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German Pages 241 Year 2018
Schriften zum Öffentlichen Recht Band 1387
Der Schutz personenbezogener Daten bei der Auslandsaufklärung durch Bundeswehrsoldaten
Von
Annelie Siemsen
Duncker & Humblot · Berlin
ANNELIE SIEMSEN
Der Schutz personenbezogener Daten bei der Auslandsaufklärung durch Bundeswehrsoldaten
Schriften zum Öffentlichen Recht Band 1387
Der Schutz personenbezogener Daten bei der Auslandsaufklärung durch Bundeswehrsoldaten
Von
Annelie Siemsen
Duncker & Humblot · Berlin
Die Bucerius Law School – Hochschule für Rechtswissenschaft hat diese Arbeit im Jahr 2018 als Dissertation angenommen.
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Vorwort Datenschutz wird allzu häufig als lästig und obsolet betrachtet oder als ineffektiv abgetan. Denn viele stellen ihre Daten ohnehin den sozialen Netzwerken freiwillig zur Verfügung und die rechtliche Umsetzung des Persönlichkeitsschutzes hinkt den technischen Möglichkeiten zu Eingriffen in eben jenes weit hinterher. Dabei wird übersehen, zu welchem Grad die Verarbeitung und Nutzung personenbezogener Daten unsere Gesellschaft und unser persönliches Leben durchziehen. Den entscheidenden Einfluss auf den Verbleib und die Nutzung dieser Daten haben wir längst verloren. Gleichzeitig ist das Recht auf informationelle Selbstbestimmung, aus dem der Datenschutz abgeleitet wird, nach wie vor ein wesentlicher Teil unseres Persönlichkeitsrechts. Die genannten Bedenken und Vorwürfe gegenüber dem Datenschutzrecht einfach damit abzutun, dass das BVerfG den Schutz des informationellen Rechts als eine wichtige Aufgabe des Gesetzgebers und der Verwaltung einstuft, greift zu kurz. Die eingangs aufgezählten Einwendungen enthalten vielmehr entscheidende Anhaltspunkte dafür, wie der Schutz verbessert, umsetzbar und effektiv ausgestaltet werden kann. Wir befinden uns in einer Umbruchphase, in der die Bedeutung von Daten und deren Schutz neu definiert werden. Diese Definition wird zwar auch durch die gesetzgebende Gewalt vorgenommen, doch in entscheidendem Maße haben die Bürger, die Internetnutzer Einfluss darauf, wie weit sie gehen wollen. Nicht ohne Grund werben die größten Internetfirmen seit einiger Zeit damit, dass unsere Daten bei ihnen sicher seien, dass wir selbst bestimmen würden, was mit ihnen geschieht und wofür sie verwendet werden. Nichtsdestotrotz obliegt dem Gesetzgeber bislang auch weiterhin die Pflicht, das Recht auf informationelle Selbstbestimmung zu schützen. Soweit in dieser Umbruchphase nicht vorhergesehen werden kann, welches Ausmaß die Datenverarbeitung annehmen kann, hat der Gesetzgeber nach dem Vorsichtsprinzip zu handeln. Denn eines ist sicher: Technische Entwicklungen und deren rechtlicher Rahmen können kaum eingeschränkt, geschweige denn rückgängig gemacht werden. Sind Datenerhebungen und Datenverwendungen erst einmal ohne Einschränkungen erlaubt, wird es kaum möglich sein, diese Entwicklung zurückzudrehen und einen strikteren Datenschutz durchzusetzen. Mitunter mag der Eindruck entstehen, die Gesellschaft würde keinen Wert auf Rückzugsräume legen, weil sie ohnehin ununterbrochen online ist. Doch jeder braucht einen Raum für seine / ihre Privatsphäre. Genauso wie wir unsere Wohnungstür zumachen, wollen wir entscheiden können, wann wir sichtbar sind und wann wir uns zurückziehen, ohne dass andere unsere Handlungen beobachten. Nicht nur für unsere persönliche Entwicklung und unser Wohlergehen ist dies von Bedeutung, sondern auch für unsere de-
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Vorwort
mokratische Gesellschaft. Welzer bringt die Bedeutung der Privatsphäre wie folgt auf den Punkt: „Demokratie setzt voraus, dass es Bürgerinnen und Bürger gibt, die für ihre Angelegenheiten und das Gemeinwesen eintreten und es gestalten. Das können sie aber nur, wenn es eine Trennung von öffentlich und privat gibt: (…) Als Sphäre, in der Menschen tun und lassen können, was sie wollen, ohne dass eine Öffentlichkeit davon auch nur Kenntnis gewinnen könnte, bildet Privatheit jenen Seinsbereich, in dem sich Sichtweisen bilden und entfalten, Persönlichkeiten entwickeln und Standpunkte ausprobieren lassen.“1
Bei alledem muss sich unsere Demokratie gleichzeitig gegen Bedrohungen wehren. Datenschutz steht deshalb immer auch im Konflikt zwischen dem Freiheitsanspruch des Einzelnen und den Sicherheitsbestrebungen des Staates. Die Freiheit des Einzelnen meint dabei die Möglichkeit, über die Verwendung der eigenen Daten selbst bestimmen zu können. Die Sicherheitsbestrebungen des Staates umfassen die Bemühungen, Sicherheit für die Bürger und den Bestand des Staates zu schaffen, indem präventiv gegen feindliche Handlungen vorgegangen wird. Diese Konfliktlage wird mitunter auch als Schnittstelle betrachtet, innerhalb derer die Freiheit nicht ohne Sicherheit und die Sicherheit nicht ohne Freiheit bestehen kann. Dieser Betrachtungsweise als Schnittstelle wohnt der Anspruch inne, sowohl die Freiheit als auch die Sicherheit vergrößern zu können. Dementsprechend versteht auch die vorliegende Arbeit den Datenschutz als Möglichkeit, die freiheitsrechtlichen und die sicherheitsrechtlichen Bestrebungen unserer Gesellschaft in einen Ausgleich zu bringen. Unter Zugrundelegung dieses Verständnisses von Datenschutz greift die Arbeit eine Anwendungssituation der datenschutzrechtlichen Vorschriften heraus. Gegenstand der Betrachtung ist die bislang wenig untersuchte Konstellation, in der Bundeswehrsoldaten im Rahmen der Auslandsaufklärung tätig werden. Die hierbei getroffenen, grundlegenden Wertungen lassen sich auf weitere Konstellationen übertragen, bei denen Sicherheit und Freiheit ausgeglichen werden sollen. Ich bedanke mich bei meinem Doktorvater Professor Dr. Jasper Finke für die hervorragende Betreuung und bei meinem Zweitgutachter Prof. Dr. Markus Kotzur. Ich bedanke mich außerdem bei meiner Familie für eure grenzenlose Unterstützung und Liebe. Mein größter Dank gebührt all den Frauen, die vor mir kamen. Annelie Siemsen
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Welzer, Schluss mit der Euphorie!, Die Zeit, Ausgabe No. 18 v. 27. 04. 2017.
Inhaltsverzeichnis Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 A. Thesen der Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 B. Methodik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 I. Vorgehensweise und Struktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 II. Kategorien der Datenerhebung und -verwendung mit Auslandsbezug . . . . . . . . . . 19 III. Auswertung und Übertragung der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19
Teil 1 Das Grundkonzept des Datenschutzes A. Die Bedeutung personenbezogener Daten für den Einzelnen und für die Gesellschaft
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B. Der grund- und menschenrechtliche Schutz personenbezogener Daten . . . . . . . . . . . . 25 I. Umfang der Schutzgewährleistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 1. Völkerrechtlicher Datenschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 2. Grundrechtlicher Datenschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 II. Grenzen der Schutzgewährleistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 C. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42
Teil 2 Der Umfang des Schutzes personenbezogener Daten bei der Auslandsaufklärung
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A. Fallkonstellation 1: Erhebung personenbezogener Daten im Ausland . . . . . . . . . . . . . 45 I. Thesen bezüglich der Fallkonstellation 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 II. Schutzumfang bei der Datenerhebung im Ausland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 1. Regeln zum extraterritorialen Schutz personenbezogener Daten . . . . . . . . . . . . 49 a) Extraterritorialer Schutz durch Menschenrechtsverträge . . . . . . . . . . . . . . . . 50 aa) Stand der Rechtsprechung zur extraterritorialen Anwendbarkeit von Menschenrechten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51
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Inhaltsverzeichnis (1) Rechtsprechung des EGMR zur extraterritorialen Anwendbarkeit der EMRK . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 (a) Territorialbezogene Hoheitsgewalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 (b) Personenbezogene Hoheitsgewalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 (2) Besondere Gebietsbezogenheit des IPbpR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 bb) Übertragung der EGMR-Rechtsprechung und Wertungen des UNHRC auf extraterritoriale Datenverwendungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 (1) Territorialbezogene Hoheitsgewalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 (2) Personenbezogene Hoheitsgewalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 (3) IPbpR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 (4) Ergebnis – Geringer extraterritorialer Schutzumfang durch Menschenrechtsverträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 b) Extraterritorialer Schutz durch Grundrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 aa) Extraterritoriale Grundrechtsbindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 (1) BVerfG-Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 (2) Literaturansichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 bb) Übertragung der Anwendungskriterien auf Datenerhebungen im Ausland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 (1) Übertragung der BVerfG-Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 (2) Bewertung der Literaturansichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 (3) Ergebnis – modifizierter Grundrechtsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 c) Extraterritorialer Schutz durch das BDSG, BNDG und Artikel 10-Gesetz
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d) Extraterritorialer Schutz durch sonstiges Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 2. Auswirkungen bewaffneter Konflikte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 a) Derogation von Menschenrechtsverpflichtungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 b) Konsequenzen der Anwendung des humanitären Völkerrechts . . . . . . . . . . . 88 aa) Parallele Anwendung von humanitärem Völkerrecht und Grund- und Menschenrechten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 bb) Keine weitergehenden Einschränkungen durch das humanitäre Völkerrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 3. Auswirkungen militärischer Kooperationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 a) Das Recht der Staatenverantwortlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 aa) Völkerrechtliche Regeln zur Zurechnung von Handlungen zu einer internationalen Organisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 bb) Rechtsprechung des EGMR zur Staatenverantwortlichkeit . . . . . . . . . . . 100 cc) Niederländische Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 dd) Anwendungspraxis innerhalb der Bundesrepublik Deutschland . . . . . . . 103 b) Ergebnis – Fehlende Zurechnung der Datenerhebung zu einem Träger von Datenschutzpflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 aa) Zurechnungsmaßstäbe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 bb) Alternativverhältnis der Verantwortlichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107
Inhaltsverzeichnis
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B. Fallkonstellation 2: Erhebung personenbezogener Daten vom Inland aus . . . . . . . . . . 110 I. Thesen bezüglich der Fallkonstellation 2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 II. Schutzumfang durch Menschen- und Grundrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 1. Eingeschränkter Schutz durch Menschenrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 a) Definition von Extraterritorialität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 aa) Der Bezugspunkt von Extraterritorialität in der Rechtsprechung des EGMR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 bb) Der Bezugspunkt von Extraterritorialität in der rechtswissenschaftlichen Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 cc) Anwendung der EGMR-Rechtsprechung in den Vertragsstaaten . . . . . . 119 dd) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 b) Hoheitsgewalt über extraterritoriale Datenerhebungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 aa) Die Ausübung von Hoheitsgewalt bei der Datenerhebung . . . . . . . . . . . 121 bb) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 2. Eingeschränkte Grundrechtsbindung des BND . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 a) Rechtsprechung und Literatur zur Grundrechtsbindung des BND im Inland und im Ausland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 b) Rechtsauffassung der Bundesregierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 c) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 3. Umfangreiche Eingriffsmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 a) Keine Erfassung von Metadaten vom Schutzbereich des Art. 10 GG . . . . . . 128 b) Abstufungen in der Schutzintensität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 c) Anwendung überholter Rechtfertigungserwägungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 d) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 C. Fallkonstellation 3: Verwendung personenbezogener Daten im Inland zur Auslandsaufklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 I. Thesen bezüglich der Fallkonstellation 3 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 II. Kein Schutz durch Zweckbindung oder durch nachträgliche Kontrolle der Auslandsaufklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 1. Fehlende einfachgesetzliche Ausgestaltung der Befugnisse . . . . . . . . . . . . . . . . 138 2. Der Zweckbindungsgrundsatz im Rahmen der Datenübermittlung . . . . . . . . . . 140 a) Die Zweckbindung bei der Datenübermittlung an ausländische öffentliche Stellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 b) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 3. Nachträgliche Kontrolle der Auslandsaufklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 a) Institutionelle Kontrollmöglichkeiten hinsichtlich der Auslandsaufklärung 146 b) Einschätzungsprärogative und gerichtliche Kontrolldichte . . . . . . . . . . . . . . 148 c) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150
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D. Ergebnis Teil 2 – Der Schutz personenbezogener Daten bei der Auslandsaufklärung durch Bundeswehrsoldaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153
Teil 3 Vorschläge zur Verbesserung des Datenschutzes bei der Auslandsaufklärung
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A. Erweiterte Auslegung des Anwendungsbereichs von Grund- und Menschenrechten auf extraterritoriale Datenvorgänge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 I. Datenverarbeitung durch Nachrichtendienste im 21. Jahrhundert . . . . . . . . . . . . . 161 II. Extraterritoriale Datenvorgänge als Rechtsbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 1. Definition „Extraterritoriale Sachverhalte“ in Rechtsprechung und Literatur 164 a) Aufenthaltsort und Handlungsort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 aa) Rechtsprechung des EGMR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 bb) Rezeption der Rechtsprechung durch die Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 b) Staatsangehörigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 2. Ideell geformte Schutzobjekte und Extraterritorialität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 a) Übertragung des Bezugspunkts ideell geformter Schutzobjekte auf Datenvorgänge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 b) Definition von Extraterritorialität bei Datenvorgängen . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 III. Hoheitsgewalt i.S.d. Art. 1 EMRK bezüglich Datenvorgängen . . . . . . . . . . . . . . . 173 1. Datenvorgänge und territorial- und personenbezogene Hoheitsgewalt . . . . . . . 173 2. Datenbezogene Hoheitsgewalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 IV. Schlussfolgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 B. Parallele Zurechnung im Rahmen multinationaler Koalitionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 I. Einflussmöglichkeiten des Entsendestaates in multinationalen Einsätzen . . . . . . . 181 II. Parallele Zurechnung in der Rechtspraxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 C. Eingeschränkte Verwertung von Daten, die von Dritten rechtswidrig erhobenen wurden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 D. Einfachgesetzliche Verfahrensanforderungen zur Umsetzung des verfassungsrechtlichen Datenübermittlungsverbots . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 I. Datenübermittlungsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 1. Auslieferungsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 2. Datenübermittlungsverbot in der Rechtsprechung des BVerfG . . . . . . . . . . . . . 189 3. Datenübermittlungsverbot des BND . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 II. Verfahrensrechtliche Pflichten bei der Datenübermittlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 1. Verfahrensrechtliche Pflichten als Grundrechtsverwirklichung . . . . . . . . . . . . . 193 2. Gegenstand der verfahrensrechtlichen Pflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 3. Verfahrensrechtliche Pflichten im Einzelnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195
Inhaltsverzeichnis
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a) Diplomatische Zusicherung des Empfangsstaates . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 b) Weitere verfahrensrechtliche Anforderungen an eine Auslieferungsentscheidung aufgrund eines Europäischen Haftbefehls . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 aa) Vergleichbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 (1) Unterschiede . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 (2) Gemeinsamkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 bb) Staatliche Pflichten in Auslieferungsfällen aufgrund eines europäischen Haftbefehls im Einzelnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 III. Bewertung der normativen Verankerung der verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Datenübermittlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 1. Diplomatische Zusicherung und ihr materieller Maßstab . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 a) Datenübermittlung innerhalb einer Kooperation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 aa) Absichtserklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 bb) Automatisierte Datenübermittlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 cc) Zweckbindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 b) Datenübermittlung außerhalb einer Kooperation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 2. Keine Darlegungslast des Betroffenen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 3. Qualitative Anforderungen an das berechtigte Vertrauen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 4. Von Amts wegen bestehende Aufklärungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 IV. Forderungen nach einer normativen Verankerung der verfahrensrechtlichen Absicherung eines Datenübermittlungsverbots . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 E. Ansätze zur Effektivierung der Kontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 I. Defizite bei der Kontrolle von Nachrichtendiensten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 II. Rechtspolitische Forderung nach Verbesserung der Kontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . 212 1. Präzise Ermächtigungsgrundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 2. Institutionalisierung der Kontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 3. Expertise und Ressourcen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 F. Verbesserung des technischen Datenschutzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 A. Aufsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 B. Monografien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 C. Kommentarliteratur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232 Rechtsprechungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240
Einleitung Personenbezogene Daten durchziehen alle Bereiche unseres Handelns, weshalb sie auch verschiedene Rechtsbereiche betreffen.1 Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit dem Gebrauch personenbezogener Daten zur Identifizierung von Individuen durch deutsche Soldaten zum Zweck der Auslandsaufklärung. Die Auslandsaufklärung umfasst die Gewinnung und Auswertung von Erkenntnissen über das Ausland, die von außen- und sicherheitspolitischer Bedeutung sind.2 Geläufig ist der Einsatz von Soldaten für Aufklärungsarbeiten durch den Militärischen Abschirmdienst (MAD), der das Ziel verfolgt, die Truppen im Ausland zu sichern.3 Allerdings ist die Bedeutung des MAD in den letzten Jahren gesunken und ein anderer Akteur trat in diesem Zusammenhang auf die Bühne: Der Bundesnachrichtendienst (BND) hat faktisch die Aufgabe der Außensicherung der Truppen übernommen.4 Er macht sich dabei das Potenzial der für Aufklärungsarbeit qualifizierten Soldaten zunutze. Auf Grundlage der sog. Rahmenvereinbarung zwischen dem Bundesministerium der Verteidigung und dem Bundeskanzleramt in der Fassung vom 13. 01. 1998 sowie der Richtlinie über die Verwendung von Truppenoffizieren beim BND vom 03. 08. 2001 werden Bundeswehrsoldaten an den BND überstellt. Die Angaben, wie viele Soldaten über diese Struktur beim BND beschäftigt sind, schwanken zwischen 10 % und 30 % der BND-Mitarbeiter.5 1 Vgl. nur § 1 BDSG; § 10 BVerfSchG; § 3 BNDG; § 630 f BGB; §§ 67a-78 SGB X; § 203 StGB; Bodenschatz, Der europäische Datenschutzstandard (2010), S. 15, 135, 162; Roßnagel, Modernisierung des Datenschutzrechts für eine Welt allgegenwärtiger Datenverarbeitung, MMR 2005, 71 (71). 2 § 1 Abs. 2 S. 1 BNDG. 3 Vgl. § 62 Abs. 1 SG; § 14 Abs. 1 S. 3, Abs. 2 S. 3, Abs. 6 S. 2 und 3 MADG. 4 http://www.sueddeutsche.de/politik/bilanz-des-bundesnachrichtendiensts-knapp-anschla ege-auf-bundeswehrsoldaten-verhindert-1.2203724 (zuletzt abgerufen am 21. 05. 2017); deshalb werden auch immer wieder Stimmen nach der Abschaffung des MAD laut, wogegen sich regelmäßig der / die Bundesminister/in der Verteidigung wendet, http://www.welt.de/politik/ deutschland/article13396754/MAD-der-geheimste-aller-Geheimdienste.html (zuletzt abgerufen am 21. 05. 2017). Der MAD ist deshalb kein eigenständiges Untersuchungsobjekt dieser Arbeit. 5 http://www.berliner-zeitung.de/archiv/bnd-beamte-im-irak-waren-auch-angehoerige-derbundeswehr-untersuchungsausschuss-rueckt-naeher-uniform-unter-der-agentenkluft,1081 0590,10353496.html (zuletzt abgerufen am 21. 05. 2017); zum Amt für Militärkunde siehe https://de.wikipedia.org/wiki/Amt_f%C3 %BCr_Milit%C3 %A4rkunde (zuletzt abgerufen am 21. 05. 2017). Bundeswehrsoldaten unterstützen den BND außerdem bei der Datenauswertungen und Übersetzungsarbeiten, http://www.zeit.de/politik/deutschland/2015 - 03/bnd-bundes wehr-daten-ueberwachung (zuletzt abgerufen am 21. 05. 2017); https://netzpolitik.org/2015/bun desnachrichtendienst-gibt-massenhaft-inhaltsdaten-an-die-bundeswehr-juristen-halten-das-fuer-
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Einleitung
Doch nicht nur in diesem Bereich werden die Soldaten mit der Bearbeitung personenbezogener Daten betraut. Auch innerhalb bundeswehreigener Strukturen ist der verstärkte Gebrauch solcher Daten zu beobachten, was maßgeblich durch den veränderten Aufgabenbereich der Bundeswehr bedingt ist. Die ursprüngliche Aufgabe der Bundeswehr – die Landesverteidigung6 – wurde in großen Teilen durch friedenserhaltende und friedenserzwingende Einsätze in anderen Staaten abgelöst.7 Neben Kampfmaßnahmen werden die Soldaten dort zu einem wesentlichen Teil für die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung eingesetzt. Für letztere Tätigkeit sind personenbezogene Daten des verbündeten Personals und der Arbeitskräfte im jeweiligen Land, der gegnerischen Partei und auch der Zivilbevölkerung von entscheidender Bedeutung. Die Identifizierung von Personen anhand solcher Daten ist essentiell, da eine Zuordnung nicht wie früher durch eine sichtbare Zugehörigkeit zu einer Gruppe von Soldaten oder durch Informanten erfolgen kann. So tritt der „Gegner“ heute weniger als einheitliche Streitmacht auf, als vielmehr in kleinen Gruppen oder als Einzelpersonen, die häufig in der Zivilbevölkerung untertauchen und unerkannt bleiben, bis sie die sicherheitsgefährdende Handlung ausführen. Eine erfolgreiche Identifizierung solcher Personen wird durch die Verwendung personenbezogener Daten erheblich vereinfacht. Als Aufgabe der deutschen Soldaten im Ausland kommen zahlreiche Grenzschutzeinsätze und Pirateriebekämpfungen hinzu, bei denen Daten der Betroffenen erhoben werden. Auch diese Tätigkeiten zielen auf die Identifizierung der Personen und die Qualifikation ihres Gefahrenpotenzials ab. Die Rechtsfragen, die sich stellen, wenn deutsche Soldaten innerhalb der Streitkräfte oder beim BND mit Datenerhebung, -speicherung, -verwendung und -übermittlung betraut werden, sind bislang kaum untersucht worden. Jene nach Umfang und Qualität des Datenschutzes greift die vorliegende Arbeit auf.
illegal/ (zuletzt abgerufen am 21. 05. 2017). Der BND arbeitet wiederum den Streitkräften zu, indem er ihnen Informationen über Personenziele mitteilt, http://www.t-online.de/nachrichten/ deutschland/militaer-verteidigung/id_72323542/bundeswehr-in-afghanistan-bnd-lieferte-datenzu-personenzielen.html (zuletzt abgerufen am 21. 05. 2017). 6 „Die Landesverteidigung prägt das Urbild des grundgesetzlichen Verteidigungsauftrags“, Depenheuer, in: Maunz / Dürig, GG 78. EL (2016), Art. 87a Rn. 107. Zur Änderung der Aufgaben der Bundeswehr Wieland, Verfassungsrechtliche Grundlagen polizeiähnlicher Einsätze der Bundeswehr, in: Fleck, Rechtsfragen der Terrorismusbekämpfung durch Streitkräfte (2004), 167 (84); ausführlich zur Verwendung der deutschen Streitkräfte Wiefelspütz, Der Auslandseinsatz der Bundeswehr und das Parlamentsbeteiligungsgesetz (2008), S. 11 ff. 7 Dabei wird die deutsche Sicherheit lediglich mittelbar verteidigt. „Die Sicherheit Deutschlands wird auch am Hindukusch verteidigt“, betonte der damalige Verteidigungsminister Peter Struck (SPD) im Dezember 2002, http://www.heise.de/tp/artikel/13/13778/1.html (zuletzt abgerufen am 21. 05. 2017).
A. Thesen der Arbeit
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A. Thesen der Arbeit Auch wenn der in Deutschland geltende Datenschutz weit davon entfernt ist, dem Persönlichkeitsrecht des Einzelnen umfassend Schutz zu vermitteln, so kann er doch im internationalen Vergleich als ausgereift bezeichnet werden; dies nicht zuletzt, weil er die menschenrechtlichen Standards umsetzt.8 Er beruht jedoch maßgeblich auf einer bestimmten Anwendungsbedingung – dem Inlandssachverhalt: Dem Grundkonzept des Datenschutzes liegt die Konstellation zugrunde, dass eine deutsche öffentliche Stelle innerhalb der Bundesrepublik personenbezogene Daten von Personen erhebt und verarbeitet, die sich ebenfalls im Bundesgebiet aufhalten. Wendet man die datenschutzrechtlichen Regeln auf die Auslandaufklärung an, lassen sich folgende These aufstellen, die in dieser Arbeit untersucht werden. Auslandssachverhalt. Die Auslandsaufklärung spielt sich auch innerhalb fremder Staatsgebiete ab und bezieht sich auf Tätigkeiten deutscher Stellen außerhalb der Bundesrepublik, bei denen Personen überwacht werden, die sich (auch) außerhalb des Bundesgebiets aufhalten. Daraus ergeben sich abweichende Anwendungsbedingungen, unter denen der Datenschutz gemäß den grund- und menschenrechtlichen Forderungen den Anspruch erhebt, Wirkung zu entfalten. Unter diesen Bedingungen können die Regeln zum Datenschutz nur eingeschränkt Schutz vermitteln. Dies ermöglicht den beteiligten Akteuren, bestimmte argumentative Strategien zu verwenden, um eine Anwendung der bestehenden Regeln zu vermeiden, was unten ausführlich dargestellt werden wird. So gibt es zwar datenschutzrechtliche Regeln, die sich auf die Auslandsaufklärung beziehen. Doch gleichen sie in ihrer rechtlichen Konstruktion denjenigen Regeln, die für Inlandssachverhalte konzipiert wurden. Aufgrund einer fehlenden Anpassung an die speziellen Umstände der Auslandskonstellationen ist ein effektiver Datenschutz bei der Auslandsaufklärung deshalb kaum gegeben. Diese abweichenden Anwendungsbedingungen sind die Grundlage der These 1: These 1: Der Datenschutz kann Sachverhalte mit Auslandsbezug nur unzureichend aufgreifen. Aus dieser ersten These lassen sich folgende Unterthesen ableiten: Ideell geformtes Schutzobjekt. Im Zeitalter der Informationstechnologie hat das Schutzobjekt „personenbezogenes Datum“, als Teil des Persönlichkeitsrechts, eine herausgehobene Bedeutung. Die Beeinträchtigungen dieses Rechts gleichen den Eingriffen in ähnlich ideell gestaltete Schutzobjekte.9 Statt jedoch diejenigen Wertungen auf Datenvorgänge zu übertragen, die hinsichtlich anderer ideell geformter Schutzobjekte bestehen, orientiert sich die Bewertung von Datenvorgängen zu 8
Vgl. Schaller, Detaillierte Regeln für die Auslandsüberwachung, SWP-Aktuell 66 (Oktober 2016), S. 2. 9 Vgl. Milanovic, Human Rights Treaties and Foreign Surveillance: Privacy in the Digital Age, Harv. Intl. Law J., Vol. 56 No. 1 (2015), 81 (120).
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Einleitung
Großteilen noch immer an einem physischen Verständnis von Eingriffen in das Persönlichkeitsrecht, wie beispielsweise der Durchsuchung einer Person, einer Wohnung, der Überwachung von Telekommunikation (TKÜ) oder dem Briefverkehr. Deshalb wird die erste Unterthese aufgestellt, die lautet: Unterthese 1: Personenbezogene Daten werden nicht umfassend als ideell geformte Schutzobjekte behandelt. Territoriale Beschränkung des Datenschutzes. Infolgedessen wird auch der territoriale Bezug rechtlicher Regeln auf Datenvorgänge übertragen, der insbesondere bei den physisch geformten Schutzobjekten zu beobachten ist. Dieser territoriale Bezug der einschlägigen Menschen- und Grundrechte sowie des einfachen nationalen Rechts ist eine der grundlegenden Anwendungsbedingungen, auf denen das Schutzkonzept Datenschutz aufbaut. Der Bezug wirkt sich sowohl bei der Anwendbarkeit der Regeln als auch bei der materiellen Schutzgewährleistung aus. So sind die Regeln auf Inlandssachverhalte ohne Weiteres anwendbar, in Auslandssachverhalten ist der Anwendungsbereich hingegen beschränkt. Ebenso wird der Datenschutz in Inlandsfällen umfassend gewährleistet, in Fällen mit Auslandsbezug werden indes beträchtliche Modifikationen vorgenommen. Viele Beeinträchtigungen des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung bzw. der Privatsphäre in Auslandssachverhalten werden deshalb nicht von den bestehenden Schutzstrukturen erfasst. In der Folge ist der Schutzumfang in innerstaatlichen Sachverhalten hoch, in extraterritorialen Sachverhalten hingegen niedrig, woraus sich die Unterthese 2 ergibt: Unterthese 2: Der Datenschutz ist territorial beschränkt, die Eingriffe finden hingegen territorial unbeschränkt statt. Alternativverhältnis staatlicher Verantwortung. Innerhalb multinationaler Kooperationen der Nachrichtendienste und der Bundeswehr wendet ein Teil der Staatenpraxis die völkerrechtlichen Zurechnungskriterien außerdem in einer Art und Weise an, in deren Konsequenz keine verantwortliche Stelle für etwaige Menschenund Grundrechtsverletzungen zur Verfügung steht. Zusätzlich werden die Zurechnungsregeln derzeit dahingehend ausgelegt, dass nur ein einzelner Hoheitsträger verantwortlich sein kann. Die Vielzahl an potenziellen Eingreifern, wie sie innerhalb multinationaler Einsätze vorliegt, kann so nicht adäquat aufgefangen werden. Überträgt man diese Auslegung auf Einsätze, bei denen personenbezogene Daten erhoben und verarbeitet werden, wirkt sich dies negativ auf den Datenschutz aus. Die zweite These lautet deshalb: These 2: Die völkerrechtlichen Zurechnungskriterien der Staatenverantwortlichkeit werden fehlerhaft ausgelegt. Fehlende Steuerungsfunktion des Rechts. Das Grundkonzept geht weiter davon aus, dass strenge Rechtfertigungsanforderungen, insbesondere der Zweckbindungsgrundsatz, und eine effektive Kontrolle das Verwaltungshandeln leiten und die Einhaltung des Datenschutzes gewährleisten. Dabei soll die gesetzliche Ermächti-
A. Thesen der Arbeit
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gungsgrundlage durch ihre Zweckbestimmung den Eingriff in ein angemessenes Verhältnis zum Ziel der Datenverarbeitung setzen. Verschiedene Kontrollmechanismen sollen garantieren, dass die gesetzlichen Vorgaben auch tatsächlich effektiven Schutz vermitteln. Die Rechtsprechung schreibt diesen Mechanismen insbesondere bei geheimen Maßnahmen eine hohe Bedeutung für die Angemessenheit der Maßnahme zu, um vor Missbrauch und Willkür zu schützten. Bei der Datenverwendung im Rahmen der Auslandsaufklärung können diese Mechanismen jedoch nicht greifen. In einer immer enger vernetzten Welt, in der die Bundeswehrsoldaten beinahe ausschließlich innerhalb multinationaler Truppen tätig werden und die Nachrichtendienste weltweit zusammenarbeiten, erhält eine Vielzahl von Hoheitsträgern Einwirkungsmöglichkeiten auf die personenbezogenen Daten,10 wodurch die Zweckbindung allein der deutschen öffentlichen Stellen faktisch leerläuft. Auch hinsichtlich der Kontrollen nachrichtendienstlicher Tätigkeiten bestehen bei der Auslandsaufklärung wesentliche Abweichungen zur Grundkonstellation des Datenschutzes, mit der Folge, dass die Kontrollen mitunter wirkungslos sind. Aus alledem lässt sich die dritte These ableiten: These 3: Der Zweckbindungsgrundsatz und die nachträgliche Kontrolle laufen bei der Auslandsaufklärung leer. Angesichts dieser Umstände bedarf es einer Anpassung des Datenschutzrechts. Um den Problemen, die in den Thesen 1 – 3 identifiziert worden sind, begegnen zu können, ergibt sich die rechtspolitische Forderung nach einer Anpassung des Datenschutzrechts, der im dritten Teil der Arbeit nachgegangen wird. 10
Zwischen dem BND und der NSA gilt beispielsweise ein sog. Memorandum of Understanding, das sich auf die Zusammenarbeit und den Austausch von Daten bezieht. Zu den US-amerikanischen Nachrichtendiensten zählen die Central Intelligence Agency (CIA), die National Intelligence Agency (NSA), die Defense Intelligence Agency (US Pentagon), die Military Intelligence Division / US Army Intelligence (Directive 5105.21); in Großbritannien regelt der Intelligence Service Act 1994 die Nachrichtendienste MI6, Secret Intelligence Service (SIS), Government Communications Headquarters (GCHQ), http://www.theguardian.com/uk-news/2013/oct/25/leaked-memos-gchq-mass-surveillance-secret-snowden (zuletzt abgerufen am 21. 05. 2017). Daneben unterhält die NSA ihre Special United States Liason Activity Germany (SUSLAG) in Deutschland, um die enge Kooperation der Geheimdienste zu fördern, zu alledem Graulich, Nachrichtendienstliche Fernmeldeaufklärung mit Selektoren in einer transnationalen Kooperation, NSA-Untersuchungsausschuss, 23. 10. 2015, S. 22; siehe dazu auch BT-Drs. 17/6965 v. 09. 09. 2011, Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Andrej Hunko, Sevim Dagdelen, Ulla Jelpke, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 17/6839 – Umsetzung des deutsch-amerikanischen Abkommens zur Vertiefung der Zusammenarbeit bei der Verhinderung und Bekämpfung schwerwiegender Kriminalität. Zur Zusammenarbeit der Nachrichtendienste siehe nur Aust, Stellungnahme zur Sachverständigenanhörung am 05. 06. 2014 des 1. UA der 18. Wahlperiode des Deutschen Bundestags, Ziff. 42 ff. Die „Five Eyes“-Staaten (Großbritannien, USA, Kanada, Neuseeland und Australien) tauschen ihre gesamten Daten untereinander aus, dazu Omtzigt, Council of Europe, Committee on Legal Affairs and Human Rights: Report on Mass Surveillance (26. 01. 2015), Rn. C 21.
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Einleitung
B. Methodik Im Folgenden werden die Vorgehensweise und Struktur (dazu Abschnitt I.), die Arbeit mit Fallkategorien (dazu Abschnitt II.) und der Umgang mit der Rechtsprechung (dazu Abschnitt III.) dargestellt.
I. Vorgehensweise und Struktur Gegenstand der vorliegenden Arbeit sind die unter A. dargestellten Thesen und deren Bewertung. Deshalb konzentrieren sich die Ausführungen auf die für diese Bewertung relevanten Aspekte der Rechtsprechung und der wissenschaftlichen Debatte. Auf eine rein deskriptive Darstellung aller aufkommenden Rechtsfragen wird hingegen verzichtet. Im ersten Teil der Arbeit wird das Grundkonzept des Datenschutzes in Bezug auf den Datengebrauch durch deutsche öffentliche Stellen im Inland dargestellt.11 Der Fokus liegt auf den spezifischen Funktionsweisen des Schutzes und den Anwendungsbedingungen, auf denen der Schutz aufbaut. Zum einen soll dadurch der derzeitige Stand des Datenschutzes dargestellt werden. Zum anderen dient das damit erarbeitete Schutzkonzept als Maßstab für die Bewertung des Datenschutzes bei der Auslandsaufklärung im zweiten Teil. Aufgrund dieser Funktion als Maßstab für die Schutzgewährleistung im zweiten Teil thematisiert der erste Teil ausschließlich diejenigen rechtlichen Aspekte des Datenschutzes, die für den Schutz in Auslandskonstellationen vor Eingriffen durch die öffentliche Gewalt relevant sind. Anschließend werden in Teil 2 der Arbeit die Thesen und ihre Unterthesen untersucht und belegt, warum dieses Schutzkonzept bei Sachverhalten mit Auslandsbezug nicht, bzw. nur unzureichend, funktioniert. Innerhalb dieses Teils wird ausschließlich die abwehrrechtliche Dimension der Grund- und Menschenrechte behandelt. Die Schutzpflichten, die den deutschen Staat treffen, um Eingriffe von Dritten abzuwehren, sind nicht Gegenstand der Arbeit, da es ausschließlich um die Eingriffe durch die deutsche Staatsgewalt geht. Der dritte Teil der Arbeit enthält Ansätze zur Verbesserung des Schutzes. Die Vorschläge orientieren sich an den Problemen des Datenschutzes, die in den Thesen und Unterthesen identifiziert wurden. Dabei wird vornehmlich die Freiheitsdimension der Grund- und Menschenrechte angesprochen. Innerhalb dieser Dimension kommt dem Recht die Funktion zu, Konflikte der beteiligten Parteien zu bewältigen. Wie dies in verhältnismäßiger Weise erfolgen kann, ist Gegenstand dieses dritten Teils der Arbeit.
11 Dies schließt insbesondere, aber nicht nur, die Behandlung des Datenschutzes im privatrechtlichen Bereich aus.
B. Methodik
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II. Kategorien der Datenerhebung und -verwendung mit Auslandsbezug Um die vom Grundkonzept „Datenschutz“ abweichenden Umstände und das sich daraus ergebende Schutzdefizit bei der Datenverwendung im Rahmen der Auslandsaufklärung durch Soldaten zu beleuchten, verwendet die vorliegende Arbeit in Teil 2 drei Fallkonstellationen. Aufgrund von Informationsdefiziten, die sich aus der hohen Geheimhaltungsstufe der Aufklärungsarbeit ergeben, können keine realen Fälle auf ihre Rechtmäßigkeit hin überprüft werden. Die hier verwendeten Kategorien sind deshalb vertypisierte Datenerhebungen und -verwendungen im Rahmen der Auslandsaufklärung, die sich an den öffentlich zugänglichen Dokumenten und Medienberichten orientieren und die Rückschlüsse auf den Datengebrauch durch deutsche Soldaten zulassen. Die Gründe dafür, dass bei der Auslandsaufklärung ein nur lückenhafter Datenschutz besteht, können anhand dieser Fallkonstellationen nachgezeichnet werden.
III. Auswertung und Übertragung der Rechtsprechung Der Datenschutz im Bereich der Auslandsaufklärung durch Soldaten war bislang noch nicht Gegenstand der Rechtsprechung. Einige der Rechtsfragen, die sich bei der Auslandsaufklärung stellen, wurden indes im Zusammenhang mit der nachrichtendienstlichen Überwachung und den klassischen Auslandseinsätzen von Soldaten zu Kampfzwecken oder friedenserhaltenden Maßnahmen behandelt.12 Die hier geschaffenen Rechtskenntnisse können bei gegebener struktureller Vergleichbarkeit auch für die Bewertung der Auslandsüberwachung durch Bundeswehrsoldaten herangezogen werden. Im Übrigen bestehen hinsichtlich der Auslandsaufklärung durch Bundeswehrsoldaten keine gesicherten Rechtsansichten, so dass die diesbezüglichen Einschätzungen mit rechtlichen Unsicherheiten behaftet sind. Daneben bedingt die Struktur der Arbeit als Bewertung von Thesen, dass nur diejenigen Aspekte der Urteile aufgegriffen werden, die für diese Bewertung relevant sind.
12 Siehe nur BVerfGE 58, 1 (27); BVerfGE 92, 26 (41); BVerfGE 141, 220 (342); BVerfGE 100, 313 (362 ff.); BVerfGE 115, 320 (350).
Teil 1
Das Grundkonzept des Datenschutzes Das hier betrachtete Grundkonzept des in Deutschland anwendbaren Datenschutzes bezieht sich auf Sachverhalte, die innerhalb Deutschlands stattfinden.1 Schutzgegenstand des Grundkonzepts sind personenbezogene Daten, die von Daten anderer Art unterschieden werden.2 Personenbezogene Daten umfassen Einzelangaben über persönliche oder sachliche Verhältnisse einer bestimmten oder bestimmbaren natürlichen Person, wie körperliche und geistige Eigenschaften (Aussehen, Gesundheit, Einstellungen und Vorlieben), wirtschaftliche und berufliche Verhältnisse, gesellschaftliche und private Beziehungen sowie identifizierende Angaben (Namen, Personenkennzeichen, biometrische Daten).3 So werden beispielweise im Rahmen der EU-Einsätze zur Piraterie- und Schleuserbekämpfung der Name / Geburtsname / Aliasname, Fingerabdrücke, Geburtsdatum, Wohnort, Beruf, Aufenthaltsort, Führerscheine, Identitätsdokumente und Reisepassdaten als personenbezogene Daten benannt.4 Bestimmtheit bzw. Bestimmbarkeit der Person meint, dass die Person unter Heranziehung der Information direkt oder indirekt identifiziert werden kann. Um zu bewerten, ob die öffentliche Stelle die Möglichkeit hatte, eine Person zu identifizieren, mit der Folge, dass sie die datenschutzrechtlichen Vorschriften einhalten muss, werden alle Mittel berücksichtigt, die demjenigen zur Verfügung stehen, der die Daten verwendet, um die Identifizierung durchzuführen.5 Im Rahmen einer Datenübermittlung ist zu bedenken, dass derjenige, der die Daten überträgt, möglicherweise selbst keine solchen Mittel hat, der Empfänger der Daten hingegen schon, so dass die Daten durch den empfangenden Staat bestimmbar gemacht werden 1
Tinnefeld / Buchner / Petri, Einführung in das Datenschutzrecht, 5. Aufl. (2012), S. 67 ff. Siemen, Datenschutz als europäisches Grundrecht (2006), S. 47; Bodenschatz, Der europäische Datenschutzstandard (2010), S. 29 ff. dort Fn. 92. 3 § 3 Abs. 1 BDSG; Tinnefeld / Buchner / Petri, Einführung in das Datenschutzrecht, 5. Aufl. (2012), S. 224. Personenbezogene Daten sind „any information relating to an identified or identifiable individual“, EGMR (Amann ./. Schweiz), Urteil v. 16. 02. 2000 – 27798/95, § 65. 4 Beschluss des Rates 2008/851/GASP v. 07. 12. 2010, Art. 1 Abs. 2 lit. h und i. 5 Franzen, in: Erfurter Kommentar Arbeitsrecht, 15. Aufl. (2015), BDSG § 3 Rn. 2; Art. 4 Ziff. 1 Verordnung 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG vom 27. 04. 2016; EuGH, Urteil v. 17. 10. 2013 –- C291/12 Rn. 27; Gersdorf, in: Gersdorf / Paal, BeckOK Informations- und Medienrecht, 12. Ed. (01. 11. 2015), EMRK, Art. 8 Rn. 8; Charta der Grundrechte der EU Art. 8 Rn. 5. 2
A. Die Bedeutung personenbezogener Daten
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können. Dieses Risiko der Bestimmbarkeit auch durch Dritte nach einer weiteren Übermittlung ist bereits im Zeitpunkt der Übertragung bei der Schutzbedürftigkeit eines Datums mit einzubeziehen; die übertragende Stelle muss deshalb die „FolgeÜbermittlungen“ in ihre Beurteilung einstellen, ob ein Datum Personenbezug hat.6 Bei der elektronischen Kommunikation fallen neben den personenbezogenen Daten sog. Inhalts- und Metadaten an, denen der Personenbezug nicht ohne Weiteres inhärent ist. Inhaltsdaten sind solche Daten, die von den Telekommunikationsteilnehmern absichtlich generiert werden, also der Inhalt einer E-Mail oder eines Telefonats. Ihnen ist das Bestimmbarkeitselement nicht zwingend inhärent. Metadaten sind solche Daten, die Informationen zu Aspekten anderer Daten enthalten, wie zum Beispiel IP-Adressen, Angaben zu Beginn und Ende der Kommunikation oder der Zeitpunkt des Abrufs einer URL.7 Nach herrschender Meinung sind letztere keine personenbezogenen Daten, IP-Adressen werden hingegen unterschiedlich qualifiziert. Teilweise werden aber auch diese Daten als nicht personenbezogen eingestuft, da zur Identifizierung Zusatzwissen erforderlich ist, das ein Nachrichtendienst nicht ohne Weiteres hat.8 Insofern besteht kein Schutz über das Recht auf informationelle Selbstbestimmung, unter Umständen greift jedoch das grundrechtliche Fernmeldegeheimnis ein. Nach Ansicht des EuGH stellen jedoch sowohl statische IP-Adressen als auch dynamische IP-Adressen personenbezogene Daten dar, wenn dem Anbieter von Online-Mediendiensten, der IP-Adressen beim Zugriff einer Person auf eine Website, die dieser Anbieter allgemein zugänglich macht, speichert, „rechtliche Mittel zur Verfügung stehen, die es ihm erlauben, die betreffende Person anhand der Zusatzinformationen, über die der Internetzugangsanbieter dieser Person verfügt, bestimmen zu lassen.“9
A. Die Bedeutung personenbezogener Daten für den Einzelnen und für die Gesellschaft Bevor auf die rechtliche Konzeption des Datenschutzes eingegangen wird, soll der Stellenwert personenbezogener Daten in unserer Gesellschaft betrachtet werden. Denn die rechtliche Bewertung richtet sich in hohem Maße danach, welche Bedeutung personenbezogenen Daten für die Persönlichkeitsentfaltung des Einzelnen und ein demokratisches Zusammenleben der Gesellschaft zugemessen wird. 6 Voßhoff, Gutachten Bundesdatenschutzbeauftragte v. 15. 03. 2016, Az. V-660/007#1424 – 25 – 13/15, Teil 1 A. I. 1. a. b. 7 Waidner, Stellungnahme zur Anhörung des NSA-Untersuchungsausschusses am 26. 06. 2014, S. 16. 8 Siehe nur Schaller, Kommunikationsüberwachung durch den BND, SWP-Studie S 7 (April 2016), 1 (15). 9 EuGH, Urteil v. 06. 12. 2016 – C-582/14, Rn. 49; EuGH, Urteil v. 24. 11. 2011 – C-70/10, Rn. 51.
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Teil 1: Das Grundkonzept des Datenschutzes
Personenbezogene Daten durchziehen sämtliche Bereiche unseres Lebens und unserer Gesellschaft. Es wird vom „multifunktionaler Charakter der Datenerhebung und Datenverarbeitung“10 gesprochen. Dementsprechend weit können Eingriffe über Datenverwendungen in die verbürgten Rechte reichen. Die Daten sind in einer Zeit, in der ganze Lebensbereiche und Staatsaufgaben über die Datenverarbeitung gesteuert werden, die Grundlage unseres öffentlichen Zusammenlebens. Der Umgang mit personenbezogenen Daten sowie dessen rechtlicher Schutz sind zunächst mit der demokratischen Funktionsfähigkeit einer Gesellschaft verbunden. Der Einzelne nimmt diejenigen Grundrechte nicht mehr wahr, die für eine funktionierende Demokratie erforderlich sind, aus Angst, dass seine personenbezogenen Daten nicht ausreichend geschützt werden. So wird die Funktionsfähigkeit einer demokratischen Gesellschaft durch das Recht des Einzelnen, über die Verwendung seiner Daten zu entscheiden, beeinflusst.11 Im Rahmen der sog. NSA-Affäre wurde sichtbar, dass rechtlich vorgesehene, demokratische Entscheidungswege in Bezug auf Datenverwendungen oftmals nicht eingehalten werden: Prioritätensetzung und politische Programme im Umgang mit Daten wurden ausschließlich innerhalb der Behörden und ohne Beteiligung des Parlaments beschlossen. Auch im Nachhinein gab es kaum Aufklärung oder effektive Kontrolle, so dass kein Entscheidungsträger zur Verantwortung gezogen wurde.12 Neben diesem gesamtgesellschaftlichen Einfluss eines angemessenen Umgangs mit personenbezogenen Daten wirken sich der Umfang und die Art und Weise der Datenverwendung naturgemäß auch auf den einzelnen Menschen aus, der die Daten generiert. Dabei steht das Persönlichkeitsrecht im Vordergrund, dessen Entfaltung vom eigenverantwortlichen Umgang mit den Daten abhängt und dafür durch das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung geschützt wird.13 Doch wirkt sich dieser Umgang nicht nur auf die unmittelbare Persönlichkeitsentfaltung aus. Das Recht, über die eigene Persönlichkeit, bzw. die Privatsphäre, zu bestimmen, ist darüber hinaus eine Grundvoraussetzung für die Wahrnehmung anderer Grund- und Menschenrechte. Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung wird in diesem Sinne als „Grundbedingung der kommunikativen Kompetenz des Einzelnen“ bezeichnet.14 Es besteht danach nicht nur um seiner selbst willen.15 10
BVerfGE 65, 1 (48). BVerfGE 65, 1 (43); Simitis, in: Simitis, BDSG, 8. Aufl. (2014), § 1 Rn. 32; zum negativen Einfluss welche die flächendeckende geheime Überwachung in einer Gesellschaft haben kann siehe EGMR (Szabó u. Vissy ./. Ungarn), Urteil v. 12. 01. 2016 – 37138/14, § 57. 12 Omtzigt, Council of Europe, Committee on Legal Affairs and Human Rights: Report on Mass Surveillance, (26. 01. 2015), Rn. C 100 f. 13 Franzen, in: Erfurter Kommentar Arbeitsrecht, 15. Aufl. (2015), BDSG § 1 Rn. 1. 14 Simitis, in: Simitis, BDSG, 8. Auflage (2014), § 1 Rn. 36; dazu auch Tinnefeld / Buchner / Petri, Einführung in das Datenschutzrecht, 5. Aufl. (2012), S. 81 ff.; Cannataci nennt das Recht auf Privatsphäre ein „enabling right“, das die Wahrnehmung anderer fundamentaler Werte ermögliche, Cannataci, Report of the Special Rapporteur on the right to privacy, A/HRC/31/64 (08. 03. 2016), S. 4. 11
A. Die Bedeutung personenbezogener Daten
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Ein solcher Einfluss zeigt sich etwa im Zusammenspiel zwischen dem Schutz personenbezogener Daten und der Meinungsfreiheit.16 Durch die ständige Möglichkeit, dass Daten erfasst werden, kommt es immer häufiger zu einer Selbstzensur.17 Meinungen werden in elektronischen Medien nicht mehr frei kommuniziert, sondern nur unter Aussparung bestimmter Wörter oder Wortgruppen, weil die betreffende Person mit den Inhalten verknüpft und diese Verknüpfung bei den Behörden gespeichert werden kann. Die Registrierung personenbezogener Daten wirkt sich außerdem auf die Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit aus.18 Neben diesem Einfluss auf eine funktionierende Demokratie wirkt sich die Art und Weise der Datenverwendung auch auf andere Grundrechte aus. Durch die Erhebung von Verbindungs- und Inhaltsdaten verändern Menschen ihr Kommunikationsverhalten, wodurch das Fernmeldegeheimnis negativ beeinträchtigt werden kann.19 Auswirkungen sind außerdem auch auf das Recht auf ein gerechtes Verfahren und eine angemessene Wiedergutmachung zu beobachten.20 Die Datenverarbeitungen betrifft daneben das Recht auf Leben, indem personenbezogenen Daten zu militärischen Einsätzen, wie der Nutzung der Daten zu Drohneneinsätzen und targeted killings, verwendet werden.21 Im Rahmen der Auslandsaufklärung besteht außerdem die Möglichkeit, cross-reference-data mit anderen Streitkräften auszuführen. Crossreference-data-Programme ermöglichen es den Streitkräften, deren eigenen Daten mit den Daten anderer Streitkräfte abzugleichen. Dies hat zur Folge, dass die Daten
15 BVerfGE 115, 320 (341); Cannataci, Report of the Special Rapporteur on the right to privacy, A/HRC/31/64 (08. 03. 2016), S. 4 und 11. 16 BVerfGE 100, 313 (358 f.); Simitis, in: Simitis, BDSG, 8. Aufl. (2014), § 1 Rn. 34; Omtzigt, Council of Europe, Committee on Legal Affairs and Human Rights: Report on Mass Surveillance, (26. 01. 2015), Rn. C 97. 17 Waidner, Stellungnahme zur Anhörung des NSA-Untersuchungsausschusses am 26. 06. 2014, S. 17; Roßnagel / Nebel, (Verlorene) Selbstbestimmung im Datenmeer, DuD 7/ 2015, 455 (458); zur Argumentation des BVerfG bzgl. des Gefühls allgegenwärtiger Überwachung siehe BVerfGE 120, 274 (335) und Bull, Informationelle Selbstbestimmung – Vision oder Illusion? (2011), S. 63 ff. 18 Omtzigt, Council of Europe, Committee on Legal Affairs and Human Rights: Report on Mass Surveillance, (26. 01. 2015), Rn. C 97. Dadurch werden die Rechte aus Art. 8 Abs. 1 GG, Art. 9 Abs. 1 GG und Art. 11 EMRK beeinträchtigt. 19 Vgl. Art. 10 Abs. 1 GG. Gleiches gilt für die Unverletzlichkeit der Wohnung, Art. 13 GG, zu alledem Deutsches Institut für Menschenrechte, Menschenrechtliche Anforderungen an die Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung und ihre Kontrolle (September 2016), S. 4; Simitis, in: Simitis, BDSG, 8. Aufl. (2014), § 1 Rn. 34; Waidner, Stellungnahme zur Anhörung des NSAUntersuchungsausschusses am 26. 06. 2014, S. 22 f. 20 Kommissar für Menschenrechte, Democratic and effective oversight of national security services, Issue Paper (Mai 2015), S. 26. 21 Die US-Militärbasis Ramstein versorgt Kampfdrohnen mit Zielkoordinaten für gezielte Tötungen im Jemen, zu der diesbezüglichen Klage dreier Jemeniten vor dem VG Köln (Urteil v. 27. 05. 2015 – 3 K 5625/14) siehe Schiffbauer, Aus dem Jemen über Ramstein nach Köln, https:// www.juwiss.de/53 - 2015/ (zuletzt abgerufen am 21. 05. 2017).
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Teil 1: Das Grundkonzept des Datenschutzes
für eine Vielzahl an Zwecken genutzt werden können.22 Diese Zwecke können potenziell auch das Folterverbot und das Verbot unmenschlicher Behandlung beeinträchtigen.23 Die wenigen bestehenden rechtlichen Grenzen zum Schutz des Persönlichkeitsrechts können aufgrund unzulänglicher Kontrollen häufig nicht durchgesetzt werden, so dass faktisch lediglich technische Grenzen für den Umfang der Datenverwendung bestehen. Darüber hinaus besteht die Gefahr des Datenmissbrauchs. So war in Ruanda die Zugehörigkeit der Bevölkerung zu den verschiedenen Volksgruppen in ihren Identitätskarten vermerkt, was 1994 den Genozid an den Tutsi erheblich erleichterte.24 Jüngst wurden in der Türkei Listen personenbezogener Daten dazu verwendet, Anhänger der Fethullahistischen Terrororganisation (FETÖ) zu identifizieren.25 Hinzu kommt, dass die Erkennungssysteme für biometrische Daten, die einen Teilbereich der personenbezogenen Daten darstellen, nicht fehlerfrei funktionieren. So kommt es immer wieder zu einem false positive, d. h. ein Datum wird einer anderen Person zugeordnet, oder zu einem false negative, bei dem das System nicht erkennt, dass die Person bereits in der Datenbank aufgenommen ist.26 In den vergangenen Jahren veröffentlichten insbesondere die EU, der Europarat sowie die Venedig-Kommission verschiedene Berichte und Empfehlungen, die allesamt die Bedeutung des Schutzes personenbezogener Daten betonen und einen angemessenen Umgang mit eben jenen, auch im Bereich der Nachrichtendienste, fordern.27 Personenbezogene Daten haben nach alledem einen großen Einfluss auf unser Leben und bergen hohes Potenzial, Grund- und Menschenrechte zu beeinträchtigen. 22 Mitchel, Distinguishing Friend from Foe: Law and Policy in the Age of Battlefield Biometrics, CYIL 2012, 289 (299). Ein Beispiel ist der Datenabgleich innerhalb der USA, bei dem Fluggastdaten nicht nur an Zollbehörden geleitet werden, sondern aufgrund ihrer generellen Relevanz für die öffentliche Ordnung der USA auch unter US-amerikanischen Bundesbehörden ausgetauscht werden. Das große Ausmaß an Datenarten (Informationen über Hotel und Mietreservierungen, Kreditkartendaten, Bankverbindungen, Essenswünsche, gesundheitliche Daten) lässt diesen Austausch noch brisanter erscheinen, Siemen, Datenschutz als europäisches Grundrecht (2006), S. 306. 23 Dazu unten Teil 3 D. I. 24 Mitchel, Distinguishing Friend from Foe: Law and Policy in the Age of Battlefield Biometrics, CYIL 2012, 289 (303). 25 Zu der entsprechenden gesetzlichen Ermächtigung siehe Information Note on the decreelaw no. 669 of 31 July 2016 on the measures taken under the state of emergency. 26 Mitchel, Distinguishing Friend from Foe: Law and Policy in the Age of Battlefield Biometrics, CYIL 2012, 289 (300). 27 Omtzigt, Council of Europe, Committee on Legal Affairs and Human Rights: Report on Mass Surveillance, (26. 01. 2015); Ministerrat der EU, Recommendation No. R (87) 15 of the Committee of Ministers to member States regulation the use of personal data in the police sector (17. 09. 1987); Venedig-Kommission, Report on the democratic oversight of the security services and report on the democratic oversight of signals intelligence agencies (07. 04. 2013); Kommissar für Menschenrechte, Democratic and effective oversight of national security services, Issue Paper (Mai 2015), S. 6.
B. Der grund- und menschenrechtliche Schutz personenbezogener Daten
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Dem effektiven Datenschutz kommt mithin eine hohe Bedeutung im Grund- und Menschenrechtsschutz zu.
B. Der grund- und menschenrechtliche Schutz personenbezogener Daten Nachdem die Bedeutung des Schutzes personenbezogener Daten für ein demokratisches Zusammenleben und die freie Entfaltung der Persönlichkeit des Einzelnen betrachtet wurde, folgt nun die rechtliche Umsetzung dieses Schutzes. Das rechtliche Konzept des Datenschutzes setzt sich aus der Art und Weise der Schutzgewährleistung (dazu Abschnitt I.) und den Grenzen eben jenes Schutzes (dazu Abschnitt II.) zusammen.28
I. Umfang der Schutzgewährleistung Regeln zum Schutz personenbezogener Daten finden sich sowohl im Völkerrecht als auch im nationalen Recht. Auf völkerrechtlicher Ebene wird der Schutz aus dem menschenrechtlich verankerten Persönlichkeitsrecht abgeleitet (dazu Abschnitt 1.), das Grundgesetz schützt personenbezogene Daten über das Recht auf informationelle Selbstbestimmung (dazu 2.).29 1. Völkerrechtlicher Datenschutz Auf völkerrechtlicher Ebene werden die personenbezogenen Daten als schützenswertes Gut angesehen, auch wenn über die konkrete inhaltliche Ausgestaltung der Privatsphäre noch keine Einigkeit herrscht.30 Die einzelnen Verträge zum Schutz der Privatsphäre setzen deshalb unterschiedlich starke Akzente. Am weitesten ausgeprägt ist der Schutz durch Art. 8 EMRK, der personenbezogene Daten als Teil des Rechts auf Achtung des Privatlebens erfasst.31 Art. 8 EMRK lautet: 28 Neben dem rechtlichen Datenschutz kann der Schutz auf technischer Ebene erfolgen, dazu Teil 3 F. 29 BVerfGE 65, 1 (43); EGMR (S. und Marper ./. Großbritannien), Urteil v. 04. 12. 2008 – 30562/04 u. a., § 67. 30 Schiedermair, Der Schutz des Privaten als internationales Grundrecht (2012), S. 55; Aust, Stellungnahme zur Sachverständigenanhörung am 05. 06. 2014 des 1. UA der 18. Wahlperiode des Deutschen Bundestags, Ziff. 6. Zum Beginn der Entwicklung eines Rechts auf Privatsphäre im US-amerikanischen Rechtsraum siehe auch Brandeis / Warren, The Right to Privacy, 4 HARV. L. Rev. 193 (1890). 31 Die Bundesrepublik Deutschland ist seit dem 02. 05. 1951 einer von 47 Vertragsstaaten der EMRK (05. 05. 1949 – Satzung European Council, Straßburg). Zum Schutz personenbezogener Daten in der Rechtsprechung des EGMR siehe EGMR (Uzun ./.Deutschland), Urteil v.
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Teil 1: Das Grundkonzept des Datenschutzes (1) Jede Person hat das Recht auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens, ihrer Wohnung und ihrer Korrespondenz. (2) Eine Behörde darf in die Ausübung dieses Rechts nur eingreifen, soweit der Eingriff gesetzlich vorgesehen und in einer demokratischen Gesellschaft notwendig ist für die nationale oder öffentliche Sicherheit, für das wirtschaftliche Wohl des Landes, zur Aufrechterhaltung der Ordnung, zur Verhütung von Straftaten, zum Schutz der Gesundheit oder der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer.
Auch öffentlich zugängliche personenbezogene Daten sind von dessen Schutzbereich erfasst, wenn sie systematisch gesammelt und gespeichert werden.32 Die EMRK schützt umfassend vor Beeinträchtigungen des Persönlichkeitsrechts durch jede Art der Datenverwendung.33 Bei der Bewertung, ob ein Eingriff vorliegt, stellt 02. 09. 2010 @ 35623/05, § 44; EGMR (Weber u. Saravia ./. Deutschland), Entscheidung v. 29.06. 2006 – 54934/00, § 79. EGMR (Segerstedt-Wiberg et al ./. Schweden), Urteil v. 06. 06. 2006 – 62332/00, § 73; zu Telekommunikationsdaten als Teil des Persönlichkeitsrecht siehe nur EGMR (Malone ./. Großbritannien), Urteil v. 02. 08. 1984 – 8691/79, § 64; Siemen, Datenschutz als europäisches Grundrecht (2006), S. 39; Schiedermair, Der Schutz des Privaten als internationales Grundrecht (2012), S. 167, 169; Frowein, in: Frowein / Peukert, EMRK, 3. Aufl. (2009), Einf. Rn. 1. Mitchel steht der Einordnung biometrischer Daten als Teil des Persönlichkeitsrechts kritisch gegenüber Mitchel, Distinguishing Friend from Foe: Law and Policy in the Age of Battlefield Biometrics, CYIL 2012, 289 (310 ff.). 32 EGMR (Segerstedt- Wiberg et al ./. Schweden), Urteil v. 06. 06. 2006 – 62332/00, § 73; EGMR (Rotaru ./. Rumänien), Urteil v. 04. 05. 2000 – 28341/95, § 46; zur Anlegung einer geheimen Datenbank mit solchen Informationen EGMR (Shimovolos ./. Russland), Urteil v. 21. 06. 2011 – 30194109, § 66. 33 Art. 8 EMRK schützt auch vor schlichten Formen der Datenerhebung, d. h. zum Beispiel der Erhebung und Speicherung von personenbezogenen Daten, ohne dass eine direkte Verwendung erfolgt, EGMR (Association „21. 12. 1989“ u. a. ./. Rumänien), Urteil v. 24. 05. 2011 – 33810/07, § 168; Marauhn / Thorn, in: Dörr / Grote / Marauhn, EMRK/GG (2013), Kap. 16 Rn. 72. Kein Eingriff liegt vor, wenn die Daten zwar erhoben aber unverzüglich und ohne technische Spuren gelöscht werden, EGMR (Rotaru ./. Rumänien), Urteil v. 04. 05. 2000 – 28341/95, § 46; EGMR (Amann ./. Schweiz), Urteil v. 16. 02. 2000 – 27798/95, §§ 64, 69, 77 und 80; Gersdorf, in: Gersdorf / Paal, Beck’scher Online Kommentar, Informations- und Medienrecht, 12. Ed. (2015), Art. 8 EMRK Rn. 45; Grothe / Marauhn, in: Dörr / Grote / Marauhn, EMRK/GG (2013), Kap. 7 Rn. 8 – 15; Bodenschatz, Der europäische Datenschutzstandard (2010), S. 46. Im Einzelnen wertete der EGMR im Zusammenhang mit der Auslandsaufklärung als Eingriffe: die Speicherung von Daten einer wegen terroristischer Tätigkeiten verdächtiger Person, EGMR (Klaas u. a. ./. Deutschland), Urteil v. 06. 09. 1978 – 5029/71, §§ 41 ff.; das Anlegen geheimer Register über bestimmte Personen, EGMR (Leander ./. Schweden), Urteil v. 26. 03. 1987 – 9248/81, § 48; EGMR (Amann ./. Schweiz), Urteil v. 16. 02. 2000 – 27798/95, §§ 64, 77 und 80; EGMR (Rotaru ./. Rumänien), Urteil v. 04. 05. 2000 – 28341/95, § 43; die Speicherung von Fingerabdrücken und der DNA, EGMR (S. und Marper ./. Großbritannien), Urteil v. 04. 12. 2008 – 30562/04 u. a., § 105; die Aufnahme persönlicher Angaben nach der Teilnahme bei einer Demonstration, EGMR (Friedl ./. Österreich), Entscheidung v. 26. 01. 1995 – 28/1994/475/556, § 14; die Sicherheitsüberprüfung einer technische Arbeitskraft im Militär als Eingriff in die Privatsphäre, EGMR (Leander ./. Schweden), Urteil v. 26. 03. 1987 – 9248/81, §§ 47 f. Die Möglichkeit, über die DNA Verbindungen zwischen Individuen herzustellen und ethnische Zugehörigkeiten zu bestimmen, begründet die hohe Sensibilität und das Bedürfnis nach hohem Schutz von DNA-Daten, EGMR (S. und Marper ./. Großbritannien), Urteil v. 04. 12. 2008 – 30562/04 u. a., §§ 75 f.
B. Der grund- und menschenrechtliche Schutz personenbezogener Daten
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der EGMR auch auf die Art des Datums ab, d. h. inwieweit das Datum Einfluss auf die Privatheit hat. Dabei kommt es maßgeblich auf die „reasonable expectation to privacy“ des Betroffenen an.34 Rechtssicherheit hinsichtlich des Schutzumfangs erlangt der Einzelne dadurch, dass die Rechtfertigung eines Eingriffs in Art. 8 EMRK ein Gesetz im materiellen Sinne, d. h. eine abstrakt-generelle Norm mit Außenwirkung, erfordert.35 Auch Art. 17 IPbpR schützt Daten vor willkürlichen oder rechtswidrigen Eingriffen.36 Das HRC nennt in seinem General Comment No. 16 den Schutz von „personal information“ und „personal data“ als von Art. 17 IPbpR erfasst.37 Anders 34 EGMR (P.G. u. J.H. ./. Großbritannien), Urteil v. 25. 06. 2001 – 44787/98, §§ 56, 57; Bygrave, Data Protection Pursuant to the Right to Privacy in Human Rights Treaties, International Journal of Law and Technology, Vol. 6 No. 3, 247 (269). 35 Marauhn / Merhof, in: Dörr / Grote / Marauhn, EMRK/GG, Kapitel 7, Rn. 28; EGMR (Klaas u. a. ./. Deutschland), Urteil v. 06. 09. 1978 – 5029/71, §§ 49 – 50; EGMR (Iordachi ./. Moldawien), Urteil v. 14. 09. 2009 – 25198/02, § 39; EGMR (Rotaru ./. Rumänien), Urteil v. 04. 05. 2000 – 28341/95, § 55; EGMR (Amann ./. Schweiz), Urteil v. 16. 02. 2000 – 27798/95, §§ 50 ff.; EGMR (Leander ./. Schweden), Urteil v. 26. 03. 1987 – 9248/81, § 51; EGMR (Gillan u. Quinton ./. Großbritannien), Urteil v. 12. 01. 2010 – 4158105, §§ 79 ff.; Marauhn / Thorn, in: Dörr / Grote / Marauhn, EMRK/GG (2013), Kapitel 16 §§ 84 ff.; Peters / Altwicker, EMRK, 2. Aufl. (2012), § 3 Rn. 8; Ehlers, in: Ehlers, Europäische Grundrechte und Grundfreiheiten (2014), § 2 Rn. 73 ff. Auch die ungeschriebenen Normen des Common Law genügen den Anforderungen an eine gesetzliche Grundlage, EGMR (Case of Sunday Times ./. Großbritannien), Urteil v. 26. 04. 1979 – 6538/74, Rn. 49; dazu Peters / Altwicker, EMRK, 2. Aufl. (2012), § 3 Rn. 6 f. Geheime Abkommen entsprechen diesen Anforderungen nicht, da die Rechtsgrundlage öffentlich zugänglich sein muss. Dazu und insbesondere zur Zugänglichkeit von Rechtsgrundlagen siehe EGMR (P.G. u. J.H. ./. Großbritannien), Urteil v. 25. 06. 2001 – 44787/98, § 37; EGMR (Gillan u. Quinton ./. Großbritannien), Urteil v. 12. 01. 2010 – 4158105, § 66. Zu den materiellen Mindestvoraussetzung für eine ausreichend bestimmte Ermächtigungsgrundlage siehe EGMR (Weber u. Saravia ./. Deutschland), Entscheidung v. 29.06. 2006 – 54934/00, § 95; EGMR (Klaas u. a. ./. Deutschland), Urteil v. 06. 09. 1978 – 5029/71, § 50; EGMR (Kruslin ./. Frankreich), Urteil v. 24. 04. 1990 – 11801/85, § 34; nicht ausreichende Ermächtigungsgrundlagen in EGMR (Liberty ./. Großbritannien), Urteil v. 01. 07. 2008 – 58243/00, § 62; EGMR (Wisse ./. Frankreich), Urteil v. 20. 12. 2005 – 71611/01, §§ 33, 34; EGMR (Uzun ./.Deutschland), Urteil v. 02. 09. 2010 @ 35623/05, §§ 61 – 63; EGMR (Association for European Integration and Human Rights ./. Bulgarien), Urteil v. 28. 06. 2007 – 62540/00, §§ 71 – 77; EGMR (S. und Marper./. Großbritannien), Urteil v. 04. 12. 2008 – 30562/ 04 u. a., §§ 95 f.; EGMR (Rotaru ./. Rumänien), Urteil v. 04. 05. 2000 – 28341/95, § 55. 36 Die Bundesrepublik Deutschland ist Vertragsstaat des IPbpR v. 16. 12. 1966, in Kraft getreten am 23. 03. 1976, UN GA Res. 2200 A (XXI). Art. 17 Abs. 1 IPbpR schützt ebenfalls vor jedem willkürlichen oder rechtswidrigen Eingriff, Schiedermair, Der Schutz des Privaten als internationales Grundrecht (2012), S. 72; Nowak, U.N. Covenant on Civil and Political Rights 2. Aufl. (2005), Art. 17 Rn. 47 f. 37 UN HRC, General Comment No. 16: Art. 17 (Right to Privacy) v. 08. 04. 1988, Ziff. 10; die Stellungnahmen des HRC (und die Advisory Opinion des ICJ) haben allerdings keine Bindungswirkung, Schilling, Is the United States bound by the ICCPR in relation to occupied territories?, N.Y.U. School of Law, Global law Working Paper 08704 (2004), 1 (11); doch gelten sie als autoritäre Interpretationen, die Leitfunktion übernehmen, Cerone, Minding the Gap, EJIL (2001) Vol. 12 No. 3, 469 (475); Milanovic, Human Rights Treaties and Foreign Surveillance: Privacy in the Digital Age, Harv. Intl. Law J., Vol. 56 No. 1 (2015), 81 (83); Bygrave,
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Teil 1: Das Grundkonzept des Datenschutzes
als die EMRK stellt der IPbpR bislang keine weitergehenden Anforderungen an die rechtliche Grundlage eines etwaigen Eingriffs.38 Sowohl im Rahmen des Art. 8 EMRK als auch bei Art. 17 IPbpR ist der Schutzumfang dadurch geprägt, dass der Eingriff in einer demokratischen Gesellschaft notwendig sein muss. Des Weiteren bedarf es eines legitimen Ziels für den Eingriff und er muss im Übrigen verhältnismäßig sein.39 Zusammenfassend wurden für die Rechtfertigung von Datenverwendungen folgende Prinzipien aufgestellt: „fair collection principle“, „minimality principle“, „purpose specification principle“, „use limitation principle“, „data quality principle“, „security principle“, „individual participation principle“ und das „accountability principle“.40 Von herausragender Bedeutung für den Schutzumfang ist im Rahmen der EMRK und des IPbpR, dass über das Individualbeschwerdeverfahren gewährleistet wird, dass der Einzelne Rechtsschutz erlangen kann.41 Diese Möglichkeit ist bei anderen völkerrechtlichen Datenschutzabkommen, die sogleich betrachtet werden, nicht gegeben. Die Zulässigkeitsvoraussetzung der Erschöpfung des innerstaatlichen Rechtswegs ist bei geheimen Überwachungsmaßnahmen bereits dann erfüllt, wenn die Rechtsschutzmöglichkeiten nicht wahrgenommen werden, weil sie nur „theoretischer Natur“ sind und deshalb keine praktische Wirksamkeit entfalten.42 Zu diesem grundsätzlichen Bestehen von Rechtsschutzmöglichkeiten tritt hinzu, dass der EGMR die Besonderheiten berücksichtigt, die bei geheimen ÜberwachungsData Protection Pursuant to the Right to Privacy in Human Rights Treaties, International Journal of Law and Technology, Vol. 6 No. 3, 247 (252 ff.). 38 „Even with regard to interferences that conform to the Covenant, relevant legislation must specify in detail the precise circumstances in which such interferences may be permitted“, UN HRC, General Comment No. 16: Art. 17 (Right to Privacy) v. 08. 04. 1988, Ziff. 8; Deutsches Institut für Menschenrechte, Menschenrechtliche Anforderungen an die Ausland-AuslandFernmeldeaufklärung und ihre Kontrolle (September 2016), S. 6. 39 Die Formulierung „[n]iemand darf willkürlichen oder rechtswidrigen Eingriffen in sein Privatleben […] ausgesetzt werden“ in Art. 17 IPbpR meint grundsätzlich dasselbe wie die Voraussetzung des Art. 8 EMRK, dass der Eingriff notwendig in einer demokratischen Gesellschaft sein muss, Milanovic, Human Rights Treaties and Foreign Surveillance: Privacy in the Digital Age, Harv. Intl. Law J., Vol. 56 No. 1 (2015), 81 (133); UN HRC, General Comment No. 16: Art. 17 (Right to Privacy) v. 08. 04. 1988, Ziff. 4. dazu Bygrave, Data Protection Pursuant to the Right to Privacy in Human Rights Treaties, International Journal of Law and Technology, Vol. 6 No. 3, 247 (252 f.). Zu dem hinter der Rechtfertigung eines Eingriffs in Art. 8 EMRK stehenden Demokratieverständnis siehe Stieglitz, Allgemeine Lehren im Grundrechtsverständnis nach der EMRK und er Grundrechtsjudikatur des EuGH (2003). 40 Bygrave, Data Protection Pursuant to the Right to Privacy in Human Rights Treaties, International Journal of Law and Technology, Vol. 6 No. 3, 247 (250); siehe auch Siemen, Datenschutz als europäisches Grundrecht (2006), S. 49. 41 Art. 34 EMRK; Art. 2 des Fakultativprotokolls zum IPbpR v. 16. 12. 1966 (BGBl. 1992 II S. 1247). 42 Aust, Stellungnahme zur Sachverständigenanhörung am 05. 06. 2014 des 1. UA der 18. Wahlperiode des Deutschen Bundestags, Ziff. 74 ff.
