Strafverfolgung bei Straftaten von Bundeswehrsoldaten im Auslandseinsatz [1 ed.] 9783428543687, 9783428143689

Fabian Stam untersucht die rechtlichen Grundlagen zur Verfolgung von Straftaten, die Bundeswehrsoldaten während eines Au

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German Pages 162 Year 2014

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Strafverfolgung bei Straftaten von Bundeswehrsoldaten im Auslandseinsatz [1 ed.]
 9783428543687, 9783428143689

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Schriften zum Strafrecht Band 264

Strafverfolgung bei Straftaten von Bundeswehrsoldaten im Auslandseinsatz Von

Fabian Stam

Duncker & Humblot · Berlin

FABIAN STAM

Strafverfolgung bei Straftaten von Bundeswehrsoldaten im Auslandseinsatz

Schriften zum Strafrecht Band 264

Strafverfolgung bei Straftaten von Bundeswehrsoldaten im Auslandseinsatz

Von

Fabian Stam

Duncker & Humblot · Berlin

Die Rechtswissenschaftliche Fakultät der Universität zu Köln hat diese Arbeit im Jahre 2014 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten

© 2014 Duncker & Humblot GmbH, Berlin

Fremddatenübernahme: L101 Mediengestaltung, Berlin Druck: buchbücher.de gmbh, Birkach Printed in Germany ISSN 0558-9126 ISBN 978-3-428-14368-9 (Print) ISBN 978-3-428-54368-7 (E-Book) ISBN 978-3-428-84368-8 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Meinen lieben Eltern

Geleitwort Soldaten der Bundeswehr sind selbstverständlich auch im Auslandseinsatz nicht vor strafrechtlichen Ermittlungen gefeit. Auf der einen Seite kann die Durchsetzung des jeweiligen Auftrags den Einsatz von Waffengewalt erfor­ dern, und sei es nur, um das eigene Leben oder das von Kameraden zu schützen. Dabei besteht jederzeit die Gefahr, Unbeteiligte zu verletzen, und schnell kann so der Vorwurf einer Straftat im Raum stehen. Auf der anderen Seite können sich Soldaten im Auslandseinsatz auch außerhalb der eigentli­ chen Auftragserfüllung dem Verdacht strafbarer Handlungen aussetzen, nicht anders als im Inland. Weder ist der Auslandseinsatz ein „rechtsfreier Raum“, noch kann davon ausgegangen werden, dass sich Menschen dort rechtstreuer verhalten als sonst. Seit vielen Jahren setzt sich der Deutsche BundeswehrVerband für eine Verbesserung bei der Verfolgung von Straftaten ein, die Soldaten der Bun­ deswehr während eines Auslandseinsatzes vorgeworfen werden. Denn auf­ grund der ohnehin schwierigen Situation im Auslandseinsatz stellen straf­ rechtliche Ermittlungsverfahren gegen Soldaten für diese, aber auch für ihre Kameraden stets eine besondere Belastung dar, gerade dann, wenn der Ausgangspunkt des Verfahrens eine Handlung im Rahmen der Auftragser­ füllung war. Für Soldaten ist es in diesen Fällen besonders wichtig, sich auch bei der Strafverfolgung in guten Händen zu wissen – nicht im Sinne besonderen Wohlwollens, sondern im Sinne von Sachkunde, der Kenntnis der besonderen Umstände, in rechtlicher wie in tatsächlicher Hinsicht. Nichts führt zu mehr Verunsicherung als ein Staatsanwalt, der offensichtlich nicht genau weiß, wovon er spricht. Zwar ist der Gesetzgeber mit der Einführung eines zusätzlichen zentralen Gerichtsstands in Kempten zum 1. April 2013 einen Schritt in Richtung der vom Deutschen BundeswehrVerband seit langem geforderten Verbesserung gegangen. Weitere drängende Fragen, wie die nach einer effektiven Siche­ rung der Beschuldigtenrechte und die nach effektiven Ermittlungen im Einsatzland, sind dagegen offen geblieben und bedürfen weiterhin einer gesetzgeberischen Antwort. Die vorliegende Arbeit beleuchtet eingehend und sehr nachvollziehbar, warum eine effektive Strafverfolgung beim Verdacht von Straftaten im Aus­ landseinsatz so wichtig ist. Sie zeigt außerdem auf, welche Hürden dafür auch nach der Einrichtung des zentralen Gerichtsstands noch genommen

8 Geleitwort

werden müssen. Besondere Aufmerksamkeit widmet der Autor dabei zu Recht den Schwierigkeiten mit den strafrechtlichen Ermittlungen im Ein­ satzland und den sich daraus ergebenden Problemen hinsichtlich der Wah­ rung der Beschuldigtenrechte der Betroffenen. Er unterbreitet richtungswei­ sende Vorschläge zur Änderung des Strafverfahrensrechts, die den Beson­ derheiten des Auslandseinsatzes gerecht werden und dafür sorgen können, eine rechtsstaatlichen Grundsätzen genügende Strafverfolgung auch in dieser Ausnahmesituation zu gewährleisten. Sie mögen dem Gesetzgeber als Denkanstoß dienen. 

Bonn, im März 2014

Christian Sieh

Justitiar des Deutschen BundeswehrVerbandes

Vorwort Somalia – Jugoslawien – Afghanistan – …  Seit Anfang der 1990er Jahre wandelt sich die Bundeswehr von der reinen Verteidigungsarmee zur viel­ zitierten „Armee im Einsatz“. Damit einher geht – neben vielen anderen – die Frage, wie Straftaten, die deutschen Soldaten im Zusammenhang mit Aus­ landseinsätzen vorgeworfen werden, effektiv und entsprechend den Vorgaben des Rechtsstaats verfolgt werden können. Für diese und damit zusammenhän­ gende Fragestellungen suche ich in der Arbeit nach Antwortmöglichkeiten. Auszüge dieser Arbeit lagen dem Rechtsausschuss des 17. Deutschen Bundestages im September 2012 im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens zur Einführung eines Gerichtsstands bei besonderer Auslandsverwendung der Bundeswehr als Sachverständigengutachten vor. Die Rechtswissen­ schaftliche Fakultät der Universität zu Köln hat sie im Jahr 2014 als Dis­ sertation angenommen. Meinem Doktorvater Professor Dr. Claus Kreß, LL.M., danke ich herzlich für die Betreuung der Arbeit und die große wissenschaftliche Freiheit, die er mir bei der Bearbeitung des Themas ließ. Professor Dr. Thomas Weigend danke ich für die Übernahme des Zweitgutachtens. Dem Deutschen Bundes­ wehrVerband danke ich für die Gewährung eines großzügigen Druckkosten­ zuschusses. Professor Dr. Georg Steinberg, European Business School, Wiesbaden, an dessen Kölner Lehrstuhl ich während der Entstehung dieser Arbeit von 2010 bis 2012 als wissenschaftlicher Mitarbeiter tätig war, danke ich für die ideale Förderung, die er mir während dieser Zeit hat zukommen lassen. Professor Dr. Michael Kubiciel, an dessen Lehrstuhl ich in der Endphase der Arbeit tätig war, hat es mir durch sein Entgegenkommen ermöglicht, die Arbeit zügig fertigzustellen und mir mit vielen wertvollen Ratschlägen wei­ tergeholfen, wofür ich ihm danke. Ohne Yao Li hätte diese Arbeit nicht entstehen können. Sie hat es nicht nur auf sich genommen, die Arbeit während ihrer Entstehung unzählige Male zu lesen und mir mit vielen klugen Ideen und kritischen Anmerkungen geholfen. Sie hat mir auch in allen Lebenslagen zur Seite gestanden. Danke! Der größte Dank aber gilt meinen lieben Eltern, Ilona und Klaus Stam, die mich immer und in jeder Hinsicht unterstützt haben. Ihnen ist die Arbeit gewidmet. Köln, im März 2014

Fabian Stam

Inhaltsverzeichnis Einleitung 19 A. Thematischer Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 B. Strafprozessrecht als angewandtes Verfassungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . 21 C. Gang der Abhandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 Teil 1

De lege lata 25 Kapitel 1



Anwendbarkeit deutschen Strafrechts auf Auslandstaten von Bundeswehrsoldaten 25

A. Grundsätzliche Geltung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 B. Geltung des StGB im bewaffneten Konflikt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 I. Rechtfertigungslösung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 II. Nichtanwendbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 III. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 C. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 Kapitel 2

Verfolgungspflichten bei Auslandsstraftaten von Bundeswehrsoldaten 35

A. Verfassungsrechtliche Verfolgungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 B. Völkerrechtliche Verfolgungspflichten  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 I. Nach der EMRK . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 1. Grundsätzliche Ermittlungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 2. Geltung im Ausland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 II. Nach Völkergewohnheitsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 C. Einfachgesetzliche Umsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 I. Legalitätsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 II. Opportunitätsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 III. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 D. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50

12 Inhaltsverzeichnis Kapitel 3 Verfolgungszuständigkeit 52 A. Örtliche Zuständigkeit bis zur Einführung des § 11a StPO . . . . . . . . . . 52 I. Allgemeine Zuständigkeitsregelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 II. „Eilzuständigkeit“ der Staatsanwaltschaft Potsdam . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 B. Zuständigkeit des GBA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 I. These der Allzuständigkeit für Taten im bewaffneten Konflikt . . . . . . . 56 II. Zuständigkeit nur bei Verwirklichung eines Straftatbestands des VStGB . 58 1. Nichtexistenz eines „Anwendungsbereichs des VStGB“ . . . . . . . . . . 58 2. Kriegsverbrechen im Sinne des Art. 96 Abs. 5 Nr. 3 GG . . . . . . . . . 61 3. Zweckmäßigkeit als Argument für die Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . 63 III. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 C. Zuständigkeit der Staatsanwaltschaft Kempten, § 11a StPO . . . . . . . . . . 64 I. Entstehungsgeschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 1. Kritik des fehlenden Bedarfs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 2. Kritik des Verstoßes gegen Art. 96 Abs. 2 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 3. Geschichte der Wehrmachtsjustiz als Gegenargument . . . . . . . . . . . . 67 4. Exkurs: Zentralisierung beim Generalbundesanwalt? . . . . . . . . . . . . . 67 II. Der Tatbestand des § 11a StPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 1. Anknüpfung an „besondere Auslandsverwendung“ . . . . . . . . . . . . . . 69 2. Vereinbarkeit mit dem Recht auf den gesetzlichen Richter . . . . . . . . 71 D. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 Kapitel 4

Strafprozessuale Ermittlungen im Auslandseinsatz 75

A. Strafprozessrechtliche (Un-)Zulässigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 B. Völkerrechtliche (Un-)Zulässigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 C. Derzeitige Behelfspraxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 I. Vernehmungen: Selbstbelastungsfreiheit und Wahrheitspflicht . . . . . . . . 82 1. Verwertungsverbot nach § 136a Abs. 1 S. 3, Abs. 3 S. 2 StPO . . . . . 85 2. Verfassungsunmittelbares Verwertungsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 a) Begründung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 b) Reichweite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 aa) § 97 Abs. 1 S. 3 Insolvenzordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 bb) § 393 Abs. 1 S. 1 Abgabenordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 cc) Produktpiraterie-Bekämpfungsgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 dd) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 ee) Eingeschränkte Reichweite bei ordnungsgemäßer Belehrung nach § 32 Abs. 4 S. 3, 4 WDO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 ff) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93

Inhaltsverzeichnis13 II. Eingriffsbefugnisse: Durchsuchung, Beschlagnahme, Untersuchung . . . 93 III. „Freiwilligkeit“ der Unterstützung der Staatsanwaltschaft . . . . . . . . . . . 95 D. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 Teil 2

De lege ferenda 97 Kapitel 1



Soldaten als Ermittlungspersonen 97

A. Gerichtsverfassungsrechtliche Zulässigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 B. Zweckmäßigkeit und völkerrechtliche Zulässigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 I. Zweckmäßigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 II. Völkerrechtliche Zulässigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 III. Vergleich: Niederländische Praxis und Rechtslage . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 1. Gerichtliche Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 2. Staatsanwaltschaftliche Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 3. Ermittlungen im Auslandseinsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 IV. Schlussfolgerungen aus der niederländischen Praxis und Rechtslage . . 108 1. Zweckmäßigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 2. Völkerrechtliche Zulässigkeit  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 C. Kompetenzrechtliche Zulässigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 I. Grundsatz der Länderzuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 II. Mögliche Grundlagen für eine Bundeskompetenz  . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 1. Bundeskompetenz kraft Natur der Sache . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 2. Bundeskompetenz kraft Sachzusammenhangs . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 3. Zulässigkeit außerhalb einer Wehrstrafgerichtsbarkeit . . . . . . . . . . . . 114 D. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 Kapitel 2

Errichtung einer Wehrstrafgerichtsbarkeit als Alternative? 117

A. Bestrebungen zwischen 1955 und 1991 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 I. Diskussionsverlauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 II. Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 B. Neuere Bestrebungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 I. Springs Ansatz von 2008 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 II. Gesetzentwurf des Deutschen Bundeswehrverbands von 2009 . . . . . . . 129 1. Einzelanalyse der Vorschriften  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 2. Gesamtbewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 C. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136

14 Inhaltsverzeichnis Schluss 

138

A. Untersuchungsergebnisse  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 I. Anwendbarkeit deutschen Strafrechts auf Auslandstaten von Bundeswehrsoldaten  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 II. Verfolgungspflichten bei Auslandsstraftaten von Bundeswehrsoldaten  . 139 III. Verfolgungszuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 IV. Strafprozessuale Ermittlungen im Auslandseinsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 V. Soldaten als Ermittlungspersonen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 VI. Errichtung einer Wehrstrafgerichtsbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 B. Reformvorschläge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 I. Korrektur des § 11a StPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 II. Soldaten als Ermittlungspersonen der Staatsanwaltschaft . . . . . . . . . . . . 144 III. Anwendbarkeit der StPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 IV. Schutz beschuldigter Soldaten vor zwangsweiser Selbstbelastung . . . . . 146 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160

Abkürzungsverzeichnis a. A.

anderer Ansicht

Abs. Absatz a. F.

alte Fassung

AG Amtsgericht Alt. Alternative AO Abgabenordnung Art. / Artt.

Artikel (Singular / Plural)

Aufl. Auflage AVR

Archiv des Völkerrechts

Az. Aktenzeichen Bd. Band BDSG Bundesdatenschutzgesetz BGB

Bürgerliches Gesetzbuch

BGBl. I

Bundesgesetzblatt, Teil  I

BGH Bundesgerichtshof BGHSt

Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Strafsachen

BR-Drucks. Bundesrats-Drucksache BT-Drucks. Bundestags-Drucksache BVerfG Bundesverfassungsgericht BVerfGE

Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts

BWV Bundeswehrverwaltung ders. derselbe DRiZ

Deutsche Richterzeitung

DuR

Demokratie und Recht

EGMR

Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte

EGStPO

Einführungsgesetz zur Strafprozessordnung

Einl. Einleitung EMRK

Europäische Menschenrechtskonvention

f. / ff.

folgende (Singular / Plural)

FG Festgabe FS Festschrift

16 Abkürzungsverzeichnis GA

Goltdammer’s Archiv für Strafrecht

GBA Generalbundesanwalt GG Grundgesetz Gr. Gruppe GVG Gerichtsverfassungsgesetz HRLR

Human Rights Law Review

HRRS

Onlinezeitschrift für höchstrichterliche Rechtsprechung im Strafrecht

Hrsg. Herausgeber Hs. Halbsatz HuV-I

Humanitäres Völkerrecht – Informationsschriften

ICTR

International Criminal Tribunal for Rwanda

ICTY

International Criminal Tribunal for the former Yugoslavia

IGH

Internationaler Gerichtshof

insb. insbesondere InsO Insolvenzordnung IPbpR

Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte

JR

Juristische Rundschau

JURA

Juristische Ausbildung

JZ Juristenzeitung KO Konkursordnung LG Landgericht lit. litera MarkenG

Gesetz über den Schutz von Marken und sonstigen Kennzeichen

MRT

Militair Rechtelijk Tijdschrift

m. w. N.

mit weiteren Nachweisen

NJW

Neue Juristische Wochenschrift

Nr. Nummer NStZ

Neue Zeitschrift für Strafrecht

NZWehrR

Neue Zeitschrift für Wehrrecht

OLG Oberlandesgericht S.

Satz / Sätze

SG Soldatengesetz Sp. Spalte StGB Strafgesetzbuch StGB-E 1962 Entwurf eines Strafgesetzbuches – E 1962, BT-Drucks. 200 / 62

Abkürzungsverzeichnis17 StPO Strafprozessordnung StV Strafverteidiger s. u.

siehe unten

Ts. Teilsatz u. a.

und andere / unter anderem

UBWV

Unterrichtsblätter für die Wehrverwaltung

usw.

und so weiter

Var. Variante vgl. vergleiche VJTL

Vanderbilt Journal of Transnational Law

VStGB Völkerstrafgesetzbuch WDO Wehrdisziplinarordnung WehrwR

Wehrwissenschaftliche Rundschau

wistra

Zeitschrift für Wirtschafts- und Steuerstrafrecht

WStG Wehrstrafgesetz ZDv

Zentrale Dienstvorschrift

ZIS

Zeitschrift für Internationale Strafrechtsdogmatik

ZRP

Zeitschrift für Rechtspolitik

ZStW

Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft

Einleitung A. Thematischer Überblick August 2008: Bundeswehrsoldaten hatten Hinweise auf einen bevorste­ henden Waffenschmuggel in der Nähe der afghanischen Stadt Kunduz er­ halten. Nachdem, wie bei solchen Operationen üblich, ein Checkpoint er­ richtet worden war, näherten sich diesem zwei Fahrzeuge mit hoher Ge­ schwindigkeit und äußerst geringem Abstand zueinander, was von den ­anwesenden Soldaten als sehr bedrohlich wahrgenommen wurde. Letztere versuchten, die Fahrzeugführer durch Signale – etwa Anvisieren mit Laser­ lichtmodulen ihrer Waffen – zum Anhalten zu bewegen. Nachdem die Fahrzeuge kurz gestoppt hatten, fuhren sie jedoch wieder an. Die Soldaten gaben zunächst Warnschüsse ab und eröffneten sodann das Feuer auf die Fahrzeuge. Hierbei wurden eine Frau und zwei Kinder getötet. Nachdem die Staatsanwaltschaft Frankfurt / Oder ein Ermittlungsverfahren eingeleitet hat­ te, stellte sie das Verfahren im Mai 2009 ein.1 Oktober 2008: Ebenfalls in Afghanistan hatten Bundeswehrsoldaten auf­ grund des Verdachts von Vorbereitungen eines Sprengstoffanschlags eine Straßensperre errichtet. Nachdem sich dem Checkpoint ein Fahrzeug mit hoher Geschwindigkeit näherte, auch nach mehreren Warnungen – darunter Warnschüsse – nicht anhielt und die Soldaten davon ausgingen, dass ein Anschlag auf sie bevorstand, gab ein Soldat Schüsse auf das Auto ab, wo­ durch die – tatsächlich harmlosen – Insassen zum Teil schwer verletzt wurden. Im Januar 2009 stellte die Staatsanwaltschaft Zweibrücken das eingeleitete Ermittlungsverfahren ein.2 Bei diesen Beispielen handelt es sich um zwei sehr ähnliche, für Auslands­ einsätze der Bundeswehr nicht untypische Vorfälle. Werden wegen solcher Vorfälle Strafverfahren eingeleitet, müssen sich die zuständigen Staatsan­ wälte zunächst in die rechtlich und tatsächlich komplexe Materie einarbei­ ten, was unter Umständen geraume Zeit in Anspruch nehmen kann. Dabei müssen aber die Besonderheiten, unter denen Soldaten im Ausland einge­ setzt werden, berücksichtigt werden, und es darf nicht außer Acht bleiben, 1  Beschluss der Staatsanwaltschaft Frankfurt  / Oder vom 18.05.2009, Az.: 244 Js 29960 / 08 (unveröffentlicht). 2  Beschluss der Staatsanwaltschaft Zweibrücken vom 23.01.2009, NZWehrR 2009, 169 f.

20 Einleitung

dass die bloße Tatsache eines andauernden Ermittlungsverfahrens für den Beschuldigten bereits eine Belastung darstellt. Im Fall von Auslandseinsät­ zen besteht zudem die Gefahr, dass sich die hieraus resultierende Verunsi­ cherung auch auf andere Soldaten überträgt,3 was Gefahren für diese und den Einsatz insgesamt verursachen kann. Dieses Problem, das aus den mangelnden Spezialkenntnissen bei den zuständigen Organen der Straf­ rechtspflege resultiert, zu lösen ist das erste Ziel dieser Arbeit. Zweites Ziel ist es, eine Grundlage für Ermittlungen im Einsatzland, die derzeit nur unter Zuhilfenahme rechtlicher Hilfskonstruktionen und durch hierfür eigentlich nicht zuständige Soldaten durchgeführt werden können, zu schaffen. Denn ohne effektive Ermittlungen unterliegt das Handeln von Soldaten nur einge­ schränkter Kontrolle. Drittes Ziel ist die Anpassung der Beschuldigtenrech­ te der Soldaten an diejenigen nichtsoldatischer Beschuldigter. Bei Reformüberlegungen darf die Grenze jedoch nicht aus den Augen gelassen werden: das Leitbild vom Staatsbürger in Uniform, von dem das Grundgesetz in Art. 17a ausgeht4. Mit der Demokratisierung nach dem Zweiten Weltkrieg ändert sich das Bild des Soldaten grundlegend. Er ist nicht mehr bloßes Werkzeug und damit Objekt der Kriegsführung, sondern wird Träger von Grundrechten, zum Subjekt.5 Dieses neue Verständnis ist einerseits notwendige Folge der Grundrechtsbindung aller staatlichen Ge­ walt – auch gegenüber Soldaten – durch Art. 1 Abs. 3 GG. Andererseits steht dahinter aber auch eine militärtaktische Überlegung. Dem Soldaten soll durch die Anerkennung seiner Grundrechte verdeutlicht werden, wofür er im Ernstfall kämpfen soll: für den freiheitlich-demokratischen, grund­ rechtsverpflichteten Rechtsstaat als Gegenpol zum unfreien, totalitären Gegner.6 Für die Verteidigung und Fortentwicklung dieses Rechtsstaats sollen Soldaten und Zivilisten gleichermaßen, wenn auch mit anderen Mit­ teln, einstehen.7 Insofern sind Soldat und Nichtsoldat nach dem Leitbild „zwei Aggregatzustände desselben Staatsbürgers“.8 Ebenso wie eine Schlechterbehandlung diese Überlegung gefährden würde, wäre eine Besser­ stellung, eine Privilegierung der Soldaten gegenüber den Bürgern dieser notwendigen Integration der Streitkräfte in die Gesellschaft abträglich. Ge­ 3  Vgl. van Essen, DRiZ 2009, 274: „Kommandeure haben mehrfach berichtet, dass dies zu großer Unsicherheit unter den Soldaten geführt hat.“ 4  Heun, in: Dreier, Art. 17a Rn. 1; Mutschler, in: Umbach / Clemens, Art.  17a Rn. 1; Brenner, in: v.  Mangoldt / Klein / Starck, Art.  17a Rn.  5; Hofmann, in: SchmidtBleibtreu / Hofmann / Hopfauf, Art.  17a Rn.  1; Kokott, in: Sachs, Art. 17a Rn. 2; Dürig, in: Maunz / Dürig, Art.  17a Rn.  4; Cuntz, Verfassungstreue der Soldaten, S. 104. 5  Jaeger, in: FS Apelt, S. 121, 124. 6  Jaeger, in: FS Apelt, S. 121, 152; von Baudissin, Soldat für den Frieden, S. 206. 7  von Baudissin, Soldat für den Frieden, S. 195. 8  von Baudissin, Soldat für den Frieden, S. 201.



B. Strafprozessrecht als angewandtes Verfassungsrecht21

genentwurf zum Staatsbürger in Uniform ist der „Nur-Soldat“, der „autono­ me Soldat“, der „aus dem Gegensatz Bürger – Soldat [lebt]“.9 Nur durch eine Verbindung von Soldat und Nichtsoldat könnten, so von Baudissin – maßgeblich an der Erarbeitung des Leitbilds beteiligt –, „Widerstandskräfte wachsen gegen die ständige Versuchung, dem Osten östlich zu begegnen, das heißt mit Mitteln und Methoden zurückzuschlagen, die einfach die mo­ ralische, politische und soldatische Grundlage zersetzen, die dem Westen die sittliche Berechtigung nehmen, sich zu wehren.“10 Ein Missverständnis wäre es jedoch, das Leitbild dahingehend zu verstehen, dass Zivilisten und Soldaten stets und in jeder Hinsicht gleich behandelt werden müssten. Viel­ mehr fordert es lediglich, Unterschiede nur dort zuzulassen, wo dies für die Erfüllung der Aufgaben der Bundeswehr unerlässlich ist.11 Auch wenn sich die weltpolitischen und militärischen Prämissen seit der Entwicklung des Leitbilds stark gewandelt haben, zeigt die verfassungs­ rechtliche Verankerung, dass es auch heute noch gilt. Entsprechend muss einer Wandlung des „Staatsbürgers“ zum „Nur-Soldaten“ mit der Gefahr einer Entfernung der Bundeswehr von der Gesellschaft und der Bildung eines „Staats im Staate“ entgegengewirkt werden. Dies muss bei Überlegun­ gen bezüglich der Reform der Strafverfolgung bei Straftaten von Bundes­ wehrsoldaten im Auslandseinsatz stets berücksichtigt werden, weshalb sich Änderungen strikt an den in Rede stehenden verfassungsrechtlichen Säulen, nämlich der Effektivität der Strafrechtspflege, die Ausfluss der Schutzfunk­ tion der Grundrechte ist, und der Funktionsfähigkeit der Bundeswehr, ori­ entieren müssen. Vom bestehenden System der Strafverfolgung darf deshalb nur abgewichen werden, wenn dies entweder der Stärkung des Grundrechts­ schutzes, sei es derjenige möglicher Opfer oder der Soldaten, dient, oder für die Funktionsfähigkeit der Bundeswehr unabdingbar ist. Andere Abwei­ chungen vom allgemeinen Strafverfahrensrecht verstoßen gegen das Leitbild vom Staatsbürger in Uniform und sind deshalb unzulässig.

B. Strafprozessrecht als angewandtes Verfassungsrecht Der Arbeit liegt ein verfassungsrechtlich geprägtes Verständnis des Straf­ verfahrensrechts zugrunde. Das bedeutet, dass letzteres als Ausprägung verfassungsrechtlicher, das heißt im Rang über der Strafprozessordnung stehender Grundsätze begriffen wird und dass sich aus diesen, jedoch unter Zuhilfenahme des „einfachen“ Strafprozessrechts, Antworten auf konkrete Rechtsfragen ableiten lassen. Dabei wird von einem Zweierschritt ausgegan­ 9  von

Baudissin, Soldat für den Frieden, S. 199. Baudissin, Soldat für den Frieden, S. 203. 11  Dürig, in: Maunz / Dürig, Art.  17a Rn.  4. 10  von

22 Einleitung

gen: Zunächst findet eine Deduktion aus der Verfassung statt, das heißt es werden für den Strafprozess bedeutsame Grundsätze abgeleitet. Weil diese jedoch zwangsläufig nur allgemein gehalten sein können, bedürfen sie nä­ herer Ausgestaltung. Diese Ausgestaltung geschieht in einem zweiten Schritt durch das (einfachgesetzliche) Strafprozessrecht. Wo keine Regelungen be­ züglich einzelner, konkreter Probleme bestehen, können diese aus bereits vorhandenen Regelungen induziert werden. Diese Vorgehensweise bemüht sich darum, Widersprüche in der Rechtsordnung zu vermeiden, indem sie davon ausgeht, dass der Gesetzgeber gleiche Sachverhalte gleich regelt.

C. Gang der Abhandlung Die Arbeit ist in zwei Teile unterteilt. Im ersten Teil wird die derzeitige rechtliche und tatsächliche Situation bei der Verfolgung von Straftaten, die Bundeswehrsoldaten im Auslandseinsatz begangen haben, dargestellt und bewertet. Im zweiten Teil wird nach gesetzgeberischen Lösungsmöglichkei­ ten für die hiermit einhergehenden offenen Probleme gesucht. Im ersten Kapitel des ersten Teils steht, als notwendige Vorfrage, diejeni­ ge der Anwendbarkeit deutschen Strafrechts im Auslandseinsatz, weil sich ohne diese die Frage der Strafverfolgung überhaupt nicht stellt. Hierbei ist nach der Feststellung der grundsätzlichen, einfachgesetzlich angeordneten Auslandsgeltung die verfassungsrechtliche Fundierung zu untersuchen und der Frage nachzugehen, ob die Erstreckung deutscher Strafgewalt auf Aus­ landstaten von Bundeswehrsoldaten im Ermessen des Gesetzgebers steht oder er nach dem Grundgesetz hierzu verpflichtet ist. Hieran anschließend geht es um die Frage der Auslandsgeltung auch im Rahmen eines bewaff­ neten Konflikts. Die Bejahung der Anwendbarkeit deutschen Strafrechts auf Taten von Bundeswehrsoldaten bedeutet nicht unbedingt eine Pflicht der Staatsanwalt­ schaft, diese Taten zu verfolgen. Im zweiten Kapitel des ersten Teils wird deshalb untersucht, inwieweit eine Pflicht zur Strafverfolgung nach dem Grundgesetz, der Europäischen Menschenrechtskonvention sowie Völkerge­ wohnheitsrecht besteht. An die Erkenntnis gewisser Verfolgungspflichten schließt sich im dritten Kapitel des ersten Teils die Frage nach der hierfür zuständigen Behörde an. Die Zuständigkeit der Staatsanwaltschaft richtet sich nach der des Gerichts, hat im hiesigen Zusammenhang jedoch eine größere praktische Bedeutung als diese. Denn einerseits haben bislang Strafverfahren gegen Bundes­ wehrsoldaten wegen Taten, die diese im Auslandseinsatz begangen haben – von Bagatellkriminalität abgesehen –, soweit bekannt, mit staatsanwalt­ schaftlichen Verfahrenseinstellungen geendet; Gerichte waren hiermit also



C. Gang der Abhandlung23

nicht befasst, sodass die Behandlung der Zuständigkeitsfrage in den staats­ anwaltschaftlichen Kontext gehört. Andererseits rechtfertigt sich die Kon­ zentration auf das von der Staatsanwaltschaft geführte Ermittlungsverfahren damit, dass gerichtliche Verfahren nicht im Ausland, sondern in Deutschland und nach den üblichen Regeln stattfinden würden, Besonderheiten also vorrangig im Ermittlungsverfahren bestehen. Sämtliche Überlegungen gel­ ten aber selbstverständlich entsprechend für die gerichtliche Zuständigkeit. Hierfür wird zunächst die Zuständigkeitsverteilung vor der Einführung von § 11a StPO zum 1. April 2013 beleuchtet. Im Anschluss wird die Auffas­ sung des GBA, dass er für die Verfolgung sämtlicher Straftaten, die Bun­ deswehrsoldaten im Zusammenhang mit einem bewaffneten Konflikt began­ gen haben, zuständig sei, dargelegt und kritisch hinterfragt. Hieran schließt sich die Analyse des § 11a StPO sowie dessen Entstehungsgeschichte an. Im vierten Kapitel des ersten Teils geht es um die derzeitige Ermittlungs­ arbeit im Auslandseinsatz und hiermit vorrangig um praktische Probleme. Von dem Befund der strafprozessrechtlichen und völkerrechtlichen Unzuläs­ sigkeit des Einsatzes deutscher Strafverfolgungsbehörden ausgehend wird die derzeitige Behelfspraxis, bei der im Auslandseinsatz befindliche Solda­ ten die Ermittlungsarbeit übernehmen, erläutert, und es werden die sich hieraus ergebenden rechtlichen Probleme behandelt. Erstens ist dies der unzureichende Grundrechtsschutz der betroffenen Soldaten: In Vernehmun­ gen durch andere Soldaten müssen sie, anders als im Strafverfahren, die Wahrheit sagen, sodass eine Verwertung der dort getätigten Aussagen im Strafverfahren problematisch ist. Zweitens stehen den ermittelnden Soldaten keine ausreichenden, nämlich keine strafprozessualen Eingriffsbefugnisse zu. Drittens fehlt es an einer Weisungsbefugnis der Strafverfolgungsbehör­ den ihnen gegenüber. Während sich das erste Problem bereits nach der derzeitigen Rechtslage, nämlich unter Rückgriff auf das Grundgesetz und gesetzliche Regelungen, die verwandte Konstellationen zum Gegenstand haben, lösen lässt, bedarf es zur Lösung des zweiten und des dritten Prob­ lems einer gesetzgeberischen Lösung, die im zweiten Teil gefunden werden soll. Ging es im ersten Teil um die Probleme, die sich aus der gegenwärtigen Rechtslage ergeben und um Lösungen, die ohne Gesetzesänderungen mög­ lich sind, folgt im zweiten Teil die Suche nach Lösungen der verbliebenen Probleme, für die es Gesetzesänderungen bedarf. Da sich mit der bloßen Zentralisierung, wie sie § 11a StPO vorsieht, die Probleme fehlender Eingriffsbefugnisse der Ermittelnden und fehlender Einflussmöglichkeiten der Staatsanwaltschaft nicht lösen lassen, wird im ersten Kapitel des zweiten Teils untersucht, ob die Bestellung von Soldaten zu Ermittlungspersonen der Staatsanwaltschaft zweckmäßig und rechtlich,

24 Einleitung

das heißt nach dem Gerichtsverfassungsrecht, dem Völkerrecht und dem Grundgesetz, zulässig ist. Hierfür wird ein Vergleich mit der Rechtslage und der Praxis in den Niederlanden angestellt. Dies bietet sich deshalb an, weil dort wie hier eine zivile Staatsanwaltschaft für die Verfolgung der Auslands­ straftaten von Soldaten zuständig ist und ihr Soldaten als Ermittlungsperso­ nen unterstellt sind. Schließlich wird gefragt, ob der am nächsten liegende Lösungsansatz, nämlich die Errichtung einer Wehrstrafgerichtsbarkeit nach Art. 96 Abs. 2 GG, zur Lösung der aufgeworfenen Probleme besser geeignet wäre als die Zentralisierung der Verfolgungszuständigkeit und die Bestellung von Solda­ ten als Ermittlungspersonen. Hierfür wird zunächst die von 1955 bis 1991 währende Diskussion über eine Wehrstrafgerichtsbarkeit skizziert und in den historischen Kontext eingeordnet. Dies geschieht, um einen Ausgangs­ punkt für die Betrachtung zweier neuerer Ansätze, die speziell auf Auslands­ einsätze ausgerichtet sind, zu finden und die Frage beantworten zu können, ob die heutige militärische Situation mit der früheren in dem Sinne ver­ gleichbar ist, dass eine Orientierung an der früheren Diskussion noch sinn­ voll ist. Daran schließt sich die Untersuchung der neuen Vorschläge an. Auf die Zusammenfassung der Untersuchungsergebnisse folgen Gesetzge­ bungsvorschläge.

Teil 1

De lege lata Kapitel 1

Anwendbarkeit deutschen Strafrechts auf Auslandstaten von Bundeswehrsoldaten A. Grundsätzliche Geltung Eine Arbeit über die Verfolgung von Straftaten von Bundeswehrsoldaten, die diese während eines Auslandseinsatzes begangen haben, muss mit der Frage beginnen, ob das materielle deutsche Strafrecht während entsprechen­ der Einsätze überhaupt anwendbar ist. Gemäß § 1a Abs. 2 WStG gilt das deutsche Strafrecht für Bundeswehrsol­ daten auch im Auslandseinsatz, und zwar – anders als dies gemäß § 7 Abs. 2 Nr. 1 StGB für Deutsche, die sich nicht als Soldaten oder anderweitige Amtsträger im Ausland befinden, der Fall ist – unabhängig davon, ob die Tat auch im Aufenthaltsstaat mit Strafe bedroht ist oder nicht.12 Die grund­ sätzliche Geltung des deutschen Strafrechts für Soldaten im Auslandseinsatz ergibt sich also aus dem WStG, wobei jedoch fraglich ist, aus welchem Grund es für Soldaten im Auslandseinsatz am Erfordernis der Tatortstrafbar­ keit fehlt. Eine zumindest teilweise Begründung hierfür ergibt sich aus dem Grund­ gesetz. Zwar sind die Grundrechte in erster Linie als Abwehrrechte konzi­ 12  Hieran kann angesichts des insofern unmissverständlichen Wortlauts kein Zweifel bestehen, und so geht auch die ganz überwiegende Auffassung hiervon aus, vgl. etwa Dreist, BWV 2009, 218; Wentzek, NZWehrR 1997, 25; Müssig / Meyer, in: FS Puppe, S. 1501, 1502; Stam, ZIS 2010, 628. Die Auffassung von Hannich / Rautenberg, ZRP 2010, 140, dass sich die Anwendbarkeit deutschen Strafrechts nach § 7 Abs. 2 Nr. 1 StGB richte, die Tat also auch am Tatort mit Strafe bedroht sein müsse, missachtet den Grundsatz, dass allgemeine Gesetze durch speziellere verdrängt wer­ den und ist daher falsch, vgl. Werle / Jeßberger, in: LK, Vor §§ 3 ff. Rn. 454. Auch die Strafbarkeit anderer Amtsträger im Ausland richtet sich nicht nach § 7 Abs. 2 Nr. 1 StGB, sondern nach § 5 Nr. 12 StGB und ist von der Strafbarkeit am Tatort unabhängig. Instruktive Darstellungen des Strafanwendungsrechts finden sich bei Satzger, Internationales und Europäisches Strafrecht, S. 31–89, und Werle / Jeßberger, in: LK, Vor §§ 3 ff.

26

Teil 1, Kap. 1: Anwendbarkeit deutschen Strafrechts auf Auslandstaten

piert, also auf ein Unterlassen des Staates gerichtet.13 Aus der in ihnen zum Ausdruck gebrachten objektiven Werteordnung folgen nach ganz überwie­ gender und überzeugender Auffassung für den Staat jedoch auch Schutz­ pflichten gegenüber dem Bürger, das heißt der Staat muss nicht nur eigene Beeinträchtigungen unterlassen, sondern den Bürger – im Rahmen des Möglichen – auch vor Beeinträchtigungen Dritter schützen.14 Aus dieser Schutzpflicht folgt – ebenfalls weitestgehend konsentiert –, dass der Staat jedenfalls zum Schutz des Lebens gewisse Handlungen unter Strafe stellen muss, um einen Mindestschutz zu gewährleisten (sog. Untermaßverbot).15 An dieser Stelle mag man hinterfragen, warum lediglich bezüglich des Rechts auf Leben eine solche Pönalisierungspflicht bestehen soll, bezüglich anderer Grundrechte, insbesondere des Rechts auf körperliche Unversehrt­ heit, das in Art. 2 Abs. 2 GG gleichgeordnet neben dem Recht auf Leben enthalten ist, jedoch nicht. Erklärbar ist dies, wenn man – wie im Folgenden – der ganz überwiegenden Auffassung folgt, nach der das Recht auf Leben, obwohl sich dies aus dem Verfassungstext nicht unmittelbar ergibt, eine herausgehobene Stellung unter den Grundrechten einnimmt. Hauptargument hierfür ist, dass das Leben „die vitale Basis der Menschenwürde und die Voraussetzung aller anderen Grundrechte“16 ist.17 Hat der Staat die Pflicht, das Verhalten von Privaten, das in das Rechts­ gut Leben eingreift, unter Strafe zu stellen, folgt hieraus erst recht, dass auch der rechtswidrige, in Ausübung seines Amtes erfolgte Übergriff eines Hoheitsträgers in das Recht auf Leben unter Strafe gestellt werden muss. Die allgemeine Pönalisierungspflicht, das heißt diejenige, die dem Schutz der Bürger voreinander dient, folgt aus der aus der objektiven Werteordnung 13  Jarass,

in: Merten / Papier, § 38 Rn. 1. BVerfGE 7, 198, 204 f.; Jarass, in: Merten / Papier, § 38 Rn. 5–7; Isensee, in: Isensee / Kirchhof, § 191 Rn. 159; Müller-Terpitz, in: Isensee / Kirchhof, § 147 Rn. 71; zu den im vorliegenden Fall besonders interessierenden Schutzpflich­ ten, die sich aus Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG ergeben, Schulze-Fielitz, in: Dreier, Art. 2 Rn. 76; Wiedemann, in: Umbach / Clemens, Art.  2 Rn.  325–328; Starck, in: v. Man­ goldt / Klein / Starck, Art.  2 Rn.  214; jeweils m. w. N. 15  BVerfGE 27, 18, 28 f.; 39, 1, 42–47; 45, 272, 288 f.; 88, 203, 251–254; Starck, in: v.  Mangoldt / Klein / Starck, Art.  2 Rn.  214; Schulze-Fielitz, in: Dreier, Art. 2 Rn.  89 f.; Müller-Terpitz, in: Isensee / Kirchhof, § 147 Rn. 95; Wiedemann, in: Um­ bach / Clemens, Art.  2 Rn.  340; Starck, in: v.  Mangoldt / Klein / Starck, Art.  2 Rn.  214; Joecks, in: MüKo, Einleitung Rn. 19. 16  BVerfGE 39, 1, 42. 17  Deshalb wird auch ganz überwiegend davon ausgegangen, dass, anders als bei allen anderen Grundrechten, lediglich das Recht zu leben, nicht aber das Recht nicht zu leben geschützt ist, über das Recht auf Leben also nicht verfügt werden kann. Hierzu etwa Wiedemann, in: Umbach / Clemens, Art.  2 Rn.  292 f.; Schulze-Fielitz, in: Dreier, Art. 2 Rn. 32; instruktiv Fischer, Die Zulässigkeit aufgedrängten staatlichen Schutzes vor Selbstschädigung, S. 67–72. 14  Grundlegend



A. Grundsätzliche Geltung27

des Grundgesetzes hergeleiteten Schutzpflicht des Staates. Wird das Recht auf Leben hingegen von einem Amtsträger, also einem staatlichen Hoheits­ träger verletzt, trifft den Staat eine gesteigerte Schutzpflicht. Daraus folgt, dass der Staat insbesondere verpflichtet sein muss, Übergriffen durch Amts­ träger entgegenzuwirken. Zumindest letztes Mittel hierfür muss wegen des besonderen Rangs des Rechts auf Leben, wie bei Übergriffen Privater, das Strafrecht sein. Es besteht also eine Pflicht des Staates zur Pönalisierung von Übergriffen von Amtsträgern in das Recht auf Leben. Umso mehr gilt dies, da das Unrecht einer Tat schwerer wiegt, wenn sie in Ausübung des Dienstes begangen wird, was an der gegenüber außerhalb des Diensts be­ gangenen Taten erhöhten Strafdrohung der sogenannten unechten Amtsde­ likte deutlich wird.18 Wenn eine Pönalisierungspflicht aus dem Grundrecht auf Leben folgt, ergibt sich hieraus auch eine mögliche räumliche Begrenzung der Pönalisie­ rungspflicht. Sie kann nur soweit reichen wie das Grundrecht selbst. Einen räumlichen Geltungsbereich nennt das Grundgesetz zwar nicht ausdrücklich. Jedoch folgt aus Art. 1 Abs. 3 GG eine alle Staatsgewalt umfassende Grund­ rechtsbindung, das heißt die deutsche Staatsgewalt ist in jedem Handeln stets an die Grundrechte gebunden.19 Es kommt für den Grundrechtsschutz also darauf an, ob und nicht wo der deutsche Staat handelt.20 Wenn gegen diese vollumfängliche, das heißt auch extraterritoriale Grundrechtsbindung der deutschen Staatsgewalt vorgebracht wird, dabei handele es sich um „Grundrechtsimperialismus“21, letztlich also ein völkerrechtswidriges Ver­ halten, wird verkannt, dass nicht die deutsche Grundrechtsordnung anderen Staaten aufoktroyiert wird, sondern vielmehr eine völkerrechtlich unproble­ matische Selbstbeschränkung des deutschen Staates vorliegt.22 Es ist daher im Folgenden mit der herrschenden Auffassung von einer räumlich grund­ in: LK11, § 340 Rn. 1 („rechtsstaatlich unbedingt notwendig“); Kuhlen, in: Nomos Kommentar, § 340 Rn. 4; Voßen, in: MüKo, § 340 Rn. 1; Lilie, in: LK, § 340 Rn. 1. 19  Vgl. etwa Robbers, in: Umbach / Clemens, Art.  1 Rn.  85; Höfling, in: Sachs, Art. 1 Rn. 86; Kunig, in: v. Münch / Kunig, Art. 1 Rn. 53; Voss, ZRP 2007, 78, 80; Wiefelspütz, NZWehrR 2008, 89, 98, mit umfangreicher Darstellung des Meinungs­ stands; Yousif, Die extraterritoriale Geltung der Grundrechte bei der Ausübung deut­ scher Staatsgewalt im Ausland, S. 70–104 (insb. S. 100–104); Werner, Die Grund­ rechtsbindung der Bundeswehr bei Auslandseinsätzen, S. 70–73; nicht ausdrücklich, aber die Geltung wohl zumindest voraussetzend, Hofmann, in: Schmidt-Bleib­ treu / Hofmann / Hopfauf, Art. 1 Rn. 72 („Grundrechte […] bei allen Maßnahmen zu beachten“); skeptisch, aber im Ergebnis wohl auch zustimmend, Starck, in: v. Man­ goldt / Klein / Starck, Art.  1 Rn.  212; a.  A. Merten, in: FS Schiedermair, S. 331. 20  So auch A. Zimmermann, ZRP 2012, 116, 117. 21  So Merten, in: FS Schiedermair, S. 331. 22  Peters, AVR 48 (2010), 1, 5. 18  Hirsch,

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Teil 1, Kap. 1: Anwendbarkeit deutschen Strafrechts auf Auslandstaten

sätzlich unbegrenzten Bindung der deutschen Staatsgewalt an die Grund­ rechte auszugehen. Aus der Pönalisierungspflicht des Staates für Verletzungen des Rechts auf Leben insbesondere durch Hoheitsträger ergibt sich somit im Zusammen­ hang mit der räumlich unbeschränkten Geltungs- und damit Bindungsreich­ weite der Grundrechte, dass auch die Pönalisierungspflicht keiner territo­ rialen Beschränkung unterliegt. Es lässt sich schlussfolgern, dass der Staat verpflichtet ist, rechtswidrige Eingriffe in das Recht auf Leben durch deutsche Amtsträger unter Strafe zu stellen, gleich wo sie sich ereignen. Was die Auslandsgeltung der Strafvorschriften zum Schutz des Lebens an­ geht, ist der Gesetzgeber danach in seinem grundsätzlich weiten Ermessen gebunden, was durch die Teilhabe von Art. 1 Abs. 3 GG an der „Ewigkeits­ klausel“ des Art. 79 Abs. 3 GG besonders deutlich wird, nach der eine in­ haltliche Änderung unter anderem des Art. 1 GG unzulässig ist. § 1a Abs. 2 WStG geht über diesen verfassungsrechtlichen Mindeststan­ dard jedoch hinaus, indem er nicht nur die Geltung der Vorschriften betref­ fend Straftaten gegen das Leben, sondern die gesamte Strafrechtsordnung auf Handlungen im Ausland ausdehnt. Eine über den Lebensschutz hinausgehende Pönalisierungspflicht und daraus resultierend eine verfassungsrechtliche Pflicht zur Erstreckung deut­ scher Strafgewalt auf Auslandstaten deutscher Soldaten ist hingegen nicht gesichert. Eine entsprechende Beschränkung des § 1a Abs. 2 WStG wäre also zumindest unter dem Gesichtspunkt des verfassungsrechtlichen Grund­ rechtsschutzes wohl nicht unzulässig. Teilweise wird zur Begründung der umfassenden, darüber hinausgehen­ den Erstreckung deutscher Strafgewalt auf Auslandstaten von deutschen Soldaten und der Verzicht auf das Erfordernis der Tatortstrafbarkeit ange­ führt, es bestehe ein „unabweisbares Bedürfnis“ für die Erstreckung der deutschen Strafgewalt auf solche Taten, da anderenfalls ungewollte Straf­ barkeitslücken entstünden, insbesondere weil deutsche Soldaten während des Auslandseinsatzes in der Regel nicht der Strafverfolgung des Aufnah­ mestaates unterliegen.23 Der Staat sei in besonderem Maß auf das loyale Verhalten seiner Repräsentanten angewiesen;24 würde die Möglichkeit der Bestrafung nicht bestehen, könnte dies nämlich zu einem Ansehensverlust Deutschlands im Ausland führen.25 Beide Aspekte finden sich auch in der 23  Lingens / Korte, § 1a Rn. 1. – Zu letzterem auch Lüke, Die Immunität staatlicher Funktionsträger, S. 138; Talmon, NZWehrR 1997, 221, 222. 24  Zieher, Das sog. Internationale Strafrecht nach der Reform, S. 123 f.; Werle /  Jeßberger, in: LK, § 5 Rn. 185, zur parallelen Vorschrift bzgl. Beamten, m. w. N. 25  Zieher, Das sog. Internationale Strafrecht nach der Reform, S. 123 f.



A. Grundsätzliche Geltung29

amtlichen Begründung des inhaltlich identischen § 5 Abs. 1 Nr. 15 Alt. 2 StGB-E 1962. Danach sei die Erstreckung der Strafgewalt „schon zur Wah­ rung des Ansehens des eigenen Staates im Ausland geboten. Außerdem [habe] dieser ein Recht, zu verlangen, daß seine […] Soldaten, solange sie sich dienstlich im Ausland aufhalten oder dort irgendwelche Handlungen vornehmen, die zum Dienst Beziehung haben, seine Rechtsordnung achten.“26 Das Ansehen der Bundesrepublik dürfte durch die Straftat eines Soldaten im Ausland indes lediglich dann gefährdet sein, wenn die entsprechende Tat auch nach dem Tatortrecht unter Strafe gestellt ist; dann ergibt sich die Anwendbarkeit deutschen Strafrechts jedoch bereits aus § 7 Abs. 2 Nr. 1 StGB, der Regelung des § 1a Abs. 2 WStG bedürfte es nach diesem Begrün­ dungsansatz also nicht.27 Gleiches würde gelten, wollte man den Schutz der Rechtsordnung des Aufenthaltsstaates als Grund anführen. Zur Begründung lediglich darauf abzustellen, dass der Staat das Recht habe, von Soldaten die Befolgung deutschen Strafrechts auch im Ausland zu verlangen, erscheint ebenfalls kaum ausreichend, da § 1a Abs. 2 WStG dem Staat dieses Recht erst einräumt, die Geltung des Strafrechts nach dieser Auffassung somit gewissermaßen zur Voraussetzung ihrer selbst ge­ macht wird. Überzeugender ist es, die Erstreckung der Strafgewalt auf Auslandstaten über den Lebensschutz hinaus mit der besonderen Loyalitätspflicht der Sol­ daten gegenüber der Bundesrepublik und der Gefahr eines Vertrauensver­ lusts in der Gesellschaft zu begründen. Gemäß § 7 SG ist der Soldat ver­ pflichtet, der Bundesrepublik Deutschland treu zu dienen und das Recht und die Freiheit des deutschen Volkes tapfer zu verteidigen, er steht dem Staat also besonders nah, ist Hoheitsträger und sein Repräsentant. Hiermit unver­ einbar wäre es, wenn der Soldat im Auslandseinsatz nicht der deutschen Strafgewalt unterfiele, das Strafrecht also gewissermaßen für den Staat selbst nicht gelten würde. Hierdurch entstünde der Eindruck, der Staat selbst unterwerfe sich nicht den für jedermann geltenden Regeln; das Vertrauen in die Strafrechtsordnung wäre hierdurch gefährdet.28 Dem entgegenzuwirken, die Unverbrüchlichkeit der Strafrechtsordnung – insbesondere durch Ho­ heitsträger des Staates – klarzustellen, dient der Verzicht auf das Erfordernis der Tatortstrafbarkeit nach § 1a WStG. 26  BR-Drucks.

200 / 62, S.  112. bzgl. der parallelen Beamte betreffenden Vorschrift Werle / Jeßberger, in: LK, § 5 Rn. 186, 188. 28  Gestützt wird dies auch durch die parallele Vorschrift des § 5 Nr. 12 StGB, nach dem das deutsche Strafrecht auch für sämtliche Taten, „die ein deutscher Amts­ träger oder für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichteter während eines dienstlichen Aufenthalts […] begeht“. 27  Vgl.

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Teil 1, Kap. 1: Anwendbarkeit deutschen Strafrechts auf Auslandstaten

Zusammenfassend ist der Gesetzgeber verfassungsrechtlich verpflichtet, Taten gegen das Rechtsgut Leben durch Soldaten auch im Auslandseinsatz unter Strafe zu stellen. Die darüber hinaus gehende Erstreckung des gesam­ ten deutschen Strafrechts auf alle Auslandstaten deutscher Soldaten lässt sich mit der besonderen Loyalitätspflicht der Soldaten und dem Vertrauen der Gesellschaft in staatliche Hoheitsträger erklären, das andernfalls gefähr­ det würde.

B. Geltung des StGB im bewaffneten Konflikt Es stellt sich jedoch die Frage, ob das StGB auch gilt, wenn sich die Bundesrepublik im Einsatzland an einem bewaffneten Konflikt beteiligt.29 I. Rechtfertigungslösung Die bislang ganz herrschende Meinung30 geht ohne Weiteres davon aus, dass die Existenz eines bewaffneten Konflikts nichts an der grundsätzlichen Anwendbarkeit des deutschen Strafrechts ändert. Hierfür spricht erstens § 2 VStGB, nach dem auf Taten nach dem VStGB das allgemeine Strafrecht Anwendung findet, sofern sich aus den §§ 1 und 3 bis 5 VStGB nichts anderes ergibt31, und zweitens, dass sie nach dem oben Gesagten in Bezug auf Tötungsdelikte verfassungsrechtlich geboten ist. Handelt der Täter bei der Verwirklichung eines Straftatbestands in Einklang mit dem humanitären Völkerrecht, verstößt er also nicht gegen die Regeln des bewaffneten Kon­ flikts, ist seine Handlung gerechtfertigt und bleibt straflos.32 29  Aktuell geworden ist diese Frage aufgrund der von einem deutschen Oberst befohlenen Bombardierung zweier von Taliban entführter Lastwagen nahe Kun­ duz / Afghanistan am 04.09.2009, vgl. zu dem Fall Generalbundesanwalt beim Bun­ desgerichtshof, Einstellungsvermerk vom 16.04.2010, Az.: 3 BJs 6 / 10-4. 30  Vgl. etwa Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof, Einstellungsvermerk vom 16.04.2010, Az.: 3 BJs 6 / 10-4, S. 51; Generalbundesanwalt beim Bundesge­ richtshof, Einstellungsvermerk vom 23.07.2013, Az.: 3 BJs 7 / 12-4, S. 27; Ambos, NJW 2010, 1725, 1726; ders., in: MüKo, Vor §§ 8 ff. VStGB Rn. 45; Weigend, in: MüKo, § 2 VStGB Rn. 7; ders., in: LK, Einleitung Rn. 99; A. Zimmermann, ZRP 2002, 97, 100; Müssig / Meyer, in: FS Puppe, S. 1501, 1505. 31  § 1 VStGB enthält das Weltrechtsprinzip, § 3 VStGB das Handeln auf Befehl, § 4 VStGB die Vorgesetztenverantwortlichkeit, und § 5 VStGB regelt die Verjährung von Taten nach dem VStGB; es handelt sich bei den in Bezug genommenen Aus­ nahmen also ausschließlich um Regelungen des Allgemeinen Teils; vgl. hierzu Weigend, in: MüKo, § 2 VStGB. 32  Sch / Sch / Lenckner / Sternberg-Lieben, Vor  §§ 32 ff. Rn. 91; Schwenck, FS Lan­ ge, S.  97 f.; Frister / Korte / Kreß, JZ 2010, 10, 12 f.; Ambos, NJW 2010, 1725, 1727; Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof, Einstellungsvermerk vom 16.04.2010,



B. Geltung des StGB im bewaffneten Konflikt31

Diese Rechtfertigung des Einsatzes militärischer Gewalt im internationa­ len bewaffneten Konflikt lässt sich dem Völkerrecht entnehmen: Gemäß Art. 43 Abs. 2 des Ersten Zusatzprotokolls zu den Genfer Konventionen dürfen Kombattanten in einem bewaffneten Konflikt an Feindseligkeiten teilnehmen, dürfen hierfür also nicht bestraft werden. Gemäß Art. 25 GG ist diese Schädigungsbefugnis als allgemeine Regel des Völkerrechts Bestand­ teil des Bundesrechts und geht den einfachen Gesetzen vor. Hieraus folgt, dass eine tatbestandliche Kampfhandlung, die ein Bundeswehrsoldat im Rahmen eines bewaffneten Konflikts vornimmt, gerechtfertigt ist, sofern sie nicht gegen humanitäres Völkerrecht verstößt.33 II. Nichtanwendbarkeit T. Zimmermann34 unterscheidet im Gegensatz hierzu zwischen Friedens­ strafrecht und Kriegsstrafrecht und geht davon aus, dass im Rahmen be­ waffneter Konflikte überhaupt nicht das StGB, sondern ausschließlich das VStGB anwendbar sei. Er stützt dies auf folgende Überlegung. Im internationalen bewaffneten Konflikt haben, so T. Zimmermann, Kom­ battanten eine Schädigungsbefugnis, deren Kehrseite die combatant immunity ist,35 wonach ein Täter grundsätzlich nicht für seine Teilnahme an Kampfhandlungen bestraft werden darf. Anderes gilt, wenn diese Taten gegen humanitäres Völkerrecht verstoßen; dann kann der Täter nach deut­ schem Strafrecht bestraft werden. Im nicht-internationalen bewaffneten Konflikt haben die nicht-staatlichen Teilnehmer an Feindseligkeiten dieses Schädigungsprivileg nicht, können also grundsätzlich für alle straftatbe­ standlichen Kampfhandlungen bestraft werden. Jedoch verpflichtet Art. 6 Abs. 5 des Zweiten Zusatzprotokolls zu den Genfer Konventionen die Kon­ fliktparteien, den Teilnehmern an Feindseligkeiten eine weitgehende Amnes­ tierung für Schädigungshandlungen, die nicht gegen humanitäres Völker­ recht verstoßen, zu gewähren.36 Im Ergebnis sollen also, sowohl im inter­ nationalen wie auch im nicht-internationalen bewaffneten Konflikt, Taten, Az.: 3 BJs 6 / 10-4, S. 52–54; Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof, Einstel­ lungsvermerk vom 23.07.2013, Az.: 3 BJs 7 / 12-4, S. 30; jeweils m. w. N.; vgl. auch die umfangreichen Nachweise bei T. Zimmermann, GA 2010, 507, 511 (Fn. 25). 33  Vgl. etwa Müssig / Meyer, in: FS Puppe, S. 1501, 1508; Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof, Einstellungsvermerk vom 16.04.2010, Az.: 3 BJs 6 / 10-4, S. 68; T. Zimmermann, GA 2010, 507, 510, geht zwar nicht von einer Rechtfertigung aus, kommt jedoch unter diesen Voraussetzungen ebenfalls zur Nichtbestrafung, hierzu sogleich. 34  T. Zimmermann, GA 2010, 507. 35  T. Zimmermann, GA 2010, 507, 518. 36  T. Zimmermann, GA 2010, 507, 519.

