth, GmbHG, § 47, Rn. 38; Zöllner, Stimmbindungsverträge, ZHR 1991, S. 181 f. 468 Flume , Juristische Person, S. 244; Herfs, Willensbildungsprozess, S. 371; Priester, Festschrift Werner, S. 673. 469 BGH DStR 1991, S. 1290. In diesem Fall ging es um eine zwischen allen Gesellschaftern vereinbarte Stimmbindung zugunsten eines Dritten (§ 328 BGB). Das Prinzip der Verbandsautonomie wurde ausdrücklich als nicht berührt angesehen, weil die Abrede nur die Aufnahme dieses Dritten in die Gesellschaft betraf und es nicht um das Hineinregieren eines Gesellschaftsfremden in gesellschaftliche Angelegenheiten ging.
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§ 5 Der vertragliche Regelungsbedarf
Die ablehnende Haltung hat Priester 470 näher begründet. Er stützt sich im Wesentlichen auf die effektive Durchsetzbarkeit von Stimmbindungsverträgen, die dem Dritten einen unmittelbaren Einfluss auf den Satzungsänderungsbeschluss einräumten. Weiter verweist er auf die besondere Bedeutung satzungsändernder Beschlüsse. Gerade sie müssten der uneingeschränkten Autonomie der Gesellschafter unterliegen. Schließlich verdeutlicht er die im Vergleich zum sicherungsübertragenden Treugeber schwächere Beziehung zur Verbandsmitgliedschaft. Während dem Pfandgläubiger lediglich ein Verwertungsrecht zustehe, sei der Treugeber vor der Sicherungsübertragung Gesellschafter gewesen und er behalte in materieller Hinsicht diese Mitgliedschaft aufgrund der Berechtigung aus der Stimmbindung bei. Gleichwohl ist eine Erstreckung von Stimmbindungsvereinbarungen auf Fragen der Satzungsänderung zu bejahen. Ein maßgeblicher Gedanke ist, dass eine entsprechende Einschränkung nicht nur zum Schutz der Mitgesellschafter beiträgt, sondern auf der anderen Seite auch eine Beschränkung der Vertragsfreiheit des bindungswilligen Gesellschafters darstellt 471. In der Tat berechtigt die Mitgliedschaft den Gesellschafter nicht nur gegenüber dem Verband, sie stellt auch einen Teil seines Privatvermögens dar, über welchen er zumindest bei einem nicht vinkulierten AG-Anteil regelmäßig frei verfügen kann. Bei Individualvereinbarungen steht aber - wie die §§ 134, 138 BGB im Gegensatz zu den §§ 307-309 BGB zeigen - ein sehr großer Spielraum für vertragliche Vereinbarungen zur Verfügung. In dieser Hinsicht ist der Prüfungsmaßstab eines ungeschriebenen verbandsrechtlichen Grundsatzes bedeutsam. Dehnt man über § 242 BGB eine Inhaltskontrolle über die vom Gesetzgeber ausdrücklich vorgegebenen Grenzen aus, muss die auf dieser Grundlage erachtete Unwirksamkeit einer Regelung auf Ausnahmefälle beschränkt bleiben. Zu berücksichtigen ist auch, dass der Gesellschaft über die Treuepflicht ein Schutz zuteil wird. Verstößt nämlich ein weisungsgemäßes Abstimmungsverhalten des Aktionärs gegen diese mitgliedschaftliche Pflicht, ist die Stimmabgabe rechtswidrig und bei einer Kausalität für das Ergebnis auch anfechtbar. Auf der anderen Seite ist das Sicherungsinteresse des Pfandgläubigers gerade bei der Verpfändung von Gesellschaftsanteilen nur eingeschränkt geschützt. § 1276 BGB kann bei weitem nicht in allen Fällen eine nachteilige Inhaltsänderung verhindern. § 1219 BGB ist aufgrund seines Ausnahmecharakters eng auszulegen und damit in seiner Wirkkraft beschränkt. Bei einer widerruflichen Vollmacht und der ebenfalls widerruflichen Legitimationszession werden derartige Einschränkungen nicht diskutiert. Der Grund liegt in ihrer jederzeitigen Widerrufbarkeit, die keine Bindungswirkung für den 470
Festschrift Werner, S. 667 ff. Dieser Gesichtspunkt spielt für Zöllner, Stimmbindungsverträge, ZHR 1991, S. 182 eine große Rolle. 471
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Gesellschafter erzeugt, ihm daher stets eine freie Entscheidungsmöglichkeit über sein Abstimmungsverhalten eröffnet. 2. Umfassende Stimmbindung Eine sich auf alle Beschlussgegenstände erstreckende Stimmbindung wird als unzulässig angesehen, weil sie im Ergebnis angesichts ihrer Durchsetzungsstärke einer Stimmrechtsabspaltung gleichkäme472. Dieser Auffassung ist auch für eine im Zusammenhang mit der Pfandrechtsbestellung vereinbarten Stimmbindung zu folgen. Denn bei den das Abspaltungsverbot begründenden §§ 137, 1, 399 1. Alt., 717, 1 BGB handelt es sich um zwingende, die rechtsgeschäftliche Verfügungsfreiheit unmittelbar beschränkende Regelungen, ohne dass ein Rückgriff auf § 134 BGB erforderlich wäre 473. Man könnte lediglich daran denken, eine derart weite Stimmbindung unter der Voraussetzung der Zustimmung der Gesellschafter in Höhe einer satzungsändernden Mehrheit nach § 179 II 1 AktG für zulässig zu halten, weil in diesem Fall der Außeneinfluss dem Verbandswillen entspricht. Dieser Gedanke würde aber nicht tragen, wenn eine solche Stimmrechtsvereinbarung zusätzlich gegen das Verbot der Selbstentmündigung des Gesellschafters und damit gegen § 138 I BGB verstieße. Mit dieser Problematik hat sich ausführlich Weber 474 auseinandergesetzt. Danach kommt eine Unwirksamkeit gemäß § 138 I BGB entsprechend der für die Knebelungsverträge geltenden Grundsätze nur in Ausnahmefällen in Betracht. Entscheidend für die Annahme einer Sittenwidrigkeit ist, dass der Gesellschafter sich in einem weiten Bereich seiner wirtschaftlichen Betätigung seiner freien Selbstbestimmung entäußert. In die Betrachtung mit einzustellen ist also, welche Bedeutung gerade die Beteiligung in der betreffenden Gesellschaft für die gesamte wirtschaftliche Betätigung des Aktionärs hat. Ein anderer Anknüpfungspunkt für ein Sittenwidrigkeitsverdikt ist der Gedanke des fehlenden Gleichlaufs von Herrschaft und Haftung, der im Recht der Personengesellschaft von einigen Autoren 475 im Hinblick auf die unbeschränkte persönliche Haftung des § 128 HGB als unüberwindbare Schranke für die Zulässigkeit stimmrechtsloser Anteile angesehen wird. Jedoch lassen die Rechtsprechung und der Großteil des Schrifttums solche Mitgliedschaften in den 472
Fleck, Festschrift Fischer, S. 117; Herfs, Willensbildungsprozess, S. 323, 364 ff; Priester, Festschrift Werner, S. 669; Ulmer, GbR, § 717, Rn. 24; Wiedemann, Festschrift Schilling, S. 116. 473 Vgl. zu dieser dogmatischen Einordnung Palandt, Heinrichs, BGB, § 134, Rn. 1 (für §§ 137,399 BGB); Ulmer, GbR, § 717, Rn. 7 (für § 717 BGB). 474 Privatautonomie, S. 214 f. Vor allem unter Berufung auf BGHZ 44,158. 475 Heins, Recht der oHG, NJW 1948, S. 253; Wiedemann, Rechte, WM 1992, Beilage 7, S. 28.
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durch die Kernbereichslehre und den Bestimmtheitsgrundsatz gezogenen Grenzen selbst bei diesen Gesellschaftsformen zu 476 . Im Aktienrecht kann dieser Gesichtspunkt zur Begründung der Sittenwidrigkeit keinesfalls herhalten, da der Aktionär nur beschränkt gegenüber der Gesellschaft auf die Erbringung seiner Einlage haftet (§ 54 I AktG), und zudem das AktG in den §§ 139 ff. ausdrücklich stimmrechtslose Anteile vorsieht. Ebenfalls wäre die Legitimation durch die Gesellschafterversammlung unbeachtlich, wenn man dem Abspaltungsverbot entscheidend auch eine die Gläubiger der Gesellschaft schützende Komponente beimessen würde, weil nur der Gesellschafter im eigenen Interesse Vermögenseinbußen bei dieser zu vermeiden suche477. Diese Schutzrichtung beruht jedoch wesentlich auf der durch die eigene persönliche Haftung begründeten Disziplinierung bei der Führung der täglichen Geschäfte. Der dahinter stehende Gedanke „Keine Herrschaft ohne Haftung" gilt aber trotz des Prinzips der Selbstorganschaft nicht einmal im Recht der Personengesellschaft, da dieses der Führung der Geschäfte durch einen mit umfassender rechtsgeschäftlicher Vertretungsmacht ausgestatteten Dritten nicht entgegensteht478. Einem aus dem Abspaltungsverbot abzuleitenden Gläubigerschutz kann somit im Recht der AG, in dem der Grundsatz der Fremdorganschaft gilt, erst recht keine maßgebliche Bedeutung zukommen. Letztlich hängt die Frage der Zulässigkeit einer umfassenden Stimmbindung bei einer ausreichenden Zustimmung der Aktionäre davon ab, ob man ein statuarisches Zustimmungsrecht eines Dritten zu Gesellschafterbeschlüssen für zulässig erachtet. Angesichts der dargelegten Effektivität von Stimmbindungsvereinbarungen ist ein Vergleich zu dieser direkten Einflussmöglichkeit eines Dritten sachgerecht. Eine Zulässigkeit wird im Hinblick auf ein entsprechend enges Verständnis des Prinzips der Verbandssouveränität von der ganz überwiegenden Meinung abgelehnt479. Die Konstruktion empfiehlt sich damit nicht aus der Sicht der Vertragsgestaltung. Angesichts ihrer jederzeitigen Widerrufbarkeit bereiten auf der anderen Seite eine umfassende Vollmacht oder Ermächtigung keine Schwierigkeiten. Somit bietet sich eine Verbindung dieser beiden Institute an. Eine Stimmrechtsverein-
476 Grundlegend BGHZ 20, 363, 368. Vgl. zudem Baumbach/Hopt, Hopt, HGB, § 119, Rn. 13; Münchener Kommentar BGB, Ulmer, § 709, Rn. 58; Teichmann, Gestaltungsfreiheit, S. 208 f.; Westermann, Vertragsfreiheit, S. 352 f. 477 Reuter, Stimmrechtsvereinbarungen, ZGR 1978, S. 640. 478 BGH NJW 1982, S. 1817 f.; Baumbach/Hopt, Hopt, HGB, § 114, Rn. 24; Heymann, Emmerich, HGB, § 114, Rn. 27; Weber, Privatautonomie, S. 185. 479 Geßler/Hefermehl, Hefermehl/Bungeroth, AktG, § 179, Rn. 133; Großkommentar AktG, Wiedemann, § 179, Rn. 135; Hüffer, AktG, § 179, Rn. 23; Kölner Kommentar AktG, Zöllner, §179, Rn. 170; Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 5 I 3 b. A.A. Beuthien/Gätsch, Vereinsautonomie, ZHR 1992, S. 477 f. Vgl. § 4 Α. II. 3. c).
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barung sollte hinsichtlich bestimmter für den Pfandgläubiger besonders wichtiger Beschlussgegenstände vereinbart werden. Des Weiteren ist ihm eine widerrufliche Vollmacht zu erteilen. Klargestellt werden sollte, dass ein in der eigenen Teilnahme des Verpfänders an der Abstimmung liegender Widerruf sich nur auf den jeweiligen Beschlussgegenstand bezieht. 3. Die Kernbereichslehre In der rechtswissenschaftlichen Literatur wird vertreten, eine allgemein gefasste Stimmbindung könne sich nicht auf solche Beschlussgegenstände beziehen, bei denen dem Gesellschafter ein Zustimmungsrecht nach dem Kernbereichsgedanken zukommt480. Dahinter steht die Überlegung der Vermeidung eines Wertungswiderspruchs. Wenn schon die Mehrheitsherrschaft in der Gesellschaft durch Einräumung eines Zustimmungsrechts des in seinem Kernbereich betroffenen Verbandsmitglieds beschränkt werde, müsse derselbe Schutz auch gegenüber allgemein gefassten Stimmbindungen bestehen. Inwieweit sich hieraus eine Schranke für die Stimmrechtsvereinbarung eines Aktionärs mit dem Pfandgläubiger ergeben kann, hängt zunächst davon ab, ob die Kernbereichslehre auch im Aktienrecht Geltung beanspruchen kann481. Grundaussage dieses Prinzips ist, dass eine Verkürzung der Rechtsstellung eines Gesellschafters in grundlegenden Mitgliedschaftsrechten nur mit seiner Zustimmung möglich ist 482 . Sachlich abzugrenzen hiervon ist der Umstand, dass es eine Reihe von Mitgliedschaftsrechten gibt, die weder durch Satzung oder Gesellschaftsvertrag noch mit Zustimmung des betroffenen Gesellschafters entzogen werden dürfen (sog. unverzichtbare Schutzrechte). Hierzu gehören - schon wegen des im Aktienrecht geltenden Grundsatzes der Satzungsstrenge (§ 23 V AktG) das Auskunftsrecht des Aktionärs (§131 AktG), die Befugnis zur Erhebung von Anfechtungs- und Nichtigkeitsklagen (§§ 245, 249 AktG), das Verbot, 480 Erman, Westermann,, BGB, § 709, Rn. 22; Priester, Festschrift Werner, S. 670; Weber, Privatautonomie, S. 343. 481 Diese Frage wird in der aktienrechtlichen Literatur, soweit ersichtlich, nicht erörtert. Lediglich Wiedemann wirft in Großkommentar AktG, § 179, Rn. 171 diese Problematik auf, ohne näher darauf einzugehen. Im Recht der Personengesellschaft ist die Kernbereichslehre allgemein anerkannt. Grundlegend BGHZ 20, 363. Vgl. zudem statt vieler nur Baumbach/Hopt, Hopt, HGB, § 119, Rn. 36; Heymann, Emmerich, HGB, § 119, Rn. 37; Lockowandt, Kernbereich, S. 132 ff.; Löffler, Kembereich, NJW 1989, S. 2656 ff. Die höchstrichterliche Rechtsprechung hat im Grundsatz die Kernbereichslehre auch im GmbH-Recht anerkannt: BGH GmbHR 1989, S. 120, 121. Ebenso Hachenburg, Ulmer, GmbHG, § 53, Rn. 59; Schäfer, Stimmrechtsloser GmbH-Anteil, S. 161 ff.; Scholz, Priester, GmbHG, § 53, Rn. 47. Dagegen Lutter/Timm, Präventivschutz, NJW 1982, S. 418: nur materielle Beschlussinhaltskontrolle. 482 Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 16 III 3 b bb.