B. Der grund- und menschenrechtliche Schutz personenbezogener Daten
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maßnahmen auftreten. In diesen Fällen ist es dem Betroffenen kaum möglich nachzuweisen, dass seine personenbezogenen Daten Gegenstand einer Datenverwendung waren, so dass es an der Betroffenheit fehlen würde und die Klagen stets unzulässig wären. Um dem entgegenzutreten, sieht es der Gerichtshof in diesen Fällen als ausreichend an, dass es dem Staat aufgrund einer entsprechenden rechtlichen Grundlage potentiell möglich ist, die Person zu überwachen.43 Infolgedessen kann die Klage jedenfalls nicht wegen fehlender Betroffenheit als unzulässig abgewiesen werden. Innerhalb der Europäischen Union gelten darüber hinaus weitere Regeln zugunsten des Datenschutzes. Der Persönlichkeitsschutz ist nicht nur als Teil des Privatlebens in Art. 7 der EU-Grundrechtecharta (EU-GRCh) verbürgt, sondern Art. 8 EU-GRCh gewährleistet ausdrücklich den Schutz personenbezogener Daten.44 Art. 16 AEUV verpflichtet die Institutionen der EU zum Schutz personenbezogener Daten. Des Weiteren bestehen auf Unionsebene die Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG vom 27. 04. 2016 (Datenschutz-Grundverordnung), die am 25. 05. 2018 als unmittelbar geltendes Recht in den EU-Mitgliedstaaten in Kraft trat, sowie die Richtlinie EU 680/2016 zum Zwecke der Verhütung, Ermittlung, Aufdeckung oder Verfolgung von Straftaten oder der Strafvollstreckung sowie zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung des Rahmenbeschlusses 2008/977/JI des Rates. Die Datenschutz-Grundverordnung findet keine Anwendung auf Sachverhalte der nationalen Sicherheit der Mitgliedstaaten, da die EU für den Bereich der nationalen Sicherheit gem. Art. 4 Abs. 2 S. 3 EUV keine Regelungskompetenz besitzt. Doch enthält die Datenschutz-Grundverordnung sog. Öffnungsklauseln, aufgrund derer die Nationalstaaten abweichende Regeln erlassen dürfen. Wie der Referentenentwurf des Bundesministeriums des Inneren zum Gesetz zur Anpassung des Datenschutzrechts an die Verordnung zeigt, wird die Bundesregierung von diesen Öffnungsklauseln Gebrauch machen. Dieses deutsche Gesetz, das die bereits bestehenden Datenschutzgesetze an die Datenschutz-Grundverordnung anpasst und die Richtlinie EU 680/2016 umsetzt, bezieht sich auch auf die deutschen Nachrichtendienste.45 Daneben bleiben die bereits vorhandenen Regeln in den speziellen Gesetzen bezüglich der Nachrichtendienste bestehen. Aus ihnen ergeben sich ge-
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EGMR (Weber u. Saravia ./. Deutschland), Entscheidung v. 29.06. 2006 – 54934/00, § 66. Jarass, EU-GRCh, 2. Aufl. (2013), Art. 8 Rn. 5. Der EuGH subsumiert „neuartige Bedrohungen durch Informations- und Kommunikationstechnologien“ unter den Begriff der „Privatheit“, Roßnagel / Nebel, (Verlorene) Selbstbestimmung im Datenmeer, DuD 2015, 455 (457). 45 Referentenentwurf des Bundesministeriums des Innern Entwurf eines Gesetzes zur Anpassung des Datenschutzrechts an die Verordnung (EU) 2016/679 und zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2016/680 (Datenschutz-Anpassungs- und -Umsetzungsgesetz EU – DSAnpUG-EU) Stand: Beteiligung Länder Verbände (23. 11. 2016 09:18), S. 63. 44
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Teil 1: Das Grundkonzept des Datenschutzes
gebenenfalls die spezielleren Vorschriften zum Umgang mit personenbezogenen Daten. Im europäischen Raum ist außerdem die Konvention Nr. 108 des Europarats für den Datenschutz (Europäische Datenschutzkonvention) von Relevanz, die Vorgaben zum Schutz des Menschen bei der automatischen Verarbeitung personenbezogener Daten enthält.46 Das 20 Jahre später verabschiedete Zusatzprotokoll zur Europäischen Datenschutzkonvention bezieht sich speziell auf die Übermittlung von Daten, um ein angemessenes Schutzniveau auch bei dem jeweiligen Datenempfänger zu erreichen.47 Die Europäische Datenschutzkonvention und das dazugehörige Zusatzprotokoll sind grundsätzlich auch auf die Tätigkeiten der Nachrichtendienste anwendbar, lassen jedoch Ausnahmeregelungen zugunsten von Maßnahmen zum Zweck der nationalen Sicherheit zu.48 Bedeutsam für den Rechtsschutz des Einzelnen ist indes, dass sich die Europäische Datenschutzkonvention und das dazugehörige Zusatzprotokoll ausschließlich an den Gesetzgeber wenden, die Datenschutzstandards im nationalen Recht umzusetzen. Subjektive Rechte des Einzelnen gewähren sie nicht.49 Verstöße gegen die Europäische Datenschutzkonvention und das dazugehörige Zusatzprotokoll können deshalb nur von anderen Vertragsstaaten geltend gemacht werden. In solchen Streitfällen kann jedoch nur die mangelhafte Umsetzung der Konvention vorgebracht werden, nicht konkrete Verstöße gegen die Konvention durch spezifische Tätigkeiten.50 Auf internationaler Ebene außerhalb des europäischen Rechtsraums wurde in den letzten Jahren, insbesondere als Reaktion auf die Snowden-Enthüllungen, das Augenmerk auf den Datenschutz im öffentlichen Bereich der Auslandsaufklärung gelegt. So wurde 2013 auf Betreiben Deutschlands und Brasiliens eine Resolution der UN-Generalversammlung erlassen, welche die Bedeutung der Privatsphäre im digitalen Zeitalter hervorhebt.51 Der Schutz der Privatsphäre im Rahmen von Daten46 Übereinkommen zum Schutz des Menschen bei der automatischen Verarbeitung personenbezogener Daten (Konvention Nr. 108) des Europarats v. 28. 01. 1981. Aust, Stellungnahme zur Sachverständigenanhörung am 05. 06. 2014 des 1. UA der 18. Wahlperiode des Deutschen Bundestags, Ziff. 10. 47 Zusatzprotokoll zum Europäischen Übereinkommen zum Schutz des Menschen bei der automatischen Verarbeitung personenbezogener Daten bezüglich Kontrollstellen und grenzüberschreitendem Datenverkehr (Zusatzprotokoll) des Europarats v. 08. 11. 2001. 48 Art. 9 Abs. 2 lit. a Europäische Datenschutzkonvention; Talmon, Sachverständigengutachten NSA-Untersuchungsausschuss (02. 06. 2014), Ziff. 3. Diese Ausnahmen finden sich im deutschen Recht in den besonderen Regelungen zu den Nachrichtendiensten im BNDG, BVerfSchG und MADG wieder. 49 Talmon, Sachverständigengutachten NSA-Untersuchungsausschuss (02. 06. 2014), Ziff. 4. 50 Vgl. Talmon, Sachverständigengutachten NSA-Untersuchungsausschuss (02. 06. 2014), Ziff. 5. 51 UN GA RES 68/167 Right to Privacy in the digital age v. 18. 12. 2013, A/68/456/Add. 2. Im November 2016 folgte eine UN-Resolution bezüglich des Datenschutzes bei Telekommunikationsunternehmen, die eine wesentliche Rolle in der nachrichtendienstlichen Aufklä-
B. Der grund- und menschenrechtliche Schutz personenbezogener Daten
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verarbeitungen wurde 2015 durch die Ernennung von Prof. Joe Cannataci zum ersten UN-Sonderberichterstatter für das Recht auf Privatsphäre hervorgehoben.52 Auch die UN-Sonderberichterstatter zu anderen Bereichen heben den Schutz personenbezogene Daten hervor.53 Die neben diesen Verträgen und Erklärungen bestehenden bilateralen und multilateralen Abkommen, die sich auf die Bekämpfung von Kriminalität beziehen, enthalten zwar Aussagen zur Übermittlung personenbezogener Daten, stellen jedoch keine zusätzlichen Anforderungen an den Schutz von Daten.54 Zu bemerken ist zuletzt, dass Art. 12 Allgemeine Erklärung für Menschenrechte, Art. V American Declaration of the Rights and Duties of Man sowie Art. 11 American Convention on Human Rights Schutzregelungen zugunsten personenbezogener Daten enthalten. In der African Charter on Human and People’s Rights 1981 findet sich keine Regelung hinsichtlich der Privatsphäre.55 Auch völkergewohnheitsrechtliche Regelungen zum Datenschutz bestehen bislang nicht.56
rung spielen, UN GA A/C.3/71/L.39/Rev.1 v. 16. 11. 2016, abrufbar unter http://www.un.org/ga/ search/view_doc.asp?symbol=A/C.3/71/L.39/Rev.1 (zuletzt abgerufen am 21. 05. 2017); dazu Falchetta, How to Bridge the Gap? Corporate and Government Surveillance Examined at the UN v. 07. 12. 2016, abrufbar unter http://www.ejiltalk.org/how-to-bridge-the-gap-corporate-andgovernment-surveillance-examined-at-the-un/ (zuletzt abgerufen am 21. 05. 2017). 52 Ernennung eines UN-Sonderberichterstatters zum Recht auf Privatsphäre, UN GA Res. 28/16. 53 Alston, Report of the Special Rapporteur on extrajudicial, summary or arbitrary executions, A/HRC/14/24/Add.6 v. 28. 05. 2010; Scheinin, Report of the Special Rapporteur on the promotion and protection of human rights and fundamental freedoms while countering terrorism, A/HRC/14/46 v. 26. 05. 2010. 54 Siehe beispielsweise Gesetz zu dem Abkommen vom 1. Oktober 2008 zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika über die Vertiefung der Zusammenarbeit bei der Verhinderung und Bekämpfung schwerwiegender Kriminalität, BGBl. 2009 II Nr. 30, S. 1010 v. 04. 09. 2009; in seiner Präambel enthält das Gesetz zu dem Übereinkommen des Europarats vom 23. November 2001 über Computerkriminalität Hinweise auf den Schutz personenbezogener Daten, BGBl. 2008 II Nr. 30, S. 1242 v. 10. 11. 2008; Beschluss 2008/ 615/JI des Rates vom 23. Juni 2008 zur Vertiefung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit, insbesondere zur Bekämpfung des Terrorismus und der grenzüberschreitenden Kriminalität (sog. Prüm-Vertrag); Abkommen zwischen den Vereinigten Staaten von Amerika und der Europäischen Union über die Verwendung von Fluggastdatensätzen und deren Übermittlung an das United States Department of Homeland Security, Amtsblatt der EU L215/5 v. 11. 08. 2012. 55 Zu alledem UN GA A/Res/217 A (III) v. 10. 12. 1948; Viethen, Datenschutz als Aufgabe der EG (2003), S. 26; Bodenschatz, Der europäische Datenschutzstandard (2010), S. 59; eine besondere Bedeutung kommt dem Art. 12 der Allgemeinen Erklärung für Menschenrechte in der Entwicklung eines internationalen Datenschutzes aufgrund deren Unverbindlichkeit nicht zu. 56 Talmon, Sachverständigengutachten NSA-Untersuchungsausschuss (02. 06. 2014), Ziff. 7. Aust lehnt es auch deshalb ab, von einem internationalen Datenschutz zu sprechen, vgl. Aust, Stellungnahme zur Sachverständigenanhörung am 05. 06. 2014 des 1. UA der 18. Wahlperiode des Deutschen Bundestags, Ziff. 6.
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Teil 1: Das Grundkonzept des Datenschutzes
2. Grundrechtlicher Datenschutz Sowohl das Recht auf informationelle Selbstbestimmung aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG57 als auch das Fernmeldegeheimnis aus Art. 10 GG schützen personenbezogene Daten.58 Das Fernmeldegeheimnis ist dabei das speziellere Grundrecht, indem es die Vertraulichkeit des Kommunikationsvorgangs erfasst. Es schützt die „unkörperliche Übermittlung von Informationen an individuelle Empfänger mit Hilfe der Telekommunikationstechnik vor einer Kenntnisnahme durch die öffentliche Gewalt.“59 Der Schutz beschränkt sich nicht auf die staatliche Kenntnisnahme bezüglich des Kommunikationsvorgangs, sondern umfasst auch die Datenverarbeitungsprozesse, die sich an diese Kenntnisnahme anschließen.60 Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung schützt vor jedem Umgang mit personenbezogenen Daten, d. h. vor deren Erhebung sowie Verarbeitung in Form von Speicherung, Veränderung, Übermittlung, Sperrung und Löschung.61 Von besonderer Bedeutung für den Schutz ist, dass jeder einzelne Umgang als eigenständiger Eingriff gewertet wird.62 So können die verschiedenen und zeitlich mitunter weit auseinandergezogenen Datenverwendungen jeweils eigenständig grundrechtlich geschützt werden. Eine weitere Aufwertung findet der Schutz darin, dass jede „Verkürzung der Grundrechtssubstanz“63, also auch faktische Beeinträchtigungen
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Im Volkszählungsurteil von 1983 entwickelte das BVerfG das Recht auf informationelle Selbstbestimmung, das den Schutz des Einzelnen bei moderner Datenverarbeitung gegen unbegrenzte Erhebung, Speicherung, Verwendung und Weitergabe seiner Daten gewährleistet, BVerfGE 65, 1, (43); Dreier, in: Dreier, GG Bd. 1, 3. Aufl. (2013), Art. 2 Abs. 1 Rn. 79 ff.; Starck, in: Mangoldt / Klein / Starck, GG Band I, 6. Auflage (2010), Art. 2 Rn. 114. Bereits im Mikrozensus-Beschluss des BVerfG wurde die Nähe der freien Persönlichkeitsentfaltung zur Menschenwürde betont, wobei die Art. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG noch nebeneinander genannt wurden, BVerfGE 27, 1 (6). 58 Auch das Grundrecht auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG schützt Daten bei der Tätigkeit von Nachrichtendiensten. Da dieses Grundrecht den Inhalt vor technischer Ausspähung schützen soll, also nicht primär auf den Schutz personenbezogener Daten abzielt und im Übrigen subsidiär zu den beiden genannten Grundrechten wirkt, wird es nicht gesondert behandelt, vgl. Marauhn / Thorn, in: Dörr / Grote / Marauhn, EMRK/GG (2013), Kap. 16 Rn. 29; zur Subsidiarität BVerfGE 124, 43 (56). 59 Baldus, in: Epping / Hillgruber, GG, 2. Aufl. (2013), Art. 10 Rn. 7; BVerfGE 125, 260 (310); Papier, Beschränkung der Telekommunikationsfreiheit durch den BND an Datenaustauschpunkten, NZVerwR 15 (2016), 1 (3). 60 BVerfGE 100, 313 (358 f.). 61 § 3 Abs. 3, 4 BDSG. 62 BVerfGE 115, 320 (343); BVerfGE 100, 313 (359, 366 f.); 125, 260 (309 f.); vgl. auch BVerfGE 107, 299 (313); BVerfGE 120, 378 (401); Hoffmann-Riem, Öffentliche Anhörung Sachverständiger Papier / Hoffmann-Riem / Bäcker im NSA-Untersuchungsausschuss v. 22. 05. 2014, S. 25. 63 Herdegen, in: Maunz / Dürig, GG 78. EL (2016), Art. 1 Abs. 3 Rn. 39.
B. Der grund- und menschenrechtliche Schutz personenbezogener Daten
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unter den Grundrechtsschutz fallen.64 In diesem Sinne ist bereits eine Informationserhebung als Eingriff zu qualifizieren, wenn eine Verdichtung des behördlichen Interesses vorliegt, so dass die dahinterstehende Person in qualifizierter Weise betroffen ist.65 Eine „Verkürzung der Grundrechtssubstanz“66 lehnt das BVerfG nur dann ab, wenn Daten zwar erhoben, aber sofort und ohne technische Spuren wieder gelöscht werden.67 Das BVerfG sieht personenbezogene Daten im Allgemeinen als höchst relevant für das Persönlichkeitsrecht an.68 Es greift den hohen Stellenwert personenbezogener Daten innerhalb seiner Dogmatik dadurch auf, dass die Schwere eines Grundrechtseingriffs mit den erweiterten Möglichkeiten der Nutzung der Daten für Folgeeingriffe zunimmt.69 Folgeeingriffe werden insbesondere durch künftige Verknüpfungsmöglichkeiten der Daten mit anderen Daten möglich.70 Deshalb gibt es per se keine belanglosen Daten, da jedes Datum im Zusammenhang mit anderen Informationen auch nach der Erhebung Persönlichkeitsrelevanz erlangen kann.71 Auf diesen Überlegungen gründet sich die hervorgehobene Bedeutung des Zweckbindungsgrundsatzes innerhalb des Schutzes personenbezogener Daten.72 Nach diesem Grundsatz muss der Zweck der Datenerhebung gesetzlich bestimmt sein und die 64 Jede staatliche Handlung, die in zurechenbarer Weise dem Einzelnen ein grundrechtlich geschütztes Verhalten ganz oder teilweise unmöglich macht, stellt einen Eingriff in das einschlägige Grundrecht dar. Zum modernen Eingriffsbegriff siehe Hillgruber, in: Isensee / Kirchhof, HStR Band IX (2011), § 200 Rn. 89; Hoffmann-Riem, Stellungnahme zur Anhörung des NSA-Untersuchungsausschusses 16. 05. 2014, S. 11; Hoffmann / Luch / Schulz / Borchers, Die digitale Dimension der Grundrechte (2015), S. 65. 65 BVerfGE 120, 378 (398). 66 Herdegen, in: Maunz / Dürig, GG 78. EL (2016), Art. 1 Abs. 3 Rn. 39. 67 BVerfGE 120, 378 (397). Eine Erheblichkeitsschwelle ist angesichts der Abgrenzung und der besonderen Schutzbedürftigkeit des Persönlichkeitsrechts im Fall von informellen und verborgenen Eingriffen abzulehnen, Kube, in: Isensee / Kirchhof, HStR Band VII (2009), § 148 Rn. 81; a.A. ebd. Fn. 243 und Bull, demzufolge die Eingriffsschwelle nicht erreicht sei durch bloße Erhebung von Daten, solange in „sozial gebilligter Form“, Bull, Informationelle Selbstbestimmung – Vision oder Illusion? (2011), S. 94. 68 Bereits aus der Möglichkeit, Persönlichkeitsprofile zu erstellen, kommt den Daten eine „weite Aussagekraft“ hinsichtlich der Persönlichkeit des Betroffenen zu, BVerfGE 133, 277 (352 f.); BVerfGE 65, 1 (43); Dreier sieht im Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, aus dem sich das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ableitet, einen wichtigen „Integritätsschutz“, Dreier, in: Dreier, GG Bd. 1, 3. Aufl. (2013), Art. 2 Abs. 1 Rn. 22. 69 BVerfGE 120, 378 (403). 70 BVerfGE 115, 320 (342). 71 BVerfGE 133, 277 (322 ff.); vgl. auch BVerfGE 120, 378 (398 f.); 65, 1, (45). Die Sphärentheorie des Persönlichkeitsrechts wurde durch die Entwicklung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung ersetzt, da der räumliche Bezug der Sphärentheorie sich angesichts der verbreiteten elektronischen Datenverarbeitung als ungeeignet erwies, Roßnagel / Nebel, (Verlorene) Selbstbestimmung im Datenmeer, DuD 2015, 455 (457). 72 BVerfGE 65, 1, (62). Durch die Zweckbindung (als Teil des Verbots mit Erlaubnisvorbehalt) entsteht eine präventive Begrenzung und Maßstab der Legitimität, Bodenschatz, Der europäische Datenschutzstandard (2010), S. 277.
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Teil 1: Das Grundkonzept des Datenschutzes
weitere Datenverarbeitung und -übermittlung hat sich ebenfalls im Rahmen dieser Zweckbindung zu halten.73 Daneben sind zentrale Grundsätze des grundrechtlichen Datenschutzes die Datensparsamkeit und die Datenvermeidung.74 Ein Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung oder das Fernmeldegeheimnis kann nur dann gerechtfertigt werden, wenn eine hinreichend bestimmte Ermächtigungsgrundlage vorliegt.75 Ein einfacher Parlamentsbeschluss reicht in der Regel nicht aus, um diese Anforderung zu erfüllen.76 Dementsprechend können die Bundestagsmandate zum Auslandseinsatz der Soldaten keine Ermächtigungsgrundlage darstellen. Soweit die völkerrechtlichen Abkommen zum Austausch von Daten durch ein Parlamentsgesetz in die innerstaatliche Rechtsordnung aufgenommen wurden, erfüllt dieses Zustimmungsgesetz das Erfordernis einer Ermächtigungsgrundlage.77 Der Gesetzesvorbehalt als solcher stellt dabei keine Anforderungen an die Spezifizierung des vom Vertrag erfassten Sachbereichs. Das BVerfG betrachtet jedoch das Gesetz, das den völkerrechtlichen Vertrag innerstaatlich vollzieht, gesondert. Je nach Einzelfall können hier höhere Anforderungen an die Konkretisierung des Sachbereichs zu stellen sein.78 Im Übrigen gilt, dass je schwerwiegender der Eingriff in das Persönlichkeitsrechtsrecht ist, desto bestimmter die Rechtsgrundlage sein muss.79 Relevante Ermächtigungsgrundlagen im Zusammenhang mit der Auslandsaufklärung sind die folgenden: Im Bundesdatenschutzgesetz (BDSG)80 ist der rechtmäßige Umgang mit personenbezogenen Daten als präventiver Schutz durch ein Verbot mit Erlaubnisvorbehalt ausgestaltet.81 Danach darf der Umgang mit Daten nur erfolgen, wenn ein Gesetz oder die Einwilligung des Betroffenen dies gestattet.82 Anlässlich der Datenschutz-Grundverordnung aus dem Jahr 2016 wird ein Daten-
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Starck, in: Mangoldt / Klein / Starck, GG Band I, 6. Aufl. (2010), Art. 2 I, Rn. 115. Vgl. § 3a BDSG. 75 BVerfGE 100, 313 (359 f.); dazu Bäcker, Stellungnahme zur Anhörung des NSA-Untersuchungsausschuss am 22. 05. 2014, S. 22. 76 Zum Gesetzesbegriff siehe Remmert, in: Maunz / Dürig, GG 78. EL (2016), Art. 19 Abs. 1 Rn. 26. 77 BVerfGE 77, 170 (231). 78 BVerfGE 77, 170 (231 ff.). 79 BVerfGE 120, 378 (401 f.); 113, 348 (375); Marauhn / Thorn, in: Dörr / Grote / Marauhn, EMRK/GG (2013), Kap. 16 Rn. 86. 80 Bundesdatenschutzgesetz in der Fassung der Bekanntmachung v. 14. 01. 2003 (BGBl. I S. 66), das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes v. 25. 02. 2015 (BGBl. I S. 162) geändert worden ist. 81 § 1 Abs. 1 BDSG; Gola / Klug / Körffer, in: Gola / Schomerus, BDSG, 12. Aufl. (2015), § 1 Rn. 6. 82 § 4 Abs. 1 BDSG; Scholz / Sokol, in: Simitis, BDSG, 8. Aufl. (2014), § 4 Rn. 2; zu § 1 Abs. 4 VwVfG siehe Schmitz, in: Stelkens / Bonk / Sachs, VwVfG, 8. Aufl. (2014), § 1 Rn. 227. 74
B. Der grund- und menschenrechtliche Schutz personenbezogener Daten
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schutz-Anpassungs- und Umsetzungsgesetz EU das bisherige BDSG ersetzen.83 Im Rahmen der Auslandsaufklärung ist das BDSG formell subsidiär84 und es sind zusätzlich die spezielleren Gesetze einschlägig: Das Gesetz über den Bundesnachrichtendienst (BNDG)85, das Gesetz über den militärischen Abschirmdienst (MADG)86, das Bundesverfassungsschutzgesetzes (BVerfSchG)87 sowie das Artikel 10-Gesetz (G 10-Gesetz)88 gestatten die Erhebung und den weiteren Gebrauch personenbezogener Daten, um die jeweiligen Aufgabenstellung zu erfüllen. Aus technischer Sicht können unbeschränkt viele Daten erhoben werden. Gleichzeitig sind die Zwecke zu denen Daten erhoben werden können sehr weit formuliert, so dass die Zweckbindung kaum materiell einschränkende Wirkung entfaltet. In einer solchen Situation ist die Einschränkung der Datenerhebung durch das Erfordernis, dass die Erhebung auf das erforderliche Maß zu begrenzen ist, eine der wenigen praktisch umsetzbaren Einschränkungen der Datenverwendung.89 Eine Datenverwendung ist in diesem Sinne erforderlich, wenn die Daten im Zeitpunkt der Erhebung „für die dort genannten Zwecke benötigt werden oder benötigt werden können; sofern diese Notwendigkeit schon in der Gegenwart in nachrichtendienstlich relevanter Form konkretisierbar ist“.90 Die Anhaltspunkte, anhand derer die Tatsachenbasis beispielsweise vom BND als konkretisierbar angesehen wird, müssen im Einzelnen benannt werden können, so dass eine Erhebung „ins Blaue hinein“ unzulässig ist.91 Die Nützlichkeit der Daten alleine reicht nicht aus.92 Insbesondere ist 83 Referentenentwurf des Bundesministeriums des Innern Entwurf eines Gesetzes zur Anpassung des Datenschutzrechts an die Verordnung (EU) 2016/679 und zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2016/680 (Datenschutz-Anpassungs- und -Umsetzungsgesetz EU – DSAnpUG-EU) Stand: Beteiligung Länder Verbände (23. 11. 2016 09:18). 84 § 1 Abs. 3 BDSG; zur formellen Subsidiarität des BDSG siehe Dix in Simitis, BDSG, 8. Aufl. (2014), § 1 Rn. 170. 85 BND-Gesetz v. 20. 12. 1990 (BGBl. I S. 2954, 2979), das zuletzt durch Artikel 2 des Gesetzes v. 26. 07. 2016 (BGBl. I S. 1818) geändert worden ist. 86 MAD-Gesetz v. 20. 12. 1990 (BGBl. I S. 2954, 2977), das zuletzt durch Artikel 2 des Gesetzes vom 17. 11. 2015 (BGBl. I S. 1938) geändert worden ist. 87 Gesetz über die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes und über das Bundesamt des Verfassungsschutzes v. 20. 12. 1990 (BGBl. I S. 2954, 2970), das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 26. 07. 2016 (BGBl. I S. 1818) geändert worden ist. 88 Artikel 10-Gesetz v. 26. 06. 2001 (BGBl. I S. 1254, 2298), das zuletzt durch Artikel 5 des Gesetzes v. 26. 07. 2016 (BGBl. I S. 1818) geändert worden ist. 89 Voßhoff, Gutachten Bundesdatenschutzbeauftragte v. 15. 03. 2016, Az.: V-660/ 007#1424 – 25 – 13/15, Teil 1 A. I. 2. b.; „Das Merkmal der ,Erforderlichkeit‘ nimmt Bezug sowohl auf die Aufgabenumschreibung des § 1 als auch auf die konkretisierenden Zwecke des § 2 Abs. 1 N. 1 bis 4“, Gusy, in: Schenke / Graulich / Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes (2014), BNDG § 2 Rn. 7. 90 Gusy, in: Schenke / Graulich / Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes (2014), BNDG § 2 Rn. 7. 91 Gusy, in: Schenke / Graulich / Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes (2014), BNDG § 2 Rn. 7.
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Teil 1: Das Grundkonzept des Datenschutzes
die Nützlichkeit zur Zusammenarbeit innerhalb einer Kooperation mit ausländischen Geheimdiensten allein nicht geeignet, die Erforderlichkeit zu begründen.93 Bei der Auslandsaufklärung werden im Gegensatz zur Datenverwendung zu repressiven Zwecken weniger strenge Anforderungen an die Konkretisierung der Gefahrenlage gestellt.94 Die Nachrichtendienste dürfen zwar „nur bei Vorliegen tatsächlicher Anhaltspunkte für eine konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit einer Person, für den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes oder für eine gemeine Gefahr“ tätig werden.95 Abgesehen von diesen tatsächlichen Anhaltspunkten für eine konkrete Gefahr sind keine weiteren Anforderungen daran zu stellen, inwieweit sich die Gefahrenlage verdichtet hat. Diese Sichtweise entspricht auch der Funktion der Auslandsaufklärung, Gefahren so zeitig wie möglich zu erkennen.96 Huber hält es bei der Auslandsaufklärung nicht für erforderlich, dass eine konkrete Gefahr im polizeirechtlichen Sinne oder derart bestimmte Tatsachen vorliegen, wie in der Strafprozessordnung zur Einleitung von Ermittlungsmaßnahmen beispielsweise nach § 100a Abs. 1 Nr. 1 StPO gefordert werden.97 Hinsichtlich der reinen Informationssammlung geht Graulich sogar so weit anzunehmen, dass der BND bei der Auslandsaufklärung „Initiativermittlungen ohne konkrete Anhaltspunkte“ vornehmen darf.98 Zusätzlich zu den materiell-rechtlichen Anforderungen ist der Schutzumfang dadurch geprägt, dass das BVerfG für eine gerechtfertigte, d. h. angemessene Grundrechtsbeeinträchtigung ausreichende Kontrollstrukturen voraussetzt.99 Gegen Grundrechtsbeeinträchtigungen durch die öffentliche Gewalt steht dem Einzelnen 92 Huber, in: Schenke / Graulich/ Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes (2014), Artikel 10Gesetz § 7 Rn. 16. 93 Voßhoff, Gutachten Bundesdatenschutzbeauftragte v. 15. 03. 2016, Az.: V-660/ 007#1424 – 25 – 13/15, Teil 1 A. I. 2. b. 94 Anders als bei der Auslandsaufklärung reichen im deutschen Inland für die Rechtfertigung eines Eingriffs durch eine Rasterfahndung der Polizei die „allgemeine Bedrohungslage, wie sie im Hinblick auf terroristische Anschläge seit dem 11. 9. 2001 durchgehend bestanden hat, oder außenpolitische Spannungslagen“ grundsätzlich nicht aus, BVerfGE 115, 320 (369); die Polizei und Strafverfolgungsbehörden dürfen im Inland nicht auf Grundlage bloßer Spekulation hinsichtlich der Beteiligung der betroffenen Person an möglichen Bedrohungen tätig werden, BVerfGE 133, 277 (120). Dazu und zur Grenze des unantastbaren Bereichs privater Lebensgestaltung siehe Horn, in: Isensee / Kirchhof, HStR Band VII (2009), § 149 Rn. 108. Es muss vielmehr eine konkrete Gefahr für hochrangige Rechtsgüter, wie den Bestand oder die Sicherheit des Bundes, gegeben sein. 95 BVerfGE 125, 260 (261). 96 BVerfGE 100, 313 (370 f.). 97 Huber, in: Schenke / Graulich / Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes (2014), Artikel 10Gesetz, § 3 Rn. 10. 98 Graulich, Nachrichtendienstliche Fernmeldeaufklärung mit Selektoren in einer transnationalen Kooperation, NSA-Untersuchungsausschuss, 23. 10. 2015, S. 36. 99 BVerfGE 120, 378 (395 f.); siehe auch Kommissar für Menschenrechte, Democratic and effective oversight of national security services (Mai 2015), S. 9 ff.
B. Der grund- und menschenrechtliche Schutz personenbezogener Daten
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der Rechtsweg offen.100 Aus den Grundrechten ergeben sich außerdem verfahrensrechtliche Schutzansprüche, wie Aufklärungs-, Auskunfts- und Löschungspflichten.101 Dabei ist allerdings zu bedenken, dass auch nach der sog. „spurlosen Löschung“ die „Gefahr einer Rekonstruktion (…) personenbezogener Daten“ bestehen bleibt.102 Auch der Bundesnachrichtendienst erteilt dem Betroffenen auf Antrag Auskunft über zu seiner Person gespeicherte Daten.103 Daneben bestehen weitere organisatorische und verfahrensrechtliche Vorkehrungen, die missbräuchlichen und willkürlichen Datenverwendungen vorbeugen sollen.104 Aufgrund des Geheimhaltungsbedürfnisses nachrichtendienstlicher Tätigkeit erfährt der Betroffene in den meisten Fällen nicht von etwaigen Verwendungen seiner personenbezogenen Daten. Insbesondere bei einer Telekommunikationsüberwachung kann er nicht von seinen Rechtsschutzmöglichkeiten diesbezüglich Gebrauch machen.105 An die Stelle des gerichtlichen Rechtsschutzes tritt die G 10-Kommission, die über Anfragen der
100
Art. 19 Abs. 4 GG; BVerfGE 65, 1, (46). Zur Einwilligung in die Nutzung und Übertragung durch den Betroffenen sowie deren Vorhersehbarkeit siehe Ambrock, Nach Safe Harbor: Schiffbruch des transatlantischen Datenverkehrs?, NZA 2015, 1493 (1496); zur Vorabkontrolle durch die Datenschutzbeauftragte des BND Frau RDn Dr. H. F. Anhörung im NSA Untersuchungsausschuss, 12. 05. 2015, S. 15. 102 Huber, Geheimdienst-Kontrolleur: Neues BND-Gesetz wird sich „als evident verfassungswidrig erweisen“, abrufbar unter https://netzpolitik.org/2016/geheimdienst-kontrolleurneues-bnd-gesetz-wird-sich-als-evident-verfassungswidrig-erweisen/ (zuletzt abgerufen am 21. 05. 2017). 103 § 7 S. 1 BNDG. Zum Umfang des Auskunftsanspruchs gegenüber dem BND siehe BVerwG, Urteil v. 28. 11. 2007 – 6 A 2/07, Rn. 26; zum Umfang des Auskunftsanspruchs gegenüber dem Verfassungsschutz siehe BVerwG, Urteil v. 04. 03. 2010 – 20 F 14/09, Rn. 6 f Scheinin, Report of the Special Rapporteur on the promotion and protection of human rights and fundamental freedoms while countering terrorism, A/HRC/14/46 v. 26. 05. 2010, S. 21 bezeichnet Löschungspflichten als good practice innerhalb nachrichtendienstlicher Maßnahmen. 104 BVerfGE 65, 1, (49); 100, 313 (361); Starck, in: Mangoldt / Klein / Starck, GG Band I, 6. Auflage (2010), Art. 2 I, Rn. 115; Vitzthum, Extraterritoriale Grundrechtsgeltung – Zu Bedingungen nachrichtendienstlicher Auslandsaufklärung, FS Bothe (2008), 1213 (1223). Die parlamentarische Kontrolle wird außerdem als legitimationsstiftender Mechanismus angesehen, was insbesondere im Zusammenhang mit den unbestimmten Rechtsbegriffen der Ermächtigungsgrundlagen, die wegen ihrer Unbestimmtheit nur in beschränktem Maße legitimierende Wirkung in Bezug auf Grundrechtseingriffe entfalten können gilt, Gusy, Parlamentarische Kontrolle der Nachrichtendienste im demokratischen Rechtsstaat, ZRP 2008, 36 (37 f.). Peitsch / Polzin, Die parlamentarische Kontrolle der Nachrichtendienste, NVwZ 2000, 387 (390); Smidt, Kritik des mehrpoligen parlamentarischen Kontrollsystems in Deutschland, in: Röttgen / Wolff, Parlamentarische Kontrolle – Die Nachrichtendienste im demokratischen Rechtsstaat (2008), 45 (46); zum EGMR siehe EGMR (Szabó u. Vissy ./. Ungarn), Urteil v. 12. 01. 2016 – 37138/14, § 57. 105 Diese fehlende Mitteilung an den Betroffenen ist in Art. 10 Abs. 2 GG vorgesehen. Danach darf gesetzlich geregelt werden, dass Beschränkungen des Fernmeldegeheimnisses zum Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder des Bestandes oder der Sicherung des Bundes oder eines Landes dem Betroffenen nicht mitgeteilt werden und dass an die Stelle des Rechtswegs die Nachprüfung durch ein von der Volksvertretung bestelltes Organ tritt. 101
38
Teil 1: Das Grundkonzept des Datenschutzes
Nachrichtendienste zu Überwachungsmaßnahmen, die in den Anwendungsbereich des Artikel 10-Gesetzes fallen, entscheidet.106 Neben der G 10-Kommission bestehen das in Art. 45d GG begründete parlamentarische Kontrollgremium (PKGr) des Bundestags und der Landesparlamente107, die im Einzelfall einberufenen Untersuchungsausschüsse nach Art. 44 GG108 sowie Datenschutzbeauftragte109. Mit dem Frage- und Informationsrecht des PKGr korrespondiert eine Antwortpflicht der Bundesregierung.110 Das Fragerecht erstreckt sich auch auf außenpolitische Belange, allerdings besteht auch hier ein „weit bemessener Spielraum zur eigenverantwortlichen Aufgabenwahrnehmung“ der Bundesregierung, um deren Handlungsfähigkeit in außen- und sicherheitspolitischen Angelegenheiten nicht zu gefährden.111
106
§ 15 Abs. 2 S. 1 Artikel 10-Gesetz; die G 10-Kommission führt eine Rechtskontrolle durch einen „richterähnlicher Kontrollapparat“ aus, Bäcker, Öffentliche Anhörung Sachverständiger Papier / Hoffmann-Riem / Bäcker im NSA-Untersuchungsausschuss v. 22. 05. 2014, S. 57. Auch wenn die Kommission häufig als Gremium des Bundestags bezeichnet wird, so ist sie doch eine eigenständige Einheit, in der nicht zwangsläufig Bundestagsangehörige sitzen müssen. Die Entscheidungen, welche die Kommission trifft, ähneln denen, die eine gerichtliche Überprüfung nachträglich trifft, so dass ihr eine quasi-judikative Rolle zufällt, Venedig-Kommission, Report on the democratic oversight of the security services and report on the democratic oversight of signals intelligence agencies (07. 04. 2013), Rn. 119. 107 BGBl. I S. 2346. Zu den PKGr auf Landesebene siehe nur Art. 33 Bayrisches Datenschutzgesetz. Zu den parlamentarischen Kontrollausschüssen in anderen Ländern siehe beispielsweise Großbritannien, dem Investigatory Powers Tribunal (IPT) siehe http://www.ipt-uk. com/ (zuletzt abgerufen am 21. 02. 2017); Amnesty International: Beschwerde gegen Überwachungspraktiken der britischen Regierung vor dem EGMR, MMR-Aktuell 2015, 368301und zu dem Privacy and Civil Liberties Oversight Board in den USA siehe Omtzigt, Council of Europe, Committee on Legal Affairs and Human Rights: Report on Mass Surveillance, (26. 01. 2015), Rn. C 70. Zugunsten der Geheimhaltung nachrichtendienstlicher Tätigkeiten tagt das PKGr geheim, § 10 Abs. 1 S. 1 PKGrG. 108 Zur Reichweite des Untersuchungsrechts siehe Klein, in: Maunz / Dürig, GG 78. EL (2016), Art. 44 Rn. 104 ff.; zur Beweiserhebung durch Untersuchungsausschüsse und den Grenzen des Beweiserhebungsrechts BVerfGE 124, 78 (123); dazu Peters, Unzulässige Beweiserhebung durch parlamentarische Untersuchungsausschüsse; NVwZ 2012, 1574 (1574 ff.). Am 18. 03. 2014 wurde der sog. NSA-Untersuchungsausschuss beantragt, der Ausmaß und Hintergründe der Ausspähungen durch ausländische Geheimdienste in Deutschland aufklären soll, BT-Drs. 18/843 v. 18. 03. 2014, Antrag der Fraktionen CDU/CSU, SPD, DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Einsetzung eines Untersuchungsausschusses; siehe auch https:// www.bundestag.de/bundestag/ausschuesse18/ua/1untersuchungsausschuss (zuletzt abgerufen am 22. 05. 2015). 109 § 4 f Abs. 1 BDSG; Datenschutzbeauftragte des BND Frau RDn Dr. H. F. Anhörung im NSA Untersuchungsausschuss, 12. 05. 2015; im BNDG selber nur ein Hinweis in § 9a Absatz 6 Ziff. 8 BNDG auf Datenschutzkontrolle; http://www.zeit.de/politik/deutschland/2014 - 10/bndnsa-bad-aibling (zuletzt abgerufen am 05. 06. 2016); https://treff.bundeswehr.de/portal/a/treff/ !ut/p/c4/04_SB8K8xLLM9MSSzPy8xBz9CP3I5EyrpHK9kqLUtDS9Yr2UxJLU vOLkjNKSKv2CbEdFAPeP2Os!/ (zuletzt abgerufen am 05. 06. 2016). 110 §§ 4, 5 und 6 PKGrG; BVerfGE 124, 161 (188). 111 § 6 Abs. 2 PKGrG; BVerfGE 137, 185 (235).
B. Der grund- und menschenrechtliche Schutz personenbezogener Daten
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Reformüberlegungen zur Intensivierung, Kontinuität und Koordinierung der Kontrolle nachrichtendienstlicher Tätigkeiten mündeten im Gesetz zur weiteren Fortentwicklung der parlamentarischen Kontrolle der Nachrichtendienste des Bundes (PKGr-Änderungsgesetz).112 Insbesondere soll eine stärkere Verknüpfung und Koordinierung des PKGr mit den anderen Kontrollgremien für die Tätigkeit der Nachrichtendienste, namentlich der G 10-Kommission und des Vertrauensgremiums, entstehen.113 Zu diesem Zweck wird das Amt eines „Ständigen Bevollmächtigten des Parlamentarischen Kontrollgremiums“ geschaffen. Er wird von der Bundesregierung ernannt und unterstützt das PKGr durch sowohl begleitende als auch einzelfallbezogene Untersuchungen. Die Ernennung durch die Regierung erfüllt allerdings nicht die Anforderungen des Art. 10 Abs. 2 S. 2 GG an ein den Rechtsweg ersetzendes Gremium. In der Konsequenz hat der Ständige Bevollmächtigte keine eigenständige, verfassungsrechtliche Relevanz. Eine weitere Reform fand durch das Gesetz über die Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung des Bundesnachrichtendienstes (BND-Reformgesetz)114 statt, das zusätzlich zur G 10-Kommission ein weiteres, sog. unabhängiges Gremium vorsieht, das die Einhaltung der Vorgaben des G 10-Gesetzes stichprobenartig kontrollieren soll.115 Zuletzt wird auch über die Entscheidung des Budgets in gewissem Grade eine Kontrolle über die jeweilige Behörde, bzw. ihre einzelnen Dienststellen, ausgeübt. Zugunsten des Geheimhaltungsinteresses werden die Budgetentscheidungen zu Nachrichtendiensten in kleinen Gremien, als Unterausschuss des Haushaltsausschusses, getroffen. Eine solche geheime Ausgestaltung wurde in diesem beschränkten Rahmen als verfassungsgemäß und damit als Ausnahme zu Art. 110 GG anerkannt.116 Ob diese Wertung nach 30 Jahren noch Gültigkeit beanspruchen kann, ist sehr fraglich. Der Aufgabenbereich und die Befugnisse des BND haben sich mittlerweile erheblich vergrößert (dazu Abschnitt 6.1.1). Mithin wäre es aus der Perspektive demokratischer Legitimation angemessen, die Budgetentscheidungen öffentlich auszugestalten. Aus den Budgetentscheidungen allein können kaum derart 112 BT-Drs. 18/10069 v. 19. 10. 2016, Beschlussempfehlung und Bericht des Innenausschusses (4. Ausschuss) zu den Entwürfen (…) zum Entwurf eines Gesetzes zur weiteren Fortentwicklung der parlamentarischen Kontrolle der Nachrichtendienste des Bundes, S. 2. 113 BT-Drs. 18/9040 v. 05. 07. 2016, Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und SPD Entwurf eines Gesetzes zur weiteren Fortentwicklung der parlamentarischen Kontrolle der Nachrichtendienste des Bundes, dort Art. 1, § 5a. 114 Das BND-Reformgesetz ist abrufbar unter https://www.bundesregierung.de/Content/ DE/_Anlagen/2016/06/2016 - 06 - 28-entwurf-bnd-gesetz.pdf?__blob=publicationFile&v=1 (zuletzt abgerufen am 27. 09. 2016). 115 Punkt 4, § 16 BND-Reformgesetz. Siehe dazu auch Huber, Geheimdienst-Kontrolleur: Neues BND-Gesetz wird sich „als evident verfassungswidrig erweisen“, abrufbar unter https:// netzpolitik.org/2016/geheimdienst-kontrolleur-neues-bnd-gesetz-wird-sich-als-evident-verfas sungswidrig-erweisen/ (zuletzt abgerufen am 21. 05. 2017). 116 BVerfGE 70, 324 (324 f.).
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Teil 1: Das Grundkonzept des Datenschutzes
weitreichende Rückschlüsse auf die Arbeitsweise des BND gezogen werden, als die Geheimhaltung aus diesem Grund erforderlich wäre.
II. Grenzen der Schutzgewährleistung Die Grenzen des Schutzumfangs ergeben sich maßgeblich aus Prinzipien, die in beiden Rechtsregimen, dem völkerrechtlichen und dem grundrechtlichen, parallel ausgestaltet sind.117 Als „Positivierung (…) der Menschenrechte“118 sind die Grundrechte in den staatlichen Verfassungen verankert und dabei durch die jeweiligen nationalen Wertvorstellungen ausgeformt.119 Zwar sind die Menschenrechte unter Rückgriff auf das Subsidiaritätsprinzip als Mindeststandard konzeptualisiert, so dass den nationalen Verfassungen die Aufgabe der primären Schutzgewährleistung zukommt.120 Die daraus resultierende Diskrepanz zwischen Menschen- und Grundrechten schwindet jedoch zusehends.121 Dementsprechend ist es gerechtfertigt, sich im Rahmen der Grenzen des Schutzumfangs auf die Gemeinsamkeiten der Rechtfertigungsvoraussetzungen zu fokussieren. Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung sowie das menschenrechtliche Persönlichkeitsrecht sind beide nur innerhalb der Schranken gewährleistet, die sich aus der sozialen Gemeinschaft ergeben.122 Bei der Verwendung personenbezogener Daten im Rahmen der Auslandsaufklärung ergibt sich eine solche Grenze des 117 Zur Parallelität des grundrechtlichen Schutzes bezüglich personenbezogenen Daten und Artikel 8 EMRK Marauhn / Thorn, in: Dörr / Grote / Marauhn, EMRK/GG (2013), Kap. 16 Rn. 25, 27. 118 Stern, in: Merten / Papier, Handbuch der Grundrechte, Band I (2004), § 1 Rn. 50. 119 Die Gewährleistung der Rechte und Freiheiten der EMRK obliegt den Vertragsstaaten der Menschenrechtsverträge auf nationaler Ebene, Dijk / Hoof, Theory and Practise of the European Convention on Human Rights 2. Aufl. (1990), S.13. In den einzelnen Mitgliedstaaten nimmt die EMRK jeweils einen anderen Rang im Rechtssystem ein. Ein Überblick dazu bietet Peters / Altwicker, EMRK, 2. Aufl. (2012), § 1 Rn. 6. 120 Marauhn / Thorn, in: Dörr / Grote / Marauhn, EMRK/GG (2013), Kap. 16 Rn. 126. Anders als die Grundrechte, die Teil einer Staatsverfassung sind, gründen sich die Menschenrechte auf dem Willen ihrer Verpflichteten, eben jene einzuhalten, Krieger, in: Dörr / Grote / Marauhn, EMRK/GG (2013), Kap. 6 Rn. 126 f.; zum subsidiären Menschenrechtsschutz siehe Peters / Altwicker, EMRK, 2. Aufl. (2012), § 2 Rn. 1 ff. 121 Stern, in: Merten / Papier, Handbuch der Grundrechte, Band I, (2004), § 1 Rn. 57; Art. 46 EMRK verpflichtet die Vertragsparteien, endgültige Urteile des EGMR zu befolgen. Das bedeutet, dass die Verletzung beendet werden und Wiedergutmachung geleistet werden muss, Haß, Die Urteile des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte – Charakter, Bindungswirkung und Durchsetzung (2006), S. 71; verfassungswidrige Gesetze werden vom BVerfG für nichtig erklärt, Morgenthaler, in: Epping / Hillgruber, GG (2. Aufl. 2013), Art. 93 Rn. 29. 122 Das Datum ist ein „Abbild der sozialen Realität“, BVerfGE 65, 1, (44); 100, 313 (375 f.); Ehlers, in: Ehlers, Europäische Grundrechte und Grundfreiheiten (2014), § 2 Rn. 73. Art. 15 EMRK; vgl. EGMR (Liberty ./. Großbritannien), Urteil v. 01. 07. 2008 – 58243/00, § 68.
B. Der grund- und menschenrechtliche Schutz personenbezogener Daten
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Schutzes aus dem Bedürfnis, öffentliche Sicherheit zu schaffen.123 Der Datenschutz steht damit innerhalb des Konflikts zwischen öffentlicher Sicherheit und der Freiheit des Einzelnen.124 Die Gewichtung dieser beiden grundrechtlichen Ziele zueinander ist bereits ausgiebig behandelt worden.125 Als Grundkonsens dieser Debatte ist anerkannt, dass sich Sicherheit und Freiheit gegenseitig bedingen: „Ohne Sicherheit kann die Freiheitsgewährleistung des Grundgesetzes nicht mit Leben erfüllt werden. Sicherheit ist die Grundlage, auf der Freiheit sich erst vollends entfalten kann. (…) Deshalb sind alle die Sicherheit gewährleistenden Maßnahmen gleichzeitig auch als Maßnahmen zu begreifen, die Freiheitsentfaltung gewährleisten und fördern. Ein Gewinn an Sicherheit stärkt im demokratischen Rechtsstaat die Freiheit, ist demgemäß ein Freiheitszugewinn. Und zwar auch desjenigen Bürgers, der durch staatliche präventive Schutzmaßnahmen in seiner Freiheit, seinem Recht, über die Nutzung und die Verwendung der ihn betreffenden Daten entscheiden zu dürfen, tangiert wird, ohne selbst Veranlassung zu der Annahme gegeben zu haben, die Lebensgrundlagen seiner Mitbürger beeinträchtigen oder vernichten zu wollen. Auch er hat Teil am Freiheitszugewinn wie alle anderen nicht von den Maßnahmen der Rasterfahndung betroffenen Mitbürger auch. Für die Stärkung seines Freiheitsrechts, seines Rechts sich ungehindert bewegen zu können, ohne zugleich Angst vor Angriffen anderer Personen auf sein Leben oder auf seine Gesundheit haben zu müssen, muss der Einzelne im Vergleich dazu geringfügige Beeinträchtigungen hinnehmen.“126 Der Verwendung personenbezogener Daten zu sicherheitspolitischen Zielen wird ein hoher Stellenwert zugemessen. Nichtsdestotrotz wurde die Sicherheit durch das BVerfG nicht über die Verwirklichung von Freiheitsrechten gesetzt.127 Dementsprechend ist das Ziel, Sicherheit zu schaffen, zwar wichtig. Es 123
Vgl. BVerfGE 113, 348 (382). BVerfGE 115, 320 (345 f.); 100, 313 (375 f.); EGMR (S. und Marper./. Großbritannien), Urteil v. 04. 12. 2008 – 30562/04 u. a., §§ 112, 117, 122, 125; EGMR (Leander ./. Schweden), Urteil v. 26. 03. 1987 – 9248/81, § 58. Als Ausnahme zu der grundsätzlichen Gewährleistung des Rechts auf Privatsphäre ist der Art. 8 Abs. 2 EMRK eng auszulegen, EGMR (Rotaru ./. Rumänien), Urteil v. 04. 05. 2000 – 28341/95, § 47; Venedig-Kommission, Report on the democratic oversight of the security services and report on the democratic oversight of signals intelligence agencies (07. 04. 2013), Rn. 102; Marauhn / Thorn, in: Dörr / Grote / Marauhn, EMRK/GG (2013), Kap.16 Rn. 87, 98; Milanovic, Human Rights Treaties and Foreign Surveillance: Privacy in the Digital Age, Harv. Intl. Law J., Vol. 56 No. 1 (2015), 81 (133). 125 Comans, Ein „modernes“ europäisches Datenschutzrecht (2012), S. 3; Tamm, Rückwirkungen des gescheiterten SWIFT-Abkommens auf das Abkommen über Fluggastdaten?, VuR 2010, 215 (216); in dem Konflikt zwischen Freiheit und Sicherheit werde nie der „Freiheitsschutz absolut gesetzt“, vielmehr bedinge die Sicherheit die Freiheit, dürfe die Freiheit aber auch nicht verdrängen, Hoffmann-Riem, Öffentliche Anhörung Sachverständiger Papier / Hoffmann-Riem / Bäcker im NSA-Untersuchungsausschuss v. 22. 05. 2014, S. 44; Schmidt-Jortzig, in: Merten / Papier, Handbuch der Grundrechte, Band I (2004) § 10 Rn. 46 ff.; Löning, Eine Reformagenda für die deutschen Geheimdienste, stiftung neue verantwortung, (April 2015), 1 (3); Bull, Informationelle Selbstbestimmung – Vision oder Illusion? (2009), S. 4; Bodenschatz, Der europäische Datenschutzstandard (2010), S. 171. 126 BVerfGE 115, 320 (374 f.). 127 BVerfGE 133, 277 (110 ff.); 65, 1, (54). 124
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Teil 1: Das Grundkonzept des Datenschutzes
wird aber von freiheitsrechtlichen Eingriffen konturiert – nicht umgekehrt.128 Insofern stellt die öffentliche Sicherheit eine wesentliche Grenze des Datenschutzes dar, schließt diesen jedoch in keinem Fall vollständig aus. Eine weitere Grenze des Datenschutzes ist der Zweckbindungsgrundsatz. Die Ermächtigungsgrundlage darf im Interesse von überwiegenden Gemeinwohlbelangen Änderungen des Zwecks zulassen.129 Nach der neusten Rechtsprechung richtet sich die Rechtmäßigkeit einer Zweckänderung nach dem Grundsatz der hypothetischen Datenneuerhebung.130 Die neue Nutzung des Datums muss für den Schutz von Rechtsgütern oder die Aufdeckung von Straftaten ein solches Gewicht haben, dass eine Neuerhebung gerechtfertigt wäre. Eine konkretisierte Gefahrenlage, wie sie für die ursprüngliche Erhebung erforderlich war, muss dafür allerdings nicht mehr vorliegen. Es genügt ein konkreter Ermittlungsansatz.131 Nach dem Referentenentwurf zum neuen Datenschutzgesetz soll eine Zweckänderung bereits dann rechtmäßig sein, wenn die neue Verwendung zu irgendeinem der für die Erhebung zulässigen Zwecke erfolgt und verhältnismäßig im Übrigen ist.132
C. Ergebnis Der Datenschutz im öffentlich-rechtlichen Bereich kann bei Sachverhalten, die in den Anwendungsbereich der Grund- und Menschenrechte fallen, als umfassend bezeichnet werden. Gleichzeitig bieten die bestehenden Regeln Raum dafür, den Datenschutz mit dem Interesse nach öffentlicher Sicherheit verhältnismäßig abzuwägen. Das gesetzliche Grundkonzept des Datenschutzes baut dabei auf den folgenden Anwendungsbedingungen auf: Zunächst ist der Schutzumfang von einem umfassenden Eingriffsbegriff geprägt. Als Beeinträchtigung werden auch faktische Beeinträchtigungen gezählt, wie etwa die schlichte Informationserhebung. Dies ist für den Umgang mit personenbezogenen Daten von entscheidender Bedeutung, da ein Großteil der Eingriffe (zunächst) faktischer Natur ist. Dabei besteht des Weiteren stets eine verantwortliche öffentliche Stelle, die für den rechtmäßigen Umgang mit den Daten einsteht. Als drittes beugen ausreichend bestimmte gesetzliche Ermächtigungsgrundlagen sowie der Zweckbindungsgrundsatz der willkürlichen und missbräuchlichen Datenverwendung vor. Die Einhaltung dieser Vorgaben wird durch entsprechende Kontrollmechanismen 128
Vgl. BVerfGE 115, 320 (364). BVerfGE 133, 277 (323 f.); 100, 313 (360); 109, 279 (375); 110, 33 (68). 130 BVerfGE 141, 220 (327). 131 BVerfGE 141, 220 (327). 132 Referentenentwurf des Bundesministeriums des Innern Entwurf eines Gesetzes zur Anpassung des Datenschutzrechts an die Verordnung (EU) 2016/679 und zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2016/680 (Datenschutz-Anpassungs- und -Umsetzungsgesetz EU – DSAnpUG-EU) Stand: Beteiligung Länder Verbände (23. 11. 2016 09:18), Art. 107 zu § 46. 129
C. Ergebnis
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garantiert. Grenzen des Schutzes ergeben sich aus dem notwendigen Ausgleich der verschiedenen betroffenen Interessen. Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung wird der Schutz der Privatsphäre des Einzelnen zugunsten der staatlichen Bestrebungen nach Sicherheit eingeschränkt.
Teil 2
Der Umfang des Schutzes personenbezogener Daten bei der Auslandsaufklärung Wie eingangs bereits erwähnt, sind Standardfälle des Datenschutzes die Inlandsachverhalte. Die Auslandsüberwachung stellt eine davon abweichende Konstellation dar. Der hierbei bestehende Schutz personenbezogener Daten bzw. spiegelbildlich die sich daraus ergebenden Lücken im Datenschutz werden in diesem Teil 2 der Arbeit dargestellt. Im Rahmen der Auslandsaufklärung durch Bundeswehrsoldaten lassen sich drei typisierte Datenverwendungen unterscheiden: die Erhebung von personenbezogenen Daten im Ausland (dazu Abschnitt A.), die Erhebung solcher Daten vom Inland aus (dazu Abschnitt B.) sowie die Verarbeitung dieser Daten im Inland (dazu Abschnitt C.).1 Die Verarbeitung von Daten im Ausland wird nicht gesondert angesprochen. Innerhalb der drei Typisierungen zeichnen sich jeweils bestimmte Problemfelder ab, die die Schutzgewährleistung hinsichtlich personenbezogener Daten negativ beeinflussen. Der Grund dafür liegt in dem Umstand, dass sich die Auslandsaufklärung von dem Grundkonzept „Datenschutz“ durch ihren Auslandsbezug und ihr hohes Geheimhaltungsbedürfnis unterscheidet. Die Konsequenzen dieser Abweichungen vom Grundkonzept sind innerhalb der drei Konstellationen jeweils unterschiedlich, haben jedoch stets zur Folge, dass das gesetzlich vorgesehene Schutzniveau nicht erreicht werden kann (dazu Abschnitt A. I., B. I. und C. 1.).
1 Es werden die Handlungen deutscher Staatsgewalt im oder mit Wirkung im Ausland betrachtet. Nicht behandelt werden Situationen, in denen ausländische öffentliche Stellen Daten innerhalb der Bundesrepublik erheben und die Schutzpflicht der Bundesrepublik relevant wird. Diese Schutzpflicht des deutschen Staates gegenüber Grundrechtseingriffen durch ausländische öffentliche Stellen ergibt sich ebenfalls aus den Grundrechten, vgl. BVerfGE 66, 39 (60 f.). Die deutschen staatlichen Stellen sind dazu verpflichtet, vor Auslandsüberwachungsmaßnahmen durch ausländische Nachrichtendienste zu schützen. Vgl. dazu Aust, Stellungnahme zur Sachverständigenanhörung am 05. 06. 2014 des 1. UA der 18. Wahlperiode des Deutschen Bundestags, Ziff. 15.
A. Fallkonstellation 1
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A. Fallkonstellation 1: Erhebung personenbezogener Daten im Ausland Bundeswehrsoldaten führen Datenerhebungen außerhalb des deutschen Staatsgebiets an verschiedenen Orten durch, wie etwa in Militärbasen in verbündeten Staaten, in deutschen Botschaften und Konsulaten, auf Hoher See auf Schiffen unter deutscher Flagge oder aus in Deutschland registrierten Flugzeugen.2 Die Erhebung personenbezogener Daten erfolgt zum einen zur Eigensicherung der Truppen, indem die Identität von Angestellten und Hilfskräften vor Ort festgestellt wird, und zum anderen, um Informationen über die Bevölkerung vor Ort und deren Verbindungen zu bestimmten – vor allem terroristischen – Netzwerken zu generieren.3 Die Datenerhebung findet also meist in Form der Einzelerhebung statt. Alle Einsätze der Bundeswehr im Ausland sind derzeit in Strukturen der Vereinten Nationen (UN), der North Atlantic Treaty Organisation (NATO), der Europäischen Union (EU) oder in multinationale ad-hoc-Bündnisse eingebunden.4 Die Daten 2 Venedig-Kommission, Report on the democratic oversight of the security services and report on the democratic oversight of signals intelligence agencies, Rn. 69. 3 U.S. Center for Army Lessons Learned, Commander’s Guide to Biometrics in Afghanistan (April 2011), S. 31; BT-Drs. 17/6862, Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Ulla Jelpke, Christine Buchholz, Inge Höger, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 17/6744 – Biometrische Erfassung von Afghaninnen und Afghanen durch die Bundeswehr, v. 26. 08. 2011, S. 3 ff. 4 EU NAVFOR Somalia Operation Atalanta OEF; EUNAVFOR MED (Horn v. Afrika); Operation Inherent Resolve (Syrien / Irak / Türkei); ISAF (Afghanistan); KFOR (Kosovo); EUTM Mali, BT-Drs. 18/8090 v. 13. 04. 2016, Antrag der Bundesregierung Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an der Militärmission der Europäischen Union als Beitrag zur Ausbildung der malischen Streitkräfte (EUTM Mali) auf Grundlage des Ersuchens der Regierung von Mali an die EU sowie der Beschlüsse des Rates der EU 2013/87/ GASP vom 18. Februar 2013, zuletzt geändert mit dem Beschluss des Rates der EU 2016/446/ GASP vom 23. März 2016 in Verbindung mit den Resolutionen des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen 2071 (2012) vom 12. Oktober 2012 und folgender Resolutionen, zuletzt 2227 (2015) vom 29. Juni 2015; MINUSMA (Mali), BT-Drs. 18/7206 v. 06. 01. 2016, Antrag der Bundesregierung Fortsetzung und Erweiterung der Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an der Multidimensionalen Integrierten Stabilisierungsmission der Vereinten Nationen in Mali (MINUSMA) auf Grundlage der Resolutionen 2100 (2013), 2164 (2014) und 2227 (2015) des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen vom 25. April 2013, 25. Juni 2014 und 29. Juni 2015; UNIFIL (Libanon / Zypern), BT-Drs. 18/8624 v. 01. 06. 2016, Antrag der Bundesregierung Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an der „United Nations Interim Force in Lebanon“ (UNIFIL) auf Grundlage der Resolution 1701 (2006) und nachfolgender Verlängerungsresolutionen des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen, zuletzt Resolution 2236 (2015) vom 21. August 2015; EUTM SOM (Somalia), BT-Drs. 18/7556 v. 17. 02. 2016, Antrag der Bundesregierung Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an der EU-geführten Ausbildungs- und Beratungsmission EUTM Somalia auf Grundlage des Ersuchens der somalischen Regierung mit Schreiben vom 27. November 2012 und 11. Januar 2013 sowie der Beschlüsse des Rates der Europäischen Union vom 15. Februar 2010, 22. Januar 2013 und 16. März 2015 in Verbindung mit den Resolutionen 1872 (2009) und 2158 (2014) des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen; UNAMID ( Sudan); UNMISS
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Teil 2: Schutz personenbezogener Daten bei der Auslandsaufklärung
werden für eine gemeinsame Datenbank erhoben, deren Verwaltung die USA übernehmen, da der NATO oder den UN die Kapazitäten für eine solche Datenbank fehlen.5 Die Daten unterliegen in dieser Fallkonstellation dem Zugriff einer Vielzahl von beteiligten Staaten und damit auch solchen Staaten, die eine gänzlich andere Ansicht zur Gewichtung des Datenschutzes haben. So zeigt sich bei den US-Truppen die Auffassung, dass möglichst umfangreich, also auch anlasslos, Daten erhoben werden sollen. Dadurch wird angestrebt, entsprechend viele Persönlichkeitsprofile zu erstellen, wobei keine Unterscheidung zwischen Zivilisten und Kombattanten oder Kriegsgefangenen bzw. Menschen, von denen Sicherheitsgefahren ausgehen, gemacht werden.6 Die Aufklärungsarbeit durch Datenerhebungen stellt bei vielen dieser Einsätze den wesentlichen Teil der Aufgabenerbringung der Bundeswehr dar.7 Für einige Einsätze wird bereits im Bundestagsmandat konkret auf den Zweck der Erhebung personenbezogener Daten Bezug genommen, so etwa auf den Zweck der
(Südsudan); MINURSO (West Sahara); UNAMA (Afghanistan); Operation Inherent Resolve Syrien, Irak, Türkei, BT-Drs. 18/7207 v. 01. 06. 2016, Antrag der Bundesregierung Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte zur Ausbildungsunterstützung der Sicherheitskräfte der Regierung der Region Kurdistan-Irak und der irakischen Streitkräfte; Resolute Support Afghanistan, BT-Drs. 18/6743 v. 18. 11. 2015, Antrag der Bundesregierung Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte am NATO-geführten Einsatz Resolute Support für die Ausbildung, Beratung und Unterstützung der afghanischen nationalen Verteidigungs- und Sicherheitskräfte in Afghanistan; KFOR Kosovo, BT-Drs. 18/8623 v. 01. 06. 2016, Antrag der Bundesregierung Fortsetzung der deutschen Beteiligung an der internationalen Sicherheitspräsenz in Kosovo auf der Grundlage der Resolution 1244 (1999) des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen vom 10. Juni 1999 und des Militärisch-Technischen Abkommens zwischen der internationalen Sicherheitspräsenz (KFOR) und den Regierungen der Bundesrepublik Jugoslawien (jetzt: Republik Serbien) und der Republik Serbien vom 9. Juni 1999; zu ATALANTA siehe auch Salomon, Die internationale Strafverfolgungsstrategie gegenüber somalischen Piraten (2017), S. 290 ff. 5 BT-Drs. 17/6862 v. 26. 08. 2011, Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Ulla Jelpke, Christine Buchholz, Inge Höger, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 17/6744 – Biometrische Erfassung von Afghaninnen und Afghanen durch die Bundeswehr, S. 1. 6 U.S. Center for Army Lessons Learned, Commander’s Guide to Biometrics in Afghanistan (April 2011), S. 31, 39, 41. 7 UNIFIL Libanon, BT-Drs. 18/8624 v. 01. 06. 2016, Antrag der Bundesregierung Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an der „United Nations Interim Force in Lebanon“ (UNIFIL) auf Grundlage der Resolution 1701 (2006) und nachfolgender Verlängerungsresolutionen des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen, zuletzt Resolution 2236 (2015) vom 21. August 2015, Ziff. 4; Resolute Support Afghanistan, BT-Drs. 18/6743 v. 18. 11. 2015, Antrag der Bundesregierung Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte am NATO-geführten Einsatz Resolute Support für die Ausbildung, Beratung und Unterstützung der afghanischen nationalen Verteidigungs- und Sicherheitskräfte in Afghanistan, Ziff. 5; Operation Inherent Resolve Syrien, Irak, Türkei, BT-Drs. 18/7207 v. 01. 06. 2016, Antrag der Bundesregierung Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte zur Ausbildungsunterstützung der Sicherheitskräfte der Regierung der Region Kurdistan -Irak und der irakischen Streitkräfte, Frage 1.
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Eigensicherung beim ISAF-Einsatz.8 Daneben sollen bei der Pirateriebekämpfung im Rahmen des Einsatzes EU NAVFOR vor Somalia und der Operation ATALANTA am Horn von Afrika personenbezogene Daten von Piraterieverdächtigen, die zur Identifizierung führen können, erhoben werden.9 Ebenso erheben die Soldaten Daten von Personen, die im Rahmen der Mission EUNAVFOR MED Operation Sophia (einem Einsatz gegen Menschenschmuggel) an Bord der an der Mission beteiligten Schiffe genommen wurden, um sie an die Strafverfolgungsbehörden der Mitgliedstaaten zu übergeben.10
I. Thesen bezüglich der Fallkonstellation 1 Erheben deutsche Soldaten Daten im Auslandseinsatz, bestehen signifikante Abweichungen von den Anwendungsbedingungen des in Teil 1 dargestellten Schutzkonzepts: Der extraterritoriale Handlungsort des Schutzverpflichteten, die Einbettung des Geschehens in bewaffnete Konflikte und in multinationale Kooperationen. Daraus ergibt sich folgende These: These: Der Auslandsbezug einer Datenerhebung verringert den Schutzumfang des Datenschutzes. Grund- und Menschenrechtsbindung. Die Soldaten sind als Teil der vollziehenden Gewalt und als Organ der Bundesrepublik Deutschland grundsätzlich an die Men8
BT- Drs. 17/6862 v. 26. 08. 2011, Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Ulla Jelpke, Christine Buchholz, Inge Höger, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 17/6744 – Biometrische Erfassung von Afghaninnen und Afghanen durch die Bundeswehr, S. 3. 9 Die Daten werden an das Nationale Zentralbüro (NZB) der Internationalen Kriminalpolizeilichen Organisation (KPO-Interpol) zum Zweck der Weiterübermittlung an die beteiligten Staaten sowie an EUROPOL übermittelt. Zu Atalanta BT-Drs. 18/4769 v. 29. 04. 2015 Antrag der Bundesregierung Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an der EU-geführten Operation Atalanta zur Bekämpfung der Piraterie vor der Küste Somalias auf Grundlage des Seerechtsübereinkommens der Vereinten Nationen (VN) von 1982 und der Resolutionen 1814 (2008) vom 15. Mai 2008, 1816 (2008) vom 2. Juni 2008, 1838 (2008) vom 7. Oktober 2008, 1846 (2008) vom 2. Dezember 2008, 1851 (2008) vom 16. Dezember 2008, 1897 (2009) vom 30. November 2009, 1950 (2010) vom 23. November 2010, 2020 (2011) vom 22. November 2011, 2077 (2012) vom 21. November 2012, 2125 (2013) vom 18. November 2013, 2184 (2014) vom 12. November 2014 und nachfolgender Resolutionen des Sicherheitsrates der VN in Verbindung mit der Gemeinsamen Aktion 2008/851/GASP des Rates der Europäischen Union (EU) vom 10. November 2008, dem Beschluss 2009/907/GASP des Rates der EU vom 8. Dezember 2009, dem Beschluss 2010/437/GASP des Rates der EU vom 30. Juli 2010, dem Beschluss 2010/766/GASP des Rates der EU vom 7. Dezember 2010, dem Beschluss 2012/174/GASP des Rates der EU vom 23. März 2012 und dem Beschluss 2014/827/GASP vom 21. November 2014, Ziff. 3 g, 3 h, 3 i; zu EUNAVFOR Somalia siehe Beschluss des Rates 2014/827/GASP v. 21. 11. 2014, Art. 1 Abs. 2. 10 Beschluss des Rates 2015/778 v. 18. 05. 2015, Art. 2 Abs. 4; BT-Drs. 18/8878 v. 22.06.16, Antrag der Bundesregierung Fortsetzung und Erweiterung der Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an EUNAVFOR MED Operation SOPHIA, S. 2.
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schen- und Grundrechte und damit auch an das übrige an sie gerichtete nationale Recht gebunden.11 Menschenrechte. Die Rechtsprechung des EGMR, offene Rechtsfragen und daraus resultierende Konkretisierungsspielräume der Exekutive stellen diese Bindung in extraterritorialen Sachverhalten allerdings immer wieder infrage. Die Rechtsprechung des EGMR zur extraterritorialen Anwendung der EMRK auf Datenverwendungen im Ausland zu übertragen, hat zur Konsequenz, dass eine Vielzahl von Datenverarbeitungen nicht vom Anwendungsbereich der Menschenrechte erfasst wird. Denn die Anwendbarkeit der EMRK wird primär an das Territorium eines Vertragsstaates angeknüpft.12 Dementsprechend ist die Anwendung der Menschenrechte in Auslandssachverhalten schwieriger zu begründen als in Inlandssachverhalten.13 Dies ist im Fall von Datenvorgängen deshalb für das Schutzniveau relevant, weil die meisten Datenvorgänge auch außerhalb des eigenen Staatsgebiets stattfinden. Unterthese 1: In Auslandssachverhalten findet eine generelle Absenkung des menschenrechtlichen Datenschutzniveaus statt. Grundrechte. Hinsichtlich der Grundrechte besteht eine Vielzahl an ungeklärten Rechtsfragen. Der Verwaltung bleiben deshalb große Spielräume, Eingriffe zu rechtfertigen, die im Ausland stattfinden oder der außenpolitischen Einschätzungsprärogative unterworfen sind. Hinzu kommt, dass der grundrechtliche Schutz in Sachverhalten mit Auslandsbezug geringer ist als bei Inlandssachverhalten.14 Dies zum einen deshalb, weil die Schutzgewährleistung den konkreten Möglichkeiten der deutschen Staatsgewalt im Einzelfall angepasst wird und zum anderen weil die Einschätzungsprärogative hinsichtlich der Auslandsaufklärung groß ist. Somit lässt sich die Unterthese 2 mit folgendem Inhalt ableiten: Unterthese 2: Auch im Rahmen der Grundrechte ist eine generelle Schlechterstellung der Betroffenen aufgrund des Auslandscharakters der Maßnahmen zu beobachten. Humanitäres Völkerrecht. Obwohl im Zusammenhang mit bewaffneten Konflikten Tendenzen der Staatenpraxis erkennbar sind, offene Rechtsfragen auszunutzen, um ihre Grundrechtsbindung zu verringern oder zu umgehen, führt die 11
Herdegen, in: Maunz / Dürig, GG 78. EL (2016), Art. 1 Abs. 3 Rn. 3. Epping, in: Ipsen, Völkerrecht 6. Aufl. (2014) § 5 Rn. 69. Das Staatsgbiet umfasst auch das Küstenmeer (bis zu 12 Seemeilen). Das Gebiet, welches jenseits des Küstenmeeres liegt wird nicht als Staatsgebiet klassifiziert, doch steht dem Küstenstaat die Ausübung bestimmter souveräner Rechte zu, Maciejewski / Theilen, Steuern an ihren Grenzen: Der (erweiterte) Inlandsbegriff im deutschen Ertragsteuerrecht und seine völkerrechtlichen Bezüge, IStR, 846 (846). 13 Vgl. De Schutter, International Human Rights Law (2010), S. 142. 14 Dazu ausführlich Elbing, Zur Anwendbarkeit der Grundrechte bei Sachverhalten mit Auslandsbezug (1992), S. 168 ff.; Kahl, in: Kahl / Waldhoff / Walter, BK GG (Oktober 2014), Art. 1 Abs. 3 Rn. 226 ff.; Dreier, in: Dreier, GG Bd. 1, 3. Aufl. (2013), Art. 1 Abs. 3 Rn. 45. 12
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Anwendung des humanitären Völkerrechts zu keiner weitergehenden Beeinträchtigung des Schutzumfangs. Deshalb lautet die Unterthese 3: Unterthese 3: Das humanitäre Völkerrecht wirkt sich nicht negativ auf den Datenschutz aus. Zurechnung. Ein bedeutender Grund für den im Vergleich zum Grundkonzept abgesenkten Schutz liegt hingegen darin, dass die völkerrechtlichen Zurechnungsgrundsätze fehlerhaft angewandt werden. Anstatt über die Zurechnung Verantwortlichkeiten zu verteilen, wie es das originäre Anliegen des Konzepts ist, wird es von der Staatenpraxis und zum Teil auch von der Rechtsprechung und Literatur dazu verwendet, die Verantwortlichkeit des Entsendestaates der Truppen auszuschließen. Ein solches Vorgehen ließ sich bereits in Bezug auf Verletzungen des Rechts auf Leben und auf einen gesetzlichen Richter beobachten. Übertragen auf Datenerhebungen hat diese Strategie zur Folge, dass es an einer verantwortlichen Stelle fehlt, weshalb folgende These abgeleitet wird: Unterthese 4: Das Fehlen einer verantwortlichen Stelle und mithin von Rechtsdurchsetzungsmöglichkeiten zieht eine bedeutende Absenkung des Schutzumfangs im Vergleich zur Grundkonzeption des Datenschutzes nach sich. Die rechtlichen Hintergründe sowie die Auslegungs- und Anwendungswendungspraxis werden in den folgenden drei Abschnitten ausführlich dargestellt, um anschließend die aufgestellten These jeweils zu belegen (dazu Abschnitt II. 1., II. 2. und II. 3.)
II. Schutzumfang bei der Datenerhebung im Ausland Die Thesen werden durch Untersuchung des Schutzumfangs belegt. Für die Untersuchung des Schutzumfangs wird vorausgesetzt, dass der Schutzumfang bei der Datenerhebung im Ausland davon abhängt, welche extraterritoriale Reichweite die einschlägigen Schutzregeln haben (dazu Abschnitt 1.), welche rechtlichen Konsequenzen sich daraus ergeben, dass die Datenerhebung anlässlich von bewaffneten Konflikten stattfindet (dazu Abschnitt 2.), und wie sich die Einbindung der Handlungen in militärische Kooperationen auswirkt (dazu Abschnitt 3.). 1. Regeln zum extraterritorialen Schutz personenbezogener Daten Auf die Datenerhebung im Ausland ist grundsätzlich die Anwendung der Menschenrechte, der Grundrechte, des einfachen nationalen Rechts sowie sonstiger Regeln denkbar. Für jede dieser Regelungsebenen bestehen allerdings Hürden, welche die vorbehaltslose Anwendbarkeit einschränken. Diese Hürden ergeben sich maßgeblich aus der (notwendigen) extraterritorialen Anwendung der Regeln. Unter
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dem Begriff „extraterritorialer Anwendungsbereich“ von Grund- und / oder Menschenrechten werden unterschiedliche Fallkonstellationen thematisiert.15 Um den derzeitigen Stand der Rechtsprechung und Literatur mit dem Begriff Extraterritorialität aufgreifen zu können, wird darunter zunächst jedes Handeln verstanden, das einen Bezug zum Ausland aufweist.16 Im Folgenden wird auf diesem Begriffsverständnis aufbauend zunächst der völkerrechtliche, d. h. durch Menschenrechtsverträge vermittelte, extraterritoriale Schutz untersucht (dazu Abschnitt a)), bevor anschließend gesondert auf die Grundrechte (dazu Abschnitt b)), das nationale deutsche Recht (dazu Abschnitt c)) und sonstiges Recht (dazu Abschnitt d)) eingegangen wird. a) Extraterritorialer Schutz durch Menschenrechtsverträge Die folgende Untersuchung beschränkt sich auf die EMRK und den IPbpR, da diese die größte Anzahl von Vertragsstaaten (inklusive der Bundesrepublik) vereinen und der EGMR die umfangreichste Rechtsprechung zur extraterritorialen Anwendung liefert.17 Die Auslegung und Anwendung des IPbpR orientieren sich im Übrigen an der EGMR-Rechtsprechung, so dass es gerechtfertigt ist, diese beiden Verträge grundsätzlich gemeinsam zu betrachten und maßgeblich auf die Rechtslage zur EMRK abzustellen.18 Die daneben bestehenden Besonderheiten bei der Anwendung des IPbpR werden gesondert behandelt. Nachdem so der Stand der 15 Elbing verwendet 22 verschiedene Fallgruppen, Elbing, Zur Anwendbarkeit der Grundrechte bei Sachverhalten mit Auslandsbezug (1992), S. 51 ff. Dem Begriff wird eine personelle und eine territorial Komponente zugesprochen. Extraterritorialität kann sich sowohl auf einen Person einer anderen Nationalität als auch geographisch auf einen Ort außerhalb des eigenen Staatsgebiets beziehen. In Bezug auf den geographischen Aspekt fasst Lorenz in seiner Systematisierung zahlreiche Konstellationen wie aufenthaltsbeendende Maßnahmen, die Anwendung ausländischen Rechts, die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Urteile, Legislativakte mit Auslandsbezug, Auslandsschutz, Fälle, in denen effektive territoriale Kontrolle ausgeübt wird, sowie Kampfhandlungen in bewaffneten Konflikten zusammen, Lorenz, Der territoriale Anwendungsbereich der Grund- und Menschenrechte (2005), S. 127 ff.; zu fehlenden aber notwendigen Konzeption eines Grundrechtskollisionsrechts siehe Elbing, Zur Anwendbarkeit der Grundrechte bei Sachverhalten mit Auslandsbezug (1992), S. 44. Menzel verwendet den Begriff „Auslandssachverhalte“, die sich dadurch auszeichnen sollen, dass sie sich „territorial im Ausland ereignen oder auswirken“, Menzel, Internationales Öffentliches Recht (2011), S. 537. 16 Im Übrigen können im Zusammenhang mit der Bundeswehr alle Auslandseinsätze als extraterritoriale Sachverhalte im vorgenannten Sinne eingestuft werden, Zimmermann / Jötten, Extraterritoriale Staatenpflichten und internationale Friedensmissionen, MRM (2010), 5 (5). 17 Vgl. Milanovic, Human Rights Treaties and Foreign Surveillance: Privacy in the Digital Age, Harv. Intl. Law J., Vol. 56 No. 1 (2015), 81 (101). 18 Vgl. UNHRC, The right to privacy in the digital age. Report. UN Dok A/HRC/27/37 v. 30. 06. 2014, Rn. 32 f.; Deutsches Institut für Menschenrechte, Menschenrechtliche Anforderungen an die Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung und ihre Kontrolle, S. 5. Siehe zur Parallelität der Anwendungsbereiche auch King, The Extraterritorial Human Rights Obligations of States, Human Rights Law Review 94 (2009), 521 (523).