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Teil 1, Kap. 1: Anwendbarkeit deutschen Strafrechts auf Auslandstaten

die sich im Rahmen des humanitären Völkerrechts bewegen, straflos bleiben. Im internationalen bewaffneten Konflikt ergibt sich die Straflosigkeit der Täter unmittelbar aus Völkerrecht, im nicht-internationalen bewaffneten Konflikt sollen Konfliktparteien rückwirkend auf ihren Strafanspruch ver­ zichten. Anders als nach herrschender Meinung sei die Schädigungsbefugnis, so T. Zimmermann, kein Rechtfertigungsgrund. Eine Rechtfertigung sei norma­ lerweise die Ausnahme und werde von der herrschenden Meinung dahin verkehrt, dass sie im Krieg die Regel sei.37 Da die herrschende Meinung zudem „unausgesprochen“ davon ausgehe, dass die Strafbarkeit des StGB regelmäßig im Wege der Gesetzeseinheit zurücktrete, stelle „sich die Frage, ob das, was vom StGB in diesen Fällen übrig bleibt, überhaupt noch die Bezeichnung ‚Geltung‘ verdient.“38 Im Ergebnis sei festzustellen, dass das StGB für die Ahndung kriegerischer Handlungen keine Rolle spiele oder widersprüchlich sei.39 Daher überlagere das VStGB das StGB, es bestehe insoweit ein „strenges Exklusivitätsverhältnis“. Gestützt werde dies durch die Überlegung, dass Strafverfolgung im bewaffneten Konflikt „grobma­ schig“ sein müsse, eine penible Aufklärung aller Todesfälle wie im Frieden im bewaffneten Konflikt „schlicht unrealistisch“ sei und die derzeitige Praxis der Untersuchung jeder Tötung durch und an deutschen Soldaten „seltsam realitätsfern“ wirke. Außerdem sei das Unrecht, sei die individuel­ le Verantwortlichkeit wegen exzessiver Gewalthandlungen im Zusammen­ hang mit einem bewaffneten Konflikt geringer einzuschätzen. Dies gelte auch für die Teilnehmer an Feindseligkeiten in nicht-internationalen Kon­ flikten. Für diese sei das VStGB mit seiner exklusiven Geltung im bewaff­ neten Konflikt eine „antizipierte Amnestierung“ der völkerrechtskonformen Schädigungshandlungen im Sinne des Art. 6 Abs. 5 des Zweiten Zusatzpro­ tokolls zu den Genfer Konventionen.40 Letztlich gesteht T. Zimmermann den Teilnehmern an Feindseligkeiten ein „Quasi-Kombattantenprivileg“, also eine Schädigungsbefugnis zu.41 Dies begründet er – insofern überzeugend – damit, dass für Teilnehmer an Feindseligkeiten andernfalls keine Motivation bestehe, die Regeln des humanitären Völkerrechts einzuhalten, da sie auch in diesem Fall wegen ihrer Kampfhandlungen bestraft würden.42 T. Zimmermann setzt sich jedoch in Widerspruch zur oben dargelegten verfassungsrechtlichen Pönalisierungspflicht des Staates, wenn rechtswidri­ 37  T. Zimmermann, 38  T. Zimmermann, 39  T. Zimmermann, 40  T. Zimmermann, 41  T. Zimmermann, 42  T. Zimmermann,

GA GA GA GA GA GA

2010, 2010, 2010, 2010, 2010, 2010,

507, 507, 507, 507, 507, 507,

512. 513. 513. 519. 519. 519.



B. Geltung des StGB im bewaffneten Konflikt33

ge Tötungen, die jedoch nicht gegen humanitäres Völkerrecht verstoßen43, nicht bestraft werden sollen. Selbst wenn man aber – in Bezug auf die §§ 212 ff. StGB entgegen der Vorgaben des Grundgesetzes! – davon ausginge, dass das StGB im bewaffne­ ten Konflikt grundsätzlich keine Anwendung findet, so steht dem in Bezug auf Bundeswehrsoldaten der unmissverständliche Anwendungsbefehl des § 1a Abs. 2 WStG entgegen. Zwar ließe sich daran denken, dass der von T. Zimmermann vertretene Nichtanwendungsbefehl des StGB auch gegen­ über § 1a Abs. 2 WStG vorgehe. Jedoch wäre dann konsequenterweise auch das übrige WStG unanwendbar, mit der fragwürdigen Folge, dass dann auch schwerste Disziplinarverstöße allein nach dem VStGB, also nicht strafbar wären. Auch lässt sich diese Auffassung nicht mit § 2 VStGB in Einklang bringen, nach dem das allgemeine Strafrecht gerade neben dem VStGB an­ wendbar sein soll. Nur die Lösung, dass das StGB auf Auslandstaten von Bundeswehrsolda­ ten auch im Rahmen von bewaffneten Konflikten anwendbar ist, stimmt also vollständig mit dem Wortlaut des Gesetzes überein. Daneben würde die Nichtanwendbarkeit des StGB zu zweifelhaften Ergebnissen führen, wenn Bundeswehrsoldaten im Zusammenhang mit einem bewaffneten Konflikt schwere Straftaten nach dem StGB begingen. Denn dann blieben die Täter nach diesem Ansatz straffrei, weil keine Straftat nach dem VStGB vorläge.44 III. Ergebnis Die These, dass zwischen Kriegs- und Friedensstrafrecht zu unterscheiden sei, widerspricht dem Wortlaut des § 1a Abs. 2 WStG, missachtet die ver­ fassungsrechtliche Pönalisierungspflicht und führt zu widersprüchlichen Ergebnissen und ist daher abzulehnen. Es zeigt sich, dass das deutsche Strafrecht bei Auslandseinsätzen der Bundeswehr also auch im bewaffneten Konflikt grundsätzlich Anwendung findet und die völkerrechtlichen Beson­ derheiten auf Rechtfertigungsebene berücksichtigt werden. Damit können sich Bundeswehrsoldaten auch durch Kampfhandlungen nach dem StGB strafbar machen und unterliegen einer engmaschigen, an den Vorgaben des humanitären Völkerrechts ausgerichteten strafrechtlichen Kontrolle. 43  Zum Beispiel der unachtsame Umgang mit Waffen außerhalb eines Gefechts, aber im Rahmen eines bewaffneten Konflikts, bei dem ein Zivilist getötet wird. 44  Zwar ließe sich T. Zimmermanns Ansatz dahingehend einengen, dass die Nicht­ anwendbarkeit des StGB nur unmittelbar für das Kampfgebiet gelten würde. Dage­ gen spricht aber, dass das humanitäre Völkerrecht eine örtliche Begrenzung des „bewaffneten Konflikts“ auf das unmittelbare Kampfgebiet gerade nicht kennt, vgl. nur Werle, Völkerstrafrecht Rn. 1092 f., und die dortigen Nachweise zur ständigen Rechtsprechung des ICTY und des ICTR.

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Teil 1, Kap. 1: Anwendbarkeit deutschen Strafrechts auf Auslandstaten

C. Zusammenfassung Gemäß § 1a Abs. 2 WStG ist das deutsche Strafrecht auf alle Taten, die Bundeswehrsoldaten während eines Auslandseinsatzes begehen, anwendbar. Bezogen auf Tötungsdelikte ist der Gesetzgeber hierzu aufgrund der aus Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG folgenden Schutzpflicht gegenüber dem Recht auf Leben verpflichtet; bezüglich anderer Delikte steht ihm verfassungsrechtlich ein umfassendes Ermessen zu. Grund hierfür ist die Loyalitätspflicht der Soldaten gegenüber dem Staat und das besondere Vertrauen, das Soldaten als staatlichen Hoheitsträgern entgegengebracht wird. Das StGB gilt hier­ nach auch für Straftaten, die in Zusammenhang mit einem bewaffneten Konflikt begangen werden. Insgesamt ist das deutsche Strafrecht auf Taten von Bundeswehrsoldaten im Auslandseinsatz vollumfänglich anwendbar, was zu einer hohen strafrechtlichen Kontrolldichte ihres Handelns führt.

Kapitel 2

Verfolgungspflichten bei Auslandsstraftaten von Bundeswehrsoldaten A. Verfassungsrechtliche Verfolgungspflicht Wie oben45 dargelegt, erwachsen aus den ursprünglich als Abwehrrechte konzipierten Grundrechten für den Staat auch Schutzpflichten, und hieraus folgt für gewisse Übergriffe eine Pönalisierungspflicht des Staates, das heißt, er muss Verletzungen des Lebens unter Strafe stellen, um sich nicht dem Vorwurf mangelnden Grundrechtsschutzes auszusetzen. Auf der anderen Seite liegt es auf der Hand, dass dieser vom Strafrecht bezweckte Grundrechtsschutz nicht grenzenlos gelten kann, dass also nicht jeder Mensch, gleich ob er sich in Deutschland befindet oder überhaupt einen Bezug hierzu hat, hieran teilhaben kann. Verstünde man die Schutz­ pflicht so weit, liefe dies auf eine uneingeschränkte weltweite Geltung des deutschen Strafrechts (sog. Weltrechtsgrundsatz oder Universalitätsprinzip) hinaus, die völkerrechtlich nicht zu legitimieren wäre46 – von der Unmög­ lichkeit der praktischen Umsetzung ganz zu schweigen. Dies zu vermeiden, ist Aufgabe des Strafanwendungsrechts einerseits und des § 153c StPO an­ dererseits. Letzterer soll die Schutzpflicht des Staates zur Verhinderung von Grundrechtsübergriffen auf solche Fälle beschränken, in denen dies völker­ rechtlich zulässig und praktisch sinnvoll ist. Vor diesem Hintergrund ist es zweckmäßig, Taten, die im Ausland begangen wurden und daher nur einen geringen Bezug zur Bundesrepublik haben, vom Verfolgungszwang auszu­ nehmen und der Staatsanwaltschaft ein weites Ermessen einzuräumen, damit auf die Besonderheiten des Einzelfalls eingegangen werden kann und die Tat nur dann verfolgt wird, wenn dies im deutschen Interesse liegt. Jedoch stellt sich die Frage, ob diese Einschränkung auch zulässig ist, wenn die Rechtsgutsverletzung von einem Soldaten als deutschem Hoheitsträger be­ gangen wird. Ist es bei Übergriffen Privater zweckmäßig, bei Auslandstaten die Möglichkeit des Absehens von Strafverfolgung zu eröffnen, gilt dies bei Verletzungen durch einen Hoheitsträger nicht. Der Staat und damit auch das 45  Teil 1,

Kapitel 1, A. zum Weltrechtsgrundsatz Weigend, in: FS Eser, S. 955–976.

46  Instruktiv

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Teil 1, Kap. 2: Verfolgungspflichten bei Auslandsstraftaten

Handeln eines jeden Hoheitsträgers unterliegt stets der strengen Grundrechts­ bindung des Art. 1 Abs. 3 GG. Hieraus folgt, dass der Staat Sorge dafür zu tragen hat, dass seine Hoheitsträger nicht in Grundrechte eingreifen, ohne hierzu berechtigt zu sein. Erfolgt dies dennoch, muss der Staat Sanktionsmög­ lichkeiten zur Verfügung haben, um hiergegen vorzugehen. Die Möglichkeit der strafrechtlichen Sanktionierung solcher unrechtmäßiger Eingriffe eröffnet für den Fall von Bundeswehrsoldaten § 1a Abs. 2 WStG. Es handelt sich da­ bei also letztlich auch um eine einfachgesetzliche Konkretisierung des Art. 1 Abs. 3 GG. Dieser unterliegt keiner räumlichen Begrenzung, und so ist eine Ausdehnung der Strafgewalt auch auf das Ausland nur konsequent und rich­ tig. Da sich dieser strafrechtliche Schutz nur im Strafverfahren verwirklichen kann,47 folgt hieraus, dass dort, wo die Pönalisierungspflicht besteht, der ent­ sprechende Strafanspruch auch prozessual durchgesetzt werden muss.

B. Völkerrechtliche Verfolgungspflichten I. Nach der EMRK 1. Grundsätzliche Ermittlungspflicht Art. 2 EMRK schützt das Recht auf Leben und stellt damit „eine der fundamentalsten Vorschriften der Konvention“48 dar – entsprechend finden sich nur wenige Ausnahmen von diesem Verbot. So ist eine Tötung nur dann keine Verletzung des Rechts auf Leben, wenn sie zur Vollstreckung eines Todesurteils (Art. 2 Abs. 1 S. 2 Hs. 2 EMRK) oder zur Verteidigung gegen rechtswidrige Gewalt (Art. 2 Abs. 2 lit. a EMRK), infolge einer zur Festnahme oder Verhinderung der Flucht erforderlichen Gewaltanwendung (Art. 2 Abs. 2 lit. b EMRK), im Rahmen der Aufstandsbekämpfung (Art. 2 Abs. 2 lit. c EMRK) oder infolge einer rechtmäßigen Kriegshandlung (Art. 15 Abs. 1 & 2 EMRK) erfolgt. Da dieses Verbot willkürlicher Tötungen ohne eine Pflicht der Staaten, Tö­ tungen auf ihre Rechtmäßigkeit hin zu untersuchen, kaum durchsetzbar wäre, nimmt der EGMR im Fall der Tötung von Menschen – insbesondere durch Vertreter des Staates – seit der Entscheidung McCann u. a. gegen das Vereinigte Königreich in ständiger Rechtsprechung eine Ermittlungspflicht der 47  Rieß, NStZ 1981, 2, 5; Hassemer, in: FS Staatsanwaltschaft Schleswig-Hol­ stein, S. 529 f. – Entsprechend argumentiert auch der EGMR in Bezug auf die Ver­ folgungspflichten, hierzu sogleich. 48  Vgl. statt vieler EGMR, Al-Skeini u. a. gegen das Vereinigte Königreich, Urteil vom 07.07.2011, Az.: 55721 / 07 Rn. 162: „[O]ne of the most fundamental provisions in the Convention“.



B. Völkerrechtliche Verfolgungspflichten37

Konventionsstaaten an.49 Ziel des EGMR ist es, „Tötungshandlungen, an de­ nen sie [die Staaten, F. S.] mitverantwortlich erscheinen, entweder eindeutig als legitime Massnahme […] zu identifizieren oder aber als staatliches Un­ recht zu behandeln und zu unterlassen bzw. zu verhindern.“50 An dieser Ver­ pflichtung ändert auch das häufige Auftreten gewalttätiger Auseinandersetzun­ gen, etwa im Rahmen bewaffneter Konflikte, nichts,51 wobei Schwierigkeiten insbesondere aufgrund der Sicherheitslage bei der Bestimmung des Inhalts der Ermittlungspflicht im konkreten Fall nicht unberücksichtigt bleiben.52 Die erforderlichen Ermittlungen müssen nach dem EGMR so ausgestal­ tet sein, dass sie zur Feststellung der Recht- oder Unrechtmäßigkeit der Handlung53 und zur Identifizierung und Bestrafung der Verantwortlichen 49  EGMR, McCann gegen das Vereinigte Königreich, Urteil vom 27.09.1995, Az.: 17 / 1994 / 464 / 545 Rn. 161: „[A] general legal prohibition of arbitrary killing by the agents of the State would be ineffective, in practice, if there existed no proce­ dure for reviewing the lawfulness of the use of lethal force by State authorities. The obligation to protect the right to life […], read in conjunction with the State’s ge­ neral duty under Article 1 […] of the Convention to ‚secure to everyone within their jurisdiction the rights and freedoms defined in [the] Convention‘, requires by impli­ cation that there should be some form of effective official investigation when indi­ viduals have been killed as a result of the use of force by, inter alios, agents of the State.“ – Vgl. zur ständigen Rechtsprechung ferner EGMR, Kaya gegen die Türkei, Urteil vom 19.02.1998, Az.: 158 / 1996 / 777 / 978, Rn. 86; EGMR, Gülec gegen die Türkei, Urteil vom 27.07.1998, Az.: 54 / 1997 / 838 / 1044, Rn. 77; EGMR, Ogur gegen die Türkei, Urteil vom 20.05.1999, Az.: 21594 / 93, Rn. 88; EGMR, Tanrikulu gegen die Türkei, Urteil vom 08.07.1999, Az.: 23763 / 94, Rn. 101; EGMR, Salman gegen die Türkei, Urteil vom 27.6.2000, Az.: 21986 / 93, Rn. 104; EGMR, Kelly u. a. gegen das Vereinigte Königreich, Urteil vom 04.05.2001, Az.: 30054 / 96, Rn. 94; EGMR, Hugh Jordan gegen das Vereinigte Königreich, Urteil vom 04.05.2001, Az.: 24746 / 94, Rn.  105; EGMR, Ahmet Özkan gegen die Türkei, Urteil vom 06.04.2004, Az.: 21689 / 93, Rn. 309; EGMR, Isayeva gegen Russland, Urteil vom 24.02.2005, Az.: 57950 / 00, Rn. 208; EGMR, Al-Skeini u. a. gegen das Vereinigte Königreich, Urteil vom 7.7.2011, Az.: 55721 / 07, Rn. 163. 50  Lagodny, in: Die EMRK im Privat-, Straf- und Öffentlichen Recht, S. 83, 88. 51  EGMR, Kaya gegen die Türkei, Urteil vom 19.02.1998, Az.: 158 / 1996 / 777 / 978, Rn.  91; EGMR, Gülec gegen die Türkei, Urteil vom 27.07.1998, Az.: 54 / 1997 / 838 / 1044, Rn. 81; EGMR, Tanrikulu gegen die Türkei, Urteil vom 08.07.1999, Az.: 23763 / 94, Rn. 110; EGMR, Al-Skeini u. a. gegen das Vereinigte Königreich, Urteil vom 07.07.2011, Az.: 55721 / 07, Rn. 164. 52  EGMR, Tanrikulu gegen die Türkei, Urteil vom 08.07.1999, Az.: 23763  / 94, Rn. 101; EGMR, Kelly u. a. gegen das Vereinigte Königreich, Urteil vom 04.05.2001, Az.: 30054 / 96, Rn. 97; EGMR, Hugh Jordan gegen das Vereinigte Königreich, Ur­ teil vom 04.05.2001, Az.: 24746  /  94, Rn. 108; EGMR, Isayeva gegen Russland, Urteil vom 24.02.2005, Az.: 57950 / 00, Rn. 209; EGMR, Al-Skeini u. a. gegen das Vereinigte Königreich, Urteil vom 07.07.2011, Az.: 55721 / 07, Rn. 164. 53  EGMR, Kaya gegen die Türkei, Urteil vom 19.02.1998, Az.: 158 / 1996 / 777 / 978, Rn. 87; EGMR, Gülec gegen die Türkei, Urteil vom 27.07.1998, Az.: 54  /  1997  /  838 / 1044, Rn. 78; EGMR, Kelly u. a. gegen das Vereinigte Königreich, Urteil vom

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Teil 1, Kap. 2: Verfolgungspflichten bei Auslandsstraftaten

führen können.54 Teils ausdrücklich, teils implizit folgert der EGMR aus diesem Gebot weitere mehr oder weniger detaillierte Anforderungen an die Ermittlungen, die je nach den Umständen des Einzelfalls variieren können. Dies sind insbesondere die Vernehmung von – unabhängigen – Augenzeugen,55 die Durchführung rechtsmedizinischer Untersuchungen56 04.05.2001, Az.: 30054 / 96, Rn. 96; EGMR, Hugh Jordan gegen das Vereinigte Kö­ nigreich, Urteil vom 04.05.2001, Az.: 24746 / 94, Rn. 107; EGMR, Corsacov gegen Moldawien, Urteil vom 04.04.2006, Az.: 18944 / 02, Rn. 69; EGMR, Zelilof gegen Griechenland, Urteil vom 24.08.2007, Az.: 17060 / 03, Rn. 55; EGMR, Al-Skeini u. a. gegen das Vereinigte Königreich, Urteil vom 07.07.2011, Az.: 55721 / 07, Rn. 166. 54  EGMR, Ogur gegen die Türkei, Urteil vom 20.05.1999, Az.: 21594 / 93, Rn. 88; EGMR, Labita gegen Italien, Urteil vom 06.04.2000, Az.: 26772  /  95, Rn. 132; EGMR, Sevtap Veznedaroglu gegen die Türkei, Urteil vom 18.10.2000, Az.: 32357  /  96, Rn. 32; EGMR, Gül gegen die Türkei, Urteil vom 14.12.2000, Az.: 22676 / 93, Rn. 88; EGMR, Kelly u. a. gegen das Vereinigte Königreich, Urteil vom 04.05.2001, Az.: 30054 / 96, Rn. 96; EGMR, Hugh Jordan gegen das Vereinigte Königreich, Urteil vom 04.05.2001, Az.: 24746 / 94, Rn. 107; EGMR, Ahmet Özkan gegen die Türkei, Urteil vom 06.04.2004, Az.: 21689 / 93, Rn. 312; EGMR, Sadik Önder gegen die Türkei, Urteil vom 08.04.2004, Az.: 28520 / 95, Rn. 42; EGMR, Isayeva gegen Russland, Urteil vom 24.02.2005, Az.: 57950 / 00, Rn. 211 f.: „ Any deficiency in the investigation which undermines its ability to establish the cause of death or the person or persons responsible will risk falling foul of this standard “; EGMR, Corsacov gegen Moldawien, Urteil vom 04.04.2006, Az.: 18944 / 02, Rn. 68; EGMR, Zelilof gegen Griechenland, Urteil vom 24.08.2007, Az.: 17060 / 03, Rn. 54; EGMR, Al-Skeini u. a. gegen das Vereinigte Königreich, Urteil vom 07.07.2011, Az.:  55721 / 07, Rn.  166. 55  EGMR, Gülec gegen die Türkei, Urteil vom 27.07.1998, Az.: 54 / 1997 / 838 / 1044, Rn.  79; EGMR, Assenov u.  a. gegen Bulgarien, Urteil vom 28.10.1998, Az.: 90  /  1997  /  874  /  1086, Rn. 103; EGMR, Ogur gegen die Türkei, Urteil vom 20.05.1999, Az.: 21594  /  93, Rn. 89; EGMR, Gül gegen die Türkei, Urteil vom 14.12.2000, Az.: 22676 / 93, Rn. 93; EGMR, Kelly u. a. gegen das Vereinigte König­ reich, Urteil vom 04.05.2001, Az.: 30054 / 96, Rn. 96; EGMR, Hugh Jordan gegen das Vereinigte Königreich, Urteil vom 04.05.2001, Az.: 24746 / 94, Rn. 107; EGMR, Ahmet Özkan gegen die Türkei, Urteil vom 06.04.2004, Az.: 21689 / 93, Rn. 312; EGMR, Sadik Önder gegen die Türkei, Urteil vom 08.04.2004, Az.: 28520  /  95, Rn. 44; EGMR, Isayeva gegen Russland, Urteil vom 24.02.2005, Az.: 57950 / 00, Rn. 211; EGMR, Zelilof gegen Griechenland, Urteil vom 24.08.2007, Az.: 17060 / 03, Rn. 56, 62. 56  EGMR, Kaya gegen die Türkei, Urteil vom 19.02.1998, Az.: 158 / 1996 / 777 / 978, Rn. 89; EGMR, Ogur gegen die Türkei, Urteil vom 20.05.1999, Az.: 21594  / 93, Rn. 89; EGMR, Tanrikulu gegen die Türkei, Urteil vom 08.07.1999, Az.: 23763 / 94, Rn. 106; EGMR, Salman gegen die Türkei, Urteil vom 27.06.2000, Az.: 21986 / 93, Rn. 104, 106; EGMR, Gül gegen die Türkei, Urteil vom 14.12.2000, Az.: 22676 / 93, Rn. 89; EGMR, Kelly u. a. gegen das Vereinigte Königreich, Urteil vom 04.05.2001, Az.: 30054 / 96, Rn. 96; EGMR, Hugh Jordan gegen das Vereinigte Königreich, Ur­ teil vom 04.05.2001, Az.: 24746  /  94, Rn. 107; EGMR, Ahmet Özkan gegen die Türkei, Urteil vom 06.04.2004, Az.: 21689 / 93, Rn. 312; EGMR, Zelilof gegen Grie­ chenland, Urteil vom 24.08.2007, Az.: 17060 / 03, Rn. 56.



B. Völkerrechtliche Verfolgungspflichten39

sowie ballistischer und kriminaltechnischer Tests57 und die Anfertigung von Fotografien58; entsprechende Untersuchungen sollen auch dazu dienen, den Tathergang rekonstruieren zu können.59 Die Ermittlungen müssen möglichst zügig60 und von Amts wegen61 aufgenommen werden, hierar­ chisch und tatsächlich unabhängig sein,62 so weit wie möglich unter Betei­ ligung der Öffentlichkeit erfolgen63 und die Hinterbliebenen des möglichen 57  EGMR, Ogur gegen die Türkei, Urteil vom 20.05.1999, Az.: 21594 / 93, Rn. 90; EGMR, Gül gegen die Türkei, Urteil vom 14.12.2000, Az.: 22676 / 93, Rn. 89. 58  EGMR, Tanrikulu gegen die Türkei, Urteil vom 08.07.1999, Az.: 23763  / 94, Rn. 104; EGMR, Salman gegen die Türkei, Urteil vom 27.06.2000, Az.: 21986 / 93, Rn. 106. 59  EGMR, Kaya gegen die Türkei, Urteil vom 19.02.1998, Az.: 158 / 1996 / 777 / 978, Rn. 88; EGMR, Gülec gegen die Türkei, Urteil vom 27.07.1998, Az.: 54 / 1997 / 838 /  1044, Rn. 81. 60  EGMR, Labita gegen Italien, Urteil vom 06.04.2000, Az.: 26772 / 95, Rn. 133; EGMR, Kelly u.  a. gegen das Vereinigte Königreich, Urteil vom 04.05.2001, Az.: 30054 / 96, Rn. 97; EGMR, Hugh Jordan gegen das Vereinigte Königreich, Ur­ teil vom 04.05.2001, Az.: 24746  /  94, Rn. 108; EGMR, Ahmet Özkan gegen die Türkei, Urteil vom 06.04.2004, Az.: 21689 / 93, Rn. 313; EGMR, Sadik Önder gegen die Türkei, Urteil vom 08.04.2004, Az.: 28520 / 95, Rn. 44; EGMR, Isayeva gegen Russland, Urteil vom 24.02.2005, Az.: 57950 / 00, Rn. 212; EGMR, Al-Skeini u. a. gegen das Vereinigte Königreich, Urteil vom 07.07.2011, Az.: 55721 / 07, Rn. 167. 61  EGMR, Tanrikulu gegen die Türkei, Urteil vom 08.07.1999, Az.: 23763  / 94, Rn. 103; EGMR, Kelly u. a. gegen das Vereinigte Königreich, Urteil vom 04.05.2001, Az.: 30054 / 96, Rn. 94; EGMR, Hugh Jordan gegen das Vereinigte Königreich, Ur­ teil vom 04.05.2001, Az.: 24746  /  94, Rn. 105; EGMR, Ahmet Özkan gegen die Türkei, Urteil vom 06.04.2004, Az.: 21689  /  93, Rn. 310; EGMR, Isayeva gegen Russland, Urteil vom 24.02.2005, Az.: 57950 / 00, Rn. 209; EGMR, Zelilof gegen Griechenland, Urteil vom 24.08.2007, Az.: 17060 / 03, Rn. 62; EGMR, Al-Skeini u. a. gegen das Vereinigte Königreich, Urteil vom 07.07.2011, Az.: 55721 / 07, Rn. 165. 62  EGMR, Kaya gegen die Türkei, Urteil vom 19.02.1998, Az.: 158 / 1996 / 777 / 978, Rn. 87; EGMR, Ogur gegen die Türkei, Urteil vom 20.05.1999, Az.: 21594  / 93, Rn. 91; EGMR, Gül gegen die Türkei, Urteil vom 14.12.2000, Az.: 22676  /  93, Rn. 91; EGMR, Kelly u. a. gegen das Vereinigte Königreich, Urteil vom 04.05.2001, Az.: 30054  /  96, Rn. 95; EGMR, Hugh Jordan gegen das Vereinigte Königreich, Urteil vom 04.05.2001, Az.: 24746 / 94, Rn. 106; EGMR, Ahmet Özkan gegen die Türkei, Urteil vom 06.04.2004, Az.: 21689  /  93, Rn. 311; EGMR, Isayeva gegen Russland, Urteil vom 24.02.2005, Az.: 57950 / 00, Rn. 211; EGMR, Zelilof gegen Griechenland, Urteil vom 24.08.2007, Az.: 17060  /  03, Rn. 58; EGMR, Al-Skeini u.  a. gegen das Vereinigte Königreich, Urteil vom 07.07.2011, Az.: 55721  /  07, Rn. 167. 63  EGMR, Kaya gegen die Türkei, Urteil vom 19.02.1998, Az.: 158 / 1996 / 777 / 978, Rn. 87, 89; EGMR, Kelly u.  a. gegen das Vereinigte Königreich, Urteil vom 04.05.2001, Az.: 30054 / 96, Rn. 98; EGMR, Hugh Jordan gegen das Vereinigte Kö­ nigreich, Urteil vom 04.05.2001, Az.: 24746 / 94, Rn. 109; EGMR, Ahmet Özkan gegen die Türkei, Urteil vom 06.04.2004, Az.: 21689 / 93, Rn. 314; EGMR, Isayeva gegen Russland, Urteil vom 24.02.2005, Az.: 57950 / 00, Rn. 213.

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Teil 1, Kap. 2: Verfolgungspflichten bei Auslandsstraftaten

Opfers beteiligen64.65 Entsprechend und unter Verweis auf diese Rechtspre­ chung argumentiert der EGMR auch in Bezug auf das Folterverbot nach Art. 3 EMRK – auch dort besteht die Ermittlungspflicht der Mitglieds­ staaten.66 2. Geltung im Ausland Dass diese Verpflichtung auch für extraterritoriales Handeln deutscher Hoheitsträger – konkret Soldaten – gilt, ergibt sich aus Art. 1 EMRK. Nach der deutschen Fassung sichern die Vertragsstaaten allen ihrer Hoheitsgewalt unterstehenden Personen die Rechte der Konvention zu. Legt man allein diesen Begriff der Hoheitsgewalt zugrunde, scheinen die Verpflichtungen der EMRK ohne weiteres auch bei Handlungen im Ausland zu gelten. Je­ doch ist zu beachten, dass die authentischen englisch- und französischspra­ chigen Texte nicht diesen, sondern den Begriff der jurisdiction bzw. juridiction (im Folgenden: jurisdiction) enthalten. Der Begriff der jurisdiction dient im klassischen Völkerrecht der Abgrenzung in Souveränitätsfragen, indem er festlegt, welche Individuen und Sachverhalte ein Staat seiner Ge­ walt unterwerfen darf.67 Da die Befugnis eines Staates, hoheitlich tätig zu werden, regelmäßig auf sein Hoheitsgebiet begrenzt ist, legt der Begriff der jurisdiction eine territoriale Begrenzung nahe. Hiervon ging auch der EGMR in der vielbeachteten Entscheidung des Falls Bankovic u. a. gegen Belgien u. a.68 aus, in dem es um die Bombardierung Belgrads durch die NATO im Jahr 1999 ging, und führte dort aus: 64  EGMR, Ogur gegen die Türkei, Urteil vom 20.05.1999, Az.: 21594 / 93, Rn. 92; EGMR, Gül gegen die Türkei, Urteil vom 14.12.2000, Az.: 22676  /  93, Rn. 91; EGMR, Kelly u.  a. gegen das Vereinigte Königreich, Urteil vom 04.05.2001, Az.: 30054 / 96, Rn. 98; EGMR, Hugh Jordan gegen das Vereinigte Königreich, Ur­ teil vom 04.05.2001, Az.: 24746  /  94, Rn. 105; EGMR, Ahmet Özkan gegen die Türkei, Urteil vom 06.04.2004, Az.: 21689  /  93, Rn. 314; EGMR, Isayeva gegen Russland, Urteil vom 24.02.2005, Az.: 57950 / 00, Rn. 213; EGMR, Al-Skeini u. a. gegen das Vereinigte Königreich, Urteil vom 07.07.2011, Az.: 55721 / 07, Rn. 167. 65  Vgl. zur inhaltlichen Ausgestaltung der Ermittlungspflichten auch Altermann, Ermittlungspflichten der Staaten aus der Europäischen Menschenrechtskonvention, S. 24–35. 66  EGMR, Assenov u.  a. gegen Bulgarien, Urteil vom 28.10.1998, Az.: 90 / 1997 / 874 / 1086, Rn. 102; EGMR, Labita gegen Italien, Urteil vom 06.04.2000, Az.: 26772 / 95, Rn. 131; EGMR, Sevtap Veznedaroglu gegen die Türkei, Urteil vom 18.10.2000, Az.: 32357 / 96, Rn. 32; EGMR, Sadik Önder gegen die Türkei, Urteil vom 08.04.2004, Az.: 28520 / 95, Rn. 41; EGMR, Corsacov gegen Moldawien, Urteil vom 04.04.2006, Az.: 18944 / 02, Rn. 68; EGMR, Zelilof gegen Griechenland, Urteil vom 24.08.2007, Az.: 17060 / 03, Rn. 54. 67  Jankowska-Gilberg, Extraterritorialität der Menschenrechte, S. 29. 68  EGMR, Bankovic u.a gegen Belgien u. a., Urteil vom 12.12.2001, Az.: 52207 / 99.



B. Völkerrechtliche Verfolgungspflichten41 „Aus Sicht des Völkerrechts ist die Hoheitsgewalt eines Staates vorrangig territo­ rialer Natur. Das Völkerrecht schließt zwar die extraterritoriale Ausübung der Hoheitsgewalt eines Staates nicht aus, dennoch werden die diese Hoheitsgewalt begründenden Elemente (u. a. die Staatsangehörigkeit, das Flaggenprinzip, diplo­ matische oder konsularische Beziehungen, die Wirkung einer Maßnahme, das Schutzprinzip, das passive Personalitätsprinzip und das Universalitätsprinzip) im Allgemeinen durch die souveränen Territorialrechte der anderen betroffenen Staa­ ten bestimmt und begrenzt.“69 „Aus diesen Gründen ist Art. 1 EMRK so zu verstehen, dass ihm dieses gewöhn­ liche und im Wesentlichen territoriale Verständnis von Hoheitsgewalt zu Grunde liegt, wohingegen andere Anknüpfungspunkte nur ausnahmsweise Hoheitsgewalt begründen können und einer besonderen Rechtfertigung nach den Umständen des Einzelfalls bedürfen.“70

Die Konvention hielt der EGMR außerhalb der hergebrachten Anknüp­ fungspunkte also nur in besonderen Ausnahmefällen für extraterritorial an­ wendbar, etwa „wenn der beklagte Staat durch die effektive Kontrolle über ein außerhalb seiner Grenzen befindliches Gebiet und dessen Bewohner, als Folge militärischer Beset­ zung oder nach Zustimmung, Aufforderung oder Duldung der Regierung dieses Gebiets, die gesamte oder teilweise öffentliche Gewalt ausübt, die gewöhnlich von dieser Regierung wahrgenommen wird.“71

Die Konvention sei nicht dazu geschaffen worden, weltweit Geltung zu entfalten, auch dann nicht, wenn es um Handlungen der Vertragsstaaten gehe.72 69  EGMR, Bankovic u.a gegen Belgien u. a., Urteil vom 12.12.2001, Az.: 52207 / 99, Rn. 59: „[F]rom the standpoint of public international law, the jurisdictional compe­ tence of a State is primarily territorial. While international law does not exclude a State’s exercise of jurisdiction extra-territorially, the suggested bases of such juris­ diction (including nationality, flag, diplomatic and consular relations, effect, protec­ tion, passive personality and universality) are, as a general rule, defined and limited by the sovereign territorial rights of the other relevant States.“ – Übersetzung ange­ lehnt an NJW 2003, 413, 414. 70  EGMR, Bankovic u.a gegen Belgien u. a., Urteil vom 12.12.2001, Az.: 52207 / 99, Rn. 61: „The Court is of the view, therefore, that Article 1 of the Convention must be considered to reflect this ordinary and essentially territorial notion of jurisdiction, other bases of jurisdiction being exceptional and requiring special justification in the particular circumstances of each case.“ – Übersetzung angelehnt an NJW 2003, 413, 415. 71  EGMR, Bankovic u.a gegen Belgien u. a., Urteil vom 12.12.2001, Az.: 52207 / 99, Rn. 71: „when the respondent State, through the effective control of the relevant territory and its inhabitants abroad as a consequence of military occupation or through the consent, invitation or acquiescence of the Government of that territory, exercises all or some of the public powers normally to be exercised by that Govern­ ment.“ – Übersetzung angelehnt an NJW 2003, 413, 416. 72  EGMR, Bankovic u.a gegen Belgien u. a., Urteil vom 12.12.2001, Az.: 52207 / 99, Rn. 80.

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Teil 1, Kap. 2: Verfolgungspflichten bei Auslandsstraftaten

Dabei ließ der EGMR jedoch die Zielrichtung der EMRK außer Acht. Denn nach dem fünften Erwägungsgrund der Präambel der EMRK betrach­ ten die Vertragsstaaten die Konvention als „[erste] Schritte auf dem Weg zu einer kollektiven Garantie bestimmter in der Allgemeinen Erklärung [der Menschenrechte, F. S.] aufgeführter Rechte“. Die Konvention verfolgt also keinen isolierten, rein territorialen, sondern einen universellen Ansatz. Aus Sinn und Zweck der Konvention, den Menschen Schutz vor der Verletzung ihrer fundamentalen Menschenrechte durch die Mitgliedsstaaten zu gewäh­ ren, folgt vielmehr, dass die EMRK als objektiver Maßstab für sämtliches staatliches Handeln dienen muss. Zu der in der Präambel angelegten Uni­ versalität der Menschenrechte passt eine Beschränkung ihrer Geltung bloß auf das Territorium oder die Bürger eines Staates nicht.73 Menschenrechtsverträge wie die EMRK wurden dazu geschaffen, um auch denjenigen, die sich innerhalb der jurisdiction der Mitgliedsstaaten befinden, den Menschenrechtsschutz zukommen zu lassen und den Mit­ gliedsstaaten bei Menschenrechtsverletzungen innerhalb ihres Territoriums eine Berufung auf ihre Souveränität zu verwehren. Jeder Vertragsstaat hat also mit der Unterzeichnung zugunsten der Menschenrechtsgarantien auf einen Teil seiner territorialen Souveränität verzichtet. Das Ergebnis, zu dem der EGMR kam, war mit diesen hinter der EMRK stehenden Überlegungen unvereinbar. In der Argumentation des EGMR in Bankovic schwang zudem mit, dass durch eine Auslandsgeltung der EMRK möglicherweise in die Souveränität fremder Staaten eingegriffen werde. Dies überzeugt aber schon deshalb nicht, weil der Grundsatz staatlicher Souveränität der Selbstbindung eines Staates für extraterritoriales Handeln nicht entgegensteht.74 Auch Art. 56 Abs. 1 EMRK – die sogenannte „Kolonialklausel“–, wonach ein Staat er­ klären kann, dass die EMRK auf „alle oder einzelne Hoheitsgebiete An­ wendung findet, für deren internationale Beziehungen er verantwortlich ist“, sprach nur scheinbar gegen diese Auffassung. Die Regelung bedeutet nämlich nicht, dass eine solche Erklärung Voraussetzung für die Geltung der EMRK auch im Ausland wäre. Vielmehr sollen auch Behörden eines Staates, der nicht Unterzeichner der EMRK ist, für dessen internationale Beziehungen jedoch ein Konventionsstaat verantwortlich ist – klassischer­ weise Kolonien oder Protektorate –, durch die Erklärung an die EMRK gebunden werden können.75 73  Erberich, Auslandseinsätze der Bundeswehr und Europäische Menschenrechts­ konvention, S.  17 f. 74  So auch Peters, AVR 48 (2010), 1, 5. 75  Erberich, Auslandseinsätze der Bundeswehr und Europäische Menschenrechts­ konvention, S. 22–24.



B. Völkerrechtliche Verfolgungspflichten43

Nach all dem ist deshalb von einer Geltung der EMRK auch bei Hoheits­ akten im Ausland auszugehen.76 Entgegen der früheren Auffassung des EGMR in der Bankovic-Entscheidung gilt die EMRK also nicht nur auf dem Hoheitsgebiet der Vertragsstaaten, sondern ist grundsätzlich auf sämtliches hoheitliches Handeln anwendbar.77 Die frühere gegenteilige Auffassung des EGMR würde zu dem fragwürdigen Ergebnis führen, dass einem Staat Handeln, das ihm auf seinem eigenen Hoheitsgebiet untersagt ist, in einem anderen Staat erlaubt wäre.78 Deshalb ist jurisdiction im Sinne der EMRK so zu verstehen, dass sie schon dann vorliegt, wenn ein Konventionsstaat Menschen in den Konventionsrechten beeinträchtigt, und zwar auch außer­ halb seines Territoriums.79 Für die Ermittlungspflicht bedeutet dies, dass sie auch besteht, wenn ein Soldat als deutscher Hoheitsträger verdächtigt wird, einen Menschen im Ausland getötet oder gefoltert zu haben.80 Auch der EGMR hat seine Gegenauffassung aus der Bankovic-Entschei­ dung mittlerweile aufgegeben und sich mit der Entscheidung Pad u. a. gegen die Türkei der hier vertretenen Auffassung angeschlossen. In letztgenanntem Fall waren Angehörige der Beschwerdeführer von einem türkischen Kampf­ hubschrauber aus angegriffen und getötet worden. Ob dies auf türkischem oder iranischem Territorium geschah, ließ sich nicht feststellen, wozu der Gerichtshof aber auch keine Veranlassung sah, denn er führte aus: „Der Gerichtshof hält es nicht für erforderlich, den genauen Ort der fraglichen Vorfälle festzulegen, da die türkische Regierung bereits eingeräumt hat, dass der vom Hubschrauber ausgeführte Beschuss den Tod der Verwandten des Antragsstel­ lers, die unter Terrorismusverdacht gestanden hatten, verursachte. […] Entspre­ chend stellt der Gerichtshof fest, dass die Opfer der fraglichen Vorfälle sich zum Tatzeitpunkt in der jurisdiction der Türkei befanden.“81 dazu Cerone, VJTL 39 (2006), 1447, 1493. auch Frowein, in: Frowein / Peukert, Art.  1 Rn.  4; Erberich, Auslandseinsät­ ze der Bundeswehr und Europäische Menschenrechtskonvention, S. 15–31. 78  Rensmann, in: Einsatz der Bundeswehr im Ausland, S. 49, 61. 79  King, HRLR 9:4 (2009), 521, 522: „[S]tates also bring persons who are direct­ ly affected by their unlawful acts abroad within their ‚jurisdiction‘ for human rights purposes. ‚Jurisdiction‘, I contend, reflects both the usual meaning of the term at public international law, and a particular factual relationship between state and in­ dividual.“ 80  Vgl. zur a. A. m. w. N. von Woedtke, Die Verantwortlichkeit Deutschlands für seine Streitkräfte im Auslandseinsatz und die sich daraus ergebenden Schadenser­ satzansprüche von Einzelpersonen als Opfer deutscher Militärhandlungen, S. 110– 116. 81  EGMR, Pad gegen die Türkei, Urteil vom 28.06.2007, Az.: 60167 / 00, Rn. 54 f.: „[T]he court considers that it is not required to determine the exact location of the impugned events, given that the Government [of Turkey, F. S.] had already admitted that the fire discharged from the helicopters had caused the killing of the applicants’ relatives who had been suspected of being terrorists. […] Accordingly, the Court 76  Vgl.

77  So

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Teil 1, Kap. 2: Verfolgungspflichten bei Auslandsstraftaten

Danach geht der EGMR nun also entgegen der Bankovic-Entscheidung davon aus, dass der faktische Eingriff in das Recht auf Leben genügt, um den Betroffenen in die jurisdiction eines Konventionsstaates zu bringen.82 Angekündigt hatte sich dieser Wandel schon in der Entscheidung Issa u. a. gegen die Türkei; dort ging es um die Tötung von Zivilisten auf nordiraki­ schem Territorium, angeblich begangen durch türkische Soldaten. Hier scheiterte die Annahme von jurisdiction daran, dass sich nicht feststellen ließ, ob den Opfern die tödlichen Verletzungen tatsächlich von türkischen Soldaten zugefügt worden waren.83 Anders gewendet kann deshalb davon ausgegangen werden, dass der EGMR, hätte sich dieser Umstand sicher feststellen lassen, das Vorliegen von jurisdiction bejaht hätte, also die bloße Beeinträchtigung des Rechts auf Leben als hierfür ausreichend erachtete. Zwar stellt der EGMR in der jüngst ergangenen Entscheidung Al-Skeini u. a. gegen das Vereinigte Königreich neben der rein faktischen Beeinträch­ tigung zusätzlich darauf ab, dass das Vereinigte Königreich im Irak Teile der öffentlichen Verwaltung übernommen hatte, zieht also wieder das zent­ rale Kriterium aus der Bankovic-Entscheidung heran.84 Jedoch ist hierin keine Wiederabkehr von der Entscheidung Pad u. a. gegen die Türkei und den Ansätzen in der Entscheidung Issa u. a. gegen die Türkei zu sehen;85 vielmehr will der EGMR das gefundene Ergebnis, die Bejahung der jurisdiction, durch eine Bezugnahme auf dieses Kriterium lediglich absichern und den Eindruck einer konstanten Rechtsprechung erwecken. Festzuhalten ist nach alledem, dass die EMRK auch extraterritorial an­ wendbar ist und die Durchführung eines militärischen Angriffs genügt, um die Betroffenen unter die jurisdiction des angreifenden Staates zu bringen. In entsprechenden Fällen besteht bei möglichen Verstößen gegen Art. 2 oder Art. 3 EMRK die oben genannte Ermittlungspflicht. Diese besteht nach der Rechtsprechung des EGMR auch während bewaffneter Konflikte.86 Im Fall finds that the victims of the impugned events were within the jurisdiction of Turkey at the material time.“ 82  So auch Johann, in: Karpenstein / Mayer, Art.  1 Rn.  30. 83  EGMR, Issa u. a. gegen die Türkei, Urteil vom 16.11.2004, Az.: 31821  / 96, Rn. 76–81. 84  EGMR, Al-Skeini u. a. gegen das Vereinigte Königreich, Urteil vom 07.07.2011, Az.:  55721 / 07 Rn.  149–150. 85  So, jedenfalls in Bezug auf die Pad-Entscheidung, wohl auch Johann, in: Kar­ penstein / Mayer, Art.  1 Rn.  31. 86  EGMR, Kaya gegen die Türkei, Urteil vom 19.02.1998, Az.: 158 / 1996 / 777 / 978 Rn.  91; EGMR, Gülec gegen die Türkei, Urteil vom 27.07.1998, Az.: 54 / 1997 / 838 / 1044, Rn. 81; EGMR, Tanrikulu gegen die Türkei, Urteil vom 08.07.1999, Az.: 23763 / 94, Rn. 110; EGMR, Al-Skeini u. a. gegen das Vereinigte Königreich, Urteil vom 07.07.2011, Az.: 55721 / 07, Rn. 164.



B. Völkerrechtliche Verfolgungspflichten45

eines bewaffneten Konflikts ergibt sich der Umfang der Ermittlungspflicht ebenfalls aus dem oben Gesagten: Die Ermittlungen müssen so ausgestaltet sein, dass sie zur Feststellung der Recht- oder Unrechtmäßigkeit der Hand­ lung geeignet sind.87 Sie müssen die Feststellung ermöglichen, ob eine rechtmäßige Handlung vorliegt oder nicht. Geht es um eine Kampfhandlung in einem bewaffneten Konflikt, beurteilt sich deren Rechtmäßigkeit entspre­ chend dem oben Gesagten88 nach humanitärem Völkerrecht. II. Nach Völkergewohnheitsrecht Entsprechendes ergibt sich auch nach Völkergewohnheitsrecht. Denn nach allen vier Genfer Konventionen – deren Inhalt nach einhelliger Auf­ fassung Völkergewohnheitsrecht darstellt89 – sind Staaten zu allen notwen­ digen gesetzgeberischen Maßnahmen verpflichtet, um schwere Verletzungen der jeweiligen Konvention oder Befehle hierzu unter Strafe zu stellen und mögliche Täter zu verfolgen.90 Entsprechende Regelungen finden sich in der Völkermordkonvention91, der Anti-Folterkonvention92, der Chemiewaf­ fenkonvention93 und der Kulturgüterschutzkonvention94. 87  EGMR, Kaya gegen die Türkei, Urteil vom 19.02.1998, Az.: 158 / 1996 / 777 / 978, Rn. 87; EGMR, Gülec gegen die Türkei, Urteil vom 27.07.1998, Az.: 54  /  1997  /  838 / 1044, Rn. 78; EGMR, Kelly u. a. gegen das Vereinigte Königreich, Urteil vom 04.05.2001, Az.: 30054 / 96, Rn. 96; EGMR, Hugh Jordan gegen das Vereinigte Kö­ nigreich, Urteil vom 04.05.2001, Az.: 24746 / 94, Rn. 107; EGMR, Corsacov gegen Moldawien, Urteil vom 04.04.2006, Az.: 18944 / 02, Rn. 69; EGMR, Zelilof gegen Griechenland, Urteil vom 24.08.2007, Az.: 17060 / 03, Rn. 55; EGMR, Al-Skeini u. a. gegen das Vereinigte Königreich, Urteil vom 07.07.2011, Az.: 55721 / 07, Rn. 166. 88  Siehe dazu auch Teil 1, Kapitel 1, B., I. 89  Vgl. nur Werle, Völkerstrafrecht, Rn.  917 m. w. N. 90  „The High Contracting Parties undertake to enact any legislation necessary to provide effective penal sanctions for persons committing, or ordering to be commit­ ted, any of the grave breaches of the present Convention defined in the following Article. Each High Contracting Party shall be under the obligation to search for persons alleged to have committed, or to have ordered to be committed, such grave breaches, and shall bring such persons, regardless of their nationality, before its own courts.“ – Art. 49 Abs. 1, Abs. 2 S. 1 Erste Genfer Konvention; Art. 50 Abs. 1, Abs. 2 S. 1 Zweite Genfer Konvention; Art. 129 Abs. 1, Abs. 2 S. 1 Dritte Genfer Konvention; Art. 146 Abs. 1, Abs. 2 S. 1 Vierte Genfer Konvention. – Dies lässt sich darüber hinaus auch aus dem Grundsatz der Staatenverantwortlichkeit ableiten, nach dem ein Staat für völkerrechtswidrige Handlungen seiner Hoheitsträger und dafür verantwortlich ist, diesen rechtswidrigen Zustand zu beseitigen, vgl. Turkel-Report, Rn. 18. 91  Artt. 4, 5 Völkermordkonvention. 92  Art. 7 Anti-Folterkonvention. 93  Art. 8 Abs. 1 lit. c Chemiewaffenkonvention. 94  Art. 28 Kulturgüterschutzkonvention.

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Teil 1, Kap. 2: Verfolgungspflichten bei Auslandsstraftaten

Das Zweite Zusatzprotokoll zur Kulturgüterschutzkonvention und das Zweite Zusatzprotokoll zur Anti-Personenminenkonvention enthalten über diese bloße Pönalisierungs- und Verfolgungspflicht hinaus ausdrücklich die Verpflichtung zur Anwendung des aktiven Personalitätsprinzips, die Staaten müssen also insbesondere Taten, die durch eigene Staatsangehörige began­ gen wurden, verfolgen.95 Obwohl lediglich diese beiden Zusatzprotokolle ausdrücklich an die Nationalität des Täters anknüpfen, wird davon ausge­ gangen, dass Staaten auch solche Taten eigener Staatsangehöriger und eige­ ner Soldaten strafrechtlich verfolgen müssen, die gegen die übrigen genann­ ten Konventionen verstoßen; dies wird auch durch die allgemeine Staaten­ praxis gestützt.96 Darüber hinaus lässt sich eine Verfolgungspflicht auch aus der völker­ rechtlichen Anerkennung der Vorgesetztenverantwortlichkeit herleiten, nach der (jedenfalls) militärische Vorgesetzte verpflichtet sind, völkerrechtswidri­ ge Handlungen ihrer Untergebenen zu unterbinden oder zu verfolgen bzw. die Verfolgung zu veranlassen.97 Auch der in Art. 17 IStGH-Statut enthalte­ ne Grundsatz der Komplementarität legt dieses Ergebnis nahe.98 Danach ist der IStGH für die Verfolgung eigentlich in seine Zuständigkeit fallender Taten unzuständig, wenn andere Staaten, deren Gerichtsbarkeit die Tat un­ terfällt, sie verfolgen,99 ist also vorgesehen, dass grundsätzlich der Tatort-, „Opfer“- oder „Täterstaat“ die Tat verfolgen. Was den Umfang der völkergewohnheitsrechtlichen Verfolgungspflicht angeht, so ergibt sich dieser ebenso wie derjenige der Verfolgungspflicht nach der EMRK aus der Zielsetzung der Regelungen. Ermittlungen müs­ sen also insbesondere geeignet sein, die Verantwortlichen zu ermitteln. Da dies nur möglich ist, wenn die Ermittlungen möglichst zügig100 und von 95  Art.  16 Abs.  1 Zweites Zusatzprotokoll zur Kulturgüterschutzkonvention: „[E]ach Party shall […] establish its jurisdiction over offences […] when the alleged offender is a national of that State […].“ – Art. 14 Abs. 1 lit. c Zweites Zusatzpro­ tokoll zur Anti-Personenminenkonvention: „Each State Party shall […] implement its obligations under this Convention. In particular, it shall […] [e]xtend its penal legislation […] to any activity prohibited to a State Party under this Convention undertaken anywhere by natural persons, possessing its nationality, in conformity with international law.“ 96  Henckaerts / Doswald-Beck, Customary International Humanitarian Law, S. 607–610; vgl. auch die dortigen Nachweise zur Staatenpraxis. 97  Turkel-Report, Rn. 35 a. E. 98  Turkel-Report, Rn. 38. 99  Art. 17 Abs. 1 lit. a IStGH-Statut: „[T]he Court shall determine that a case is inadmissible where [t]he case is being investigated or prosecuted by a State which has jurisdiction over it […].“ 100  EGMR, Labita gegen Italien, Urteil vom 06.04.2000, Az.: 26772 / 95, Rn. 133; EGMR, Kelly u.  a. gegen das Vereinigte Königreich, Urteil vom 04.05.2001,



C. Einfachgesetzliche Umsetzung47

Amts wegen101 aufgenommen werden und hierarchisch sowie tatsächlich unabhängig sind,102 ist es naheliegend, dass diese vom EGMR aufgestell­ ten Kriterien auch nach Völkergewohnheitsrecht bestehen. Dies bedeutet aber nicht, dass die in der Rechtsprechung des EGMR entwickelten Kri­ terien ohne weiteres auf die völkergewohnheitsrechtliche Ermittlungs­ pflicht übertragen werden können.103 Vielmehr ergeben sich diese unmit­ telbar aus dem ihnen zugrundeliegenden Völkergewohnheitsrecht, da Er­ mittlungen, die gegen diese Grundsätze verstoßen, ihren Zweck nicht er­ füllen können.