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Sonderrechte zu beschränken (§ 35 BGB), sowie allgemein die Rechte von Minderheiten (z.B. §§ 122, 142 II, 147 I AktG) 483 . Hier ist ein in seinem Abstimmungsverhalten gebundener Aktionär bereits durch die Nichtigkeit eines entsprechenden diese Rechte entziehenden Hauptversammlungsbeschlusses geschützt (§ 241 Nr. 3 1. Alt. AktG) 484 . Keine Bedenken gegen die grundsätzliche Anerkennung der Kernbereichslehre auch im Aktienrecht können aus systematischen Erwägungen wie der Regelung des § 180 AktG, die ausdrücklich ein Zustimmungsrecht des betroffenen Aktionärs nur bei wenigen Maßnahmen vorsieht, oder der ebenfalls Minderheiten schützenden Vorschrift des § 53a AktG abgeleitet werden, weil zu § 180 AktG vergleichbare Regelungen auch im Personengesellschafts- (§ 707 BGB) und im GmbH-Recht (§ 53 III GmbHG) existieren, und der in § 53a AktG enthaltene Grundsatz der Gleichbehandlung ebenso bei diesen Gesellschaftsformen gilt 485 . Einwände können sich aber aus der andersartigen Struktur der AG im Vergleich zum Recht der Personengesellschaft ergeben. Während hier das Mehrheitsprinzip gilt (§ 179 II 1 AktG), gilt dort der Grundsatz der Einstimmigkeit (§§ 709 I BGB, 119 I HGB). Dahinter steht der Gedanke der Funktionsfähigkeit der auf eine Vielzahl von Aktionären angelegten Rechtsform. Diese Gesichtspunkte können aber angesichts eines rechtsformübergreifenden Bedürfnisses nach einem effektiven Minderheitenschutz nur die Reichweite der Kernbereichslehre im Aktienrecht beeinflussen, nicht ihre grundsätzliche Anerkennung. Der Sache nach, ohne dies in der Entscheidung ausdrücklich so zu benennen, hat der BGH auch im Aktienrecht die Kernbereichslehre anerkannt, wenn er entgegen § 179 II 1 AktG fordert, dass auch bei Erreichen einer Dreiviertelmehrheit die von der Umwandlung von Stamm- in stimmrechtslose Vorzugsaktien betroffenen Aktionäre dieser Maßnahme zustimmen müssten486. Ebenso wird in der Literatur ganz überwiegend vertreten, eine Änderung des Gewinnverteilungsschlüssels487 sowie der Liquidationsquote488 sei nur mit Zustimmung der nachteilig betroffenen Aktionäre möglich. Zustimmungsrechte in diesen Bereichen entsprechen indes dem unumstrittenen Inhalt des Kernbereichs 489. Dogmatischer Anknüpfungspunkt für die Kernbereichsleh483
Großkommentar AktG, Wiedemann, § 179, Rn. 171. Großkommentar AktG, Schmidt, § 241, Rn. 56; Huber, Festschrift Coing II, S. 184. 485 Vgl. nur Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 16 II 4 b m.w.N. 486 BGHZ 70, 117, 120; Bezzenberger, Vorzugsaktien, S. 130; Frey/Hirte, Vorzugsaktionäre, DB 1989, S. 2465; Geßler/Hefermehl, Hefermehl, AktG, § 139, Rn. 14; Hüffer, AktG, § 139, Rn. 12; Kölner Kommentar AktG (1. Aufl.), Zöllner, § 139, Rn. 22. 487 Großkommentar AktG, Herne, § 60, Rn. 21; Hüffer, AktG, § 60, Rn. 8; Kölner Kommentar AktG, Lutter, § 60, Rn. 16. 488 Großkommentar AktG (3. Aufl.), Wiedemann, §271, Anm. 1; Hüffer, AktG, § 271, Rn. 2; Kölner Kommentar AktG (1. Aufl.), Kraft, § 271, Rn. 4. 489 Hachenburg, Ulmer, GmbHG, § 53, Rn. 59; Weber, Privatautonomie, S. 251 f. 484
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re im Aktienrecht ist eine durch den Minderheitenschutz gebotene erweiternde Auslegung des § 180 AktG 490 . Soll sich eine Stimmbindung rechtswirksam auf solche, dem Kernbereich der Mitgliedschaft unterfallende Entscheidungen beziehen, muss dieser Beschlussgegenstand in der Vereinbarung konkret und präzise bezeichnet sein. Denn es wird auch als zulässig angesehen, die Zustimmung zu Eingriffen der Mehrheit bereits antizipiert im Gesellschaftsvertrag zu erteilen 491. Maßgeblich ist die Überlegung, dass in diesem Fall nur eine Vorverlagerung der Entscheidung des Gesellschafters auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses stattfindet. Erfolgt eine solche detaillierte Bezeichnung nicht, ist der Stimmbindungsvertrag im Rahmen einer am Prüfungsmaßstab des Kernbereichs vorzunehmenden Inhaltskontrolle geltungserhaltend zu reduzieren. Fraglich ist, ob dies auch bei einer Stimmbindungsvereinbarung mit einem Pfandgläubiger gelten kann. Bei der Beantwortung dieser Frage ist § 1276 BGB mit in die Betrachtung einzustellen. Hält man die Vorschrift im Grundsatz für anwendbar, ist für die Eingriffe in den Kernbereich der Mitgliedschaft angesichts des unabdingbaren Zustimmungserfordernisses des Verpfänders auch eine solche des Pfandgläubigers notwendig. Insofern könnte man es als wertungswidersprüchlich erachten, eine schuldrechtlich wirkende Stimmbindungsvereinbarung genau bei den Beschlussgegenständen einschränkend auszulegen, bei denen das Gesetz in § 1276 BGB dem Pfandgläubiger einen besonderen Schutz bietet. Indes besteht ein solcher Wertungswiderspruch nicht, da die Stimmbindung dem Berechtigten einen weitergehenden Einfluss auf das Mitgliedschaftsrecht eröffnet, indem er auch die Möglichkeit hat, den Gesellschafter zu einer den Eingriff in seine Rechte zustimmenden Stimmabgabe anzuweisen. Gerade dies soll mit der Kernbereichslehre aber verhindert werden. Dagegen kann der Pfandgläubiger über § 1276 BGB nur eine nachteilige Inhaltsänderung der Mitgliedschaft durch endgültiges Unwirksammachen der den Eingriff billigenden Stimmabgabe des Verpfänders verhindern. Daher ist auch die mit einem Pfandnehmer vereinbarte Stimmbindung einschränkend auszulegen. Dass eine sämtliche Beschlussgegenstände umfassende widerrufliche Vollmacht oder Ermächtigung auch den Kernbereich berührende Entscheidungen 490 Anders im Personengesellschaftsrecht: Nach hier vertretener Auffassung handelt es sich sachlich um eine Inhaltskontrolle (§ 5 A III 1). Andere leiten die Kernbereichslehre aus § 138 BGB (BGH ZIP 1985, S. 739 f.; Huber, Vermögensanteil, S. 45), aus einem dem Gesellschaftsrecht innewohnenden Selbstschutzprinzip (Martens, Mehrheitskompetenzen, DB 1973, S. 418) oder aus der Treuepflicht (Hennerkes/Binz, Bestimmtheitsgrundsatz, BB 1983, S. 716) ab oder sehen den Schutz des Kembereichs einfach als Grundprinzip des Gesellschaftsrechts an (BGHZ 81,263, 266). 491 Hüffer, Personengesellschaftsrecht, ZHR 1987, S. 407; Lockowandt, Kernbereich, S. 194 ff.; Löffler, Kernbereich, NJW 1989, S. 2661; Mecke, Mehrheitsbeschlüsse, BB 1988, S. 2263; Münchener Kommentar BGB, Ulmer, § 709, Rn. 77.
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einschließen kann, wird von einem Teil der Literatur abgelehnt, da der Gesellschafter bei einer antizipiert erteilten Vollmacht regelmäßig keine Kenntnis von dem bevorstehenden Beschluss und daher schon faktisch keine Möglichkeit zum Widerruf habe492. Diese Ansicht ist abzulehnen. Die durch die jederzeitige Widerrufbarkeit begründete fehlende Bindungswirkung muss auch Einfluss auf den Umfang der Vollmacht haben. So ist im Hinblick auf den in § 168, 2 BGB enthaltenen Grundsatz der jederzeitigen Widerrufbarkeit und wegen des in der Norm zum Ausdruck kommenden Verbots der Selbstentmtlndigung nur die unwiderrufliche Vollmacht Einschränkungen unterworfen 493. Von einer Selbstentmündigung kann aber keine Rede sein, wenn der Aktionär jederzeit die Freiheit zu einer eigenen Stimmabgabe hat. Zudem stellt die Abgabe der Stimme in den Kernbereich betreffenden Angelegenheiten kein höchstpersönliches Rechtsgeschäft dar. 4. Die Treuepflicht Die höchstrichterliche Rechtsprechung und der Großteil des Schrifttums halten Stimmbindungsverträge nur unter dem Vorbehalt der Vereinbarkeit mit der Treuepflicht für zulässig494. Ein solcher Vorbehalt soll sich aus einer ergänzenden Vertragsauslegung ergeben495. Nach einem anderen Begründungsansatz verstößt ein solcher Vertrag gegen die guten Sitten, da er einen Konflikt zwischen der mitgliedschaftlichen Loyalität und dem mitgliedschaftlichen Interesse einerseits und dem Bestreben, einen Vertragsbruch zu vermeiden, andererseits hervorrufe. Der vertragliche Inhalt sei auf das rechtlich zulässige Maß zu beschränken496. Im Ergebnis wird somit eine Wirksamkeit der Stimmbindungsvereinbarung nur komplementär zu der mitgliedschaftlichen Treuepflicht befürwortet. Ganz überwiegend wird somit das zwischen vertraglicher und mitgliedschaftlicher Pflicht bestehende Spannungsverhältnis über einen generellen Vorrang 492
Weber, Privatautonomie, S. 251; Westermann, Vertragsfreiheit, S. 432. Erforderlich ist ein Interesse des Bevollmächtigten an der Erteilung der Vertretungsmacht, welches dem Interesse des Vollmachtgebers zumindest gleichwertig ist. So BGHZ 110,363,367 f.; Hübner, BGB AT, Rn. 1273; Medicus, BGB AT, Rn. 942. 494 RGZ 133, 90, 96; BGH WM 1970, S. 904, 905; 1977, S. 525, 529; Fleck, Festschrift Fischer, S. 115 f.; Geßler/Hefermehl, Eckardt, AktG, § 136, Rn. 54; Noack, Gesellschaftervereinbarungen, S. 149; Overrath, Stimmrechtsbindung, S. 72 ff.; Priester, Festschrift Werner, S. 670; Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 21 II 4 a dd; Vossius, Übertragung von Gesellschaftsanteilen, BB 1988, Beilage 5, S. 10. 495 BGH WM 1970, S. 904, 905; 1977, S. 525, 529. 496 Overrath, Stimmrechtsbindung, S. 79 ff. Es handelt sich demnach um eine geltungserhaltende Reduktion, die auch bei § 138 BGB in Einzelfällen von der Rechtsprechung anerkannt ist (vgl. die Nachweise bei Palandt, Heinrichs, BGB, § 138, Rn. 19). 493
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des Gesellschaftsrechts gelöst. Schwierigkeiten bereitet die genaue dogmatische Begründung dieses Vorrangs. In diese Richtung geht auch die Kritik von Zöllner 491. Er zieht eine Parallele zum Fall eines Verkäufers, der in zwei verschiedenen Kaufverträgen unterschiedlichen Käufern verspricht, denselben Gegenstand zu übereignen, jedoch nur einen der beiden Verträge erfüllen kann. In einer solchen Fallkonstellation seien regelmäßig beide Verpflichtungen wirksam, nur führe die Erfüllung der einen notwendigerweise zur Einstandspflicht hinsichtlich der anderen nach Unmöglichkeitsrecht. In der Tat lässt sich mit dem herkömmlichen zivilrechtlichen Instrumentarium nur ein Teil der Kollisionsfälle zugunsten des Gesellschaftsrechts lösen, wobei zwischen Stimmbindungsverträgen mit bereits festgelegtem Abstimmungsinhalt und solchen, gemäß denen nach Weisung des Dritten abzustimmen ist, zu unterscheiden ist. In der ersten Fallgruppe kommt eine Unwirksamkeit nach § 138 I BGB in Betracht. Im Unterschied zu dem von Zöllner gebildeten Beispiel liegt hier ein zu einem rechtswidrigen Verhalten verpflichtender Schuldinhalt vor. Denn Inhalt ist die Verpflichtung des Gesellschafters, eine rechtswidrige Stimme abzugeben498. Dieser objektive Umstand ist grundsätzlich geeignet, Sittenwidrigkeit zu begründen499, ausreichend ist er nur, wenn bereits dieser Inhalt mit grundlegenden Wertungen der Rechts- und Sittenordnung unvereinbar ist 500 . Diese strenge Voraussetzung ist bei einem Verstoß gegen eine lediglich privatrechtlich begründete Pflicht regelmäßig nicht erfüllt. Erforderlich ist daher als subjektives Element die Kenntnis des Pfandgläubigers von den die Treuepflichtverletzung begründenden Umständen, die nur gegeben sein wird, wenn der Pfandnehmer einen Einblick in die innergesellschaftlichen Angelegenheiten hat. Hat der Gesellschafter nach Weisung des Pfandgläubigers abzustimmen, gelten über § 315 BGB dieselben Grundsätze. Regelmäßig wird nur eine sittenwidrige Weisung unbeachtlich sein, da hinsichtlich des Inhalts der Weisung dem Gläubiger ein weites Ermessen zusteht. Hinter der Auffassung, eine treuwidrige Stimmabgabe sei nicht geschuldet, steht der Gedanke, der gebundene Gesellschafter sei aufgrund von Erfüllungszwang oder einer Schadensersatzforderung einem tatsächlichen Druck ausgesetzt, bewusst eine gegen die Interessen der Gesellschaft gerichtete Position in 497