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Rechtsprechung dargestellt wurde (dazu Abschnitt aa)), erfolgt anschließend die Übertragung und Anwendung der Rechtsprechungskriterien auf die Fallkonstellation, in der Bundeswehrsoldaten Auslandsaufklärung betreiben (dazu Abschnitt bb)), um so den Schutzumfang feststellen zu können (dazu Abschnitt bb) (4)). aa) Stand der Rechtsprechung zur extraterritorialen Anwendbarkeit von Menschenrechten Wie die Rechtsprechung des EGMR den Begriff „Hoheitsgewalt“ ausgelegt (dazu Abschnitt (1)) und welche Besonderheiten im Fall des IPbpR bestehen (dazu Abschnitt (2)), wird im Folgenden betrachtet. (1) Rechtsprechung des EGMR zur extraterritorialen Anwendbarkeit der EMRK Die Anwendung der EMRK auf einen extraterritorialen Sachverhalt richtet sich nach Art. 1 EMRK. Dieser bestimmt, „[d]ie Hohen Vertragsparteien sichern allen ihrer Hoheitsgewalt unterstehenden Personen die in Abschnitt I bestimmten Rechte und Freiheiten zu. “
Ausgangspunkt für die Bestimmung der Anwendbarkeit ist also, ob Hoheitsgewalt bzw. Herrschaftsgewalt vorliegt, wenn Soldaten in extraterritorialen Sachverhalten Daten erheben, speichern, verarbeiten oder übermitteln.19 Zur Auslegung des Begriffs „Hoheitsgewalt“ werden die authentischen Fassungen des Art. 1 EMRK auf Englisch und Französisch herangezogen, die die Begriffe „jurisdiction“ bzw. „juridiction“ verwenden.20 Eine einheitliche Übersetzung dieser Begriffe ins Deutsche existiert nicht. Vielmehr wird eine Vielzahl an Begriffen verwendet, wie „Hoheitsgewalt“, „Herrschaftsgewalt“, „Kompetenz“ oder „Zuständigkeit“,21 aber
19 Vgl. Lawson, Life after Bankovic, in: Coomans / Kamminga, Extraterritorial Application of Human Rights Treaties (2004), 83 (83); King, The Extraterritorial Human Rights Obligations of States, Human Rights Law Review 94 (2009), 521 (522); andere Menschenrechtsverträge verwenden die ähnlichen, folgenden Formulierungen: Art. 2 IPBPR „Gebiet“, Art. 1 EMRK „Hoheitsgewalt der Vertragsstaaten“, Präambel der AEMR „ihrer Hoheitsgewalt unterstehenden Gebiete“, Art. 1 ACHR „Hoheitsgewalt“, Art. 2 Abs. 1 Lit. a der International Convention on the Elimination of All Forms of Racial Discrimination „öffentlichen Behörden und Einrichtungen“, Art. 1 der Afrikanischen Charta der Menschenrechte und Rechte der Völker (Banjul Charta) ohne weitere Einschränkung, mit Ausnahme der Fortbewegungsfreiheit. 20 Zur Genese des Art. 1 EMRK siehe Lawson, Life after Bankovic, in Coomans/ Kamminga, Extraterritorial Application of Human Rights Treaties (2004), 83 (88). Die Auslegung erfolgt gem. Art. 31 – 33 WVK und orientiert sich am Wortlaut, der Systematik, der ratio legis und den Gestzesmaterialien, EGMR (Golder ./. Großbritannien), Urteil v. 21. 02. 1975 – 4451/ 70, § 34; EGMR (Witold Litwa ./. Polen), Urteil v. 04. 04. 2000 – 26629/95, § 55; Stieglitz, Allgemeine Lehren im Grundrechtsverständnis nach der EMRK und der Grundrechtsjudikatur des EuGH (2003), S. 180. 21 Krieger, Die Verantwortlichkeit Deutschlands nach der EMRK für seine Streitkräfte im Auslandseinsatz, ZaöRV 62 (2002), 669 (671).
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auch „Leistungsfähigkeit“ und „Autorität“ bis hin zu „Macht“22. „Hoheitsgewalt“ bzw. „jurisdiction / juridiction“ ist in diesem Zusammenhang nicht nur ein Begriff, der definiert werden könnte. Vielmehr ist es ein Konzept, das mehrere Aspekte in sich vereint.23 Denn anders als das allgemeine Völkerrecht, das die Abgrenzung von staatlicher Zuständigkeit und deshalb die Frage nach der Regelungs- und Ausführungsbefugnis von Staaten betrifft, steht bei der Anwendbarkeit von Menschenrechtsverträgen die schlichte Einwirkung auf Menschen(-rechte) im Vordergrund.24 Den Besonderheiten der Menschenrechtsverträge kann nur eine eigenständige, menschenrechtliche Auslegung für den Begriff „Hoheitsgewalt“ gerecht werden.25 So beschäftigt der Begriff eine Vielzahl von Entscheidungen des EGMR.26 Davon markiert der Fall Bankovic den Beginn und gleichzeitig den Höhepunkt der auch heute noch restriktiven Haltung des Gerichtshofs hinsichtlich der Anwendung der
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Gondek, Extraterritorial Application of the ECHR: Territorial Focus in the Age of Globalization?, NILR, Vol. 52, Issue 3 (2005), 349 (364); Milanovic, From Compromise to Principle: Clarifying the Concept of State Jurisdiction in Human Rights Treaties, Human Rights Law Review 83 (2008), 411 (426). 23 Auch Bothe entnimmt der Auslegung allein kein eindeutiges Ergebnis, weshalb er der Staatenpraxis entscheidende Bedeutung zu rechnet, Bothe, Humanitäres Völkerrecht und Schutz der Menschenrechte: Auf der Suche nach Synergien und Schutzlücken, FS Tomuschat (2006), 63 (69); so auch Gondek, Extraterritorial Application of the ECHR: Territorial Focus in the Age of Globalization?, NILR, Vol. 52, Issue 3 (2005), 349 (352). Nicht überraschend ist es, dass das Konzept deshalb in der Literatur als „ambigous and flexible concept“, Gondek, Extraterritorial of the ECHR: Territorial Focus in the Age of Globalization?, NILR, Vol. 52, Issue 3 (2005), 349 (364), einen weiten Begriff, dessen Bedeutung sich je nach Kontext ändere, Krieger, Die Verantwortlichkeit Deutschlands nach der EMRK für seine Streitkräfte im Auslandseinsatz, ZaöRV 62 (2002), 669 (671) oder im Kontext von Menschenrechtsverträgen schlicht als „absurdity“ bezeichnet wird, Milanovic, From Compromise to Principle: Clarifying the Concept of State Jurisdiction in Human Rights Treaties, Human Rights Law Review 83 (2008), 411 (422). 24 Milanovic, From Compromise to Principle: Clarifying the Concept of State Jurisdiction in Human Rights Treaties, Human Rights Law Review 83 (2008), 411 (417, 430); Meron, Extraterritoriality of Human Rights Treaties, AJIL, Vol. 89 1995, 78 (81); Arnauld, Das (Menschen-)Recht im Auslandseinsatz, in: Weingärtner, Streitkräfte und Menschenrechte (2008), 61 (67); Cerone, Minding the Gap, EJIL (2001) Vol. 12 No. 3, 469 (480). 25 Vgl. dazu Milanovic, From Compromise to Principle: Clarifying the Concept of State Jurisdiction in Human Rights Treaties, Human Rights Law Review 83 (2008), 411 (429); Gondek, Extraterritorial Application of the ECHR: Territorial Focus in the Age of Globalization?, NILR, Vol. 52, Issue 3 (2005), 349 (361); Arnauld, Das (Menschen-)Recht im Auslandseinsatz, in: Weingärtner, Streitkräfte und Menschenrechte (2008), 61 (66); Krieger, Die Verantwortlichkeit Deutschlands nach der EMRK für seine Streitkräfte im Auslandseinsatz, ZaöRV 62 (2002), 669 (671). 26 Der EGMR beschäftigte sich darüber hinaus auch mit Auslandsüberwachung durch den BND und Erhebung personenbezogener Daten. Da sich diese Urteile jedoch nicht mit der Frage der Extraterritorialität beschäftigen, haben sie an dieser Stelle keine Relevanz. Vielmehr werden diese Urteile an den entsprechenden Stellen der vorliegenden Arbeit zur Auslandsüberwachung durch den BND oder den strukturellen Charakteristika der Rechtsprechung behandelt.
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EMRK auf extraterritoriale Handlungen von Staaten.27 In dieser Zulässigkeitsentscheidung ging es um die Bombardierung einer serbischen Rundfunk- und Fernsehanstalt in Belgrad während des Kosovo-Konflikts durch die NATO. Das Vorgehen war Teil einer Offensive von Luftschlägen, bei denen 16 Zivilisten getötet wurden. Der Gerichtshof stellte hier die „essential territorial notion of jurisdiction“, und damit auch der EMRK selbst, heraus und betonte, dass die EMRK gerade nicht weltweit anzuwenden sei.28 Diese Aussage stellte damals eine radikale Änderung des räumlichen Anwendungsbereichs der EMRK dar. Das Urteil begrenzt nicht nur den Geltungsbereich der EMRK territorial, sondern verbindet ihre Anwendbarkeit mit dem allgemeinen völkerrechtlichen Konzept „jurisdiction“ bzw. Hoheitsgewalt. Insbesondere der zweite Punkt sorgte für Aufregung, da die Ausübung von Hoheitsgewalt nunmehr an das rechtliche Dürfen geknüpft wurde. Von da an war es kaum mehr relevant für die Anwendbarkeit der ERMK, ob ein Staat faktisch dazu in der Lage war, Menschenrechtsverletzungen jenseits seines eigenen Territoriums im Verhältnis zu begehen. In den folgenden Jahren versuchte der Gerichtshof in einer Reihe von Entscheidungen zu konkretisieren, unter welchen Voraussetzungen von einer Ausübung 27 EGMR (Bankovic ./. Belgien et al), Urteil v. 12. 12. 2001 – 52207/99, §§ 75 ff.; vorher betonte EGMR (Loizidou ./. Türkei), Urteil v. 18. 12. 1996 – 15318/89, § 52, dass das Konzept „jurisdiction“ aus Art. 1 EMRK nicht territorial beschränkt sei. Siehe auch EGMR (Drozd Janousek ./. Frankreich und Spanien), Urteil v. 26. 06. 1992 – 12747/87, § 91. Bankovic wurde bislang nicht aufgegeben, vgl. nur EGMR (Al-Skeini et al ./. Großbritannien), Urteil v. 07. 07. 2011 – 55721/07, §§ 131 f.; Abweichungen davon in EGMR (Öcalan ./. Türkei), Urteil v. 12. 05. 2005 – 46221/99, § 91; EGMR (Medvedyev et al ./. Frankreich), Urteil v. 29. 03. 2010 – 3394/03, § 67; in jüngerem Urteil wurde wieder auf den territorialen Bezug durch boots on the ground abgestellt, EGMR (Chiragov et al ./. Armenia), Urteil v. 16. 06. 2015 – 13216/05, § 96; dazu Gondek, Extraterritorial Application of the ECHR: Territorial Focus in the Age of Globalization?, NILR, Vol. 52, Issue 3 (2005), 349 (353); Arnaud sieht bislang keine förmliche Aufgabe der „apodiktischen Haltung“ der Bankovic- Rechtsprechung, Arnauld, Völkerrecht (2014), S. 251; Milanovic sieht in Al Skeini den Versuch, Bankovic zu reparieren, wobei die Grundaussage der Bankovic-Rechtsprechung, durch den Einsatz des nebulösen Konzepts „public powers“ bestehen geblieben ist und weiterhin angewandt wird, Milanovic, Human Rights Treaties and Foreign Surveillance: Privacy in the Digital Age, Harv. Intl. Law J., Vol. 56 No. 1 (2015), 81 (118); nach Menzel steht die gesamte deutsche Kommentarliteratur geschlossen hinter Anwendbarkeit EMRK auf extraterritoriale Sachverhalte, der EGMR habe dieser Sichtweise mit seiner Entscheidung in Bankovic allerdings die „Grundlage entzogen“, Menzel, Internationales Öffentliches Recht (2011), S. 547, dort Fn. 60. 28 EGMR (Bankovic ./. Belgien et al), Urteil v. 12. 12. 2001 – 52207/99, § 61. Kritisiert wurde diese Entscheidung in Milanovic, From Compromise to Principle: Clarifying the Concept of State Jurisdiction in Human Rights Treaties, Human Rights Law Review 83 (2008), 411 (423); zu den einzelnen Argumenten der Entscheidung siehe O’ Boyle, The European Convention on Human Rights and Extraterritorial Jurisdiction: A comment on „Life after Bankovic“, in: Coomans / Kamminga (2004), 125 (132); Lorenz nennt die Entscheidung eine „Wiederauferstehung“ des Territorialprinzips, da vor diesem Urteil dem teritorialen Aspekt immer weniger Bedeutung zugeschrieben worden war, Lorenz, Der territoriale Anwendungsbereich der Grund- und Menschenrechte (2005), S. 71; Walter, Grundrechtliche und rechtsstaatliche Bindung der Bundeswehr beim Einsatz im Ausland in FS Klein (2013), 351 (353 ff.).
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Teil 2: Schutz personenbezogener Daten bei der Auslandsaufklärung
von Hoheitsgewalt im Sinne des Art. 1 EMRK auszugehen sei, wie im Folgenden dargelegt wird. Diese Arbeit kategorisiert die Rechtsprechung in solche zur territorialbezogenen Hoheitsgewalt und solche zur personenbezogenen Hoheitsgewalt, da dies die Übertragung der Rechtsprechung auf zukünftige Fälle ermöglicht.29 (a) Territorialbezogene Hoheitsgewalt Die EMRK ist nach dem EGMR anwendbar, sobald territorialbezogene Hoheitsgewalt vorliegt.30 Territorialbezogene Hoheitsgewalt bestehe, wenn ein Staat effektive Kontrolle über ein Gebiet ausübe.31 Effektive Kontrolle über ein Gebiet, das nicht Teil des eigenen Staatsgebiets ist, hat die Rechtsprechung wie folgt konkretisiert: Effektive Kontrolle könne über eine ausreichende militärische Präsenz sowohl direkt als auch indirekt ausgeübt werden.32 Ob die militärische Präsenz jeweils 29
Gondek unterteilt in Kontrolle über ein Territorium und in Kontrolle über eine Person sowie in die Auslieferungsfälle, die tatsächlich aber keine Fälle der extraterritorialen Anwendbarkeit sind, Gondek, Extraterritorial Application of the ECHR: Territorial Focus in the Age of Globalization?, NILR, Vol. 52, Issue 3 (2005), 349 (354 ff.; 371); King unterteilt in rechtliche Beziehung und faktische Beeinträchtigungen, King, The Extraterritorial Human Rights Obligations of States, Human Rights Law Review 94 (2009), 521 (538 ff.); Johann vermutet neben der Kontrolle über ein Gebiet und der über ein Individuum die Entwicklung einer weiteren Gruppe der Rechtsprechung, in welcher diese beiden Ansätze kombiniert werden, Johann, in: Karpenstein / Mayer, EMRK 2. Aufl. (2015), Art. 1 § 31; Röben orientiert sich an den normativen Ansätzen des allgemeinen Völkerrechts zur Ausübung von Hoheitsgewalt, Röben, in: Dörr / Grote / Marauhn, EMRK/GG (2013), Kap. 5, Rn. 100 ff.; nach der konkreten Art der Eingriffshandlungen sortiert Lawson, Life after Bankovic, in: Coomans / Kamminga, Extraterritorial Application of Human Rights Treaties (2004), 83 (121). Das Informationsblatt des EGMR verwendet die Aufteilung nach Handlungen eines Staates die innerhalb oder außerhalb des Anwendungsbereichs der Konvention, aber außerhalb des eigenen Hoheitsgebiets liegt, sowie nach der Art der militärischen Gewaltausübung (Militär an Land oder auf hoher See, Staatliche Sicherheitskräfte, Militärische Präsenz und militärische Interventionen, Militärpräsenz mit nur politische Unterstützung und solcher mit wirtschaftlicher Unterstützung). Da diese Aufteilung allein den Besonderheiten des Einzelfalls geschuldet ist, enthält sie für die Herausarbeitung allgemeiner Prinzipien, als Voraussetzung für eine Übertragung keinen Mehrwert, Informationsblatt zur Rechtsprechung des EGMR – Extraterritoriale Anwendbarkeit der Konvention (Dez. 2011). 30 Röben stellt diese Form der Hoheitsgewaltausübung mit der Territorialitätshoheit gleich, Röben, in: Dörr / Grote / Marauhn, EMRK/GG (2013), Kap. 5 Rn. 106. 31 Siehe nur EGMR (Chiragov et al ./. Armenia), Urteil v. 16. 06. 2015 – 13216/05, § 168. 32 Zur direkten Ausübung von Kontrolle siehe EGMR (Loizidou ./. Türkei), Urteil v. 18. 12. 1996 – 15318/89, § 56; EGMR (Bankovic ./. Belgien et al), Urteil v. 12. 12. 2001 – 52207/99, § 82. Indirekte Kontrolle wurde angenommen in EGMR (Zypern ./. Türkei), Urteil v. 10. 05. 2001 – 25781/94, § 76; EGMR (Chiragov et al ./. Armenia), Urteil v. 16. 06. 2015 – 13216/05, §§ 96, 168; EGMR (Ilascu et al ./. Moldavien und Russland), Urteil v. 08. 07. 2004 – 48787/99, §§ 392 f.; EGMR (Catan et al ./. Moldavien und Russland), Urteil v. 19. 05. 2012 – 43370/04 u. a., § 122; zu dieser Gruppe der indirekten Kontrolle siehe auch Zimmermann, Grundrechtseingriffe durch deutsche Streitkräfte im Ausland und das Grundgesetz, ZRP 2012, 116 (117); Johann, in: Karpenstein / Mayer, EMRK 2. Aufl. (2015), Art. 1 § 25; Rensmann, Die Anwendbarkeit von Menschenrechten im Auslandseinsatz in Weingärtner, Einsatz der Bundeswehr im Ausland (2007), 49 (55); Lawson sieht in der Entscheidung zu Ilascu eine Tendenz
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ausreichend ist, um über eine direkte Kontrolle Hoheitsgewalt zu begründen, sei nicht nur von der Truppenstärke abhängig, sondern auch von der Dauer der Anwesenheit der Truppen und der Ausgestaltung der Kontrolle in dem Gebiet. Für die Ausübung indirekter effektiver Kontrolle sei neben der Truppenstärke entscheidend, inwieweit die militärische, finanzielle und politische Unterstützung der lokalen Administration den Einfluss auf das in Rede stehende Gebiet ermöglichen.33 In der Entscheidung zu Loizidou hatte die Beschwerdeführerin vorgebracht, ihr Eigentumsrecht an ihrem Grundstück seit der Besatzung von Nordzypern durch die Türkei nicht wahrnehmen zu können, weil ihr der Zugang verwehrt würde. Der Gerichtshof befand, dass die Türkei durch eine „large number of troops“ die effektive Kontrolle über das Gebiet ausgeübt habe.34 In der Entscheidung zu Zypern wurde demgegenüber konkreter auf jene 30.000 Soldaten abgestellt, die über das gesamte Gebiet Nordzyperns verteilt waren, dieses Gebiet ständig kontrollierten und check points an allen Hauptverkehrswegen zwischen Nordzypern und Zypern errichtet hatten.35 In der Entscheidung zu Ilascu wurde ebenfalls eine Verpflichtung des Staates angenommen, weil dieser ausreichend militärische Präsenz gezeigt habe.36 Im Fall Issa hingegen wurden die Voraussetzungen für eine effektive Kontrolle trotz einer noch größeren Anzahl von Soldaten verneint.37 In diesem Fall, bei dem es um die Ermordung irakischer Hirten ging, sollte die Anwesenheit von 35.000 türkischen Soldaten, unterstützt von Panzern, Helikoptern und Kampfflugzeugen, im Nordirak nach Ansicht der Rechtsprechung nicht ausreichen, um eine effektive dahingehend, dass es auf die de-facto Kontrolle ankommen muss, unabhängig davon, wo diese ausgeübt wird, Lawson, Life after Bankovic, in: Coomans / Kamminga, Extraterritorial Application of Human Rights Treaties (2004), 83 (103); für King stellt die militärische Besetzung ein territoriales Äquivalent zum eigenen Staatsgebiet dar, im Sinne eines de-facto Staatsgebiets, King, The Extraterritorial Human Rights Obligations of States, Human Rights Law Review 94 (2009), 521 (540). Der IGH verwendet ein vergleichbares Kriterium zur Anwendung des IPbpR und bezieht sich dabei auf die Rechtsprechung des EGMR, IGH (Legal Consequences of the Construction of a Wall in the Occupied Palestinian Territory – The Wall), Gutachten v. 09. 07. 2004, ICJ Rep. 2004, S. 136, § 179; IGH (Armed Activities on the Territory of the Congo ./. Uganda), Urteil v. 19. 12. 2005, I.C.J. Reports 2005, S.168. 33 EGMR (Catan et al ./. Moldavien und Russland), Urteil v. 19. 05. 2012 – 43370/04 u. a., § 107. 34 EGMR (Loizidou ./. Türkei), Urteil v. 18. 12. 1996 – 15318/89, § 56. Aus dieser Entscheidung schließt Röben, dass diese Form der Hoheitsgewaltausübung nur dann vorliegt, wenn die andere Staatsmacht faktisch verdrängt wurde, Röben, in: Dörr / Grote / Marauhn, EMRK/ GG (2013), Kap. 5, Rn. 110. 35 EGMR (Zypern ./. Türkei), Urteil v. 10. 05. 2001 – 25781/94, § 76. 36 EGMR (Ilascu et al ./. Moldavien und Russland), Urteil v. 08. 07. 2004 – 48787/99, § 314. Gondek kritisiert diese Entscheidung dahingehend, dass der Gerichtshof durch die Verwendung des Begriffs „Verantwortlichkeit“ die Konzepte der Jurisdiktion und der Staatenverantowrtlichkeit in unzulässiger Weise mit einander vermischt, Gondek, Extraterritorial Application of the ECHR: Territorial Focus in the Age of Globalization?, NILR, Vol. 52, Issue 3 (2005), 349 (368). 37 EGMR (Issa et al ./. Türkei), Urteil v. 16. 11. 2004 – 31821/96, § 82.
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Kontrolle auszuüben. Zur Begründung führte der EGMR an, dass, obwohl die Truppenstärke die der Soldaten im Fall Zypern übertraf, die Truppen nicht auch über einen längeren Zeitraum vor Ort stationiert waren und keine dauerhaften Kontrollen ausgeführt hatten.38 Dies sollte allerdings nicht bedeuten, dass man aus einer großen Anzahl von Soldaten in Verbindung mit der Verantwortung für die öffentliche Sicherheit und Ordnung auf die Ausübung effektiver Kontrolle über ein Gebiet schließen dürfte, wie die Entscheidung zu Al-Skeini zeigte. Sieben Jahre nach der Entscheidung zu Issa lehnte der EGMR hier die effektive Kontrolle wiederum ab, obwohl Großbritannien ausdrücklich für die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung zuständig war.39 Tatsächlich wurde in keinem der Fälle, die die militärische Präsenz im Irak seit der Invasion 2001/ 2003 betrafen, eine ausreichende effektive Kontrolle anerkannt, und das obwohl insbesondere Großbritannien als Besatzungsmacht und Gründungsmitglied der Coalition Provisional Authority (CPA) die Verantwortung für die Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung übernommen hatte.40 Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die Kontrollstrukturen, die ein Staat im Gebiet eines anderen Staates aufbauen muss, um effektive territoriale Kontrolle zu begründen, gefestigter Natur sein müssen. Die Organe des Staates müssen im Ausland in einer Form die öffentlichen Strukturen begründen, aufrechterhalten und beeinflussen, die mit den Strukturen im Heimatstaat vergleichbar ist.41 Welche Anforderungen dabei konkret gestellt werden, hängt darüber hinaus vom Einzelfall ab.
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EGMR (Issa et al ./. Türkei), Urteil v. 16. 11. 2004 – 31821/96, § 81. Die Literatur sieht in dieser Entscheidung ein erstes Abrücken von der strengen Territorialgebundeheit, wie sie in Bankovic etabliert wurde, Arnauld, Das (Menschen-)Recht im Auslandseinsatz, in: Weingärtner, Streitkräfte und Menschenrechte (2008), 61 (64); Gondek, Extraterritorial Application of the ECHR: Territorial Focus in the Age of Globalization?, NILR, Vol. 52, Issue 3 (2005), 349 (359); Röben, in: Dörr / Grote / Marauhn, EMRK/GG (2013), Kap. 5, Rn. 110. In einem jüngeren Urteil wurde wieder entscheidend auf den territorialen Bezug durch „boots on the grounds“ abgestellt, EGMR (Chiragov et al ./. Armenia), Urteil v. 16. 06. 2015 – 13216/05, § 96. 39 EGMR (Al-Skeini et al ./. Großbritannien), Urteil v. 07. 07. 2011 – 55721/07, § 149. Der Fall Al-Skeini wurde dennoch nicht als unzulässig abgewiesen, da die Hoheitsgewalt aufgrund anderen, den besonderen Umständen des Einzelfalls etabliert werden konnte, dazu unten (b). 40 Territorialbezogene Hoheitsgewalt wurde abgelehnt bzw. nicht geprüft in EGMR (Issa et al ./. Türkei), Urteil v. 16. 11. 2004 – 31821/96, § 81; EGMR (Al-Skeini et al ./. Großbritannien), Urteil v. 07. 07. 2011 – 55721/07, § 149 ff.; EGMR (Hassan ./. Großbritannien), Urteil v. 16. 09. 2014 – 29750/09, § 75; EGMR (Al-Jedda ./. Großbritannien), Urteil v. 07. 07. 2011 – 27021/08, § 85; EGMR (Al-Sadoon u. Mufdhi ./. Großbritannien), Urteil v. 04. 10. 2010 – 61498/08, §§ 10 ff., 129. 41 Krieger, Die Verantwortlichkeit Deutschlands nach der EMRK für seine Streitkräfte im Auslandseinsatz, ZaöRV 62 (2002), 669 (672).
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(b) Personenbezogene Hoheitsgewalt Die zweite Kategorie von Hoheitsgewalt im Sinne des Art. 1 EMRK konzentriert sich darauf, inwieweit ein Staat Autorität und Kontrolle über ein bestimmtes Individuum ausübt. Innerhalb dieses Ansatzes lässt sich die Rechtsprechung des EGMR in die folgenden Fallgruppen unterscheiden: Zunächst sei auf Handlungen von Konsulaten und diplomatischen Vertretungen die EMRK in jedem Fall auch extraterritorial anwendbar.42 Ganz generell sei die EMRK außerdem auf extraterritoriale Sachverhalte anzuwenden, sobald von staatlicher Seite physische Autorität und Kontrolle über eine Person ausgeübt werden.43 Hierunter fasst die Rechtsprechung die Festnahme von Personen,44 die Inhaftierung in einer von dem in Rede stehenden Staat geführten Haftanstalt außerhalb des eigenen Staatsgebiets45, das Festhalten von Personen in einem Flugzeug unter eigener Flagge46 sowie die Ausübung von Kontrolle über die Besatzung auf einem Schiff auf Hoher See unter eigener Flagge47 oder auch unter fremder Flagge48. Eine umfassende Anwendung der Konvention auf sämtliche Fälle physischer Beeinträchtigungen einer Person lehnt die Rechtsprechung hingegen ab.49 Insbesondere die schlichte physische Kontrolle, d. h. eine Kontrolle, die dadurch ausgeübt wird, dass der Staat die physische Integrität beeinträchtigt, ohne dabei weiteren Einfluss auf die Person nehmen zu können, genügt nicht den Anforderungen an die Ausübung von Hoheitsgewalt im Sinne des Art. 1 EMRK. Die physische Kontrolle ist mit anderen Worten nicht mit dem physischen Eingriff gleichzusetzen; sie muss 42 EKMR (W.M. ./. Dänemark), Entscheidung v. 14. 10. 1992 – 17392/ 90, S. 199; EGMR (Hirsi Jamaa et al ./. Italien), Urteil v. 23. 02. 2012 – 27765/09, § 75; zum IPbpR siehe HRC (Lichtensztejn ./. Uruguay), 31. 03. 1983 – 77/1980 (CCPR/C/18/D/77/1980), § 6.2. 43 Siehe nur EGMR (Al-Skeini et al ./. Großbritannien), Urteil v. 07. 07. 2011 – 55721/07, § 136. 44 EGMR (Al-Jedda ./. Großbritannien), Urteil v. 07. 07. 2011 – 27021/08, § 86; EGMR (Ilich Sanchez Ramirez ./. Frankreich), Kommissionsentscheidung v. 24. 06. 1996 – 28780/95, S. 161. 45 EGMR (Al-Sadoon u. Mufdhi ./. Großbritannien), Urteil v. 04. 10. 2010 – 61498/08, §§ 164 f.; EGMR (Al-Jedda ./. Großbritannien), Urteil v. 07. 07. 2011 – 27021/08, § 86; EGMR (Hassan ./. Großbritannien), Urteil v. 16. 09. 2014 – 29750/09, § 80. 46 EGMR (Öcalan ./. Türkei), Urteil v. 12. 05. 2005 – 46221/99, § 91; allerdings ist unklar, ob der besondere Festnahmeort, ein internationaler Flughafen, ausschlaggebend für die Annahme der Hoheitsgewalt war, Gondek, Extraterritorial Application of the ECHR: Territorial Focus in the Age of Globalization?, NILR, Vol. 52, Issue 3 (2005), 349 (374). 47 Lampedusa-Flüchtlinge auf Schiff unter italienischer Flagge und Kontrolle der italienischen Küstenwache in EGMR (Hirsi Jamaa et al ./. Italien), Urteil v. 23. 02. 2012 – 27765/09, § 81. 48 EGMR (Öcalan ./. Türkei), Urteil v. 12. 05. 2005 – 46221/99, § 91; EGMR (Medvedyev et al ./. Frankreich), Urteil v. 29. 03. 2010 – 3394/03, §§ 65 ff. 49 Angedacht wird dieser Ansatz insbesondere im Rahmen nachrichtendienstlicher Tätigkeit, um die Auslandsüberwachung vom Anwendungsbereich erfassen zu können, siehe nur Talmon, Sachverständigengutachten NSA-Untersuchungsausschuss, 02. 06. 2014, Ziff. 14.
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vielmehr bereits gegeben sein, bevor der Eingriff stattfindet. Wenn diese Kontrolle besteht, fällt eine zweiten Handlung (oder Unterlassung) unter die Hoheitsgewalt des jeweiligen Staates und damit in den Anwendungsbereich der EMRK.50 Damit die EMRK auf eine Beeinträchtigung der physischen Integrität anwendbar ist, bedarf es somit zweier Elemente: zunächst der physischen Kontrolle, innerhalb derer sich dann der (physische) Eingriff ereignet. Diese Doppelstruktur ist in den eingangs erwähnten Fällen sichtbar, die eine Konventionsverletzung während einer Festnahme, Inhaftierung oder während der Kontrolle über ein Schiff bzw. Flugzeug betrafen. Die Begründung physischer Kontrolle war jeweils der beanstandeten Konventionsverletzung vorgelagert. Darüber hinaus werden sog. check points, buffer zones und die Verantwortung für die Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung als ausreichend angesehen, um physische Kontrolle zu begründen. Die Ausprägung der Doppelstruktur ist in den Entscheidungen zu Isaak, Al-Skeini und Jaloud besonders gut erkennbar, dazu im Folgenden: In Isaak waren türkisch-zypriotische Polizeikräfte an einer Schlägerei, die zum Tode von Herrn Issak führte, beteiligt gewesen. Der Schlägerei waren weder eine Festnahme noch eine sonstige begleitende Gewaltausübung vorausgegangen.51 Das Ereignis fand innerhalb einer neutralen UN buffer zone statt, deren Betreten Herrn Issak zuvor durch die türkisch-zypriotischen Polizeikräfte gestattet worden war.52 Die Gewaltausübung allein sei nicht der Grund für die Anwendung der EMRK. Ausschlaggebendes Kriterium sei vielmehr, dass sich der Vorfall innerhalb der buffer zone ereignete; innerhalb dieser Zone würden die Polizeikräfte Hoheitsgewalt ausüben.53 In Al-Skeini hatte der Gerichtshof einen Fall zu beurteilen, in dem britische Soldaten während einer Patrouille fünf Iraker erschossen und einen weiteren in einer britischen Haftanstalt in Al-Basra erschlagen hatten. Ausschlaggebendes Kriterium dafür, dass das UK während der Patrouille Hoheitsgewalt ausgeübt hatte, sei, dass das UK verantwortlich für die Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit im südöstlichen Irak war.54 In der Folge würden die Handlungen „Erschießen“ und „Erschlagen“ unter die Hoheitsgewalt des UK fallen. Ebenso wie bei der territorial50 EGMR (Issa et al ./. Türkei), Urteil v. 16. 11. 2004 – 31821/96, § 81; EGMR (Öcalan ./. Türkei), Urteil v. 12. 05. 2005 – 46221/99, § 91; EGMR (Al-Skeini et al ./. Großbritannien), Urteil v. 07. 07. 2011 – 55721/07, §§ 149 ff.; EGMR (Medvedyev et al ./. Frankreich), Urteil v. 29. 03. 2010 – 3394/03, §§ 65 ff. 51 EGMR (Isaak et al ./. Türkei), Zulässigkeitsentscheidung v. 28. 09. 2006 – 44587/98, S. 21. 52 EGMR (Isaak et al ./. Türkei), Zulässigkeitsentscheidung v. 28. 09. 2006 – 44587/98, S. 20. 53 EGMR (Isaak et al ./. Türkei), Zulässigkeitsentscheidung v. 28. 09. 2006 – 44587/98, S. 21. 54 Für die Etablierung einer territorialen Kontrolle war die Übernahme der Befugnisse allerdings nicht ausreichend, zu alledem EGMR (Al-Skeini et al ./. Großbritannien), Urteil v. 07. 07. 2011 – 55721/07, §§ 149 ff.; vgl. auch Milanovic, Human Rights Treaties and Foreign Surveillance: Privacy in the Digital Age, Harv. Intl. Law J., Vol. 56 No. 1 (2015), 81 (116).
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bezogenen Hoheitsgewalt bleibt auch im Rahmen der personenbezogenen Hoheitsgewalt offen, ob die Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit generell dazu führt, dass die Ausübung von Hoheitsgewalt angenommen werden kann. Insofern betonte der Gerichtshof selbst und wiederholte dies in späteren Entscheidungen, dass es sich bei Al-Skeini um außergewöhnliche Umstände des Einzelfalls gehandelt habe.55 Drei Jahre nach Al-Skeini wurde der Fall Jaloud entschieden. Herrn Jaloud wurde an einem von niederländischen Soldaten kontrollierten Checkpoint in Al-Muthanna (südöstlicher Irak) erschossen. Die anschließende Autopsie konnte nicht aufklären, ob Herr Jaloud durch die Waffe eines niederländischen Soldaten oder durch die einer irakischen Sicherheitskraft erschossen worden war.56 Dessen ungeachtet befand das Urteil, dass die Kontrolle über den Checkpoint Hoheitsgewalt begründet habe, so dass die Tötung vom Anwendungsbereich der Konvention erfasst werde.57 Keine gegenteiligen Schlüsse hinsichtlich der Doppelstruktur der personenbezogenen Hoheitsgewalt können aus der Entscheidung zu Issa gezogen werden, die bereits Gegenstand der Betrachtungen zur territorialbezogenen Hoheitsgewalt war. Allein die Präsenz von Soldaten hatte eine territorialbezogene Hoheitsgewalt nicht begründen können. Der Gerichtshof prüfte im Anschluss nicht weiter, ob unter Umständen personenbezogene Hoheitsgewalt bestanden hatte, obwohl die getöteten Personen nach Aussage ihrer Angehörigen, der Kläger, zuvor in Gewahrsam genommen worden waren.58 Der Gerichtshof sah es jedoch nicht als bewiesen an, dass sich türkische Soldaten zu besagtem Zeitpunkt an dem Hinrichtungsort aufgehalten hatten.59 Die Augenzeugen konnten keine Aussagen machen, die darauf hätten schließen lassen, dass es sich bei den Personen, die die Festnahme durchgeführt hatten, um türkische Soldaten gehandelt hätte. Auch die Entscheidung zu Mansur PAD et al liefert keine gegenteiligen Anhaltspunkte zu der Doppelstruktur physischer Kontrolle. In diesem Fall wurde eine Gruppe iranischer Männer, die sich wie die Hirten im Fall Issa, auf einer freien, nicht weiter kontrollierten oder umgrenzten Fläche befanden, durch türkisches Militär aus einem Hubschrauber heraus erschossen. Zwar nahm der Gerichtshof hier anders als in Issa an, dass der Staat Hoheitsgewalt ausgeübt hatte. Allerdings stellte er dafür nicht auf den genauen Tatort (auf iranischem Gebiet, aber nahe der Grenze zur 55 EGMR (Al-Skeini et al ./. Großbritannien), Urteil v. 07. 07. 2011 – 55721/07, § 149. Die Übertragung auf weitere Fälle sieht Milanovic damit als begrenzt an, Milanovic, Human Rights Treaties and Foreign Surveillance: Privacy in the Digital Age, Harv. Intl. Law J., Vol. 56 No. 1 (2015), 81 (118). 56 EGMR (Jaloud ./. Niederland), Urteil v. 20. 11. 2014 – 47708/08, § 16. 57 EGMR (Jaloud ./. Niederland), Urteil v. 20. 11. 2014 – 47708/08, § 152. 58 EGMR (Issa et al ./. Türkei), Urteil v. 16. 11. 2004 – 31821/96, §§ 4, 81. 59 EGMR (Issa et al ./. Türkei), Urteil v. 16. 11. 2004 – 31821/96, § 82. King stellt davon ausgehend die Vermutung auf, eine physische Ingewahrsamnahme sei keine notwendige Voraussetzung für das Vorliegen von Jurisdiktion, King, The Extraterritorial Human Rights Obligations of States, Human Rights Law Review 94 (2009), 521 (553).
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Türkei) ab. Überhaupt machte der Gerichtshof kaum Ausführungen zur Hoheitsgewalt, mit der Begründung, dass keine der Parteien die Ausübung von Hoheitsgewalt durch die Türkei bestritten habe.60 Die Türkei hatte indes nur in die Schadensersatzzahlung, die aus der Anwendbarkeit der EMRK folgte, eingewilligt, um die guten Beziehungen mit dem Iran nicht zu gefährden. Diese Anerkennung einer Zahlungsverpflichtung lässt keine Rückschlüsse auf die Frage der Hoheitsgewalt zu. Festzuhalten ist nach alledem, dass physische Kontrolle durch bestimmte gefestigte Strukturen ausgeübt werden kann, nicht jedoch allein durch einen physische Beeinträchtigung oder Verletzung des Betroffenen. (2) Besondere Gebietsbezogenheit des IPbpR Anders als die EMRK ist die Anwendung des IPbpR dem Wortlaut des Art. 2 Abs. 1 IPbpR nach gebietsbezogen.61 „Each State Party to the present Covenant undertakes to respect and to ensure to all individuals within its territory and subject to its jurisdiction the rights recognized in the present Covenant, (…).“62
Der Menschenrechtsausschuss der UN (im Folgenden UNHRC) stellte in López Burgos ./. Uruguay jedoch ausdrücklich fest, dass der Bezug zum Territorium eines Vertragsstaates nicht dessen Verantwortung für zurechenbare Handlungen ausschließen solle, die außerhalb des Staatsgebiets stattfinden.63 Der Entscheidung lag eine Entführung durch uruguayische Geheimdienstmitarbeiter in Argentinien, mit Unterstützung argentinischer paramilitärischer Gruppen, zugrunde. Der UNHRC betonte in dieser Entscheidung, die eine der ersten zur extraterritorialen Anwendung war, dass es für die Anwendung des IPbpR weniger auf den Ort ankomme, an dem der Eingriff stattfindet, als vielmehr auf die Verbindung zwischen dem Staat und dem
60 EGMR (Mansur PAD et. al ./. Türkei), Zulässigkeitsentscheidung v. 28. 07. 2007 – 60167/ 00, § 54; anders EGMR (Issa et al ./. Türkei), Urteil v. 16. 11. 2004 – 31821/96, § 81; a.A. King legt die Entscheidungen zu Issa und PAD so aus, dass auch die rein faktische Beeinträchtigung die Jurisdiktion begründen könnte, King, The Extraterritorial Human Rights Obligations of States, Human Rights Law Review 94 (2009), 521 (554 f.). Dagegen ist einzuwenden, dass der Gerichtshof ausdrücklich betont, dass er keine Aussage über die Frage der Extraterritorialität trifft. 61 Giegerich, Grund- und Menschenrechtsschutz im globalen Zeitalter: Neubewertung ihrer territorialen, personalen und internationalen Dimension in Deutschland, Europa und den USA, EuGRZ 2004, 758 (765). Eine Auslegung, welche auch ausländische Staatsbürger einbezöge, wurde bis zum Ende des Kalten Krieges überhaupt nicht bedacht, da der Einbezug von Ausländern unter den nationalen Schutz undenkbar erschien, Milanovic, Human Rights Treaties and Foreign Surveillance: Privacy in the Digital Age, Harv. Intl. Law J., Vol. 56 No. 1 (2015), 81 (108). 62 Art. 2 Abs. 1 IPbpR, Hervorhebungen nur hier. 63 UNHRC (Sergio Euben Lopez Burgos ./. Uruguay), Communication No. R.12/52, U.N. Doc. Supp. No. 40 (A/36/40) at 176 (1981), Ziff. 12.3.
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Individuum in Bezug auf den Eingriff.64 Der Ausschuss stützte seine Auslegung maßgeblich auf das Telos der Anwendungsklausel, einen möglichst weitgehenden Menschenrechtsschutz bereitzustellen.65 Im Ergebnis gelangte er dazu, dass der Gebietsbezug eine alternative, keine kumulative, Anwendungsvoraussetzung des IPbpR sei: Der Anwendungsbereich des IPbpR erfasse „all individuals within its territory as well as all individuals subject to its jurisdiction“.66 Die Vertragsstaaten werden damit auch außerhalb ihres Staatsgebiets an den Pakt gebunden.67 Ebenso wie der UNHRC geht der Internationale Gerichtshof (IGH) im Grundsatz von der Anwendbarkeit des IPbpR auf extraterritoriales Handeln aus.68 Die Literatur schließt sich dieser Auffassung größtenteils an und sieht eine Gefahr der Überforderung der Staaten, die Menschenrechte in Auslandskonstellationen zu gewährleisten, nur bei einer Verpflichtung zum Schutz von Rechten vor einer Verletzung durch Dritte, nicht hingegen bei der Verpflichtung eines Staates, eine Rechtsverletzung zu unterlassen, so dass die extraterritoriale Anwendung nicht aus diesem Grund ausgeschlossen werden dürfe.69
64 UNHRC (Sergio Euben Lopez Burgos ./. Uruguay), Communication No. R.12/52, U.N. Doc. Supp. No. 40 (A/36/40) at 176 (1981), Ziff. 12.2; In seiner concurring opinion kritisiert Tomuschat diese Formulierung als zu weit und zu ungenau. Im Ergebnis übereinstimmend, verweist er auf die Intention des Entwurfes, wonach den Vertragsstaaten nur solche Verpflichtungen nicht auferlegt werden sollten, die sie aufgrund der beschränkten Handlungsmöglichkeiten Auslandskonstellation nicht einhalten könne, UNHRC (Sergio Euben Lopez Burgos ./. Uruguay), Communication No. R.12/52, U.N. Doc. Supp. No. 40 (A/36/40) at 176 (1981), Individual Opinion Tomuschat; dazu King, The Extraterritorial Human Rights Obligations of States, Human Rights Law Review 94 (2009), 521 (524 und 528). 65 Gondek, Extraterritorial Application of the ECHR: Territorial Focus in the Age of Globalization?, NILR, Vol. 52, Issue 3 (2005), 349 (378). 66 UN Doc. CCPR/C/79/Add.25, § 9; Joseph / Schultz / Castan, The International Convenant on Civil and Political Rights, Ziff. 4.12; Nowak, U.N. Covenant on Civil and Political Rights 2. Aufl. (2005), Art. 2, Rn. 30. 67 UNHRC, General Comment No. 31: Nature of the General Legal Obligation on States Parties to the Covenant, UN Doc. CCPR/C/21/Rev.1/Add.13 v. 29. 03. 2004, Ziff. 10; siehe dazu auch Gondek, Extraterritorial Application of the ECHR: Territorial Focus in the Age of Globalization?, NILR, Vol. 52, Issue 3 (2005), 349 (379). 68 IGH (Legal Consequences of the Construction of a Wall in the Occupied Palestinian Territory – The Wall), Gutachten v. 09. 07. 2004, ICJ Rep. 2004, S. 136, §§ 107 – 113; Gondek, Extraterritorial Application of the ECHR: Territorial Focus in the Age of Globalization?, NILR, Vol. 52, Issue 3 (2005), 349 (379 f.). Es bleiben allerdings auch nach diesem Urteil viele Unklarheiten bestehen, dazu im Einzelnen King, The Extraterritorial Human Rights Obligations of States, Human Rights Law Review 94 (2009), 521 (528 f.). 69 UNHRC (Sergio Euben Lopez Burgos ./. Uruguay), Communication No. R.12/52, U.N. Doc. Supp. No. 40 (A/36/40) at 176 (1981), Individual Opinion Tomuschat; für diese Sichtweise plädiert auch Milanovic, Human Rights Treaties and Foreign Surveillance: Privacy in the Digital Age, Harv. Intl. Law J., Vol. 56 No. 1 (2015), 81 (110). Zur historischen Entwicklung des IPbpR siehe Nowak, U.N. Covenant on Civil and Political Rights 2. Aufl. (2005), Art. 2, Rn. 5 ff.
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Teil 2: Schutz personenbezogener Daten bei der Auslandsaufklärung
Aus dem Wortlaut des Art. 2 Abs. 1 IPbpR ergeben sich demnach keine weitergehenden Einschränkungen der extraterritorialen Anwendung als aus dem restriktiven Gebrauch des Begriffs „Hoheitsgewalt“ in der EGMR-Rechtsprechung. bb) Übertragung der EGMR-Rechtsprechung und Wertungen des UNHRC auf extraterritoriale Datenverwendungen Die Übertragung der Rechtsprechung auf Datenverwendungen erfolgt innerhalb der Kategorien „territorialbezogene“ (dazu Abschnitt (1)) und „personenbezogene“ (dazu Abschnitt (2)) Hoheitsgewalt.70 Die Übertragung der Auslegung des IPbpR wird gesondert betrachtet (dazu Abschnitt (3)). (1) Territorialbezogene Hoheitsgewalt Die genauen Voraussetzungen der territorialen Kontrolle sind zwar in hohem Maße einzelfallabhängig.71 In jedem Fall ist jedoch erforderlich, dass gefestigte Kontrollstrukturen in dem betreffenden fremden Gebiet etabliert wurden. Bei der Datenerhebung im Ausland müsste demnach territorialbezogene, strukturierte Staatsgewalt ausgeübt werden, die zusätzlich zur und unabhängig von der Datenerhebung vorliegt. Entsprechend dem Fall Al-Skeini reicht die Übertragung der Verantwortung für die öffentliche Sicherheit allein nicht aus, um solche gefestigte Strukturen zu begründen. Die Entscheidung zu Issa zeigt außerdem, dass es für die Etablierung territorialbezogener Hoheitsgewalt nicht ausreichet, wenn die Daten während der bloßen Anwesenheit deutscher Soldaten erhoben werden, ohne dass gefestigte Strukturen dieser faktischen Machtausübung bestünden. Solche Strukturen waren in den Fällen Loizidou und Zypern die ständige Kontrollen des Gebiets sowie check points an den Hauptverkehrswegen. Darüber hinaus verlangt der EGMR für eine territoriale Kontrolle die ausschließliche Verantwortlichkeit des betroffenen Staates 70
Milanovic beschäftigt sich mit der Übertragung der Kriterien auf Telekommunikationsüberwachung in Milanovic, Human Rights Treaties and Foreign Surveillance: Privacy in the Digital Age, Harv. Intl. Law J., Vol. 56 No. 1 (2015), 81. Die Gutachter im NSA-Untersuchungsausschuss haben sich ebenfalls mit der Frage der Grund- und Menschenrechtsbindung im Ausland beschäftigt, Bäcker, Stellungnahme zur Anhörung des NSA-Untersuchungsausschuss, 22. 05. 2014, S. 21; Talmon, Sachverständigengutachten NSA-Untersuchungsausschuss, 02. 06. 2014; Gaycken, Sachverständigengutachten „IT-Infrastruktur“ NSA-Untersuchungsausschuss 19. 06. 2014. Und auch auf europäischer Ebene wurde sich mit der Anwendung der Menschenrechte auf die Telekommunikationsüberwachung auseinander gesetzt, siehe nur Kommissar für Menschenrechte, Europäische Kommission, Human rights at risk when secret surveilance spreads, abrufbar unter https://www.coe.int/az/web/commissioner/-/humanrights-at-risk-when-secret-surveillance-sprea-1 (zuletzt abgerufen am 10. 07. 2016). 71 Man könnte sogar so weit gehen anzunehmen, dass die Begründungen des Gerichts wegen ihrer fehlenden Systematik willkürlich sind, Milanovic, Human Rights Treaties and Foreign Surveillance: Privacy in the Digital Age, Harv. Intl. Law J., Vol. 56 No. 1 (2015), 81 (117).
A. Fallkonstellation 1
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für die öffentliche Sicherheit und Ordnung, welche beim UK im ISAF-Einsatz fehlte.72 Dieser Einschätzung schloss sich auch die Literatur an.73 Aust nimmt indes an, dass territorialbezogene Hoheitsgewalt bereits dann vorliege, wenn die Soldaten Daten im Rahmen der Ausübung öffentlicher Verwaltungsaufgaben oder der Herstellung und Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit erheben, ohne dass er auf weitere Anforderungen struktureller Art abstellen würde.74 Wenn allerdings in einem Fall wie dem ISAF-Einsatz für eine der maßgeblichen Einsatzkräfte wie dem UK eine effektive Kontrolle abgelehnt wird, ist nicht davon auszugehen, dass dies bei einem Staat wie der Bundesrepublik, der weniger stark involviert war, anders entschieden würde.75 Andere Einsätze der Bundeswehr zeichnen sich in noch stärkerem Maße durch ihren rein unterstützenden Charakter und durch kurzzeitige, speziell ausgerichtete Vorgehensweisen aus.76 Es ist deshalb nicht davon auszugehen, dass der EGMR in diesen Fällen eine territorialbezogene Hoheitsgewalt bei der Datenerhebung bejahen wird. 72
EGMR (Al-Skeini et al ./. Großbritannien), Urteil v. 07. 07. 2011 – 55721/07, § 149 ff. Krieger, Die Verantwortlichkeit Deutschlands nach der EMRK für seine Streitkräfte im Auslandseinsatz, ZaöRV 62 (2002), 669 (677); Peters / Altwicker, EMRK, 2. Aufl. (2012), § 35 Rn. 9; Erberich stellt deshalb auf die Hoheitsgewalt über bestimmte Personen ab, um im Rahmen des ISAF-Einsatzes die EMRK anzuwenden, Erberich, Auslandseinsätze der Bundeswehr und EMRK (2004), S. 156; Weingärtner, Zur Geltung des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte und Grundrechte im Rahmen von Auslandseinsätzen der Bundeswehr, in: Weingärtner, Streitkräfte und Menschenrechte (2008), 83 (85); Spies, Die Bedeutung von „Rules of Engagement“ in multinationalen Operationen, in: Weingärtner, Einsatz der Bundeswehr im Ausland (2007), 115 (125); Schaller hält die EMRK im ISAFEinsätz nur dann für anwendbar, wenn deutsche Soldaten Personen inhaftieren, Schaller, Rechtssicherheit im Auslandseinsatz, SWP-Aktuell 67, (Dezember 2009), 1 (4). 74 Aust, Stellungnahme zur Sachverständigenanhörung am 05. 06. 2014 des 1. UA der 18. Wahlperiode des Deutschen Bundestags, Ziff. 35. 75 Vgl. die UN SC Res. 1386 (2001), 1413 (2002), sowie das Petersburger Abkommen der Afghanistan Konferenz und das Military Technical Agreement beließen die Verantwortung für Herstellung von Sicherheit und Ordnung bei den afghanischen Behörden selbst. Die ISAF sollte lediglich Unterstützungsfunktion haben und nicht an die Stelle der afghanischen Interimsregierung treten. So das Truppenstationierungsabkommen / Military Technical Agreement zwischen der ISAF und der afghanischen Übergangsregierung, indem der ISAF als grundlegende Aufgabe / Verpflichtung (lediglich) die Unterstützung zur Aufrechterhaltung der Sicherheit (Art. 1) festgelegt ist, und die Übergangsregierung es in Art. 3 als ihre Verantwortung anerkennt, die Maßnahmen zur Aufrechterhaltung von Sicherheit und Ordnung zu gewährleisten und alle afghanischen Militäreinheiten unter ihrem Kommando zu haben. 76 BT-Drs. 14/7930 v. 21. 12. 2001, Antrag der Bundesregierung Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an dem Einsatz einer Internationalen Sicherheitsunterstützungstruppe in Afghanistan auf Grundlage der Resolutionen 1386 (2001), 1383 (2001) und 1378 (2001) des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen, Ziff. 3; BT-Drs. 15/1700 v. 15. 10. 2003, Antrag der Bundesregierung Fortsetzung und Erweiterung der Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an dem Einsatz einer Internationalen Sicherheitsunterstützungstruppe in Afghanistan auf Grundlage der Resolutionen 1386 (2001) vom 20. Dezember 2001, 1413 (2002) vom 23. Mai 2002, 1444 (2002) vom 27. November 2002 und 1510 (2003) vom 13. Oktober 2003 des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen, Ziff. 1. 73
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Teil 2: Schutz personenbezogener Daten bei der Auslandsaufklärung
(2) Personenbezogene Hoheitsgewalt Im Vergleich zur territorialbezogenen Hoheitsgewalt erscheint die Übertragung der Rechtsprechung zur personenbezogenen Hoheitsgewalt erfolgsversprechender, um die Datenerhebung von Soldaten im Ausland zum Zwecke der Auslandsaufklärung effektiv im Anwendungsbereich der Menschenrechtsverträge zu erfassen. Eindeutig sind dabei solche Fälle, in denen die Datenerhebung innerhalb einer diplomatischen Vertretung oder einem Konsulat erfolgt. Hierbei ist regelmäßig von der Ausübung deutscher, personenbezogener Hoheitsgewalt auszugehen. Gleichermaßen könnte entsprechend den bisher aufgestellten Kriterien der Rechtsprechung in den folgenden Konstellationen personenbezogene Hoheitsgewalt in Form der physischen Kontrolle angenommen werden: bei einer Festnahme, im Rahmen einer Inhaftierung, der Kontrolle über die Besatzung eines Schiffs unter eigener oder fremder Flagge. Darüber hinaus kann personenbezogene Kontrolle gegeben sein, soweit die Datenerhebung innerhalb eines Gebiets stattfindet, in dem ein Staat die ausschließliche Verantwortung für die öffentliche Sicherheit und Ordnung innehält, sowie an check points und in UN buffer zones. Die derzeitigen und die absehbaren Einsätze deutscher Soldaten und damit verbundene Datenerhebungen zeichnen sich hingegen durch rein unterstützende Tätigkeiten und gezielten Einzelaktionen in räumlich nicht strukturiert kontrollierten Bereichen aus.77 In diesen Fällen wird lediglich die Datenverarbeitung selbst ausgeführt, aber keine darüber hinausgehende Kontrolle über die betreffende Person ausgeübt.78 Diese Konstellationen stellen mithin Fälle der schlichten Gewaltausübung dar. Wie oben bereits ausgeführt, soll die potentielle Konventionsverletzung als solche – hier die Datenerhebung – nicht ausreichen, um personenbezogene Hoheitsgewalt in Form physischer Kontrolle auszuüben. Entsprechend der Dop77 Zu Atalanta BT-Drs. 18/4769 v. 29. 04. 2015 Antrag der Bundesregierung Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an der EU-geführten Operation Atalanta zur Bekämpfung der Piraterie vor der Küste Somalias auf Grundlage des Seerechtsübereinkommens der Vereinten Nationen (VN) von 1982 und der Resolutionen 1814 (2008) vom 15. Mai 2008, 1816 (2008) vom 2. Juni 2008, 1838 (2008) vom 7. Oktober 2008, 1846 (2008) vom 2. Dezember 2008, 1851 (2008) vom 16. Dezember 2008, 1897 (2009) vom 30. November 2009, 1950 (2010) vom 23. November 2010, 2020 (2011) vom 22. November 2011, 2077 (2012) vom 21. November 2012, 2125 (2013) vom 18. November 2013, 2184 (2014) vom 12. November 2014 und nachfolgender Resolutionen des Sicherheitsrates der VN in Verbindung mit der Gemeinsamen Aktion 2008/851/GASP des Rates der Europäischen Union (EU) vom 10. November 2008, dem Beschluss 2009/907/GASP des Rates der EU vom 8. Dezember 2009, dem Beschluss 2010/437/GASP des Rates der EU vom 30. Juli 2010, dem Beschluss 2010/766/GASP des Rates der EU vom 7. Dezember 2010, dem Beschluss 2012/174/GASP des Rates der EU vom 23. März 2012 und dem Beschluss 2014/827/GASP vom 21. November 2014, Ziff. 3 g; zu EUNAVFOR UN SC S/Res/2020 (2011) v. 22. 11. 2011. 78 Vgl. beispielsweise Art. 2 Abs. 1 und 2 Statute of Force Agreement zwischen der NATO und dem afghanischen Regeirung. Art. 1 Abs. 2 Military Technical Agreement between the International Security Assistance Force (ISAF) and the Interim Administration of Afghanistan. U.S. Center for Army Lessons Learned, Commander’s Guide to Biometrics in Afghanistan (April 2011), S. 12.
A. Fallkonstellation 1
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pelstruktur genügt eine physische Beeinträchtigung allein nicht, um den Anwendungsbereich der EMRK zu eröffnen. Die einfache Erhebung von Daten vermag die Kontrolle über eine Person und damit der Hoheitsgewalt im Sinne des Art. 1 EMRK nicht zu begründen. Mit anderen Worten reicht die Staatsgewalt über das Eingriffsobjekt (das Datum) allein nicht aus, um den Schutz der EMRK auszulösen.79 Für die Fälle der Datenerhebung durch deutsche Soldaten im Ausland lässt sich somit festhalten, dass die Anforderungen, die die bisherige Rechtsprechung an die Ausübung effektiver Hoheitsgewalt stellt, regelmäßig nicht erfüllt sind, da es an gefestigten Kontrollstrukturen fehlt. Zu bemerken ist zuletzt, dass auch die Literatur die Anwendung der EMRK auf reine Gewaltausübungen, ohne eine begleitende Autoritätsausübung, als faktische Beeinträchtigungen größtenteils ablehnt.80 (3) IPbpR Die Auslegung des Anwendungsbereichs des IPbpR und dementsprechend auch die Übertragung der Anwendungsvoraussetzungen auf Datenvorgänge läuft größtenteils parallel zur EMRK. Tendenziell zeigt sich der UNHRC allerdings noch besorgter gegenüber der umfassenden Überwachung durch Nachrichtendienste und gleichzeitig offener als der EGMR gegenüber einer extraterritorialen Anwendung der Menschenrechte.81 Auch wenn bislang diesbezüglich keine abschließende Entscheidung ergangen ist, liegt es deshalb nahe, dass der UNHRC diese weite Anwendung des IPbpR auch auf Datenerhebungen beziehen würde. Eine Herausforderung, diese Auslegung des extraterritorialen Anwendungsbereichs des IPbpR in der Staatenpraxis umzusetzen, ist die zurückhaltende bis ablehnende Haltung der Vertragsstaaten. Insbesondere die USA lehnen eine extrater79 Talmon, Sachverständigengutachten NSA-Untersuchungsausschuss, 02. 06. 2014, Ziff. 4. Vgl. dazu EGMR (Bankovic ./. Belgien et al), Urteil v. 12. 12. 2001 – 52207/99 , § 82; EGMR (Issa et al ./. Türkei), Urteil v. 16. 11. 2004 – 31821/96, § 75; Krieger, Die Verantwortlichkeit Deutschlands nach der EMRK für seine Streitkräfte im Auslandseinsatz, ZaöRV 62 (2002), 669 (672). 80 So sieht zum Ergebnis der Rechtsprechung EGMR (Bankovic ./. Belgien et al), Urteil v. 12. 12. 2001 – 52207/99 auch Salomon, Die internationale Strafverfolgungsstrategie gegenüber somalischen Piraten (2017), S. 281; Der Einzelakt dehne nach Krieger nicht den rechtlichen Herrschaftsraum eines Staates aus, auf dessen Grundlage der Schutz durch die EMRK zu eröffnen wäre. Dies ergebe sich aus dem Erfordernis eines dauerhaften und organisierten Ausübung von Hoheitsgewalt, Krieger, Die Verantwortlichkeit Deutschlands nach der EMRK für seine Streitkräfte im Auslandseinsatz, ZaöRV 62 (2002), 669 (672); ebenso Röben zu reinen Kampfhandlungen, Röben, in: Dörr / Grote / Marauhn, EMRK/GG (2013), Kap. 5, Rn. 113; a.A. Arnauld, der nicht nur finale Maßnahmen unter den Schutz der EMRK stellen will, sondern auch Bombardierungen. Aus Sicht des Betroffenen mache es keinen Unterschied, ob er von einem Polizisten erschossen oder von einer Bombe getroffen werde, Arnauld, Das (Menschen-) Recht im Auslandseinsatz, in: Weingärtner, Streitkräfte und Menschenrechte (2008), 61 (67). 81 Siehe bereits UN HRC, General Comment No. 16: Art. 17 (Right to Privacy) v. 08. 04. 1988, Ziff. 8. Vgl. dazu auch die großzügigen Annahme der extraterritorialen Anwendung von Menschenrechtsverträgen durch den IGH in Milanovic, Human Rights Treaties and Foreign Surveillance: Privacy in the Digital Age, Harv. Intl. Law J., Vol. 56 No. 1 (2015), 81 (111).
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Teil 2: Schutz personenbezogener Daten bei der Auslandsaufklärung
ritoriale Anwendung des IPbpR auch dann ab, wenn ausreichend Hoheitsgewalt im Sinne der Rechtsprechung vorliegt. Seit der Obama-Administration wird die extraterritoriale Anwendbarkeit allerdings nicht mehr mit derselben Deutlichkeit abgelehnt.82 Nach den Wahlen 2016 hat sich diese Haltung allerdings wieder geändert.83 Doch nicht nur die USA, die sich typischerweise nicht an den IPbpR gebunden fühlen, sind hier zu nennen.84 Auch die Bundesregierung äußerte sich nicht eindeutig zur extraterritorialen Anwendbarkeit und hält sich argumentative Rückzugsräume offen. Ihre Erklärung zur extraterritorialen Anwendbarkeit des IPbpR, „Deutschland sichert bei Einsätzen seiner Polizei- oder Streitkräfte im Ausland, insbesondere im Rahmen von Friedensmissionen, allen Personen, soweit sie seiner Herrschaftsgewalt unterstehen, die Gewährung der im Pakt anerkannten Rechte zu. Die internationalen Aufgaben und Verpflichtungen Deutschlands, insbesondere zur Erfüllung der Verpflichtungen aus der Charta der Vereinten Nationen, bleiben unberührt“,85
enthält kein eindeutiges Bekenntnis zur Anwendung des Pakts auf extraterritoriale Sachverhalte.86 Der Erklärung lässt sich lediglich entnehmen, dass die Bundesrepublik Deutschland den Schutz der Rechte von sich aus gewährt – und nicht unbedingt etwa, weil der Pakt dies fordern würde. Daraus resultieren Unsicherheiten für den Menschenrechtsschutz, denn eine bloße Zusicherung könnte als einseitiger Akt auch wieder einseitig geändert oder gar widerrufen werden.87 Als weitere Unklarheiten kommt hinzu, dass die Erklärung den Begriff „Herrschaftsgewalt“ verwendet. Versteht man diesen im Sinne einer effektiven Kontrolle, wäre man auch hier wieder am Ausgangspunkt der Frage, worin diese effektive Hoheitsgewalt bestehen kann. 82 Zur Ablehnung der extraterritorialen Anwendbarkeit siehe U.S. Department of State, Office of the Legal Adviser, Digest of United State Practice in Internationale Law (2006), S. 347; U.S. Department of State, Fourth Periodic Report of the United States of America to the United Nations Committee in Human Rights Concerning the International Covenant on Civil and Political Rights, Washington, D.C., 30. 10. 2011, Ziff. 505; zu der Formulierung der Obama-Regierung siehe U.N. Human Rights Comm., Consideration of Reports Submitted by States Parties Under Article 40 of the Convenant: Fourth Periodic Report, para. 505, U.N. Doc. CCPR/C/USA/4 v. 22. 05. 2012. Talmon, Sachverständigengutachten NSA-Untersuchungsausschuss, 02. 06. 2014, Ziff. 12; Milanovic, Human Rights Treaties and Foreign Surveillance: Privacy in the Digital Age, Harv. Intl. Law J., Vol. 56 No. 1 (2015), 81 (106). 83 Zuversichtlich einer umfassenden extraterritorialen Anwendung durch die USA gegenüber steht Milanovic, Human Rights Treaties and Foreign Surveillance: Privacy in the Digital Age, Harv. Intl. Law J., Vol. 56 No. 1 (2015), 81 (108). 84 Schilling, Is the United States bound by the ICCPR in relation to occupied territories?, N.Y.U. School of Law, Global law Working Paper 08704 (2004), 1 (4 f.). 85 Stellungnahme der Bundesregierung zu Absatz 23, Satz 1 der Abschließenden Bemerkungen des Menschenrechtsausschusses der Vereinten Nationen zum 5. Staatenbericht der Bundesrepublik Deutschland nach Art. 40 des IPbpR vom 30. März 2004 (CCPR/CO/80/DEU). 86 Siehe dazu auch Stoltenberg, Auslandseinsätze der Bundeswehr im menschenrechtlichen Niemandsland?, ZRP 2008, 111 (114). 87 Siehe dazu auch Stoltenberg, Auslandseinsätze der Bundeswehr im menschenrechtlichen Niemandsland?, ZRP 2008, 111 (114).
A. Fallkonstellation 1
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(4) Ergebnis – Geringer extraterritorialer Schutzumfang durch Menschenrechtsverträge Die Konsequenz der Übertragung der Rechtsprechung zu extraterritorialen Sachverhalten ist die Erkenntnis, dass wenige Fälle der Auslandsaufklärung durch deutsche Soldaten vom Anwendungsbereich der Menschenrechtsverträge erfasst werden: Die Struktur dieser Einsatzform entspricht häufig nicht den Anforderungen, nach denen Hoheitsgewalt im Sinne der Anwendungsklauseln der Menschenrechtsverträge ausgeübt wird. Die extraterritoriale Anwendbarkeit der Menschenrechtsverträge ist vom Vorliegen einer effektiven territorial- oder personenbezogenen Kontrolle über eine Person abhängig. Da die EMRK grundsätzlich territorial ausgerichteten Schutz bietet,88 ist die Anwendbarkeit der Menschenrechte auf extraterritoriale Sachverhalte stets begründungsbedürftig. Daraus ergibt sich ein Regel-Ausnahme-Verhältnis der Anwendbarkeit und des Schutzumfangs. Dabei ist die Regel die innerterritoriale Anwendung und die Ausnahme die extraterritoriale Anwendung. Die Begründungslast des Anspruchstellers für die Anwendbarkeit der EMRK ist bei extraterritorialen Sachverhalten entsprechend größer als bei rein inländischen Sachverhalten.89 Dies widerspricht dem Anspruch der Menschenrechte, universell und effektiv Schutz zu vermitteln.90 Die Rechtsprechung hat außerdem bislang nur wenig konkrete Anhaltspunkte dafür geliefert, wann eine effektive Kontrolle und damit Hoheitsgewalt vorliegt. Die bisherigen Urteile zeigen allenfalls, dass isolierte Handlungen durch die Staatsgewalt nicht den Anwendungsbereich der Menschenrechtsverträge eröffnen. Zugespitzt bedeutet diese Wertung aber auch: Es ist aus Staatensicht taktisch klüger, einen Menschen direkt zu erschießen als ihn vorher in Gewahrsam zu nehmen.91 In Bezug auf Datenerhebungen bedeutet die bisherige Rechtsprechung im Wesentlichen die Nichtanwendung des menschenrechtlichen Schutzes. Denn Datenerhebungen erfolgen typischerweise, ohne dass vorher eine 88
Higgins, Problems and Process: International Law and how we use it, (1994), S. 74. Rensmann bezeichnet dies als hohen Grad von Rechtsunsicherheit bei der Anwendbarkeit auf extraterritoriale Fälle, Rensmann, Die Anwendbarkeit von Menschenrechten im Auslandseinsatz in Weingärtner, Einsatz der Bundeswehr im Ausland (2007), 49 (50). 90 So für die EMRK Bothe, Humanitäres Völkerrecht und Schutz der Menschenrechte: Auf der Suche nach Synergien und Schutzlücken, FS Tomuschat (2006), 63 (69). Rensmann bezeichnet die Entscheidung des EGMR zu Bankovic aus dem Jahr 2001 als „neues dogmatisches Fundament“, Rensmann, Die Anwendbarkeit von Menschenrechten im Auslandseinsatz, in: Weingärtner, Einsatz der Bundeswehr im Ausland (2007), 49 (49); Gondek, Extraterritorial Application of the ECHR: Territorial Focus in the Age of Globalization?, NILR, Vol. 52, Issue 3 (2005), 349 (353). Der Universalitätsanspruch komme auch in der Präambel der EMRK (und des IPbpR) zum Ausduck, Arnauld, Das (Menschen-)Recht im Auslandseinsatz, in: Weingärtner, Streitkräfte und Menschenrechte (2008), 61 (64). 91 Salomon, Die internationale Strafverfolgungsstrategie gegenüber somalischen Piraten (2017), S. 281; McGoldrick, Extraterritorial Application of the International Convenant on Civil and Political Rights, in: Coomans / Kamminga, Extraterritorial Application of Human Rights Treaties (2004), 41 (72, dort Fn. 132). 89
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Teil 2: Schutz personenbezogener Daten bei der Auslandsaufklärung
davon getrennte physische Kontrolle über die betroffene Person ausgeübt wurde.92 Dies gilt insbesondere bei den zahlreichen Datenverwendungen, die zur Eigensicherung oder zur Grenzkontrolle vorgenommen werden und die den Großteil der datenrelevanten Aktivitäten der Bundeswehr ausmachen. Stellt man mithin darauf ab, dass entweder territoriale oder personenbezogene Kontrolle über die Person ausgeübt werden muss, deren Daten erhoben werden, um die EMRK und den IPbpR anwenden zu können, führt dies zu einer Verringerung des Schutzumfangs bei der Auslandsaufklärung durch Soldaten. Der Präsident des Gerichtshofs Wildhaber erläuterte in seiner Eröffnungsrede für das Jahr 2002, dass sich die Rechtsprechung des EGMR angesichts des 11. September in einem prekären Umfeld befinde, in dem der EMRK nicht die Wirkung zukommen dürfe, die Anstrengungen der Staaten im Kampf gegen den Terrorismus mit verhältnismäßigen Mitteln zur Verteidigung der Demokratien und Rechtsstaatlichkeit zu behindern.93 Doch angesichts der weitreichenden Eingriffsmöglichkeiten, die durch die vermehrten Auslandseinsätze von Soldaten und die Globalisierungsbestrebungen sämtlicher staatlichen Bereiche bestehen, ist die Fokussierung auf den beschränkenden Aspekt der Jurisdiktionsklausel nicht mehr angemessen.94 Hinzu kommt, dass sich die politischen Rahmenbedingungen seit dem 11. September 2001 nicht nur geändert, sondern vielmehr verschärft haben. Es ist also vor dem Hintergrund des Selbstverständnisses des EGMR, die Vertragsstaaten nicht unnötig in ihrem Kampf gegen den Terrorismus zu behindern, davon auszugehen, dass auch in Zukunft und in Bezug auf neue Technologien wie die Datenerhebung und -nutzung die EMRK bei extraterritorialen Sachverhalten nur ausnahmsweise angewandt wird. Die Lücken in der Anwendbarkeit der EMRK nutzten die Staaten bereits in der Vergangenheit – in Verbindung mit anderen Konventionsverstößen als Datenein92
So brachten die Beklagten, unter ihnen auch die Bundesrepublik, in dem Verfahren zu Bankovic vor, dass die EMRK gerade nicht bereits dann anwendbar sei, wenn das Verhalten eines Staatsorgans im Ausland Auswirkungen auf ein potenziell geschütztes Rechtsgut mit sich bringe. Art. 1 EMRK verlange für die Anwendbarkeit mehr als nur einen Akt von Staatsgewalt, EGMR (Bankovic ./. Belgien et al), Urteil v. 12. 12. 2001 – 52207/99, § 40. 93 Wildhaber, Speech given by Mr. Luzius Wildhaber, President of the European Court of Human Rights, on the Occasion of the opening of the judicial year, Strasbourg, 31. 01. 2002, S. 20; dazu Lawson, Life after Bankovic, in: Coomans / Kamminga, Extraterritorial Application of Human Rights Treaties (2004), 83 (115); zur politischen Einordnung der Bankovic Rechtsprechung siehe auch Gondek, Extraterritorial Application of the ECHR: Territorial Focus in the Age of Globalization?, NILR, Vol. 52, Issue 3 (2005), 349 (356). Siehe zur Einstimmigkeit mit der dieses Urteil fiel Gondek, Extraterritorial Application of the ECHR: Territorial Focus in the Age of Globalization?, NILR, Vol. 52, Issue 3 (2005), 349 (370). 94 Die Rechtsprechung des IGH bezüglich der Anwendbarkeit des IPbpR entspricht den Ansätzen der EGMR-Rechtsprechung, ist allerdings, aufgrund der geringeren Anzahl von Entscheidungen, weniger aussagekräftig, als die Rechtsprechung des EGMR, weshalb eine Fokussierung auf letzteres erfolgt. Im Übrigen ist der IGH großzügiger in Bezug auf die extraterritoriale Anwendbarkeit von Menschenrechtsverträgen. Dazu Milanovic, Human Rights Treaties and Foreign Surveillance: Privacy in the Digital Age, Harv. Intl. Law J., Vol. 56 No. 1 (2015), 81 (111).
A. Fallkonstellation 1
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griffen –, um einer Verantwortlichkeit zu entgehen. Ohne auf die Fallkonstellation 3 vorgreifen zu wollen, sei bereits hier gesagt, dass die Bundesregierung stets versucht, die Rechtsbindung des BND bei dessen Auslandsaktivitäten abzuwenden. Ähnlich würde sie sich wohl in einem Verfahren verhalten, in dem die Erhebung von Daten durch Bundeswehrsoldaten im Vordergrund steht. Wenn auch gerichtliche Entscheidungen zu Datenerhebungen durch Soldaten noch ausstehen, so deutet sich doch bereits jetzt an, dass die Bundesregierung die Anwendbarkeit der EMRK ablehnt.95 Ihr stehen dabei große Handlungsspielräume und argumentative Rückzugsräume zur Verfügung. Zusätzlich dazu vertritt die Bundesregierung die Auffassung, dass die Erfüllung eines Mandats des UN-Sicherheitsrats nicht durch die Gewährleistung der Rechte des IPbpR verhindert werden dürfte.96 Diese Aussage ließe sich als Freischreibung von menschenrechtlichen Verpflichtungen deuten. Die Vorbehalte der Bundesregierung gegenüber menschrechtlichen Verpflichtungen begründen sich in der Befürchtung, dass die Handlungsmöglichkeiten der Bundeswehrsoldaten und ihr eigener außenpolitischer Spielraum eingeschränkt würden.97 Untersucht man deutsche Auslandseinsätze im Hinblick auf den Aspekt der Datenerhebung, zeichnet sich deutlich ab, dass die Bundesregierung sich nicht in der Verantwortung sieht, Schutz zu gewähren.98 Angesichts des politisch prekären Umfelds, in dem sich der EGMR insbesondere wegen des andauernden Kampfs gegen den Terrorismus befindet, ist davon auszugehen, dass dem Datenschutz in seiner bisherigen Form auch in Zukunft keine besondere Bedeutung zugemessen werden wird. b) Extraterritorialer Schutz durch Grundrechte Ebenso wie im Rahmen der Menschenrechte ist der tatsächlich bestehende Schutz durch Grundrechte im Verhältnis zum Grundkonzept Datenschutz geringer, wenn sie im Ausland wirken sollen.99 Dies beruht auf der insofern modifizierten Anwendung 95
BVerfGE 100, 313 (338 ff.). Weingärtner, Zur Geltung des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte und Grundrechte im Rahmen von Auslandseinsätzen der Bundeswehr, in: Weingärtner, Streitkräfte und Menschenrechte (2008), 83 (86). 97 So war die EMRK bereits bei ihrer Entstehung „not designed to be applied throughout the world, even in respect of the conduct of Contracting States“, EGMR (Bankovic ./. Belgien et al), Urteil v. 12. 12. 2001 – 52207/99, § 80. Diese Abneigung ist allerdings unbegründet, da sich aus der Bindung an Grund- und Menschenrechte allein noch nicht ergibt, dass alle Datenerhebungen und -verwendungen zu unterlassen sind. Vielmehr besteht die Möglichkeit, einen Eingriff zu rechtfertigen, vgl. dazu Milanovic, Human Rights Treaties and Foreign Surveillance: Privacy in the Digital Age, Harv. Intl. Law J., Vol. 56 No. 1 (2015), 81 (120). 98 BT-Drs. 17/6862 v. 26. 08. 2011, Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Ulla Jelpke, Christine Buchholz, Inge Höger, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 17/6744 – Biometrische Erfassung von Afghaninnen und Afghanen durch die Bundeswehr, Antwort zu Frage 1c. 99 Zum Begriff der „Geltung“ von Grundrechten im Ausland siehe Elbing, Zur Anwendbarkeit der Grundrechte bei Sachverhalten mit Auslandsbezug (1992), S. 46. 96
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des Grundrechtsschutzes durch die Rechtsprechung sowie einer weiten Einschätzungsprärogative der Bundesregierung in solchen Fällen (dazu Abschnitt aa)). Die bisher lückenhafte Rechtsprechung zur Auslandsgeltung der Grundrechte eröffnet der Verwaltung Konkretisierungsspielräume, die diese nutzen kann, um einer Grundrechtsbindung bei der Auslandsaufklärung zu entgehen. Infolgedessen ist der Schutzumfang im Vergleich zur Grundkonstellation des Datenschutzes eingeschränkt, legt man die selben Maßstäbe an die Entscheidungen zu Datenerhebungen an (dazu Abschnitt bb)). Bezüglich der Reichweite von Grundrechten im Fall von Datenerhebungen, die von deutschen Soldaten im Rahmen der Auslandsüberwachung durchgeführt werden, bestehen bislang kaum gesicherte Rechtserkenntnisse.100 Fruchtbar gemacht werden deshalb Entscheidungen und Aussagen der Gerichte zu vergleichbaren Fällen. aa) Extraterritoriale Grundrechtsbindung Der Schwerpunkt der Betrachtung der extraterritorialen Grundrechtsbindung liegt in der konkreten Ausgestaltung des materiellen Schutzumfangs.101 Anders als im Rahmen der EGMR-Rechtsprechung hängt der Grundrechtsschutz maßgeblich vom Umfang der behördlichen Einschätzungsprärogative ab. Der EGMR gewährt den Vertragsstaaten zwar auch einen weiten „margin of appreciation“, um die nationalen Sicherheitsinteressen auszugestalten.102 Doch verortet er die Frage der extraterritorialen Anwendung der EMRK stets bei Art. 1 EMRK. Das BVerfG fokussiert sich bei extraterritorialen Sacherhalten indes auf die Einschätzungsprärogative der Verwaltung und deren Umfang (dazu Abschnitt (1)). Die Aussagen der Literatur laufen mit dieser Wertung weitgehend parallel (dazu Abschnitt (2)).
