Summen- und Einzelschaden [Reprint 2021 ed.] 9783112454527, 9783112454510

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Summen- und Einzelschaden [Reprint 2021 ed.]
 9783112454527, 9783112454510

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Hamburger Rechtsstadien herausgegeben von Mitgliedern der Redits- und Staatswissensdiaftlidien Fakultät der Hansischen Universität, Hamburg

Heft 30.

S u m m e n -

u n ö

iinjclfdiaöcn

Beiträge zur E r n e u e r u n g der Schadenslehre vom W i r t s c h a f t s r e c h t a u s

von

Dozent Dr. jur. habil.

Hans Möller

I Hamburg Friederichsen, de Gruyter & Co. G. m. b. H. 1937

Diese Arbeit wurde als Habilitationsschrift von der Rechts- und Staatswissensdiaftlidien Fakultät der Hansischen Universität, Hamburg, angenommen.

Inhaltsübersicht. Einleitung: Wege zum Neuaufbau der Schadenslehre. I. Lösungsbedürftige Aufgabe S. i . Schwierigkeiten des Schadensersatzrechts S. i . Alles- oder NichtsPrinzip des geltenden Redits S. i . Uberwindung dieses Prinzips durch den Einzelschadensbegriff S. i . II. Wegweisendes Fachgelehrtentum S. i . Auffindung des Einzelschadensbegriffs, vorbereitet durch Forschungen von Spezialisten kleiner Rechtsgebiete S. i . K a m p f gegen das Fachgelehrtentum S. i. Versuch einer Ehrenrettung des Spezialistentums S. 2. Verfahren bei Erforschung von Teilstoffgebieten S. 2. Beispiele von Förderungen der allgemeinen Rechtsdogmatik durch Spezialisten S. 2. Naturwissenschaftliche Beispiele (Galilei, von Mayer) S. 2. III. Richtunggebendes Wirtschaftsrecht S. 3. Befruchtung der allgemeinen Rechtsdogmatik durch das Wirtschaftsrecht S. 3, besonders das Privatversicherungsrecht S. 3. Ausbildung der Schadensfehre im Versicherungsrecht S. 4. Beziehung als Korrelat des Schadens im Versicherungsrecht S. 4. Wirtschaftsrechtliche Beispiele S. 4.

Ausführung: Summen- und Einzelsdiaden. 1. A b s c h n i t t : D i e S ch a d e n s b e g r i f f e u n d d i e Beziehungsbegriffe. I. Summarischer Begriff S. j . § 249 Satz I BGB. S. 5. Schaden als Unterschied zwischen früherer und jetziger Gesamtlage S. 5. Vermögensschaden als Vermögensdifferenz S. 5. Differenzhypothese (Heck) eröffnet Gesamtsdiau S. J. Vorzüge S. 6, insbesondere einheitliche Verjährung S. 6. Unzulänglichkeit S. 8. Zerlegung des Schadensklumpens für Naturalersatz und Vorteilsausgleichung notwendig S. 8. II. Zergliedernder Begriff S. 9. Aufteilung des Schadensklumpens S. 9. Auflösung des Summenschadens in Einzelschäden S. 9. Analysierung der früheren und jetzigen V e r mögensaufstellung beim Vermögensschaden S. 9. Zergliederung des Summenschadens eröffnet Teilschau S. 9. Jede Person umgibt Vielzahl von Beziehungen zu Gütern und Ungütern S. 10. Charakteristik der Wertbeziehungen zu Gütern S. 10. Begriff des Gutes in der Philo sophie S. 10, Nationalökonomie S. 10 und Rechtswissenschaft S. 11. Charakteristik der Unwertbeziehungen zu Ungütern S. 11. Neutrale Beziehungen S. 11. Einzelschaden durch Beeinträchtigung von Wertbeziehungen S. 12 und durch Entstehen usw. von Unwertbeziehungen S. 12. Vier Erscheinungsformen von Einzelschäden S. 12. Komposite Schäden (Differenz- und Austauschtheorie) S. 13. Beziehung und Einzelschaden S. 14. Güter — Rechtsgüter, Unguter — Rechtsungüter S. 14. Selbstzugefügter Schaden S. 14. Subjektiver, objektiver Schaden S. 15. Begriff des Einzelschadens S. 16. V o r z ü g e S. 16, insbesondere für Naturalherstellung und Vorteilsausgleichung S. 16, für den Bereidierungsbegriff S. 16. Nachteil S. 16. III. Stellungnahme früherer Gesetzgebung S. 17. Begrenzung der A u f g a b e S. 17. Primäres Vorkommen des Einzelschadensbegriffs S. 17. Nachweis für Zeit des Naturalersatzes S. 17, des Geldersatzes S. 17. Beispiel der Sachbeeinträchtigung S. 18. Sachschaden als Einzelsdiaden S. 18. Bloßer Sachschadensersatz nach der Lex Aquilia (quanti ea res est) S. 18 und der Lex Salica (capitale) S. 19. Allmähliche standardisierte Berücksichtigung des Mehrschadens S. 19,

nach der Lex Aquilia (Höchstwert innerhalb gewisser Frist) S. 20 und der Lex Salica (delatura) S. 21. Ursachen der Standardisierung S. 21. Stockender Ubergang zum Summenschaden S. 22. Konstitution de sententiis, quae pro eo quod interest proferuntur S. 22, Allgemeines Landrecht S. 22, Geschichte des $ 249 Satz 1 BGB. S. 23. IV. Stellungnahme ausländischer Gesetzgebung S. 23. Dualitätsprinzip in Österreich S. 23. Aufgelockertes Summensdiadensprinzip in der Schweiz (Art. 43 Abs. 1 SdiwOblR.) S. 2 j , in Frankreich (Art. 1149—IIJI CC.) S. 26, in Italien (Art. 1227—1229 CC.) S. 27, im anglo-amerikamschen Recht (Durchbrechung der Causa-proximaRegel und exemplary damages) S. 27. Zusammenfassung S. 29. V. Stellungnahme der Rechtslehre S. 29. Primäre Herausarbeitung des Summensdiadensbegriifs S. 29. Bedeutung des Interessebegriffs S. 30, besonders für die Schadenslehre S. 30. Summenschaden als Interesse S. 30, Gegenteil des Einzelsdiadens als Interesse (versicherungswissenschaftlicher Begriff, Mauczka) S. 30. Verhältnis von Schaden und Wert S. 31. Wertungsfreier und wertender Schadensbegriff S. 31. Leugnung des Gegensatzes von Sachwert und besonderem oder außerordentlichem Wert S. 32. — Ansätze zum Summenschadensbegriff im Jahrhundert S. 33. Festlegung durch die gemeinrechtliche Pandektenwissenschaft (Mommsen) S. 33. Rechtsprechung S. 33. — Ansätze zum Einzelschadensbegriff bei Perez, Huber und Wehrn S. 33. Abstrakter und konkreter Schaden bei Walsmann und Oertmann S. 34, auch Neuner S. 34. Dreifache Bemängelung S. 35. Pionierarbeit der Versicherungswissenschaft S. 35. Erster Mangel: Übersehen des Beziehungsbegriffes S. 35, der unverzichtbar ist S. 36. Beziehungsbegriff in der Versicherungstheorie S. 36. Zweiter Mangel: Unterlassen einer Klassifikation der Rechtsgüter S. 37. Unterscheidung der Rechtsgüter in der Versicherungstheorie S. 38. Dritter Mangel: Nichtbeachtung der Rechtsungüter S. 39, auch in der Versicherungstheorie S. 39. Haftpflicht-, Rückversicherung S. 39. Bedenken von Unna S. 41. Speditionsversicherung S. 41. Autoversicherung S. 42. Abschnitt: Die Schadensarten und die

Beziehungsarten.

I. Rechtsgut und Rechtsungut S. 43. Schadensarten und Erscheinungsformen von Einzelschäden S. 43. Bedeutung der Schadensarten S. 43. Hinweis auf bisher übersehene Rechtsgüter und Rechtsungüter S. 44. Verhältnis des Rechtsgutes zum subjektiven Recht S. 44. Wesen dynamischer Rechtsordnung S. 44. Bedeutung der Rechtsgüter, nicht der subjektiven Rechte für die Schadenslehre S. 45. Sache, nicht Eigentum S. 45. Sicherungsübereignung und Eigentumsvorbehalt S. 45. Verjährung S. 46. Folgen für Drittschadensersatz (Reinhardt): Auseinanderfallen von Rechtsgut und subjektivem Recht S.46. Parallele im Berekherungsrecht (Wilburg) S. 48. II. Vermögens- und Nichtvermögensschaden S. 48. Sonderbehandlung von Wertbeziebungen mit objektivem Wert S. 48. Beispiele S. 49. Begriff der materiellen Rechtsgüter S. 49. Materielle Rechtsgüter mit überschießendem subjektiven Wert S. 49. Bewertungsrahirten S. 50. Vermögensbegriff S. 50. Mehrdeutigkeit S. 50. Begriff des Vermögensschadens S. 51 und Nichtvermögensschadens S. 51. III. Rechtsgüter des Aktivvermögens S. 52. Veränderungen des Aktivvermögens S. 52. Werdendes und seiendes Aktivvermögen S. 52. — Güter des werdenden Aktivvermögens (Anwartschaften) S. 52. Wesen (Ubergangscharakter, Ungewißheitsmoment) S. 52. Entgangener Gewinn und Anwartschaften S. 52. Bedeutung S. 52. — Güter des seienden Aktivvermögens S. $3. Wesen S. 53. Damnum emergens S. 53. Aufzählung: Sachen S. 53. Sache und Eigentum S. 53. Wirtschaftliches Eigentum, Eigentümerinteresse im Versicherungsrecht S. 53. Wesen der Sachbeziehung S. 53. Beispiel der Sicherungsübereignung

VII S. 54. — Geistesprodukte S. 54. Gleichstellung der ausschließlichen Lizenz S. $5. — Forderungen S. JJ. Iuris vinculum und Forderungsbeziehung S. $$. Obligation und Vermögensinteresse S. JJ. Abgrenzung der Forderung von Sachen S. $5 und Anwartschaften S. 56. Forderungsverletzung als Einzelschaden S. 56, besonders bei der Wechselbereicherungsklage S. 56. Aufschiebend bedingte Forderung als Anwartschaft S. 57. Zwei Fälle der Beeinträchtigung: Agentenprovision S. 58, Kauf auf Probe S. 59. Auflösend bedingte Forderung (Kauf mit „Glückliche Ankunft vorbehalten", bedingte Fracht) S. 59. Befristete Forderung S. 59: Anfangstermin S. 59, Endtermin S. 60. Unvollkommene Forderung S. 60. Beispiel : Erlaubtes Börsentermingeschäft S. 60. Schaden durch Termineinwand S. 60. Beispiel S. 60. § 826 BGB. S. 61. Vorverlegung des schadenstiftenden Verhalten (Nußbaum) S. B e s t J W . 1932 S. 1801—1805 (dazu S i e b e r t J W . 1932 S. 2384—2385), H e d e m a n n Wirtschaftsrecht S. 274—275 Anm. 1, M ü l l e r e i s e r t Zentralblatt 1933 S. 97—100.

3 Falles und das Wesen der Pendelerscheinungen untersucht und ist erst von diesen mechanischen Spezialforschungen aus zu seiner großen astronomischen Weltlehre gelangt, von Mayer hat die hervorragendste wissenschaftliche Tat des 19. Jahrhunderts, die Entdeckung des Gesetzes von der Erhaltung der Kraft, erst vollbringen können, nachdem er als Arzt größere Spezialuntersuchungen über das Blut und die Wärmeversorgung des menschlichen Körpers angestellt hat. III. Der Wert des Fachgelehrtentums für die Mutterwissenschaft ist auf dem Gebiete der Rechtswissenschaft dann besonders groß, wenn der spezialisierte Reditsgelehrte sich mit Lebenssachverhalten befaßt, die so neuartig sind, daß sie bei der Schaffung der allgemeinen Rechtsdogmatik noch keine Berücksichtigung finden konnten. Deshalb bietet das moderne, stets neue Lebenssachverhalte vorfindende Wirtschaftsrecht für den Fachgelehrten ein so fruchtbares Arbeitsfeld. Deshalb auch kann die allgemeine Rechtsdogmatik von Seiten der spezialisierten Wirtschaftsredltier so weitgehende Förderung erfahren. Schon bei der Schaffung des Bürgerlichen Gesetzbuches ist das erkannt worden: „Wenn das (Zivilrecht . . . den Schlaf des Gerechten . . . schläft, dann ist es das Handelsrecht, welches in rechter Stunde den Weckruf erschallen läßt, damit nicht jenes den Sonnenaufgang des jungen Tages verschlafe. Es ist der untrügliche Wegweiser, der kühne Pionier des bürgerlichen Rechts . . es ist der Jungbrunnen des bürgerlichen Rechts, aus dem das letztere stets frische Kraft und neue Gedanken schöpft."9 Die Bedeutung des Wirtschaftsrechts für die nationalsozialistische Rechtserneuerung ist gleichfalls schon betont worden: „Notwendig ist, daß das staatliche Juristenrecht wieder durchblutet werde vom Leben her. Dazu muß vor allem dem staatlichen Recht wieder zugeführt werden, was an wertvollen Gedanken in dem modernen Kaufmannsrecht enthalten ist." 10 Im Rahmen des modernen Wirtschaftsrechts nimmt die Wissenschaft des Privatversicherungsrechtes einen bedeutenden Platz ein. Die Versicherungswissenschaft hat die ersten jener Entwicklungsstufen durchlaufen, die für die Geschichte jeder Fachwissenschaft bezeichnend sind11. Jetzt gilt es, ihre Ergebnisse wieder an jene der allgemeinen Rechtsdogmatik heranzutragen und dabei zu prüfen, inwieweit das Privatversicherungsrecht der Berichtigung, die allgemeine Rechtsdogmatik der Fortbildung bedarf. Dabei zeigt sich in überraschender Weise, wie sehr die Versicherungswissenschaft die allgemeine Rechtsdogmatik zu bereichern vermag: Man denke nur an die Lehre von den Lasten, die als Verhaltensnormen im eigenen Interesse unter der Bezeichnung Obliegenheiten im Privatversicherungsrecht eine bedeutende Rolle spielen und eingehende Behandlung erfahren haben, während es an einer allgemein-zivilistischen Gesamt•) R i e ß e r S. 69—72, auch P i s k o S. III, 1, und allgemeiner H e d e m a n n I S. 87: „Spezialgesetze sind die wahren Träger des Fortschritts geworden." *") G r o ß m a n n - D o e r t h Andienung S. 201. " ) H a v m a n n Versicherungsarchiv 1934 S. 957 Anm. 34 spricht Von „der in der Versicherungstheorie . . . . bislang allgemein herrschenden Ignorierung der sonst im bürgerlidien Recht herrschenden Grundsätze".

4 darstellung der Lehre von den Lasten fehlt 12 . Man denke ferner an die Lehre von der Gefahr, die im Mittelpunkt aller privatversicherungsrechtlichen Erörterungen steht und die auch für die allgemeine Rechtsdogmatik tragende Bedeutung besitzen müßte13. Oder man denke schließlich an die Lehre von den Wissenserklärungen, die neben den Willenserklärungen in der allgemeinen Rechtsdogmatik bisher stiefmütterlich behandelt sind14. Ganz besonders aber ist es ein Fragenkreis, der sich in den Vordergrund drängt, wenn man die Ergebnisse der Versicherungswissenschaft für die allgemeine Rechtsdogmatik nutzbar zu machen sucht: Die Schadenslehre. Der Schadenbegriff ist seit langem ein so gesicherter Bestandteil der allgemeinen Rechtsdogmatik, daß es auf den ersten Blick vermessen erscheinen mag, zu ihm — vom Versicherungsvertragsrecht kommend — noch Neues sagen zu wollen. Dennoch dürfte das möglich sein: Da jeder Versicherer vertraglichen Schadensersatz leistet, ist die Versicherungswissenschaft gezwungen gewesen, dem Schadensbegriff ihre besondere Aufmerksamkeit zuzuwenden. Dabei hat sie zum ersten Male den negativen Charakter jedes Schadens deutlich erkannt und ist zur Erforschung jenes Positivums geschritten, das dem Schaden entspricht. Dieses Positivum ist die Beziehung. Durch die Beziehungslehre wird die Schadenslehre in ein neues helles Licht gerückt. Wege zur Überwindung des Interesseschadensbegriffes der gemeinrechtlichen Pandektenwissensdiaft werden sichtbar. Überhaupt ergibt sich die Möglichkeit, alle mit der Schadenslehre zusammenhängenden Fragen in neuer Beleuchtung zu sehen. Wenn somit die Schadenslehre in ihrer privatversidierungsreditlichen Ausprägung der allgemeinen Rechtsdogmatik näher gebracht wird, so sollen dabei stets Beispiele des Gesagt» veranschaulichen. Diese Beispiele werden nur ausnahmsweise dem Versidierungsrecht zu entnehmen sein, vielmehr sollen regelmäßig die übrigen Gebiete des Wirtschaftsrechtes, besonders das Handelsrecht Berücksichtigung erfahren.

" ) Aus dem privatversidierungswissenschaftlichen Schrifttum grundlegend B r u c k ZVersWiss. 1926 S. 180—211. u ) Aus dem privatversicherungswissensdiaftlidien Schrifttum grundlegend K i s c h II S. 1 — 1 7 1 , ZVersWiss. 1917 S. 488—$06. " ) Ansätze zu allgemeiner Darstellung unter Heranziehung des Versicherungsredl ts bei O l d e n b o u r g S. 1—65.

Ausführung: Summen- und Einzelschaden. 1. Abschnitt: Die Schadensbegriffe und die Beziehungsbegriffe. I. Bei der Bestimmung des Schadensbegriffes geht die allgemeine Rechtsdogmatik für das geltende Recht meistens von dem Wortlaut des § 249 Satz 1 BGB. aus. Damit wird unzweifelhaft ein Weg eingeschlagen, der zum Ziele führen kann. Bei der Zugrundelegung der genannten Bestimmung stellt sich der Schaden dar als der Unterschied zwischen dem Zustand, „der bestehen würde, wenn der zum Ersätze verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre" einerseits, und einem späteren Zustande andererseits16. Dabei ist als Zustand die frühere oder spätere Gesamtlage einer Person anzusehen. Die frühere und spätere Gesamtlage werden miteinander verglichen. Der sich hierbei zeigende Unterschied erscheint als etwas in sich Einheitliches. Die Einzelheiten der eingetretenen Veränderung des status quo — der zum Ersätze verpflichtende Umstand kann ja zahlreiche Wirkungen zugleich hervorrufen — treten zurück. Das wird besonders deutlich, wenn man die Begriffe Schaden und Vermögensschaden gleichsetzt. Geschieht das, so kann man den Schaden derart ermitteln, daß man zunächst das frühere Vermögen, sodann das spätere Vermögen errechnet und nunmehr das spätere von dem früheren Vermögen abzieht16. Dabei ergibt sich ein Betrag, der nicht ersehen läßt, aus welchen einzelnen Posten er sich zusammensetzt. Denn nicht der Inhalt der späteren und früheren Vermögensaufstellung werden im einzelnen miteinander verglichen, sondern nur die Salden werden zueinander in Beziehung gesetzt. Der sonach — wie man sagen kann — summarische Schadensbegriff der allgemeinen Rechtsdogmatik eröffnet mit seiner „Differenzhypothese" — so Heck17 — gleichsam eine Gesamtschau der nachteiligen Veränderungen des status quo. Von hoher Warte wird dem " ) So etwa H e tk S. 37, H ö h n S. 28, L e o n h a r d S. 136—137, P 1 a n ck II 1 S. 67, R ü m e l i n KrVJSdir. 4$ S. 196. " ) So etwa E n d e m a n n I S. 723, E n n e c c e r u s - L e h m a n n II S.42, F i s c h e r S. 21, v o n L i « z t S. 61, M a n d l S. 19, M a n g e l s d o r f f S. 2, M a t t h i a s z S. 184, N e u n e r ArchZivPrax. 133 S. 277, O e r t m a n n S. 6, II 1 Vorbem. 2 zu §§ 249—2J4, S. 44, O r t h S. 16, T i t z e S. 2j, Unmöglichkeit S. 126—127, W a l s m a n n S. 10. " ) Heck S. 37.

6 Betrachter ein Überblick über die stattgehabte Umgestaltung des früheren Zustandes gegeben, ein Überblick, der aber das Erkennen von Einzelheiten nicht ermöglicht. Beim Vermögensschaden gar, der einer Berechnung in Geld zugänglich ist, wird dem Betrachter nicht einmal notwendig die stattgehabte Veränderung des status quo selbst v o r Augen geführt, sondern ihm wird nur ein Rechnungsergebnis unterbreitet 18 . Nach dem Zusammenstoß zweier Lastkraftwagen heißt es etwa, daß das schuldige Fahrzeug einen Schaden von 1 8 0 0 . — R M zu ersetzen habe, wobei nicht in Erscheinung tritt, inwieweit sich der Schaden vielleicht aus solchem am beschädigten Fahrzeug selbst, an beförderten Gütern und aus entgangenem Gewinn zusammensetzt. Der Begriff des Summenschadens — w i r werden noch sehen, daß er mit dem Interessebegriff der gemeinrechtlichen Pandektenwissenschaft gleichbedeutend ist — hat unzweifelhaft seine Vorzüge, ermögliait er es doch, mit einem Schlage die gesamten, f ü r eine bestimmte Person 19 eingetretenen Folgen des zum Ersätze verpflichtenden Umstandes aufzudecken 20 . Das hat praktische Bedeutung beispielsweise f ü r die Frage der Verjährung von Schadensersatzansprüchen. Ein Schadensersatzanspruch setzt immer voraus, daß ein bestimmter Rechtssatz, in dessen Tatbestand 2 1 notwendig das Tatbestandsstück 22 „ S c h a d e n " " 18 ) W a l s m a n n S. 10 sagt mit Recht: „Der Schaden ist hier als reine Wertgröße gedadit." Er übersieht aber, daß es einen summarischen — oder wie er sagt: abstrakten — Schadensbegriff auch außerhalb des Bereiches der Vermögensschäden gibt und daß dort die Summe der nachteiligen Veränderungen des status quo selbst erfaßt wird, also nicht nur eine „reine Wertgröße". Dazu vgl. auch unten S. 9 Anm. 32 und K r i c h b a u m S. 12. " ) Insofern ist jedes Interesse seiner Natur nach subjektiv: F i s d i e r S. 79, K 1 u ck h o h n. ArchZivPrax. i n S. 432, M ü l l e r - E r z b a c h Mittelbare Stellvertretung S. 48, S t o l l JW. 1934 S. 1162, v o n T u h r GrünhZ. 2$ S. 533—$34. Die Genannten ziehen daraus Schlußfolgerungen für die Lehre vom Drittsdiadensersatz. Dazu und dagegen R e i n h a r d t S. 70—71 m. w. N., vgl. auch unten S. 46—48. M ) So auch F i s d i e r S. 21, M a n d l S. 20—21. M ) Der Tatbestand ist derjenige Teil eines Reditssatzes, der die Gesamtheit der Voraussetzungen enthält, an weldie die Rechtsfolge geknüpft ist. Dazu: A l l f e l d - M e y e r S. 95, B e k k e r II S. 1, 108, B i e n e n f e l d S. 159—160, B i n d i n g I S. 188 Anm. 1, C o s a c k I S. 145, D e r n b u r g I S. 134, BürgK. I S. 350, E b e r m a y e r - L o b e - R o s e n b e r g Anm. 7 zu J $9, S. 318, E i t z b a c h e r I S. 64, E n n e c c e r u s - N i p p e r d e y I S. 409—410, v o n I h e r i n g I S. 272, K e l s e n Staatslehre S. 47, K l i n g m ü l l e r S. 3, v o n L i s z t - S c h m i d t I S. 180, M a n i g k S. 5—7, M e r k e l S. 107, M e z g e r S. 1 7 J , R e g e l s b e r g e r I S. 436, R ü m e l i n Begriffsbildung S. 9, S d i m i d t Einführung S. 17, S c h r e i e r S. 93, S c h u l z e S. 1, 91, v o n T u h r II 1 S. 4, W o l f f S. 3$, Verbotenes Verhaften S. 143—144, 149, W ü r d i n g e r S. 18, Z i t e l m a n n S. 22;. Vgl. auch $ 3 Abs. 1 StAnpG. M ) Zu dem Begriff Tatbestandsstück und den (identischen) Begriffen Tatbestandsteil, -glied, -merkmal, -element: B e k k e r II S. i, 108, B e l i n g S. 25, B i e n e n f e l d S. 159, C o s a c k I S. 145, E b e r m a y e r - L o b e - R o s e n b e r g Anm. 7 zu $ J9, S. 318—319, E i t z b a c h e r I S. 67—68, v o n L i s z t S c h m i d t I S. 180, M a n i g k S. 5—7, R e g e l s b e r g e r I S. 436—437, S d i r e i e r S. 94, 104—105, S c h u l z e S. 1, 87—88, 89, v o n T u h r II 1 S. 4,

7 vorkommt, als Rechtsfolge „Schadensersatz" 24 vorsieht. Wenn nun bei der Bestimmung des Tatbestandsstückes Schaden von dem einheitlichen Summenschaden ausgegangen wird, so ist auch der Begriff des Schadensersatzes und des Schadenersatzanspruches ein entsprechend einheitlicher, der Schadensersatzanspruch, der auf E r satz des Summenschadens gerichtet ist, kann also auch nur als einheitlicher verjähren. In der Rechtsprechung des Reichsgerichtes ist diese Auffassung besonders in mehreren Urteilen aus dem Rechte der Handelsgesellschaften zum Ausdruck gelangt 26 . Ein Beispiel26: Vorstandsmitglieder einer Genossenschaft erklärten am 2 1 . Januar 1900 rechtswirksam, aber pflichtwidrig den Beitritt ihrer Genossenschaft zu einer Tabaksverkaufsgenossenschaft, die sich schon im Zeitpunkt der Beitrittserklärung in schlechter finanzieller Lage befand. „Der Schaden, welchem die Vorstandsmitglieder ihren Verein aussetzten, war ein dreifacher: a) Sie verpflichteten durch ihre Zeichnung den klagenden Verein zunächst zur sofortigen Zahlung des Betrags der 400 Anteile von je 10.— M, also zu 4000.— M. b) Sie verpflichteten ihn durch ihre Zeichnung ferner bis zum Betrage von 400 mal 200.— M = 80 000.— M für Verbindlichkeiten der Tabakverkaufsgenossenschaft einzustehen, c) Sie verpflichteten ihn durch ihre Zeichnung endlich, den Beschlüssen der Tabakverkaufsgenossenschaft, also auch den Beschlüssen vom 8. Dezember 1906 auf Erhöhung der Geschäftsanteile auf J J . — M, nachzukommen, so daß der Kläger am 29. Dezember 1906 400 mal 5 5 . — M = 22 000.— M, d. h. den Betrag zahlen mußte, den er jetzt einklagt. Der Kläger 7, W o l f f Verbotenes Verhalten S. 149—IJO, W ü r d i n g e r S. 18, Z i t e l m a n n S. 225, 227. Vgl. auch § 5 Abs. 2 StAnpG. 23 ) Audi F i s c h e r S. 3, W ü r d i n g e r S. 18 bezeichnen den Schaden als Tatbestandsmoment, D e g e n k o l b ArdiZivPrax. 76 S. 1 0 spricht in gleicher Bedeutung von „dem damnum als Voraussetzung". — Der Schaden ist sogar ein typisches Tatbestandsstück, denn in zahlreichen Rechtssätzen ist die Rechtsfolge mit daran geknüpft, daß ein Schaden vorliegt; vgl. B i e n e n f e l d S. 159, 163. — Will man das Tatbestandsstück Schaden noch weiter gegenüber anderen abgrenzen, so mag man dazu gelangen, den Schaden als objektiven, und zwar als Erfolgstatbestandsteil oder haftungausfüllenden oder haftungauslösenden Tatbestandsteil zu bezeichnen. Viel gewonnen ist damit nicht. Vgl. immerhin B i e n e n f e l d S. 164—169 und die dort Zitierten. M ) K e l s e n S. 303—304, audi Staatslehre S. 48 (dazu S c h r e i e r S. 10$) leugnet allerdings, daß der Schadensersatz den Rechtsfolgen zuzurechnen sei. Ein Rechtssatz kann aber nicht etwa lauten: „Wird durch den Betrieb einer Eisenbahn ein Schaden angerichtet und wird der Schaden vom Unternehmer nicht ersetzt (Tatbestand), so will der Staat, daß gegen diesen Exekution stattfinde (Rechtsfolge)", sondern: „Wird durch den Betrieb einer Eisenbahn ein Schaden angerichtet (Tatbestand), so soll der Unternehmer den Schaden bei Vermeidung der Exekution ersetzen (Rechtsfolge)." So treffend B i e n e n f e l d S. 1 6 1 — 1 6 3 . Der Schadensersatz wird als Rechtsfolge beispielsweise auch aufgefaßt von B i n d i n g I S. 475, F i s c h e r S. 1, S c h u l z e S. 45, W ü r d i n g e r S. 18—19. 26 ) Für andere Rechtsgebiete vgl. etwa G e i g e l S. 22; R G . 9. 7. 1908 J W . 1908 S. 550—552, 20. 6. 1 9 1 0 J W . 1 9 1 0 S. 828, 22. 11. 1 9 1 3 WarnRspr. 1 9 1 4 S. 1 1 8 . Streitig ist, ob der Nichtvermögensschaden in den einheitlichen Summenschaden einzubeziehen ist. D a f ü r : O L G . Hamm 1 j . 6. 191 j L Z . 1 9 1 j S. 1673; dagegen: G e i g e l S. 22; R G . 3. 3. 1921 J W . 1921 S. 1230. 26 ) Zum Folgenden vgl. R G . 1 1 . 12. 1 9 1 3 R G Z . Bd. 83 S. 3 J 4 — 3 6 1 .

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8 vertritt den Standpunkt, sein Anspruch auf Ersatz dieser Schadenssumme von 22 ooo.— M sei erst im Augenblicke der Zahlung entstanden, möge man auch berücksichtigen, daß von den 22 000.— M der Betrag von 4000.— M, wie bereits erwähnt, sofort fällig wurde, als die Zeichnung am 21. Januar 1900 erfolgt war." Nach § 34 Abs. 2,4 GenG. haften Vorstandsmitglieder, welche in schadenstiftender Weise ihre Obliegenheiten verletzen, der Genossenschaft auf Schadensersatz, wobei der Anspruch in fünf Jahren verjährt. Die Verjährung beginnt nach § 198 Satz 1 BGB. mit der Entstehung des Anspruchs. Das Reichsgericht legt — ausgehend vom Summenschadensbegriff — dar, der Schadensersatzanspruch sei ein einheitlicher. In Höhe von 4000.— M sei die klagende Genossenschaft am 2 1 . Januar 1900 durch ihren „Beitritt bereits mit der Zahlungspflicht belastet und zugleich geschädigt". Es entspreche „der Natur der Sache", „daß die Einheitlichkeit des Schadens so lange gewahrt bleibt, als die Schadensfolgen sich noch als eine nach den Anschauungen des Verkehrs möglicherweise zu erwartende Weiterentwickelung der zum Schadensersatze verbindenden Handlung ansehen lassen". Deshalb laufe keine besondere neue Verjährung, wenn zu dem bereits am 21. Januar 1900 entstandenen „Mindestschaden" von 4000.— M „durch den Beschluß vom 8. Dezember 1906 nachträglich eine neue Schadensfolge hinzugetreten" sei. Dieselbe Auffassung tritt in späteren gesellschaftsrechtlichen Urteilen zutage27. Der Standpunkt des Reichsgerichts zwingt zwar den Anspruchsberechtigten dazu, womöglich wegen eines Bagatellschadens nur zwecks Wahrung der Verjährungsfrist eine Klage zu erheben, sofern zu befürchten steht, daß nach Ablauf der Verjährungsfrist noch neue erheblichere Folgeschäden eintreten, aber zugleich hat die auf dem Summenschadensbegriff beruhende Auffassung des Reichsgerichts den entscheidenden Vorzug, daß nicht neben- und hintereinander zahlreiche Verjährungsfristen derart laufen, daß die Herstellung des Rechtsfrieaens lange Zeit hinausgeschoben wird. Aber der Summenschadensbegriff ist dennoch in gewisser Hinsicht unzulänglich, womit nicht gesagt ist, daß er falsch sei28. Legt man nur ihn zugrunde, so erscheint im Einzelfall der Schaden jeweils zu einem Klumpen geballt. Es wird nicht erkennbar, daß dieser Klumpen vielerlei Teile zu vereinigen pflegt. Dabei ist diese Erkenntnis für die gesamte Schadenslehre von großer Bedeutung. Das kann im einzelnen erst später dargelegt werden. Zweierlei aber leuchtet ohne weiteres ein: Die wichtigen Lehren von dem Naturalersatz und von der Vorteilsausgleichung müssen auf schwankendem Boden stehen, solange der summarische Schadensbegriff nicht aufgegeben ist. Denn im Wege des Natural" ) RG. 9. 1 1 . 1915 RGZ. Bd. 87 S. 306—312, 26. i . 1932 J W . 1932 S. 1648 bis 1649. **) Audi O e r t m a n n S. 6, 9, II 1 S. 44, W a l s m a n n S. 1 1 , die ihn bekämpfen, geben seine formallogisaie Haltbarkeit zu. Es handelt sidi bei der Definition des Schadensbegriffes um ein Formulierungs-, nicht um ein Erkenntnisproblem, vgl. H e c k S. 478, ArchZivPrax. 1 1 2 S. 72, R ü m e l i n S. 21.