Stimmbindungsverträge, ZHR 1991, S. 172 ff. Bei dem von Zöllner gebildeten Beispiel ist der Schuldinhalt selbst nicht rechtswidrig, da er in der Übergabe und Übereignung eines ohne Missbilligung der Rechtsordnung veräußerbaren Gegenstands liegt. 499 Erman, Palm, BGB, § 138, Rn. 85a. 500 BGHZ 94, 268, 272 f.; Erman, Palm, BGB, § 138, Rn. 38; Palandt, Heinrichs, BGB, § 138, Rn. 7; Staudinger, Sack, BGB, § 138, Rn. 62 m.w.N. 498
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der Hauptversammlung zu vertreten, die dem Willensbildungsprozess in der Gesellschaft abträglich sein kann501. Eine solche Gefahr besteht jedoch nur in eingeschränktem Umfang und kann daher eine Beschränkung des Inhalts einer Stimmbindungsvereinbarung grundsätzlich nicht rechtfertigen. Denn zu beachten ist zunächst, dass eine treuepflichtwidrige Stimmabgabe unwirksam und daher der betreffende Hauptversammlungsbeschluss anfechtbar ist 502 . Zudem wird die Auslegung der Stimmbindungsvereinbarung i.d.R. ergeben, dass nicht die Abgabe einer rechtlich wirksamen Stimme, sondern nur die tatsächliche Stimmabgabe mit dem vereinbarten Inhalt unabhängig von ihrer Rechtmäßigkeit geschuldet ist 503 . Sachlich geht es bei dem Schuldinhalt um die Frage, welche Partei das Risiko der Rechtswidrigkeit der Stimmabgabe trägt. Übernähme der Gesellschafter eine dahingehende Einstandspflicht, läge eine Garantiehaftung vor, da die Rechtmäßigkeit der Stimmabgabe häufig von von ihm nicht beeinflussbaren Umständen abhängt. Eine solche Haftung stellt jedoch im deutschen Schuldrecht einen Ausnahmetatbestand dar und kann damit nur bei einem eindeutigen Einstandswillen angenommen werden. Gegen ein solches Auslegungsergebnis spricht auch, dass es dem aus der Stimmbindung Berechtigten regelmäßig nur um die Abgabe der Stimme in bestimmter, seine Interessen wahrender Weise gehen wird. Deshalb hat der Aktionär regelmäßig keine Schadensersatzpflicht gegenüber dem Pfandgläubiger bei treuwidriger, aber unwirksamer Stimmabgabe zu befürchten. Was die Gefahr einer Einwirkung auf die Willensbildung der anderen Aktionäre mit dem Ziel anbelangt, aufgrund der Einstimmigkeit der Stimmabgabe einen Treuepflichtverstoß und damit eine Schadensersatzhaftung gegenüber der Gesellschaft auszuschließen, ist zu beachten, dass die Rechtsprechung504 die Haftung für eine Treuepflichtverletzung 501
Behrens, 100 Jahre GmbHG, S. 554. Häufig bedarf es einer Anfechtung des Beschlusses, weil die Frage, ob der Leiter der Hauptversammlung treuwidrige Stimmen außer Acht lassen darf, bei der AG umstritten ist. Grund ist die erhebliche Unsicherheit, die mit der Beurteilung der Treuwidrigkeit einer Stimmabgabe verbunden ist und sich daher im Rahmen der Hauptversammlung kaum zuverlässig beurteilen lassen wird. Die Möglichkeit der Außerachtlassung soll nur bei offenkundigen Pflichtverletzungen bestehen. So Marsch-Barner, Treuepflichten, ZHR 1993, S. 189; Stützle/Walgenbach, Hauptversammlung, ZHR 1991, S. 536; Timm, Treuepflichten, WM 1991, S. 486. Indes handelt es sich bei dieser Erkenntnisproblematik um kein Spezifikum des Aktienrechts, und auch die Tatsache der regelmäßigen Fehlerfolge der Anfechtbarkeit spricht nicht zwingend gegen ein Zurückweisungsrecht des Versammlungsleiters, da im GmbHRecht ein solches Recht vielfach befürwortet wird. So BGHZ 102, 172, 176; Baumbach/Hueck, Zöllner, GmbHG, § 47, Rn. 74a; Scholz, Schmidt, GmbHG, § 47, Rn. 32; Zöllner, Stimmrechtsmacht, S. 370 f. (auch für die AG). Ebenso für die AG Hüffer, AktG, § 130, Rn. 22; Kölner Kommentar AktG (1. Aufl.), Zöllner, § 134, Rn. 135. 503 Anders Zöllner, Stimmbindungsverträge, ZHR 1991, S. 177 f. Danach soll i.d.R. eine rechtlich wirksame Stimmabgabe geschuldet sein. 504 BGH NJW 1995, S. 1739, 1746 („Girmes") unter Berufung auf § 117 VII Nr. 1 AktG. 502
Α. Die Stimmrechtsausübung
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durch Stimmrechtsausübung auf Vorsatz beschränkt. Eine Einstandspflicht wird mithin nur ausnahmsweise gegeben sein. Letztlich ist die Rechtsauffassung, die die Stimmbindung durch die Treuepflicht beschränken will, von einem strengen Verständnis des Prinzips der Verbandssouveränität und damit von dem Ziel der Verhinderung von Außeneinfluss in der Gesellschaft geprägt. Ihr ist zuzugeben, dass auch im Fall des Zwangs zu einer treuwidrigen Stimmabgabe aufgrund einer Stimmbindung erhebliche Nachteile für die Gesellschaft in Form der Beeinflussung des Willensbildungsprozesses entstehen können, in noch größeren Maße aber in Form einer Rechtsunsicherheit hinsichtlich der Wirksamkeit der Stimmabgabe, die zu Anfechtungsklagen und einer vorübergehenden Nichtausführung des Beschlusses führen kann. Der dogmatische Grund einer Unwirksamkeit dieses Teils des Stimmbindungsvertrags kann nur in einer Inhaltskontrolle nach §242 BGB liegen. Die Treuepflicht muss als Prüfimgsmaßstab ausscheiden, da sie ihre Grundlage in dem zwischen den Aktionären geschlossenen Organisationsvertrag hat, es sich also um eine vertraglich begründete Pflicht handelt505, die nur in dem jeweiligen Verhältnis rechtsbegrenzend wirken kann. Das Hinüberwirken einer vertraglichen Pflicht in ein anderes Rechtsverhältnis ist angesichts des Verbots des Vertrags zulasten Dritter nicht begründbar. Insofern stellt die Treuepflicht eine andere dogmatische Kategorie als der ungeschriebene gesellschaftsrechtliche Grundsatz der Verbandssouveränität oder die Kernbereichslehre dar. Als Prüfungsmaßstab verbleibt somit nur das Prinzip der Verbandssouveränität. Damit geht es bei dieser Inhaltskontrolle nicht um den Schutz des gebundenen Gesellschafters vor einer Einstandspflicht wegen vertragswidrigen Verhaltens. Das Augenmerk ist zu legen auf den Gesichtspunkt der Verhinderung einer Schädigung der Gesellschaft. Bedeutsam ist der Umstand, dass die Treuepflicht zu einer Ausübung des Stimmrechts in eine bestimmte Richtung nur in absoluten Ausnahmefällen zwingt, welche analog zu ihrem Grundgedanken dadurch gekennzeichnet sind, Schaden von der Gesellschaft und den Mitaktionären abzuwenden, um das weitere Funktionieren des gesellschaftlichen Wirkens sicherzustellen. Denn es gilt das Prinzip der freien Stimmrechtsausübung, das es dem Aktionär im Grundsatz auch ermöglicht, das Stimmrecht zum eigenen Vorteil auszuüben506. Bedeutung erlangt die Treuepflicht damit einmal in Fällen des Stimmrechtsmissbrauchs, in denen der Aktionär bei der Ausübung dieses Mitgliedschaftsrechts anderen Zwecken als der Förderung des Gesell505 Herne, Treupflicht, BB 1996, S. 492; Hüffer, Festschrift Steindorff, S. 64 ff. Eine gesetzliche Grundlage der Treuepflicht des Gesellschafters zur Körperschaft nimmt Winter, Treuebindungen, S. 67 ff. an. 506 BGHZ 14, 25, 37; BGH NJW 1995, S. 1739, 1746 („Girmes"); Geßler/Hefermehl, Kropff, AktG, § 117, Rn. 27; Marsch-Barner, Treuepflichten, ZHR 1993, S. 177.
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§ 5 Der vertragliche Regelungsbedarf
schaftszwecks nachgeht, vor allem solchen, die gegen die Interessen der Gesellschaft gerichtet sind, wobei ihm ein breiter Beurteilungsspielraum zusteht507. Positive Stimmpflichten entstehen ebenfalls nur ausnahmsweise, insbesondere in existenzgefährdenden Situationen, in denen ein bestimmter Beschluss objektiv unabweisbar notwendig und subjektiv auch für den widerstrebenden Gesellschafter zumutbar ist 508 . Insgesamt handelt es sich um Fallgestaltungen, in denen ein bestimmtes Abstimmungsverhalten zum Wohle der Gesellschaft unbedingt geboten ist, und deshalb die Möglichkeit eines Handelns gegen das Ziel der Zweckförderung aufgrund eines Außeneinflusses ausgeschaltet werden muss. Auch gebieten die Interessen des Pfandgläubigers einen solchen Einfluss nicht, weil ein im Interesse der Gesellschaft liegendes Handeln regelmäßig auch für den Wert der Mitgliedschaft vorteilhaft ist. Das Prinzip der Verbandssouveränität verlangt somit einen Vorbehalt der Vereinbarkeit der Stimmbindung mit der Treuepflicht. Der bevollmächtigte oder ermächtigte Pfandnehmer hat bei der Ausübung des Stimmrechts ebenfalls die Treuepflicht zu beachten509. Zwar unterliegt er als gesellschaftsfremder Dritter keiner eigenen Treuepflicht. Da aber seine Stimmberechtigung nur vom Vollmachtgeber abgeleitet ist, hat er die Beschränkungen aus dessen Treuepflicht zu berücksichtigen. Verletzt er diese, ist die Stimmabgabe unwirksam und der Beschluss anfechtbar. Ein größeres Haftungsrisiko trifft den Pfandgläubiger nicht. Nach den vom BGH in der „Girmes"-Entscheidung entwickelten Grundsätzen haftet er nur über § 826 BGB oder ebenfalls nur bei Vorsatz nach § 179 I BGB analog, falls er seinen Vollmachtgeber nicht bekannt gibt. Hinter diesem Anspruch steht die Erwägung, dass derjenige, demgegenüber ein Vertreter ein Rechtsgeschäft vornimmt, nicht nur darauf vertrauen darf, dass Vertretungsmacht besteht, sondern auch dass der Bevollmächtigte ihm die Person des Vollmachtgebers preisgibt, weil er andernfalls die Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen gegen den Vertretenen beliebig vereiteln könnte.
507 Kölner Kommentar AktG (1. Aufl.), Zöllner, § 243, Rn. 176 ff., 193; Lutter, Treupflicht, ZHR 1989, S. 457 f. 508 So die Formel der std. Rspr.: BGHZ 44,40,41; 64, 253, 257 f.; 98, 276, 279. Vgl. zu Fällen einer positiven Stimmpflicht im Aktienrecht Filimann, Treuepflichten, S. 185 ff.; Lutter, Treupflicht, ZHR 1989, S. 467 ff.; Marsch-Barner, Treuepflichten, ZHR 1993, S. 179 ff.; Nonn, Zustimmungspflichten, S. 93 ff. 509 BGH NJW 1995, S. 1739, 1742 („Girmes"); Schöne, Stimmrechtsausübung, WM 1992, S. 212; Timm, Treuepflichten, WM 1991, S. 489.
Α. Die Stimmrechtsausübung
5. Das Erfordernis
189
der Zustimmung der Gesellschafter
a) Das generelle Zustimmungserfordernis Nach Weber 510 bedarf der Stimmbindungsvertrag zu seiner Wirksamkeit generell der Zustimmung der Mitgesellschafter, welche bei der AG aufgrund der Satzungsstrenge statuarisch vorgesehen sein müsse. Dahinter steht das Ziel der Verhinderung des Einflusses Außenstehender, deren Abstimmungsverhalten nicht über die Treuepflicht sanktioniert und damit steuerbar ist. Diese Legitimationsgrundlage wird insbesondere aufgrund der faktischen Wirkkraft der Stimmbindungsverträge über die Vollstreckbarkeit und die drohende Schadensersatzpflicht als unerlässlich angesehen. Dieser Rechtsauffassung ist nicht zu folgen, da sie die Interessen des gebundenen Gesellschafters sowie des Pfandgläubigers nicht ausreichend berücksichtigt, sondern zu einseitig das Prinzip der Verbandsautonomie betont. Der Schutz dieses Grundsatzes ist nach der hier vertretenen Konzeption bereits hinreichend sichergestellt, indem er als Prüfungsmaßstab im Rahmen einer Inhaltskontrolle der Stimmbindungsvereinbarung dient. So ergibt sich hieraus die Bindungsfreiheit des Gesellschafters bei einer treuwidrigen Stimmabgabe. Auf der anderen Seite besteht ein anerkennenswertes Interesse des Pfandnehmers an der Stimmbindung aufgrund seiner in der Valutierung des Darlehens liegenden Vorleistung, die wegen der beschränkten Wirkkraft des § 1276 BGB nicht anders als durch eine Stimmbindung in effektiver Weise gesichert werden kann. Dieses Sicherungsinteresse könnte durch eine Verweigerung der Zustimmung vereitelt werden. Aus der Sicht des gebundenen Aktionärs hätte eine solche Ablehnung die Folge, keinen Kredit zu erhalten, falls er dem Darlehensgeber keine anderen Sicherheiten zur Verfügung stellen könnte. Seine Handlungsfreiheit wäre entgegen dem Grundsatz der freien Verfügbarkeit der Mitgliedschaft erheblich beschränkt. b) Das Zustimmungserfordernis bei der in vinkulierten Namensaktien verbrieften Mitgliedschaft aa) Beim Stimmbindungsvertrag Des Weiteren stellt sich die Frage, ob ein Zustimmungserfordernis zur Stimmbindung zumindest bei der Verpfändung vinkulierter Aktien besteht. Das wird ganz überwiegend bejaht, falls die Vinkulierungsklausel - wie regelmäßig bei kleinen AGs und Familien-AGs - dem Schutz vor einer Überfremdung
510
Privatautonomie, S. 344 ff.