100 Siehe zu den Unsicherheiten im Zusammenhang mit extraterritorialer Sachverhalte und der sich daraus ergebenden „mangelnden Prognostizierbarkeit“ Elbing, Zur Anwendbarkeit der Grundrechte bei Sachverhalten mit Auslandsbezug (1992), S. 171 ff. 101 Vgl. nur BVerfGE 100, 313 (362). 102 EGMR (Roman Zakharov ./. Russia), Urteil v. 04. 12. 2015 – 47143/06, § 232. EGMR (Weber u. Saravia ./. Deutschland), Entscheidung v. 29.06. 2006 – 54934/00, § 106; EGMR (S. und Marper ./. Großbritannien), Urteil v. 04. 12. 2008 – 30562/04 u. a., § 102; Marauhn / Thorn, in: Dörr / Grote / Marauhn, EMRK/GG (2013), Kap. 16 Rn. 24; Dijk / Hoof, Theory and Practise of the European Convention on Human Rights 2. Aufl. (1990), S. 583 ff.; EGMR (Leander ./. Schweden), Urteil v. 26. 03. 1987 – 9248/81, § 59; Milanovic, Human Rights Treaties and Foreign Surveillance: Privacy in the Digital Age, Harv. Intl. Law J., Vol. 56 No. 1 (2015), 81 (137).
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(1) BVerfG-Rechtsprechung Die Bindung deutscher Soldaten an die Grundrechte in extraterritorialen Sachverhalten ist bis heute nicht abschließend geklärt.103 In einer frühen Entscheidung zog das BVerfG zur Feststellung der extraterritorialen Grundrechtsbindung das Wirkungskriterium heran. Danach sei eine Grundrechtsbindung anzunehmen, wenn deutsche Hoheitsgewalt im Ausland in zurechenbarer Weise Wirkung entfaltete.104 In den nachfolgenden Entscheidungen wählte das Gericht hingegen Art. 1 Abs. 3 GG als Ausgangspunkt für die Frage, wann die deutsche Staatsgewalt in Sachverhalten mit Auslandsbezug an die Grundrechte gebunden ist.105 Dem Wortlaut des Art. 1 Abs. 3 GG zufolge sind die Gesetzgebung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung unmittelbar und ohne weitere räumliche Einschränkung zur Wahrung der Grundrechte verpflichtet. Die Grundrechtsdogmatik, nach der auch faktische Beeinträchtigungen einen Eingriff in Grundrechte darstellen, gilt für Auslandssachverhalte in gleichem Maße.106 Eine Differenzierung der Anwendung des modernen Eingriffsbegriffs nach Inlands- und Auslandssachverhalt entspricht nicht der umfassenden Bindung der Staatsgewalt aus Art. 1 Abs. 3 GG.107 103 Lorenz, Der territoriale Anwendungsbereich der Grund- und Menschenrechte (2005), S. 141; Wissenschaftliche Dienste Deutscher Bundestag, Zur strategischen Auslands-Fernmeldeüberwachung in Bezug auf Unionsbürger nach § 6 Abs. 3 Bundesnachrichtendienstgesetz-Entwurf, v. 06. 07. 2016, S. 4; zur fehlenden aber notwendigen Konzeption eines Grundrechtskollisionsrechts siehe Elbing, Zur Anwendbarkeit der Grundrechte bei Sachverhalten mit Auslandsbezug (1992), S. 33. 104 BVerfGE 6, 290 (295); Schaller, Kommunikationsüberwachung durch den BND, SWPStudie S 7 (April 2016), 1 (19); Höfling sieht die Gefahr eines Zirkelschlusses, wenn man auf das Wirkungskriterium abstellt, Höfling, in: Sachs, GG 7. Aufl. (2014), Art. 1, Rn. 89; zur Auflösung eines solchen Zirkelschlusses durch die Subordinationstheorie Becker, in: Isensee / Kirchhof, HStR Band XI (2013), § 240 Rn. 17. Eine Zurechnung von Vermögensschäden, die durch eine nicht an das Grundgesetz gebundene Staatsgewalt verursacht wurden, lehnt das BVerfG hingegen ab. 105 Vgl. nur BVerfGE 100, 313 (362). 106 Yousif, Die extraterritoriale Geltung der Grundrechte bei der Ausübung deutscher Staatsgewalt im Ausland (2007), S. 86. 107 Elbing, Zur Anwendbarkeit der Grundrechte bei Sachverhalten mit Auslandsbezug (1992), S. 261; Lorenz, Der territoriale Anwendungsbereich der Grund- und Menschenrechte (2005), S. 170 ff.; Gusy, Parlamentarische Kontrolle der Nachrichtendienste im demokratischen Rechtsstaat – Die Aufgabenverschiebung der Geheimdienste, in: Röttgen / Wolff , KAS (2008), 13 (18); Bäcker, Öffentliche Anhörung Sachverständiger Papier / Hoffmann-Riem / Bäcker im NSA-Untersuchungsausschuss v. 22. 05. 2014, S. 17; Scheinin, Report of the Special Rapporteur on the promotion and protection of human rights and fundamental freedoms while countering terrorism, A/HRC/14/46 v. 26. 05. 2010, S. 7; auch Starck geht von einer umfassenden Grundrechtsbindung aus, soweit die Wirkungen der Handlungen der deutschen öffentlichen Gewalt im Ausland eintreten, Starck, in: Mangoldt / Klein / Starck, GG Band I, 6. Auflage (2010), Art. 1 Abs. 3 Rn. 212; Becker sieht bei faktischer Betroffenheit durch deutsche Staatsgewalt ein Rechtsverhältnis gegeben, das zwar nicht derart stark ist, wie die Subordinationstheorie fordert, aber dennoch eine Grundrechtsbindung auslöst, Becker, in: Isensee / Kirchhof, HStR Band XI (2013), § 240 Rn. 22; a.A. Gärditz, Die Rechtsbindung des Bundesnachrichtendienstes bei Auslandstätigkeiten, Die Verwaltung 48 2015, 463 (475 ff.);
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Die Rechtsprechung schränkt die nach Art. 1 Abs. 3 GG zunächst räumlich unbegrenzte Grundrechtsbindung jedoch unter drei Aspekten ein:108 1. Einschränkung des Grundrechtsschutzes zugunsten der völkerrechtlichen Abgrenzung staatlicher Souveränität Als erste Einschränkung gehe das Grundgesetz „von der Notwendigkeit einer Abgrenzung und Abstimmung mit anderen Staaten und Rechtsordnungen aus“.109 Deshalb sei die Grundrechtsbindung je nach Einzelfall an dem „Umfang der Verantwortlichkeit“ deutscher Staatsorgane auszurichten.110 „Die verfassungsrechtliche Verantwortlichkeit der an das Grundgesetz gebundenen Hoheitsgewalt und damit auch der Schutzbereich der Grundrechte, insoweit er ihr gegenüber besteht, endet grundsätzlich dort, wo ein Vorgang in seinem wesentlichen Verlauf von einem fremden Staat nach seinem, von der Bundesrepublik Deutschland unabhängigen Willen gestaltet wird“.111
Dementsprechend ist der Grundrechtrechtsschutz dann eingeschränkt, wenn die Bundeswehr nicht alleinverantwortlich handelt. 2. Einschränkung des Grundrechtsschutzes zugunsten einer größtmöglichen Grundrechtsgewährleistung Als zweite Einschränkung stimmt das BVerfG die Grundrechtsgewährleistung mit den Anwendungsvoraussetzungen des konkreten Sachverhalts ab. Die Reichweite der Grundrechtsgeltung ist mit dem Völkerrecht unter Beachtung von Art. 25 GG abzustimmen, woraus sich „Modifikationen“ diesbezüglich ergeben können.112 Berührt die Grundrechtsausübung zwangsläufig die Rechtsordnung anderer Staaten und werden deshalb die widerstreitenden Interessen der Grundrechtsträger in einem Krieger schließt die Anwendbarkeit von Grundrechten bei einer Betroffenheit durch Streitkräfte aus, soweit lediglich eine faktische Betroffenheit vorliegt und keine regelmäßige, struktuierte Hoheitsgewalt ausgeübt wird, die mit einer Hoheitsausübung im Inland vergleichbar ist, Krieger, Die Reichweite der Grundrechtsbindung bei nachrichtendienstlichem Handeln, Berliner Online-Beiträge zum Völker- und Verfassungsrecht, Beitrag Nr. 1/08, 1 (8); ders., Die Verantwortlichkeit Deutschlands nach der EMRK für seine Streitkräfte im Auslandseinsatz, ZaöRV 62 (2002), 669 (671). Hiervon abzugrenzen ist die faktische Beeinträchtigung durch ins Ausland gelangte Immissionen, siehe dazu Giegerich, Grund- und Menschenrechtsschutz im globalen Zeitalter: Neubewertung ihrer territorialen, personalen und internationalen Dimension in Deutschland, Europa und den USA, EuGRZ 2004, 758 (761). Aus Sicht eines von einer Datenerhebung Betroffenen im Ausland macht es keinen Unterschied, ob es sich dabei um eine final erzwungene Datenerhebung handelt oder ob seine Daten faktisch gespeichert werden, vgl. Lorenz, Der territoriale Anwendungsbereich der Grund- und Menschenrechte (2005), S. 171. 108 Ausführlich zur dogmatischen Begründung des abgesenkten Schutzniveaus in Auslandskonstellationen siehe Yousif, Die extraterritoriale Geltung der Grundrechte bei der Ausübung deutscher Staatsgewalt im Ausland (2007), S. 111. 109 BVerfGE 100, 313 (362). 110 BVerfGE 100, 313 (362); 66, 39 (60). 111 BVerfGE 66, 39 (62); BVerfGE 55, 349 (363). 112 BVerfGE 100, 313 (363).
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Raum ausgetragen, in dem die deutsche Rechtsordnung nicht ausschließlich Gültigkeit beansprucht, kann der Grundrechtsstandard zu mindern sein.113 Das BVerfG folgt dabei keinen „starren Dogmen“, sondern urteilt „von Fall zu Fall“.114 Modifikationen erfolgen auf Schutzbereichsebene oder auf Rechtfertigungsebene.115 Eine generelle Einschränkung des Schutzbereichs von Grundrechten allein deswegen, weil Bundeswehrsoldaten handeln, ist nicht abzusehen. Eine solche generelle Einschränkung wurde im C-Waffenbeschluss vorgenommen: In diesem Beschluss schränkte das BVerfG den Schutzbereich des Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG zugunsten der militärischen Landesverteidigung gem. Art. 24 Abs. 2, 87a, 115a ff. GG ein. Mit der Entscheidung für die militärische Landesverteidigung habe das „Grundgesetz zu erkennen gegeben, daß der Schutzbereich des Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG Rückwirkungen auf die Bevölkerung bei einem völkerrechtsgemäßen Einsatz von Waffen gegen den militärischen Gegner im Verteidigungsfall nicht umfaßt.“116 Deutlich ist 113 BVerfGE 92, 26 (41 f.) juris Rn. 60 f.; 100, 313 (362); 31, 58 (71 f.); zur Aussage des BVerfG, dass in Auslandskonstellationen eine Modifizierung der Schutzintensität gerechtfertigt ist Yousif, Die extraterritoriale Geltung der Grundrechte bei der Ausübung deutscher Staatsgewalt im Ausland (2007), S. 106 ff. 114 Menzel, Internationales Öffentliches Recht (2011), S. 558. 115 Eine methodische Begründung des BVerfG fehlt bislang, Elbing, Zur Anwendbarkeit der Grundrechte bei Sachverhalten mit Auslandsbezug (1992), S. 169; eine Berücksichtigung der jeweiligen besonderen Umstände zwischen Inland und Ausland sei möglich, Bäcker, Öffentliche Anhörung Sachverständiger Papier / Hoffmann-Riem / Bäcker im NSA-Untersuchungsausschuss v. 22. 05. 2014, S. 42; Becker sieht eine „[g]eschmählerte Durchsetzungskraft nationaler Grundrechte“ dann als erforderlich und rechtmäßig an, wenn außenpolitische Kooperationen eingegangen und umgesetzt werden müssen, Becker, in: Isensee / Kirchhof, HStR Band XI (2013), § 240 Rn. 64; die Schutzintensität der Grundrechtsbindung ist bei Sachverhalten mit grenzüberschreitendem Bezug danach differenziert, inwieweit die Bundesrepublik den Sachverhalt steuern kann, Herdegen, in: Maunz / Dürig, GG 78. EL (2016), Art.1 Abs. 3 Rn. 72 f.; die Einzelfallorientierung der Modifikation ist insbesondere im Fall der Soldaten verfassungsrechtlich gewollt und legitimiert, wie sich aus der Einbindung Deutschlands in das System der kollektiven Sicherheit nach Artikel 24 Abs. 2 GG i.V.m. Artikel 59 Abs. 2 GG ergibt, Zimmermann, Grundrechtseingriffe durch deutsche Streitkräfte im Ausland und das Grundgesetz, ZRP 2012, 116 (118); Yousif lehnt die Möglichkeit, eine geringere Schutzintensität methodisch zu begründen, ab, da weder der Schutzgegenstand in Auslandsfällen ein anderer ist, noch die Beeinträchtigung als solche anders definiert wird, Yousif, Die extraterritoriale Geltung der Grundrechte bei der Ausübung deutscher Staatsgewalt im Ausland (2007), S. 116 ff., 124 f. und 145. Das VG Köln nahm die Modifikation durch eine angepasste Auslegung des Schutzbereichs vor: Danach wurden bei der Beurteilung der Anforderungen an die Unverzüglichkeit der Einschaltung eines Richters die Umstände des (Auslands-)Sachverhalts einbezogen, VG Köln, Urteil v. 11. 11. 2011, Az.: 25 K 4280/09, juris Rn. 42 ff. In einer anderen Entscheidung wurde die Auslandskonstellation im Rahmen der Rechtfertigung berücksichtigt. Hier wurde das humanitäre Völkerrecht als Rechtfertigungsmaßstab einbezogen, VG Köln, Urteil v. 27. 05. 2015 – 3 K 5625/ 14, Rn. 38. Angemessen ist es, die Besonderheiten der Auslandskonstellationen auf der Rechtsfertigungsebene einzubeziehen. An dieser Stelle besteht ausreichend Raum für die Berücksichtigung aller beteiligter Interessen. So auch VG Köln, Urteil v. 27. 05. 2015 – 3 K 5625/ 14, juris Rn. 38. 116 BVerfGE 77, 170 (171).
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hier der Ausnahmecharakter des Art. 115c Abs. 2 GG, der selbst im Verteidigungsfall nur ganz bestimmte Ausnahmen von der Grundrechtsgewährleistung zulässt.117 Daneben ist der Schutzgehalt je nach Auslandsfall anzupassen.118 Je nach den einzelfallabhängigen Auslandsumständen modifiziert das BVerfG den extraterritorialen Grundrechtsschutz so, dass die Eignung eines Grundrechtes, in einem bestimmten Sachverhalt Schutz zu vermitteln, beachtet werde.119 Der konkrete Gewährleistungsumfang ergebe sich mithin aus dem jeweiligen Grundrecht selbst.120 Kann das Grundrecht auch im Ausland sinnvoll Schutz vermitteln, so ist es ohne Weiteres anwendbar. Wenn die unmodifizierte Anwendung des Grundrechts faktisch zu einer Beschränkung des Schutzes führen würde, ist der Schutzbereich hingegen einzuschränken. In diesem Sinne entschied das Gericht, „[d]ie Berufsfreiheit der deutschen Seeleute wird nicht dadurch verletzt, daß der Gesetzgeber auf deutschen Handelsschiffen, die in das Internationale Seeschiffahrtsregister eingetragen sind, den Abschluß von arbeitsrechtlichen Vereinbarungen nach Maßgabe ausländischen Rechts erleichtert zuläßt.“121 Würden an das Register ebenso strenge Anforderungen gestellt, wie es die Berufsfreiheit in Inlandsfällen fordert, dann würde der Grundrechtsschutz im Ergebnis in seiner Gesamtheit erheblich verringert. Statt die Vorgaben einzuhalten, würden die Schiffe ihren Flaggenstaat wechseln und sich so der (mittelbaren) Grundrechtsgeltung vollständig entziehen. Ähnlich urteilte auch das VG Köln in einem Fall, in dem Personen auf Hoher See festgenommen worden waren, die der Piraterie verdächtig waren. Das Gericht wendet Art. 104 Abs. 3 GG nicht ohne Modifikation auf diese Konstellation an. Vielmehr legt es das Wort „unverzüglich“ dahingehend aus, dass eine Vorführung vor den Richter nicht länger aufgeschoben werden darf, als eine Überführung nach den gegebenen Umständen möglich ist.122 Dies begründete das Gericht vornehmlich damit, auf Hoher See fehle das Personal, in diesem Fall der Richter. 3. Einschätzungsprärogative der Bundesregierung Das BVerfG gesteht der Bundesregierung im Rahmen der nationalen Sicherheit und bei außenpolitischen Belangen weite Beurteilungsspielräume und Einschätzungsprärogativen zu.123 Auch der BGH sieht einen besonders weiten, „nicht justi117 Zimmermann, Grundrechtseingriffe durch deutsche Streitkräfte im Ausland und das Grundgesetz, ZRP 2012, 116 (118). 118 Vgl. BVerfGE 100, 313 (362). Zur Gestaltungsbefugnis des Gesetzgebers BVerfGE 92, 26 (41). 119 BVerfGE 92, 26 (42). 120 BVerfGE 31, 58 (77); dazu Zimmermann, Grundrechtseingriffe durch deutsche Streitkräfte im Ausland und das Grundgesetz, ZRP 2012, 116 (117). 121 BVerfGE 92, 26 (26). 122 VG Köln, Urteil v. 11. 11. 2011, Az.: 25 K 4280/09, juris Rn. 38, 40, 44. 123 BVerfGE 55, 349 (365); BVerfGE 68, 1 (97); BVerfG, Nichtannahmebeschluss v. 13. 08. 2013 – 2 BvR 2660/06 u. a. = EuGRZ 2013, 563 = juris Rn. 54; VG Köln, Urteil v. 27. 05.
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ziablen Ermessens- bzw. Beurteilungsspielraum“ der Bundesregierung gegeben, wenn bei militärischen Einsätzen der Schutz von Allgemeingütern beurteilt werden muss.124 Infolgedessen werden die Entscheidungen der Verwaltung in höherem Maße der gerichtlichen Überprüfung entzogen, als dies innerhalb des Grundkonzepts Datenschutz vorgesehen ist.125 Begründet wird die Einschätzungsprärogative damit, dass die Handlungen im Rahmen bewaffneter Konflikte und andere außenpolitische Belange häufig nicht der alleinigen Entscheidungsbefugnis der Bundesregierung unterliegen, sondern mit Verbündeten zusammengearbeitet werden muss.126 Ziel der Einschätzungsprärogative ist es daneben, die Grund- und Menschenrechte unter Anpassung an die jeweiligen Umstände jedenfalls so weit wie möglich zu gewährleisten.127 Auch dem Gesetzgeber wird eine Einschätzungsprärogative bei der Ausgestaltung der Auslandsaufklärung zugestanden, innerhalb derer der Interessenausgleich zwischen der Freiheit des Einzelnen und der nationalen Sicherheit im Rahmen der Auslandsaufklärung vorgenommen werden muss.128 Im Rahmen des materiellen Schutzstandards ist außerdem zu bedenken, dass die Erfüllung völkerrechtlicher Verpflichtungen innerhalb von Bundeswehreinsätzen als wichtiger, legitimer Grund für einen Grundrechtseingriff bewertet wird. So sprach sich der BGH jüngst für eine umfassende Berücksichtigung der Bündnisfähigkeit der Bundesrepublik aus.129 Diese Äußerung erfolgte zwar nicht im Rahmen der Rechtfertigung eines Grundrechtseingriffs, sondern begründete die Ablehnung eines Amtshaftungsanspruchs im Zusammenhang mit bewaffneten Konflikten. Dennoch zeigt dieses Urteil, dass die Bündnisfähigkeit tendenziell hoch bewertet wird. Dabei erscheint es allerdings widersprüchlich, dass völkerrechtlichen Vereinbarungen auch bei Verstößen gegen Menschenrechte letztlich eine rechtfertigende Wirkung zukäme.
2015 – 3 K 5625/ 14, juris Rn. 24, 66, zur größeren Gestaltungsbefugnis des Gesetzgebers bei Auslandssachverhalten BVerfGE 92, 26 (41). Vgl. auch BGH, Urteil v. 06. 06. 2016 – III ZR 140/15 Rn. 38. 124 BVerfGE 55, 349 (364 f.); 77, 170 (171); BGH, Urteil v. 02. 11. 2006 – III ZR 190/ 05, juris Rn. 26, 31; BGHZ 122, 363 (369). 125 Auch bei Auslandseinsätzen ist die Reichweite der Grundrechtsbindung der Bundeswehr ausschließlich durch eine Grundrechtsauslegung zu ermitteln, Fassbender, in: Isensee / Kirchhof, HStR Band XI (2013), § 244 Rn. 148. 126 Vgl. BVerfGE 66, 39 (62); BVerfGE 55, 349 (363); zur daraus resultierenden „Relativierung der Geltungsintensität“ siehe Höfling „Relativierung der Geltungsintensität“ siehe Höfling, in: Sachs, GG, Art. 1 Rn. 88. 127 Vgl. BVerfGE 92, 26 (42); 100, 313 (362); 31, 58 (71 f.); mit der modifizierten Reichweite des Grundrechtsschutzes soll die „Anwendung der Grundrechte bei Auslandssachverhalten“ praxistauglich gehalten werden, Menzel, Internationales Öffentliches Recht (2011), S. 569. 128 Vgl. BVerfGE 100, 313 (388). 129 BGH, Urteil v. 06. 06. 2016 – III ZR 140/15 Rn. 38.
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(2) Literaturansichten Die Ansichten der Literatur entsprechen im Wesentlichen den Wertungen der Rechtsprechung.130 Auch die Literatur richtet die extraterritoriale Grundrechtsbindung an Art. 1 Abs. 3 GG aus. Dabei wird mehrheitlich vertreten, dass sich aus dem Wortlaut allein keine räumliche Beschränkung der Grundrechtsbindung ergebe, so dass die Grundrechte von allen drei Staatsgewalten grundsätzlich unabhängig davon beachtet werden müssten, an welchem Ort (Inland oder Ausland) diese Hoheitsgewalt ausüben.131 Dies schließt auch die Verpflichtung deutscher Soldaten, als Teil der vollziehenden Gewalt, ein.132 Der konkrete Gewährleistungsumfang soll sich jedoch, auch nach Ansicht der Befürworter einer umfangreichen Grundrechtsbindung, aus dem jeweiligen Grundrecht selbst ergeben.133 130 Für eine Übersicht siehe Nettesheim, in: Maunz / Dürig, GG 78. EL (2016), Art. 59 Rn. 230. 131 Siehe nur Lorenz, Der territoriale Anwendungsbereich der Grund- und Menschenrechte (2005), S. 159. Dies hindert die Literatur nicht daran, den räumlichen Anwendungsbereich der Grundrechte weiterhin zusätzlich vom Wirkungsbereich der öffentlichen Gewalt abhängig zu machen, siehe nur Jarass, in: Jarass / Pieroth, GG, 14. Aufl. (2016), Art. 1 Rn. 43; Badura, in: Merten / Papier, Handbuch der Grundrechte, Band II (2006), § 47 Rn. 13; Menzel, Internationales Öffentliches Recht (2011), S. 564; nach Werner gilt die Verfassung räumlich unbegrenzt, Werner, Die Grundrechtsbindung der Bundeswehr bei Auslandseinsätzen (2006), S. 171; Hobe vertritt ebenfalls eine umfassende, funktionale Bindung der Bundeswehr, da in jedem Fall deutsche Staatsgewalt ausgeübt werde, Hobe, Grundrechtsbindung der Streitkräfte im Ausland?, FS Klein (2013), 95 (101); ebenso sieht Dreier die Streitkräfte als Teil der vollziehenden Gewalt an das Grundgesetz gebunden, Dreier, in: Dreier, GG Bd. 1, 3. Aufl. (2013), Art. 1 Abs. 3 Rn. 61; ebenso Papier, Öffentliche Anhörung Sachverständiger Papier / Hoffmann-Riem / Bäcker im NSA-Untersuchungsausschuss v. 22. 05. 2014, S. 34; Hillgruber, in: Epping / Hillgruber, GG (2. Aufl. 2013), Art. 1 Rn. 76; Herdegen, in: Maunz / Dürig, GG 78. EL (2016), Art. 1 Abs. 3 Rn. 71; Hobe, Grundrechtsbindung der Streitkräfte im Ausland?, FS Klein (2013), 95 (100); Walter, Rechtsstaatliche Bindungen der Bundeswehr beim Einsatz im Ausland, FS Klein (2013), 351 (35 f.); Weingärtner, Zur Geltung des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte und Grundrechte im Rahmen von Auslandseinsätzen der Bundeswehr, in: Weingärtner, Streitkräfte und Menschenrechte (2008), 83 (87); Yousif, Die extraterritoriale Geltung der Grundrechte bei der Ausübung deutscher Staatsgewalt im Ausland (2007), S. 74; Vitzthum, Extraterritoriale Grundrechtsgeltung – Zu Bedingungen nachrichtendienstlicher Auslandsaufklärung, FS Bothe (2008), 1213 (1217 f.). 132 Herdegen, in: Maunz / Dürig, GG 78. EL (2016), Art. 1 Abs. 3 Rn. 94; Kirchhof, in: Maunz / Dürig, GG 78. EL (2016), Art. 83 Rn. 46. 133 Arnauld, Das (Menschen-)Recht im Auslandseinsatz, in: Weingärtner, Streitkräfte und Menschenrechte (2008), 61 (71); Zimmermann, Grundrechtseingriffe durch deutsche Streitkräfte im Ausland und das Grundgesetz, ZRP 2012, 116 (117); nach Ansicht Menzels müsse anstelle einer verallgemeinerten Aussage über die Auslandsgeltung von Grundrechten, für jedes Grundrecht eine „eigene Dogmatik“ herangezogen werden, Menzel, Internationales Öffentliches Recht (2011), S. 552 f. und 564 ff.; Dreier, in: Dreier, GG Bd. 1, 3. Aufl. (2013), Art. 1 Abs. 3 Rn. 45; Becker verlangt für den sachlichen Anwendungsbereich der Grundrechte die Erfüllung von vier Bedingungen: Neben der Grundrechtsverpflichtung müssen Ursächlichkeit und Zurechenbarkeit der verantwortlichen Stelle gegeben sein, die Grundrechtberechtigung muss vorliegen und das jeweilige Grundrecht muss seinem sachlichen, persönlichen sowie räumlichen Anwendungsbereich nach für eine Auslandskonstellation geeignet sein, Becker, in: Isensee / Kirchhof, HStR Band XI (2013), § 240 Rn. 29; a.A. eine Modifikation ablehnend
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Einige Autoren machen die Grundrechtsgeltung dennoch von einer hinreichenden territorialen oder personellen Verbindung zum Inland abhängig. Kahn stellt darauf ab, dass die deutsche Staatsgewalt kraft Völkerrecht oder durch Genehmigung des anderen Staates „wirksam wird und der Eingriff auf der Gebietshoheit oder der Personalhoheit beruht“.134 In Bezug auf Auslandseinsätze der Bundeswehr wird von Kern vorgebracht, in der Entscheidung zum Einsatz von Soldaten liege gleichzeitig die Entscheidung dafür, das Recht auf Leben und andere Grundrechte, die mit den Kampfhandlungen der Soldaten beeinträchtigt werden, sollten nicht zur Anwendung gelangen. Die Frage der Legitimität einzelner Handlungen innerhalb eines bewaffneten Konflikts richte sich ausschließlich nach dem humanitären Völkerrecht.135 Auch außerhalb der unmittelbaren Kampfhandlungen macht Krieger die Anwendung der Grundrechte davon abhängig, ob eine dem Inland vergleichbare, regelmäßige Ausübung von Hoheitsgewalt, im Sinne einer strukturierten Ausübung von Hoheitsgewalt, vorliegt.136 Nettesheim setzt ein besonderes Rechtsverhältnis zwischen dem Staat und dem potenziell Grundrechtsberechtigten voraus.137 In die Voraussetzungen für die materielle Rechtmäßigkeit extraterritorialer Grundrechtseingriffe einzubeziehen sei schließlich, dass im Ausland die entsprechenden Handlungsoptionen zur Wahrung der Grundrechte mitunter schlicht fehlen. Dem Staat stehen im Ausland nicht dieselben Ressourcen und Befugnisse zur Verfügung wie im Inland. Unmögliches könne von der Bundesrepublik nicht verlangt werden.138 Diese „faktischen und normativen Möglichkeiten der Gewährleistung durch den deutschen Staat“ seien in die Bewertung der Rechtmäßigkeit einer
gegenüber stehen Walter / Ungern-Sternberg, Pirateriebekämpfung vor Somalia, DÖV 2012, 861 (865 ff.). 134 Kahl, in: Kahl / Waldhoff / Walter, BK GG (Oktober 2014), Art. 1 Abs. 3 Rn. 210. 135 Kern, in: Bettermann / Neumann, Die Grundrechte, Bd. 2 (1954), S. 59 f.; Kirchhof, Menschenbild und Freiheitsrecht, FS Starck (2007), S. 295 f.; Sachs zieht aus der Chemiewaffen-Entscheidung den Schluss, dass sich das BVerfG in ihr für eine Einschränkung des Rechts auf Lebens entschieden habe, Sachs, in: Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. III/ 2 Allgemeine Lehren der Grundrechte (1994), § 81 V 4c; Murswiek sieht lediglich eine Rechtfertigung in das Recht auf Leben durch die Entscheidung zum Verteidigungskrieg durch das Grundgesetz selber in Art. 87a Abs. 2 GG, Murswiek, in: Sachs, GG 7. Aufl. (2014), Art. 2 Rn. 172. 136 Krieger, Die gerichtliche Kontrolle von militärischen Operationen in Fleck, Rechtsfragen der Terrorismusbekämpfung durch Streitkräfte (2004), 223 (237). 137 Nettesheim, in: Maunz / Dürig, GG 78. EL (2016), Art. 59 Rn. 230; Krieger, Die Reichweite der Grundrechtsbindung bei nachrichtendienstlichem Handeln, Berliner OnlineBeiträge zum Völker- und Verfassungsrecht, Beitrag Nr. 1/08, 1 (8). 138 Krieger, Die Reichweite der Grundrechtsbindung bei nachrichtendienstlichem Handeln, Berliner Online-Beiträge zum Völker- und Verfassungsrecht, Beitrag Nr. 1/08, 1 (8). Diese faktischen Grenzen bestehen insbesondere für die Schutzpflichten, welche die Bundesrepublik außerhalb ihres Staatsgebiets nicht in dem Maße erfüllen kann, wie sie es innerhalb kann, Arnauld, Das (Menschen-)Recht im Auslandseinsatz, in: Weingärtner, Streitkräfte und Menschenrechte (2008), 61 (71).
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Handlung einzubeziehen.139 Die „faktischen Möglichkeiten“ meinen dabei den für den Schutz erforderlichen Aufwand deutscher Behörden. Unter der Forderung, die „normativen Möglichkeiten“ einzubeziehen, ist zu verstehen, dass die Rechtfertigungsanforderungen entsprechend modifiziert werden. Teilweise wird die Grundrechtsbindung in extraterritorialen Sachverhalten generell mit dem Argument abgelehnt, dass sich der deutsche Staat dadurch, dass er die Grundrechte im Ausland zu gewährleisten versucht, in die innerstaatlichen Angelegenheiten eines anderen Staates einmische.140 bb) Übertragung der Anwendungskriterien auf Datenerhebungen im Ausland Überträgt man diese Anwendungskriterien der Rechtsprechung (dazu Abschnitt (1)) und der Literatur (dazu Abschnitt (2)) auf die Datenerhebung, führt dies auch hier zu einem abgesenkten Schutzniveau (dazu Abschnitt (3)). (1) Übertragung der BVerfG-Rechtsprechung Die nach Ansicht des BVerfG prinzipiell bestehende Grundrechtsbindung wirkt sich positiv auf den Schutzumfang aus. Weniger positiv beeinflussen die umfassenden Modifizierungsmöglichkeiten in Auslandskonstellationen den Schutz. Diese Möglichkeiten könnten theoretisch im Interesse der öffentlichen Sicherheit auch so weit ausgedehnt werden, dass der Grundrechtsschutz faktisch ausgehöhlt würde. Als Ausgangspunkt ist im Einzelfall zu prüfen, ob die Bundeswehr als alleinverantwortliche Stelle die Datenerhebung beeinflussen kann, wenn und soweit völkerrechtliche Vereinbarungen und die Bundestagsmandate Datenverwendungen vorsehen. Ist dies der Fall, ist die Bundeswehr nach den vom BVerfG aufgestellten Kriterien bei dieser Tätigkeit an die Grundrechte gebunden und es erfolgt keine Einschränkung des Grundrechtsschutzes zugunsten der völkerrechtlichen Abgrenzung von Souveränität. Ist die Bundeswehr hingegen nicht die alleinverantwortliche Stelle, sondern unterliegt innerhalb multinationaler Einsätze den Weisungen anderer Staaten, so wird der Grundrechtsschutz entsprechend zu modifizieren sein. Eine verfassungsunmittelbare Beschränkung des Schutzbereichs des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG oder des Fernmeldegeheimnisses aus Art. 10 GG allein aufgrund des militärischen Charakters 139
Krieger, Die Reichweite der Grundrechtsbindung bei nachrichtendienstlichem Handeln, Berliner Online-Beiträge zum Völker- und Verfassungsrecht, Beitrag Nr. 1/08, 1 (8). 140 Olshausen, Grundrechte und Anwendung ausländischen Rechts, DVBl. 89 (1974), 652 (656); siehe dazu auch Hobe, Grundrechtsbindung der Streitkräfte im Ausland?, FS Klein (2013), 95 (98); Walter, Rechtsstaatliche Bindungen der Bundeswehr beim Einsatz im Ausland, FS Klein (2013), 351 (355). Die US-Regierung wirft der EU vor, durch die Anforderungen an Datenübertragungen aus der EU in Drittstaaten ihre eigenen Interessen durch Gesetze mit extraterritorialer Wirkung beeinträchtigt würden, Tamm, Rückwirkungen des gescheiterten SWIFT-Abkommens auf das Abkommen über Fluggastdaten?, VuR 2010, 215 (220).
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eines Einsatzes und außerhalb des Verteidigungsfalls ist im Rahmen von Datenerhebungen keine einschlägige Modifikationsvariante. Es fehlt regelmäßig an Umständen, die einen Ausnahmecharakter begründen würden, aufgrund dessen vom Grundsatz der Grundrechtsgeltung nach Art. 1 Abs. 3 GG und Art. 115c Abs. 2 GG abgewichen werden dürfte. Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung und das Fernmeldegeheimnis beschränken ihren Schutz vielmehr gerade nicht auf Inlandssachverhalte, weder bezüglich ihres persönlichen noch des sachlichen Schutzbereiches.141 Sie können grundsätzlich auch in Auslandssachverhalten effektiven Schutz vermitteln und bedürfen dazu keiner Modifikation. Anders als bei der Überstellung vor den gesetzlichen Richter kann insbesondere die abwehrrechtliche Komponente des Persönlichkeitsschutzes auch ohne zusätzliches Personal erfolgen. Von einer entsprechenden Datenerhebung oder -verarbeitung kann schlicht abgesehen werden, um einen ungerechtfertigten Eingriff zu verhindern. Das Argument des fehlenden Personals verfängt in diesen Fällen nicht. Wenn nach alledem das Recht auf informationelle Selbstbestimmung und das Fernmeldegeheimnis grundsätzlich auch in Auslandskonstellationen gelten, so ist dies noch keine Garantie für einen umfassenden Datenschutz. Der Bundesregierung wird in Fällen mit Auslandsbezug eine weite Einschätzungsprärogative zugesprochen, die auch hinsichtlich Datenerhebungen gelten dürfte.142 Insbesondere die Kooperation mit anderen Staaten würde beeinträchtigt, wenn die Bundeswehrsoldaten bei der Erhebung von Daten eingeschränkt wären. Das Interesse anderer Staaten an einem Bündnis mit der Bundesrepublik könnte schwinden, wenn keine umfassende Zusammenarbeit bei der Datenerhebung möglich wäre. (2) Bewertung der Literaturansichten Ebenso wie bei der Übertragung der Rechtsprechung des BVerfG auf Datenerhebungen im Ausland ist davon auszugehen, dass auch die Literatur den Grundrechtsschutz bei Sachverhalten mit Auslandsbezug mehr oder weniger stark modifiziert.143 Wenn bereits bei Eingriffen in ein so hohes Rechtsgut wie dem Leben gefordert wird, den Grundrechtsschutz zu modifizieren, ist nicht abzusehen, dass dies bei Datenverwendungen grundsätzlich anders bewertet werden würde. Davon abgesehen, schlagen weitergehende Einschränkungen, die bis hin zur Unanwendbar141
BVerfGE 100, 313 (313). Siehe zur personellen Reichweite oben Teil 1 B. I. 2. Siehe zur Einschätzungsprärogative nur BVerfGE 55, 349 (365); BVerfGE 68, 1 (97). 143 Die Eignung des Grundrechts zur Gewähr im Ausland wird auch von Arnauld vorausgesetzt, wobei er auf mögliche faktische sowie völkerrechtliche Grenzen verweist, Arnauld, Das (Menschen-)Recht im Auslandseinsatz, in: Weingärtner, Streitkräfte und Menschenrechte (2008), 61 (71 f.); zur grundsätzlichen Auslandsfähigkeit dieses Grundrechts siehe auch Krieger, Die Reichweite der Grundrechtsbindung bei nachrichtendienstlichem Handeln, Berliner Online-Beiträge zum Völker- und Verfassungsrecht, Beitrag Nr. 1/08, 1 (8); zu Artikel 10 GG siehe BVerfGE 100, 313 (363); Hoffmann-Riem, Öffentliche Anhörung Sachverständiger Papier / Hoffmann-Riem / Bäcker im NSA-Untersuchungsausschuss v. 22. 05. 2014, S. 12. 142
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keit der Grundrechte führen, bei einer Übertragung auf Datenverwendungen nicht durch, dazu im Folgenden. Die Stimmen der Literatur, die eine Grundrechtsbindung mit dem Erhalt der Handlungsfähigkeit der Soldaten ablehnen, fruchten bei der Datenverwendung nicht. Anders als dies bei Kampfhandlungen der Fall ist, „fordert“ das Grundgesetz auch keine Eingriffe in das Persönlichkeitsrecht zugunsten des Verteidigungsauftrags.144 Außerdem beeinträchtigt die Grundrechtsbindung bei Datenvorgängen nicht die (Kampf-)Handlungsfähigkeit der Soldaten.145 Die Datenerhebung erfolgt nicht während unmittelbarer Kampfhandlungen, sondern häufig in friedenssichernden und friedenserhaltenden Einsätzen. Auch bleibt die Möglichkeit, die Besonderheiten der außenpolitischen Entscheidungsdeterminanten und die Umstände des bewaffneten Konflikts in der Rechtfertigung zu berücksichtigen, unberührt.146 Die Ansicht, die ein besonderes Rechtsverhältnis zwischen dem Staat und dem Grundrechtsberechtigten voraussetzt, ist angesichts des eindeutigen Wortlauts des Art. 1 Abs. 3 GG nicht haltbar. Dieser Ansicht liegt ein staatstheoretisches Verständnis zugrunde, das die Grundrechtsbindung an die Unterwerfung des Einzelnen unter die Staatsmacht knüpft. Dem Einzelnen stehe im Gegenzug zu dieser Unterwerfung ein Anspruch darauf zu, dass der Staat ihn vor Beeinträchtigungen in seinen Grundrechten schützt. Die Grundrechte als Gegenleistung zu verstehen, lässt sich jedoch mit ihrer Funktion als objektive Werteordnung nicht vereinbaren.147 Art. 1 Abs. 3 GG bindet die staatlichen Akteure vielmehr allein wegen ihrer Funktion als Staatsgewalt, so dass mithin eine funktionale Grundrechtsbindung vorliegt.148 Diese Art der Bindung ist unabhängig von einer etwaigen Qualität einer Hoheitsgewaltausübung.149 Zuletzt ist das Argument, eine Grundrechtsbindung verstoße gegen das völkerrechtliche Interventionsverbot, indem Grundrechte auf fremdem Staatsgebiet an144
Anders als BVerfGE 77, 170 (171). Vgl. zur Handlungsfähigkeit auch VG Köln, Urteil v. 11. 11. 2011, Az.: 25 K 4280/09, Rn. 38; VG Köln, Urteil v. 09. 02. 2012, Az.: 26 K 5534/10, Rn. 70; Wiefelspütz, Auslandseinsatz der Streitkräfte und Grundrechte, NZWehrr 2008, Heft 3, 89 (89); Zimmermann, Grundrechtseingriffe durch deutsche Streitkräfte im Ausland und das Grundgesetz, ZRP 2012, 116 (117); Zum Verfassungsrang der Einrichtung der Bundeswehr (Art. 12a, 73 Abs. 1 Nr. 1, 87a und 115 b GG), BVerfGE 48, 127 (159 f.). 146 Vgl. Giegerich, Grund- und Menschenrechtsschutz im globalen Zeitalter: Neubewertung ihrer territorialen, personalen und internationalen Dimension in Deutschland, Europa und den USA, EuGRZ 2004, 758 (762); zu fehlenden aber notwendigen Konzeption eines Grundrechtskollisionsrechts siehe Elbing, Zur Anwendbarkeit der Grundrechte bei Sachverhalten mit Auslandsbezug (1992), S. 259. 147 Siehe zur objektiven Werteordnung Isensee, in: Isensee / Kirchhof, HStR Band IX, (2011), § 191 Rn. 159. 148 Zur funktionalen Grundrechtbindung, Hobe, Grundrechtsbindung der Streitkräfte im Ausland?, FS Klein (2013), 95 (101). 149 Im Ergebnis so auch Vitzthum, Extraterritoriale Grundrechtsgeltung – Zu Bedingungen nachrichtendienstlicher Auslandsaufklärung, FS Bothe (2008), 1213 (1215). 145
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gewandt würden, haltlos. Für Eingriffskonstellationen, wie auch die Datenerhebung eine ist, greift das Argument nicht. Durch die Anwendung der Grundrechte auf extraterritoriale deutsche Staatshandlungen findet keine Einmischung mit Zwang in die inneren Angelegenheiten eines anderen Staates statt. Vielmehr wirken die Grundrechte in ihrer Eingriffsdimension als Begrenzung der deutschen Staatsgewalt – und nur dieser.150 In dieser Konstellation hat die Anwendung der Grundrechte gerade eine Beschränkung deutscher Staatsgewalt zur Folge, nicht deren Erweiterung. (3) Ergebnis – modifizierter Grundrechtsschutz Anders als die Menschenrechte beschränken sich die Grundrechte im Ausgangspunkt nicht prinzipiell auf das deutsche Territorium. Erhebliche Modifikationen der Schutzgewähr werden angesichts der extraterritorialen Umstände vorgenommen. Möglich erscheint, dass diese Modifikationen einen Umfang erreichen, der einer Nichtanwendung der Grundrechte in bestimmten Fällen gleichkäme. Die Notwendigkeit zur Modifikation ergibt sich dabei weniger aus den rechtlichen Vorgaben als aus außenpolitischen Handlungsbedürfnissen. Hinzu kommt die umfassende Einschätzungsprärogative der Bundesregierung, deren Grenzen möglicherweise nie gerichtlich überprüft werden. c) Extraterritorialer Schutz durch das BDSG, BNDG und Artikel 10-Gesetz Im Grundkonzept des Datenschutzes erfolgt die detaillierte Umsetzung und Grenzziehung der menschen- und grundrechtlichen Vorgaben in den einfachen nationalen Gesetzen. Soweit die Grund- und Menschenrechte auf Auslandskonstellationen anwendbar sind, gilt dies auch für die Auslandsaufklärung durch Soldaten im Ausland. Bei unbefangener Betrachtung müssen sich die Soldaten bei Datenerhebungen und -verarbeitungen deshalb an das BDSG halten, da die Bundeswehr als öffentliche Stelle des Bundes an das BDSG gebunden ist.151 Die Bundesregierung ist allerdings anderer Auffassung. Daten von Ausländern, die im Ausland erhoben werden, sind nach ihrer Ansicht nicht vom Geltungsbereich des BDSG erfasst.152 So 150 Vitzthum, Extraterritoriale Grundrechtsgeltung – Zu Bedingungen nachrichtendienstlicher Auslandsaufklärung, FS Bothe (2008), 1213 (1216); Krieger, Die Reichweite der Grundrechtsbindung bei nachrichtendienstlichem Handeln, Berliner Online-Beiträge zum Völker- und Verfassungsrecht, Beitrag Nr. 1/08, 1 (4). 151 §§ 1 Abs. 2 Ziff. 1 und 2, 2 Abs. 1, 12 BDSG i.V.m. § 1 Abs. 4 VwVfG; Dammann, in: Simitis, BDSG, 8. Aufl. (2014), § 1 Rn. 119; zu § 1 Abs. 4 VwVfG siehe Schmitz, in: Stelkens / Bonk / Sachs, VwVfG, 8. Aufl. (2014), § 1 Rn. 227. 152 BT-Drs. 17/6862, v. 26. 08. 2011, Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Ulla Jelpke, Christine Buchholz, Inge Höger, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 17/6744 – Biometrische Erfassung von Afghaninnen und Afghanen durch die Bundeswehr, S. 4 Frage 1c.
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sieht sich die Bundesregierung beispielsweise bei Auslandseinsätzen nicht verpflichtet, den Bundesdatenschutzbeauftragten zu konsultieren.153 Diese Aussage ist nicht nachvollziehbar, da § 1 Abs. 2 Ziff. 1 BDSG für seine Anwendbarkeit allein darauf abstellt, ob eine öffentliche Stelle des Bundes tätig wird. Ausnahmen waren vom Gesetzgeber nicht beabsichtigt.154 In diesem Abschnitt der Arbeit steht die Darstellung der Ausgestaltung des gegenwärtigen Schutzes auf Grundlage der derzeitigen Anwendung und Auslegung der Gesetze durch die Verwaltung und Rechtsprechung im Mittelpunkt. Deshalb ist an dieser Stelle für den Schutzumfang allein maßgeblich, dass die Bundesregierung das BDSG in Auslandskonstellationen nicht anwendet. d) Extraterritorialer Schutz durch sonstiges Recht Je nach Art der militärischen Kooperation – mit der NATO, aufgrund eines UNMandats oder innerhalb von EU-Verbänden – sind weitere Rechtsnormen für den Datenschutz von Relevanz, die den Schutzumfang mal mehr, mal weniger beeinflussen. Bei der Einbindung in die NATO sind deren Einsatzstatute sowie das NATOZusatzabkommen zur Truppenstationierung anzuwenden.155 Werden die deutschen 153 BT-Drs. 17/6862, v. 26. 08. 2011, Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Ulla Jelpke, Christine Buchholz, Inge Höger, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 17/6744 – Biometrische Erfassung von Afghaninnen und Afghanen durch die Bundeswehr, S. 5 Frage 3. 154 Dammann, in: Simitis, BDSG 8. Aufl. (2014), § 1 Rn. 119. 155 Weingärtner, Zur Geltung des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte und Grundrechte im Rahmen von Auslandseinsätzen der Bundeswehr, in: Weingärtner, Streitkräfte und Menschenrechte (2008), 83 (89); zur Rechtsqualität des NATO-Ratsbeschlusses (kein völkerrechtliches Mandat, sondern interne Regelung) und die daraus resultierenden Rules of Engagement als Planungs- und Formulierungshilfe, Spies, Die Bedeutung von „Rules of Engagement“ in multinationalen Operationen, in: Weingärtner, Einsatz der Bundeswehr im Ausland (2007), 115 (118, 121). Im ISAF-Einsatz galten das ISAF-Regelwerk der NATO und damit der ISAF-Biometrics Plan. Die ISAF-Biometrics-Task-Force wurde und wird von den USA geleitet, so dass auch die erhobenen Daten in einer US-amerikanischen Datenbank gespeichert werden. Über die MoU soll angeblich sichergestellt sein, dass die an Verbündete übertragenden Daten zweckgemäß verwendet werden sowie dass die Vereinbarkeit der Maßnahmen mit dem Völkerrecht gegeben ist, BT-Drs. 17/6862, v. 26. 08. 2011, Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Ulla Jelpke, Christine Buchholz, Inge Höger, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 17/6744 – Biometrische Erfassung von Afghaninnen und Afghanen durch die Bundeswehr, S. 5. Die MoU sind allerdings nicht öffentlich einsehbar, sondern nur für den Dienstgebrauch vorgesehen. Inwieweit also die Einhaltung der Zweckbestimmung durch sie tatsächlich gewährleistet werden kann, ist offen. Eine Überprüfungsmöglichkeit bzgl. der Einhaltung der Vorgaben aus dem MoU besteht nicht, BT-Drs. 17/6862 v. 26. 08. 2011, Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Ulla Jelpke, Christine Buchholz, Inge Höger, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 17/6744 – Biometrische Erfassung von Afghaninnen und Afghanen durch die Bundeswehr, Vorbemerkung der Bundesregierung, S. 3. Außerdem umfasst der Zweck den gesamten Dienstgebrauch der Daten, also den gesamten
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Soldaten bei der Umsetzung eines UN-Mandats tätig, erlangt der Inhalt der jeweiligen Resolutionen des Sicherheitsrats Relevanz für die konkreten Verpflichtungen der Soldaten.156 Die NATO-Abkommen so wie die UN-Sicherheitsratsresolutionen ermächtigen zwar zu Datenerhebungen, enthalten jedoch soweit ersichtlich keine Regelungen zum Schutz personenbezogener Daten, die über die Menschenrechte hinausgingen. Anders stellt sich dies im Rahmen einer Einbindung der Bundeswehr in EUVerbände dar. In einem solchen Fall verpflichtet die EU-GRCh gemäß Art. 51 sowohl die Einrichtungen der Union als auch die Mitgliedstaaten, Art. 8 EU-GRCh zu achten, der lautet: (1) Jede Person hat das Recht auf Schutz der sie betreffenden personenbezogenen Daten. (2) Diese Daten dürfen nur nach Treu und Glauben für festgelegte Zwecke und mit Einwilligung der betroffenen Person oder auf einer sonstigen gesetzlich geregelten legitimen Grundlage verarbeitet werden. Jede Person hat das Recht, Auskunft über die sie betreffenden erhobenen Daten zu erhalten und die Berichtigung der Daten zu erwirken.
Die Verpflichtung zur Einhaltung der EU-GRCh besteht, sobald und soweit Unionsrecht durchgeführt wird.157 Auch wenn der Begriff „Durchführung“ im Sinne einer Beschränkung der Grundrechtsbindung gedacht war, fallen doch sämtliche Aktivitäten der Mitgliedstaaten darunter, sobald eine „Anknüpfung an das Uni-
Zweck des ISAF-Einsatzes, der in der Unterstützung und in der Verbesserung des Schutzes und der Sicherheitslage in Afghanistan besteht. Darunter kann praktisch unbegrenzt jeder gesellschaftliche Bereich fallen. Ein Sperrvermerk soll verhindern, dass die von der Bundeswehr erhobenen Daten zu anderen als den Zwecken zur ISAF-Mandatserfüllung genutzt werden. Die Daten sollen gelöscht werden, u. a. sobald die ISAF-Operation beendet ist, BT-Drs. 17/6862 v. 26. 08. 2011, Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Ulla Jelpke, Christine Buchholz, Inge Höger, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 17/6744 – Biometrische Erfassung von Afghaninnen und Afghanen durch die Bundeswehr, Antwort zu Frage 16, S. 8. 156 Weingärtner, Zur Geltung des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte und Grundrechte im Rahmen von Auslandseinsätzen der Bundeswehr, in: Weingärtner, Streitkräfte und Menschenrechte (2008), 83 (89); Vitzthum, Extraterritoriale Grundrechtsgeltung – Zu Bedingungen nachrichtendienstlicher Auslandsaufklärung, FS Bothe (2008), 1213 (1221); zur Modifikation und Differenzierung bei Auslandseinsätze Zimmermann, Grundrechtseingriffe durch deutsche Streitkräfte im Ausland und das Grundgesetz, ZRP 2012, 116 (117). 157 Art. 51 Abs. 1 S. 1 GRCh. „Recht(s) der Union“ in diesem Sinne sind das Primärrecht (ausgenommen der Grundrechte selbst), das Sekundärrecht sowie die hierauf erlassenen Tertiärakte. Auch die Vorschriften der GASP werden erfasst, insbesondere fallen auch Beschlüsse unter den Begriff, Jarass, EU-GRCh, 2. Aufl. (2013), Art. 51 Rn. 15; EuGH (Akerberg Fransson), Urteil v. 26. 2. 2013 – C-617/10, Rn. 19 f.; Britz, Europäisierung des grundrechtlichen Datenschutzes?, EuGRZ 2009, 1 (3); Calliess, Europäische Gesetzgebung und nationale Grundrechte – Divergenzen in der aktuellen Rechtsprechung vom EuGH und BVerfG?, JZ 2009, 113 (115); Kingreen, in: Calliess / Ruffert, EUV/ AEUV 5. Aufl. (2016), GRCh Art. 51 Rn. 7; Scheuing, Zur Grundrechtsbindung der EU Mitgliedstaaten, EUR Heft 2 2005, 162 (162).
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onsrecht besteht“.158 Daraus ergibt sich eine „weitreichende Verpflichtung der Mitgliedstaaten durch die EU-Grundrechte“.159 Wird die Bundeswehr im Rahmen der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik bzw. Gemeinsamen Sicherheitsund Verteidigungspolitik (im Folgenden GASP/ GSVP) tätig, so ist außerdem Art. 16 Abs. 1 AEUVanwendbar,160 wonach „[j]ede Person (…) das Recht auf Schutz der sie betreffenden personenbezogenen Daten“ hat. Die Gewährleistungen der EU-GRCh und des Art. 16 Abs. 1 AEUV gehen somit zwar nicht über Art. 8 EMRK hinaus, binden jedoch auch die EU und ihre Institutionen an den Datenschutz.161 Dieser Umstand wirkt sich positiv auf den Schutzumfang aus, da der Datenschutz somit auch dann besteht, wenn eine internationale Organisation an der Datenerhebung beteiligt ist. Dass diese Bindung einer internationalen Organisation an den Datenschutz keineswegs selbstverständlich ist, wird unten in Teil 2 A. II. 3. b) dargelegt. 2. Auswirkungen bewaffneter Konflikte Erheben Bundeswehrsoldaten Daten im Ausland, geschieht dies häufig im Rahmen bewaffneter Konflikte, worin neben der extraterritorialen Anwendung die zweite wesentliche Abweichung von den Anwendungsbedingungen des Grundkonzepts besteht. Handelt es sich dabei um einen internationalen bewaffneten Konflikt, ist ohne Weiteres das humanitäre Völkerrecht anwendbar.162 Die Bun158
EuGH (Chartry ./. Belgien), Beschluss v. 01. 03. 2011 – C-457/09, Rn. 25. Jarass, EU-GRCh, 2. Aufl. (2013), Art. 51 Rn. 17. 160 Die Terrorismusbekämpfung fällt sowohl in den Bereich der GASP als auch in den Bereich der PJZS Ambrock, Die Übermittlung von S.W.I.F.T.-Daten an die Terrorismusaufklärung der USA (2013), S. 56; siehe zu Maßnahmen gegen den internationalen Terrorismus im Rahmen der GASP und der PJZS, Al-Jumaili, Stationen im Kampf gegen die Terrorismusfinanzierung – New York – Brüssel – Berlin, NJOZ 2008, 188 (195). 161 Die EU ist kein Mitglied der EMRK, siehe dazu EuGH, Gutachten v. 18. 12. 2014 – C-2/ 13; Schmahl, Der Beitritt der EU zur EMRK: Wo liegt das Problem?, JZ 2016, 921 (921 ff.). 162 Ein internationaler Konflikt liegt vor, wenn zwei oder mehr Hohe Vertragsparteien, also Völkerrechtssubjekten, an dem Konflikt beteiligt sind, Pejic, Status of armed conflicts, in: Wilmshurst / Breau, Perspectives on the ICRC Study on customary international humanitarian law (2017), 77 (77); Wagner, Zur Anwendung des Humanitären Völkerrechts in Nordafghanistan, NZWehrr (2011), 45, 52 f.; Moir, The law of internal armed conflict (2002), S. 32 f.; Bothe, in: Vitzthum / Proelß, Völkerrecht 7. Aufl. (2016), 8. Abschnitt Rn. 62. Ein nicht-internationaler Konflikt liegt (jedenfalls) vor, wenn nur eine Partei ein Völkerrechtssubjekt ist, Bothe, in: Vitzthum / Proelß, Völkerrecht 7. Aufl. (2016), 8. Abschnitt Rn. 121. Eine trennscharfe Abgrenzung ist oft nicht möglich und politisch unerwünscht, wie die erst sehr späte Einordnung des ISAF-Einsatzes als Teilnahme an einer bewaffneten Konflikt zeigt, vgl. Schaller, Military Operations in Afghanistan and International Humanitarian Law, SWP Comments 7 (März 2010), 1 (1). Die genauen Abgrenzungskriterien sind Gegenstand ausdauernder Debatten Bothe, in: Vitzthum / Proelß, Völkerrecht 7. Aufl. (2016), 8. Abschnitt Rn. 121 ff.; zur Frage der „Internationalisierung“ eines Konflikts siehe a.a.O., S. 54; Pejic führt diese Debatte erst gar nicht aus, da ein befriedigendes Ergebnis nicht zu erreichen sei, Pejic, Status of armed conflicts, in: Wilmshurst / Breau, Perspectives on the ICRC Study on customary international humanitarian law (2017), 77 (78). 159
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deswehr beteiligt sich auch an friedenserzwingenden Maßnahmen in nicht-internationalen Konflikten, wenn sie beispielsweise auf Einladung eines anderen Staates hin Unterstützungshandlungen für dessen Regierung gegen Aufständische ausführt.163 Auf nicht-internationale bewaffnete Konflikte ist das humanitäre Völkerrecht erst dann anwendbar, wenn eine gewisse Schwelle an Feindseligkeiten überschritten ist, d. h. es bedarf Feindseligkeiten von erheblicher Intensität.164 Ausschlaggebende Kriterien für die Intensität eines Konflikts sind der Grad der Organisation der Parteien und die Intensität des Vorfalls, wobei diese Kriterien wechselseitig zusammenwirken und sich gegenseitig ersetzen können.165 Wenn die Soldaten demnach im Ausland, innerhalb eines nicht-internationalen Konflikts, der die Schwelle zum bewaffneten Konflikt noch nicht überschritten hat, Daten erheben, so kann das humanitäre Völkerrecht keine Auswirkungen auf den Schutzgehalt der Grund- und Menschenrechte haben. Dasselbe gilt für friedenserhaltene Einsätze, die ebenfalls nicht in den Anwendungsbereich des humanitären Völkerrechts fallen.166 Findet die Datenerhebung indes im Rahmen eines internationalen oder nicht-internationalen bewaffneten Konflikts statt, kommt unter Umständen eine Derogationsmöglichkeit der Bundesrepublik in Betracht, die sich negativ auf den Umfang des Datenschutzes auswirken würde (dazu Abschnitt a)). Da die Staatenpraxis außerdem 163
Schaller, Military Operations in Afghanistan and International Humanitarian Law, SWP Comments 7 (März 2010), 1 (3). Die Situation in Afghanistan wird als nicht-internationaler bewaffneter Konflikt eingestuft, der auch die Schwelle des Art. 1 Abs. 2 ZP II überschreitet. In der ersten Phase des Konflikts des OEF 2001 gegen das de-facto regime der Taliban wurde der Konflikt als internationaler Konflikt eingestuft, nach dem Sturz des Regimes änderte sich der Charakter des Konflikts in einen nicht-internationalen bewaffneten Konflikt: Das OLG Köln hat Zweifel an Anwendung ZP II, weil in Afghanistan kein internationaler bewaffneter Konflikt vorliege, OLG Köln, Urteil v. 30. 04. 2015, I-7 U 4/14, 7 U 4/14 Rn. 35. 164 Bothe, in: Vitzthum / Proelß, Völkerrecht 7. Aufl. (2016), 8. Abschnitt Rn. 62. Die Einordnung eines Konflikts als bewaffneter Konflikt richtet sich nach der sog. objektiven Theorie. Früher wurden subjektive Ansätze, wie das Voraussetzen eines Kriegsführungswillen, vertreten, siehe dazu Bothe, in: Vitzthum / Proelß, Völkerrecht 7. Aufl. (2016), 8. Abschnitt Rn. 62; zu der Frage „War on Terrorism – a third kind of conflict?“ siehe Melzer, Targeted Killing in International Law (2008), S. 262. Dementsprechend sind bewaffnete Konflikte von „incidents“, „internal disturbances and tensions such as riots, isolated and sporadic acts of violence“, „border clashes“, „civil unrest {and} single acts of terrorism“ zu unterscheiden, ILA Report on the Use of Force, ILA The Hague Conference Report (2010), S. 691. 165 „(A)n armed conflict exists whenever there is a resort to armed force between States or protracted armed violence between governmental authorities and organizes armed groups or between such groups within a State“ ICTY, Urteil v. 07. 05. 1997 – IT-94 – 1-T, § 561; Schaller, Military Operations in Afghanistan and International Humanitarian Law, SWP Comments 7 (März 2010), 1 (2). Ab Überschreiten der Schwelle zum bewaffneten Konflikt sind zusätzlich der gemeinsame Art. 3 GK, die völkergewohnheitsrechtlichen Regeln sowie das ZP II anwendbar, Schaller, Military Operations in Afghanistan and International Humanitarian Law, SWP Comments 7 (März 2010), 1 (3); darüber hinaus wird ein Schädigungsrecht der Parteien anerkannt, Salomon, Die Anwendung von Menschenrechten im bewaffneten Konflikt, AVR 2015, 322 (337 und 351). 166 Wiesener, The Application and Interplay of Humanitarian Law and Human Rights Law in Peace Operations (2015), S. 163.
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Teil 2: Schutz personenbezogener Daten bei der Auslandsaufklärung
dahin tendiert, das humanitäre Völkerrecht als Rechtfertigung umfassender Eingriffsbefugnisse einzusetzen, könnte sie dies auch bei Datenerhebungen versuchen. Die Anwendung einer solchen Argumentationsstrategie auf Datenerhebungen schlägt allerdings nicht durch (dazu Abschnitt b)), so dass sich abgesehen von den Derogationsmöglichkeiten aus der Anwendung des humanitären Völkerrechts als solchem keine weitere Einschränkung des Schutzumfangs ergeben. a) Derogation von Menschenrechtsverpflichtungen Das Derogationsrecht besteht, wenn die Existenz der eigenen Nation durch einen bewaffneten Konflikt („Krieg“) oder einen anderen öffentlichen Notstand bedroht wird.167 In einem solchen Fall darf jede Vertragspartei Maßnahmen ergreifen, die von den in der EMRK vorgesehenen Verpflichtungen abweichen. Dies jedoch nur, soweit es die Lage unbedingt erfordert und wenn die Maßnahmen nicht im Widerspruch zu den sonstigen völkerrechtlichen Verpflichtungen der Vertragspartei stehen.168 Innerhalb des Zeitraums und des Gebiets, für die die Derogation gilt, erfasst sie auch die Datenerhebung, so dass auch die Gewährleistung des Rechts auf Privatsphäre ausgesetzt werden darf. In der hier vorliegenden Konstellation bedürfte es jedoch einer „extraterritorial derogation“,169 also einer Derogation, die durch Umstände begründet ist, die außerhalb des eigenen Territoriums liegen. Die Diskussion um eine extraterritoriale Derogation begann, nachdem sich die Forderungen nach einer Anwendbarkeit der Menschenrechte auch auf extraterritoriale Sachverhalte verfestigt hatten. Ob extraterritoriale Umstände zu einem Notstand im Sinne des Art. 15 EMRK führen können, ist bislang noch nicht abschließend geklärt.170 Krieger kann sich zwar keine unmittelbaren existenzbedrohenden Auswirkungen eines Auslandseinsatzes auf die Strukturen im Heimatland vorstellen, hält aber eine extraterritoriale Derogation generell für zulässig. Insbesondere die systematisch167
Grabenwarter / Pabel, EMRK (2016), § 2 Rn. 11. Derogationsrechte ergeben sich aus Art. 15 Abs. 1 EMRK, Art. 4 Abs. 1 IPbpR, Art. 35 Abs. 1 CIS Convention, Art. 4 Arab Charter; Art. 27 Abs. 1 ACHR. 168 Art. 15 Abs. 1 EMRK; ähnlich Art. 4 Abs. 1 IPbpR. 169 Wiesener, The Application and Interplay of Humanitarian Law and Human Rights Law in Peace Operations (2015), S. 157. Das UK hat 2016 als erster Staat eine extrateritorialen Derogation ausgesprochen, Milanovic, UK to Derogate from the ECHR in Armed Conflict, http://www.ejiltalk.org/uk-to-derogate-from-the-echr-in-armed-conflict/ (zuletzt abgerufen am 04. 01. 2017). Wegen innerstaatlicher Umstände derogierten in jüngerer Zeit Frankreich und die Türkei Rechte der EMRK, zu Frankreich siehe Milanovic, France Derogates from ECHR in the Wake of the Paris Attacks, abrufbar unter: http://www.ejiltalk.org/france-derogates-from-echrin-the-wake-of-the-paris-attacks/ (zuletzt abgerufen am 04. 01. 2017), zu der Debatte um die Derogation der Türkei siehe Scheinin, Turkey’s Derogation from the ECHR – What to expect?, abrufbar unter: http://www.ejiltalk.org/turkeys-derogation-from-the-echr-what-to-expect/ (zuletzt abgerufen am 04. 01. 2017). 170 Siehe nur Krieger, in: Dörr / Grote / Marauhn, EMRK/GG (2013), Kap. 8 Rn. 20.
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dynamische Interpretation der EMRK spreche für eine solche Derogationsmöglichkeit. Diese Interpretation sei angesichts dessen geboten, dass immer häufiger Auslandseinsätze von Mitgliedstaaten stattfinden, auf die die EMRK potenziell anwendbar ist. Entsprechend der extraterritorialen Anwendung der EMRK müsse auch die extraterritoriale Anwendung der Notstandsklausel möglich sein.171 Insbesondere im Hinblick auf die Konflikte in jüngerer Zeit, in die EMRK-Vertragsstaaten involviert waren, sieht Pejic nicht die von Art. 15 Abs. 1 EMRK erforderliche Schwelle an Bedrohung erreicht.172 Im Übrigen lässt Pejic offen, ob extraterritoriale Anwendungsfälle überhaupt unter die Derogationsklausel gefasst werden dürfen, mit dem Hinweis, dass bislang Rechtsprechung zu solchen Fällen fehle. Sie sieht außerdem politische Hürden, die einer extraterritorialen Anwendung der Derogationsklausel entgegenstehen.173 Dieses politisch-strategische Argument gegen eine extraterritoriale Anwendung von Art. 15 EMRK greifen auch Roxstrom u. a. auf. Die Staaten bevorzugten es, Art und Umfang ihrer konkreten Verpflichtungen in einem Konflikt im Vagen zu lassen. Das einschlägige Recht werde weniger aufgrund einer Rechtspflicht beachtet, denn als ein „act of grace“.174 Würden die Staaten jedoch die Derogationsklausel anwenden, so würden sie damit auch all diejenigen Pflichten anerkennen, von denen die Klausel entbindet. Aus diesem Grund sehen Roxstrom u. a. kein Interesse der Staaten an einer Anwendung der Derogation im extraterritorialen Bereich.175 Nach ihrer Ansicht bestanden die Voraussetzungen einer Derogation im Übrigen nicht beim Bombenangriff der NATO auf die Belgrader Radiound Fernsehstation RTS am 23. 04. 1999.176 Der Angriff wurde durchgeführt, nachdem Jugoslawien im Kosovo-Konflikt nicht bereit gewesen war, das in Rambouillet ausgehandelte Friedensabkommen zu unterzeichnen. Abgesehen von diesem Einzelfall fordert Milanovic klare Aussagen der Gerichte zur extraterritorialen Anwendbarkeit der Menschenrechtsverträge und der sich daraus ergebenden Frage der extraterritorialen Derogation.177 Im Übrigen deutet Milanovic seine Befürwor-
171 Krieger, in: Dörr / Grote / Marauhn, EMRK/GG (2013), Kap. 8, Rn. 20; so auch Wiesener, The Application and Interplay of Humanitarian Law and Human Rights Law in Peace Operations (2015), S. 173. 172 Pejic, The European Court of Human Rights’ Al-Jedda judgement, 93 IRRC 2011, 837 (850). 173 Pejic, The European Court of Human Rights’ Al-Jedda judgement, 93 IRRC 2011, 837 (850). 174 Roxstrom / Gibney / Einarsen, The NATO bombing case, 23 B. U. Int’l L.J. 55 2005, 56 (121). 175 Zu alledem Roxstrom / Gibney / Einarsen, The NATO bombing case, 23 B. U. Int’l L.J. 55 2005, 56 (121). 176 Roxstrom / Gibney / Einarsen, The NATO bombing case, 23 B. U. Int’l L.J. 55 2005, 56 (118). 177 Dazu und zu der Debatte bzgl. der extraterritorialen Derogation im UK siehe Milanovic, Extraterritorial Derogations from Human Rights Treaties in Armed Conflict in Bhuta (Juni 2014).
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tung einer extraterritorialen Anwendung der Derogationsklausel an.178 Dieser Aspekt ist notwendige Konsequenz seiner Auffassung, dass die EMRK umfassend extraterritorial anwendbar ist. Die rechtswissenschaftliche Diskussion ist bislang noch gespalten. Die Uneinigkeit ergibt sich jedoch weniger aus der rechtlichen Frage, ob eine extraterritoriale Derogation zulässig wäre, als aus der faktischen Frage, ob ein solcher Fall eintreten kann. Hinzu kommen Zweifel daran, ob das politische Kalkül der Staaten eine extraterritoriale Derogation nutzen würde. Nur wenn sie dies täte, ergäbe sich aus dem Umstand, dass die Datenerhebung innerhalb eines bewaffneten Konflikts stattfindet, eine Beeinträchtigung des Schutzumfangs. b) Konsequenzen der Anwendung des humanitären Völkerrechts Unterbleibt die Anwendung der Derogationsklausel, ist neben den Menschenrechten auch das humanitäre Völkerrecht bei Datenerhebungen innerhalb bewaffneter Konflikte einschlägig. In den Fällen, in denen das humanitäre Völkerrecht zur Anwendung gelangt, versuchte die Bundesregierung in der Vergangenheit weitreichende Befugnisse ihrer Bundeswehrsoldaten zu begründen. So brachte die Bundesregierung vor, dass keine subjektiven Rechte eines Beschwerdeführers gegeben sein könnten, sobald das humanitäre Völkerrecht anwendbar ist.179 Für die Bundesregierung schließen sich die Anwendung des humanitären Völkerrechts und die der Menschenrechte, aus denen sich subjektive Rechte ergeben, folglich aus. In einem anderen Verfahren brachte die Bundesregierung im Rahmen einer Klage, mit der die Rechtswidrigkeit eines Luftangriffs der ISAF-Streitkräfte in Afghanistan festgestellt werden sollte, der von einem deutschen Oberst befohlen worden war, vor, dass sich die Rechtmäßigkeit der Handlungen deutscher Soldaten ausschließlich nach dem ISAF-Mandat des UN-Sicherheitsrats und dem Zustimmungsbeschluss des Deutschen Bundestags richteten. Weder dem Mandat noch dem Beschluss sei eine Einschränkung der erlaubten Handlungen zu entnehmen. Weitere Konkretisierungen hinsichtlich der Anforderungen an die Rechtmäßigkeit von Handlungen sollten sich deshalb ausschließlich aus dem humanitären Völkerrecht ergeben. Dieses beinhalte jedoch gerade keine originären Rechtspositionen. Soweit das humanitäre Völkerrecht anwendbar ist, könne es grundsätzlich nicht zu Eingriffen in individuelle
178 Milanovic, UK to Derogate from the ECHR in Armed Conflict, http://www.ejiltalk.org/ uk-to-derogate-from-the-echr-in-armed-conflict/ (zuletzt abgerufen am 04. 01. 2017). 179 OLG Köln, Urteil v. 28.7.05 – 7 U 8/04, juris Rn. 68; VG Köln, Urteil v. 09. 02. 2012 – 26 K 5534/10, Rn. 53; BT-Drs. 17/6862, v. 26. 08. 2011, Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Ulla Jelpke, Christine Buchholz, Inge Höger, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 17/6744 – Biometrische Erfassung von Afghaninnen und Afghanen durch die Bundeswehr, S. 4 Frage 1b.
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Rechtspositionen kommen.180 Die beklagten Staaten im Verfahren zu Bankovic brachten darüber hinaus die Unzuständigkeit des EGMR für alle Sachverhalte bewaffneter Konflikte vor.181 In diesem Zusammenhang besteht aus datenschutzrechtlicher Sicht zwar grundsätzlich das Risiko, dass eine solche Argumentationsstrategie auch auf die Schutzgewährleistung im Rahmen von Datenverwendungen übertragen wird. Mit diesem Risiko geht allerdings nicht die Gefahr einher, dass die Schutzgewährleistung der Grund- und Menschenrechte verringert werden würde. Das humanitäre Völkerrecht verdrängt weder den grund- und menschenrechtlichen Datenschutz generell (dazu Abschnitt aa)), noch enthält es Wertungen, die den Schutzgehalt dieser Rechte einschränken würden (dazu Abschnitt bb)). aa) Parallele Anwendung von humanitärem Völkerrecht und Grund- und Menschenrechten In der Literatur ist mittlerweile anerkannt, dass in der Situation eines bewaffneten Konflikts die Grund- und Menschenrechte nicht grundsätzlich durch das humanitäre Völkerrecht verdrängt werden.182 Ebenso befürworten das BVerfG, der EGMR und der IGH sowie das UNHRC die parallele Anwendbarkeit des humanitären Völkerrechts und der Menschenrechten. Der IGH bezieht sich in zwei Entscheidungen nicht nur auf die Anwendbarkeit des IPbpR im bewaffneten Konflikt, sondern auf Menschenrechtsverträge im Allgemeinen.183 Er betonte dabei den lex specialis-Vorrang des humanitären Völkerrechts, ließ allerdings offen, welche Konsequenzen sich
180 VG Köln, Urteil v. 09. 02. 2012 – 26 K 5534/10, Rn. 53; Das Gericht lehnt die Zulässigkeit der Klage bereits deshalb ab, weil es an einem deutschen hoheitlichen Handeln fehlte, VG Köln, Urteil v. 09. 02. 2012 – 26 K 5534/10, Rn. 78. Zu dieser Problematik siehe Fallkonstellation 2. 181 EGMR (Bankovic ./. Belgien et al), Urteil v. 12. 12. 2001 – 52207/99, § 43. 182 Arnauld, Das (Menschen-)Recht im Auslandseinsatz, in: Weingärtner, Streitkräfte und Menschenrechte (2008), 61 (68). Das lex specialis Verhältnis der Regelungen führt nicht zu einer Beeinträchtigung des menschenrechtlichten Schutzes, Krieger, Die Verantwortlichkeit Deutschlands nach der EMRK für seine Streitkräfte im Auslandseinsatz, ZaöRV 62 (2002), 669 (695); Frowein, Probleme des allgemeinen Völkerrechts vor der Euroäischen Kommission für Menschenrechte, FS Schlochauer (1981), 289 (294); Salomon, Die Anwendung von Menschenrechten im bewaffneten Konflikt, AVR 2015, 322 (323); von überschneidenden Anwendungsbereichen spricht Krieger, Die Verantwortlichkeit Deutschlands nach der EMRK für seine Streitkräfte im Auslandseinsatz, ZaöRV 62 (2002), 669 (693); zur Anwendung des IHL im ISAF-Einsatz Slaughter / Burke-White, An International Constitutional Moment 43 Har. intl. l.j. (2002), 1 (2) und Schöndorf, Extra-State armed conflicts: Is there a need for a new legal regime?, NYU J’ Intl’ L P 37 2004/2005, 1 (16 dort Fn. 54); Röben, in: Dörr / Grote / Marauhn, EMRK/GG (2013), Kap. 5, Rn. 114. 183 IGH (Legal Consequences of the Construction of a Wall in the Occupied Palestinian Territory – The Wall), Gutachten v. 09. 07. 2004, ICJ Rep. 2004, S. 136, §§ 240, 178.