9 ersatzes29 kann — wenn man an Vermögensschaden denkt — ein Schaden nicht ersetzt werden, wenn man nicht weiß, welche Einzelposten sich in der späteren Vermögensauf Stellung gegenüber der früheren Vermögensaufstellung geändert haben, gilt es doch beim Naturalersatz nicht nur, die Salden beider Vermögensaufstellungen wieder auf die gleiche Höhe zu bringen, vielmehr soll er auch dazu führen, den Inhalt der Vermögensaustellungen, also deren Einzelposten, wieder gleich zu machen. Von einer Vorteilsausgleichung30 kann bei Zugrundelegung des summarischen Schadensbegriffes eigentlich keine Rede sein, da die Vorteile in der nach Eintritt des Schadens aufgemachten Vermögensauf Stellung verschwinden und der Saldo nicht erkennen läßt, daß diese Vorteile Berücksichtigung gefunden haben 31 . II. Eine Fortbildung des Summenschadensbegriffes kenn lediglich derart erfolgen, daß man jenen Klumpen, der sich bei Zugrundelegung des summarischen Schadensbegriffes als Schaden ergibt, zergliedert. Wie soll diese Zergliederung erfolgen? Sie kann nur dadurch geschehen, daß man die einzelnen Lebenstatsachen ins Auge faßt, die in ihrer Gesamtheit entweder jenen Zustand ausmachen, „der bestehen würde, wenn der zum Ersätze verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre", oder die in ihrer Gesamtheit einen späteren Zustand bilden. Nur eine sorgfältige Betrachtung dieser Lebenstatsachen läßt erkennen, inwiefern sich der frühere Zustand im einzelnen verändert hat: Der Summenschaden löst sich in Einzelschäden auf. Wird die Problemstellung verengert, werden nur Vermögensschäden in Betracht gezogen, so gilt es, die frühere oder spätere Vermögensaufstellung zu analysieren und die einzelnen Aktiv- und Passivposten wertmäßig miteinander zu vergleichen. Der sich dabei ergebende Schadensbegriff ist also ein zergliedernder. Er eröffnet keine Gesamtschau, sondern läßt nur konkrete einzelne nachteilige Veränderungen des status quo ersichtlich werden. Aus dem einheitlichen Schaden, den der summarische Schadensbegriff kennt, wird eine Vielzahl von Schäden. Im Bereiche der Vermögensschäden drängt sich dabei an Stelle der Einzelschäden selbst deren Wertung als Einzelwertung der verschiedenen nachteiligen Veränderungen des status quo in den Vordergrund 32 . Nach dem Zusammenstoß jener zwei Lastkraftwagen heißt es nicht schlechthin, der zu ersetzende Schaden belaufe sich auf 1800.— R M , sondern es werden 2

") Zum Folgenden O e r t m a n n I I 1 S. 44, W a l s m a n n S. 1 1 . ) Zum Folgenden O e r t m a n n S. 10, II 1 S. 44, W a l s m a n n S. n . ) Weitere Bedenken gegen den summarischen Schadensbegriff bei M a u c z k a S. 3 0 — 3 1 , N e u n e r ArchZivPrax. 1 3 3 S. 279—290, O e r t m a n n S. 7 — 8 , II I S. 44, W a l s m a n n S. 1 1 — 1 j . Dazu F i s c h e r S. 2 6 — 3 3 , L e o n h a r d S. 1 3 7 , M a t a j a S. ijj—ij6. 32 ) So wie beim summarischen Schadensbegriff entweder die Summe der nachteiligen Veränderungen selbst oder — beim Vermögensschaden — die entsprechende Wertgröße ins Auge gefaßt wird, so berücksichtigt auch der zergliedernde Schadensbegriff entweder die einzelne nachteilige Veränderung selbst oder — dies wieder beim Vermögensschaden — die ihr entsprechende Wertgröße. Schief auch hier W a 1 s m a n n S. 10, der als konkreten Schaden nur „die Einbuße selbst" ansieht. ,0 31

2*

10 der Schaden am angefahrenen Fahrzeug in Höhe von iooo.— R M , an beförderten Gütern in Höhe von j o o . — R M und entgangener Gewinn in Höhe von 300.— R M scharf auseinander gehalten. Will man die Vielzahl möglicher Einzelschäden erkennen, betrachtet man also die einzelnen Lebenstatsachen, die für eine Person gegeben sein können, so zeigt sich, daß jede Person zu jedem Zeitpunkte mit einem Strahlenbündel von Beziehungen umgeben ist. V o n jeder Person gehen zahlreidie Beziehungen aus, welche an ihrem Endpunkt jeweils in ein Etwas ausmünden, das man als G u t oder U n gut bezeichnen kann 83 . Man denke nur daran, daß jedermann einerseits Forderungen, andererseits Schulden besitzen kann, einerseits kann man Träger von Gewinnanwartschaften sein, andererseits können Verlustmöglichkeiten bestehen. Die Beziehungen zwischen einer Person und einem Gute, die man auch Wertbeziehungen zu nennen vermag, sind dadurch gekennzeichnet, daß sie bei der beziehungsverknüpften Person überwiegend Lustempfindungen auslösen34. Der Begriff des Gutes ist besonders im philosophischen Schrifttum herausgearbeitet. Dabei findet sich sowohl der Gedanke, daß als Beurteiler der Frage, ob ein Gut vorliege, die beziehungsverknüpfte Person in Betracht komme, als auch die Erkenntnis, daß auf die bei dieser Person ausgelösten Lustempfindungen abzustellen sei3". In überaus interessanter Weise ist der philosophische Gutsbegriff, der sich zuerst bei Plato und Aristoteles findet, in die nationalökonomischen Systeme übernommen worden. Clauß hat dieser Entwicklung des Begriffes des wirtschaftlichen Gutes eine eingehende dogmengeschichtliche Betrachtung gewidmet 38 . Hier kann diese Entwicklung nicht verfolgt werden, es genüge der Hinweis, daß 33 ) Zum Folgenden schon M ö l l e r ZVersWiss. 1934 S. 19—26. — Der Ausdruck Ungut ist zwar unschön, aber schwer ersetzbar: Im philosophischen Schrifttum nennt man den Gegensatz des Gutes Übel (von E h r e n f e l s I S. 7 1 , K r e i b i g S . 18). B i e n e n f e l d S. 383 spricht gelegentlich von (Rechts-)Unwert. M ) Bei der beziehungsverknüpften Person: Es wird also ein subjektiver Maßstab angelegt, sodaß romantische Naturen sehr wohl zu der Locke einer Geliebten in einer Wertbeziehung stehen können. Uberwiegende Lustempfindungen: Die Annahme einer Wertbeziehung wird nicht dadurch ausgeschlossen, daß ihr Vorhandensein zugleich Unlustempfindungen verursacht; notwendig ist nur, daß die Lustempfindungen das Übergewicht besitzen, ein Erfordernis, das sich leicht nachprüfen läßt, indem man an die beziehungsverknüpfte Person die Frage richtet, ob es ihr lieber ist, die betreffende Beziehung zu behalten oder zu verlieren. *•) Die sogenannten subjektiven Güter haben besonders bei M a i e r in dessen Psychologie des emotionalen Denkens eingehende Behandlung erfahren (vgl. M a i e r S. 669). Auf die Lustempfindungen stellt vornehmlich K r e i b i g in seiner psychologischen Grundlegung eines Systems der Werttheorie ab (vgl. K r e i b i g S. 18). Uberall aber tritt bei der Definition des Gutsbegriffes der Wertungsgedanke hervor, sodaß E i s 1 e r in seinem Wörterbuch der philosophischen Begriffe allgemeingültig sagen kann: „Güter sind . . . . Gegenstände, welche positiv wertbehaftet sind" ( E i s l e r I S. 6 1 1 ) . Der in dieser Begriffsbestimmung zum Ausdruck gelangende Gedanke, daß Wertträger die Güter selbst, nicht die Beziehungen der Personen zu ihnen seien, kehrt o f t wieder. Unserer Ansicht entspricht mehr die Definition, welche v o n E h r e n f e l s in seinem System der Werttheorie gegeben hat: „Das Object einer positiven Wertrelation wird ein Gut . . . . genannt" ( v o n E h r e n f e l s I S. 71). M ) C l a u ß S. 1 — 1 3 9 .

11 wie im philosophischen, so auch im nationalökonomischen Schrifttum zahlreiche Äußerungen zu finden sind, die unseren Ausgangspunkt als richtig erweisen 37 . In die Rechtswissenschaft ist der Begriff des Gutes zu Beginn des 19. Jahrhunderts eingeführt 'worden. Aber erst neuerdings beginnt sich die Erkenntnis Bahn zu brechen, daß der Begriff auch außerhalb des Strafrechts weittragende Bedeutung hat 48 . T r o t z aller Verschiedenheit der Ausgangspunkte und Zielsetzungen bei den einzelnen, den Begriff erörternden Rechtsgelehrten schält sich allmählich ein einheitlicher juristischer GutsbegrifF heraus, der mit dem hier an die Spitze gestellten übereinstimmt?9. Den Wertbezienungen stehen die Unwertbeziehungen gegenüber, also Beziehungen zwischen einer Person und einem Ungute, denen es wesentlich ist, daß sie bei der beziehungsverknüpften Person überwiegend Unlustempfindungen auslösen40. Beziehungen einer Person zu einem Etwas, deren Vorhandensein weder überwiegende Lust-, noch überwiegende Unlustempfindungen auslöst, sind in Wahrheit garkeine Beziehungen mehr, es fehlt an S7 ) Auf die Subjektivität des Gutsbegriffes hat nachdrücklichst v o n B ö h m B a w e r k in seinem Werke Rechte und Verhältnisse vom Standpunkte der volkswirtschaftlichen Güterlehre hingewiesen; er betont, „daß jedes Ding nur für ganz bestimmte Subjekte ein Gut sein kann: kein Gut ist absolut ein Gut" ( v o n B ö h m - B a w e r k S. 18). L i e f m a n n stellt in seinen Grundsätzen der Volkswirtschaftslehre — ausgehend von seiner psychischen Auffassung der Wirtschaft — die „Unlustgefühle" in den Vordergrund, die mit der Hingabe von Gütern verbunden sind (vgl. L i e f m a n n I S. 313). Auch im Bereiche der Nationalökonomie wird stets der Wertungsgedanke betont, sodaß M a y e r im Handwörterbuch der Staatswissenschaften den „Begriff der Güter in kürzester Form als Wirtschaftsmittel von Wert fassen" zu können glaubt. Ebendort wird auch der Beziehungsbegriff verwertet, indem festgestellt wird, es sei eine der grundlegenden Erkenntnisse der neueren Theorie, „daß . . . . der Gutscharakter nichts den Dingen an sich als eine objektive Eigenschaft Anhaftendes ist, sondern ihnen von den wirtschaftenden Subjekten beigelegt wird, mithin eine Beziehung der Wirtschaftssubjekte zu den Dingen" voraussetze ( M a y e r bei Elster-Weber-von Wieser IV S. 1273). M ) Ausführliche Nachweise bei B i e n e n f e l d S. 382 Anm. 16. Im natioialsozialistisdien Strafrecht ergibt sich die Gliederung des Rechtsgebietes aus der Art der verletzten Güter: Nationalsozialistisches Strafrecht S. 19—16. " ) Die Subjektivität dieses Begriffes ist zuletzt von S c h ö n f e l d in seiner Abhandlung Rechtsperson und Rechtsgut im Lidite des Reichsgerichts eindringlich hervorgehoben: „Kein Gut ohne Person" ( S d i ö n f e l d in Reidisgerichtspraxis II S. 208, auch B i e n e n f e l d S. 381, J82, M a y e r Rechtsnormen S. 67). Die psychologische Seite hat W o 1 f f in seinem Buche Verbotenes Verhalten in den Vordergrund gerückt: „Gut i. w. S. ist ein Zustand, der die . . . Möglichkeit enthält, Lustgefühle zu erregen" (W o 1 f f Verbotenes Verhalten S. 167, auch M a y e r Rechtsnormen S. 67, dagegen wohl B i e n e n f e l d S. 380 Anm. 11). Daß audi der Wertungsgedanke die ihm gebührende Berücksichtigung findet, bedarf kaum des Nachweises (vgl. nur B i e n e n f e l d S. 380, 381, M a y e r Rechtsnormen S. 64—6j, W o l f f Verbotenes Verhalten S. 167). Hervorzuheben ist aber, daß sich auch Ansätze für die Verwendung des Beziehungsbegriffes zeigen, so bei B i e n e n f e l d in seiner tiefgründigen Arbeit über die Haftungen ohne Verschulden, der betont: „zu einem Gute wird ein Objekt nur dadurch, daß es als Mittel zu Zielen eines Subjektes erfaßt wird, dem es auf Grund einer bestimmten Beziehung zugerechnet wird" (B i en e n f e 1 d S. 380, auch S c h u l z S d i a e f f e r S. 63). *•) Aus dem philosophischen Schrifttum vgl. v o n E h r e n f e l s I S. 7 1 : „Das Object einer negativen Wertrelation wird ein Übel genannt", ferner K r e i b i g S. 18, der den Ausdruck „Unlustquelle" braucht.

12 einem wirklichen ,Beteiligtseini Ein Beispiel bietet ein vom Reichsoberhandelsgericht, entschiedener Fall":« Das Schiff „Continental" hatte an der Westküste Südamerikas schlechtes Wetter zu bestehen, wobei .infolge von Sturzseen und Undichtigkeit des Schifies Seewasser in die Guanoladung eindrang und diese SQ stark durchnäßte, daß sie jeden Wert als Handelsgegenstand verlor, unverkäuflich wurde und über Bord geworfen werden mußte. Hier war die Sache nach ihrer Durchnässung kein Gut mehr, sondern ein Etwas, zu dem keine Wertbeziehung mehr bestand42. Die für einen gewissen Zeitpunkt festgestellte Summe aller Wert- und Unwertbeziehungen einer Person bildet den für sie bestehenden Zustand. Dieser Zustand kann sich in einer für die beziehungsverknüpfte Person vorteilhaften oder nachteiligen Weise verändern. Hier sind nur nachteilige Veränderungen bedeutsam. Sie können in vierfacher Erscheinungsform vorkommen: Eine Wertbeziehung kann entweder zerstört oder beschädigt werden. Wenn beispielsweise gemäß § 617 Abs. 1 HGB. keine Fradit zu bezahlen ist, da die Güter durch irgendeinen Unfall verloren gegangen sind, so geht die Frachtforderung unter. Es wird also eine Wertbeziehung des Verfrachters zerstört. Falls dagegen etwa eine Kaufpreisforderung an Wert verliert, weil der Käufer wegen eines Mangels, den der Verkäufer vertreten muß, gemäß § 46a BGB. Minderung verlangt hat, so ist eine Wertbeziehung des Verkäufers zwar nicht zerstört, aber beschädigt48.' Bei den Unwertbeziehungen gibt es gleichfalls wieder zwei Fälle nachteiliger Veränderung eines gegebenen Zustandes. Eine Unwertbeziehung kann entweder neu entstehen oder eine bereits vorhandene Unwertbeziehung kann unwertvoller werden. Der erste Fall tritt beispielsweise ein, falls ein Lagerhalter nach § 417 Abs. 2 HGB. ersatzpflichtig wird, weil er es versäumt hat, den Einlagerer unverzüglich davon zu benachrichtigen, daß Veränderungen an dem Gute eingetreten sind, welche dessen Entwertung befürchten lassen: Hier wird der Lagerhalter mit einer neuen Schuld belastet, es gelangt eine Unwertbeziehung für ihn zur Entstehung. Der zweite Fall ist gegeben, wenn die bereits vorhandene Schuld eines Kraftfahrzeughalters dadurch anwächst, daß sich die in § 11 KraftfG. erwähnten Bedürfnisse des Verletzten infolge Verschlechterung des Gesundheitszustandes noch weiter vermehren. Die erwähnten vier Erscheinungsformen nachteiliger Veränderungen eines für eine bestimmte Person gegebenen Zustandes — Zerstörung, Beschädigung einer Wertbeziehung; Entstehung, Unwert" ) ROHG. i. 9. 1876 HG2. 1877 Hbl. S. IJJ—IJ8,

Brüders

S. 6 2 — 6 3 .

auch

Ulrich-

" ) Einen weiteren hierhergehörigen Fall behandelt OLG. Hamburg 13. $ 1892 HGZ. 189* Hbl. S. 161—163, a u d l U l r i c h - B r u d e r s S. 63. 43 ) S t a u b Anm. 77 zu § 377, S. 182 hebt mit Recht hervor, daß nicht etwa die Kaufpreisforderung d u Verkäufers voll bestehen bleibt, während eine Gegenforderung des Käufers entsteht. Ebenso D ü r i n g e r - H a d i e n b u r g V i Anm. 226 a der Einl., S. 200, sowie RG. 16. 6. 1906 RGZ Bd. 63 S. 402—403.

13 v o l l e r w e r d e n einer U n w e r t b e z i e h u n g — weisen zugleich hin a u f die v i e r möglichen Erscheinungsformen eines Schadens 4 4 . D e n n jede nachteilige V e r ä n d e r u n g eines f ü r eine bestimmte Person gegebenen Zustandes h a t einen Schaden zur Folge 4 5 . D i e s e auch den V e r t r e t e r n des summarischen Schadensbegriffes geläufige E r k e n n t n i s w i r d v e r tieft durch die L e h r e v o n den vier verschiedenen Möglichkeiten nachteiliger V e r ä n d e r u n g e n 4 6 . D a b e i ist es n u n besonders beachtlich, d a ß in einem k o n k r e t e n Falle ein S c h a d e n nicht nur in einer der v i e r Erscheinungsformen auftreten k a n n , sondern d a ß o f t mehrere Erscheinungsformen m i t einander v e r b u n d e n sind. W e n n beispielsweise ein V i e h h ä n d l e r d a s v e r k a u f t e P f e r d schuldhaft eingehen läßt u n d n u n m e h r der K ä u f e r gemäß § 3 2 5 A b s . 1 B G B . Schadensersatz w e g e n N i c h t e r f ü l l u n g verlangt, so ist d e r Schaden des Viehhändlers nach d e r sogenannten Differenztheorie 4 7 ein z w e i f a c h e r : E i n e W e r t b e z i e h u n g des V i e h händlers g e h t unter, denn die K a u f p r e i s f o r d e r u n g gegen d e n K ä u f e r ist zerstört, f e r n e r entsteht eine U n w e r t b e z i e h u n g f ü r den V i e h händler, denn es erwächst eine Schadensersatzschuld gegenüber dem K ä u f e r 4 8 . N a c h der sogenannten Austauschtheorie geht d i e K a u f p r e i s forderung allerdings nicht unter 4 9 . M ) Ähnlich v o n T u h r SchwOblR. I S. 70 (auch II S. 498): „Ein Schaden kann . . . darin bestehen, daß ein Aktivum des Vermögens wegfällt oder eine Wertverminderung erleidet . . . oder daß . . . eine Schuld hinzukommt oder sich vergrößert". Ansätze bei B e 1 i n g S. 86—87: „Vermögensbeschädigung = a• Entziehung oder Vernichtung eines Vermögensrechts; ß. Entwertung oder Wertverringerung eines solchen; y. Belastung mit einer Pflicht; S- Erschwerung einer bestehenden Pflicht." Der Fall vollständiger Entwertung muß nach unserer Gruppierung der ersten Erscheinungsform zugerechnet werden. Im übrigen wird zu zeigen sein, daß es nicht auf Rechte und Pflichten, sondern auf Güter und Ungüter f ü r die Schadenslehre ankommt. Vgl. auch F r a n k Anm. V 2 zu § 263, S. 588. ,6 ) W a l s m a n n S. 9: „die nachteilige Veränderung des status quo ist stets die Grundlage für den Schaden". Undeutlich S d i m i d t - R i m p l e r bei Ehrenberg V 1 1 S. 904, wonach ein Vermögensschaden nicht nur eine „Vermögensminderung" sein soll, sondern „jede Veränderung des Vermögens, die dem Betroffenen nachteilig ist". Dazu H a r t m a n n S. $7—$8, L ö h l e i n Z H R . 102 S. 248—249, R e i n h a r d t S. 2 j — 2 8 . " ) Das Wort „Veränderung" ist nicht eindeutig. Man kann als nachteilige Veränderung entweder den schadenstiftenden Vorgang bezeichnen, dann hat sie — wie im Text gesagt — den Schaden zur Folge. Oder man betrachtet als nachteilige Veränderung das Ergebeis des schadenstiftenden Vorgangs, dann ist die nachteilige Veränderung mit dem Schaden identisch. Vgl. auch W a l s m a n n S. 25. " ) Es handelt sich hier natürlich nicht um die Theorie der Anhänger des nur summarischen Schadensbegriffes, die gleichfalls zuweilen als Differenztheorie bezeichnet wird (F i s c h e r S. 22, N e u n e r ArchZivPrax. 133 S. 279, R e i n h a r d t S. 40, W a l s m a n n S. 10). *8) Vgl. nur D ü r i n g e r - H a c h e n b e r g I V Anm. 278 der Einl., S. 231 bis 232, S t a u b Anm. 24, 2$ Anh. zu § 374, S. 76$—767, S t a u d i n g e r Vorbem. A , A A , I I I , 1 zu §§ 323—327, S. 476—480 und aus der Rechtsprechung R G . 4. 5. 1927 jurRdsch. 1927 N r . 1386, auch wohl R G . 19. 2. 1930 R G Z . Bd. 127 S. 248. Die meisten Urteile sind zu § 326 Abs. 1 Satz 2 B G B . erflossen, beispielsweise R G . 1 1 . 4. 1902 R G Z . Bd. 50 S. 262—269, 23. 2. 1904 R G Z . Bd. $7 S. 106—108, 1 1 . 1 1 . 1 9 1 3 R G Z . 83 S. 281—282, 8. 4. 1921 R G Z . Bd. 102 S. 62. **) Vgl. nur E n n e c c e r u s - L e h m a n n I I S. 1 8 5 — 1 8 7 , K i s c h Unmöglichkeit S. 132, O e r t m a n n I I 1 Anm. 1 b zu § 3 2 j , S. 281—284, T i t z e Unmöglichkeit S. 183. Dafür ist dann aber die Schadensersatzschuld entsprechend größer.

14 Das Gesagte dürfte den engen Zusammenhang, der zwischen der Schadensersatzlehre und der Beziehungslehre besteht, ersichtlich gemacht haben. Der Beziehungs- und der ihm entsprechende Einzelsdiadensbegriff, die zunächst überjuristisch sind, haben große Bedeutung für die Rechtswissenschaft. Allerdings ist nicht jede Wert- und Unwertbeziehung, nicht jeder Einzelschaden reditlich relevant. Vielmehr ist der juristische Beziehungs- und Einzelschadensbegriff ein engerer. Die Einengung des überjuristischen Begriffes liegt in folgender Richtung: Das Recht befaßt sich nicht mit allen Lebenstatsachen, insbesondere beschäftigt es sidi nicht mit allen Gütern und Ungütern. E>eshalb heben sich unter den Gütern und Ungütern die Rechtsgüter und Reditsungüter als rechtlich relevant — und sonach rechtlich geschützt50 — hervor51. Die Rechtssphäre einer Person bedeutet also nur einen Ausschnitt aus ihrer gesamten Lebenssphäre52. Es ist eine der vornehmsten Aufgaben der Rechtswissenschaft zu prüfen, ob ein Gut oder Ungut würdig ist, rechtlich beachtet zu werden oder zu bleiben. Nur eine Rechtswissenschaft, die dauernd diese Prüfung vornimmt, ist lebensnahe58. Denn nur sie vermag neue Lebenstatsachen reditlich zu erfassen und Überaltertes abzusdiütteln. Audi im „totalen" Staat liegen die Dinge nicht so, daß alle Güter Rechtsgüter sind, sodaß die beiden Begriffe in einen zusammenfallen. Als Schaden kommt juristisch demnach nur die Negation einer Beziehung zu einem Reditsgut und die Entstehung oder Unwertsceigerung einer Beziehung zu einem Rechtsungüt in Betracht54. So entstehen der juristische Beziehungs- und der juristische Schadensbegriff durch eine Verengerung der entsprechenden überjuristischen Begriffe. Nicht richtig ist es, den überjuristischen Schadensbegriff weiter dadurch einzuengen, daß man sagt, eine nachteilige Veränderung des status quo, welche die beziehungsverknüpfte Person selbst verursacht habe, sei kein Schaden55. Ebenso wenig läßt sich behaupten, ein selbst Darauf, daß die rechtliche Anerkennung zugleidi rechtlichen Schutz bedeutet, weist M a y e r Rechtsnormen S. 68 hin. 51 ) B i e n e n f e 1 d S. 381, 382, B i n d i n g I S. 340, v o n LisztS d i m i d t I S. 4, M a y e r Rechtsnormen S. 6$, S c h u l z - S c h a e f f e r S. 68—69, S c h w i n g e S. 59, S o h m J h e r J . 73 S. 272, S t i e r S. 44. sa ) Der Ausdruck Rechtssphäre wird in dem hier zugrunde gelegten Sinn auch von S o h m Iher J . 73 S. 272 benutzt. Unklar E n n e c c e r u s - N i p p e r d e y I S. 198 Anm. 3, die einerseits (vgl. auch S. 200) neben den Rechtsgütern die Lebensgüter als zur Rechtssphäre gehörig aufführen, wobei sie anscheinend beide Begriffe f ü r gleichbedeutend ansehen (a. A . B i e n e n f e l d S. 383, der „Persönlichkeits- oder Lebensgüter" behandelt) und die andererseits S. 397 behaupten, nur die Privatrechte bildeten den Rechtskreis einer Person. M ) Beispiele bei B i e n e n f e l d S. 383, S c h m i d t Einführung S. 3—4. M ) F i s di e r S. 1, T h o n S. 52, W a 1 s m a n n S. 10. M ) So v o n T u h r S. 34 (vgl. allerdings audi die „Ausnahmen" bei v o n T u h r SchwOblR. I S. 69), welcher meint, ein Schaden sei überhaupt nur „ein Vermögensnachtheil, den Jemand ohne sein eigenes Zuthun und gegen seinen Willen erlitten hat". Vgl. auch noch die bei B i e n e n f e l d S. 120 Anm. 104 Angeführten sowie G l a r n e r S. 2—3, I s e l e S. 124, M a n d l S. 132, M a u c z k a S. 14, W a l s m a n n S. 34, 40. Hier liegt eine Verquickung des

15 zugefügter Schaden sei jedenfalls rechtlich unbeachtlich68. Ein zivilrechtlich" bedeutsamer Tatbestand, bei dem der Verletzte sidi selbst Schaden zufügt, liegt beispielsweise dann vor, wenn ein Feuerversicherungsnehmer das feuerversicherte Haus selbst ansteckt (§ 61 V V G . ) , also die versicherte Wertbeziehung selbst beeinträchtigt. Ferner ist an die zahlreichen Fälle des sogenannten Aufwendungsersatzes (§§ 2j6, 2 J 7 BGB.) zu erinnern, bei denen sich der Ersatzberechtigte zunächst selbst einen Schaden zufügt, den er von einem Dritten ersetzt verlangen kann, da er in dessen Interesse gehandelt hat68. Zuzugeben ist allerdings, daß Schäden, die die beziehungsverknüpfte Person sich selbst zugefügt hat, bei der praktischen Rechtsanwendung eine geringere Rolle spielen als andere. Verfehlt wäre es auch, davon auszugehen, das Recht könne nicht darauf abstellen, ob gerade bei der bestimmten beziehungsverknüpften Person überwiegend Lust- oder Unlustempfindungen ausgelöst werden, es befasse sich nur mit Beziehungen, die auch dann, wenn man sie auf andere Personen übertragen denke, überwiegend Lust- oder Unlustempfindungen verursachten08. Demgegenüber ist zu sagen: Auch Wertbeziehungen, denen ein objektiver Wert nicht zukommt, sondern die nur einen subjektiven Wert besitzen, sind rechtlich erheblich60. Dabei ist es allerdings eine andere Frage, ob die Negation einer Wertbeziehung mit nur subjektivem Wert nicht nur einen Schaden, sondern auch einen Vermögen ssdiaden darstellt81. Tatbcstandstückes Schaden mit anderen Tatbestandslücken, nämlich Verhalten und Kausalität (zwischen Verhalten und Schaden) vor. Ob die Kausalität als besonderes Tatbestandstück aufgefaßt werden kann, erscheint allerdings nicht unzweifelhaft. E n g i s ch S. i — 8 7 geht in seiner Arbeit über die „Kausalität als Merkmal der strafrechtlichen Tatbestände" auf diese Grundfrage seines Problems nicht ein. B i e n e n f e l d S. 16$ spricht von „einem haftungsbegründenden und einem Erfolgstatbestandsteil, die durch einen Kausalnexus verbunden sind", aber daß dieser Kausalnexus selbst Tatbestandsstück sei und wie er als solcher zu klassifizieren sei, sagt er nicht. Vgl. aber auch B i e n e n f e l d S. 1 1 9 . 56 ) So F i s c h e r S. i ; richtiger M a u c z k a S. 35, der nur auf „die Frage der H a f t u n g " abstellt. 6? ) Auf die strafrechtliche Bedeutung selbstzugefügten Schadens weist F i s c h e r S. 1 — 2 Anm. 1 unter Anführung von § 142 Abs. 1 StGB. (Selbstverstümmelung) selbst hin, ergänzend sollen im Hinblick auf das Beispiel des Textes nur § 265 Abs. 1 StGB. (Versicherungsbetrug) und § 306 StGB. (Brandgenannt werden. ) Vgl. I s e 1 e S. J7—65, 124. Die Gegenüberstellung von Schadens- und A u f wendungsersatz bei v o n T u h r S. 34 ist also anfechtbar; richtig v o n G i e r k e I I I S. 8$: „Eine Art der Schadensersatzpflicht, für die nur einzelne besondere Regeln gelten, ist die Verpflichtung zum Ersätze von Aufwendungen." 68 ) So B i e n e n f e i d S. 382—383, der S. 382 definiert: „ein objektives G u t ist dann vorhanden, wenn ein Objekt nadi der Deutung eines typischen legitimen Beurteilers als Mittel für die Zwecke eines Subjektes beurteilt wird, dem es auf Grund einer bestimmten Beziehung zugeredinet wird, sofern dieses Subjekt unter Abstraktion von individuellen Eigenschaften und Werthaltungen nur als Sozialsubjekt . . . in Betracht gezogen wird". Vgl. audi B i n d i n g I S. 340—341, H o n i g S. 73. "°) F i s d i e r S. 48. Vgl. auch W a l s m a n n S. 8, der auf das „Gefühl des Nachteils" abstellt. el ) Entsprechendes gilt f ü r Unwertbeziehungen, die nur bei der beziehungsverknüpften Person überwiegende Unlustempfindungen hervorrufen, während bei einer anderen Person, wenn man sich die Beziehung auf sie übertragen vorstellt, vielleicht sogar überwiegende Lustempfindungen ausgelöst würden.

16 Zusammenfassend ergibt sich, daß ein Schaden im Rechtssinne bei Zugrundelegung des zergliedernden Schadensbegriffes vorliegt, wenn eine Beziehung einer Person zu einem Rechtsgut (Wertbeziehung) zerstört oder beschädigt oder eine Beziehung einer Person zu einem Rechtsungut (Unwertbeziehung) entstanden oder unwertvoller geworden ist. Die Vorzüge dieser zergliedernden Bestimmung des Schadensbegriffes liegen auf der Hand: Wird ersichtlich gemacht, welche einzelnen Wertbeziehungen beeinträchtigt sind, so ist auch eine Naturalherstellung dieser Wertbeziehungen möglich. Ein Schaden im Sinne des summarischen Schadensbegriffes dagegen kann als solcher im Wege der Naturalherstellung nicht ersetzt werden. Der zergliedernde Schadensbegriff — und nur er — läßt auch für eine wirkliche Vorteilsausgleichung Raum: Jener Pferdekäufer, der einen Schadensersatzanspruch gemäß § 325 Abs. 1 Satz 1 BGB. geltend machen kann, hat einen Schaden erstens dadurch erlitten, daß seine Forderung gegen den Viehhändler untergegangen ist, zweitens etwa dadurch, daß eine Gewinnanwartschaft zerstört ist — der Käufer konnte das Pferd nutzbringend weiterverkaufen —, andererseits hat er einen Vorteil dadurch erlangt, daß er — bei Zugrundelegung der Differenztheorie — den Kaufpreis nidit mehr schuldet62. Bei Anwendung der Austauschtheorie taucht allerdings das Problem der Vorteilsausgleichung nicht auf, da die Kaufpreisforderung nach ihr nicht untergeht. Der Begriff des Vorteils bei der Vorteilsausgleichung entspricht dem Begriff des Einzelschadens: Es gibt vier Erscheinungsformen des Vorteils, nämlich Entstehung oder Wertvollerwerden einer Wertbeziehung, Wegfall oder Wertvollerwerden einer Unwertbeziehung. Ebenso wie der Begriff der auszugleichenden Vorteile ist übrigens im Bereicherungsrecht der Begriff der Bereicherung zu bestimmen. Wenn man das Problem der Nachteilsausgleichung im Bereicherungsrecht klar erkennen will, darf man nicht einen summarischen Begriff, sondern muß einen zergliedernden Begriff der Bereicherung zugrundelegen63. So erweist sidi nicht nur im Schadensersatzrecht, sondern auch anderswo der zergliedernde Schadensbegriff als brauchbar. Als unleugbarer Naditeil ist es anzunehmen, daß der zergliedernde Schadensbegriff zu einer Zerstückelung des Schadens führt, die überall dort unzweckmäßig erscheint, wo der Schaden im Sinne des summarischen Schadensbegriffes voll zu ersetzen ist und ®2) Ober die Vorteilsausgleithung bei der Differenztheorie D ü r i n g e r H a d i e n b u r g I V Anm. 278 der Einl., S. 232, S t a u d i n g e r Vorbem. A, A A , ITI, 1 zu §§ 323—327, S. 479. 63 ) Der summarische Begriff der Bereicherung findet sich bei v o n T u h r in FestgBekker S. 303, R G . 3. 7. 1933 R G Z . Bd. 1 4 1 S. 3 1 0 — 3 1 2 = JurRdsch 1933 N r . 1842. Dazu vgl. W i l b u r g S. 142—143. Über das vielbehandelte Problem der Nachteilsausgleichung s. besonders W i l b u r g S. 1 4 1 — 1 6 2 . — Daß es unangängig ist zu sagen, der Schaden sei immer mindestens so groß wie die Bereicherung des Schädigers, eine im Patentrecht beliebte Wendung, haben besonders F r a n k e S. 4—14, O r t h S. 7—30 nachgewiesen.

17 wo auch die besonderen Fragen der Naturalherstellung und Vorteilsausgleichung nicht auftauchen. I I I . Die knappe Gegenüberstellung des. summarischen und des zergliedernden Schadensbegriffes läßt das Problem entstehen, welcher der beiden Begriffe im Laufe der Rechtsentwicklung für die Gesetzgebung jeweils im Vordergrund gestanden hat. Hier soll diese Frage nicht derart beantwortet werden, daß in eingehenden quellenkritischen Untersuchungen der jahrhundertelange Kampf, den Summen- und Einzelschadensbegriff gegeneinander .ausgefochten haben, geschildert wird: Nur die Hauptergebnisse dieses Kampfes sollen kurz herausgestellt werden. Schon bei oberflächlicher Prüfung zeigt sich, daß auf der ersten Stufe rechtsgeschichtlicher Entwicklung sowohl das deutsche als auch das römische Recht von dem zergliedernden Schadensbegriff beherrscht wurde. , Für das ältere deutsche Recht ergibt sich das ohne weiteres daraus, daß der Schuldner grundsätzlich nicht Geld-, sondern Naturalersatz zu leisten hatte64. Denn — wie schon dargelegt65 — besteht die Eigenart des Naturalersatzes ja grade darin, daß die einzelnen beeinträchtigten Wertbeziehungen als solche wiederhergestellt werden, sodaß nach der Erbringung der Schadensersatzleistung der Geschädigte zu gleichartigen Gütern in ^ertbeziehungen steht wie vor der Schädigung68. Der am häufigsten in den Quellen, besonders in den Volksrechten, erwähnte Fall ist der des Naturalersatzes von Vieh, war doch auch „in Folge der in altgermanischer Zeit von jedem Freien betriebenen Landwirthschaft die Möglichkeit einer Befriedigung des Verletzten durch ein vollkommen gleiches Thier am leichtesten geboten"87. Der soziologischen Struktur jener Zeit entspricht es weiterhin, daß in den Quellen der „Ersatz eines gleichwertigen O b j e c t e s . . . . auch in den Fällen" o f t erwähnt wird, „in denen es sich um die Beschädigung von Feldfrüchten, Weinstöcken oder dergl. handelt"68. Im Gegensatz zum deutschen Recht herrschte im römischen Recht der Geldersatz vor 69 , der aber ausnahmsweise auch schon im älteren deutschen Recht, besonders im Volksrecht der Salfranken 70 gelegent" ) Dazu v o n A m i r a S. 246, Nordgerm.Obligationen!*.. I S. 460—464, I I S. $57—5$9, B a u r S. 3$, F i s d i e r S. 1 6 0 — 1 6 1 , v o n G i e r k e I I I S. 7$, S d i m i d t S. 58—62. 6e ) Vgl. oben S. 8—9. m ) Eine Naturalherstellung ist auch dann möglich, wenn der Schaden in der Entstehung oder dem Unwertvollerwerden von Unwertbeziehungen besteht: Beispielsweise ist die Befreiung von einer Verbindlichkeit Naturalherstellung (so schon M ö l l e r J W . 1934 S. 1077). 87 ) S d i m i d t S. 60. S c h m i d t . S. 60. e8 ) Vgl. nur D e g e n k o l b ArdiZivPrax. 76 S. 10, 47—48. 70 ) S ch m i d t S. $9 meint, es müsse „die unmittelbare Restitution des fremden Eigenthumsobjects in der lex Salica als eine Ausnahme bezeichnet werden. Es ist dies jedoch nur für die lex Salica zutreffend; eine Verallgemeinerung dieses Satzes und eine Ausdehnung desselben auf andere Volksredite würde unrichtig sein". Auch W a i t z S. 197 sagt: „Vielleicht ist hie und da, wenn die Sache selbst noch vorhanden war, an die unmittelbare Restitution derselben gedadit . . ; doch die Regel sdieint dies nicht gewesen zu sein."