190
§ 5 Der vertragliche Regelungsbedarf
dient und es sich um eine generelle Stimmbindung handelt511. Dahinter steht die Überlegung der Unzulässigkeit einer Normumgehung. Der Stimmbindungsvertrag ermöglicht es dem Berechtigten, wie ein Anteilserwerber auf das entscheidende mitgliedschaftliche Verwaltungsrecht Einfluss zu nehmen, obwohl diese Einflussnahme nach dem Zweck der Klausel auf einen persönlich festgelegten Bereich beschränkt bleiben sollte512. Als zulässig werden Stimmbindungsverträge hingegen bei einer konkret anstehenden Entscheidung513 angesehen, da in diesem Fall nur eine Vorverlagerung der Willensbildung stattfindet. Der betreffende Aktionär entscheidet sich bereits bei Abschluss des Stimmbindungsvertrags und nicht erst in der Hauptversammlung. Zu diskutieren ist, ob diese Grundsätze auch bei der Vereinbarung einer Stimmbindung mit einem Pfandgläubiger gelten. Denn zum einen muss die Gesellschaft bereits der Bestellung des dinglichen Rechts zustimmen. Dies beinhaltet jedoch notwendigerweise auch eine Legitimation von Außeneinfluss über § 1276 BGB. Zum anderen besteht aufgrund der Hingabe der Darlehensvaluta und damit der dem Kreditvertrag eigentümlichen Vorleistung ein berechtigtes Bedürfiiis des Pfandnehmers an einer Stimmbindung. Abzustellen ist darauf, ob von einem objektiven Umgehungstatbestand auch unter Berücksichtigung dieser Aspekte noch gesprochen werden kann514. Dies ist zu bejahen. Mit der Zustimmung zu einer Verpfändung der Mitgliedschaft begründet die Gesellschaft keinen derart breiten Einfluss des Pfandnehmers auf ihren Willensbildungsprozess, wie er mit einer generellen Stimmbindungsvereinbarung zwischen Gesellschafter und Sicherungsnehmer verbunden ist. Denn § 1276 BGB hat lediglich eine negatorische Wirkung dergestalt, dass der Pfandgläubi511 Asmus, Vinkulierte Mitgliedschaft, S. 168 ff.; Herfs, Willensbildungsprozess, S. 337 ff.; Lutter/Grunewald, Umgehung, AG 1989, S. 111 ff.; Münchener Kommentar AktG, Bayer, § 68, Rn. 116 ff.; Scholz, Schmidt, GmbHG, § 47, Rn. 48. Ältere Auffassungen halten in diesem Fall den Stimmbindungsvertrag sogar für sittenwidrig und damit nach § 138 I BGB unwirksam (RGZ 69, 134, 136 f.; Boesebeck, Abstimmungsvereinbarungen, NJW 1960, S. 8; Overrath, Stimmrechtsbindung, S. 48). Auch dies überdehnt indes den Sittenwidrigkeitsbegriff. Sachlich handelt es sich um eine Problematik der Umgehung der Vinkulierungsklausel. 512 Daher ist eine Stimmbindung auch ohne Zustimmung der Gesellschaft zulässig, wenn die Vinkulierungsklausel anderen Zwecken wie der Sicherung von Einlage- und Nebenleistungspflichten dient (vgl. Lutter/Grunewald, Umgehung, AG 1989, S. 112). 513 Diese Ausnahme ist eng begrenzt, weil sie sich auf einen bereits feststehenden Tagesordnungspunkt beschränkt, nicht hingegen den Fall einer generellen, auf abstrakt festgelegte Beschlussgegenstände vereinbarten Stimmbindung betrifft (vgl. zu dieser Differenzierung Priester, Festschrift Werner, S. 675). Schmidt spricht in Scholz, GmbHG, § 47, Rn. 39 von einer Ad-hoc-Stimmbindung. 514 Eines Umgehungsvorsatzes bedarf es für die Annahme einer Umgehung nicht. So Asmus, Vinkulierte Mitgliedschaft, S. 170; Lutter/Grunewald, Umgehung, AG 1989, S. 110 f. Beide mit Nachweisen auch zur Gegenansicht, die zusätzlich den Willen und das Bewusstsein der Gesetzesumgehung fordert.
Α. Die Stimmrechtsausübung
191
ger die Stimmabgabe des Verpfänders in einigen, die Mitgliedschaft rechtlich verändernden Beschlussgegenständen unwirksam machen kann. Eine Stimmbindung ermöglicht es hingegen dem Pfandnehmer, seinen Willen umfassend zur Durchsetzung zu verhelfen. Vom Zweck der Vinkulierungsklausel her, nur ganz bestimmten Personen Einfluss auf die Gestaltung der gesellschaftlichen Verhältnisse einzuräumen, begründet dies eine gänzlich andere Qualität der Einflussnahme, nämlich eine solche, die hinsichtlich des Stimmrechts dem wirtschaftlichen Erfolg einer Anteilsübertragung entspricht. An dem Vorliegen eines Umgehungstatbestands ändert auch die dingliche Mitberechtigung an der Mitgliedschaft nichts. Das Pfandrecht berechtigt den Pfandgläubiger nur zu einer sehr begrenzten Einflussnahme auf den Pfandgegenstand. Er verfügt grundsätzlich nicht über ein Nutzungsrecht, sondern hat das Pfand lediglich passiv zu verwahren (§ 1215 BGB). Sein wesentliches Recht liegt in der Verwertungsbefugnis. Diese begrenzte rechtliche Position begründet gerade das Bedürfiiis für die Stimmbindung, steht indes in dem besonderen Fall der Vinkulierung aus Gründen des Überfremdungsschutzes mit dieser Beschränkung der Rechte des Anteilsinhabers in Widerspruch. Da diese Beschränkung bereits bei der Begründung des Pfandrechts bestand, muss der Pfandnehmer sie unter dem Gesichtspunkt der Umgehung auch gegen sich gelten lassen515. bb) Bei der Vollmacht und der Ermächtigung zur Stimmrechtsausübung Zu erörtern bleibt, ob dem Pfandgläubiger wenigstens eine widerrufliche Vollmacht oder Ermächtigung zur Stimmrechtsausübung eingeräumt werden kann. Sofern die Vollmacht nicht nur punktuell für einige wenige konkret gefasste Beschlussgegenstände oder nur für eine Hauptversammlung erteilt ist, wird dies verneint 516. Denn ein Dritter könne mit einer solchen Vollmacht direkt auf das innergesellschaftliche Geschehen einwirken. Mit einem Widerruf der Vollmacht sei im Regelfall nicht zu rechnen, weil der Gesellschafter sich üblicherweise seinerseits Vorteile aus der Vollmachtserteilung erhoffe. 515 Umstritten ist, ob die Stimmabgabe des Gesellschafters in Vollzug eines nicht genehmigten Stimmbindungsvertrags endgültig oder nur schwebend unwirksam ist. Vgl. dazu ausführlich mit zahlreichen Nachweisen Asmus, Vinkulierte Mitgliedschaft, S. 171 ff. 516 Lutter/Grunewald, Umgehung, AG 1989, S. 113; Münchener Kommentar AktG, Bayer, § 68, Rn. 117. Enger Asmus, Vinkulierte Mitgliedschaft, S. 193 f.: Die Vinkulierungsklausel muss sich ausdrücklich auf die Bevollmächtigung beziehen, um ein Zustimmungsrecht der AG auszulösen. In BGH NJW 1987, S. 780, auf die Lutter/Grunewald., Umgehung, AG 1989, S. 113 sich bei ihrer ablehnenden Ansicht ausdrücklich berufen (Fn. 33), verneinte der BGH in einem obiter dictum lediglich die Zulässigkeit einer verdrängenden Vollmacht bei der vinkulierten Namensaktie, nach der allein der Bevollmächtigte anstelle des Vollmachtgebers zur Ausübung des Stimmrechts befugt sein soll.
192
§ 5 Der vertragliche Regelungsbedarf
Diese Auffassung ist als zu eng abzulehnen. Ein Umgehungstatbestand liegt nicht vor. Maßgeblich ist zunächst, dass die §§ 134 III, 129 III AktG die Bevollmächtigung sowie die Ermächtigung ausdrücklich zulassen und dabei keine Einschränkung für vinkulierte Mitgliedschaften formulieren. Zudem besteht eine völlige Freiheit des Gesellschafters, sein Stimmrecht selbst auszuüben, da an einen Widerruf der Vollmacht bzw. der Ermächtigung keinerlei Sanktionen geknüpft sind. Von der rechtlichen Bindung her besteht somit kein Unterschied zu dem Fall, dass er regelmäßig eine neue Vollmacht für die jeweilige Hauptversammlung erteilt. Von einer wirtschaftlichen Gleichwertigkeit zur Anteilsübertragung kann somit keine Rede sein. Dass u.U. der Gesellschafter rein tatsächlich für die Dauer des Darlehens die Ausübung des Stimmrechts vollständig dem Pfandgläubiger überlässt, ohne sich selbst um das richtige Abstimmungsverhalten zu kümmern, ist für die Frage des Vorliegens eines Umgehungstatbestands bedeutungslos. Umgehungsgeschäfte sind nur solche, die unter Ausnutzung der rechtsgeschäftlichen Gestaltungsfreiheit den vom Gesetz missbilligten Erfolg auf einem Weg zu erreichen suchen, den jedenfalls der Wortlaut der Norm nicht erfasst 517. Der Grund der Umgehung und damit der Gleichwertigkeit zum Handeln gegen den Wortlaut einer zwingenden Rechtsnorm muss somit stets in der vermeintlich wirksamen rechtlichen Konstruktion, nicht in einem bestimmten tatsächlichen Verhalten der Vertragsparteien liegen, da es insoweit an der rechtlichen Relevanz für eine Inhaltskontrolle fehlt. Nur Willenserklärungen bzw. Verträge können Gegenstand einer Inhaltskontrolle sein, nicht ein bloß faktisches Verhalten, solange ihm etwa im Wege der konkludenten Erklärung keine rechtsgeschäftliche Bedeutung beigemessen werden kann. Der notwendige Schutz der Gesellschaft ist über die Unwirksamkeit der treuwidrigen Stimmabgabe sichergestellt. Solange nicht diese rechtlich bedeutsame Grenze überschritten ist, wäre auch der Gesellschafter in seinem Abstimmungsverhalten frei. Will die Gesellschaft in einem weitergehenden Maße Außeneinfluss zurückdrängen, besteht hierfür eine rechtliche Handhabe in Form einer Beschränkimg der Bevollmächtigungsmöglichkeit. Diese wird für zulässig gehalten, sofern die Entscheidungsfreiheit des Aktionärs nicht unzumutbar eingeschränkt wird 518 . Namentlich wird dabei eine statuarische Regelung für rechtmäßig erachtet, die den Kreis möglicher Bevollmächtigter auf Aktionäre beschränkt, um damit den sich aus einem möglichen Interessengegensatz von Bevollmächtigtem und Gesellschaft erwachsenden Gefahren zu begegnen. Insoweit ist der gegenteili-
517 Erman, Palm, BGB, § 134, Rn. 18; Larenz/Wolf, BGB AT, § 40, Rn. 30; RGRK, Krüger-Nieland/Zöller, BGB, § 134, Rn. 139. 518 RGZ 55, 41, 42; Geßler/Hefermehl, Eckardt, AktG, § 134, Rn. 39; Hüffer, AktG, § 134, Rn. 26; Kölner Kommentar AktG (1. Aufl.), Zöllner, § 134, Rn. 76 (nur für die vinkulierte Namensaktie).
Β. Einräumung weiterer mitgliedschaftlicher Verwaltungsrechte
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gen Rechtsauffassung des OLG Stuttgart519 nicht zu folgen. Dieses beruft sich auf den Wortlaut des § 134 III, IV AktG, der die Zulässigkeit einer derartigen statuarische Regelung der Vollmacht im Gegensatz zu den Vorgängerregelungen der §§ 252 IV HGB, 114 VII AktG 1937520 nicht mehr vorsieht. Zumindest für die vinkulierte Aktie trägt diese grammatikalische und historische Argumentation nicht. § 134 III, IV AktG ist insoweit nicht als abschließende Regelung i.S.d. § 23 V 2 AktG anzusehen, weil sie lediglich dem Aktionär die höchstpersönliche Ausübung des Stimmrechts ersparen will, jedoch keine Aussage zu der Person eines möglichen Bevollmächtigten trifft, und die Gesellschaft demgegenüber wegen § 68 II 1 AktG ein rechtlich geschütztes Interesse vor einem Einfluss Dritter auf den Willensbildungsprozess hat. Im Ergebnis kann dem Pfandgläubiger für die gesamte Dauer der Bestellung der dinglichen Sicherheit eine widerrufliche Vollmacht oder Ermächtigung eingeräumt werden. Eine dauerhafte Stimmbindung ist hingegen unzulässig.
B. Die Einräumung weiterer mitgliedschaftlicher Verwaltungsrechte Aus denselben Erwägungen wie beim Stimmrecht verbleiben auch die weiteren mitgliedschaftlichen Verwaltungsrechte beim Aktionär. Denn es liegt ein bloßes Sicherungsrecht in Form eines Verwertungsrechts vor, welches entsprechend dieser Funktion und nach seiner gesetzlichen Ausgestaltung nur in sehr begrenztem Umfang dem Berechtigten Rechtsausübungskompetenzen verleiht. Sollen dem Pfandgläubiger weitere mitgliedschaftliche Verwaltungsrechte eingeräumt werden, kann dies somit nur über eine vertragliche Regelung geschehen. Neben dem Stimmrecht stellen das Recht auf Teilnahme an der Hauptversammlung, das Auskunftsrecht und das Recht zur Anfechtung von Hauptversammlungsbeschlüssen weitere bedeutsame Verwaltungsrechte dar. Eine Übertragung dieser Rechte ist nach § 399 1. Alt. BGB wegen des Abspaltungsverbots ausgeschlossen. Es verbleiben nur die Möglichkeiten der Bevollmächtigung und der Ermächtigung. Wegen § 118 I AktG schließen dabei die Vollmacht und die Ermächtigung zur Stimmrechtsausübung automatisch das Recht auf Teilnahme an der Hauptversammlung mit ein. Dasselbe gilt für die Ausübung des Auskunftsrechts 521, weil dieses der sachgemäßen Ausübung des 5,9
AG 1991, S. 69 f. Der Leitsatz lautet: „Die Satzung einer AG kann den Kreis der Bevollmächtigten, die zur Ausübung des Stimmrechts bestellt werden dürfen, nicht auf die Aktionäre beschränken." 520 Die Regelung lautete: „Im übrigenrichten sich die Bedingungen und die Form der Ausübung des Stimmrechts nach dem Gesellschaftsvertrage." 521 LG Heilbronn NJW 1967, S. 1715, 1716; Geßler/Hefermehl, Eckardt, AktG, § 131, Rn. 21; Hüffer, AktG, § 131, Rn. 4; Meilicke/Heidel, Auskunftsrecht, DStR 1992, S. 73.