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daraus im Einzelfall ergeben.184 Der UNHRC geht davon aus, dass die beiden Regime „complementary, not mutually exclusive“ anzuwenden seien.185 Dieser Ansatz wird auch „Komplementaritätsansatz“ genannt.186 Ohne sich direkt auf das humanitäre Völkerrecht zu beziehen, lehnte auch der EGMR seine Begründung an die Wertungen des humanitären Völkerrechts an, als er in seiner Entscheidung zu Ergi ./. Türkei beurteilte, ob der Staat seiner Schutzpflicht in Bezug auf Art. 2 EMRK ausreichend nachgekommen war.187 Im Übrigen ist der Gerichtshof zurückhaltend, was den Einfluss des humanitären Völkerrechts auf die menschenrechtlichen Gewährleistungen anbelangt.188 In einigen Entscheidungen waren Sachverhalte Gegenstand von EGMR-Entscheidungen, die im Rahmen militärischer Einsätze stattfanden, nicht jedoch unmittelbar Teil eines bewaffneten Konflikts darstellten. Hierbei wurde die Frage der des Verhältnisses von humanitärem Völkerrecht und Menschenrechten überhaupt nicht aufgeworfen.189 Eine Ausnahme bilden die Entscheidungen zu Hassan und Al-Skeini.190 Insbesondere Hassan enthält Ausführungen zu den konkreten Auswirkungen des bewaffneten Konflikts auf die menschenrechtlichen Gewährleistungen. Zunächst schließe ein bewaffneter Konflikt nicht per se aus, dass ein Vertragsstaat Hoheitsgewalt im Sinne des Art. 1 EMRK ausübt und mithin die EMRK anwendbar ist.191 In Hassan wurde des Weiteren entschieden, dass der Katalog aus Art. 5 Abs. 1 EMRK durch entsprechende Befugnisse aus dem humanitären Völkerrecht erweitert werden könne, solange der „grundlegende 184
Salomon, Die Anwendung von Menschenrechten im bewaffneten Konflikt, AVR 2015, 322 (326); zum lex specialis Verhältnis siehe auch Röben, in: Dörr / Grote / Marauhn, EMRK/ GG (2013), Kap. 5, Rn. 114. 185 UNHRC, General Comment No. 31: Nature of the General Legal Obligation on States Parties to the Covenant, UN Doc. CCPR/C/21/Rev.1/Add.13 v. 29. 03. 2004, Ziff. 11; UNHRC, General Comment No. 29: Derogations during a State of Emergency UN Doc. CCPR/C/21/ Rev.1/Add.11 v. 31. 08. 2001, Ziff. 1 ff. So auch Schaller, Military Operations in Afghanistan and International Humanitarian Law, SWP Comments 7 (März 2010), 1 (2). 186 Salomon, Die Anwendung von Menschenrechten im bewaffneten Konflikt, AVR 2015, 322 (340). 187 In der Entscheidung ging es um die Tötung einer Frau, die nicht an den Kämpfen zwischen staatlichen Sicherheitskräften und der PKK beteiligt gewesen war, EGMR (Ergi ./. Türkei), Urteil v. 28. 07. 1998 – 66/1997/850/1057, §§ 79 – 81; Jankowska-Gilberg, Extraterritorialität von Menschenrechten (2008), S. 97; siehe auch Inter-American Court of Human Rights (Coard et al. ./. the United States of America), Case 10.951, Report Nr. 109/99, v. 29. 9. 1999, §§ 39, 42, 57. 188 Jankowska-Gilberg, Extraterritorialität von Menschenrechten (2008), S. 98. 189 EGMR (Issa et al ./. Türkei), Urteil v. 16. 11. 2004 – 31821/96; EGMR (Isaak et al ./. Türkei), Zulässigkeitsentscheidung v. 28. 09. 2006 – 44587/98; Salomon, Die Anwendung von Menschenrechten im bewaffneten Konflikt, AVR 2015, 322 (330). 190 EGMR (Al-Skeini et al ./. Großbritannien), Urteil v. 07. 07. 2011 – 55721/07, §§ 90 ff.; EGMR (Hassan ./. Großbritannien), Urteil v. 16. 09. 2014 – 29750/09, §§ 99 ff. 191 EGMR (Hassan ./. Großbritannien), Urteil v. 16. 09. 2014 – 29750/09, §§ 76 ff., 80; Oellers-Frahm, Menschenrechte und humanitäres Völkerrecht: Umfang und Grenzen der Zuständigkeit des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, in FS Hailbronner (2013), 491 (499).
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Zweck“ des Art. 5 EMRK gewahrt bleibe.192 Das Urteil stellt das humanitäre Völkerrecht damit unter den Vorbehalt, den Kerngehalt der Menschenrechte zu wahren. Allen Gerichten geht es demzufolge darum, beide Regime einander anzugleichen. Verwirklicht werden kann eine solche harmonisierende Auslegung,193 weil das humanitäre Völkerrecht selbst bereits einen „Kompromiss zwischen militärischen und humanitären Erfordernissen“ darstellt.194 Auf der Ebene der Menschenrechtsschranken ist es ebenfalls möglich, einen Ausgleich zwischen dem Schutzinteresse der Menschenrechte und den Interessen der militärischen Notwendigkeit des humanitären Völkerrechts zu schaffen.195 Erst wenn keine harmonisierende Auslegung möglich ist, d. h. tatsächlich ein Konflikt der Rechtsregime gegeben ist, braucht der Vorrang des humanitären Völkerrechts als lex specialis im Sinne des IGH zu greifen, was bei Datenerhebungen nicht der Fall ist, wie der folgende Abschnitt zeigen wird.196 Den Menschenrechten verbleibt demnach auch während bewaffneter Konflikte ein Anwendungsbereich.197 Festzuhalten ist nach alledem, dass die Rechtsregime parallel anzuwenden sind, wodurch der Umfang des Datenschutzes nicht beeinträchtigt wird. Die Anwendung der Menschenrechte ist auch deshalb vorteilhaft für den Schutzumfang, weil ein Durchsetzungsmechanismus für die Betroffenen bereitsteht, wie es ihn im humanitären Völkerrecht nicht gibt.198
192 EGMR (Hassan ./. Großbritannien), Urteil v. 16. 09. 2014 – 29750/09, § 104; Salomon, Die Anwendung von Menschenrechten im bewaffneten Konflikt, AVR 2015, 322, (331). 193 Art. 31 Abs. 3 lit. c WVRK. So nach dem Komplementaritätsansatz Salomon, Die Anwendung von Menschenrechten im bewaffneten Konflikt, AVR 2015, 322 (341). 194 Heintze, Theorien zum Verhältnis von Menschenrechten und humanitärem Völkerrecht, HuV-I (2011), 5 (7); Krieger, Die Verantwortlichkeit Deutschlands nach der EMRK für seine Streitkräfte im Auslandseinsatz, ZaöRV 62 (2002), 669 (696); Salomon, Die Anwendung von Menschenrechten im bewaffneten Konflikt, AVR 2015, 322 (342). 195 Kolb, Human Rights and Humanitarian Law, MPEPIL Vol. IV (2012), 1040 (1047); Arnauld, Das (Menschen-)Recht im Auslandseinsatz, in: Weingärtner, Streitkräfte und Menschenrechte (2008), 61 (69). 196 Dazu und zur Einordnung und Kritk an der Bezeichnung des IHL als lex specialis ausführlich Salomon, Die Anwendung von Menschenrechten im bewaffneten Konflikt, AVR 2015, 322 (338 f.); im Ergebnis so auch Arnauld, Das (Menschen-)Recht im Auslandseinsatz, in: Weingärtner, Streitkräfte und Menschenrechte (2008), 61 (69); Krieger, Die Verantwortlichkeit Deutschlands nach der EMRK für seine Streitkräfte im Auslandseinsatz, ZaöRV 62 (2002), 669 (693). Auch das Nebeneinander der Regelungen kann ein Ergebnis der Ergebnis dieser Auslegung sein, Krieger, Die Verantwortlichkeit Deutschlands nach der EMRK für seine Streitkräfte im Auslandseinsatz, ZaöRV 62 (2002), 669 (695). 197 Siehe nur Frowein, The Relationship between Human Rights Regimes and Regimes of Belligerent Occupation, Israel Yearbook on Human Rights 28 (1998), 1 (16). 198 Gondek, Extraterritorial Application of the ECHR: Territorial Focus in the Age of Globalization?, NILR, Vol. 52, Issue 3 (2005), 349 (352).
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bb) Keine weitergehenden Einschränkungen durch das humanitäre Völkerrecht Eine Anwendung des humanitären Völkerrechts auf Datenerhebungen führt darüber hinaus nicht zu weiteren Einschränkungen des Schutzumfangs. Dies ergibt sich aus Folgendem: Bereits die oben in Teil 2 A. II. 1. b) aa) erläuterte Einschätzungsprärogative erlaubt es, die besonderen Umstände, die ein bewaffneter Konflikt mit sich bringt, innerhalb der Rechtfertigungserwägungen eines Grund- oder/ und Menschenrechtseingriffs zu gewichten, ohne dass diese Gewichtung im Einzelnen gerichtlich überprüfbar wäre. Die Prärogative bezieht sich dabei auf den Interessenausgleich zwischen der Freiheit des Einzelnen und der nationalen Sicherheit im Rahmen der Auslandsaufklärung.199 In gleicher Weise ist das humanitäre Völkerrecht auf den Ausgleich zwischen den Interessen einer betroffenen Person und den militärischen, d. h. sicherheitspolitischen Notwendigkeiten gerichtet. Somit zielt das humanitäre Völkerrecht auf einen sehr ähnlichen Interessenausgleich ab, wie ihn bereits die Einschätzungsprärogative ermöglicht. Infolgedessen ergibt sich aus dem Umstand, dass die Erhebung anlässlich eines bewaffneten Konflikts stattfindet, keine weitergehende Möglichkeit für den Gesetzgeber oder die Bundesregierung, sich der gerichtlichen Überprüfung zu entziehen, als dies bereits allein aufgrund der Einbindung des Datenerhebung in die Auslandserhebung im Rahmen der Einschätzungsprärogative möglich ist. Daneben ist zu bedenken, dass Datenerhebungen lediglich anlässlich bewaffneter Konflikte vorgenommen werden und nicht während dieser Konflikte. Die „spezielle (n) militärische(n) Notwendigkeit“200, die zur stärkeren Gewichtung des humanitären Völkerrechts gegenüber menschenrechtlichen Erwägungen führt, ist gering, wenn Handlungen betroffen sind, die lediglich anlässlich von Kampfeinsätzen vorgenommen werden und nicht während eben jener. Die schwierige Aufgabe, einen Ausgleich zwischen der Kriegsführung und menschenrechtlicher Rechtmäßigkeit zu erzielen, stellt sich bei Datenverwendungen nicht im selben Maße wie bei Kampfhandlungen.201 Die Entscheidung zur Datenerhebung findet anders als die Kampfhandlungen nicht unter großem zeitlichen Druck statt. Vielmehr werden Datenerhebungen als Vorbereitung auf oder im Anschluss an die direkte Auseinandersetzung mit dem Feind ausgeführt. Die Verwendung der Soldaten zum Zweck der Datenerhebung findet also nicht innerhalb der klassischen Struktur der „Kriegsführung“ 199
Vgl. BVerfGE 100, 313 (388). Arnauld, Das (Menschen-)Recht im Auslandseinsatz, in: Weingärtner, Streitkräfte und Menschenrechte (2008), 61 (69). 201 Das Ziel der konkreten Ausgestaltung des parallelen Anwendungsverhältnisses ist es, eine Balance zwischen dem Rechtsgüterschutz und einer praktisch relevanten und realisierbaren Entscheidungshilfe für die anspruchsvollen Situationen bewaffneter Konflikte herzustellen, Salomon, Die Anwendung von Menschenrechten im bewaffneten Konflikt, AVR 2015, 322 (342). 200
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statt, sondern ähnelt vor dem Hintergrund des Kriegsrechts eher einer polizeilichen Aufgabenwahrnehmung.202 In diesen Situationen stellt es keine überzogenen Anforderungen an die Soldaten dar, die betroffenen Rechtsgüter gegeneinander abzuwägen. Abwägungsvorgänge und Verhältnismäßigkeitsüberlegungen widersprechen im Fall der Datenerhebungen nicht dem Anliegen des humanitären Völkerrechts, alleingültige, zügige und kurzfristige Entscheidungshilfen bereitzustellen. Vielmehr können bei der Datenerhebung die Grund- und Menschenrechte selbst die Besonderheiten der bewaffneten Konflikte in ihrer Verhältnismäßigkeitsprüfung aufgreifen, ohne dass dadurch die Funktionsweise der Kriegsführung beeinträchtigt bzw. die besonderen Aspekte des bewaffneten Konflikts vernachlässigt würden. Das parallel anwendbare humanitäre Völkerrecht enthält im Übrigen auch keine Wertungen, die dem Datenschutz der Grund- und Menschenrechte diametral entgegenlaufen würden. Soweit ersichtlich bezieht sich nur eine einzige Regel auf den Umgang mit personenbezogenen Daten. Art. 17 III GK III besagt, dass Informationen von Kriegsgefangenen, zu denen auch personenbezogene Daten gehören, nicht unter Anwendung von Folter oder sonstiger erniedrigender Behandlung erhoben werden dürfen.203 Die Relevanz dieser Regelung ist allerdings gering, da sie keine über das auch menschenrechtlich verankerte Folterverbot hinausgehende Wertung enthält und der Datenerhebung im Übrigen neutral gegenübersteht. Außerdem bezieht sie sich ausschließlich auf die Behandlung von Kriegsgefangenen. Aus den bisherigen Einsatzmandaten geht hervor, dass personenbezogene Daten zwar auch von solchen Personen erhoben werden, die etwa der Piraterie verdächtig sind204 und als Kriegsgefangene einzustufen wären, zu einem Großteil jedoch die Zivilbevölkerung betreffen. Doch ist zu bedenken, dass die Unterscheidung zwischen Angehörigen der Zivilbevölkerung und „Terroristen“ heutzutage kaum mehr durchführbar ist.205 Regelungen zu Datenerhebungen in Bezug auf die Zivilbevölkerung enthält das humanitäre Völkerrecht nicht.206 202 Die Art der internationalen Streitkräfteeinsätze habe sich gewandelt hin zu der „Wahrnehmung quasi-polizeilicher Aufgaben“ die heute im Vordergrund stehen, was selbst bei den Einsätzen im Kampf gegen den Terrosrismus gelte, Krieger, Die Verantwortlichkeit Deutschlands nach der EMRK für seine Streitkräfte im Auslandseinsatz, ZaöRV 62 (2002), 669 (696). 203 Diese Wertung entspricht in vollem Umfang der grund- und menschenrechtlichen Wertung, Art. 3 EMRK, At. 1 Abs. 1 S. 2 GG, Art. 7 IPbpR. Zum allgemein gültigen Verbot der Beeinträchtigung der persönlichen Würde verbietet, also erniedrigende und entwürdigende Behandlungen aus Art. 3 Nr. 1 lit. c GK I siehe, Moir, The law of internal armed conflict (2002), S. 60 ff. 204 Beschluss des Rates 2014/827/GASP v. 21. 11. 2014, Art. 1 Abs. 2. 205 Strüwer, Zum Zusammenspiel von humanitärem Völkerrecht und den Menschenrechten am Beispiel des Targeted Killing (2010), S. 97; Murphy, Contemporary Practice of the United States relating to international law: U.S. Nationals Detained as Unlawful Combatants, AJIL 97 (2003), 196 (197 f.); zur Unterscheidbarkeit in früheren Konflikten siehe Markard, Kriegsflüchtlinge: Gewalt gegen Zivilpersonen in bewaffneten Konflikten als Herausforderung für das Flüchtlingsrecht und den subsidiären Schutz (2012), S. 59 ff.
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Im Ergebnis führt die Anwendung des humanitären Völkerrechts auf Einsätze der Bundeswehr, innerhalb derer Daten erhoben werden, nicht zu weitergehenden Einschränkungen des Schutzumfangs. 3. Auswirkungen militärischer Kooperationen Datenerhebungen im Ausland werden von den Bundeswehrsoldaten regelmäßig im Rahmen multinationaler Kooperationen durchgeführt.207 Dieser Umstand stellt die dritte Abweichung vom Grundkonzept dar. Die Kooperationen werden in vielen Fällen von internationalen Organisationen geleitet.208 In diesen Situationen ist eine 206 Die Genfer Konvention und ihre Zusatzprotokolle wurden 1949 bzw. 1977 erstellt, als sich die Frage nach dem Umgang mit der automatischen Verarbeitung von Daten noch nicht im gleichen Maße stellte wie heute, Schöndorf, Extra-State armed conflicts: Is there a need for a new legal regime?, NYU J’ Intl’ L P 37 2004/2005, 1 (3). Das humanitäre Völkerrecht ist auch für eine Adaption neuer „Kriegstechnologien“ offen. So auch die Situation vor der Verabschiedung des ZP I GK, als durch Fliegerbomben plötzlich weite Teile der Zivilbevölkerung in das Kriegsgeschehen einbezogen wurden, Sandoz, Swinarski, Zimmermann, Commentary on the additional protocols of the 8 June 1977 to the Geneva Conventions of 12 August 1949 (1987), S. 587. Insbesondere im Bereich Cyber-Warfare und Nutzung modernen Technologien (unbemannte Drohnen, Videoübertragung) werden Diskussionen über die Kompatibilität mit dem IHL geführt sowie über die Adaptionsfähigkeit des IHL in Bezug auf neue Technologien und Methoden. Art. 36 ZP I GK enthält Grenzen für neue Waffen und wird auch von Staaten akzeptiert, die dem ZP I nicht beigetreten sind, Stewart, New Technology and the Law of Armed Conflict, Intl. Law Studies Vol. 87 (I) (2011), 271 (272). Ob es sich allerdings bereits um Völkergewohnheitsrecht handelt sei unklar Stewart, New Technology and the Law of Armed Conflict, Intl. Law Studies Vol. 87 (I) (2011), 271 (283). Die Datenerhebung ist auch keine Kriegshandlung und fällt deshalb nicht unter Art. 48 ZP I, nach dem sich Kriegshandlungen nur gegen militärische Ziele richten dürfen, Mitchel, Distinguishing Friend from Foe: Law and Policy in the Age of Battlefield Biometrics, CYIL 2012, 289 (309). 207 Siehe dazu 3. Diese Fallkonstellation betrachtet lediglich die Erhebung von Daten innerhalb einer Kooperation. Welche rechtlichen Konsequenzen sich aus dem Datenaustausch mit Kooperationspartnern ergeben, behandelt der „Datenverarbeitung im Inland“ (dazu C.). 208 EU NAVFOR Somalia Operation Atalanta OEF; EUNAVFOR MED (Horn v. Afrika); Operation Inherent Resolve (Syrien/ Irak/ Türkei); ISAF(Afghanistan); KFOR (Kosovo); EUTM Mali, BT-Drs. 18/8090 v. 13. 04. 2016, Antrag der Bundesregierung Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an der Militärmission der Europäischen Union als Beitrag zur Ausbildung der malischen Streitkräfte (EUTM Mali) auf Grundlage des Ersuchens der Regierung von Mali an die EU sowie der Beschlüsse des Rates der EU 2013/87/ GASP vom 18. Februar 2013, zuletzt geändert mit dem Beschluss des Rates der EU 2016/446/ GASP vom 23. März 2016 in Verbindung mit den Resolutionen des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen 2071 (2012) vom 12. Oktober 2012 und folgender Resolutionen, zuletzt 2227 (2015) vom 29. Juni 2015; MINUSMA (Mali), BT-Drs. 18/7206 v. 06. 01. 2016, Antrag der Bundesregierung Fortsetzung und Erweiterung der Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an der Multidimensionalen Integrierten Stabilisierungsmission der Vereinten Nationen in Mali (MINUSMA) auf Grundlage der Resolutionen 2100 (2013), 2164 (2014) und 2227 (2015) des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen vom 25. April 2013, 25. Juni 2014 und 29. Juni 2015; UNIFIL (Libanon/ Zypern), BT-Drs. 18/8624 v. 01. 06. 2016, Antrag der Bundesregierung Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an der „United Nations Interim Force in Lebanon“ (UNIFIL) auf Grundlage der Resolution 1701 (2006) und nach-
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Tendenz erkennbar, die sich potenziell negativ auf den Umfang des Datenschutzes auswirken kann. Es ist der Versuch der Staaten erkennbar, sich ihrer grund- und menschenrechtlichen Verantwortlichkeiten durch eine (fehlerhafte) Anwendung der Zurechnungsregeln zu entledigen. Die Verantwortung eines Staates als Träger von völkerrechtlichen Pflichten besteht unabhängig davon, wem eine konkrete Verletzungshandlung zugerechnet wird (dazu Abschnitt a)). Dementsprechend besteht die Verantwortung der Bundesrepublik Deutschland, datenschutzrechtliche Pflichten zu erfüllen, nach den völkerrechtlichen Regeln unabhängig von der Zurechnung einer konkreten Datenerhebung zur Bundesrepublik. In der Staatenpraxis zeichnet sich in anderen Fällen als der Datenerhebung ab, dass die Zurechnungsregeln dazu verwendet werden, über die einzelne Handlung hinaus die gesamte Verantwortung der Staaten abwenden zu wollen (dazu Abschnitt b)). Möglich wird diese Argumentationsstrategie in Situationen, in denen das Verhalten eines Soldaten einer internationalen Organisation zugerechnet werden kann. Da die EMRK nicht vorsieht, dass internationalen Organisationen Partei der EMRK sind, ist die Konvention ratione personae auf sie unanwendbar.209 Darüber hinaus kann die völkerrechtliche Immunität einer Rechtsdurchsetzung entgegenstehen, so etwa wenn die UN als allein verantwortliche Stelle handeln.210 folgender Verlängerungsresolutionen des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen, zuletzt Resolution 2236 (2015) vom 21. August 2015; EUTM SOM (Somalia), BT-Drs. 18/7556 v. 17. 02. 2016, Antrag der Bundesregierung Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an der EU-geführten Ausbildungs- und Beratungsmission EUTM Somalia auf Grundlage des Ersuchens der somalischen Regierung mit Schreiben vom 27. November 2012 und 11. Januar 2013 sowie der Beschlüsse des Rates der Europäischen Union vom 15. Februar 2010, 22. Januar 2013 und 16. März 2015 in Verbindung mit den Resolutionen 1872 (2009) und 2158 (2014) des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen; UNAMID ( Sudan); UNMISS (Südsudan); MINURSO (West Sahara); UNAMA (Afghanistan); Operation Inherent Resolve Syrien, Irak, Türkei, BT-Drs. 18/7207 v. 01. 06. 2016, Antrag der Bundesregierung Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte zur Ausbildungsunterstützung der Sicherheitskräfte der Regierung der Region Kurdistan -Irak und der irakischen Streitkräfte; Resolute Support Afghanistan, BT-Drs. 18/6743 v. 18. 11. 2015, Antrag der Bundesregierung Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte am NATO-geführten Einsatz Resolute Support für die Ausbildung, Beratung und Unterstützung der afghanischen nationalen Verteidigungs- und Sicherheitskräfte in Afghanistan; KFOR Kosovo, BT-Drs. 18/8623 v. 01. 06. 2016, Antrag der Bundesregierung Fortsetzung der deutschen Beteiligung an der internationalen Sicherheitspräsenz in Kosovo auf der Grundlage der Resolution 1244 (1999) des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen vom 10. Juni 1999 und des Militärisch-Technischen Abkommens zwischen der internationalen Sicherheitspräsenz (KFOR) und den Regierungen der Bundesrepublik Jugoslawien (jetzt: Republik Serbien) und der Republik Serbien vom 9. Juni 1999. 209 Röben, in: Dörr / Grote / Marauhn, EMRK/GG (2013), Kap. 5 Rn. 132. 210 Art. 105 Abs. 1 UNCh; Art. 2 Abs. 2 Convention on the Privileges and Immunities of the United Nations Fox / Webb, The Law of State Immunity (2013), S. 571. Um die Immunität vor nationalen Gerichten rechtfertigen zu können, müssen internationale Organisationen alternative interne Beschwerdeverfahren bereitstellen, EGMR (Waite u. Kennedy ./. Deutschland), Urteil v. 18. 02. 1999 – 26083/94, §§ 68 – 69; EGMR (Nada ./. Schweiz), Urteil v. 12.09.12 – 10593/08, §§ 207 ff.; siehe auch EuGH (Kadi II), Urteil v. 18. 7. 2013 – C-583/10 P u. a., § 133.
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Schlägt diese Argumentation durch, fehlt es an einer verantwortlichen Stelle, die für die Einhaltung der Schutzregeln verantwortlich ist.211 Dies wirkt sich insofern negativ auf die Schutzgewährleistung aus, als eine verantwortliche Stelle fehlen kann, die „als Anknüpfungspunkt für vom Gesetz festgelegte Rechte und Pflichten“ dient.212 Die daraus resultierende faktische Nichtanwendung von Grund- und Menschenrechten ist deshalb aus datenschutzrechtlicher Perspektive fragwürdig, weil eine ausschließliche Zurechnung zur internationalen Organisationen keineswegs rechtlich zwingend ist. Vielmehr kann daneben die Verantwortung des Entsendestaates bestehen bleiben. Die Zurechnung als ein Alternativverhältnis zu sehen, d. h. die Verantwortung im Ganzen entweder dem Entsendestaates oder der internationalen Organisationen zuzuweisen, entspricht nicht dem Telos der Zurechnungsregeln (dazu Teil 3 B.).
Bemerkt sei, dass die UN selbst die exklusive Zurechnung zu ihnen befürwortet. Sowohl der Generalsekretät als auch die Rechtsabteilung der UN sind dieser Ansicht, vgl. Gaja, Special Rapporteur, Responsibility of International Organsizations, UN Doc. A/CN.4/541, v. 02. 04. 2004, Kommentar Nr. 36; UN GA, Report of the International Law Comission (2004), UN GA Doc. (Supp. 10) A/59/10, Kommentar Nr. 5 zu Art. 7. 211 Die fehlende Verantwortung eines Staates für die Handlungen seiner Organe wurde unter anderem in in den Entscheidungen des EGMR und des BVerfG zu Hess und des EGMR zu Drozd Janousek dargelegt. In der EGMR Entscheidung zu Hess lehnte die Kommission die Zulässigkeit ab, weil die gemeinsam ausgeübte Hoheitsgewalt der Alliierten über das in Rede stehende Gefängnis nicht getrennt und deshalb eine alleinige Verantwortlichkeit Großbritanniens nicht bestimmt werden konnte, EGMR (Hess ./. Großbritannien), Entscheidung der Kommission v. 28. 05. 1975 – DR 2. 72 (74). Zum Aspekt der jurisdiction in diesem Fall siehe Lawson, Life after Bankovic, in: Coomans / Kamminga, Extraterritorial Application of Human Rights Treaties (2004), 83 (91). Der anschließend vor dem BVerfG begehrte Schutz durch die Bunderepublik bezüglich der Inhaftierung unter unmenschlichen Bedingungen durch die Alliierten innerhalb der Bundesrepublik, hatte ebenfalls keinen Erfolg. Das BVerfG sah die Bundesrepublik in keinerlei Verantwortlichkeit hinsichtlich des Freiheitsentzugs und konnte auch keine zurechenbare Mitwirkung feststellen. Die Alliierten Besatzungsmächten hatten ihre eigene originäre Hoheitsgewalt ausgeübt, ohne dass diese von der Hoheitsgewalt der Bundesrepublik ableitbare oder beeinflussbar gewesen wäre, BVerfGE 55, 349 (362 f.). In der hier vorliegenden Konstellation ist allerdings bereits aus dem Auftreten der Soldaten nach außen erkennbar, welchem Entsendestaat sie angehören, so dass keine der Hess-Entscheidung vergleichbaren Unmöglichkeiten bei der Bestimmung der Zugehörigkeit zu einer Jurisdiktion bestehen. So ist an den Uniformen die Zugehörigkeit zu einer Nation zu erkennen, etwaige Mietverträge mit dem Staat, in dem der Einsatz stattfindet werden durch die einzelnen Entsendestaaten geschlossen und die zivilrechtliche Haftung trifft ebenfalls die Entsendestaaten direkt, Krieger, Die Verantwortlichkeit Deutschlands nach der EMRK für seine Streitkräfte im Auslandseinsatz, ZaöRV 62 (2002), 669 (682). In EGMR (Drozd Janousek ./. Frankreich und Spanien), Urteil v. 26. 06. 1992 – 12747/87, stellte der EGMR fest, dass die Richter nicht in ihrer Funktion als französische, bzw. spanische Richter handelten, sondern in der einer autonomen Institution, nämlich der der Gerichte von Andorra. Frankreich und Spanien hielten auch keinerlei Überwachungsfunktion dieser Institution inne, EGMR (Drozd Janousek ./. Frankreich und Spanien), Urteil v. 26. 06. 1992 – 12747/87, § 96. Auch ein solcher Fall liegt in der vorliegenden Konstellation nicht vor. 212 Dammann, in: Simitis, BDSG, 8. Aufl. (2014),§ 3 Rn. 224.
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a) Das Recht der Staatenverantwortlichkeit Grundsätzlich ist der Entsendestaat für die Handlungen seiner Soldaten verantwortlich.213 Dementsprechend ist auch die Bundesrepublik Deutschland im Ausgangspunkt für die Handlungen der Bundeswehrsoldaten, wie etwa Datenerhebungen, verantwortlich. Unter bestimmten Voraussetzungen kann die Handlung eines staatlichen Organs der den Einsatz leitenden internationalen Organisation zugerechnet werden, mit der Folge, dass der Entsendestaat nicht für die Verletzung der Pflicht einzustehen hat. Diese Voraussetzungen sind in den Regeln zur Staatenverantwortlichkeit enthalten. Für die weitere Betrachtung sind nicht nur diese Regeln, sondern auch die folgende grundsätzliche Unterscheidung von Bedeutung. Innerhalb der völkerrechtlichen Zurechnung wird zwischen den primären und sekundären Regeln des Völkerrechts unterschieden. Die primären Regeln betreffen den Inhalt der völkerrechtlichen Verpflichtung, deren Verletzung gegebenenfalls im Raum steht. Eine primäre Pflicht besteht unabhängig von der Zurechnung der konkreten Verletzung dieser Pflicht zu einem Völkerrechtsobjekt. Die Zurechnung wird vielmehr davon getrennt über die sekundären Regeln des Völkerrechts entschieden, den sog. völkerrechtlichen Regeln der Staatenverantwortlichkeit.214 Dementsprechend richtet sich die Zurechnung von Handlungen deutscher Soldaten im Ausland nach den völkerrechtlichen Grundsätzen der Staatenverantwortlichkeit, unabhängig von der Frage, welche völkerrechtlichen Pflichten die Bundesrepublik Deutschland zu erfüllen hat.215 Als Ausgangspunkt der Zurechnung ist wie erwähnt ein Entsendestaat für die Handlungen und Unterlassungen seiner Soldaten verantwortlich.216 Der Entsendestaat muss nur dann nicht für seine Soldaten einstehen, wenn deren Handlung oder Unterlassung einem anderen Völkerrechtssubjekt, wie etwa einer internationale Organisation, zuzurechnen sind (dazu Abschnitt aa)). Der EGMR legte die völkerrechtlichen Zurechnungsregeln in verschiedenen Entscheidungen aus (dazu Abschnitt bb)). Im Rahmen einer Betrachtung wie der vorliegenden, in der sich die Zurechnungsfrage in multinationalen Einsätzen stellt, ist darüber hinaus die Entscheidung eines niederländischen Gerichts von 213
Art. 4 ILC. Crawford, State Responsibility (2013), S. 64. 215 Diese Frage der Zurechnung einer Handlung oder eines Unterlassens zu einem Völkerrechtssubjekt richtet sich nach dem allgemeinen Völkerrecht und ist zu unterscheiden, von der oben behandelten Frage nach der Ausübung von Hoheitsgewalt als Voraussetzung der Anwendbarkeit von Menschenrechtsverträgen auf einen bestimmten Staat. Siehe dazu Milanovic, From Compromise to Principle: Clarifying the Concept of State Jurisdiction in Human Rights Treaties, Human Rights Law Review 83 (2008), 411 (419). Ungeklärt sei bislang, inwieweit die Regeln zur Staatenverantwortlichkeit auf die Menschenrechtserträge zu übertragen seien, Larsen, Attribution of Conduct in Peace Operations: The „Ultimate Authority and Control“ Test, EJILVol. 19 No. 3 (2008), 509 (518); Gondek, Extraterritorial Application of the ECHR: Territorial Focus in the Age of Globalization?, NILR, Vol. 52, Issue 3 (2005), 349 (368); a.A. King, The Extraterritorial Human Rights Obligations of States, Human Rights Law Review 94 (2009), 521 (530). 216 Art. 4 ILC; Crawford, State Responsibility (2013), S. 116. 214
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Bedeutung, da sie sich zum einen aus der Perspektive der Vertragsstaaten zur völkerrechtlichen Zurechnung in multinationalen Einsätzen äußert und zum anderen den weiterführenden Ansatz einer parallelen Zurechnung enthält (dazu Abschnitt cc)). Schließlich wird die Anwendungspraxis der Zurechnungsregeln innerhalb der Bundesrepublik betrachtet (dazu Abschnitt dd)). aa) Völkerrechtliche Regeln zur Zurechnung von Handlungen zu einer internationalen Organisation Zunächst werden die völkerrechtlichen Regeln zur Staatenverantwortlichkeit betrachtet, um anschließend auf die Abweichungen von diesen Grundsätzen durch die Gerichte eingehen zu können. Die Zurechnung zu einer internationalen Organisation wird angenommen, sobald der Entsendestaat seine Soldaten eben jener zur Verfügung gestellt hat. Diese Zurverfügungstellung ist nach der Draft Articles on the Responsibility of International Organisations (DARIO) dann gegeben, wenn die internationale Organisation die Leitung und die effektive Kontrolle über den jeweiligen Einsatz und die in Rede stehende Handlung ausübt.217 Die DARIO stellen also auf das tatsächliche Kriterium der effektiven Kontrolle ab.218 Ein Teil der Literatur definiert die effektive Kontrolle als die Übernahme des operativen Kommandos (operational control). Entscheidend sei, welche Stelle die konkrete Entscheidung über den Einsatz treffe.219 Andere sehen in der Übertragung allein der operativen Kontrolle, die unter dem Vorbehalt des einseitigen Widerrufs steht, keine ausreichende Übertragung effektiver Kontrolle, sondern stellen auf die konkrete Befehls- und Kommandogewalt ab.220 Die Haftungs- und Verantwortungsverteilung hätten dabei lediglich Indizwirkung für die Verteilung der Kontrollstrukturen.221 Becker hält es nicht für erforderlich, dass die „Beeinträchtigung im Rahmen einer
217 Art. 6 ILC (dazu oben Fn. 252) und Art. 7 DARIO (dazu oben Fn. 255); dazu Krieger, Die Verantwortlichkeit Deutschlands nach der EMRK für seine Streitkräfte im Auslandseinsatz, ZaöRV 62 (2002), 669 (678). 218 Wissenschaftliche Dienste Deutscher Bundestag, Zur Anwendbarkeit völkerrechtlicher Menschenrechtsverträge und humanitären Völkerrecht bei Auslandseinsätzen der Bundeswehr v. 30. 09. 2008, S. 9. 219 Larsen, Attribution of Conduct in Peace Operations: The „Ultimate Authority and Control“ Test, EJIL Vol. 19 No. 3 (2008), 509 (513). 220 Arnauld, Das (Menschen-)Recht im Auslandseinsatz, in: Weingärtner, Streitkräfte und Menschenrechte (2008), 61 (66); im Ergebnis so auch Krieger, Die Verantwortlichkeit Deutschlands nach der EMRK für seine Streitkräfte im Auslandseinsatz, ZaöRV 62 (2002), 669 (678 ff.). 221 Arnauld, Das (Menschen-)Recht im Auslandseinsatz, in: Weingärtner, Streitkräfte und Menschenrechte (2008), 61 (66); so im Ergebnis auch Gaja, welcher der Disziplinargewalt eine hohe Bedeutung für die Zurechnung zumisst, aber eine Übertragung der effektiven Kontrolle an die UN nicht durch einen Verbleib der Disziplinargewalt bei Staat ausschließt, Kommentar Nr. 36, Kommentar Nr. 39.
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gleichsam der Gebietshoheit ähnlichen Ausübung von Hoheitsgewalt erfolgt“.222 Alle Ansichten haben gemeinsam, dass allein die Entscheidungsbefugnis bezüglich einer konkreten Handlung maßgeblich für die effektive Kontrolle ist, nicht aber die übergeordneten strategischen Entscheidungen. Wird die Bundeswehr bei ihren Auslandseinsätzen im Rahmen der EU tätig, können dieser die Handlungen der Soldaten zugerechnet werden.223 Dafür kommt es nach Cremer auf das Maß der Kontrolle an, die die EU über die Verwendung der militärischen Mittel hat.224 Regelsberger/ Kugelmann sprechen der GASP in diesem Sinne die „Funktion (…) als Rahmen und Korsett für die Außenpolitik der Mitgliedstaaten“ zu.225 Auch wenn sich der intergouvernementale Charakter der GASP zu einem „Rahmen und Korsett für die Außenpolitik der Mitgliedstaaten“226 fortentwickelt, entscheiden immer noch die nationalen Parlamente über den Einsatz der nationalen Streitkräfte.227 Entscheidungen über den Einsatz und die Ausführung eines Einsatzes der Bundeswehr liegen weiterhin im Zuständigkeitsbereich des Deutschen Bundestags, da im Bereich der GASP noch keine supranationalen Strukturen bestehen.228 Eine Unterbrechung originärer Zurechnung kann deshalb 222
Becker, in: Isensee / Kirchhof, HStR Band XI, (2013), § 240 Rn. 46; a.A. Krieger, Die Verantwortlichkeit Deutschlands nach der EMRK für seine Streitkräfte im Auslandseinsatz, ZaöRV 62 (2002), 669 (672). 223 Cremer, in: Calliess / Ruffert, EUV/ AEUV 5. Aufl. (2016), EUV Art. 24 Rn. 10; zur Rechtspersönlichkeit der EU siehe Art. 47 EUV. 224 Er orientiert sich dabei an der Entscheidung des EGMR zu Behrami / Saramati, wodurch er wiederum das Problem aufwirft, nach welchem Kriterium die effektive Kontrolle zu beurteilen ist, ohne dass er weitere Konkretisierungen diesbezüglich darlegt. Die Einsätze finden im Rahmen der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) statt. In Abgrenzung zum Raum der Freiheit, Sicherheit und Recht nach Titel V des Dritten Teils des AEUV und Art. 13 Abs. 2 EUV beinhaltet die GASP im Grundsatz die Sicherheit der EU nach außen und kann sowohl die gemeinsame Verteidigungspolitik als auch die gemeinsame Verteidigung umfassen, Regelsberger / Kugelmann, in: Streinz, EUV/AEUV 2. Aufl. (2012), Art. 21 EUV, Rn. 8; zur Terrorismusbekämpfung innerhalb der EU/ des Raums für Freiheit, Sicherheit und Recht siehe Ambrock, Die Übermittlung von S.W.I.F.T.-Daten an die Terrorismusaufklärung der USA (2013), S. 54 ff. Bislang ist jedoch nur die gemeinsame Verteidigungspolitik vergemeinschaftet worden. Eine gemeinsame Verteidigung wurde noch nicht etabliert, Regelsberger / Kugelmann, in: Streinz, EUV/AEUV 2. Aufl. (2012), Art. 25 EUV Rn. 6. Dabei fällt insbesondere die innere Sicherheit weiterhin in die alleinige Verantwortung der einzelnen Mitgliedstaaten, Art. 4 Abs. 2 S. 3 EUV. Auch wenn zwar eine Zurechnung zur EU für möglich gehalten wird, ist indes nicht von der Hand zu weisen, dass die EU bislang (noch) darauf ausgerichtet ist, lediglich außenpolitisches Handeln der Mitgliedstaaten zu koordinieren, so auch Cremer, in: Calliess / Ruffert, EUV/ AEUV 5. Aufl. (2016), EUV Art. 24 Rn. 10. 225 Regelsberger / Kugelmann, in: Streinz, EUV/AEUV 2. Aufl. (2012), Art. 24 EUV Rn. 2. 226 Regelsberger / Kugelmann, in: Streinz, EUV/AEUV 2. Aufl. (2012), Art. 24 EUV Rn. 2. 227 Regelsberger / Kugelmann, in: Streinz, EUV/AEUV 2. Aufl. (2012), Art. 24 EUV Rn. 1. 228 Regelsberger / Kugelmann, in: Streinz, EUV/AEUV 2. Aufl. (2012), Art. 25 EUV Rn. 4; zum Parlamentsvorbehalt in diesem Zusammenhang BVerfGE 123, 267 (425). Zur Entwicklung der gemeinsamen Verteidigungspolitik siehe Dietrich, Die rechtlichen Grundlagen der Verteidigungspolitik der Europäischen Union, ZaöRV 2006, 663 (663 ff.).
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bislang nicht pauschal damit begründet werden, dass der Einsatz innerhalb der EU stattfindet. Faktisch wird innerhalb dieser Einsätze allerdings die gesamte Leitung auf EU-Ebene vollzogen. So wird der Oberbefehlshaber vom Rat ernannt, die politische Kontrolle und die strategische Leitung liegen beim Politischen und Sicherheitspolitischen Komitee (PSK) und die Entscheidungen über Ziele sowie über die Beendigung des Einsatzes werden ausschließlich vom Rat getroffen. Des Weiteren übernimmt der Militärausschuss der EU die militärische Leitung und ordnungsgemäße Organisation des Einsatzes.229 bb) Rechtsprechung des EGMR zur Staatenverantwortlichkeit Für den Schutzumfang ist entscheidend, wie die Gerichte die sekundären Regeln des Völkerrechts auslegen. Die Auslegung durch den EGMR ergibt bislang kein eindeutiges Bild. Zunächst verwendete der EGMR in seiner Entscheidung zu Behrami / Saramati nicht das tatsächliche Kriterium der Literatur, sondern ein normatives Kriterium. In diesem Verfahren musste über die Zuständigkeit des EGMR für eine unterlassene Mienenräumung (Behrami) bzw. eine Inhaftierung (Saramati) im Kosovo entschieden werden, die während des Einsatzes der UN durch die United Nations Mission in Kosovo (UNMIK) sowie die Kosovo-Force (KFOR) stattfanden. Bei seiner Entscheidung stützte sich das Gericht auf das Kriterium der „ultimate authority and control“. Diese „ultimate authority and control“ habe der UN-Sicherheitsrat über den Einsatz und die Einzelhandlungen ausgeübt, mit der Folge, dass ausschließlich ihm die Handlungen der Soldaten zuzurechnen seien und die teilnehmenden Staaten selbst keinerlei Verantwortung für den Einsatz gehabt hätten.230 Der Gerichtshof erachtete allein die Berichtskette zum Sicherheitsrat als ausreichend, um die Verantwortung im Ganzen auf die UN zu übertragen.231 Durch die Übertragung der operativen Kontrolle von den UN auf die KFOR sei der Zurechnungszusammenhang dabei nicht unterbrochen worden.232 Somit lag eine alleinige Hoheitsausübung des Sicherheitsrats der UN vor, infolge dessen der Gerichtshof sich für ratione personae unzuständig erklärte.233 Die GSVP wird als ein Bestandteil der GASP eingeordnet, Cremer, in: Calliess / Ruffert, EUV/ AEUV 5. Aufl. (2016), EUVArt. 42 Rn. 3; Regelsberger / Kugelmann, in: Streinz, EUV/ AEUV 2. Aufl. (2012), Art. 25 EUV Rn. 6. 229 Vgl. nur Art. 3, 5 – 7 des Beschlusses (GASP) 2015/778 des Rates v. 18. 05. 2015 (EUNAVFOR MED). 230 Zu alledem EGMR (Behrami ./. Frankreich und Saramati ./. Frankreich, Deutschland u. Norwegen) Entscheidung v. 02. 05. 2007 – 71412/01 u. a., § 133; Röben, in: Dörr / Grote / Marauhn, EMRK/GG (2013), Kap. 5, Rn. 115. 231 Arnauld, Das (Menschen-)Recht im Auslandseinsatz, in: Weingärtner, Streitkräfte und Menschenrechte (2008), 61 (65). 232 Auch nicht geäußert hat sich der Gerichtshof dazu, warum er nicht direkt die Zurechnung zu der operativ tätigen KFOR geprüft hat. 233 EGMR (Behrami ./. Frankreich und Saramati ./. Frankreich, Deutschland u. Norwegen) Entscheidung v. 02. 05. 2007 – 71412/01 u. a., §§ 133, 141, 152; Stoltenberg macht darauf
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In der Behrami / Saramati nachfolgenden Rechtsprechung weist der Gerichtshof selbst der Frage nach dem Ausschluss der Zurechnung keine maßgebliche Bedeutung zu. In der Entscheidung zu Saddam Hussein ./. Koalitionsstreitkräfte führte der Gerichtshof zwar aus, dass der Beschwerdeführer nicht ausreichend dargelegt habe, welche Rolle und Verantwortung jeder einzelne der beklagten Staaten hatte oder wie die Aufteilung der Arbeit- und Machtverhältnisse zwischen ihnen und den USA als Nicht-Vertragsstaat ausgestaltet war.234 Damit verwies er jedoch auf konkrete Beweisfragen und nicht auf die grundsätzlichen Zurechnungsstrukturen. In Al-Jedda nahm der Gerichtshof direkten Bezug auf den effective control-Test, wie er in der Literatur vertreten wurde und wird. Dieser Ansatz zur Klarstellung, welche Kriterien bei der Zurechnung anzuwenden sind, führt allerdings kaum weiter. Denn die Voraussetzungen seiner früheren Rechtsprechung zur authority and control waren in diesem Fall ohnehin nicht gegeben. Die in Rede stehende Intervention war bereits vor Erlass einer Resolution des UN-Sicherheitsrats begonnen worden und die UN hatten weder die effektive Kontrolle noch die Autorität über die Handlungen und Unterlassungen der Truppen gehabt.235 Hinzu kam, dass der Gerichtshof selbst an späterer Stelle erneut auf seinen authority and control-Test verwies.236 Es bleibt somit unklar, ob der Gerichtshof die beiden Konzepte parallel oder alternativ anwendet.237 Von einer ausdrücklichen Abkehr vom authority and control-Test kann jedenfalls nicht ausgegangen werden. Eine weitergehende Verantwortlichkeit der Staaten wurde in Jaloud begründet. Hier kam der Gerichtshof zu dem Ergebnis, dass die Niederlande zwar die „operational control“ durch einen anderen Staat akzeptiert, aber nicht die endgültige Entscheidungskompetenz über ihre Streitkräfte verloren hätten. Als Folge konnte der Gerichtshof keinen Ausschluss der Hoheitsgewalt feststellen. Auch im Verhältnis zu den UN verblieb die Kommandogewalt bei den einzelnen truppenstellenden Staaten.238 Ebenso wenig sah der Gerichtshof die Verantwortlichkeit der Türkei in Issak als dadurch unterbrochen, dass die fraglichen Eingriffe innerhalb einer UN buffer zone stattfanden.239 aufmerksam, dass der Gerichtshof von unzutreffenden Annahmen über die Befehls- und Kommandostruktur ausgegangen sei und deshalb verkenne, dass Handlungen der nationalen Kontingente letztendlich den Entsendestaaten zuzurechnen sind, Stoltenberg, Auslandseinsätze der Bundeswehr im menschenrechtlichen Niemandsland?, ZRP 2008, 111 (113); „Operational control“ reiche nach Ansicht Arnaulds nicht aus, um die Zurechnung zu einem Staat zu unterbrechen, es müsse ein „Gleichklang“ mit den allgemeinen Grundsätzen der Staatenverantwortlichkeit geben, Arnauld, Das (Menschen-)Recht im Auslandseinsatz, in: Weingärtner, Streitkräfte und Menschenrechte (2008), 61 (66). 234 EGMR (Saddam Hussein ./. Koalitionsstreitkräfte), Zulässigkeitsentscheidung v. 14. 03. 2006 – 23276/04, S. 1. 235 EGMR (Al-Jedda ./. Großbritannien), Urteil v. 07. 07. 2011 – 27021/08, § 80. 236 EGMR (Al-Jedda ./. Großbritannien), Urteil v. 07. 07. 2011 – 27021/08, § 84. 237 Crawford, State Responsibility (2013), S. 353 f. 238 EGMR (Jaloud ./. Niederland), Urteil v. 20. 11. 2014 – 47708/08, §§ 143 ff. 239 EGMR (Isaak et al ./. Türkei), Zulässigkeitsentscheidung v. 28. 09. 2006 – 44587/98, S. 21.
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Teil 2: Schutz personenbezogener Daten bei der Auslandsaufklärung
Offen ist bislang, wie die schlichte Ausführung einer Sicherheitsratsresolution, d. h. ohne die Ermächtigung zu Kapitel-7-Maßnahmen durch die Resolution selbst, zu bewerten ist. Soweit den Staaten ein Ausgestaltungsspielraum verbleibt, müssen sie eigentlich an die Menschenrechte gebunden bleiben.240 Dies entspräche der Berwertung von Akten der EU, bei denen unterschieden wird, ob ein Ausgestaltungsspielraum besteht oder nicht.241 cc) Niederländische Rechtsprechung Aus der hier eingenommenen Perspektive des Schutzumfangs erscheint es relevant, sich zusätzlich zu der Rechtsprechung des EGMR mit der niederländischen Rechtsprechung auseinanderzusetzen. Eine Entscheidung fällt hier wegen ihrer ausführlichen Behandlung der Zurechnungsfrage zu internationalen Organisationen und ihrem weiterführenden Ansatz zur sachgerechten Lösung besonders ins Auge. In seiner Entscheidung zur Verantwortlichkeit der Dutchbat für das Massaker in Srebenica hat sich das Hague District Court ebenso wie die Literatur und teilweise auch der EGMR an der faktischen Kontrolle über die Einsatzentscheidung orientiert. Das Urteil entschied über die Rolle des Dutchbat bei der unterlassenen Verhinderung des Massakers in Srebrenica im Juli 1995. Effektive Kontrolle im Sinne der DARIO sei nach Aussage des Gerichts die faktische Kontrolle über die Handlung der Soldaten.242 Die effektive Kontrolle wird hier als „actual say over specific actions whereby all of the actual circumstances and the particular context of the case must be examined“ definiert. Unter Zugrundelegung dieser Definition kam das Gericht dazu, dass die Dutchbat zwar zunächst regulär den UN unterstanden, so dass alle Handlungen den UN zugerechnet werden müssten. Abstellend auf die faktische Kontrolle müsste jedoch der weitere Verlauf der Geschehnisse differenziert bewertet werden. Ab dem Zeitpunkt, in dem den beteiligten Akteuren deutlich wurde, dass die Lage außer Kontrolle geraten und so schnell wie möglich eine Evakuierung sowohl der Dutchbat als auch der Zivilbevölkerung durchzuführen war, trafen die Kommandeure der Dutchbat die Entscheidungen gemeinsam mit den UN-Kommandeuren. 240
Röben, in: Dörr / Grote / Marauhn, EMRK/GG (2013), Kap. 5, Rn. 139. Dabei wird zunächst eine Unterscheidung zwischen primären und sekundären Rechtsakten gezogen und anschließend eine Verantwortlichkeit für die primäre Unionsrecht anerkannt, sowie für die Teile des sekundären Unionsrechts, bei dem die Staaten einen Umsetzungsspielraum haben. Die EMRK soll der europäischen Integration nicht im Wege stehen. Würde man die EMRK aber auch auf die sekundären Rechtsakte ohne Umsetzungsspielraum anwenden, müssten sich die Staaten eine Verwerfungskompetenz vorbehalten, was die weiteren Integration nicht fördert, Giegerich, Grund- und Menschenrechtsschutz im globalen Zeitalter: Neubewertung ihrer territorialen, personalen und internationalen Dimension in Deutschland, Europa und den USA, EuGRZ 2004, 758 (769). 242 The Hague District Court (Mothers of Srebrenica against the State), Urteil v. 16. 07. 2014 – C/09/295247 / HA ZA 07 – 2973, Ziff. 4.33; siehe auch Hoge Raad der Nederlande, Nederlande/ Nuhanovic, Urteil v. 06. 09. 2013 – 12/03324, § 3.11.2; Hoge Raad der Nederlande, Nederlande/ Mustafic, Urteil v. 06. 09. 2013 – 12/ 03329. 241
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Durch diese Teilnahme an der Entscheidungsfindung auf höchster Ebene habe der niederländische Staat (wieder) die effektive Kontrolle über seine Soldaten erlangt. Die Handlungen und Unterlassungen während der Evakuierungsphase wurden deshalb den Niederlanden zugerechnet.243 Über die Definition effektiver Kontrolle hinaus betont das Urteil die Relevanz eines in der Rechtsprechung des EGMR bislang nicht ausdrücklich angesprochenen Aspekts, der für das Schutzniveau von entscheidender Bedeutung ist: die Möglichkeit einer parallelen Zurechnung. „Given the option of dual attribution available we do not need to examine whether the UN also had effective control over Dutchbat’s actions that form part of the accusations.“244 Aus der Zurechnung der Unterlassung zu den Niederlanden seien deshalb keine Rückschlüsse über die Zurechnung zu den UN zu ziehen. Diese Möglichkeit ist soweit ersichtlich ausdrücklich bislang lediglich in diesem Urteil angesprochen worden.245 Da das Konzept der parallelen Zurechnung deshalb augenscheinlich erst im Ansatz und nur vereinzelt angewandt wird, sind Ausführungen dazu Teil der Verbesserungsvorschläge, die in Teil 3 dieser Arbeit behandelt werden. dd) Anwendungspraxis innerhalb der Bundesrepublik Deutschland Die faktische Schutzgewährleistung hängt neben der Auslegung durch den EGMR davon ab, wie die Staatenpraxis ausgestaltet ist, da nicht alle Entscheidungen der Bundesregierung im Rahmen der Auslandsaufklärung Gegenstand gerichtlicher Überprüfung werden. Außerdem ist relevant, wie die nationalen Gerichte die Rechtsprechung des EGMR umsetzen. Die Bundesregierung vertrat im Rahmen eines Verfahrens gegen die Bundeswehr wegen der Verletzung von Art. 104 Abs. 3 GG die Ansicht, die Übergabe von Piraten an kenianische Beamte sei keine Maßnahme deutscher Staatsgewalt, da die Bundeswehr im Rahmen der EU 2008/851/GASP vorgegangen sei und die Handlung deshalb eine „internationale Handlungen“ sei, die der Bundesrepublik Deutschland nicht zugerechnet werden könnten, sondern vielmehr der EU zuzurechnen sei.246 243
The Hague District Court (Mothers of Srebrenica against the State), Urteil v. 16. 07. 2014 – C/09/295247 / HA ZA 07 – 2973, Ziff. 4.83 und 4.87. 244 The Hague District Court (Mothers of Srebrenica against the State), Urteil v. 16. 07. 2014 – C/09/295247 / HA ZA 07 – 2973, Ziff. 4.45. „Relatedly, it indicates the relevance of shared responsibility scenarios in international law. It develops the doctrine of attribution and related concept of effective control proposed by the ILC in the Articles on the Responsibility of IOs, and indicates that both a state and an IO can share effective control, and hence, potentially, responsibility, despite the UN’s presumptive immunity“, Boon, Mothers of Srebrenica Decision: Dutch Court holds The Netherlands Responsible for 300 Deaths in 1995 Massacre, abrufbar unter http://opiniojuris.org/2014/07/17/mothers-srebrenica-decision-dutch-high-court-holdsnetherlands-responsible-300-deaths-1995-massacre/ (zuletzt abgerufen am 21. 05. 2017). 245 Cremer deutet an, dass auch eine parallele Verantwortung der Mitgliedstaaten und der EU besteht, Cremer, in: Calliess / Ruffert, EUV/ AEUV 5. Aufl. (2016), EUV Art. 42 Rn. 24. 246 VG Köln, Urteil v. 11. 11. 2011, Az.: 25 K 4280/09, Rn. 20.
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Damit liege eine Handlung der EUNAFVOR vor und keine der Bundesregierung.247 Dieser Auffassung ist das Gericht unter Verweis auf den die Zurechnung begründenden Zustimmungsakt des Deutschen Bundestags nicht gefolgt.248 Doch auch nationale Gerichte folgen keiner einheitlichen Richtung. Das VG Köln erklärte sich daneben in einem anderen Verfahren für unzuständig, weil die in Rede stehenden Handlungen einer internationalen Organisation zuzurechnen seien. Das Gericht hatte über die Rechtswidrigkeit eines von einem deutschen Oberst befohlenen Luftangriffs in Afghanistan zu entscheiden. Das Gericht lehnte die Klage als unzulässig ab, da eine überprüfbare Handlung, also eine Handlung in Ausübung deutscher Hoheitsgewalt, fehle. Die deutschen Soldaten in Afghanistan seien der Befehlsstruktur der NATO-geführten ISAF-Truppen unterworfen, die auf der Grundlage einer UN-Resolution tätig wurden, so dass alle Handlungen den den Einsatz leitenden UN zuzurechnen seien. Aufgrund der völkerrechtlichen Immunität erklärte sich das Gerichte für unzuständig, die Rechtmäßigkeit von Handlungen und Unterlassungen der UN zu überprüfen.249 Überträgt man diese Argumentation auf Datenerhebungen, ist dies negativ für den Schutz, da es dem Betroffenen eine Rechtsschutzmöglichkeit fehlt. b) Ergebnis – Fehlende Zurechnung der Datenerhebung zu einem Träger von Datenschutzpflichten Die derzeitige Anwendung der Zurechnungsregeln führt dazu, dass es mitunter an einer verantwortlichen Stelle fehlt, die zur Umsetzung der menschen- und grundrechtlichen Schutzregeln verpflichtet wäre. Aus rechtlicher Sicht ist dies kritikwürdig, da zum einen die Zurechnungsmaßstäbe verdreht werden (dazu Abschnitt aa)) und zum anderen ein Alternativverhältnis an Verantwortlichkeiten aufgestellt wird (dazu Abschnitt bb)). Würden diese Argumentationsstrategien in Zukunft auch auf Datenverwendungen angewandt, würde sich dies negativ auf den im Grundkonzept vorgesehenen Datenschutz auswirken. Denn dann bestünde die Gefahr, dass dem Träger datenschutzrechtlicher Pflichten, wie der Bundesregierung, die Datenerhebung nicht zugerechnet würde. Insbesondere bei Einsätzen im Rahmen der UN 247 Siehe dazu auch Salomon, Die internationale Strafverfolgungsstrategie gegenüber somalischen Piraten (2017), S. 290 f. 248 VG Köln, Urteil v. 11. 11. 2011, Az.: 25 K 4280/09, Rn. 19 und 50. Der BGH wies daneben im Rahmen von Amtshaftungsansprüchen daraufhin, dass nur unterstützende Maßnahmen durch die Bundesrepublik Deutschland allenfalls dann zugerechnet werden können, wenn die deutschen Dienststellen über Einzelheiten des konkreten Einsatzes unterrichtet waren, BGH, Urteil v. 02. 11. 2006 – III ZR 190/05 Leitsatz 2a; die Anwendung des Amtshaftungstatbestand nach § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG auf militärische Handlungen wurde abgelehnt mit BGH, Urteil v. 06. 06. 2016 – III ZR 140/15 Rn. 38; noch offengelassen in BGH, Urteil v. 02. 11. 2006 – III ZR 190/05, juris Rn. 23 f.; zu alledem auch Schmahl, Amtshaftung für Kriegsschäden, ZaöRV 2006, 699 (699); Lorenz, Der territoriale Anwendungsbereich der Grund- und Menschenrechte (2005), S. 242. 249 VG Köln Urteil v. 09. 02. 2012, Az.: 26 K 5534/10, juris Rn. 70 ff. (72).
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ist eine Zurechnung ausschließlich zu diesen aus menschenrechtlicher Perspektive problematisch, weil die UN Immunität genießen.250 In der Folge fehlt es den Betroffenen an Rechtsdurchsetzungsmöglichkeiten. Dies stellt eine vom Grundkonzept Datenschutz abweichende Anwendungsvoraussetzung dar, die sich negativ auf die Schutzgewährleistung auswirken würde. aa) Zurechnungsmaßstäbe Anders als es die Staatenpraxis und Teile der Rechtsprechung suggerieren, steht das Handeln eines deutschen Soldaten nie ohne rechtliche Zuordnung im Raum.251 Als Grundregel ist die Bundesrepublik für sämtliche Handlungen der deutschen Soldaten verantwortlich.252 Ausgehend von dieser Grundregel muss im Rahmen von multinationalen Einsätzen nicht erst eine verantwortliche Einheit (Bundesrepublik oder internationalen Organisation) ausgewählt werden, um eine Zurechnung zu einem Völkerechtssubjekt zu erreichen, denn die Zurechnung zum Entsendestaat besteht grundsätzlich.253 Vielmehr ist eine zweite Zurechnungsfrage zu stellen, wenn verschiedene Völkerrechtssubjekte involviert sind.254 Bei dieser zweiten Frage geht es darum zu klären, ob die andere (zweite) Einheit eine solche Kontrolle über die Soldaten ausübt, dass der Entsendestaat nicht länger auf die Soldaten einwirken kann, er deshalb auch keinen Einfluss auf das menschenrechtskonforme Verhalten 250 Die Frage der Immunität der UN war nicht entscheidungserheblich in EGMR (Stichting Mothers of Srebrenica u. a. ./. Niederlande), Entscheidung v. 11. 06. 2013 – 65542/12, § 137; Crawford, State Responsibility (2013), S. 351. 251 So insbesondere die Argumentation des EGMR in EGMR (Behrami ./. Frankreich und Saramati ./. Frankreich, Deutschland u. Norwegen) Entscheidung v. 02. 05. 2007 – 71412/01 u. a., § 128, als die Untersuchung die UN zum Ansatzpunkt nahmen, um zu prüfen, dass diese die authority and control behalten und nur die operative Kontrolle übertragen hatte, was nicht zum Ausschluss der Zurechnung zu den UN führte. Vgl. Larsen, Attribution of Conduct in Peace Operations: The „Ultimate Authority and Control“ Test, EJIL Vol. 19 No. 3 (2008), 509; Gondek, Extraterritorial Application of the ECHR: Territorial Focus in the Age of Globalization?, NILR, Vol. 52, Issue 3 (2005), 349; King, The Extraterritorial Human Rights Obligations of States, Human Rights Law Review 94 (2009), 521; Gaja, Special Rapporteur, Responsibility of International Organsizations, UN Doc. A/CN.4/541, 02. 04. 2004, Kommentar Nr. 14; Yousif, Die extraterritoriale Geltung der Grundrechte bei der Ausübung deutscher Staatsgewalt im Ausland (2007), S. 60. 252 Art. 4 Draft Articles on State Responsibility (ILC), UN GA Res. 56/83 vom 12. 12. 2001 auf Grundlage der 53rd session der International Law Commission 2001; vgl. Gaja, Special Rapporteur, Responsibility of International Organsizations, UN Doc. A/CN.4/541, 02. 04. 2004, Kommentar Nr. 14. 253 So aber BGH, Urteil v. 02. 11. 2006 – III ZR 190/05, juris Rn. (23 f.); VG Köln, Urteil v. 11. 11. 2011, Az.: 25 K 4280/09, Rn. 19; VG Köln Urteil v. 09. 02. 2012, Az.: 26 K 5534/10, juris Rn. 70 ff. (72); EGMR (Behrami ./. Frankreich und Saramati ./. Frankreich, Deutschland u. Norwegen) Entscheidung v. 02. 05. 2007 – 71412/01 u. a., § 128; Weinzierl / Lisson, Grenzschutz und Menschenrechte, DIMR 2007; vgl. zu diesem Vorwurf auch Supreme Court of the Netherlands, Urteil v. 13. 04. 2012 – First Division 10/04437 EV/AS, Ziff. 3.22. 254 Vgl. Crawford, State Responsibility (2013), S. 350.
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der Truppen hat und deshalb nicht zur Gewähr der Menschenrechte verpflichtet sein kann.255 Auch im Fall der UN ist zu prüfen, ob die Entsendestaaten ihre Hoheitsgewalt über die Soldaten an die UN übertragen haben.256Eine Gründung eigener Truppen unter dem Oberkommando des UN-Generalsekretärs hat es schließlich bislang noch nicht gegeben. Folglich ist bei einem Einsatz von Blauhelm-Soldaten nie ein Fall des Art. 43 UNCh eingetreten, sondern die Soldaten werden jeweils für den Einzelfall überlassen.257 In diesem Zusammenhang ist insbesondere der „ultimate authority and control“Test des EGMR rechtlichen Bedenken ausgesetzt.258 Er wurde dem Bereich der Delegation von Aufgaben des UN-Sicherheitsrats entnommen und findet sich mithin nicht in den klassischen Zurechnungsregeln wieder. Nach diesem Ansatz ist eine Delegation durch den UN-Sicherheitsrat rechtmäßig, wenn dieser die „ultimate authority and control“ über die übertragende Tätigkeit behält.259 Auch wenn damit ausgedrückt wird, dass der Sicherheitsrat auch nach der Delegation die verantwortliche Stelle bleibt, so ist die Anwendung dieses Kriteriums im Rahmen der Zurechnung keineswegs zwingend. Eine rechtliche Begründung für die Verwendung der Rechtsfigur lieferte der EGMR in seiner Entscheidung nicht.260 Das Kriterium der ultimate authority and control ist ein Kriterium, das angewandt wird, um die Delegation von Aufgaben zu beschränken, nicht um eine Handlung einem Völkerrechtssubjekt zuzurechnen. Die Verwendung dieses beschränkenden Kriteriums bei der Frage, ob ein Staat oder die internationale Organisation für ein bestimmtes Verhalten einstehen muss, entbehrt jeglicher Rechtsgrundlage. Deshalb ist richtigerweise auf die effektive Kontrolle über die konkrete Operation und nicht auf ein normativ bestimmtes Oberkommando abzustellen.261
255 Art. 6 ILC und Art. 7 der Draft Articles on the Responsibility of International Organisations (DARIO), 63rd session der International Law Commission 2011, als Teil des Reports an die UN GA (A/66/10, §87); Yearbook of the ILC, 2011, vol. II, part two. 256 Der Gerichtshof „conflated the secondary rules of attribution with the primary rules of delegation“, Crawford, State Responsibility (2013), S. 351. 257 http://www.dgvn.de/fileadmin/user_upload/PUBLIKATIONEN/Basis_Informationen/ Basisinfo39_Friedensmissionen.pdf (zuletzt abgerufen am 21. 05. 2017). 258 EGMR (Behrami ./. Frankreich und Saramati ./. Frankreich, Deutschland u. Norwegen) Entscheidung v. 02. 05. 2007 – 71412/01 u. a., § 133. 259 Larsen, Attribution of Conduct in Peace Operations: The „Ultimate Authority and Control“ Test, EJIL Vol. 19 No. 3 (2008), 509 (521). 260 Larsen, Attribution of Conduct in Peace Operations: The „Ultimate Authority and Control“ Test, EJILVol. 19 No. 3 (2008), 509 (521); auch Arnauld sieht keinen Grund für dieses Konzept mit dem eine Abweichung von den Grundsätzen der Staatenveantwortlichkeit und von der Spuchpraxis internationaler Gerichte erreicht wird, Arnauld, Das (Menschen-)Recht im Auslandseinsatz, in: Weingärtner, Streitkräfte und Menschenrechte (2008), 61 (65). 261 Dies würde auch einen begrüßenswerten Gleichklang mit den Grundsätzen der Staatenverantwortlichkeit darstellen, Arnauld, Das (Menschen-)Recht im Auslandseinsatz, in: Weingärtner, Streitkräfte und Menschenrechte (2008), 61 (65).
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Nichtsdestotrotz versucht die Bundesregierung auch in jüngerer Zeit, die Handlungen der Bundeswehrsoldaten als „internationale Handlung“ außerhalb ihres Verantwortungsbereichs zu platzieren. Dieses Argument lehnte das VG Köln zwar ab. Doch die Tendenzen der Exekutive sind eindeutig auf die Abwendung der eigenen Verantwortung gerichtet und es ist nicht davon auszugehen, dass es in jedem Fall zu einer gerichtlichen Kontrolle und Einschränkung dieser Haltung der Bundesregierung kommen wird. Angesichts dessen, dass vermehrt Schritte hin zu einer gemeinsamer Verteidigung gegangen werden262 und die faktischen Kontrollstrukturen von der EU ausgehen, ist zu vermuten, dass in Zukunft eine Unterbrechung der Zurechnung zur Bundesrepublik mit der Einbindung in EU-Truppen substantiiert begründet werden kann. Auf den Datenschutz hätte dies angesichts des relativ hohen europäischen Datenschutzsstandards wohl keine negativen Auswirkungen. Auch die völkerrechtliche Immunität der EU ist, anders als jene der UN, nicht allumfassend, so dass Pflichtverstöße auch geahndet werden könnten.263 bb) Alternativverhältnis der Verantwortlichkeiten Neben den Zurechnungsmaßstäben ist zu beobachten, dass die Staatenpraxis und Teile der Rechtsprechung die Zurechnung zum Entsendestaat und die Zurechnung zur internationalen Organisation in ein Alternativverhältnis stellen.264 Sobald eine Handlung einer internationalen Organisation zugerechnet wurde, wird die Verantwortlichkeit des Entsendestaates im Ganzen als beendet angesehen. Die Konsequenz einer Zurechnung zur internationalen Organisation ist also ein Ausschluss der Zurechnung zum Entsendestaat.265 Ob der Entsendestaat daneben Einwirkungsmöglichkeiten auf die Soldaten behalten hat, wird nicht weiter untersucht. Diese ausschließliche oder auch ausschließende Zurechnung führt dazu, dass der Entsendestaat im Ganzen aus seiner Verantwortung entlassen wird, seine völkerrechtlichen Pflichten zu erfüllen. Tatsächlich befreien die Zurechnungsregeln allein den Entsendestaat jedoch nicht von seinen grund- und menschenrechtlichen Verpflichtungen, d. h. seinen primären völkerrechtlichen Pflichten. Nach dem Konzept der Staatenverantwortlichkeit sind die sekundären Regeln des Völkerrechts eine von diesen primären Regeln unabhängige sekundäre rechtliche Wertung. Diese sekun262
Cremer, in: Calliess / Ruffert, EUV/ AEUV 5. Aufl. (2016), EUV Art. 24 Rn. 19 ff. Jedenfalls für die strafrechtliche und die außervertragliche Haftung wird der EU Immunität zu gesprochen, Fox / Webb, The Law of State Immunity (2013), S. 571. 264 Gegen eine solche Interpretation auch Gaja, Special Rapporteur, Responsibility of International Organsizations, UN Doc. A/CN.4/541, 02. 04. 2004, Kommentar Nr. 6 und 31. Insbesondere die peacekeeping forces der UN werden als Organe der UN angesehen, aber sie bestehen trotzdem aus nationalen Kontingenten, Kommentar Nr. 38, Gaja, Special Rapporteur, Responsibility of International Organsizations, UN Doc. A/CN.4/541, 02. 04. 2004. 265 EGMR (Behrami ./. Frankreich und Saramati ./. Frankreich, Deutschland u. Norwegen) Entscheidung v. 02. 05. 2007 – 71412/01 u. a., § 128. 263
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dären Wertungen sind rein abstrakte Fragen danach, ob eine Völkerrechtsverletzung durch einen bestimmten Staat vorliegt. Die sekundären Regeln betreffen nicht den Inhalt der primären völkerrechtlichen Pflicht.266 Diese Trennung in primäres und sekundäres Völkerrecht lässt die derzeitige Anwendungspraxis außer Betracht. Die Voraussetzungen, nach denen eine Überstellung eines Organs an ein anderes Völkerrechtssubjekt vorliegt, schließen dabei nicht aus, dass der Entsendestaat auch weiterhin auf seine Truppen einwirken kann.267 Auch wenn festgestellt wurde, dass die internationale Organisation effektive Kontrolle über die in Rede stehende Handlung ausübt, kann gleichzeitig der Entsendestaat weiterhin solche Einwirkungsrechte auf seine Soldaten haben, dass er ebenfalls, d. h. parallel zur internationalen Organisation, auf die Rechtmäßigkeit der Handlungen Einfluss nimmt. Insbesondere begründet die Zustimmung zu einem Einsatz bereits als solche eine gewisse Verantwortlichkeit für den Einsatz als Ganzes. Außerdem hat jeder Staat die Möglichkeit, diese Zustimmung zu widerrufen. Diese weiterhin, also auch nach der Zurechnung zu einem anderen Völkerrechtssubjekt, bestehende Einwirkungsmöglichkeit werden bislang kaum betrachtet, weder in der Literatur noch in der Rechtsprechung.268 So entlässt auch die Entscheidung des VG Köln zum ISAF-Einsatz die Bundesrepublik ohne Notwendigkeit aus ihrer Verantwortung.269 Innerhalb des ISAFEinsatzes wurde den einzelnen nationalen Kontingenten vielmehr die Verantwortung für bestimmte Gebiete zugeteilt.270 Es wurde somit gerade keine höhere Verantwortungsstruktur etabliert, die der NATO oder den UN angehört hätte. Mit anderen Worten oblag die operative Kontrolle den Befehlshabern der jeweiligen nationalen Kontingente. Damit wurde die effektive Kontrolle nicht übertragen, mit der Folge, dass keine Unterbrechung der Zurechnung stattfand. In dem konkreten Fall befahl ein deutscher Oberst den fraglichen Luftangriff. Dabei befolgte er keine Anweisung der ISAF-Gesamtleitung, sondern handelte ausschließlich für die Bundesrepublik Deutschland, so dass dieser seine Handlungen zuzurechnen sind.271 266
Crawford, State Responsibility (2013), S. 64. Crawford, State Responsibility (2013), S. 350. 268 Anders deutete The Hague District Court an, die effektive Kontrolle der UN über die Handlungen der Dutchbat nicht gesondert zu untersuchen sind, da in jedem Fall die Möglichkeit einer dual attribution, mithin einer parallelen Verantwortung bestünde, The Hague District Court (Mothers of Srebrenica against the State), Urteil v. 16. 07. 2014 – C/09/295247 / HA ZA 07 – 2973, Ziff. 4.45. 269 VG Köln Urteil v. 09. 02. 2012, Az.: 26 K 5534/10, juris Rn. 70 ff. (72). 270 http://www.deutschlandfunk.de/isaf-kommandeur-schliesst-einsatz-im-sueden-afghanis tans-aus.694.de.html?dram:article_id=63620 (zuletzt abgerufen am 21. 05. 2017). 271 Nicht überzeugend sind im Übrigen die pauschale Freizeichnungen von jeglicher Verantwortung, wenn die Bundeswehr die einheimischen Sicherheitskräfte wie im ISAF-Einsatz unterstützt, Arnauld, Das (Menschen-)Recht im Auslandseinsatz, in: Weingärtner, Streitkräfte und Menschenrechte (2008), 61 (66); a.A. Krieger, Die Verantwortlichkeit Deutschlands nach der EMRK für seine Streitkräfte im Auslandseinsatz, ZaöRV 62 (2002), 669 (682); auch Oeter steht einer Anwendung der EMRK auf Unterstützungsmaßnahmen eines anderen Staates im 267
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Die Rechtsprechung des EGMR zur Konzeptverantwortlichkeit zeigt, dass die Zurechnungsfrage nicht der richtige Ansatzpunkt ist, eine Verteilung der völkerrechtlichen Pflichten zu bestimmen. In der Literatur wird in diesem Zusammenhang auf Grundlage entsprechender Äußerungen der Rechtsprechung eine „Konzeptverantwortlichkeit“272 der Staaten für die Ausgestaltung der Europäischen Union diskutiert.273 In Waite u. Kennedy ./. Deutschland hatte der EGMR festgestellt, dass ein Vertragsstaat sich nicht der Bindung an Menschenrechte entziehen dürfe, indem er internationale Organisationen gründe, ihnen Zuständigkeiten übertrage und Immunität gewähre. Denn dies wirke sich auf den Menschenrechtsschutz in einem Maße aus, das nicht mit der Zielsetzung der Verträge übereinstimme.274 Die Bundesrepublik bleibt mithin weiter verantwortlich für einen im Wesentlichen vergleichbaren Schutz auf Ebene der internationalen Organisation. Als wesentlich vergleichbar gilt der Schutz dann, wenn dieselben fundamentalen Rechte gewährleistet werden, also deren materieller Gehalt sowie die Mechanismen, die eine Einhaltung garantieren.275 Nur wenn die Bundesrepublik die erforderlichen Voraussetzungen innerhalb der internationalen Organisation schafft, dass diese Rechte gewährleistet werden, hat sie ihre Verantwortung erfüllt. Dazu zählt, die Einsatzmandate entsprechend den grundund menschenrechtlichen Vorgaben auszugestalten. Die oben dargestellten Entscheidungen der Rechtsprechungsorgane enthalten kaum Hinweise auf die Möglichkeit, nicht nur einem, sondern mehreren Völkerrechtssubjekten die Verantwortung für einen Eingriff zuzuschreiben.276 Dies wäre aber zu befürworten, denn eine ausschließliche Zurechnung vermag es nicht, die Vielzahl von Zugriffen auf die Daten adäquat abzubilden. Als Vorschlag zur Verbesserung des Schutzes nimmt Teil 3 der Arbeit diesen Gedanken auf (dazu Teil 3 B.).
Ausland oder auf den Kampf gegen den Terrorismus ablehnend gegenüber, Oeter, Terrorismus und Menschenrechte, AVR 40 (2002), 422 (438). 272 Röben, in: Dörr / Grote / Marauhn, EMRK/GG (2013), Kap. 5 Rn. 132. 273 Röben, in: Dörr / Grote / Marauhn, EMRK/GG (2013), Kap. 5 Rn 132; vgl. EGMR (Waite u. Kennedy ./. Deutschland), Urteil v. 18. 02. 1999 – 26083/94, § 67; EGMR (Al-Jedda ./. Großbritannien), Urteil v. 07. 07. 2011 – 27021/08, § 76 ff. Nach der Bankovic-Entscheidung könne dieses Argument der „Verkürzung des Menschenrechtsschutzes“ nur noch zur Anwendung kommen, wenn der Betroffene sich bereits unter der Hoheitsgewalt eines Vertragsstaates befand und durch die genannte Konstruktion diesem Schutz beraubt würde, Krieger, Die Verantwortlichkeit Deutschlands nach der EMRK für seine Streitkräfte im Auslandseinsatz, ZaöRV 62 (2002), 669 (683). 274 EGMR (Waite u. Kennedy ./. Deutschland), Urteil v. 18. 02. 1999 – 26083/94, § 67; EGMR (Matthews ./. Großbrittannien), Urteil v. 18. 02. 1999 – 24833/94, § 34. 275 EGMR (Bosphorus ./. Ireland), Urteil v. 30. 06. 2005 – 45036/98, §155. 276 Eine Ausnahme ist The Hague District Court (Mothers of Srebrenica against the State), Urteil v. 16. 07. 2014 – C/09/295247 / HA ZA 07 – 2973, Ziff. 4.45.