18 lieh eine Rolle spielt. Damit ist jedoch nicht gesagt, daß der EinzelsdiadensbegrifF insoweit durch den Summenschadensbegriff ersetzt wurde. Denn Geldersatz kann sowohl dann geschuldet werden, wenn der Schädiger den vollen Summenschaden ersetzen muß, wie dann, wenn er nur für gewisse Einzelschäden aufzukommen braucht. In den Anfängen des Geldersatzes war es nun aber so, daß der Schädiger nur Einzelschäden in Geld zu ersetzen brauchte, man kannte noch keinen vollen Summenschadensersatz. Das läßt sich am besten an Hand des Falles der Sachbeeinträditigung verdeutlichen71. Hier war zunächst nur der reine Sachschaden zu ersetzen. Was ist der Sachschaden? Wird die Wertbeziehung zu einer Sache zerstört oder beschädigt, so erwächst der beziehungsverknüpften Person mindestens immer ein Schaden in Höhe des beeinträchtigten Wertes der Sache, und das ist eben der Sachschaden. Darüber hinaus wird aber sehr oft zugleich auch weiterer Schaden entstehen, man denke nur daran, daß der Geschädigte ein Kaufmann sein kann, der die zerstörte Sache unter Ausbedingung einer Vertragsstrafe für den Fall der Nichtlieferung verkauft hat 72 oder der die zerstörte Sache mit besonders hohem Gewinn weiterverkaufen konnte. In beiden Fällen wird nicht nur die Wertbeziehung zu der Sache beeinträchtigt. Im ersten Falle entsteht außerdem eine Unwertbeziehung, im zweiten Falle wird auch die Wertbeziehung zu einer Gewinnanwartschaft vernichtet. Eine junge Rechtsordnung sieht aber nur die Beeinträchtigung der Wertbeziehung zur Sache und läßt jeden weiteren Schaden grundsätzlich außer Acht73. Das römische Recht hat deshalb im ersten und dritten Kapitel der Lex Aquilia die Höhe des im Falle der Sachbeeinträchtigung zu ersetzenden Schadens mit den Worten „quanti id in eo anno plurimi fuit" 74 und „quanti ea res erit in diebus triginta proximis"76 umschrieben. Die Klage konnte demzufolge ohne Rücksicht auf den 7 1 ) Auch auf die Entwicklung der Lehre v o m Schuldnerverzug kann verwiesen werden. Solange der Summenschadensbegriff noch keine Rolle spielte, kamen nur Verzugsfolgen mit Poenalcharakter in Betracht. D e r Ersatz des Verzugsschadens findet sich erst auf einer höheren Entwicklungsstufe, nämlich erst, als man berücksichtigte, daß im Falle einer Forderungsverletzung nicht nur ein Schaden in H ö h e des Wertes der verletzten Forderung (Einzelschaden) entstehen kann, sondern auch weiterer Schaden, der sich lediglich bei summarischer Betrachtungsweise ergibt (Summenschaden). „ D e r Schadensersatzansprudi des Mittelalters ist durch Abstreifung der ihr anhaftenden pönalen Elemente aus der Verzugsbusse herausgewachsen" ( M i t t e i s S. 6 j ) . Diese Entwicklung ist besonders aufgezeigt von H e y m a n n S. 23, 28—29, 47, 57, 65, M i 1 1 e i s S. 2 6 — 2 7 , 4 1 — 6 $ , 9 1 — 9 2 , vgl. auch G i e r k e S. I6J—166, L ö n i n g S. 2$o—266, 302—322, N e u m a n n S. 1 4 7 — 1 5 1 , S t o b b e Handbuch I I I S. 227-—229. Weiteres über die Berücksichtigung des Verzugsschadens vgl. unten S. 20 A n m . 86. — Für das römische Kaufrecht vgl. R a b e 1 S. 4 7 5 — 4 7 7 . 72 ) Diesen Fall heben hervor F i s c h e r S. 3 6 — 3 7 , H e c k Haverei S. 32, S o m m e r S. 7.6. ™) V g l . F i s c h e r S. 25, 39. 7 ) L. 2 pr. Dig. ad legem Aquiliam (9.2.), auch G a i u s III. § 2 1 a P e r n i c e S. 1 1 . n ) L. 27 § j D i g . ad legem Aquiliam (9. 2.), auch G a i u s III. § 218 P e r n i c e S. 11.

19 wirklich erlittenen Schaden im Falle der Tötung von Sklaven oder vierfüßigem Tier nur auf den höchsten Wert gerichtet werden, den die zerstörte Sache im letzten Jahre hatte, während im Falle anderen Sachschadens der höchste Wert zugrunde gelegt wurde, den die Sache im letzten Monat besaß79. Die Beschränkung des Schadensersatzes durch die Worte „quanti res est" findet sich im frühen römischen Recht vielfach". Zuweilen werden auch andere Wendungen gebraucht78. Im älteren deutschen Recht, soweit es ausnahmsweise Geldersatz kennt, ist die Rechtslage nicht anders. So heißt es etwa in der Lex Salica 79 : „Si quis animal aut caballum vel quolibet peccus in messe sua invenerit, penitus eum ledere non debet. Quod si fecerit et confessus fuerit, capitale in locum restituât, ipsum vero debilem 3uod percussit ad se recipiat." 80 Unter „capitale" ist nur der Wert er Beziehung zu der beeinträchtigten Sache zu verstehen81, der weitere Schaden blieb also außer Betracht82. Selbstverständlich drängte sich bald die Beobachtung auf, daß die Wendungen „quanti res est" und „capitale" den vollen Schaden nicht zu erfassen pflegten. Der Schritt vom zergliedernden zum summarischen Schadensbegriff wurde aber zunächst nicht getan. Ohne den zergliedernden Schadensbegriff aufzugeben, griff man zu einer Zwischenlösung, nämlich zu einer standardisierten Berücksichtigung des Mehrschadens83, wie man den Unterschied zwischen dem vollen Schaden und dem bloßen Sachschaden nennen kann 84 . Diese Entwicklung ist nicht leicht aufzuzeigen, weil die Rechte der römischen und germanischen Frühzeit eine scharfe Trennung zwischen Schadensersatz und Strafe nicht durchgeführt haben85. 7e ) Über die Sachwertberechnung B e s e l e r ZRG. (R.) Bd. 50 S. 25—jo. Über die Bedeutung der Abstellung auf den Höchstwert vgl. unten S. 20. " ) Vgl. M o m m s e n S. 46—$5. ™) Vgl. F i s d i e r S. 34 Anm. 3, M o m m s e n S. 68—70. ™) Lex Sal. 10. 1, 2. Zitate hier nach E c k h a r d t I S. 2—98. Vgl. auch Lex Sal. 10. 6: „Si quis animal vel quolibet peccus per su am neglegentiam nocuerit et hoc domino eius confessus fuerit, capitale in locum restituât et illud debile ad se recolliget." 81 ) So F i s d i e r S. 34 Anm. 3, G r i m m II S. 222-^223, H e u s l e r I S. 63, P l a n i t z S. 23 Anm. 6, S c h m i d t S. 16—17, W a i t z S. 197, v o n M o r i n g e n S. 71—72. 82 } Vgl. audi v o n A m i r a Nordgerm. ObligationenR. I S. 466, II S. 559, H a m m e r S. 64—6j, 76, H e u s l e r I S. 63, S c h m i d t S. 16—17, S t o b b e S. 32. 83 ) Für das römische Recht vgl. F i s c h e r S. 39, J h e r i n g Geist II S. 113—120, für das deutsche Recht vgl. F i s d i e r S. 39—40 Anm. 14, H e u s l e r I S. 64, S t o b b e S. 32, Handbuch III S 384. 84 ) § 463 Abs. 1 HGB. spricht satt von Mehrschadensersatz von dem „Ersatz des weiter entstandenen Schadens", der im Eisenbahnfrachtrecht bei Angabe des Interesses an der Lieferung auch dann verlangt werden kann, wenn der Schaden nicht durdi Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit der Eisenbahn herbeigeführt ist (vgl. § 457 Abs. 3 HGB.). w ) Dazu für das römische Redit von J h e r i n g Geist II S. 118—119, M a n g e l s d o r f f S. 20, v o n S a v i g n y V S. 51, T h o n S. 63, W a l s m a n n S. 16, für das deutsche Redit v o n A m i r a Nordgerm. ObligationenR. I S. 466, v o n G i e r k e III S. 76—77, M a n g e l s d o r f f S. 2 1 , S t o b b e S. 33, W a l s m a n n S. 19.

20 I m m e r h i n gibt es gerade aus d e m G e b i e t d e r Sachbeeinträchtigung 8 8 , das als p a r s p r o toto hier in den V o r d e r g r u n d g e r ü c k t ist, einige Beispiele, die u n z w e i f e l h a f t d e m reinen Schadensersatzrecht a n gehören 8 7 . D i e L e x A q u i l i a billigt demjenigen, dessen Sache zerstört ist, nicht nur d e n S a c h w e r t zur Z e i t der S c h a d e n s z u f ü g u n g z u , sondern d e n H ö c h s t w e r t , den d i e Sache w ä h r e n d des letzten J a h r e s b e z w . der letzten dreißig T a g e v o r der S c h a d e n s z u f ü g u n g besessen hat. D i e D i f f e r e n z zwischen d e m H ö c h s t w e r t u n d d e m W e r t a m Schadenstage geht über den Sachschaden hinaus u n d f ü h r t e z u einer standardisierten Berücksichtigung des Mehrschadens. E i n e S t a n d a r d i s i e r u n g liegt insofern v o r , als d e r Unterschiedsbetrag o h n e Rücksicht d a r a u f erstattet w e r d e n m u ß , o b u n d in welcher H ö h e ein Mehrschaden eingetreten ist. D i e A r t u n d W e i s e d e r S t a n d a r d i s i e r u n g entspricht einer klugen E r w ä g u n g 8 8 : Innerhalb des Mehrschadens spielt der entgangene G e w i n n d i e H a u p t r o l l e . W e n n eine Sache in der V e r gangenheit starke W e r t s c h w a n k u n g e n erlitten h a t , so sind auch f ü r die Z u k u n f t solche W e r t s c h w a n k u n g e n z u e r w a r t e n 8 9 . S o zeigt sich, d a ß der Mehrschaden schon im R a h m e n d e r L e x A q u i l i a s t a n d a r d i siert berücksichtigt w u r d e . 86 ) Über die standardisierte Berücksichtigung des Mehrschadens beim Schuldnerverzug (vgl. oben S. 18 Anm. 7 1 ) besonders aufschlußreich N e u m a n n S. 143, 146—160. Die Vorschrift des § 288 Abs. 1 Satz 1 B G B . über die gesetzlichen Verzugszinsen ist nur unter dem Gesichtspunkt des standardisierten Mehrschadensersatzes zu verstehen (vgl. R G . 4. 3. 1918 R G Z . Bd. 92 S. 284), wobei aber § 288 Abs. 2 BGB. ergibt, daß der Gläubiger jetzt auch über den Standardbetrag hinaus den Summensdiaden ersetzt verlangen kann, wenn er den entsprechenden Beweis führen kann. Für das Schweizer Recht vgl. v o n T u h r SchwOblR. I S. 105, II S. $42—$43, unrichtig O s e r Anm. 24 zu Art. 43, S. 314. 87 ) Vgl. P e r n i c e S. 1 1 8 — 1 3 1 einerseits, B r u n n e r - v o n S c h w e r i n I I S. 812, G o l d m a n n Z R G . (G.) Bd. $2 S. 43—$2, M a n g e l s d o r f f S. 22, S di m i d t S. 9—10 andererseits. Vgl. aber auch v o n T u h r Schätzung S. 1—8 und im Anschluß an ihn L e o n h a r d bei Pauly I V S. 2065, welche meinen, es handle sich gar nidit um eine Standardisierung des Mehrschadens, sondern um eine Beweisregelung für den Riditer, der nur solchen Zeugen usw. bei der Schätzung des Wertes der Sache im Zeitpunkt des Schadenseintritts Glauben schenken solle, welche die Sadie vor verhältnismäßig kurzer Zeit gesehen hätten. 88 ) Bei diesem Gedankengang fällt übrigens auf, daß es im ersten Kapitel der Lex Aquilia zwar „ f u i t " , im dritten Kapitel aber „erit" heißt. Man hat diesen Unterschied mit der Behauptung für unbeachtlich erklärt, daß sich in beiden Fällen „die Schätzung auf die Zeit vor der Beschädigung beziehe", in beiden Fällen sei das Futurum empfehlenswert, denn ersetzt werden müsse, „wieviel der Richter finden wird, daß die Sache werth gewesen sei" (P e r n i c e S. 15). Das erscheint aber, wie auch P e r n i c e S. 239—240 durchblicken läßt, nicht ganz unproblematisch. Ist die Heranziehung der künftigen Entscheidung des Richters für die Erklärung der futunsdien Form nicht reidilich gekünstelt? Mußte in den Fällen des dritten Kapitels der Lex Aquilia nicht doch vielleidit abgewartet werden, welchen Wert die Sache in den nächsten dreißig Tagen nach Schadenseintritt gehabt hätte? Ist das richtig, so würde es sich zwar immer noch um eine standardisierte Berechnung des Mehrschadens handeln, aber um eine solche, bei der der entgangene Gewinn in vortrefflicher Weise erfaßt wurde. Dreißig Tage werden meist auch zwischen Schadensverursachung und Schadensersatz verflossen sein. Nicht allerdings ein Jahr. So erklärt es sich vielleicht, daß es im ersten Kapital „ f u i t " , nicht „erit" heißt. Auch das Wort „proximis" spricht f ü r die hier angeregte Auslegung des dritten Kapitels.

21 Das Volksrecht der Salfranken kennt neben dem „capitale" die „delatura", die in anderen Quellen „dilatura", „dilatio", „wirdria", „wirdira" genannt wird 80 . Derjenige, der in seinem Kornfeld ein Rind oder ein Pferd oder irgendein Stück Vieh findet und beschädigt, muß — falls er leugnet — nicht nur das „capitale" leisten81: „Si vero confessus non fuerit et inde fuerit convictus, D C denariis qui faciunt solidos X V culpabilis iudicetur excepto capitale et delatura", er muß also eine Strafe von 600 Pfennigen = i j Schillingen, das „capitale" und die „delatura" zahlen92. Die „delatura" war von vornherein gesetzlich in festen Beträgen angesetzt, also ohne Rücksicht auf den wirklichen Mehrschaden standardisiert 98 . Sie sollte vermutlich besonders die Nachteile ersetzen, die dem Verletzten daraus erwuchsen, daß er die Sache entbehren oder auch Kosten aufwenden mußte, um sie wieder zu erlangen 94 . Die Gründe für die Anwendung des zergliedernden Schadensbegriffes und die allenfalls standardisierte Berücksichtigung des Mehrschadens lassen sich ohne Schwierigkeiten ermitteln. Zugunsten des zergliedernden Schadensbegriffes, also der primären Berücksichtigung des Sachschadens, „wirkt die einer früheren Periode eigene sinnliche, naive Vorstellung der Dinge, welche mehr auf die äußere Erscheinung sieht" 95 . Mit dieser Plastik ursprünglichen Rechtsdenkens geht eine Vorliebe für Generalisierung96 und Schabionisierung97 Hand in Hand, die besonders im Schadensersatzrecht zum Ausdruck kommt. Schließlich erklärt sich die Regelung der früheren Rechtsquellen teilweise sicherlich auch daraus, daß die mangelnde Ausbildung der Lehre vom Kausalzusammenhange die Gefahr bedeutender Rechtsunsicherheit heraufbeschwor. Der Mehrschaden läßt sich nur dann in scharfer Weise abgrenzen, wenn die Lehre vom Kausalzusammenhange herangezogen wird. Die jungen Rechtsordnungen aber sind „von bewußter Abstraktion sehr weit entfernt" 98 . ••) Vgl. B r u n n e r - v o n S c h w e r i n II S. 809. M ) Lex Sal. 10. 3. u ) Das gilt nach Lex Sal. 10. 7 auch für denjenigen, der leugnet, ein Rind oder irgendein Stück Vieh durch seine Unachtsamkeit beschädigt zu haben: „Si vero negaverit, sed tarnen convictus fuerit, DC denariis qui faciunt solidos X V culpabilis iudicetur excepto capitale et delatura." M ) Vgl. B r u n n e r - v o n S c h w e r i n I I S. 812, M a n g e l s d o r f f S. 22. M ) Vgl. B r u n n e r - v o n S c h w e r i n II S. 812, F i s c h e r S. 39 Anm. 12, S d i r ö d e r - v o n K ü n s z b e r g S. 377, W a i t z S. 197—200, v o n W o r i n g e n S. 84—87. — G o l d m a n n ZRG. (G.) Bd. 52 S. 43—52 meint, es handle sich um den Ersatz des Angeberlohns; auch diesenfalls liegt standardisierter Schadensersatz vor, dagegen aber schon v o n W o r i n g e n S. 75—78. "") H a m m e r S. 62, audi W ü s t e n d ö r f e r S. 322. Deshalb stehen auch die damna corpori data im Vordergrund: F i s d i e r S. 38, H a m m e r S. 1, W a l s m a n n S. 19. M ) v o n J h e r i n g Geist II S. 92, der diese Vorliebe aus dem Gleichheitstrieb des älteren römischen Rechts erklärt, und ihm folgend v o n T u h r Schätzung S. 2. ,7 ) F i s c h e r S. 38, H e u s l e r I S. 64, M a n g e l s d o r f f S. 20. 98 ) H a m m e r S. $7.

22 Bei alledem nimmt es nicht wunder, daß der Übergang vom zergliedernden zum summarischen Schadensbegriff sich erst sehr spät und zögernd vollzogen hat 89 . Sieht man auf diese reditsgeschichtliche Entwicklung, so ist in der T a t der summarische SdiadensbegrifF der „entwickeltere und vollendetere" 100 . Selbst das spätrömische Recht hat die Lex Aquilia nicht angetastet. A n den althergebrachten Formeln wurde festgehalten. Aber die Worte machten einen gewichtigen Bedeutungswandel durch: Der Verletzte konnte in der späteren Zeit den vollen Schaden ersetzt verlangen 101 . „Illud non ex verbis legis, sed ex interpretatione placuit non solum perempri corporis aestimationem habendam esse."102 „Es ist anzunehmen, daß sich diese Erweiterung des Schadensersatzes allmälig und nicht ohne Widerstand vollzogen hat." 103 Bezeichnenderweise fühlte sich aber der römische Jurist keineswegs befriedigt, nachdem er den Schritt vom zergliedernden zum summarischen Schadensbegriff gewagt hatte 104 . Justinian105 berichtet: „diubitationes . . . in infinitum productae sunt" und erläßt eine Konstitution de sentenüiis, quae pro eo quod interest proferuntur, nach welcher „in Omnibus casibus, qui certam habent quantitatem vel naturam", der Richter den Schaden nicht über den Betrag des Doppelten hinaus ansetzen sollte. Wieder wurde also eine Höchstgrenze geschaffen108. In dem deutschen Recht ist die Entwicklung noch langsamer vor sich gegangen. Selbst das Allgemeine Landrecht für die Preußischen Staaten, das doch sonst besonders im Schuldrecht in weitem Umfange römisch-rechtlichen Rechtsfiguren Raum gegeben hat 107 , hat den zergliedernden Schadensbegriff noch beibehalten108. Für den Fall der Sachbeeinträchtigung gilt 108 : „Ist der Schade durch ein mäßiges oder "*) Vgl. v o n j h e r i n g Geist II S. 120 Anm. 138, M o m m s e n S. 48—49, v o n T u h r GrünhZ. 2$ S. 545. 10°) F i s c h e r S. 24, auch M a t a j a S. 191. 101 ) Vgl. F i s d i e r S. 34 Anm. 3, v o n j h e r i n g Geist II S. i i j Anm. 125, J ö r s S. 178, M a n g e l s d o r f f S. 21, M o m m s e n S. 47—48, P e r n i c e S. 240, v o n S a v i g n y V S. 443—444, abweichend v o n T u h r Schätzung S. 9—20» Es wurde auch nicht mehr verlangt, daß der Schaden corpori zugefügt sei: D e m b ü r g II S. 826, G i r a r d II S. 4 j i , W i n d s d i e i d II S. 973—974. 1 M ) Inst. 4, 3.de lege Aquilia, io. 103) v o n T u h r Schätzung S. 9, der übrigens darauf hinweist, daß schon L a b e o „über den Sachwerth hinaus" geht. Dazu vgl. P e r n i c e Labeo S. 180, 181 über dir Berechnung des Interesses. 10 ') F i s d i e r S. 42. — Dabei mag der von M a n g e l s d o r f f S. 21 angeführte Umstand mitgespielt haben, daß „in der römischen Kaiserzeit ein Meineid zu den Alltäglichkeiten gehörte". 105 ) Cod. 7, 47109) H a s e n ö h r l I i S. 263 Anm. 80 bezeichnet die Vorschrift als absonderlich, vgl. audi v o n J h c r i n g Vermischte Schriften S. 217 Anm. 109. Es ist anzunehmen, daß die Hödistgrenze auch im Bereiche der Lex Aquilia Geltung beanspruchte, denn die Konstitution beschränkte sich nicht auf Kontraktsfällc, und bei der Lex Aquilia handelt es sich wohl auch um einen sogenannten casus certus. Dazu C o h n f e l d t S. 39—5$. 107 ) Vgl. F ö r s t e r - E c c i u s I S. 20. " • ) D e r n b u r g PreussR. S. 182, M a n g e l s d o r f f S. 24. 10») ALR. I 6. § 88.

23 geringes Versehen entstanden, so darf nur der, zur Zeit der Schadenszufügung vorhanden gewesene, gemeine Werth ersetzt werden." Bei grobem Versehen und bei Vorsatz hat allerdings „der Beschädiger auch für den außerordentlichen Werth" 1 1 0 aufzukommen, und dieser ist mit dem vollen Schaden gleichbedeutend 111 , was allerdings aus den Worten „außerordentlicher Werth" kaum erschlossen werden kann. Der Standpunkt des spätrömischen Rechts ist also nur halb übernommen, eine Kompromißlösung, die teils begrüßt, teils kritisiert worden ist 112 . Erst das Bürgerliche Gesetzbuch hat für das deutsche Recht den summarischen Schadensbegriff in § 249 Satz 1 BGB. zur grundsätzlichen Anerkennung gebracht 1 ". Noch im ersten Entwurf wirkten dabei aber die Gedanken des Allgemeinen Landrechtes nach 114 ; hieß es dort doch noch 116 : „Ist als Schadensersatz der Werth eines Gegenstandes zu ersetzen, so ist nicht blos der gemeine Verkehrswerth, sondern auch derjenige Werth maßgebend, welchen der Gegenstand für den Gläubiger nach den besonderen Verhältnissen hatte (außerordentlicher Werth)." Die Bestimmung, die unter dem außerordentlichen Wert, wie das Allgemeine Landrecht, den Summenschaden verstehen wollte, ist gestrichen worden 119 . Für das geltende deutsche Recht gilt der Grundsatz, daß der Schuldner vollen Schadensersatz zu leisten habe 117 . Dieser Grundsatz kennt aber Ausnahmen, auf die später zurückzukommen sein wird 118 . I V . Zunächst soll noch die Frage untersucht werden, ob im geltenden ausländischen Recht das Summen- oder das Einzelschadensprinzip herrscht. Hier ergibt sich, selbst wenn man nur Österreich, die Schweiz, Frankreich, Italien, Großbritannien und die Vereinigten Staaten ins Auge faßt, ein buntes Bild: Der Schritt vom Einzel- zum Summenschaden ist in Österreich noch nicht vollzogen. Beide Schadensbegriffe stehen dort gleichberechtigt nebeneinander: „Betrifft der Ersatz nur den" Einzelschaden, „so wird er eigentlich eine Schadloshaltung; wofern er sich aber" auf den 110 )

ALR. 1 6 . §85, 86. ) So F i s c h e r S. 34, 43, F ö r s t e r - E c c i u s I S . 561. In A L R . 1.6. § 8j kommt obendrein noch der Höchstwert der Lex Aquilia wieder zum Vorschein, eine Tatsache, die angesichts der in dieser Vorschrift erfolgten Übernahme des summarischen Schadensbegriffes wenig folgerichtig erscheint (K o eh I S. 306 Anm. 74;. lu) F ö r s t e r - E c c i u s I S. 559 Anm. 58. — Über die im Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuch enthaltene Kompromißlösung W a l s m a n n S. 25—2 6. 113 ) Vgl. auch §§ 268 Ziff. 3, 287 Abs. 1 Satz 1 ZPO., wo von dem Interesse — teilweise zugleich auch von dem Schaden — die Rede ist. Diese Nebeneinanderstellung von Interesse und Schaden ist jetzt überflüssig ( S t e i n - J o n a s Anm. I 1 zu § 287 Fußnote 3, S. 828), über ihren Ursprung: S k o n i e t z k i G e l p c k e Anm. 3 zu § 287, S. 751. 114 ) F i s c h e r S. 44, M a n g e l s d o r f f S. 25—26. m ) § 220 Entwurf I. 116 ) Protokolle I S. 297. 1 1 7 ) Vgl. C o s a c k I S. 399, E n n e c c e r u s - L e h m a n n II S. 41, F i s c h e r S. 44, v o n G i e r k e III S. 78—79, H e c k S. 38, Neuner ArchZivPrax. 133 S. 278. 115 ) Vgl. unten S. 84—110. m

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24 Summenschaden „erstreckt, volle Genugtuung genannt" (§ 1323 Satz 2 ABGB.) 1 1 9 . Dem Grundsatz, nach welchem die Bereiche des Einzel- und Summenschadens voneinander abgegrenzt sind, enthält § 1324 Satz 1 ABGB.: „In dem Falle eines aus böser Absicht, oder aus einer auffallenden Sorglosigkeit verursachten Schadens ist der Beschädigte volle Genugtuung, in den übrigen Fällen aber nur die eigentliche Schadloshaltung zu fordern berechtigt." Dieser Grundsatz gilt nicht nur für das Recht der unerlaubten Handlungen, sondern besonders auch bei Vertragsverletzungen 120 . Jedoch bleibt er gemäß Art. 283 A H G B . bei Handelsgeschäften außer Anwendung, hier herrscht also der Summenschadensbegriff121, wobei für die Ermittlung des Summenschadens von der herrschenden Meinung das Gesetz von der adaequaten Verursachung zugrundegelegt wird 122 . Für den Fall der Sachbeschädigung ist der Einzelschadensersatz in § 1332 ABGB. nochmals präzisiert: „Der Schade, welcher aus einem minderen Grade des Versehens oder der Nachlässigkeit verursacht worden ist, wird nach dem gemeinen Werte, den die Sache zur Zeit der Beschädigung hatte, ersetzt" 123 . Das, wie man es nennen kann, Dualitätsprinzip des österreichischen Rechts ist stark umstritten. Zu den grundsätzlichen Anhängern zählt Ehrenzweig124: Zwar erhalte der durch ein geringes Versehen Geschädigte nicht immer eine ausreichende Entschädigung. Aber der Gesetzgeber müsse erwägen, daß es auch hart für den Beschädiger sei, wenn er einen kleinen Fehler vielleicht mit seinem ganzen Vermögen bezahlen müsse. Es sei nur zu bedauern, daß das Gesetz nicht neben der Berücksichtigung des Schuldgrades jene der Vermögensverhältnisse beider Parteien fordere, ein Gesichtspunkt, der aber in der Rechtsprechung zum Durchbruch komme. Demgegenüber wird von l i e ) Das Gesetz sagt statt „nur den Einzelschaden": „nur den erlittenen Sdiaden", dem an Stelle des Summenschadens der „erlittene Sdiaden" zuzüglich des entgangenen Gewinns gegenübergestellt wird. Man ist sich aber darüber einig, daß der „erlittene Schaden" nur der Einzdsdiaden ist. Wenn also infolge Zerstörung einer Sache der Eigentümer einem Dritten eine Vertragsstrafe zahlen muß, so steht dafür ebenso wie für entgangenen Gewinn der Ersatzpflichtige beim Einzelschadensersatz nicht ein. F r ö h l i c h ZBlJurPrax. 1931 S. 541 weist mit Recht darauf hin, daß der Einzelschaden auch entgangener Gewinn sein kann, so wenn nur eine Gewinnanwartschaft (Kundschaft) zerstört wird. — Leider findet si chin der österreichischen Theorie wie im Allgemeinen Landrecht und im Anschluß an § 305 ABGB. viel die Bezeichnung des Summenschadens (Interesses) als außerordentlicher Wert: E h r e n z w e i g S. 69, vgl. auch H a s e n ö h r l I 1 S. 251, R a n d a S. 206.