194
§ 5 Der vertragliche Regelungsbedarf
Stimmrechts dient. In der Literatur umstritten ist jedoch, ob mit einer derartigen Stimmrechtsvollmacht auch das Recht auf Auskunft bei solchen Tagesordnungspunkten verbunden ist, über die nicht abgestimmt werden soll 522 . Deshalb empfiehlt sich in der Vollmachtserteilung eine ausdrückliche Klarstellung über den Umfang des Auskunftsrechts. Eine solche ausdrückliche vertragliche Regelung ist auch notwendig hinsichtlich der Einräumung des Anfechtungsrechts an den Legitimationsaktionär. Denn dem zur Ausübung des Stimmrechts Ermächtigten steht nicht automatisch auch das Anfechtungsrecht zu, da nach § 245 Nr. 1 AktG dieses materielle Recht allein dem erschienenen Aktionär zusteht, und die Hauptversammlungsteilnahme des Ermächtigten insofern nur für die Erfüllung des Tatbestandsmerkmals des Erschienenseins des Aktionärs Bedeutung erlangt. Es ist eine Frage der Auslegung, ob die Ermächtigung im Einzelfall über die bloße Stimmrechtsausübung hinaus auch die Anfechtung abdeckt523. Es hängt von den Interessen der Vertragsparteien ab, ob dem Pfandgläubiger eine Vollmacht zur Ausübung des Anfechtungsrechts erteilt wird, oder ob er dazu ermächtigt wird. Ein sachlicher Unterschied ergibt sich insofern, als bei der Vollmacht der Aktionär selbst Prozesspartei ist, bei der Ermächtigung aber der Pfandnehmer in Form der gewillkürten Prozessstandschaft. In der Praxis üblich und Stimmbindungsvereinbarungen logisch vorausgehend sind Klauseln, die den Informationsfluss sicherstellen sollen524. Des Weiteren findet sich häufig statt einer Stimmbindung eine vertragliche Regelung, die den Verpfänder verpflichtet, bei der Ausübung der mitgliedschaftlichen Verwaltungsrechte alles zu unterlassen, was den Wert des verpfändeten Gesellschaftsanteils beeinträchtigen oder zu seinem Untergang führen könnte525. Als Sanktion für eine Pflichtverletzung dieser Klausel wird häufig ein Nachbesicherungsrecht oder eine Kündigungsmöglichkeit des Kreditvertrags festgelegt. Ein Nachteil dieser Gestaltung ist in der Allgemeinheit der Formulierung zu sehen, die zwangsläufig in Grenzfällen zu Streitigkeiten bei dem Merkmal der Nachteiligkeit der Rechtsausübung führen kann. In anderer Hinsicht wirkt sich diese Allgemeinheit auch als Vorteil aus: Nach dem BGH ist eine solche allgemein gehaltene Abrede nicht geeignet, eine Eigenkapitalersatzhaftung des Pfandnehmers zu begründen526. 522
Bejahend Hüffer, AktG, § 131, Rn. 4; Meilicke/Heidel, Auskunftsrecht, DStR 1992, S. 73. Verneinend Geßler/Hefermehl, Eckardt, AktG, § 131, Rn. 21. 523 BayObLGZ 1996, 234, 237 f.; Geßler/Hefermehl, Hüffer, AktG, § 245, Rn. 22, 30; Großkommentar AktG, Schmidt, § 245, Rn. 15; Happ, Festschrift Rowedder, S. 137 f.; Hüffer, AktG, § 245, Rn. 11; Kölner Kommentar AktG (1. Aufl.), Zöllner, § 245, Rn. 11, 32. Anders noch BayObLGZ 1987, 297, 302: Der zur Ausübung des Stimmrechts Ermächtigte sollte auch anfechtungsbefugt sein. 524 Vossius 9 Übertragung von Gesellschaftsanteilen, BB 1988, Beilage 5, S. 8. 525 Münchener Vertragshandbuch I, Heidenhain/Meister, S. 560. 526 BGHZ 119,191,195. Kritisch Dreher, Pfandrechtsgläubiger, ZGR 1994, S. 148 f.
C. Die Verpfändung der Vermögensrechte
195
C. Die Verpfandung der Vermögensrechte I. Der Dividendenanspruch Ein Regelungsbedarf hinsichtlich der Verpfändung des Dividendenanspruchs besteht, da ipso iure eine solche nur unter den engen Voraussetzungen des § 1296 BGB stattfindet 527. So ist die Norm regelmäßig nicht anwendbar bei der Verbriefung der Mitgliedschaft oder des Dividendenanspruchs in einer Sammelurkunde. Ebenso wenig kommt § 1296 BGB zur Anwendung bei der Bestellung eines Pfandrechts über §§ 1274 ff. BGB, insbesondere also bei fehlender Verbriefung der Mitgliedschaft. Angesichts der Tatsache, dass die Dividende auch aus vor der Pfandrechtsbestellung gebildeten freiwilligen Rücklagen und somit aus der an sich dem Verwertungsrecht des Pfandnehmers unterliegenden Substanz gezahlt werden kann, ist eine solche Mitverpfändung auch sinnvoll. Dabei stehen für die Vertragsparteien zwei Möglichkeiten zur Verfügung: Die herkömmliche Verpfändung (1) sowie die Bestellung eines Nutzungspfands (2). /. Die Voraussetzungen der Verpfändung des Dividendenanspruchs Wie bei § 1296 BGB ist Gegenstand der Pfandrechtsbestellung nicht das abstrakte mitgliedschaftliche Gewinnstammrecht (§ 58 IV AktG), sondern der schuldrechtliche Anspruch des Aktionärs auf Ausschüttung der anteiligen Dividende. Dieses Ergebnis ergibt sich zwingend aus der Rechtsnatur der jeweiligen Ansprüche. Das Gewinnstammrecht ist untrennbar mit der Mitgliedschaft verbunden und daher gemäß §§ 1274 I 1, II, 413, 399 1. Alt. BGB einer eigenständigen Verpfändung nicht fähig. Es liegt ein Fall der Verpfändung eines künftigen Anspruchs vor, da die Gewinnauszahlungsforderung erst mit der Feststellung des Jahresabschlusses und der Beschlussfassung über die Verwendung des ausgewiesenen Jahresgewinns entsteht528.
527
Vgl. § 4 C. I. BGHZ 124, 27, 32; 139, 299, 302 f.; Ebenroth, Anmerkung, EWiR 1989, S. 268; Münchener Kommentar AktG, Bayer, § 58, Rn. 103. Nach OLG Hamm GmbHR 1989, S. 126 soll der Anspruch bereits mit Ablauf des Geschäftsjahres entstehen. Die spätere Feststellung des Jahresabschlusses und die Entscheidung über die Gewinnverwendung sollen lediglich die Fälligkeit des Auszahlungsanspruchs herbeiführen. 528
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§ 5 Der vertragliche Regelungsbedarf
a) Der verbriefte Dividendenanspruch Ist der Dividendenanspruch in Einzelurkunden verbrieft, bestehen zwei Möglichkeiten der Pfandrechtsbestellung: §§ 1293, 1204 ff. BGB 529 und §§ 1274 ff. BGB. Bei §§ 1274 ff. BGB ist als grundsätzliche Bestellungsvoraussetzung die Verpfändungsanzeige an die AG (§ 1280 BGB) zu beachten, da der Dividendenauszahlungsanspruch ein Forderungsrecht darstellt. Handelt es sich aber um einen girosammelverwahrten Dividendenschein, erfolgt häufig eine derartige Anzeige, insbesondere bei der Verpfändung kleinerer Mitgliedschaften über Art. 14 I AGB-Banken aufgrund ihrer Unpraktikabilität nicht. Indes ist dies unschädlich, weil bei derartigen Verpfändungen an einen höherstufigen Verwahrer wie die Depotbank eine Anzeige entbehrlich ist 530 . Denn der hinter der Vorschrift stehende Hauptzweck, im Interesse des Pfandgläubigers zu verhindern, dass der Schuldner mit befreiender Wirkung (§§ 1275, 407 BGB) an den Verpfänder statt nach Maßgabe der §§ 1281 f. BGB bzw. § 1294 BGB leistet 531 , wird auch ohne eine Anzeige erreicht. Nach Nr. 33 I lit. a AGBClearstream übernimmt die Wertpapiersammelbank das Inkasso fälliger Dividenden und schreibt diese ihren Kontoinhabern, also den Depotbanken gut. Die Depotbank als Pfandgläubigerin erlangt auf diesem Weg Verfügungsmacht über den Dividendenbetrag. Der daneben herausgestellte Zweck der Verpfändungsanzeige, das Ausscheiden der Forderung aus dem Vermögen des Verpfänders entsprechend dem sachenrechtlichen Publizitätsprinzip und vergleichbar dem Übergabeerfordernis für Dritte erkennbar zu machen532, ist ohnehin nicht erreichbar. Denn die in der Anzeige liegende Publizitätswirkung ist schon nach dem Wortlaut des § 1280 BGB auf die Person des Forderungsschuldners beschränkt. Dieser zunächst die Pfandgläubigerin gegenüber Clearstream berechtigende Verfahrensablauf bei der Girosammeiverwahrung entspricht auch dem in § 1294 BGB normierten Einziehungsrecht. Die Regelung gewährt dem Pfandnehmer abweichend von §§ 1281-1283 BGB bereits vor Eintritt der Pfandreife die Befugnis zur alleinigen Einziehung des in einem Inhaberpapier verbrieften Dividendenbetrags. Dabei soll diese Regelung auch zur Anwendung gelangen, wenn die wertpapierrechtlich verbriefte Forderung nach §§ 1274 ff. BGB verpfändet worden ist 533 , mithin also auch bei der Globalurkunde. Die sich aus der 529
Der Dividendenschein ist regelmäßig ein Inhaberpapier. Vgl. § 4 C. I. 1. Ebenso Einsele, Wertpapierrecht, S. 128 f. 531 Münchener Kommentar BGB, Damrau, § 1280, Rn. 1; Soergel, Habersack, BGB, § 1280, Rn. 1; Staudinger, Wiegand, BGB, § 1280, Rn. 1. 532 Münchener Kommentar BGB, Damrau, § 1280, Rn. 1; Soergel, Habersack, BGB, § 1280, Rn. 1; Staudinger, Wiegand, BGB, § 1280, Rn. 1. 533 Erman, Küchenhoff/Michalski, BGB, § 1294, Rn. 3; Münchener Kommentar BGB, Damrau, § 1294, Rn. 1; Soergel, Habersack, BGB, § 1294, Rn. 1. 530
C. Die Verpfändung der Vermögensrechte
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Einziehung der Forderung ergebende Rechtsfolge bestimmt sich nach § 1287 BGB. Das in der Vorschrift zum Ausdruck kommende Surrogationsprinzip ist nach allgemeiner Meinung auch dann anzuwenden, wenn sich durch Leistung des Schuldners der Pfandgegenstand in eine Forderung, hier gegenüber Clearstream umwandelt534. Kommt es dem Pfandnehmer zur Sicherung seiner Darlehensforderung maßgeblich auf die Dividendenzahlung an, bietet sich eine Vereinbarung an, diesen Betrag auf ein extra zu diesem Zweck geschaffenes Konto des Verpfänders bei der Gläubigerbank zu überweisen. Wollte der Verpfänder eine Verfügung über das Kontoguthaben vornehmen, ist er auf die Mitwirkung der Bank angewiesen, der hinsichtlich eines Auszahlungsverlangens ein Leistungsverweigerungsrecht aus § 273 I BGB wegen ihres Sicherungsanspruchs aus dem Sicherungsvertrag zusteht, sofern die Deckungsgrenze nicht erreicht ist (Art. 16 I, II AGB-Banken). Im Übrigen ergibt sich die Fortsetzung des Pfandrechts der Bank an diesem Forderungsbetrag auch aus Art. 14 I AGB-Banken, falls der Betrag auf ein Konto des Verpfänders bei der Gläubigerbank überwiesen wird. Im Fall des verbrieften Dividendenanspruchs soll noch zu der Frage Stellung genommen werden, welche Rechtsstellung dem Pfandgläubiger hinsichtlich des Talons zukommt. Der Dividendenschein (Bogen) besteht aus den einzeln abtrennbaren Abschnitten (sog. Coupons) sowie einem Erneuerungsschein (Talon), der den Inhaber zur Entgegennahme eines neuen Bogens mit Dividendenscheinen ermächtigt535. Von der Rechtsnatur her handelt es sich nicht um ein Wertpapier, sondern um ein Legitimationspapier, da der Anspruch auf Ausgabe neuer Dividendenscheine aus der Aktie selbst folgt 536 , wie sich mittelbar aus § 75 AktG ergibt, wonach neue Gewinnanteilsscheine nicht an den Inhaber des Erneuerungsscheins ausgegeben werden dürfen, wenn der Besitzer der Aktie widerspricht. Somit kann der Erneuerungsschein nicht selbständig verpfändet werden, weil er kein Recht verbrieft. Ist die Mitgliedschaft ebenso wie der Gewinnanspruch nach §§ 1292 f. BGB, also unter Übergabe der Aktienurkunde mitverpfändet, ist ein solcher Widerspruch nicht denkbar, da dieser durch den Besitzer der Aktienurkunde ausgeübt werden muss. In den Fällen der Verpfändung der Mitgliedschaft nach §§ 1274 ff. BGB sowie bei der isolierten Verpfändung des Dividendenanspruchs ist ein Widerspruch des die Aktienurkunde innehabenden Aktionärs zwar denkbar, aber unrechtmäßig, weil nach § 1294 BGB dem Pfandgläubiger das alleinige Einziehungsrecht hinsichtlich der Dividende zusteht. 534 BGH NJW 1997, S. 2110, 2111; Palandt, Bassenge, BGB, § 1287, Rn. 2; Staudinger, Wiegand,, BGB, § 1287, Rn. 20. 535 Geßler/Hefermehl, Hefermehl/Bungeroth, AktG, § 58, Rn. 163; Großkommentar AktG, Herne, § 58, Rn. 114; Kölner Kommentar AktG, Lutter, § 58, Rn. 133. 536 Geßler/Hefermehl, Hefermehl/Bungeroth,, AktG, § 58, Rn. 164 f.; Großkommentar AktG, Henze, § 58, Rn. 114.
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§ 5 Der vertragliche Regelungsbedarf
b) Der unverbriefte Dividendenanspruch Ist der Dividendenanspruch nicht verbrieft, besteht nur die Möglichkeit der Verpfändung nach §§ 1274 ff. BGB. In diesem Fall ist eine Verpfändungsanzeige nach § 1280 BGB zur Pfandrechtsbegründung unentbehrlich537. Zudem ist sicherzustellen, dass eine gemeinschaftliche Leistung an Verpfänder und Pfandgläubiger erfolgen kann (§1281 BGB). Ein alleiniges Einziehungsrecht des Pfandnehmers nach § 1294 BGB scheidet aus, weil die Norm ihrem eindeutigen Wortlaut nach eine Verbriefung voraussetzt. In einem solchen Fall kann für die Gesellschaft ein Interesse am Ausschluss der Verpfändbarkeit des Gewinnanspruchs bestehen, da sie wegen des Zwangs zur gemeinschaftlichen Leistung nach § 1281 BGB mit der Prüfung über das Vorliegen der Pfandreife belastet wird 538 . Ein Ausschluss ist nach §§ 1274 II, 413, 399 2. Alt. BGB möglich. Erfolgt er in der Satzung, liegt angesichts der schuldrechtlichen Rechtsnatur des Anspruchs ein unechter bzw. formeller Satzungsbestandteil vor 539 . 2. Das Nutzungspfand a) Die Bestellung des Nutzungspfands Bei der Bestellung eines Nutzungspfands (§§ 1213, 1214 BGB) wird dem Pfandgläubiger entgegen der grundlegenden Ausgestaltung dieses dinglichen Rechts als Verwertungsrecht die Befugnis eingeräumt, ohne Rücksicht auf die Pfandreife die aus der Mitgliedschaft fließenden Dividendenbeträge einzuziehen, welche nach § 1214 II BGB auf Kosten, Zins und Tilgung des Darlehens angerechnet werden. Insoweit gleicht seine Rechtsposition einem Nießbraucher. Gegenstand der Pfandrechtsbestellung ist demnach die Mitgliedschaft in der AG, nicht der Dividendenanspruch selbst. Denn nach § 1213 BGB ist Kennzeichen des Nutzungspfands eine Frucht tragende Sache, die Dividende ist indes die Frucht selbst. Aus diesem Gegenstand der Pfandrechtsbegründung folgt auch, dass § 1280 BGB keine Wirksamkeitsvoraussetzung ist. Soweit die Übertragbarkeit des Gewinnanspruchs ausgeschlossen wurde, ist freilich nach §§ 1274 II, 413, 399 2. Alt. BGB die Bestellung eines Nutzungspfandrechts ebenfalls nicht möglich.