C. Einfachgesetzliche Umsetzung I. Legalitätsprinzip Im deutschen Strafverfahren gilt grundsätzlich das Legalitätsprinzip, das heißt gemäß § 152 Abs. 2 StPO ist die Staatsanwaltschaft, „soweit nicht gesetzlich ein anderes bestimmt ist, verpflichtet, wegen aller verfolgbaren Straftaten einzuschreiten“.104 Die Begründung des Legalitätsprinzips wird Az.: 30054 / 96, Rn. 97; EGMR, Hugh Jordan gegen das Vereinigte Königreich, Ur­ teil vom 04.05.2001, Az.: 24746  /  94, Rn. 108; EGMR, Ahmet Özkan gegen die Türkei, Urteil vom 06.04.2004, Az.: 21689 / 93, Rn. 313; EGMR, Sadik Önder gegen die Türkei, Urteil vom 08.04.2004, Az.: 28520 / 95, Rn. 44; EGMR, Isayeva gegen Russland, Urteil vom 24.02.2005, Az.: 57950 / 00, Rn. 212; EGMR, Al-Skeini u. a. gegen das Vereinigte Königreich, Urteil vom 07.07.2011, Az.: 55721 / 07, Rn. 167. 101  EGMR, Tanrikulu gegen die Türkei, Urteil vom 08.07.1999, Az.: 23763  / 94, Rn. 103; EGMR, Kelly u. a. gegen das Vereinigte Königreich, Urteil vom 04.05.2001, Az.: 30054 / 96, Rn. 94; EGMR, Hugh Jordan gegen das Vereinigte Königreich, Ur­ teil vom 04.05.2001, Az.: 24746  /  94, Rn. 105; EGMR, Ahmet Özkan gegen die Türkei, Urteil vom 06.04.2004, Az.: 21689  /  93, Rn. 310; EGMR, Isayeva gegen Russland, Urteil vom 24.02.2005, Az.: 57950 / 00, Rn. 209; EGMR, Zelilof gegen Griechenland, Urteil vom 24.08.2007, Az.: 17060 / 03, Rn. 62; EGMR, Al-Skeini u. a. gegen das Vereinigte Königreich, Urteil vom 07.07.2011, Az.: 55721 / 07, Rn. 165. 102  EGMR, Kaya gegen die Türkei, Urteil vom 19.02.1998, Az.: 158 / 1996 / 777 / 978, Rn. 87; EGMR, Ogur gegen die Türkei, Urteil vom 20.05.1999, Az.: 21594  / 93, Rn. 91; EGMR, Gül gegen die Türkei, Urteil vom 14.12.2000, Az.: 22676  /  93, Rn. 91; EGMR, Kelly u. a. gegen das Vereinigte Königreich, Urteil vom 04.05.2001, Az.: 30054 / 96, Rn. 95; EGMR, Hugh Jordan gegen das Vereinigte Königreich, Ur­ teil vom 04.05.2001, Az.: 24746  /  94, Rn. 106; EGMR, Ahmet Özkan gegen die Türkei, Urteil vom 06.04.2004, Az.: 21689  /  93, Rn. 311; EGMR, Isayeva gegen Russland, Urteil vom 24.02.2005, Az.: 57950 / 00, Rn. 211; EGMR, Zelilof gegen Griechenland, Urteil vom 24.08.2007, Az.: 17060 / 03, Rn. 58; EGMR, Al-Skeini u. a. gegen das Vereinigte Königreich, Urteil vom 07.07.2011, Az.: 55721 / 07, Rn. 167. 103  So aber anscheinend der Turkel-Report, Rn. 60–95. 104  Vgl. zur historischen Entwicklung der Legalitätsprinzips Weigend, Anklage­ pflicht und Ermessen, S. 25–39.

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Teil 1, Kap. 2: Verfolgungspflichten bei Auslandsstraftaten

nach herrschender Auffassung im allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz, der verbietet, wesentlich Gleiches ungleich zu behandeln, und dem Rechts­ staatsprinzip erblickt.105 Dabei galt das Legalitätsprinzip seit jeher nicht absolut, sondern ließ – ausweislich des Wortlauts – stets Ausnahmen zu.106 Auch wenn eine Tendenz zunehmender Durchbrechung hin zum sogenann­ ten Opportunitätsprinzip zu beobachten ist und die §§ 153–154f StPO um­ fassende Ausnahmen vom Legalitätsprinzip enthalten, letzteres also erheb­ lichen Einschränkungen unterliegt,107 gilt es dennoch weiterhin, und Abwei­ chungen hiervon bedürfen einer gesetzlichen Rechtfertigung.108 II. Opportunitätsprinzip Für Straftaten, „die außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs dieses Gesetzes begangen sind“, wird das Legalitätsprinzip durch § 153c Abs. 1 Nr. 1 Alt. 1 StPO eingeschränkt; in diesem Fall kann die Staatsanwaltschaft von der Verfolgung absehen. Das extensive deutsche Strafanwendungsrecht erfährt also in Fällen, in denen der erheblich gesteigerte Aufklärungsauf­ wand gegenüber dem Strafverfolgungsinteresse unverhältnismäßig hoch wäre und Ermittlungen unter Umständen zu zwischenstaatlichen Problemen führen könnten, eine Korrektur auf prozessualer Ebene.109 Diese Einstel­ lungsmöglichkeit besteht nur für die Staatsanwaltschaft;110 eine Zustimmung des Beschuldigten oder des Gerichts ist nicht erforderlich.111 § 153c Abs. 1 Nr. 1 Alt. 1 StPO ermächtigt die Staatsanwaltschaft nicht bloß dazu, von der Anklageerhebung abzusehen, vielmehr ist sie noch nicht einmal verpflichtet, Ermittlungen, die über die Feststellung des Vorliegens einer Auslandstat hinausgehen, anzustellen.112 Nach § 172 Abs. 2 S. 3 Hs. 2 StPO ist die Durchführung eines Klageerzwingungsverfahrens bei einer Einstellung nach § 153c Abs. 1 Nr. 1 Alt. 1 StPO nicht zulässig. Damit eröffnet § 153c Abs. 1 105  BVerfGE 20, 162, 222; Faller, in: FG Maunz, S. 69, 78; Eckl, ZRP 1973, 139; Eisenberg / Conen, NJW 1998, 2241; Endriß, in: FG Friebertshäuser, S. 111, 116; zum Gleichheitsgedanken bereits zu Dohna, Das Strafprozeßrecht, S. 63. 106  Vgl. bereits zu Dohna, Das Strafprozeßrecht, S. 63: „[D]as Legalitätsprinzip ist zu einer ausnahmslosen Durchführung nicht gelangt.“ 107  Vgl. nur Kühne, Rn. 3088; Beulke, in: LR, § 152 Rn. 11. 108  Eingehend Döhring, Ist das Strafverfahren vom Legalitätsprinzip beherrscht?, passim, insb. S. 247–249. 109  Beulke, in: LR, § 153c Rn. 2; Diemer, in: KK, § 153c Rn. 1; Weßlau, in: SKStPO, § 153c Rn. 1; Gercke, in: HK, § 153c Rn. 1. 110  Beulke, in: LR, § 153c Rn. 2; Weßlau, in: SK-StPO, § 153c Rn. 3; Gercke, in: HK, § 153c Rn. 2. 111  Beulke, in: LR, § 153c Rn. 5; Gercke, in: HK, § 153c Rn. 2. 112  Beulke, in: LR, § 153c Rn. 7; Diemer, in: KK, § 153c Rn. 3; Weßlau, in: SKStPO, § 153c Rn. 7; Gercke, in: HK, § 153c Rn. 3.



C. Einfachgesetzliche Umsetzung49

Nr. 1 Alt. 1 StPO der Staatsanwaltschaft ein weites, nämlich an keine wei­ teren tatbestandlichen Voraussetzungen gebundenes Ermessen, das lediglich insofern beschränkt ist, als es „pflichtgemäß“ sein muss.113 Diese Einschränkung des Legalitätsprinzips führt dazu, dass eine Verfol­ gungspflicht von noch so schweren Straftaten, die Bundeswehrsoldaten im Auslandseinsatz begangen haben, nach dem Gesetzeswortlaut nicht besteht. Es stellt sich jedoch die Frage, ob eine solch weitgehende Einschränkung der grundsätzlichen Verfolgungspflicht zulässig ist. Die oben dargelegten Ermittlungspflichten würden konterkariert, wenn die Strafverfolgung in das nahezu unbegrenzte Ermessen der Staatsanwaltschaft gestellt würde. Somit bedarf es einer den oben herausgearbeiteten Vorgaben entsprechenden Einschränkung des § 153c Abs. 1 Nr. 1 Alt. 1 ­StPO. Dabei ist keine Tatbestandskorrektur erforderlich, sondern das Ermessen der Staatsanwaltschaft ist beim Verdacht gegen Bundeswehrsoldaten wegen ei­ nes Tötungsdelikts, Folter oder eines Verstoßes gegen das humanitäre Völ­ kerrecht im Auslandseinsatz auf Null reduziert, was zur Folge hat, dass eine Verfolgungspflicht besteht.114 Für andere Straftaten – solche nach dem VStGB ausgenommen (hierzu sogleich) – bleibt es hingegen beim Oppor­ tunitätsprinzip nach § 153c Abs. 1 Nr. 1 Alt. 1 StPO und damit dem grund­ sätzlichen Ermessen der Staatsanwaltschaft. Die hinter der Regelung des § 1a Abs. 2 WStG stehenden Überlegungen der Loyalitätspflicht und des besonderen Vertrauens in Hoheitsträger schränken das Ermessen zwar eben­ falls ein, reduzieren es aber nicht auf Null. Insoweit kann von einem inten­ dierten Ermessen ausgegangen werden, da § 1a Abs. 2 WStG von einer grundsätzlichen Verfolgung ausgeht. Für Straftaten nach dem VStGB gilt, wie erwähnt, nicht § 153c StPO, sondern § 153f Abs. 1 S. 1 StPO, nach dem die Staatsanwaltschaft von der Verfolgung einer solchen Straftat absehen kann, „wenn sich der Beschuldig­ te nicht im Inland aufhält und ein solcher Aufenthalt auch nicht zu erwarten ist.“ Hierdurch wird das in § 1 VStGB enthaltene Weltrechtsprinzip, also die unbegrenzte, weltweite Geltung des VStGB, auf prozessualer Ebene be­ grenzt, um eine Überlastung der deutschen Strafverfolgungsbehörden zu verhindern.115 113  Erb, Legalität und Opportunität, S. 75; Beulke, in: LR, § 153c Rn. 8; Diemer, in: KK, § 153c Rn. 1; Weßlau, in: SK-StPO, § 153c Rn. 8; Gercke, in: HK, § 153c Rn. 3. 114  So im Ergebnis wohl auch Kaleck / Schüller / Steiger, KJ 43 (2010), 270, 280 f. 115  BT-Drucks. 14  /  8524, S. 37; ferner Kreß, ZIS 2007, 515; Beulke, in: LR, § 153f Rn. 4 f.; Beukelmann, in: Graf, § 153f Rn. 1; Diemer, in: KK, § 153f Rn. 2; Gercke, in: HK, § 153f Rn. 1; Weßlau, in: SK-StPO, § 153f Rn. 1; kritisch hierzu etwa Gierhake, ZStW 120 (2008), 375–402.

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Teil 1, Kap. 2: Verfolgungspflichten bei Auslandsstraftaten

Handelt es sich bei dem Täter um einen Deutschen, gilt die oben genann­ te Begrenzung gemäß § 153f Abs. 1 S. 2 StPO jedoch nur, „wenn die Tat vor einem internationalen Gerichtshof oder durch einen Staat, auf dessen Gebiet die Tat begangen oder dessen Angehöriger durch die Tat verletzt wurde, verfolgt wird.“ Diese bloß „eingeschränkte Einschränkung“, also die grundsätzliche Beibehaltung des Legalitätsprinzips im Falle der Begehung der Tat durch Bundeswehrsoldaten, ist die Folge der oben geschilderten völkergewohnheitsrechtlichen Verfolgungspflicht. § 153f StPO spielt für den Fall der Begehung einer Straftat nach dem VStGB durch Bundeswehrsoldaten also keine Rolle – der Wortlaut des völkerrechtlich gebotenen § 153f Abs. 1 S. 2 StPO ist insofern unmissver­ ständlich. Für die Staatsanwaltschaft bleibt es deshalb beim Verfolgungs­ zwang nach § 152 Abs. 2 StPO. III. Ergebnis Besteht der Verdacht, dass ein Bundeswehrsoldat im Auslandseinsatz ein Tötungsdelikt begangen hat, ist die Staatsanwaltschaft verpflichtet, Ermitt­ lungen anzustellen und gegebenenfalls ein gerichtliches Verfahren anzustre­ ben; gleiches gilt für Straftaten nach dem VStGB und beim Verdacht der Folter. Insoweit ist das ihr grundsätzlich nach § 153c StPO zustehende Er­ messen auf Null reduziert bzw. durch § 153f StPO verdrängt. Für andere Straftaten steht der Staatsanwaltschaft ein Verfolgungsermessen zu, das nach § 1a Abs. 2 WStG insoweit intendiert ist, als die Nichtverfolgung der Straftat der Loyalitätspflicht deutscher Soldaten und dem Vertrauen in diese nicht zuwiderlaufen darf.

D. Zusammenfassung Aus dem Grundgesetz und der besonderen Pönalisierungspflicht des Staa­ tes bei von Amtsträgern begangenen Tötungsdelikten folgt eine Verfol­ gungspflicht bei Straftaten gegen das Leben. Denn die Pönalisierungspflicht liefe leer, wenn nicht gleichzeitig eine Pflicht zur Verfolgung dieser Taten bestünde. Zudem folgen aus dem Recht auf Leben und dem Folterverbot nach ständiger Rechtsprechung des EGMR Verfolgungspflichten der Mit­ gliedsstaaten, insbesondere wenn sich entsprechende Vorwürfe gegen ihre Hoheitsträger richten. Entgegen der früheren Auffassung des EGMR ist die Geltung der EMRK und damit auch die Ermittlungspflicht nicht territorial beschränkt, sondern gilt überall dort, wo Maßnahmen eines Staates die in der EMRK gewährleisteten Rechte beeinträchtigen, also auch extraterritori­ al. Entsprechendes gilt für bestimmte Verstöße gegen Völkergewohnheits­ recht. Bei anderen Straftaten ergibt sich aus § 1a WStG, dass eine Nichtver­



D. Zusammenfassung51

folgung nicht der Loyalitätspflicht und dem besonderen Vertrauen in Solda­ ten entgegenwirken darf. Bei Straftaten gegen das Leben, Folter sowie den genannten Verstößen gegen das Völkergewohnheitsrecht ist das von § 153c StPO eingeräumte Ermessen auf Null reduziert. Begehen Bundeswehrsoldaten Straftaten nach dem VStGB, unterliegt die Staatsanwaltschaft dem Legalitätsprinzip nach § 152 Abs. 2 StPO, da § 153f StPO in diesem Fall nicht anwendbar ist. Bei anderen Straftaten ist es aufgrund der hinter § 1a Abs. 2 WStG stehenden Überlegungen insoweit intendiert, als in der Regel von einer Verfolgungs­ pflicht auszugehen ist. Bis hierher steht also fest, dass einerseits das deutsche Strafrecht grund­ sätzlich auf alle Taten von Bundeswehrsoldaten im Auslandseinsatz an­ wendbar ist und dass andererseits entsprechende Ermittlungen beim Verdacht eines Tötungsdelikts, Folter, Straftaten nach dem VStGB sowie von Verstö­ ßen gegen das humanitäre Völkerrecht stets, bei sonstigen Verstößen in der Regel durchgeführt und die Taten gegebenenfalls zur Anklage gebracht werden müssen. Im Folgenden ist nun danach zu fragen, welche Stellen für diese strafrechtlichen Ermittlungen zuständig sind.

Kapitel 3

Verfolgungszuständigkeit Im Folgenden werden zunächst die örtliche Zuständigkeit für die Verfol­ gung vor Einführung des § 11a StPO sowie die Zuständigkeit des GBA erörtert. Erst im Anschluss hieran erfolgt die Auseinandersetzung mit dem Tatbestand des § 11a StPO, weil hierfür auf die ersten beiden Punkte zu­ rückgegriffen werden muss.

A. Örtliche Zuständigkeit bis zur Einführung des § 11a StPO I. Allgemeine Zuständigkeitsregelungen Die Zuständigkeit des Gerichts und dem gemäß § 143 Abs. 1 GVG fol­ gend die der Staatsanwaltschaft ergibt sich aus §§ 7–13a StPO. Lässt man die Neuregelung des § 11a StPO außen vor, sind Anknüpfungspunkte hierfür der Tatort (§ 7 StPO), der Wohnsitz bzw. der Aufenthaltsort (§ 8 StPO) und der Ergreifungsort (§ 9 StPO); bei Straftaten auf Schiffen oder Flugzeugen kommen zusätzlich der Heimat(flug)hafen und der erste deutsche (Flug-)Hafen, den das Schiff oder das Flugzeug nach der Tat erreicht, in Betracht (§ 10 StPO); für Umweltstraftaten, die außerhalb des Geltungsbe­ reichs der StPO im Bereich des Meeres begangen wurden, ist als Gerichts­ stand Hamburg vorgesehen (§ 10a StPO). Diese Gerichtsstände stehen ge­ mäß § 12 Abs. 1 StPO in keinem Rangverhältnis zueinander, prinzipiell sind also alle hiernach in Betracht kommenden Gerichte und Staatsanwaltschaften nebeneinander für die Strafverfolgung zuständig. Bei Auslandsstraftaten von Bundeswehrsoldaten liegt regelmäßig kein inländischer Tatort vor, und so kommt der Gerichtsstand des Tatorts nicht in Betracht. Der Gerichtsstand des Ergreifungsorts ist nach der Rechtspre­ chung dort gegeben, wo der Verdächtige „wegen des Verdachts einer straf­ baren Handlung kontrolliert wird und umgehend gegen ihn als Beschuldig­ ten ein Ermittlungsverfahren eingeleitet wird.“116 Der Ort, an dem der Be­ schuldigte in diesem Sinne ergriffen wird, wird jedoch, sofern die Tat nicht 116  BGHSt

44, 347.



A. Örtliche Zuständigkeit bis zur Einführung des § 11a StPO 53

erst entdeckt wird, wenn der Täter sich bereits wieder in Deutschland be­ findet, regelmäßig ebenfalls im Ausland liegen.117 In Betracht kommt jedoch der Gerichtsstand nach § 10 Abs. 2 StPO, ins­ besondere wenn aus einem Flugzeug heraus Straftaten begangen werden, also etwa für den Fall, dass mit den Waffen eines Kampfflugzeugs Tötungs­ delikte begangen werden. Denn gemäß § 9 StGB ist eine Tat „an jedem Ort begangen, an dem der Täter gehandelt hat“. Als „Heimatflughafen“ ist dabei der Flughafen zu verstehen, an dem das Flugzeug zum Zweck seines Be­ triebs dauernd stationiert ist.118 Da dieser jedoch regelmäßig ebenfalls im Ausland liegen wird, begründet dies keinen Gerichtsstand in Deutschland und es kommt nur der deutsche Flughafen in Betracht, den das Flugzeug als erstes erreicht.119 Die Wahl dieses Gerichtsstands erweist sich jedoch nicht als sinnvoll, weil das Flugzeug nach einer Straftat weiter im Einsatzland verbleibt und dort eingesetzt wird. Von theoretischen Fällen abgesehen, lässt sich deshalb für Straftaten von Bundeswehrsoldaten im Auslandseinsatz über § 10 Abs. 2 StPO kein Gerichtsstand begründen. Anderes gilt, wenn die Straftat an Bord eines Flugzeugs begangen wird, das dauerhaft in Deutschland stationiert ist, wie etwa bei einem Transportflugzeug. Für den Gerichtsstand des Heimathafens eines Schiffs ergeben sich diese Probleme nicht, weil Schiffe im Sinne des § 10 StPO stets (wenigstens) einen inlän­ dischen Heimathafen haben.120 Daher blieb es vor Einführung des § 11a StPO im Wesentlichen beim Gerichtsstand des Wohnsitzes nach § 7 StPO. Als Wohnsitz eines Soldaten gilt gemäß § 9 Abs. 1 S. 1 BGB sein Standort. Da er im Auslandseinsatz regelmäßig121 keinen inländischen Standort hat, gilt gemäß § 9 Abs. 1 S. 2 BGB sein letzter deutscher Standort als sein Wohnsitz. Das zuständige Ge­ richt und die zuständige Staatsanwaltschaft für Taten von Bundeswehrsolda­ ten im Auslandseinsatz bestimmten sich vor der Einführung des § 11a StPO 117  Dreist, BWV 2009, 218, 222. – Zur Annahme eines inländischen Ergreifungs­ ortes gelangte man allenfalls, wenn man, wie teilweise gefordert, als Voraussetzung für die Ergreifung die Vollstreckung eines Haftbefehls verlangte, vgl. hierzu die Nachweise in BGHSt 44, 347, 348. Dann läge dieser Ergreifungsort regelmäßig an einem deutschen Flughafen, wo demnach der Gerichtsstand nach § 9 StPO begrün­ det wäre. 118  Wille, Die Verfolgung strafbarer Handlungen an Bord von Schiffen und Luft­ fahrzeugen, S.  199 f.; Erb, in: LR, § 10 Rn. 10. 119  Anderes gilt natürlich, wenn der Einsatz von Deutschland aus geflogen wird. 120  Erb, in: LR, § 10 Rn. 7. 121  Bei bloß kurzfristigen Einstätzen oder Abkommandierungen soll der Soldat Ladiges, NZWehrR 2013, 66, 68 f., zufolge bei seinem inländischen Truppenteil verbleiben und deshalb weiterhin einen inländischen Standort haben. – Hierbei dürf­ te es sich indes um Ausnahmefälle handeln.

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Teil 1, Kap. 3: Verfolgungszuständigkeit

also gemäß § 8 Abs. 1 StPO in Verbindung mit § 9 Abs. 1 S. 2 BGB nach dem letzten inländischen Standort.122 Dies gilt gemäß § 9 Abs. 2 BGB je­ doch nur für Berufssoldaten und Soldaten auf Zeit. Bei anderweitig Wehr­ dienst Leistenden bleibt es gemäß § 8 Abs. 1 StPO hingegen beim Gerichts­ stand des (tatsächlichen) Wohnsitzes.123 II. „Eilzuständigkeit“ der Staatsanwaltschaft Potsdam Aufgrund einer Vereinbarung der Generalstaatsanwälte hielt sich die Staatsanwaltschaft Potsdam für die Verfolgung der vorliegend in Rede ste­ henden Straftaten in Eilfällen für zuständig.124 Die Vereinbarung vom 26. Februar 2003 lautet: „(1)  Wird im Zusammenhang mit der Bundeswehr im Auslandseinsatz eine Straf­ tat begangen, für die nach §§ 5 bis 7 StGB das deutsche Strafrecht gilt, nimmt die Staatsanwaltschaft Potsdam die Aufgaben einer Eilstaatsanwaltschaft wahr (§ 143 Abs. 2 GVG). (2) Sie ergreift alle keinen Aufschub duldenden strafprozessualen Maßnahmen. Sobald der Verfahrensstand dies zulässt, gibt sie das Verfahren an die an sich örtlich zuständige Staatsanwaltschaft ab. Ist keine Staatsanwaltschaft örtlich zu­ ständig, bewirkt sie eine Zuständigkeitsbestimmung durch den Bundesgerichtshof nach § 13 StPO. (3) Kommt eine Zuständigkeit des GBA in Betracht (§ 142a GVG), unterrichtet die Staatsanwaltschaft Potsdam den GBA unverzüglich. Bis zu dessen Verfahrens­ übernahme bleibt ihre Eilzuständigkeit bestehen.“

Die Regelung verweist auf § 143 Abs. 2 GVG, wonach „ein unzuständiger Beamter der Staatsanwaltschaft […] sich den innerhalb seines Bezirks vorzu­ nehmenden Amtshandlungen zu unterziehen [hat], bei denen Gefahr im Ver­ zug ist.“ Ungeachtet der Frage, ob bei den hier interessierenden Fällen Ge­ fahr im Verzug vorlag, die Tatbestandsvoraussetzung also überhaupt erfüllt ist, enthält § 143 Abs. 2 GVG keine Rechtsfolge, die das Vorgehen nach der Vereinbarung rechtfertigt. Denn § 143 Abs. 2 GVG gesteht einem unzustän­ digen Staatsanwalt ausschließlich Befugnisse innerhalb seines Bezirks zu.125 122  Vgl. Dreist, BWV 2009, 218, 222; a. A. Spring, Brauchen wir in Deutschland eine Militärgerichtsbarkeit?, S. 50 f., nach der sich die örtliche Zuständigkeit nach § 8 Abs. 2 StPO i. V. m. § 9 Abs. 1 S. 2 BGB bestimmen soll. Jedoch betrifft § 8 Abs. 2 StPO den Fall, dass der Angeschuldigte keinen Wohnsitz im Inland hat. 123  Vgl. auch Stam, ZIS 2010, 628; ausführlich Dreist, BWV 2009, 218, 221–224. 124  Zur historischen Entwicklung dieser „Zuständigkeitsabsprache“ und ihrer Vor­ läufer, vgl. Spring, Brauchen wir in Deutschland eine Militärgerichtsbarkeit?, S. 52 f., sowie ausführlicher Dreist, BWV 2009, 242. 125  Schmidt / Schoreit, in: KK, § 143 GVG Rn. 4; Kissel / Mayer, § 143 Rn. 5; Franke, in: LR, § 143 GVG Rn. 6.



A. Örtliche Zuständigkeit bis zur Einführung des § 11a StPO 55

Beispielsweise könnte ein Staatsanwalt, der erfährt, dass sich ein gesuchter Mordverdächtiger in seinem Bezirk aufhält, einen Haftbefehl beantragen, ob­ wohl er für die Anklage des Täters nicht zuständig wäre. Dagegen steht es einem Staatsanwalt nicht zu, einen Haftbefehl gegen einen mutmaßlichen Mörder mit Wohnsitz in einem anderen Bezirk zu beantragen, nur weil er als erster von der Tat erfährt. Genauso wenig stand es daher einem Potsdamer Staatsanwalt zu, Ermittlungshandlungen gegen einen Soldaten mit gesetz­ lichem Wohnsitz außerhalb seines Bezirks vorzunehmen.126 Selbst wenn man also von der Geltung der Vereinbarung ausginge, durfte die Staatsanwaltschaft Potsdam ihre staatsanwaltschaftlichen Befugnisse nur innerhalb ihres örtli­ chen Zuständigkeitsbereichs wahrnehmen. Tatorte im Auslandseinsatz befin­ den sich jedoch gerade nicht im örtlichen Zuständigkeitsbereich der Staatsan­ waltschaft Potsdam oder irgendeiner deutschen Staatsanwaltschaft. Daher konnte die Vereinbarung nicht auf § 143 Abs. 2 GVG gestützt werden.127 Jedoch wurde teilweise davon ausgegangen, dass es sich bei der Rege­ lung um eine analoge Anwendung des § 143 Abs. 2 GVG handele.128 Mit Blick auf den Grundsatz des Vorbehalts des Gesetzes ist diese Auffassung bereits verfassungsrechtlich problematisch, da staatliche Stellen Grundrechts­ eingriffe nur tätigen dürfen, wenn ihnen dies durch Gesetz erlaubt ist. Ab­ gesehen davon handelt es sich jedoch nicht um eine Analogie. Bei der Analogie wird die Rechtsfolge eines Gesetzes auf einen Sachverhalt ange­ wandt, obwohl dieser die Tatbestandsvoraussetzungen nicht erfüllt, wenn dies aufgrund der Ähnlichkeit des geregelten und des nicht geregelten Sach­ verhalts zur Schließung von planwidrigen Regelungslücken notwendig ist.129 Wendet man jedoch hier die Rechtsfolge des § 143 Abs. 2 GVG an, so bleibt es dabei, dass ein Staatsanwalt Ermittlungshandlungen nur innerhalb seines Bezirks vornehmen kann. Nach der Vereinbarung sollten Ermittlungs­ handlungen jedoch nicht auf den örtlichen Zuständigkeitsbereich der Staats­ anwaltschaft Potsdam beschränkt werden. Somit waren weder die tatbestand­ lichen Voraussetzungen des § 143 Abs. 2 GVG erfüllt noch bewegte sich die mit der Absprache bezweckte Rechtsfolge im Rahmen derjenigen des § 143 Abs. 2 GVG. Es handelte sich also nicht um eine Analogie, sondern um ein Vorgehen, das jeglicher gesetzlicher Legitimation – sei es durch direkte oder auch nur entsprechende Anwendung einer Norm – entbehrte. Die Absprache war also rechtswidrig und damit unzulässig. Eine Eilzu­ ständigkeit der Staatsanwaltschaft Potsdam aufgrund dieser Absprache be­ auch Spring, Brauchen wir in Deutschland eine Militärgerichtsbarkeit?, S. 54. auch Spring, Brauchen wir in Deutschland eine Militärgerichtsbarkeit?, S. 54. 128  So Hannich / Rautenberg, ZRP 2010, 140. 129  Vgl. zur Analogie nur Schneider / Schnapp, Logik für Juristen, S. 149–155. 126  So 127  So

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Teil 1, Kap. 3: Verfolgungszuständigkeit

stand folglich nicht. Es blieb bei der grundsätzlichen Zuständigkeit nach § 8 Abs. 1 StPO in Verbindung mit § 9 Abs. 2 BGB bei Berufssoldaten und Soldaten auf Zeit bzw. nach § 8 Abs. 1 StPO bei anderweitig Wehrdienst Leistenden.

B. Zuständigkeit des GBA Gemäß § 120 Abs. 1 Nr. 8 GVG in Verbindung mit § 142a Abs. 1 GVG ist bei Straftaten nach dem Völkerstrafgesetzbuch der GBA für die Strafver­ folgung zuständig. Umstritten ist, wie weit diese Zuständigkeit reicht. I. These der Allzuständigkeit für Taten im bewaffneten Konflikt Der GBA geht in allen Fällen, die in Zusammenhang mit einem bewaff­ neten Konflikt begangen wurden, von seiner Verfolgungszuständigkeit und damit implizit von einer erstinstanzlichen Zuständigkeit der Oberlandesge­ richte aus,130 was in der Literatur zumindest im Ergebnis zum Teil auf Zustimmung gestoßen ist.131 Ausgangspunkt für die Argumentation des GBA ist, dass der Wortlaut des § 120 Abs. 1 Nr. 8 GVG „Straftaten nach dem Völkerstrafgesetzbuch“ zwei Auslegungen zulasse, nämlich eine enge, nach der der GBA zuständig sei, „wenn Strafbarkeit nach dem VStGB gegeben ist “, und eine weite, „wenn der Anwendungsbereich des VStGB eröffnet ist“,132 wobei der GBA den letzteren Ansatz wählt. Dieser „Anwendungsbereich“ des VStGB sei dann eröffnet, „wenn das gemeinsame Tatbestandsmerkmal der Delikte des Ab­ schnitts 2 des VStGB – ‚Kriegsverbrechen‘ – gegeben ist, nämlich der Zusammenhang der Tat mit einem internationalen oder nichtinternationalen bewaffneten Konflikt“, das der GBA als „Eingangsmerkmal “133 bezeichnet. Ob eine Strafbarkeit nach dem VStGB aufgrund anderer Tatbestandsmerk­ male ausscheide, sei für die Frage der Zuständigkeit dagegen unbeachtlich. 130  Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof, Einstellungsvermerk vom 16.04.2010, Az.: 3 BJs 6 / 10-4 S. 55–58; Generalbundesanwalt beim Bundesgerichts­ hof, Einstellungsvermerk vom 23.07.2013, Az.: 3 BJs 7 / 12-4, S. 28. 131  Ambos, NJW 2010, 1725, 1727, geht entgegen dem GBA und ohne Begrün­ dung von einer Zuständigkeit kraft Annexes aus; ebenso Hannich / Rautenberg, ZRP 2010, 140, 143, und Safferling, Internationales Strafrecht, § 8 Rn. 27. 132  Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof, Einstellungsvermerk vom 16.04.2010, Az.: 3 BJs 6 / 10-4 S. 55. 133  Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof, Einstellungsvermerk vom 23.07.2013, Az.: 3 BJs 7 / 12-4, S. 28.



B. Zuständigkeit des GBA57

Auch der Wortlaut des Art. 96 Abs. 5 Nr. 3 GG spreche für dieses Ergeb­ nis, da dieser dem Bund die Verfolgungskompetenz für „Kriegsverbrechen“ übertrage und diese Kompetenz nicht auf Taten, die nach dem VStGB straf­ bar sind, beschränke.134 Kriegsverbrechen seien vielmehr bereits vor In­ krafttreten des VStGB nach den allgemeinen Regeln des StGB unter beson­ derer Beachtung des humanitären Völkerrechts strafbar gewesen und durch den Zusammenhang mit einem bewaffneten Konflikt charakterisiert. Auch wenn kein Tatbestand des VStGB erfüllt sei, handele es sich deshalb den­ noch um Kriegsverbrechen – nach dem StGB –, sofern sie im Zusammen­ hang mit einem bewaffneten Konflikt begangen wurden. Hieran habe der Gesetzgeber mit Einführung des VStGB nichts ändern wollen.135 Zudem sei der Zweck des Art. 96 Abs. 5 Nr. 3 GG, „sicherzustellen, dass die komplexen Sachverhalte im Zusammenhang mit bewaffneten Konflik­ ten, in denen außenpolitische Belange der Bundesrepublik Deutschland re­ gelmäßig eine besondere Rolle spielen und schwierige Fragen des Völker­ rechts zu prüfen sind, einheitlich vom GBA bearbeitet und somit divergie­ rende Rechtsanwendung und Ermessensausübung verhindert werden.“ Diese Gesichtspunkte griffen jedoch nicht nur in Bezug auf die Tatbestände des VStGB, sondern auch bei anderen Taten in einem bewaffneten Konflikt.136 Für die weite Auslegung spreche auch Art. 96 Abs. 2 GG, der die Errich­ tung von Wehrstrafgerichten im Verteidigungsfall und für ins Ausland ent­ sandte oder an Bord eines Kriegsschiffs eingeschiffte Soldaten zulässt, da „das Grundgesetz eine Zuständigkeitsanknüpfung an besondere tatsächliche Situationen wie den Verteidigungsfall oder die Entsendung deutscher Solda­ ten in das Ausland als legitim ansieht.“ Eine solche legitimierende Situation liege jedoch auch in Fällen von Straftaten in bewaffneten Konflikten vor.137 Außerdem sei die Zuständigkeit für entsprechende Fälle vom Gesetzgeber gewollt gewesen.138

134  Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof, Einstellungsvermerk vom 16.04.2010, Az.: 3 BJs 6 / 10-4 S. 56. 135  Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof, Einstellungsvermerk vom 16.04.2010, Az.: 3 BJs 6 / 10-4 S. 56. 136  Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof, Einstellungsvermerk vom 16.04.2010, Az.: 3 BJs 6 / 10-4 S. 57; Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof, Einstellungsvermerk vom 23.07.2013, Az.: 3 BJs 7 / 12-4, S. 29. 137  Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof, Einstellungsvermerk vom 16.04.2010, Az.: 3 BJs 6 / 10-4 S. 57 f.; Generalbundesanwalt beim Bundesgerichts­ hof, Einstellungsvermerk vom 23.07.2013, Az.: 3 BJs 7 / 12-4, S. 29. 138  Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof, Einstellungsvermerk vom 16.04.2010, Az.: 3 BJs 6 / 10-4 S. 58; Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof, Einstellungsvermerk vom 23.07.2013, Az.: 3 BJs 7 / 12-4, S. 29.

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Teil 1, Kap. 3: Verfolgungszuständigkeit

II. Zuständigkeit nur bei Verwirklichung eines Straftatbestands des VStGB Die Argumentation des GBA überzeugt nicht.139 Im Kern geht es um die Frage, was unter der Wendung „Straftaten nach dem Völkerstrafgesetzbuch“ zu verstehen ist. Entsprechend des Wortlauts sind dies Straftaten, die in den §§ 6–14 VStGB geregelt sind.140 1. Nichtexistenz eines „Anwendungsbereichs des VStGB“ Gegen die Auffassung des GBA, das Vorliegen eines bewaffneten ­ onflikts eröffne den „Anwendungsbereich“ des Abschnitts „Kriegsver­ K brechen“, wendet Jeßberger zutreffend ein, dass sich die sachliche An­ wendbarkeit eines Strafgesetzes aus dem Vorliegen sämtlicher Tatbestands­ merkmale ergibt, letzere also tatsächlich mitbestimmend für den Anwen­ dungsbereich eines Gesetzes sind. Dagegen sei es „fernliegend“, einen Anwendungsbereich aufgrund des Vorliegens nur einzelner Tatbestands­ merkmale anzunehmen. So sei etwa auch nicht der „Anwendungsbereich“ der Eigentumsdelikte eröffnet, sobald eine Tat mit einer fremden Sache zusammenhänge.141 Dass die Vorstellung eines solchen „Anwendungsbe­ reichs“ nicht zutrifft, zeige auch der Vergleich mit den anderen Tatbestän­ den des VStGB. Folgte man dem Ansatz des GBA nämlich konsequent, so wäre der „Anwendungsbereich“ des VStGB auch schon dann eröffnet, wenn ein ausgedehnter oder systematischer Angriff gegen eine Zivilbevöl­ kerung im Sinne des § 7 VStGB vorläge, ohne dass eine konkrete Tathand­ lung im Sinne des Tatbestands vorgenommen werden müsste. Beim Völ­ kermord ließe sich daran denken, den „Anwendungsbereich“ bei Vorliegen des gemeinsamen Tatbestandsmerkmals der Völkermordabsicht als eröffnet anzusehen. Dann fielen z. B. auch Beleidigungen im Rahmen eines ausge­ dehnten oder systematischen Angriffs gegen eine Zivilbevölkerung bzw. mit Völkermordabsicht vorgenommen in den Zuständigkeitsbereich des GBA.142 im Ergebnis auch Kaleck / Schüller / Steiger, KJ 43 (2010), 270, 282. ist der GBA unproblematisch kraft Annexes auch für Straftaten nach anderen Gesetzen zuständig, soweit es sich dabei um dieselbe Tat im prozes­ sualen Sinne handelt, vgl. Jeßberger, Kurzgutachten zur Reichweite der Verfol­ gungszuständigkeit des Generalbundesanwalts nach §§ 120 Abs. 1 Nr. 8, 142a Abs. 1 GVG, S. 2. 141  Jeßberger, Kurzgutachten zur Reichweite der Verfolgungszuständigkeit des Generalbundesanwalts nach §§ 120 Abs. 1 Nr. 8, 142a Abs. 1 GVG, S. 3. 142  Jeßberger, Kurzgutachten zur Reichweite der Verfolgungszuständigkeit des Generalbundesanwalts nach §§ 120 Abs. 1 Nr. 8, 142a Abs. 1 GVG, S. 5 f. 139  So

140  Daneben



B. Zuständigkeit des GBA59

Daneben hätte die Auffassung des GBA, die Wendung „Straftaten nach dem Völkerstrafgesetzbuch“ umfasse alle Taten im bewaffneten Konflikt, – zumindest bei konsequenter Befolgung – auch über die Zuständigkeitsfra­ ge hinaus weitreichende Folgen, die so vom Gesetzgeber nicht beabsichtigt waren und darüber hinaus auch nicht sinnvoll sind. Ausgangspunkt hierfür ist die Annahme, dass die Formulierung des GVG „Taten nach dem Völker­ strafgesetzbuch“ gleichbedeutend mit der Formulierung innerhalb des VStGB „Taten (bzw. Verbrechen) nach diesem Gesetz“ ist. § 4 VStGB regelt die Vorgesetztenverantwortlichkeit als unechtes Unter­ lassungsdelikt und stellt es unter Strafe, wenn „[e]in militärischer Befehlsha­ ber oder ziviler Vorgesetzter […] es unterlässt, seinen Untergebenen daran zu hindern, eine Tat nach diesem Gesetz [Hervor­hebung nur hier, F. S.] zu bege­ hen“. Die Besonderheit gegenüber dem unechten Unterlassungsdelikt des § 13 StGB ist dabei, dass dem Vorgesetzten gemäß § 4 Abs. 1 S. 2 VStGB die Möglichkeit einer Strafmilderung, wie in § 13 Abs. 2 StGB vorgesehen, ver­ wehrt bleibt. Dies rechtfertigt sich zum einen mit der besonderen Gefährlich­ keit bewaffneter Einheiten, zum anderen damit, dass es einem militärischen Befehlshaber in der Regel leicht fallen wird, entsprechendes Verhalten zu unterbinden.143 Daneben handelt es sich bei den Taten des VStGB um derart gravierende Verstöße gegen elementarste Verhaltensregeln, dass auch die blo­ ße Nichtverhinderung dieser Taten eine so große Schuld beinhaltet, dass eine massive Bestrafung erforderlich ist. Die Auffassung des GBA hätte, sofern man dem Begriff im VStGB und im GVG dieselbe Bedeutung zumisst,144 jedoch zur Folge, dass die Strafe des Vorgesetzten auch bei bloßen Bagatell­ delikten, die während eines bewaffneten Konflikts, also im „Anwendungsbe­ reich“ des VStGB begangen wurden, nicht gemildert werden könnte. Ein Grund hierfür ist allerdings nicht ersichtlich, und Hinweise darauf, dass dies vom Gesetzgeber angestrebt war, finden sich nirgends. Ein weiteres Beispiel ist die Regelung des § 5 VStGB, wonach „Verbre­ chen nach diesem Gesetz“ nicht der Verjährung unterliegen. In diesem Fall hätte die konsequente Befolgung der Auslegung des GBA zur Folge, dass auch ein denkbar minder schwerer Fall des Raubes (Verbrechen), der in einem bewaffneten Konflikt begangen wurde, nicht der Verjährung unterlä­ ge, wohingegen ein besonders schwerer Fall des Totschlags nicht im „An­ wendungsbereich“ des VStGB begangen der Verjährung unterläge – eben­ falls widersinnig und vom Gesetzgeber nicht beabsichtigt. 143  Weigend,

in: MüKo, § 4 VStGB Rn. 12. mag man einwenden, dass es durchaus möglich ist, einem Begriff inner­ halb verschiedener Regelungszusammenhänge unterschiedliche Inhalte beizumessen, doch erscheint dies angesichts der Parallelität der jeweiligen Entstehungsgeschichte hier nicht angebracht. 144  Hier

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Teil 1, Kap. 3: Verfolgungszuständigkeit

Daneben spricht auch die Entstehungsgeschichte der Zuständigkeitsrege­ lung gegen die Auffassung des GBA. Im Gesetzentwurf zum Völkerstrafge­ setzbuch145 (im Folgenden: VStGB-Entwurf) werden an zahlreichen Stellen die Formulierungen „Straftaten nach dem Völkerstrafgesetzbuch“, „Taten nach dem Völkerstrafgesetzbuch“ und „Verbrechen nach dem Völkerstrafge­ setzbuch“ verwendet. An keiner Stelle des Entwurfs kommt auch nur andeu­ tungsweise zum Ausdruck, dass die Begriffe im Sinne der Lesart des GBA zu verstehen sein sollten. Vielmehr wird den Begriffen die Bedeutung „eine Tat, die durch das VStGB unter Strafe gestellt wird“, beigemessen, wie dies auch dem allgemeinen juristischen Sprachgebrauch entspricht. Besonders deutlich wird dies in diesen beiden unmittelbar aufeinander folgenden Absätzen: „Außerdem ist beabsichtigt, […] die verfassungsrechtliche Voraussetzung […] einer einheitlichen erstinstanzlichen Zuständigkeit der Oberlandesgerichte […] für sämtliche Straftatbestände des VStGB [Hervorhebung nur hier, F. S.] zu schaffen. Zu diesem Zweck soll Artikel 96 Abs. 5 GG dergestalt ergänzt werden, dass neben dem bereits erfassten Völkermord künftig auch Strafverfahren auf Grund von Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen in Bezug genommen werden. […] Parallel […] soll ein Gesetzgebungsvorhaben zur Neufassung des § 120 Abs. 1 Nr. 8 GVG betrieben werden. Diese Vorschrift soll – nach Schaffung der erforder­ lichen verfassungsrechtlichen Grundlage – die erstinstanzliche Zuständigkeit der Oberlandesgerichte für alle Straftaten nach dem VStGB [Hervorhebung nur hier, F. S.] vorsehen. Dadurch ergibt sich dann auch eine konzentrierte Verfolgungszu­ ständigkeit des GBA nach § 142a Abs. 1 GVG.“146

Ganz offenbar geht der Gesetzgeber in Bezug auf Art. 96 Abs. 5 GG so­ wie § 120 Abs. 1 Nr. 3 GVG davon aus, dass die Formulierung „Straftatbe­ stände des VStGB“ gleichbedeutend mit „Straftaten nach dem VStGB“ ist. Auch § 1 VStGB – der mit dem Titel „Anwendungsbereich“ überschrie­ ben ist – spricht gegen die Auslegung des GBA. Dieser lautet: „Dieses Gesetz gilt für alle in ihm bezeichneten Straftaten gegen das Völkerrecht, für die in ihm bezeichneten Verbrechen auch dann, wenn die Tat im Ausland begangen wurde und keinen Bezug zum Inland aufweist.“

Im Entwurf heißt es hierzu, dass „durch die Formulierung von § 1 aus­ drücklich klargestellt [werde], dass es jedenfalls für die Verbrechen nach dem VStGB eines besonderen Inlandsbezugs nicht bedarf    “147, und weiter heißt es: „Grundsätzlich ist im Lichte von § 1 VStGB davon auszugehen, dass für alle Straftaten nach dem VStGB unabhängig von Tatort und Natio­nalität der beteilig­ 145  BT-Drucks.

14 / 8524. 14 / 8524, S.  13. 147  BT-Drucks. 14 / 8524, S.  14. 146  BT-Drucks.



B. Zuständigkeit des GBA61 ten Personen die deutsche Justiz zuständig und die Staatsanwaltschaft nach dem Legalitätsprinzip zum Einschreiten verpflichtet ist.“148

Nach Lesart des GBA hieße dies, dass der Gesetzgeber davon ausging, dass – entgegen dem Wortlaut des § 1 VStGB – alle Verbrechen, die in den „Anwendungsbereich“ des VStGB fielen, § 1 VStGB und damit dem Welt­ rechtsprinzip unterfielen, das heißt, der oben erwähnte Raub, der von einem Afghanen an einem anderen Afghanen im Zusammenhang mit einem be­ waffneten Konflikt begangen wurde, würde dem Weltrechtsgrundsatz unter­ fallen, mit der Folge, dass der GBA grundsätzlich verpflichtet wäre, hier Ermittlungen anzustellen. Gemäß § 153f Abs. 1 S. 1 StPO kann der GBA „von der Verfolgung einer Tat, die nach den §§ 6 bis 14 des Völkerstrafge­ setzbuches strafbar ist, in den Fällen des § 153c Abs. 1 Nr. 1 und 2 absehen, wenn sich der Beschuldigte nicht im Inland aufhält und ein solcher Aufent­ halt auch nicht zu erwarten ist.“ Diese Möglichkeit, das Verfahren nach § 153f StPO einzustellen, hätte der GBA jedoch im Beispiel nicht, da nur ein Verfahren wegen „einer Tat, die nach den §§ 6 bis 14 des Völkerstraf­ gesetzbuches strafbar ist“ eingestellt werden kann, worum es sich dort je­ doch nicht handelt. Allenfalls eine Einstellung nach § 153c StPO käme in Betracht. Dieser verweist in Abs. 1 S. 2 für den Fall einer Straftat im Sinne des § 1 VStGB jedoch gerade auf § 153f StPO, sodass es widersprüchlich wäre, ein Strafverfahren wegen einer Tat, die gemäß § 1 VStGB dem Welt­ rechtsprinzip unterliegt, nach § 153c StPO einzustellen. Dass der Gesetzge­ ber ein solch konfuses Ergebnis beabsichtigt hat, ist zweifelhaft, zumal es bei Zugrundelegung des üblichen Begriffsverständnisses nicht zu diesem kommt. Insgesamt ist es nach all dem, mit Jeßberger, in der Tat fernliegend, dass der Gesetzgeber der Formulierung „Straftaten nach dem Völkerstrafgesetz­ buch“ die Bedeutung beimessen wollte, die der GBA ihr entnehmen will. Auch die allgemeine Wortbedeutung und insbesondere der allgemeine juris­ tische Sprachgebrauch legen ein solches Verständnis nicht nahe. Die Lösung des GBA führt zu widersprüchlichen Ergebnissen, die offensichtlich nicht beabsichtigt waren. 2. Kriegsverbrechen im Sinne des Art. 96 Abs. 5 Nr. 3 GG Auch die Entstehungsgeschichte spricht gegen die Auffassung des GBA. Anlass für die Einführung des § 120 Abs. 1 Nr. 8 GVG war die Einführung des VStGB, das deshalb den Gegenstand des § 120 Abs. 1 Nr. 8 GVG be­ stimmt. Bei der Schaffung des VStGB ging es darum, solche Taten unter 148  BT-Drucks.

14 / 8524, S.  37.

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Teil 1, Kap. 3: Verfolgungszuständigkeit

Strafe zu stellen, die „die internationale Gemeinschaft als Ganzes berühren“. Daran fehlt es aber, wenn nicht gegen Völkerstrafrecht, sondern nur gegen nationales Strafrecht verstoßen wird.149 Gerade die Parallelität der Gesetz­ gebung zum materiellen und prozessualen Recht verdeutlicht, dass sich § 120 Abs. 1 Nr. 8 GVG und auch Art. 96 Abs. 5 GG auf die Taten, die im VStGB unter Strafe gestellt sind, beziehen und der GBA nur für diese Taten zuständig sein sollte.150 Zudem überzeugt das Verständnis des GBA von dem Begriff des „Kriegs­ verbrechens“ im Sinne des Art. 96 Abs. 5 Nr. 3 GG nicht. Der GBA geht letztlich davon aus, dass der Begriff „Kriegsverbrechen“ gleichbedeutend mit „Verbrechen im Krieg“ ist. Diese Einschätzung geht jedoch fehl. Mit dem Begriff des Kriegsverbrechens hat der Gesetzgeber einen feststehenden Begriff gewählt, der nach bislang einhelligem Verständnis strafbare Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht, das Kriegsrecht bezeichnet.151 Auch der VStGB-Entwurf geht ausdrücklich hiervon aus, wenn es in den allgemeinen Vorbemerkungen zum Abschnitt „Kriegsverbrechen“ heißt, dass es hierbei um „Verbrechen gegen das Völkerrecht, die im Zusammenhang mit einem internationalen oder nichtinternationalen bewaffneten Konflikt begangen worden sind“ geht.152 Auch stellt Art. 96 Abs. 5 Nrn. 1, 2, 3 GG ausdrücklich einen Bezug zu den Straftatbeständen des VStGB her, indem mit „Völkermord“, „Verbre­ chen gegen die Menschlichkeit“ und „Kriegsverbrechen“ die dortige Termi­ nologie übernommen wird. Ein Verweis auf das VStGB ist nur unterblieben, weil anderenfalls für die Begründung einer verfassungsrechtlichen Kompe­ tenz des Bundes auf eine einfachgesetzliche Regelung verwiesen worden wäre. Hätte der Gesetzgeber tatsächlich die Interpretation des Begriffs „Kriegsverbrechen“ im Sinne des GBA gewollt, hätte er etwa die Formulie­ rung „Straftaten im Zusammenhang mit einem bewaffneten Konflikt“ ver­ wenden können. Dies war jedoch nicht beabsichtigt. Vielmehr ging der Gesetzgeber davon aus, dass der gängige und klar konturierte Begriff der „Kriegsverbrechen“ insofern keinen Anlass für Missverständnisse bieten würde.

149  Jeßberger, Kurzgutachten zur Reichweite der Verfolgungszuständigkeit des Generalbundesanwalts nach §§ 120 Abs. 1 Nr. 8, 142a Abs. 1 GVG, S. 5. 150  Jeßberger, Kurzgutachten zur Reichweite der Verfolgungszuständigkeit des Generalbundesanwalts nach §§ 120 Abs. 1 Nr. 8, 142a Abs. 1 GVG, S. 7. 151  Satzger, Internationales und Europäisches Strafrecht, § 16 Rn. 53; Werle, Völ­ kerstrafrecht Rn. 1411; Werle, JZ 2000, 755, 757; ders. / Nerlich, HuV-I 2002, 124; Ambos, in: MüKo, Vor §§ 8 ff. VStGB Rn. 1; Weigend, in: GS Vogler, S. 197, 203. 152  BT-Drucks. 14 / 8524, S.  23.



B. Zuständigkeit des GBA63

3. Zweckmäßigkeit als Argument für die Zuständigkeit Geht man mit dem GBA davon aus, dass die Gründe, die für eine Zu­ ständigkeitskonzentration von Straftaten nach dem VStGB beim GBA spre­ chen, auch bei Straftaten von Bundeswehrsoldaten im Auslandseinsatz vorliegen und eine Zentralisierung deshalb zweckmäßig ist, so ist die Kon­ sequenz, die der GBA aus dieser Feststellung zieht, dennoch unzulässig. Er wendet die Norm des § 120 Abs. 1 Nr. 8 GVG auf einen Fall, der dessen Voraussetzung nicht erfüllt, also analog an. Ein solches Vorgehen verstößt aufgrund der mit der Durchführung eines Strafverfahrens regelmäßig ver­ bundenen Eingriffe in die Rechte des Bürgers, die vom GBA als unzustän­ diger Behörde vorgenommen werden, jedoch gegen den Grundsatz des Vorbehalts des Gesetzes und ist wegen der Missachtung des in der Ge­ setzesbegründung manifestierten Willens des Gesetzgebers auch im Hin­ blick auf die Gewaltenteilung zweifelhaft.153 Darüber hinaus wird hierdurch das grundrechtsgleiche Recht auf den gesetzlichen Richter aus Art. 101 Abs. 2 GG verletzt, weil mit der Zuständigkeit des GBA zugleich ohne gesetz­liche Grundlage die Zuständigkeit eines Oberlandesgerichts, anstelle des tatsächlich zuständigen Amts- oder Landgerichts, begründet wird.154 Zudem wird, da es an einer gesetzlichen Grundlage fehlt, der Grundsatz der Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern missachtet, nach dem für die Strafverfolgung grundsätzlich die Länder zuständig sind. III. Ergebnis Die Auffassung des GBA, dass er für alle Straftaten, die im Zusammen­ hang mit einem bewaffneten Konflikt begangen wurden, zuständig sei, überzeugt nicht. Weder Wortlaut noch Systematik noch die Entstehungsge­ schichte der Zuständigkeitsnorm legen das Ergebnis des GBA nahe. Viel­ mehr handelt es sich um eine Zuständigkeitsanmaßung, ein Vorgehen ohne gesetzliche Legitimation.155 Es bleibt daher auch bei Taten, die im Rahmen eines bewaffneten Kon­ flikts begangen wurden, bei der üblichen Zuständigkeitsverteilung, sofern es sich nicht um Straftaten nach dem VStGB handelt. Dabei sind Taten nach 153  Zwar mag es naheliegen, dass der Gesetzgeber sich der Problematik nicht bewusst war, doch wäre dieser womöglich unterlaufene Fehler angesichts des deut­ lichen Wortlauts vom Gesetzgeber selbst und nicht vom GBA zu korrigieren. 154  Näher zum Recht auf den gesetzlichen Richter Teil 2, Kapitel 2, A. 155  So auch Jeßberger, Kurzgutachten zur Reichweite der Verfolgungszustän­ digkeit des Generalbundesanwalts nach §§ 120 Abs. 1 Nr. 8, 142a Abs. 1 GVG, S. 8.