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Teil 2: Schutz personenbezogener Daten bei der Auslandsaufklärung
B. Fallkonstellation 2: Erhebung personenbezogener Daten vom Inland aus In der zweiten Fallkonstellation wird die Möglichkeit betrachtet, dass Bundeswehrsoldaten Daten im Inland erheben, während sie beim BND verwendet werden.277 Bei einer solchen Verwendung sind sie aus der Befehlsstruktur der Streitkräfte herausgelöst und in den Geschäftsbereich des BND eingegliedert.278 Sie bleiben zwar truppendienstlich Soldaten, dienstrechtlich unterstehen sie jedoch dem BND.279 Sind die Soldaten in diesem Sinne Teil des BND, entsprechen die Eingriffsbefugnisse und die Rechtfertigungsmöglichkeiten denen des BND. Der Übersichtlichkeit halber wird in dieser Konstellation deshalb auf die Arbeitsweisen und Befugnisse des BND und nicht der Bundeswehr abgestellt. Wesentliches Merkmal der Arbeit des BND ist dessen hohes Geheimhaltungsbedürfnis sowie die präventive Zielsetzung seiner Aufklärungsarbeit. Der BND erhebt personenbezogene Daten von deutschen und nichtdeutschen Staatsbürgern im Inland oder aus dem Inland im Ausland.280 Dabei führt er sowohl gezielte Einzel277
Die Angaben, wie viele Soldaten über diese Struktur beim BND beschäftigt sind, schwanken zwischen 10 %–30 % der BND-Mitarbeiter, http://www.berliner-zeitung.de/archiv/ bnd-beamte-im-irak-waren-auch-angehoerige-der-bundeswehr-untersuchungsausschuss-ruecktnaeher-uniform-unter-der-agentenkluft,10810590,10353496.html (zuletzt abgerufen am 21. 05. 2017); https://de.wikipedia.org/wiki/Amt_f%C3 %BCr_Milit%C3 %A4rkunde, zuletzt abgerufen am 15. 12. 2015; https://netzpolitik.org/2015/bundesnachrichtendienst-gibt-massenhaft-in haltsdaten-an-die-bundeswehr-juristen-halten-das-fuer-illegal/ (zuletzt abgerufen am 21. 05. 2017); Der BND arbeitet wiederum den Streitkräften zu, indem er ihnen Informationen über Personenziele mitteilt, http://www.t-online.de/nachrichten/deutschland/militaer-verteidigung/ id_72323542/bundeswehr-in-afghanistan-bnd-lieferte-daten-zu-personenzielen.html (zuletzt abgerufen am 21. 05. 2017). 278 Die Rahmenvereinbarung zwischen dem Bundesministerium der Verteidigung und dem Bundeskanzleramt in der Fassung vom 13. 01. 1998 (und die Richtlinie über Verwendung von Truppenoffizieren beim BND vom 03. 08. 2001) ist Grundlage für den Einsatz von Soldaten beim BND. 279 BVerwG, Urteil v. 21. 06. 2007 – 2 A 6.06, juris Rn. 14; Sie werden als nicht militärische Dienststelle gehandelt und unterstehen dem Chef des Bundeskanzleramts, BVerwG, Urteil v. 21. 06. 2007 – 2 A 6.06 juris Rn. 13; BVerwG Urteil vom 16. 10. 2008 – 2 A 9/07, juris Rn. 67; BVerwG Urteil vom 2 A 13/10, juris Rn. 27. 280 Hinsichtlich der Tätigkeit des BND ist die Einordnung dessen, was als extraterritoriale Handlung zu bezeichnen ist, unübersichtlich. Die meisten Autoren fassen darunter die gesamte Auslandsüberwachung, auch wenn die eigentliche Handlung des BND, also der Einsatz von technischen Mitteln, vom Inland aus initiiert und gesteuert wird, siehe beispielsweise Deutsches Institut für Menschenrechte, Menschenrechtliche Anforderungen an die Ausland-AuslandFernmeldeaufklärung und ihre Kontrolle (September 2016), S. 3; Gaycken, Sachverständigengutachten „IT-Infrastruktur“ NSA-Untersuchungsausschuss 19. 06. 2014, S. 1; Vitzthum, Extraterritoriale Grundrechtsgeltung – Zu Bedingungen nachrichtendienstlicher Auslandsaufklärung, FS Bothe (2008), 1213 (1213); Gärditz, Die Rechtsbindung des Bundesnachrichtendienstes bei Auslandstätigkeiten, Die Verwaltung 48 2015, 463 (463); Krieger, Die Reichweite der Grundrechtsbindung bei nachrichtendienstlichem Handeln, Berliner OnlineBeiträge zum Völker- und Verfassungsrecht, Beitrag Nr. 1/08, 1.
B. Fallkonstellation 2
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maßnahmen, als auch strategische Maßnahmen, d. h. die Überwachung ganzer Netze oder Leitungen, durch.281 Bei Einzelmaßnahmen können personenbezogene Daten entweder direkt bei der betroffenen Person erhoben werden, wie etwa ein Fingerabdruck oder ein Iris-Scan. Der BND kann sie aber auch einem Datenträger entnehmen, wie etwa die Angaben zum Namen, Adresse und Geburtsdaten. Im Rahmen der strategischen Überwachung erhebt der BND Daten aus der elektronischen Kommunikation. Diese erfolgt leitungsgebunden über Glasfaserkabel oder nicht-leitungsgebunden über Satelliten. Die Daten werden entweder in Form von Leitungsvermittlung oder als Paketvermittlung übertragen. Die häufig verwendete Paketvermittlung teilt die Information in mehrere Pakete auf (Fragmentierung) und setzt sie nach der Übertragung am Zielort wieder zusammen. Bei der weniger häufig genutzten Leitungsvermittlung wird für die Dauer der Kommunikation eine direkte Leitung zwischen den Teilnehmern erstellt. Der BND erhebt bei strategischen Überwachungsmaßnahmen die Daten an Internet-Exchange-Points (IXP), Tiefseekabeln, Satelliten, Überlandkabeln und Richtfunkstationen.282 IXP sind Austauschpunkte zwischen den Netzen der IP-Carrier, keine Telekommunikationsanschlüsse. Das IXP mit dem weltweit größten Datendurchsatz ist das DECIX in Frankfurt am Main.283 Diese Art der Datenerhebung geschieht gänzlich ohne Kontakt zu der Person, deren Daten erhoben werden.284 Bei der Erhebung von Internetdaten hängen die Zugriffsmöglichkeiten des BND davon ab, inwieweit die Datenpakete einen Knotenpunkt passieren, an dem dieser Zugriff hat.285 Die Übertragung von Daten über das Internet erfolgt in sog. Internet-Protocol-Paketen (IPPakete) über mehrere Vermittlungsrechner und autonome Systeme. Ein Router wählt aus, welchen konkreten Weg ein Datenpaket nimmt.286 Diese Entscheidung richtet sich ausschließlich nach Kostengesichtspunkten der privaten Internetbetreiber. Deshalb nehmen die Datenpakete nicht den direkten Weg, sondern den günstigsten. Dieses automatische Routing, das sich an bestimmten, ständig aktualisierten Tabellen orientiert, kann theoretisch so manipuliert werden, dass die Daten bestimmte Wege passieren. Dies hat zur Folge, dass ein Datum Länder passieren kann, in denen 281
Vgl. §§ 3 und 5 Abs. 1 G-10. Waidner, Stellungnahme zur Anhörung des NSA-Untersuchungsausschusses am 26. 06. 2014, S. 13 f. Der BND verschafft sich hier Rohdatenstämme. 283 Papier, Beschränkung der Telekommunikationsfreiheit durch den BND an Datenaustauschpunkten, NZVerwR 15 (2016), 1 (2). Siehe auch Waidner, Stellungnahme zur Anhörung des NSA-Untersuchungsausschusses am 26. 06. 2014, S. 14. Gegen die Überwachung des BND am DE-CIX legten die Betreiber am 16. 09. 2016 Klage beim BVerwG ein, https://netzpolitik. org/2016/klage-gegen-den-bnd-wegen-ueberwachung-am-internetknoten-de-cix/ (zuletzt abgerufen am 21. 05. 2017). 284 Perrey, Gefahrenabwehr und Internet (2003), S. 74. 285 Vgl. zur Funktionsweise des Internets Perrey, Gefahrenabwehr und Internet (2003), S. 36 ff. Die Überwachung kann sowohl beim Einwahlkonto des Betroffenen als auch bei dem des Kommunikationspartners ansetzen, Perrey, Gefahrenabwehr und Internet (2003), S. 75. 286 Zu alledem Gaycken, Sachverständigengutachten „IT-Infrastruktur“ NSA-Untersuchungsausschuss 19. 06. 2014, S. 9, 11. 282
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Teil 2: Schutz personenbezogener Daten bei der Auslandsaufklärung
andere oder keine Datenschutzregelungen bestehen oder die staatlichen Stellen über erweiterte Zugriffsrechte auf die Daten verfügen.287 Durch diese Methode könnten die Nachrichtendienste oder andere Akteure die Datenpakete gezielt an Knotenpunkte und Leitungen lenken, an denen sie (bessere) Zugriffsmöglichkeiten oder sogar Zugriffsrechte haben.288 Welchen Weg ein Datenpaket tatsächlich genommen hat, ist im Nachhinein kaum nachvollziehbar.289 Inwieweit der BND diese Methoden nutzt, kann nur vermutet werden.290 Der BND arbeitet außerdem mit ausländischen Nachrichtendiensten zusammen. Dabei werden personenbezogene Daten auf Anfrage, durch eine automatisierte Abfrage oder durch gemeinsame Datenbanken, innerhalb des Joint Security Centers auf EU-Ebene ausgetauscht.291 Festzuhalten ist, dass sich die Bundeswehrsoldaten in dieser Fallkonstellation bei der Datenerhebung im Inland befinden, so dass der Handlungsort im Inland belegen ist. Die eigentliche Datenerhebung an den Glasfaserkabel oder Satelliten findet hingegen (auch) außerhalb des Bundesgebiets statt, so dass die Konstellation „Erhebung personenbezogener Daten vom im Inland aus“sich somit auf Datenerhebungen, die vom Inland aus durchgeführt werden, bei denen der Erhebungsort jedoch auch im Ausland belegen sein kann, bezieht.
I. Thesen bezüglich der Fallkonstellation 2 Der Auslandsbezug der BND-Tätigkeiten beeinträchtigt den Schutzumfang hinsichtlich personenbezogener Daten. Dabei wird davon ausgegangen, dass der Schutzumfang dadurch beeinflusst wird, inwieweit der BND an die Menschen- und
287
1 (8). 288
Schaller, Kommunikationsüberwachung durch den BND, SWP-Studie S 7 (April 2016),
Waidner, Stellungnahme zur Anhörung des NSA-Untersuchungsausschuss am 26. 06. 2014, S. 11 und 13. Teilweise sind die Zugriffe auf Daten durch die Netzbetreiber durch nationale Regelungen sogar zwingend vorgeschrieben, Waidner, Stellungnahme zur Anhörung des NSA-Untersuchungsausschuss am 26. 06. 2014, S. 14; Gaycken, Sachverständigengutachten „IT-Infrastruktur“ NSA-Untersuchungsausschuss 19. 06. 2014, S. 2; zu den Verpflichtungen der Telekommunikationsanbietern siehe nur den Vodafon Law Enforcement Disclosure Report 2015 Updated Legal Annex 2015 http://www.vodafone.com/content/dam/sustainabili ty/2014/pdf/operating-responsibly/law_enforcement_disclosure_report_2015_update.pdf (zuletzt abgerufen am 08. 09. 2016). 289 § 3 Abs. 1 BDSG; Aust, Stellungnahme zur Sachverständigenanhörung am 05. 06. 2014 des 1. UA der 18. Wahlperiode des Deutschen Bundestags, Ziff. 3. 290 Vgl. Perrey, Gefahrenabwehr und Internet (2003), S. 73 f. 291 Das 1999 gegründete Joint Security Center ist Teil des Europäischen Auswärtigen Dienstes. Das Center dient als Verbindungsstelle zwischen den einzelnen nationalen Nachrichtendiensten der Mitglliedstaaten, ohne dass der BND ein Teil dieses Zentrums ist. Dazu Huber, Ein Europäischer Nachrichtendienst?, NVwZ 2011, 409 (410).
B. Fallkonstellation 2
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Grundrechte gebunden ist (dazu ausführlich in Abschnitt II.). Im Einzelnen werden folgende Thesen aufgestellt. Eingeschränkter Menschenrechtsschutz. Da viele Fälle der Datenerhebung in dieser Fallkonstellation nicht vom Anwendungsbereich der Menschenrechte erfasst werden, ist die menschenrechtliche Schutzgewährleistung bei der Erhebung personenbezogener Daten verringert. Rechtstechnisch geschieht dies zum einen durch eine extensive Auslegung des Begriffs „extraterritorialer Sachverhalt“ und zum anderen dadurch, dass die verschiedenen Akteure sehr hohe Anforderungen an die „Hoheitsgewalt“ im Sinne des Art. 1 EMRK stellen. Dabei schließt der EGMR selbst nicht aus, dass Datenerhebungen mit Auslandsbezug vom Anwendungsbereich der EMRK erfasst werden. Doch fehlen bislang eindeutige Aussagen seinerseits, inwieweit und unter welchen Voraussetzungen die Datenerhebung bei der Auslandsaufklärung in den Anwendungsbereich der EMRK fällt, so dass sich die Literatur und vor allem auch die Staatenpraxis an den traditionellen Kriterien zum Anwendungsbereich orientieren. Dieses sind Kriterien, die der EGMR für physisch geformte Eingriffe entwickelt hatte und weniger für die nicht-physische Form von Menschenrechtseingriffen, wie etwa Datenerhebungen. Als allein maßgeblicher Bezugspunkt der Anwendungsklauseln von Menschenrechten sieht die Literatur und auch die Staatenpraxis deshalb den Menschen und nicht (auch) das Datum. Mit diesem Bezugspunkt werden Sachverhalte als extraterritorial eingestuft, sobald sich die betroffene Person im Ausland befindet. Dies entpuppt sich bei Datenerhebungen vom Inland aus als problematisch, weil die extraterritoriale Anwendung von Menschenrechten eine höhere Begründungsbedürftigkeit aufwirft als die inländische Anwendung. Dass die Datenverarbeitung dennoch im Inland stattfindet, d. h. für sich genommen im Anwendungsbereich der EMRK, wird mit einem solchen Bezugspunkt nicht berücksichtigt. Anders als in den klassischen Fällen extraterritorialer Anwendungsfragen, wie etwa der Festnahme oder Eingriffen in die körperliche Unversehrtheit, fallen der Aufenthaltsort des Betroffenen und der Belegenheitsort des Eingriffsobjekts „Datum“ hier regelmäßig auseinander. Daraus ergibt sich die folgende These: These 1: Um den tatsächlichen Handlungsort hinreichend einbeziehen zu können, muss der Begriff „extraterritorialer Sachverhalt“ bei Datenerhebungen enger ausgelegt werden, als dies bei physisch geformten Eingriffen geschieht. Darüber hinaus orientieren sich die Kriterien, die bislang angewandt wurden, um „Hoheitsgewalt“ im Sinne des Art. 1 EMRK festzustellen, an physischen Eingriffsformen. Nicht-physische Eingriffe wie die Datenerhebung unterscheiden sich davon grundlegend, weshalb die These 2: Die Kriterien für den Begriff „Hoheitsgewalt“ im Sinne des Art. 1 EMRK können Datenerhebungen nicht adäquat abbilden aufgestellt wird.
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Teil 2: Schutz personenbezogener Daten bei der Auslandsaufklärung
Eingeschränkte Grundrechtsbindung. Die Bindung des BND an die Grundrechte ist in Auslandssachverhalten dadurch eingeschränkt, dass Rechtsprechung, Literatur und Verwaltung erhebliche Modifikationen in der Ausgestaltung der Reichweite der Bindung vornehmen. Daneben bestehen Rechtsunsicherheiten, die die beteiligten Akteure nutzen, um eine Grundrechtsbindung abzulehnen. Aus alledem leitet sich die dritte These ab: These 3: Der BND ist nicht vollumfänglich an die Grundrechte gebunden. Umfangreiche Eingriffsmöglichkeiten. Als weitere Abweichung vom Grundkonzept bestehen bei der Datenerhebung vom Inland aus weite Möglichkeiten, Grund- und Menschenrechtseingriffe zu rechtfertigen, da eine einfach-gesetzliche Konkretisierungen der menschen- und grundrechtlichen Rechtfertigungsvoraussetzungen weitgehend fehlt. Daraus resultieren umfangreiche Eingriffsmöglichkeiten, die nur begrenzt gerichtlich überprüfbar und die vierte These begründen: These 4: Das Fehlen einfachgesetzlicher Ausgestaltung der Befugnisse wirkt sich negativ auf den Datenschutz aus.
II. Schutzumfang durch Menschen- und Grundrechte Die vorliegende Arbeit geht davon aus, dass der Schutzumfang in dieser Fallkonstellation maßgeblich durch die Reichweite der Definition extraterritorialer Sachverhalte im Bereich der Menschenrechte (dazu Abschnitt 1.), die konkrete Ausgestaltung der Grundrechtsbindung (dazu Abschnitt 2.) und den Umfang der Eingriffsmöglichkeiten (dazu Abschnitt 3.) bestimmt wird. 1. Eingeschränkter Schutz durch Menschenrechte Wie in der ersten Fallkonstellation beschrieben wurde, wirkt sich es sich negativ auf den Schutzumfang aus, wenn ein Sachverhalt als extraterritorial qualifiziert wird. Während dort bei der generellen Auswirkung auf den Schutzumfang stehen geblieben werden konnte, muss in dieser zweiten Fallkonstellation definiert werden, wann eine Datenerhebung als extraterritorial zu qualifizieren ist, d. h. inwieweit die Datenerhebung, in der Form wie sie eingangs beschrieben wurde, vom Inland aus als Inlandssachverhalt oder als extraterritoriale Handlung eingestuft wird (dazu Abschnitt a)). Bei unbefangener Betrachtung stellt sich die Frage der Anwendbarkeit der EMRK bei einer Erhebung personenbezogener Daten im Inland nicht, finden die Handlungen doch scheinbar eindeutig innerhalb des Staatsgebiets des Vertragsstaates und somit unter dessen Hoheitsgewalt statt. Tatsächlich findet die Datenerhebung im Rahmen der Auslandsaufklärung nicht nur im Inland, sondern (auch) an Knotenpunkten (siehe oben zu den IPX) oder aus internationalen Telekommunikationsverbindungen statt. Unberücksichtigt dessen, dass der Handlungsort, von dem aus diese Tätigkeiten vorgenommen werden, im Inland belegen ist, werfen diese
B. Fallkonstellation 2
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Datenerhebungen „im Ausland, aber vom Inland ausgehend“ die Fragen der Anwendbarkeit insbesondere der Menschenrechte auf.292 Die Frage ist, ob ein Inlandssachverhalt oder ein extraterritorialer Sachverhalt vorliegt, wenn Daten „im Ausland, aber vom Inland ausgehend“ erhoben werden. Entscheidend für die Beantwortung dieser Frage ist, wie Extraterritorialität definiert wird. Der Begriff „Extraterritorialität“ wird in engem Zusammenhang mit dem Begriff „Hoheitsgewalt“ im Sinne des Art. 1 EMRK verwendet. Der Begriff Extraterritorialität beschreibt solche Fälle, in denen gesondert begründet werden muss, ob bzw. wodurch der Vertragsstaat Hoheitsgewalt ausgeübt hat. Eine davon unabhängige, eigenständige rechtliche Wertung enthält die Bezeichnung „extraterritorial“ nicht. Dies ergibt sich daraus, dass in einem Inlandsfall sich die Frage nach der Hoheitsgewalt nicht stellt. Über das Territorialitätsprinzip wird hier regelmäßig unterstellt, dass ein Staat in seinem Staatsgebiet Hoheitsgewalt im Sinne des Art. 1 EMRK ausübt. Ist der Sachverhalt extraterritorialer Natur, müssen andere Kriterien als die Ausübung von Hoheitsgewalt im eigenen Staatsgebiet die Anwendung der EMRK begründen. Liegt nach dieser Definition eine extraterritoriale Datenerhebung vor, hängt der Schutzumfang davon ab, wie hoch die Voraussetzungen sind, um Hoheitsgewalt im Sinne des Art. 1 EMRK mit der Datenerhebung auszuüben (dazu Abschnitt b)). a) Definition von Extraterritorialität In Bezug auf die herkömmlichen Fälle der extraterritorialen Anwendung der EMRK wie etwa eine Festnahme oder Eingriffe in die körperliche Integrität ist der einzige Bezugspunkt der Definition der Aufenthaltsort der betroffenen Person. Bei der Datenverwendung bestehen anders als bei den klassischen extraterritorialen Sachverhalten nicht nur ein, sondern zwei mögliche Bezugspunkte für die Ausübung von Hoheitsgewalt – der Mensch und das Datum. Für die Definition ist deshalb entscheidend, auf welches Rechtsgut sich die Exterritorialität einer Datenerhebung bezieht. Danach wiederum richtet sich auch die Frage der Hoheitsgewaltausübung, d. h. ob der Anwendungsbereich der EMRK ohne Weiteres oder nur bei Vorliegen weiterer Voraussetzungen eröffnet ist. Die Eingriffsdefinitionen der Rechtsprechung zum Persönlichkeitsrecht setzen an der Umgangsform des Staates mit dem Datum an, d. h. der Erhebung, Speicherung, Verwendung und der Übermittlung von Daten. Bei unbefangener Betrachtung könnte der Bezugspunkt deshalb grundsätzlich das Datum selbst oder der dahinterstehende Mensch sein. Denkbar ist deshalb, nicht nur auf den Aufenthaltsort der von der Datenerhebung betroffenen Person abzustellen, sondern ebenso auf die Daten selbst.
292 Schaller, Detaillierte Regeln für die Auslandsüberwachung, SWP- Aktuell 66 (Oktober 2016), S. 10.
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Teil 2: Schutz personenbezogener Daten bei der Auslandsaufklärung
Hierbei ist auch zu bedenken, dass der Schutz des Persönlichkeitsrechts ein ideell geformtes Schutzobjekt ist, ohne eigenständige, d. h. von seinem Inhaber getrennte, physische Manifestation in der Außenwelt. Das Persönlichkeitsrecht ähnelt insofern anderen ideell geformten Menschenrechten, bei denen ebenfalls zwei Bezugspunkte bestehen, die räumlich auseinanderfallen können. So etwa bei dem Recht auf rechtliches Gehör (Abwesenheitsurteile und Urteil zum Europäischen Haftbefehl) oder dem Eigentumsrecht.293 Die Urteile, die sich auf diese Rechte beziehen, werden nicht als Rechtsprechung zur extraterritorialen Anwendung der EMRK klassifiziert.294 Dies liegt daran, dass der Handlungsort, d. h. der Ort des Gerichtsverfahrens über die Strafe oder das Eigentum, stets im Inland belegen war. Angesichts dessen, dass diese Sachverhalte als Inlandssachverhalte behandelt werden, ist davon auszugehen, dass der maßgebliche Bezugspunkt in diesen Fällen das Gerichtsverfahren und nicht der sich im Ausland aufhaltende Betroffene war. Bei der Datenverwendung wäre der Inlandssachverhalt entsprechend die Datenverwendung, die im Inland stattfindet. So könnte man daraus schließen, dass auch bei Datenverwendungen an das Datum angeknüpft werden kann. Dies wäre zwar positiv für den Datenschutz, doch zeichnet sich bislang nicht ab, dass die Rechtsprechung des EGMR (dazu Abschnitt aa)) die Literatur (dazu Abschnitt bb)) oder die Gerichte der EMRKVertragsstaaten (dazu Abschnitt cc)) diesen Ansatz explizit verfolgen würden.295 aa) Der Bezugspunkt von Extraterritorialität in der Rechtsprechung des EGMR Dem EGMR lagen in der Vergangenheit zwei Fälle vor, die sich mit der Auslandsaufklärung von Staaten beschäftigten.296 Das eine Verfahren betraf sich mit der Telekommunikationsüberwachung im Ausland nach dem G 10-Gesetz, das andere mit der Telekommunikationsüberwachung durch den britischen Geheimdienst. In beiden Entscheidungen bejahte der EGMR die Anwendbarkeit der EMRK, ohne dabei allerdings auf den Aspekt der Extraterritorialität einzugehen, weshalb es auch an expliziten Äußerungen zum Bezugspunkt der Extraterritorialität fehlt, wie im Folgenden dargestellt wird. 293 Zum Recht auf rechtliches Gehör siehe EGMR (Markovic ./. Italien), Urteil v. 14. 12. 2006 – 1398/09; BVerfGE 63, 332 (338); BVerfG, Kammerbeschluss v. 24. 01. 1991 – 2 BvR 1704/90 = NJW 1991, 1411; OLG Karlsruhe, Beschluss v. 04. 01. 2011 – 1 AK 51/10, juris Rn. 13. Zum Eigentumsrecht siehe UNHRC (Ibrahima Gueye et al. ./. Frankreich), Communication No. 196/1985, U.N. Doc. CCPR/C/35/D/196/1985 (1989). 294 Auch das Urteil des EGMR zu Loizidou bildet in diesem Sinne keine Ausnahme. Dieses Urteil wird zwar als extraterritorialer Sachverhalt eingeordnet. Doch fallen der Aufenthaltsort der Beschwerdeführerin und der Belgenheitsort des Eigentums räumlich nicht auseinander. Deshalb ist dieser Entscheidung kein weiterer Anhaltspunkt für die Frage des Bezugspunktes der Extraterritorialität zu entnehmen. 295 Siehe zu diesem Ansatz ausführlich Teil 3 B. 296 EGMR (Weber u. Saravia ./. Deutschland), Entscheidung v. 29.06. 2006 – 54934/00, § 78; EGMR (Liberty ./. Großbritannien), Urteil v. 01. 07. 2008 – 58243/00, §§ 5, 56.
B. Fallkonstellation 2
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In Weber u. Saravia ./. Deutschland wurden Vorschriften zur Überwachung der Telekommunikation nach dem G 10-Gesetz angegriffen, die die Befugnisse des BND zur strategischen Überwachung des internationalen Fernmeldeverkehrs und zur Übermittlung der personenbezogenen Daten an andere Behörden erweiterten. Beide Beschwerdeführer hatten ihren Wohnort in Uruguay, eine von ihnen war deutsche Staatsbürgerin. Sie machten entsprechend geltend, dass ihr Fernmeldegeheimnis hinsichtlich ihrer Telefonanschlüsse in Uruguay verletzt worden sei. Konkrete Überwachungsmaßnahmen konnten nicht nachgewiesen werden. Unabhängig davon lässt das Urteil es ausreichen, dass die bloße Existenz eines Gesetzes, das eine geheime Überwachung gestattet, ein Überwachungsrisiko für alle von dem Gesetz Betroffenen birgt. Als Eingriff genüge es, dass ein Risiko der Überwachung aufgrund eben jenes Gesetzes besteht. Dieses Risiko bezieht sich auf die Telefonanschlüsse der Beschwerdeführer in Uruguay.297 Obwohl der Gerichtshof also Handlungen zu beurteilen hatte, die auch außerhalb des staatlichen Territoriums des jeweiligen Vertragsstaates wirkten, stellte er ausschließlich auf den innerstaatlichen Legislativakt ab, mit der Folge, dass Ausführungen zur Frage der extraterritorialen Anwendbarkeit der EMRK entbehrlich waren.298 Das Gericht sah nachvollziehbarerweise keine Notwendigkeit, sich mit dem Aufenthaltsort der Beschwerdeführer auseinanderzusetzen, um über diesen Legislativakt urteilen zu können.299 In der zweiten Entscheidung zu Liberty ./. Großbritannien richteten die Beschwerdeführer sich gegen das vom Verteidigungsministerium betriebene Electronic Test Facility (ETF), mit dem Vorwurf, dass über das ETF alle öffentlichen Telekommunikationsanschlüsse abgehört würden. Die Beschwerdeführer waren britische Staatsangehörige und hielten sich selbst im UK auf. Die Überwachung wurde vom UK aus durchgeführt.300 Die abgehörten Anschlüsse sollten sowohl in Großbritannien als auch auf dem europäischen Kontinent, mithin im britischen Ausland, belegen gewesen sein. Die im Ausland belegenen Kommunikationsmedien stellten den extraterritorialen Aspekt des Falls dar. Dementsprechend konnten Ausführungen zur extraterritorialen Anwendbarkeit erwartet werden, blieben jedoch aus. Das Gericht erwähnt den Belegenheitsort der Kommunikation mit keinem Wort, sondern behandelt den Fall als reinen Inlandsfall. Ob das Gericht dies tat, weil sich die Person im Inland aufhielt oder die Daten im Inland erhoben und verarbeitet wurden, lässt sich dem Urteil nicht entnehmen.
297
§ 78.
EGMR (Weber u. Saravia ./. Deutschland), Entscheidung v. 29.06. 2006 – 54934/00,
298 Wie unten noch ausgeführt werden wird, machte die Bundesregierung hingegen geltend, dass die Beschwerde wegen der extraterritorialen Handlungen, gegen die sich die Beschwerdeführer wendeten, ratione personae unzulässig sei, EGMR (Weber u. Saravia ./. Deutschland), Entscheidung v. 29.06. 2006 – 54934/00, § 66. 299 EGMR (Weber u. Saravia ./. Deutschland), Entscheidung v. 29.06. 2006 – 54934/00, § 72. 300 EGMR (Liberty ./. Großbritannien), Urteil v. 01. 07. 2008 – 58243/00, § 1 ff.
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Teil 2: Schutz personenbezogener Daten bei der Auslandsaufklärung
Der Gerichtshof lässt es in beiden Fällen für die Anwendbarkeit der EMRK ausreichen, dass die Überwachung vom Inland aus durchgeführt wird. Man könnte deshalb meinen, dass die Extraterritorialität keine Rolle spielte, weil als Bezugspunkt die personenbezogenen Daten, die vom Inland aus erhoben wurden, gewählt wurden. Wesentliche Teile der Literatur widersprechen dem jedoch, wie im Folgenden ausgeführt wird. bb) Der Bezugspunkt von Extraterritorialität in der rechtswissenschaftlichen Literatur In der Literatur finden sich zwar Stimmen, die sich am Handlungsort des Eingriffs orientieren, um die Anwendbarkeit der EMRK zu bestimmen. Explizite Ausführungen zum Bezugspunkt fehlen dabei jedoch regelmäßig. So sieht Gaycken die Fiberglaskabel an der Küste Englands als unter britischer Territorialität stehend. Dies habe zur Folge, dass Daten aus diesen Kabeln auf Grundlage der Regulation of Investigatory Powers Act (Ripa) erhoben werden dürfen.301 Dass dabei der Aufenthaltsort des Betroffenen nicht erwähnt wird, deutet darauf hin, dass Bezugspunkt der Anwendungsklausel des Art. 1 EMRK die Daten selbst seien. Ebenso vertritt Schaller, der auf den Standort der technischen Anlage abstellt, einen datenbezogenen Ansatz, der grundsätzlich unabhängig vom Aufenthaltsort des Betroffenen formuliert ist.302 Milanovic bringt den Eingriffsort als Bezugspunkt der extraterritorialen Anwendbarkeit ins Spiel. Er ist jedoch skeptisch, dass die Kontrolle über den Eingriffsort allein ausschlaggebend für Anwendbarkeit der Menschenrechtsverträge sein kann.303 Gleichzeitig betont er selbst, dass es keinen Unterschied machen dürfe, wo sich der Betroffene aufhält, wenn seine Daten durchsucht bzw. erhoben und gespeichert werden. Dementsprechend müsste er den Eingriffsort im Zusammenhang mit dem Eingriffsobjekt „Datum“ als für den Bezugspunkt ausschlaggebend betrachten. Andere Autoren wie Talmon, Aust und Peters thematisieren die Auslandsüberwachung „vom Inland aus“ ausschließlich unter der Frage, wann in diesen Fällen ausreichend Hoheitsgewalt im Sinne des Art. 1 EMRK vorliegt.304 Daraus ist zu schließen, dass sie den Territorialbezug durch den Handlungsort als nicht ausreichend ansehen, um die Anwendung der EMRK zu bejahen. Denn ansonsten 301 Gaycken, Sachverständigengutachten „IT-Infrastruktur“ NSA-Untersuchungsausschuss 19. 06. 2014, S. 5. 302 Schaller, Kommunikationsüberwachung durch den BND, SWP-Studie S 7 (April 2016), 1 (36). 303 Milanovic, Human Rights Treaties and Foreign Surveillance: Privacy in the Digital Age, Harv. Intl. Law J., Vol. 56 No. 1 (2015), 81 (126 und 129). 304 Talmon, Sachverständigengutachten NSA-Untersuchungsausschuss, 02. 06. 2014, Ziff. 4.; Aust, Stellungsnahme zur Sachverständigenanhörung am 05. 06. 2014 des 1. UA der 18. Wahlperiode des Deutschen Bundestags, Ziff. 35; vgl. § 1 Abs. 5 S. 4 BDSG; Peters, Surveillance without Borders: The Unlawfullness of the NSA Panopticon, Part II, http://www. ejiltalk.org/surveillance-without-borders-the-unlawfulness-of-the-nsa-panopticon-part-ii/ (zuletzt abgerufen am 21. 05. 2017).
B. Fallkonstellation 2
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müssten sie sich nicht mit den gesteigerten Anwendungsvoraussetzungen in extraterritorialen Sachverhalten auseinandersetzen. cc) Anwendung der EGMR-Rechtsprechung in den Vertragsstaaten In der Rechtsprechung der EMRK-Vertragsstaaten sind Aussagen zum Bezugspunkt der EMRK bislang wenig zu finden. Als eines der wenigen Rechtsprechungsorgane setzte sich das UK Investigatory Powers Tribunal mit der Anwendung der EMRK auf Auslandsüberwachungen auseinander. Interessant ist, dass das Tribunal den Bezugspunkt „Mensch“ bei modernen Datenverwendungen für ausschlaggebend erachtete, um den Sachverhalt als extraterritorial definieren zu können. Als rechtliches Mittel verwendete es dabei eine Analogie zur Bankovic-Entscheidung des EGMR. Als Konsequenz dieser Analogie erklärte das Tribunal die EMRK nur dann für anwendbar, wenn eine ausreichende Kontrolle über die Person bzw. ein ausreichender Bezug zu dieser vorliegt, sollte sich die betroffene Person in einem anderen Land aufhalten. Dass die Datenerhebung innerhalb des UK stattfindet, hatte für das Tribunal in diesem Zusammenhang keine Relevanz, um eine Bindung des UK an die Menschenrechte zu begründen.305 dd) Ergebnis Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass es bislang keine zweifelsfreie Definition von Extraterritorialität gibt. Entsprechend der EMRK-Rechtsprechung zur Telekommunikationsüberwachung scheint es nicht ausgeschlossen, als Bezugspunkt des Art. 1 EMRK bzw. der Hoheitsgewalt das Datum zu wählen. Denn das Gericht stellt auf den Handlungsort der Datenerhebung bzw. den Legislativakt und nicht auf den Aufenthaltsort des Betroffenen ab. Dass diese Interpretation der Urteile zweifelsfrei auf die Auslandsüberwachung angewandt werden könnte, ist nach einer Auseinandersetzung mit der Literatur nicht denkbar. Hier sind bislang keine gefestigten Meinungen zu finden, die sich explizit mit den Details der Anwendbarkeit auseinandersetzen würden. Infolgedessen ist es nicht überraschend, dass eine der wenigen Entscheidungen eines EMRK-Vertragsstaates sich überhaupt nicht auf die 305 UK Investigatory Powers Tribunal, Urteil v. 16. 03. 2016 – UKIPTrib15_165-CH. Verschärfend wurde die Frage nach der extraterritorialen Anwendbarkeit eingeleitet, indem festgestellt wurde, dass die betroffenen Personen „have not, at any material time, been resident in the UK“, UK Investigatory Powers Tribunal, Urteil v. 16. 03. 2016 – UKIPTrib15_165-CH, § 49. Auch wenn reside mit „sich befinden“ übersetzt werden kann, wird das Wort überwiegend im Sinne von „bleiben“ / „wohnhaft sein“ verwendet. Dies geht sogar über die Bankovic Anforderungen hinaus. In jedem Fall knüpft das Gericht deutlich an die Person und nicht an das Datum an. Dies sei, wenn auch falsch, dennoch vorhersehbar gewesen, Milanovic, UK Investigatory Powers Tribunal rules that non-residents have no right to privacy under the ECHR, EJIL: Talk!, http://www.ejiltalk.org/uk-investigatory-powers-tribunal-rules-that-non-uk-resi dents-have-no-right-to-privacy-under-the-echr/ (zuletzt abgerufen am 02. 05. 2017).
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Teil 2: Schutz personenbezogener Daten bei der Auslandsaufklärung
EGMR-Entscheidungen zur Auslandsüberwachung bezieht, um die Anwendung der EMRK auf eine Telekommunikationsüberwachung zu untersuchen. Vielmehr legt das UK Tribunal seinem Urteil die Bankovic-Entscheidung zugrunde, ohne dass bei dieser eine Nähe zur Verwendung personenbezogener Daten ersichtlich wäre. Diese Gestaltungsspielräume der Mitgliedstaaten wirken sich, wie die Entscheidung des UK Tribunal zeigt, negativ auf den Datenschutz aus. Für eine umfassende Bindung an die EMRK bedarf es einer verbindlichen Anknüpfung an das Datum. Immer wenn die Erhebung, Speicherung, Verarbeitung und Übermittlung vom Inland aus durchgeführt wird, läge dann ein Fall innerstaatlicher Rechtsanwendung vor. In einem Inlandsfall stellt sich die Frage der Anwendbarkeit der EMRK nicht, da der Staat auf seinem Territorium stets Hoheitsgewalt ausübt.306 Für Inlandssachverhalte gibt es deshalb im gerichtlichen Verfahren eine Zulässigkeitshürde weniger. Da die Begründungslast für eine extraterritoriale Anwendung größer ist als für eine Inlandsanwendung der EMRK, verringert sich die Schutzintensität bereits durch diese Einordnung als extraterritorialer Sachverhalt.307 Die Eingriffsqualität einer Datenverwendung ist jedoch unabhängig davon, wo sich der hinter dem Datum stehende Mensch aufhält, so dass es unangemessen ist, für den Schutzumfang nach dem Aufenthaltsort des Betroffenen zu differenzieren. Für den Betroffenen ist ohne Belang, von wo aus seine Daten verwendet werden.308 Eine Anknüpfung an das Datum würde die Frage nach der extraterritorialen Anwendbarkeit entschärfen und Rechtsklarheit bringen, da viele Sachverhalte dann als Inlandssachverhalt gelten würden. Dementsprechend besteht Handlungsbedarf bei der Qualifikation neuer Eingriffsformen wie der Datenerhebung. Dieser Bedarf wird im dritten Teil dieser Arbeit aufgegriffen (dazu Teil 3 A.). b) Hoheitsgewalt über extraterritoriale Datenerhebungen Abgesehen davon, dass bislang eine zweifelsfreie Definition von Extraterritorialität fehlt, qualifizieren ein Teil der Literatur und augenscheinlich auch die Bundesregierung die Auslandsüberwachung als extraterritorialen Sachverhalt. Dementsprechend müssen sich diese Akteure damit auseinandersetzen, wann Ho306
(362). 307
Becker, in: Isensee / Kirchhof, HStR Band XI (2013), § 230 Rn. 18; BVerfGE 100, 313
Vgl. Milanovic, Human Rights Treaties and Foreign Surveillance: Privacy in the Digital Age, Harv. Intl. Law J., Vol. 56 No. 1 (2015), 81 (127). 308 Vgl. Schaller, Kommunikationsüberwachung durch den BND, SWP-Studie S 7 (April 2016), 1 (10); Huber, Die strategische Rasterfahndung des BND, NJW 2013, 2572 (2574); Aust, Stellungnahme zur Sachverständigenanhörung am 05. 06. 2014 des 1. UA der 18. Wahlperiode des Deutschen Bundestags, Ziff. 35. Siehe auch die Überlegungen Perreys zu einem neuen Grundrecht auf virtuelle Selbstbestimmung, bei dem weniger die abwehrrechtliche Dimension und nicht mehr das Datum als Eigentum des Betroffenen stehen, sondern das Recht als Teilhaberecht ausgestaltet werden soll. Dabei steht der selbstverantwortlich handelnde Bürger im Vordergrund, dessen Daten gegenüber Eingriffen durch Verschlüsselungstechniken zu schützen sind, Perrey, Gefahrenabwehr und Internet (2003), S. 204 ff.
B. Fallkonstellation 2
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heitsgewalt bei der Datenerhebung ausgeübt wird (dazu Abschnitt aa)). Der Umfang des Datenschutzes hängt in diesen Konstellationen davon ab, wie hoch die Anforderungen gesetzt werden, um den Anwendungsbereich der EMRK zu eröffnen (dazu Abschnitt bb)). aa) Die Ausübung von Hoheitsgewalt bei der Datenerhebung Talmon lehnt seine Argumentation an die in der Vergangenheit entschiedenen Fälle zur territorialbezogenen Hoheitsgewalt an. Bei diesen Fällen habe die Kontrolle über ein Gebiet stets auf einer völkerrechtlichen Grundlage beruht. Er argumentiert deshalb, dass bei der Telekommunikationsüberwachung, der eine völkerrechtliche Grundlage fehle, nicht von einer vergleichbaren effektiven (virtuellen) Kontrolle ausgegangen werden könne.309 Weitere Ausführungen dazu fehlen. Auch Aust lehnt die Kriterien für die Hoheitsgewalt am territorialbezogenen Ansatz der EGMR-Rechtsprechung an. Er vertritt die Meinung, dass keine effektive Kontrolle im Sinne des territorialen Ansatzes vorliege, wenn die Daten durch ein Kabel übertragen werden, das durch die Bundesrepublik verläuft. Dabei lehnt er sich an die entsprechenden Wertungen des einfachgesetzlichen Datenschutzes aus dem BDSG an.310 Das BDSG ist nicht anwendbar, sofern die Datenverarbeitung nur darin besteht, dass ein Datenträger zum Zweck des Transits durch das Inland eingesetzt wird.311 Aust lehnt damit das Vorliegen effektiver Kontrolle sogar dann ab, wenn das Kabel innerhalb des deutschen Territoriums verläuft. Soweit wegen des reinen Transits die Daten im Inland nicht zur Kenntnis genommen werden und sich auch die betroffene Person nicht im Inland aufhält, wendet Aust die EMRK nicht an.312 Talmon stimmt dem zu, mit dem Wortlautargument des Art. 1 EMRK, der auf die Hoheitsgewalt über eine Person und nicht über ein Datum abstelle.313 Peters versucht, die veränderten Lebenswirklichkeiten der Datenerhebung aufzugreifen, indem sie durch die Fiktion einer virtuellen Kontrolle über das Datum Kontrolle über einen Menschen vermittelt. Sie stellt ihre Formulierung der „virtuellen Kontrolle“ deshalb als Substitut zur physischen Kontrolle über ein Individuum
309
Ziff. 4.
Talmon,
Sachverständigengutachten
NSA-Untersuchungsausschuss,
02. 06. 2014,
310 Aust, Stellungsnahme zur Sachverständigenanhörung am 05. 06. 2014 des 1. UA der 18. Wahlperiode des Deutschen Bundestags, Ziff. 35; vgl. § 1 Abs. 5 S. 4 BDSG. 311 § 1 Abs. 5 S. 4 BDSG; Ambs, in: Erbs / Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, 212. EL (Januar 2017), § 1 BDSG Rn. 29. 312 Vgl. Aust, Stellungsnahme zur Sachverständigenanhörung am 05. 06. 2014 des 1. UA der 18. Wahlperiode des Deutschen Bundestags, Ziff. 35. 313 Talmon, Sachverständigengutachten NSA-Untersuchungsausschuss, 02. 06. 2014, Ziff. 15.
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Teil 2: Schutz personenbezogener Daten bei der Auslandsaufklärung
auf.314 Peters will sich einerseits von der physischen Anbindung lösen, fordert andererseits aber für die Anwendung der Menschenrechtsverträge weiterhin eine etwaige Kontrolle über das physische Individuum. Schlussendlich zielt diese Formulierung deshalb wiederum darauf ab, auch eine gewisse Kontrolle über die betroffene Person auszuüben. Angesichts dessen, dass diese Kontrolle auch virtuell, d. h. über die Verwendung der entsprechenden Daten ausgeübt werden kann, ist hier dennoch der Ansatz zu erkennen, die Daten als Bezugspunkt ausreichen zu lassen. Die Bundesregierung steht einer extraterritorialen Anwendung der ERMK auf die Auslandsüberwachung ablehnend gegenüber. In dem Verfahren zu Weber u. Saravia ./. Deutschland brachte sie vor, dass ein Fall der extraterritorialen Anwendbarkeit vorliege, mit der Folge, dass die Beschwerde bereits ratione personae unzulässig sei. Sie berief sich außerdem auf das Konzept der Hoheitsgewalt im Sinne des Art. 1 EMRK, aus dem nach der Bankovic-Rechtsprechung des Gerichtshofs ein territorialer Bezug notwendig sei, der im vorliegenden Fall jedoch fehle.315 Der Gerichtshof ging aus prozessökonomischen Gründen nicht auf dieses Vorbringen ein.316 Die Bundesregierung steht mit dieser Argumentationslinie nicht alleine, auch anderer Staaten folgen dieser. Das UK Investigatory Powers Tribunal (IPT) bemühte in seinem Urteil zur geheimen Inlandsüberwachung ebenfalls die Bankovic-Analogie, und befand, dass wenn sich die betroffene Person im Ausland aufhalte, die EMRK nur dann anwendbar sei, wenn ausreichende Kontrolle über die Person bzw. ein Bezug zu dieser vorliege. Dies wiederum sei nur dann der Fall, wenn die Person Recht auf Privatsphäre innerhalb des UK ausgeübt habe.317 In einer früheren Entscheidung gegen das UK zu Liberty, bei der es um eine Telekommunikationsüberwachung im Inland und im Ausland ging, während sich die Kläger im Ausland befanden, wurde dieser extraterritoriale Bezug hingegen von keiner Seite thematisiert.318 bb) Ergebnis Nach alledem ist festzuhalten, dass die Voraussetzungen für die Hoheitsgewalt bei der Datenerhebung im Rahmen der Auslandsaufklärung sehr hoch angesetzt werden. Infolgedessen gehen Teile der Literatur und die Staatenpraxis davon aus, dass bei der Auslandsüberwachung keine Hoheitsgewalt im Sinne des Art. 1 EMRK ausgeübt werde. Diese Einschätzung betrifft zunächst den Schutz von Daten, die über Kabel, 314 Peters, Surveillance without Borders: The Unlawfullness of the NSA Panopticon, Part II, http://www.ejiltalk.org/surveillance-without-borders-the-unlawfulness-of-the-nsa-panopticonpart-ii/ (zuletzt abgerufen am 21. 05. 2017). 315 EGMR (Weber u. Saravia ./. Deutschland), Entscheidung v. 29.06. 2006 – 54934/00, § 66. 316 Aust, Stellungsnahme zur Sachverständigenanhörung am 05. 06. 2014 des 1. UA der 18. Wahlperiode des Deutschen Bundestags, Ziff. 32. 317 UK Investigatory Powers Tribunal, Urteil v. 16. 03. 2016 – UKIPTrib15_165-CH, § 49. 318 EGMR (Liberty ./. Großbritannien), Urteil v. 01. 07. 2008 – 58243/00, §§ 58 f.
B. Fallkonstellation 2
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Netze und Server verwendet werden und deren Belegenheitsort in der Bundesrepublik nach Meinung dieser Akteure nicht ausreichen soll, um Hoheitsgewalt im Sinne des Art. 1 EMRK begründen zu können. In der Konsequenz fehlt es bei Glasfaserkabeln gänzlich an einer Zuordnung zum Verantwortungsbereich eines Staates. Die Betreiber bzw. Inhaber dieser Einrichtungen sind in der Regel keine völkerrechtlichen Akteure.319 Als Folge der unklaren Zuordnung entwickelt sich die Theorie zum „virtuelle Ausland“, in dem kein Staat Hoheitsgewalt ausübe und das deshalb gänzlich von staatlicher Regulierung ausgeschlossen bleibe.320 Auf Knotenpunkte von Netzwerken kann zwar ein Staat zwar nicht ohne Weiteres, sondern nur über die Betreiber Zugriff haben. Doch kann ein Staat zum einen ebenso wie Dritte schlicht faktisch auf die Daten zugreifen, soweit ausreichende Expertise vorhanden ist und keine End-to-End-Verschlüsselung benutzt wurde.321 Zum anderen können sie die Betreiber und Telekommunikationsunternehmen durch entsprechende Gesetze zur Erhebung von Daten verpflichten.322 Es besteht somit eine tatsächliche und rechtliche Nähebeziehung, die sich jedoch in den derzeitigen Bewertungskriterien zur Anwendbarkeit der EMRK nicht widerspiegelt. Für den Schutz personenbezogener Daten wirkt sich die fehlende Zuordnung von Netzen, Kabeln und Servern zu einem Vertragsstaat negativ auf den Schutzumfang aus, da es schlicht an einem Träger der menschenrechtlichen Pflicht fehlt. 2. Eingeschränkte Grundrechtsbindung des BND Anders als in der Grundkonstellation des Datenschutzes ist die Grundrechtsbindung des BND in Teilen noch ungeklärt (dazu Abschnitt a)). Diese Rechtsunsicherheiten nutzt die Bundesregierung für sich, um eine möglichst weitgehende Handlungsfreiheit zu erzielen (dazu Abschnitt b)). 319
Zu der Tendenz, transnationale Unternehmen aufgrund ihrer globalen Wirtschaftskraft als Völkerrechtssubjekt einzustufen siehe Herdegen, Völkerrecht 11. Aufl. (2012), S. 108 f. 320 Vg. Datenschutzbeauftragte des BND Frau RDn Dr. H. F. Anhörung im NSA Untersuchungsausschuss, 12. 05. 2015, S. 39. 321 Waidner, Stellungnahme zur Anhörung des NSA-Untersuchungsausschuss am 26. 06. 2014, S. 14; der De-CIX Frankfurt hat Klage gegen die Datenerhebungen des BND erhoben, https://netzpolitik.org/2016/klage-gegen-den-bnd-wegen-ueberwachung-am-internetknoten-decix/ (zuletzt abgerufen am 21. 05. 2017). 322 In Deutschland wurde eine anlasslose Speicherung aller Telekumminkationsdaten jedoch als verfassungswidrig abgelehnt. Besteht jedoch ein konkreter Anlass, ist die Erhebung aber zulässig, BVerfGE 125, 260 (319 f.). Auch der EuGH befand 2014 die Vorratsdatenspeicherrichtlinie für unverhältnismäßig und ohne ausreichenden Schutz gegen Missbrauch der Daten und somit für ungültig, EuGH (Digital Rights Ireland Ltd), Urteil v. 08. 04. 2014 – C-293/ 12 und C-594/12, Rn. 65 ff. Am 10. 12. 2015 wurde das Gesetz zur Einführung einer Speicherpflicht und einer Höchstspeicherpflicht für Verkehrsdaten verabschiedet, BGBl. 2015, Teil I, Nr. 51 vom 17. 12. 2015. Die gegen dieses Gesetz gerichteten Anträge auf einstweilige Verfügung lehnte das BVerfG unter Hinweis auf das fehlende Eilbedürfnis ab, BVerfG, Ablehnung einstweilige Anordnung v. 12. 01. 2016 – 1 BvQ 55/15 = NJW 2016, 2734; BVerfG, Ablehnung einstweilige Anordnung v. 08. 06. 2016 – 1 BvQ 42/15 = NVwZ 2016, 1240 – 1242.
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Teil 2: Schutz personenbezogener Daten bei der Auslandsaufklärung
a) Rechtsprechung und Literatur zur Grundrechtsbindung des BND im Inland und im Ausland In den ersten Jahren des Bestehens des BND lehnte die Literatur eine Grundrechtsbindung noch vollständig ab. Der Grund dafür war, dass sich der Aufgabenbereich des BND Anfang der 1950er-Jahre auf die Spionageabwehr gegen Nachrichtendienste anderer Staaten konzentrierte. Die Abwendung sicherheitsgefährdender Bestrebungen richtete sich dabei fast ausschließlich gegen die Sowjetunion und deren Verbündete. Die KPD-Mitglieder im In- und Ausland bildeten eine klar abgrenzbare Gruppe, auf die sich die Überwachung durch den BND beschränkte. Die Frage des Grundrechtsschutzes wurde hinsichtlich dieser Gruppe von Menschen, d. h. im Rahmen der Spionage, nicht gestellt.323 Gleichzeitig wurden als Eingriff in Grundrechte allein imperative Maßnahmen verstanden und nicht auch faktische Beeinträchtigungen. Aus alledem ergab sich, dass die Tätigkeiten des BND als nicht grundrechtsrelevant eingestuft wurden.324 Nach dem Ende des Ost-West-Konflikts verlagerte sich der Fokus des BND auf die neuen Herausforderungen durch terroristische Gruppierungen wie die RAF, die verfassungsfeindlichen Bestrebungen der NPD sowie auf fundamentalistische Weltanschauungs- und Religionsgruppen. Seine Tätigkeiten waren nun nicht mehr rein aufklärender Natur und auf eine bestimmte Gruppe beschränkt, sondern zielten auch auf die Bekämpfung organisierter Kriminalität.325 Im selben Zeitraum wurden auch nicht-imperative Beeinträchtigungen der Grundrechte als Eingriff qualifiziert. Reine Informationserhebung und -verarbeitung durch den Staat wurden nun als Grundrechtseingriffe klassifiziert.326 So stellen seitdem auch heimliche Maßnahmen einen Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung dar.327 323
Vgl. Gusy, Parlamentarische Kontrolle der Nachrichtendienste im demokratischen Rechtsstaat, ZRP 2008, 36 (36). 324 Gusy, Parlamentarische Kontrolle der Nachrichtendienste im demokratischen Rechtsstaat – Die Aufgabenverschiebung der Geheimdienste, in: Röttgen/ Wolff , KAS (2008), 13 (16). 325 Diese Strukturen ähnelten vielmehr als vorher der Gefahrenabwehr und -bekämpfung durch die Polizei, Gusy, Parlamentarische Kontrolle der Nachrichtendienste im demokratischen Rechtsstaat – Die Aufgabenverschiebung der Geheimdienste, in: Röttgen / Wolff, KAS (2008), 13 (15). Die Aufgaben und Befugnisse der Polizei und der Nachrichtendienste haben sich in den letzten Jahren zwar angenähert, sind aber dennoch bislang „keineswegs identisch“, Gusy, Parlamentarische Kontrolle der Nachrichtendienste im demokratischen Rechtsstaat, ZRP 2008, 36 (37). 326 BVerfGE 65, 1 (48); Di Fabio, in: Maunz / Dürig, GG 78. EL (2016), Art. 2 Rn. 176; Gusy, Parlamentarische Kontrolle der Nachrichtendienste im demokratischen Rechtsstaat – Die Aufgabenverschiebung der Geheimdienste, in: Röttgen / Wolff, KAS (2008), 13 (17); a.A. Gärditz, Die Rechtsbindung des Bundesnachrichtendienstes bei Auslandstätigkeiten, Die Verwaltung 48 2015, 463 (474). 327 Schwabenbauer, Heimliche Grundrechtseingriffe (2013), S. 159; a.A. Gärditz, Die Rechtsbindung des Bundesnachrichtendienstes bei Auslandstätigkeiten, Die Verwaltung 48 2015, 463 (475).
B. Fallkonstellation 2
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Dementsprechend wurde auch die Grundrechtsbindung des BND angepasst. Als Teil der vollziehenden Gewalt war und ist der BND nun bei sämtlichen Tätigkeiten an die Grundrechte gebunden.328 Uneingeschränkt gilt dies indes nur für Inlandssachverhalte. Für Tätigkeiten außerhalb der Bundesrepublik wird in der Literatur teilweise vertreten, dass der BND keine Hoheitsgewalt ausüben könne. Es fehle ihm an der Möglichkeit, wie ein Hoheitsträger aufzutreten, so dass durch ihn kein die „Herrschaft substituierendes Abhängigkeitsverhältnis“ geschaffen werden könne. Im Ergebnis könne er lediglich faktisch Macht ausüben, mit der Folge, dass seine Handlungen im Ausland denen einer „kriminellen Bande“ glichen, die nicht an die Grundrechte gebunden sei.329 Ein Großteil der Literatur geht hingegen davon aus, dass der BND grundsätzlich auch im Ausland an die Grundrechte gebunden sei.330 Krieger lehnt dabei zwar jegliche grundrechtsfreien Räume, auch in Bezug auf nichtdeutsche Staatsbürger, ab.331 Ausgehend von dieser allgemeinen Grundrechtsbindung argumentiert sie dennoch für einen reduzierten Schutzbereich in Bezug auf nachrichtendienstliche Tätigkeiten, um den Besonderheiten dieser Tätigkeiten Rechnung tragen zu können.332 Gusy bringt vor, eine Grundrechtsbindung in extraterritorialen Sachverhalten könne deshalb nicht angenommen werden, weil ansonsten zwar die Grundrechtsgarantien, nicht aber die sie einschränkenden Gesetze gelten würden. So würde im Ausland ein höheres Niveau an Schutz bestehen als im Inland.333 Gärditz hält dem entgegen, dass überall dort, wo deutsche Hoheitsgewalt – auch extraterritorial – ausgeübt wird, sich dieses Verwaltungshandeln auch nach deutschem Recht richte. Teil dieses Rechts seien die Ermächtigungen zu Grundrechtseingriffen, die unabhängig davon gelten würden, ob das Völkerrecht diese Ermächtigung anerkenne.334
328
Art. 1 Abs. 3 GG; BVerfGE 100, 313 (362). Gärditz, Die Rechtsbindung des Bundesnachrichtendienstes bei Auslandstätigkeiten, Die Verwaltung 48 2015, 463 (474 f.); Krieger fordert für die Anwendbarkeit von Grundrechten auf Auslandssachverhalte zwar ebenfalls, dass eine regelmäßige deutsche Hoheitsausübung vorliegt, schließt die Bindung der deutschen Nachrichtendienste jedoch nicht generell aus, Krieger, Die Reichweite der Grundrechtsbindung bei nachrichtendienstlichem Handeln, Berliner Online-Beiträge zum Völker- und Verfassungsrecht, Beitrag Nr. 1/08, 1 (8). 330 Siehe nur Schaller, Kommunikationsüberwachung durch den BND, SWP-Studie S 7 (April 2016), 1 (19); Vitzthum, Extraterritoriale Grundrechtsgeltung – Zu Bedingungen nachrichtendienstlicher Auslandsaufklärung, FS Bothe (2008), 1213 (1217); a.A. Gusy, in: Schenke / Graulich / Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes (2014), BNDG § 1 Rn. 52. 331 Krieger, Die Reichweite der Grundrechtsbindung bei nachrichtendienstlichem Handeln, Berliner Online-Beiträge zum Völker- und Verfassungsrecht, Beitrag Nr. 1/08, 1 (6). 332 Krieger, Die Reichweite der Grundrechtsbindung bei nachrichtendienstlichem Handeln, Berliner Online-Beiträge zum Völker- und Verfassungsrecht, Beitrag Nr. 1/08, 1 (8 f.). 333 Gusy, in: Schenke / Graulich / Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes (2014), BNDG § 1 Rn. 52. 334 Gärditz, Die Rechtsbindung des Bundesnachrichtendienstes bei Auslandstätigkeiten, Die Verwaltung 48 2015, 463 (472). 329
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Teil 2: Schutz personenbezogener Daten bei der Auslandsaufklärung
Das BVerfG hatte sich in einer seiner wenigen Entscheidungen zur Auslandsaufklärung mit der strategischen Auslandsüberwachung des BND zu befassen. Das Urteil sieht die Reichweite von Art. 10 GG und infolgedessen die Grundrechtsbindung des BND grundsätzlich nicht als territorial begrenzt an. Das Gericht begründete dennoch die Grundrechtsgeltung im konkreten Fall damit, dass die technische Anlage, über die die Datenerhebung erfolgte, innerhalb Deutschlands belegen war, so dass jedenfalls eine ausreichende Verbindung zum Inland vorgelegen habe.335 Im Ergebnis wurde so zwar die Gebietsbezogenheit des Fernmeldegeheimnisses abgelehnt, seine Geltung im konkreten Fall jedoch gerade mit einer solchen Gebietsbezogenheit begründet.336 Aus dieser Aussage wird teilweise der Schluss gezogen, dass stets ein normatives Moment für die Inlandsverbindung vorliegen müsse.337 Menzel kann den Aussagen des BVerfG hingegen keine weitergehende Feststellung entnehmen, als die, dass jedenfalls bei einer territorialen Verbindung die Grundrechte anzuwenden sind. Ebenso wenig sei damit eine Aussage zugunsten der Anwendbarkeit gemacht. Die Aussage bleibe „apokryph“.338 Wie eine Konstellation zu beurteilen wäre, in der keine solche technische Verbindung zum Inland vorliegt, ist weiterhin offen.339 Sobald der BND Daten erhebt oder von anderen Stellen empfängt und diese auf seinen eigenen Servern, die sich innerhalb der Bundesrepublik befinden, speichert, kann als Konsequenz dieser Rechtsprechung jedoch von einer Grundrechtsbindung ausgegangen werden. Keine weitergehenden Aussagen diesbezüglich sind der jüngsten Rechtsprechung des BVerfG zur Übertragung von Daten nach dem Gesetz über das Bundeskriminalamt und die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in kriminalpolizeilichen Angelegenheiten (BKAG) an ausländische Stellen zu entnehmen. Das Urteil betont die Bindung des BKA an Menschen- und Grundrechte, wobei sich daraus resultierende konkrete Bedürfnisse nach angemessenem Schutz nicht einfach durch Verweis auf außen- und sicherheitspolitische Notwendigkeiten umgangen werden dürften.340 Diese Aussage bezieht sich jedoch lediglich auf Übermittlungen an ausländische 335
BVerfGE 100, 313 (363 f.); Menzel, Internationales Öffentliches Recht (2011), S. 591; Giegerich, Grund- und Menschenrechtsschutz im globalen Zeitalter: Neubewertung ihrer territorialen, personalen und internationalen Dimension in Deutschland, Europa und den USA, EuGRZ 2004, 758 (761). 336 Vitzthum, Extraterritoriale Grundrechtsgeltung – Zu Bedingungen nachrichtendienstlicher Auslandsaufklärung, FS Bothe (2008), 1213 (1214). 337 Gärditz, Die Rechtsbindung des Bundesnachrichtendienstes bei Auslandstätigkeiten, Die Verwaltung 48 2015, 463 (475). 338 Menzel, Internationales Öffentliches Recht (2011), S. 565. 339 Schaller, Kommunikationsüberwachung durch den BND, SWP-Studie S 7 (April 2016), 1 (19). Der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages legt die Äußerung tendenziell dahingehend aus, dass eine Geltung des Grundrechts auch in Auslandskonstellationen anzunehmen ist, Wissenschaftliche Dienste Deutscher Bundestag, Zur strategischen Ausland-AuslandFernmeldeüberwachung in Bezug auf Unionsbürger nach § 6 Abs. 3 Bundesnachrichtendienstgesetz-Entwurf, v. 06. 07. 2016, S. 11. 340 BVerfGE 141, 220 (342).
B. Fallkonstellation 2
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Nachrichtendienste vom Inland aus. Soweit der BND wie das BKA auch vom Inland aus handelt, sind die Aussagen grundsätzlich auf den BND übertragbar. Zur Datenerhebung enthält das Urteil jedoch keine weitergehenden Anhaltspunkte. b) Rechtsauffassung der Bundesregierung Die wegen fehlender Klarstellung durch die Rechtsprechung bestehenden Rechtsunsicherheiten nutzt die Bundesregierung in ihrem Sinne. Dem neuen Gesetzesentwurf zur Reform der Nachrichtendienste ist die dahinterstehende Rechtsauffassung zu entnehmen, dass die Grundrechte lediglich auf Sachverhalte mit Inlandsbezug anzuwenden und Regelungen bezüglich reiner Auslandssachverhalte deshalb nicht vom Vorbehalt des Gesetzes erfasst seien.341 Offenbar wurde diese Haltung dadurch, dass im BND-Reformgesetz, trotz Ermächtigungen zu Eingriffen in das Fernmeldegeheimnis, das Zitiergebot nicht erfüllt wird.342 So werden die §§ 6 und 7 des BND-Reformgesetzes nicht als Befugnisnormen, sondern lediglich als „erweiterte Aufgabenbeschreibungen“ bezeichnet.343 Auch an das BDSG fühlte sich die Bundesregierung nicht gebunden, wenn Daten im Ausland erhoben werden.344 Bereits im Verfahren zur G 10-Entscheidung vor dem BVerfG hatte die Bundesregierung vorgebracht, dass die Verfassungsbeschwerden unzulässig seien, da die Beschwerdeführer im Ausland lebten und/ oder nicht deutsche Staatsangehörige seien, „so daß der für den Grundrechtsschutz erforderliche territoriale Bezug des möglichen Eingriffs fehle“.345 Zur Begründetheit erläuterte die Bundesregierung, es müsse eine die Schutzbedürftigkeit begründende Gebietsbezogenheit vorliegen, da die Geltung des Grundgesetzes räumlich auf das deutsche Staatsgebiet beschränkt
341 Die Bundesregierung geht davon aus, dass weder die Grundrechte, noch das Artikel 10Gesetz auf die Auslandsüberwachung anwendbar sind, Aust, Stellungsnahme zur Sachverständigenanhörung am 05. 06. 2014 des 1. UA der 18. Wahlperiode des Deutschen Bundestags, Ziff. 82. 342 Vgl. Art. 19 Abs. 1 S. 2 i.V.m. Art. 10 Abs. 2 GG. Diese Vermutung wird auch vom Wissenschaftlichen Dienst des Bundestages geteilt, Wissenschaftliche Dienste Deutscher Bundestag, Zur strategischen Ausland-Ausland-Fernmeldeüberwachung in Bezug auf Unionsbürger nach § 6 Abs. 3 Bundesnachrichtendienstgesetz-Entwurf, v. 06. 07. 2016, S. 12. 343 Huber, Geheimdienst-Kontrolleur: Neues BND-Gesetz wird sich „als evident verfassungswidrig erweisen“, abrufbar unter https://netzpolitik.org/2016/geheimdienst-kontrolleurneues-bnd-gesetz-wird-sich-als-evident-verfassungswidrig-erweisen/ (zuletzt abgerufen am 21. 05. 2017). 344 BT-Drs. 17/6862 v. 26. 08. 2011, Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Ulla Jelpke, Christine Buchholz, Inge Höger, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 17/6744 – Biometrische Erfassung von Afghaninnen und Afghanen durch die Bundeswehr, Antwort zu Frage 1c. 345 BVerfGE 100, 313 (338); Krieger, Die Reichweite der Grundrechtsbindung bei nachrichtendienstlichem Handeln, Berliner Online-Beiträge zum Völker- und Verfassungsrecht, Beitrag Nr. 1/08, 1 (3).
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sei. Eine solche Gebietsbezogenheit könne auf der Gebietshoheit oder der Personalhoheit Deutschlands beruhen.346 c) Ergebnis Nach dem funktionalen Verständnis der Grundrechtsbindung aus Art. 1 Abs. 3 GG ist der BND grundsätzlich an die Grundrechte gebunden. Diese eindeutige Bindung endet jedoch, sobald die Tätigkeit des BND mit dem Ausland in Kontakt tritt. In der Konsequenz fehlender Rechtssicherheit hinsichtlich der Bindung des BND auch in Auslandssachverhalten wird es der Bundesregierung ermöglicht, sich in diesen Fällen als nicht an die Grundrechte gebunden zu betrachten. Die Forderung der Regierung nach einer gebietsbezogenen oder personellen Verknüpfung der Auslandsaufklärung mit dem Inland grenzt die Grundrechtsbindung ein und schafft Räume, in denen der BND ohne Bindung an die Grundrechte agieren kann. Da diese Rechtsauffassung unter Umständen nicht gerichtlich überprüft und korrigiert wird, grenzt sie den Umfang des Datenschutzes in einer Fallkonstellation wie der vorliegenden ein. 3. Umfangreiche Eingriffsmöglichkeiten Im Rahmen der Auslandsaufklärung durch den BND bestehen im Vergleich zum Grundkonzept Datenschutz umfangreiche Möglichkeiten, das Persönlichkeitsrecht bzw. das Recht auf informationelle Selbstbestimmung zu beeinträchtigen, ohne dass ein rechtlicher Rahmen einen Rechtfertigungsdruck auslösen würde. Diese Möglichkeiten ergeben sich zunächst daraus, dass die einfachgesetzlichen Ermächtigungsgrundlagen neue Anwendungsfelder der Datenerhebung nicht erfassen. Der Verwaltung bleibt so der Spielraum, diese nicht unter die bestehenden Regeln zu subsumieren (dazu Abschnitt a)). Außerdem differenzieren die Ermächtigungsgrundlagen in ihrer Schutzintensität nach der Staatsangehörigkeit der Betroffenen, was aus datenschutzrechtlicher Perspektive Bedenken aufwirft (dazu Abschnitt b)). Zuletzt wenden die Akteure überholte Rechtfertigungsmaßstäbe an, um die heute stattfindende Auslandsaufklärung zu rechtfertigen (dazu Abschnitt c)). a) Keine Erfassung von Metadaten vom Schutzbereich des Art. 10 GG Der Bereich Metadaten stellt ein neues Anwendungsfeld innerhalb des Datenschutzes dar. Metadaten sind solche Daten, die Informationen zu Aspekten anderer Daten enthalten, wie zum Beispiel Angaben zum Beginn und Ende der Telekommunikation, IP-Adressen, Zeitpunkt des Abrufs einer URL. Um diese Verbin346 BVerfGE 100, 313 (338 ff.), juris Rn. 94 ff.; Schaller, Kommunikationsüberwachung durch den BND, SWP-Studie S 7 (April 2016), 1 (19).
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dungsdaten einer bestimmten Person zuordnen zu können, bedarf es der Information des jeweiligen Telekommunikationsanbieters, wem die Telefonnummer gehört. Nur so kann der erforderliche Personenbezug des Metadatums hergestellt werden, damit es sich infolgedessen um ein personenbezogenes Datum im Sinne des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung handelt.347 Doch auch ohne diesen Personenbezug sind die Daten jedenfalls vom Schutzbereich des Art. 10 GG erfasst, der sich auf mittels der Fernmeldetechnik ausgetauschte Kommunikationsdaten bezieht.348 Art. 10 GG ist nicht auf die „kommunikative Privatsphäre“ beschränkt, so dass ein Personenbezug nicht im selben Maße erforderlich ist, wie im Rahmen des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung.349 Hinzu kommt, dass es lediglich eine Frage des praktischen Aufwands ist, den Personenbezug herzustellen. Es ist zu erwarten, dass die Nachrichtendienste bei entsprechendem Interesse alle technischen Möglichkeiten und Informanten nutzen, um den Bezug herzustellen.350 Bei dem dann gegebenen Personenbezug greift der Schutz der Grundrechte.351 Der BND lehnt es hingegen ab, Metadaten unter den Schutz des Art. 10 GG zu fassen. Insbesondere in Auslandskonstellationen stellt er auf ihren fehlenden Personenbezug ab. Anders als im Inland könne der Personenbezug von Metadaten nicht über die Befugnis zu Auskunftsersuchen hergestellt werden, da es an entsprechenden Befugnissen der deutschen Verwaltung im Ausland fehle.352 Infolgedessen hätten die Metadaten kein Bestimmbarkeitselement, mit dem ein Personenbezug hergestellt werden könnte.353 Als Konsequenz behandelt der BND einen wesentlichen Teil von Daten so, als bestünde für sie kein Grundrechtsschutz. Dies bedeutet, dass der Da-
347
Zur Relevanz von Metadaten für das Persönlichkeitsrecht siehe Gaycken, Sachverständigengutachten „IT-Infrastruktur“ NSA-Untersuchungsausschuss 19. 06. 2014, S. 4; Waidner, Stellungnahme zur Anhörung des NSA-Untersuchungsausschuss am 26. 06. 2014, S. 15. Für den Fall, dass Metadaten im Ausland erhoben wurden, siehe https://netzpolitik.org/2 014/live-blog-aus-dem-geheimdienst-untersuchungsausschuss-bnd-mitarbeiter-k-l-und-p-aufder-zeugebank/#zeuge1-frage1-linke (zuletzt abgerufen am 21. 05. 2017). 348 BVerfGE 100, 313 (358 f.). 349 Durner, in: Maunz / Dürig, 78. EL (2016), Art. 10 Rn. 41. 350 Bestimmtheit, bzw. Bestimmbarkeit der Person meint hier, dass die Person unter Heranziehung der Information direkt oder indirekt identifiziert werden kann. Siehe dazu oben in Abschnitt 4. 351 Im Ergebnis so auch Schwabenbauer, Heimliche Grundrechtseingriffe (2013), S. 160; Durner lehnt Individualisierbarkeit dann ab, wenn die Person bei der Telekommunikationsüberwachung anonym bleibt und setzt für die Anonymität voraus, dass die Individualisierbarkeit wegen technischer Unmöglichkeit oder aufgrund von rechtlichen Mechanismen verlässlich ausgeschlossen werden kann, Durner, in: Maunz / Dürig, GG 78. EL (2016), Art. 10 Rn. 122. 352 https://netzpolitik.org/2014/live-blog-aus-dem-geheimdienst-untersuchungsausschussbnd-mitarbeiter-k-l-und-p-auf-der-zeugebank/#zeuge1-frage1-linke (zuletzt abgerufen am 21. 05. 2017). 353 A.A. EuGH, Urteil v. 06. 12. 2016 – C-582/14, Rn. 49; EuGH, Urteil v. 24. 11. 2011 – C70/10, Rn. 51.
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Teil 2: Schutz personenbezogener Daten bei der Auslandsaufklärung
tenschutz hinsichtlich eines Teils der schützenswerten Daten schlicht nicht umgesetzt wird. b) Abstufungen in der Schutzintensität Das BND-Reformgesetz unterscheidet in seiner Schutzintensität zwischen deutschen Staatsangehörigen, EU-Bürgern und sonstigen Nationalitäten.354 Die Erhebung von Telekommunikationsdaten deutscher Staatsangehöriger, inländischer juristischer Personen und von sich im Bundesgebiet aufhaltenden Personen ist nach diesem Gesetz gänzlich untersagt.355 Bei EU-Ausländern wird eine Einschränkung hinsichtlich der zulässigen Suchbegriffe vorgenommen.356 Staatsangehörige anderer Nationen können vollumfänglich überwacht werden. Der Schutz von nichtdeutschen Staatsangehörigen im Ausland ist also im Vergleich zu dem Schutz der eigenen Staatsangehörigen außerhalb des eigenen Staatsgebiets am schwächsten ausgestaltet.357 Aus datenschutzrechtlicher Sicht ist dies bedenklich, weil sich viele der Tätigkeiten des BND auf Personen beziehen, die nichtdeutsche Staatsangehörige sind und sich außerhalb des deutschen Staatsgebiets befinden. Diese fehlende Konkretisierung der Befugnisse hinsichtlich nichtdeutscher Staatsangehöriger bzw. europäischer Staatsangehöriger wirkt sich tendenziell negativ auf den Datenschutz aus, da dem BND erhebliche Spielräume verbleiben, die Datenerhebung durchzuführen. Diese Spielräume werden womöglich nie gerichtlich überprüft. c) Anwendung überholter Rechtfertigungserwägungen Der ausschließlich auf die Auslandsaufklärung beschränkte Tätigkeitsbereich des BND rechtfertigt nach Ansicht des BVerfG eine weitergehende Befugnis in Bezug auf die Telekommunikationsüberwachung, als etwa der Polizei oder der Strafverfolgung im Inland zustehen.358 Je deutlicher der Bezug zur Aufgabenstellung des BND ist, desto eher bewertet das Gericht eine Einschränkung der Grundrechte als 354 Punkt 4, § 6 Abs. 3 f. BND-Reformgesetz; siehe zur Unterscheidung von In- und Ausländern in Nachrichtendienstgesetzten anderer Länder, insb. der „Five-Eyes“, Milanovic, Human Rights Treaties and Foreign Surveillance: Privacy in the Digital Age, Harv. Intl. Law J., Vol. 56 No. 1 (2015), 81 (88). 355 Punkt 4, § 6 Abs. 4 BND-Reformgesetz. 356 Punkt 4, § 6 Abs. 3 BND-Reformgesetz. 357 Menzel, Internationales Öffentliches Recht (2011), S. 593; Giegerich, Grund- und Menschenrechtsschutz im globalen Zeitalter: Neubewertung ihrer territorialen, personalen und internationalen Dimension in Deutschland, Europa und den USA, EuGRZ 2004, 758 (761); VG Köln, Urteil v. 27. 05. 2015 – 3 K 5625/ 14, juris Rn. 72. 358 BVerfGE 100, 313 (383); im Spanier-Beschluss wurde offengelassen, auf welche Weise die Modifikationen zu erfolgen haben BVerfGE 31, 58 (76). Diese Wertungen sind angesichts der geänderten Anwendungsumstände nicht mehr zeitgemäß, siehe dazu unten in Abschnitt c).