Vgl. E h r e n z w e i g S. 66, W o l f f bei Klang S. 128. Vgl. W o l f f bei Klang S. 127, 128. 1 M ) Vgl. W o l f f bei Klang S. 9. "») Dazu vgl. W i l b u r g JherJ. 82 S. 140: „ § 1 3 3 2 ABGB. versteht nach der Terminologie des Gesetzes unter der Sache . . . . nicht nur körperliche Sachen, sondern auch alle anderen Gegenstände, die rechtlichen Schutz genießen." — Dabei kommt dann eine Vorteilsausgleichung, die nur beim Summenschadensersatz üblich ist, nicht in Betracht: W i l b u r g JherJ. 82 S. 126—127. "*) E h r e n z w e i g S. 66, vgl. auch P f a f f S. 101—102, R a n d a S. 205—206. U1)

25 Wolff12B schon die Abstufung des Ersatzes nach der Schwere des Verschuldens mißbilligt, da sie eine Vermengung von Strafe und Schadensersatz beinhalte, de lege lata hält aber auch er eine Berücksichtigung der Vermögensverhältnisse für erwünscht. Man hat in Österreich bei der Revision des Schadensersatzrechtes erwogen, das Schweizer Recht zum Vorbild zu nehmen, der Vorschlag ist aber als zu tief in die Struktur des Gesetzes eingreifend abgelehnt126. Im Schweizer Recht gibt es nicht das österreichische Dualitätsprinzip, sondern es herrscht der Summenschadensbegriff: Der Schuldner hat grundsätzlich allen Schaden zu ersetzen127, wobei das Gesetz von der adäquaten Verursachung zugrundegelegt wird128. Aber das starre Summenschadensprinzip, wie es im deutschen Recht aufrechterhalten ist, ist in der Schweiz in bedeutsamer Weise durch die Generalklausel des Art. 43 Abs. 1 SchwOblR. abgeschwächt: „Art und Größe des Ersatzes für den eingetretenen Schaden bestimmt der Richter, der hierbei sowohl die Umstände als die Größe des Verschuldens zu würdigen hat". Art. 44 SchwOblR. hebt sodann einige in der Person des Geschädigten oder Ersatzpflichtigen liegende Umstände beispielhaft hervor, die — ebenso wie geringes Verschulden, auf das das Gesetz in Österreich allein abstellt — zu Abstrichen oder gar zu einer Streichung des Summenschadens führen können129. Der Richter kann demnach das Suminenschadensprinzip auflockern, was faktisch bewirken kann, daß der Schuldner nur einen Einzelschaden, etwa den angerichteten Sachschaden130, nicht aber den entgangenen Gewinn usw. zu ersetzen hat. Streng genommen handelt es sich aber auch in solchen Fällen nicht um Einzelschadensersatz, denn es steht dem Richter offen, die Grenze der Ersatzpflicht an irgendeiner beliebigen Stelle zu setzen, der Richter kann also dem Geschädigten auch weniger oder mehr als den Einzelschaden zusprechen. Dabei gelten die Art. 43, 44 SchwOblR. nicht nur für die unerlaubten Handlungen, sondern gemäß Art. 99 Abs. 3 SchwOblR. auch bei Vertragsverletzungen. Das Schweizer Recht hat vor dem österreichischen den Vorzug einer geringeren Starrheit, denn der Richter findet keine kasuistische Norm vor, die für die einzelnen Grade des Verschuldens und die verschiedenen sonst in Betracht kommenden Umstände genaue Vorschriften enthält. Aber dadurch wird zugleich auch eine bedeutende Rechtsunsicherheit geschaffen. Die Parteien selbst werden sich nur " 5 ) W o l f f bei Klang S. 128, vgl. audi H a s e n ö h r 1 I 1 S. S. 481. 1M ) Näheres bei R a n d a S. 208, audi S. 230 Anm. 146. 127 ) S. G l a r n e r S. 7—8, O s e r Anm. 14 zu Art. 43, S. 312, SchwOblR. I S. 72, 98, II S. 498, 540. m ) S. G l a r n e r S. 30, O s e r Anm. 79—81 zu Art. 41, v o n T u h r SchwOblR. I S. 83. m ) Näheres bei O s e r Anm. $—8 zu Art. 43, S. 3 1 0 — 3 1 1 , SchwOblR. I S. 87—88. 130 ) Vgl. O s e r Anm. 22 zu Art. 43, S. 314. 3*

264, R a b e l von Tuhr S. 299—300, von

Tuhr

26 selten über die Höhe des Ersatzes einigen, sodaß allzuhäufig der Richter angerufen werden muß, obgleich der Schuldner seine Ersatzpflicht dem Grunde nadi anerkennt 131 . Im übrigen hat man auch gegen den Grundsatz des Schweizer Redits eingewendet, es handle sich um eine Einmischung strafrechtlicher Momente. Demgegenüber weist aber besonders Oser182 darauf hin, Voraussetzung des Schadensersatzanspruches sei „unter allen Umständen der Schaden, und der Ersatz kann auch bei absichtlicher Schadenzufügung . . . . nicht darüber hinausgehen". Ein aufgelockertes Summenschadensprinzip herrscht auch in Frankreich13®. Nur erfolgen die Durchbrechungen des Prinzips in anderer Weise als in der Schweiz. Den Grundsatz enthält für Vertragsverletzungen Art. 1x49 C C . : „Les dommages et intérêts dus au créancier sont, en général, de la perte qu'il a faite et du gain dont il a été privé, sauf les exceptions et modifications ci-après." Dazu hebt besonders Josserand134 hervor: „Le principe est donc celui de la réparation intégrale du dommage causé". Mit der Frage des Kausalzusammenhanges, die sonach für die Bemessung des Umfanges des Summenschadens prima facie maßgebende Bedeutung zu erlangen scheint, braucht man sich dabei in Frankreich bei Vertragsverletzungen nicht zu beschäftigen, denn gemäß Art. 1 1 5 1 C C . kommen von den verursachten Schäden als ersatzpflichtig nur diejenigen in Frage, welche sind „une suite immédiate et directe de l'inexecution de la convention". Die durch diese Vorschrift geschaffene engere Begrenzung des Summenschadens ist allerdings nicht sehr scharf 138 . Die französische Theorie 130 befaßt sich aber sehr wenig mit dem Begriff der unmittelbaren und direkten Folgen, sondern beschränkt sich darauf, als nicht ersatzpflichtig mittelbare und mehr oder weniger entfernte Folgen zu bezeichnen und einzelne Beispiele anzuführen. Im übrigen liegt die Grenzziehung ganz in der Hand des Richters, dem man grade im Rahmen des Art. 1 1 j 1 C C . eine weitgehende Souveränität zumißt 137 . Auf diesem Wege besteht faktisch ein ähnlicher Rechtszustand wie in der Schweiz 138 , obgleich es an einer klaren Generalklausel, wie sie dort vorhanden ist, in Frankreich insoweit fehlt. Neben der Souveränität des Richters, die sich bei Art. 1 1 j 1 C C . auswirkt, lockert aber auch Art. I I J O C C . den Summenschadensbegriff auf: Bei mangelndem Vorsatz des Schädigers ist von dem unmittelbaren und direkten Schaden nur der vorausgesehene oder 1S1

) Vgl. audi unten S. 139—141. ) O s e r Anm. 2 zu § 43, S. 309, auch B e ck e r Anm. 2 zu Art. 43, S. 194, v o n T u h r SdiwOblR. I S. 88. " a ) Den Unterschied gegenüber dem deutschen Recht betont E s m e i n bei Planiol-Ripert V I I S. 164 Anm. 3. "*) J o s s e r a n d S. 345, vgl. audi R a b e l S. 213. 1S6 ) Anerkannt von D e m o g u e S. 1 1 , E s m e i n bei Planiol-Ripert V I S. 760, vgl. audi R a b e l S. 479, 480. " • ) Vgl. C o l i n - C a p i t a n t S. 21—22, J o s s e r a n d S. 346. U7 ) Vgl. D e m o g u e S. 1 1 , 122, E s m e i n bei Planiol-Ripert V I I S. 166, R a b e l S. 226—227. 138 ) Dazu auch R a b e l S. 475 Anm. 1. m

27 voraussehbare zu ersetzen. Auch diese Bestimmung führt aber nicht notwendig zu bloßem Einzelschadensersatz, denn wenn beispielsweise ein Verkäufer eine vorausbezahlte Kaufsache nicht liefert, so kann auch der entgangene Gewinn des Käufers zu dem voraussehbaren Schaden gehören139. Im Deliktrecht gelten Art. i i j i , 1 1 5 0 C C . nicht140. Deshalb kommt es hier für den Umfang des Summenschadens141 an und für sich auf die zugrundegelegte Kausaltheorie an, wobei sich erweist, daß als herrschend die sehr weitreichende Theorie der conditio sine qua non betrachtet werden muß142. Die praktischen Folgerungen aus dieser Theorie werden aber selten gezogen, da auch bei der Bestimmung des Kausalzusammenhanges der Richter souverän herrscht143. Auf dem Umwege über die Riditermacht kommen auch im Deliktsrecht die Gedanken, die den Art. i i j i , 1 1 5 0 C C . zugrundeliegen, zum Durchbruch: Der Richter wird den Schädiger oft nur für unmittelbare und direkte oder gar nur für voraussehbare Schäden haften lassen in der Erwägung, daß anderenfalls der vorsätzliche Vertragsverletzer milder behandelt würde als der leichtfahrlässige Begeher einer unerlaubten Handlung 144 . „En fait, le juge se montrera plus sévère et accordera plus volontiers une large indemnité à la victime, si le dommage a sa source dans une faute lourde et surtout dans une faute intentionelle" 145 . In Italien besteht derselbe Rechtszustand wie in Frankreich, maßgebend sind die Art. 1227—1229 CC. Anders aber ist die Rechtslage im anglo-amerikanisdien Redit. Dort herrscht zwar auch das Summenschadensprinzip, aber die Auflockerung ist längst nicht so stark wie in Frankreich und Italien, sondern der Alles-oder-Nichts-Grundsatz ist fast ebenso streng durchgeführt wie in Deutschland. Im Einzelnen gilt Folgendes: Der Schadensersatzpflichtige muß den vollen Schaden ersetzen: „one injured in person or property by the wrong of another is entitled to compensation for all pecuniary losses which he has sustained"146. Dabei ist aber für die Bemessung des Schadensumfanges die Causa-proxima-Regel maßgebend147. Diese Regel bürdet 139 ) Eine Standardisierung des Mehrschadens findet sich in Art. 1153 Abs. 1 bis j CC. für die Verzugszinsen. 1M ) Für Art. i i j i CC. vgl. D e m o g u e S. 10—11, 121, 122—124, J o s s e r a n d S. 234—23 i, 346, L a 1 o u S. 20—zi, für Art. 1150 CC. vgl. D e m o g u e S. 114, 121—122, J o s s e r a n d S. 222, 347, L a l o u S. 20, 4j, 131. 141 ) Daß dieser zu ersetzen ist, betont D e m o g u e S. 114, 121. 142 ) Vgl. D e m o g u e S. 1—10, E s m e i n bei Planiol-Ripert VI S. 738—739, J o s s e r a n d S. 239—240. 14s ) Vgl. E s m e i n bei Planiol-Ripert VI S. 922, L a l o u S. 19. "«) Vgl. J o s s e r a n d S. 346. J o s s e r a n d S. 222, auch S. 409, sowie E s m e i n bei Planiol-Ripert VI S. 921, VII S. 167, L a l o u S. 21. 1M ) K i s e r in Corpus Juris XVII S. 780, auch S. 847—848, 868—869, B é r i n d o a g u e S. 113, C l e r k - L i n d s e l l S. 140. 7 " ) Für das englische Recht vgl. B é r i n d o a g u e S. 126—127, C l e r k L i n d s e l l S. 14 j, J a c k s o n S. 6, M a y ne S. 45, P o i l ode S. 29, für das amerikanische Redit vgl. K i s e r in Corpus Juris XVII S. 728—734, S t r e e t S. 489.

28 aber dem Schadensersatzpflichtigen viel weniger Schäden als die Theorie der conditio sine qua non oder gar die Theorie von der adäquaten Verursachung auf, und so kann Haie148 sehr wohl sagen, daß der zu ersetzende sehr häufig hinter dem wirklichen Schaden zurückbleibe; besonders bei der Zusprechung von Ersatz für entgangenen Gewinn zeigt das anglo-amerikanische Recht weitgehende Zurückhaltung148. Auf den Grad des Verschuldens kommt es bei dem Ersatz von compensatory damages nicht an: „The motive of defendant is not, as general rule, an element to be considered in estimating compensatory damages, and such damages are not dependent on or graded by the intent with which the wrongful act out of which they arise is committed. Hence, the motive or intent of the defaulting party will not, as a general rule, be considered in actions for breath of contract"160. Auch gilt: „The financial condition of the parties involved has ordinarily no bearing upon the amount to be awarded as compensatory damages. Hence, as a general rule admission of evidence as to the pecuniary condition or financial circumstances of defendant is error where only such damages may be awarded" 181 . So würde sich ein ganz starres Summenschadensprinzip ergeben, wenn nicht zweierlei zu beachten wäre: Bei der Anwendung der Causa-proxima-Regel ist man insofern inkonsequent, als man beabsichtigte Schäden nie für „too remote" erklärt. Street162 beispielsweise führt aus, „that the mental attitude of the wrongdoer is of capital importance in determining whether a given element of damage is proximate or remote. Where the mind of the actor looks through coming complications and foresees and wills particular damage to another as a result of his conduct, that damage will not be held remote, however far off it may be in point of logical sequence. The factor of malice (in the sense of intending particular harm) is thus often important in determining whether damage can be treated as a proximate result of a given wrongful act." Wie bedenklich dieser Umweg ist, der eine Verquickung der Kausalität»- und Verschuldensfrage163 mit sich bringt, liegt auf der Hand. Schließlich ist hier darauf hinzuweisen, daß das anglo-amerikanische Recht neben den compensatory damages auch exemplary, punitive damages kennt. Unter gewissen Voraussetzungen kann danach ein Geschädigter über die compensatory damages hinaus164 weiteren Schadensersatz verlangen, wobei es niait darauf ankommt, daß ein weiterer Schaden wirklich nachgewiesen werden kann. Besonders 1M ) H a l e S. 40. " " ) H a l e S. 1 0 3 — 1 1 2 , K i s e r in Corpus Juris X V I I S. 78$—788. 160 ) K i s e r in Corpus Juris X V I I S. 84j. m ) K i s e r in Corpus Juris X V I I S. 845—846. 1M ) S t r e e t S. 489. 1M ) Dazu audi K e ß l e r Fahrlässigkeit S. 29—30, 79, R a b e l S. 480 mit Anm. i. 15> ) Vorausgesetzt ist also zunächst immer ein im Rahmen der Causaproxima-Regel zu ersetzender Schaden: K i s e r in Corpus Juris X V I I 8 . 9 7 1 , 974.

29 näufig wird der Richter den Schädiger dann zum Ersätze von exemplary damages verurteilen, wenn der als compensatory damage zu ersetzende Schaden hint-er dem wirklichen Schaden zurückbleibt. Vorausgesetzt ist dabei immer ein besonders hoher Grad von Verschulden des Schädigers: „In order that there may be a recovery of exemplary damages, there must be present in the circumstances some element of malice, fraud, or gross negligence, otherwise the measure of damages is such an amount as will constitute a just and reasonable compensation for the loss sustained, and nothing more. In other words, the wrongs to which exemplary damages are applicable are those which besides violating a right, and inflicting actual damages, import insult, fraud, or oppression, and are not merely injuries, but injuries inflicted in a spirit of wanton disregard of the rights of others. The burden of establishing the matter of aggravation is on the person seeking more than compensatory damages" 165 . Besonders Street158 hat darauf aufmerksam gemacht, wie flüssig die Grenzen zwischen compensatory und exemplary damages sind: „ I t follows that damages which in one jurisdiction are recoverable as exemplary damages are, in another jurisdiction, recovered under the guise of compensatory damages". Bemerkenswert erscheint, daß man bei den exemplary damages audi die Vermögensverhältnisse der Beteiligten berücksichtigt: „ B y some authorities the rule has been laid down broadly that, where exemplary damages are sought to be recovered, the jury are entitled to consider the social position, financial condition, and general surroundings of both parties so that in the light of all the circumstances a proper punishment may be imposed"" 7 . So zeigt sich denn auch im anglo - amerikanischen Recht die Tendenz zu einer Durchbrechung des starren Summenschadensprinzips. Vorbildlich aber wird man die Lösungen des französisch-italienischen und des anglo-amerikanischen Rechts nicht nennen können, nur das österreichische Recht mit seinem Dualitätsprinzip und das schweizerische Summenschadensprinzip mit seiner starken und schmiegsamen Auflockerung durch Art. 43 Abs. 1 SchwOblR. erheischen bei einer Erneuerung des deutschen Rechts starke Beachtung. V. Die Tatsache, daß — wie gezeigt — die Gesetzgebung nur allmählich im Laufe der geschichtlichen Entwicklung zu Vorschriften gelangt ist, die von dem summarischen Schadensbegriff ausgehen, steht in einem gewissen Widerspruch dazu, daß die Rechtslehre den summarischen Schadensbegriff seit langem herausgearbeitet hat, während um den zergliedernden Schadensbegriff noch heute gekämpft wird. r- Das mag zu einem Teil daran liegen, daß einige Nebenfragen der Schadenslehre bisher nicht völlig geklärt sind, insbesondere das 1S6 ) K i s e r in Corpus Juris XVII S. 974—976, audi S. 982—988, B i r i n doague S. 118—123. 1M ) S t r e e t S . 480. 167 ) K i s e r in Corpus Juris XVII S. 995.

30 Verhältnis des Interesses zum Schaden einerseits und des Wertes zum Schaden andererseits. Der Interessebegriff spielt schon außerhalb der Schadenslehre im juristischen Schrifttum eine gewichtige Rolle 188 . Einen guten Uberblick verschafft die Darstellung von Manigk im Handwörterbuch der Rechtswissenschaft159. Erinnert sei nur an den Methodenstreit, der an den Begriff Interessenjurisprudenz anknüpft, und an die zivilprozessuale und strafrechtliche Bedeutung des Interesses. Der Begriff ist so vieldeutig, daß hier alle nidit die Sdiadenslehre berührenden Definitionen beiseite gelassen werden können. Aber auch in einer für die S ) Handlungsbevollmächtigte besitzen nach § 54 Abs. 2 H G B . zur Eingehung von Wechselverbindlichkeiten grundsätzlich keine Vertretungsmacht, deshalb auch nicht zu Girierungen ( S t a u b Anm. 20 zu § 54, S. 327). 366 ) S t a u b Anm. 25 zu § 349, S. 108. 3M ) Vgl. oben S. 5 7 — j8.

71

2i8—22i HGB.) 307 , oder an die aus dem Schultheiß-Fall bekanntgewordenen Kursgarantien, mit denen sich § 226 Abs. 3 HGB. befaßt. Aus dem Verfahrensrecht ist die Vorschrift des § 125 Abs. 1 ZPO. zu nennen: Die arme Partei muß die Kosten unter der aufschiebenden Bedingung nachzahlen, daß sie dazu „ohne Beeinträchtigung des für sie und ihre Familie notwendigen Unterhalts" imstande ist: Falls nun ein Notar infolge fahrlässiger Amtspflichtverletzung bewirkt, daß sein Mandant — im Armenrecht — klagt und unterliegt, so kann der Notar auch dann nach Ansicht des Reichsgerichts schadensersatzpflichtig sein, wenn „bisher kein Nachforderungsbeschluß gemäß § 125 ZPO. ergangen ist"368. Aufschiebend bedingte Schulden stellen aber nur einen Sonderfall von Verlustmöglichkeiten dar. Auch ohne daß eine aufschiebend bedingte Schuld zur Entstehung kommt, kann jemand Träger einer Verlustmöglichkeit werden und dadurch einen Schaden erleiden. Fälle, bei denen Verlustmöglichkeiten eine Rolle spielen, sind besonders im Strafrecht viel behandelt, und zwar meistens im Hinblick auf die §§ 263 Abs. 1, 166 Abs. 1 Satz 1 StGB. Bei dem Betrüge ist erforderlich, daß „das Vermögen eines anderen . . . beschädigt" ist, bei der Untreue muß ein „Nachteil" zugefügt sein. Bei beiden Tatbeständen genügt anerkanntermaßen die Entstehung einer Verlustmöglichkeit für die Annahme eines Schadens, eine Erkenntnis, die irreführend meistens dadurch zum Ausdruck gebracht wird, daß man sagt, eine „Vermögensgefährdung" reiche aus389. Die Rechtsprechung bietet mannigfache Beispiele370. Schon früh ist der Betrugsfall erörtert, daß „jemand durch Täuschung veranlaßt worden ist, sich unter einer kasuellen Suspensivbedingung zu verM7 ) Hierzu vgl. O L G . Hamburg 10. 5. 1933 HansRGZ. 1933 B Sp. 485 bis 493: Ansprud» eines Strohmannes, der als Aktionär fungiert, gegen die hinter ihm stehende Bank auf Freihaltung von Nachzahlungsansprüchen. In dem entschiedenen Fall war die Einforderung allerdings schon erfolgt, so daß die Schuld unbedingt geworden war. Immerhin bestanden aber Zweifel über die Rechtsbeständigkeit der Nadizahlungsansprüche. Bemerkenswert R G . 1 1 . 12. 1 9 1 3 R G Z . Bd 83 S 358 bis 359: „Der Kläger war durch seinen Beitritt bereits mit der Zahlungspflicht belastet und zugleich geschädigt, weil er in allen Zeitpunkten bei einer Ausgleichung der Mitgliedsrechte und -pflichten eine Vermögenseinbuße erleiden mußte " a9S ) R G . 2$. 4 . 1 9 3 4 SeuffArd». 88 S. 291 = J W . 1934 S. 2395 und dazu R G . 25. 1 . 1935 R G Z . Bei. 146 S. 360—363 = J W . 1935 S. 1557 mit Anmerkung

R i l k

3

J W . 1935

S. 1 J J 7 — I J $ 8 .

" ) A l l f e l d - M e y e r S. 4$, K o h l r a u s c h Anm. 4 zu § 263, S. 354, S c h n e i d e r - N e u e n b u r g J W . 1933 S. 1703, S c h w a r z Anm. ; B zu § 263, S. 395 für den Betrug. S dl ä f e r bei Pfundtner-Neubert I I c 6 S 15, S d i n e i d e r - N e u e n b u r g J W . 1933 S. 1703, S c h w a r z Anm. 2 zu § 266, S. 424—42j, W e g n e r J W . 1934 S. 2470—2471 für die Untreue. Besser die Formulierung bei E b e r m a y e r - L o b e - R o s e n b e r g Anm. 6 zu § 263, S. 859, E h r l i c h ZStW. $2 S. 185, G o l d s c h m i d t ZStW. 48 S. 1 6 0 — 1 6 1 , v o m L i s z t - S d i m i d t S. 668, M a y e r Untreue S. 16$, v o n O l s h a u s e n I I Anm. 18 I V , 20 I zu $263, S. 1386, 1387, Anm. 2 zu $ 266, S. 1439, S c h w i n g c S i e b e r t S. 53. 370 ) Die Strafurteile, welche Fälle der „Vermögensgefährdung" betreffen, behandeln allerdings o f t auch Sachverhalte, bei denen nicht eine Verlustmöglichkeit neu entstanden, sondern etwa eine Wertbeziehung gefährdet, also unwertvoller geworden ist. Beispiel: R G . 10. 10. 1932 RGSt. Bd. 66 S. 373—374 (= R G 10. 12. 1932 J W . 1933 S. 6 1 1 ) , wo es um eine Sadibeziehung geht: „Durch die u

72 pflichten" 371 . Konkrete Bedeutung gewinnt dieser Fall bei der betrügerischen Überversicherung: „die Möglichkeit einer die Gesellschaft treffenden tatsächlichen Einbuße an ihrem Vermögen war bei der von den Angeklagten in Aussicht genommenen alsbaldigen Brandstiftung unmittelbar gegeben"372. Wenngleich keine bedingte Schuld, so doch eine andersartige Verlustmöglichkeit hat in einem Betrugsfall eine Rolle gespielt, bei dem eine Schädigung eines Lotterieunternehmers angenommen worden ist; denn für ihn „wurde die naheliegende Gefahr begründet, daß der Angeklagte die Lose gutgläubigen Erwerbern zu Eigentum übertragen werde, die alsdann einen Anspruch auf Gewinnbeteiligung nach dem Lotterieplan erlangten, während der Unternehmer des ihm gebührenden Kaufpreises für die Lose verlustig ging" 878 . Audi im Rahmen des § 3 1 2 Abs 1 HGB., der die sogenannte aktienrechtliche Untreue behandelt, ist wiederholt anerkannt, daß schon eine Vermögensgefährdung ein Handeln „zum Nachteile der Gesellschaft" darstelle874. Ein Beispiel aus der Rechtsprechung des Reichsgerichts: Eine Aktiengesellschaft besaß Schutzaktien. Als Aktionär trat nur der nunmehr angeklagte Vorstand in Erscheinung. „Ohne Rechtsirrtum — so sagt das Reichsgericht376 — erblickt die Strafkammer ein Handeln zum Naditeil der Aktiengesellschaft in der Tatsache, daß sich der Angeklagte die volle auf seine Schutzaktien entfallende Dividende für 1923 gutschreiben ließ, wahrend ihm nur 1/80 dieses Betrages zustand, der Rest dagegen der Aktiengesellschaft gutzubringen war. In dieser unrichtigen Buchung lag ein Vermögensnachteil für die Aktiengesellschaft, die dadurch . . . jederzeit Gefahr lief, daß der Angeklagte als alleiniger Vorstand der Aktiengesellschaft das buchmäßige Guthaben an sich auszahlen ließ." Auch hier war es eine Verlustmöglichkeit, wenngleich allerdings keine bedingte Schuld, die das Vermögen der Aktiengesellschaft schmälerte, war doch zu befürchten, daß die nur buchmäßige Schuld wie eine wirklich bestehende behandelt und demzufolge befriedigt wurde876. Eintragung des V. wurde der Frau P. das Grundstück weiter als schon bisher entrückt; die Gefahr, es zu verlieren, wurde für sie vergrößert. Das allein würde zum Nachweis eines Schadens und damit zur Verurteilung wegen vollendeten Betrugs — bereits ausgereicht haben." Weiteres Beispiel: RG. 7. j . 1935 J W . 1935 S. 29Ä3 (Sadibeziehung, Forderungsbeziehung). a71 ) RG. 20. 4. 1887 RGSt. Bd. 16 S. 1 1 . * " ) RG. 9. J . 1914 RGSt. Bd. 48 S. 190, dazu v o n O l s h a u s e n II Anm. 22 II zu $ 263, S. 1395. 373 ) RG. 9. 1. 1933 RGSt. Bd. 67 S. 69. Wohlgemerkt liegt eine Schädigung des Lotterieunternehmers nicht erst vor, wenn die gutgläubigen Erwerber ihre Forderung erlangen, sondern schon dann, wenn die „Gefahr" besteht, daß dies der Fall ist. 374 ) P r i e ß S. 27—28, S t a u b Anm. i j zu § 312, S. 867; R G . 28. 6. 1930 R G Z . Bd. 129 S. 276. sre ) RG. 6. 12. 1928 J W . 1929 S. 1054, auch RG. 20. 12. 1929 Recht 1930 S. 239. 376 ) Man darf nicht sagen, hier sei nicht die Entstehung eines Ungutes des seienden Passivvermögens zu befürchten gewesen, sondern die Beeinträchtigung einer Wertbeziehung: Denn es stand ja noch gar nidit fest, weldbe speziellen Mittel, zur Auszahlung des budimäßigen Guthabens verwendet worder. wären.

73 Man sieht: Verlustmöglichkeiten spielen als Ungüter des werdenden Passivvermögens eine bedeutende Rolle. Außerhalb des Strafrechts ist das bisher nur selten klar erkannt377. Am bedeutsamsten sind in diesem Zusammenhang die Ausführungen von Würdinger378, der in seiner Arbeit über die privatrechtliche Anwartschaft als Rechtsbegriff den „Rechtsanwartschaften" die „Pflichtanwartschaften" gegenüberstellt, die allerdings nur kurze Behandlung erfahren. Das dort gewonnene Ergebnis, wonach die Pflichtanwartschaft stets eine Vorstufe, eine Entwicklungsstufe für eine subjektive Pflicht sein müßte, mag für diejenigen Verlustmöglichkeiten, die sich als aufschiebend bedingte Schulden darstellen, zutreffen, im übrigen aber ist es zu eng. Es gilt entsprechend dasjenige, was später gegen den Begriff der Rechtsanwartschaft eingewendet werden wird.370 . Überblickt man das bisher über die Verlustmöglichkeiten als Ungüter des werdenden Passivvermögens Gesagte, so drängt sich die Beobachtung auf, daß nicht allen Gefahren, die die Entstehung eines Ungutes des seienden Vermögens befürchten lassen, eine Verlustmöglichkeit entsprechen kann. Das würde zu einer Berücksichtigung von entfernten Möglichkeiten führen, die ins Uferlose ginge. So bedarf denn der Begriff der Verlustmöglichkeit einer Einschränkung dahin, daß ihre Realisierung nicht nur möglich, sondern darüber hinaus nicht unwahrscheinlich sein muß. Falls dieses Begriffsmerkmal fehlt, kann das Recht sich mit einer einschlägigen Lebenstatsächlichkeit nicht befassen. Der geäußerte Gedanke kommt in der Rechtsprechung dann und wann zum Ausdruck, wenngleich nicht immer klar. Jenes Reichsgerichtsurteil380, das die Schadensersatzpflicht des Notars auch für den f a l l annimmt, daß „bisher kein Nachforderungsbeschluß gemäß § 125 ZPO. ergangen ist", schränkt seine Tragweite dadurch ein, daß es sagt, ein Schaden liege für den Mandanten allerdings nicht vor, „wenn er zur Erfüllung seiner Verbindlichkeiten derart außerstande wäre, daß Schulden ihn praktisch nicht beschwerten, die Anerkennung der Befreiungspflicht . . . also im Ergebnis ihm keinen (berechtigten) Vorteil, den beiden Gläubigern aber den (ungerechtfertigten) Vorteil der Zuführung eines leistungsfähigen Schuldners an Stelle des leistungsunfähigen bringen würde". Diese Formulierung ist denkbar unglücklich. Würde man die reichsgerichtliche Äußerung folgerichtig auf andere Fälle übertragen, so könnte beispielsweise auch ein Haftpflichtversicherer die Leistung gegenüber einem überschuldeten Versicherten mit der Begründung verweigern, die Forderung des geschädigten Dritten belaste den Versicherten praktisch nicht, eine Argumentation, die schon § 157 W G . zuwiderlaufen dürfte, der die Stellung des geschädigten Dritten im Konkurs des Haftpflichtversicherten betrifft und ihm ein Recht auf „abgesonderte 37?

) Ansätze bei F i s c h e r S. 9 Anm. 2, 2 1 — 2 2 Anm. 30, T h o n S. 66—67. W ü r d i n g e r S. 4 $ . 379 ) Vgl. unten S. 128—129. 39 °) RG. 25. 4. 1934 SeuffArch. 88 S. 291 = J W . 1934 S. 239$ und dazu RG. 25. 1. 193$ RGZ. Bd. 146 S. 360—363 = J W . 1935 S. I J J 7 mit Anmerkung R i l k J W . 193$ S. 1 J 5 7 — i j j 8 .

74 Befriedigung aus der Entschädigungsforderung" verleiht. J a , die reichsgerichtliche Formulierung könnte dahin rühren, daß oft eine Schadensersatzklage nur deshalb abgewiesen werden müßte, weil der Schuldner nichts hat! Und doch ist das reichsgerichtliche Ergebnis in jenem Notarfall sicherlich richtig. Und weshalb? Wenn der Mandant vermögenslos ist, und das ist er nur, falls eine „Besserung seiner Wirtschaftslage", worauf das Reichsgericht abstellt, nicht zu erhoffen ist, falls der Mandant also auch keine Gewinnanwartschaften besitzt, so ist es nur entfernt möglich, aber höchst unwahrscheinlich, daß ein Nachforderungsbeschluß ergeht. Diese entfernte Möglichkeit ist aber rechtlich unbeachtlich, eine Beziehung zu dem Rechtsungut Verlustmöglichkeit ist dann durch das Verhalten des Notars nicht zur Entstehung gelangt 381 . Klarer kommt dieser Gesichtspunkt in einigen strafrechtlichen Entscheidungen des Reichsgeridits zum Ausdruck, so beispielsweise in dem erwähnten Fall der betrügerischen Uberversicherung 382 , wo darauf abgestellt wird, daß „die Möglichkeit" eines Brandstiftungsschadens „unmittelbar gegeben" sei, und in dem gleichfalls angeführten Fall des Lotteriebetruges 388 , wo eine „naheliegende Gefahr" angenommen wurde. Viel deutlicher noch ist ein frühes strafrechtliches Urteil des Reichsgerichts384, das folgenden Sachverhalt zum Gegenstand hat: Der Angeklagte hat Feuerwerkskörper, die von der Beförderung auf der Eisenbahn wegen der Brand- und Explosionsgefahr ausgeschlossen sind, unrichtig deklariert und dadurch erreicht, daß eine Beförderung vorgenommen wurde. Der Transport ist reibungslos verlaufen, aber durdi andere Umstände ist die falsche Deklaration bekanntgeworden. Das Reichsgericht prüft, ob ein Betrug vorliege. Es verneint die Frage, da es an einem Vermögensschaden fehle. Denn das Risiko, daß ein Schaden an Gütern oder Transportmitteln entstehe, sei zu entfernt gewesen. Mit anderen Worten: Eine rechtlidi relevante Verlustmöglichkeit liegt nicht vor, wenn ihre Realisierung nur entfernt möglidi ist 385 . Nur andeutungsweise sei hier bemerkt, daß die Beschäftigung mit den Verlustmöglichkeiten geeignet ist, auch die Theorie der vorbeugenden Unterlassungsklage einer weiteren Klärung zuzuführen: Die Grenze zwischen Schadensersatz- und Unterlassungsklage fällt, 3S1 ) Die Urteile zitieren RG. 2 2 . 1 2 . 1 9 1 4 WarnRspr. 1 9 1 J S. 1 0 3 — 1 0 $ : Die Entscheidung, bei der, wie R i l k JW. 1935 S. IJ$8 betont, eine unbedingte Schuld entstanden ist, ist bedenklich. Das Reichsgericht hätte eine bessere Lösung gefunden, wenn es die Unabtretbarkeit von Befreiungsansprüchen auch im Verhältnis zu dem Dritten angenommen hätte (so R e i c h e l LZ. 1911 S. 406). Gegen das Urteil auch G o e b e l Deutsche Justiz 1 9 3 3 S. 7 0 7 — 7 0 9 , M a n g o l d LZ. 1 9 1 4 S. 1 3 6 5 — 1 3 6 8 . Gegen beide Urteile wendet sich M e y e r JW. 1 9 3 4 S. 3 2 5 8 — 3 2 5 9 . Weitere Nachweise bei N e u n e r ArchZivPrax. 133 S. 290 Anm. 49. Neuere Urteile, bei denen es sidi gleichfalls um unbedingte Schulden handelt, stellen dar;

RG.

17.

11.

1934

JW.

193J

S.

2269, R G .

2. 4.

193$

RGZ.

Bd.

147

S . 248

bis

2J3 = JW. 1 9 3 5 S. 2 1 9 5 — 2 1 9 6 = HansRGZ. 1 9 3 $ B S. 3 3 7 — 3 4 0 . 382 ) RG. 9. 3. 1914 RGSt. Bd. 48 S. 190. 383 ) RG. 9. 1. 1933 RGSt. Bd. 67 S. 69. " * ) RG. 8. 1 1 . 1 8 8 3 RGSt. Bd. 9 S. 1 6 8 — 1 7 1 . M 6 ) Auch G o 1 d s di m i d t ZStW. 4 8 S. 1 6 0 — 1 6 1 betont, daß die Gefahr einen gewissen Grad erreicht haben müsse, ebenso G r ü n h u t in Reichsgerich t»praxis V S. 122.

75 wenn man sich v o r A u g e n führt, daß das Bestehen einer V e r l u s t möglichkeit — man spricht meistens bei der Unterlassungsklage v o n Wiederholungsgefahr — bereits einen Schaden bedeutet 3 8 6 . W e n d e t man sich nach Behandlung der bedeutsamen Verlustmöglichkeiten den Ungütern des seienden Passivvermögens zu, so zeigt sich hier eine geringere Reichhaltigkeit an A r t e n als bei den Gütern des seienden A k t i v v e r m ö g e n s 3 8 7 . Wirtschaftlich am bedeutsamsten sind unter den materiellen Rechtsungütern die Schulden, denen auf der A k t i v s e i t e als Rechtsgüter die Forderungen entsprechen. D i e Unterscheidung der Schulden v o n den Verlustmöglichkeiten ist auch bei transitorischen Schulden dadurch möglich, daß der Schuldner eine Verminderung seines Reinvermögens nicht nur befürchten muß, sondern darüber hinaus zur Erbringung der geschuldeten Leistung verpflichtet ist, und z w a r derart, daß das geschuldete V e r h a l t e n von den Gläubigern erzwungen werden kann. 3 8

" 1 Allerdings kommen hier nur Fälle in Betracht, in denen die Wiederholungsgefahr die Entstehung einer Unwertbeziehung befürchten läßt. '"'7) Insbesondere gibt es kein Ungut, das dem Gute Sache auf der Passivseite entspricht. Allenfalls könnte man daran denken, daß bei einem technischen Verfahren Rückstände anfallen, die keinen Wert besitzen, vielmehr unwertvoll sind. Vgl dazu aber auch unten S. 82—83. Nicht angängig erscheint es, Sachen nur deshalb für Ungüter zu erklären, weil ihr Erwerb durdi jene Person, die grade in Beziehung zu der betreffenden Sache steht, gesetzwidrig ist. Man denke an den Fall eines Erwerbes eigener Aktien durch eine Aktiengesellschaft entgegen § 226 Abs. 1 , 2 HGB. Faßt man hier die Aktien als Sachen auf, so läßt sich nicht sagen, der Vorstand oder Aufsichtsrat habe gemäß § 227 a Abs. 1, 2 HGB. den Schaden zu ersetzen, der darin bestehe, daß die Gesellschaft nunmehr in einer Unwertbeziehung zu dem Ungute der eigenen Aktien, also zu negativen Sachen stehe, es stelle „der Besitz unzulässig erworbener eigener Aktien als solcher für die Gesellschaft einen Schaden dar" ( L e h m a n n - H i r s c h Anm. 8 zu § 227a, S. 78—79). Ganz abgesehen davon, daß jeder Dritte die angebliche Ünwertbeziehung zu den Aktien gern übernehmen würde, betonen anderenorts auch die Vertreter der hier bekämpften Ansicht: „Formalrechtlich, bilanzmäßig und vielfach auch wirtschaftlich ist die eigene Aktie für die Aktiengesellschaft ein Gut, wie jedes andere" ( L e h m a n n - H i r s c h Anm. 1 zu § 226, S. 6). „Die Aktie ist nicht nur für den Aktionär ein Aktivum . . ., sie ist es auch rechtlich und bilanzmäßig für de Gesellschaft" ( L e h m a n n - H i r s c h Anm. 3 zu § 226, S. 8). Wie kann bei dieser Sachlage die Beziehung zu eigenen Aktien eine Unwertbeziehung sein? Die Dinge liegen in Wahrheit so: Der von Vorstand oder Aufsichtsrat verursachte Einzelschaden liegt darin, daß als Gegenleistung für die erworbenen Aktien ein Aktivum der Aktiengesellschaft aufgeopfert oder ein Passivum übernommen ist je nach dem, ob die Aktien etwa in bar bezahlt sind (Zerstörung der Wertbeziehung zu dem Geld), dur HansRZ. 192$ Sp. 422, M i t t e l s t e i n S. 270, R u n d n a g e l bei Ehrenberg V 2 S. 2 3 1 , S t a u b Anm. 6 zu § 430, S. 757, der aber an den Ersatz der Neubeschaffungskosten denkt. its ) J a c o b s o h n HansRZ. 1922 Sp. 920. 4

89 zögern, einem derart kurzsichtigen Geschädigten eine Entschädigung auf Grundlage des objektiven Wertes aufzudrängen449. Das Problem ist viel behandelt. Beliebt ist die Formulierung, der Kläger könne von dem Beförderungsunternehmen den objektiven Wert auch dann ersetzt verlangen, wenn sein Schaden niedriger oder gleich Null sei460. Dieser Satz ist zugleich falsch und richtig. Man muß sich zunächst darüber im Klaren sein, wer gegen das Transportunternehmen klagen kann. Die Frage wird stets gleich beantwortet: Kläger ist beispielsweise im Falle des § 430 HGB. entweder der Absender oder der Empfänger des Gutes nach der Ankunft oder der legitimierte Besitzer eines etwa ausgestellten Ladescheins461. Alle drei Personen können Träger des Sachinteresses sein. Dann ist — wie dargelegt — ihr Einzelschaden nie niedriger als der objektive Wert oder gar gleich Null. Er war es auch nicht in einem vom Reichsoberhandelsgericht entschiedenen Fall, der, wenn man ihn vereinfacht, folgendermaßen lag462: A hat B Wicken zum Preise von 500.— R M verkauft, ihr objektiver Wert beträgt 600.— RM. Während des Transportes werden die Wicken besmädigt. B stellt sie „zur Disposition". Sie werden für 300.— RM versteigert. A verlangt von der Eisenbahn, die nicht bestreitet, dem Grunde nach ersatzpflichtig zu sein, nicht yoo — 300 = 200.— RM, sondern 600 — 300 = 300.— RM. Und zwar mit Recht. Zwar läßt der Sachverhalt des Urteils nicht ersehen, welche Bewandtnis es mit der Dispostionsstellung hatte, insbesondere wer die Vergütungs- und Leistungsgefahr trug, aber eines läßt sich wohl sagen: B hat gegenüber A infolge der Dispositionsstellung wahrscheinlich einen Anspruch auf Nachlieferung unbeschädigter Ware, denn wäre es anders, so hätte B die beschädigte Ware sicherlich angenommen und sich seinerseits an die Eisenbahn gehalten, um ohne Schwierigkeiten 600 — 300 = 300.— RM einzuheimsen. Muß nun aber A nachliefern, so hat er 600.— RM für die neuzubeschaffende Ware aufzuwenden, und es ist nur recht und billig, wenn er 300.— R M von der Eisenbahn fordert. Aber selbst wenn kein Nachlieferungsansprudi besteht, darf er 300.— RM verlangen, denn auch dann besaß er trotz des Verkaufes und der Absendung der Wicken noch ein — wie der Versicherungsrechtler sagt -— alternatives Eigentümerinteresse, das **e) Dazu auch oben S. 49 Anm. 265. w ) L e o S. 73, M i 1 1 e 1 s t e i n S. 270, I S. 240, R u n d n a g e l bei Ehrenberg V 2 S. 231, S c h a p s Anm. 3 zu j 6 1 1 , S. 448, S t a u b Anm. 4 zu S 430, S. 756; RG. 19. 9. 1885 RGZ. Bd. 1 j S. 90, 9. 10.1895 RGZ. Bd. 39, S. 156, 6. 10. 1920 RGZ. Bd. 100 S. 104, OLG. Hamburg 30.4.1903 OLGRspr. 6 S. 472. A . A . D ü r i n g e r - H a c h e n b u r g V 2 Anm. 2 zu § 430, S. 1184, wo aber Anm. 14 zu § 429, S. 1 1 7 2 — 1 1 7 3 richtig betont wird, daß ein Spediteur fremden Schaden geltendmacht. 4S1 ) D ü r i n g e r - H a c h e n b u r g V 2 Anm. 14 zu § 429, S. 1 1 7 2 — 1 1 7 3 , auch L e o S. 73, M i t t e l s t e i n S. 258—259, R u n d n a g e l bei Ehrenberg V 2 S. 204—205, 481—482. 4M ) ROHG. 13. 6. 1874 Bd. 13 S. 393—400.