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Teil 1, Kap. 3: Verfolgungszuständigkeit

dem VStGB nur solche, die einen Tatbestand des VStGB erfüllen.156 Einen darüber hinausgehenden, die Zuständigkeit des GBA auslösenden „Anwen­ dungsbereich des VStGB“ gibt es nicht.

C. Zuständigkeit der Staatsanwaltschaft Kempten, § 11a StPO Gemäß § 11a StPO157 ist für Straftaten, die „außerhalb des Geltungsbe­ reiches dieses Gesetzes von Soldatinnen oder Soldaten der Bundeswehr in besonderer Auslandsverwendung (§ 62 Absatz 1 des Soldatengesetzes) be­ gangen“ wurden, „der Gerichtsstand bei dem für die Stadt Kempten zustän­ digen Gericht begründet.“ I. Entstehungsgeschichte Anders als der Gesetz gewordene Entwurf der Bundesregierung vom Mai 2012,158 hatte ein früherer Entwurf vom März 2010 anstatt Kempten noch Leipzig und dort zusätzlich auch einen besonderen Gerichtsstand für Straftaten gegen die Bundeswehr vorgesehen. In dem neuen Entwurf wurde Kempten gewählt, weil Bayern dort bereits eine Schwerpunktstaatsanwalt­ schaft errichtet hatte und an die hiermit begonnene Spezialisierung ange­ knüpft werden konnte.159 Der Entwurf war überwiegend Kritik ausgesetzt. 1. Kritik des fehlenden Bedarfs Hauptkritikpunkt war dabei die Annahme, dass ein Bedarf für eine Zent­ ralisierung der Strafverfolgung und damit für eine Reform nicht bestehe und die bis dato durchgeführten Verfahren sachgerecht und in angemessener Länge durchgeführt worden seien.160 Spezialkenntnisse seien darüber hinaus nicht erforderlich; vielmehr würden „Spezialkenntnisse in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht […] allen Gerichten in den unterschiedlichsten Ver­ fahren zugemutet.“161 Auch sei nicht damit zu rechnen, dass sich angesichts auch Franke, in: LR, § 120 GVG Rn. 7. durch das Gesetz für einen Gerichtsstand bei besonderer Auslands­ verwendung der Bundeswehr vom 21.01.2013 (BGBl. 2013, I S. 89) mit Wirkung vom 01.04.2013. 158  BT-Drucks. 17 / 9694. 159  BT-Drucks. 17 / 9694, S.  7. 160  Stellungnahme des Deutschen Richterbundes Nr. 06  / 12 vom Februar 2012; Hannich / Rautenberg, ZRP 2010, 140, 142 f. 161  Stellungnahme des Deutschen Anwaltvereins Nr. 22 / 2010 vom April 2010. 156  So

157  Eingeführt



C. Zuständigkeit der Staatsanwaltschaft Kempten, § 11a StPO 65

der geringen Fallzahlen ein Spezialwissen bei dem dann zuständigen Gericht und der zuständigen Staatsanwaltschaft bilden werde.162 Zudem sei in den meisten Fällen einer Straftat im Dienst der GBA zuständig.163 Dass der GBA nur wenn und soweit der Verdacht einer Straftat nach dem VStGB besteht und nicht umfassend zuständig ist, wurde oben164 bereits gezeigt. Das letztgenannte Argument verfängt also nicht. Träfe die andere Behauptung zu, hätte also kein Bedarf nach einer Zentralisierung bestanden, wäre dies in der Tat ein beachtliches Argument gegen eine (bloße) Zentra­ lisierung der Strafverfolgung von Bundeswehrsoldaten gewesen. Jedoch ist dies nicht der Fall. Dass ein komplexes Ermittlungsverfahren mit aufwendigen Tatrekonst­ ruktionen zeitaufwendig ist, ist offensichtlich – dies wird auch nicht kriti­ siert. Zu hinterfragen ist aber, ob es sinnvoll ist, wenn solche Maßnahmen immer wieder durchgeführt werden müssen und sich die befassten Staatsan­ wälte jeweils neu einarbeiten müssen. Ein solches Vorgehen führt zu unnö­ tigen Verzögerungen des Verfahrens, da bei der Staatsanwaltschaft nicht auf bestehende Erfahrung zurückgegriffen werden kann. Dies ist den betroffenen Soldaten nicht zumutbar. Dieses Problem galt es zu lösen, was soweit er­ sichtlich nur erreicht werden kann, indem entsprechendes Wissen bei einer Stelle gesammelt und angewendet wird. Entgegen der geäußerten Kritik bestand also ein Defizit an Spezialkenntnissen sowohl in rechtlicher als auch tatsächlicher Hinsicht, weil nicht auf Erfahrungen zurückgegriffen werden konnte, der seinerzeitige Zustand insofern also hinter dem Mögli­ chen und Sinnvollen zurückblieb. Deshalb war eine Zentralisierung der Strafverfolgung zwecks Schaffung entsprechender Expertise erforderlich. Dabei dient die Zentralisierung durch § 11a StPO nicht nur der verfassungs­ rechtlich verankerten Funktionsfähigkeit der Bundeswehr und dazu, Verfah­ ren auch im Interesse der Soldaten zügig durchführen zu können, sondern insbesondere auch der Erfüllung der nach dem Grundgesetz, der EMRK und Völkergewohnheitsrecht bestehenden strafrechtlichen Ermittlungs- und Ver­ folgungspflichten und damit der Verwirklichung des Rechtsstaats auch im bewaffneten Konflikt. 2. Kritik des Verstoßes gegen Art. 96 Abs. 2 GG Weiter werden gegen die Zentralisierung verfassungsrechtliche Bedenken dahingehend geäußert, dass durch eine Umsetzung des Entwurfs Art. 96 162  Stellungnahme des Deutschen Richterbundes Nr. 06  / 12 vom Februar 2012; Stellungnahme des Deutschen Anwaltvereins Nr. 22 / 2010 vom April 2010. 163  Hannich / Rautenberg, ZRP 2010, 140, 143. 164  Teil 1, Kapitel 3, B.

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Teil 1, Kap. 3: Verfolgungszuständigkeit

Abs. 2 GG umgangen werde, da mit der Soldateneigenschaft und dem Ein­ satz im Ausland dieselben Anknüpfungspunkte gewählt würden wie bei diesem, dieser aber gerade keine bloße Zentralisierung der Strafverfolgung bei einer Länderstaatsanwaltschaft, sondern die Errichtung einer Wehrstraf­ gerichtsbarkeit des Bundes vorsehe.165 Dieser Einwand überzeugt ebenfalls nicht. Art. 30 GG besagt, dass die Ausübung staatlicher Befugnisse und die Erfüllung staatlicher Aufgaben grundsätzlich Ländersache sind, soweit das Grundgesetz „keine andere Re­ gelung trifft oder zulässt“. Das heißt, dass die Zuständigkeit der Länder prinzipiell unbegrenzt ist, während dem Bund Kompetenzen eingeräumt werden müssen, sie also einer besonderen Begründung bedürfen.166 Die Strafverfolgung fällt deshalb grundsätzlich in den Zuständigkeitsbereich der Länder.167 Art. 96 Abs. 2 GG ermächtigt in Abweichung zu diesem Grund­ satz den Bundesgesetzgeber dazu, eine eigene Wehrstrafgerichtsbarkeit des Bundes einzurichten und damit ganz erheblich in die Strafgerichtsverfassung und die ansonsten den Ländern zustehende Befugnis einzugreifen. Wenn nun der Bundesgesetzgeber von dieser Befugnis keinen vollumfänglichen Gebrauch macht, sondern die Gerichtsverfassung nur insofern behutsam ändert, als ein Ländergericht und damit eine Staatsanwaltschaft für zustän­ dig erklärt werden, über Taten von Bundeswehrsoldaten im Auslandseinsatz zu entscheiden bzw. diese zu verfolgen, so ist nicht ersichtlich, warum dies eine Umgehung darstellen sollte. Vielmehr macht der Gesetzgeber lediglich von der ihm nach dem Grundgesetz zustehenden Kompetenz keinen umfassenden Gebrauch. Als „Minus“ zur Errichtung einer Wehrstrafgerichtsbar­ keit, durch die allen Ländern jede Strafgerichtsbarkeit über Auslandstaten von Soldaten entzogen würde, verstößt die Zentralisierung der Strafverfol­ gung bei einer Länderstaatsanwaltschaft deshalb nicht gegen Art. 96 Abs. 2 GG, sondern ist vielmehr von dieser Ermächtigung gedeckt.168 165  Stellungnahme des Deutschen Richterbundes Nr. 06  / 12 vom Februar 2012; Hannich / Rautenberg, ZRP 2010, 140, 143; Börner, in: SSW, § 11a Rn. 5. 166  März, in: v.  Mangoldt / Klein / Starck, Art.  30 Rn.  14; Gubelt, in: v. Münch / Ku­ nig, Art. 30 Rn. 11; Sannwald, in: Schmidt-Bleibtreu / Hofmann / Hopfauf, Art.  30 Rn. 4. 167  Vgl. nur Wollweber, Die Zuständigkeit des Generalbundesanwalts in Staats­ schutzsachen nach § 120 Abs. 1 und Abs. 2 GVG, S. 35. 168  In diese Richtung auch F. Arndt / S.  Fischer, Gerichtsorganisation und Auslands­ einsätze der Bundeswehr, in: Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages – Aktueller Begriff, Nr. 102 / 09, S. 2. – T. Zimmermann, NJW 2013, 905, 907, wen­ det ein, hierbei handele es sich um eine Organleihe, die ausdrücklich in Art. 96 GG vorgesehen sein müsste. Eine Organleihe läge jedoch tatsächlich nur dann vor, wenn die Ländergerichte Gerichtsbarkeit des Bundes ausüben würden, was jedoch nicht der Fall ist. Letztlich gelangt aber auch T. Zimmermann zur verfassungsrechtlichen Zulässigkeit, stützt diese jedoch allein auf die Gesetzgebungskompetenz des Bundes



C. Zuständigkeit der Staatsanwaltschaft Kempten, § 11a StPO 67

Daneben steht dem Bundesgesetzgeber gemäß Art.  74 Abs.  1 Nr.  1 Var. 4 GG die Gesetzgebungskompetenz auf dem Gebiet des gerichtlichen Verfahrens zu, wovon die gesamten Regelungen der StPO, also auch die Bestimmung des Gerichtsstands, umfasst sind. 3. Geschichte der Wehrmachtsjustiz als Gegenargument Teilweise wurde bezüglich des Gesetzentwurfs der Eindruck erweckt, als stünde er in einer Reihe mit der Wehrmachtsjustiz im Zweiten Weltkrieg.169 Dies ist jedoch fragwürdig. Zunächst ist das Hauptproblem der Wehrmachts­ justiz nicht in der Tatsache zu sehen, dass es sich um eine Militärgerichtsbar­ keit handelte, sondern darin, dass sie, wie sämtliche staatliche Stellen, gleich­ geschaltet und von Willkür beherrscht war und sich, ebenfalls wie sämtliche anderen staatlichen Stellen, dem „Endsieg“, dem Kampf „bis zum letzten Mann“ verpflichtet sah.170 In der Logik dieses Unrechtsstaates, in dem dem Sieg alles, insbesondere Menschenleben, untergeordnet wurde, musste dem möglichen Tod im Kampf der sichere Tod bei der Verweigerung gegenüber stehen. Möglich wurde dies durch den völlig unbestimmten Tatbestand der „Wehrkraftzersetzung“, der nahezu jedes Verhalten erfassen konnte.171 All diese Umstände bestehen in der Bundesrepublik jedoch nicht – insbesondere besteht kein Straftatbestand der Wehrkraftzersetzung, der das große Unrecht der Wehrmachtsjustiz überhaupt erst ermöglichte, und ein solcher wäre mit dem Grundgesetz selbstverständlich nicht vereinbar. Gegen die Zentralisie­ rung die 30.000 von der Wehrmachtsjustiz gefällten und die 20.000 voll­ streckten Todesurteile vorzubringen überzeugt deshalb nicht.172 4. Exkurs: Zentralisierung beim Generalbundesanwalt? Es stellt sich jedoch die Frage, ob es nicht zweckmäßiger wäre, die Zustän­ digkeit des GBA zu erweitern und auf sämtliche Straftaten im Zusammen­ hang mit einem bewaffneten Konflikt auszudehnen, also den Rechtszustand herzustellen, von dem der GBA bereits jetzt ausgeht. Denn sicher wäre es der nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG. – Weßlau, in: SK-StPO, § 11a Rn. 9, wendet ohne nähere Begründung ein, dies gehe „an den gerichtsverfassungsrechtlichen Strukturen im föderalen Staat und der im Grundgesetz angelegten Systematik vorbei“ und kön­ ne nicht überzeugen. 169  Kramer, KJ 43 (2010), 287–291; Surmann, Wehrmachtrichter in der Bundes­ republik, S.  337 f. 170  Umfassend Messerschmidt, Die Wehrmachtsjustiz – 1933–1945, passim. 171  Vgl. nur Schmitz-Bernig, Vokabular des Nationalsozialismus, S. 684–686. 172  So aber Surmann, Wehrmachtrichter in der Bundesrepublik, S. 337, 338.

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Teil 1, Kap. 3: Verfolgungszuständigkeit

Verfahrensökonomie dienlich, wenn die Behörde, die bereits über die erfor­ derliche Aktenkenntnis verfügt, auch eine umfassende rechtliche Würdigung vornimmt; dies umso mehr, als der GBA bereits über die einsatz- und völker­ rechtlichen Kenntnisse verfügt, die für die Beurteilung der Tat erforderlich sind. Das Argument der Verfahrensökonomie verfängt indes zumindest nicht vollends, da dem GBA durch eine entsprechende Änderung auch solche Ver­ fahren zugewiesen würden, bei denen von vornherein kein Verdacht einer Straftat nach dem VStGB besteht, etwa bei einer (offensichtlich bloß) fahr­ lässigen Tötung im Zusammenhang mit einem bewaffneten Konflikt; hier käme es lediglich zu einer Umverteilung von Verfahren. Wollte man dennoch eine Zentralisierung der Strafverfolgung beim GBA, wäre in diesem Fall aus den oben173 genannten Gründen indes eine Änderung des Art. 96 Abs. 5 Nr. 3 GG und die Begründung einer Bundeszuständigkeit nicht nur für „Kriegsverbrechen“, sondern für „Straftaten im Zusammenhang mit einem bewaffneten Konflikt“ erforderlich. Auch wenn eine entsprechen­ de Verfassungsänderung zulässig wäre, ist insoweit Zurückhaltung angezeigt. Zwar benötigt auch die Verfassung die notwendige Flexi­bilität, um dem sich wandelnden Leben gerecht zu bleiben; ihr kommt jedoch auch eine besonde­ re Stabilisierungsfunktion zu.174 Art. 79 Abs. 2 GG erschwert Verfassungsän­ derungen deshalb mit dem Erfordernis einer 2 / 3-Mehrheit. Änderungen der Verfassung sollten deshalb erst nachrangig und nur, wenn eine Regelung oh­ ne sie nicht ausreicht, in Betracht gezogen werden. Dabei ist zudem zu beachten, dass die Verfolgung der in Rede stehenden Taten der Hoheit der Länder entzogen würde, also die grundgesetzliche Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern verändert würde, die gerade von einer grundsätzlichen Allzuständigkeit der Länder ausgeht und dem Bund nur bestimmte Zuständigkeiten überträgt. Berücksichtigt man diese grundsätzliche Kompetenzverteilung, stellt die Bundeszuständigkeit eine begründungspflichtige Ausnahme dar. Die bloße Tatsache einer eventuellen Vorbefassung ist jedenfalls kein zwingendes Argument für die Verfolgungszuständigkeit des GBA, sieht doch auch § 142a Abs. 2 GVG die Abgabe bestimmter Staatsschutzdelikte an die örtlich zuständige Landesstaatsanwaltschaft vor, obwohl der GBA bereits mit dem Fall befasst war. Zur Begründung der Bundeskompetenz nach Art. 96 Abs. 5 Nr. 1–3 GG (Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Kriegsverbrechen) nennt der entsprechende Gesetzentwurf „[das] Gewicht der Völkerrechtsver­ brechen, […] die Besonderheit der Rechtsmaterie […], [den] regelmäßig ge­ 173  Teil 1, 174  Vgl.

Kapitel 3, B. nur Dreier, in: Dreier, Art. 79 Abs. 2 Rn. 13 f. m. w. N.



C. Zuständigkeit der Staatsanwaltschaft Kempten, § 11a StPO 69

gebenen Auslandsbezug und die außenpolitischen Implikationen sowie die […] Notwendigkeit, eingehende[r] Kenntnisse von regionalen bewaffneten Konflikten etc. und den Tathintergründen zu erlangen, und nicht zuletzt Er­ wägungen einer gleichmäßigen Rechtsanwendung und Ermessensausübung“.175 Von diesen genannten sprechen das Erfordernis spezieller Kenntnisse – sei es der rechtlichen Besonderheiten, regionaler Konflikte oder der Tathin­ tergründe –, der Auslandsbezug und die Erwägungen einer gleichmäßigen Rechtsanwendung und Ermessensausübung zwar für eine Zentralisierung, nicht jedoch notwendigerweise für eine Bundesgerichtsbarkeit. Dass bei Straftaten nach dem VStGB regelmäßig „außenpolitische Belan­ ge“ berührt sind, legt in der Tat die Begründung einer Bundeskompetenz nahe, da der Bund die außenpolitischen Belange der Bundesrepublik wahr­ nimmt. Doch dürften diese Belange bei Straftaten nach dem VStGB in der Regel deshalb berührt sein, weil mit dem in § 1 VStGB statuierten Welt­ rechtsprinzip, das sich mit der besonderen Schwere der betreffenden Verbre­ chen gegen die internationale Gemeinschaft begründen lässt,176 solche Taten dem deutschen Strafrecht unterworfen werden, in denen weder ein territo­ rialer noch personaler Bezug zu Deutschland besteht, was unter Umständen zu politischen Verwicklungen führen kann. Besteht jedoch nicht der Ver­ dacht eines Verbrechens nach dem VStGB, sondern lediglich einer Straftat nach dem allgemeinen nationalen Strafrecht, gilt das Weltrechtsprinzip nicht und kann es zu diesen Verwicklungen deshalb gerade nicht kommen, sodass auch dies eine Zentralisierung beim GBA nicht erforderlich macht. Es lässt sich festhalten, dass zumindest diejenigen Gründe, die den Ge­ setzgeber zur Regelung des Art. 96 Abs. 5 Nr. 1–3 GG bewogen haben, nicht zu einer Kompetenzübertragung auf den Bund zwingen. Vielmehr genügt für eine effektive Strafverfolgung auch die zentrale Zuständigkeit einer Landesstaatsanwaltschaft. Weil hierdurch die grundsätzliche Kompe­ tenzverteilung zwischen Bund und Ländern weitgehend unberührt bleibt, erscheint dies gegenüber einer Übertragung der Verfolgungskompetenz auf den Bund vorzugswürdig. II. Der Tatbestand des § 11a StPO 1. Anknüpfung an „besondere Auslandsverwendung“ Für die Zuständigkeit nach § 11a StPO ist Voraussetzung, dass die Tat „in besonderer Auslandsverwendung“ begangen wurde. Gemäß § 62 Abs. 1 SG 175  BT-Drucks, 176  Hierzu

14 / 8994, S.  1. Weigend, in: FS Eser, S. 955–976.

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Teil 1, Kap. 3: Verfolgungszuständigkeit

sind dies solche „Verwendungen, die auf Grund eines Übereinkommens, eines Vertrages oder einer Vereinbarung mit einer über- oder zwischenstaat­ lichen Einrichtung oder mit einem auswärtigen Staat auf Beschluss der Bundesregierung im Ausland oder außerhalb des deutschen Hoheitsgebietes auf Schiffen oder in Luftfahrzeugen stattfinden.“ Zwar enthält der Unterab­ schnitt, in dem § 62 SG sich befindet, lediglich Regelungen bezüglich der Heranziehung von Reservisten, jedoch ist der Verweis auf § 62 Abs. 1 SG nicht als solcher auf Reservisten, sondern lediglich als solcher auf die De­ finition der besonderen Auslandsverwendung zu verstehen. Ansonsten würde nämlich der Großteil der im Ausland eingesetzten Soldaten von der Rege­ lung ausgenommen, was dem Zweck des § 11a StPO zuwider liefe und auch nicht beabsichtigt war.177 Der Großteil der Auslandseinsätze der Bundeswehr wird zwar von § 11a StPO umfasst. Jedoch fallen insbesondere unilaterale Einsätze, etwa in eigener Verantwortung durchgeführte Evakuierungsoperationen,178 aber auch die Wahrnehmung des Verteidigungsauftrags179, nicht hierunter, da diese nicht „auf Grund eines Übereinkommens, eines Vertrages oder einer Vereinbarung mit einer über- oder zwischenstaatlichen Einrichtung oder mit einem auswärtigen Staat “ erfolgen.180 Auch Auslandsaufenthalte, die nicht aufgrund eines Beschlusses der Bundesregierung stattfinden, wie z. B. Aus­ bildungsaufenthalte, unterfallen nicht der besonderen Auslandsverwen­ dung.181 Letzteres ist aufgrund der Tatsache, dass hier regelmäßig keine Besonderheiten gegenüber der Verfolgung von Inlandstaten vorliegen wer­ den, durchaus sinnvoll. Dass § 11a StPO bei Evakuierungsoperationen oder der Wahrnehmung des Verteidigungsauftrags nicht anwendbar ist, stellt sich hingegen als misslich dar. Denn hier besteht kein Unterschied zu Einsätzen aufgrund eines bi- oder multilateralen Abkommens; die unterschiedliche Behandlung ergibt vor diesem Hintergrund keinen Sinn. Der Gesetzgeber hat diese Problematik offensichtlich übersehen.182 Eine dem Zweck des § 11a StPO entsprechende Anwendung auch auf diese Fälle ist aufgrund des eindeutigen Wortlauts des § 62 Abs. 1 SG jedoch nicht möglich. Insofern ist eine Änderung des § 11a StPO angeraten, sodass diesem auch die genannten Konstellationen unterfallen. 177  Ladiges,

NZWehrR 2013, 66, 72 f. Stellungnahme, S. 12. 179  Walz, in: Walz / Eichen / Sohm, §  62 Rn.  14; Scherer / Alff / Poretschkin, § 62 Rn. 2. 180  Ladiges, NZWehrR 2013, 66, 73. 181  Ladiges, NZWehrR 2013, 66, 73. 182  Zwar hat Heinen, Stellungnahme, S. 12, auf die Problematik bzgl. Evakuie­ rungsoperationen hingewiesen, in der öffentlichen Anhörung im Rechtsausschuss des Bundestages am 26.09.2012 kam dieser Punkt indes nicht weiter zur Sprache. 178  Heinen,



C. Zuständigkeit der Staatsanwaltschaft Kempten, § 11a StPO 71

Hierfür wäre es zwar denkbar, auf § 1a Abs. 2 WStG, also auf Taten, „die ein Soldat während eines dienstlichen Aufenthalts oder in Beziehung auf den Dienst im Ausland begeht“, abzustellen, doch gelangten so z. B. auch die oben genannten Taten, die während eines Ausbildungsaufenthalts began­ gen wurden, in den Anwendungsbereich des § 11a StPO, was wenig sinnvoll wäre. Zweckmäßiger ist es vor diesem Hintergrund, anstatt des Anknüp­ fungspunkts der „besonderen Auslandsverwendung“ schlicht den des „Aus­ landseinsatzes“ zu wählen und lediglich zur Verdeutlichung den Zusatz „insbesondere einer besonderen Auslandsverwendung i. S. d. § 62 Absatz 1 des Soldatengesetzes“ anzufügen.183 2. Vereinbarkeit mit dem Recht auf den gesetzlichen Richter Auch wenn die Formulierung des § 11a StPO „ist begründet“ suggeriert, es handele sich hierbei um einen ausschließlichen Gerichtsstand, so ergibt sich aus § 12 Abs. 1 StPO das Gegenteil. Hiernach stehen die Gerichtsstän­ de der §§ 7–13a StPO in keinem Rangverhältnis zueinander. Damit wird nach dem oben Gesagten deutlich, dass es sich bei dem neuen Gerichtsstand lediglich um einen zusätzlichen, nicht aber um einen ausschließlichen han­ delt. Die übrigen oben genannten Gerichtsstände bleiben also bestehen, und den zuständigen Staatsanwaltschaften kommt ein Wahlrecht zu, wo Anklage erhoben wird.184 Dennoch lässt sich dem Gesetzentwurf zur Einführung des § 11a StPO die Erwartung entnehmen, dass es zu einer Konzentration der Verfahren in Kempten kommen wird.185 Dass kein ausschließlicher Gerichtsstand geschaffen wurde, liegt ausweis­ lich des Entwurfs daran, dass man nicht von dem System miteinander konkurrierender besonderer Gerichtsstände abweichen wollte. Zudem wollte man eventuellen Bedenken der Bundesländer zuvorkommen, die sich ande­ renfalls in ihren Kompetenzen verletzt sehen könnten. So heißt es im Ent­ wurf ausdrücklich: „Durch die Begründung des zusätzlichen besonderen Gerichtsstandes im Freistaat Bayern wird den anderen Ländern keine Zuständigkeit für eine Verfolgung der von § 11a StPO-E erfassten Delikte genommen. Die Begründung des weiteren 183  Siehe

zum konkreten Reformvorschlag unten Schluss, B., I. Vor § 7 Rn. 10; Erb, in: LR, Vor § 7 Rn. 19; jeweils m. w. N. – Börner, in: SSW, § 11a Rn. 5, geht dagegen offenbar davon aus, dass der Staats­ anwaltschaft aufgrund der gesetzgeberischen Entscheidung zur Einführung des § 11a StPO (flankiert vom Recht auf den gesetzlichen Richter) kein freies, sondern ein intendiertes Ermessen zustehe. Dabei bleibt aber der Umstand unberücksichtigt, dass der Gesetzgeber einen Vorrang des Gerichtsstands nach § 11a StPO gerade nicht wollte. 185  BT-Drucks. 17 / 9694, S.  6. 184  Meyer-Goßner,

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Teil 1, Kap. 3: Verfolgungszuständigkeit

Gerichtsstandes hat insofern keine kompetenzrechtlichen Auswirkungen auf die Strafverfolgungszuständigkeit anderer Gerichte und Staatsanwaltschaften nach Maßgabe der geltenden Gerichtsstände der Strafprozessordnung.“186

Hiergegen bestehen jedoch verfassungsrechtliche Bedenken. Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG enthält das gemäß Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG grundrechtsglei­ che Recht auf den gesetzlichen Richter: „Niemand darf seinem gesetzlichen Richter entzogen werden.“ Ausgeschlossen werden soll jede unbefugte Einflussnahme auf die Rechtsprechung.187 Der zur Entscheidung berufene Richter muss deshalb für jeden denkbaren Fall gesetzlich vorherbestimmt sein, jede Manipulation soll bereits von vornherein ausgeschlossen sein.188 Zwar ist zuzugeben, dass der Gesetzgeber nicht buchstäblich jede gericht­ liche Zuständigkeit durch Gesetz vorgeben kann189 – man stelle sich nur vor, der Gesetzgeber sollte den zuständigen Richter namentlich benennen. Doch darf es sich bei hieraus resultierenden Ungewissheiten nur um solche handeln, die unvermeidbar sind. Regelmäßig stehen der Gerichtsstand des Wohnorts, d. h. des letzten in­ ländischen Standorts, und der Gerichtsstand nach § 11a StPO nebeneinander. Zwischen diesen Gerichtsständen kann die Staatsanwaltschaft wählen und legt mit dieser, an keinerlei Tatbestandsvoraussetzung anknüpfenden und keiner gerichtlichen Kontrolle unterliegenden, Entscheidung gemäß § 12 Abs. 1 StPO das zuständige Gericht fest.190 Mit Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG ist dies nicht zu vereinbaren.191 Eine solche (freie) Wahlmöglichkeit der Staats­ 186  BT-Drucks.

17 / 9694, S.  6. in: Dreier, Art. 101 Rn. 14; Classen, in: v. Mangoldt  /  Klein / Starck, Art.  101 Rn.  1; Müller-Terpitz, in: Schmidt-Bleibtreu / Hof­ mann / Hopfauf, Art.  101 Rn.  2; Degenhart, in: Isensee / Kirchhof, § 114 Rn. 35; Kunig, in: v. Münch / Kunig, Art. 101 Rn. 3. 188  Schulze-Fielitz, in: Dreier, Art. 101 Rn. 14, 19; Classen, in: v. Mangoldt  /  Klein / Starck, Art.  101 Rn.  3; Müller-Terpitz, in: Schmidt-Bleibtreu / Hof­ mann / Hopfauf, Art.  101 Rn.  9 f.; Degenhart, in: Isensee  /  Kirchhof, § 114 Rn. 35; Kunig, in: v. Münch / Kunig, Art. 101 Rn. 3. 189  Schulze-Fielitz, in: Dreier, Art. 101 Rn. 22; Classen, in: v. Mangoldt  /  Klein / Starck, Art.  101 Rn.  16; Müller-Terpitz, in: Schmidt-Bleibtreu / Hof­ mann / Hopfauf, Art.  101 Rn.  9; Degenhart, in: Isensee / Kirchhof, § 114 Rn. 36; Kunig, in: v. Münch / Kunig, Art. 101 Rn. 25. 190  Engelhardt, DRiZ 1982, 418, 419; Achenbach, in: FS Wassermann, S. 849, 855; Herzog, StV 1993, 609, 610; Heghmanns, StV 2000, 277, 279; Strate, in: FS Widmaier, S. 567, 572, 575, 577–579; Scheuten, in: KK, Vor §§ 7 bis 21 Rn. 3; Rudolphi, in: SK-StPO Loseblatt, Vor § 7 Rn. 8. 191  So, generell in Bezug auf das staatsanwaltschaftliche Wahlrecht, Engelhardt, DRiZ 1982, 418, 419; Achenbach, in: FS Wassermann, S. 849, 856; Herzog, StV 1993, 609, 612; Heghmanns, StV 2000, 277, 279; Strate, in: FS Widmaier, S. 567, 579; Dreist, BWV 2009, 242, 245 f.; Schulze-Fielitz, in: Dreier, Art. 101 Rn. 44, 46; Classen, in: v.  Mangoldt / Klein / Starck, Art.  101 Rn.  38; Kunig, in: v.  Münch / Kunig, 187  Schulze-Fielitz,



D. Zusammenfassung73

anwaltschaft könnte allenfalls dann gerechtfertigt sein, wenn die Bestim­ mung eines vorrangigen Gerichtsstands nur unter erheblichen Beeinträchti­ gungen der Rechtspflege möglich wäre.192 Tatsächlich wäre es unzweckmäßig, jede Tat eines Soldaten im Auslands­ einsatz am Gerichtsstand Kempten zu verhandeln, etwa wenn es sich um eine bloße Bagatelle handelt, bei der keine militärischen Besonderheiten eine Rolle spielen und Täter und Opfer ihren Wohnsitz weit entfernt von Kempten haben. Für derartige Konstellationen ist es sinnvoll, der Staatsan­ waltschaft die Möglichkeit zu geben, am Wohnort der Beteiligten Anklage zu erheben, anstatt eine starre Zuständigkeit Kemptens vorzusehen. Hierfür bedarf es aber nicht des verfassungswidrig unbeschränkten Wahlrechts der Staatsanwaltschaft. Vielmehr würde sich eine Fassung des § 11a StPO an­ bieten, die der Staatsanwaltschaft ein intendiertes Ermessen einräumt.193 Sprechen gewichtige Punkte dafür, das Strafverfahren an einem anderen Gerichtsstand durchzuführen, hätte die Staatsanwaltschaft das Recht und bei einer eventuell in Betracht kommenden Ermessensreduzierung die Pflicht, dort Anklage zu erheben. Praktischen Anforderungen wäre hiermit genügt, und die Entscheidung wäre im Einzelfall gerichtlich voll überprüfbar. Im Zuge dessen böte sich unabhängig von der hiesigen Thematik insgesamt eine entsprechende Änderung der §§ 7 ff. StPO und die Einführung einer Rangfolge der verschiedenen Gerichtsstände an.

D. Zusammenfassung Vor der Einführung des § 11a StPO richtete sich die Verfolgungszustän­ digkeit für Straftaten, die Bundeswehrsoldaten im Auslandseinsatz begangen haben, in erster Linie gemäß § 8 Abs. 1 StPO in Verbindung mit § 9 Abs. 1 S. 2 BGB nach dem letzten inländischen Standort. Eine „Eilzuständigkeit“ der Staatsanwaltschaft Potsdam bestand nicht, da die Vereinbarung der Ge­ neralstaatsanwälte, auf die sich eine solche Zuständigkeit stützen sollte, rechtswidrig war. Für die Verfolgung von Straftaten nach dem VStGB ist gemäß § 120 Abs. 1 Nr. 8 GVG in Verbindung mit § 142a Abs. 1 GVG der GBA zustän­ dig. Dabei sind unter „Straftaten nach dem VStGB“ nur solche Taten zu Art. 101 Rn. 28; a.  A., jeweils ohne Begründung, BGH, Urteil vom 18.03.1975, 1 StR 559 / 74 Rn. 7; Erb, in: LR, Vor § 7 Rn. 23; Meyer-Goßner, Vor § 7 Rn. 10. 192  Engelhardt, DRiZ 1982, 418, 421; Heghmanns, StV 2000, 277, 279; SchulzeFielitz, in: Dreier, Art. 101 Rn. 43; Müller-Terpitz, in: Schmidt-Bleibtreu / Hof­ mann / Hopfauf, Art.  101 Rn.  16; Degenhart, in: Isensee  /  Kirchhof, § 114 Rn. 35; Kunig, in: v. Münch / Kunig, Art. 101 Rn. 25. 193  In diese Richtung wohl auch Börner, in: SSW, § 11a Rn. 5.

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Teil 1, Kap. 3: Verfolgungszuständigkeit

verstehen, die einen Straftatbestand des VStGB erfüllen. Ein „Anwendungs­ bereich des VStGB“, der, wie der GBA behauptet, seine Zuständigkeit be­ gründe und stets bereits dann eröffnet sei, wenn eine Straftat im Rahmen eines bewaffneten Konflikts begangen wurde, existiert nicht. Ebenso liegt es fern, zu einer allumfassenden Zuständigkeit des GBA zu gelangen, indem man unter Kriegsverbrechen im Sinne des Art. 96 Abs. 5 Nr. 3 GG sämt­ liche Straftaten in einem bewaffneten Konflikt versteht – Kriegsverbrechen sind richtigerweise nur solche Straftaten, die gegen das humanitäre Völker­ recht verstoßen. Seit Einführung des § 11a StPO ist für die Verfolgung von Straftaten von Bundeswehrsoldaten während einer besonderen Auslandsverwendung zu­ sätzlich zur Staatsanwaltschaft am letzten inländischen Standort die Staats­ anwaltschaft Kempten zuständig. Diese Zentralisierung verstößt nicht gegen das Grundgesetz; es handelt sich nicht um eine Umgehung von Art. 96 Abs. 2 GG. Vielmehr ist die Kompetenz, die Strafverfolgung bei einer Staatsanwaltschaft zu konzentrieren, als Minus in derjenigen aus Art. 96 Abs. 2 GG enthalten. Als problematisch erweist sich aber, dass neben § 11a StPO weitere Gerichtsstände, vor allem der des Wohnorts, bestehen. Denn das diesbezügliche Wahlrecht, das der Staatsanwaltschaft gemäß § 12 StPO zukommt, verstößt gegen das Recht auf den gesetzlichen Richter aus Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG. Deshalb sollte die Gerichtsstandsregelung als in­ tendierte Ermessensvorschrift formuliert werden. Problematisch ist ferner, dass § 11a StPO aufgrund des Bezugs auf die „besondere Auslandsverwendung“ bestimmte Auslandseinsätze von der Zu­ ständigkeit ausnimmt, obwohl dies nicht beabsichtigt war. Deshalb bietet sich eine Änderung des Wortlauts an, der in erster Linie nicht auf die be­ sondere Auslandsverwendung, sondern den Auslandseinsatz abstellt.194

194  Für

einen konkreten Gesetzgebungsvorschlag siehe unten, Schluss, B., I.

Kapitel 4

Strafprozessuale Ermittlungen im Auslandseinsatz „Sobald die Staatsanwaltschaft […] von dem Verdacht einer Straftat Kenntnis erhält, hat sie […] den Sachverhalt zu erforschen.“ Diese Vorgabe des § 160 Abs. 1 StPO lässt sich beim Verdacht einer Straftat eines Bundes­ wehrsoldaten im Auslandseinsatz schon aufgrund der Entfernung nicht ohne Weiteres verwirklichen. Darüber hinaus erweisen sich Ermittlungen vor Ort aber auch aus rechtlichen Gründen als problematisch.

A. Strafprozessrechtliche (Un-)Zulässigkeit Am einfachsten könnten Ermittlungen durchgeführt werden, wenn der zuständige Staatsanwalt und seine Ermittlungspersonen in den Aufnahme­ staat, d. h. in den Staat, in dem die Soldaten eingesetzt sind, reisen und dort wie bei einer in Deutschland begangenen Straftat den Tatort besichtigen, Beweise sichern, Zeugen vernehmen usw. könnten. Damit die deutsche Staatsanwaltschaft im Ausland Ermittlungshandlungen nach der Strafpro­ zessordnung vornehmen dürfte, müsste diese im Ausland aber überhaupt anwendbar sein. § 1 EGStPO sah als räumlichen Geltungsbereich das gesamte Reich vor. Dementsprechend gilt die Strafprozessordnung nach allgemeiner Auffassung nur für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik.195 Fraglich ist aber, wie sich die Aufhebung des § 1 EGStPO durch das „Erste Gesetz über die Bereinigung von Bundesrecht im Zuständigkeits­ bereich des Bundesministeriums der Justiz“ vom 19. April 2006196 aus­ gewirkt hat. Es ließe sich argumentieren, dass damit auch die Beschränkung des räumlichen Geltungsbereichs auf die Bundesrepublik aufgehoben wur­ de. Jedoch lässt sich der Begründung des Gesetzentwurfs entnehmen, dass 195  BGH NStZ 2009, 464; Birke, Strafverfolgung nach dem NATO-Truppenstatut, S. 226; Gercke, in: HK, § 153c Rn. 4; Meyer-Goßner, § 10 Rn. 1; Zöller, in: HK, § 10 Rn. 2; Lemke, in: HK, Einl. Rn. 13; Erb, in: LR, § 10 Rn. 1; Beulke, in: LR, § 153c Rn. 9; Spring, Brauchen wir in Deutschland eine Militärgerichtsbarkeit?, S. 68; Diemer, in: KK, § 153c Rn. 6. 196  BGBl. I 2006, S. 866.

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Teil 1, Kap. 4: Strafprozessuale Ermittlungen im Auslandseinsatz

§ 1 EGStPO mit Inkrafttreten der Strafprozessordnung vollzogen worden und damit überflüssig geworden sei. Außerdem sollten „überflüssige ‚Reichsbegriffe‘ “ entfernt werden.197 Dass § 1 EGStPO auch für die Be­ stimmung des Geltungsbereichs der Strafprozessordnung von Bedeutung war, hatte der Gesetzgeber offensichtlich übersehen. Zwar wäre eine Ände­ rung des § 1 EGStPO, die klarstellt, dass der Geltungsbereich der Strafpro­ zessordnung die Bundesrepublik Deutschland umfasst, wünschenswert ge­ wesen. Es ist jedoch aus vorgenannten Gründen nicht davon auszugehen, dass Änderungen bezüglich des Geltungsbereichs getroffen werden sollten. Er umfasst also weiterhin das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik; bei der Streichung handelt es sich bloß um ein Redaktionsversehen. An der Beschränkung der Anwendbarkeit der StPO auf die Bundesrepu­ blik ändern auch Regelungen, die die deutsche Strafgewalt auf Taten, die außerhalb der Bundesrepublik begangen wurden, ausdehnen, nichts. Durch solche wird lediglich der Geltungsbereich des materiellen, nicht aber der des formellen Strafrechts, des Strafverfahrensrechts ausgedehnt.198 So wird also auch durch § 1a Abs. 2 WStG, der das deutsche Strafrecht auf Taten von Soldaten im Ausland erstreckt, der Geltungsbereich der StPO nicht erweitert. Aufgrund des auf das Bundesgebiet begrenzten räumlichen Geltungsbe­ reichs der StPO sind staatsanwaltschaftliche Ermittlungshandlungen im Ausland also nicht möglich.199

B. Völkerrechtliche (Un-)Zulässigkeit Als noch erheblich problematischer erweist sich die völkerrechtliche Zu­ lässigkeit von Ermittlungshandlungen auf fremdem Staatsgebiet. Nach dem völkergewohnheitsrechtlich anerkannten Souveränitätsgrundsatz übt jeder Staat exklusiv die Hoheit über sein Staatsgebiet aus.200 Daraus folgt, dass es den Staaten grundsätzlich untersagt ist, Hoheitsakte jeder Art auf frem­ dem Staatsgebiet zu setzen.201 Strafprozessuale Ermittlungshandlungen im Ausland verstoßen also gegen Völkerrecht und sind damit unzulässig, sofern 197  BT-Drucks.

16 / 47, S.  63. dazu etwa BGH NStZ 2009, 464; Gercke, in: HK, § 153c Rn. 4; Beulke, in: LR, § 153c Rn. 9. 199  Birke, Strafverfolgung nach dem NATO-Truppenstatut, S. 226. 200  Siegrist, Hoheitsakte auf fremdem Staatgebiet, S. 7–9; Birke, Strafverfolgung nach dem NATO-Truppenstatut, S. 163 f.; Scheidler, NZWehrR 2007, 116; Hermsdörfer, NZWehrR 1997, 100. 201  Vgl. Siegrist, Hoheitsakte auf fremdem Staatgebiet, passim. 198  Vgl.



B. Völkerrechtliche (Un-)Zulässigkeit77

der Aufnahmestaat sie nicht gestattet.202 Dem gegenüber steht der Grundsatz der Personalhoheit. Danach ist jeder Staat befugt, Gerichtsbarkeit über seine Militärangehörigen auszuüben, was insbesondere für die Aufrechterhaltung von Disziplin und Ordnung Bedeutung hat.203 In Truppenstationierungsabkommen204 vereinbaren der Aufnahme- und der Entsendestaat Bedingungen für die Stationierung fremder Truppen im eige­ nen Hoheitsgebiet.205 Diese Abkommen regeln unter anderem, unter welchen Voraussetzungen Aufnahme- oder Entsendestaat ihre Strafgerichtsbarkeit ausüben.206 Dabei ist es üblich, dass – als Ausfluss der Staatenimmunität – die Strafverfolgungskompetenz für Taten, die in Ausübung des Dienstes be­ gangen wurden, ausschließlich dem Entsendestaat übertragen wird.207 Da es sich aber um Truppenstationierungsabkommen handelt, sehen diese regelmäßig nur die Stationierung Militärangehöriger vor. Sinn und Zweck ist es nämlich gerade, den Status des Militärs, nicht jedoch den der übrigen (Strafverfolgungs-)Behörden des Entsendestaates im Aufnahmestaat zu re­ geln. Zwar ist von der Erlaubnis, Soldaten im Aufnahmestaat zu stationie­ ren, regelmäßig auch umfasst, dass Militärbehörden Strafgerichtsbarkeit ausüben dürfen. Dies rührt jedoch daher, dass die Disziplinargewalt allein dem Entsendestaat zusteht, Militärgerichte der Aufrechterhaltung der Diszi­ plin dienen und Streitkräften deshalb üblicherweise auch Militärgerichte angehören, die über die Soldaten urteilen.208 Da Militär und Militärgerichts­ barkeit, wo eine solche vorhanden ist, also untrennbar miteinander verbun­ den sind und die Gerichte der Durchsetzung der Disziplinargewalt dienen, erlaubt der Aufnahmestaat mit der Stationierung militärischer Kräfte auch die Stationierung von Militärgerichten.209 Auch wenn dies nicht ausdrücklich in Truppenstationierungsabkommen genannt wird, muss von dieser Befugnis, die Disziplinargewalt auszuüben, 202  Siegrist, Hoheitsakte auf fremdem Staatgebiet, S. 149; Birke, Strafverfolgung nach dem NATO-Truppenstatut, S. 163 f. 203  Scheidler, NZWehrR 2007, 116, 118. 204  Regelmäßig werden Truppenstationierungsabkommen nicht veröffentlicht, so­ dass hierzu nur auf Sekundärliteratur zurückgegriffen werden kann. 205  Vashakmadze, Die Stationierung fremder Truppen im Völkerrecht und ihre demokratische Kontrolle, S. 110. 206  Vashakmadze, Die Stationierung fremder Truppen im Völkerrecht und ihre demokratische Kontrolle, S. 110; Raap, UBWV 2004, 182. 207  Fleck / Addy, The handbook of the law of visiting forces, S. 103. 208  Vgl. entsprechend zum Strafzweck des Wehrstrafrechts Schwind, Umfang und Träger der Wehrstrafgerichtsbarkeit, S. 104; Moschall, Die Wehrstrafgerichtsbarkeit seit 1871 unter besonderer Berücksichtigung verfassungsrechtlicher Probleme, S. 65; Müller, NZWehrR 1960, 12; Buckel, Wehrgerichtsbarkeit und Verfassung, S. 3, 26. 209  Vgl. Lazareff, Status of military forces under current international law, S. 135.

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Teil 1, Kap. 4: Strafprozessuale Ermittlungen im Auslandseinsatz

auch die Befugnis umfasst sein, jedenfalls Ermittlungen ohne die Anwen­ dung von Zwang, wie Zeugenbefragungen oder die Untersuchung des Tat­ orts, durchzuführen. Gegenüber eigenen Militärangehörigen müssen hinge­ gen kraft Natur der Sache auch Zwangsmaßnahmen zulässig sein, da an­ sonsten eine Aufrechterhaltung der Disziplin nicht möglich ist. Disziplinarermittlungen müssen dem Entsendestaat also auch innerhalb des Aufnahmestaates möglich sein. Nach Birke soll dies jedoch nicht für strafprozessuale Ermittlungen gelten, weil allein solche Maßnahmen gestat­ tet würden, die der Aufrechterhaltung von Disziplin und Ordnung dienten, Strafverfolgung aber gerade nicht hierunter fiele.210 Dabei ist jedoch zu beachten, dass eine Straftat im Dienst stets auch ein Dienstvergehen dar­ stellt211 und strafprozessuale Ermittlungen zumindest auch der Aufrechter­ haltung der Disziplin dienen und somit, auch wenn man der Auffassung Birkes folgt, nicht stets unzulässig sind. Als problematisch erweist sich aber, dass für die Verfolgung von Strafta­ ten von Soldaten im Auslandeinsatz nach geltendem deutschen Recht Staatsanwaltschaft und Polizei und damit zivile Behörden zuständig sind. Diese sind jedoch nicht von den Truppenstationierungsabkommen umfasst. Grund hierfür ist, dass gerade die allgemeine Strafgerichtsbarkeit als Inbe­ griff staatlicher Souveränität betrachtet wird.212 Dass den Militärbehörden des Entsendestaates Ermittlungen gestattet werden, liegt darin begründet, dass diese Disziplinargewalt, die untrennbar mit der Stationierung des Mi­ litärs verbunden ist, ausüben. Toleriert der Aufnahmestaat zwar die Aufnah­ me der gesamten militärischen Infrastruktur, so findet dies bei den zivilen Strafverfolgungsbehörden seine Grenze.213 Eigenständige Ermittlungshand­ lungen deutscher Polizisten oder Staatsanwälte sind von der Erlaubnis durch Truppenstationierungsabkommen deshalb regelmäßig nicht umfasst. Zwar besteht die Möglichkeit sogenannter Ad-hoc-Bewilligungen, dass also der Aufnahmestaat den deutschen Strafverfolgungsbehörden im Einzel­ fall gestattet, Ermittlungen durchzuführen.214 Doch dürfte eine entsprechen­ de Praxis aufgrund ihrer Unsicherheit kaum zu befriedigenden Ergebnissen und Rechtssicherheit führen. Auch aus völkerrechtlicher Sicht ist es den derzeit zur Strafverfolgung berufenen Behörden also nicht möglich, bei Auslandstaten von Soldaten im Einsatzland zu ermitteln.

210  Birke,

Strafverfolgung nach dem NATO-Truppenstatut, S. 173. sogleich. 212  Lazareff, Status of military forces under current international law, S. 135. 213  Lazareff, Status of military forces under current international law, S. 135. 214  Siegrist, Hoheitsakte auf fremdem Staatgebiet, S. 162. 211  Hierzu



C. Derzeitige Behelfspraxis79

C. Derzeitige Behelfspraxis Deshalb wird die Beweisaufnahme vor Ort in der Regel von Angehörigen der Bundeswehr auf folgender Grundlage durchgeführt:215 Gemäß § 17 Abs. 2 SG muss das Verhalten des Soldaten „dem Ansehen der Bundeswehr sowie der Achtung und dem Vertrauen gerecht werden, die sein Dienst als Soldat erfordert. Außer Dienst hat sich der Soldat außerhalb der dienstlichen Unterkünfte und Anlagen so zu verhalten, dass er das An­ sehen der Bundeswehr oder die Achtung und das Vertrauen, die seine dienstliche Stellung erfordert, nicht ernsthaft beeinträchtigt.“ Begeht der Soldat im Dienst eine Straftat, wird er dieser Anforderung nicht gerecht und begeht damit stets ein Dienstvergehen;216 außer Dienst ist dies regelmäßig ebenso der Fall.217 Erfährt der Disziplinarvorgesetzte von Tatsachen, „die den Verdacht eines Dienstvergehens rechtfertigen, hat der Disziplinarvorgesetzte [gemäß § 32 Abs. 1 S. 2 WDO, F. S.] den Sachverhalt durch die erforderlichen Ermittlungen aufzuklären.“ Somit ist er verpflich­ tet, im Fall einer Straftat während – und regelmäßig auch außerhalb – des Dienstes den Sachverhalt zu erforschen, soweit es sich dabei um ein Dienst­ vergehen handelt. Dabei wird diese Pflicht flankiert von § 32 Abs. 2 WDO, der – wie für die Staatsanwaltschaft § 160 Abs. 3 StPO – bestimmt, dass der Disziplinar­ vorgesetzte sowohl die belastenden als auch die entlastenden Tatsachen zu ermitteln hat. Soweit es um die Aufklärung des Sachverhalts geht, gilt hier das Legalitätsprinzip, der Disziplinarvorgesetzte hat also kein Ermessen, ob er Ermittlungen aufnimmt.218 Hieraus folgt jedoch nicht, dass er originär für die Aufklärung der Straftat zuständig wäre. Vielmehr stellt er seine Ermittlungsergebnisse lediglich im Wege der „Abgabe an die Staatsanwaltschaft“219 gemäß § 33 Abs. 3 S. 1 WDO zur Verfügung.220 Zu dieser förmlichen Benachrichtigung der Staatsanwalt­ schaft221 ist er verpflichtet, wenn es sich bei der Straftat zugleich um ein bereits Stam, ZIS 2010, 628. WDO, § 17 Rn. 20; Heinen, Rechtsgrundlagen Feld­ jägerdienst, S. 363. 217  Scherer / Alff / Poretschkin, § 17 Rn. 27; Heinen, Rechtsgrundlagen Feldjäger­ dienst, S. 363. 218  Vgl. Dau, WDO, § 32 Rn. 6. 219  Umfassend hierzu Neuroth, Die Abgabe einer Sache an die Strafverfolgungsbe­ hörde nach § 29 Abs. 3 S. 1 WDO – eine wehrrechtlich-kriminologische Untersuchung, passim; vgl. zudem ders., NZWehrR 1990, 7–21; Dau, NZWehrR 1982, 1–7. 220  Weber, in: Recht und Militär, S. 141, 148. 221  Dau, WDO, § 33 Rn. 23. 215  Hierzu

216  Scherer / Alff / Poretschkin,

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Teil 1, Kap. 4: Strafprozessuale Ermittlungen im Auslandseinsatz

Dienstvergehen handelt und „dies entweder zur Aufrechterhaltung der mili­ tärischen Ordnung oder wegen der Art der Tat oder der Schwere des Un­ rechts oder der Schuld geboten ist.“ Wann dies der Fall ist, regelt der soge­ nannte „Abgabeerlass“222. Darin wird zwischen „besonders schweren Straftaten“, die stets abzugeben sind, „schweren Straftaten“, die regelmäßig abzugeben sind, und „übrigen Straftaten“, bei denen der Disziplinarvorge­ setzte in eigener Verantwortung entscheidet, unterschieden. Bei einer Straf­ tat eines Soldaten im Auslandseinsatz entscheidet über die Abgabe nicht, wie sonst, der nächste Vorgesetzte, sondern der nationale Befehlshaber im Einsatzland.223 Mit dem Mechanismus der Abgabepflicht soll verhindert werden, dass Straftaten in der Bundeswehr vertuscht werden, was die Disziplin gefährden würde; er dient also nur mittelbar der Strafrechtspflege, primär hingegen der Aufrechterhaltung der Disziplin innerhalb der Bundeswehr.224 Hiermit er­ klärt sich auch, weshalb der Disziplinarvorgesetzte nicht bei jeder Straftat, sondern nur dann zur Abgabe verpflichtet ist, wenn diese mit einem Dienst­ vergehen zusammenfällt. Entsprechend ist der Disziplinarvorgesetzte nicht Garant für die Strafverfolgung, also nicht zur Mitwirkung am Strafverfahren verpflichtet.225 Das ist auch deshalb sachgerecht, weil der juristisch regel­ mäßig unkundige Disziplinarvorgesetzte mit der Mitwirkung am Strafver­ fahren im Gegensatz zu Polizisten oder Staatsanwälten regelmäßig nur eine Nebenpflicht erfüllt.226 Konsequenterweise enthält § 40 Abs. 1 Nr. 2 WStG, der die unterlassene Abgabe pönalisiert, deshalb eine gegenüber der Straf­ vereitelung durch Unterlassen nach §§ 258, 258a StGB in Verbindung mit § 13 StGB deutlich geringere Strafdrohung.227 Die entsprechenden Ermittlungen muss der (auch kriminalistisch regelmä­ ßig unkundige) Disziplinarvorgesetzte nicht selbst vornehmen, sondern kann sie gemäß § 32 Abs. 2 S. 1 WDO einem Offizier übertragen. Die Aufklärung des Sachverhalts überträgt der Disziplinarvorgesetzte deshalb in rechtlich und tatsächlich schwerwiegenden Fällen, wie etwa dem eines Tötungsdelikts, regelmäßig dem Rechtsberater228, der von Feldjägern unterstützt wird.229 222  ZDv

14 / 3 B117. WDO, § 33 Rn. 28; vgl. auch ZDv 14 / 3 B117, Abschnitt 7, Nr. 1–3. 224  Schwenck, Wehrstrafrecht, S. 198; Dau, in: MüKo, § 40 WStG Rn. 1; ders., in: Erbs / Kohlhaas, § 40 WStG Rn 3; Lingens / Korte, § 40 Rn. 1a. 225  Dau, in: MüKo, § 40 WStG Rn. 1. 226  Vgl. Lingens / Korte, § 40 Rn. 1a. 227  Lingens / Korte, § 40 Rn. 1a; Dau, in: MüKo, § 40 WStG Rn. 19; Dau, in: Erbs / Kohlhaas, §  40 WStG Rn.  2. 228  Hierbei handelt es sich um den persönlichen Berater des Kommandeurs, den er in rechtlichen Fragen berät. Ausführlich zum Rechtsberater etwa Bunzen, Der 223  Dau,



C. Derzeitige Behelfspraxis81

Diese Vorgehensweise ist jedoch im Hinblick auf die vom EGMR statu­ ierte Pflicht, unabhängige Ermittlungen durchzuführen, bedenklich. Denn nach dieser Rechtsprechung müssen die Ermittler unabhängig von den in den Vorfall Verwickelten sein,230 was bedeutet, dass sie nicht Teil der selben Befehlskette wie die Verdächtigen sein dürfen;231 es soll nur unabhängigen Stellen, nicht hingegen militärischen Befehlshabern möglich sein, über das Ende oder die Fortdauer von Ermittlungen zu entscheiden.232 Dies ist bei der derzeitigen Praxis nicht der Fall, denn es ist der Vorgesetzte der Be­ schuldigten, für den die Feldjäger und der Rechtsberater ermitteln. Zwar bedeutet dies nicht unbedingt einen Verstoß gegen die EMRK. Denn dem EGMR kommt es vor allem anderen darauf an, dass die Untersuchung zur Identifizierung des Täters führen kann.233 Das Erfordernis der Unabhängig­ keit von der Befehlskette wird lediglich hieraus abgeleitet, was bedeutet, 229

Rechtsberater der Bundeswehr im Auslandseinsatz, passim; Baganz, Der Rechtsbe­ rater in der Bundeswehr, passim. 229  Weber, in: Recht und Militär, S. 141, 148 f.; Heinen, Rechtsgrundlagen Feld­ jägerdienst, S. 367. 230  EGMR, Kaya gegen die Türkei, Urteil vom 19.02.1998, Az.: 158 / 1996 / 777 / 978, Rn. 87; EGMR, Ogur gegen die Türkei, Urteil vom 20.05.1999, Az.: 21594  / 93, Rn. 91; EGMR, Gül gegen die Türkei, Urteil vom 14.12.2000, Az.: 22676  /  93, Rn. 91; EGMR, Kelly u. a. gegen das Vereinigte Königreich, Urteil vom 04.05.2001, Az.: 30054 / 96, Rn. 95; EGMR, Hugh Jordan gegen das Vereinigte Königreich, Ur­ teil vom 04.05.2001, Az.: 24746  /  94, Rn. 106; EGMR, Ahmet Özkan gegen die Türkei, Urteil vom 06.04.2004, Az.: 21689  /  93, Rn. 311; EGMR, Isayeva gegen Russland, Urteil vom 24.02.2005, Az.: 57950 / 00, Rn. 211; EGMR, Zelilof gegen Griechenland, Urteil vom 24.08.2007, Az.: 17060 / 03, Rn. 58; EGMR, Al-Skeini u. a. gegen das Vereinigte Königreich, Urteil vom 07.07.2011, Az.: 55721 / 07, Rn. 167. 231  EGMR, Ogur gegen die Türkei, Urteil vom 20.05.1999, Az.: 21594 / 93, Rn. 91; EGMR, Isayeva gegen Russland, Urteil vom 24.02.2005, Az.: 57950 / 00, Rn. 211. 232  EGMR, Al-Skeini u.  a. gegen das Vereinigte Königreich, Urteil vom 07.07.2011, Az.: 55721 / 07, Rn.  173. 233  EGMR, Ogur gegen die Türkei, Urteil vom 20.05.1999, Az.: 21594  /  93, Rn. 88; EGMR, Labita gegen Italien, Urteil vom 06.04.2000, Az.: 26772  /  95, Rn. 132; EGMR, Sevtap Veznedaroglu gegen die Türkei, Urteil vom 18.10.2000, Az.: 32357 / 96, Rn. 32; EGMR, Gül gegen die Türkei, Urteil vom 14.12.2000, Az.: 22676 / 93, Rn. 88; EGMR, Kelly u. a. gegen das Vereinigte Königreich, Urteil vom 04.05.2001, Az.: 30054 / 96, Rn. 96; EGMR, Hugh Jordan gegen das Vereinigte Kö­ nigreich, Urteil vom 04.05.2001, Az.: 24746 / 94, Rn. 107; EGMR, Ahmet Özkan gegen die Türkei, Urteil vom 06.04.2004, Az.: 21689 / 93, Rn. 312; EGMR, Sadik Önder gegen die Türkei, Urteil vom 08.04.2004, Az.: 28520 / 95, Rn. 42; EGMR, Isayeva gegen Russland, Urteil vom 24.02.2005, Az.: 57950 / 00, Rn. 210; EGMR, Isayeva gegen Russland, Urteil vom 24.02.2005, Az.: 57950 / 00, Rn. 211 f.; EGMR, Corsacov gegen Moldawien, Urteil vom 04.04.2006, Az.: 18944 / 02, Rn. 68; EGMR, Zelilof gegen Griechenland, Urteil vom 24.08.2007, Az.: 17060 / 03, Rn. 54; EGMR, Al-Skeini u.  a. gegen das Vereinigte Königreich, Urteil vom 07.07.2011, Az.: 55721 / 07, Rn.  166.