537 Bei fehlender Verbriefung ist eine Verpfändung an einen höherstufigen Wertpapierverwahrer, bei der eine Ausnahme von § 1280 BGB bejaht wurde, nicht denkbar. 538 Müller, Verpfändung von GmbH-Anteilen, GmbHR 1969, S. 59. 539 Darunter versteht man Vereinbarungen, die nur bei Gelegenheit des Abschlusses des Gesellschaftsvertrags aufgenommen werden, ohne dass ihnen Satzungsqualität zukommt. Vgl. ausführlich Hachenburg, Ulmer, GmbHG, § 2, Rn. 8 f.; Scholz, Emmerich, GmbHG, § 3, Rn. 61 ff.
C. Die Verpfändung der Vermögensrechte
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Die Vermutungsregelung des § 1213 II BGB ist nicht anwendbar. Für die unverbriefte und die in Namensaktien verbriefte Mitgliedschaft ergibt sich dies aus § 1273 II 2 BGB. Jedoch greift die Vermutungswirkung auch bei der Übergabe der Inhaberaktie an den Pfandgläubiger zu Alleinbesitz nicht über § 1293 BGB ein. Grund ist, dass der Dividendenanspruch regelmäßig in einem eigenständigen Wertpapier verbrieft und damit verselbständigt ist. Des Weiteren ist § 1296 BGB für die Frage der Erstreckung des Pfandrechts auf den Gewinnanspruch lex specialis. Um den verbrieften Dividendenanspruch geltend machen zu können, muss der Pfandgläubiger Besitz an dem Gewinnanteilsschein haben. Im Hinblick auf die Rechtsähnlichkeit zum Nießbrauch ist von einem Anspruch auf Besitzeinräumung entsprechend § 1081 12 BGB auszugehen. Obgleich dem Pfandgläubiger ein Nutzungsziehungsrecht zusteht, hat er keinen Anspruch auf Eigentumsübertragung. Denn zum Zeitpunkt der Bestellung ist noch vollkommen unklar, ob es nach dem Gewinnverwendungsbeschluss überhaupt zu einer Gewinnausschüttung kommen soll. Zudem kann ein Coupon auch anderweitig wie zur Ausübung von Bezugsrechten verwandt werden. Auf der anderen Seite begründet der Beschluss über die Gewinnverwendung einen Anspruch auf Zahlung der Dividende in der Person des Pfandgläubigers. Nach wertpapierrechtlichen Grundsätzen soll aber ein Zusammenhang von Forderung und Urkunde bestehen. Die Lösung ergibt sich aus einer Anwendung des § 952 BGB. Mit dem Gewinnverwendungsbeschluss erlangt der Pfandgläubiger danach ipso iure Eigentum an dem diesen Dividendenanspruch verbriefenden Coupon. Insbesondere im Hinblick auf § 1276 BGB ist die Eigenschaft als Pfandgläubiger eine im Aktienregister eintragungsfähige Tatsache. Die Eintragung der Rechtsstellung als Nutzungspfandgläubiger ist vor dem Hintergrund der Vermutungswirkung des § 67 II AktG nur sinnvoll, wenn keine Gewinnanteilsscheine ausgegeben wurden 540. Denn hinsichtlich des Dividendenanspruchs liegt die Bedeutung der Eintragung zum einen in der Liberationswirkung zugunsten der AG bei Leistung der Dividende an den Pfandnehmer, zum anderen in seiner Berechtigung beim Leistungsverlangen. Diese Gesichtspunkte werden bei der Ausgabe von Dividendenscheinen wegen derselben daran geknüpften wertpapierrechtlichen Wirkungen nach § 793 I 2, 1 BGB bedeutungslos. Insofern hat bei einem Widerspruch von Eintragungsinhalt und Papierinhaberschaft des Pfandgläubigers die wertpapierrechtliche Legitimation angesichts der Verselbständigung des Gewinnanspruchs eine stärkere Vermutungswirkung 541.
540
Kölner Kommentar AktG, Lutter, § 67, Rn. 11. Hüffer, AktG, § 67, Rn. 10; Kölner Kommentar AktG, Lutter, § 67, Rn. 33; Münchener Kommentar AktG, Bayer, § 67, Rn. 45. 541
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§ 5 Der vertragliche Regelungsbedarf
b) Der Umfang des Nutzungspfands Vom Umfang her umfasst das Nutzungspfand regelmäßig nur den Dividendenanspruch. Nur er fällt unter den Begriff der Nutzung i.S.d. §§ 1213 I, 100 BGB in Form der Rechtsfrucht nach § 99 II BGB. Nach dem Wortlaut dieser Vorschrift kommt es entscheidend auf das Vorliegen eines Ertrags in Abgrenzung zu Zahlungen aus der Substanz wie etwa beim Auseinandersetzungsguthaben, Rückzahlungsbeträgen aus einer Kapitalherabsetzung und Einziehungsentgelten an. Fraglich ist jedoch, ob dem Nutzungspfand darüber hinaus auch der Anspruch auf angemessenen Ausgleich nach § 304 AktG unterfällt. Dies erscheint aus mehreren Gründen problematisch. Ist die Zahlung eines festen Ausgleichs nach § 304 II 1 AktG im Unternehmensvertrag festgelegt, ist Grundlage für die Höhe dieses Ausgleichs eine Schätzung der künftigen Erträge der abhängigen Gesellschaft. Da später tatsächlich eintretende, aber der Prognose widersprechende Entwicklungen grundsätzlich zu keiner Modifikation des Anspruchs führen 542, kann es zu einer Ausgleichszahlung aus der Substanz kommen. Zudem ist nach § 304 I 2 AktG ein Ausgleich auch bei einem isolierten Beherrschungsvertrag zu zahlen, so dass in diesem Fall die Funktion der Ausgleichszahlung in einer Kompensation für den Übergang der Leitungsmacht auf das herrschende Unternehmen und für die Ausrichtung am Konzerninteresse erscheint. Gleichwohl sprechen die besseren Gründe dafür, auch die Ausgleichszahlung nach § 304 AktG als Ertrag i.S.d. § 99 II BGB anzusehen. Denn von ihrer grundlegenden Zielrichtung her dient die Norm der Kompensation für das Leerlaufen des mitgliedschaftlichen Gewinnrechts und den sich daraus ergebenden selbständigen Dividendenansprüchen543. Diese primäre Funktion der Vorschrift, den Aktionär hinsichtlich des Gewinnanspruchs so zu stellen, als ob die Gesellschaft noch unabhängig wäre, kommt in dem Wortlaut der Norm mehrfach zum Ausdruck, indem in § 30412, II AktG bei der konkreten Bemessung des Ausgleichsbetrags mehrfach auf den „Gewinnanteil" abgestellt wird. Der Sache nach lässt sich eine Verkürzung des Dividendenanspruchs nicht nur auf direktem Weg über einen Gewinnabführungsvertrag, sondern auch über eine Ausrichtung am Konzerninteresse erreichen. Gerade dies zeigt § 304 I 2 AktG. Ein Abstellen darauf, ob es tatsächlich zu den prognostizierten Erträgen kommt oder eine Zahlung des Ausgleichs aus der Substanz des Konzerns erfolgen muss, erscheint angesichts der mit diesem Ansatz verbundenen Rechtsunsi542
Emmerich/Sonnenschein/Habersack, Konzernrecht, § 21 VI 1. Emmerich/Sonnenschein/Habersack, Konzernrecht, § 21 12; Hüffer, AktG, § 304, Rn. 1; Meilicke, Ausgleichsanspruch, AG 1999, S. 106. Deutlich auch der BGH NJW 2002, S. 3467, 3469: Danach repräsentiere die Barabfindung den Stamm des Vermögens. Dagegen: „Die Entgegennahme der Ausgleichszahlung ist Fruchtziehung, ähnlich wie die Entgegennahme von Zinsen auf eine Forderung." 543
C. Die Verpfändung der Vermögensrechte
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cherheit sowie der vielfachen Wahlrechte beim Bilanzansatz und der Bewertung untauglich. c) Die Rechtsstellung des Nutzungspfandgläubigers bei verdeckten und bei unwirksamen Gewinnausschüttungen Schließlich ist die Rechtsstellung des Nutzungspfandgläubigers hinsichtlich verdeckter Gewinnausschüttungen zu erörtern. Man versteht darunter ein Rechtsgeschäft zwischen der Gesellschaft und dem Aktionär, mit dem diesem außerhalb der gesellschaftsrechtlichen Gewinnverteilung ein Vermögensvorteil zugewandt wird, der einem gesellschaftsfremden Dritten nicht gewährt worden wäre 544. Da jeglicher Ertrag der Mitgliedschaft dem Nutzungspfandgläubiger nach § 1213 I BGB zukommen soll, ist an einen Anspruch des Pfandgläubigers auf Herausgabe des Vermögensvorteils aus §§ 280 I, 823 I BGB zu denken, falls eine verdeckte Gewinnausschüttung zugunsten des Verpfänders vorgenommen wurde. Jedoch ist zu beachten, dass die AG entgegen dem missverständlichen Wortlaut des § 57 I AktG nach allgemeiner Meinung dem Gesellschafter keinerlei auf seiner Gesellschafterstellung beruhende Leistung erbringen darf, auf die ihm das AktG keinen Anspruch gewährt545. Hat somit der Aktionär den Vorteil an die Gesellschaft zurückzugewähren 546, kann hierauf auch der Pfandnehmer keinen Anspruch haben. Den Regeln über die Kapitalerhaltung unterliegt nach dem Wortlaut der §§ 57, 62 AktG nur der Aktionär. In einem Missverhältnis zum Marktpreis erbrachte Leistungen an den Pfandgläubiger begründen damit grundsätzlich keine Rückgewährpflicht. Etwas anderes gilt nur beim atypischen Pfandgläubiger, dem im wirtschaftlichen Ergebnis eine aktionärsgleiche Stellung zu544 Geßler, Festschrift Fischer, S. 135; Großkommentar AktG, Herne, § 57, Rn. 35 ff.; Kölner Kommentar AktG, Lutter, § 57, Rn. 15 ff.; Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 29 II 2 a. 545 BGH NJW 1992, S. 2821; Geßler/Hefermehl, Hefermehl/Bungeroth, AktG, § 57, Rn. 4 f.; Hüffer, AktG, § 57, Rn. 3; Kölner Kommentar AktG, Lutter, § 57, Rn. 5, 8; Schwark, Festschrift Raisch, S. 275 f. § 57 AktG ist somit wesentlich strenger als § 30 I GmbHG, der nur die Ausschüttung des zur Erhaltung des Stammkapitals erforderlichen Vermögens verbietet. 546 Umstritten ist, auf welcher Grundlage die Rückgewähr zu erfolgen hat. Hält man § 57 AktG für ein gesetzliches Verbot i.S.d. § 134 BGB, kommt § 812 BGB wegen Unwirksamkeit des Kausalgeschäfts in Betracht und daneben § 985 BGB, falls man auch das dingliche Rechtsgeschäft für unwirksam hält. Andere stützen den Anspruch auf § 62 AktG, weil sie entweder die allgemeinen bürgerlichrechtlichen Regeln über § 62 AktG als konkurrenzmäßig verdrängt oder § 57 AktG nicht als Verbotsgesetz ansehen. Vgl. ausführlich Flume, Verdeckte Gewinnausschüttung, ZHR 1980, S. 23 ff.; Joost, Kapitalerhaltungsregeln, ZHR 1985, S. 421 ff; Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 29 II 2 b; Wilhelm, Festschrift Flume II, S. 383 ff.