T*

90 im Falle der Dispositionsstellung rückwirkend zu einem unzweifelhaften wurde 453 . Das war der erste Fall: Der Kläger ist Träger der Sachbeziehung, und das bedeutet: Er erleidet notwendig einen Schaden in Höhe des objektiven Wertes des Transportgutes. Wie steht es nun aber, wenn der Kläger nicht Träger der Sachbeziehung ist? Es kann sich ja bei ihm um einen Spediteur oder um eine andere Zwischenperson handeln. Gilt wenigstens hier der Satz, er könne den objektiven Wert auch dann verlangen, wenn sein Schaden niedriger oder gleich Null sei? Nein und ja. Die Formulierung der herrschenden Meinung ist insofern verfehlt, als sie nicht erkennen läßt, daß es überhaupt nicht auf die Person des Klägers ankommt, sondern auf diejenige des dritten Trägers der Sachbeziehung. Ein Fall des Drittschadensersatzes liegt vor 454 . Das kommt nicht gnnügend klar zum Ausdruck, vielmehr wird der Eindruck erweckt, als ob ein eigener Schaden des Klägers mindestens fingiert werden müsse. Hält man sich aber vor Augen, daß es nur auf den Schaden des Dritten ankommt, so ist es richtig zu sagen, daß der Schaden des Klägers niedriger oder gleich Null sein kann. Zusammenfassend gilt: Ist der Kläger gleichzeitig Träger der Sachbeziehung, so macht er eigenen Schaden geltend. Ist der Kläger nicht Träger der Sachbeziehung, so macht er den Sdiaden des dritten Trägers dieser Beziehung geltend. Fehlt es an einem solchen — etwa weil die beförderte Sache herrenlos war — , so kann der Beklagte das dem Kläger entgegenhalten455. Im übrigen aber ist die Lage des Beklagten im Falle des Drittschadensersatzes schwierig. Insbesondere ist es fraglich, ob der Beklagte sicii darauf berufen kann, der Kläger sei nadi dem Innenverhältnis zu dem Dritten nicht zur Weitergabe des vom Beklagten Erlangten verpflichtet. Das Reichsgericht meint468: „Dem Frachtführer bleibt es vorbehalten, darzuthun, daß dem Absender infolge besonderer Umstände kein Schade entstanden sei, z. B. daß derjenige, für dessen Rechnung der Frachtvertrag abgeschlossen war, auf jeden Ersatz verzichtet habe." Dieser Satz verkennt, daß es hier auf den Schaden des Absenders nicht ankommt, daß vielmehr der Absender fremden Schaden liquidiert. Die Frage, ob dabei auf das Innenverhältnis zurückgegriffen werden kann, muß verneint * 5a ) U b e r das versidierungsreditlithe Schrifttum Nachweise bei Möller S . 1 4 9 — 1 8 2 . — I m übrigen vgl. audi O L G . Dresden 24. 11. 1905 O L G R s p r . 11 S . 4 1 4 — 4 1 j und oben S. J J — 5 6 . * " ) D ü r i n g e r - H a c h e n b u r g V 2 A n m . 14 zu § 429, S. 1 1 7 2 — 1 1 7 3 (aber audi A n m . 2 zu § 430, S . 1184), M i t t e l s t e i n S. 259 (aber auch S. 270), R u n d n a g e l bei Ehrenberg V 2 S. 212 (aber auch S. 231), S c h a p s A n m . 14 zu § 606, S. 4 1 1 (aber auch A n m . 3 zu § 6 1 1 , S. 448), W ü s t e n d ö r f e r Studien S. 354; R G . 1 1 . 6. 1890 Bolze X S. 2 3 0 — 2 3 1 , O L G . H a m b u r g 1. $. 1891 H G Z . 1891 H b l . S. 1 6 0 — 1 6 1 , 8. 1 1 . 1910 H G Z . 1910 H b l S . 310 (im einzelnen bedenklich). * 86 ) O L G . H a m b u r g

1. 5. 1891 H G Z .

1891 H b l . S.

« • ) R G . 22. 10. 1879 R G Z . Bd. 1 S. 2.

161.

91 werden 457 . Denn so wie der Beklagte sich nicht darauf berufen kann, daß der Kläger nur Drittschaden geltend mache, so kann er auch nicht auf das Innenverhältnis des Klägers zum Sachbeziehungsträger zurückgreifen. Die hier erörterten Vorschriften wollen klare, einfache Verhältnisse schaffen. Ist die Beziehung zu einer Sache beeinträchtigt, so entsteht ein Schaden, der vom Beförderungsunternehmen bei Gegebensein der sonstigen Tatbestandsmerkmale stets ersetzt werden soll, wobei als Kläger — wiederum im Interesse der Klarheit und Einfachheit — auch jemand auftreten kann, der vielleicht nicht Träger der Sachbeziehung ist. Das tritt aber im Rechtsstreit nicht hervor. Diese A r t der Regelung schafft einen Fall gesetzlich normierter Schadensliquidation im fremden Interesse. Die Verdeckung des wirklich Geschädigten ist nur deshalb möglich, weil das Gesetz hier vom Einzelschadensbegriff ausgeht. Läge der Summenschadensbegriff zugrunde, so müßte jeweils der wirkliche Träger der Sachbeziehung erst ermittelt und von Fall zu Fall festgestellt werden, welche Einzelschäden er neben dem Sachschaden erlitten hat. Denn ohne daß der Geschädigte feststeht, läßt sich ein Summenschaden nie ermitteln. Man denke nur daran, daß der Träger der Sachbeziehung eine Vertragsstrafe versprochen hatte. "Wie soll man das konstatieren, wenn man den Blick nur auf den Sachschaden richtet? Schon hier kristallisiert sich die Erkenntnis heraus, daß die Schadensliquidation in fremdem Interesse überall dort einen besonders fruchtbaren Boden finden muß, w o es sich um den Ersatz eines konkreten Einzelschadens handelt. Deshalb tauchen auch Zweifel auf, wenn ausnahmsweise das Beförderungsunternehmen neben dem Sachschaden auch den Mehrschaden ersetzen muß, weil Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit obwaltete (§§ 430 Abs. 3, 457 Abs. 3 H G B . , 85 Abs. 3, 91 E V O . , Art. 36 J Ü . [§ 26 BSchG.]). Auch hier ist nicht notwendig der Träger der Sachbeziehung Kläger 458 . Aber auch wenn jemand anders klagt, kann der Schaden nur aus der Person des Trägers der Sachbeziehung liquidiert werden. Daraus ergibt sich automatisch, daß der volle Schaden mindestens immer so hoch ist wie der Sachschaden45B, denn der Summenschaden umfaßt den Einzelschaden460. O f t wird der Summenschaden höher sein als der Sachschaden: Dem Träger der Sachbeziehung ist Gewinn entgangen oder er muß eine Vertrags457 ) Ebenso P u ch e 1 1 - F ö r t s ch Anm. 2 zu Art. 396, S. 1 2 0 0 — 1 2 0 1 , R u n d n a g e l bei Ehrenberg V 2 S. 2 3 1 , a.A. D ü r i n g e r - H a c h e n b u r g V 2 Anm. 2 zu § 430, S. 1 1 8 5 , S t a u b Anm. 4 zu § 430, S. 756, M i t t e i s t e i n I S. 241. 46S ) M i t t e l s t e i n I S. 2 4 1 . 469 ) D ü r i n g e r - H ach e n b u r g V 2 Anm. 24 zu § 430, S. 1 1 9 1 R u n d n a g e l bei Ehrenberg V 2 S. 237, S t a u b Anm. 9 zu § 430, S. 757. 460 ) Dazu aus dem allgemeinen Schrifttum zustimmend H a s e n ö h r l I i S. 252, M o m m s e n S. 17, N e u n e r ArdiZivPrax. 1 3 3 S. 3 1 3 — 3 1 4 Anm. 1 1 5 , v o n T u h r KrVJSchr. 47 S. 68—70, dagegen — das Interesse könne geringer sein als der Sachschaden — C o h n f e l d t S . 62, E h r e n z w e i g S. 68, F i s c h e r S. 38, M a n g e l s d o r f f S. 4, von Tuhr SchwOblR. I S. 1 0 0 — 1 0 1 , Schätzung S. 1 1 .

92 strafe zahlen. Auf Schaden, den etwa der klagende Spediteur neben dem Träger der Sachbeziehung erlitten hat, kommt es nicht an. In dem zuletzt behandelten Fall des Summenschadensersatzes bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit handelt es sidx um Schaden im Sinne des § 249 Satz 1 BGB. 401 Wenn aber nur der Sachschaden zu ersetzen ist, so handelt es sich zwar auch um Schadensersatz482, aber § 249 Satz 1 BGB., der vom summarischen Schadensbegriff ausgeht, findet keine Anwendung483. Der Einzelschaden tritt an die Stelle des Summenschadens. Nidit richtig ist die Behauptung: „Fiktion einer Schadenshöhe tritt an die Stelle einer auf den Einzelfall zugeschnittenen Ermittelung." 484 Schließlich soll gezeigt werden, wie grade auf dem hier behandelten Gebiete oft Kombinationen der oben geschilderten Arten von Haftungsbeschränkungen vorkommen. Mit dem hier die Regel bildenden Einzelschadensersatz sind andere Haftungsbeschränkungen nämlich in folgenden Fällen kombiniert: Ein Höchstbetrag der Einzelschadenshaftung ist in §§ 461 Abs. 1 HGB., 86 Abs. 1, 2 EVO., Art. 34 J U . für den Fall der Anwendung eines Ausnahmetarifes vorgesehen: Hier zeigt sich der Grundgedanke: billige Beförderung — beschränkte Haftung, der das ganze Beförderungsredit beherrscht und die Anwendung des Einzelschadensbegriffes erklärt, in einer besonderen Erscheinungsform; neben die Haftungsbeschränkung durch den Einzelschadensbegriff tritt eine zweite, indem die Einzelschadensschuld obendrein noch summenmäßig begrenzt wird. Entsprechendes gilt bei Kostbarkeiten gemäß §§ 462 Satz 1 HGB., 86 Abs. 3 EVO., während in dem Internationalen Ubereinkommen über den Eisenbahnfrachtverkehr eine derartige Bestimmung fehlt 406 . Das erklärt sich daraus, daß in Art. 29 Abs. 1 Satz 2 J Ü . ganz allgemein bestimmt ist: „Jedoch darf vorbehaltlich der in Artikel 34 vorgesehenen Einschränkung die Entschädigung 50 Franken für jedes fehlende Kilogramm des Rohgewichts nicht übersteigen." Hier findet sich also neben der Beschränkung der Haftung durch den Einzelschadensbegriff ganz allgemein eine betragsmäßige Begrenzung der Einzelschadensersatzschuld. Haftet ausnahmsweise die Eisenbahn auch f ü r den Mehr-, also nicht nur für den Einzelschaden, so ist regelmäßig die Summenschadensersatzschuld unbegrenzt. Sogar bei Ausnahmetarifen (§§ 461 Abs. 2 HGB., 86 Abs. 4, 91 EVO.) und bei Kostbarkeiten (§§ 462 Satz 2 HGB., 86 Abs. 4, 91 EVO.) gilt das. Nur Art. 36 J Ü . kennt 461 ) R u n d n a g e l bei Ehrenberg V 2 S . 237, 469, S t a u b Anm. 10 zu § 4 3 ° . S. 758. 482 ) S c h a p s Anm. 1 4 zu § 606, S. 4 1 1 ; R G . 6. 7. 1 9 1 0 J W . 1 9 1 0 S. 827 und die in der folgenden Anmerkung Zitierten. A . A . W a l s m a n n S. 7 1 ; O L G . Hamburg 30. 4. 1903 OLGRspr. 6 S. 472. M3 ) D ü r i n g e r - H a c h e n b u r g V 2 Anm. 5 zu § 430, S. 1 1 8 6 , J a c o b s o h n HansRZ. 1922 Sp. 919, M i t t c l s t e i n S. 270, S t a u b Anm. 4 zu § 430, S. 7 j 6 (auch Anm. 6 zu § 430, S. 757). A . A . S c h a p s Anm. 3 zu § 6 1 1 , S. 449; R G . 5. 1 1 . 1 9 1 9 R G Z . Bd. 98 S. I J I . 464 ) So D ü r i n g e r - H a c h e n b u r g V 2 Anm. j zu § 430, S. 1186. 465 ) D ü r i n g e r - H a c h e n b u r g V 2 Anm. 6 zu § 462, S. 1362, R u n d n a g e l bei Ehrenberg V 2 S. 4 6 1 .

93 selbst bei Vorsatz und grober Fahrlässigkeit, wo an sich der Summenschaden ersetzt werden muß, stets eine Schranke: Der Summenschaden ist „jeweils bis zum Doppelten der in den Artikeln 29, 32 . . . 34 . . . . vorgesehenen 'Höchstbeträge zu ersetzen". Die Regelung gemahnt an die vorsichtige Konstitution Justinians de sententiis, quae pro eo quod interest proferuntur!488 Ganz allgemein eröffnet sich die Möglichkeit, auch den Mehrschaden ersetzt zu erhalten, durch Angabe des „Interesse an der Lieferung" (§§ 463 HGB., 89, 90 Abs. 1 a EVO., Art. 35 §§ 1, 2, 4 JU.). Für solche Beseitigung der Haftungsbeschränkung durch den Einzelschadensbegriff wird stets eine besondere Gebühr erhoben. Auch für den Summenschaden haftet dann aber die Eisenbahn nur bis zu einer Höchstgrenze, nämlich nur für den Sachschaden zuzüglich des Mehrschadens, soweit beide zusammen den im Frachtbrief usw. angegebenen Betrag nicht überschreiten. Die Schuld ist also betragsmäßig begrenzt. Da die Angabe des Interesses an der Lieferung den Anspruchsberechtigten nur besserstellen soll, greift die Begrenzung nicht ein, wenn die ohne Angabe des Lieferwertes zu gewährende Entschädigung den Lieferwert überstiege (§ 90 Abs. 3 EVO.). Nur ein Anwendungsfall dieses allgemeinen Rechtssatzes ist es, daß die Haftungsbeschränkung durch den im Frachtbrief angegebenen Betrag wegfällt, wenn wegen Vorsatzes oder grober Fahrlässigkeit die Eisenbahn unbeschränkt haftet (§§ 90 Abs. 4, 91 EVO.). Hervorhebenswert erscheint, daß nach Art. 36 JU. in Verbindung mit Art. 3J § 4 JÜ. im Falle der Angabe des Interesses an der Lieferung auch bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit der Summenschaden nur ersetzt verlangt werden kann bis zur Höhe des im Frachtbriefe angegebenen Betrages. Es fällt auf, daß dieses Wechselspiel von Haftungsbeschränkungen grade im Eisenbahnfrachtrecht so häufig ist. Der Grund mag darin zu suchen sein, daß die Eisenbahn ohne Rücksicht auf Verschulden haftet, also grade bei ihr ein Bedürfnis für weitestgehende Haftungsbeschränkungen besteht. Wenn außerhalb des Eisenbahnfraditrechts — etwa im Rahmen der §§ 611 Abs. 1, 613 HGB. — ähnliche Erscheinungen auftreten, so lassen sie sich angesichts der Verschuldenshaftung derjenigen Transportunternehmen, die nicht Eisenbahnen sind, nur schwer rechtfertigen. Das gilt beispielsweise für Klauseln, nach denen die Haftung des Verfrachters trotz ihrer Beschränkung auf den Sachschaden weiter durch Festsetzung niedriger Höchstbeträge begrenzt wird487. Den vorgenannten Einzelschadensvorschriften aus dem Güterbeförderungsrecht steht der an zweiter Stelle zu nennende § 19 Abs. j OrderlagerscheinVO. nahe, wonach sich der von dem Lagerhalter für Verlust des Gutes zu leistende Schadensersatz auf den gemeinen Wert des Gutes beschränkt; nur wenn der Lagerhalter den 466

) S. oben S. 22. *"7) Beispiele bei S d b a p s s t e i n S. 273.

Anm. 77 zu § 606, S. 4 3 1 ,

auch

Mittel-

94 Schaden durch Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit herbeigeführt hat, kann Ersatz des vollen Schadens gefordert werden. Die Vorschrift sieht also gleichfalls grundsätzlich Einzelschadensersatz, nur ausnahmsweise Summenschadensersatz vor. Auch hier handelt es sich also um eine grundsätzliche Wegbedingung des § 249 Satz 1 BGB. „Die Übernahme" der „im Frachtrecht . . . . ausgebildeten Regel auf das Lagergeschäft erschien geboten, um das Risiko des Lagerhalters in angemessenen Grenzen zu halten."468 Die dritte Gruppe von Einzelschadensvorschriften, mit der wir uns zu befassen haben, gehört einem ganz anderen Rechtsgebiet als die beiden ersten Gruppen an, nämlich dem Gebiete der sogenannten Gefährdungshaftung 469 . Es handelt sich um die §§ 3, 3 a HaftpflG., 10, ix KraftfG., 2 1 , 22 LuftvG. Eisenbahnen und Kraftfahrzeughalter haften bis zur Grenze der höheren Gewalt (§§ 1 HaftpflG., 7 Abs. 1 KraftfG.), Luftfahrzeughalter sogar nodi strenger ( § 1 9 Abs. 1 LuftvG.) 470 . Daraus erklärt sich, daß auf der anderen Seite Haftungsbeschränkungen Platz greifen, die das Betriebsrisiko erst tragbar machen471 und die auch geschaffen sind, um die Erlangung eines Haftpflichtversidierungsschutzes zu ermöglichen472. Das System dieser Haftungsbeschränkungen ist verwickelt. Besonders beachtenswert ist grade für uns, daß in weitem Umfange auch der Einzelschadensbegriff nutzbar gemacht wird. Betrachten wir zunächst das Haftpflichtgesetz 47 '. Nach § 1 HaftpflG. scheint es, als ob dem Gesetz der summarische Schadensbegriff zugrundeliege: Jeder durdi Tötung oder körperliche Verletzung entstandene Schaden soll ersetzt werden. Aber die §§ 3, 3 a HaftpflG. belehren uns eines anderen: In § 3 HaftpflG. findet sich eine Aufzählung von materiellen Einzelschäden, die im Falle der Tötung erstattet werden müssen, § 3 a HaftpflG. enthält einen entsprechenden Katalog für den Fall der Körperverletzung. In letzterem beispielsweise sind drei Einzelschäden bezeichnet: Kosten der Heilung, Schaden durch zeitweise oder dauernde Aufhebung oder Minderung der Erwerbsfähigkeit, Schaden durch Vermehrung der Bedürfnisse. Die §§ 3, 3 a HaftpflG. sind anerkanntermaßen erschöpfend474. Weitere Einzelschäden als die darin benannten hat die Eisenbahn in *'8) V o g e l s Anm. 8 zu § 19, S. 100. *"') Zu diesem Begriff B i e n e n f e l d S. 132—142 m . w . N . *70) W ü s t e n d ö r f e r Weltluftrecht S. 18. • 7 1 ) B u s s e S. 108, T a u b e r ArchLuftR. 1932 S. 245. Deshalb z. B. auch die Haftungsbeschränkung des Gastwirts. *72) B r e d o w - M ü l l e r S. 265, B u s s e S. 1 1 2 , F l o e g e l Anm. 2 zu § 12, S. 49, I s a a c - S i e b u r g S. 379; RG. 20. 12. 1915 RGZ. Bd. 87 S. 406 bis 407. Deshalb z. B. auch die Haftungsbeschränkung des Wirtschaftsprüfers. 7a ) Unberücksichtigt bleiben hier die Landesgesetze des Art. 105 EGBGB. Vgl. dazu etwa RG. 3. j . 1906 R G Z . Bd. 63 S. 275, 26. 8. 193$ RGZ. Bd. 148 S. 307—308. "*) E g e r Anm. 33 zu § 3, S. 341—3^2, Anm. 31 zu § 3> S. 334, RGRKomm. Anm. 1 zu § 844, S. 717, S e l i g s o n n Anm. 2 zu § 3, S. 200—201, Anm. 1 zu | j a , S. 233, W a l s m a n n S. 1 0 1 ; RG. 8. 2. 1904 RGZ. Bd. $7 S. $3—54-

95 Abweichung von § 249 Satz 1 BGB. nicht zu ersetzen. Das gilt beispielsweise für alle Nichtvermögensschäden475, ferner im Rahmen des § \ HaftpflG. insbesondere für den materiellen Schaden, der Hinterbliebenen daraus erwächst, daß der Getötete ihnen zur Leistung von Diensten verpflichtet war 476 . Trotz dieser Begrenzung auf bestimmte Einzelschäden handelt es sich unfraglich um echten Schadensersatz477, aber eben nicht um die üblidie Erstattung des Summenschadens. Die Umreißung der ersatzfähigen Einzelschäden ist in §§ 3, 3 a HaftpflG. einigermaßen gut erfolgt. Heilungskosten sind beispielsweise, solange sie noch nicht im juristischen Sinne einer bestimmten Person geschuldet werden, faktisch notwendige Aufwendungen, also Ungüter des seienden Passivvermögens478. Sie stellen sich als Schulden dar, sobald eine bestimmte Person, etwa ein Arzt, eine Forderung erlangt hat, auch insoweit handelt es sich also um Ungüter des seienden Passivvermögens479. Sind die Heilungskosten beglichen, so besteht der Schaden in den fortgegebenen Geldstücken oder — bei Banküberweisung — in der Schmälerung des Bankguthabens, die Beziehung zu einem Gute des seienden Aktivvermögens (Sache, Forderung) ist also beeinträchtigt480. Daß Kosten nur eine Unterart des Schadens sind, bedarf lediglich deshalb der Hervorhebung, weil dem Begriffe der Kosten — wie sich aus dem Gesagten ergibt — keine bestimmte Wert- oder Unwertbeziehung zugeordnet ist. Man kann Kosten deshalb als gattungsmäßig bezeichnete Einzelschäden ansehen481. Die zweite in §§ 3, 3 a HaftpflG. aufgeführte Schadensart — Schaden durch Aufhebung oder Minderung der Erwerbsfähigkeit — erfaßt nur Schäden, die sich als Negation einer Wertbeziehung darstellen; die beiden negativen Erscheinungsformen des Schadens — Entstehung oder Unwertvollerwerden einer Unwertbeziehung — scheiden hier aus. Es gilt, die „Erwerbseinbuße"482 zu erfassen. Dabei hat man es einerseits mit beeinträchtigten Forderungsbeziehungen zu tun — Gehaltsansprüche des Verletzten werden in Mitleidenschaft gezogen — oder aber, und das ist bedeutsamer, mit beeinträchtigten *") G e i g e l S. 34, S e l i g s o h n Anm. 2 zu § 3, S. 200, 201; RG. 13. 1. 1908 J W . 1908 S. 196, 10. 7. 1911 J W . 1911 S. 82$, 8. 7. 1920 R G Z . Bd. 99 S. 264. *'•) G e i g e l S. 3J, H e dt S. 445, S e l i g s o h n Anm. 2 zu § 3, S. 200, 201, S t a u d i n g e r Anm. 9 zu § 84 j, S. 1983; RG. 9. 4. 1897 RGZ. Bd. 39 S- 3j—37» 81904 RGZ. Bd. $7 S. $2—55, 1. 7. 1909 J W . 1909 S. 483, 1. 3. 1934 R G Z . Bd. 144 S. 68, OLG. Hamburg 27. 4. 1934 HansRGZ. 1934 B Sp. 407, vgl. auch KG. 30. 1. 1929 J W 1929 S. 1494. tn ) Ebenso E g e r Anm. 33 zu § 3, S. 341, S e l i g s o h n Anm. 37 zu § 3> S. 219—220, dagegen W a l s m a n n S. 101. 8 " ) Dazu E g e r Anm. 34 zu § 3, S. 342, S e 1 i g s o h n Anm. 2 zu § 3 a, S. 234 („in der Zukunft notwendig werdenden Heilungskosten"). Im Falle der Tötung kommen natürlich nur aufgewendete Kosten in Betracht (S e 1 i g s o h n Anm. 6 zu § 3, S. 203). * 7 ') Dazu S e 1 i g s o h n Anm. 6 zu § 3, S. 203 („schuldig geworden"). 4eo ) Dazu S e 1 i g s o h n Anm. 6 zu § 3, S. 203 („Kosten bezahlt"). Zum viel verwendeten Begriff der Kosten vgl. nodi C o h n f e l d t S. 63, R u n d n a g e l bei Ehrenberg V 2 S. 461—462, S t a u b Anm. 6 zu § 4J7, S. 831. 82 * ) S e 1 i g s o h n Anm. 7 zu § 3 a, S. 237.

96 Anwartschaften, also entgangenem Gewinn 483 . Was schließlich noch den Schaden durch Vermehrung der Bedürfnisse anlangt, so handelt es sich um Einzelschäden nach Art der Heilungskosten, nur ist hier eine bestimmte Richtung der Bedürfnisse nicht erforderlich184. An und f ü r sich ist die Benennung der Heilungskosten neben den vermehrten Bedürfnissen nicht notwendig. Schaden als Negation der Wertbeziehung zu Gewinnanwartschaften (entgangener Gewinn) läßt sich nie unter den Begriff der vermehrten Bedürfnisse und demnach auch der Heilungskosten bringen485. Diese Beispiele dafür, wie in §§ 3, 3 a HaftpflG. der Begriff des Einzelschadens verwertet ist, mögen ausreichen. Bemerkt sei nur noch, daß erst im Rahmen dieser Einzelschadenshaftung, aber auch dort nicht ohne Vorbehalte, die weitere Haftungsbeschränkung des § 7 a Abs. 1 HaftpflG. eingreift: Die Geldrente wegen Beeinträchtigung der Erwerbsfähigkeit und wegen Vermehrung der Bedürfnisse ist summenmäßig begrenzt486. Wieder also sind zwei Haftungsbeschränkungen miteinander kombiniert. Entsprechendes wie nach §§ 3, 3 a HaftpflG. gilt für die §§ 10, 1 1 K r a f t f G . Auch die sich dort findende Aufzählung von Einzelschäden ist abschließend487. Besonders muß beispielsweise anerkannt werden, daß eine Erschwerung des Fortkommens durch ungünstige Lage des Arbeitsmarktes — der Verletzte hat seine Stellung infolge des Unfalls verloren und bleibt nach seiner Heilung arbeitslos — den Kraftfahrzeughalter nicht belastet488. Trotz der Beschränkung auf Einzelschäden handelt es sich um echten Schadensersatz489. Dem § 7 a Abs. 1 HaftpflG. entspricht § 1 2 Abs. 1 Ziffer 1, 2, Abs. 2 K a f t f G . , nur ist die letztgenannte Bestimmung nicht auf den Fall der Rentenzahlung beschränkt und gilt auch nicht nur f ü r einzelne der in §§ 10, 1 1 K r a f t f G . benannten Einzelschäden. Wieder etwas anders ist die Rechtslage nach den §§ 2 1 , 22 LuftvG. Zwar sind auch diese Bestimmungen in der Anführung der Einzelschäden erschöpfend4"0, aber der Katalog ist etwas erweitert: Schaden durch Erschwerung des Fortkommens ist ersatzpflichtig491. 48S ) Betont von E g e r Anm. 31 zu § 3, S. 334, der aber verkennt, daß die Erwerbseinbuße auch „wirklicher Sdiaden" sein kann. * " ) Die Verwandtschaft ist hervorgehoben bei S e l i g s o h n Anm. j zu § 3, S. 202—203, Anm. 15 zu § 3, S. 208—209. *86) Richtig E g e r Anm. 31 zu § 3, S. 334 (für die Heillingskosten), vgl. audi S e l i g s o n n Anm. 15 zu § 3, S. 209 (Schaden infolge Störung in der Berufsvorbereitung). 48e ) Vgl. S e l i g s o h n Anm. 3 zu § 7 a , S. 3 1 1 . * 87 ) F l o e g e 1 Anm. 2 zu § io, S. 47, I s a a c - S i e b u r g S. 347, M ü l l e r S. 31 j, RGRKomm. Anm. 1 zu § 844, S. 648; RG. 6. 10. 1913 J W . 1914 S. 46, 5• 1 9 3 ° RGZ. Bd. 129 S. 57. ,6a ) So I s a a c - S i e b u r g S. 347, M ü l l e r S. 31$, 325, W u s s o w J W . 1931 S. 3599, dagegen Schack JurRdsdi. 1934 S. 166, unentschieden (für das Reichshaftpflichtgesetz) RG. 22. 10. 1932 J W . 1933 S. 770—771. *89) So M ü l l e r S. 31$, 319. Uneinheitlich I s a a c - S i e b u r g S. 348, 368 einerseits, S. 351 andererseits, wo verkannt wird, daß audi Aufwendungsersatzansprüche Schadensersatzansprüche sein können. * m ) B r e d o w - M ü l l e r S. 253—254. *e:t) B r e d o w - M ü l l e r S. 254, 263, B u s s e S. 108, 109, m , T a u b e r ArchLuftR. 1932 S. 245—246, zu weit W u s s o w J W . 1931 S. 3599.

97 Aber immaterieller Schaden und Schaden der Hinterbliebenen wegen entgangener Dienste scheiden beispielsweise auch hier aus492. Daß der zu leistende Ersatz seiner Rechtsnatur nach wirklicher Schadensersatz ist, muß gleichfalls anerkannt werden493. § 23 Abs. 1 Ziffer 1, 2, Abs. 2 LuftvG. stellt eine verbesserte Fassung des § 12 Abs. x Ziffer 1, 2, Abs. 2 K r a f t f G . dar. An vierter Stelle soll unter den Einzelschadensvorschriften die Bestimmung des § 2 AbzG. genannt werden, die dem Abzahlungskäufer eine Schadensersatzpflicht für den Fall des vom Verkäufer erklärten Rücktrittes auferlegt. Wenn in dieser Bestimmung der Einzelschadensbegriff zugrundegelegt ist, so erklärt sich das aus ganz anderen Gründen als bei den bisher behandelten beiden Normengruppen. Hier greifen sozialpolitische Gesichtspunkte ein: Der Käufer soll vor unübersehbar hohen Schadensersatzforderungen des Verkäufers geschützt werden, damit er nicht zugrundegerichtet wird494. Ein gerechter Ausgleich der widerstreitenden Interessen ist unter Zuhilfenahme des Einzelschadensbegriffs vorzüglich gelungen. Wenn auch § 249 Satz 1 BGB. keine Anwendung findet, kann es doch nicht zweifelhaft sein, daß § 2 AbzG. eine Schadensersatznorm darstellt488. Man hat auf den Einzelschaden zurückgegriffen, obgleich bei der Schaffung von § 2 AbzG. das Bürgerliche Gesetzbuch im Entwurf bereits vorlag 498 . In § 2 Abs. 1 Satz 1, 2 AbzG. sind in erschöpfender Weise 4 " drei Arten von Einzelschäden aufgeführt: „die in Folge des Vertrages gemachten Aufwendungen", Beschädigungen der Sache, Gebrauchsvergütung. Da nur die „gemachten Aufwendungen" in Betracht kommen, scheiden die erst in Zukunft zu machenden Aufwendungen aus. Dabei muß aber betont werden, daß eine Aufwendung nicht nur dann gemacht sein kann, wenn eine Wertbeziehung beeinträchtigt, also etwa Geld fortgegeben ist. Zwar behandelt § 256 BGB. nur solche Aufwendungen, aber auch die Übernahme einer Verbindlichkeit kann, wie § 257 BGB. ergibt, eine Aufwendung sein498. Gemachte Aufwendungen unterscheiden sich von anderen Schäden dadurch, daß bei ihnen die Schmälerung des Aktivvermögens oder die Vergrößerung des Passivvermögens „auf freiem Willen" 499 beruht: Der Geschädigte muß sich letzten Endes selbst den Schaden zufügen, etwa eine Verbindlichkeit eingehen, eine Rechnung bezahlen usw. 492 ) Bredow-Müller S. 263, B u s s e S. 1 1 1 , 108, Staudinger Anm. 9 zu § 84j, S. 1983; R.G. 6. 10. 1 9 1 3 JW.v 1 9 1 4 S. 4$. 493 ) B r e d o w - M ü l l e r S. 254, 258. *•*) C r i s o l l i Anm. 1, 2, 3 zu § 2, S. 1 3 9 — 1 4 0 . * " ) C r i s o l l i Anm. 1 zu § 2, S. 1 3 9 ; R G . 4. 10. 1 9 3 2 R G Z . Bd. 138 S. 32. 4ee ) C r i s o l l i Anm. 1 zu § 2, S. 140. " " ) C r i s o l l i Anm. 3 zu § 2, S. 140. Im Ergebnis riditig C r i s o l l i Anm. 28 zu § 2, S. 149, der aber meint, hier seien „die Aufwendungen noch nicht gemacht". ' " ) RGRKomm. Anm. 1 zu § 256, S. 439, vgl. auch C r i s o l l i Anm. 7 zu § 2, S. 1 4 1 , der verkennt, daß auch die Erfüllung von Verpflichtungen „auf freiem Willen" beruhen kann, sowie I s e l e S. 5 7 — 6 $ , 124.