82

Teil 1, Kap. 4: Strafprozessuale Ermittlungen im Auslandseinsatz

dass eine Ermittlung, die zwar innerhalb der Befehlskette durchgeführt wird, aber dennoch zur Überführung und Bestrafung des Täters führen kann, nicht gegen die Verfolgungspflicht des Staates verstoßen muss. Dass Zweifel jedoch zulasten des Staates gehen müssen, ergibt sich aus dem Zusammenhang und dem Zweck der Verfolgungspflichten. Insgesamt mag die gegenwärtige Praxis also nicht unbedingt gegen die EMRK verstoßen, begünstigt jedoch Verstöße gegen die Verfolgungspflicht. I. Vernehmungen: Selbstbelastungsfreiheit und Wahrheitspflicht Wie in jedem Strafverfahren ist auch in solchen gegen Bundeswehrsolda­ ten im Auslandseinsatz der Erkenntnisgewinn aufgrund von Vernehmungen insbesondere des Beschuldigten von zentraler Bedeutung. Dass eine Verneh­ mung vor Ort durch einen Vorgesetzten oder durch von diesem beauftragte Personen erfolgt, erweist sich vor dem Hintergrund des § 13 Abs. 1 SG als problematisch. Danach ist der Soldat verpflichtet, in dienstlichen Angelegen­ heiten die Wahrheit zu sagen, wozu auch zählt, dass er vollständig über alles, was dienstlich relevant sein könnte, Auskunft geben muss.234 Die Wahrheits­ pflicht erklärt sich mit der militärischen Notwendigkeit, ein klares Bild der Lage zu erhalten,235 von der im Ernstfall Leben abhängen können.236 Im Strafverfahren steht dem jedoch der verfassungsrechtlich verbürgte, rechtsstaatlich fundamentale Grundsatz gegenüber, dass niemand gezwun­ gen werden darf, im Strafverfahren an der eigenen Überführung mitzuwir­ ken („nemo tenetur se ipsum accusare“), der aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG sowie dem Rechtsstaatsprinzip folgt.237 Die uneinge­ schränkte Geltung der Wahrheitspflicht nebst vollständiger Verwertung der Aussage im Strafverfahren, die diesen Grundsatz völlig aushöhlen würde, wäre mit Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG unvereinbar238 234  Poretschkin, DRiZ 2009, 288; Scherer / Alff / Poretschkin, § 13 Rn. 4–4c; Weniger, § 13 Rn. 3; Walz, in: Walz / Eichen / Sohm, §  13 Rn.  24; Stauf, in: Stauf, § 13 SG Rn. 4. 235  Poretschkin, DRiZ 2009, 288. 236  Scherer / Alff / Poretschkin, § 13 Rn. 1. 237  Vgl. BVerfGE 56, 37, dort insbesondere S. 42 („Ein Zwang zur Selbstbezich­ tigung berührt zugleich die Würde des Menschen, dessen Aussage als Mittel gegen ihn selbst verwendet wird.“) und S. 49 („Unzumutbar und mit der Würde des Men­ schen unvereinbar wäre ein Zwang, durch eigene Aussagen die Voraussetzungen für eine strafgerichtliche Verurteilung oder die Verhängung entsprechender Sanktionen liefern zu müssen.“); daneben wird dieses Recht durch Art. 14 Abs. 3 lit. g IPbpR sowie Art. 6 Abs. 3 EMRK geschützt; umfangreiche Nachweise zum Schrifttum etwa bei Gleß, in: LR, § 136; Kölbel, Selbstbelastungsfreiheiten. 238  So in Bezug auf den damaligen § 100 KO BVerfGE 56, 37, 41–52.



C. Derzeitige Behelfspraxis83

und würde daneben auch gegen die Wesensgehaltsgarantie aus Art. 19 Abs. 2 GG verstoßen. „Das Schweigerecht [des Beschuldigten im Strafver­ fahren, F. S.] wäre illusorisch, wenn eine außerhalb des Strafverfahrens er­ zwungene Selbstbezichtigung gegen seinen Willen strafrechtlich gegen ihn verwertet werden dürfte.“239 Daher dürfen außerprozessual unter dem Zwang einer Auskunftspflicht zustande gekommene Aussagen des Beschuldigten im Strafverfahren gegen ihn nicht verwertet werden.240 Um diesen Konflikt aufzulösen, bestehen prinzipiell zwei Möglichkeiten, nämlich erstens dem grundsätzlich auskunftspflichtigen Soldaten bei Gefahr der Selbstbezichtigung ein Auskunftsverweigerungsrecht zuzugestehen241 oder es zweitens bei der vollumfänglichen Auskunftspflicht zu belassen und die Aussage mit einem Verwertungsverbot im Strafverfahren zu belegen.242 Der ersten Alternative entspricht die Regelung des § 32 Abs. 4 S. 3 WDO, nach der es dem Soldaten im Disziplinarverfahren freisteht, auszu­ sagen oder nicht. § 32 Abs. 4 S. 4 WDO stellt jedoch klar, dass er im Fall einer Aussage die Wahrheit sagen muss, er also insofern an § 13 Abs. 1 239  BVerfGE

56, 37, 51. 56, 37, 51; Streck, StV 1981, 362, 363; Dingeldey, NStZ 1984, 529, 532; Rüping / Kopp, NStZ 1997, 530, 534; Bittmann / Molkenbur, wistra 2009, 373, 375; Rogall, in: FS Kohlmann, S. 465, 468 f.; Wulf, wistra 2006, 89, 90; Stürner, NJW 1981, 1757, 1761; Reiß, NJW 1982, 2540, 2541; Joecks, in: Franzen / Gast /  Joecks, § 393 AO Rn. 72a; Hellmann, in: Hübschmann / Hepp / Spitaler, §  393 AO Rn. 156; Rogall, in: SK-StPO, Vor § 133 Rn. 144; Nothhelfer, Die Freiheit von Selbstbezichtigungszwang, S. 101; Röckl, Das Steuerstrafrecht im Spannungsfeld des Verfassungs- und Europarechts, S. 131; Kölbel, Selbstbelastungsfreiheiten, S. 71; ablehnend gegenüber der Begründung des BVerfG, im Ergebnis aber zumindest im hier interessierenden Kontext weitgehend übereinstimmend, Kleinheisterkamp, Kre­ ditwesengesetz und Strafverfahren, S. 272, 282, 350. 241  So spricht etwa BVerfG 56, 37, 50 diese Möglichkeit an, verneint aber für den Fall des § 100 KO ein Auskunftsverweigerungsrecht, da „nur durch eine unein­ geschränkte Auskunftspflicht […] der Gemeinschuldner daran gehindert werden [könne], Teile der Konkursmasse dem berechtigten Zugriff seiner Gläubiger zu ent­ ziehen“; ebenso Rogall, in: FS Kohlmann, S. 465, 467; nach Reiß, NJW 1982, 2540, 2541, soll das Auskunftsverweigerungsrecht der Regelfall, ein Verwertungsverbot nur die Ausnahme sein; entsprechende Regelungen finden sich z. B. in § 17 Abs. 6 Arbeitszeitgesetz, § 64 Abs. 5 Arzneimittelgesetz, § 44 Abs. 4 Außenwirtschaftsge­ setz, § 52 Abs. 3 Bundesnaturschutzgesetz, § 4 Abs. 4 Fahrpersonalgesetz, § 22 Abs. 3 Gaststättengesetz, § 44 Abs. 6 Kreditwesengesetz, § 40 Abs. 4 Kreislaufwirt­ schafts- und Abfallgesetz, § 44 Abs. 2 S. 2 Lebensmittel-, Bedarfsgegenstände- und Futtermittelgesetzbuch, § 16 Abs. 4 Tierschutzgesetz; angelehnt an die Auflistung von Auskunfts-, Aufzeichnungs-, Dokumentations- und Vorlagepflichten bei Bärlein / Pananis / Rehmsmeier, NJW 2002, 1825, 1826. 242  Nothhelfer, Die Freiheit von Selbstbezichtigungszwang, S. 102 f., favorisiert ein Recht zur Auskunftsverweigerung, hält aber auch ein bloßes Verwertungsverbot für verfassungskonform, sofern ein öffentliches Informationsbedürfnis besteht. 240  BVerfGE

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Teil 1, Kap. 4: Strafprozessuale Ermittlungen im Auslandseinsatz

SG gebunden bleibt. Dies erklärt sich damit, dass sich die militärische Führung auch bei Aussagen im Disziplinarverfahren auf die Wahrheit der Aussage verlassen können muss.243 Diese Abmilderung der Auskunfts­ pflicht des § 13 Abs. 1 SG gilt jedoch nur in einer Vernehmung nach § 32 Abs. 2 S. 2 WDO. Voraussetzung ist also, dass bereits der Verdacht eines Disziplinarverstoßes vorliegt und dieser aufgeklärt werden soll.244 Anderes gilt jedoch für den Fall, dass zur Zeit der Auskunft noch kein Verdacht besteht, deshalb also keine Vernehmung im Sinne des § 32 WDO durchgeführt wird, sondern dieser erst durch eine wahrheitsgemäße Aussage geschöpft wird. In diesem Fall gilt und muss die Wahrheitspflicht nach § 13 Abs. 1 SG uneingeschränkt gelten. Offenkundig wird dies im (fiktiven) Beispiel deutscher Soldaten, die nach einer Patrouillenfahrt mit aufge­ brauchter Munition in ihr Lager zurückkehren.245 Offensichtlich ist hier et­ was vorgefallen, das die Beteiligten in den Verdacht einer Straftat und damit eines Dienstvergehens bringen kann. Ihnen in dieser Situation ein Aus­ kunftsverweigerungsrecht zuzugestehen, könnte aber zu erheblichen Gefah­ ren führen, etwa wenn sie einem Angriff gegnerischer Kämpfer ausgesetzt waren. Der Konflikt kann nicht auf Ebene der Auskunftspflicht selbst gelöst werden, weil von der vollständigen Aufklärung des Vorfalls Entscheidendes abhängen kann. Vielmehr kann der Konflikt nur auf Ebene der strafprozes­ sualen Verwertung der Auskunft gelöst werden.246 Letztlich sind § 13 Abs. 1 SG und § 32 Abs. 4 S. 3 WDO das Ergebnis einer Interessenabwägung. Beim „ersten Zugriff“ auf den Soldaten unter­ liegt dieser der Wahrheitspflicht nach § 13 Abs. 1 SG, da man ein klares Lagebild benötigt, um eventuelle Gefahren abzuwenden. Wird später ein Disziplinarverfahren gegen ihn durchgeführt, besteht eine solche Gefahr in der Regel nicht mehr, weshalb ihm ein Auskunftsverweigerungsrecht zuge­ standen werden kann. Dennoch beeinträchtigt die Wahrheitspflicht, die in beiden Konstella­ tionen – anders als im Strafverfahren – besteht, den Soldaten in seiner Selbstbelastungsfreiheit. Dass dieses Problem in der Vernehmung nach § 32 Abs. 4 WDO durch das Auskunftsverweigerungsrecht abgemildert wird, 243  Dau,

WDO, § 32 Rn. 33. ergibt sich daraus, dass § 32 WDO gerade der Aufklärung von Diszipli­ narverstößen dient. 245  Angelehnt an das Beispiel bei Poretschkin, DRiZ 2009, 288. 246  So auch Poretschkin, DRiZ 2009, 288; die Einschränkung von Weniger, § 13 Rn. 3, wonach „[d]ie Wahrheitspflicht […] ihre Grenzen aber dort [hat], wo die Interessen des Dienstgebers gegenüber dem Recht des Soldaten zurücktreten, sich nicht selbst zu belasten“, mag zutreffen, jedoch wird insbesondere im Auslandsein­ satz das Interesse an der Aufrechterhaltung der Sicherheit stets überwiegen. 244  Dies



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nimmt die Belastung für den Soldaten zwar etwas zurück. Eine unbe­ schränkte Verwertung der Aussage im Strafverfahren bleibt verfassungs­ rechtlich dennoch bedenklich, und es kommt deshalb ein entsprechendes Verwertungsverbot in Betracht. Denn obwohl § 244 Abs. 2 StPO das Gericht zur Erforschung der Wahrheit verpflichtet, findet im Strafverfahren keine Wahrheitserforschung um jeden Preis statt;247 sie darf nur mit rechtlich zulässigen Mitteln durchgeführt werden.248 Rechtlich unzulässige Beweis­ mittel dürfen nicht in die gemäß § 261 StPO grundsätzlich freie Beweis­ würdigung einbezogen, bei der Urteilsfindung also nicht berücksichtigt werden.249 1. Verwertungsverbot nach § 136a Abs. 1 S. 3, Abs. 3 S. 2 StPO Aus § 136a Abs. 1 S. 3, Abs. 3 S. 2 StPO kann sich ein solches Ver­ wertungsverbot jedoch nicht ergeben. Danach ist die Verwertung einer Aussage zwar ausgeschlossen, wenn sie aufgrund Zwangs zustande gekom­ men ist,250 und es läge deshalb nah, in der vorliegenden Konstellation ein entsprechendes Verwertungsverbot anzunehmen. Doch ist zu beachten, dass § 136a StPO Teil des Zehnten Abschnitts „Vernehmung des Beschuldigten“ ist und sich deshalb nur auf solche, also Beschuldigtenvernehmungen, be­ zieht. Ungeachtet der umstrittenen Frage, ab wann ein Beschuldigter als solcher zu gelten hat,251 handelt es sich jedenfalls bei der Vernehmung durch den Disziplinarvorgesetzten – oder durch von diesem beauftragte Personen – nicht um eine strafprozessuale Vernehmung. Denn bei letzterer muss es – auch wenn einiges umstritten sein mag252 – um strafrechtliche Ermittlungen gehen; der Disziplinarvorgesetzte führt aber gerade nicht die­ se, sondern disziplinarrechtliche Ermittlungen durch. Ein Verwertungsverbot nach § 136a Abs. 1 S. 3, Abs. 3 S. 2 StPO scheidet also aus.

247  BGHSt 248  Vgl.

14, 358, 365. nur Eisenberg, Beweisrecht der StPO, Rn. 329; Beulke, Strafprozessrecht,

Rn. 454. 249  Vgl. nur Eisenberg, Beweisrecht der StPO, Rn. 356; Ott, in: KK, § 261 StPO Rn. 34. 250  Dem Wortlaut nach ist zwar nur die Verwertung einer Aussage unzulässig, die unter strafverfahrensrechtlich unzulässigem Zwang zustande gekommen ist, jedoch ist Zwang zur Erlangung einer Aussage im Strafverfahren stets unzulässig, vgl. § 136 Abs. 1 S. 2 StPO. 251  Vgl. zum Streitstand nur Gleß, in: LR, § 136 Rn. 4–6 mit umfangreichen Nachweisen; Beulke, Strafprozessrecht, Rn.  111 f. 252  Vgl. hierzu etwa Gleß, in: LR, § 136 Rn. 12 f., 57.

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Teil 1, Kap. 4: Strafprozessuale Ermittlungen im Auslandseinsatz

2. Verfassungsunmittelbares Verwertungsverbot a) Begründung Jedoch kommt ein Verwertungsverbot unmittelbar aus den soeben skiz­ zierten Verfassungsgrundsätzen in Betracht. Hierzu ist zunächst kurz auf den oben bereits genannten „Gemeinschuldnerbeschluss“ des Bundesverfas­ sungsgerichts zu § 100 KO einzugehen. Hierin führt das Bundesverfas­ sungsgericht aus: „Die Konkursordnung begnügt sich damit, die Aussagepflicht des Gemeinschuld­ ners anzuordnen und deren Erzwingung zu regeln, ohne gleichzeitig ein strafrecht­ liches Verwertungsverbot vorzusehen. Die insoweit bestehende Lücke zu schlie­ ßen, obliegt grundsätzlich dem Gesetzgeber, zumal nur er das Verwertungsverbot näher ausgestalten […] kann. Erweist sich aber eine aus vorkonstitutioneller Zeit überkommene Regelung aus verfassungsrechtlichen Gründen als ergänzungsbe­ dürftig, dann stellt sich auch für die Richter die Aufgabe, Gesetzeslücken bis zu einer Neuregelung durch den Gesetzgeber in möglichst enger Anlehnung an das geltende Recht und unter Rückgriff auf die unmittelbar geltenden Vorschriften der Verfassung zu schließen […].“253

Wohl aus dem letzten Satz wird teilweise gefolgert, dass ausschließlich in Fällen vorkonstitutionellen Rechts ein verfassungsunmittelbares Verwer­ tungsverbot in Betracht komme.254 Dies kann jedoch nicht überzeugen. Gemäß Art. 1 Abs. 3 GG ist alle staatliche Gewalt an die Grundrechte, also auch an den Grundsatz der Selbstbelastungsfreiheit, gebunden. Somit darf kein Gericht ein Urteil fällen, das aufgrund eines verfassungswidrigen Ver­ fahrens zustande gekommen ist.255 Eine Beschränkung eines Verwertungs­ verbots auf aufgrund vorkonstitutioneller Aussagepflichten erlangter Aussa­ gen ist folglich abzulehnen.256 Somit folgt ein strafprozessuales Verwer­ 253  BVerfGE

56, 37, 51. wistra 2003, 47, 48 f.; Röckl, Das Steuerstrafrecht im Spannungsfeld des Verfassungs- und Europarechts, S. 128 f.; Nothhelfer, Die Freiheit von Selbstbezich­ tigungszwang, S. 26. 255  Dabei ist das Verbot, eine unter der Wahrheitspflicht zustande gekommene Aussage zu verwerten, davon zu unterscheiden, § 13 Abs. 1 SG und die dort enthal­ tene Wahrheitspflicht aufgrund (angeblicher) Verfassungswidrigkeit nicht anzuwen­ den. Letzteres wäre in der Tat nicht möglich, da die insofern erforderliche Normver­ werfungskompetenz allein dem Bundesverfassungsgericht zukommt, Art. 100 Abs. 1 S. 1 GG. 256  So im Ergebnis auch Bittmann / Rudolph, wistra 2001, 81, 83; Hellmann, in: Hübschmann / Hepp / Spitaler, §  393 AO Rn.  136; Sahan, Keine Steuererklärungs­ pflicht bei Gefahr strafrechtlicher Selbstbelastung, S. 67; Wolff, Selbstbelastung und Verfahrenstrennung, S. 142–145, 204; die Ausführungen in BVerfGE 56, 37, 51 deuten meines Erachtens auch nicht auf das gegenteilige Ergebnis hin; vielmehr dürften sie sich damit erklären lassen, dass das BVerfG nur zur Konstellation vor­ 254  Böse,



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tungsverbot unmittelbar aus der Verfassung. Problematisch ist jedoch die Frage der Reichweite dieses Verbots.257 b) Reichweite Aus der Verfassung kann also abgeleitet werden, dass ein Verwertungs­ verbot besteht. Offen ist hingegen, wie weit dieses reicht. Bei der Frage der Reichweite von Verwertungsverboten handelt es sich um eine seit langem umstrittene Frage.258 Im Folgenden soll dieser Diskussion kein neuer, grundsätz­licher Lösungsansatz hinzugefügt, sondern lediglich eine konkrete Lösung des Problems, das sich aus der Wahrheitspflicht des Soldaten ergibt, gefunden werden. Deshalb wird kein auf Allgemeingültigkeit gerichteter, sondern ein auf Lösung eben dieses Konflikts fokussierter, induktiv gepräg­ ter Ansatz gewählt. Das heißt, es werden Regelungen aus anderen Zusam­ menhängen untersucht, in denen dasselbe Spannungsverhältnis zwischen Auskunftspflicht und Selbstbelastungsfreiheit besteht, und das Ergebnis wird auf den beschriebenen Konflikt bei Soldaten übertragen. Das Argu­ mentationsmuster ist dabei das Folgende. Erster Schritt (Begründung des Verwertungsverbots) – Deduktion: Dem Grundgesetz ist die Regel zu entnehmen, dass Aussagen eines (später) Be­ schuldigten, die dieser aufgrund einer Auskunftspflicht getätigt hat, in einem Strafverfahren gegen ihn nicht verwertet werden dürfen; Soldaten stehen in der Vernehmungssituation im Auslandseinsatz unter der Auskunftspflicht nach dem Soldatengesetz; Aussagen, die sie unter diesen Umständen täti­ gen, unterliegen deshalb einem Verwertungsverbot. Zweiter Schritt (Reichweite des Verwertungsverbots) – Induktion: In allen Fällen, in denen die Aussage eines (später) Beschuldigten wegen des Beste­ hens einer entsprechenden Auskunftspflicht in einem Strafverfahren gegen ihn nicht verwertet werden darf, besteht ein umfassendes Verwendungsver­ bot, das heißt die Aussage darf auch nicht zum Anlass weiterer Ermittlungen genommen werden; weil der Gesetzgeber alle identischen Konstellationen entsprechend geregelt hat, kann auf die Regel geschlossen werden, dass Aussagen, die unter einer Auskunftspflicht getätigt wurden, im Strafverfah­ ren gegen den Auskunftspflichtigen überhaupt nicht verwendet werden konstitutioneller Aussagepflichten Stellung nehmen musste und sich entsprechend hierauf beschränkte. 257  Auch Lingens, NZWehrR 2006, 150, 151, Poretschkin, DRiZ 2009, 288, 290, und Scherer / Alff / Poretschkin, § 13 Rn. 2 f., gehen von einem Verwertungsverbot aus, äußern sich aber nicht zu dessen Reichweite. 258  Zum Streitstand etwa Roxin / Schünemann, § 24 Rn. 59–64; Kühne, Rn. 912– 913; Eisenberg, Beweisrecht der StPO, Rn. 403–410; jeweils m. w. N.

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dürfen; hieraus ergibt sich, dass Aussagen eines Soldaten, die dieser unter der Wahrheitspflicht des § 13 SG getätigt hat, in einem Strafverfahren ge­ gen ihn überhaupt nicht verwendet werden dürfen. Im Folgenden ist die Prämisse des zweiten Schritts zu überprüfen, das heißt zu untersuchen, ob sämtliche identische Konfliktlagen durch ein um­ fassendes Verwendungsverbot aufgelöst werden. aa) § 97 Abs. 1 S. 3 Insolvenzordnung Gemäß § 97 Abs. 1 S. 1 InsO – der Nachfolgevorschrift des § 100 KO, mit der der Gesetzgeber die Vorgaben aus dem Gemeinschuldnerbeschluss des Bundesverfassungsgerichts umgesetzt hat259 – ist der Insolvenzschuld­ ner verschiedenen Personen zur Auskunft verpflichtet. Gemäß § 97 Abs. 1 S. 2 InsO gilt dies auch dann, wenn er sich hierdurch einer Straftat bezich­ tigt.260 Während der ursprüngliche Entwurf noch ein Verbot der Verwertung im Strafverfahren enthielt, heißt es in § 97 Abs. 1 S. 3 InsO, dass Auskünf­ te des Schuldners nicht ohne seine Zustimmung verwendet werden dürfen. Diese Änderung erfolgte auf Empfehlung des Rechtsausschusses des Bundestags,261 um – entsprechend der Absicht des Regierungsentwurfs – klarzustellen, „daß eine Auskunft des Schuldners ohne dessen Zustimmung auch nicht als Ansatz für weitere Ermittlungen dienen darf“.262 Dabei hat der hier benutzte Begriff der Verwendung seinen Ursprung im Datenschutz­ recht.263 Gemäß § 3 Abs. 4 BDSG meint Verwendung die Nutzung und Verarbeitung von Informationen. In Anbetracht dessen, dass der Begriff der Verwendung auf Anregung des Bundesdatenschutzbeauftragten eingefügt wurde, ist für § 97 Abs. 1 S. 3 InsO diese Bedeutung zugrunde zu legen. Mit Dencker ist deshalb davon auszugehen, dass ein Verbot der Verwendung – als ein Verbot jeglicher Nutzung oder Verarbeitung – ein „totales ‚Tabu‘ “ 259  Hefendehl, wistra 2003, 1, 2; Passauer / Stephan, in: MüKo-InsO, § 97 Rn. 4; Richter, wistra 2000, 1; vgl. insbesondere den Regierungsentwurf, BT-Drucks. 12 / 2443, S. 142: „Der Grundsatz der Auskunftspflicht ist in Absatz 1 Satz 1 in An­ lehnung an § 100 KO geregelt. Ergänzend wird klargestellt – im Anschluß an die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts […] –, daß sich die Auskunftspflicht auch auf Tatsachen erstreckt, die den Schuldner der Gefahr der Strafverfolgung aus­ setzen, daß insoweit allerdings ein Verbot besteht, die Auskunft ohne Zustimmung des Schuldners zu verwerten (Absatz 1 Satz 2, 3).“ 260  Grund für die Beibehaltung der Auskunftspflicht auch bei Gefahr der Selbst­ bezichtigung ist, dass oftmals allein der Gesamtschuldner über die erforderlichen Kenntnisse verfügt; vgl. BT-Drucks. 12 / 2443, S. 142. 261  BT-Drucks. 12 / 7302, S.  166. 262  BT-Drucks. 12 / 2443, S.  142. 263  Dencker, in: FS Meyer-Goßner, S. 237, 242: „Kind des Datenschutzrechts“; vgl. auch BT-Drucks. 12 / 7302, S. 166.



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statuiert und aufgrund der Auskunftspflicht erlangte Hinweise in keiner Weise zur Informationserhebung und -verarbeitung dienen dürfen, sei es als Beweis oder als Spurenansatz.264 Entsprechend wird in § 97 Abs. 1 S. 3 InsO nach ganz überwiegender Auf­ fassung ein solches Verbot jeglicher Verwendung gesehen.265 Der Gesetzge­ ber hielt es offensichtlich für ebenso wichtig wie selbstverständlich, dass das Verwertungsverbot, das im Gesamtschuldnerbeschluss gefordert wurde, ein umfassendes sein müsse, wenn es im Regierungsentwurf treffend heißt: „Nach dem Sinn dieses Verbots dürfen auch solche Tatsachen nicht verwertet werden, zu denen die Auskunft den Weg gewiesen hat.“266 Im Zweifel muss deshalb nachgewiesen werden, dass ein Beweismittel nicht aufgrund der Aus­ sage des Wahrheitspflichtigen gewonnen wurde; ansonsten ist das Beweis­ mittel unverwertbar.267 Es ist also festzuhalten, dass jegliche Nutzung der Auskunft im Strafverfahren gegen den Beschuldigten verboten ist. bb) § 393 Abs. 1 S. 1 Abgabenordnung Eine § 97 Abs. 1 S. 3 InsO sehr ähnliche Regelung findet sich in § 393 Abs. 1 S. 1 AO. Danach dürfen Angaben, „die der Steuerpflichtige der Finanzbehörde […] in Erfüllung steuerrechtlicher Pflichten offenbart hat, ­ […] gegen ihn nicht für die Verfolgung einer Tat verwendet werden, die keine Steuerstraftat ist“. Auch wenn dies anders als im Fall des § 97 Abs. 1 S. 3 InsO teilweise bestritten wird,268 handelt es sich hierbei nach herr­ schender Meinung um ein Verwendungsverbot im oben genannten Sinn.269 Denn wie in der Gesetzesbegründung zu § 97 Abs. 1 S. 3 InsO angeführt, 264  Dencker,

in: FS Meyer-Goßner, S. 237, 243. wistra 2000, 1, 3; Passauer / Stephan, in: MüKo-InsO, § 97 Rn. 17; Bittmann / Rudolph, wistra 2001, 81, 82; Hefendehl, wistra 2003, 1, 6 f.; Dencker, in: FS Meyer-Goßner, S. 237, 253; Gatzweiler, in: Strafverteidigung im Rechtsstaat, S. 480, 482; Bömelburg, Die Selbstbelastungsfreiheit im Insolvenzverfahren, S. 122; instruktiv LG Potsdam, Beschluss vom 24.04.2007, Az.: 27 Ns 23 / 06, Rn. 8–17; LG Stuttgart NStZ-RR 2001, 282 f. 266  BT-Drucks. 12 / 2443, S.  142. 267  Hefendehl, wistra 2003, 1, 7. 268  Röckl, Das Steuerstrafrecht im Spannungsfeld des Verfassungs- und Europa­ rechts, S. 124; Böse, Wirtschaftsaufsicht und Strafverfolgung, S. 524–526; wohl auch Meine, wistra 2009, 186, 187. 269  BGH NJW 2005, 763, 765 („Für das laufende Strafverfahren dürfen diese Informationen, soweit sie unmittelbar oder auch mittelbar zum Nachweis einer Steu­ erhinterziehung […] führen können, nicht herangezogen werden.“); zustimmende Anmerkung bei Rogall, NStZ 2006, 41; ders., in: FS Kohlmann, S. 465, 485; Joecks, in: Franzen / Gast / Joecks, §  393 AO Rn.  66; ders., in: FS Kohlmann, S. 465, 484 f.; Streck, StV 1981, 362, 363; Hellmann, in: Hübschmann / Hepp / Spitaler, §  393 AO 265  Richter,

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Teil 1, Kap. 4: Strafprozessuale Ermittlungen im Auslandseinsatz

hat es keinen Sinn, zwar die Verwertung einer Auskunft zu verbieten, je­ doch aufgrund dieser gewonnene Beweismittel zuzulassen. Darüber hinaus ist es wenig einleuchtend, dem Begriff der „Verwendung“ verschiedene Bedeutungen beizumessen, geht es doch sowohl bei § 97 Abs. 1 S. 3 InsO wie auch bei § 393 Abs. 1 S. 1 AO um die Lösung desselben Konflikts. Zwar mag man einwenden, dass das BDSG, in dem sich die Legaldefinition des Begriffs „Verwenden“ findet, im Jahr 1967, aus dem der Entwurf des § 393 Abs. 1 S. 1 AO270 stammt, noch nicht existierte. Doch kommt dem Begriff der „Verwendung“ auch außerhalb des datenschutzrechtlichen Kon­ texts die Bedeutung zu, die ihm von § 3 Abs. 4 BDSG beigemessen wird. Verwendung ist die Nutzung, gleich welcher Art diese ist.271 Wenn also der Gesetzgeber die Verwendung einer Auskunft untersagt, ist damit jedwede Nutzung verboten. Daraus folgt, dass auch § 393 Abs. 1 S. 1 AO ein umfas­ sendes Verwendungsverbot enthält. cc) Produktpiraterie-Bekämpfungsgesetz Aber auch dort, wo das Gesetz nicht die Verwendung, sondern lediglich die Verwertung verbietet, bedeutet dies in Konfliktlagen, die der hiesigen entsprechen, ein umfassendes Verbot im Sinne eines hier so genannten Ver­ wendungsverbots. So enthalten sämtliche durch das Produktpiraterie-Be­ kämpfungsgesetz eingeführten Gesetze Auskunftspflichten, denen strafver­ fahrensrechtliche Verwertungsverbote gegenüberstehen.272 Diese sind nach der Gesetzesbegründung „im Zusammenhang mit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Auskunftspflicht des Ge­ meinschuldners dahingehend zu verstehen, daß sich das Verwertungsverbot auch auf solche Tatsachen und Beweismittel erstreckt, die zwar nicht unmit­ telbar Gegenstand der Auskunft waren, zu denen aber die Auskunft direkt den Weg gewiesen hat.“273 Rn. 175; Sahan, Keine Steuererklärungspflicht bei Gefahr strafrechtlicher Selbstbe­ lastung, S. 66, 155 f.; Rolletschke, wistra 2005, 355, 359. 270  Damals § 418 Abs. 2 S. 1 AO, vgl. BT-Drucks. V / 1812, S. 7. 271  Nach Böse, Wirtschaftsaufsicht und Strafverfolgung, S. 525, sei der Begriff der „Verwendung“ dagegen nur aus redaktionellen Gründen in § 393 AO enthalten, er sei jedoch gleichbedeutend mit dem der „Verwertung“; kritisch dazu Rogall, NStZ 2006, 41 f. 272  § 101 Abs. 8 Urheberrechtsgesetz, § 19 Abs. 8 Markengesetz, § 140b Abs. 8 Patentgesetz, § 25b Abs. 4 Warenzeichengesetz, § 46 Abs. 8 Geschmacksmusterge­ setz, § 24 Abs. 8 Gebrauchsmustergesetz, § 9 Abs. 2 Halbleiterschutzgesetz i. V. m. § 24b Geschmacksmustergesetz, § 37 Abs. 8 Sortenschutzgesetz. 273  BT-Drucks. 11 / 4792, S. 39 f.; siehe auch Fezer, Markenrecht, § 19 MarkenG Rn. 20; Rogge / Grabinski, in: Benkard, § 140b Rn. 13; Dreier, in: Dreier / Schulze,



C. Derzeitige Behelfspraxis91

dd) Zwischenergebnis Sämtliche Regelungen, die sich mit der Verwertung von Aussagen, die der Beschuldigte aufgrund einer Auskunftspflicht getätigt hat, befassen, ordnen umfassende Verwendungsverbote an. Hieraus lässt sich für diese Konfliktlagen eine allgemeine Regel ableiten, dass das in diesen Konstella­ tionen bestehende verfassungsrechtliche Verwertungsverbot ein umfassendes Verbot jeglicher Verwendung ist, dass die Auskünfte also auch nicht als Ansatz für weitere Ermittlungen verwendet werden dürfen. Demnach gilt dies auch für Aussagen von Soldaten, die diese unter der Wahrheitspflicht des § 13 SG getätigt haben. ee) Eingeschränkte Reichweite bei ordnungsgemäßer Belehrung nach § 32 Abs. 4 S. 3, 4 WDO Denkbar ist jedoch, das Verwendungsverbot bei Aussagen, die unter der nach § 32 Abs. 4 S. 3, 4 WDO durch ein Aussageverweigerungsrecht und die entsprechende Belehrung abgemilderten Wahrheitspflicht zustande ge­ kommen sind, einzuschränken und eine Verwertung zumindest in gewissen Grenzen zuzulassen. Denn der Soldat ist hier keinem Zwang ausgesetzt, sich selbst zu belasten. Vielmehr muss er lediglich, wenn er aussagt, die Wahr­ heit sagen. Die Aussage beruht im Gegensatz zur unbedingten Auskunfts­ pflicht nach § 13 Abs. 1 SG also auf einer – zumindest im Ansatz – auto­ nomen Entscheidung. Der Soldat kann, anstatt auszusagen, zum Tatvorwurf auch schweigen und sich erst im Strafverfahren äußern, in dem dann keine Wahrheitspflicht besteht. Der Grund für ein umfassendes Verwendungsver­ bot, nämlich dass „[e]in Zwang zur Selbstbezichtigung […] zugleich die Würde des Menschen, dessen Aussage als Mittel gegen ihn selbst verwendet wird“, berührt, liegt im Fall der Vernehmung nach § 32 Abs. 4 S. 3, 4 WDO gerade nicht vor. Dennoch ist es problematisch, die so zustande gekommene Aussage ohne Weiteres im Strafverfahren zu verwerten. Zwar liegt eine – im Sinne der WDO – korrekte Belehrung vor. Doch wird der Disziplinarvorgesetzte, auch wenn er formell nur den Disziplinarverstoß aufklärt, auch im Interesse und in Zusammenarbeit mit der Staatsanwaltschaft tätig, handelt bei materieller Betrachtung also zumindest auch, um ein späteres Strafverfahren zu fördern. Die Verwertung der (auch) zum Zweck des Strafverfahrens, jedoch ohne Beachtung der strafprozessualen Belehrungsvorschriften zustande gekom­ menen Vernehmung wäre daher eine unzulässige Umgehung der strafprozes­ § 101 Rn. 32; a. A., unter Missachtung dieses ausdrücklichen Willens des Gesetzge­ bers, Schulz, Das deutsche Markenstrafrecht, S. 174–176.

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sualen Schutzvorschriften, die dem Beschuldigten bei einer polizeilichen Vernehmung zuständen. Zudem ist den Besonderheiten der Vernehmungssi­ tuation Rechnung zu tragen. Denn erstens befindet sich der zu vernehmende Soldat im Auslandseinsatz in der Regel in einer Ausnahmesituation, und zweitens wird der Soldat in dieser Situation von einem Vorgesetzten befragt, dem gegenüber er normalerweise zur Wahrheit und zum Gehorsam ver­ pflichtet ist. Die Gefahr, dass er sich in dieser Situation, ohne dies zu wollen, selbst belastet, ist deshalb greifbar. Dem Beschuldigten auf dem Weg der Vernehmung durch einen Vorgesetzten – mag dies auch nicht in­ tendiert sein – die Möglichkeit des unsanktionierten Lügens274 zu nehmen, die er in einer Vernehmung nach den Regeln der StPO hätte, würde eine unzulässige Umgehung der Rechte aus § 136 Abs. 1 StPO darstellen. Aus diesem Grund ist es geboten, dem Beschuldigten diejenigen Rechte zuzugestehen, die er ohne diese Umgehung hätte, das heißt die Aussage, die aufgrund einer zwar nach der WDO, aufgrund der Wahrheitspflicht jedoch nicht nach der StPO ausreichenden Belehrung zustande gekommen ist, dem Verwertungsverbot des § 136 Abs. 1 StPO (sei es in direkter oder entspre­ chender Anwendung) zu unterwerfen. Diesem kommt nach herrschender Auffassung275 jedoch keine Fernwirkung zu, sodass Beweismittel, zu denen die Aussage den Weg gewiesen hat, gegen den Beschuldigten verwertet werden können. Anderes gilt jedoch, wenn auch die Belehrung nach §  32 Abs.  4 S. 3, 4 WDO nicht korrekt durchgeführt wurde.276 Denn dann weiß der Soldat nicht, dass er sich in einer formellen Vernehmungssituation befindet und muss davon ausgehen, dass eine umfassende Auskunfts- und Wahrheits­ pflicht besteht. Eine autonome Entscheidung, ob er aussagt oder nicht, ist ihm dann nicht möglich. Für eine unter dieser Bedingung zustande gekom­ mene Aussage gilt deshalb das oben herausgearbeitete umfassende Verwen­ dungsverbot. 274  Vgl. Beulke, Strafprozessrecht, Rn. 125; Diemer, in: KK, § 136 Rn. 20; Gleß, in: LR, § 136 Rn. 63–66, insb. Rn. 65; Meyer-Goßner, § 136 Rn. 18; jeweils m. w. N. 275  Ausdrückliche Stellungsnahmen zur Reichweite des Verwertungsverbots des § 136 StPO finden sich zwar soweit ersichtlich nicht, jedoch führen nach herrschen­ der Meinung – die sich jedoch einer breiten Kritik ausgesetzt sieht – selbst wesentlich schwerwiegendere Verstöße gegen § 136a StPO in der Regel nicht zu einem Verwer­ tungsverbot mit Fernwirkung, sodass erst recht davon auszugehen ist, dass auch Ver­ stöße gegen § 136 StPO nicht zu einem solchen führen; vgl. zum Diskussionsstand mit weiteren Nachweisen etwa Monka, in: Graf, § 136a Rn. 32; Meyer-Goßner, § 136a Rn. 31; Gleß, in: LR, § 136a Rn. 75 f.; Roxin / Schünemann, § 24 Rn. 59–64. 276  Zur Frage, wann disziplinarrechtlich eine fehlerhafte Belehrung vorliegt, Peterson, NZWehrR 2006, 24–34; 110–118; im hier interessierenden Zusammenhang ist eine Belehrung dann fehlerhaft, wenn dem Soldaten nicht deutlich gemacht wird, dass es ihm freisteht, sich zu äußern.



C. Derzeitige Behelfspraxis93

ff) Ergebnis Für die Reichweite des Verwertungsverbots ist zu differenzieren: Aussa­ gen, die unter der strikten Wahrheitspflicht nach § 13 Abs. 1 SG zustande gekommen sind, dürfen für strafrechtliche Ermittlungen in keiner Weise, auch nicht als bloßer Spurenansatz verwendet werden. Auskünfte, die der Soldat in einer Vernehmung nach § 32 Abs. 4 WDO nach ordnungsgemäßer Belehrung über sein disziplinarrechtliches Auskunftsverweigerungsrecht gibt, unterliegen dagegen keinem solchen umfassenden Verwendungs-, son­ dern lediglich einem Verwertungsverbot im Sinne des § 136 Abs. 1 StPO. Anderes gilt aber, wenn eine nach § 32 Abs. 4 S. 3, 4 WDO nicht ordnungs­ gemäße Belehrung erfolgt ist. Dann bleibt das umfassende Verwendungsver­ bot bestehen. II. Eingriffsbefugnisse: Durchsuchung, Beschlagnahme, Untersuchung Da es sich bei der Aufklärung des Sachverhalts nicht um strafprozessuale, sondern um disziplinarrechtliche Ermittlungen handelt, stehen dem Diszipli­ narvorgesetzten und, weil diese ihre Befugnisse von ihm ableiten, damit auch dem Rechtsberater und den Feldjägern nicht die Eingriffsbefugnisse der Strafprozessordnung, sondern lediglich die der Wehrdisziplinarordnung zu. Nach § 20 Abs. 1 WDO ist der Disziplinarvorgesetzte befugt, zur Aufklä­ rung eines Dienstvergehens sowohl Durchsuchungen als auch Beschlagnah­ men durchzuführen. Dies kann er gemäß §§ 20 Abs. 3 S. 2, 32 Abs. 2 WDO ebenfalls einem Offizier übertragen. Außer bei Gefahr im Verzug bedarf es für die Durchsuchung und Beschlagnahme einer (truppendienst-)richterlichen Anordnung. Von der Befugnis zur Durchsuchung sind gemäß § 20 Abs. 1 S. 3 WDO sowohl die Sachen des Soldaten als auch dieser selbst umfasst.277 Die Durchsuchung des Soldaten beschränkt sich auf das Suchen in und unter der Kleidung sowie auf der Körperoberfläche.278 Eine körperliche Untersu­ chung ist von der Ermächtigung nicht gedeckt.279 Sie darf sich außerdem nur gegen den eines Dienstvergehens verdächtigen Soldaten richten.280 Im Ge­ 277  Die Durchsuchung von Wohnungen erlaubt § 20 Abs. 1 WDO nicht; jedoch ist zu beachten, dass Gruppenunterkünfte ohnehin keine Wohnungen im Sinne des § 20 WDO darstellen, vgl. Dau, WDO, § 20 Rn. 12. 278  Dau, WDO, § 20 Rn. 16. 279  Dau, WDO, § 20 Rn. 16. 280  Sie ist von der Spindkontrolle zu unterscheiden, die lediglich zur Überprüfung von Sauberkeit und Ordnung, nicht jedoch ausschließlich wegen des Verdachts eines Dienstvergehens zulässig ist, vgl. Dau, WDO, § 20 Rn. 2.

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Teil 1, Kap. 4: Strafprozessuale Ermittlungen im Auslandseinsatz

gensatz dazu ist die Beschlagnahme nach § 20 Abs. 1 S. 1 WDO bei jedem Soldaten, bei dem sich die gesuchte Sache befindet, zulässig.281 Die strafprozessuale Durchsuchung regeln die §§ 102, 103 StPO. Neben der Durchsuchung beim Verdächtigen gestattet § 103 Abs. 1 StPO auch die Durchsuchung bei anderen Personen, „wenn Tatsachen vorliegen, aus denen zu schließen ist, dass die gesuchte Person, Spur oder Sache sich in den zu durchsuchenden Räumen befindet.“ Der Vergleich zeigt, dass die Durchsu­ chung nach § 20 WDO und diejenige nach §§ 102, 103 StPO von unter­ schiedlicher Reichweite sind. Während die strafprozessuale Durchsuchung auch bei einer dritten Person zulässig ist, ist dies nach der Wehrdisziplinar­ ordnung ausschließlich beim Verdächtigen möglich, woraus sich für die Strafverfolgung im Einzelfall Schwierigkeiten ergeben können. Regelmäßig dürfte sich dieses Problem aber dadurch lösen lassen, dass einem unver­ dächtigen Soldaten, bei dem sich eine zu beschlagnahmende Sache befindet, die Herausgabe befohlen werden kann. Da die Durchsuchungsbefugnis nach § 20 Abs. 1 WDO keine Befugnis zur körperlichen Untersuchung enthält, ist diese dem Disziplinarvorgesetz­ ten, und folglich auch dem Rechtsberater und den Feldjägern, vorenthalten. Nach dem Grundsatz des Vorbehalts des Gesetzes stehen dem Disziplinar­ vorgesetzten keine weiteren Eingriffsbefugnisse zu. Diese Beschränkung der Eingriffsbefugnisse ist damit zu erklären, dass es sich bei den Befugnissen des Disziplinarvorgesetzten eben nicht um strafprozessuale, sondern um disziplinarrechtliche handelt. Weitergehende Eingriffsbefugnisse wären im Hinblick auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit bedenklich, denn die Ermittlungen dienen originär lediglich der Aufklärung eines Dienstverge­ hens und die Unterstützung der Staatsanwaltschaft durch Aufklärung des Sachverhalts erfolgt nur gelegentlich der disziplinaren Ermittlung. Dies führt dazu, dass etwa ein Soldat, der verdächtigt wird, beim Schuss­ waffengebrauch unter Alkoholeinfluss Zivilisten getötet zu haben, zwar gemäß § 17 Abs. 4 S. 3 SG zwangsweise truppenärztlich untersucht werden kann, um seine Dienstfähigkeit festzustellen. Eine spätere Verwendung des Ergebnisses im Disziplinar- bzw. Strafverfahren ist jedoch ausgeschlos­ sen, da den ermittelnden Soldaten keine Eingriffsbefugnisse entsprechend § 81a StPO zustehen.282 Auch eine Lösung unter Rückgriff auf die im Schrifttum zurecht heftig kritisierte283 Rechtsprechung, nach der eine im 281  Dau,

WDO, § 20 Rn. 18; Heinen, Rechtsgrundlagen Feldjägerdienst, S. 379. Der Disziplinarvorgesetzte, S. 51; Heinen, Rechtsgrundlagen Feld­ jägerdienst, S. 384. 283  Etwa Mayer, JZ 1989, 908–910; Wohlers, NStZ 1990, 245 f.; Hauf, NStZ 1993, 457–462; Weiler, MDR 1994, 1163–1167. 282  Lingens,



C. Derzeitige Behelfspraxis95

Rahmen einer ärztlichen Behandlung mit (mutmaßlicher) Einwilligung des Patienten entnommene Blutprobe im Strafverfahren verwertet werden kann, sofern sie vom Arzt freiwillig herausgegeben wurde284, führt hier zu keinem anderen Ergebnis. Denn auch nach dieser Rechtsprechung wäre es erforder­ lich, dass die Staatsanwaltschaft die – wenn auch letztlich nur abstrakte – Möglichkeit gehabt hätte, auf regulärem Wege, das heißt unter Anwendung des § 81a StPO, an die Blutprobe zu gelangen. Da jedoch der Anwendungs­ bereich der StPO auf das Gebiet der Bundesrepublik begrenzt ist,285 wäre die Anordnung einer Blutentnahme im Ausland nicht möglich. Es bleibt also dabei, dass eine solche Maßnahme nach derzeitiger Rechtslage nicht möglich ist. Eine Bestrafung ist dann trotz Kenntnis der Schuld des Täters nicht möglich, sofern keine anderen Beweismittel vorhanden sind. III. „Freiwilligkeit“ der Unterstützung der Staatsanwaltschaft286 Aus dem Umstand, dass die Ermittlung des strafbaren Sachverhalts nur gelegentlich der disziplinarrechtlichen Ermittlungen erfolgt, ergibt sich für die Staatsanwaltschaft das Problem, keinen unmittelbaren Einfluss auf die einzelnen Ermittlungshandlungen nehmen zu können, etwa indem sie dem Ermittelnden Weisungen erteilt. Sie kann lediglich dahingehende Wünsche äußern.287 Diesen muss der Rechtsberater zwar unter der Voraussetzung nachkommen, dass hierdurch auch das Dienstvergehen aufgeklärt werden kann.288 Er kann sich jedoch weigern, wenn die Hilfeleistung einen un­ verhältnismäßig hohen Aufwand darstellen oder die Erfüllung eigener Aufgaben gefährden würde.289 Da einem Einsatzkontingent in der Regel nur ein Rechtsberater zugewiesen ist, kann es zu Situationen kommen, in denen der Rechtsberater aufgrund seiner eigentlichen Aufgaben keine um­ fangreichen Ermittlungen durchführen kann, mit der Folge, dass die Auf­ klärung von Straftaten hinter militärischen Notwendigkeiten zurückgestellt würde.

284  Mit zum Teil abweichenden Begründungen OLG Celle NJW 1989, 385 f. = JZ 1989, 906–908; OLG Zweibrücken NJW 1994, 810 f.; OLG Frankfurt a. M. NStZRR 1999, 246 f. 285  Teil 1, Kapitel 4, A. 286  Siehe bereits Stam, ZIS 2010, 628, 630 f. 287  Weber, in: Recht und Militär, S. 141, 149. 288  Weber, in: Recht und Militär, S. 141, 149. 289  Weber, in: Recht und Militär, S. 141, 149 f.

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Teil 1, Kap. 4: Strafprozessuale Ermittlungen im Auslandseinsatz

D. Zusammenfassung Der Geltungsbereich der StPO ist auf das Bundesgebiet begrenzt, und den Strafverfolgungsbehörden ist es nach derzeitiger Rechtslage bereits deshalb nicht möglich, im Einsatzland tätig zu werden. Völkerrechtlich erlauben Truppenstationierungsabkommen darüber hinaus regelmäßig nur Ermittlun­ gen von Militärangehörigen im Einsatzland; die Strafverfolgung ist aber Aufgabe ziviler Behörden. Weil gegenwärtig also keine strafrechtlichen Ermittlungen am Einsatzort stattfinden können, wird auf eine rechtliche Hilfskonstruktion zurückgegriffen: Jede Straftat im Dienst stellt ein Dienst­ vergehen dar, bei dem der Vorgesetzte Ermittlungen einleiten muss. Diese überträgt er Feldjägern oder dem Rechtsberater. Die Erkenntnisse aus diesen Ermittlungen werden an die Staatsanwaltschaft übermittelt. Hieraus ergeben sich drei Probleme. Erstens sind die betroffenen Soldaten anderen Soldaten, also auch den Ermittelnden gegenüber, zur Wahrheit ver­ pflichtet; die strafprozessuale Selbstbelastungsfreiheit steht ihnen also nicht zu. Aufgrund dieser Konfliktlage besteht ein verfassungsrechtliches Verwer­ tungsverbot. Dieses verbietet, wie der Vergleich mit anderen gesetzlichen Regeln, die denselben Konflikt auflösen, zeigt, jegliche Verwendung einer unter der Wahrheitspflicht zustande gekommenen Aussage im Strafverfah­ ren; auch Beweise, zu denen die Aussage des Soldaten den Weg gewiesen hat, dürfen nicht verwendet werden. Zweitens stehen den ermittelnden Sol­ daten keine strafprozessualen Zwangsbefugnisse zu, weil sie lediglich eine dienstrechtliche Verfehlung aufklären und weitergehende Eingriffsbefugnisse deshalb gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoßen würden. Drittens kann die Staatsanwaltschaft keinen verbindlichen Einfluss auf die (disziplinarrechtlichen) Ermittlungen nehmen, auf die sich ein später even­ tuell durchgeführtes Strafverfahren stützt, sondern ist darauf beschränkt, Anregungen zu äußern.