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§ 5 Der vertragliche Regelungsbedarf
kommt547. Eine Rückgewährpflicht des typischen Pfandgläubigers ist somit nur denkbar bei einer offenen Gewinnausschüttung, die nicht im Einklang mit den gesetzlichen Vorschriften des Dividendenrechts steht, weil sie aufgrund eines nichtigen oder im Anfechtungsverfahren für nichtig erklärten Gewinnverwendungsbeschlusses erfolgte. Grundlage der Rückforderung einer solchen an einen Dritten erfolgten Gewinnausschüttung ist wegen seines Wortlauts, der bereits in der Überschrift die Aktionärseigenschaft voraussetzt, nicht § 62 AktG, sondern die §§ 812 ff. BGB 548 . Eine grundsätzliche Anwendbarkeit der Haftungsprivilegierung des § 62 I 2 AktG, die eine Rückgewährpflicht nur bei Kenntnis oder fahrlässiger Unkenntnis des Rechtsmangels normiert, auf den Dritten wird überwiegend gleichwohl befürwortet, wobei die Diskussion auf den Fall der Abtretung des Dividendenanspruchs abstellt549. Auch der gutgläubige Nutzungspfandgläubiger verdient aber genauso wie der gutgläubige Zessionar die Privilegierung des § 62 I 2 AktG. Denn der Begünstigungsgrund greift gleichermaßen für diesen ein. Die Vorschrift beruht auf dem Gedanken, dass die Aktionäre im Regelfall keinen Einblick in die inneren Vorgänge der AG haben, folglich auch Mängel im Zusammenhang mit der Beschlussfassung über die Gewinnverwendung (§ 174 AktG) oder der Aufstellung des Jahresabschlusses (§§ 172, 173 AktG) nicht erkennen können550. Dass hingegen die Haftung aus § 62 I 1 AktG auf den Nutzungspfandgläubiger keine Anwendung findet, steht dem nicht entgegen. Die Regelung begründet eine im Vergleich zum Bereicherungsrecht strengere Haftung, da keine vergleichbaren Vorschriften zu den §§ 818 III, 814, 815, 817, 2 BGB existieren. Insoweit ist es nicht widersprüchlich, zugunsten des Bereicherungsschuldners nur die Privilegierungsnorm des § 62 12 AktG anzuwenden. Denn es handelt sich nur um eine weitere Einschränkung der bereicherungsrechtlichen Haftung neben den allgemeinen Regeln der §§ 818 III, 814, 815, 817, 2 BGB. Für den Fall der Abtretung des Dividendenanspruchs wird eine Anwendung auch bei Bösgläubigkeit des Zessionars befürwortet, wenn nur der Aktionär gutgläubig ist 551 . Dahinter steht die Überlegung, den redlichen Aktionär vor einem Regress des von der Gesellschaft in Anspruch genommenen Zessionars auf der Grundlage der §§ 453 I, 434 I 1, 437 Nr. 3, 311a II 1 bzw. 283, 1, 280 I BGB zu schützen. Dieser Ge-
547
Vgl. § 5 D. Canaris, Festschrift Fischer, S. 54; Kölner Kommentar AktG, Lutter, § 62, Rn. 10. 549 Vgl. ausführlich Großkommentar AktG, Herne, § 62, Rn. 83 ff.; Münchener Kommentar AktG, Bayer, § 62, Rn. 72 ff. Generell ablehnend Kölner Kommentar AktG, Lutter, § 62, Rn. 31, da § 62 I 2 AktG eine Ausnahme zum nicht anwendbaren Grundsatz des § 62 11 AktG sei. 550 Großkommentar AktG, Herne, § 62, Rn. 64; Münchener Kommentar AktG, Bayer, § 62, Rn. 58. 551 Großkommentar AktG, Herne, § 62, Rn. 73; Münchener Kommentar AktG, Bayer, § 62, Rn. 84 ff. 548
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danke greift beim Nutzungspfandgläubiger nicht ein, weshalb auch die Privilegierung des § 62 I 2 AktG in diesem Fall nicht zur Anwendung gelangt. Den Verpfänder trifft keine Haftung für rückforderbare Gewinnausschüttungen, weil nach Auslegung der Verpfändungsvereinbarung dem Pfandnehmer regelmäßig nur solche Erträge zustehen sollen, die in rechtswirksamer Weise gezogen werden können. II. Das Recht zum Bezug neuer Aktien Regelungsbedarf besteht aus mehreren Gründen552 auch hinsichtlich einer Verpfändung des Bezugsrechtsanspruchs. Bei nicht börsennotierten Gesellschaften ist der Umfang der Erstreckung des Pfandrechts angesichts des Fehlens eines unmittelbar erkennbaren Marktpreises des Bezugsrechts unklar. Des Weiteren führt eine effektive Kapitalerhöhung generell zu einer Verringerung der Beteiligungsquote, die mit einem Verlust der Mehrheitsherrschaft oder dem Verlust von Minderheitenrechten verbunden sein kann. § 1219 BGB kann als Ausnahmevorschrift angesichts ihrer engen tatbestandlichen Voraussetzungen nicht in allen Fällen Schutz bieten. Vor allem in diesen Konstellationen erscheint daher eine vertragliche Vereinbarung, die eine Erstreckung des Pfandrechts auf den Bezugsrechtsanspruch vorsieht, empfehlenswert. Gegenstand der Pfandrechtsbestellung kann auch hier wegen des Abspaltungsverbots nicht das mitgliedschaftlich verhaftete Bezugsstammrecht sein, sondern nur ein künftiger, aus einem konkreten Kapitalerhöhungsbeschluss erwachsender Bezugsrechtsanspruch. Diese Verpfändung ist zu verbinden mit einer Pflicht des Verpfänders zur Bezugsrechtsausübung, wenn der Verlust einer Pfandverhaftung der Mehrheitsherrschaft oder einer Minderheitenrechte begründenden Beteiligungsquote zu befürchten ist. Um das Pfandrecht an den neuen Mitgliedschaftsrechten entstehen zu lassen, genügt die Verpfändung der künftigen, konkreten Bezugsrechtsansprüche. Angesichts des gesetzlich vorgesehenen Verfahrensablaufs bis zum Erwerb der neuen Mitgliedschaftsrechte ist deren Pfandverhaftung erörterungsbedürftig. Dabei sind vier Verfahrensschritte zu unterscheiden. Der lediglich zu verpfändende konkrete Bezugsrechtsanspruch beinhaltet das Recht, von der AG den Abschluss und die Durchführung eines Zeichnungsvertrags zu verlangen553. In einem zweiten Schritt entsteht mit der Ausübung des Bezugsrechts dieser An-
552
Vgl. ausführlich § 4 C. II. Geßler/Hefermehl, Hefermehl/Bungeroth, AktG, § 186, Rn. 10; Großkommentar AktG, Wiedemann , § 186, Rn. 54; Hüffer, AktG, § 186, Rn. 4; Kölner Kommentar AktG, Lutter, § 186, Rn. 15. 553
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spruch. Drittens kommt der Zeichnungsvertrag (§ 185 AktG) mit der Zeichnung der neuen Aktien durch den Aktionär und der Annahme durch die AG zustande. Er begründet für den Zeichner das Recht, dass die Verwaltung bei der Durchführung der Kapitalerhöhung korrekt verfährt, ihn also nicht bei der Zuteilung der neuen Aktien ungleich behandelt oder in anderer Weise unsachlich benachteiligt 554 . In einem letzten Schritt entstehen die neuen Mitgliedschaftsrechte ipso iure mit der Eintragung der Durchführung der Kapitalerhöhung im Handelsregister (§ 189 AktG) 555 . Das nur an dem ersten Anspruch begründete Pfandrecht setzt sich dabei in analoger Anwendung des § 1287 BGB an den weiteren Ansprüchen und schließlich an der neuen Mitgliedschaft fort. ΠΙ. Der Regelungsbedarf hinsichtlich der §§ 304,305,320b AktG Eine vertragliche Regelung kommt alternativ zu einem Vorgehen über § 1219 BGB 556 insbesondere bei der Verpfändung eines künftigen Abfindungsanspruchs aus einem Unternehmens vertrag nach § 305 AktG in Betracht. Denn macht der Verpfänder von diesem Abfindungsangebot Gebrauch, entsteht mangels Untergangs der Mitgliedschaft kein Pfandrecht an dem Abfindungsbetrag oder den als Abfindung erhaltenen Aktien über das Surrogationsprinzip des § 1287 BGB. Vielmehr erwirbt gemäß § 305 I AktG das herrschende Unternehmen die mit dem Pfandrecht belastete Mitgliedschaft, welche angesichts der Einflussmöglichkeiten des herrschenden Unternehmens auf die Gesellschaft entwertet werden kann. Ein Regelungsbedarf könnte indes zu verneinen sein, wenn § 1276 II BGB einen effektiven Schutz für den Pfandgläubiger begründen würde. Auf der Grundlage dieser Regelung besteht kein Zustimmungsrecht des Pfandnehmers zum Zustimmungsbeschluss der Hauptversammlung. Das Tatbestandsmerkmal der Beeinträchtigung ist zu verneinen. Dies hat seinen Grund jedoch nicht in der Kompensationsregelung des § 304 AktG zugunsten des außenstehenden Aktionärs. Denn der Ausgleichsanspruch entsteht von vornherein als schuldrechtlicher Anspruch außerhalb der Mitgliedschaft, bei ihm kann also gerade nicht zwischen einem mitgliedschaftlich verhafteten Stammrecht und dem
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Großkommentar AktG, Wiedemann , § 185, Rn. 35. Der Zeichner erhält keinen Erfüllungsanspruch gegenüber der AG auf Einräumung der neu geschaffenen Aktien, da es der Hauptversammlung nach dem Grundsatz der Verbandsautonomie freisteht, den Kapitalerhöhungsbeschluss nachträglich zu ändern oder die Verwaltung anzuweisen, ihn vorläufig oder endgültig nicht auszuführen. 555 BGH WM 1977, S. 845, 846; Döllerer, Rechtsprechung des BFH, ZGR 1983, S. 418; Geßler/Hefermehl, Hefermehl/Bungeroth, AktG, § 189, Rn. 9; Kölner Kommentar AktG, Lutter, § 189, Rn. 4. 556 Vgl. § 4 D. I.
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daraus erwachsenden schuldrechtlichen Anspruch unterschieden werden. Der Anspruch entsteht mit Wirksamwerden des Unternehmensvertrags durch Eintragung im Handelsregister (§ 294 II AktG) und wird jährlich fällig, wobei zum Teil auf den Zeitpunkt der Feststellung des Jahresabschlusses557, zum Teil auf den des Endes des jeweiligen Geschäftsjahres der abhängigen Gesellschaft abgestellt wird 558 . Insoweit besteht ein grundlegender Unterschied zum Dividendenanspruch, der erst mit dem Hauptversammlungsbeschluss entsteht. Der Grund für das Fehlen des Tatbestandsmerkmals der Beeinträchtigung liegt vielmehr in der Kompensationsregelung des § 305 AktG. Das Abfindungsrecht aus dem Unternehmensvertrag hat den Charakter eines Optionsrechts, da es ein Abfindungsangebot darstellt, welches durch Ausübung der Option, also durch Annahmeerklärung zu einer schuldrechtlichen Abfindungspflicht der Gesellschaft erwächst559. Eine für die Anwendbarkeit des § 1276 BGB bedeutsame mitgliedschaftliche Verhaftung der Option ist insofern gegeben, als ihre Ausübung an die Aktionärseigenschaft geknüpft ist, das Optionsrecht damit anders als der Abfindungsanspruch nicht isoliert übertragbar ist. Inwieweit ein Optionsrecht des Angebotsempfängers im Grundsatz übertragbar ist, ist im Einzelnen umstritten und vom Sinn des Angebots und den Umständen des Einzelfalls abhängig560. Die Unübertragbarkeit in diesem konkreten Fall gründet sich auf den Umstand, dass das Abfindungsangebot im Gegenzug auf eine Übertragung der Mitgliedschaft abzielt, die nur vom Aktionär geleistet werden kann. Nach § 1276 II BGB zustimmungspflichtig ist erst die Ausübung der Option, weil sie das Abfindungsrecht aus dem mitgliedschaftlichen Verbund löst. Der Annahmeerklärung kommt damit nicht nur ein schuldrechtlicher Charakter zu, sondern bezogen auf die Mitgliedschaft auch ein dinglicher. Angesichts der Unsicherheit der Geltungsreichweite des § 1276 BGB im Gesellschaftsrecht entspricht es gleichwohl einer dem Gebot des sichersten Wegs Rechnung tragenden Vertragsgestaltung, den Anspruch aus § 305 AktG zu verpfänden. Zudem erscheint eine Verpfändung der Ausgleichsansprüche nach § 304 AktG empfehlenswert. War vor dem Abschluss eines Unternehmensvertrags eine Gewinnthesaurierung aus der Sicht des Pfandgläubigers angesichts der erhöhten, in der Mitgliedschaft repräsentierten Substanz vorteilhaft, hat der Anspruch aus § 304 AktG gegenüber dem Dividendenanspruch angesichts der Ausrichtung am Konzerninteresse und der Möglichkeit der Gewinnabschöp557
Hüffer, AktG, § 304, Rn. 13; Kölner Kommentar AktG, Koppensteiner, § 304, Rn. 5 ff.; Münchener Handbuch GesR IV, Krieger, § 70, Rn. 68. 558 Emmerich/Habersack, Konzernrecht, Emmerich, § 304, Rn. 42. 559 BGHZ 135, 374, 380; Emmerich/Habersack, Konzernrecht, Emmerich, § 305, Rn. 5; Eschenbruch, Konzernhaftung, Rn. 3122; Kölner Kommentar AktG, Koppensteiner, § 305, Rn. 4. 560 Larenz/Wolf, BGB AT, § 29, Rn. 43; Münchener Kommentar BGB (4. Aufl.), Kramer, § 145, Rn. 21.
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§ 5 Der vertragliche Regelungsbedarf
fung eine ungleich größere Bedeutung. Denn auch dieser Anspruch dient der Kompensation für die Entwertung der Mitgliedschaft 561. Die Rechte des Pfandgläubigers am Anteil eines außenstehenden Aktionärs bei der Eingliederung können effektiv über § 1219 BGB gewahrt werden, wie in § 4 D. II. gezeigt wurde. § 1276 BGB bietet hingegen aufgrund der Mehrheitsverhältnisse in der einzugliedernden Gesellschaft 562 keinen Schutz. Alternativ zur Androhung einer Verwertung der Mitgliedschaft können die Parteien auch bereits bei der Pfandrechtsbestellung die Erstreckung des Pfandrechts auf einen künftigen, möglicherweise entstehenden Abfindungsanspruch aus § 320b AktG vereinbaren. IV. Der Regelungsbedarf hinsichtlich der §§ 29,207 UmwG Eine besondere Gefahrenlage für den Pfandgläubiger am Gesellschaftsanteil kann sich bei einer Verschmelzung auf einen übernehmenden Rechtsträger anderer Rechtsform sowie bei einem Formwechsel ergeben, wenn der Aktionär von dem Abfindungsrecht aus §§ 29,207 UmwG Gebrauch macht. Eine Pflicht zur Abfindung entsteht dabei im Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Verschmelzung (§ 20 I Nr. 1 UmwG) bzw. des Formwechsels (§ 202 I Nr. 1 UmwG) mit Eintragung im Handelsregister und richtet sich gegen den übernehmenden Rechtsträger. Der Sache nach liegt ein Erwerb eigener Anteile durch die Gesellschaft vor. Handelt es sich bei dem übernehmenden Rechtsträger um eine AG, ist ein solcher Erwerb grundsätzlich nach § 71 I 1 Nr. 3, II 1 AktG auf 10% des Grundkapitals beschränkt. Indes ist auch ein darüber hinausgehender Erwerb nach § 71 IV 1 AktG wirksam. Im Fall der Abfindung nach §§ 29,207 UmwG gilt dies entgegen § 71 IV 2 AktG auch für das schuldrechtliche Rechtsgeschäft. Dies ergibt sich aus §§ 29 I 1 2. Hs., 207 I 1 2. Hs. UmwG. Für den Pfandgläubiger liegt der Nachteil eines solchen Erwerbs eigener Anteile in der Regelung des § 71b AktG, wonach sämtliche Mitgliedschaftsrechte ruhen. Entsprechend der Ausführungen zu § 305 AktG ist damit zum Schutze des Pfandgläubigers von einer Zustimmungspflichtigkeit der Annahme des Abfindungsangebots (§§31, 209 UmwG) nach § 1276 II BGB auszugehen. Denn mit der Annahme entsteht ein von der Mitgliedschaft gelöster, abtretbarer Anspruch563. 561
BGHZ 138, 136, 139; Emmerich/Sonnenschein/Habersack, Konzernrecht, §21 I 1; Röhricht, Aktionärsrechte, ZHR 1998, S. 256 ff. 562 Gemäß § 320 I 1 AktG muss die Hauptgesellschaft mindestens einen 95%-Anteil besitzen. 563 Kallmeyer, Marsch-Barner, UmwG, § 29, Rn. 21.