98 Diese Freiwilligkeit ist es, die — wie früher600 gezeigt — teilweise dazu geführt hat, Schadensersatz und Aufwendungsersatz als gegensätzlich einander gegenüberzustellen. Das ist aber deshalb verfehlt, weil dem Begriffe des Schadens die Fremdzufügung keineswegs wesentlich ist. Das Versicherungsvertragsrecht spricht denn auch von Aufwendungsschaden. Der Begriff der Kosten ist mit dem der Aufwendungen verwandt, aber enger. Man kann Gewinnanwartschaften aufwenden, aber der entstehende Schaden läßt sich nie unter den Begriff der Kosten bringen. Werden Sachen aufgeopfert, so spricht man von Kosten nur, wenn die Sachen Geld sind. Entsprechendes gilt bei Forderungen: Nur die Beeinträchtigung von Geldforderungen — man denke an Banküberweisungen — ist den Kosten zuzurechnen. Auf der Passivseite gehören zu den Kosten übernommene Geldschulden. Viel einfacher als bei den Aufwendungen liegen die Dinge im Rahmen des § 2 AbzG. bei den Beschädigungen der zurückzugewährenden Kaufsache. Hier handelt es sich um die Beeinträchtigung der Wertbeziehung zu einer Sache, also um einen eindeutig umschriebenen Einzelschaden. Es ist nicht angängig zu sagen, der Umfang der Schadensersatzpflicht sei hier nicht geregelt und daher § 249 Satz 1 BGB. zu entnehmen601. Insbesondere ist dem Verkäufer nicht der Gewinn zu ersetzen, „der ihm durch die Beschädigung der Sache entgeht"602. Es darf nicht verkannt werden, daß die zu ersetzenden Einzelschäden vom Gesetz erschöpfend aufgeführt sind. Der dritte in § 2 AbzG. genannte Posten, die Gebraudisvergütung, gehört streng genommen nicht dem Schadensersatzrechte an. Denn ein Schaden des Verkäufers wird nicht vorausgesetzt. Er wird aber regelmäßig durch die Gebrauchsvergütung miterfaßt, da bei der Höhe des zu erstattenden Betrages „auf die inzwischen eingetretene Werthminderung der Sache Rücksicht zu nehmen ist". Diese Wertminderung ist ein Schaden, der sich als Negation der Beziehung zu der Kaufsache darstellt. Wie er genauer zu qualifizieren ist, insbesondere wie er sich von dem Beschädigungsschaden abhebt, mag hier dahingestellt bleiben503. Hervorgehoben sei nur, daß von dem gemeinen Wert der Kaufsache ausgegangen werden muß, wenn man die Wertminderung feststellen will604. Die fünfte Gruppe von Einzelschadensvorschriften führt uns in das Recht der großen Haverei, wo dem Einzelschadensbegriff eine überragende Bedeutung zukommt, ohne daß dafür wie bei den ersten vier Gruppen ein Grund ohne weiteres ersichtlich ist500. 60

°) Vgl. oben S. 14—15. ) So C r i s o l l i Anm. 39 zu § 2, S. 152. ) So C r i s o l l i Anm. 40 zu § 2, S. 1 5 2 — I J J . Richtig S a m t e r S. 42. 603 ) Dazu — im Einzelnen anfeditbar — C r i s o l l i Anm. 50—54 zu § 2, S. 158—160. 5M ) C r i s o l l i Anm. 57 zu 5 2, S. 161, JurRdsch. 1932 S. 133—136, J W . 1934 S. 1089—1091; RG. 4. ro. 1932 RGZ. Bd. 138 S. 34, KG. 25. 10. 1933 J W . 1934 S. 1736. Dagegen W e i s b a r t JurRdsdi. 1932 S. 205—206. 505 ) Zum Folgenden vgl. audi M ö l l e r Mitteilungen des Internationalen Transport-Versicherungs-Verbandes 1935 S. 6—8 und unten S. 138—139. 601

602

99 Liest man allerdings nur § 700 Abs. 1 HGB., so bleibt die Bedeutung des Einzelschadensbegriffes verborgen. Dort werden nämlich neben den dem Schiffe und/oder der Ladung vorsätzlich zugefügten Sachschäden alle „ferner verursachten Schäden, ingleichen die Kosten, die . . . . aufgewendet werden" benannt. Das ist der Summenschaden. Denn die ferner verursachten Schäden brauchen keine Sachschäden zu sein, man denke nur an den Frachtverlust infolge Opferung der Güter800. Erforderlich ist nur, daß die Schäden durch die Havariegrossemaßregel adäquat verursacht sind507. Ist diese Voraussetzung gegeben, so gehört auch entgangener Gewinn dazu508. Wenn neben den Schäden noch die Kosten besonders benannt werden, so ist das überflüssig509. Aber § 700 Abs. r HGB. gewinnt überhaupt erst in Zusammenhalt mit § 706 HGB. wirkliches Leben. Hier werden die häufigsten Havariegrossefälle einzeln behandelt, und zwar derart, daß für die behandelten Fälle erschöpfend angegeben wird, welche Einzelschäden zur großen Haverei gehören. Das ist heute allgemein anerkannt 510 . So zieht sich denn durch das Gebäude des geltenden deutschen Havariegrosserechts ein deutlicher Riß. Hüben herrscht der Summenschadensbegriff, drüben der Einzelschadensbegriff. Nicht zuletzt diese Aufspaltung, welche es klar zu erkennen gilt, hat das Havariegrosserecht zu einem Tummelplatz widerstreitender Meinungen gemacht: Man denke nur an die Frage der Vergütung entgangenen Gewinnes, insbesondere des Nutzungsverlustes, auf die noch zurückzukommen sein wird. Vorerst möge § 706 H G B . mit seiner Aufzählung von Einzelschäden etwas unter die Lupe genommen werden. Ziffer 1 (Seewurf) läßt nur Sachschäden zur großen Haverei gehören, wobei es kennzeichnend für den Schutz der Sachbeziehung ist, daß nach § 711 Abs. 1 — 3 HGB. auf den Preis der Güter abgestellt werden muß, wenn es gilt, die Vergütung für aufgeopferte Güter zu bestimmen. Außer Sachschäden kommen gemäß § 706 HGB. häufig auch andere Einzelschäden in Betracht: Ziffer 2 (Leichterung) nennt neben 60a )

Beispiel angeführt bei U l r i c h - B r u d e r s S. 23. S c h a p s Anm. 22 zu § 700, S. 61 j, S o m m e r S. 6—8, U l r i c h B r ü d e r s S. 23—24. — H e c k Haverei S. 110, 1 1 2 — 1 1 3 zieht — ausgehend von seinem „Opfersystem" — nur voraussehbare Schäden in Betracht, was aber der Sache nach dasselbe ist ( S o m m e r S, 7). 60s ) A . A . S o m m e r S. 27, U l r i c h - B r ü d e r s S. 26—27. B0®) Deshalb kann auch kein Zweifel darüber bestehen, daß zu den Kosten auch die „ferner verursachten" gehören: H e c k Haverei S. 1 1 3 — 1 1 4 , U l r i d i B r i i d e r s S. 24. — Deshalb auch empfiehlt H e d e Haverei S. 126 de lege ferenda den zusammenfassenden Ausdruck „ O p f e r " . 51 °) L e o S. 120, 125, M i t t e l s t e i n S. 340—341, R i t t e r ArdiBürgR. 40 S. 413, S c h a p s Anm. 22 zu § 700, S. 6IJ, Einl. zu § 706, S. 629, S i e v e k i n g S. 206, S o m m e r S. 31—32, U l r i c h - B r ü d e r s S. 59—60, 60—61; R O H G . 10. 12. 1872 Bd. 8 S. 218, 23. 6. 1874 Bd. 13 S. 407, R G . 28. 3. 1888 H G Z . 1888 Hbl. S. 199—200, O L G . Hamburg j. 3. 1883 H G Z . 1883 Hbl. S. 134, 17. 12. 1887 H G Z . 1888 Hbl. S. 24, LG. Hamburg 20. 7. 1883 H G Z . 1883 Hbl. S. 2j6. A . A . H e i Haverei S. 203—211. 507 )

100 dem Sachschaden511 auch den Leichterlohn. Ziffer 3 (Strandung) erwähnt auch die Abbringungsk osten; unbestritten ist aber, daß Heuer und Kost der Schiffsbesatzung während des Aufenthalts auf dem Strand nicht zur großen Haverei gehören612. Ziffer 5 (Verteidigung des Schiffes gegen Feinde oder Seeräuber) stellt ebenfalls Sachschäden und gewisse andere Einzelschäden nebeneinander. Endlich kennt auch Ziffer 7 (Beschaffung der Havereigelder u. a.) neben Sachschäden (verkaufte Güter) andere Einzelschäden. Als dritte Gruppe — in der ersten (Ziffer 1) werden nur Sachschäden, in der zweiten (Ziffern 2, 3, 5, 7) daneben andere Einzelschäden ersetzt — sind die Ziffern 4, 6 zu nennen: Nur Einzelschäden, die nicht an Schiff und Ladung eingetreten sind, werden aufgeführt: Ziffer 4 (Nothafelung) hebt besonders hervor, daß die Kosten der Ausbesserung des Schiffes nur insoweit zur großen Haverei gehören, als der auszubessernde Schaden selbst große Haverei ist. Auch ein im Nothafen am Schiff eintretender Schaden wird, selbst wenn er die Folge der Nothafelung ist, nicht ersetzt"8. Schließlich gehören auch im Nothafen eintretende Ladungsschäden nicht zur großen Haverei614. Andererseits werden auch jene Einzelschäden, die sich nicht als Sachschäden darstellen, nur insoweit ersetzt, als Ziffer 4 sie aufführt. Nicht erstattet werden also beispielsweise die Kosten der Fahrt zum und vom Nothafen616 und die Kosten für Wohnung und Kost der Reisenden im Nothafen616. Überschaut man das in § 706 HGB. enthaltene System von Einzelschäden, so zeigt sich, daß in den in dieser Bestimmung geregelten Havereifällen nach deutschem Recht entgangener Gewinn, insbesondere Nutzungsverlust des Reeders, nie zu ersetzen ist617. Auch Schaden, der dadurch entsteht, daß eine bereits entstandene Frachtforderung beeinträchtigt wird 018 , gehört im Rahmen des § 706 HGB. nie zur großen Haverei 619 ; auch § 715 HGB. ergibt nicht das Gegenteil, denn dort ist nur bestimmt, wie die Vergütung für entgangene Fracht berechnet werden soll, falls sie zur großen Haverei gehört. 6U ) Schaden am Leichterfahrzeug gehört aber nidit zur großen Haverei (a.A. zum Teil U l r i d i - B r ü d e r s S. 67). 512 ) Der Wortlaut „die durch die Strandung einschließlich der Abbringung entstehenden Schäden" ist allerdings sehr weit und könnte audi andere als Sachschäden erfassen. Wie im Text aber S d i a p s Anm. 21 zu § 706, S. 633, S o m m e r S. 44, 47, U l r i c h - B r ü d e r s S. 60, 72—74, 81; ROHG. 23. 6. 1874 Bd. 13 S. 407. 613 ) U l r i c h - B r ü d e r s S. 91, 102—104. 6 " ) U l r i d i - B r ü d e r s S. 60—61, 91, 98—99; ROHG. 10. 12. 1872 Bd. 8 S. 218—-110. 616 ) U l r i d i - B r ü d e r s S. 91, 92—93; ROHG. 23. 6. 1874 Bd. 13 S . 4 1 2 . 61 ") U l r i d i - B r ü d e r s S. 61, 94—9$. 617 ) H o c h g r ä b e r NeumannsZ. 1934 S. 307, J40, 1099. Zu weit S o m m e r S. 27—28. Daß außerhalb des § 706 HGB. entgangener Gewinn zu ersetzen ist, wenn es sich um einen adäquaten Schaden handelt, wurde oben S. 99 dargetan. sl8 ) Dieser Schaden ist kein entgangener Gewinn, sondern damnum emergens, vgl. oben S. $9. M *) Zu weit U l r i c h - B r ü d e r s S. 154, unrichtig S o m m e r S. 37, 41, 44.

10J

Außerhalb des § 706 H G B . gilt aber das Summenschadensprinzip, bei den nicht besonders geregelten Havariegrossefällen kann also auch eine Vergütung für entgangenen Gewinn und entgangene Fracht erlangt werden. Während nach deutschem Recht das Verhältnis von Summenund Einzelschaden sonach noch einigermaßen deutlich ist, herrscht bei den York-Antwerpener Regeln von 1924 eine heillose Verwirrung. Die Regel C Abs. 1 ergibt allerdings, daß alle adäquat durch die Havariegrossemaßregel verursachten Schäden zur großen Haverei gehören620. Aber schon dieser Gedanke kommt nur undeutlich zum Ausdruck, da die recht vieldeutigen Worte „direkte Folge" gebraucht sind, um die Notwendigkeit adäquaten Kausalzusammenhangs zum Ausdruck zu bringen621. Noch weniger glücklich ist Regel C Abs. 2 formuliert. Sie enthält zwei Vorschriften. Zunächst — und das ist noch einigermaßen deutlich — werden gewisse Schäden, welche die Sachbeziehungen zu Schiff oder Ladung betreffen, generell aus den nach Regel C Abs. 1 vergütungsberechtigten Schäden herausgenommen: Schäden, „welche das Schiff oder die Ladung durch eine Verzögerung der Reise erleidet". Dann aber ist von indirekten Schäden aus der gleichen Ursache, wie Nutzungs- und Konjunkturverlust die Rede, und es tauchen die schwierigen Fragen auf: Was bezweckt die Erwähnung der indirekten Schäden, nachdem schon Regel C Abs. 1 klarstellt, daß doch nur direkte Schäden vergütet werden? Soll etwa Nutzungs- und Konjunkturverlust stets als indirekter Schaden behandelt, also eine Fiktion aufgestellt werden, weldie die Regel C Abs. 1 durchbricht, soweit der Nutzungs- und Konjunkturverlust adäquat durch die Havariegrossemaßregel verursacht ist? Was gilt für Nutzungs- und Konjunkturverlust, die nicht während der Reise, sondern nach ihrer Beendigung entstehen? Noch mangelhafter sind die sogenannten Zahlenregeln622. Während einige von ihnen klar erkennen lassen, daß wie in § 706 HGB. der Einzelschadensbegriff zugrundeliegt623, sind die Regeln II, I I I und V I I I in dieser Hinsicht auslegungsbedürftig. Bei Regel II kann man zum Beispiel einerseits annehmen, daß auch die „Schäden, die dadurch entstehen, daß, um einen Seewurf zur gemeinsamen Rettung vorzunehmen, Schiffsluken geöffnet oder andere Öffnungen gemacht werden und Wasser durch sie eindringt", bestimmte Einzelschäden, und zwar Sachschäden, „Schäden an Schiff oder Ladung" sein müssen. Andererseits ergibt der Wortlaut keineswegs deutlich, daß solche Abweichung von dem Summenschadensprinzip der Regel C Abs. 1 M0

) S o m m e r S. 24, U l r i d i - H o d i g r ä b e r S. 127. ) Über die Vieldeutigkeit des Begriffs mittelbarer Schaden (für das Versicherungsrecht) M ö l l e r Wirtschaft und Recht der Versicherung 1931 Nr. 1 S. 67—69. 5!1 ) Über das Verhältnis zu den Buchstabenregeln vgl. die bei S o m m e r S. 33—34 Angeführten. 523 ) Vgl. die Regeln VI, VII, I X , X a, X c, X d, X I , X I I . 621

102 gewollt ist524. Bei der Entscheidung der Frage wird man berücksichtigen müssen, daß die große Mehrzahl der Zahlenregeln den Einzelsdiadensbegriff zugrundelegt, was dafür spricht, daß auch die Regeln II, III und VIII eine Durchbrechung des Summenschadensprinzips von Regel C Abs. i beinhalten626. Für die Frage des entgangenen Gewinnes, insbesondere des Nutzungsverlustes ergibt sich sonach Folgendes: Soweit spezielle Havariegrossefälle in den Zahlenregeln unter Zugrundelegung des Einzelschadensfoegriffes erschöpfend geregelt sind, kommt eine Vergütung niemals in Betracht, da in der abschließenden Aufzählung der Einzelschäden der entgangene Gewinn stets fehlt. Im übrigen kommt es auf die Auslegung der Regel C Abs. i an. Wir sind der Meinung, daß Nutzungs- und Konjunkturverlust, verursacht durch eine Verzögerung der Reise, stets von der Vergütung ausgeschlossen werden sollten: Entgangener Gewinn gilt als indirekter Schaden, auch wenn er in Wirklichkeit adäquat durch die Havariegrossemaßregel verursacht ist. Ist das aber rechtens, so muß die Regel C Abs. 1 in Anbetracht der gleichen Interessenlage entsprechend angewendet werden, wenn der Gewinn erst nach Beendigung der Reise entgeht. EHe Rechtsprechung ist schwankend. Wie hier ist im Médéa-620 und Blacktoft-Fall627 entschieden, im Pénélope-Fall628 umgekehrt. Fälle, die sich nicht nach den York-Antwerpener Regeln von 1924 richten, können nicht herangezogen werden629. U l r i c h - H o c h g r ä b e r"° teilen die hier vertretene Meinung. Alles in allem zeigt sich, daß das Havariegrosserecht in weitestem Umfang den EinzelschadensbegrifF verwertet. Der Erfolg ist ein zweifacher: Eine klare, anschauliche Regelung tritt an die Stelle von Vorschriften, welche nur auf den — besonders für Nichtjuristen — schwer zu handhabenden Begriff der Kausalität abstellen. Die Aufzählung der Einzelschäden kann aber nie erschöpfend sein, und so können sich Härten daraus ergeben, daß gewisse Einzel524 ) U l r i c h - H o c h g r ä b e r S. 140—141 meinen, es müsse sich um Substanzsdiäden handeln — was eine Abweichung von Regel C Abs. 1 bedeuten würde. Andererseits erklären sie die Regel II für überflüssig (so audi S o m m e r S. 38) — was mit der ersten Annahme unvereinbar ist. B26 ) Bei Regel II spricht auch der englische und französische Text für diese Auffassung. — Zu Regel III vgl. U l r i c h - H o c h g r ä b e r S. 142, zu Regel VIII U l r i c h - H o c h g r ä b e r S. 157, die jeweils den Summenschadensbegriff zugrundelegen. 626 ) Dazu H o c h g r ä b e r NeumannsZ. 1931 S. 806, auch P r o d r o m i d è » J T V . 1931 S. 97—108. 6 " ) Dazu A n o n y m F. H . C. J T V . 1934 S. 73, P r o d r o m i d è s J T V . 1931 S. 105, auch H o c h g r ä b e r J T V . 1931 S. 157. 62S ) Sdiiedsurteil 20. 4. 1929 Dor (1929) Supp. 7, S. 210—217, auch H o c h g r ä b e r NeumannsZ. 1929 S. 538—539, U l r i d h - H o c h g r ä b e r S. 129—130. 62B ) Deshalb scheiden der Leitrim-, Willisden-, Madali-, Cypria- und Maryland-Fall hier aus. Vgl. dazu U 1 r ich - H o ch g r ä b e r S. ¿3, 128—129 m.w.N., ferner A u d o u i n J T V . 1929 S. 33—37, D o r J T V . 1928 S. 133—135, H o d i g r ä b e r NeumannsZ. 1929 S. 317—318, 1930 S. 1170—1172, 1932 S. 179—180, 1934 S. 307, 540—541, J T V . 1934 S. 73—7463 °) U l r i c h - H o c h g r ä b e r S. 130, auch H o c h g r ä b e r J T V . 1931 S. 156, 1934 S. 73, NeumannsZ. 1934 S. 307, 540. Dagegen S o m m e r S. 29.

103 schaden nicht zur großen Haverei gehören: Die Frage, welche Einzelschäden vergütet werden, hängt allein von der Gestaltung der positiven Vorschriften ab. Rechtssicherheit und Gerechtigkeit, das sind zwei Ziele, die sich hier schwer gleichzeitig verwirklichen lassen. Das geltende Recht versucht eine Kompromißlösung. Grundsätzlich läßt es der Gerechtigkeit den Vortritt und stellt eine vom Summenschadensbegriff beherrschte Regel an die Spitze. Aber dann bei der Behandlung der einzelnen Havariegrossefälle wird der Gedanke der Rechtssicherheit betont und der Einzelschadensbegriff verwertet. Diese Kompromißlösung ist, wenn man auf den Einzelschadensbegriff nicht verzichten will, deshalb notwendig, weil es stets Havariegrossefälle geben wird, die keine spezielle gesetzliche Regelung erfahren haben. Im Bereiche des Wechsel- und Scheckrechtes — und damit gelangt man zur sechsten der obenerwähnten Normengruppen — spielt der Einzelschadensersatz bei dem Rückgriff eine Rolle. „Die Geltendmachung des Rückgriffsrechts bezweckt, dem Wechselgläubiger Schadensersatz zu verschaffen für die Nichteinlösung des Wechsels. Sie richtet sich aiber nicht auf den konkreten, tatsächlich entstandenen Schaden, sondern auf eine in den Grundlinien gesetzlich festgestellte Summe, die Rückgriffssumme. Diese wird zwar dem konkreten Schaden angepaßt, ist aber auch dann zu zahlen, wenn sie sich nicht mit ihm deckt" 531 . In erschöpfender Weise"" zählen Art. 48,49 WG., 4 j , 46 ScheckG. jeweils die Einzelschäden auf, deren Zusammenrechnune die Rückgriffssumme ergibt. Dazu gehören besonders die Wechsel- und Schecksumme, also der Schaden, der sich aus der Verletzung der Wechsel- und Scheckforderung als solcher ergibt, ferner gewisse Kosten usw. Noch deutlicher tritt der Einzelschadensbegriff in den Normen der §§ 124 b, 12 j , 133 e GewO., die hier an siebenter Stelle zu nennen sind, hervor: Erfüllt ein Beschäftigter die Verpflichtung zur Arbeitsleistung nicht, so wird dadurch in jedem Falle dem Unternehmer ein Aktivum entrissen, es wird nämlich seine Forderung, die sich auf Erbringung der Arbeitsleistung richtet, zerstört. Die beeinträchtigte Forderungsbeziehung hat nun aber einen ganz 'bestimmten Wert, der sich aus dem ortsüblichen Tagelohn ergibt. Deshalb kann nach §§ 124 b Satz 1, 2, 133 GewO. der Unternehmer von dem Vertragsbrüchigen Beschäftigten „ f ü r den Tag des Vertragsbruchs und jeden folgenden Tag der vertragsmäßigen oder gesetzlichen Arbeitszeit, höchstens aber für eine Woche, den Betrag des ortsüblichen Tagelohns . . . . fordern. Diese Forderung ist an den Nachweis eines Schadens nicht gebunden". Ist der Beschäftigte zu dem Vertragsbruch von einem anderen Unternehmer verleitet, so haftet gemäß §§ 125 Abs. 1 Satz i , 1 3 3 c GewO. auch dieser andere Unternehmer dem Geschädigten, es handelt sich also um einen Fall, in dem kraft Gesetzes ein Dritter wegen Verletzung einer ForderungsM1

) v o n S d i w e r i n S. 99. ) Vgl. R i l k S. i n , S t a u b - S t r a n z Anm. 12 zu Art. 48, S. 470—471, Antn. 10 zu Art. 49, S. 478. m

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104 beziehung haftet, obgleich die Forderung nicht gegen ihn selbst gerichtet war 533 . Die genannten Vorschriften der Gewerbeordnung sehen den Einzelschadensersatz allerdings nur fakultativ vor. Der Unternehmer kann auch „weiteren Schadensersatz" (§ 124 b Satz 3 GewO.), also Summenschadensersatz fordern, dann aber ist der gesamte Schaden nachzuweisen. Leider gelten die arbeitsrechtlichen Einzelschadensvorschriften der Gewerbeordnung nur für sehr wenige Arten von Beschäftigten, in der Hauptsache für Gesellen und Gehilfen und gewisse gewerbliche Angestellte. Die Bestimmungen haben sich aber so gut bewährt, daß man mit Recht vorgeschlagen hat, sie auf alle Betriebe und alle Beschäftigten auszudehnen534. Ganz besondere Bedeutung hat der Einzelschadensbegriff im Bereiche des öffentlichen Rechts. In zahlreichen Fällen öffentlichrechtlicher Entschädigung ist nicht der Summenschaden zu ersetzen, sondern weniger. Mit dieser achten Gruppe von Einzelschadensvorschriften wollen wir uns nur kurz beschäftigen. Art. 153 Abs. 2 Satz 2 R V . bestimmt, daß eine Enteignung grundsätzlich „gegen angemessene Entschädigung" erfolgt. Eine angemessene Entschädigung braucht keine vollständige Entschädigung zu sein638. Es reicht also aus, wenn die Landesgesetze bei der Bestimmung der Höhe der Entschädigung den Einzelschadensbegriff zugrunde legen538. Insbesondere ist es möglich, „den Entschädigungsanspruch des Enteigneten landesgesetzlich auf den reinen Wertersatz zu beschränken"837, also im Falle der Enteignung von Sachen nur den Sachschaden für ersatzpflichtig zu erklären. Eine negative Verwendung des Einzelschadensbegriffes würde es darstellen, wenn in einem Lanaesgesetz der Ersatz des entgangenen Gewinns abgelehnt wird 638 . Trotz solcher Nutzbarmachung des Einzelschadensbegriffes darf man aber nicht wie das Reichsgericht539 leugnen, daß überhaupt ein Ma ) Ähnliche Fälle der Haftung des anderen Unternehmers: §§ 12 j Abs. 1 Satz 2, Abs. 2, 133 e GewO. Vgl. audi $ 124 b Satz 4 GewO. " • ) N i p p e r d e y D J Z . 1936 S. $33, H o d i r e u t h e r D J Z . 1936 S. 1091 bis 1092, dagegen R u s t D J Z . 1936 S. 1479—1480. — Dogmatisch verwandt sind den arbeitsrechtlichen Vorschriften die §§ 557, $97 BGB. M6 ) S di e 1 di e r bei Nipperdey III S. 236, woselbst S. 236—237 auch Ausführungen über die Identität von vollständiger Entschädigung und Interesseersatz, W o l f f in Festg. Kahl S. 17—18. Für das geltende Recht hält anscheinend F l e i n e r S. 312 eine vollständige Entschädigung für erforderlich. — Der Begriff der angemessenen Entschädigung findet sich auch in Art. 299 b) Abs. 2 Versailler Vertrag. Dazu W a r n e c k e S. 12—24, 40—74, im Einzelnen sehr anfechtbar. •••) Vgl. A n s d i ü t z Anm. 13 zu Art. 153, S. 718—719, W o l f f in Festg. Kahl S. 17—19; RG. 8. 12. 192* RGZ. Bd. 1 1 2 S. 189—194, 1 1 . 3. 1927 RGZ. Bd. 116 S. 274, 28. 2. 1930 RGZ. Bd. 128 S. 32, j. 6. 1930 R G Z . Bd. 129 S. 198. M7 ) S di e 1 di e r bei Nipperdey III S. 238. m ) Das erklärt S t ö d t e r S . 238 für zulässig. M ») RG. 8. 12. 1925 RGZ. Bd. 1 1 2 S. 191, n . 3. 1927 RGZ. Bd. 1 1 6 S. 274. Vgl. auch schon RG. 2. 12. 1884 RGZ. Bd. 12 S. 406 und dazu W a I s m a n n S. 107—108.

105 Schadensersatz stattfinde. Gegen diesen Standpunkt hat sich besonders 'S ch e 1 ch e r640 mit Recht gewandt. Was die Enteignungsgesetze der Länder angeht, so sei besonders auf das preußische Gesetz über die Enteignung von Grundeigentum hingewiesen. Während § i „vollständige Entschädigung" (Summensdiadensersatz) vorschreibt, bestimmt § 8 Abs. i : „Die Entschädigung für die Abtretung des Grundeigentums besteht in dem vollen Werte des abzutretenden Grundstücks einsdiließlidi der enteigneten Zubehörungen und Früchte" (Sachschadensersatz). Bei dieser Unklarheit im Gesetze selbst ist es nicht verwunderlich, daß auch im Schrifttum die Meinungen schwanken541. Allerdings ist der Widerspruch, der zwischen den §§ i und 8 Abs. i besteht, nicht klar erkannt, wodurch es sich erklärt, daß manche Schriftsteller eine klare Stellungnahme vermissen lassen. So zieht beispielsweise K e r s t e n642 einerseits die Summensdiadensvorschrift des § 249 BGB. heran und meint, der Eigentümer eines Grundstücks, auf dem seit langer Zeit ein Gewerbe betrieben sei, müsse eine höhere Entschädigung als jeder andere erhalten, falls das Grundstück „durch diese Verknüpfung mit den persönlichen Fähigkeiten und Tätigkeiten des Eigentümers" für diesen einen besonderen Wert besitze. Hier sollen also offenbar Gewinnanwartschaften Berücksichtigung finden. Andererseits meint derselbe K e r s t e n " 4 8 : „Die Unkosten, die f ü r den Enteigneten bei der Beschaffung eines dem entzogenen gleichartigen Grundstücks entstehen würden, sind jedoch neben dem vollen Werte des Grundstücks bei der Feststellung der Entschädigung nicht noch besonders zu berücksichtigen". Hier sollen also notwendige Aufwendungen, die doch auch zu dem durch die Enteignung verursachten Summenschaden gehören, ausscheiden. Die Widersprüche beruhen eben darauf, daß man die einzelnen Wert- und Unwertbeziehungen, die in Frage stehen, nicht genügend auseinanderhält. Meistens wird überhaupt nur die Wertbeziehung zu der Sache gesehen, alle anderen Beziehungen sucht man zu berücksichtigen, indem man „vom Gesichtspunkte des sogenannten individuellen Wertes" 644 ausgeht. Dieses Verfahren ist schon früher hier kritisiert worden646. Audi das Reichsgericht stellt die Rechtslage nicht völlig klar dar. Einerseits erkennt es zwar, daß nach preußischem Recht der Enteignete „keinen vollständigen Ausgleich seines Vermögensschadens"648 erhält, anderersi0

) SObel d i e r bei Nipperdey III S. 237—238. ) Den Summenschadensbegriff legen beispielsweise H a t s di e k S. 299, J e 11 i n e k S. 405 zugrunde. 5 2 ' ) K e r s t e n bei von Braudiitsdi III Anm. 1 zu § 8, S. 514. 613 ) K e r s t e n bei von Braudiitsdi III Anm. 1 zu § 8, S. 514. 5M ) RG. 4. 1 1 . 1893 RGZ. Bd. 32 S. 300, wo es sidi um die Erfassung der Gewinnanwartschaften eines alteingesessenen Optikers handelte. M5 ) Oben S. 32, 88. — Audi hier taucht wieder der unglückselige Begriff des „außerordentlichen" Wertes auf: K e r s t e n bei von Brauchitsch III Anm. 1 zu § 8, S. 514 meint, der Ausdruck „voller Wert" sei „verschieden von dem ,gemeinen Werte' und dem außerordentlichen Werte' des Landredits". Aber mit dieser negativen Aussage ist keine Klarheit gewonnen. So RG. 8. 12. 1925 RGZ. Bd. 1 1 2 S. 192, auch RG. 1$. 1. 1924 RGZ. Bd. 107 S. 228—229. M1



106 seits aber leugnet es zu Unrecht, daß überhaupt ein Fall des Schadensersatzes gegeben seiMT. Neben Art. 153 R V . und neben den Enteignungsgesetzen der Länder ist noch § 75 EinlALR. in Geltung648, wonach der Staat „denjenigen, welcher seine besonderen Redite und Vorteile dem Wohle des gemeinen Wesens aufzuopfern genötigt wird, zu entschädigen gehalten" ist. Auch im Rahmen dieser Bestimmung ist es zweifelhaft, ob der volle Schaden ersetzt werden muß. Vielfach wird von der Theorie angenommen, entgangener Gewinn sei nicht zu erstatten649. Die Praxis dagegen neigt zu der gegenteiligen Auffassung560. Eine spezielle, dem Enteignungsrecht nahestehende Vorschrift findet sich in dem neuen Recht der landwirtschaftlichen Marktordnung, nämlich in § 9 Abs. 1 Satz 1 der Satzung für Milchversorgungsverbände, die der Verordnung über den Zusammenschluß der deutschen Milchwirtschaft beigegeben ist. Danach kann, sofern eine Maßnahme des Mildiversorgungsverbandes „eine Enteignung oder eine schwere wirtschaftliche Schädigung eines Betriebs zur Folge hat", „eine angemessene Entschädigung" festgesetzt werden. Es ist anerkannt, daß dabei kein voller Schadensersatz geleistet zu werden braucht, insbesondere wird der entgangene Gewinn nur ganz ausnahmsweise ersetzt661. Das ist auch bereits in Sdiiedssprüchen des Oberschiedsgerichts beim Reichsnährstand zum Ausdruck gekommen652. H o f f m a n n 6 6 3 betont mit Recht: „So entstehen in Gestalt dieser auf einem hohen juristischen Niveau befindlichen Schiedssprüche wichtige Beiträge zur Reform des bürgerlichen Schadensersatzrechts und somit überhaupt zur Neuordnung des Redits." Der vorerwähnten Vorschrift des § 75 EinlALR. steht audi § 1 Abs. 1 Satz 1 TumSchG. nahe664, der lautet: „Wegen der Schäden, die an beweglichem und unbeweglichem Eigentum im Zusammenhange mit inneren Unruhen durch offene Gewalt oder durch ihre Abwehr unmittelbar verursacht werden, bestehen nach Maßgabe dieses Gesetzes Ersatzansprüche gegen das Land, in dem der Schaden entstanden ist". Der Wortlaut der Bestimmung läßt schon ersehen, daß hier nur der Sachschaden, nicht aber der Mehrschaden, also ins8 ') So dieselben Urteile RG. 8. 12. 1925 RGZ. Bd. 1 1 2 S. 192, 1$. 1. 1924 RGZ. Bd. 107 S. 229. s8 ) So v o n B o h l e n J W . 1933 S. 2253—2254, S c h m i t t J W . 1929 S. 496, W o h l f a r t h JurRdsdi. 1935 S. 73; RG. n . 7. 1927 RGZ. Bd. 118 5. 26, dagegen S t ö d t e r S. 239—240 m.w.N., unentschieden RG. 13. 7. 1934 RGZ. Bd. 14$ S. 109 = J W . 1934 S. 2765. 5 ' ' ) A n s c h ü t z Verwaltungsarchiv Bd. 5 S. 126—128, H a t s d i e k S. 299. K0 ) RG. 28. 9. 1921 RGZ. Bd. 102 S. 390—391, auch D r e w s - L a s s a r bei von Braudiitsdi II 1 Anm. 9 zu § 75, S. 1 3 1 . M1 ) G e b h a r d bei Pfundtner-Neubert III b 22 S. 8a". M2 ) Schiedsspruch 24. 6. 1935 Recht des Reichsnährstandes 1935 S. 638—639, 16. 8. 1935 Recht des Reichsnährstandes 1935 S. 912—913. 663 ) H o f f m a n n Recht und Steuer (Wochenbeilage der Lar.dware) 193J 6. 210—211. "*) H a t s c h e k S. 296—297.