Teil 2

De lege ferenda Kapitel 1

Soldaten als Ermittlungspersonen Die durch § 11a StPO erreichte Zentralisierung stellt einen richtigen An­ satz zur Lösung des Problems dar, lässt wichtige Aspekte jedoch unberück­ sichtigt. Denn wie sich gezeigt hat, erlaubt einerseits die StPO keine Ermitt­ lungen deutscher Strafverfolgungsbehörden im Ausland, und andererseits erlauben Truppenstationierungsabkommen auch auf völkerrechtlicher Ebene den Entsendestaaten regelmäßig ausschließlich die Stationierung von Mili­ tärangehörigen. Im Folgenden wird deshalb, auf § 11a StPO aufbauend, ein weitergehender Vorschlag unterbreitet, mit Hilfe dessen dieses Problem gelöst werden kann. Die teilweise bereits in der Vergangenheit geforderte und hier im Folgen­ den näher erläuterte Möglichkeit, wie eine weitgehend zivil organisierte Strafverfolgungsbehörde im Rahmen der Vorgaben der Truppenstationie­ rungsabkommen Auslandsermittlungen durchführen könnte, läge darin, vor Ort befindliche Soldaten zu Ermittlungspersonen der Staatsanwaltschaft zu bestellen290 und sie in dieser Funktion dem Legalitätsprinzip zu unterwer­ fen291.292 Ermittlungspersonen der Staatsanwaltschaft sind gemäß § 152 Abs. 1 GVG „verpflichtet, den Anordnungen der Staatsanwaltschaft ihres Be­ zirks und der dieser vorgesetzten Beamten Folge zu leisten.“ Entsprechend ist die Staatsanwaltschaft ihnen gegenüber also weisungsbefugt, und ihre Weisungen haben Vorrang vor denen des Dienstvorgesetzten.293 Ermittlungs­ 290  So

schon BT-Drucks. 15 / 3508. der Bestellung zur Ermittlungsperson folgt nicht ohne weiteres die Gel­ tung des Legalitätsprinzips für diesen Personenkreis, vielmehr muss dies, wie für Polizeibeamte in § 163 StPO, gesondert angeordnet werden; vgl. Franke, in: LR, § 152 GVG Rn. 29 f.; Kissel / Mayer, § 152 Rn. 16; Hellmann, Rn. 175. 292  Hierbei würde es sich nicht um Amtshilfe im Sinne von Art. 35 GG handeln, weil die zu Ermittlungspersonen bestellten Soldaten zwar die Arbeit der Staatsan­ waltschaft unterstützen, dies jedoch als ihnen gesetzlich zugewiesene eigene Aufga­ be tun würden, vgl. nur von Danwitz, in: v.  Mangoldt / Klein / Starck, Art.  35 Rn.  8. 293  Wohlers, in: SK-StPO Loseblatt, § 152 GVG Rn. 25; Franke, in: LR, § 152 GVG Rn. 34; Kühne, Rn. 149; Kissel / Mayer, § 152 Rn. 10. 291  Aus

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Teil 2, Kap. 1: Soldaten als Ermittlungspersonen

personen der Staatsanwaltschaft bedarf es einerseits, weil die Staatsanwalt­ schaft sowohl personell als auch fachlich, aufgrund mangelnden kriminalisti­ schen Wissens, nicht in der Lage wäre, auch nur annähernd sämtliche Ermitt­ lungshandlungen selbst vorzunehmen.294 Mit der Unterstellung unter die Staatsanwaltschaft soll andererseits eine justizielle Kontrolle der großteils eigenverantwortlich von der Polizei durchgeführten Ermittlungen ermöglicht werden.295 Entsprechend trägt die Staatsanwaltschaft „die Gesamtverantwor­ tung für eine rechtsstaatliche, faire und ordnungsgemäße Durchführung des Verfahrens, auch soweit es von der Polizei durchgeführt wird“.296 Bedenken könnten sich zwar daraus ergeben, dass Soldaten als Bedienstete des Bundes den Weisungen von Staatsanwälten der Länder unterstellt wür­ den; berechtigt sind diese Bedenken jedoch nicht. Denn auch an anderen Stellen sieht die Rechtsordnung dies vor. So sehen etwa § 404 S. 2 Hs. 2 AO, § 37 Abs. 3 S. 2 AWG und § 148 Abs. 3 Ts. 3 in Verbindung mit §§ 132 Abs. 2 Nr. 2, 134 Abs. 2 BBergG ebenfalls Bundesbedienstete als Ermitt­ lungspersonen der Staatsanwaltschaft vor.

A. Gerichtsverfassungsrechtliche Zulässigkeit Bis zur Gesetzesänderung vom 24.08.2004 verwendeten die StPO und § 152 Abs. 1 GVG nicht den Begriff der „Ermittlungsperson der Staatsan­ waltschaft“, sondern den des „Hilfsbeamten der Staatsanwaltschaft“. Daher ergab sich das Problem, dass Soldaten keine Hilfsbeamten der Staatsanwalt­ schaft sein konnten, da sie nicht Beamte, sondern Soldaten sind.297 Als Begründung für die Änderung von 2004 heißt es im Entwurf: „Der Begriff der ‚Hilfsbeamten der Staatsanwaltschaft‘ wird der heutigen Funk­ tion der Polizei im Ermittlungsverfahren sprachlich wie tatsächlich nicht mehr gerecht. Zwar obliegt die Sachleitungsbefugnis im Ermittlungsverfahren weiterhin uneingeschränkt der Staatsanwaltschaft. Im Hinblick auf den inzwischen erreichten Aus- und Fortbildungsstand der Polizeibeamten und der daraus folgenden Tatsa­ che, dass die Polizei aus einer lediglich untergeordneten Hilfsfunktion herausge­ wachsen ist, wird durch die Ersetzung des nicht mehr zeitgemäßen Begriffs der ‚Hilfsbeamten‘ durch den Begriff ‚Ermittlungspersonen‘ das heutige Verhältnis zwischen Staatsanwaltschaft und Polizei zutreffend charakterisiert und der Ermitt­ lungswirklichkeit Rechnung getragen.“298 294  Schünemann,

Kriminalistik 1999, 74, 77; Franke, in: LR, § 152 GVG Rn. 7. JR 1964, 218 f.; Hellmann, Rn. 79. 296  BGH NStZ 2009, 648; auch Kühne, Rn. 148. 297  Heinen, NZWehrR 2000, 133, 139; Müller, NZWehrR 1964, 145, 150; ders., NZWehrR 1960, 53, 54; Spring, Brauchen wir in Deutschland eine Militärgerichts­ barkeit?, S. 216. 298  BT-Drucks. 15 / 3482, S.  25. 295  Fuhrmann,



A. Gerichtsverfassungsrechtliche Zulässigkeit99

Auch wenn also lediglich eine sprachliche Anpassung, jedoch keine in­ haltliche Änderung beabsichtigt war, spricht der Wortlaut dafür, dass sich eine Ermittlungsperson materiell von einem Hilfsbeamten unterscheidet, da für die Eigenschaft als Ermittlungsperson der Beamtenstatus gerade keine Voraussetzung ist. Danach erscheint es also zunächst möglich, jedermann zur Ermittlungsperson der Staatsanwaltschaft zu bestellen. Scheinbar dage­ gen spricht jedoch § 152 Abs. 2 S. 2 GVG, der unmittelbar zwar nur für eine Bestellung durch Rechtsverordnung gilt, jedoch Rückschlüsse auf die Anforderungen, die regelmäßig an Ermittlungspersonen der Staatsanwalt­ schaft gestellt werden sollen, erlaubt. Danach müssen Ermittlungspersonen, die keine Beamte sind, Angestellte im öffentlichen Dienst sein, wodurch der Kreis möglicher Ermittlungspersonen eingeengt wird. Soldaten stehen zwar im öffentlichen Dienst, jedoch nicht als Angestellte, sondern als Soldaten, sodass es darauf ankommt, ob es sich bei nicht verbeamteten Ermittlungs­ personen tatsächlich um Angestellte im Öffentlichen Dienst handeln muss, oder ob hiermit lediglich das Erfordernis eines öffentlichen Dienstverhält­ nisses zum Ausdruck kommt. Der Wortlaut legt die erstere Lesart, also das Erfordernis der Eigenschaft als Angestellter, nahe. Die Begrenzung des möglichen Kreises der Ermittlungspersonen erklärt sich jedoch mit dem Erfordernis eines besonderen Nähe- und Treueverhältnisses zum Staat, das bei Beamten und Angestellten im Öffentlichen Dienst vorliegt. Mit der Pflicht von Soldaten, gemäß § 7 SG „der Bundesrepublik Deutschland treu zu dienen und das Recht und die Freiheit des deutschen Volkes tapfer zu verteidigen“, geht jedoch im Gegensatz zum Beamten sogar die Pflicht einher, unter Umständen das eigene Leben zu opfern.299 Ein Ausschluss von Soldaten als Ermittlungspersonen ergäbe deshalb keinen Sinn, da das Näheund Treueverhältnis von Soldaten der Bundesrepublik gegenüber noch enger ist als das von Beamten und erst recht von Angestellten im Öffentlichen Dienst.300 So ist die Begrifflichkeit des „Angestellten im Öffentlichen Dienst“ untechnisch, nämlich dahingehend zu verstehen, dass Ermittlungs­ person nur derjenige sein kann, der in einem öffentlichen Dienstverhältnis steht. Hieraus ergibt sich, dass das Gerichtsverfassungsgesetz der Möglich­ keit, Soldaten zu Ermittlungspersonen der Staatsanwaltschaft zu bestellen, nicht entgegensteht.

299  Scherer / Alff / Poretschkin, 300  A. A.

§ 7 Rn. 31a. offenbar Heinen, Rechtsgrundlagen Feldjägerdienst, S. 345.

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Teil 2, Kap. 1: Soldaten als Ermittlungspersonen

B. Zweckmäßigkeit und völkerrechtliche Zulässigkeit I. Zweckmäßigkeit Diese Lösung erscheint auf den ersten Blick auch zweckmäßig. Die oh­ nehin vor Ort befindlichen Feldjäger verfügen zum Teil bereits jetzt über eine kriminalistische Spezialausbildung, die insbesondere die Sicherung von Spuren vor Ort beinhaltet. So umfasst die Ermittlungsarbeit der „Erheber und Ermittler“ der Feldjägertruppe das Festhalten der Lage von Personen und Gegenständen mittels Anfertigung maßstabsgerechter Zeichnungen und Fotos, Fixierung von Finger-, Blut-, Fuß-, Fahr-, Schuss- und Schmauchspu­ ren, Feststellung der Sicht-, Temperatur- und Lichtverhältnisse sowie die Vernehmung von Zeugen.301 All dies dient unter anderem der späteren Re­ konstruierbarkeit des Tathergangs. Bereits jetzt führen Feldjäger so Großtei­ le der (disziplinarrechtlichen) Ermittlungen vor Ort durch, auf deren Grund­ lage das anschließende Strafverfahren durchgeführt wird.302 Wenn dagegen eingewandt wird, die Feldjäger hätten andere Aufgaben als die Durchführung strafrechtlicher Ermittlungen,303 ist dies kein überzeugen­ des Argument, denn hierbei handelt es sich um eine rein organisatorische Frage, die sich durch eine entsprechende Umorganisation beheben ließe. Im Übrigen ist die Argumentation zirkelschlüssig, denn solange die Feldjäger nicht für die Strafverfolgung zuständig sind, kann ihnen diese Aufgabe nicht zugewiesen werden. Einwände, dass es sich bei Angehörigen der Feldjägertruppe um krimina­ listische Laien handele und sie deshalb nicht als Ermittlungspersonen (bzw. veraltet Hilfsbeamte) geeignet seien,304 sind heute nicht mehr ernsthaft vertretbar. Es leuchtet nicht ein, weshalb man, wie derzeit, maßgeblich auf die Ermittlungsergebnisse der Feldjäger zurückgreifen, sie jedoch aufgrund mangelnder kriminalistischer Kenntnisse nicht zu Ermittlungspersonen der Staatsanwaltschaft bestellen sollte. Spräche man ihnen entsprechende Kenntnisse ab, so läge es im Gegenteil umso näher, ihnen die Funktion von Ermittlungspersonen zuzuweisen, damit die Staatsanwaltschaft verbindlich Einfluss auf die Ermittlungen vor Ort nehmen könnte. Oben wurden zwar Bedenken gegen die gegenwärtige Ermittlungspraxis, dass Soldaten gegen Soldaten ermitteln, geäußert. Diese sprechen indes 301  Vgl.

den Antrag der FDP-Bundestagsfraktion, BT-Drucks., 15 / 3508, S. 2. Kapitel 4, C. 303  Spring, Brauchen wir in Deutschland eine Militärgerichtsbarkeit?, S. 214 f. 304  Matzke, Wehrkunde 1965, 260, 261, und ihm folgend Spring, Brauchen wir in Deutschland eine Militärgerichtsbarkeit?, S. 215. 302  Teil 1,



B. Zweckmäßigkeit und völkerrechtliche Zulässigkeit101

nicht gegen den Einsatz von Soldaten als Ermittlungspersonen der Staatsan­ waltschaft, und es wäre ein Missverständnis, die Rechtsprechung des EGMR in diese Richtung zu deuten.305 Denn es kommt dem EGMR in erster Linie darauf an, den Ermittelnden selbst und nicht der militärischen Führung die Entscheidung über Ermittlungsmaßnahmen zu überlassen.306 Würden Solda­ ten zu Ermittlungspersonen der Staatsanwaltschaft bestellt, hätte das den Vorteil, dass gerade diese vom EGMR geforderte Unabhängigkeit gesichert würde. Denn die Entscheidung, Ermittlungen durchzuführen, stünde der unabhängigen Staatsanwaltschaft, nicht jedoch einer Stelle innerhalb der militärischen Hierarchie zu.307 Wenn Birke308 und Spring309 darüber hinaus behaupten, dass soldatische Ermittlungspersonen ihre Arbeit niemals objektiv erfüllen könnten, so liegt hierin ein in dieser Pauschalität nicht haltbarer Vorwurf. Richtig an diesem Einwand mag sein, dass in der Öffentlichkeit der Eindruck entstehen könn­ te, die jeweiligen Ermittlungspersonen seien persönlich involviert und des­ halb bei ihren Ermittlungen befangen. Das bedeutet jedoch nicht, dass dieser Eindruck auch zutrifft. Aber auch wenn der Diktion Springs und Birkes nicht zugestimmt werden kann, ist ihnen mit Müller310 dahingehend zuzu­ stimmen, dass jeder „auch noch so unbegründete Verdacht der Geheimnis­ krämerei“ unbedingt zu vermeiden ist. Dennoch stellt sich die Frage, wes­ halb gerade dieses Argument dem Einsatz von Feldjägern als Ermittlungs­ personen entgegenstehen sollte, wenn man beachtet, dass die Ermittlungen vor Ort derzeit auch ohne eine solche Regelung von Kameraden der Be­ schuldigten durchgeführt werden. Auf den ersten Blick mag es jedoch in der Tat problematisch erscheinen, dass der Soldat im Einsatz nicht nur den Anordnungen der Staatsanwalt­ schaft, sondern auch den Befehlen seiner militärischen Vorgesetzten Folge zu leisten hätte, was zu Konflikten führen könnte,311 etwa wenn der (zivile) Staatsanwalt anordnet, den Tatort zu sichern, diesem jedoch ein Befehl entgegensteht, sich nicht zum Tatort zu begeben. aber Wittinger, NZWehrR 2013, 133, 144. nur EGMR, Al-Skeini u. a. gegen das Vereinigte Königreich, Urteil vom 07.07.2011, Az.:  55721 / 07 Rn.  173. 307  Dies verkennt Wittinger, NZWehrR 2013, 133, 144, bei ihrer Kritik meines Vorschlags. 308  Birke, Strafverfolgung nach dem NATO-Truppenstatut, S. 233. 309  Spring, Brauchen wir in Deutschland eine Militärgerichtsbarkeit?, S. 216. 310  Müller, NZWehrR 1960, 53, 57. 311  Müller, NZWehrR 1960, 53, 54; ders., NZWehrR 1964, 145, 150; Heinen, NZWehrR 2000, 133, 139; Birke, Strafverfolgung nach dem NATO-Truppenstatut, S. 233; Spring, Brauchen wir in Deutschland eine Militärgerichtsbarkeit?, S. 216. 305  So

306  Vgl.

102

Teil 2, Kap. 1: Soldaten als Ermittlungspersonen

Dabei ist aber zu bedenken, dass auch der Polizeibeamte, der Ermitt­ lungsperson der Staatsanwaltschaft ist, einerseits der Staatsanwaltschaft und damit dem Justizministerium und andererseits seinem Dienstvorgesetzten und damit dem Innenministerium unterstellt ist;312 die Staatsanwaltschaft übt lediglich die Fachaufsicht, nicht aber die Dienstaufsicht über ihre Er­ mittlungspersonen aus, und letztere verbleibt beim Vorgesetzten aus dem Hauptamt.313 Probleme, die sich hieraus ergeben können, hat der Gesetzge­ ber bewusst in Kauf genommen.314 Es hätte ihm schließlich frei gestanden, sich für eine organisatorische Einbindung der Ermittlungspersonen in die Staatsanwaltschaft zu entscheiden.315 Es zeigt sich also, dass sachliche und dienstrechtliche Weisungsbefugnis auch im Verhältnis zwischen Polizei und Staatsanwaltschaft auseinander fallen, bei der Unterstellung von Soldaten unter staatsanwaltschaftliche Weisungen insofern also keine gravierenden Besonderheiten bestünden.316 Daneben wird auch ein Rechtsvergleich mit den Niederlanden, in denen Soldaten als Ermittlungspersonen der Staatsanwaltschaft unterstehen, zei­ gen, dass diesbezügliche Bedenken unberechtigt sind.

312  Ambos,

JURA 2003, 674, 675. Katholnigg, Strafgerichtsverfassungsrecht, § 152 GVG Rn. 6; Wohlers, in: SK-StPO Loseblatt, § 152 GVG Rn. 26; Franke, in: LR, § 152 GVG Rn. 33; Kissel / Mayer, § 152 Rn. 18 f.; Mayer, in: KK, § 152 GVG Rn. 16. 314  Vgl. Hahn, Die gesamten Materialien zu dem Gerichtsverfassungsgesetz, S. 153: „Das Verhältnis der Polizei zu der Strafjustiz ist, weil es an einer organi­ schen Verbindung zwischen beiden fehlt, im Allgemeinen ein unfertiges und in seinen Grenzen unbestimmtes zu nennen. […] Hat die Sicherheitspolizei, wie unbe­ stritten, den Beruf, den Zwecken der Strafverfolgung zu dienen, und hat der Staat für die letztere eine besondere Behörde, die Staatsanwaltschaft, eingesetzt, so scheint in der That nichts näher zu liegen, und nichts so sehr dem natürlichen Verhältnisse zwischen Staatsanwaltschaft und Sicherheitspolizei zu entsprechen, als daß die letz­ tere der Leitung der ersteren untergeordnet wird.“ – Dazu auch Franke, in: LR, § 152 GVG Rn. 6; Fuhrmann, JR 1964, 218, 219. 315  Franke, in: LR, § 152 GVG Rn. 6; Fuhrmann, JR 1964, 218, 219. – Gegen die organisatorische Einbindung der (Kriminal-)Polizei in die Staatsanwaltschaft spricht wohl, dass sich aus der präventiven Aufgabe der Polizei in der Regel wich­ tige Erkenntnisse für ihre repressive Tätigkeit ergeben und umgekehrt; durch die mit der organisatorischen Einbindung in die Staatsanwaltschaft einhergehenden Tren­ nung von Schutz- und Kriminalpolizei müsste man hierauf verzichten; vgl. dazu Rüping, ZStW 95 (1983), 894, 909; Schünemann, Kriminalistik 1999, 74, 76. 316  Hier mag man die Tatsache, dass es sich bei den Ermittelnden um Soldaten handeln würde, als gravierend ansehen, doch überzeugt dies als Gegenargument meines Erachtens nicht, ermitteln doch auch gegenwärtig Soldaten ohne die Bestel­ lung zu Ermittlungspersonen der Staatsanwaltschaft. 313  Vgl.



B. Zweckmäßigkeit und völkerrechtliche Zulässigkeit103

II. Völkerrechtliche Zulässigkeit Neben diesen Zweckmäßigkeitserwägungen werden teilweise völkerrecht­ liche Bedenken vorgebracht, denn einem Staat ist es nicht erlaubt, auf dem Gebiet eines anderen Staates hoheitlich tätig zu werden, sofern keine Geneh­ migung vorliegt, und nach den regelmäßig abgeschlossenen Truppenstationie­ rungsabkommen wird nur den Angehörigen des Militärs des Entsendestaates gestattet, im Aufnahmestaat tätig zu werden; hierzu zählen etwa Ermittlungs­ maßnahmen zur Aufklärung von Disziplinarverstößen. Dass diese Erkenntnis­ se später im (zivilen) Strafverfahren verwendet werden, ist zwar zulässig, än­ dert aber nichts an der grundsätzlichen Unzulässigkeit ziviler strafrechtlicher Ermittlungen im Ausland. Wären die jeweiligen Soldaten jedoch Ermittlungs­ personen der Staatsanwaltschaft, so würden sie, so eine teilweise vertretene Ansicht, die Ermittlungshandlungen in dieser Funktion und eben keine militärische Angelegenheit ausführen. Eine solche Vorgehensweise sei nach den üb­ lichen Truppenstationierungsabkommen nicht zulässig, da die Staatsanwalt­ schaft in diesem Fall ihre völkerrechtlich unzulässigen zivilen Handlungen durch ihre militärischen Ermittlungspersonen als „Werkzeuge“ ausführen lie­ ße.317 Auch bezüglich dieses Einwands bietet sich eine Orientierung an der niederländischen Rechtslage an, da dort entsprechend verfahren wird und sei­ tens der Aufnahmestaaten keine diesbezüglichen Bedenken geäußert werden. III. Vergleich: Niederländische Praxis und Rechtslage Eine Betrachtung gerade der niederländischen Rechtslage bietet sich bei der Strafverfolgung von Soldaten im Auslandseinsatz deshalb an, weil das dortige System dem deutschen insofern ähnelt, als die Strafverfolgung zwar ebenfalls einer zivilen Staatsanwaltschaft obliegt, es jedoch weniger Proble­ me bei Ermittlungen im Einsatzland gibt. Die Darstellung des niederländi­ schen Systems beschränkt sich im Folgenden auf diejenigen Aspekte, die vor dem Hintergrund der deutschen Situation von Interesse sind. 1. Gerichtliche Zuständigkeit Gemäß Art. 4 Wetboek van Militair Strafrecht 318 ist das niederländische Strafrecht auf sämtliche Straftaten niederländischer Soldaten anwendbar, 317  Spring, Brauchen wir in Deutschland eine Militärgerichtsbarkeit?, S. 217; Weber, in: Recht und Militär, S. 141, 151. 318  Art. 4 Wetboek van Militair Strafrecht: „De Nederlandse strafwet is toepasselijk op de militair, die zich buiten Nederland aan enig strafbaar feit schuldig maakt.“

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Teil 2, Kap. 1: Soldaten als Ermittlungspersonen

gleich ob sie im In- oder Ausland begangen wurden.319 Für die Ahndung sämtlicher – also nicht bloß militärischer und nicht bloß im Inland began­ gener – Straftaten von niederländischen Soldaten ist gemäß Art. 3 Wet militaire strafrechtspraak in erster Instanz das Landgericht (Rechtbank) Arnheim zuständig.320 Dabei handelt es sich um ein ziviles, das heißt nicht zum Militär gehörendes Gericht, bei dem jedoch je nach Spruchkörper Juristen des Militärs als Richter fungieren. Die Militärkammern (militaire kamers) bestehen gemäß Art. 5 Abs. 1 S. 1 Wet militaire strafrechtspraak321 aus zwei zivilen und einem militärischen Richter, der nach Möglichkeit der Teilstreit­ kraft des Beschuldigten entstammen soll.322 In einfacheren Sachen entschei­ det gemäß Art. 5 Abs. 2 Wet militaire strafrechtspraak323 ein ziviler Einzel­ richter (militaire politierechter).324 Das Verfahren richtet sich gemäß Art. 1 Abs. 3 Wet militaire strafrechtspraak325 grundsätzlich nach der Strafprozess­ ordnung (Wetboek van Strafvordering).326

319  Gonzales,

MRT 2010, 192. Hoek / Spruijt, MRT 2009, 261, 262; Coolen / Walgemoed, Militair strafrecht, S. 149, 156; Borghouts / Daverschot / Gillissen, Evaluatie toepassing mili­ tair strafprocesrecht bij uitzendingen, S. 15 – Daneben besteht gemäß Art. 10 Wet militaire strafrechtspraak für den Ausnahmezustand sowie bei Straftaten im Ausland die Möglichkeit sogenannte mobiele rechtbanken, also mobile Gerichte, einzurich­ ten; hiervon wurde bislang jedoch kein Gebrauch gemacht, und dies steht in näherer Zukunft auch nicht zu erwarten, vgl. Coolen / Walgemoed, Militair strafrecht, S. 152– 154; Borghouts / Daverschot / Gillissen, Evaluatie toepassing militair strafprocesrecht bij uitzendingen, S. 16. 321  Art. 5 Abs. 1 S. 1 Wet militaire strafrechtspraak: „De meervoudige kamer houdt zitting en beslist met drie leden, van wie twee, onder wie de voorzitter, lid zijn van de arrondissementsrechtbank, en één, verder te noemen het militair lid, niet tot de rechterlijke macht behoort. Bij de behandeling van een zaak tegen een militair zal het militair lid bij voorkeur behoren tot het krijgsmachtdeel waartoe de verdachte behoort.“ 322  Borghouts / Daverschot / Gillissen, Evaluatie toepassing militair strafprocesrecht bij uitzendingen, S. 14; Coolen / Walgemoed, Militair strafrecht, S. 149. 323  Art. 5 Abs. 2 Wet militaire strafrechtspraak: „De functie van militaire politierechter wordt vervuld door een lid van de arron­ dissementsrechtbank.“ 324  Coolen / Walgemoed, Militair strafrecht, S. 149; Borghouts / Daverschot / Gillissen, Evaluatie toepassing militair strafprocesrecht bij uitzendingen, S. 14. 325  Art. 1 Abs. 3 Wet militaire strafrechtspraak: „Het Wetboek van Strafvordering is van toepassing, tenzij daarvan in deze wet wordt afgeweken.“ 326  Coolen / Walgemoed, Militair strafrecht, S. 163; Borghouts / Daverschot / Gillissen, Evaluatie toepassing militair strafprocesrecht bij uitzendingen, S. 16 f. 320  Hamers / van



B. Zweckmäßigkeit und völkerrechtliche Zulässigkeit105

2. Staatsanwaltschaftliche Zuständigkeit Für die Verfolgung der entsprechenden Taten ist nach Art. 148 Abs. 1 Wetboek van Strafvordering327 die – zivile – Staatsanwaltschaft Arnheim und dort eine Spezialabteilung für Militärstrafsachen (Sectie Militaire Zaken) zuständig.328 Deren Mitarbeiter werden vor Beginn eines militärischen Einsatzes durch das Verteidigungsministerium über die Einsatzziele und -modalitäten, insbesondere die Einsatzregeln und die Voraussetzungen für die Anwendung militärischer Gewalt, informiert, und es finden Beratungen mit Vertretern des Militärs statt; all dies hat zum Ziel, bei den Vertretern der Staatsanwaltschaft das Verständnis für die Einsatzbedingungen zu för­ dern.329 Diesem Ziel dient auch ein Verbindungsoffizier des Verteidigungs­ ministeriums bei der Staatsanwaltschaft, der diese in militärischen Angele­ genheiten berät und sie über aktuelle Entwicklungen des Einsatzes auf dem Laufenden hält.330 Soweit es um militärrechtliche Fragen geht, wird die Staatsanwaltschaft zudem vom Expertisecentrum Militair Strafrecht Openbaar Ministerie sachverständig unterstützt.331 3. Ermittlungen im Auslandseinsatz Für die strafrechtliche Ermittlungsarbeit gegen Soldaten ist gemäß Art. 6 Abs. 1 lit. b Politiewet 1993332 in Verbindung mit Art. 141 lit. c Wetboek van Strafvordering333 die Koninklijke Marechaussee zuständig.334 Dabei 327  Art. 148 „De officier

Abs. 1 Wetboek van Strafvordering: van justitie is belast met de opsporing van de strafbare feiten waar­ van de rechtbank in het arrondissement waarin hij is aangesteld, kennisneemt, als­ mede met de opsporing binnen het rechtsgebied van die rechtbank van de strafbare feiten waarvan andere rechtbanken kennisnemen.“ 328  Borghouts / Daverschot / Gillissen, Evaluatie toepassing militair strafprocesrecht bij uitzendingen, S. 16 f.; Gonzales, MRT 2010, 192; Hamers / van  Hoek / Spruijt, MRT 2009, 261, 263. 329  Hamers / van Hoek / Spruijt, MRT 2009, 261, 261 f. 330  Hamers / van Hoek / Spruijt, MRT 2009, 261, 262 f. 331  Hamers / van Hoek / Spruijt, MRT 2009, 261, 263. 332  Art. 6 Abs. 1 lit. b Politiewet  1993: „Aan de Koninklijke marechaussee zijn, onverminderd het bepaalde bij of krach­ tens andere wetten, de volgende politietaken opgedragen: […] b. de uitvoering van de politietaak ten behoeve van Nederlandse en andere strijdkrachten, alsmede inter­ nationale militaire hoofdkwartieren, en ten aanzien van tot die strijdkrachten en hoofdkwartieren behorende personen.“ 333  Art. 141 lit. c Wetboek van Strafvordering: „Met de opsporing van strafbare feiten zijn belast: […] c. de door Onze Minister van Justitie in overeenstemming met Onze Minister van Defensie aangewezen mili­ tairen van de Koninklijke marechaussee.“

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Teil 2, Kap. 1: Soldaten als Ermittlungspersonen

handelt es sich um eine Polizei „militärischen Charakters“335, die eine eige­ ne Teilstreitkraft darstellt und grundsätzlich dem Verteidigungsministe­rium untersteht.336 Aus Art. 62 Wet militaire strafrechtspraak  337 ergibt sich, dass ihre Befugnisse nicht auf das Gebiet der Niederlande beschränkt sind, son­ dern sie diese weltweit ausüben kann, soweit dies völkerrechtlich zulässig ist. Für Ermittlungen im Auslandseinsatz besteht eine eigene Unterabteilung, die Brigade Buitenland Missies.338 334

Im Rahmen ihrer Ermittlungsarbeit unterstehen die Mitglieder der Koninklijke Marechaussee, obwohl es sich bei ihnen um Soldaten handelt, nicht dem Kommando des Verteidigungsministeriums, sondern der zuständigen Staatsanwaltschaft.339 Beteiligt sich die niederländische Armee an Auslands­ einsätzen, werden in der Regel Mitglieder der Koninklijke Marechaussee mit in den Einsatz entsandt.340 Im Rahmen der Einsatzvorbereitung werden die Mitglieder einerseits theoretisch, etwa über Waffensysteme und Einsatzabläu­ fe, aber auch über die Einsatzregeln und die Voraussetzungen für den Einsatz militärischer Gewalt, unterrichtet341 und erhalten andererseits eine zusätz­ liche praktische Ausbildung, sowohl in militärischer Hinsicht als auch was die Besonderheiten der Ermittlungsarbeit im Aufnahmestaat angeht.342 334  Hamers / van Hoek / Spruijt, MRT 2009, 261, 263; Coolen / Walgemoed, Militair strafrecht, S. 174; Borghouts / Daverschot / Gillissen, Evaluatie toepassing militair strafprocesrecht bij uitzendingen, S. 18. – Sind beim Verdacht einer Straftat im Aus­ land oder in internationalen Gewässern keine Ermittlungsbeamten vor Ort, kommen auch dem Kommandeur gemäß Art. 59 Wet militaire strafrechtspraak gewisse straf­ prozessuale Befugnisse und Aufgaben zu, und er untersteht insofern den Anordnun­ gen der Staatsanwaltschaft; dazu Coolen / Walgemoed, Militair strafrecht, S. 182–194; Borghouts / Daverschot / Gillissen, Evaluatie toepassing militair strafprocesrecht bij uitzendingen, S. 19. 335  van Hoorn, in: Cleiren / Verpalen, Art.  141 Rn.  2c. 336  Hamers / van Hoek / Spruijt, MRT 2009, 261, 272; van Hoorn, in: Cleiren / Ver­ palen, Art. 141 Rn. 2c. 337  Art. 62 Wet militaire strafrechtspraak: „Buiten het Koninkrijk kunnen bevoegdheden inzake opsporing, vervolging en berechting van strafbare feiten en tenuitvoerlegging van vonnissen slechts worden uitgeoefend voorzover het volkenrecht dit toelaat.“ 338  Hamers / van Hoek / Spruijt, MRT 2009, 261, 264. 339  Borghouts / Daverschot / Gillissen, Evaluatie toepassing militair strafprocesrecht bij uitzendingen, S. 18; Hamers / van Hoek / Spruijt, MRT 2009, 261, 272; Gonzales, MRT 2010, 192, 196. 340  Borghouts / Daverschot / Gillissen, Evaluatie toepassing militair strafprocesrecht bij uitzendingen, S. 19; so befanden sich 2009 zehn Mitglieder der Koninklijke Marechaussee in Afghanistan, vgl. Hamers / van Hoek / Spruijt, MRT 2009, 261, 264. 341  Hamers / van Hoek / Spruijt, MRT 2009, 261. 342  Hamers / van Hoek / Spruijt, MRT 2009, 261 f. – In dem Bericht der nach ihrem Vorsitzenden benannten Borghouts-Kommission zur Evaluation der Anwendung des Militärstrafprozessrechts bei Auslandseinsätzen waren dagegen noch erhebliche Defi­



B. Zweckmäßigkeit und völkerrechtliche Zulässigkeit107

Um eine effektive Strafrechtspflege im Auslandseinsatz gewährleisten zu können, ist der Befehlshaber beim Verdacht einer von einem ihm unterstell­ ten Soldaten begangenen Straftat gemäß Art. 78 Abs. 1 Wet militair tuchtrecht343 verpflichtet, die Koninklijke Marechaussee hiervon zu unterrichten,344 sodass Ermittlungen aufgenommen werden können. Für die Untersuchung militärischer Gewalt, die soweit wie möglich im Einsatzland erfolgen soll345, ist dabei ein spezielles Berichts- und Prüfsystem entwickelt worden, mit Hilfe dessen jeder Einsatz militärischer Gewalt auf seine Rechtmäßigkeit hin untersucht wird. Dieses Vorgehen hat das College van procureurs-generaal gemäß Art. 130 Abs. 4 Wet op de rechterlijke organisatie346 verbindlich für die Staatsanwaltschaft und die ermittelnde Koninklijke Marechaussee vorgeschrieben.347 Unmittelbar nach einer Gewaltanwendung wird die Koninklijke Marechaussee hiervon unterrichtet, und der Kommandeur der betroffenen Soldaten verfasst einen Bericht zu dem Vorfall, in dem er auch eine Einschätzung abgibt, ob er den Einsatz militärischer Gewalt für rechtmäßig hält, und übermittelt diesen der Koninklijke Marechaussee.348 Deren Kommandeur hat sodann anhand des Berichts unter anderem vor dem Hintergrund des humanitären Völkerrechts, der Einsatzregeln sowie der tatsächlichen Um­ stände die Rechtmäßigkeit der Gewaltanwendung zu beurteilen, wobei zu­ nächst von der Richtigkeit der Sachverhaltsschilderung ausgegangen wird.349 zite der Arbeit der Koninklijke Marechaussee aufgezeigt worden, die sich jedoch be­ reits im Evaluationszeitraum verbesserten. So wurden seitens des Militärs ihre militä­ rischen Fähigkeiten und seitens der Staatsanwaltschaft und der Richter ihre krimina­ listischen und rechtlichen Kenntnisse bemängelt, vgl. Borghouts / Daverschot / Gillissen, Evaluatie toepassing militair strafprocesrecht bij uitzendingen, S. 53 f. 343  Art. 78 Abs. 1 Wet militair tuchtrecht: „Is de commandant van oordeel dat een hem ter kennis gekomen gedraging een strafbaar feit betreft, dan is hij verplicht daarvan onverwijld aangifte te doen bij een opsporingsambtenaar […].“ 344  Borghouts / Daverschot / Gillissen, Evaluatie toepassing militair strafprocesrecht bij uitzendingen, S. 52. 345  Hamers / van Hoek / Spruijt, MRT 2009, 261, 270. 346  Art. 130 Abs. 4 Wet op de rechterlijke organisatie: „Het College kan algemene en bijzondere aanwijzingen geven betreffende de ­uitoefening van de taken en bevoegdheden van het openbaar ministerie.“ 347  Brief des College van procureurs-generaal an den Hoofdofficier van Justititie (Leiter der Staatsanwaltschaft) in Arnheim vom 20.11.2006, abgedruckt in: Staats­ courant 29.11.2006, Nr. 233, S. 11; das College van procureurs-generaal stellt die Spitze der niederländischen Staatsanwaltschaft dar und kann gemäß Art. 130 Abs. 4 Wet op de rechterlijke organisatie entsprechende Anweisungen erteilen, vgl. Corstens / Borgers, Het Nederlands strafprocesrecht, S. 107. 348  Hamers / van Hoek / Spruijt, MRT 2009, 261, 267. 349  Hamers / van Hoek / Spruijt, MRT 2009, 261, 267 f.

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Teil 2, Kap. 1: Soldaten als Ermittlungspersonen

Bejaht er die Rechtmäßigkeit, verfasst er einen entsprechenden Bericht und übermittelt diesen an die Staatsanwaltschaft in Arnheim.350 Teilt diese die Einschätzung, so werden keine weiteren Ermittlungen angestellt. Bestehen beim Kommandeur der Koninklijke Marechaussee hingegen Zweifel an der Rechtmäßigkeit, setzt er sich unmittelbar mit der Staatsanwaltschaft Arn­ heim in Verbindung; werden in dieser Beratung die Zweifel nicht ausge­ räumt, folgen weitere Ermittlungen.351 Diese Ermittlungen verlaufen – ent­ sprechend den deutschen Erfahrungen – unter deutlich schwierigeren Bedin­ gungen als strafrechtliche Ermittlungen in den Niederlanden.352 Werden die betroffenen Soldaten als Zeugen vernommen, müssen sie auf Fragen, deren Beantwortung sie in die Gefahr der Strafverfolgung bringen würde, nicht antworten; ergibt sich ein Verdacht gegen sie, werden sie als Beschuldigte (verdachte) vernommen, sodass sie überhaupt nicht aussagen müssen.353 Zudem ist der Vorgesetze des betroffenen Soldaten zu befragen,354 einerseits zur Informationsgewinnung, andererseits, um ihn in die Ermittlungen einzu­ binden und so das Arbeitsklima zu verbessern und eine größere Koopera­ tionsbereitschaft auch der ihm unterstehenden Soldaten zu erreichen.355 IV. Schlussfolgerungen aus der niederländischen Praxis und Rechtslage Zwei Vorbehalte bestehen gegen die Bestellung von Soldaten zu Ermitt­ lungspersonen der Staatsanwaltschaft: einerseits, dass die ermittelnden Sol­ daten sowohl den Anordnungen der militärischen Führung als auch denen des zuständigen Staatsanwalts zu folgen hätten, was zu Konflikten führen könne; andererseits, dass Militärangehörige als Werkzeuge zum Setzen zivi­ ler Hoheitsakte verwendet würden und dies einen Verstoß gegen das Völ­ kerrecht darstelle. Beides erweist sich in der niederländischen Praxis als unproblematisch. 1. Zweckmäßigkeit Der erste Vorbehalt hat sich nicht erhärtet. Bei der Wahrnehmung ihrer strafprozessualen Aufgaben ist die niederländische Koninklijke Marechaus350  Hamers / van

Hoek / Spruijt, MRT 2009, 261, 268. Hoek / Spruijt, MRT 2009, 261, 268 f. 352  Gonzales, MRT 2010, 192; Hamers / van Hoek / Spruijt, MRT 2009, 261, 268. 353  Hamers / van Hoek / Spruijt, MRT 2009, 261, 270. 354  Hamers / van Hoek / Spruijt, MRT 2009, 261, 270. 355  Borghouts / Daverschot / Gillissen, Evaluatie toepassing militair strafprocesrecht bij uitzendingen, S. 46 f. 351  Hamers / van



C. Kompetenzrechtliche Zulässigkeit109

see nur an die Weisungen der Staatsanwaltschaft gebunden und nicht Teil der militärischen Hierarchie, sodass es nicht zu konfligierenden Anordnun­ gen kommen kann. Warum dies bei der Etablierung eines entsprechenden Systems in Deutschland anders sein sollte, ist nicht ersichtlich.356 Der erste Einwand, der ohnehin schon durch das vergleichbare Verhältnis zwischen Staatsanwaltschaft und Polizei entkräftet wurde, kann deshalb nicht über­ zeugen. Ein praktisches Problem aufgrund der Tatsache, dass Soldaten der Staatsanwaltschaft unterstehen, ist nicht ersichtlich. 2. Völkerrechtliche Zulässigkeit Was die völkerrechtliche Zulässigkeit, also den zweiten Vorbehalt, angeht, wurden gegen die niederländische Praxis bislang keine entsprechenden Be­ denken geäußert. Zwar ist dies kein zwingendes Argument für die Zulässig­ keit, doch wird die niederländische Praxis der strafrechtlichen Ermittlungen im Auslandseinsatz unter der Führung der zivilen Staatsanwaltschaft nicht beanstandet. Dass dies bei der Bestellung deutscher Soldaten als Ermitt­ lungspersonen anders verlaufen sollte, erscheint nicht plausibel. Des Weite­ ren ist beachtlich, dass weder im niederländischen Schrifttum noch in der Rechtsprechung noch von dritter Seite völkerrechtliche Bedenken gegen die Ermittlungspraxis vorgebracht werden. Schließlich ist zu beachten, dass diejenigen, die die Unterstellung von Soldaten im Ausland für völkerrechts­ widrig halten, Belege hierfür schuldig bleiben. Dass das Gegenteil der Fall ist, legt die niederländische Praxis und ihre Duldung nahe.

C. Kompetenzrechtliche Zulässigkeit Zu klären ist jedoch, ob der Einsatz von Soldaten als Ermittlungsperso­ nen mit der grundgesetzlichen Zuständigkeitsverteilung zwischen Bund und Ländern vereinbar ist. Die Gesetzgebungskompetenz für eine entsprechen­ de Regelung ergibt sich aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 Var. 3 bzw. 4 GG, nach dem das Gerichtsverfassungs- und das Verfahrensrecht der konkurrierenden Gesetzgebung unterliegen. Denn hierunter fällt auch die Gesetzgebungs­ kompetenz bezüglich des das gerichtliche Verfahren vorbereitenden straf­ rechtlichen Ermittlungsverfahrens.357 Dies bedeutet jedoch noch nicht, dass 356  Heinen, Rechtsgrundlagen Feldjägerdienst, S. 345, wendet hiergegen – jedoch ohne dies zu begründen – ein, dass „das dann entstehende Konkurrenzverhältnis […] in der Einsatzsituation […] zu erheblichen Spannungen führen“ könne. 357  BVerfGE 30, 1, 29; Stettner, in: Dreier, Art. 74 Rn. 27; Sannwald, in: SchmidtBleibtreu / Hofmann / Hopfauf, Art.  74 Rn.  40; Oeter, in: v.  Mangoldt / Klein / Starck, Art. 74 Rn. 25; Degenhart, in: Sachs, Art. 74 Rn. 26.

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Teil 2, Kap. 1: Soldaten als Ermittlungspersonen

es dem Bund auch zusteht, die im Rahmen des Art. 74 GG erlassenen Gesetze selbst auszuführen. I. Grundsatz der Länderzuständigkeit Art. 30 GG besagt, dass die Ausübung staatlicher Befugnisse und die Erfüllung staatlicher Aufgaben grundsätzlich Sache der Länder ist, soweit das Grundgesetz „keine andere Regelung trifft oder zulässt“. Das heißt, dass die Zuständigkeit der Länder prinzipiell unbegrenzt ist, während dem Bund Kompetenzen eingeräumt werden müssen, sie also einer besonderen Be­ gründung bedürfen.358 Mit Ausnahme der in Art. 96 Abs. 5 GG vorausgesetzten359 Zuständigkeit zur Verfolgung der völkerrechtlichen Kernverbrechen (Nr. 1–3), friedensge­ fährdender Handlungen (Nr. 4) und von Staatsschutzstrafsachen (Nr. 5) fin­ det sich im Grundgesetz keine Regelung, die es dem Bund ausdrücklich erlaubt, Strafverfolgung zu betreiben. Hieraus wird gefolgert, dass die übri­ ge Strafverfolgung in den Zuständigkeitsbereich der Länder falle.360 Würde dies absolut gelten, spräche dies gegen die Möglichkeit, Soldaten – des Bundes – zu Ermittlungspersonen der Staatsanwaltschaft zu bestellen, da es an einer ausdrücklichen Ermächtigung hierfür fehlt. Die pauschale Ablehnung der vorgeschlagenen Möglichkeit unter Hinweis auf die grundsätzliche Allzuständigkeit der Länder und das Fehlen einer ausdrücklichen Ermächtigung zur Bestellung von Soldaten als Ermittlungs­ personen griffe jedoch zu kurz. Vielmehr bedarf es einer Auseinanderset­ zung mit der Frage, ob sich dem Grundgesetz eine entsprechende Kompe­ tenz auf andere Weise entnehmen lässt. Wenn die Begründung im Einzelnen auch umstritten sein mag, ist im Ergebnis nämlich allgemein anerkannt, dass es neben geschriebenen auch weitere ungeschriebene, oder genauer: mitgeschriebene Kompetenzen des Bundes gibt.361 Da die Ermächtigungen nach Art. 30 GG in „diesem Grund­ gesetz“ vorgesehen sein müssen, sind sie dem Grundgesetz durch Auslegung 358  März, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, Art.  30 Rn.  14; Gubelt, in: v. Münch  /  Kunig, Art. 30 Rn. 11; Sannwald, in: Schmidt-Bleibtreu / Hofmann / Hopfauf, Art.  30 Rn. 4. 359  Wollweber, Die Zuständigkeit des Generalbundesanwalts in Staatsschutzsachen nach § 120 Abs. 1 und Abs. 2 GVG, S. 37–47. 360  Vgl. nur Wollweber, Die Zuständigkeit des Generalbundesanwalts in Staats­ schutzsachen nach § 120 Abs. 1 und Abs. 2 GVG, S. 35. 361  Sannwald, in: Schmidt-Bleibtreu / Hofmann / Hopfauf, Art.  30 Rn.  4; Erbguth, in: Sachs, Art. 30 Rn. 38; Gubelt, in: v. Münch / Kunig, Art. 30 Rn. 14; März, in: v.  Mangoldt / Klein / Starck, Art.  30 Rn.  57; Korioth, in: Maunz / Dürig, Art.  30 Rn.  22.



C. Kompetenzrechtliche Zulässigkeit111

zu entnehmen.362 Recht, das außerhalb der Verfassung steht – etwa Ge­ wohnheitsrecht –, darf zur Begründung von Kompetenzen also nicht heran­ gezogen werden,363 sodass die Bezeichnung als ungeschriebene Ermächti­ gungen irreführend ist.364 Es geht vielmehr darum, Lücken der Kompetenz­ verteilungsvorschriften durch Auslegung zu schließen und von der Verfas­ sung als selbstverständlich Vorausgesetztes zu präzisieren.365 Hieraus ergeben sich drei eng miteinander verwobene Kategorien mitgeschriebener Zuständigkeiten, die jeweils aufgrund leicht verschiedener Auslegungskrite­ rien zu ermitteln sind: die Zuständigkeit kraft Natur der Sache, kraft beson­ deren Sachzusammenhangs sowie kraft Annexes. Eine Zuständigkeit kraft Natur der Sache wird angenommen, wenn „Sachgebiete, weil sie ihrer Natur nach eigenste, der partikularen Gesetz­ gebungszuständigkeit a priori entrückte Angelegenheiten des [Bundes366] darstellen, vom [Bund] und nur von ihm geregelt werden können.“367 „Schlussfolgerungen ‚aus der Natur der Sache‘ müssen begriffsnotwendig sein und eine bestimmte Lösung unter Ausschluß anderer Möglichkeiten sachgerechter Lösung zwingend fordern.“368 Der Bund hat also dann eine Zuständigkeit kraft Natur der Sache, wenn begriffsnotwendig nur er die Aufgabe wahrnehmen kann, etwa weil dies einheitlich auf der gesamtstaat­ lichen Ebene erfolgen muss.369 Es muss sich folglich um eine derart of­ fensichtliche Zuständigkeit des Bundes handeln, dass davon ausgegangen werden kann, dass die Verfassung nur deshalb zu der Zuständigkeitsfrage schweigt. Dabei ist aber zu betonen, dass hierbei dennoch das Grundgesetz – in erster Linie historisch – ausgelegt wird, nicht hingegen allgemeine staatstheoretische Überlegungen zur Grundlage von Bundeskompetenzen genommen werden.370 362  März, in: v.  Mangoldt / Klein / Starck, Art.  30 Rn.  63; Erbguth, in: Sachs, Art. 30 Rn. 39. 363  März, in: v.  Mangoldt / Klein / Starck, Art.  30 Rn.  63; Gubelt, in: v. Münch  /  Kunig, Art. 30 Rn. 15. 364  Vgl. Erbguth, in: Sachs, Art. 30 Rn. 38 f. 365  März, in: v.  Mangoldt / Klein / Starck, Art.  30 Rn.  63; Gubelt, in: v. Münch  /  Kunig, Art. 30 Rn. 16. 366  BVerfGE 11, 89, 98 bezieht sich auf die Rechtslage nach der Reichsverfas­ sung, entsprechend heißt es dort nicht „vom Bund“ sondern „vom Reich“. 367  BVerfGE 11, 89, 98; 26, 246, 257. 368  BVerfGE 11, 89, 98. 369  März, in: v.  Mangoldt / Klein / Starck, Art.  30 Rn.  64; Gubelt, in: v. Münch  /  Kunig, Art. 30 Rn. 18; Sannwald, in: Schmidt-Bleibtreu / Hofmann / Hopfauf, Art.  30 Rn. 35. 370  Vgl. Gubelt, in: v. Münch / Kunig, Art. 30 Rn. 15; Korioth, in: Maunz / Dürig, Art. 30 Rn. 23.

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Teil 2, Kap. 1: Soldaten als Ermittlungspersonen

Eine Zuständigkeit kraft Sachzusammenhangs liegt vor, wenn eine dem Bund ausdrücklich zugewiesene Aufgabe nicht geregelt werden kann, ohne dass ihm auch die Zuständigkeit für eine andere Aufgabe zukommt.371 Da­ bei muss die nicht ausdrücklich zuerkannte Kompetenz unerlässlich für die Wahrnehmung der anderen Aufgabe sein.372 Bloße Zweckmäßigkeiten genü­ gen ebenso wenig wie bei der Zuständigkeit kraft Natur der Sache. Dabei gilt ebenfalls das Verbot, verfassungsfremdes (Gewohnheits-)Recht einzube­ ziehen, um so zur Annahme einer Bundeskompetenz zu gelangen.373 Bei der Zuständigkeit kraft Annexes verbleibt die Zuständigkeit grund­ sätzlich im Bereich der Länder, und dem Bund steht lediglich die Kompe­ tenz für untergeordnete Hilfsmaterien zu wie Planung, Organisation usw.374 Sie spielt daher in diesem Zusammenhang keine Rolle. II. Mögliche Grundlagen für eine Bundeskompetenz Die Zuständigkeit des Bundes zur Strafverfolgung von Bundeswehrsolda­ ten und damit auch für den Einsatz von Soldaten als Ermittlungspersonen könnte sich aus Art. 96 Abs. 2 S. 1 GG ergeben, der dem Bund die Mög­ lichkeit eröffnet, Wehrstrafgerichte einzurichten. Da die genannte Norm nicht ausdrücklich den Einsatz von Soldaten als Ermittlungspersonen der Staatsanwaltschaft zulässt, kann sich eine solche Kompetenz des Bundes nur aus den soeben skizzierten mitgeschriebenen Zuständigkeiten ergeben. 1. Bundeskompetenz kraft Natur der Sache Für die Zuständigkeit kraft Natur der Sache müsste es völlig ausgeschlos­ sen sein, das Problem anders als durch Ermittlungen durch Soldaten, also eine Bundeszuständigkeit, zu lösen, und der Bund müsste derart offensicht­ lich zuständig sein, dass davon auszugehen wäre, dass die Verfassung nur deshalb zu der Zuständigkeitsfrage schweigt. Argumentierte man, dass Strafverfolgung von Soldaten Ausfluss der Kommandogewalt ist, so könnte man zu diesem Ergebnis gelangen. Denn dass die Kommandogewalt über Streitkräfte des Bundes dem Bund zustehen muss, liegt so sehr auf der Hand, dass es keiner Erwähnung bedarf. Wenn die Strafverfolgung Ausfluss 371  Sannwald, in: Schmidt-Bleibtreu / Hofmann / Hopfauf, Art.  30 Rn.  36; März, in: v.  Mangoldt / Klein / Starck, Art.  30 Rn.  66. 372  Gubelt, in: v. Münch / Kunig, Art. 30 Rn. 19. 373  Diese Gefahr dürfte beim Sachzusammenhang geringer sein als bei der Zu­ ständigkeit kraft Natur der Sache, weil mit dem Sachzusammenhang eine noch en­ gere Verbindung zur geschriebenen Verfassung als bei letzterer bestehen muss. 374  März, in: v.  Mangoldt / Klein / Starck, Art.  30 Rn.  68.



C. Kompetenzrechtliche Zulässigkeit113

dieser Kompetenz wäre, dann könnte sie folglich ebenfalls nur dem Bund zustehen. Eine entsprechende Argumentation kann nach modernem Verständnis je­ doch nicht greifen – die Strafgewalt über Soldaten fließt nicht aus der Kom­ mandogewalt. Art. 96 Abs. 3 GG legt zudem fest, dass mit dem Bundesge­ richtshof ein ordentliches, ziviles Gericht oberste Instanz von Wehrstrafge­ richten sein muss und sie in den Zuständigkeitsbereich des Justizministeri­ ums und nicht in den des Verteidigungsministeriums fällt. Wenn in letzter Instanz jedoch zivile Richter entscheiden, kann die Strafverfolgung von Sol­ daten nicht Ausfluss der Kommandogewalt sein. Eine Kompetenz kraft Natur der Sache steht dem Bund vor diesem Hintergrund also nicht zu. 2. Bundeskompetenz kraft Sachzusammenhangs Betrachtet man Art. 96 Abs. 2 GG, so fällt auf, dass sich weder eine Regelung dazu findet, welche Staatsanwaltschaft für die Anklage bei den Wehrstrafgerichten, noch welche Stelle für die Ermittlungsarbeit zustän­ dig sein soll. Dass es jedoch auch im Rahmen einer Wehrstrafgerichtsbar­ keit eine Staatsanwaltschaft geben müsste, folgt aus § 151 StPO, nach dem „[d]ie Eröffnung einer gerichtlichen Untersuchung […] durch die Erhebung einer Klage bedingt“ ist. Der hierin enthaltene Anklagegrundsatz (auch: Akkusationsprinzip) stellt die Abkehr vom Inquisitionsverfahren des Ge­ meinen Rechts, in dem Ankläger und Richter personenidentisch waren, hin zum reformierten Strafprozess mit der Trennung von Ankläger und Richter, dar.375 Er ist deshalb ein allgemeines Prinzip des Strafverfahrens – eine Abweichung hiervon im Fall der Strafverfolgung von Soldaten kommt des­ halb, auch vor dem Hintergrund des Leitbilds des Staatsbürgers in Uni­ form, nicht in Betracht. Die Existenz einer Staatsanwaltschaft für die Wehrstrafgerichte wird also von Art. 96 Abs. 2 GG in Verbindung mit dem Anklagegrundsatz unter Be­ rücksichtigung des Leitbilds des Staatsbürgers in Uniform vorausgesetzt. Da diese Staatsanwaltschaft Ermittlungshandlungen im Ausland aber noch viel weniger eigenhändig vornehmen könnte als dies bei Straftaten in Deutsch­ land der Fall ist, wäre sie für die Ermittlungsarbeit auf Ermittlungspersonen angewiesen. Diese könnten im Fall der Errichtung einer Wehrstrafgerichts­ barkeit für ins Ausland entsandte Soldaten aus den bereits mehrfach genann­ ten Gründen aber keine zivilen Polizeibeamte, sondern müssten, einerseits aus praktischen, andererseits aus völkerrechtlichen Gründen, Soldaten sein. 375  Hellmann, Rn. 78; Beulke, Strafprozessrecht, Rn. 18; Ranft, Rn.  276 f.; Roxin /  Schünemann, § 13 Rn. 1–4; ausführlich Rüping, GA 1992, 147–158.