B. Fallkonstellation 2
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verhältnismäßig.359 Datenerhebungen der Nachrichtendienste greifen nach Ansicht des BVerfG umso weniger in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ein, je spezifischer sie sich auf ein bestimmtes Individuum beziehen. Anders herum bedeutet dies, je umfangreicher und pauschaler die Datenverwendung ausgeführt wird, desto schwerer wiegt der Eingriff.360 Nichtsdestotrotz kann eine solche Erhebung im Rahmen der Auslandsaufklärung „zur Früherkennung bestimmter aus dem Ausland drohender schwerer Gefahren für die Bundesrepublik Deutschland“ gerechtfertigt sein.361 Die Auslandsüberwachung des BND wurde in der G 10-Entscheidung unter anderem deshalb als verhältnismäßig gewertet, weil die Anzahl der potenziell erfassten Telekommunikationsverbindungen relativ niedrig war.362 Das BVerfG stellte damals außerdem in seine Prüfung ein, dass keine gezielten Überwachungen durch den BND erlaubt waren.363 Zuletzt wurden die weitreichenden Befugnisse des BND als verhältnismäßig bewertet. Die weite Formulierung sei notwendig, um den vielgestaltigen Gefahrenlagen innerhalb der Außen- und Sicherheitspolitik begegnen zu können. Dass diese weite, mitunter vage, Formulierung nicht den Anforderungen des Bestimmtheitsgrundsatzes genügt, war bislang nach Ansicht des BVerfG unschädlich, da sich jedenfalls aus dem Aufklärungsziel eine ausreichende Beschränkung der Befugnisse ergebe.364 So könnten die Befugnisse zwar nicht „detailscharf ausgestaltet“ werden, der BND dürfe aber nur politische Informationen sammeln und nicht solche Informationen, die auf eine Gefahrenabwehr im polizeirechtlichen Sinne zielen.365 Diese im G 10-Urteil zugrunde gelegten Erwägungen hinsichtlich der Art und Weise der Auslandsaufklärung dürften als mittlerweile veraltet gelten, da sich die Arbeitsweise der Nachrichtendienste seit diesem Urteil wesentlich verändert hat. Die Datenerhebung findet zum einen sowohl im Inland als auch im Ausland statt.366 Die Anzahl der überwachten Verbindungen ist mittlerweile sehr hoch.367 Durch die Fortentwicklung technischer Möglichkeiten vergrößern sich auch die „Möglichkeiten der Dokumentation und Manipulation“.368 Auch wenn die Erstellung individueller Profile grundsätzlich nicht die Aufgabe des BND ist, sich dessen Arbeit 359
BVerfGE 100, 313 (385 f.). BVerfGE 100, 313 (375). 361 BVerfGE 100, 313 (314); 67, 157 (179 f.). 362 BVerfGE 100, 313 (384). 363 BVerfGE 100, 313 (384); siehe auch BVerfGE 67, 157 (180). 364 BVerfGE 100, 313 (383); BVerfGE 133, 277 (326). 365 BVerfGE 133, 277 (326). 366 Ausführlich zu den geänderten Umständen unten Teil 3 A. I. 367 Zur Veränderung der Lage gegenüber der Situation im Zeitpunkt des Urteils siehe Papier, Öffentliche Anhörung Sachverständiger Papier / Hoffmann-Riem / Bäcker im NSA-Untersuchungsausschuss v. 22. 05. 2014, S. 45. 368 Perrey, Gefahrenabwehr und Internet (2003), S. 197 ff.; siehe zur Anzahl der Telekommunikationsüberwachung und deren Erfolg Gusy / Backes, Wer kontrolliert die Telefonüberwachung? (2003). 360
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Teil 2: Schutz personenbezogener Daten bei der Auslandsaufklärung
vielmehr auf die generelle Informationslage bezieht, ist es dem BND nicht verwehrt, gezielt personenbezogene Daten von bestimmten Personen zu erheben.369 Es ist auch innerhalb der strategischen Überwachung möglich, bestimmte Telekommunikationsanschlüsse gezielt zu erfassen.370 Das BND-Reformgesetz weitet die Befugnisse des BND außerdem auch auf die innere Sicherheit aus.371 Die Aufgabenstellung beschränkt sich nicht mehr auf die reine Auslandsaufklärung, wodurch ein wichtiger Pfeiler der Angemessenheitswertung von 1999 entfällt. Denn nun werden die weitreichenden Befugnisse nicht länger über ein eng definiertes Aufklärungsziel (damals die Auslandsaufklärung) begrenzt. Die unbestimmten Ermächtigungen, Eingriffe vorzunehmen, können sowohl hinsichtlich des Inlands als auch hinsichtlich des Auslands genutzt werden. Als Konsequenz dessen, dass die mittlerweile überholten Rechtfertigungsmaßstäbe aus dem G 10-Urteil des BVerfG im Rahmen der Auslandsaufklärung durch den BND weiterhin herangezogen werden, bleiben Varianten der Datenerhebung innerhalb der Verhältnismäßigkeitserwägungen unberücksichtigt, die sich in den letzten Jahren entwickelt haben.372 Dies wirkt sich negativ auf den Umfang des Grundrechtsschutzes aus. Daneben bringt die Literatur vor, dass die Gewährleistungsmöglichkeiten durch den BND im Ausland erheblich eingeschränkt seien. Viele seiner Handlungen seien nach dem jeweiligen nationalen Recht anderer Staaten strafbar und er könne seine Handlungen deshalb ausschließlich im Geheimen ausführen. Dies schränke auch seine Möglichkeiten ein, Grundrechtsschutz zu gewährleisten. Deshalb und aufgrund der Strafbarkeit seiner Handlungen im Ausland stellt Krieger verminderte Anforderungen an die Gewährleistung des Grundrechtsschutzes.373 d) Ergebnis Die fehlende Erfassung von Metadaten im Schutzbereich, der personell beschränkte Anwendungsbereich der einfachen Gesetze, sowie die Heranziehung überholter Rechtfertigungsgründe in Bezug auf Datenerhebungen mit Auslandsbezug senken die Schutzgewährleistung herab. Die Übergänge zwischen In- und Ausland und zwischen Auslandsaufklärung und der Aufklärung bezüglich inner369 § 6 BND-Reformgesetz; vgl. dazu auch Vitzthum, Extraterritoriale Grundrechtsgeltung – Zu Bedingungen nachrichtendienstlicher Auslandsaufklärung, FS Bothe (2008), 1213 (1223). 370 Dies könnte beispielsweise durch die Einstellung bestimmter Telekommunikationsdaten wie Ruf- oder Telefaxnummern und E-Mail-Adressen geschehen, vgl. auch Huber, in: Schenke / Graulich / Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes (2014), Artikel 10-Gesetz § 5 Rn. 46. 371 § 6 Abs. 1 Nr. 1 BND-Reformgesetz. 372 So aber Vitzthum, Extraterritoriale Grundrechtsgeltung – Zu Bedingungen nachrichtendienstlicher Auslandsaufklärung, FS Bothe (2008), 1213 (1224). 373 Krieger, Die Reichweite der Grundrechtsbindung bei nachrichtendienstlichem Handeln, Berliner Online-Beiträge zum Völker- und Verfassungsrecht, Beitrag Nr. 1/08, 1 (9).
B. Fallkonstellation 2
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staatlicher Gefährdungen sind jedoch fließend. Eine klare Abgrenzung von außenund innenpolitischen Sachverhalten gestaltet sich als beinahe unmöglich.374 Insofern bestehen für viele potenzielle Anwendungsfälle Rechtsunsicherheiten hinsichtlich des Schutzumfangs. Die Differenzierung des BND-Reformgesetzes zwischen deutschen Staatsbürgern, EU-Ausländern und sonstigen Ausländern steht in Konflikt mit dem grund- und menschenrechtlichen Diskriminierungsverbot.375 Eine solche Unterscheidung ist nur dann nicht verboten, wenn sie durch einen besonders gewichtigen Rechtfertigungsgrund sachlich gerechtfertigt werden kann, ein legitimes Ziel besteht und die Differenzierung in einem angemessenen Verhältnis zur Zielerreichung steht.376 Bei 374 Wolfrum, Kontrolle der auswärtigen Gewalt, Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer Heft 56 (1997), 39 (43); teilweise wird sogar die These der Ununterscheidbarkeit von Außen- und Innenpolitik vertreten, Hailbronner, Kontrolle der auswärtigen Gewalt, Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer Heft 56 (1997), 8 (9 dort Fn. 10). 375 Aus Art. 1 EMRK ergibt sich, dass die Staatsangehörigkeit einer natürlichen Person für die Anwendbarkeitsfrage irrelevant ist, da die Konvention „allen“ die Rechte und Freiheiten zusichert. Die „zentrale Idee“ der universellen Menschenrechte liegt in der „internationalen Definition individueller Freiheit“ gegenüber staatlichen Bereichen, Röben, in: Dörr / Grote / Marauhn, EMRK/GG (2013), Kap. 5, Rn. 23; Jarass, EU-GRCh, 2. Aufl. (2013), Art. 8 Rn. 7. Art. 14 EMRK komplettiert die Rechte und Pflichten der EMRK durch das Verbot einer diskriminierenden Unterscheidung, unter anderem wegen der nationalen Herkunft. Art. 14 EMRK schließt Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit aus, Röben, in: Dörr / Grote / Marauhn, EMRK/GG (2013), Kap. 5, Rn. 23. Auch die GRCh der EU soll grundsätzlich allen natürlichen Personen Rechte vermitteln, ohne Einschränkung auf die Unionsbürgerschaft, Röben, in: Dörr / Grote / Marauhn, EMRK/GG (2013), Kap. 5, Rn. 62. Eine solche Differenzierung kann eine versteckte Rassendiskriminierung darstellen, UN-Ausschuss gegen Rassendiskriminierung, (Habassi ./. Dänemark), Mitteilung Nr. 10/1997, CERD/C/390, S. 22; Giegerich, Grund- und Menschenrechte im globalen Zeitalter: Neubewertung ihrer territorialen, personalen und internationalen Dimensionen in Deutschland, Europa und den USA, 758 (772). Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG verbietet zwar ebenfalls nicht ausdrücklich die Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit. Genauso wie Art. 1 Abs. 2 International Convention on the Elimination of All Forms of Racial Discrimination (CERD) vom 04. 01. 1969 nicht auf die Differenzierung aufgrund der Staatsangehörigkeit Anwendung findet; Giegerich, Grund- und Menschenrechte im globalen Zeitalter: Neubewertung ihrer territorialen, personalen und internationalen Dimensionen in Deutschland, Europa und den USA, 758 (772). Zur Möglichkeit zwischen Staatsangehörigen und Nicht-Staatsangehörigen zu unterscheiden Venedig-Kommission, Report on the democratic oversight of the security services and report on the democratic oversight of signals intelligence agencies, Rn. 54, 76; Unterscheidung zwischen Ausländern und Nicht-Ausländern widerspricht dem Diskriminierungsverbot des IPbpR, Omtzigt, Council of Europe, Committee on Legal Affairs and Human Rights: Report on Mass Surveillance, v. 26. 01. 2015, Rn. C 96; zur Frage der Nationalität in der Entscheidung UNHRC (Sergio Euben Lopez Burgos ./. Uruguay), Communication No. R.12/52, U.N. Doc. Supp. No. 40 (A/36/40) at 176 (1981) siehe King, The Extraterritorial Human Rights Obligations of States, Human Rights Law Review 94 (2009), 521 (525). 376 EGMR (Schalk und Kopf ./. Österreich), Urteil v. 24. 06. 2010 – 301414/04, §§ 95 f.; EGMR (Gaygusuz ./. Österreich), Urteil v. 16. 09. 1996 – 17371/90, § 42; Meyer-Ladewig, in: Meyer-Ladewig, EMRK 3. Aufl. (2011), Art. 14 EMRK Rn. 29. Bei der Differenzierung nach
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Teil 2: Schutz personenbezogener Daten bei der Auslandsaufklärung
der Differenzierung aufgrund der Staatsangehörigkeit tendiert die Rechtsprechung in den letzten Jahren dazu, eine strenge Prüfung anzulegen.377 Im Rahmen der Auslandsaufklärung ist allerdings zu bedenken, dass den staatlichen Akteuren eine weite Einschätzungsprärogative zusteht.378 Da nicht ersichtlich ist, dass sich diese Prärogative auf die Exekutive beschränken würde, bezieht sie sich auch auf die Legislative und grundsätzlich auch auf den Maßstab, anhand dessen die Rechtfertigung einer Benachteiligung von nichtdeutschen Staatsangehörigen (im Ausland) in einem Gesetz zu messen ist. Ausgehend von dieser Einschätzungsprärogative könnte angedacht werden, dass die Entscheidung des Gesetzgebers eine derartige Differenzierung vorzunehmen, trotz der Anknüpfung an ein personenbezogenes Merkmal lediglich der Willkürkontrolle unterliegt. Als Ausnahme des grundsätzlich voll überprüfbaren staatlichen Handelns durch das BVerfG ist die Einschätzungsprärogative indes in engem Rahmen anzuwenden. Sie mag in solchen Situationen sinnvoll und notwendig sein, in denen die Exekutive Personengruppen gilt eine strenge Bindung an den allgemeinen Gleichheitssatz. „Diese Bindung ist um so enger, je mehr sich die personenbezogenen Merkmale den in Art. 3 Abs. 3 GG genannten annähern und je größer deshalb die Gefahr ist, daß eine an sie anknüpfende Ungleichbehandlung zur Diskriminierung einer Minderheit führt“, BVerfG, Beschluss v. 26. 01. 1993 – 1 BvL 38/92 = NJW 1993, 1517. Giegerich, Grund- und Menschenrechte im globalen Zeitalter: Neubewertung ihrer territorialen, personalen und internationalen Dimensionen in Deutschland, Europa und den USA, 758 (773). 377 Kischel, in: Epping / Hillgruber, GG (2. Aufl. 2013), Art. 3 Rn. 133; siehe dazu nur BVerfGE 111, 160 (171 ff.); BVerfGE 130, 240 (254 ff.). Die Grundrechte differenzieren aus Gründen der Staatsangehörigkeit vielmehr bereits selbst dadurch, dass einige Deutschengrundrechte, andere sog. Jedermanns-Grundrechte sind, vgl. bspw. BVerfG, Beschluss v. 9. 7. 2009 – 2 BvR 1119/05 u. a. = NJW 2009, 3712 = NVwZ 2009, 1281; dazu Sachs, Anmerkungen zu BVerfG, Beschluss vom 9. 7. 2009, JuS 2010, 185 (185); EGMR (Gaygusuz ./. Österreich), Urteil v. 16. 09. 1996 – 17371/90, § 41 f. Wenn also ein Jedermann-Grundrecht den Schutz vermittelt, so soll gerade keine Beschränkung auf deutsche Staatsbürger stattfinden, Röben, in: Dörr / Grote / Marauhn, EMRK/GG (2013), Kap. 5, Rn. 53. Das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung und das Fernmeldegeheimnis sind solche Jedermanns-Grundrechte, Jarass, in: Jarass / Pieroth, GG, 14. Aufl. (2016), Art. 2 Rn. 51; Jarass, in: Jarass / Pieroth, GG, 14. Aufl. (2016), Art. 10 Rn. 10. Danach kann sich jede natürliche Person auf die Grundrechte aus Art. 10 GG und Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG berufen, ebenso wie inländische juristische Personen, soweit die Voraussetzungen des Art. 19 Abs. 3 GG vorliegen. Die Grundrechte gelten auch für juristische Personen aus den EU-Mitgliedstaaten, BVerfGE 129, 78 (78). Nicht grundrechtsberechtigt sind sonstige ausländische juristische Personen, Art. 19 Abs. 3 GG. Schwierig kann die Zuordnung einer Handlung zu einer natürlichen Person und einer ausländischen juristischen Person sein, wenn ein Mitarbeiter einer solchen ausländischen juristischen Person handelt. Mit dem Prinzip des effektiven Grundrechtsschutz ist eine generelle Versagung des Schutzes für solche Personen und in solchen Konstellationen nicht vereinbar, siehe dazu auch Schaller, Kommunikationsüberwachung durch den BND, SWP-Studie S 7 (April 2016), 1 (18). 378 EGMR (S. und Marper./. Großbritannien), Urteil v. 04. 12. 2008 – 30562/04 u. a., § 102; EGMR (Roman Zakharov ./. Russia), Urteil v. 04. 12. 2015 – 47143/06, § 232; BVerfGE 55, 349 (365); BVerfGE 68, 1 (97); BVerfG, Nichtannahmebeschluss v. 13. 08. 2013 – 2 BvR 2660/06 u. a. = EuGRZ 2013, 563 = juris Rn. 54.
B. Fallkonstellation 2
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in Abstimmung mit ausländischen Partnern Entscheidungen in kurzer Zeit treffen muss oder bei denen Kompromisse unumgänglich sind. Betrifft die fragliche Entscheidung jedoch ausschließlich Handlungen der deutschen Staatsgewalt, deren Regelung ohne zeitlichen oder kooperativen Druck möglich ist, erscheint eine Zurücknahme der Kontrolldichte weniger zwingend bis überflüssig. Die Auslandsaufklärung durch deutsche öffentliche Stellen vom Inland aus muss im Ausgangspunkt nicht mit ausländischen Partnern abgesprochen werden. Auch führt die Beachtung der grundlegenden datenschutzrechtlichen Regeln nicht dazu, dass die Auslandsüberwachung unmöglich würde. Es besteht keine Notwendigkeit, die Kontrolldichte in Bezug auf das BND-Reformgesetz auf eine bloße Willkürkontrolle zu beschränken. Eine Besserstellung deutscher Staatsangehöriger und damit eine Reduzierung auf eine bloße Willkürkontrolle ist im Zusammenhang mit nichtdeutschen Staatsangehörigen außerdem vom Grundgesetz selbst bereits abschließend entschieden worden, indem es zwischen Deutschen- und Jedermann Grundrechten differenziert.379 Im Übrigen wären selbst bei einer Willkürkontrolle Bedenken gegen die Regeln angebracht. Wenn das Ziel der Auslandsaufklärung darin besteht, die nationale Sicherheit zu erhalten, lässt sich die Schlechterstellung von Ausländern per se kaum rechtfertigen. Ausländer sind nicht generell gefährlicher für die Sicherheit als die eigenen Staatsbürger.380 Ihre personenbezogenen Daten sind auch nicht per se weniger schutzwürdig.381 Die Unterscheidung zwischen EU-Ausländern und anderen Ausländern lässt zusätzlich außer Betracht, dass die Bundeswehr in derzeit in ca. 20 Auslandseinsätzen weit mehr Hoheitsgewalt ausübt als in jedem anderen EU-Land und der BND in zahlreichen Kooperationen mit anderen Nachrichtendiensten steht.382 Dies ist hier deshalb relevant, weil ein Großteil der BND-Arbeit auf den Schutz der Bundeswehr im Ausland gerichtet ist. Die Differenzierung zwischen den unterschiedlichen Staatsangehörigkeiten ist nach alledem unverhältnismäßig.
379
Vgl. dazu Kischel, in: Epping / Hillgruber, GG (2. Aufl. 2013), Art. 3 Rn. 133. Vgl. Milanovic, Human Rights Treaties and Foreign Surveillance: Privacy in the Digital Age, Harv. Intl. Law J., Vol. 56 No. 1 (2015), 81 (99). 381 Deshalb kommt auch Huber zu dem Ergebnis, dass § 5 Abs. 2 S. 3 G-10 verfassungswidrig ist, Huber, in: Schenke / Graulich / Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes (2014), Artikel 10-Gesetz § 5 Rn. 44, 46. 382 So auch im Ergebnis Krieger: Wenn die verfassungsrechtliche und völkerrechtliche Verantwortlichkeit im Sinne des gemäßigten Dualismus zu trennen sind, und dadurch den deutschen Bürgern auch bei der völkerrechtswidigen Ausdehnung seiner Rechtsordnung zum umfassenden Schutz verpflichtet ist, so scheint es Krieger unangemssen, diesen Schutz nicht auch Ausländern zugute kommen zu lassen, Krieger, Die Reichweite der Grundrechtsbindung bei nachrichtendienstlichem Handeln, Berliner Online-Beiträge zum Völker- und Verfassungsrecht, Beitrag Nr. 1/08, 1 (5). 380
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Teil 2: Schutz personenbezogener Daten bei der Auslandsaufklärung
C. Fallkonstellation 3: Verwendung personenbezogener Daten im Inland zur Auslandsaufklärung Verwenden Bundeswehrsoldaten personenbezogene Daten innerhalb der Bundesrepublik, kann dies im Rahmen ihrer Tätigkeit beim BND oder regulär bei der Bundeswehr geschehen.383 Der Handlungsort ist bei der Verarbeitung personenbezogener Daten im Inland derselbe wie bei der Erhebung der Daten im Inland. Insbesondere die Rechtsprechung des EGMR in Weber u. Savaria und Liberty sowie die G 10-Entscheidung des BVerfG beziehen sich sowohl auf die Datenerhebung als auch auf die Datenverarbeitung.384 Für die Anwendung der Menschen- und Grundrechte ergeben sich deshalb keine Unterschiede.385 Insofern wird auf die Ausführen dort verwiesen. Im Rahmen der Auslandsaufklärung bestehen verstärkte Anreize, Datenübermittlungen durchzuführen. So beruht nicht nur die Zusammenarbeit zwischen den Nachrichtendiensten verschiedener Staaten auf einem gegenseitigen Datenaustausch. Auch die Bundestagsmandate, die den Einsatz der Bundeswehr anordnen, enthalten Anweisungen dazu, dass die Soldaten alle Datenverwendungen durchführen sollen, die erforderlich sind, um das Ziel des Einsatzes zu erreichen. Gestützt wird diese Anweisung auf in den Resolutionen des UN-Sicherheitsrats enthaltene Klauseln, „alle erforderlichen Maßnahmen“ durchzuführen.386 Der NATO-Truppenvertrag von 1954 legt außerdem die Zusammenarbeit und damit auch den Austausch von personenbezogenen Daten zwischen deutschen Behörden und den stationierten alliierten Streitkräften fest.387 Art. 3 Abs. 3a des Zusatzabkommens zu 383
Bundeswehrsoldaten leisten im Rahmen von Datenauswertungen für den BND Übersetzungsarbeiten u. ä., http://www.zeit.de/politik/deutschland/2015 - 03/bnd-bundeswehr-datenueberwachung (zuletzt abgerufen am 21. 05. 2017). 384 EGMR (Weber u. Saravia ./. Deutschland), Entscheidung v. 29.06. 2006 – 54934/00, § 76; EGMR (Liberty ./. Großbritannien), Urteil v. 01. 07. 2008 – 58243/00, §§ 5, 57; BVerfGE 100, 313 (363). 385 Wenn Autoren wie Schaller daraufhinweisen, dass die Menschen- und Grundrechte jedenfalls dann anwendbar sind, wenn die Daten im Inland verarbeitet werden, verweist er damit auf den Unterschied der Datenerhebung im Ausland zur Datenverwendung im Inland. Nicht engesprochen wird dabei die Unterscheidung zwischen der Datenerhebung und der Datenverwendung, die beide im Inland ausgeführt werden, vgl. dazu Schaller, Detaillierte Regeln für die Auslandsüberwachung, SWP-Aktuell 66 (Oktober 2016), S. 10. 386 BT-Drs. 17/6862, v. 26. 08. 2011, Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Ulla Jelpke, Christine Buchholz, Inge Höger, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 17/6744 – Biometrische Erfassung von Afghaninnen und Afghanen durch die Bundeswehr, S. 3 ff.; BT-Drs. 18/ 4769 v. 29. 04. 2015, S. 2; BT-Drs. 18/ 8878 v. 22. 06. 2016, Antrag der Bundesregierung Fortsetzung und Erweiterung der Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an EUNAVFOR MED Operation SOPHIA, S. 2. 387 Vertrag über die Rechte und Pflichten ausländischer Streitkräfte und ihrer Mitglieder in der Bundesrepublik Deutschland, BGBl. 1954 II, S. 78.
C. Fallkonstellation 3
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dem Abkommen zwischen den Parteien des Nordatlantikvertrages über die Rechtsstellung von Truppen (NATO-Zusatzabkommen) enthält eine generelle Anweisung, alle personenbezogenen Daten unter den Verbündeten auszutauschen, die für die Sicherheit der Truppen relevant sind.388 Auch bei der Stationierung von Awacs-Aufklärungsflugzeugen durch die Nato in der Türkei seit Oktober 2016 steht die Weitergabe der erhobenen Daten von den deutschen Soldaten an die Anti-ISMission „Counter Daesh“ im Zentrum des Einsatzes.389
I. Thesen bezüglich der Fallkonstellation 3 In dieser Fallkonstellation stehen der Zweckbindungsgrundsatz und die Kontrollmöglichkeiten der Verwaltung im Zentrum der Betrachtung. Zweckbindung. Die Zweckbindung der Datenverwendung gehört zu den wichtigsten datenschutzrechtlichen Grundsätzen. Durch die Erweiterung des Aufgabenbereichs des BND und der daran anknüpfenden weiten Formulierung der Zwecke vermag der Grundsatz der Zweckbindung nicht mehr seine, die weiten Befugnisse ausgleichende, Wirkung zu vermitteln. Die bestehenden Regeln vermitteln lediglich eine formelle Zweckbindung, die die grund- und menschenrechtlich geforderte materielle Zweckbindung nicht vermitteln können und deshalb gegen die Verfassung verstoßen. Daraus lässt sich folgende These ableiten: These 1: Bei der Datenverwendung, insbesondere der Übermittlung von personenbezogenen Daten im Rahmen der Auslandsaufklärung, kann der Zweckbindungsgrundsatz aufgrund der tatsächlichen Anwendungsgegebenheiten mitunter keine Wirkung entfalten. Steuerungsfunktion des Rechts. Neben diesen Aspekten hinsichtlich der Zweckbindung erleidet der Schutzumfang in dieser Fallkonstellation empfindliche Einbußen durch fehlende Kontrollmöglichkeiten des verwaltungsrechtlichen Handelns. Diese fehlenden Möglichkeiten sowie die begrenzte Überprüfbarkeit der Einschätzungsspielräume ist deshalb von Bedeutung für das Schutzniveau, weil die Verfassungsmäßigkeit der nachrichtendienstlichen Tätigkeit wesentlich von der Möglichkeit nachträglicher Kontrolle abhängt.
388 Zusatzabkommens zu dem Abkommen zwischen den Parteien des Nordatlantikvertrages über die Rechtsstellung von Truppen, BGBl. 1961 II, S. 1218; dieses Abkommen findet auch, entgegen teilweise anderslautenden Vermutungen, weiterhin Anwendung, BT-Drs. 17/14560 v. 14. 08. 2013, Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion der SPD – Drucksache 17/14456 – Abhörprogramme der USA und Umfang der Kooperation der deutschen Nachrichtendienste mit den US-Nachrichtendiensten, Antwort zu Frage 18; Abkommen zwischen den Parteien des Nordatlantikvertrags über die Rechtstellung ihrer Truppen vom 3. August 1959, BGBl. 1961 II, S. 1183. 389 http://www.zeit.de/politik/deutschland/2016 - 09/nato-einsatz-bundeswehr-tuerkei-flug zeuge (zuletzt abgerufen am 21. 05. 2017).
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Teil 2: Schutz personenbezogener Daten bei der Auslandsaufklärung
These 2: Aufgrund der Handlungs- und Entscheidungsspielräume kann das Recht seine Steuerungsfunktion nur in sehr begrenztem Maße erfüllen.
II. Kein Schutz durch Zweckbindung oder durch nachträgliche Kontrolle der Auslandsaufklärung Der Schutzumfang wird dadurch beeinflusst, dass eine einfachgesetzliche Ausgestaltung der Befugnisse fehlt (dazu Abschnitt 1.), der Zweckbindungsgrundsatz, der wesentlicher Bestandteil des Grundkonzepts Datenschutzes ist, leerläuft (dazu Abschnitt 2.) und es innerhalb der Auslandsaufklärung an der Umsetzung eines weiteren Bausteins des Grundkonzepts fehlt – der effektiven Kontrolle (dazu Abschnitt 3.). 1. Fehlende einfachgesetzliche Ausgestaltung der Befugnisse Werden die Bundeswehrsoldaten im Rahmen für den BND tätig, sind das BNDGReformgesetz sowie das Artikel 10-Gesetz als speziellere Gesetze zu beachten. Gärditz legt die Bezugnahme des § 1 Abs. 2 S. 2 BNDG auf den Geltungsbereich des BNDG als territoriale Beschränkung des gesetzlichen Anwendungsbereichs aus. Er argumentiert dabei, dass der Vorbehalt des Gesetzes in Auslandsfällen, in denen der Handlungsort im Ausland liegt und ein nichtdeutscher Staatsbürger betroffen ist, nicht einschlägig sei.390 Genauso sieht dies die BND-Leitungsebene, der zufolge das BNDG nicht auf Auslandsaufklärung anwendbar sei.391 Sie begründet, dass bei Daten, die über Satelliten übertragen werden, die Datenerhebung am Satelliten im Weltraum erfolge. Das BNDG finde im Weltraum jedoch keine Anwendung (sog. „Weltraumtheorie“).392 Ebenso finde das BNDG keine Anwendung auf TransitKabelverbindungen, da eine Datenerfassung nur am Ein- oder Ausgangspunkt erfolge. Deshalb seien die Kabel, selbst wenn sie innerhalb der Bundesrepublik verlaufen, Teil des „virtuellen Auslands“, auf die das BNDG nicht anwendbar sei.393 Weitere Anhaltspunkte zur Reichweite des Anwendungsbereichs werden aus § 5 Artikel 10-Gesetz gezogen, der nur die strategische Überwachung von Verbindungen betrifft, bei denen ein Telekommunikationsanschluss im Inland liegt. Reine Auslandskonstellationen, d. h. Situationen, in denen sich beide Telekommunikationsanschlüsse im Ausland befinden, sind nicht ausdrücklich genannt. Die derzeitige 390 Gärditz, Die Rechtsbindung des Bundesnachrichtendienstes bei Auslandstätigkeiten, Die Verwaltung 48 2015, 463 (487). 391 ZD-Aktuell 2014, 04356. 392 Graulich, Nachrichtendienstliche Fernmeldeaufklärung mit Selektoren in einer transnationalen Kooperation, NSA-Untersuchungsausschuss, 23. 10. 2015, S. 62. 393 Vgl. Datenschutzbeauftragte des BND Frau RDn Dr. H. F. Anhörung im NSA Untersuchungsausschuss, 12. 05. 2015, S. 39.
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Verwaltungspraxis legt die fehlende Nennung dieser Fallgruppe in dem Sinne aus, dass für diese Fälle keine Beschränkung der Datenerhebung bestehe.394 Das bis 2016 geltende BNDG sowie das Artikel 10-Gesetz selbst enthalten bislang keine ausdrücklichen Aussagen zu ihrem räumlichen Anwendungsbereich.395 Das seit 2016 geltende BND-Reformgesetz schließt eine Lücke des Artikel 10Gesetzes hinsichtlich Datenerhebungen und -verarbeitungen, die vom Inland aus vorgenommen werden. Datenvorgänge, deren Handlungs- und Erfolgsort im Ausland belegen ist, werden indes weiterhin nicht erfasst.396 Nach der bisherigen Gesetzeslage konnte die Reichweite des BNDG im besten Fall nur generell infrage gestellt werden.397 Seit dem BND-Reformgesetz bestehen hingegen erhebliche konkrete Zweifel an dessen Auslandsgeltung. Diese resultieren aus der pauschalen Abgrenzung von im Inland stattfindender Auslandsüberwachung und im Ausland stattfindender Überwachung. Das BND-Reformgesetz stellt klar, dass es für Auslandssachverhalte („Erhebung von (…) Daten aus internationalen Telekommunikationsnetzen“) gilt – solange die Erhebung vom Inland aus stattfindet.398 Erfolgt die Erhebung im Ausland, dann dürfte nun e contrario überhaupt keine gesetzliche Grundlage anzuwenden sein.399 Die fehlende einfachgesetzliche Konkretisierung der grund- und menschenrechtlichen Vorgaben hat zur Folge, dass der Verwaltung erhebliche Konkretisierungsspielräume zustehen. Dies wirkt sich negativ auf den Schutzumfang aus, da diese Spielräume womöglich nie gerichtlich überprüft werden. Der extraterritoriale Schutz durch deutsches einfaches Recht ist deshalb kaum gegeben. Da die Grundrechte nach Ansicht des BVerfG und dem Großteil der Literatur grundsätzlich auch im Ausland Anwendung finden, bedarf es für sämtliche Tätigkeiten im Rahmen der Auslandsaufklärung einer Ermächtigungsgrundlage. Das BND-Reformgesetz beschränkt sich hingegen darauf, Datenerhebungen zu regeln, die vom Inland aus durchgeführt werden. Datenerhebungen im Ausland werden nicht 394
Papier, Beschränkung der Telekommunikationsfreiheit durch den BND an Datenaustauschpunkten, NZVerwR 15 (2016), 1 (2). 395 Bäcker, Stellungnahme zur Anhörung des NSA-Untersuchungsausschuss, 22. 05. 2014, S. 22. 396 Zur Erforderlichkeit einer gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage siehe Papier, Beschränkung der Telekommunikationsfreiheit durch den BND an Datenaustauschpunkten, NZVerwR 15 (2016), 1 (12). 397 Schaller, Kommunikationsüberwachung durch den BND, SWP-Studie S 7 (April 2016), 1 (32). 398 Punkt 4, § 6 Abs. 1 S. 1 BND-Reformgesetz. 399 Der Verweise des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags darauf, dass die Praxis ausschließlich Auslandsverbindungen überwache, ändern nichts an den grundsätzlichen Möglichkeiten zu Eingriffen auch deutscher oder europäischer Staatsbürger, siehe dazu Wissenschaftliche Dienste Deutscher Bundestag, Zur strategischen Ausland-Ausland-Fernmeldeüberwachung in Bezug auf Unionsbürger nach § 6 Abs. 3 BundesnachrichtendienstgesetzEntwurf, v. 06. 07. 2016, S. 5.
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vom Anwendungsbereich erfasst. Dies ist angesichts der (fehlerhaften) Auffassung der Bundesregierung, die Grundrechte seien in diesen Fällen nicht anzuwenden und deshalb greife auch der Gesetzesvorbehalt nicht, folgerichtig.400 Die Formulierung des BND-Reformgesetzes, die sich auf die vom Inland ausgehende Tätigkeit beschränkt, ist allerdings nicht mit den grundrechtlichen Anforderungen vereinbar. Darüber hinaus finden auch die Theorien der Verwaltungspraxis zum virtuellen Ausland und zur Weltraumtheorie keinen normativen Halt.401 Demzufolge kann die Grundrechtsbindung nicht unter Heranziehung dieser Theorien abgelehnt werden. Anders als in Inlandssachverhalten wird außerdem das BDSG schlicht nicht angewandt. Diese von dem Grundkonzept abweichenden Anwendungsbedingungen des Rechts führen zu einem verringerten Schutz.402 2. Der Zweckbindungsgrundsatz im Rahmen der Datenübermittlung Der Zweckbindungsgrundsatz als „Kernelement des verfassungsrechtlichen Datenschutzes“403 gilt auch für Datenverwendungen im Rahmen der Auslandsaufklärung.404 Das BVerfG fordert, dass der Zweck der Datenerhebung und -verwen400
Vgl. dazu Papier, Beschränkung der Telekommunikationsfreiheit durch den BND an Datenaustauschpunkten, NZVerwR 15 (2016), 1 (12); zu Kritik an dieser Rechtsauffassung siehe nur Wissenschaftliche Dienste Deutscher Bundestag, Zur strategischen Ausland-AuslandFernmeldeüberwachung in Bezug auf Unionsbürger nach § 6 Abs. 3 Bundesnachrichtendienstgesetz-Entwurf, v. 06. 07. 2016, S. 9; Schiffbauer, Fernmeldeüberwachung im Nebel, juwiss-Blog, online: http://www.juwiss.de/58 - 2015/ (zuletzt abgerufen am 21. 05. 2017); Deutsche Behörden, einschließlich Nachrichtendienste, seien auch dann an Artikel 10 GG gebunden, wenn grenzüberschreitende Telekommunikation überwacht wird, der räumliche Schutzbereich des Artikel 10 GG sei nicht auf das Inland begrenzt, das gelte jedenfalls dann, wenn hinreichender Inlandsbezug besteht, dadurch, dass im Ausland stattfindende Kommunikation im Inland erfasst und ausgewertet wird, Papier, Stellungnahme zur Anhörung des NSA-Untersuchungsausschusses v. 16. 05. 2014, S. 8 f.; abweichende Ansicht Hochreiter, Die heimliche Überwachung internationaler Telekommunikation (2002), S. 130: „Eine Ausdehnung der räumlichen Reichweite des Fernmeldegeheimnisses auch auf die Telekommunikation von Ausländern im Ausland lässt sich nicht zwingend feststellen.“ Siehe auch http://www.welt. de/politik/deutschland/article141043665/Wen-darf-der-BND-ueberwachen-Auslegungssache. html (zuletzt abgerufen am 21. 05. 2017). 401 Gärditz, Die Rechtsbindung des Bundesnachrichtendienstes bei Auslandstätigkeiten, Die Verwaltung 48 2015, 463 (472). 402 Vitzthum, Extraterritoriale Grundrechtsgeltung – Zu Bedingungen nachrichtendienstlicher Auslandsaufklärung, FS Bothe (2008), 1213 (1221). 403 BVerfGE 141, 220 (329); BVerfGE 65, 1, (45 f.). 404 EGMR (Shimovolos ./. Russland), Urteil v. 21. 06. 2011 – 30194109, § 68; anders noch in EGMR (Amann ./. Schweiz), Urteil v. 16. 02. 2000 – 27798/95, § 56 wonach die Vorhersehbarkeit geheimer Überwachung nur dann gegeben war, wenn die gesetzlichen Formulierungen geeignet waren, dem Einzelnen eine entsprechende Anpassung ihres Verhaltens zu ermöglichen; EGMR (Kruslin ./. Frankreich), Urteil v. 24. 04. 1990 – 11801/85, § 34; EGMR (Segerstedt- Wiberg et al ./. Schweden), Urteil v. 06. 06. 2006 – 62332/00, § 76; EGMR (P.G. u. J.H. ./. Großbritannien), Urteil v. 25. 06. 2001 – 44787/98, § 47; vgl. auch BVerfGE 141, 220 (324). In der Ermächtigungsgrundlage muss sichergestellt sein, welcher spezifischen Funktion die Da-
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dung „hinreichend präzisiert“ ist, die Gefahrenlage soweit wie möglich beschrieben wird und sich auf bestimmte Bereiche begrenzt.405 Die datenschutzrechtliche Zweckbestimmung des BND richtet sich an dessen Aufgabenstellung aus, Erkenntnisse zu sammeln, die von außen- und sicherheitspolitischer Bedeutung für die Bundesrepublik Deutschland sind.406 Dementsprechend darf der BND nur solche Daten verarbeiten, die für Gefahren die Außen- und Sicherheitspolitik betreffend relevant sind. Dass sich solche Informationen heutzutage nicht länger auf Sachverhalte beschränken, die im Ausland belegen sind und die diesbezüglichen Verhältnismäßigkeitserwägungen deshalb überholt sind, wurde bereits oben (dazu Abschnitt B. II. 3. c)) erörtert. Die Bindung an bestimmte Zwecke ist insbesondere bei der Datenübermittlung von Bedeutung. Nach der Übermittlung gibt die übertragende Stelle die Kontrolle über die weitere Verwendung des Datums aus der Hand.407 Deshalb soll das ursprüngliche Aufklärungsziel zur Datenerhebung auch den Zweck der Übermittlung begrenzen, so dass mittelbar auch die spätere Weiterverarbeitung durch den Empfänger gesteuert werden kann.408 Nach dem BVerfG muss die sog. „Doppeltür“Theorie in jedem Einzelfall geprüft werden.409 „Die übermittelnde Stelle muss auf der Grundlage der für sie geltenden rechtlichen Regelungen prüfen, ob sie die Daten an die empfangende Stelle übermitteln darf. Der Empfänger muss auf der Grundlage der für ihn geltenden Normen prüfen, ob er die übermittelten Daten erheben und verwenden darf.“410 In diesem Sinne verlangt § 9 Abs. 1 S. 3 BNDG, dass der Empfänger, der eine inländische öffentliche Stelle ist, die übermittelten Daten, soweit gesetzlich nichts Anderes bestimmt ist, nur zu dem Zweck verwenden darf, zu dem sie ihm übermittelt wurden. Die Behörden des Bundes und die bundesunmittelbaren juristischen Pertenerhebung dient und welche Umgrenzungen des Anlasses der Maßnahme und des möglichen Verwendungszwecks besteht und wie diese sichergestellt werden können, BVerfGE 120, 378 (409); Durch die Zweckbindung werde die Begrenzung der Macht der Behörden erreicht, in dem ein Verbot besteht, die Daten behördenübergreifen zu nutzen, Bull, Informationelle Selbstbestimmung – Vision oder Illusion? (2009), S. 98; Art. 8 Abs. 2 GRCh; Gersdof, in: Gersdorf / Paal, Beck’scher Online Kommentar, Informations- und Medienrecht, 12. Ed. (2015), Art. 8 EMRK Rn. 32. 405 BVerfGE 100, 313 (372). 406 BVerfGE 100, 313 (383). 407 Ambrock bezeichnet dies als „Kontrollverlust“, den die Daten erleiden würden, Ambrock, Nach Safe Harbor: Schiffbruch des transatlantischen Datenverkehrs?, NZA 2015, 1493 (1493). 408 BVerfGE 100, 313 (359 f.); Bäcker, Stellungnahme zur Anhörung des NSA-Untersuchungsausschuss a, 22. 05. 2014, S. 10; Scheinin, Report of the Special Rapporteur on the promotion and protection of human rights and fundamental freedoms while countering terrorism, A/HRC/14/46 v. 26. 05. 2010, S. 6. 409 BVerfGE 130, 151 (184). 410 Voßhoff, Gutachten Bundesdatenschutzbeauftragte v. 15. 03. 2016, Az.: V-660/ 007#1424 – 25 – 13/15, Teil 1 A. I. 2. a.
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sonen des öffentlichen Rechts dürfen von sich aus dem BND personenbezogene Daten übermitteln, wenn tatsächliche Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Übermittlung für dessen Eigensicherung oder im Rahmen von dessen Aufgabe zur Sammlung von Informationen über die in § 5 Abs. 1 S. 3 Artikel 10-Gesetz genannten Gefahrenbereiche erforderlich ist, § 8 Abs. 1 S. 1 BNDG. Der BND darf außerdem unter den Voraussetzungen der § 18 Abs. 3 und 4 BVerfSchG um die Übermittlung ersuchen, § 8 Abs. 1 S. 1 BNDG. a) Die Zweckbindung bei der Datenübermittlung an ausländische öffentliche Stellen Der Grundsatz der Zweckbindung gilt auch für die Übertragung von Daten an ausländische Stellen, wobei das deutsche Recht der Gefahr einer zweckwidrigen Verwendung durch solche Stellen nur begrenzt entgegenwirken kann. Die ausländischen Stellen sind nicht an den deutschen Grundsatz der Zweckbindung gebunden. Die Weitergabe an ausländische Stellen zieht deshalb einen „Kontrollverlust“ nach sich.411 Um dennoch die Zweckbindung jedenfalls ansatzweise sicherzustellen, besteht eine Pflicht der deutschen Stellen, die empfangende Stelle auf die zweckgebundenen Verwendung der Dateien hinzuweisen und die Möglichkeit, anzukündigen, dass zukünftige Auskunftsersuche erfolgen können.412 Ob aber auch eine Pflicht besteht, diese Auskünfte zu einzuholen, wurde bislang noch nicht entschieden. Das BND-Reformgesetz regelt erstmals den Datenaustausch in einer Kooperation des BND mit einer anderen ausländischen öffentlichen Stelle (dazu ausführlich auch in Teil 3 D. III.).413 Innerhalb dieser Kooperation darf der BND all jene Daten erheben und übermitteln, die für die Erreichung des Kooperationsziels erforderlich sind.414 Kooperationsziele können sein, frühzeitig Gefahren für die innere oder äußere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland zu erkennen und diesen zu begegnen, die Handlungsfähigkeit der Bundesrepublik Deutschland zu wahren oder sonstige Erkenntnisse von außen- und sicherheitspolitischer Bedeutung zu gewinnen.415
411
Ambrock, Die Übermittlung von S.W.I.F.T.-Daten an die Terrorismusaufklärung der USA (2013), S. 108. 412 § 9 Abs. 2 S. 1 Hs. 1 BNDG i.V.m. § 19 Abs. 3 S. 4 BVerfSchG; § 7a Abs. 4 Artikel 10Gesetz. § 13 Abs. 2 Nr. 5 BND-Reformgesetz enthält die Vorgabe, dass sich die ausländische öffentliche Stelle bereit erklären muss, auf Ersuchen des BND Auskunft über die vorgenommene Verwendung der Daten zu erteilen. 413 § 13 ff. BND-Reformgesetz. Diese Kooperation kann, soweit die andere Stelle keine eines EU- oder NATO-Staates ist, nur bei außenpolitischen Interesse eingegangen werden. Das Feststellen dieses Interesses obliegt dem Chef/in des Bundeskanzleramt, Punkt 4, § 13 Abs. 5 BND-Reformgesetz. 414 § 14 Abs. 1 BND-Reformgesetz. 415 § 13 Abs. 4 BND-Reformgesetz.
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Die Formulierung der Zweckbindung innerhalb einer Kooperation erlaubt damit beinahe jede denkbare Datenübermittlung, die innerhalb einer Kooperation von Interesse ist.416 So etwa bei einem der Hauptanwendungsfälle nachrichtendienstlichen Kooperationen, der Begleitung von Auslandseinsätzen der Bundeswehr. Dabei werden nachrichtendienstliche Mittel eingesetzt, um die Sicherung der Truppen zu gewährleisten. Die Maßnahmen diesbezüglich müssen nach der neuen Rechtslage des BND-Reformgesetzes nicht mehr ausschließlich dem Schutz der Truppen dienen, sondern können auch für rein unterstützende Maßnahmen angewandt werden.417 Ein Kooperationsziel kann unter anderen die Gewinnung von Informationen zu „krisenhaften Entwicklungen im Ausland“ sein. Eine Zweckbindung, die sich an diesem Ziel ausrichtet, erlaubt in der Konsequenz, personenbezogene Daten über Personen, die den Brotpreis Aleppo beeinflussen können, zu erheben. Dadurch wird eine beinahe pauschale Übertragung aller Daten ermöglicht. Um die Zweckbindung bereits im Erhebungsprozess sicherzustellen, werden technische Mittel zur Hilfe genommen. Relevant ist dies für die Zweckbestimmung, nur solche Kommunikation zu überwachen, die keine deutsche Anschluss- bzw. Kommunikationskennung verwendet.418 Zu diesem Zweck werden Selektoren genutzt, um bestimmte Datengruppen aus den gesammelten Daten der strategischen Fernmeldeaufklärung herauszufiltern und ggf. zu löschen. Die Selektoren sind im Idealfall so formuliert, dass nur solche Daten erhoben und gespeichert werden, die sich nicht auf deutsche Staatsbürger beziehen. Positiv-Selektoren enthalten mithin Begriffe wie „.com“-E-Mailadressen oder „türkische SIM-Karten“. Ein NegativSelektor enthält dementsprechend beispielsweise das Filterkriterium der deutschen Ländervorwahl. Wenn nun aber ein deutscher Staatsbürger eine E-Mailadresse mit der Endung „.com“ führt oder eine türkische SIM-Karte hat, dann werden seine Daten nicht herausgefiltert. Anders herum können auch nichtdeutsche Staatsbürger eine „.de“-E-Mailadresse haben, mit der Folge, dass ihre Daten deshalb (zunächst) gelöscht werden. Die BND-interne Filterung durch Selektoren funktioniert demnach nur eingeschränkt.419 416 Rechtsgrundlage der Übermittlung an Ausländsiche öffentliche Stellen sind § 9 Abs. 2 S. 1 Hs. 1 BNDG i.V.m. § 19 Abs. 2, bzw. 3 S. 1 und 2 BVerfSchG und § 7a Absätze 1 und 2 G-10 sowie nach Punkt 4, § 15 Abs. 1 BND-Reformgesetz; vgl. auch BT-Drs. 17/14560 v. 14. 08. 2013 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion der SPD – Drucksache 17/14456 – Abhörprogramme der USA und Umfang der Kooperation der deutschen Nachrichtendienste mit den US-Nachrichtendiensten, S. 3, Antwort zu Fage 42, Antwort zu Frage 56. 417 § 3 g Abs. 5 Nr. 4 BND-Reformgesetz. 418 Voßhoff, Gutachten Bundesdatenschutzbeauftragte v. 15. 03. 2016, Az.: V-660/ 007#1424 – 25 – 13/15, Teil 1 C. I.; BT-Drs. 17/14560 v. 14. 08. 2013 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion der SPD – Drucksache 17/14456 – Abhörprogramme der USA und Umfang der Kooperation der deutschen Nachrichtendienste mit den USNachrichtendiensten, S. 2. 419 Die Unterscheidung von inländischen und ausländischen Datenverkehr ist wegen der Netzstruktur und wechselnden Routing-Pfaden nicht mehr möglich, Rechthien / Rieger / Kurz,
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Anstelle dieser Pauschalprüfungen durch Selektoren könnten Einzelprüfungen (durch Menschen) durchgeführt werden. Diese sind jedoch angesichts der riesigen Datenmengen, die einbezogen werden müssen, nicht praktikabel.420 Einzelprüfungen sind auch politisch unerwünscht, da ansonsten die Kooperation mit ausländischen Geheimdiensten nicht effektiv und ohne Zeitverluste durchgeführt werden könnten.421 Die faktisch fehlende Unterscheidbarkeit von Daten, die erhoben werden dürfen, und solchen, die gelöscht werden müssen, wirkt sich auch bei der Datenübermittlung aus. Eine Unterscheidung verschiedener Daten ist hierbei gesetzlich vorgeschrieben, um zu gewährleisten, dass eine Übermittlung nicht durchgeführt wird, wenn schutzwürdige Belange des Betroffenen entgegenstehen. Auch hier kann angesichts der großen Datenmengen nicht auf Selektoren verzichtet werden, um zwischen personenbezogenen und sonstigen Daten, d. h. Metadaten ohne Personenbezug, zu unterscheiden. Durch eine automatisierte Datenübermittlung kann diese Anforderung jedoch nicht effektiv erfüllt werden.422 b) Ergebnis Die Ermächtigungsgrundlagen, auf denen Datenübermittlungen an ausländische öffentliche Stellen vorgenommen werden dürfen, sind so weitreichend formuliert, dass sie nicht länger dem Bestimmtheitsgebot entsprechen.423 „Das Bestimmtheitsgebot soll sicherstellen, dass der demokratisch legitimierte Parlamentsgesetzgeber die wesentlichen Entscheidungen über Grundrechtseingriffe und deren Reichweite selbst trifft, dass Regierung und Verwaltung im Gesetz steuernde und Sachverständigengutachten zum NSA-Untersuchungsausschuss v. 31. 08. 2001, S. 2; Rodosek, Sachverständigengutachten zum NSA- Untersuchungsausschuss v. 30. 09. 2016, S. 34. 420 Bis 2008 wurde jedenfalls die Liste der Selektoren, die die NSA an den BND weitergibt, manuell auf ihre Vereinbarkeit mit dem Grundgesetz und dem G-10 überprüft, Graulich, Nachrichtendienstliche Fernmeldeaufklärung mit Selektoren in einer transnationalen Kooperation, NSA-Untersuchungsausschuss, 23. 10. 2015, S. 27. Der BND übermittelt jeden Monat mindestens 1,3 Millionen Metadaten an die NSA, http://www.zeit.de/politik/deutschland/201 5 - 05/bnd-nsa-milliarden-metadaten/komplettansicht (zuletzt abgerufen am 21. 05. 2017). Die NSA ehebt 97 Billionen Informationen und Metadaten weltweit, davon 5 Billionen Sätze von Lakalisierungsdaten täglich Omtzigt, Council of Europe, Committee on Legal Affairs and Human Rights: Report on Mass Surveillance, v. 26. 01. 2015, Rn. C 13 f. 421 Das Memorandum of Understanding von 2002 zwischen dem BND und der NSA wurde 2012 seitens USA aufgekündigt, auch deshalb weil BND gehalten war, durch ihn erhobene Daten deutscher Staatsbürger beständig herauszufiltern. Ob dieses Herausfiltern jedoch auch tatsächlich und konsequent umgesetzt wurde, konnte bislang nicht abschließend geklärt werden, Omtzigt, Council of Europe, Committee on Legal Affairs and Human Rights: Report on Mass Surveillance, v. 26. 01. 2015, Rn. C 36. 422 § 9 Abs. 2 BNDG i.V.m. § 19 Abs. 3 S. 2 BVerfSchG; siehe zur fehlenden Einzelfallprüfung innerhalb der Kooperation zwischen dem BND und der NSA Voßhoff, Gutachten Bundesdatenschutzbeauftragte v. 15. 03. 2016, Az.: V-660/007#1424 – 25 – 13/15, Teil 1 G. II. 423 Vgl. BVerfGE 141, 220 (334). Die Zwecke gehen außerdem über die eigentliche Aufgabenstellung des BND hinaus, Deutsches Institut für Menschenrechte, Menschenrechtliche Anforderungen an die Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung und ihre Kontrolle, S. 9 f.
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begrenzende Handlungsmaßstäbe vorfinden und dass die Gerichte eine wirksame Rechtskontrolle durchführen können.“424 Diese Anforderungen stellte das BVerfG indes auch im Hinblick auf die Auslandsaufklärung des BND.425 Zwar gesteht das BVerfG dem BND zu, dass die Ermächtigungsgrundlagen aufgrund derer er tätig wird, die „Voraussetzungen, unter denen die Überwachung stattfinden darf“, angesichts der Aufgabe und Arbeitsweise der Nachrichtendienste nicht genau definiert werden müssen.426 Die derzeit in den Ermächtigungsgrundlagen festgelegten Zweckbindungen sind jedoch selbst bei einer solchen großzügig formulierten Umfangs der Zweckbindung rein formeller Natur. Sie schränken die Bereiche in denen aufgeklärt werden darf nicht ein und beschreiben die Gefahrenlagen nur im weitest möglichen Sinne.427 Durch die weite Formulierung der Zwecke kommt der Zweckbindung keine materielle, die Eingriffe in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung spezifizierende und beschränkende Wirkung zu.428 Angesichts dessen sind die Ermächtigungsgrundlagen in ihrer derzeitigen Form verfassungswidrig. 3. Nachträgliche Kontrolle der Auslandsaufklärung Grundsätzlich bestehen auch hinsichtlich der Auslandsaufklärung Regeln zur gerichtlicher und außergerichtlicher Kontrolle (dazu Abschnitt a)). Im Einzelnen sind die Kontrollbefugnisse indes so vage und lückenhaft formuliert, dass die Kontrolle nicht verfassungsgemäß ausgestaltet ist und deshalb auch nicht umgesetzt werden kann (dazu Abschnitt b) und c)).
424
BVerfGE 120, 378 (407 f.); 133, 277 (322); BVerfGE 110, 33 (55). BVerfGE 100, 313 (372). 426 BVerfGE 100, 313 (372). 427 Zu einer gelungenen Kodifizierung der Befugnisse siehe beispielsweise in Rumänien Art. 4 Law on Preventing and Countering Terrorism, in Neuseeland, Art. 2 Intelligence and Security Service Act 1969 (Fassung 12. 12. 2014) i.V.m. At. 5 Terrorism Suppression Act 2002; dazu Milanovic, Human Rights Treaties and Foreign Surveillance: Privacy in the Digital Age, Harv. Intl. Law J., Vol. 56 No. 1 (2015), 81 (135); Scheinin, Report of the Special Rapporteur on the promotion and protection of human rights and fundamental freedoms while countering terrorism, A/HRC/14/46 v. 26. 05. 2010, S. 5 f. 428 Papier warnt vor Umgehung der Zweckbindung durch weiten Aufgabenbereich des BND, Papier, Öffentliche Anhörung Sachverständiger Papier / Hoffmann-Riem / Bäcker im NSA-Untersuchungsausschuss v. 22. 05. 2014, S. 8; „Einmal erlangte Daten dürfen also nahezu umfassend bevorratet, ausgewertet und genutzt werden, soweit aus ihnen überhaupt Informationen gewonnen werden können, die für den erhebenden Nachrichtendienst relevant sind. Der datenschutzrechtliche Zweckbindungsgrundsatz, der auch verfassungsrechtlich fundiert ist, wird damit in erheblichem Maß aufgeweicht“, Bäcker, Stellungnahme zur Anhörung des NSAUntersuchungsausschuss a, 22. 05. 2014, S. 6 f. 425
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a) Institutionelle Kontrollmöglichkeiten hinsichtlich der Auslandsaufklärung Zunächst besteht die Möglichkeit, Tätigkeiten des BND oder der Bundeswehr gerichtlich zu kontrollieren. Das Menschenrecht auf wirksame Beschwerde aus Art. 13 EMRK und die Rechtswegsgarantie aus Art. 19 Abs. 4 GG finden auch im Bereich der nachrichtendienstlichen Auslandsaufklärung Anwendung.429 Diese Beschwerdemöglichkeiten des Betroffenen sind ein Teil der organisatorischen und verfahrensrechtlichen Vorkehrungen, die zur Vermeidung von Missbrauch und Willkür ein wesentlicher Bestandteil des deutschrechtlichen Schutzkonzepts sind.430 Der Betroffene kann sich allerdings nur dann gegen eine Beeinträchtigung zur Wehr setzen, wenn ihm diese bekannt ist.431 Dementsprechend sind auch Telekommunikationsüberwachungen dem Betroffenen grundsätzlich mitzuteilen.432 Im Rahmen nachrichtendienstlicher Aufklärung ist es jedoch meist erforderlich, dass die betroffene Person keine Kenntnis von der Überwachung oder den sonstigen Maßnahmen hat. Für strategische Beschränkungen des Fernmeldegeheimnisses wird die Mitteilung an den Betroffenen durch einen Antrag beim Bundesministerium des Inneren ersetzt werden.433 Genehmigt das Ministerium diesen, prüft die G 10Kommission von Amts wegen Zulässigkeit und Notwendigkeit der Beschränkung.434 429 Töpfer, Rechtsschutz im Staatsschutz?, DIMR Policy Paper Nr. 33, (Sept. 2015), S. 7. Der Betroffene kann zur Wahrung seines Persönlichkeitsrechts eine Individualbeschwerde nach Art. 34 EMRK vor dem EGMR erheben, wobei die Anforderungen an die Ausschöpfung des Rechtswegs abgesenkt sind, soweit der innerstaatliche Rechtsschutz keinen effektiven Schutz gewährleisten kann, EGMR (Szabó u. Vissy ./. Ungarn), Urteil v. 12. 01. 2016 – 37138/14, § 36; vgl. Art. 35 Abs. 1 EMRK. Ebenso kann eine Individuabeschwerde vor dem Menschenrechtsausschuss angestrengt werden, soweit der betroffene Staat das 1. Zusatzprotokoll des IPbpRs beigetreten ist. Von den five eye Staaten, die einen Großteil der intenationalen Telekommunikationsüberwachung ausführen, sind lediglich Australien, Kananda und Neuseland dem Protokoll begetreten. Die Bundesrepublik ist dem Protokoll beigetreten. Zu alledem Aust, Stellungsnahme zur Sachverständigenanhörung am 05. 06. 2014 des 1. UA der 18. Wahlperiode des Deutschen Bundestags, Ziff. 74 f. Die Menschenrechtskommission hält außerdem im Rahmen des Art. 17 IPbpR Einsichtnahme-, Informations- und Löschungsantragsrechte für erforderlich, UN HRC, General Comment No. 16: Art. 17 (Right to Privacy) v. 08. 04. 1988, Ziff. 10. 430 EGMR (Szabó u. Vissy ./. Ungarn), Urteil v. 12. 01. 2016 – 37138/14, § 56; EGMR (Klaas u. a. ./. Deutschland), Urteil v. 06. 09. 1978 – 5029/71, § 57. 431 Töpfer, Rechtsschutz im Staatsschutz?, DIMR Policy Paper Nr. 33, (Sept. 2015), S. 12. 432 § 12 Abs. 1 S. 1 G-10. Tatsächlich werden nur weniger als 3 % der von Telekommunikationsüberwachung Betroffenen im Anschluss an die Ermittlungen informiert, Gusy / Backes, Wer kontrolliert die Telefonüberwachung? (2003), S. 71. 433 §§ 12 Abs. 1 S. 2 i.V.m. 10 Abs. 1 G-10. Die Verfassungsschutzbehörden der Länder ist die oberste Landesbehörde zuständig, a.a.O. 434 §§ 1 Abs. 2 i.V.m. 15 Abs. 5 S. 1 G-10; dazu Huber, Ein Europäischer Nachrichtendienst?, NVwZ 2011, 409 (411). Reine Auslandskonstellationen, in denen der Handlungsort im Ausland liegt und ein nichtdeutscher Staatsbürger betroffen ist, werden nach Ansicht der Bundesregierung gar nicht vom Artikel 10-Gesetz erfasst, so dass die G 10-Kommission diesbezüglich unzuständig ist, Schaller, Kommunikationsüberwachung durch den BND, SWP-
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Der G 10-Kommission steht ein Einsichtnahmerecht in die Unterlagen des BND zu, allerdings ohne dass dieses gleichzeitig mit Durchsetzungsbefugnissen verbunden wäre.435 Auch im Organstreitverfahren ist die Kommission nicht antragsbefugt, da ihr keine verfassungsmäßigen Rechte nach Art. 10 Abs. 2 GG zustehen. So ist es ihr nicht möglich, die Herausgabe bestimmter, für die Kontrolle erforderlicher Unterlagen zu verlangen.436 Deswegen sind sie auf die Informationen angewiesen, die der BND ihnen zugänglich macht. Alternative Informationswege bestehen kaum bis gar nicht.437 So beanstandet die Bundesdatenschutzbeauftragte in ihrem Prüfbericht, dass der BND ihr die Sichtung und Prüfung der von der NSA übermittelten Selektoren verweigerte.438 Dem BND obliegt eine Unterstützungspflicht zugunsten ihrer Kontrolleure.439 Unter Hinweis auf die Gefährdung des Staatswohles darf der BND die Auskunft verweigern.440 Diese Ausnahme der Unterstützungspflicht beStudie S 7 (April 2016), 1 (32). Auch die Kleinen Anfragen des Bundestags werden regelmäßig unter Verweis auf das Geheimhaltungsbedürfnis nur eingeschränkt beantwortet, siehe nur BTDrs. 17/14560 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion der SPD – Drucksache 17/14456 – Abhörprogramme der USA und Umfang der Kooperation der deutschen Nachrichtendienste mit den US-Nachrichtendiensten, Antwort zu Frage 31, Antwort zu Frage 36; Antwort zu Frage 43; BT-Drs. 17/1814 v. 21. 05. 2010, Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Jan Korte, Ulla Jelpke, Petra Pau, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE – Drucksache 17/1629 – Bilanz der Online-Durchsuchung, Antwort zu Frage 15. 435 § 15 Abs. 5 S. 3 Nr. 2 G-10. 436 Die Anträge der Kommission auf Feststellung der Verletzung eines solchen Rechts, durch die Weigerung des BND die Listen mit Selektoren herauszugeben, die der BND ab 2004 aus den ihm von der National Security Agency (NSA) der USA übergebenen Selektorenlisten herausgefiltert hatte (Filter-Listen), um zu gewährleisten, dass durch die sodann vertragsgemäß vom BND in die Satellitenstation in Bad Aibling einzuspeisenden Daten nicht deutsche Staatsangehörige erfasst werden würden, wurden abgelehnt. Die G-10 Kommission sei weder oberstes Bundesorgan, noch ein durch das Grundgesetz oder durch die Geschäftsordnung mit eigenen Rechten ausgestatteter Teil des Bundestages. Zu alledem BVerfG, Beschluss v. 20. 09. 2016 – 2 BvE 5/15, Leitsatz 3b. aa = NVwZ 2016, 1701 – 1706; einem Einzelnen gegenüber ist der BND verpflichtet, Auskunft darüber zu erteilen, welche Daten von ihm gespeichert sind, BVerwG, Urteil v. 28. 11. 2007 – 6 A 2/07, juris Rn. 26. 437 Protokoll NSA-Untersuchungsausschuss, Vernehmung Zeugin Regierungsdirektorin Frau Dr. F., Datenschutzbeauftragte beim BND, https://netzpolitik.org/2014/live-blog-aus-demgeheimdienst-untersuchungsausschuss-frau-f-und-herr-f-vom-bnd-sollen-aussagen/ (zuletzt abgerufen am 21. 05. 2017). Gusy, Parlamentarische Kontrolle der Nachrichtendienste im demokratischen Rechtsstaat, ZRP 2008, 36 (39). 438 Beanstandung gem. § 25 Abs. 1 S. 1 BDSG. Voßhoff, Gutachten Bundesdatenschutzbeauftragte v. 15. 03. 2016, Az.: V-660/007#1424 – 25 – 13/15, Teil 1 A. I. 439 § 11 BNDG i.V.m. § 24 4 S. 1 BDSG. 440 Daneben verweigert der BND die Herausgabe von Daten regelmäßig unter Hinweis auf die sog. Third-Party-Rule, die er mit der NSA vereinbart hat. Nach dieser Absprache darf kein Dritter von den zwischen den beiden Behörden angewandten Verfahren (insb. der verwendeten Selektoren) Kenntnis erlangen, Graulich, Nachrichtendienstliche Fernmeldeaufklärung mit Selektoren in einer transnationalen Kooperation, NSA-Untersuchungsausschuss, 23. 10. 2015, S. 68, 198; vgl. dazu auch Töpfer, Rechtsschutz im Staatsschutz?, DIMR Policy Paper Nr. 33, (Sept. 2015), S. 18 f. Hinweise auf das Geheimschutzabkommen zwischen der BRD und den
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Teil 2: Schutz personenbezogener Daten bei der Auslandsaufklärung
steht dann, wenn die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gefährdet ist.441 Sie ist im Sinne einer „Notstandsklausel“ eng auszulegen.442 Ebenso wie die G 10-Kommission und der Bundesdatenschutzbeauftragte auf die Mitwirkung des BND angewiesen sind, kann das PKGr auch nur das untersuchen, wozu ihm Informationen vorgelegt werden. Informationen erhält das Gremium aber nicht regelmäßig und nur in beschränktem Maße.443 b) Einschätzungsprärogative und gerichtliche Kontrolldichte Innerstaatliche Gerichte sind nicht befugt, außen- und sicherheitspolitische Einschätzungen der Bundesregierung uneingeschränkt zu überprüfen. Zum einen wird dies mit dem Gewaltenteilungsgrundsatz begründet.444 Der Richter dürfe sich nicht an die Stelle des zuständigen Entscheidungsträgers setzen, weil die „politische Entscheidung über die auswärtigen Beziehungen der demokratisch legitimierten und verantwortlichen Bundesregierung und ggf. auch dem Bundestag übertragen worden sind“.445 Zum anderen ist die Bundesregierung auf die Zuerkennung eines völkerrechtlichen Einschätzungsspielraums angewiesen, da in außenpolitischen Sachverhalten regelmäßig die Situation entsteht, dass eine Entscheidung nicht alleine vom Willen der Bundesrepublik abhängig ist.446 Das BVerfG berücksichtigt den damit verbundenen Zwang zu Kompromissen, die Unvorhersehbarkeit außenpolitischer Entwicklungen sowie die Komplexität internationaler Beziehungen in seinen Entscheidungen.447 Der weite Spielraum der Bundesregierung in diesen Belangen gelte dabei für das gesamte außenpolitische Handeln, das sich deshalb auch auf den BND USA finden sich in BT-Drs. 17/14560 v. 14. 08. 2013 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion der SPD – Drucksache 17/14456 – Abhörprogramme der USA und Umfang der Kooperation der deutschen Nachrichtendienste mit den US-Nachrichtendiensten, S. 3 und Antwort auf Frage 56. 441 § 24 Abs. 4 S. 4 BDSG. 442 Dammann, in: Simitis, BDSG 8. Aufl. (2014), § 24 Rn. 39; BVerfGE 133, 277 (371). 443 Weder § 4 PKGr (Pflicht der Bundesregierung zur Unterrichtung), noch in § 5a PKGrG (Ständiger Bevollmächtigter) enthalten Angaben, in welchen (regelmäßigen) Abständen, die Informationen geliefert werden müssen; auf Nachfrage kann das PKGr stets Auskünfte verlangen. 444 Huber, in: Mangoldt / Klein / Starck, GG Band I, 6. Auflage (2010), Art. 19 Abs. 4 Rn. 509. 445 Hailbronner, Kontrolle der auswärtigen Gewalt, Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer Heft 56 (1997), 8 (14). 446 BVerfGE 55, 349 (362 f.); VG Köln, 27. 05. 2015 – 3 K 5625/14, juris Rn. 68, dort Verweis auf BVerfGK 14, 192; Hailbronner, Kontrolle der auswärtigen Gewalt, Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer Heft 56 (1997), 8 (10 und 22); a.A. Yousif lehnt eine Verringerung der Kontrolldichte in Auslandssachverhalten ab, Yousif, Die extraterritoriale Geltung der Grundrechte bei der Ausübung deutscher Staatsgewalt im Ausland (2007), S. 140. 447 Hailbronner, Kontrolle der auswärtigen Gewalt, Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer Heft 56 (1997), 8 (14).
C. Fallkonstellation 3
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als Dienststelle des Bundeskanzleramts erstreckt.448 Das BVerfG verringert seine gerichtliche Kontrolle dementsprechend bezüglich Entscheidungen, die den BND oder außen- und sicherheitspolitische Einschätzungen der Bundesregierung betreffen.449 Insofern liegen diese Entscheidungen außerhalb der Justiziabilität. Auch der EGMR nimmt die Kontrolldichte zugunsten des Beurteilungsspielraums der Staaten zurück, soweit deren nationale Sicherheit betroffen ist.450 Gleichzeitig senkte der EGMR die Anforderungen daran, die Betroffenheit durch eine nachrichtendienstliche Überwachung nachzuweisen, ab.451 Um einen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht nachzuweisen, reicht es nach Rechtsprechung des Gerichtshofs aus, dass der Beschwerdeführer darlegt, potentiell von Überwachungsmaßnahmen betroffen zu sein. Dadurch ist es einem (potentiell) Betroffenen erleichtert, die Zulässigkeit einer Klage zu erreichen.452 Innerhalb der Begründetheit wirkt sich der „margin of appreciation“ dennoch aus, so dass Klagen gegen die Auslandsüberwachung zwar zulässig, häufig aber unbegründet bleiben dürften.
448 VG Köln, 27. 05. 2015 – 3 K 5625/14, juris Rn. 76; BVerfGE 67, 100 (139); Peitsch / Polzin, Die parlamentarische Kontrolle der Nachrichtendienste, NVwZ 2000, 387 (392). 449 BVerfG, Nichtannahmebeschluss 2 BvR 2660/06, 2 BvR 487/07 = EuGRZ 2013, 563 = juris Rn. 54; Gefahr außenpolitischer Nachteile für BRD führen zur Ablehnung einstweiligen Anordnung, BVErfGE 83, 162 (171); BVerfGE 77, 170 (171); VG Köln, 27. 05. 2015 – 3 K 5625/14, juris Rn. 80; Der außenpolitische Handlungs- und Einschätzungsspielraum führt zu einer Zurücknahme der Kontrolldichte, Giegerich, Grund- und Menschenrechtsschutz im globalen Zeitalter: Neubewertung ihrer territorialen, personalen und internationalen Dimension in Deutschland, Europa und den USA, EuGRZ 2004, 758 (762). 450 Marauhn / Merhof, in: Dörr / Grote / Marauhn, EMRK/GG (2013), Kap. 7, Rn. 33, 58; Marauhn / Thorn, in: Dörr / Grote / Marauhn, EMRK/GG (2013), Kap. 16, Rn. 24. Bei der einer TKÜ ist EGMR großzügig mit einer Rechtfertigung im Sinne der nationaler Sicherheit, verlangt aber Absicherung gegen Missbrauch, EGMR (Klaas u. a. ./. Deutschland), Urteil v. 06. 09. 1978 – 5029/71, §§ 55 ff. Es bestehe ein einzelfallabhängiger Beurteilungsspielraum, der von Art des Datums und des Eingriff sowie von der Gewichtigkeit des Ziels abhängig ist, Bygrave, Data Protection Pursuant to the Right to Privacy in Human Rights Treaties, International Journal of Law and Technology, Vol. 6 No. 3, 247 (273). 451 EGMR (Roman Zakharov ./. Russia), Urteil v. 04. 12. 2015 – 47143/06, §§ 166 ff.; EGMR (Weber u. Saravia ./. Deutschland), Entscheidung v. 29.06. 2006 – 54934/00, § 78; zur Telekommunikationsüberwachungsmaßnahmen siehe auch EGMR (Szabó and Vissy ./. Ungarn), Urteil v. 12. 01. 2016 – 37138/14, §§ 33, 53; EGMR (Klaas u. a. ./. Deutschland), Urteil v. 06. 09. 1978 – 5029/71, § 41; EGMR (Association for European Integration and Human Rights ./. Bulgarien), Urteil v. 28. 06. 2007 – 62540/00, § 69; EGMR (Iordachi ./. Moldavien), Urteil v. 14. 09. 2009 – 25198/02, § 30. 452 EGMR (Roman Zakharov ./. Russia), Urteil v. 04. 12. 2015 – 47143/06, § 169; EGMR (Association for European Integration and Human Rights ./. Bulgarien), Urteil v. 28. 06. 2007 – 62540/00, § 69; EGMR (Klaas u. a. ./. Deutschland), Urteil v. 06. 09. 1978 – 5029/71, § 41; EGMR (Iordachi ./. Moldavien), Urteil v. 14. 09. 2009 – 25198/02, § 30; EGMR (Malone ./. Großbritannien), Urteil v. 02. 08. 1984 – 8691/79, § 64. Gusy, Parlamentarische Kontrolle der Nachrichtendienste im demokratischen Rechtsstaat, ZRP 2008, 36 (38).; zur gerichtlichen, präventiven Kontrolle von TKÜ-Maßnahmen und deren Ineffizienz siehe Gusy, Überwachung der Telekommunikation unter Richtervorbehalt, ZRP 2003, 275 (276).
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Teil 2: Schutz personenbezogener Daten bei der Auslandsaufklärung
c) Ergebnis Eine der grundlegenden Voraussetzungen einer effektiven Kontrolle ist die klare Formulierung der Befugnisse des BND in einer gesetzlichen Grundlage.453 Diese Klarheit steht bei Ermächtigungsgrundlagen für Nachrichtendienste im Widerspruch zu deren spezifischen Bedürfnissen nach flexiblen Handlungsmöglichkeiten, Geheimhaltung sowie Eigen- und Quellenschutz.454 Entsprechend dieser Bedürfnisse sind die Ermächtigungsgrundlagen hinsichtlich der genauen Beschreibung der Tätigkeiten und des Vorgehens sehr vage formuliert.455 Diese unkonkreten Formulierungen erschweren die nachträgliche Kontrolle, da dem BND ein großer argumentativer Spielraum zur Rechtfertigung einer Vielzahl von Maßnahmen verbleibt.456 Sowohl das BVerfG als auch der EGMR stützen die Angemessenheit nachrichtendienstlicher Eingriffe in das Persönlichkeitsrecht bzw. das Recht auf informationelle Selbstbestimmung maßgeblich darauf, dass effektive Kontrollmechanismen vorhanden sind.457 Diese sollen als Gegengewicht zu den weit formulierten Befugnissen der Dienste wirken und Schutz gegen Missbrauch und Willkür vermitteln.458 Dies gilt umso mehr für verdeckte Eingriffe, deren Intensität durch die Heimlichkeit erhöht ist.459 Angesichts dessen, dass im Rahmen der Kontrolle der Auslandsüber453 BVerfGE 113, 348 (375 f.); 120, 378 (407, 428); die Bundesdatenschutzbeauftragte Voßhoff fordert deshalb weitere tatbestandlciher Beschränkungen der Befugnisse des BND, Voßhoff, Gutachten Bundesdatenschutzbeauftragte v. 15. 03. 2016, Az.: V-660/007#1424 – 25 – 13/15, Teil 1 A. II. 2. b. 1. 454 EGMR (Rotaru ./. Rumänien), Urteil v. 04. 05. 2000 – 28341/95, § 59; nachrichtendienstliche Tätigkeit sind geprägt von „Heimlichkeit, Illegalität und fehlender hoheitlicher Durchsetzbarkeit Gärditz, Die Rechtsbindung des Bundesnachrichtendienstes bei Auslandstätigkeiten, Die Verwaltung 48 2015, 463 (463); Die Geheimhaltung ist erforderlich für den Selbst- und Quellenschutz, Krieger, Die Reichweite der Grundrechtsbindung bei nachrichtendienstlichem Handeln, Berliner Online-Beiträge zum Völker- und Verfassungsrecht, Beitrag Nr. 1/08, 1 (9; 38); Smidt, Kritik des mehrpoligen parlamentarischen Kontrollsystems in Deutschland, in: Röttgen / Wolff, Parlamentarische Kontrolle – Die Nachrichtendienste im demokratischen Rechtsstaat (2008), 45 (56). Weltweit wird das Bestehen geheimer Abkommen, geheimer Entscheidungsstellen und geheimer Auslegung der Gesetze vermutet, Omtzigt, Council of Europe, Committee on Legal Affairs and Human Rights: Report on Mass Surveillance, v. 26. 01. 2015, Rn. A 7. 455 So etwa die Aufgabenzuweisungsnorm § 1 Abs. 2 BNDG und §§ 6, 13 BND-Reformgesetz. 456 Voßhoff, Gutachten Bundesdatenschutzbeauftragte v. 15. 03. 2016, Az.: V-660/ 007#1424 – 25 – 13/15, Teil 1, A. II. 2. b. 457 BVerfGE 100, 313 (361); EGMR (Klaas u. a. ./. Deutschland), Urteil v. 06. 09. 1978 – 5029/71, § 56; EGMR (Szabó u. Vissy ./. Ungarn), Urteil v. 12. 01. 2016 – 37138/14, § 85; EGMR (Szabó u. Vissy ./. Ungarn), Urteil v. 12. 01. 2016 – 37138/14, Concurring Opinion of Judge Pinto de Albuquerque, § 24. 458 BVerfGE 65, 1, (49); 100, 313 (361); vgl. auch BVerfGE 120, 378 (395); EGMR (Szabó u. Vissy ./. Ungarn), Urteil v. 12. 01. 2016 – 37138/14, § 65; EGMR (Klaas u. a. ./. Deutschland), Urteil v. 06. 09. 1978 – 5029/71, § 50. 459 BVerfGE 120, 378 (402 f.).