107 besondere nicht der entgangene Gewinn ersetzt werden muß556. Bemerkt sei, daß diese Haftungsbeschränkung mit einer summenmäßigen kombiniert ist: Nach § 2 Abs. 1 Satz 2 TumSchG. darf die Entschädigung 75 vom Hundert des festgestellten Schadens nicht übersteigen. Ferner seien noch zwei Einzelschadensvorschriften aus weiteren Sondergesetzen angeführt. Nach dem Gesetz, betreffend die Bekämpfung gemeingefährlicher Krankheiten besteht für Gegenstände, die infolge einer polizeilich angeordneten und überwachten Desinfektion derart beschädigt sind, daß sie zu ihrem bestimmungsmäßigen Gebrauch nicht weiter verwendet werden können, oder die auf polizeiliche Anordnung vernichtet worden sind, eine Schadensersatzpflicht. Gemäß § 30 Satz r ist aber nur „der gemeine Wert des Gegenstandes", also der Sachschaden zu ersetzen. Nach dem Viehseuchengesetz muß für gewisse Viehverluste Entschädigung geleistet werden. § 68 Abs. 1 Satz 1 bestimmt: „Der Entschädigung wird der gemeine Wert des Tieres zugrunde gelegt." Auch hier bedeutet das nicht nur, daß nicht der subjektive, sondern der objektive Wert der Sachbeziehung in Betracht kommt566, sondern darüber hinaus ergibt die Vorschrift, daß andere Schäden als Sachschäden, also besonders der entgangene Gewinn nicht erstattungsfähig sind557. Schließlich mag noch auf das Postrecht hingewiesen werden, in dessen Bereich der Einzelsdiadensbegriff in vielfältigster Weise verwendet ist, wobei hier dieselben Gesichtspunkte maßgebend gewesen sind, die auch im privaten Beförderungsrecht zu einer Nutzbarmachung des Einzelsdiadensbegriff es geführt haben: Das Bedürfnis nach Schnelligkeit, Billigkeit und Leichtigkeit des Verkehrs erfordert weitgehende Haftungsbeschränkungen668. Daß das Postrecht in der Tat dem öffentlichen Rechte angehört, daß wir also hier Fälle öffentlich-rechtlicher Entschädigung vor uns haben, betont besonders Hellmuth, der von einer „Haftung der Anstalt und ihrer Organe anläßlich einer Anstaltsnutzung" spricht059. Im Postrecht gilt der Grundsatz der Nichthaftung660. Wo aber ausnahmsweise Haftungszugeständnisse gemacht werden, wird auch der Einzelsdiadensbegriff verwertet 661 . § 12 PostG. betont ganz alle65 ) In dieser Hinsicht ist auch die Ubergangs Vorschrift des § 15 Abs. r Satz 1 TumSchG. beachtlich, die ausdrücklich den Ersatz entgangenen Gewinns ausschließt. " ' ) Zu eng P e t e r s bei von Brauchitsch II 2 Anm. 1 zu § 68, S. 457. w7 ) Außer der Haftungsbeschränkung durch den Einzelsdiadensbegriff enthält § 68 Abs. 1 Satz 2 eine weitere Begrenzung, so braucht beispielsweise bei mit Rotz behafteten Tieren nur *U des gemeinen Wertes erstattet zu werden. ° 68 ) Dazu H e l l m u t h S. 187, 190, S c h o l z bei Ehrenberg V 2 S. 646 Anm. 69; R G . 1. 6. 1923 R G Z . Bd. 107 S. 42. Teilweise mag auch die Haftungsbeschränkung darauf beruhen, daß die Postverwaltung unter Umständen auch ohne Verschulden haftet: H e l l m u t h S. 1 9 1 — 1 9 2 , S dl o 1 z bei Ehrenberg V 2 S. 646. 6M ) H e l l m u t h S. 185. M0 ) H e l l m u t h S. 1 8 j — 1 8 6 , S c h o l z bei Ehrenberg V 2 S. 646. M1 ) H e l l m u t h S. 187, 189—190, S c h o l z bei Ehrenberg V 2 S. 662.

108 gemein: „Eine weitere, als die in den §§ 8, 9, 10 und 1 1 , nach Verschiedenheit der Fälle bestimmte Entschädigung wird von der Postverwaltung nicht geleistet; insbesondere findet gegen dieselbe ein Anspruch wegen eines durch den Verlust oder die Beschädigung einer Sendung entstandenen mittelbaren Schadens oder entgangenen Gewinnes nicht statt." Die Nebeneinanderstellung der Begriffe mittelbarer Schaden und entgangener Gewinn ist allerdings nicht glücklich. Der entgangene Gewinn gehört zum mittelbaren Schaden, wenn man als solchen allen Schaden bezeichnet, der nicht Sachschaden ist. In Anbetracht dessen, daß § 1 2 PostG. die Herrschaft des Einzelschadensbegriffes proklamiert, ist es verfehlt zu sagen 502 : „Als von der Anstalt wiedergutzumachender Vermögensschaden . . . gilt der Unterschied, der zwischen dem gegenwärtigen Vermögen des geschädigten Nutzers und dem Bestand, den sein Vermögen ohne das den Ersatzanspruch begründende, schädigende Ereignis . . . haben würde, besteht." Es wird ja grade nicht der volle Summenschaden, sondern nur der Sachschaden als Einzelsdiaden ersetzt 503 ! Im einzelnen gilt Folgendes: Im postalischen Kleingüterverkehr wird bei Verlust oder Beschädigung eines Paketes nadi § 9 PostG. der wirklich erlittene Sachschaden erstattet, aber nur bis zu einer Höchstgrenze von 3.— R M für das Pfund. Hier sind also zwei Haftungsbeschränkungen miteinander kombiniert. Bei Briefen und Paketen mit Wertangabe wird bei Verlust oder Beschädigung nach § 8 Abs. 1 PostG. der gemeine Wert der Sache zugrundegelegt, also auch hier wird vom Sachschaden als Einzelsdiaden ausgegangen. Die Höchstgrenze von 3.— R M f ü r das Pfund fällt bei Paketen aber fort — f ü r uneingeschriebene Briefe ohne Wertangabe wird überhaupt nicht gehaftet —, an ihre Stelle tritt bei Briefen und Paketen der deklarierte Wert als Höchstbetrag, wobei übrigens zum Nachteil der Postverwaltung im Zweifel angenommen wird, daß der wirkliche Wert dem deklarierten entspricht. Bei eingeschriebenen Sendungen wird nach § 1 0 PostG. ein standardisierter Sachschadensersatz geleistet: 40.— R M je Sendung. Bestünde nicht § 1 2 PostG., so könnte man ebensowohl davon sprechen, die Postverwaltung leiste standardisierten Summenschadensersatz. Im Personenverkehr, also im Postreiseverkehr, wird nach § 1 1 PostG. bei Verlust oder Beschädigung des Reisegepäcks nach Maßgabe der §§ 8, 9 PostG. wie bei Paketen mit oder ohne Wertangabe der Sachschaden bis zu der Höchstgrenze des deklarierten Wertes oder 3.— R M f ü r das Pfund ersetzt. Bei körperlicher Beschädigung eines Reisenden werden nur die erforderlichen Kur- und Verpflegungskosten erstattet, übrigens der einzige Fall, in dem im Postrecht Einzelschadensersatz geleistet wird, ohne daß zugleich eine summenmäßige Begrenzung besteht. Mä

) H e l l m u t h S. 189. ' ) Mit Redit hebt aber H e l l m u t h S. 189 hervor, daß ein objektiver Maßstab anzulegen ist, auf den Affektionswert der Sachbeziehung kommt es nicht an. MS

109 Bisher war lediglich von Fällen die Rede, in denen auf Grund gesetzlicher Vorschriften nur Einzelschadensersatz zu leisten ist. Häufig sind auch die Fälle, in denen vertraglich bloßer Einzelschadensersatz vereinbart wird. In erster Linie ist hier der Versicherungsvertrag zu nennen564: Der Versicherer ersetzt stets nur diejenigen Schäden, die sich als Negation des versicherten Interesses darstellen. Indem also die Parteien das versicherte Interesse umreißen, vereinbaren sie Einzelschadensersatz. Ist ein Sachinteresse versichert, so ist also, wie § 53 VVG. hervorhebt, kein entgangener Gewinn zu ersetzen, da das Sachinteresse von dem Interesse an einer Anwartschaft streng zu scheiden ist. Lassen die getroffenen Vereinbarungen nicht klar erkennen, welches Interesse versichert sein soll, so greift die Auslegungsregel des § 52 VVG. Platz: Im Zweifel ist das Sachinteresse versichert. Manchmal ist, wenn ein bestimmtes Interesse versichert ist, eine weitere Beziehung automatisch mitversichert. Man kann hier von Adhäsionsbeziehungen sprechen"66. Wenn also beispielsweise der Kaskoversicherer gemäß §§ 129 Abs. 2 Satz 2 VVG., 820 Abs. 2 Ziff. 7 HGB., 78 ADS. für sogenannten mittelbaren Kollisionsschaden haftet, so schützt er außer dem Sachinteresse am Schiff den Versicherten auch dagegen, daß für ihn eine Unwertbeziehung zu einer Kollisionsschuld entsteht. Grade solche Adhäsionsfälle zeigen, wie starr der Versicherungsvertrag auf dem Einzelschadensersatz aufgebaut ist. Daß neben der Haftungsbeschränkung durch den Einzelschadensersatz auch eine summenmäßige Haftungsbeschränkung durch die Versicherungssumme (§ jo VVG.) besteht, sei nur beiläufig bemerkt. Auch dort, wo Schadensersatz nicht primär, sondern nur im Falle der Vertragsverletzung geschuldet wird, findet sich zuweilen eine Vereinbarung in der Richtung, daß nur bestimmte Einzelschäden zu ersetzen seien666. Im Samenhandel 'beispielsweise besteht ein Handelsbrauch dahin, daß der Verkäufer mit keiner höheren Summe als dem Rechnungsbetrage haftet, falls er die Forderung des Käufers verletzt hat. Wenn also der Verkäufer statt Wintergerste Sommergerste liefert, haftet der Verkäufer nicht für jenen regelmäßig sehr hohen Mehrschaden, der sich daraus ergibt, daß die Sommergerste im Herbst gesät ist und deshalb überhaupt nicht gedeiht667. In der Verdingungsordnung für Bauleistungen, und zwar in § 13 Ziff. 7 Allgemeine Vertragsbedingungen für die Ausführung von *•*) Die Parallele zu den gesetzlichen Einzelschadensnormen findet sidi schon bei O s e r Anm. 24 zu Art. 43, S. 191, v o n T u h r SchwOblR. I S. 98, 502 Anm. 68, II S. 501, 502. M5 ) Vgl. M ö l l e r Wirtschaft und Recht der Versicherung 1931 Nr. 1 S. 3 3 - 8 9 . • " ) Vgl. R a b e l S. 456, 473. M7 ) Dazu H o f f m a n n Recht und Steuer (Wochenbeilage der Landware) 193t S. 1 2 1 — 1 2 2 , welcher hinweist auf Ziff. 6 der Allgemeinen Verkaufs- und Lieferbedingungen des Reichsverbandes der deutschen Pflanzenzachtbetriebe: „Die Haftpflicht des Verkäufers beschränkt sich auf die Höhe des Rechnungsbetrages. Darüber hinaus kann der Käufer keine Ansprüche stellen."

110 Bauleistungen, heißt es: „Ist ein wesentlicher Mangel, der die Gebrauchsfähigkeit erheblich beeinträchtigt, auf ein Verschulden des Auftragnehmers zurückzuführen, so ist dieser . . . verpflichtet, dem Auftraggeber den nachzuweisenden unmittelbaren Schaden zu ersetzen, nicht aber etwa entgangenen Gewinn." Abschließend soll darauf hingewiesen werden, daß auch bei der sogenannten abstrakten Berechnung eines Summensdiadens im Grunde genommen der Einzelschadensbegriff verwendet wird. Wird beispielsweise die Forderung eines Käufers dadurch beeinträchtigt, daß der Verkäufer nicht liefert, und verlangt nunmehr der Käufer als Schadensersatz den Börsen- oder Marktpreis der zu liefernden Ware, so entspricht der als Entschädigung zu leistende Betrag genau dem Werte jener Forderungsbeziehung des Käufers, die der Verkäufer zerstört hat. Auf diesen Zusammenhang zwischen Einzelschadensbegriff und abstrakter Schadensberechnung im Kaufrecht hat neuerdings Rabel688 sehr deutlich hingewiesen.

•"J R a b e l S. 449—452. Im Einzelnen vgl. R a b e l S. 454—468.

3. Abschnitt: Insbesondere: Der entgangene Gewinn und die Anwartschaltsbeziehungen. I. Von den Arten des Vermögensschadens bedarf der entgangene Gewinn als Negation einer Beziehung zu Gewinnanwartschaften besonderer Hervorhebung 560 . Der entgangene Gewinn stellt einen gesetzlich besonders hervorgehobenen Einzelschaden dar. Selbst wenn es die früher angezogenen, vom Einzelschadensbegriff ausgehenden Spezialvorschriften außerhalb des Bürgerlichen Gesetzbuches nicht gäbe, so würde § 252 BGB. dennoch eine Beschäftigung mit dem Einzelschadensbegriff notwendig machen570. Auch das Bürgerliche Gesetzbuch kennt hiernach nicht nur den Summenschadensbegriff des § 249 Satz 1 BGB., sondern § 252 BGB. legt Zeugnis dafür ab, daß selbst im Rahmen dieses Gesetzes der Einzelschadensbegriff Bedeutung besitzt. Man kann auch nicht behaupten, daß der Gegenüberstellung von entgangenem Gewinn und sonstigem Schaden praktisch keine Tragweite zukomme" 1 : Die Bestimmung des § 252 Satz 2 BGB. läßt ohne weiteres ersehen, daß der entgangene Gewinn nur in gewissem Umfange besonders behandelt wird. Selbstverständlich kann dieser Umfang gesetzlich nur festgelegt werden, wenn vorher aus dem Summenschaden des § 249 Satz 1 BGB. derjenige Schaden herausgelöst wird, der sich als Negation einer Beziehung zu einer Anwartschaft darstellt. Der Begriff des Schadens und der des entgangenen Gewinns dürfen einander nidit so gegenübergestellt werden, als ob sie sich ausschlössen5'2. Schon ein Hinweis auf den Wortlaut des § 252 Satz 1 BGB. ergibt, daß solche Betrachtungsweise nicht richtig sein kann, denn nach dieser Bestimmung „umfaßt" der zu ersetzende Schaden auch den entgangenen Gewinn. Selbst die Gegenüberstellung von wirklichem Schaden und entgangenem Gewinn 573 ist noch irreführend, da auch der entgangene Gewinn ein wirklicher Schaden ist. Wenn so häufig eine mit dem hier vertretenen Standpunkt unvereinbare Terminologie angewendet wird, so beruht das auf der Verkennung der Tatsache, daß der entgangene Gewinn die Negation M»)

Vgl. sdion oben S. 52—53. Dazu W a l s m a n n S. 23, 29. M1 ) So F i s c h e r S. jo Anm. 2. 572) Dazu vgl. oben S. JI Anm. 277. "*) Vgl. nur C o h n f e l d t S. i, 266, E g e r Anm. 31 zu $ 3, S. 333, F i s d i e r S . 49, H a s e n ö h r l I 1 S. 248, v o n O l s h a u s e n II Anm. 19 zu S 2«3, S. 1387; RG. 21. 10. 1885 RGZ. Bd. I J S. 17. M0)

112 einer "Wertbeziehung darstellt. Zwar handelt es sich um die Negation einer Wertbeziehung zu einem Gute des werdenden Vermögens, aber in einem weiteren Sinne sind auch die Güter des werdenden Vermögens bereits seiend, also in der Gegenwart vorhanden574. Deshalb ist eine Feststellungsklage über das Bestehen oder Nichtbestehen einer Anwartschaft zulässig 6 ". Deshalb ist es auch unrichtig, wenn man sagt, ein Gewinn sei dann entgangen, wenn eine Vermehrung des Vermögens verhindert sei578. In Wahrheit ist bei der Entstehung entangenen Gewinnes nicht nur eine Vermehrung des Vermögens verindert, sondern darüber hinaus sogar schon das bei Sdiadenseintritt vorhandene Vermögen verkleinert. J a , es kann sein, daß die Anwartschaft sich garnicht verwirklicht hätte; dann fehlt es überhaupt an der Verhinderung einer Vermögensvermehrung, nur eine Beeinträchtigung des gegenwärtigen Vermögens liegt vor. Schließlich geht auch die von Heck577 aufgestellte Behauptung fehl, man müsse bei der Ermittlung eines Schadens entweder eine Abstraktions- oder eine Additionshypothese anwenden, nämlich entweder eine eingetretene Tatsache wegdenken (vgl. § 249 Satz 1 BGB.) oder eine nicht eingetretene Tatsache hinzudenken. Für die Anwendung der Additionshypothese werden dabei zwei sehr verschiedenartige Beispiele angeführt: Schaden durch Unterlassung und entgangener Gewinn. Bei der Unterlassung kommt man sehr gut auch ohne die Additionshypothese aus, indem man als „eingetretene Tatsache" — § 249 Satz 1 BGB. sagt besser: als zum Ersatz verpflichtenden Umstand — die Unterlassung wegdenkt, also die Abstraktionshypothese benutzt. Insoweit handelt es sich um eine rein terminologische Frage, für deren Beantwortung § 249 Satz 1 BGB. den hier vertretenen Standpunkt nahelegt. Vollends entbehrlich und sogar fehlsam ist aber die Additionshypothese beim entgangenen Gewinn, denn — wie darfestellt — wird auch bei ihm keine Vermögensvermehrung verändert, sondern nur das vorhandene Vermögen beeinträchtigt: Denkt man sich die schädigende Handlung fort, so hat der Geschädigte wieder die Anwartschaftsbeziehung. Ein Gewinn, der bereits realisiert ist, kann nicht mehr entgehen'78. Hat eine Anwartschaft sich verwirklicht, so ist ein Gut des im engeren Sinne seienden Vermögens entstanden. Die Negation der Beziehung zu diesem Gute ist aber nicht mehr entgangener Gewinn, sondern damnum emergens. " ' ) Wie im Text K i s c f a JherJ. 61 S. 4—j, W ü r d i n g e r S. 56—57. S75 ) H e 1 1 w i g I S. 282, R o s e n b e r g S. 264, 265, S t e i n - J o n a s Anm. II 4 zu § 256, S. 702. 6?e ) So A n s d i ü t z Verwaltungsarchiv Bd. 6 S. 127—128, D ü r i n g e r H a d i e n b e r g IV Anm. 361 der Einl., S. 307, E g e r Anm. 31 zu § 3, S. 333, F i s di e r S. 22, 49, H a s e n ö h r l I 1 S. 249, K r i d i b a u m S. 10, L e o n h a r d S. 137, 140, M a n g e l s d o r f f S. 3, M o m m s e n S. 1 1 , v o n O l s h a u s e n II Anm. 21 zu § 263, S. 1389, O s e r Anm. 16 zu Art. 43, S. 312, v o n T u h r SchwOblR. I S. 70, 84, audi wohl B e 1 i n g S. 87, M a y e r Untreue S. 164. Richtig M a n d l S . 18—19. S77 ) H e d e S. 37—38. s78 ) Übersehen von F i s d i e r S. 59, 61, W a l s m a n n S. 81. Vgl. audi das oben S. 61—62 gegenüber N u ß b a u m bei Ehrenberg IV 2 S. 663 Ausgeführte.

113 Oft treffen lucrum cessans und damnum emergens im Einzelfall zusammen579. Wird die Beziehung eines Kaufmannes zu einer Ware zerstört, so entsteht sehr häufig nicht nur der reine Sachschaden, sondern darüber hinaus entgeht dem Kaufmann Gewinn, die Wertbeziehung zu einer Anwartschaft wird beeinträchtigt. Daß es wirklich stets eine Anwartschaftsbeziehung ist, die im Falle des Gewinnentganges beeinträchtigt wird, bedarf scharfer Hervorhebung580. Wir haben gesehen, daß es zweierlei Charakteristika sind, die die Anwartschaften von sonstigen Rechtsgütern unterscheiden: Übergangscharakter und Ungewißheitsmoment. Der Übergangscharakter beruht darauf, daß jede Anwartschaft die Neuentstehung einer Wertbeziehung zu einem Gute des im engeren Sinne seienden Vermögens581, also etwa zu einer Sache, einem Geistesprodukt, einer Forderung oder einer faktischen Forderung erhoffen läßt. Mit Recht hat man deshalb die Anwartschaft als „Erwerbsinteresse" zu kennzeichnen versucht582. Eine Anwartschaft liegt nur vor, wenn die Neuentstehung einer Wertbeziehung zu erhoffen ist. Die Anwartschaft muß von der Chance scharr unterschieden werden. Beide Begriffe verhalten sich ebenso zueinander wie der Begriff der Verlustmöglichkeit zu dem der Gefahr 588 . Die Chance kann auch erhoffen lassen, daß eine Wertbeziehung wertvoller wird, eine Unwertbeziehung wegfällt oder eine Unwertbeziehung weniger unwertvoll wird. Eine Gewinnanwartschaft liegt aber in all diesen Fällen deshalb nicht vor, weil man dem Vorhandensein solcher Chancen nur dadurch Rechnung tragen darf, daß man die vorhandene Wertbeziehung, welche wertvoller werden kann, höher bewertet oder die Unwertbeziehung, welche wegfallen oder weniger unwertvoll werden kann, schon jetzt mit einem geringeren als dem ohne die Chance vorhandenen Unwert ansetzt. Wie der Gefahrbegriff weiter ist als der Begriff der Verlustmöglichkeit, so ist also auch der Chancenbegriff weiter als der Begriff der Gewinnanwartschaft. Nicht nur quantitativ unterscheiden sich aber Chance und Anwartschaft, auch ein qualitativer Unterschied ist insofern vorhanden, als der Anwartschaftsbegriff auf einer statischen, der Chancenbegriff auf einer dynamischen Betrachtungsweise beruht. 57

*) F i s c h e r S. 49, M o m m s e n S. 12. ) Anklänge etwa bei D e g e n k o l b ArchZivPrax. 76 S. 75—76 („Erwerbsaussichten"), N e u n e r ArchZivPrax. 133 S. 287 („Erwerbschance"), RG. 1. 4. 1913 WarnRspr. 1913 S. 416 („Anwartschaft"). Wie im Text W a l s m a n n S. 3r—32. — Andererseits stellt v o n O l s h a u s e n II Anm. 21 zu § 263, S. 1389—1390 den entgangenen Gewinn und die Entziehung von Anwartschaften einander gegenüber. M1 ) Anwartschaften auf die Entstehung einer Anwartschaftsbeziehung gibt es nidit (so wohl auch M a t a j a S. 143, W ü f d i n g e r Si 46 Anm. 1), es gilt Entsprechendes wie .bei den Verlustmögitchkeiten .(vgl. oben S. 70 Ajim. 362). M2 ) W ü r d i n g e r S. 1 1 . " " J Vgl. oben S. 67—70. 580

114 Die Anwartschaft stellt einen gegenwärtig vorhandenen Vermögensbestandteil dar, während die Chance nur die Möglichkeit einer günstigen Veränderung des status quo bedeutet"84. Außer durch den Übergangscharakter ist die Anwartschaft durch das Ungewißheitsmoment gekennzeichnet. Jede Anwartschaft läßt eine Realisierung nur erhoffen, die Verwirklichung ist nicht sicher. Die Erwartung also, die in der Welt des Rechts als positive und negative (Hoffnung und Furcht) und in allen möglichen Abstufungen (an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit, Wahrscheinlichkeit, bloße Möglichkeit) eine bisher allzuwenig beachtete Rolle spielt, gewinnt auch bei der Bestimmung des Begriffs der Anwartschaften Bedeutung. Wer in Beziehung zu einer Anwartschaft steht, kann nur die Hoffnung hegen, daß aus dem Gute des werdenden Vermögens ein Gut des im engeren Sinne seienden Vermögens wird. Gewißheit, Sicherheit besteht in dieser Richtung nicht686. Nicht jede Anwartschaft ist rechtlich relevant, nicht jede, noch so weit entfernte Möglichkeit kann im Bereiche des Rechts Berücksitigung finden. Nur Anwartschaften, für deren Verwirklichung ein bestimmter Grad der Erwartung spricht, sind rechtserheblich. Wäre es anders, so würde bei Schadensfällen die Zahl jener sogenannten Apotheker-, Milchtopfs- und Honigtopfsrechnungen, die im Bereiche des entgangenen Gewinns so häufig sind, ins Unermeßliche steigen686. „Beim entgangenen Gewinne . . . . gehen oft die Anschläge in's Bodenlose. Es findet sich hinterher, daß man eine ganze Reihe der günstigsten Conjunkturen hätte benutzen können, und obwohl man nicht daran gedacht, dieselben wirklich zu benutzen, soll doch der säumige Schuldner für all den Gewinn herhalten, den man durch eigene Schuld sich hat entgehen lassen."687 Um solche „Gewinnträume"688, steche „sanguinisch gefärbten Gewinnberechnungen"08* dem Bereiche des Rechts fernzuhalten, bestimmt § 252 Satz 2 BGB., daß nicht nur die bloße Möglichkeit der Anwartschaftsrealisierung gegeben sein muß, sondern weitergehend die Wahrscheinlichkeit einer Anwartschaftsverwirklichung zu bestehen hat690. Längst nicht bei allen Anwartschaften liegt solche zur Wahrscheinlichkeit verdichtete Möglichkeit vor, was sich zum Teil aus dem Übergangscharakter der Gewinnanwartschaften erklärt, die wie alles in Wachstum und Bewegung Befindliche starker Gefährdung unterworfen sind691 — man SM ) Zuzugeben ist, daß der Sprachgebrauch Anwartschaft und Chance nicht derart streng trennt. Hier soll aber die im Text vorgeschlagene Terminologie durchgeführt werden. • " ) Vgl. audi D ü r i n g e r - H a c h e n b e r g IV Anm. 361 der Einl., S. 307, F i s d i e r S. 51—$3, 54, M a n g e l s d o r f f S. 30, 31. •"•) Dazu C o h n f e l d t S. 99—100, F i s c h e r S. J3, G e i g e l S. 17, M a n g e l s d o r f f S. 30—31. " " ) C o h n f e l d t S. 9 9 . "*) D e r n b u r g BürgR. II 1 S. 76. " • ) v o n T u h r SchwOblR. I S. 84. uo ) Dazu D ü r i n g e r - H a c h e n b u r g IV Anm. 3 ( 1 der Einl., S. 307, F i s d i e r S. 54, M a n g e l s d o r f f S. 31. M1 ) Hervorgehoben von F i s d i e r S. $1.

115 denke doch nur an die Säuglingssterblichkeit oder die Tatsache, daß ein in Fahrt befindliches Fahrzeug stärker gefährdet ist als ein unbewegtes. Nur Anwartschaften, die so wenig gefährdet sind, daß ihre Verwirklichung nicht unwahrscheinlich ist, können als rechtserheblich angesehen werden. Hier liegt die Bedeutung des § 252 Satz 2 BGB., welcher hervorhebt, daß als entgangen nur jener Gewinn gilt, der „mit Wahrscheinlichkeit erwartet werden konnte" 592 . Diese Bestimmung konnte ohne Verwendung des Einzelschadensbegriffes nicht getroffen werden. Alles das wird freilich von der herrschenden Meinung mit der Begründung bestritten, § 252 Satz 2 BGB. schaffe nur eine Beweiserleichterung: Bei Wahrscheinlichkeit der Anwartschaftsrealisierung brauche — anders als bei bloßer Möglichkeit der An wartschaf tsverwirklichung — der Geschädigte nicht zu beweisen, daß er den Gewinn tatsächlich gemacht hätte593. Bei Zugrundelegung dieser Auffassung wären in der Tat auch solche Anwartschaften rechtlich bedeutsam, deren Verwirklichung nur ganz entfernt möglich ist. Nur beweislastmäßig bestünde ein Unterschied. Aber solche Erstreckung der Schadensersatzpflicht führt zu weit. Man muß sich vor Augen halten, daß im Zeitpunkt des „Schadens" der „Geschädigte" nur eine ferne Hoffnung hegt, die ihm entrissen wird. Das mag schmerzlich sein. Aber dieser Verlust ist abgeschlossen. Es geht nicht an, daß der „Geschädigte" der entschwundenen Hoffnung unabsehbar lange Zeit nachtrauert und mit Wachsamkeit verfolgt, ob sie sich wohl einmal verwirklicht hätte. „Hin ist hin, verloren ist verloren." Lag die Hoffnung fern, so läßt es sich rechtfertigen, überhaupt das Gegebensein eines juristisch erheblichen Schadens zu leugnen. Dafür sprechen auch noch viele andere Gründe: Die nach der hier vertretenen Ansicht in § 252 Satz 2 BGB. enthaltene Wertung hat außerhalb des Zivilrechts, 'besonders im Straf recht Berücksichtigung gefunden: Der Betrug (§ 263 Abs. 1 StGB.) oder die Untreue (§ 266 Abs. 1 Satz 1 StGB.) setzen einen Vermögensschaden voraus. An einem rechtlich beachtlichen Schaden fehlt es nach strafrechtlicher Anschauung, wenn die Beziehung zu einer Gewinnanwartschaft beeinträchtigt ist, deren Verwirklichung M2 ) Ebenso B a u r S. $3, D ü r i n g e r - H a d i e n b u r g I V Anm. 361 der Einl., S. 3 0 7 , S t a u d i n g e r Anm. 2 a zu § 2 $ 2 , S. 1 4 7 — 1 5 1 , T i t z e Unmöglichkeit S. 133. B,s

) E n n e c c e r u s - L e h m a n n II S. 5 1 — 5 2 , H e c k S. 44—4$, H ö h n S. 4 2 , K r ich b ä u m S. 4 7 — 4 9 , L e o n h a r d S. 1 4 0 — 1 4 2 , O e r t m a n n II 1 Anm. 2 zu § 2J2, S. 74—7$, R a b e l S. 166; RG. 22. 10. 1907 SeuffArch. 43 S . 2 6 1 — 2 6 3 , 2 9 . 4. 1 9 2 9 J W .

1929 S. 2$O8—2J09, 22. 1 . 1 9 3 1 J W .

1931 S.

3089

(aber audi R G . 7. 1. 1928 J W . 1928 S. 961). Bei F i s c h e r S. 69, M a n g e l s d o r f f S. 3 2 liegt ein Widerspruch zu F i s d i e r S. J I — 5 3 , $ 4 , M a n g e l s d o r f f S. 30, 31 vor. Eine „Ex-post-Beurteilung als wahrscheinlich" (so F i s c h e r S. 69) ist unmöglich.

116 nur ganz entfernt möglich war; Wahrscheinlichkeit der Anwartschaftsrealisierung ist wie in § 2 j 2 Satz 2 BGB. erforderlich" 4 . In diesem Zusammenhang ist auch auf § 154 Abs. 2 KO. zu verweisen, wonach die Berücksichtigung von aufschiebend bedingten Forderungen bei der Schlußverteilung ausgeschlossen ist, „wenn die Möglichkeit des Eintritts der Bedingung eine so entfernte ist, daß die bedingte Forderung einen gegenwärtigen Vermögenswert nicht hat" 695 . Ganz überragend wichtig ist aber Folgendes: Wenn man von der Erkenntnis ausgeht, daß es eine Anwartschaftsbeziehung ist, die im Augenblick des Schadenseintritts beeinträchtigt wird, so müßte man bei der Bemessung des Schadensumfanges — auf den Augenblick des Schadenseintritts abhebend — eigentlich den Grad der Verwirklichungsmöglichkeit in Rechnung stellen686. Der Sdiadensersatzpflichtige würde also nie so zu behandeln sein, wie wenn die Anwartschaft sich verwirklicht hätte, sondern besser; ihm wäre je nach dem Grade der Möglichkeit der Anwartschaftsverwirklichung ein Nachlaß zu gewähren697. Andererseits käme es nicht darauf an, ob sich — was oft der Fall ist — nachträglich herausstellt, daß eine Verwirklichung der Anwartschaft wirklich eingetreten wäre oder nicht. Offenbar in der Erwägung, daß die rechtliche Berücksichtigung von Möglichkeitsgraden praktische Schwierigkeiten bereitet, bestimmt nun aber § 252 BGB. bezüglich der Bewertung der Anwartschaften, es solle grundsätzlich bei der Bemessung der Schadenshöhe unterstellt werden, daß die Anwartschaft sich verwirklicht hätte. Der Sdiadensersatzpflichtige wird so behandelt, als ob erst nach Realisierung der Anwartschaft die Schadensersatzpflicht entstanden wäre698. Diese Schlechterstellung des Schadensersatzpfliditigen wird zum Teil dadurch wieder ausgeglichen, daß man gleichzeitig auch bezüglich der Frage: Wäre die Verwirklichung der Anwartschaft wirklich eingetreten? einen Blick in die Zukunft erlaubt. Dabei gibt es drei Möglichkeiten: Stellt sich heraus, daß die Anwartschaft sich nicht realisiert hätte, so erhält der Geschädigte nichts; es wird also außer 6M ) A l l f e l d - M e y e r S. $44, E b e r m a y e r - L o b e - R o s e n b e r g Anm. 6 zu § 263, S. 8$6, F i s d i e r S. 68 Anm. 22, K o h l r a u s c h Anm. 4 zu § 263, S. 3J4, v o n O l s h a u s e n II Anm. 21 zu § 263, S. 1390, S c h w a r z Anm. $ zu § 263, S. 463; RG. 5. 6. 190J RGSt. Bd. 38 S. 109, 25. 6. 1908 RGSt. Bd. 41 S. 373—376, 7. 6. 1929 RGSt. Bd. 63 S. 191, 19. $. 1930 RGSt. Bd. 64 S. 182, 19. 9. 1932 DRZ. 1932 S. 619—620, 28. 1 1 . 1933 JW. 1934 S. 367. Abweichend v o n L i s z t - S c h m i d t S. 668, M a y e r Untreue S. 162 Anm. 71, S. 163. M6 ) Die Vorschrift muß auf § 67 KO. dahin rückwirken, daß solche Forderungen audi zu einer Sicherung nicht berechtigen. Dazu J a e g e r Anm. 2 zu § 67, Fußnote 1, S. 228. A.A. W ü r d i n g e r S. .64—6$, der im übrigen S. 63—64 § 2 j 2 Satz 2 BGB. übersieht. 686 ) M a t a j a S. 140, 143—144, 149 Anm. i, 187. 597 ) M a t a j a S. 188. Ma ) Daraus erklärt sidi zum Teil wohl die Gegenüberstellung von wirklichem Schaden und entgangenem Gewinn, die Definition des entgangenen Gewinns als Verhinderung einer Vermögensvermehrung und die „Additionshypothese" von H e d e S. 37—38 (vgl. oben S. m — 1 1 2 ) .