114

Teil 2, Kap. 1: Soldaten als Ermittlungspersonen

Somit ergibt sich die Kompetenz des Bundes zum Einsatz von Soldaten als Ermittlungspersonen der Staatsanwaltschaft jedenfalls für den Fall der Er­ richtung einer Wehrstrafgerichtsbarkeit kraft Sachzusammenhangs aus Art. 96 Abs. 2 GG. 3. Zulässigkeit außerhalb einer Wehrstrafgerichtsbarkeit Offen ist aber, ob diese Kompetenz dem Bund nur im Rahmen der Er­ richtung einer Wehrstrafgerichtsbarkeit zusteht, oder er von dieser Kompe­ tenz auch ohne diese Gebrauch machen darf, ob dem Bund die Bestimmung von Soldaten als Ermittlungspersonen der Staatsanwaltschaft also als „Mi­ nus“ zu einer Wehrstrafgerichtsbarkeit nach Art. 96 Abs. 2 GG gestattet ist. Gegen diese Möglichkeit ließe sich argumentieren, dass der Verfassungsge­ setzgeber bei der Schaffung des Art. 96 Abs. 2 GG eine klassische Militärge­ richtsbarkeit vor Augen hatte, die den speziellen Anforderungen im Krieg ge­ recht werden sollte, das heißt dem dann erhöhten Bedürfnis nach Mobilität der Gerichtsbarkeit und der Aufrechterhaltung der Disziplin und damit Schlag­ kraft der Truppe.376 Betrachtete man Art. 96 Abs. 2 GG nur vor diesem Hin­ tergrund, dann könnte dies gegen den Einsatz von Soldaten als Ermittlungs­ personen der Staatsanwaltschaft sprechen. Denn dieser soll im Wesentlichen anderen Zwecken dienen, nämlich der effektiven Ermittlungsarbeit vor Ort. Damit würde man allerdings der Tatsache nicht gerecht, dass Art. 96 Abs. 2 GG Wehrstrafgerichte und damit auch den Einsatz von Soldaten als Ermittlungspersonen der Staatsanwaltschaft nicht nur im Verteidigungsfall zulässt, sondern auch für ins Ausland entsandte oder an Bord von Kriegs­ schiffen eingeschiffte Soldaten. Dabei sind zwar auch Mobilitätsgedanken und die Aufrechterhaltung der Disziplin von Bedeutung. Jedoch geht es auch darum, für diese außergewöhnlichen Situationen eine praktikable Lö­ sung zu finden, Strafverfolgung zu betreiben. Art. 96 Abs. 2 GG stellt also letztlich eine Regelung dar, die darauf gerichtet ist, die Strafverfolgung von Soldaten auch widrigen Umständen weitgehend anzupassen, solange nicht die ausdrücklichen Grenzen – etwa die Unterordnung unter das Justizressort und die Bestimmung des BGH als Obergericht – überschritten werden. Wäre es im Verteidigungsfall im Inland noch denkbar, Polizeibeamte mit Ermittlungen gegen Soldaten zu betrauen, ist dies im Auslandseinsatz nicht möglich und sind Ermittlungen, wie gezeigt, nur unter Einschränkungen der Eingriffsbefugnisse, mittels rechtlicher Hilfskonstruktionen und ohne die Möglichkeit verbindlicher Einflussnahme der Staatsanwaltschaft auf die Ermittlungen, also letztlich kaum möglich. 376  Vgl.

Schwind, Umfang und Träger der Wehrstrafgerichtsbarkeit, S. 104.



D. Zusammenfassung115

Wie bezüglich der Kompetenz des Bundes zur Konzentration der Straf­ verfahren bei einem Ländergericht und einer Landesstaatsanwaltschaft gilt auch für die „polizeiliche“ Ermittlungsarbeit: Wenn von Art. 96 Abs. 2 GG die Möglichkeit umfasst ist, bei der Einrichtung einer Wehrstrafgerichtsbar­ keit Soldaten als Ermittlungspersonen einzusetzen, dann ist hierin auch die Befugnis enthalten, dies außerhalb der Errichtung einer Wehrstrafgerichts­ barkeit zu tun und so eine weniger in die Kompetenz der Länder eingrei­ fende Maßnahme zur Erreichung des in Art. 96 Abs. 2 GG enthaltenen Ziels, der Ermöglichung effektiver Strafverfolgung im Auslandseinsatz, zu wählen. Demnach ist in Art. 96 Abs. 2 GG also auch die Kompetenz des Bundes enthalten, unabhängig von der Errichtung von Wehrstrafgerichten für Auslandseinsätze Soldaten als Ermittlungspersonen der Staatsanwalt­ schaft einzusetzen.377 Für dieses Ergebnis spricht darüber hinaus, dass auch in zahlreichen anderen Regelungszusammenhängen Beamte des Bundes als Ermittlungspersonen der Staatsanwaltschaften der Länder tätig werden, dies dem Strafverfahren also nicht fremd ist.

D. Zusammenfassung § 11a StPO lässt die Probleme bei strafrechtlichen Ermittlungen im Aus­ landseinsatz unberücksichtigt und muss deshalb in dieser Hinsicht ergänzt werden. Um der Staatsanwaltschaft verbindlichen Einfluss auf die Ermitt­ lungen zu verschaffen, sollten Soldaten zu Ermittlungspersonen der Staats­ anwaltschaft im Sinne des § 152 GVG bestellt werden.378 § 152 GVG steht dem nicht entgegen, da hierfür, im Gegensatz zur Fassung bis 2004, nicht mehr die Eigenschaft als Beamter erforderlich ist. Zweifel an der Zweckmäßigkeit und Bedenken wegen der gleichzeitigen Unterstellung unter militärische und zivile Vorgesetzte wurden durch den Blick auf die niederländische Praxis, in der Soldaten Ermittlungspersonen der Staatsanwaltschaft sind, entkräftet, da sich hieraus dort keine besonde­ ren Probleme ergeben. Auch die Tatsache, dass dies bei Polizisten, die bei ihrer präventiven Tätigkeit dem Innen- und bei ihrer repressiven Tätigkeit dem Justizministerium unterstehen, vergleichbar ist, spricht hierfür. Völker­ rechtliche Bedenken wurden ebenfalls durch den Rechtsvergleich mit den 377  Insofern überzeugt der Einwand von Heinen, Rechtsgrundlagen Feldjäger­ dienst, S. 345, „die Durchführung von Ermittlungen für eine Justizbehörde [gehöre] nicht zum Verfassungsauftrag der Streitkräfte“, nicht. Denn die Aufgaben der Streit­ kräfte ergeben sich nicht lediglich, wovon Heinen offenbar ausgeht, aus Artt. 24 Abs. 2, 35 Abs. 2 und 3 oder 87a GG; vielmehr können sich entsprechende Aufga­ ben aus dem gesamten Grundgesetz – also etwa Art. 96 Abs. 2 GG – ergeben. 378  Für einen konkreten Gesetzgebungsvorschlag siehe unten, Schluss, B., II.–III.

116

Teil 2, Kap. 1: Soldaten als Ermittlungspersonen

Niederlanden beseitigt. Da gegen die dortige Praxis keinerlei Beschwerden, sei es aus der Literatur, sei es von anderen Staaten, vorgebracht werden, kann hieraus abgeleitet werden, dass ein völkerrechtliches Verbot, Soldaten im Auslandseinsatz zivilen Strafverfolgungsbehörden zu unterstellen, nicht besteht. Die verfassungsrechtliche Kompetenz zur Bestellung von Soldaten als Ermittlungspersonen ergibt sich für den Bund kraft Sachzusammenhangs aus Art. 96 Abs. 2 GG. Dieser enthält die Kompetenz, für Wehrstrafgerichte eine eigene Staatsanwaltschaft zu errichten. Weil diese ihre Ermittlungen nicht selbst durchführen könnte und Polizisten im Ausland nicht eingesetzt werden können, ist davon auch die Möglichkeit umfasst, Soldaten als Er­ mittlungspersonen einzusetzen. Als „Minus“, als weniger in die Kompetenz­ verteilung zwischen Bund und Ländern eingreifende Maßnahme, ist hiervon auch die Bestellung von Soldaten als Ermittlungspersonen der Staatsanwalt­ schaft außerhalb einer Wehrstrafgerichtsbarkeit nach Art. 96 Abs. 2 GG umfasst.

Kapitel 2

Errichtung einer Wehrstrafgerichtsbarkeit als Alternative? Die Abschaffung der Wehrmachtsgerichtsbarkeit aufgrund des Kontroll­ ratsgesetzes Nr. 34 vom 20. August 1946 war weniger eine Reaktion auf durch die Militärjustiz begangenes Unrecht während der Zeit des National­ sozialismus, als primär eine Folge des Verbots „militärischer Betätigung jeglicher Natur“ durch die Kontrollratsproklamation Nr. 2, Abschnitt I, Zif­ fer 2 vom 20. September 1945. Und schon kurz nach der Gründung der Bundeswehr am 12. November 1955 wurde in das Grundgesetz am 19. März 1956 ein Art. 96a eingefügt, der die Möglichkeit vorsah, Wehrstrafgerichte als Bundesgerichte einzurich­ ten, die dem Justizressort zugeordnet sein sollten und deren Obergericht der Bundesgerichtshof sein sollte. Diese Befugnis wurde jedoch auf den Vertei­ digungsfall sowie im Frieden auf Angehörige der Streitkräfte, die in das Ausland entsandt oder an Bord von Kriegsschiffen eingeschifft sind, be­ schränkt. Eine dem Art. 96a GG a. F. weitgehend entsprechende Vorschrift findet sich heute in Art. 96 Abs. 2 GG, nach dem zusätzlich die hauptamt­ lichen Richter die Befähigung zum Richteramt haben müssen. Es stellt sich deshalb die Frage, ob nicht die Einführung einer Wehrstraf­ gerichtsbarkeit379 im Sinne des Art. 96 Abs. 2 GG zur Lösung der geschilder­ ten Probleme besser geeignet wäre als die Zentralisierung nach § 11a StPO und die Bestellung von Feldjägern als Ermittlungspersonen der Staatsanwalt­ schaft. Nahe liegend wäre dies schon deshalb, weil die Bundesrepublik mit ihrem Verzicht auf eine spezielle Wehrstrafgerichtsbarkeit im internationalen Vergleich eine Ausnahme darstellt, während in den meisten anderen Staaten Wehrstrafgerichte als völlig selbstverständlich angesehen werden.380 379  Auf die Unmöglichkeit einer allgemeinen Definition des Begriffs „Militärge­ richtsbarkeit“ weist Bucherer, Vereinbarkeit von Militärgerichten, S. 7 f., hin; eben­ falls zu keiner brauchbaren Definition gelangt Spring, Brauchen wir in Deutschland eine Militärgerichtsbarkeit?, S. 28–30; eine solche ist für die hiesigen Zwecke aber auch entbehrlich, da es nicht um Wehrstrafgerichte im Allgemeinen, sondern nur um solche im Sinne des Art. 96 Abs. 2 GG geht, sodass die Bedeutung letzterem zu entnehmen ist. 380  Nolte / Krieger, in: European Military Law Systems, S. 160.

118 Teil 2, Kap. 2: Errichtung einer Wehrstrafgerichtsbarkeit als Alternative?

Im Folgenden wird nun zunächst die Diskussion um die Einführung einer Wehrstrafgerichtsbarkeit zwischen 1955 und 1991 skizziert. Daran anschlie­ ßend folgt eine Auseinandersetzung mit den neueren, vor dem Hintergrund der Auslandseinsätze der Bundeswehr entwickelten Ansätzen Springs aus dem Jahr 2008 und des Deutschen Bundeswehrverbands aus dem Jahr 2009. Obwohl sich aus der Analyse der älteren Diskussion nicht unmittelbar Lösungsansätze für die oben dargestellten aktuellen Probleme ergeben, ist sie für die (insbesondere rechtspolitische) Bewertung verschiedener Lö­ sungsansätze doch erhellend, da sie die hinter einer Wehrstrafgerichtsbarkeit stehenden Zwecke verdeutlicht und so ein Urteil über die neueren Bestre­ bungen zur Errichtung einer Wehrstrafgerichtsbarkeit für Auslandseinsätze erlaubt. Es wird sich zeigen, dass die später erörterten neueren Vorschläge die Unterschiede zwischen der früheren und der heutigen militärischen Si­ tuation nicht hinreichend berücksichtigen und die früher vertretenen Ansätze deshalb zum Teil ohne weiteres in die heutige Zeit übertragen. Auch wird durch die Beschäftigung mit der Diskussion zwischen 1955 und 1991 deut­ lich, dass der hier unterbreitete Vorschlag sich von einer „Wehrstrafgerichts­ barkeit“, die teilweise mit negativen Assoziationen belegt ist, so sehr unter­ scheidet, dass Argumente gegen eine solche nicht gegen den hier vertretenen Ansatz381 durchgreifen.

A. Bestrebungen zwischen 1955 und 1991 I. Diskussionsverlauf Schon im Jahr 1955, noch vor Gründung der Bundeswehr, begann die Diskussion um die Errichtung einer Wehrstrafgerichtsbarkeit, wobei sie seitens der Befürworter einen standesorientierten Einschlag hatte und auf die Wahrung der militärischen Disziplin ausgerichtet war.382 Die Besonderheiten bei Streitkräften, nämlich das straffe Unterordnungs­ verhältnis und der enge Zusammenhang zwischen Disziplinargewalt und Strafgerichtsbarkeit, verlangten und rechtfertigten Besonderheiten im Straf­ 381  Teil 2,

Kapitel 1. die Behandlung der rechtsstaatswidrigen sogenannten Schubladenentwür­ fe der Bundesregierung und die Einübung entsprechender Verfahren seit den 1960er Jahren wird im Folgenden verzichtet. Einerseits weil sie im hier interessierenden Zusammenhang nicht weiterführen würde, andererseits weil im Schrifttum bereits eine erschöpfende Auseinandersetzung erfolgt ist, der nichts Substantielles hinzuzu­ fügen ist, vgl. insbesondere Tondorf, StV 1983, 388–391; Vultejus, Kampfanzug unter der Robe, passim; Carnagico, Demokratie und Recht 1984, 448–455; Spring, Brauchen wir in Deutschland eine Militärgerichtsbarkeit?, S. 204–210; unkritisch: Schönherr, Truppenpraxis 1975, 233–238. 382  Auf



A. Bestrebungen zwischen 1955 und 1991119

verfahren, und die Erfahrungen des Zweiten Weltkriegs hätten, so Arndt, keinen Anlass für ein Verbot einer Wehrstrafgerichtsbarkeit gegeben, da sie sich dort bis auf Ausnahmen bewährt habe. Aus dem neuen Bild des Solda­ ten als Staatsbürger in Uniform ergebe sich jedoch, dass in Friedenszeiten die Strafgerichtsbarkeit über Soldaten von den ordentlichen Gerichten über­ nommen werden solle, bei denen besondere Abteilungen, Kammern und Senate eingerichtet werden sollten. Hierdurch werde man am besten dem Prinzip der Gewaltenteilung gerecht, da Wehrstrafgewalt nicht mehr Aus­ fluss militärischer Kommandogewalt, also der Exekutive, sondern vielmehr Teil der Rechtspflege, der Judikative sei und gerade auch der rechtsstaat­ lichen Kontrolle der Exekutive diene.383 Entsprechend sei in einer Wehr­ strafgerichtsbarkeit unter dem Grundgesetz das Institut des Gerichtsherrn, also des militärischen Vorgesetzten, der als Träger der Kommandogewalt und somit der Wehrstrafgerichtsbarkeit zahlreiche Einflussmöglichkeiten gehabt hatte384, nicht mehr zulässig.385 Das hierdurch bedingte Fehlen mili­ tärischen Sachverstands könne durch den Einsatz ehemaliger Soldaten oder Reservisten als Vorsitzende und von aktiven Soldaten als Beisitzern kom­ pensiert werden. Den Militärbehörden sei ein gewisser Einfluss zu ermög­ lichen, indem sie dem Gericht vortragen oder durch eine Wehranwaltschaft die Anklage vertreten können sollten. Dieser Wehranwaltschaft sollten die Ermittlung des Sachverhalts sowie richterliche Befugnisse wie der Erlass von Haftbefehlen übertragen werden, da die Einschaltung der außerhalb des Militärs stehenden Gerichte im Ermittlungsverfahren „zu schwerfällig“ sei. Die Einstellung des Verfahrens solle jederzeit möglich sein, wenn Diszipli­ narmaßnahmen ausreichten.386 In Anschluss an ihn spricht sich Schreiber für Arndts Vorschläge als Mi­ nimallösung aus, hält aufgrund offener Zuständigkeitsfragen jedoch weiter­ gehende Schritte für erforderlich. Nur ein bei der militärischen Führung ansässiger Militärrichter, nicht aber ein ziviler Richter könne mobil agieren und bei Straftaten sofort einschreiten. Es sei der Disziplin abträglich, wenn aufgrund unterschiedlicher Zuständigkeiten innerhalb einer Einheit ver­ gleichbare Taten durch unterschiedliche Richter verschieden hart bestraft würden, während es weniger schade, wenn „der eigene Richter“ härter als andere bestrafe. Auch ergebe sich das Problem, dass ein ziviler Richter, auch ein solcher der über militärische Erfahrung verfüge, keine „intime Kenntnis“ der Einheit der jeweiligen Soldaten habe und deshalb die indivi­ duelle Schuld nicht beurteilen könne – dies könne nur ein Richter, der „mit 383  Arndt,

NJW 1955, 1013. hierzu Dietz, Handwörterbuch des Militärrechts, S. 344–347. 385  Arndt, NJW 1955, 1013, 1014. 386  Arndt, NJW 1955, 1013. 384  Näher

120 Teil 2, Kap. 2: Errichtung einer Wehrstrafgerichtsbarkeit als Alternative?

und in der Truppe lebt“. Die hierdurch drohenden Beeinflussungsmöglich­ keiten sollten nicht überschätzt werden, seien sie doch mit denjenigen eines Richters vergleichbar, der in einer Kleinstadt lebe und arbeite. Die notwen­ dige Einflussmöglichkeit solle die militärische Führung dadurch bekommen, dass die Anklage von einer Militärstaatsanwaltschaft zu führen sei; Vorsit­ zende Richter müssten zudem Reserveoffiziere sein.387 Gegen die Vorschläge Arndts wendet Bohrer ein, dass es mit der Rolle des Anklägers unvereinbar sei, ihm richterliche Befugnisse zuzugestehen.388 Zudem sei der Angeklagte vor der psychologisch schwierigen Situation zu bewahren, dass ihm ranghöhere Soldaten als Richter gegenübersäßen, die für ihn „Respektspersonen“ darstellten.389 Binz zufolge sei eine umfassende Militärgerichtsbarkeit zur Aufrechter­ haltung der Manneszucht, das heißt der Disziplin erforderlich,390 und die Vorgaben des Grundgesetzes, wonach eine Wehrstrafgerichtsbarkeit im Frieden nicht erlaubt sei, ständen im Widerspruch zum militärischen Prin­ zip, den Ernstfall bereits im Frieden zu üben, weshalb Art. 96a GG eine missglückte Regelung sei. Zur Korrektur des Fehlens von Wehrstrafgerich­ ten im Frieden sollten spezielle Spruchkörper gebildet werden, deren haupt­ amtliche Richter ehemalige und deren Laienrichter aktive Soldaten sein sollten – entsprechend könne auch in höheren Instanzen bis hin zum BGH verfahren werden. So verbleibe die Strafgewalt bei der zivilen Gerichtsbar­ keit, ohne jedoch militärische Besonderheiten außer Acht zu lassen.391 Da Sinn und Zweck des Wehrstrafrechts die Aufrechterhaltung der Diszi­ plin sei und es, indem es bestimmte Verstöße gegen die Disziplin krimina­ lisiere, die ebenfalls hierauf gerichtete Kommandogewalt ergänze, sei, so Müller, eine den militärischen Bedürfnissen entsprechende stetige, einheit­ liche und vor allem schnelle Rechtsprechung erforderlich. Da ein Austausch zwischen den Gerichten nicht stattfinde und es wegen der regelmäßig erst­ instanzlichen Zuständigkeit der Amtsgerichte keine vereinheitlichende Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gebe, könne von einer einheitlichen Rechtsprechung jedoch keine Rede sein; nicht nur in der rechtlichen Bewer­ tung der Taten, sondern auch im Strafmaß komme es daher zu erheblichen Unterschieden.392 Der Aufrechterhaltung der Disziplin laufe es daneben auch zuwider, dass zwischen Tat und Urteil häufig große Zeiträume lägen, was auf mangelnde militärspezifische Kenntnisse bei Richtern und Staats­ 387  Schreiber,

Wehrkunde 1955, 395, 396 f. NJW 1955, 1221. 389  Bohrer, NJW 1955, 1221, 1222. 390  Binz, Wehrkunde 1958, 694, 695. 391  Binz, Wehrkunde 1958, 694, 695 f. 392  Müller, NZWehrR 1960, 12, 13 f. 388  Bohrer,



A. Bestrebungen zwischen 1955 und 1991121

anwälten, die mit Wehrstrafsachen befasst seien, zurückzuführen sei.393 Daraus folge aber nicht unbedingt die Notwendigkeit einer Wehrstrafge­ richtsbarkeit, es genüge vielmehr, sachkundige Staatsanwälte und Richter mit Wehrstrafsachen zu befassen und geeignete Fälle trotz grundsätzlicher Zuständigkeit des Amtsgerichts beim Landgericht anzuklagen, um eine Ver­ einheitlichung der Rechtsprechung durch den BGH zu ermöglichen.394 Eine solche Verbesserung der Kenntnisse bei den Richtern der zivilen Justiz hält Schirmer dagegen nicht für ausreichend. Gerechte Urteile könn­ ten nur Richter fällen, die Teil der Truppe seien, insbesondere wenn es bei militärischen Delikten um das Strafmaß oder die Frage gehe, ob die militä­ rische Disziplin eine Bestrafung erfordere.395 Lange Verfahrensdauern und ungleichmäßige Bestrafungen durch zivile Gerichte wirkten sich zulasten der Disziplin aus.396 Daher sollten auch im Frieden sämtliche Strafverfahren gegen Soldaten vor Wehrstrafgerichten verhandelt werden und diese auch über die disziplinarrechtliche Seite entscheiden; die Funktion der Schöffen solle dort ausschließlich von Soldaten wahrgenommen werden, und die Aufgabe der Staatsanwaltschaft sollten Wehrdisziplinaranwälte überneh­ men.397 Die Einrichtung erst im Verteidigungs- oder selbst bereits im Span­ nungsfall sei weder ausreichend noch möglich; einerseits, weil im Krieg nicht funktionieren könne, was im Frieden nicht geübt wurde, andererseits weil es im Falle eines Atomschlags eventuell überhaupt keinen Spannungs­ fall geben werde.398 Ebenfalls aus diesem letzten Grund erachtet Schwenck eine Wehrstrafge­ richtsbarkeit, die auch über dienstrechtliche Folgen zu entscheiden habe, auch im Frieden für notwendig. Es sei zu erwarten, dass sich die kürzere Verfahrensdauer positiv auf die Disziplin auswirke, doch sei dies nur ein flankierendes Argument.399 Erstmals Matzke erblickt in der fehlenden Wehrstrafgerichtsbarkeit Prob­ leme für den Fall von Auslandseinsätzen, insbesondere in NATO-Staaten. Da nach Artikel VII Abs. 1a des NATO-Truppenstatuts nur die Militärbehör­ den des Entsendestaates zur Ausübung der Strafverfolgung im Aufnahme­ staat befugt seien und in Deutschland eine solche Militärbehörde nicht existiere, könnten Auslandstaten von Soldaten nicht effektiv geahndet wer­ 393  Müller,

NZWehrR 1960, 12, 14. NZWehrR 1960, 12, 14; ders. NZWehrR 1960, 53, 58. 395  Schirmer, NZWehrR 1965, 106, 108 f.; ders., Befehl und Gehorsam, S. 129– 132; ders., WehrwR 1967, 303. 396  Schirmer, NZWehrR 1965, 106, 110. 397  Schirmer, NZWehrR 1965, 106, 113–115. 398  Schirmer, NZWehrR 1965, 106, 116. 399  Schwenck, NZWehrR 1965, 145, 147 f. 394  Müller,

122 Teil 2, Kap. 2: Errichtung einer Wehrstrafgerichtsbarkeit als Alternative?

den – dies führe zu einem „Schaden der Gerechtigkeit“. Denn ein gerechtes Verfahren setze eine schnelle und sachgerechte Erforschung von Tat und Schuld des Täters voraus. Die aufgrund fehlender Militärbehörden hierzu berufene Staatsanwaltschaft und Polizei in Deutschland könnten erforder­ liche Sofortmaßnahmen jedoch nicht treffen weil sie, da keine Militärbehör­ de, nur innerhalb Deutschlands tätig werden dürften. Deshalb biete sich nur die Möglichkeit, die Ermittlungsarbeit dem Disziplinarvorgesetzten des Tä­ ters und / oder den Feldjägern zu übertragen, die jedoch nicht über die erfor­ derlichen kriminalistischen Fertigkeiten verfügten.400 Nach Schwind müsse Art. 96a Abs. 2 GG geändert und die Errichtung von Wehrstrafgerichten auch in Friedenszeiten zugelassen werden. Denn die Rechtsprechung der ordentlichen Gerichte sei uneinheitlich und die Verfah­ ren dauerten zu lang. Außerdem sei misslich, dass deutsche Soldaten im NATO-Ausland der örtlichen Gerichtsbarkeit unterlägen, weil Deutschland nicht über Militärbehörden im Sinne des Art. VII Abs. 1a NATO-Truppen­ statut verfüge. Schließlich bezweifelt auch er, ob die Errichtung von Wehr­ strafgerichten erst im Verteidigungsfall überhaupt möglich sei.401 Zumindest sei deshalb eine Reform im Rahmen des Art. 96a Abs. 2 GG nötig, etwa indem Wehrstrafsachen im Rahmen der gerichtlichen Geschäftsverteilung speziellen, mit militärischen Beisitzern besetzten Spruchkörpern zugewiesen würden.402 Den militärischen Kommandobehörden solle zudem die Mög­ lichkeit eingeräumt werden, dem Gericht vorzutragen.403 Diese speziellen Spruchkörper könnten im Verteidigungsfall dann sofort als Wehrstrafgerich­ te tätig werden.404 Auch Barth hält Wehrstrafgerichte schon im Frieden für erforderlich, da das Nebeneinander von Disziplinar- und Strafverfahren zu einer zu langen Verfahrensdauer führe, die sich negativ auf die Disziplin auswirke; im Ernstfall sei eine Wehrstrafgerichtsbarkeit deshalb schon ab dem ersten Einsatztag unerlässlich.405 Die fehlende Bereitschaft von Vorgesetzten, strafrechtlich relevante Vor­ fälle zu melden, kritisiert Metzner und zieht deshalb, und solange dies der Fall sei, die Sinnhaftigkeit einer speziellen Wehrstrafgerichtsbarkeit in Zweifel. Selbst wenn eine solche aber sinnvoll wäre, bliebe eine Wehrstraf­ gerichtsbarkeit ohne Militärpolizei, die die Ermittlungsarbeit übernimmt, 400  Matzke,

Wehrkunde 1965, 260 f. Umfang und Träger der Wehrstrafgerichtsbarkeit, 402  Schwind, Umfang und Träger der Wehrstrafgerichtsbarkeit, 403  Schwind, Umfang und Träger der Wehrstrafgerichtsbarkeit, 404  Schwind, Umfang und Träger der Wehrstrafgerichtsbarkeit, 405  Barth, Der Soldat im Rechtsstaat, S. 83. 401  Schwind,

S. 125. S. 127 f. S. 129. S. 133 f.



A. Bestrebungen zwischen 1955 und 1991123

arbeitsunfähig. Die Errichtung einer Militärpolizei sei jedoch aufgrund der Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern nicht möglich.406 Der Ansicht Müllers und Schirmers, zivile Gerichte seien nicht in der Lage, militärische Fälle sachkundig zu behandeln, widerspricht Bensch un­ ter Hinweis auf die geringe Zahl krasser Fehlurteile; mangelnde Kenntnis der Richter könne zudem durch sachverständige Beratung seitens der Bun­ deswehr kompensiert werden. Dennoch brauche man eine Wehrstrafge­ richtsbarkeit bereits im Frieden, da sie im Verteidigungsfall für die Schlag­ kraft der Truppe erforderlich und es entscheidend sei, dass Justiz und Wehrstrafgerichtsbarkeit sofort zuverlässig und schnell arbeiteten. Die Er­ richtung erst in Spannungszeiten sei hierzu keine Alternative, da dies zu einer periodischen Einführung und Wiederabschaffung und damit zu Rechts­ unsicherheit führen würde.407 Die Gerechtigkeit fordere zudem, (Kriminal-) Strafen und Disziplinarmaßnahmen in einem Verfahren zu verhängen.408 Die für die Wehrstrafgerichtsbarkeit erforderliche Anklagebehörde müsse dem Verteidigungsministerium zugeordnet sein, um ihm die Möglichkeit zu ge­ ben, seine Sicht des Falls vorzutragen; als deren Hilfsbeamte könnten spe­ ziell ausgebildete „Kriminaltrupps“ oder Feldjäger herangezogen werden.409 Ausschlaggebendes Argument für die Einrichtung der Wehrstrafgerichts­ barkeit bereits im Frieden sei, so Bobbert, dass sie im Verteidigungsfall ansonsten nicht funktionsfähig sei.410 Eine uneinheitliche Rechtsprechung lässt er als Begründung für eine Wehrstrafgerichtsbarkeit dagegen nicht gelten, denn eine solche liege in der Unabhängigkeit des Richters begründet und sei deshalb auch bei Wehrstrafgerichten zu erwarten.411 Wehrstrafge­ richte sollten in sachlicher Hinsicht auch für die Ahndung von Disziplinar­ verstößen zuständig sein, müssten aber unbedingt selbst den bloßen Ein­ druck vermeiden, „Hausjustiz der Bundeswehr“ und damit „Erfüllungsgehil­ fin der militärischen Vorgesetzten“ zu sein, weil hierdurch das Vertrauen der Soldaten erschüttert würde.412 Steinkamm ist der Auffassung, Art. 96 Abs. 2 GG sei, entgegen dem Wortlaut, materiell betrachtet keine fakultative Ermächtigung zur Errichtung von Wehrstrafgerichten. Vielmehr treffe den Gesetzgeber aufgrund der For­ mulierung, dass das Nähere ein Bundesgesetz „regele“, eine Pflicht zur 406  Metzner,

WehrwR 1967, 680, 682 f. NZWehrR 1968, 41, 42 f. 408  Bensch, NZWehrR 1968, 41, 45. 409  Bensch, NZWehrR 1968, 41, 47 f. 410  Bobbert, WehrwR 1970, 185, 189. 411  Bobbert, WehrwR 1970, 185, 190. 412  Bobbert, WehrwR 1970, 185, 191. 407  Bensch,

124 Teil 2, Kap. 2: Errichtung einer Wehrstrafgerichtsbarkeit als Alternative?

Errichtung; sein Unterlassen sei verfassungswidrig.413 Da nach dem NATOTruppenstatut Soldaten im NATO-Ausland der Gerichtsbarkeit ihres Entsen­ destaats nur dann unterlägen, wenn Militärbehörden die Gerichtsbarkeit ausübten und es sich bei diesen Behörden nur um Militärgerichte handeln könne, unterlägen deutsche Soldaten im NATO-Ausland wegen des Fehlens von Militärgerichten der Gerichtsbarkeit des Aufnahmestaates.414 Dies be­ deute einen empfindlichen Mangel an Rechtsschutz für ins Ausland entsand­ te Soldaten, sodass diese durch das gesetzgeberische Unterlassen in ihren Rechten verletzt würden.415 Thurn widerspricht dieser These Matzkes und Steinkamms, nach der in Deutschland keine für die Strafverfolgung zuständigen Militärbehörden im Sinne des Art. VII NATO-Truppenstatut existierten. Denn gemäß Art. I Abs. 1 lit. f des Statuts seien auch die zivilen Strafverfolgungsbehörden Militärbehörden in diesem Sinn, wenn sie für die Verfolgung der Soldaten zuständig seien; den deutschen Strafverfolgungsbehörden sei ein Tätigwer­ den im NATO-Ausland also möglich; vor diesem Hintergrund bedürfe es deshalb keiner Wehrstrafgerichte.416 Zwar müsse man sich im Frieden auf den Verteidigungsfall vorbereiten, doch habe die Errichtung von Wehrstraf­ gerichten für ins Ausland entsandte Soldaten kaum einen Nutzen hierfür, weil nur äußerst geringe Fallzahlen zu erwarten seien.417 Gegen Vorbehalte gegenüber der Wehrstrafgerichtsbarkeit richtet sich Günter mit dem Hinweis, dass außer Deutschland alle NATO-Staaten über Wehrstrafgerichte verfügten und das Grundgesetz ihre Errichtung vorsehe. Im Verteidigungsfall müssten sich mit den Streitkräften auch die Gerichte bewegen können und in ihrer Zuständigkeit den großen Verbänden der Bun­ deswehr zugeordnet sein.418 Müller-Knapp entgegnet dem, dass die Rolle der Militärjustiz während des Nationalsozialismus gezeigt habe, dass Wehrstrafgerichte leicht zu steu­ ern und somit in ihrer Unabhängigkeit gefährdet seien.419 Das Netz der ordentlichen Gerichtsbarkeit sei in Deutschland enger, als es das einer Wehrstrafgerichtsbarkeit sein könnte, und ein Einsatz im Ausland, der eine 413  Steinkamm, Die Wehrstrafgerichtsbarkeit im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland, S. 162–166. 414  Steinkamm, Die Wehrstrafgerichtsbarkeit im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland, S.  99 f. 415  Steinkamm, Die Wehrstrafgerichtsbarkeit im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland, S. 164, 169. 416  Thurn, NZWehrR 1976, 223, 227. 417  Thurn, NZWehrR 1976, 223, 225 f. 418  Günter, DRiZ 1986, 112. 419  Müller-Knapp, DRiZ 1986, 113, 114.



A. Bestrebungen zwischen 1955 und 1991125

Wehrstrafgerichtsbarkeit unter Umständen erforderlich mache, sei aufgrund des Verbots des Angriffskriegs ohnehin nicht erlaubt.420 Auf die veränderte Situation der Bundeswehr, die mit dem Ende des Kalten Krieges eintritt, weist erstmals Heuer hin. Wurde die Wehrstrafge­ richtsbarkeit zuvor hauptsächlich mit Blick auf den nun unwahrscheinlicher werdenden Verteidigungsfall diskutiert, lenkt Heuer das Augenmerk auf wahrscheinlicher werdende Auslandseinsätze. Grundsätzlich unterlägen Bundeswehrsoldaten in diesem Fall der Strafgerichtsbarkeit des jeweiligen Aufnahmestaats, was sich schon allein wegen der Sprachbarriere als prob­ lematisch erweisen könne. Dieses Problem entfiele mit einer Wehrstrafge­ richtsbarkeit zumindest in NATO-Staaten aufgrund Art. VII des NATOTruppenstatuts, und auch bei Einsätzen außerhalb von NATO-Staaten würde es nicht schwer fallen, eine entsprechende Regelung in Truppenstationie­ rungsabkommen aufzunehmen.421 II. Bewertung Mit dem Ende des Kalten Kriegs verstummt die Diskussion vorerst. Viel­ fach wurde in der vorangegangenen Diskussion die Forderung erhoben, Dis­ ziplinarmaßnahmen und Strafen gemeinsam zu verhängen,422 weil hierdurch dem, in wehrstrafgerichtlichen Verfahren zur Aufrechterhaltung der Disziplin besonders wichtigen, Beschleunigungsgrundsatz besser Rechnung getragen werden könne, als wenn Straf- und Disziplinarverfahren nacheinander durch­ geführt würden. Dass dies nicht zulässig ist, folgt aber schon daraus, dass das Grundgesetz den Wehrstrafgerichten nur die Ausübung der Strafgerichtsbar­ keit über Soldaten erlaubt.423 Zwar ist bei der Verhängung einer Strafe eine eventuell verhängte Disziplinarmaßnahme zu berücksichtigen, doch sind Strafe und Disziplinarmaßnahme wesensmäßig verschieden, weshalb letztere nicht zur Strafgerichtsbarkeit gehört.424 Beim Disziplinarrecht geht es im Ge­ 420  Müller-Knapp,

DRiZ 1986, 112. NZWehrR 1991, 189, 190 f. 422  Bensch, NZWehrR 1968, 41, 45; Müller, NZWehrR 1960, 12, 19; Schwenck, NZWehrR 1965, 145, 149; Schirmer, NZWehrR 1965, 106, 114 f.; ders., Befehl und Gehorsam, S. 132; ders., WehrwR 1967, 303; Bobbert, WehrwR 1970, 185, 186 f.; Barth, Der Soldat im Rechtsstaat, S. 81; Moschall, Die Wehrstrafgerichtsbarkeit seit 1871 unter besonderer Berücksichtigung verfassungsrechtlicher Probleme, S. 89. 423  Steinkamm, Die Wehrstrafgerichtsbarkeit im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland, S. 283; so auch Meyer, in: v. Münch / Kunig, Art. 96 Rn. 7; Herzog, in: Maunz / Dürig, Art.  96 Rn.  15; Heusch, in: Schmidt-Bleibtreu / Hofmann / Hopfauf, Art. 96 Rn. 5. 424  Steinkamm, Die Wehrstrafgerichtsbarkeit im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland, S. 283. 421  Heuer,

126 Teil 2, Kap. 2: Errichtung einer Wehrstrafgerichtsbarkeit als Alternative?

gensatz zum Strafrecht um die Ahndung rein innerdienstlicher Verfehlungen, denen im Gegensatz zur Straftat kein sittlicher Makel anhaftet. Eine Krimi­ nalstrafe wird entsprechend nur verhängt, wenn durch die Tat Interessen der Gemeinschaft, die also über diejenigen der Bundeswehr hinaus gehen, ver­ letzt wurden. Nur eine solche Beeinträchtigung rechtfertigt es überhaupt, für Dienstverfehlungen eine Strafe auszusprechen.425 Besonders auffallend ist, dass die soeben skizzierte Diskussion hauptsäch­ lich vor dem Hintergrund des Kalten Krieges geführt wurde – man befürchte­ te, dass es jederzeit zum militärischen Konflikt kommen könnte. Im Verteidi­ gungsfall hätte es einer schlagkräftigen Truppe bedurft, was nur mit einer straffen Disziplin hätte erreicht werden können. Die Aburteilung durch or­ dentliche Gerichte wäre hier kaum durchführbar gewesen. Berücksichtigt man dies, so wird nachvollziehbar, dass insbesondere aus militärischen Kreisen eine eigene Wehrstrafgerichtsbarkeit gefordert wurde. Im Verteidigungsfall wären spezielle militärische Kenntnisse erforderlich gewesen, um bei der Ab­ urteilung von Straftaten eine sachgerechte Abwägung von Strafverfolgungsin­ teressen einerseits und militärischen Interessen andererseits durchführen zu können. Hier wäre es durchaus zweckmäßig gewesen, auf Richter und Staats­ anwälte, die bei der Truppe leben und denen die dortigen Umstände und die militärische Organisation und Planung vertraut sind, zurückzugreifen.

B. Neuere Bestrebungen Demgegenüber konzentriert sich die zuletzt geführte Diskussion wenig überraschend auf die neuen Aufgaben der Bundeswehr, also insbesondere die mit Auslandseinsätzen einhergehenden Probleme. Hier gilt es zwei Vor­ schläge zu untersuchen: Im Jahr 2008 hat sich Spring monographisch mit dem Thema befasst, aus dem Jahr 2009 stammt ein Gesetzentwurf des Deutschen Bundeswehrverbands. Beide sehen die Errichtung einer Wehr­ strafgerichtsbarkeit im Sinne des Art. 96 Abs. 2 GG vor. I. Springs Ansatz von 2008 Nach Spring wäre die Errichtung einer Wehrstrafgerichtsbarkeit im Sin­ ne des Art. 96 Abs. 2 GG der richtige Weg zur Lösung der mit Auslands­ einsätzen der Bundeswehr verbundenen Probleme bei der Strafverfol­ 425  BVerfGE 21, 378, 384: „Straf- und Disziplinarrecht unterscheiden sich nach Rechtsgrund und Zweckbestimmung. Das strafrechtliche Delikt liegt in der Verlet­ zung eines der von der Rechtsordnung allgemein geschützten Rechtsgüter, in einer Störung der öffentlichen Ordnung. Das disziplinare Vergehen besteht in der Störung der besonderen nur einem bestimmten Kreis von Staatsbürgern auferlegten Ordnung.“



B. Neuere Bestrebungen127

gung.426 Hierfür solle ein Wehrstrafgericht für ins Ausland entsandte oder auf Kriegsschiffen eingeschiffte Soldaten mit Sitz in Berlin eingerichtet werden.427 Da lediglich ein Gericht errichtet werden solle, sei ein drei­ gliedriger Instanzenzug nicht erforderlich; einziges Rechtsmittelgericht sol­ le der Bundesgerichtshof sein. Er solle über Beschwerden und Berufungen entscheiden; eine Revision ist ausdrücklich nicht vorgesehen.428 Mit diesem von Spring vorgeschlagenen Verzicht auf das Rechtsmittel der Revision würde ohne erkennbaren Grund ganz erheblich vom üblichen Ins­ tanzenzug abgewichen. Denn gemäß §§ 312, 333, 335 StPO sind gegen amts­ gerichtliche Urteile die Berufung zum Landgericht und die Revision zum Oberlandesgericht und ist gegen erstinstanzliche Urteile des Land- oder Oberlandesgerichts die Revision zum Bundesgerichtshof zulässig. In letzter Instanz kann also stets eine Revision stattfinden. Weshalb vor Wehrstrafge­ richten hiervon abgewichen werden sollte, ist nicht ersichtlich und wird auch nicht näher begründet. Daneben erscheint es insbesondere nicht zweckmäßig, dass ausgerechnet der BGH über Berufungen entscheiden soll, da Urteile dort ansonsten gemäß § 337 Abs. 1 StPO nur in rechtlicher Hinsicht überprüft werden, eine neue Beweisaufnahme also gerade nicht stattfindet. Hierdurch dürfte es dort zu einem ganz erheblichen, nicht gerechtfertigten Anstieg der Arbeitsbelastung kommen. Gesteigert würde dies noch dadurch, dass selbst über Verfahren, die im Fall der Begehung durch einen Zivilisten vor dem Amtsgericht anzuklagen wären, in der Berufung der BGH entscheiden müss­ te, wohingegen Verfahren wegen erstinstanzlich beim Amtsgericht angeklag­ ten Taten nach derzeitiger Rechtslage – seltene Divergenzvorlagen an den BGH nach § 121 Abs. 2 GVG und die Möglichkeit des außerordentlichen Rechtsbehelfs einer Verfassungsbeschwerde nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG außen vor gelassen – (spätestens) mit der Revision beim OLG enden. Die Inanspruchnahme des BGH selbst in Bagatellfällen ist unverhältnismäßig aufwendig, nicht zweckmäßig und stellt einen Fremdkörper im System des Rechtsmittelrechts des Strafverfahrens dar. Die Spruchkörper des Wehrstrafgerichts sollten, so Spring, entweder rein zivil oder mit militärischen Schöffen besetzt sein, die gegenüber den zivilen hauptamtlichen Richtern jedoch nicht in der Mehrzahl sein dürften, da an­ derenfalls die Gefahr drohe, dass letztlich Mitglieder der Exekutive das Urteil bestimmten.429 Als Strafverfolgungsbehörde soll nach Springs Vorschlag eine „Wehr­ staatsanwaltschaft als spezielle Abteilung der Bundesanwaltschaft beim Bun­ 426  Spring,

Brauchen Brauchen 428  Spring, Brauchen 429  Spring, Brauchen 427  Spring,

wir wir wir wir

in in in in

Deutschland Deutschland Deutschland Deutschland

eine eine eine eine

Militärgerichtsbarkeit?, Militärgerichtsbarkeit?, Militärgerichtsbarkeit?, Militärgerichtsbarkeit?,

S. 245. S. 231. S. 235. S. 238.

128 Teil 2, Kap. 2: Errichtung einer Wehrstrafgerichtsbarkeit als Alternative?

desgerichtshof“ fungieren, deren Beamte wie die Richter des Wehrstrafge­ richts besondere militärische Kenntnisse haben sollten.430 Als problematisch erachtet Spring, dass aufgrund des föderalen Staatsaufbaus „die Vollzugspo­ lizeibeamten der Länder […] als Hilfsbeamte der Wehrstaatsanwaltschaft [gemeint sind Ermittlungspersonen der Staatsanwaltschaft, F. S.], als Bundes­ behörde nur bedingt zur Verfügung“ stünden.431 Auch dies überzeugt nicht, weil sich die Eigenschaft als Ermittlungsperson der Staatsanwaltschaft nicht entweder auf die Staatsanwaltschaften der Länder oder den GBA bezieht. Vielmehr müssen die Ermittlungspersonen der Staatsanwaltschaft den Anord­ nungen der Staatsanwaltschaft ihres Bezirks Folge leisten – der Bezirk des GBA, und damit derjenige der von Spring vorgeschlagenen speziellen Abtei­ lung der Wehrstaatsanwaltschaft, ist aber gerade die gesamte Bundesrepub­ lik, sodass er, und im Fall ihrer Einrichtung auch die spezielle Wehrstaatsan­ waltschaft, auf sämtliche Ermittlungspersonen zugreifen könnte.432 Insgesamt weist der Entwurf Springs zwar einige Mängel auf, wäre bei deren Behebung jedoch eine Alternative zu § 11a StPO. Jedoch fehlt wei­ terhin ein Ermittlungsapparat der Staatsanwaltschaft im Ausland. Daneben besteht das Problem, dass sich die Zuständigkeit der Wehrstrafgerichte ge­ mäß Art. 84 Abs. 1 der Dritten Genfer Konvention auch auf Kriegsgefange­ ne beziehen müsste. Denn hiernach darf „[e]in Kriegsgefangener […] nur vor ein Militärgericht gestellt werden, es sei denn, dass die Gesetze des Gewahrsamsstaates ausdrücklich die Zivilgerichte zur Aburteilung eines Angehörigen der bewaffneten Kräfte des Gewahrsamsstaates als zuständig erklären, der für die gleiche strafbare Handlung wie die von einem Kriegs­ gefangenen begangene verfolgt wird.“ Dies ist gemäß Art. 96 Abs. 2 GG nach derzeitiger Rechtslage aber nicht möglich, da Wehrstrafgerichte ihre Gerichtsbarkeit nur über Soldaten der Bundeswehr ausüben dürften.433 Ob 430  Spring,

Brauchen wir in Deutschland eine Militärgerichtsbarkeit?, S. 239. Brauchen wir in Deutschland eine Militärgerichtsbarkeit?, S. 240. 432  Schmidt / Schoreit, in: KK, § 152 GVG Rn. 16; Franke, in: LR, § 152 GVG Rn. 37; Kissel / Mayer, § 152 Rn. 12; Wohlers, in: SK-StPO Loseblatt, § 152 GVG Rn. 14; Meyer-Goßner, § 152 GVG Rn. 2; Katholnigg, Strafgerichtsverfassungsrecht, § 152 Rn. 2. 433  So auch Spring, Brauchen wir in Deutschland eine Militärgerichtsbarkeit?, S. 232. – Vgl. dazu auch Schwind, Umfang und Träger der Wehrstrafgerichtsbarkeit, S. 130; Moschall, Die Wehrstrafgerichtsbarkeit seit 1871 unter besonderer Berück­ sichtigung verfassungsrechtlicher Probleme, S. 64; Schönherr, Truppenpraxis 1975, 233, 294; mit umfassender Begründung Steinkamm, Die Wehrstrafgerichtsbarkeit im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland, S. 169–206; Poretschkin, NZWehrR 2008, 103, 109; Herzog, in: Maunz / Dürig, Art.  96 Rn.  16; Heusch, in: SchmidtBleibtreu / Hofmann / Hopfauf, Art.  96 Rn.  5; Detterbeck, in: Sachs, Art. 96 Rn. 10; Roth, in: Umbach / Clemens, Art.  96 Rn.  18; Schulze-Fielitz, in: Dreier, Art. 96 Rn. 23. 431  Spring,



B. Neuere Bestrebungen129

sich die für eine entsprechende Verfassungsänderung erforderliche Mehrheit finden würde, erscheint jedoch fraglich, wobei dieser Einwand selbstver­ ständlich ein rein politischer, hingegen kein rechtlicher ist. Darüber, ob mit der Errichtung einer Wehrstrafgerichtsbarkeit eine Entfernung der Bundes­ wehrsoldaten von der zivilen Bevölkerung und damit eine Gefahr für das Leitbild des Staatsbürgers in Uniform droht, mag man streiten. Doch trägt meines Erachtens die Lösung durch die Zentralisierung nach § 11a StPO und der Einsatz von Feldjägern als Ermittlungspersonen der Staatsanwalt­ schaft, die sich näher, nämlich so nah wie möglich am hergebrachten Straf­ verfahren und Gerichtsaufbau orientiert, dem Leitbild und der Integration der deutschen Streitkräfte in die Gesellschaft stärker Rechnung und ist deshalb vorzugswürdig. II. Gesetzentwurf des Deutschen Bundeswehrverbands von 2009 Vom 8. Mai 2009 datiert der Entwurf des Deutschen Bundeswehrverbands für ein Ausführungsgesetz zu Art. 96 Abs. 2 GG, dessen Ziel die Lösung der geschilderten Probleme ist. Der zentrale § 3 sieht die Errichtung eines „Strafgerichts des Bundes“ am Sitz des Bundesverteidigungsministeriums und mit Ressortzugehörigkeit zum Bundesjustizministerium vor; dies orien­ tiert sich streng an Art. 96 Abs. 2 GG. Die übrigen relevanten Regelungen werden im Folgenden im Wortlaut widergegeben, um sodann jeweils Stel­ lung zu ihnen zu nehmen. 1. Einzelanalyse der Vorschriften § 2 Anwendungsbereich Dieses Gesetz findet Anwendung bei Ermittlungen und Verfahren zur Verfolgung von Straftaten, wenn diese Verfahren sich richten gegen Angehörige der Bundes­ wehr, die in das Ausland entsandt oder an Bord von Kriegsschiffen eingeschifft sind, insbesondere im Rahmen besonderer Auslandsverwendungen (§ 62 Abs. 1 des Soldatengesetzes). Satz 1 findet Anwendung auch auf die Begehung von Taten durch Personen, die sich für die Dauer einer besonderen Auslandsverwendung im Status eines Soldaten befinden, oder die wegen ihrer Eigenschaft als Angehörige der Bundeswehr in Anwendung völkerrechtlicher Vereinbarungen durch die Straf­ verfolgungsbehörden des Aufenthaltsstaates nicht verfolgt werden.

Satz 2 ist verfassungsrechtlich unzulässig, da demnach sämtliche „Angehö­ rige der Bundeswehr“ – ausweislich der Erläuterungen zum Entwurf „Beamte, Arbeitnehmer oder sonstige Angehörige eines zivilen Gefolges“434 – der Wehrstrafgerichtsbarkeit unterliegen sollen. Gemäß Art. 96 Abs. 2 S. 2 GG 434  S. 7

des Entwurfs.

130 Teil 2, Kap. 2: Errichtung einer Wehrstrafgerichtsbarkeit als Alternative?

dürfen die Wehrstrafgerichte ihre Gerichtsbarkeit jedoch nur „über Angehöri­ ge der Streitkräfte ausüben“, zu denen nach einhelliger Meinung gerade kei­ ne zivilen Bediensteten, sondern allein Soldaten zählen.435 § 6 Besetzung des Gerichts (1) Soweit die Tat bei Begehung im Inland nach den Vorschriften der Strafpro­ zessordnung bei dem Amtsgericht zur Verhandlung vor dem Strafrichter anzukla­ gen wäre (§§ 24 und 25 des Gerichtsverfassungsgesetzes), wird das Gericht in der Besetzung mit einem Berufsrichter tätig. (2) Soweit die Tat bei Begehung im Inland nach den Vorschriften der Strafpro­ zessordnung bei dem Amtsgericht als Schöffengericht anzuklagen wäre (§§ 24 und 28 des Gerichtsverfassungsgesetzes), wird das Gericht in der Besetzung entspre­ chend § 75 der Wehrdisziplinarordnung tätig. (3) Soweit die Tat bei Begehung im Inland nach den Vorschriften des Gerichts­ verfassungsgesetzes bei dem Landgericht oder Oberlandesgericht anzuklagen wä­ re, wird das Gericht als Strafkammer in der Besetzung entsprechend § 76 der Wehrdisziplinarordnung tätig. (4)  Die ehrenamtlichen Richter der Kammer nach § 3 werden zugleich im Neben­ amt als Schöffen am Strafgericht des Bundes tätig, wenn und soweit dem Gericht keine ehrenamtlichen Richter gesondert ausschließlich zugewiesen sind.