C. Die Verpfändung der Vermögensrechte
207
Hinsichtlich der jenseits der 10%-Grenze zulässigerweise erworbenen Anteile besteht eine Veräußerungspflicht nach § 71c II AktG innerhalb von drei Jahren nach dem Erwerb. Für das Pfandrecht am Anteil von Bedeutung ist dabei die Frage, ob dieses beim Veräußerungsvorgang analog zur Rechtslage bei der Kaduzierung erlischt 564. Denn dort wurde der Untergang des dinglichen Rechts mit dem Grundsatz der realen Kapitalaufbringung begründet. Wie § 57 I 2 AktG zeigt, sind in den Zusammenhang der Kapitalerhaltung auch die Regeln über den Erwerb eigener Aktien einzuordnen, da wirtschaftlich gesehen die Einlage an den Aktionär zurückgeführt wird. Gleichwohl ist von einem Fortbestehen des Pfandrechts auszugehen. Denn zum einen ist durch § 71 II 2 AktG sichergestellt, dass der Erwerb eigener Anteile nie zu Lasten des Grundkapitals gehen kann. Die nach dieser Vorschrift notwendige Rücklagenbildung (§ 272 IV HGB) darf nur aus dem Gewinn und freien, also ausschüttungsfähigen Rücklagen erfolgen. Bei der Kaduzierung geht es hingegen um die Nichterbringung der Einlage i.S.d. § 54 I AktG, also der im Handelsregister auszuweisenden (§ 3911 AktG) Mindesthaftungsgrundlage i.S.d. § 23 ΙΠ Nr. 3 AktG. Maßgeblich ist demnach, dass das von den §§ 71 ff. AktG betroffene Prinzip der Kapitalerhaltung weiter reicht und daher nicht dieselbe Strenge fordert wie der Kapitalaufbringungsgrundsatz, da er jede Leistung der AG an den Aktionär verbietet, welche wegen der Mitgliedschaft erbracht wird, falls sie nicht aus dem Bilanzgewinn erfolgt, und zwar selbst dann, wenn das Grundkapital nicht angegriffen wird 565 . Des Weiteren wird selbst gegen diesen weiteren Grundsatz der Kapitalerhaltung nicht verstoßen, weil wegen §§ 29 I 1 2. Hs., 207 I 1 2. Hs. UmwG von einer zulässigen Einlagenrückgewähr i.S.d. § 57 I 2 AktG auszugehen ist 566 . Ebenso bleibt das Pfandrecht bestehen bei einer Veräußerung eigener Anteile der AG, wenn die 10%-Grenze nicht überschritten wurde. Als nachteilig für den Pfandgläubiger kann sich aber § 71c III AktG erweisen, der eine Einziehungspflicht für jenseits der 10%-Grenze erworbene Anteile normiert. Folge ist ein surrogatloser Untergang der Mitgliedschaft. Insoweit stellt sich lediglich die Frage, ob die Einziehung durch die AG ohne Zustimmung des Pfandgläubigers nach § 1276 I BGB erfolgen darf. Dies ist zu bejahen. Maßgeblich ist die Erwägung, dass § 71c III AktG eine gesetzliche Pflicht normiert, der die AG schon im Hinblick auf den Ordnungswidrigkeitentatbestand des § 405 I Nr. 4c AktG nachkommen können muss. Zudem soll der Erwerb eigener Aktien nach der gesetzlichen Regelung nur unter sehr engen Voraussetzungen und insbesondere nur in sehr eingeschränktem Umfang zulässig sein. Die dahinter vor allem stehende Erwägung des Gläubigerschutzes567 564 565 566 567
Vgl. § 4 Β. I. Hüffer, AktG, § 57, Rn. 2; Kölner Kommentar AktG, Lutter, § 57, Rn. 5. Grunewald, Festschrift Boujong, S. 192. Münchener Kommentar AktG, Oechsler, § 71, Rn. 19.
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§ 5 Der vertragliche Regelungsbedarf
verdient somit nach dem erkennbaren Willen des Gesetzgebers Vorrang vor den Interessen eines Pfandgläubigers. Im Ergebnis empfiehlt sich damit eine Verpfändung der Ansprüche aus §§ 29,207 UmwG.
D. Die Anwendbarkeit der Kapitalersatzregeln auf den Pfandgläubiger Wurde bisher das Augenmerk vor allem darauf gelegt, die aus der gesetzlichen Regelung sich ergebenden Nachteile für das Recht des Pfandgläubigers durch eine entsprechende Vertragsgestaltung abzugleichen, sollen hier die Grenzen der Gestaltungsmöglichkeiten unter dem Gesichtspunkt einer Verhinderung der Umqualifizierung des von ihm gewährten Darlehens an die Gesellschaft in ein eigenkapitalersetzendes aufgezeigt werden. Denn nach der Rechtsprechung des BGH kann auch der Pfandgläubiger Dritter i.S.d. § 32a III 1 GmbHG sein, so dass die kapitalerhaltungsrechtlichen Regeln der §§ 30 ff. GmbHG auf ihn entsprechende Anwendung finden können568. Eine solche Umqualifizierung ist für den Kreditgeber mit erheblichen Nachteilen verbunden. Der durch das Pfandrecht besicherte Darlehensgeber verliert diese Sicherheit, da Eigenkapital Risikokapital darstellt und damit nicht sicherungsfähig ist. Zudem wird sein Darlehensrückzahlungsanspruch im Fall der Insolvenz erst nach der vollständigen Befriedigung aller anderen Fremdkapitalgeber getilgt. Eine Tilgung vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens verpflichtet ihn zur Rückgewähr der Valuta an die Masse. Zur Beantwortung der Frage, wie die Rechtsstellung eines atypischen Pfandgläubigers am Anteil an einer AG beschaffen sein muss (III.), ist zunächst zu klären, welche allgemeinen Folgerungen aus der zum verpfändeten GmbH-Anteil ergangenen Pfandgläubiger-Entscheidung des BGH zu ziehen sind (I.), und unter welchen Voraussetzungen die Eigenkapitalersatzregeln auch im Aktienrecht Anwendung finden (II.). I. Die Pfandgläubiger-Entscheidung des BGH 7. Das Urteil BGHZ 119, 191 In den Entscheidungsgründen verweist der BGH zunächst darauf, dass der Pfandgläubiger, der eine dem gesetzlichen Leitbild der Verpfändung eines Gesellschaftsanteils entsprechende Rechtsstellung erlangt, kein Normadressat des § 32a III GmbHG sei, da das Pfandrecht dem Berechtigten grundsätzlich keinen Einfluss auf die Gesellschafterstellung gewähre569. Auch genüge eine 568 569
BGHZ 119,191. BGHZ 119, 191, 194 f.
D. Anwendbarkeit der Kapitalersatzregeln auf den Pfandgläubiger
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Vereinbarung nicht, nach der der Verpfänder verpflichtet sei, keine Willenserklärungen abzugeben und keine Rechtshandlungen vorzunehmen, durch die das Pfandrecht beeinträchtigt werden könnte570. Ein Pfandnehmer unterliege den Grundsätzen über die Erhaltung des Stammkapitals nur, wenn er sich durch weitergehende Nebenabreden eine Position einräumen lasse, die nach ihrer konkreten Ausgestaltung im wirtschaftlichen Ergebnis der Stellung eines Gesellschafters gleich- oder doch jedenfalls nahe komme, da er wie ein Gesellschafter die Geschicke der Gesellschaft mitzubestimmen berechtigt sei571. Abzustellen ist damit auf eine Gesamtbetrachtung der das Pfandrecht begleitenden schuldrechtlichen Abreden. Vor allem die Rechtsstellung der Pfandgläubigerin in drei Bereichen wurde als entscheidend angesehen. Erstens maß der BGH dem Einfluss auf die mitgliedschaftlichen Vermögensrechte maßgebliche Bedeutung bei 572 . So wurden die Gewinnbezugsrechte mitverpfändet sowie die Ansprüche auf Abfindung in Fällen des Austritts, auf Liquidationserlös im Fall der Auflösung und auf Kaufpreiszahlung im Fall der Veräußerung von Gesellschaftsanteilen abgetreten. Zweitens wurde auf die Rechtsstellung der Pfandgläubigerin hinsichtlich der mitgliedschaftlichen Verwaltungsrechte abgestellt573. Die GmbH-Gesellschafter mussten vor der Fassung eines Gewinn Verwendungsbeschlusses, vor der Änderung des Gesellschaftsvertrags und vor der Einbringung des Unternehmens in andere Gesellschaften die Zustimmung der Pfandgläubigerin einholen. Drittens hatte sie erheblichen Einfluss auf die Geschäftsführung der Gesellschaft 574. Von ihr wurde eine Unternehmensberatung unter faktischer Verdrängung der bisherigen Geschäftsführung eingeschaltet, so dass die Führung der Geschäfte „gleichsam im Handstreich" übernommen werden konnte. Die Pfandgläubigerin hat den Geschäftsführer „ultimativ" vor die Alternative gestellt, entweder das Kreditengagement sofort zu beenden oder einen Unternehmensberater als Krisenmanager zu beauftragen, der bereits in einem „Hinterzimmer" wartete. Dieser zunächst nur faktisch ausgeübte Druck wurde durch eine Vereinbarung mit den Gesellschaftern untermauert, wonach eine Pflicht zur Abberufung des bisherigen Geschäftsführers und zur Bestellung eines neuen, von der Unternehmensberatung ausgesuchten Geschäftsführers sowie zur Bestellung eines Beirats mit der Funktion eines Aufsichtsrats begründet wurde.
570 BGHZ 119, 191, 195. 571 BGHZ 119, 191, 195. 572 BGHZ 119, 191, 196 f. 573 BGHZ 119, 191, 198. 574 BGHZ 119, 191, 197 ff.
§ 5 Der vertragliche Regelungsbedarf
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2. Die dogmatische Einordnung In der Literatur wird der Grundaussage des BGH, dass gesellschafterähnlicher Einfluss auch eine gesellschaftergleiche Finanzierungsverantwortung nach sich ziehe, überwiegend zugestimmt575. Andere Autoren lehnen die vorgenommene Gleichstellung ab 576 . Einheitlicher Kritikpunkt ist, dass Grundlage für die Einwirkungsmöglichkeiten des Pfandgläubigers auf die Gesellschaft nicht seine Rolle als dinglich Berechtigter, sondern die als Kreditgeber, mithin als Partner eines schuldrechtlichen Austauschvertrags ist. Aus dieser Kritik heraus ergibt sich die Notwendigkeit, allgemeine Kriterien für den Begriff des Dritten i.S.d. § 32a III 1 GmbHG zu bestimmen (a)), um anschließend die erforderliche Rechtsstellung eines atypischen Pfandgläubigers am GmbH-Anteil näher zu darzulegen (b)). a) Der Begriff des Dritten i.S.d. § 32a III 1 GmbHG aa) Das Erfordernis
eines gesellschaftsrechtlich
bedingten Einflusses
In seiner Entscheidung geht der BGH sehr ausführlich auf die umfangreichen Einflussrechte des Kreditgebers auf die Geschäftsführung und die Gesellschafterversammlung ein. Hieraus ergibt sich die Frage, ob allein die Einräumung einer solchen Rechtsstellung im verwaltungsrechtlichen Bereich geeignet ist, eine Eigenkapitalersatzhaftung auszulösen, oder ob auch eine mittelbare Vermögensteilhabe als unentbehrlich anzusehen ist. Beim pfandrechtlich besicherten Darlehen stellt sich diese Schwierigkeit auch insofern, als die Vermögensteilhabe eines typischen Pfandnehmers aufgrund der gesetzlichen Ausgestaltung dieses dinglichen Rechts nur in eingeschränktem Maß vorhanden ist und daher bei der Begründung der Eigenkapitalersatzhaftung nicht erheblich ins Gewicht fallen kann. In der rechtswissenschaftlichen Literatur wird auf diese Problematik im Zusammenhang mit dem Covenant-gQstiltzXen Kreditgeber eingegangen, dessen Sicherung allein auf im Kreditvertrag eingeräumten Einflussrechten beruht.
57 5
Dreher, Pfandrechtsgläubiger, ZGR 1994, S. 144 ff.; von Gerhan, Anmerkung, EWiR 1992, S. 999; Goette, Besprechung, DStR 1992, S. 1480 f.; Hachenburg, Ulmer, GmbHG, §§ 32a, b, Rn. 126; Lutter/Homme Ihoff, GmbHG, §§ 32a, b, Rn. 54; Michalski, Anmerkung, WuB II C, § 32a GmbHG, 1.93; Neuhof Sanierungsrisiken, NJW 1999, S. 20 f.; Scholz, Schmidt, GmbHG, §§ 32a, b, Rn. 139. 57 6 Altmeppen, Atypischer Pfandgläubiger, ZIP 1993, S. 1680; Habersack, Gesellschafterkredite, ZGR 2000, S. 398 ff; von Hagemeister/Bültmann, Projektfinanzierungen, WM 1997, S. 553 ff; Maier-Reimer, Festschrift Rowedder, S. 265ff.; Westermann, Festschrift Odersky, S. 916 ff.
D. Anwendbarkeit der Kapitalersatzregeln auf den Pfandgläubiger
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(1) Der Begriff, die Aufgabe und die Ausgestaltung von Covenants Covenants werden definiert als Absprachen in Kreditverträgen, die dem Darlehensgeber Einblick in und Einfluss auf die Geschäftsführung des Schuldnerunternehmens gewähren577. Mit ihnen werden vor allem zwei Regelungsziele verfolgt. Zum einen dienen sie der Früherkennung von Krisen beim Kreditnehmer578, zum anderen sollen sie durch bestimmte Vorgaben den Schuldner in finanzielle Disziplin nehmen579. Hinsichtlich ihrer Ausgestaltung lassen sich vier Arten von Covenants unterscheiden580. Zum einen gibt es Klauseln, die die Verwendung von Sicherheiten regeln und so den Gläubiger gegen eine Verschlechterung der Verwertungspriorität sichern sollen. Diese sog. negative-pledge- Klauseln untersagen dem Schuldner in ihrer Grundform jegliche Belastung seiner künftigen Aktiva oder gestatten eine solche nur ranggleich mit dem Covera/tf-Gläubiger. In der Praxis wird die Klausel oft stark eingeschränkt, indem sie sich nur auf verschiedene Sicherungsarten wie dingliche Sicherheiten sowie auf bestimmte Schuldformen wie Anleihen des Schuldners beziehen und zudem zahlreiche Ausnahmen enthalten581. In diese Gruppe gehören auch Pari-passu-Klauseln, die dem Schuldner eine gleichrangige Schuldenbedienung in der Insolvenz und in einem außergerichtlichen Sanierungsvergleich garantieren. Eine zweite Gruppe legt im Interesse der Erhaltung von Solvenz und Liquidität des Schuldners bestimmte Mindestanforderungen grundlegender finanzwirtschaftlicher Kennzahlen wie der Eigenkapitalausstattung, dem Verschuldungsgrad, dem Ertrag und der Liquidität sowohl in absoluten Größen als auch im Verhältnis zu anderen Bilanzposten fest 582 oder verbietet Dividendenzahlungen, solange bestimmte Bedingungen nicht erfüllt sind (