117 Acht gelassen, daß er im Augenblick des Schadenseintritts noch Träger einer Wertbeziehung war (Besserstellung des Schadensersatzpflichtigen). Stellt sich heraus, daß die Anwartschaft sich verwirklicht hätte, so erscheint es einigermaßen annehmbar, unberücksiditigt zu lassen, daß dies im Zeitpunkt des Schadenseintritts noch keineswegs feststand (bleibende Schlechterstellung des Schadensersatzpflichtigen). Ist aber drittens die nachträgliche Prognose unmöglich, läßt sich also nicht feststellen, ob eine Realisierung der Anwartschaft erfolgt wäre, so muß man es im Interesse der Vermeidung von praktischen Schwierigkeiten in Kauf nehmen, daß der Geschädigte so Ersatz erhält, als ob die Anwartschaft sich verwirklicht hätte (bleibende Schlechterstellung des Schadensersatzpflichtigen). Die beiden letztgenannten Bevorzugungen des Geschädigten — hätte die Anwartschaft sich verwirklicht, so erhält er zuviel, und außerdem geht ein non liquet zu seinen Gunsten — sind nun aber nur erträglich, wenn man als rechtlich beachtlich lediglich solche Anwartschaften ansieht, deren Verwirklichung wahrscheinlich ist. Im Falle des non liquet trägt dem auch die herrschende Meinung Rechnung, indem sie eine Beweislastregel in § 252 Satz 2 BGB. erblickt. Wenn aber eine Schadensersatzpflicht für den Fall konstruiert wird, daß sich nachträglich herausstellt, eine ganz ferne Hoffnung würde sich verwirklicht haben, so erhält der Geschädigte so viel mehr, als sein im Zeitpunkt der Anwartschaftszerstörung angerichteter Schaden beträgt, daß eine schreiende Ungerechtigkeit entsteht, der die herrschende Meinung nicht abhilft. Die erste der aufgezählten beiden Schlechterstellungen des Schadensersatzpflichtigen ist nur erträglich, falls die Anwartsthaftsrealisierung wahrscheinlich war, denn dann besteht zwischen dem zerstörten Wert der Anwartschaftsbeziehung und dem Realisationswert, wie wir ihn kurz bezeichnen können, nicht jene gewaltige Spanne, wie sie vorhanden ist, wenn die Anwartschaftsverwirklichung zunächst nur ganz entfernt möglich war. J a , bei ganz entfernter Realisierungsmöglichkeit hat eine Anwartschaftsbeziehung überhaupt keinen materiellen Wert! Nur eine Anwartschaft, deren Verwirklichung wahrscheinlich ist, stellt ein materielles Rechtsgut dar, nur sie ist ein Vermögensbestandteil, sodaß also nur bei Beeinträchtigung einer Wertbeziehung zu einer solchen Anwartschaft ein Vermögensschaden erwächst699. Die herrschende Meinung führt zu einer Auslegung der doch nur auf praktischen Gründen der Schadensberechnung beruhenden Vorschrift des § 252 BGB., die bewirkt, daß jemand, der garkeinen Vermögensschaden angerichtet hat, auf Grund des § 252 BGB. solchen Vermögensschaden ersetzen muß! t. Istr nach alledem zwar jede Anwartschaft „eine Tatsächlichkeit, die die Rechtsordnung unter den Gegebenheiten des sozialen Lebens vorfindet" 600 , so stellt sie sich doch als materielles Rechsgut nur dar, m

) W a l s m a n n S. 31. ) W ü r d i n g e r S. 43 Anm. 1.

ao S. 52, 63, M ü l l e r - E r z b a d i ZHR. 64 S. 538, Z H R . 71 S. 424, O p p i o f e r S. 6. ***) Vgl. besonders O p p i k o f e r S. 7: »Die Organisaxionswerte sind keine selbständigen Objekte", auch S. 5, 6, J e s s e n ZHR. 96 S. 47, 51, 62—63 und 12 RBewG. Nahestehend auch A d l e r ZHR. 85 S. 126, M ü l l e r - E r z b a d i . 87, ZHR. 61 S. 368, ZHR. 64 S. 540 Anm. 5, ZHR. 88 S. 196, wonach die Firma jenes Rechtsgut sein soll, in dem die kaufmännischen Anwartschaften „verkörpert" seien. In Wahrheit dürfte die Firma überhaupt kein materielles Rechtsgut, sondern nur der Handelsnarae des Kaufmanns sein ( D a n i e l s S. 8—12). •") Die erste Ansicht vertritt E ck h a r d t ZHR. 94 S. 2, 3—4, $, vgl. audb C a l l m a n n ZHR. 97 S. 140, D a n i e l s S. 35—37, die zweite Ansicht vertritt J a c o b i S. 7, 9, 20, vgl. auch E n n e c c e r u s - N i p p e r d e y I S. 40j. Die Rechtsprechung schwankt. Vgl. einerseits RG. 12. 5. 1896 R G Z . Bd. 37 S. 178. anderseits RG. 26. 1. 1909 RGZ. Bd. 70 S. 223. Dabei sind beide Fälle sehr ähnlich. ***) Gegen die atomistische Betrachtungsweise M a r k a l l S. 10, O p p i k o f e r S. 119. Im Zweifel ist bei einem Verkauf anzunehmen, daß die kaufmännisdien Anwartschaften mit verkauft sind: C a l l m a n n ZHR. 97 S. 140 Anm. 32. D o m k e S. 38—39, O p p i k o f e r S. 12$, 132; RG. 27. 4. 1905 bei O p p i k o f e r S. 132 Anm. 2. Jedoch sind dingliche Geschäfte über das Unternehmen als Ganzes nach deutschem Recht unmöglich, vgl. RG. 17. 1. 1908 RGZ. Bd. 68 S. J4—$5, 26. 1. 1909 RGZ. Bd. 70 S. 230—231. "") Dabei spielt für das Problem, ob ein Eingriff Schadensersatzpflicht auslöst, die Frage hinein, ob es ein subjektives Recht am Unternehmen oder am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb gibt. Bejahend C a l l m a n n ZHR. 97 S. 134—136, D a n i e l s S. 43, E c k h a r d t ZHR. 94 S. 2—3, J e s s e n ZHR. 96 S. 52, M ü l l e r - E r z b a d i S. 74—76, O p p i k o f e r S. 70—73, 136, 147; RG. 27. 2. 1904 RGZ. Bd. $8 S. 29—31, 12. 7. 1906 RGZ. Bd. 64 S. $$, 28. 9. 1911 RGZ. Bd. 77 S. 218, 19. 12. 1918 RGZ. Bd. 94 S. 249, 2. 6. 1921 RGZ. Bd. 102 S. 22;, 4. 10. 1923 LZ. 1924 S. 3;, 19. 1. 1928 HRR. 1928 Nr. 829, 28. 10. 1929 RGZ. Bd. 126 S. 96, 24. 3. 1930 LZ. 1930 S. 1186, 18. 2. 1932 RGZ. Bd. 13 j S. 247; weitere Nachweise bei B a h r s e i S. 12—30. Dagegen mit Recht B a h r s e i S. $2—91, E n n e c c e r u s - N i p p e r d e y I S. 216, 40$—406, N i p p e r d e y S. 8—10.

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126 Die Einteilungsmöglichkeiten, die für die Anwartschaften bestehen, sind mit dem Gesagten noch nicht erschöpft. Besonders ist noch auf die Möglichkeit hinzuweisen, die Anwartschaften in persönliche und unpersönliche zu gliedern628. Die persönlichen Anwartschaften sind als Rechtsgüter an die Person ihres Trägers gebunden. Die Beziehung zu einer persönlichen Anwartschaft ist deshalb insbesondere unübertragbar. Die unpersönlichen Anwartschaften dagegen sind nicht an die Person ihres Trägers gebunden. Die Beziehung zu einer unpersönlichen Anwartschaft kann deshalb auf einen anderen übertragen werden. Der Unterschied zeigt sich deutlich, wenn man die wirtschaftlichen Haupterscheinungsformen kaufmännischer Anwartschaften ins Auge faßt. Daß innerhalb der Kundschaft die persönliche und sachliche (unpersönliche) Kundschaft unterschieden werden muß, wurde bereits angedeutet. Man hat geglaubt, feststellen zu können: „Die Kundschaft . . . eines einfachen Kaufgeschäftes in der Großstadt z. B. wird durch die bekannte und eingebürgerte Geschäftslage stärker bedingt als durch die Persönlichkeit des Unternehmers"620. Die Kundschaftsanwartschaft soll demnach in der Großstadt bei einfachen Kaufgeschäften regelmäßig eine unpersönliche Anwartschaft sein. Die Kreditanwartschaft ist demgegenüber sehr häufig eine persönliche. Die werbende und die industrielle Organisation zeigen wiederum einen vorwiegend unpersönlichen Charakter. Historisch gesehen läßt sich allenorts eine wachsende Entpersönlichung nachweisen: Firma, Sondervermögen, Unternehmerzusammenschlüsse sind nur Ausdrucksformen dieses Entwicklungsganges630. Schließlich soll noch auf den Unterschied von vorübergehenden und Daueranwartschaften hingewiesen werden. Die Unterscheidung wird sofort deutlich, wenn man die Anwartschaft, welche unser Sportplatzbesitzer wegen des bevorstehenden Fußballspieles besitzt, vergleicht mit der Kundschaftsanwartschaft eines Kaufmanns. Die Gewinnanwartschaft des Sportplatzbesitzers läßt einen einmaligen Gewinn erhoffen, diejenige des Kaufmannes einen dauernden Gewinn. Verwirklicht sich die Gewinnanwartschaft des Sportplatzbesitzers, so erlischt sie damit zugleich. Die Kundschaftsan wartschaft dagegen bleibt trotz ihrer fortwährenden Verwirklichung dauernd bestehen, ja, man kann sogar sagen, daß sie — je öfter sie sich verwirklicht — immer wertvoller wird. Die Unterscheidung zwischen vorübergehenden und Daueranwartschaften wird also unter ähnlichen Gesichtspunkten vorgenommen wie diejenige zwischen vorübergehenden und dauernden Schuldverhältnissen. Zuletzt hat Nehm in seinem Werk über die kündbaren Rechtsverhältnisse im Schuldrecht631 darauf hingewiesen, daß die Einteilung in vorübergehende und dauernde Sdiuldverhält• M ) Dazu D a n i e 1 5 S. 34—3 $,37, O p p i k o f e r S. 9—11, W ü r d i n g e r S. $7 mit Anm. 2. m ) O p p i k o f e r S. 1 1 . Zur Geschichte der Entpersönlichung O p p i k o f e r S. 107, 118. M1 ) N e h m S. j—9.

127 nisse insbesondere daran anknüpfen müsse, wie die „Erfüllung auf den Bestand des Schuldverhältnisses als die Quelle von Ansprüchen einwirkt" 632 . Bei den vorübergehenden Schuldverhältnissen besteht der Zweck darin, „die zwischen den Parteien ins Leben gerufenen schuldrechtlichen Beziehungen abzuwickeln. Das Schuldverhältnis als Quelle versiegt und erlischt infolgedessen"638. Bei den Dauerschuldverhältnissen dagegen läßt sich sagen, „das Schuldverhältnis als Quelle . . . sei zur Dauer geeignet, weil es trotz seiner Zweckerfüllung nicht untergeht"634. Überträgt man das Gesagte auf die Anwartschaften, so zeigt sich, daß nicht nur die Kundschaftsanwartschaft eine Daueranwartschaft ist: Dasselbe trifft auch für die drei anderen kaufmännischen Anwartschaften zu, die wir herausgestellt haben. Selbstverständlich sind Beeinträchtigungen von Daueranwartschaften regelmäßig schwerwiegender als Eingriffe in nur vorübergehende Gewinnanwartschaften. III. Die Anwartschaften kommen im Bereiche der Schadenslehre nur als Rechtsgüter in Betracht. Deshalb ist es an und für sich gleichgültig, ob die Anwartsdiaftsbeziehungen sich zugleich als subjektive Rechte darstellen oder nicht636. „Die veralteten Obligationenrechte" kennen „nur Sachen und Rechte"636, der besondere Begriff des Rechtsfutes ist ihnen nicht geläufig. Das ist, was die Anwartschaftseziehungen betrifft, auai leicht erklärlich. Denn zu jener Zeit, als die Grundlagen des noch heute herrschenden rechtsdogmatischen Systems geschaffen wurden, nämlich im vorkapitalistischen Zeitalter, waren ja Anwartschaften noch selten, und kaufmännische Anwartschaften spielten fast überhaupt keine Rolle. Als dann die Anwartschaftsbeziehungen — lange von den Juristen überhaupt unbeachtet — immer bedeutsamer wurden, mußte man sie, sollten sie nicht länger rechtlich irrelevant bleiben, sogleich wie subjektive Rechte behandeln, andernfalls war für sie im rechtsdogmatischen System kein Raum. Ein rechtsdogmatisches System, das sich nicht mit den Lebenstatsachen fortentwickelt, ist eben starr. Treten neue Lebenstatsachen mit dem Anspruch rechtlicher Beachtlichkeit an den Juristen heran, so geht es bei Vorhandensein eines solchen starren Systems um Biegen oder Brechen. Entweder läßt sich die neue Lebenstatsache mit Hilfe mehr oder minder gewagter und gekünstelter Konstruktionen in das alte System hineinbiegen, oder aber das gelingt nicht, sodaß die neue Lebenstatsache von der Rechtsordnung zerbrochen beiseite geworfen wird. MS

) N e h m S. 6. " " J N e h m S. 7. " " ) N e h m S. 9. •*) So auch D e g e n k o l b ArchZivPrax. 76 S. 53—54, F i s di e r S. 62—68. A . A. C o h n f e l d t S. 92—98, O e r t m a n n S. 203 und für das Strafrecht v o n L i s z t - S d i m i d t S* 668 m. w. N. 636 ) F e h r S. 4. Wobei zu bemerken ist, daß bei den Sachen nicht einmal diese selbst gemeint sind, sondern das Eigentumsrecht an ihnen ( E n n e c c e r u s N i p p e r d e y I S. 397 Anm. 2).

128 Ein Musterbeispiel für dieses Vergewaltigungsverfahren bildet die rechtliche Behandlung der Anwartschaften. Es entspann sich gerade bei ihnen jener Kampf auf Biegen oder Brechen, als im kapitalistischen Zeitalter besonders die kaufmännischen Anwartschaften überragende wirtschaftliche Bedeutung gewannen. Der Kampf tobt noch heute. Das Bestreben, die Anwartschaftsbeziehungen den subjektiven Rechten glcich zu behandeln, tritt deutlich hervor: Man faßt nämlich die Anwartschaften entweder als Anwartschaftsrechte auf oder sieht in ihnen zum mindesten eine Vorstufe zum subjektiven Recht. Besonders von Tuhr637 vertritt den Standpunkt, daß man die Anwartschaften den subjektiven Rechten zuzählen könne, er schlägt für sie den Ausdruck Warterecht vor. Dabei macht er allerdings die Einschränkung, daß es sich um Anwartschaften handeln müsse, deren Verwirklichung mit einem gewissen Grad der Sicherheit zu erwarten sei. Da er aber annimmt, daß bei überwiegender Unsicherheit die Anwartschaften ihren rechtlichen Charakter, also ihre rechtliche Erheblichkeit verlieren, so müßten wohl nach seiner Auffassung sämtliche rechtlich relevanten Anwartschaften Anwartschaftsredite sein. Diese Auffassung bringt eine Ausweitung des Begriffes der subjektiven Rechte mit sich, die diesen Begriff geradezu aufheben muß. Nicht ganz so weit geht jene Theorie, welche die Anwartschaften als Vorstufe zu subjektiven Rechten zu erfassen sucht. Hier sind besonders Enneccerus-Nipperdeymi zu nennen, welche die Anwartschaften als Erwerbsberechtigungen bezeichnen, welche die Vorstufe eines Rechts bilden, das sich aus ihnen durch das Hinzutreten bestimmter Erfordernisse entwickelt, ohne daß noch eine Erwerbshandlung erforderlich ist. Die Begriffsbestimmung ist in doppelter Hinsicht beanstandbar. Zunächst lassen sich längst nicht alle Anwartschaften als Vorstufe eines Rechts konstruieren, man denke nur an die Kundschaftsanwartschaft. Weiterhin sind aber andererseits keineswegs alle Vorstufen eines subjektiven Rechts Anwartschaften in dem von uns zugrunde gelegten Sinne. Besonders gern wird der Vorbehaltskäufer als Träger einer Anwartschaft bezeichnet. Wir haben gesehen, daß er in Wirklichkeit bereits als Träger der Sachbeziehung angesehen werden muß6*9. So ist denn der AnwartschaftsbegrifF von Enneccerus-Nipperdey einerseits zu eng, andererseits zu weit. Zu gleichfalls unbefriedigenden Ergebnissen ist Würdinger gelangt, welcher definiert640: „Anwartschaft ist jene Beziehung des Anwärters zu einer rechtsgewährenden Norm, kraft deren diese Norm bei Erfüllung der restlichen Tatbestandselemente auf den Anwärter Anwendung findet." Auch hier wird also von dem Begriff des subjektiven Rechts ausgegangen, nicht von den Rechtsgütern, die * " ) v o n T u h r I S. 182, audi R o s e n b e r g S. 264, 644, 645. ) E n n e c c e r u s - N i p p e r d e y I S. 230—231. M ») S. oben S. 4 S . " " ) W ü r d i n g e r S. — W ü r d i n g e r S. 84—87 betont, daß die Anwartschaften keine subjektiven Redite sind. M8

129 man als Anwartschaften bezeichnet und die es juristisch zu erfassen gilt. Die Blickrichtung auf das subjektive Recht ist hier sogar ganz bewußt gewählt: „Es muß . . . die Anwartschaft so konstruiert werden . . . wie das subjektive Recht als ein Produkt der Rechtsordnung."" 41 Nicht das wirtschaftliche Erwerbsinteresse als Tatsächlichkeit wird in den Vordergrund gestellt, gesucht wird von vornherein „das juristische Gegenstück dieser Erwerbsaussicht"842. Wie aber kann man ein juristisches Gegenstück der wirtschaftlichen Erwerbsinteressen zu finden hoffen, wenn man nicht vorher diese Erwerbsinteressen selbst ins Auge faßt? Auf diese Weise mußten Würdinger zahlreiche Anwartschaften entgehen843, während auch er andererseits Wertbeziehungen, die sich als Sachbeziehungen darstellen, als Anwartsdiaftsbeziehungen zu erfassen sucht. Der Unterschied zwischen den Auffassungen von EnneccerusNipperdey und Würdinger liegt nur darin, daß erstere verlangen, das subjektive Recht müsse sich aus der Anwartschaft ohne Erwerbshandlung ihres Trägers entwickeln, während letzterer fordert, daß die restlichen Tatbestandselemente dem sogenannten „besonderen" Tatbestand angehören644. So sehen wir: In das herrschende rechtsdogmatische System der subjektiven Rechte lassen sich die Anwartschaften nur schwer hineinbringen. Entweder entwertet man den Begriff des subjektiven Rechts oder man greift auf dessen Vorstufen zurück, indem man diese Vorstufen „schon als subjektive Rechte behandelt"845, übrigens eine ziemlich schwierige Vorstellung, denn entweder sind die Anwartschaften subjektive Rechte, dann muß man sie dementsprechend behandeln, oder sie sind nur Vorstufen, und dann darf man sie in der Behandlung subjektiven Rechten kaum gleichstellen848. Jedenfalls aber bleiben bei der Konstruktion der Vorstufen zu subjektiven Rechten Erscheinungen der Rechtswelt unbeachtet, die es unbedingt — und zwar als Anwartschaften — zu erfassen gilt: Diese Erscheinungen werden von Enneccerus-Nipperdey und Würdinger einfach aus dem rechtsdogmatischen System herausgehoben, denn hineinbiegen lassen sie sich nicht, auch nicht mit Gewalt! Eine befriedigendere Lösung läßt sich aufzeigen, wenn man nicht von den Rechtszuständigkeiten, sondern von den Wertbeziehungen zu Rechtsgütern ausgeht847 und erkennt: Die Anwart" " ) W ü r d i n g e r S. 43 Anm. 1. «!2) W ü r d i n g e r S. 43 Anm. 1. Vgl. auch S. 43—44, S. 61 Anm. 1. Anders allerdings W ü r d i n g e r S. 14. el3 ) Während W ü r d i n g e r S. 45, 49, 55 nur Anwartschaften kennt, die Rechtsfolgen sind, kennen wir Anwartschaften, die nur als Tatbestandselemente eine Rolle spielen. ,14 ) Dazu W ü r d i n g e r S. 65, 66, 67, woselbst er seine eigene Grenzziehung aber als flüssig bezeichnet. 6 6 ' ) Enneccerus-r ' ' : y I S. 231. — W ü r d i n g e r S. 87—88 will erst in einer späteren dartun, wie er sich die Behandlung der Anwartschaften denkt. e •• ) Dazu audi B r e d i t IherJ. 61 S. 270—271. 9 " ) Das hat auch zur Folge, daß man den Fall des Eigentumsvorbehalts von vornherein aus der Anwartsdiaftslehre ausscheidet.

130 schaftsbeziehung ist als Wertbeziehung zu einem Reditsgut rechtlich beachtlich. Die Beeinträchtigung einer Anwartschaftsbeziehung schafft einen Vermögensschaden. Ein Schutz wird im Recht nicht nur den subjektiven Rechten, sondern auch bloßen Rechtsgütern gewährt. Bei diesem Ausgangspunkt tritt die Frage in den Hintergrund, ob eine Anwartschaftsbeziehung durch das Recht zur Rechtszuständigkeit erhoben werden kann. In der Tat ist das möglich648. Inwieweit es geschehen ist, ergibt nach früher Dargelegtem das positive Recht849. Vielleicht läßt sich beispielsweise für aufschiebend bedingte Forderungen die Ansicht vertreten, daß der Gläubiger bereits vor Eintritt der Bedingung ein Anwartschaftsrecht besitze. Dieses Anwartschaftsrecht ist dann aber selbst ein Recht, nicht nur eine Vorstufe zu einem solchen. Es hat mit jenem erst zukünftigen Recht, das bei Eintritt der Bedingung entsteht, nicht mehr zu tun als jede Anwartschaft als Gut des werdenden Vermögens mit jenem Gute, das nach Realisierung der Anwartschaft als Gut des im engeren Sinne seienden Vermögens entsteht. IV. Die Tatsache, daß man für die Anwartschaften so lange Zeit keinen Platz im rechtsdogmatischen System zu finden wußte, hat es mit sich gebracht, daß man bei ihrer rechtlichen Behandlung in vielen Punkten noch nicht zu gesicherten Ergebnissen gekommen ist. Man denke etwa an die Fälle des Hoffnungskaufes 650 , der emptio spei, insbesondere aber an den Lotterie-, Versicherungs- und Bausparvertrag. Bei diesen Rechtsgeschäften, die teilweise von größter wirtschaftlicher Bedeutung sind, spielen Anwartschaften eine Rolle, ohne daß in dieser Hinsicht völlige Klarheit obwaltet. Wenn man — wie beispielsweise Haymann**1 und Lehmann662 — davon ausgeht, daß der Lotterieunternehmer dem Loskäufer für den Fall der Ziehung des Loses eine Gewinnauszahlung verspricht, so erlangt der Loskäufer eine aufschiebend bedingte Geldforderung. Da jeder aufschiebend bedingt Forderungsberechtigte Träger einer Anwartschaftsbeziehung ist, gelangt durch das bedingte Leistungsversprechen des Lotterieunternehmers eine Anwartschaft zur Entstehung663. Es läßt sich darüber streiten, ob dieses Versprechen schon als Leistung anzusehen ist, ob also mit anderen Worten nach der hier geschilderten Ansicht der Lotterieunternehmer eine Anwartsdiaftsverschaffungsleistung erbringt. Es kommt dabei auf den Begriff der Leistung an, den man zugrundelegt. Wenn man ihn so weit faßt wie Haymann6", der als Leistung jede willentliche Förderung fremder Interessen ansieht, so erhält der Loskäufer schon dann eine 6 8

' ) So auch O e r t m a n n IherJ. 123 S. 160. ) Vgl. oben S. 44. 66 °) Gegen diesen Ausdrude wendet sich W ü r d i n g e r S. $7 Anm. i, aber nur um zu verdeutlichen, daß die Anwartschaft schon etwas Seiendes ist. ,61 ) H a y m a n n S. 1 0 — n , 29. ***) L e h m a n n S. 13—16, J W . 1934 S. 2011. e53 ) So denn auch H a y m a n n S. 1 0 — n , L e h m a n n S. IJ, JW. 1934 S. 2011. M • ) H a y m a n n S. 1—2, 10. Me

181 Anwartschaftsverschaffungsleistung, wenn der Lotterieunternehmer ihm gegenüber eine bedingte Verpflichtung übernimmt. Aber dieser Leistungsbegriff ist nicht der einzig bestehende: § 241 BGB. geht davon aus, daß jede Leistung in Erfüllung eines Leistungsversprechens erbracht wird665. Unter Zugrundelegung dieser Terminologie betont Lehmann656 mit Recht, daß sich zwar „die Abgabe eines Leistungsversprechens sehr wohl selbst als Leistung darstellen" könne, „wenn sie nämlich in Erfüllung einer dahingehenden Verpflichtung, also causa solvendi, geschieht. Das Versprechen des Lotterieveranstalters ist aber kausaler Natur, geschieht causa acquirendi". Es sei „unmöglich, sich eine Verpflichtung zugleich als ihre eigene Erfüllung zu denken". Deshalb könne bei einem Lotterievertrag „von einer emptio spei nicht gesprochen werden". In der Tat spielt die Anwartschaft nach der Terminologie des § 241 BGB. als Leistungsgegenstand bei der hier geschilderten Konstruktion einer aufschiebend bedingten Geldleistungspflicht keine Rolle. Als Leistung kommt nur die Geldleistung in Betracht: Eine Sachbeziehung zu Geld soll im Gewinnfalle geschaffen werden. Aber diese Ansicht entspricht weder den tatsächlichen Verhältnissen, wie sie bei einer Lotterie bestehen, noch wird sie den Interessen der Beteiligten, insbesondere dem des Loskäufers gerecht667. In Wahrheit liegen die Dinge so, daß zur Verfügung des Lotterieunternehmers Anwartschaften existieren, bevor die einzelnen Lotterieverträge abgeschlossen werden. Vor diesem Abschluß hat nämlich der Lotterieveranstalter einen Lotterieplan aufgestellt, er hat eine Organisation zum Vertrieb der Lose eingesetzt und somit eine Gesamtheit von Anwartschaften geschaffen, die zur Veräußerung geeignet und bestimmt sind. Wenn nun ein einzelner Lotterievertrag abgeschlossen wird, so läßt sich der Loskäufer versprechen, daß ihm eine der präexistenten Anwartschaften übertragen wird. Dieses Versprechen ist ein unbedingtes, infolge des Versprechens allein wird also der Loskäufer — anders als nach der erstgeschilderten Ansicht— nicht Träger einer Anwartschaft" 8 . Wird aber das Versprechen erfüllt, die versprochene Leistung erbracht, so geht auf den Loskäufer eine der vorher in der Person des Lotterieveranstalcers bestehende« Anwartschaftsbeziehungen über. Die Leistung des LotterieunterJ nehmers im Sinne des § 241 BGB. ist hier in der Tat eine Anwartschaftsverschaffung: Eine Beziehung zu einer Anwartschaft wird dem Loskäufer übertragen. Sieht man — wie das bei jeder Leistung im Sinne des § 241 BGB. vom Gesetz vorgesehen ist — nicht auf den Leistungserfolg, sondern auf die Leistungshandlung, so muß der Lotterieunternehmer alles tun und lassen, was darauf abzielt, dem Loskäufer wirklich eine Anwartschaftsbeziehung zu übertragen. Er muß also nicht nur das Los übergeben, er muß in vielen Fällen auch für den Vertrieb weiterer Lose sorgen und die Ziehung veranstalten. • " ) Dazu H a y m a n n selbst S. 6. ,M ) L e h m a n n J W . 1934 S. 2011. *67) Im Ergebnis ebenso O e r t m a n n I Anm. 5 d zu $ 158, S. $8o, LZ. 1930 S. 7—16. Weitere Nadiweise bei L e h m a n n S. 13—14. ,58 ) Er erlangt nur die Wertbeziehung zu einer unbedingten Forderung.

132 Entfällt ein Gewinn auf das Los, realisiert sidi die Anwartschaft, so muß der Lotterieunternehmer in weiterer Erfüllung seiner Leistungspflicht den Gewinn auszahlen. Das darf man sich nicht so vorstellen, als ob aus einer aufschiebend bedingten Geldleistungspflicht des Lotterieveranstalters nunmehr eine unbedingte werde. Nein: Eine bedingte Geldleistungspflicht ist von dem Lotterieunternehmer nadi der hier geschilderten Ansicht garnicht übernommen. Die Pflicht zur Auszahlung eines etwaigen Gewinnes (Verhalten) ist vielmehr in der Pflicht zur Anwartschaftsverschaffung (Erfolg) noch mit enthalten859. Denn grade im Hinblick auf einen etwaigen Gewinn wird ja der Lotterievertrag abgeschlossen. Hält man sich vor Augen, daß die Auszahlung des eventuellen Gewinns noch zu den Handlungen gehört, in deren Vollbringung die Leistung des Lotterieveranstalters im Sinne des § 241 BGB. besteht, so sieht man, daß der Erfolg der An wartschaftsver schaffung während einer längeren Zeitdauer als Leistung erbracht wird. Diese Zeitdauer zerfällt im Gewinnfalle in zwei Abschnitte, die durch den Zeitpunkt der Anwartschaftsrealisierung voneinander getrennt werden980. Nur bei Zugrundelegung dieser Konstruktion ist der Loskäufer ausreichend geschützt, was vielleicht am schlagendsten daraus erhellt, daß auch nach der früher geschilderten, hier bekämpften Ansicht von Lehmann ein „Anspruch auf lotterieplanmäßige Vornahme der Ziehung zuzubilligen"881 sein soll. Dieser Anspruch läßt sich mit der Annahme einer bedingten Geldleistungspflicht nur mühsam vereinigen. Nadi der hier vertretenen Meinung gehört die lotterieplanmäßige Vornahme der Ziehung zu jenem Verhalten, das beobachtet werden muß, damit die versprochene Leistung der Anwartschaftsverschaffung erbracht wird. Praktisch wichtiger als der Lotterie- ist der Versicherungsvertrag. Auch hier stehen sich in der Hauptsache zwei Ansichten gegenüber: Während besonders Haymann88i den Standpunkt vertritt, daß bei Zugrundelegung der Terminologie des $ 241 BGB. der Versicherer eine bedingte Geldleistung verspreche, meint besonders Bruck"™, die Leistung des Versicherers sei die Gefahrtragung, wobei als Gefahrtragung die Verschaffung einer Anwartschaft bezeichnet werden muß, nach deren Realisation (Versicherungsfall) der Versicherer in Erfüllung der Pflicht zur Gefahrtragung (Erfolg) die Auszahlung der Entschädigung (Verhalten) vornimmt. Nach der ersten Ansicht spielt bei dem Versicherungsvertrag eine Anwartschaft nur insofern eine Rolle, als jede aufschiebend bedingte Forderung dem Berechtigten eine Anwartschaft verleiht. Nach der zweiten " 6 •) Ein verwandter Gedankengang findet sich bei H a y m a n n S. 6, der in Erläuterung seiner Ansicht, wonach ein Verspredien eine Leistung sein kann, sagt: „ D i e Erfüllung des Versprechens ist . . . . nicht etwa eine neue .Leistung', sondern nur ein untergeordneter Ausführungsakt". Der Satz birgt viele Probleme. Im Hinblick hierauf könnte man sich an dem Ausdruck „ A n wartschaf tsversdianungsleistung" stoßen: D i e Erbringung dieser Leistung kann bei sprachlidier Engherzigkeit nur bis zur Anwartschaftsrealisierung andauern. M1) L e h m a n n S. 17, J W . 1934 S. 2012. M *) H a y m a n n S. JSt 3V> M M M M M

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Heft 27: Die Risikobeschränkungen. Von Dr. Harald Lötsdi. Groß-Oktav. 68 Seiten. 1935. Heft 28: Ernst Ferdinand Klein'« Auffassung von der Strafe und den sichernden Maßnahmen. Von Dr. Helmut Mumme. Groß-Oktav. 56 Seiten. 1936. Heft 29: Die Durchlieferung. Eine reditsvergleichende Darstellung zum Verständnis des Auslieferungsredits. Von Dr. Theo Schniederkötter. Groß-Oktav. Heft 30: Summen- und Einzelsdiaden. Beiträge zur Erneuerung der Schadeoslehre vom Wirtschaftsrecht aus. Von Dr. Hans Möller. Groß-Oktav. X, 1 J 4 Seiten'. 1937.

ÜM 4.— Ml 3.— im Druck. XM 9.—

Friederichsen, de Gruyter & Co. m. b. H. Hamburg 1

B e i der Weidmannschen Verlagsbuchhandlung, Berlin S ¥

68,

sind erschienen von Dozent Dr. jur. habil.

Hans Möller,

Hamburg, Hansische Universität:

Cifgeschäft und Versicherung (Übersee-Studien zum Handels-, SdfcufFahrts- und Versidierungsredbt, Heft 13). X , 208 Seiten. 1932.

3Vnl

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Kommentar zum Patentgesetz vom 5. Mai 1936 (mit Beilage: Begründung und Nebengesetze nach dem Stande vom 1$. Oktober 1936), X V I , 333, 69 Seiten. 1936. Leinen. UM 12.30

Patentgesetz vom 5. Mai 1936 — mit den Nebengesetzen zum gewerblichen Rechtsschutz — Textausgabe mit Einleitung, Verweisungen und Sachregister (Sammlung deutscher Gesetze, Band 181). 150 Seiten. 1936. Leinen. 3M 2.—

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