§ 6 stellt die am tiefsten greifende Änderung gegenüber der ordentlichen Strafgerichtsbarkeit dar. Denn gemäß § 6 Abs. 2 des Entwurfs setzt sich das Schöffengericht beim „Strafgericht des Bundes“ entsprechend § 75 WDO,436 das heißt aus einem Berufsrichter und zwei soldatischen Schöffen zusam­ men, die den Berufsrichter überstimmen können, wobei ein Schöffe der Dienstgradgruppe des Angeklagten und ein Schöffe einer höheren Dienst­ gradgruppe angehören muss – eine Forderung, für die auch in der früheren Diskussion teilweise leidenschaftlich gestritten wurde.437 Diese Konzeption 435  Schwind, Umfang und Träger der Wehrstrafgerichtsbarkeit, S. 130; Moschall, Die Wehrstrafgerichtsbarkeit seit 1871 unter besonderer Berücksichtigung verfas­ sungsrechtlicher Probleme, S. 64; Schönherr, Truppenpraxis 1975, 233, 294; mit umfassender Begründung Steinkamm, Die Wehrstrafgerichtsbarkeit im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland, S. 169–206; Poretschkin, NZWehrR 2008, 103, 109; Herzog, in: Maunz / Dürig, Art.  96 Rn.  16; Heusch, in: Schmidt-Bleibtreu / Hof­ mann / Hopfauf, Art.  96 Rn.  5; Detterbeck, in: Sachs, Art. 96 Rn. 10; Roth, in: Um­ bach / Clemens, Art.  96 Rn.  18; Schulze-Fielitz, in: Dreier, Art. 96 Rn. 23. 436  Hierfür auch schon Schwind, Umfang und Träger der Wehrstrafgerichtsbar­ keit, S. 128. 437  In dieser Hinsicht fast identisch mit dem Gesetzentwurf (auch was staatsan­ waltschaftliche Befugnisse der Wehrdisziplinaranwaltschaft angeht) der Vorschlag von Schirmer, NZWehrR 1965, 106, 113–115; ders., Befehl und Gehorsam, S. 129; ders., WehrwR 1967, 303, 312, sowie von Moschall, Die Wehrstrafgerichtsbarkeit seit 1871 unter besonderer Berücksichtigung verfassungsrechtlicher Probleme, S. 91, 93; in dieselbe Richtung ferner Arndt, NJW 1955, 1013 f.; Schreiber, Wehrkunde 1955, 395, 397; Binz, Wehrkunde 1958, 694, 696; Bensch, NZWehrR 1968, 165,



B. Neuere Bestrebungen131

mag zwar den Zwecken der Disziplinargerichtsbarkeit, die – wenn auch in Form eines gerichtlichen Verfahrens – zumindest im Grundsatz Ausfluss der Kommandogewalt ist438, gerecht werden.439 Jedoch ist sie im Strafverfahren fehl am Platz,440 denn hier besteht die Gefahr, dass der Beschuldigte sich in seinen Verteidigungsmöglichkeiten – insbesondere der Möglichkeit der sanktionslosen Lüge – eingeschränkt sieht, da er Soldaten gegenübersteht, denen er ansonsten zur Wahrheit und unter Umständen zum Gehorsam ver­ pflichtet ist.441 Zudem wäre zu befürchten, dass ranghöhere soldatische Schöffen die Tat unter Umständen zu sehr aus ihrer Vorgesetztenperspektive betrachten könnten.442 Die Forderung ist aber auch charakteristisch für eine Standesgerichtsbar­ keit.443 Ginge es nur darum, die Kenntnis des Gerichts zu verbessern, könn­ ten auch Soldaten als sachverständige Zeugen vernommen werden. Aber die Forderung, Soldaten gleichen Rangs am Urteil zu beteiligen, legt nah, dass es zumindest auch um den standesrechtlichen Gedanken geht: Soldaten würden über Soldaten urteilen. Die Beteiligung von Soldaten, die im Rang über dem des Angeklagten stehen, ließe erwarten, dass die Wehrstrafge­ richtsbarkeit im Sinne dieses Entwurfs, wie die Disziplinargerichtsbarkeit, den Blickwinkel von Vorgesetzten einnehmen würde. Gesteigert wird dies dadurch, dass die Schöffen zugleich Richter am gemäß § 3 ebenfalls zu errichtenden „Besonderen Wehrdienstgericht“ sind: Weil es dort um Diszip­ linarmaßnahmen geht, die Richter dem Soldaten also in ähnlicher Form wie Vorgesetzte gegenüber treten, ist zu befürchten, dass sich dies in Verfahren vor dem Strafgericht fortsetzen würde. Letztlich käme dies rein faktisch einer verfassungswidrigen Zusammenlegung der Disziplinar- und Wehrstraf­ gerichtsbarkeit bedenklich nah. 165 f.; Schwind, Umfang und Träger der Wehrstrafgerichtsbarkeit, S. 128; kritisch hierzu Bohrer, NJW 1955, 1221, 1222; Schönherr, Truppenpraxis 1975, 233, 236; zwar für die Beteiligung von Schöffen, jedoch gegen eine soldatische Mehrheit Berg, DRiZ 1986, 128, 133. 438  Arndt, NJW 1955, 1013; Schreiber, Wehrkunde 1955, 395, 396. 439  Buckel, Wehrgerichtsbarkeit und Verfassung, S. 82. 440  Buckel, Wehrgerichtsbarkeit und Verfassung, S. 86–97, insb. S. 95. 441  So auch schon Bohrer, NJW 1955, 1221, 1222: „Der Angeklagte – zumal der einfache Mann – muss vor der psychologisch gefährlichen Situation geschützt wer­ den, wenn er sich Richtern – auch Beisitzern! – gegenüber sieht, die als Militärbe­ amte höherer Charge oder als seine Vorgesetzten nach Dienstgrad oder -stellung für ihn auch aus militärischer Sicht Respektspersonen darstellen, deren Anwesenheit bei ihm Unfreiheit und Befangenheit erzeugt.“ 442  So auch Spring, Brauchen wir in Deutschland eine Militärgerichtsbarkeit?, S. 237. 443  Zum Begriff Sellert, in: Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte, Sp. 1916–1917.

132 Teil 2, Kap. 2: Errichtung einer Wehrstrafgerichtsbarkeit als Alternative?

Daneben birgt das Vorgehen die Gefahr massiver Einflussnahme der Exe­ kutive auf die Judikative,444 da es sich bei den ehrenamtlichen Richtern um Soldaten, also Angehörige der Exekutive, handeln würde. Neben Bedenken bezüglich der Gewaltenteilung stünde dies auch in Konflikt mit der Neutra­ litätspflicht des Gerichts445, da hierdurch deren von Art. 97 Abs. 1 GG an­ geordnete Unabhängigkeit gefährdet werden könnte. Zudem ordnet § 6 Abs. 3 des Entwurfs i. V. m. § 76 WDO an, dass bei Straftaten, die vor dem Landgericht oder dem Oberlandesgericht anzuklagen wären, ein oder zwei zusätzliche Richter hinzuzuziehen sind. Da die große Strafkammer beim Landgericht ebenfalls aus zwei Schöffen und zwei bzw. drei Berufsrichtern besteht, ändert dies für Verfahren wegen Taten, die erst­ instanzlich beim Landgericht anzuklagen wären, bis auf die Tatsache, dass es sich um soldatische Schöffen handelt, nichts. Jedoch soll § 6 Abs. 3 auch für Taten, die erstinstanzlich vor dem Oberlandesgericht anzuklagen wären, gelten, obwohl in diesen Fällen normalerweise gerade keine Schöffenbetei­ ligung vorgesehen ist. Diese widerspricht nämlich dem Gedanken hinter der erstinstanzlichen Zuständigkeit der Oberlandesgerichte und der damit stets verbundenen Zuständigkeitskonzentration, dass nämlich über rechtlich wie tatsächlich besonders schwerwiegende Fälle besonders qualifizierte Richter urteilen sollen446. § 7 Aufgaben der Staatsanwaltschaft (1)  Die Aufgaben der Staatsanwaltschaft nach §§ 141 bis 151 des Gerichtsverfas­ sungsgesetzes werden bei dem Gericht nach § 4 ausgeübt durch den Bundeswehr­ disziplinaranwalt. Dieser kann Verfahren nach Satz 1 übertragen auf die Wehrdis­ ziplinaranwaltschaft für den Bereich der für die Tat zuständigen Einleitungsbehör­ de der Bundeswehr. Sie wird in Verfahren nach § 2 tätig nach den Vorschriften der Strafprozessordnung, soweit es sich um Strafverfahren in der Zuständigkeit des Gerichts nach § 4 handelt. (2) Die Vorschriften über die Zusammenarbeit zwischen der Generalbundesan­ waltschaft und den Staatsanwaltschaften der Länder in Strafsachen finden entspre­ chende Anwendung.

Zunächst ist beachtlich, dass der Bundeswehrdisziplinaranwalt (BWDA), anders als dies bei Staatsanwaltschaften der Fall ist, nicht beim Justizminis­ terium, sondern beim Verteidigungsministerium ressortiert.447 Wie die Rich­ 444  Aus diesem Grund lehnt auch Spring, Brauchen wir in Deutschland eine Mi­ litärgerichtsbarkeit?, S. 238, eine mehrheitliche Beteiligung soldatischer Schöffen ab. 445  Buckel, Wehrgerichtsbarkeit und Verfassung, S. 91 f. 446  Franke, in: LR, § 120 GVG Rn. 4. 447  In diese Richtung auch schon Arndt, NJW 1955, 1013, 1014; Schreiber, Wehr­ kunde 1955, 395, 397; Bensch, NZWehrR 1968, 41, 47; Schirmer, NZWehrR 1965, 106, 114 f.; ders., Umfang und Träger der Wehrstrafgerichtsbarkeit, S. 129; kritisch hierzu Schwenck, NZWehrR 1965, 145, 146.



B. Neuere Bestrebungen133

ter des Strafgerichts in den Verfahren vor dem Besonderen Wehrdienstge­ richt ist auch der BWDA für die Ahndung dienstlichen Fehlverhaltens zu­ ständig, deren Wirkung erzieherischer Natur sein soll. Der BWDA ist deshalb an Weisungen des Verteidigungsministers gebunden, darf zum Beispiel keine vom Verteidigungsministerium abweichenden Rechtsauffassungen vertreten und muss Berufungen zurücknehmen, wenn er hierzu angewiesen wird,448 was in Zusammenhang mit der Beteiligung soldatischer Schöffen die Möglichkeit massiver Einflussnahme des Verteidigungsministeriums auf das Wehrstrafgericht eröffnet. Zudem wird, wenn der Anklagevorwurf nicht von einem Vertreter des Volkes, sondern des Verteidigungsministeriums er­ hoben wird, hierdurch der Eindruck erweckt, als sei das Anklagerecht Teil der Kommandogewalt. Dazu, ob die Wehrdisziplinaranwaltschaft als Staatsanwaltschaft auch im Ausland aktiv werden oder die Ermittlungsarbeit lediglich von Deutschland aus koordinieren soll, schweigt der Entwurf. Nach bisheriger Rechtslage wird der Rechtsberater, der im Nebenamt das des Wehrdisziplinaranwalts ausübt, für die Zeit des Auslandseinsatzes vom Beamten- in den Soldaten­ status versetzt,449 was dazu führt, dass das Nebenamt während dieser Zeit ruht. Denn der Wehrdisziplinaranwalt muss gemäß § 81 Abs. 1 S. 1 WDO Beamter sein.450 Somit blieben der Wehrdisziplinaranwaltschaft ohne ent­ sprechende weitere Gesetzesänderungen Ermittlungen im Einsatzland ver­ wehrt. § 8 Ermittlungspersonen der Staatsanwaltschaft Anstelle des § 152 Abs. 2 der Strafprozessordnung können durch Rechtsverord­ nung der Bundesregierung als Ermittlungspersonen der Staatsanwaltschaft nach § 7 1.  im Aufenthaltsstaat verwendete Polizeibeamte des Bundes sowie 2. nach näherer Bestimmung des Bundesministeriums der Verteidigung Ange­ hörige der jeweils zuständigen Stellen der Militärpolizei im Sinne der anwend­ baren völkerrechtlichen Vereinbarungen verpflichtet werden. In dieser Eigen­ schaft verfahren sie nach den Bestimmungen der Strafprozessordnung.

Durch diese Regelung sollen die oben451 geschilderten Probleme bei der Ermittlungsarbeit im Einsatzland gelöst werden, indem der Staatsanwalt­ schaft Ermittlungspersonen zur Verfügung gestellt werden. Auf welcher völ­ ker- wie bundesrechtlichen Grundlage und zu welchem Zweck sich Polizei­ beamte des Bundes im Ausland aufhalten sollen, bleibt jedoch unklar – tat­ 448  Dau,

WDO, § 81 Rn. 19. Der Rechtsberater der Bundeswehr im Auslandseinsatz, S. 33. 450  Hierzu kritisch Bunzen, Der Rechtsberater der Bundeswehr im Auslandsein­ satz, S.  83 f. 451  Teil 1, Kapitel 4. 449  Bunzen,

134 Teil 2, Kap. 2: Errichtung einer Wehrstrafgerichtsbarkeit als Alternative?

sächlich wäre der Einsatz von Polizisten zur Strafverfolgung ohne Zustim­ mung des Aufnahmestaats völkerrechtswidrig. Die Kritik, dass „bisher ohne präzise Rechtsgrundlage Beweissicherungen durch die Feldjäger des Kontin­ gents“ stattfänden,452 kann nicht überzeugen. Denn wie oben453 gezeigt, ist eindeutig, auf welcher Grundlage die Ermittlungen derzeit durchgeführt wer­ den; lediglich die Reichweite der Befugnisse und die fehlende Möglichkeit verbindlicher Einflussnahme der Staatsanwaltschaft sind zu kritisieren. Auch das Problem, dass Beweismittel „im Strafverfahren lediglich indirekt verwer­ tet werden“ könnten und es sich „bei Zeugenvernehmungen und dergleichen […] letztlich um Vernehmungen vom Hörensagen“ handele,454 ist kein wirk­ liches, denn bei polizeilichen Ermittlungen im Inland ist dies genauso der Fall, wenn der Zeuge im gerichtlichen Verfahren nicht aussagen kann.455 Der vorgesehene Einsatz von Feldjägern als Ermittlungspersonen der Staatsan­ waltschaft wäre dagegen sinnvoll und völkerrechtlich zulässig.456 § 11 Personelle Übergangsregelungen (1)  Dem Strafgericht werden hauptamtliche Richter und nicht-richterliches Perso­ nal im Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Justiz nach Maßgabe des Haushaltsgesetzes zugewiesen. Soweit und solange dem Strafgericht keine geson­ derten Planstellen zur Verfügung gestellt sind, wird das Gericht gemäß den Absät­ zen 2 bis 5 tätig. (2)  Die hauptamtlichen Richter der Kammer nach § 3, einschließlich der Vertreter gemäß dem Geschäftsverteilungsplan des Gerichts, können zugleich im Nebenamt als Richter am Strafgericht tätig werden, wenn und soweit dem Gericht keine hauptamtlichen Richter ausschließlich zugewiesen sind. (3)  Die ehrenamtlichen Richter der Kammer nach § 3 können zugleich im Neben­ amt als Schöffen am Strafgericht tätig werden, wenn und soweit dem Gericht keine ehrenamtlichen Richter gesondert ausschließlich zugewiesen sind. (4) Das nicht-richterliche Personal der Kammer nach § 3 kann zugleich im Ne­ benamt am Strafgericht tätig werden, wenn und soweit dem Gericht kein entspre­ chendes Personal ausschließlich zugewiesen ist. (5) Das an diesem Gericht nebenamtlich tätige Personal der Bundeswehr unter­ liegt, soweit Aufgaben des Strafgerichts wahrgenommen werden, der Dienstauf­ sicht des Bundesministeriums der Justiz; die Ausübung der Disziplinargerichtsbar­ keit durch Stellen im Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung bleibt unberührt.

Laut Entwurfserläuterung „lassen die bisherigen Fallzahlen erwarten, dass zumindest in der ersten Phase das Aufkommen an Verfahren eine Auslas­ 452  Entwurf

S. 9. Kapitel 4, C. 454  Entwurf S. 9. 455  Vgl. Sander / Cirener, in: LR, § 250 Rn. 25–30. 456  Näheres hierzu Teil 2, Kapitel 1. 453  Teil 1,



B. Neuere Bestrebungen135

tung separat ausgebrachter Haushaltsstellen nicht gewährleiste[n]“ wird,457 was gemäß § 11 Abs. 2 bzw. Abs. 3 des Entwurfs zur Folge haben soll, dass sowohl die hauptamtlichen als auch die ehrenamtlichen Richter des Wehr­ dienstgerichts gleichzeitig am „Strafgericht des Bundes“ tätig sind. Wenn jedoch die Richter beider Gerichte identisch sind, kommt auch dies einer Zusammenlegung beider Gerichtsbarkeiten, die im Schrifttum häufig gefor­ dert wurde458, sehr nahe. Verstärkt wird dies dadurch, dass das Verfahren nach § 9 Abs. 2 des Entwurfs „insbesondere hinsichtlich der Strafzumessung so abzuschließen [ist], dass möglichst nach § 16 der Wehrdisziplinarordnung ein zusätzliches disziplinargerichtliches Verfahren nicht mehr erforderlich wird.“ Wenn (Wehrdienst-)Richter einen strafrechtlichen Vorwurf umfassend und insbesondere unter Beachtung disziplinarrechtlicher Erwägungen ahn­ den, handelt es sich hierbei de facto um die Zusammenlegung beider Ge­ richtszweige. Eine solche ist jedoch nach heute einhelliger Auffassung verfassungsrechtlich unzulässig.459 Auch wenn eine Zusammenlegung for­ mal betrachtet nicht erfolgt, stellt sich dies doch als Umgehung dieses Verbots dar und ist daher aus verfassungsrechtlichen Gründen abzulehnen. 2. Gesamtbewertung Der Entwurf des Bundeswehrverbands enthält an entscheidenden Stellen dieselben Forderungen, die auch früher häufig gestellt wurden, und lässt dabei unberücksichtigt, dass die frühere Diskussion unter einer völlig ande­ ren militärischen und politischen Prämisse, nämlich während des Kalten Krieges und nicht in Zeiten zahlreicher Auslandseinsätze, geführt wurde. Damals hätte es jederzeit zum Verteidigungsfall kommen können, in dem zivile Gerichte, sei es aufgrund allgemeinen Chaos oder wegen einer Verle­ gung der Einheit des beschuldigten Soldaten, nach aller Voraussicht nicht zügig erreichbar gewesen wären. Weil aber gerade dann die schnelle Abur­ teilung von Straftaten für die Aufrechterhaltung der Disziplin und damit die Schlagkraft der Truppe unerlässlich gewesen wäre, wären Gerichte, die sich bei der Truppe befinden, notwendig gewesen. Hiermit erklärte sich auch die Forderung nach soldatischen Richtern. Denn in diesem Szenario wären mit soldatischen Richtern besetzte Gerichte aus zweierlei Gründen sinnvoll ge­ 457  Entwurf

S. 9. NZWehrR 1965, 106, 114; ders., WehrwR 1967, 303, 312; Schwenck, NZWehrR 1965, 145, 149; Barth, NZWehrR 1966, 1; Bensch, NZWehrR 1968, 41, 44–46; Bobbert, WehrwR 1970, 185, 186 f. 459  Barth, NZWehrR 1966, 1; Schönherr, Truppenpraxis 1975, 233, 234; Heusch, in: Schmidt-Bleibtreu / Hofmann / Hopfauf, Art.  96 Rn.  5; Herzog, in: Maunz / Dürig, Art. 96 Rn. 15; Meyer, in: v. Münch / Kunig, Art. 96 Rn. 7. 458  Schirmer,

136 Teil 2, Kap. 2: Errichtung einer Wehrstrafgerichtsbarkeit als Alternative?

wesen: Erstens hätten diese besser beurteilen können, welche Strafe zur Aufrechterhaltung der Disziplin erforderlich ist, als zivile Richter. Zweitens hätten sie neben richterlichen auch andere militärische Aufgaben wahrneh­ men können. Obwohl die heutige Situation bei Auslandseinsätzen, für die der Entwurf eine Wehrstrafgerichtsbarkeit vorsieht, sich anders darstellt, enthält der Ent­ wurf bei der Besetzung der Gerichte dieselben Forderungen, die auch schon in der früheren Diskussion erhoben wurden. Doch heute werden Soldaten, die in den Verdacht einer strafbaren Handlung geraten, schnellstmöglich aus dem Einsatz abgezogen, sodass eine Aburteilung in Deutschland ohne wei­ teres möglich ist. Außerdem spielt die Aufrechterhaltung der Disziplin in den aktuellen Fällen allenfalls eine untergeordnete Rolle. Beide Argumente für soldatische Richter greifen deshalb nicht. Auch ist zu bedenken, dass die vorgeschlagene Wehrstrafgerichtsbarkeit im Hinblick auf das Leitbild des Staatsbürgers in Uniform nicht unproblematisch ist. Denn letztlich urteilen hier Soldaten über Soldaten, was Charakterzüge einer Standesgerichtsbar­ keit trägt, die mit dem Leitbild unvereinbar ist. Mit dieser Entfernung von der zivilen Gerichtsbarkeit einher geht die Gefahr einer allgemeinen Aus­ prägung eines überwunden geglaubten Standesdenkens. Große rechtliche Bedenken bestehen auch wegen der massiven Einfluss­ möglichkeiten der Exekutive auf die Judikative. Denn die Schöffen sollen zwar in ihrer richterlichen Arbeit unabhängig, aber dennoch Soldaten sein, und die Aufgaben der Staatsanwaltschaft sollen durch den Bundeswehrdis­ ziplinaranwalt, der nicht beim Justiz-, sondern dem Verteidigungsministeri­ um ressortiert, wahrgenommen werden. Auch letzteres und damit verbunden die Tatsache, dass der strafrechtliche Vorwurf von der militärischen Führung erhoben zu werden scheint, erweckt einen von Standesdenken geprägten Eindruck. All dies, die mangelnde Notwendigkeit einer derart tiefgreifenden Ände­ rung des bestehenden Systems, die rechtlichen Bedenken und die Gefahr für das verfassungsrechtlich verbürgte Leitbild des Staatsbürgers in Uniform, führt dazu, dass auch dieser Entwurf abzulehnen ist.

C. Zusammenfassung In der Zeit des Kalten Kriegs wurde rege über die Errichtung einer Wehrstrafgerichtsbarkeit im Sinne des Art. 96 Abs. 2 GG diskutiert. Erklär­ bar ist dies damit, dass jederzeit mit dem Verteidigungsfall gerechnet wer­ den musste und in diesem Fall die Aufrechterhaltung der Disziplin vom ersten Tag an durch eine Wehrstrafgerichtsbarkeit hätte gesichert werden müssen.



C. Zusammenfassung137

Die beiden in jüngerer Vergangenheit diskutierten Vorschläge zur Errich­ tung einer Wehrstrafgerichtsbarkeit für ins Ausland entsandte Bundes­ wehrsoldaten orientieren sich in wesentlichen Punkten an den Argumenten der früheren Diskussion und sind abzulehnen. Beim Entwurf Springs ergibt sich dies aus Widersprüchen in der Konzep­ tion, vor allem aber aus der grundsätzlichen Überlegung, dass zum Mittel einer Wehrstrafgerichtsbarkeit und damit zu tiefgreifenden Änderungen der bestehenden Gerichtsorganisation vor dem Hintergrund des Leitbilds des Staatsbürgers in Uniform und Art. 17a GG nur dann gegriffen werden soll­ te, wenn sich dies nicht vermeiden lässt. Solange jedoch eine Lösung inner­ halb des bestehenden Systems möglich ist, sollte diese gewählt werden. Da dies – wie gezeigt – durch erheblich weniger einschneidende und enger am hergebrachten System der Strafrechtspflege orientierte Maßnahmen möglich ist, ist der Vorschlag Springs abzulehnen. Erheblich schwerer als bei Springs Entwurf wiegen die rechtlichen Be­ denken gegen den Vorschlag des Deutschen Bundeswehrverbands. Er sieht de facto eine verfassungswidrige Zusammenlegung von Disziplinar- und Strafgerichtsbarkeit, jedenfalls aber eine ebenfalls verfassungswidrige Um­ gehung dieses Verbots vor. Daneben werden mit dem Verteidigungsministe­ rium der Exekutive erhebliche Möglichkeiten der Einflussnahme auf die Rechtsprechung eingeräumt: einerseits durch die Besetzung von Richterpos­ ten mit Soldaten, andererseits dadurch, dass der Bundeswehrdisziplinaran­ walt, also eine dem Verteidigungsministerium angegliederte Behörde, als Anklagebehörde agieren soll. Mit dem Grundsatz der Gewaltenteilung ist dies nicht in Einklang zu bringen. Deshalb ist auch dieser Vorschlag abzu­ lehnen. Insgesamt ist der Zentralisierung der Strafverfolgung bei Straftaten von Bundeswehrsoldaten im Auslandseinsatz nach § 11a StPO und der Be­ stellung von Feldjägern als Ermittlungspersonen hiernach der Vorzug zu geben.

Schluss A. Untersuchungsergebnisse I. Anwendbarkeit deutschen Strafrechts auf Auslandstaten von Bundeswehrsoldaten Zu Beginn der Arbeit wurde nach der Anwendbarkeit deutschen Straf­ rechts bei Auslandseinsätzen der Bundeswehr gefragt. Grundsätzlich ist das deutsche Strafrecht in diesen Fällen gemäß § 1a Abs. 2 WStG auf alle Taten von Bundeswehrsoldaten anwendbar, was seine Begründung in der Loyali­ tätspflicht deutscher Soldaten gegenüber der Bundesrepublik und dem be­ sonderen Vertrauen, das ihnen entgegengebracht wird, findet. Aus der be­ sonderen Schutzverpflichtung des Staates in Bezug auf das Leben folgt das Untermaßverbot, das den Gesetzgeber zwingt, Verletzungen des Lebens unter Strafe zu stellen. Diese Verpflichtung gilt umso mehr, wenn eine sol­ che Verletzung von einem Amtsträger in Ausübung seines Dienstes began­ gen wird. Aus Art. 1 Abs. 3 GG ergibt sich, dass die Verpflichtung zur Pönalisierung von durch Amtsträger begangenen Tötungshandlungen nicht auf das Staatsgebiet der Bundesrepublik beschränkt ist, sondern aufgrund der strengen Grundrechtsbindung aller staatlicher Gewalt weltweit gilt. Be­ züglich anderer grundsätzlich strafbarer Handlungen von Amtsträgern steht es dem Gesetzgeber nach der Verfassung dagegen frei, ob er sie auch im Ausland dem deutschen Strafrecht unterwirft. Der Gesetzgeber hat sich ausweislich des § 1a Abs. 2 WStG dafür entschieden. Auch wenn Straftaten im Zusammenhang mit einem bewaffneten Konflikt begangen werden, gilt grundsätzlich nichts anderes. Auch hier ist das deut­ sche Strafrecht gemäß § 1a Abs. 2 WStG anwendbar. Die Ansicht, dass das StGB im bewaffneten Konflikt nicht anwendbar sei, überzeugt nicht. Denn sie verstößt einerseits gegen die verfassungsrechtliche Pönalisierungspflicht von Verletzungen des Lebens und führt andererseits zu widersprüchlichen Ergebnissen. Insgesamt unterliegt das Handeln von Bundeswehrsoldaten im Auslandseinsatz also einer hohen strafrechtlichen Kontrolldichte.



A. Untersuchungsergebnisse139

II. Verfolgungspflichten bei Auslandsstraftaten von Bundeswehrsoldaten Entsprechend dieser hohen Kontrolldichte gilt im deutschen Strafverfahren grundsätzlich das Legalitätsprinzip; das heißt grundsätzlich ist die Staatsan­ waltschaft verpflichtet, jede Straftat zu verfolgen. Denn die grundgesetzliche Pflicht des Staates, rechtswidrige Tötungen von Amtsträgern unter Strafe zu stellen, liefe leer, wenn die Verfolgung in das Ermessen der Staatsanwalt­ schaft gestellt würde. Zudem folgt nach ständiger Rechtsprechung des EGMR aus dem Recht auf Leben und dem Folterverbot der EMRK, dass Verstöße gegen diese Regeln, insbesondere wenn sie durch Vertreter des Staates be­ gangen wurden, strafrechtlich verfolgt werden müssen, und zwar auch im Rahmen bewaffneter Konflikte. Dies gilt, wie auch die Pflicht nach dem Grundgesetz, weltweit, das heißt, es kommt nur darauf an, ob Vertreter des Staates die Rechte beeinträchtigt haben, nicht hingegen darauf, wo dies ge­ schehen ist. Nachdem der EGMR dies früher noch anders gesehen hatte, hat er sich in seinen jüngsten Entscheidungen dieser Auffassung angeschlossen. Ebenfalls gilt das Legalitätsprinzip, wenn gegen Bundeswehrsoldaten der Verdacht eines Verstoßes gegen bestimmte völkergewohnheitsrechtliche Ver­ bote besteht. Für andere Straftaten folgt aus den hinter § 1a Abs. 2 WStG stehenden Überlegungen, dass das nach dem Wortlaut des § 153c StPO um­ fassende Verfolgungsermessen der Staatsanwaltschaft insoweit intendiert ist, als eine grundsätzliche Verfolgungspflicht besteht. III. Verfolgungszuständigkeit Die Zuständigkeit für die Verfolgung von Auslandsstraftaten von Bundes­ wehrsoldaten richtet sich in erster Linie nach den §§ 7–13a StPO in Verbin­ dung mit § 143 Abs. 1 GVG. Vor der Einführung von § 11a StPO war in den meisten Fällen nur die Staatsanwaltschaft am (gesetzlichen) Wohnort des Soldaten, das heißt seines letzten inländischen Standorts, zuständig. Dies konnte im Falle mehrerer Beschuldigter dazu führen, dass für eine Straftat verschiedene, unter Umständen über ganz Deutschland verstreute Staatsan­ waltschaften und Gerichte zuständig waren. Außerdem konnte sich bei keiner Staatsanwaltschaft eine besondere Expertise bilden, und jeder erstmals hier­ mit befasste Staatsanwalt musste sich in die rechtlich und tatsächlich kom­ plexe Materie neu einarbeiten. Bis zur Einführung des § 11a StPO nahm die Staatsanwaltschaft Potsdam eine „Eilzuständigkeit“ an, die zwischen den Ge­ neralstaatsanwälten der Länder vereinbart worden war. Sie koordinierte als solche erste unaufschiebbare Ermittlungshandlungen und ermittelte die tat­ sächlich zuständige Staatsanwaltschaft. Dabei handelte es sich jedoch um ein unzulässiges Vorgehen ohne gesetzliche Grundlage.

140 Schluss

Für die Verfolgung von Straftaten nach dem VStGB ist der GBA zustän­ dig. Entgegen der Auffassung des GBA bedeutet dies jedoch nicht, dass er für sämtliche Straftaten zuständig ist, die in einem bewaffneten Konflikt begangen wurden, sondern nur für solche Taten, die einen Tatbestand des VStGB erfüllen. Das gegenteilige Ergebnis, das der GBA auf die angebliche Existenz eines „Anwendungsbereichs des VStGB“, ein untechnisches Ver­ ständnis des Begriffs „Kriegsverbrechen“ und Zweckmäßigkeitserwägungen stützt, überzeugt nicht und widerspricht dem in der Gesetzesbegründung zum Ausdruck gebrachten Willen des Gesetzgebers. Deshalb sind für die Verfolgung sämtlicher Straftaten von Bundeswehrsoldaten die Staatsanwalt­ schaften der Länder zuständig, es sei denn, ein Tatbestand des VStGB ist erfüllt. Zum 1. April 2013 wurde der neue „Gerichtsstand bei besonderer Aus­ landsverwendung der Bundeswehr“ nach § 11a StPO eingeführt. Hiernach ist für die Verfolgung von Straftaten von Bundeswehrsoldaten während einer besonderen Auslandsverwendung die Staatsanwaltschaft Kempten zuständig. Hierdurch werden die früher aufgrund der dezentralen Verfolgungszustän­ digkeit bestehenden Probleme aller Voraussicht nach gelöst werden. Die Kritik, dass ein Bedarf hierfür nicht bestehe, geht fehl. Ebenso wenig über­ zeugt der Einwand, dieses Vorgehen verstoße gegen Art. 96 Abs. 2 GG, denn dieser umfasst gerade auch die Zentralisierung bei einer Staatsanwalt­ schaft. Die Geschichte der Wehrmachtsjustiz während des Zweiten Welt­ kriegs als Gegenargument anzuführen, überzeugt nicht, weil die heutige mit der damaligen Situation in keiner Weise vergleichbar ist. Auch ist eine Zentralisierung beim Generalbundesanwalt nicht vorzugswürdig. Denn hier­ durch würde in ganz erheblicher Weise von der Kompetenzverteilung zwi­ schen Bund und Ländern abgewichen, obwohl die insoweit bestehenden Probleme auch durch die Zentralisierung bei einer Staatsanwaltschaft der Länder zu lösen sind. Ausgehend davon, dass eine Übertragung der Länder­ kompetenzen auf den Bund eine begründungspflichtige Ausnahme darstellt, ist dieser Lösungsansatz deshalb abzulehnen. IV. Strafprozessuale Ermittlungen im Auslandseinsatz Strafprozessuale Ermittlungen im Auslandseinsatz sind nach derzeitiger Rechtslage nicht möglich. Erstens ist die Geltung der StPO auf das Bundes­ gebiet begrenzt, und zweitens sind Ermittlungen völkerrechtlich nicht zuläs­ sig. Denn die Strafverfolgung von Taten, die Soldaten im Auslandseinsatz begangen haben, obliegt in Deutschland mit Polizei und Staatsanwaltschaft zivilen Behörden. Truppenstationierungsabkommen erlauben regelmäßig je­ doch lediglich das Tätigwerden Militärangehöriger. Weil strafrechtliche Er­ mittlungen am Einsatzort deshalb nach derzeitiger Rechtslage nicht möglich



A. Untersuchungsergebnisse141

sind, wird aufgrund einer rechtlichen Hilfskonstruktion vorgegangen: Begeht ein Soldat im Dienst eine Straftat, stellt dies einen Verstoß gegen seine Wohlverhaltenspflicht und damit ein Dienstvergehen dar. Zur Aufklärung dieses Dienstvergehens ist der Vorgesetzte verpflichtet, eine Untersuchung einzuleiten. Die erforderlichen Ermittlungen muss er dabei nicht selbst vor­ nehmen, sondern überträgt sie regelmäßig den Feldjägern oder dem am Einsatzort befindlichen Rechtsberater. Die Ergebnisse übermittelt der Diszi­ plinarvorgesetzte an die Staatsanwaltschaft. Problematisch ist dabei, dass der betroffene Soldat anderen Soldaten, also auch den Ermittelnden, zur Wahrheit verpflichtet ist, wohingegen er im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren schweigen darf und er die Möglichkeit des unsanktionierten Lügens hat. Wird eine Aussage, die er unter dieser Pflicht tätigt, ohne seine Zustimmung im Strafverfahren gegen ihn verwer­ tet, degradiert ihn dies zum Objekt des Verfahrens und verstößt deshalb gegen die Würde des Menschen. Deshalb besteht für Auskünfte, die ein Soldat unter der uneingeschränkten Wahrheitspflicht getätigt hat, ein verfas­ sungsrechtliches Verwertungsverbot. Die Reichweite dieses Verbots ergibt sich induktiv aus der Untersuchung anderer Vorschriften, die dieselbe Kon­ fliktsituation in anderen Zusammenhängen regeln. Diese verbieten stets jegliche Verwendung, das heißt auch solche Erkenntnisse, zu denen die Aussage den Weg gewiesen hat, dürfen nicht verwertet werden. Gleiches gilt deshalb auch für die hiesige Situation. Anderes gilt, wenn der Soldat im Disziplinarverfahren förmlich vernommen und darüber belehrt wird, dass er nicht aussagen muss, denn hier besteht keine Aussagezwang. Weil der Sol­ dat aber dennoch, wenn er aussagt, unter der Wahrheitspflicht steht, ist eine auf diesem Weg zustande gekommene Aussage im Strafverfahren gegen ihn ohne seine Zustimmung nicht verwertbar; eine Fernwirkung besteht jedoch nicht. Ein weiteres Problem ist, dass den Ermittelnden nur disziplinarrechtliche, jedoch keine strafprozessualen Eingriffsbefugnisse zustehen. Grund hierfür ist der verfassungsrechtlich verbürgte Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Deshalb stehen dem Disziplinarvorgesetzten nur die Befugnisse zur Durch­ suchung und Beschlagnahme zu. Körperliche Untersuchungen sind dagegen nicht erlaubt und entsprechende Erkenntnisse dürfen in einem Strafverfahren nicht verwertet werden. Darüber hinaus kann die Staatsanwaltschaft, weil es sich bei den Ermitt­ lungen eben nicht um strafprozessuale, sondern disziplinarrechtliche handelt, keinen verbindlichen Einfluss hierauf nehmen, obwohl sich ein eventuell später durchgeführtes Strafverfahren auf deren Ergebnisse stützt. Vielmehr kann sie nur Wünsche und Anregungen äußern.

142 Schluss

V. Soldaten als Ermittlungspersonen Die Schaffung des § 11a StPO ist ein richtiger Ansatz für die Lösung der bestehenden Probleme, reicht hierfür jedoch nicht aus. Denn er löst die Probleme bei den strafrechtlichen Ermittlungen im Auslandseinsatz nicht und muss deshalb ergänzt werden. Der Staatsanwaltschaft muss es ermöglicht werden, maßgeblich Einfluss auf die Ermittlungen zu nehmen. Deshalb sollten Soldaten zu Ermittlungs­ personen der Staatsanwaltschaft im Sinne des § 152 GVG bestellt werden – letzterer steht diesem Vorgehen nicht entgegen, denn er verlangt nicht mehr die Eigenschaft als Beamter, sondern lediglich, dass die Ermittlungs­ person, wie bei Soldaten der Fall, in einem öffentlichen Dienstverhältnis steht. Die jeweiligen Soldaten unterständen in ihrer strafverfolgenden Tätig­ keit dann nicht dem Verteidigungs-, sondern einem Justizministerium. Dies­ bezügliche Bedenken sind unberechtigt, denn auch die Polizei untersteht während ihrer präventiven Tätigkeit dem Innen-, während ihrer repressiven Tätigkeit dagegen der Staatsanwaltschaft und damit dem Justizministerium; die Situation ist insofern vergleichbar. Zudem zeigt der Blick auf die nie­ derländische Praxis, in der der Staatsanwaltschaft ebenfalls Soldaten als Ermittlungspersonen unterstehen, dass sich hieraus keine besonderen Prob­ leme ergeben. Die bestehenden völkerrechtlichen Bedenken wurden ebenfalls nicht er­ härtet. Denn der Rechtsvergleich mit den Niederlanden zeigt, dass gegen die dortige Praxis keinerlei Einwände erhoben werden, sei es aus der Literatur oder von anderen – insbesondere hiervon betroffenen – Staaten. Hieraus lässt sich ableiten, dass ein völkerrechtliches Verbot, Soldaten im Ausland­ seinsatz zivilen Strafverfolgungsbehörden zu unterstellen, nicht besteht. Die verfassungsrechtliche Kompetenz zur Bestellung von Soldaten als Ermittlungspersonen ergibt sich für den Bund aus Art. 96 Abs. 2 GG. Die darin enthaltene Kompetenz, Wehrstrafgerichte des Bundes einzurichten, umfasst aufgrund des Anklagegrundsatzes auch diejenige, hierfür eine eige­ ne Staatsanwaltschaft zu errichten. Diese könnte ihre Ermittlungen aber, genau wie derzeit die jeweils zuständige Staatsanwaltschaft, nicht selbst durchführen, und Polizisten könnten im Ausland nicht eingesetzt werden. Deshalb ist von der Befugnis, eine Wehrstaatsanwaltschaft einzurichten, kraft Sachzusammenhangs auch die Möglichkeit umfasst, Soldaten, die als einzige im Ausland ermitteln dürfen und können, als Ermittlungspersonen einzusetzen. Als „Minus“, also als weniger in die Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern eingreifende Maßnahme, ist hiervon auch um­ fasst, Soldaten zu Ermittlungspersonen der Staatsanwaltschaft zu bestellen, ohne eine eigene Wehrstrafgerichtsbarkeit und -staatsanwaltschaft einzurich­



A. Untersuchungsergebnisse143

ten. Die Bestellung von Soldaten als Ermittlungspersonen der Staatsanwalt­ schaft ist also zulässig. VI. Errichtung einer Wehrstrafgerichtsbarkeit Zuletzt stellte sich die Frage, ob die Errichtung einer Wehrstrafgerichts­ barkeit die bessere Alternative zu der genannten Lösung durch die Zentra­ lisierung der Strafverfolgung und den Einsatz von Feldjägern als Ermitt­ lungspersonen der Staatsanwaltschaft wäre. In der Zeit des Kalten Kriegs fand eine intensive Diskussion über die Wehrstrafgerichtsbarkeit im Sinne des Art. 96 Abs. 2 GG statt. Erklärbar ist dies damit, dass jederzeit mit dem Verteidigungsfall gerechnet werden musste. Man ging davon aus, dass in diesem Fall die Aufrechterhaltung der Disziplin vom ersten Tag an durch eine Wehrstrafgerichtsbarkeit gesichert werden müsste. Die beiden jüngeren in diese Richtung gehenden Vorschläge sehen dagegen nur eine Wehrstraf­ gerichtsbarkeit für ins Ausland entsandte Bundeswehrsoldaten vor, orientie­ ren sich in wesentlichen Punkten zum Teil aber trotzdem an der früheren Diskussion. Am Konzept Springs von 2008 sind hauptsächlich tiefe Eingriffe in das Strafverfahren zu kritisieren, deren Notwendigkeit sich nicht erschließt. Das Leitbild des Staatsbürgers in Uniform erlaubt eine Andersbehandlung von Soldaten gegenüber Zivilisten jedoch nur, wenn dies unbedingt erforderlich ist. Deshalb ist dieser Vorschlag abzulehnen. Größere rechtliche Bedenken bestehen gegen den Vorschlag des Deut­ schen Bundeswehrverbands von 2009. Dieser sieht faktisch eine Zu­­ sam­ menlegung von Disziplinar- und Wehrstrafgerichtsbarkeit vor, was eine Um­ gehung des diesbezüglichen Verbots darstellt. Darüber hinaus werden dem Verteidigungsministerium ganz erhebliche Einflussmöglichkeiten auf die Rechtsprechung eingeräumt, indem einerseits Richterposten mit Soldaten besetzt werden und andererseits der dem Verteidigungsministerium ange­ gliederte Bundeswehrdisziplinaranwalt als Anklagebehörde fungieren soll. Weil dies mit dem Grundsatz der Gewaltenteilung kaum in Einklang zu bringen ist, ist auch dieser Entwurf abzulehnen. Insgesamt ist der hier un­ terbreitete Vorschlag, die Strafverfolgung bei einer Länderstaatsanwaltschaft zu zentralisieren und Soldaten als Ermittlungspersonen einzusetzen, vor­ zugswürdig.

144 Schluss

B. Reformvorschläge I. Korrektur des § 11a StPO Wie bereits angedeutet, ist § 11a StPO ein sinnvoller Ansatz. Jedoch sind die verfassungsrechtlichen Bedenken gegenüber beweglichen Gerichtsstän­ den sowie die Probleme, die sich aus der Anknüpfung an die „besondere Auslandsverwendung“ ergeben, zu berücksichtigen. Entgegen dem Wortlaut des § 11a StPO „Wird eine Straftat außerhalb des Geltungsbereiches dieses Gesetzes von Solda­ tinnen oder Soldaten der Bundeswehr in besonderer Auslandsverwendung (§ 62 Absatz 1 des Soldatengesetzes) begangen, so ist der Gerichtsstand bei dem für die Stadt Kempten zuständigen Gericht begründet.“

sollte in der Vorschrift zum Ausdruck kommen, dass der Gerichtsstand regelmäßig in Kempten begründet sein und nur in Ausnahmefällen hiervon abgewichen werden soll. Ausnahmen vom Gerichtsstand Kempten bedürften dann einer Begründung und wären gerichtlich überprüfbar. Außerdem sollte anstelle der „besonderen Auslandsverwendung“ an den „Auslandseinsatz“ angeknüpft werden. Entsprechend bietet sich folgender § 11a StPO an: „Wird eine Straftat außerhalb des Geltungsbereiches dieses Gesetzes von Sol­ datinnen oder Soldaten der Bundeswehr in einem Auslandseinsatz, insbesondere einer besonderen Auslandsverwendung im Sinne des § 62 Absatz 1 des Soldatengesetzes, begangen, so ist der Gerichtsstand in der Regel vorrangig bei dem für die Stadt Kempten zuständigen Gericht begründet.“

Der Aufführung des § 11a StPO in § 12 StPO bedarf es in diesem Fall nicht, weil die in diesem enthaltene prinzipiell unbegrenzte Wahlfreiheit der Staatsanwaltschaft unter mehreren Gerichtsständen gerade nicht gelten soll. II. Soldaten als Ermittlungspersonen der Staatsanwaltschaft Entsprechend der derzeitigen Praxis ist es sinnvoll, Soldaten der Feldjä­ ger zu Ermittlungspersonen der Staatsanwaltschaft zu bestellen. Dies ist jedoch auf einen recht eng umgrenzten Personenkreis zu beschränken; es sollten also nicht sämtliche Feldjäger, sondern nur Angehörige bestimmter besonders ausgebildeter Abteilungen als Ermittlungspersonen eingesetzt werden, einerseits, damit nur besonders qualifizierte Soldaten zum Einsatz kommen, andererseits, damit Konflikte zwischen Befehlen militärischer Vorgesetzter und Weisungen der Staatsanwaltschaft so weit wie möglich ausgeschlossen werden können. Da es sich hierbei aber um eine hauptsäch­ lich organisatorische Frage handelt, sollte die Entscheidung, welche Solda­



B. Reformvorschläge145

ten Ermittlungspersonen der Staatsanwaltschaft sind, im Wege einer Verord­ nung der Exekutive überlassen werden. Von vorrangiger Bedeutung ist, dass überhaupt eine gesetzliche Grundlage geschaffen wird, nach der Soldaten Ermittlungspersonen der Staatsanwaltschaft sein können. Hierfür bietet es sich an, in § 152 GVG einen zusätzlichen, an § 152 Abs. 2 S. 1 GVG ange­ lehnten, Absatz 3 einzufügen. Zwar ließe sich zusätzlich, entsprechend der niederländischen Rechtslage, an eine klarstellende Regelung denken, nach der die Ermittlungspersonen ihre Befugnisse nur ausüben dürfen, soweit das Völkerrecht dies zulässt. Jedoch dürfte es genügen, die Anwendbarkeit der StPO auf solche Fälle zu begrenzen, da den Ermittlungspersonen im Fall einer völkerrechtlich gebotenen Nichtanwendbarkeit der StPO keine Befug­ nisse zustünden, die sie anwenden könnten. Der neue § 152 GVG könnte dann lauten: „(1) Die Ermittlungspersonen der Staatsanwaltschaft sind in dieser Eigenschaft verpflichtet, den Anordnungen der Staatsanwaltschaft ihres Bezirks und der dieser vorgesetzten Beamten Folge zu leisten. (2)  1Die Landesregierungen werden ermächtigt, durch Rechtsverordnung diejeni­ gen Beamten- und Angestelltengruppen zu bezeichnen, auf die diese Vorschrift anzuwenden ist. 2Die Angestellten müssen im öffentlichen Dienst stehen, das 21. Lebensjahr vollendet haben und mindestens zwei Jahre in den bezeichneten Beamten- oder Angestelltengruppen tätig gewesen sein. 3Die Landesregierungen können die Ermächtigung durch Rechtsverordnung auf die Landesjustizverwaltun­ gen übertragen. (3) Für Ermittlungen im Ausland, die Straftaten von Soldaten der Bundeswehr während eines Auslandseinsatzes, insbesondere einer besonderen Auslandsverwendung im Sinne des § 62 Absatz 1 des Soldatengesetzes, zum Gegenstand haben, bestimmt die Bundesregierung durch Rechtsverordnung diejenigen Soldatengruppen, auf die diese Vorschrift anzuwenden ist.“

Da mit der Bestellung zur Ermittlungsperson der Staatsanwaltschaft allein noch nicht die Bindung an das Legalitätsprinzip einhergeht, ist zudem ein entsprechender Anwendungsbefehl erforderlich. Sinnvollerweise kann dies durch einen neuen § 163 Abs. 1 S. 3 StPO erfolgen. „§ 163 StPO (1)  1Die Behörden und Beamten des Polizeidienstes haben Straftaten zu erfor­ schen und alle keinen Aufschub gestattenden Anordnungen zu treffen, um die Verdunkelung der Sache zu verhüten. 2Zu diesem Zweck sind sie befugt, alle Behörden um Auskunft zu ersuchen, bei Gefahr im Verzug auch, die Auskunft zu verlangen, sowie Ermittlungen jeder Art vorzunehmen, soweit nicht andere gesetz­ liche Vorschriften ihre Befugnisse besonders regeln. 3Für Soldaten, die Ermittlungspersonen nach § 152 Abs. 3 des Gerichtsverfassungsgesetzes sind, gelten Satz 1 und 2 entsprechend.“

146 Schluss

III. Anwendbarkeit der StPO Entsprechend der früheren Regelung bezüglich des Anwendungsbereichs der StPO bietet sich für die Ausdehnung ihres Geltungsbereichs die Wieder­ einführung des § 1 EGStPO an, in deren Absatz 1 die grundsätzliche Be­ schränkung auf das Bundesgebiet und in deren Absatz 2 eine Ausnahme für Taten, die Soldaten im Rahmen eines Auslandseinsatzes vorgeworfen wer­ den, enthalten ist. „§ 1 EGStPO (1)  Die Strafprozessordnung gilt im gesamten Bundesgebiet. (2)  Für Ermittlungen, die Straftaten von Soldaten der Bundeswehr während eines Auslandseinsatzes, insbesondere einer besonderen Auslandsverwendung im Sinne des § 62 Absatz 1 des Soldatengesetzes, zum Gegenstand haben, gilt sie auch im Ausland, soweit das Völkerrecht dies zulässt.“460

IV. Schutz beschuldigter Soldaten vor zwangsweiser Selbstbelastung Um den beschuldigten Soldaten vor einer zwangsweisen Selbstbelastung zu schützen, besteht ein umfassendes Verwendungsverbot bezüglich unter der Wahrheitspflicht des § 13 Abs. 1 SG gegebener Auskünfte. Sinnvoll wäre aber eine gesetzliche Klarstellung, etwa in einem neuen § 13 Abs. 1 S. 2 SG. Die Vorschrift würde dann folgendermaßen lauten: „§ 13 SG Wahrheit „(1)  1Der Soldat muss in dienstlichen Angelegenheiten die Wahrheit sagen. 2Jedoch darf eine Auskunft, die der Soldat gemäß seiner Verpflichtung nach Satz 1 erteilt, in einem Strafverfahren gegen ihn nur mit seiner Zustimmung verwendet werden.“461

Daneben sollte gesetzlich klargestellt werden, dass eine Aussage, die ein Soldat in einer Vernehmung nach § 32 Abs. 4 WDO, in der ihm zwar ein Auskunftsverweigerungsrecht zusteht, er aber nicht lügen darf, getätigt hat, im Strafverfahren nicht verwertet werden darf. Hierfür bietet sich ein neuer Satz 5 an; der derzeitige Satz 5 würde zu Satz 6. Daneben sollte ein neuer Satz 7 geschaffen werden, der klarstellt, dass eine Aussage ohne die Zu­ stimmung des Beschuldigten in einem Strafverfahren gegen ihn ohne seine Zustimmung nicht verwendet werden darf, wenn er nicht nach Satz 3 über sein Auskunftsverweigerungsrecht belehrt wurde. Die Vorschrift könnte wie folgt lauten: 460  Der Vorbehalt „soweit das Völkerrecht dies zulässt“ entspricht der Formulie­ rung in Art. 62 Wet militaire strafrechtspraak „voorzover het volkenrecht dit toelaat.“ 461  Abs. 1 S. 2 entspricht § 97 Abs. 1 S. 3 InsO.



B. Reformvorschläge147 „§ 32 WDO Ermittlungen des Disziplinarvorgesetzten […] (4)  1Der Soldat ist über die Ermittlungen zu unterrichten, sobald dies ohne Ge­ fährdung des Ermittlungszwecks möglich ist. 2Ihm ist bei Beginn der ersten Ver­ nehmung zu eröffnen, welche Pflichtverletzungen ihm zur Last gelegt werden. 3Er ist gleichzeitig darauf hinzuweisen, dass es ihm freistehe, sich zur Sache zu äußern oder nicht auszusagen. 4Sagt er aus, muss er in dienstlichen Angelegenheiten die Wahrheit sagen. 5Eine Aussage, die der Soldat in der Vernehmung nach den Sätzen 3 und 4 macht, darf in einem Strafverfahren gegen ihn ohne seine Zustimmung nicht verwertet werden. 6Ist die nach den Sätzen 2 und 3 vorgeschriebene Beleh­ rung unterblieben oder unrichtig erteilt worden, darf die Aussage des Soldaten nicht zu seinem Nachteil verwertet werden. 7Ist die nach Satz 3 vorgeschriebene Belehrung unterblieben oder unrichtig erteilt worden, darf die Aussage in einem Strafverfahren gegen ihn ohne seine Zustimmung nicht verwendet werden. (5) […]“

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Stichwortverzeichnis Abgabe an die Staatsanwaltschaft  79 Absehen von Strafverfolgung  35, 48 Ad-hoc-Bewilligungen  78 Aktives Personalitätsprinzip  46 Anklagegrundsatz  113 Antizipierte Amnestierung  32 Anwendbarkeit der Strafprozess­ ordnung  75 Anwendbarkeit deutschen Strafrechts  25 Anwendungsbereich des VStGB  56 Aufnahmestaat  75 Aufrechterhaltung der Disziplin und Ordnung  77, 80, 120 Auskunftspflicht  83 Auskunftsverweigerungsrecht  84 Außenpolitische Belange  69 Beschuldigtenvernehmung  82, 85 Besondere Auslandsverwendung  69 Bewaffneter Konflikt  30, 37, 56, 62, 65, 67 Blutentnahme  95 Brigade Buitenland Missies  106 Bundesgerichtsbarkeit  69 Bundeswehrdisziplinaranwalt  132 Bundeswehrverband  118 Bundeszuständigkeit  68 Combatant Immunity  31 Dienstvergehen  79 Dienstvorgesetzte  97 Disziplinarermittlungen  78 Disziplinargewalt  77, 118 Disziplinarverfahren  83 Disziplinarverstoß  84, 91, 103

Disziplinarvorgesetzte  79, 85, 91, 93, 122 Eingriffsbefugnisse  93 Ermittlungen  75, 114 Ermittlungshandlungen im Ausland  76 Ermittlungspersonen der Staatsanwalt­ schaft  75, 97, 110, 128, 133 Ermittlungspflicht  36 Evakuierungsoperationen  70 Extraterritoriales Handeln  40 Feldjäger  80, 93, 100 Friedensstrafrecht  31 Gefahr im Verzug  54 Geltungsbereich der Strafprozess­ ordnung  75 Generalbundesanwalt  56 Gerichtsstand  64, 71 Gerichtsstand des Wohnsitzes  53 Gerichtsverfassung  66 Gesetzgebungskompetenz  109 Grundrechtsbindung  36 Grundrechtsimperialismus  27, 42 Grundsatz der Länderzuständigkeit  110 Heimat(flug)hafen  52 Hoheitsgewalt  40 Humanitäres Völkerrecht  30, 57 Inquisitionsverfahren  113 jurisdiction  40 Kalter Krieg  125 Kempten  64, 71

Stichwortverzeichnis161 Kommandogewalt  112 Kompetenzverteilung  68 Koninklijke Marechaussee  105 Kriegsstrafrecht  31 Kriegsverbrechen  57, 62, 68 Legalitätsprinzip  47, 49, 79, 97 Loyalitätspflicht  29, 49 Militärbehörden  77, 121, 124 Militärgerichtsbarkeit  67, 77, 114, 120 Militärjustiz  117, 124 Militärstaatsanwaltschaft  120 Mitgeschriebene Kompetenzen  110 Nationalsozialismus  117 Niederländisches Strafrecht  103 Opportunitätsprinzip  48 Örtliche Zuständigkeit  52 Personalhoheit  77 Polizeibeamte  102, 113 Pönalisierungspflicht  26, 32, 35 Potsdam  54 Recht auf den gesetzlichen Richter  71 Rechtsberater  80, 93, 95 Rechtsstaatsprinzip  82 Reservisten  70 Revision  127 Schädigungsprivileg  31 Schweigerecht  83 Schwerpunktstaatsanwaltschaft  64 Selbstbelastungsfreiheit  82, 86, 91 Souveränitätsgrundsatz  76 Spezialkenntnisse  64, 69 Staatenimmunität  77 Staatsbürger in Uniform  20, 113, 129 Standesgerichtsbarkeit  131

Standort  53, 72 Strafgericht des Bundes  130 Straftaten nach dem Völkerstrafgesetz­ buch  56 Tapferkeitspflicht  99 Tatortstrafbarkeit  28 Tatrekonstruktionen  65 Truppenstationierungsabkommen  77, 103 Unabhängige Ermittlungen  81 Universalitätsprinzip  35, 49 Unnötige Verzögerungen  65 Untermaßverbot  26 Verfahrensökonomie  68 Verfassungsänderung  68 Verfolgungspflicht  35, 46, 49, 65, 82 Verfolgungszuständigkeit  52 Verteidigungsauftrag  70 Verwendungsverbot  88 Verwertungsverbot  85 – Reichweite  87 – Verfassungsunmittelbares  86 Völkergewohnheitsrecht  45 Vorgesetztenverantwortlichkeit  46, 59 Wahlmöglichkeit der Staatsanwalt­ schaft  73 Wahrheitspflicht  82, 84, 88, 92 Wehrkraftzersetzung  67 Wehrmachtsjustiz  67, 117 Wehrstaatsanwaltschaft  127 Wehrstrafgerichtsbarkeit  66, 113, 126, 131 Weltrechtsgrundsatz  35, 49, 61, 69 Zentralisierung der Strafverfolgung 64 Zuständigkeit kraft Sachzusammen­ hangs  112