C. Fallkonstellation 3
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wachung erhebliche Defizite bestehen, besteht kein Schutz gegen Missbrauch und Willkür, so dass die Ermächtigungsgrundlagen unverhältnismäßig und damit verfassungswidrig sind. Voraussetzung einer effektiven Kontrolle ist es außerdem, dass die Kontrolleure selbstständig tätig werden können und umfassende und unbedingte Einsicht in den zu beurteilenden Sachverhalt haben.460 Der Zugang zu Informationen ist von grundlegender Bedeutung für die Aufgabenerfüllung der externen Kontrolleure. Ohne Informationen kann keine Kontrolle erfolgen.461 Die externen Kontrolleure sind indes maßgeblich darauf angewiesen, dass der BND ihnen Informationen über seine Tätigkeiten bereitstellt.462 Der G 10-Kommission fehlt die Möglichkeit ihre Kontrollrechte durchzusetzen und in gesamtem Umfang Informationen herauszuverlangen. Es fehlt der Kommission somit an der Möglichkeit, die ihr im Verhältnis zum BND zukommende Rolle als begleitendes Überwachungsorgan auszuführen. Dieses „Informationsgefälle“ durchzieht die bestehenden Kontrollmechanismen.463 Es gilt außerdem zu bedenken, dass diese pauschale Zurücknahme der verfassungsgerichtlichen Kontrolle hinsichtlich außenpolitischer Entscheidungen außer Acht lässt, dass auch hier Grund- und Menschenrechte zu wahren sind. Die klare Abgrenzung von außen- und innenpolitischen Sachverhalten gestaltet sich als sehr schwierig, bis unmöglich.464 Eine wesentlich eingeschränkte Kontrolle bei einem der Bereiche wirkt deshalb im Einzelfall willkürlich und damit verfassungswidrig. Hinzu kommt, dass, anders als Hailbronner dies sieht, die auswärtige Gewalt nicht mehr ausschließlich zum Gegenstand hat, die Beziehungen eines Staates nach außen zu anderen Völkerrechtssubjekten zu gestalten.465 Vielmehr muss die Exekutive auch 460 Gusy, Parlamentarische Kontrolle der Nachrichtendienste im demokratischen Rechtsstaat, ZRP 2008, 36 (39); zur Abhängigkeit der Datenschutzbeauftragten von der ordnungsgemäßen Einbindung durch Datenverwender siehe Datenschutzbeauftragte des BND Frau RDn Dr. H. F. Anhörung im NSA Untersuchungsausschuss, 12. 05. 2015, S. 14. 461 Gusy, Parlamentarische Kontrolle der Nachrichtendienste im demokratischen Rechtsstaat, ZRP 2008, 36 (39). 462 Die Unterrichtung des PKGr über die Kooperation des BND und des NSA über die Xkeyscore-Software „erfolgte erst, nachdem das PKGr aufgrund der Snowden-Veröffentlichungen explizit danach gefragt hatte“, Musharbash, Lauter Volltreffer, DIE ZEIT Ausgabe No. 35 v. 27. 08. 2015. 463 Gusy, Parlamentarische Kontrolle der Nachrichtendienste im demokratischen Rechtsstaat, ZRP 2008, 36 (39). Zur Rolle von Nichtregierungsorganisationen und nicht-staatlichen Expertenkommissionen siehe Kommissar für Menschenrechte, Democratic and effective oversight of national security services, S. 47. Vgl. auch BVerfG, Beschluss v. 20. 09. 2016 – 2 BvE 5/15 = NVwZ 2016, 1701 – 1706. 464 Wolfrum, Kontrolle der auswärtigen Gewalt, Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer Heft 56 (1997), 39 (43); teilweise wird sogar die These der Ununterscheidbarkeit von Außen- und Innenpolitik vertreten, Hailbronner, Kontrolle der auswärtigen Gewalt, Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer Heft 56 (1997), 8 (9 dort Fn. 10). 465 So aber Hailbronner, Kontrolle der auswärtigen Gewalt, Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer Heft 56 (1997), 8 (16).
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Teil 2: Schutz personenbezogener Daten bei der Auslandsaufklärung
hier den subjektiv-rechtlichen Gewährleistungsgehalt der Grundrechte beachten. Dies zeigt sich auch daran, dass das Individuum in den zwischenstaatlichen Beziehungen nicht länger bloßes Objekt ist. Zwar hat es auch nicht dieselbe Rechtsstellung wie ein Staat, doch ist das Individuum in den letzten Jahrzehnten zum partiellen Völkerrechtssubjekt aufgewertet worden.466 Da die auswärtige Gewalt dementsprechend nicht mehr ausschließlich das Verhältnis zwischen Staaten und internationalen Organisationen regelt, sondern auch das Individuum als (partielles) Subjekt einbezieht, ist es nicht länger angemessen, den Kontrollmaßstab pauschal zurückzunehmen. Vielmehr muss eine Orientierung an der Intensität der Grundrechts- und Menschenrechtseingriffe stattfinden. In diesem Sinne nimmt letztlich auch Hailbronner an, dass die Kontrollintensität zunimmt, je stärker ein Grundrecht eingeschränkt wird.467 Im Ergebnis ist festzuhalten, dass die zunehmende Vernetzung der Nachrichtendienste und die immer weitere Ausbreitung ihrer Tätigkeit nicht von den nationalen Kontrollinstitutionen aufgegriffen werden können, da die Kontrolle jeweils auf die eigenen einheimischen Nachrichtendienste beschränkt ist.468 Hinzu kommt, dass es den Kontrolleuren an Expertise und finanzieller sowie institutioneller Ausstattung fehlt.469 Eine effektive Kontrolle setzt jedoch voraus, dass „Anomalien (…) nicht nur gesehen, sondern auch verstanden werden“ können.470 In Verbindung mit den umfassenden Geheimhaltungsvorkehrungen sind Kontrollen bestenfalls ausschnittsweise erfolgsversprechend.471 „Die parlamentarischen Kontrollinstanzen sind nicht nur blinde Wächter; sie sind auch Wächter ohne Schwert.“472 Gleichzeitig gibt es Anzeichen dafür, dass immer wieder auch Daten solcher Personen erhoben werden, 466
Herdegen, Völkerrecht 11. Aufl. (2012), S. 106 f. Wolfrum sieht in diesem Bereich deshalb die parlamentarische Mitwirkung zur Wahrung des Gesetzesvorbehalts geboten, Wolfrum, Kontrolle der auswärtigen Gewalt, Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer Heft 56 (1997), 39 (41). 467 Hailbronner, Kontrolle der auswärtigen Gewalt, Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer Heft 56 (1997), 8 (21). 468 Huber, Ein Europäischer Nachrichtendienst?, NVwZ 2011, 409 (411); Zum PKGr, ZDAktuell 2016, 05093; Bericht über die Kontrolltätigkeit des PKGr, BT-Drs. 18/7962 v. 21. 03. 2016, Unterrichtung durch das Parlamentarische Kontrollgremium Bericht über die Kontrolltätigkeit gemäß § 13 des Gesetzes über die parlamentarische Kontrolle nachrichtendienstlicher Tätigkeit des Bundes (Berichtszeitraum November 2013 bis November 2015), S. 5. Dies gilt bereits für die Kontrolle innerhalb Europas, Bericht des Menschenrechtskommissars des Europarats stellt Lücke in Kontrolle/ Aufsicht über Nachrichtendienste fest, ZD-Aktuell 2015, 04715. 469 https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2014/kw41_pa_nsa/333126. 470 Gaycken, Sachverständigengutachten „IT-Infrastruktur“ NSA-Untersuchungsausschuss 19. 06. 2014, S. 2 und 9. 471 Abhängigkeit der Datenschutzbeauftragten von ordnungsgemäßer Einbindung durch Datenverwender, Datenschutzbeauftragte des BND Frau RDn Dr. H. F. Anhörung im NSA Untersuchungsausschuss, 12. 05. 2015, S. 14. 472 Gusy, Parlamentarische Kontrolle der Nachrichtendienste im demokratischen Rechtsstaat, ZRP 2008, 36 (38 f.).
D. Ergebnis Teil 2
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von denen tatsächlich keine Gefahr ausgeht und die auch objektiv unverdächtig sind.473 Der Schutzumfang stellt sich nach alledem in dieser Fallkonstellation als wesentlich geringer dar, als es das Grundkonzept vorsieht.
D. Ergebnis Teil 2 – Der Schutz personenbezogener Daten bei der Auslandsaufklärung durch Bundeswehrsoldaten Die Bedeutung des Staates als Bezugsobjekt des Völkerrechts sowie die Fähigkeit einzelner Staaten, globale Entwicklungen allein zu koordinieren, nimmt in Zeiten der Globalisierung immer stärker ab. Dennoch ist es bislang bei den rechtlichen Strukturen geblieben, nach denen die einzelnen Staaten die entsprechenden Regelungen schaffen, sei es durch nationales Recht oder durch Zustimmung zu völkerrechtlichen Verträgen.474 Nationale Regelungen schützen indes häufig nur die eigenen Staatsangehörigen.475 Doch nicht nur nationaler Schutz ist beschränkt. Auch der EGMR betonte ausdrücklich: Die Charta dürfe ihren Charakter als regionales System zum Schutz von Menschenrechten nicht verlieren.476 Anders als die 1927 im Lotus-Urteil aufgestellte Vermutung des IGH, bei fehlenden völkerrechtlichen Regelungen wäre von der Anwendbarkeit nationaler Regelungen auch außerhalb des Territoriums eines Staates auszugehen,477 ist das nationale Recht heute durch seine territoriale Bindung geprägt. Die Staatenpraxis hat sich dahingehend entwickelt, dass es für die Regelungskompetenz eines Sachverhalts eines legitimierenden Anknüpfungspunktes bedarf.478
473 Omtzigt, Council of Europe, Committee on Legal Affairs and Human Rights: Report on Mass Surveillance, v. 26. 01. 2015, Rn. C 69. 474 Eine Erweiterungen der klassischen Strukturen fand (lediglich) durch die Anerkennung der UN u. a. als Völkerrechtssubjekt statt, Hobe, Einführung in das Völkerrecht, 10. Aufl. (2014), S. 124, 129; das Völkerrecht sei von einem „territorialen Verständnis geprägt“, Krieger, Die Verantwortlichkeit Deutschlands nach der EMRK für seine Streitkräfte im Auslandseinsatz, S. 671. 475 Omtzigt, Council of Europe, Committee on Legal Affairs and Human Rights: Report on Mass Surveillance, v. 26. 01. 2015, Rn. A 10. Vgl. auch Punkt 4, § 6 BND-Reformgesetz. 476 EGMR (Bankovic ./. Belgien et al), Urteil v. 12. 12. 2001 – 52207/99, §§ 67, 71, 73. 477 IGH (The Case of the S.S. „Lotus“), Urteil v. 07. 09. 1927 – PCIJ Series A 10 (1927), S. 18 und 19; dabei wurde auf den legislativen Teil der Hoheitsgewalt abgestell, nicht auf den exekutiven Teil, Ryngaert, Jurisdiction in International Law (2008), S. 23; für einen Überblick über die Diskussion in der Literatur siehe Erberich, Auslandseinsätze der Bundeswehr und EMRK (2004), S. 8. 478 Stein / von Buttlar, Völkerrecht 13. Aufl. (2012), § 35 Rn. 606; Milanovic, From Compromise to Principle: Clarifying the Concept of State Jurisdiction in Human Rights Treaties, Human Rights Law Review 83 (2008), 411 (422); Ryngaert, Jurisdiction in International Law (2008), S. 211 ff.
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Teil 2: Schutz personenbezogener Daten bei der Auslandsaufklärung
Neben diesen territorial beschränkten Strukturen des Rechts wurden Eingriffe in das allgemeine Persönlichkeitsrecht durch Datenvorgänge bislang nur teilweise als das aufgefasst was sie sind – Eingriffe in ein ideell geformtes Schutzobjekt. Das BVerfG entwickelte vor 30 Jahren das Recht auf informationelle Selbstbestimmung, mit dem es den Eigenheiten der elektronischen Datenverarbeitung ein beträchtliches Stück begegnete. Seit dem, so scheint ist, hat sich die Behandlung der neuen informationstechnischen Entwicklungen auf diesem berühmten Volkszählungsurteil ausgeruht. So ist in der Rechtsprechung und auch in der Literatur weiterhin zu beobachten, wie etwa die Anwendbarkeit der EMRK oder auch die Frage der Grundrechtsbindung bei Datenvorgänge anhand von Kriterien entschieden wird, die den Eingriffen in physisch geformte Schutzobjekte entnommen sind. Eine hohe Anzahl von (potenziellen) Verletzungen des Persönlichkeitsrechts fallen auf diese Weise aus dem Schutzbereich der Grund- und Menschenrechte heraus und dass obwohl sie grundsätzlich als schutzwürdig eingestuft werden. So entstehen Räume, in denen kein Schutzrecht anwendbar ist. Auch Menschenrechtsverpflichtungen entfalten dadurch trotz ihres universellen Geltungsanspruchs nur eingeschränkt Wirkung.479 Parallel dazu ist es nationalen Entscheidungsgremien möglich, ohne rechtliche Konsequenzen die Überwachung des Auslands zu autorisieren.480 Insgesamt sind die völkerrechtlichen Regelungen bezüglich der Datenverarbeitung durch Nachrichtendienste noch „relativ unterentwickelt“481 und lückenhaft. Doch anstelle der Schaffung eines vermehrt internationalen Rahmens für den Datenschutz tauchen Tendenzen einer „Reterritorialisierung des Digitalen“482 auf. Die Reterritorialisierung soll Daten dadurch schützen, dass digitale Datenströme auf territorial bestimmte Rechtsräume begrenzt werden (räumliche Begrenzung von Datenpakete, Neutralität des Netzes gegenüber Inhalten, Wettbewerbsfähigkeit von TK-Unternehmen). Zur selben Zeit beschreiten die neuen Technologien eine räumlich gegenteilige Entwicklung. Sie ermöglichen Eingriffe in das Persönlichkeitsrecht durch die Ver-
479 Ob die Menschenrechte tatsächlich universell gelten, ist noch nicht abschließend geklärt. Insbesondere die Frage danach, ob dieser Geltungsanspruch ein Phänomen nur des christlichen Abendlandes ist, Ress, Supranationaler Menschenrechtsschutz und der Wandel der Staatlichkeit, ZaöRV 64 2004, 621 (622, siehe dort auch Fn. 5 mit dem Hinweis auf die These „universality does not presuppose uniformity“ von Tharoor, Are Human Rights Universal?, The World Policy journal, Vol. XVI, Nr. 1 (1999/2000). 480 So hat etwa das Foreign Intelligence Surveillance Court in den US (FISC) die Überwachung aller Länder aus vier (den anderen five eyes states) erlaubt, Omtzigt, Council of Europe, Committee on Legal Affairs and Human Rights: Report on Mass Surveillance, v. 26. 01. 2015, Rn. C 39. 481 Schaller, Kommunikationsüberwachung durch den BND, SWP-Studie S 7 (April 2016), 1 (11). 482 Büttner / Ledder / Ochs / Pittrof / Geminn / Hagendorff / Lamla, Die Reterritorialisierung des Digitalen (2016), S. 139; Hoeren, Zoning und Geolocation – Technische Ansätze zu einer Reterritorialisierung des Internet, MMR 2007, 3 (4 ff.).
D. Ergebnis Teil 2
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wendung von Daten mit geographisch unbegrenzter Reichweite.483 Rechtliche Rahmenbedingungen und Grenzverläufe sind dabei irrelevant – allein die technische Fähigkeit entscheidet darüber, ob und wie Daten übertragen und verwendet werden. Bei elektronischen Daten besteht auch die erhöhte Gefahr, dass ein Datum und die Person, auf das es sich bezieht, nicht mehr übereinstimmen, Daten vertauscht oder verändert werden. Dadurch entstehen die Gefahr der Manipulation digitaler Daten und die Gefahr, dass Daten manipuliert werden, indem ein Datum einem Menschen zugeschrieben wird, der tatsächlich nicht Träger dieses Datums ist.484 Selbst die sog. biometrischen Daten sind in ihrer Identifizierungsfähigkeit nicht gänzlich unfehlbar.485 Die richtige Zuordnung eines Datums zu der das Datum ursprünglich generierenden Person ist jedoch insbesondere in nachrichtendienstlichen Datenbanken von großer Bedeutung.486 Hinzu kommt, dass die Nachrichtendienste im Rahmen der allgemeinen Informationserhebung Algorithmen verwenden, die relevante Daten herausfiltern sollen. Diese Algorithmen treffen jedoch keine „scharfen“ Entscheidungen, sondern basieren ihre Entscheidungsfindung auf Wahrscheinlichkeits- und Vorhersagemodellen. Dadurch werden eigentlich irrelevante Daten (und die dahinterstehende Person) als relevant eingestuft.487 In Kombination mit dem Umstand, dass die Unfehlbarkeit von Daten überschätzt wird, kann dies weitreichende Konsequenzen für den Einzelnen haben.488 Gleichzeitig ist die Intensität eines Grundrechtseingriffs in den Fällen der Auslandsaufklärung beträchtlich.489 Die Erfassung in einer entsprechenden Datenbank hat weitreichende Folgen, etwa die wie Einreiseverweigerung oder die Verzögerung des Asylverfahrens. Solche Nachteile durch die Speicherung sind zwar auch bereits
483
Omtzigt, Council of Europe, Committee on Legal Affairs and Human Rights: Report on Mass Surveillance, v. 26. 01. 2015, Rn. A 3 und C 8. 484 Omtzigt, Council of Europe, Committee on Legal Affairs and Human Rights: Report on Mass Surveillance, v. 26. 01. 2015, Rn. C 59. 485 Die „Forensik kann leicht getäuscht werden“, Gaycken, Sachverständigengutachten „ITInfrastruktur“ NSA-Untersuchungsausschuss 19. 06. 2014, S. 2. 486 Scheinin, Report of the Special Rapporteur on the promotion and protection of human rights and fundamental freedoms while countering terrorism, A/HRC/14/46 v. 26. 05. 2010, S. 22. 487 Waidner, Stellungnahme zur Anhörung des NSA-Untersuchungsausschuss am 26. 06. 2014, S. 23; Gaycken, Sachverständigengutachten „IT-Infrastruktur“ NSA-Untersuchungsausschuss 19. 06. 2014, S. 3. 488 So etwa bei der Beweisführung in Gerichtsverfahren nach Weiterleitung der Daten an die Staatsanwaltschaft, Omtzigt, Council of Europe, Committee on Legal Affairs and Human Rights: Report on Mass Surveillance, v. 26. 01. 2015, Rn. A 4; European Data Protection Supervisor’s Opinion on SIS II, betreffend einen Anwalt aus den USA „who was wrongly identified as a terrorist and detained because his fingerprint successfully matched one found in the Madrid bombing“, Baldaccini, Counter-Terrorism and the EU Strategy for Border Security, European Journal of Migration and Law 10 (2008), 31 (38 dort Fn. 28). 489 Vgl. Hillenbrand, Eine verführerische Logik, Die Zeit Ausgabe No. 15 v. 31. 03. 2016.
156
Teil 2: Schutz personenbezogener Daten bei der Auslandsaufklärung
bei der Erhebung der Daten miteinzubeziehen.490 Soweit der Personenkreis der Betroffenen aufgrund objektiver Kriterien eingeschränkt ist, verringert sich das Gewicht des Eingriffs.491 So etwa, wenn Personengruppe durch objektive Merkmale wie die Wehrfähigkeit, ein Alter zwischen 14 und 49 Jahren, männliches Geschlecht und Nationalität definiert ist. Soweit ersichtlich wird allerdings das Gegenteil praktiziert, nämlich die größtmögliche Anzahl von personenbezogenen Daten von den Menschen zu generieren, die innerhalb des Gebiets leben, in dem der Einsatz stattfindet.492 Zuletzt ist nicht zu vergessen, dass der Datenschutz auch aus faktischen Gründen an Wirkung einbüßt. Gerade in Krisengebieten haben die von Datenverarbeitungen Betroffenen häufig dringendere Probleme, als den Schutz ihrer Privatsphäre durchzusetzen, falls sie insoweit überhaupt Kenntnis von ihren Rechten haben. Da sich die Bundesregierung gleichzeitig nicht in der Pflicht sieht, den Grundrechtsschutz auf andere als die deutschen Staatsbürger zu erstrecken, solange sie sich außerhalb des deutschen Territoriums aufhalten, werden die Interessen der Betroffenen von niemandem vertreten.493 Das bedeutet, dass selbst bei einer Auslandsaufklärung durch deutsche Soldaten, bei der Hoheitsgewalt ausgeübt wird, die Menschenrechtsverträge sowie die Grundrechte also anzuwenden wären, der Datenschutzes aber faktisch unangewendet bleibt. Zusammenfassend ist festzustellen, dass die Schutzregelungen sowohl der Grundals auch der Menschenrechte ihren territorialen Bezug bislang nicht überwunden haben.494 Das grund- und menschenrechtliche „Grundkonzept (…) aus der Postkutschenzeit“ wurde bislang noch nicht an die „neue Realität“ angepasst.495 Die Frage der Anwendbarkeit und der gewährte Schutzumfang dieser Rechte erscheinen mehr denn je eine Frage von „moral choice“ zu sein.496 Die wachsenden Möglichkeiten der Datenverarbeitung haben die „Verwirklichungsbedingungen für das
490
Vgl. BVerfGE 100, 313 (375 f.). Zur Berücksichtigung der zukünftiger Verknüpfungsmöglichkeiten BVerfGE 115, 320 (342); BVerfGE 65, 1 (48). 491 Vgl. BVerfGE 100, 313 (375 f.). 492 U.S. Center for Army Lessons Learned, Commander’s Guide to Biometrics in Afghanistan (April 2011), S. 30 f. 493 Dazu Abschnitt A. II. 1. a) bb) (4). 494 Die territoriale Anknüpfung gelte als Normalfall der Grundrechtsanwendung, Becker, in: Isensee / Kirchhof, HStR Band XI (2013), § 240 Rn. 2; Meyer-Ladewig, in: Meyer-Ladewig, EMRK 3. Aufl. (2011), Art. 1 EMRK Rn. 5 und 7. 495 Hoffmann-Riem, Öffentliche Anhörung Sachverständiger Papier / Hoffmann-Riem / Bäcker im NSA-Untersuchungsausschuss v. 22. 05. 2014, S. 11. „[G]egenwärtig ist das Bemühen die Grundrechte auch im Zeitalter von Internet, Smartphones und sozialen Netzwerken durchzusetzen, sehr überschaubar – was zum einen an der transnationalen Organisation der Internetkonzerne, zum anderen an der Veränderungsgeschwindigkeit der Netzkommunikation liegt.“, Welzer, Schluss mit der Euphorie!, Die Zeit Ausgabe No. 18 v. 27. 04. 2017. 496 Milanovic, Human Rights Treaties and Foreign Surveillance: Privacy in the Digital Age, Harv. Intl. Law J., Vol. 56 No. 1 (2015), 81 (93).
D. Ergebnis Teil 2
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Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung“ grundlegend verändert.497 Infolgedessen entfaltet der Datenschutz in diesem Bereich kaum Wirkung.
497 Da die Grundprinzipien des Datenschutzes aus den 1970er-Jahren stammen, wird allgemein eine risikoadäquate Fortentwicklung verlangt, Roßnagel, Modernisierung des Datenschutzrechts für eine Welt allgegenwärtiger Datenverarbeitung, MMR 2005, 71 (71).
Teil 3
Vorschläge zur Verbesserung des Datenschutzes bei der Auslandsaufklärung Personenbezogene Daten sind aus unserer Welt nicht mehr wegzudenken. Sie sind auch ein wesentlicher Teil der Auslandsaufklärung. Die nachrichtendienstliche Datennutzung hat großes Potenzial einen Mehrwert für unsere Gesellschaft darzustellen. Dies jedoch nur solange, wie die Auslandsaufklärung nicht in eine Totalüberwachung mündet oder die Daten in willkürlicher oder missbräuchlicher Weise verwendet werden, so dass der Einzelne infolgedessen sein Persönlichkeitsrecht nicht mehr verwirklichen kann. In diesem Sinne betonte das BVerfG, dass das Ziel, Sicherheit zu schaffen von freiheitsrechtlichen Eingriffen konturiert werde – nicht umgekehrt.1 Ein rechtlicher Rahmen kann die Gefährdungssituationen, die sich aus der nachrichtendienstlichen Überwachung für das Persönlichkeitsrecht bzw. das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ergeben, aufgreifen und zu einem angemessenen Ausgleich mit den Sicherheitsinteressen, die mit der Auslandsaufklärung verfolgt werden, bringen. Der bestehende rechtliche Rahmen ist indes defizitär. Die folgenden Vorschläge zur Verbesserung des Datenschutzes haben nicht zum Ziel, die Auslandsaufklärung zu verhindern, sondern ihr lediglich einen angemessenen rechtlichen Rahmen zu geben, der die Durchsetzung dieses Interessenausgleichs zu gewährleisten vermag. Die Ausführungen zur Verbesserung orientieren sich am Konzept der Evaluierung von Gesetzesvorhaben. Dieser Begriff bzw. das dahinterstehende Konzept umfasst nicht nur die Rechtmäßigkeit eines Gesetzes, sondern auch die entstehenden Kosten sowie Akzeptanzerwägungen.2 Eine vollständige Übernahme der Evaluierungstatbestände ist in dieser Arbeit zwar nicht zu leisten, die Arbeit orientiert sich aber an den rechtlichen Bewertungskriterien der Gesetzesevaluation wie der Verfassungsmäßigkeit, der Effektivität sowie den Neben- und Folgeeffekten.3 Mit der Prüfung einer normativen Regelung eines bestimmten Sachverhalts nimmt das BVerfG mit
1
Vgl. BVerfGE 115, 320 (364); 133, 277 (322); 65, 1, (54). Debus / Piesker, Ex-post Gesetzesevaluation zur Ermittlung datenschutzrechtlicher Folgen in Gusy, Evaluation von Sicherheitsgesetzen (2015), 193 (200). 3 Zu dem vollständigen Kriterienkatalog bei der Evaluation von Sicherheitsgesetzen siehe Debus / Piesker, Ex-post Gesetzesevaluation zur Ermittlung datenschutzrechtlicher Folgen, in: Gusy, Evaluation von Sicherheitsgesetzen (2015), 193 (200 f.). 2
A. Anwendungsbereich von Grund- und Menschenrechten
159
den Worten Engels ein „policy assessment“ vor.4 Danach setzt das Gericht seine eigenen Erwägungen nicht einfach anstelle der Erwägungen des Gesetzgebers, sondern knüpft an die politische Gesetzesbegründung an. Hiervon ausgehend evaluiert es die verfassungsrechtlichen Implikationen der Regelung. Aus Sicht der verfassungsrechtlichen Kontrolle eines Gesetzes steht dabei die Korrektur politischer Fehlentscheidungen zu Lasten von Minderheiten im Vordergrund der Verhältnismäßigkeitsprüfung.5 Minderheiten im hiesigen Zusammenhang sind diejenigen Personen, deren Daten im Rahmen der Auslandsaufklärung erhoben werden. Diese Gruppe wird bereits dadurch marginalisiert, dass die Nachrichtendienste sie ins Visier nehmen. Eine besondere Berücksichtigung ihrer Interessen nimmt der Gesetzgeber angesichts der potentiellen Gefahr für die nationale Sicherheit bislang kaum vor. Dies wird dadurch erkennbar, dass er der Verwaltung erhebliche Konkretisierungsspielräume überlässt, die sich negativ auf das Schutzniveau auswirken.6 Deshalb sind im Rahmen der verfassungsrechtlichen Kontrolle im Sinne einer Politikevaluierung die Interessen dieser Gruppe besonders zu berücksichtigen. In diesem Sinne fasst der dritte Teil der Arbeit, ausgehend von den Ergebnissen des Teil 2, fünf Bereiche des Datenschutzes auf, innerhalb derer Verbesserungspotenzial für den Datenschutz im Bereich der Auslandsaufklärung gesehen wird: die erweiterte Auslegung des Anwendungsbereichs von Grund- und Menschenrechten auf extraterritoriale Datenvorgänge (dazu Abschnitt A.), das Konzept der parallelen Zurechnung im Rahmen multinationaler Kooperationen (dazu Abschnitt B.), die eingeschränkte Verwendung von Daten, die von Dritten rechtswidrig erhoben wurden (dazu Abschnitt C.), einfachgesetzliche Verfahrensanforderungen zur Umsetzung des verfassungsrechtlichen Datenübermittlungsverbots (dazu Abschnitt D.), Ansätze zur Effektivierung der Kontrolle von Nachrichtendiensten (dazu Abschnitt E.) sowie die Verbesserung des technischen Datenschutzes (dazu Abschnitt F.).
A. Erweiterte Auslegung des Anwendungsbereichs von Grund- und Menschenrechten auf extraterritoriale Datenvorgänge Entgegen grundlegender menschenrechtlicher Wertungen wird der Anwendungsbereich der Menschenrechte auf eine Art und Weise ausgelegt, die es nicht zulässt, neue Formen der Datenverarbeitung, wie etwa bei der Auslandsaufklärung,
4
Engel, The Constitutional Court – Applying the Proportionality Principle – as a Subsidiary Authority for the Assessment of Political Outcomes, in: Engel / Hértier, Linking Politics and Law (2003), 285 (308). 5 Petersen, Verhältnismäßigkeit als Rationalitätskontrolle (2015), S. 28. 6 Dazu Teil 2 C. II. 3. b).
160
Teil 3: Verbesserung des Datenschutzes bei der Auslandsaufklärung
aufzugreifen.7 Ein Grund dafür ist, dass die Auslegung des extraterritorialen Anwendungsbereichs anhand von Fällen definiert wurde, die sich innerhalb territorial begrenzter staatlicher Aktivitäten abspielten und zu einem Großteil physische Schutzobjekte zum Gegenstand hatten. Die Lebensumstände, unter denen personenbezogene Daten erhoben und verarbeitet werden, haben sich jedoch seit der Formulierung eines territorial beschränkten Anwendungsbereichs der Menschenrechte erheblich verändert (dazu Abschnitt I.). Zu den in diesem Sinne antiquierten Formulierungen gehört insbesondere die territoriale, auf das Staatsgebiet fokussierte Anwendung der EMRK (dazu Abschnitt II.). Datenschutz geht außerdem von einem ideell geprägten Schutzobjekt aus, bei dem geographische Grenzen kaum eine Rolle spielen. Entscheidet sich die extraterritoriale Anwendung weiterhin an Kriterien, die sich an physischen Schutzgegenständen orientieren (dazu Abschnitt II. 1. und Teil 2 A. II. 1. a) und Teil 2 B. II. 1. a)), können ideell geformte Schutzbereiche wie der des Datenschutzes bzw. der Privatsphäre regelmäßig nicht erfasst werden (dazu Abschnitt II. 2. und Teil 2 A. II. 1. a) bb) (4)). Insbesondere der Schutz bei nachrichtendienstlicher Auslandsaufklärung ist deshalb durch den eingeschränkten Anwendungsbereich beeinträchtigt. Um einen effektiven Schutz des Rechts auf Privatsphäre aus Art. 8 Abs. 1 EMRK und Art. 17 IPbpR zu gewährleisten, muss die Auslegung ihres Anwendungsbereichs nach Art. 1 EMRK bzw. Art. 2 Abs. 1 IPbpR erweitert und an die neuen Lebensumstände, insb. an die Besonderheiten von Datenvorgängen, angepasst werden. Ob und inwieweit die derzeitigen Regeln in einer Weise ausgelegt werden können, dass sie Datenvorgänge erfassen, entscheidet sich anhand zweier Faktoren: Zunächst hängt das Datenschutzniveau davon ab, in welchem Ausmaß Datenvorgänge, die beinahe stets einen Auslandsbezug aufweisen, überhaupt als extraterritoriale Sachverhalte eingeordnet werden. Die Ansätze zur Qualifizierung eines Sachverhalts als extraterritorial in Rechtsprechung und Literatur (dazu II. 1. a) aa) und bb)) sind uneinheitlich, so dass bislang Rechtsunsicherheiten diesbezüglich bestehen. Deshalb wird ein eigener Ansatz zur Definition von Hoheitsgewalt vorgestellt (dazu II. 2. b)). Darüber hinaus verlangen die Besonderheiten der Datenerhebung, dass der Begriff „Hoheitsgewalt“ aus Art. 1 EMRK und Art. 2 Abs. 1 IPbpR in den verbleibenden extraterritorialen Sachverhalten weiter ausgelegt wird, als dies zur Zeit getan wird, um auch Eingriffe in ideell geformte Schutzobjekte, wie Datenvorgänge, erfassen zu können (dazu III.).
7
Die extensive Auslegung fokussiert sich insbesondere auf die Menschenrechtsverträge. Bei den Grundrechten ist keine vergleichbare Anwendungsklausel ersichtlich. Der Wortlaut des Art. 1 Abs. 3 GG enthält keine territoriale Einschränkung. Deshalb liegt der Schwerpunkt hier auf der Auslandsfähigkeit des jeweiligen Grundrechts in Kombination mit einem gewissen Inlandsbezug.
A. Anwendungsbereich von Grund- und Menschenrechten
161
I. Datenverarbeitung durch Nachrichtendienste im 21. Jahrhundert Der Gebrauch von Daten, im Folgenden auch als „Datenvorgang“ bezeichnet, hat sich im Vergleich zu der Zeit, in der der Datenschutz erstmals in den Grund- und Menschenrechten aufgenommen wurde, erheblich verändert. Der Begriff „Datenvorgang“ wird in dieser Arbeit als Oberbegriff für jeglichen Gebrauch personenbezogener Daten verwendet. Datenvorgänge beziehen sich somit auf die einzelnen Umgangsformen mit Daten, mithin darauf, Daten zu erheben, zu speichern, zu bearbeiten, zu verändern und zu löschen sowie zu übermitteln. Jede dieser Aktivitäten stellt aus verfassungsrechtlicher und auch menschenrechtlicher Perspektive eine eigenständig zu bewertende (potentielle Eingriffs-)Handlung dar.8 Zu Beginn der Verarbeitung personenbezogener Daten fand diese manuell und mit Hilfe einzelner Rechner statt, die nicht untereinander über ein Intranet verbunden waren.9 Mittlerweile werden die Daten automatisiert mithilfe von Großrechner verarbeitet, die untereinander verbunden sind, so dass die Daten leicht ausgetauscht und für eine Vielzahl von Zwecken verwendet werden können. Personenbezogene Daten sind die Grundlage für fast alle Bereiche des öffentlichen Lebens geworden. Dies gilt auch für die Arbeit der Nachrichtendienste. Aufgrund der weltweit vernetzten technischen Strukturen spielen sich auch die Datenvorgänge der Nachrichtendienste grenzüberschreitend ab.10 Auch die Auslandsaufklärung findet sowohl auf dem eigenen als auch auf dem Territorium anderer Staaten, mithin überall statt.11 Die territorial ungebundenen Daten können unabhängig von der Person bestehen, auf die sich beziehen, und den Möglichkeiten, sie weiterzuverarbeiten, zu nutzen oder zu übermitteln, sind faktisch lediglich technische Grenzen gesetzt. Diese Eigenständigkeit des Datums hat zur Folge, dass der Aufenthaltsort der Person und der Belegenheitsort des Datums regelmäßig auseinanderfallen. Die leichte Übertragbarkeit der personenbezogenen Daten machen sich auch die Kooperationen zwischen den Nachrichten verschiedener Staaten zunutze.12 Diese Kooperationen haben in den vergangenen Jahren dazu geführt, dass große Mengen an personenbezogenen Daten zwischen den Staaten ausgetauscht wurden, befördert durch eine Vielzahl bilateraler Abkommen über nachrichtendienstliche Zusammenarbeit.13 Dementsprechend richten sich auch die Eingriffe in das Persönlichkeitsrecht oder das Fernmeldege8 BVerfGE 115, 320 (343); vgl. BVerfGE 100, 313 (363); EGMR (S. und Marper ./. Großbritannien), Urteil v. 04. 12. 2008 – 30562/04 u. a., § 67. 9 Vgl. BVerfGE 65, 1 (17, 42). 10 In der „völlige(n) Auflösung der Grenzen“ wird ein grundsätzliches Problem für das herkömmliche Recht gesehen, Müller / Christensen, Juristische Methodenlehre – Europarecht, Bd. 2, 3. Aufl. (2012), Rn. 475. 11 BVerfGE 100, 313 (378 f.). 12 Zu den „Five Eyes“-Staaten gehören Großbritannien, USA, Kanada, Neuseeland und Australien. 13 Siehe oben Teil 1 B. I. 1.
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Teil 3: Verbesserung des Datenschutzes bei der Auslandsaufklärung
heimnis nicht an geographischen Grenzen aus. Das Schutzbedürfnis desjenigen, dessen Daten erhoben werden, beschränkt sich nicht auf bestimmte räumliche Bereiche. Im Inland sowie im Ausland, kurz: überall, besteht die Möglichkeit einer Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts bzw. der Privatsphäre gleichermaßen.14 Das nationale Recht sowie die vornehmlich territorialbezogenen Menschenrechte verlieren ihre Steuerungsfunktion.15 Aus menschenrechtlicher Perspektive ist außerdem die Entwicklung zwischenstaatlicher Spionage von Interesse. Spionage betraf seit je her das Verhalten von Staaten. Die Staaten hatten kein Interesse an der völkerrechtlichen Regelung von derartigen Aktivitäten, da alle sich solcher Maßnahmen bedienten (und bedienen). Bis heute ist die Spionage weder ausdrücklich erlaubt, noch besteht ein vertragliches oder ein aus Völkergewohnheitsrecht abgeleitetes Spionageverbot. Das Völkerrecht steht der Spionage vielmehr neutral gegenüber.16 Ausgehend davon, dass Spionage ursprünglich ausschließlich zwischenstaatlich eingesetzt wurde, war sie bislang auch nicht in menschenrechtlichen Fragestellungen zu finden.17 Die nachrichtendienst14 Mit der „Expansion und Verlagerung von Hoheitsgewalt“ geht auch eine Änderung der grund- und menschenrechtlichen Schutzrichtung einher, Giegerich, Grund- und Menschenrechtsschutz im globalen Zeitalter: Neubewertung ihrer territorialen, personalen und internationalen Dimension in Deutschland, Europa und den USA, EuGRZ 2004, 758 (758). 15 Rechtssysteme sind bislang weiterhin geographisch angebunden. Diese Anbindung beruht auf der geographischen Nähe des Betroffenen zu der gesetzgebenden Instanz, so dass die Regelungen (nur) eine bestimmte territoriale Reichweite haben. Dies gilt auch für die Regeln, die sich auf den Schutz von personenbezogenen Daten beziehen, Perrey, Gefahrenabwehr und Internet (2003), S. 202. Als Teil der Diskussion um den „Normbereich“ von Gesetzen greifen Müller / Christensen diese veränderten Anwendungsbedingungen des Rechts auf. Dabei stellen sie weitergehende Überlegungen zu neuen Formen von Partizipationsgesellschaften an, innerhalb derer es auch zu einer generellen Verschiebung von Machtverhältnissen kommt. Die Möglichkeiten des Internets führen ihrer Ansicht nach dazu, dass es in Zukunft keine einzelne Regierung mehr geben wird, sondern viele virtuelle Interessensgruppen, die völlig unabhängig vom geographischen Wohnort agieren, Müller / Christensen, Juristische Methodenlehre – Europarecht, Bd. 2, 3. Aufl. (2012), Rn. 470. 16 BVerfGE 92, 277 (332). So auch die herrschende Auffassung in der Literatur, siehe nur Kunig, in: Vitzthum / Proelß, Völkerrecht 7. Aufl. (2016), 2. Abschnitt Rn. 154; Doehring, Völkerrecht, 2. Aufl. (2004), Rn. 1159; Ewer / Thienel, Völker-, unions- und verfassungsrechtliche Aspekte des NSA-Datenskandals, NJW 2014, 30 (31); kritischer noch Simma / Volk, Der Spion, der in die Kälte kam – Zur BGH-Entscheidung über die Strafbarkeit der DDRSpionage, NJW 1991, 871 (871 f.); Hoffmann-Riem, Öffentliche Anhörung Sachverständiger Papier / Hoffmann-Riem / Bäcker im NSA-Untersuchungsausschuss v. 22. 05. 2014, S. 13 f.; Bäcker, Stellungnahme zur Anhörung des NSA-Untersuchungsausschuss, 22. 05. 2014, S. 21 ff.; a.A. Peters, Spionage sei nicht erlaubt, sondern Verstoß gegen das Interventionsverbot und den good faith-Grundsatz, Peters, Surveillance without borders, abrufbar unter http://www. ejiltalk.org/surveillance-without-borders-the-unlawfulness-of-the-nsa-panopticon-part-i/ (zuletzt abgerufen am 21. 05. 2017); bislang ungeklärt ist, ob das „virtuelle Einbrechen“ in Computer und Systeme als Verletzung des Interventionsverbots zu werten ist, Schaller, Kommunikationsüberwachung durch den BND, SWP-Studie S 7 (April 2016), 1 (9). 17 Aust, Stellungnahme zur Sachverständigenanhörung am 05. 06. 2014 des 1. UA der 18. Wahlperiode des Deutschen Bundestags, Ziff. 4.
A. Anwendungsbereich von Grund- und Menschenrechten
163
liche Tätigkeit hat sich in den letzten Jahren allerdings dahingehend entwickelt, dass Gegenstand der Spionagetätigkeit nicht mehr ausschließlich andere Staaten sind. Vielmehr ist die einzelne Person in den Fokus der Nachrichtendienste gerückt. Dadurch, dass Spionage heute in großem Maße auf die Daten von Privatpersonen zugreift und somit eine neue Qualität erhalten hat, entwickelte sich ein neuartiges menschenrechtliches (Schutz-)Interesse.18 Spionage ist nicht länger eine Domäne unter Staaten, sondern betrifft massiv die Zivilbevölkerung.19 Soweit die Menschenrechte Anwendung finden, greift das Argument, Spionage sei völkerrechtlich eine Unbedenklichkeit, nicht länger. Der veränderte Fokus der Spionage ist bei der Auslegung des Anwendungsbereichs der Menschenrechte zu berücksichtigen, um deren Schutzfunktion gerecht werden zu können.
II. Extraterritoriale Datenvorgänge als Rechtsbegriff Datenvorgänge im Rahmen der Auslandsaufklärung finden Großteiles extraterritorial statt. Extraterritorialität im Zusammenhang mit den Menschenrechtsverträgen bezieht sich nicht nur auf den tatsächlichen Umstand, dass ein Sachverhalt außerhalb des eigenen Territoriums gelegene ist. Extraterritorialität impliziert vielmehr auch, dass gesondert zu begründen ist, ob und in welcher Form ein Staat Hoheitsgewalt ausübt. Denn nur wenn ein Staat Hoheitsgewalt im Sinne des Art. 1 EMRK bzw. Art. 2 Abs. 2 IPbpR ausübt, sind diese Menschenrechte anwendbar. Betrachtet man die extraterritoriale Datenverwendung genauer, stellt sich die Frage nach dem Bezugspunkt der Extraterritorialität. Bei Datenvorgängen besteht die Besonderheit, dass sich die Hoheitsgewalt auf mehrere Schutzobjekte beziehen kann: auf den Menschen, dessen Daten erhoben werden, sowie auf das Datum, das erhoben und verarbeitet wird. Die bisher zur Extraterritorialität behandelten Sachverhalte hatten hingegen die Verletzung der körperlichen Integrität und des Lebens zum Gegenstand. Bei diesen Menschenrechtseingriffen ist der Aufenthaltsort des Menschen und der Handlungsort des Staates regelmäßig derselbe, weshalb sich die Frage danach, ob sich die Extraterritorialiät auf den Menschen oder auf die Handlung bezieht bzw. danach, wie ein Auseinanderfallen dieser Orte zu behandeln ist, nicht
18
Ein Ansatz einer solchen Regelung war in dem „No-Spy“-Abkommen zwischen Deutschland und den USA zu sehen, das allerdings bislang nicht abgeschlossen wurde, Talmon, Sachverständigengutachten NSA-Untersuchungsausschuss, 02. 06. 2014, Ziff. 59. 19 Schaller, Kommunikationsüberwachung durch den BND, SWP-Studie S 7 (April 2016), 1 (37). Insbesondere Telekommunikationskonzerne spiele eine entscheidende Rolle in der nachrichtendienstlichen Überwachung. In diesem Sinne hat auch die Generalversammlung der UN am 21. 11. 2016 eine Draft Resolution on The right to privacy in the digital age, (21. 11. 2016), A/C.3/71/L.39/Rev.1 verabschiedet; dazu Falchetta, How to Bridge the Gap? Corporate and Government Surveillance Examined at the UN v. 07. 12. 2016, abrufbar unter http://www. ejiltalk.org/how-to-bridge-the-gap-corporate-and-government-surveillance-examined-at-the-un/ (zuletzt abgerufen am 21. 05. 2017).
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Teil 3: Verbesserung des Datenschutzes bei der Auslandsaufklärung
stellte. Bei Datenvorgängen fallen die zwei Bezugspunkte Datum bzw. Handlungsort und Aufenthaltsort des Menschen regelmäßig auseinander. Die Wahl des Bezugspunktes ist deshalb relevant, da anhand des Bezugspunkts entschieden wird, ob ein Sachverhalt territorialer oder extraterritorialer Natur ist. Danach wiederum richtet sich, ob der Anwendungsbereich der EMRK ohne Weiteres oder nur bei Vorliegen weiterer Voraussetzungen eröffnet ist. In einem Inlandsfall stellt sich die Frage nach der Hoheitsgewalt nicht. Über das Territorialitätsprinzip wird regelmäßig unterstellt, dass ein Staat in seinem Staatsgebiet Hoheitsgewalt im Sinne des Art. 1 EMRK ausübt. Ist der Sachverhalt extraterritorialer Natur, müssen andere Kriterien als die Anwendung der EMRK begründen. Der Begriff Extraterritorialität wird deshalb lediglich dafür verwendet, solche Fälle, in denen gesondert begründet werden muss, ob bzw. wodurch der Vertragsstaat Hoheitsgewalt ausgeübt hat, zu beschreiben. Der Bezugspunkt der Hoheitsgewalt ist gleichzeitig der Bezugspunkt der Extraterritorialität, weil diese nur einen besonderen Fall – die begründungsbedürftige Hoheitsgewalt – darstellt. Wegen dieser Begründungsbedürftigkeit von Hoheitsgewalt in extraterritorialen Sachverhalten ist das Datenschutzniveau insgesamt geringer, je häufiger Datenvorgänge als extraterritorial eingestuft werden. Insofern wirkt es sich auf das Schutzniveau aus, ob der Begriff „Extraterritorialität“ weit oder eng ausgelegt wird. Wählt man den Menschen als Bezugspunkt der Hoheitsgewalt, dann kommt es für das Vorliegen von Extraterritorialität darauf an, ob der Aufenthaltsort dieser Person im Inland oder im Ausland liegt. Wählt man hingegen das personenbezogene Datum als Bezugspunkt, dann kommt es für das Vorliegen von Extraterritorialität darauf an, ob das Datum im Inland oder im Ausland belegen ist. Da jeder Umgang mit Daten, sogar die bloße Speicherung eines Datums, als datenrelevante Handlung qualifiziert wird, geht es bei dem Bezugspunkt Datum letztlich um den Ort, an dem auf das Datum eingewirkt werden kann, mithin um den Handlungsort der staatlichen Stelle. Rechtsprechung und Literatur orientieren sich maßgeblich am Aufenthaltsort des Betroffenen als Bezugspunkt dafür, einen Sachverhalt als extraterritorial einstufen (dazu Abschnitt 1. a)). Da dieser Bezugspunkt jedoch wesentliche Besonderheiten der Datenvorgänge nicht aufzugreifen vermag und die Definitionen im Übrigen sehr uneinheitlich sind, wird eine eigene Definition für „Extraterritorialität“ vorgestellt, die den Handlungsort als Bezugspunkt wählt (dazu Abschnitt 2. b)). 1. Definition „Extraterritoriale Sachverhalte“ in Rechtsprechung und Literatur Die Rechtsprechung bezieht sowohl den Aufenthaltsort, als auch den Handlungsort ein, um extraterritoriale Sachverhalte als solche zu definieren (dazu Abschnitt a) aa)). Überträgt die Literatur die Rechtsprechungskriterien auf die moderne Datenverarbeitung oder ähnliche Fälle, tendiert sie dazu, den Aufenthaltsort des Betroffenen als maßgeblich dafür anzusehen, ob ein Sachverhalt extraterritorialer
A. Anwendungsbereich von Grund- und Menschenrechten
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Natur ist (dazu Abschnitt a) bb)), vereinzelt spielt auch die Staatsangehörigkeit des Betroffenen eine Rolle (dazu Abschnitt b)). a) Aufenthaltsort und Handlungsort Der EGMR unterscheidet in seiner Rechtsprechung zur extraterritorialen Anwendung der EMRK soweit ersichtlich nicht zwischen Aufenthaltsort und Handlungsort. In Bezug auf Datenvorgänge wird die Maßgeblichkeit des Handlungsorts jedenfalls nicht ausgeschlossen (dazu Abschnitt aa)). Die Anwendung dieser Kriterien durch die Literatur auf Datenvorgänge lässt die Tendenz erkennen, dass der Aufenthaltsort der betroffenen Person eine entscheidende Rolle bei der Beurteilung von Extraterritorialität in der derzeitigen Auslegung spielt (dazu Abschnitt bb)). aa) Rechtsprechung des EGMR In der Rechtsprechung des EGMR, die sich explizit mit der extraterritorialen Anwendung der EMRK beschäftigt, fallen der Aufenthaltsort der betroffenen Person und der Handlungsort des Staates zusammen.20 Die Entscheidungen enthalten deshalb keine Anhaltspunkte, um die Frage danach, welcher Ort ausschlaggebend für die Einordnung als extraterritorialer Sachverhalt ist, zu beantworten. Davon ausgehend könnte theoretisch der Handlungsort maßgeblich sein.21 Im Zusammenhang mit Datenvorgängen dürfen zusätzlich zu den Entscheidungen zur extraterritorialen Anwendung der EMRK die beiden Entscheidungen des EGMR zur nachrichtendienstlichen Auslandsüberwachung, Weber u. Saravia und Liberty, nicht unberücksichtigt bleiben, obwohl die Entscheidungen selbst den Aspekt der Extraterritorialität gar nicht erwähnen. Diese Entscheidungen waren bereits Gegenstand der Betrachtung in Teil 2 dieser Arbeit, sollen aber hier noch einmal unter dem Aspekt möglicher Auslegungsvarianten der Urteile aufgegriffen werden. 20 EGMR (Ilich Sanchez Ramirez ./. Frankreich), Kommissionsentscheidung v. 24. 06. 1996 – 28780/95, S. 161; EGMR (Loizidou ./. Türkei), Urteil v. 18. 12. 1996 – 15318/89, § 56; EGMR (Zypern ./. Türkei), Urteil v. 10. 05. 2001 – 25781/94, § 76; EGMR (Bankovic ./. Belgien et al), Urteil v. 12. 12. 2001 – 52207/99, § 82; EGMR (Ilascu et a. ./. Moldavien und Russland), Urteil v. 08. 07. 2004 – 48787/99, §§ 392 f.; EGMR (Issa et al ./. Türkei), Urteil v. 16. 11. 2004 – 31821/96, § 82; EGMR (Öcalan ./. Türkei), Urteil v. 12. 05. 2005 – 46221/99, § 91; EGMR (Mansur PAD et. al ./. Türkei), Zulässigkeitsentscheidung v. 28. 07. 2007 – 60167/00, § 54; EGMR (Medvedyev et al ./. Frankreich), Urteil v. 29. 03. 2010 – 3394/03, § 67; EGMR (AlSadoon u. Mufdhi ./. Großbritannien), Urteil v. 04. 10. 2010 – 61498/08, § 164 f.; EGMR (AlJedda ./. Großbritannien), Urteil v. 07. 07. 2011 – 27021/08, § 85 f.; EGMR (Hassan ./. Großbritannien), Urteil v. 16. 09. 2014 – 29750/09, § 75; EGMR (Catan et al ./. Moldavien und Russland), Urteil v. 19. 05. 2012 – 43370/04 u. a., § 122; EGMR (Jaloud ./. Niederland), Urteil v. 20. 11. 2014 – 47708/08, § 152; EGMR (Chiragov et al ./. Armenia), Urteil v. 16. 06. 2015 – 13216/05, §§ 96, 168. 21 Zur Unterscheidung des Ortes, an dem die Bundesrepublik Hoheitsakte initiiert, und dem Ort, an dem diese Akte Wirkung entfalten, siehe Elbing, Zur Anwendbarkeit der Grundrechte bei Sachverhalten mit Auslandsbezug (1992), S. 50.
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Teil 3: Verbesserung des Datenschutzes bei der Auslandsaufklärung
In Liberty war Gegenstand der Klage, dass Großbritannien die transatlantischen Telekommunikationskabel anzapfte. Das Anzapfen selbst fand dabei auf dem Gebiet Großbritanniens statt. Der Gerichtshof erklärte Liberty für zulässig, ohne die extraterritorialen Aspekte auch nur zu erwähnen.22 Dies könnte dafür sprechen, dass der EGMR vom Handlungsort im Inland (in Großbritannien) darauf schloss, dass ein regulärer Inlandsfall vorlag.23 Explizite Äußerungen machte der Gerichtshof diesbezüglich allerdings nicht. Ebenso wenig lässt sich dem Schweigen des Gerichtshofs zu den extraterritorialen Aspekten in Weber u. Saravia eindeutig entnehmen, dass der Handlungsort maßgebliches Kriterium für die Zulässigkeit der Klage war. Gegenstand der Betrachtungen war hier nicht der Exekutivakt „Auslandsüberwachung“. Weil eine solche Überwachung im konkreten Fall nicht nachgewiesen werden konnte, der Gerichtshof dennoch den Schutz der EMRK gewähren wollte, stellte er auf den Legislativakt ab, der zu der Auslandsüberwachung ermächtigte.24 Dessen Handlungsort war selbstverständlich im Inland belegen. Da aber die eigentliche Datenerhebung nicht Gegenstand der Betrachtung war, und zur Extraterritorialität aus prozessökonomischen Gründen keine Aussagen gemacht wurden, können dieser Entscheidung ebenfalls keine gesicherten Anhaltspunkte für die hier aufgeworfene Definitionsfrage entnommen werden.25 bb) Rezeption der Rechtsprechung durch die Literatur Im Interesse eines umfassenden Menschenrechtsschutzes wäre angesichts dessen, dass der EGMR in Weber u. Saravia auf die Ermächtigungsgrundlage abstellte, außerdem zu erwarten gewesen, dass die Literaturansichten, die eine Anwendung der EMRK grundsätzlich befürworten, in nachfolgenden Fällen ebenfalls gleichermaßen „alternativ“ zur eigentlichen Überwachung auf deren Ermächtigungsgrundlage abstellen. Dies ist soweit ersichtlich bislang allerdings nicht geschehen. Vielmehr versuchen einzelne Autoren, die klassischen Kriterien für eine extraterritoriale Anwendung – territorial- und personenbezogenen Kontrolle – auf die Datenvorgänge anzuwenden. So möchte Schaller auf den Standort der technischen Anlage abstellen, mittels derer der BND die Telekommunikation überwacht.26 Andere halten in diesem 22
EGMR (Liberty ./. Großbritannien), Urteil v. 01. 07. 2008 – 58243/00, § 55. In diesem Sinne legt auch Aust die Entscheidung aus, Aust, Stellungnahme zur Sachverständigenanhörung am 05. 06. 2014 des 1. UA der 18. Wahlperiode des Deutschen Bundestags, Ziff. 30. 24 EGMR (Weber u. Saravia/ Deutschland), Entscheidung v. 29.06. 2006 – 54934/00, § 78. 25 So auch Aust, Stellungnahme zur Sachverständigenanhörung am 05. 06. 2014 des 1. UA der 18. Wahlperiode des Deutschen Bundestags, Ziff. 32. Die Klage wurde aus anderen Gründen für unzulässig erklärt, EGMR (Weber u. Saravia/ Deutschland), Entscheidung v. 29.06. 2006 – 54934/00, § 72. 26 Schaller, Kommunikationsüberwachung durch den BND, SWP-Studie S 7 (April 2016), 1 (36). 23
A. Anwendungsbereich von Grund- und Menschenrechten
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Sinne auch den Ort der Erfassungsgeräte für die Datenerhebung an Kabelverbindungen für maßgeblich.27 Über die technische Anlage bzw. das Erfassungsgerät soll eine territoriale Verbundenheit hergestellt werden, mit der die Anwendbarkeit der (Grund- und) Menschenrechte begründet werden kann. Offen bleibt allerdings, wie diese territoriale Verbundenheit ausgestaltet sein soll. Ist eine feste dauerhafte Verbindung mit dem Erdboden im Sinne eines Bauwerkes erforderlich? Oder reicht eine irgendwie geartete physische Manifestation der Datenverarbeitung im Inland, wie etwa auch ein Laptop aus? Soweit die Rechtsprechung des EGMR den Handlungsort als Bezugspunkt nicht ausschließt, ist die Literatur in der Anwendung dieser Rechtsprechung auf extraterritoriale Datenvorgänge uneinheitlich. Denn obwohl der Handlungsort in den von ihr diskutierten Fallkonstellationen im Inland belegen ist und die betroffene Person sich im Ausland befindet, wird (ergebnislos) diskutiert, ob die EMRK nach den Kriterien der territorial- und personenbezogenen Kontrolle Anwendung findet.28 Diese Begründungsbedürftigkeit besteht nur in extraterritorialen Sachverhalten. Da der Handlungsort in den fraglichen Fällen im Inland liegt, implizieren die Begründungsversuche, dass der Aufenthaltsort des Betroffenen im Ausland ausschlaggebend für die Extraterritorialität ist. Wenig rechtliche Klarheit entsteht dann, wenn bei der Einordnung extraterritorialer Sachverhalte doch an den Handlungsort angeknüpft wird, ohne diesen weitergehend zu kontextualisieren. So sind auch Aussagen zu finden, die darauf verweisen, dass sich der Charakter einer Überwachungsmaßnahme ändere, wenn die Daten im Inland gespeichert werden.29
27
Siehe dazu bei Schaller, Kommunikationsüberwachung durch den BND, SWP-Studie S 7 (April 2016), 1 (36); a.A. Aust, Stellungnahme zur Sachverständigenanhörung am 05. 06. 2014 des 1. UA der 18. Wahlperiode des Deutschen Bundestags, Ziff. 35; Vgl. § 1 Abs. 5 S. 4 BDSG. 28 Vgl. Talmon, Sachverständigengutachten NSA-Untersuchungsausschuss, 02. 06. 2014, Ziff. 14. Auch Peters setzt ebenfalls zunächst an der personenbezogene Kontrolle an und lehnt diese für die Auslandsüberwachung der Nachrichtendienste ab. Anschließend vermutet sie jedoch, dass die Auslandsüberwachung unter Umständen eine „virtual control“ darstellen könnte, die im cyber-age die Anwendung der Menschenrechte begründen könnte. Weitere Ausführungen zu diesem Ansatz bleibt Peters schuldig, Peters, Surveillance withour borders, http://www.ejiltalk.org/surveillance-without-borders-the-unlawfulness-of-the-nsa-panopticonpart-ii/ (zuletzt abgerufen am 21. 05. 2017). Auch Schaller stellt sich der seiner Aussage nach „[s]chwierig zu beantwortenden Frage“, ob die EMRK Anwendung findet, wenn Personen im Ausland überwacht werden, Schaller, Detaillierte Regeln für die Auslandsüberwachung, SWPAktuell 66 (Oktober 2016), S. 10. So auch Aust, Stellungnahme zur Sachverständigenanhörung am 05. 06. 2014 des 1. UA der 18. Wahlperiode des Deutschen Bundestags, Ziff. 35; Huber, Die strategische Rasterfahndung des BND, NJW 2013, 2572 (2575 dort Fn. 35); Gärditz, Die Rechtsbindung des Bundesnachrichtendienstes bei Auslandstätigkeiten, Die Verwaltung 48 2015, 463 (467 f.). 29 Schaller, Kommunikationsüberwachung durch den BND, SWP-Studie S 7 (April 2016), 1 (10).
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Teil 3: Verbesserung des Datenschutzes bei der Auslandsaufklärung
b) Staatsangehörigkeit Die bisherige Rechtsprechung des EGMR zu extraterritorialen Sachverhalten und wann in diesen die Menschenrechte anzuwenden sind, behandelt die Staatsangehörigkeit bislang nicht als maßgebliches Kriterium für Extraterritorialität. Hingegen fassen Teile der Literatur unter den Begriff „Auslandssachverhalt“ oder „reiner Auslandssachverhalt“ teilweise zusätzlich zu Handlungs- und Aufenthaltsort diesen weiteren Aspekt – die Staatsangehörigkeit der von dem Datenvorgang betroffenen Person.30 Soweit ersichtlich bezieht sich dieser Aspekt in der Literatur vornehmlich darauf, die Anwendung der Grundrechte und des Datenschutzrechts auf nichtdeutsche Staatsbürger im deutschen Ausland von der Anwendung derselben auf deutsche Staatsbürger, unabhängig ihres Aufenthaltsorts, ab- und einzugrenzen.31 Ein Datenvorgang „mit Auslandsbezug“ kann deshalb auch einen Vorgang meinen, bei dem der Handlungsort im Inland liegt, aber nichtdeutsche Staatsbürger im Ausland betroffen sind. Als „reiner Auslandsfall“ werden in diesem Sinne in der Literatur die Fälle bezeichnet, in denen nichtdeutsche Staatsbürger betroffen sind und bei denen der Handlungsort im Ausland liegt.32 Ruft man sich die erwähnte Wertung in Erinnerung, dass jeder Datenvorgang als eigenständig zu bewertender Umgang mit Daten qualifiziert, so kann ein „reiner Auslandsfall“ nur so lange vorliegen, wie auch der Datenvorgang, d. h. der Handlungsort im Ausland liegt. Mithin kann die Datenerhebung als reiner Auslandssachverhalt einzustufen sein, die anschließende Verarbeitung hingegen als Inlandsfall bzw. als „Datenvorgang mit Auslandsbezug“, wenn man den Aufenthaltsort eines nichtdeutschen Staatsbürgers gesondert berücksichtigt. In Bezug auf deutsche Staatsangehörige hingegen wird soweit ersichtlich nicht nach dem Aufenthaltsort differenziert. 2. Ideell geformte Schutzobjekte und Extraterritorialität Weder die Rechtsprechung noch die Literatur hat sich bislang eindeutig dazu positioniert, wie die Extraterritorialität bei Datenvorgängen zu definieren ist. Wie eingangs bereits erwähnt, bestehen zwei mögliche Bezugspunkte, das Datum und die betroffene Person, an denen die Extraterritorialität entschieden werden kann. Dabei fallen der Belegenheitsort des Datums und der Aufenthaltsort des Menschen re30 Vgl. Schaller, Kommunikationsüberwachung durch den BND, SWP-Studie S 7 (April 2016), 1 (31 ff.); Krieger, Die Reichweite der Grundrechtsbindung bei nachrichtendienstlichem Handeln, Berliner Online-Beiträge zum Völker- und Verfassungsrecht (25.01.08), Beitrag Nr. 1/08, 1 (2); auch Aust erwähnt die Staatsangehörigkeit im Zusammenhang mit US-amerikanischen Überwachungsmaßnahmen, Aust, Stellungnahme zur Sachverständigenanhörung am 05. 06. 2014 des 1. UA der 18. Wahlperiode des Deutschen Bundestags, Ziff. 29. 31 Siehe nur Menzel, Internationales Öffentliches Recht (2011), S. 538. 32 Siehe nur Papier, Beschränkung der Telekommunikationsfreiheit durch den BND an Datenaustauschpunkten, NZVerwR 15 (2016), 1 (12).
A. Anwendungsbereich von Grund- und Menschenrechten
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gelmäßig in geographischer Hinsicht auseinander. Nichtsdestotrotz bleibt insbesondere das Datum meist weiterhin den Eingriffsmöglichkeiten eines Staates ausgesetzt, auch wenn sich der Mensch nicht mehr im Staatsgebiet aufhält. Wenn man persönliche Daten grundsätzlich schützen möchte, darf diese Besonderheit der Datenvorgänge nicht dadurch vernachlässigt werden, dass die Anwendbarkeit anhand von Kriterien entschieden wird, die sich an Eingriffen in physische Schutzobjekte ausrichtet.33 Die Datenvorgänge sind vielmehr strukturell vergleichbar mit Eingriffen in ähnlich ideell geformte Schutzobjekte (dazu Abschnitt III.). Insofern ist es angebracht, die Kriterien für die Anwendung der EMRK den Entscheidungen zu ideellen Schutzobjekten zu entnehmen. Infolgedessen darf auch bei Datenvorgängen der Aufenthaltsort des Betroffenen keine ausschließliche Rolle für die Extraterritorialität spielen, sondern der Handlungsort. Nur wenn man als Bezugspunkt den Handlungsort wählt, kann eine eindeutige Zuordnung erfolgen, ob der Staat innerhalb seines Gebiets tätig wird oder außerhalb. Durch die technischen Mittel, die Eingriffe aus großer geographischer Distanz, über nationale Grenzen hinweg ermöglichen, liegt der Aufenthaltsort des Menschen bei Datenvorgängen rein zufällig im In- oder Ausland. Es ist nicht nachvollziehbar, dass der Schutz davon abhängig gemacht wird, dass sich die betroffene Person in der Bundesrepublik aufhält oder sich gerade außerhalb dieses Territoriums aufhält, ebenso wenig wie es nachvollziehbar ist, dass der Schutz davon abhängig gemacht wird, ob der BND Daten vom selben Ort aus innerhalb Deutschland oder direkt hinter der Grenze erhebt a) Übertragung des Bezugspunkts ideell geformter Schutzobjekte auf Datenvorgänge Datenvorgänge haben eine hohe Ähnlichkeit mit den Eingriffen in andere ideell geformte Rechte, wie etwa das Recht auf rechtliches Gehör oder das Eigentumsrecht. Hier ist jeweils ein physisch nicht greifbares Objekt Gegenstand des Schutzes, wobei das Schutzobjekt und die betroffene Person, d. h. der Inhaber des Rechts räumlich getrennt sein können, ohne dass dies den Bestand des Rechts beeinträchtigen würde. Der Aufenthaltsort des Betroffenen ist außerdem für die Beeinträchtigung des Rechts irrelevant. Wie unten noch ausführlich dargestellt werden wird, ist der Eingriff in diesen Fällen die Beeinträchtigung des rechtlichen Gehörs während eines Gerichtsverfahrens oder die rechtswidrige Behandlung von Eigentumsrechten. Diese Eingriffe finden unabhängig vom Aufenthaltsort des Rechtsgutsinhabers statt. Dass der Rechtsgutsinhaber in seinen Rechten verletzt wird, ist vielmehr eine unmittelbare Folge dieses Eingriffs durch die Versagung von Verfahrensrechten in das Eigentum.34 33
Zu den Unterschieden der Schutzobjekte siehe auch Aust, Stellungnahme zur Sachverständigenanhörung am 05. 06. 2014 des 1. UA der 18. Wahlperiode des Deutschen Bundestags, Ziff. 33. 34 Die Eingriffsdefinition wurde indes diesem Umstand angeglichen, so dass jeder Umgang mit Daten als Eingriff gewertet wird, siehe nur BVerfGE 115, 320 (343); 100, 313 (359 und 366).
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Teil 3: Verbesserung des Datenschutzes bei der Auslandsaufklärung
Bei diesen Sachverhalten ist für die Beurteilung, ob ein Inlandssachverhalt vorlag, ausschließlich der Handlungsort der staatlichen Stelle entscheidend. Der Aufenthaltsort des Betroffenen wurde nicht einbezogen. Diese Entscheidungen zeigen, dass es die Auslegung der Menschenrechte durchaus zulässt, den Handlungsort als Bezugspunkt zu wählen und zu einem innerstaatlichen Anwendungsfall zu gelangen, während sich die betroffene Person im Ausland aufhält. Bei Datenvorgängen findet die Beeinträchtigung des Schutzobjektes „personenbezogene Daten“ ebenfalls unabhängig davon statt, wo sich der Rechtsgutsinhaber aufhält. Ebenso wie bei dem Recht auf rechtliches Gehör oder dem Eigentumsrecht wirken sich diese Beeinträchtigungen indes unmittelbar auf den Rechtsgutsinhaber bzw. sein Persönlichkeitsrechts aus. Die Bewertungskriterien der ähnlich ideell geformten Rechte dafür, wann ein Sachverhalt extraterritorialer Natur ist, auf die Datenvorgänge zu übertragen, würde der strukturellen Ähnlichkeitsbeziehungen dieser Rechte entsprechen. Anhaltspunkte dafür, dass Daten – und nicht die betroffene Person – den Bezugspunkt bilden, können der EGMR-Entscheidung zu Markovic entnommen werden.35 Hier argumentierte der Gerichtshof, dass sich die Schadensersatzansprüche, deren Geltendmachung vor inländischen (italienischen) Gerichten verweigert wurde, zwar aus einem Sachverhalt im Ausland ergäben, die Verletzung des Rechts auf rechtliches Gehör jedoch im Inland stattfinde. Die Kläger hätten sich durch den Gebrauch des inländischen Gerichtsverfahrens unter die Hoheitsgewalt Italiens begeben, so dass ein ausreichender „jurisdictional link“ vorlag.36 Das Urteil trennt mithin strikt zwischen dem extraterritorialen Sachverhalt, der Anlass für das Schadensersatzbegehren der Kläger war, und dem inländischen gerichtlichen Verfahren, in dem diese Ansprüche geltend gemacht wurden. Diese Entscheidungsgründe können auch auf Datenverwendungen übertragen werden. Dazu ist zunächst festzuhalten, dass das Gerichtsverfahren als Inlandssachverhalt gewertet wurde; dass sich die betroffene Person im Ausland aufhielt, war irrelevant. Bei Datenvorgängen wäre ein entsprechender Inlandssachverhalt die Datenverwendung; ebenso wie in Markovic käme es auf den Aufenthaltsort der dahinterstehenden Person nicht an. Ein Unterschied der beiden Sachverhalte besteht indes darin, dass bei rechtlichem Gehör sich die Person unter die Hoheitsgewalt eines Staates begibt, während es eines solchen aktiven Tuns bei Daten nicht bedarf. Allerdings kann auch bei der (fehlenden) Gewährleistung rechtlichen Gehörs der Fall auftreten, dass der Betroffene sich nicht aktiv unter die Hoheitsgewalt begeben hat, beispielsweise wenn er strafrechtlich angeklagt wird. Daneben erscheint es aus Sicht des Menschenrechtsschutzes wenig plausibel, diesen Schutz von einem aktiven Tun des Betroffenen abhängig zu machen. Wenn ein freiwilliges Unterwerfen unter die Hoheitsgewalt wie bei dem Schutz auf rechtliches Gehör als Inlandssachverhalt gewertet wird, muss dies erst recht der Fall sein, wenn eine Person unfreiwillig bzw. unbewusst von einer inländischen Hoheitsgewaltausübung betroffen ist. 35 36
EGMR (Markovic ./. Italien), Urteil v. 14. 12. 2006 – 1398/09. EGMR (Markovic ./. Italien), Urteil v. 14. 12. 2006 – 1398/09, § 55.
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Auch die Entscheidung des EGMR zu Liberty lässt eine Auslegung dahingehend zu, dass der Handlungsort maßgeblich dafür ist, eine Fallkonstellation als inländisch zu beurteilen. Das transatlantische Telekommunikationskabel wurde hier innerhalb des Staatsgebiets von Großbritannien angezapft. Wie oben bereits erwähnt, wird der Umstand, dass der Gerichtshof Liberty für zulässig erklärte, ohne den extraterritorialen Aspekt zu erwähnen, dahingehend ausgelegt, dass ein regulärer Inlandsfall vorlag.37 Ein weiterer Fall eines ideellen Schutzobjektes mit Auslandsbezug lag dem UNHRC vor, bei dem die Pensionsansprüche gegen den französischen Staat innerhalb Frankreichs geltend gemacht wurden, während sich die Anspruchsinhaber im Ausland befanden. Das UNHRC knüpfte in seiner Entscheidung zu Ibrahim Gueye et al an die Pensionsansprüche der Beschwerdeführer an und nicht an deren Aufenthaltsort im Senegal. Der Aufenthaltsort außerhalb Frankreichs wurde mit keinem Wort erwähnt.38 Auch hier lag also der Handlungsort, d. h. der Ort, an dem über die Ansprüche entschieden wurde, im Inland. Auch wenn an dieser Stelle die Anwendung der Menschenrechte diskutiert wird, lohnt sich auch ein Blick auf die Rechtsprechung des BVerfG hinsichtlich des Bezugspunktes bei Datenvorgängen. Das BVerfG setzte in seiner G 10-Entscheidung bei der Frage, ob ausländische Telekommunikationsanschlüsse vom Schutzbereich des Art. 10 GG erfasst sind, an dem Umfang und Bezugspunkt des Schutzbereichs von Art. 10 GG an. Maßgeblich sei, dass Art. 10 GG das Kommunikationsmedium als solches schütze.39 Mithin nutzt das Gericht die Kommunikation als Schutzobjekt von Art. 10 GG, um die räumliche Reichweite des Grundrechts zu bestimmen. Ein Kommunikationsvorgang ist nicht auf das Inland beschränkt, weshalb eine extraterritoriale Anwendung des Schutzbereichs möglich und sogar notwendig ist. Der Kommunikationsvorgang besteht aus einer Vielzahl von Inhalts- und Metadaten. Dementsprechend wählte das Gericht diese Daten als Bezugspunkt des Schutzes. Der Frage, ob der Einfluss des BND über den Kommunikationsvorgang allein ausreicht, um die Anwendung der Grundrechte zu begründen, ist das Gericht jedoch ausgewichen. Jedenfalls, so stellte es fest, begründe der im Inland belegene Handlungsort einen hinreichenden Inlandsbezug, um die Grundrechte anzuwenden. Im Ergebnis war deshalb eine Kombination aus dem Schutzobjekt „Kommunikationsmedium“ und dem Handlungsort im Inland maßgeblich für die Grundrechtsgeltung bei der Auslandsüberwachung.40
37 EGMR (Liberty ./. Großbritannien), Urteil v. 01. 07. 2008 – 58243/00, § 55. So interpretiert Aust die Entscheidung Aust, Stellungnahme zur Sachverständigenanhörung am 05. 06. 2014 des 1. UA der 18. Wahlperiode des Deutschen Bundestags, Ziff. 30. 38 Vgl. UNHRC (Ibrahima Gueye et al. ./. Frankreich), Communication No. 196/1985, U.N. Doc. CCPR/C/35/D/196/1985 (1989), Ziff. 9.2. 39 BVerfGE 100, 313 (363). 40 BVerfGE 100, 313 (363 f.).
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b) Definition von Extraterritorialität bei Datenvorgängen Wegen der strukturellen Gemeinsamkeiten mit anderen ideell geformten Schutzrechten, wird in dieser Arbeit vertreten, dass der Handlungsort dafür ausschlaggebend ist, ob Extraterritorialität vorliegt. Umgekehrt kann der Aufenthaltsort der Person keine maßgebliche Bedeutung für die Frage haben, ob ein extraterritorialer Sacherhalt vorliegt. Dementsprechend ist der Handlungsort derjenigen öffentlichen Stelle maßgeblich, die personenbezogene Daten erhebt oder verarbeitet. Wenn darüber hinaus jeder Gebrauch eines Datums von den Grund- und Menschenrechten als eigenständiger Eingriff gewertet wird, kann dies auch bei der Beurteilung berücksichtigt werden, ob ein extraterritorialer Sachverhalt vorliegt.41 Dementsprechend könnte die Datenerhebung im Ausland als extraterritorialer, die weitere Verarbeitung als innerstaatlicher Vorgang eingestuft werden. Zwar greift diese Wertung der Grund- und Menschenrechte erst dann, wenn sie anwendbar sind. Die Frage, ob die Menschenrechte anwendbar sind, die sich in besonderem Maße stellt, wenn ein extraterritorialer Sachverhalt vorliegt, ist eine vorgelagerte Frage. Nähme man jedoch hier keine Differenzierung nach den einzelnen Datenvorgängen vor, würde der Schutz extrem verkürzt. Wird ein personenbezogenes Datum im Ausland erhoben, würde dies dazu führen, dass auch sämtliche nachfolgenden Datenvorgänge automatisch ebenfalls als extraterritorial eingestuft werden, obwohl sie unter Umständen im Inland vorgenommen werden. Für Datenvorgänge im Rahmen der Auslandsaufklärung bedeutet dies, dass sie nicht pauschal als Auslandssachverhalte oder innerstaatliche Vorgänge eingestuft werden können. Vielmehr ist zwischen der Erhebung, Speicherung, Verarbeitung, Übermittlung etc. zu unterscheiden. Infolgedessen können die Daten zwar im Ausland erhoben werden, aber im Inland verarbeitet oder übermittelt werden und umgekehrt. Gleichermaßen kann ein Datum auch vollständig im deutschen Ausland verbleiben, etwa wenn der BND Daten im Ausland erhebt, dort auf einem Server speichert und an seine Verbündeten übermittelt. Aus alledem ergeben sich folgenden Annahmen hinsichtlich der Definition von Extraterritorialität bei Datenvorgängen: - Der Handlungsort der staatlichen Stelle bestimmt das Vorliegen von Extraterritorialität. - Als Handlungsort wird derjenige Ort bezeichnet, an dem die staatliche Stelle personenbezogene Daten erhebt oder verarbeitet, so dass sich die Hoheitsgewalt auf die hinter dem Datum stehende Person bezieht. - Der Aufenthaltsort der betroffenen Person ist irrelevant. - Jeder Datenvorgang wird hinsichtlich seiner Extraterritorialiät eigenständig bewertet. 41 So im Ergebnis auch Aust, Stellungnahme zur Sachverständigenanhörung am 05. 06. 2014 des 1. UA der 18. Wahlperiode des Deutschen Bundestags, Ziff. 35.
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Wendet man diese Definition auf Datenvorgänge an, so ist die Vielzahl dieser Vorgänge als regulärer Inlandsfall zu werten, bei dem das Vorliegen von Hoheitsgewalt nicht gesondert begründet werden muss. Infolgedessen verringert sich die Zahl derer Datenvorgänge, die im Rahmen der Auslandsüberwachung aus dem Anwendungsbereich der EMRK herausfallen.
III. Hoheitsgewalt i.S.d. Art. 1 EMRK bezüglich Datenvorgängen Allein die Anzahl der Fälle zu verringern, in denen die Datenvorgänge als extraterritoriale Sachverhalte qualifiziert werden, reicht nicht aus, um den menschenrechtlichen Datenschutz an die veränderten Lebensbedingungen anzupassen. Es bleibt eine Vielzahl an extraterritorialen Vorgängen bestehen, die einer adäquaten Berücksichtigung im Anwendungsbereich der Menschenrechte bedürfen. In diesen Fällen stellt sich die Frage, wann bzw. wie extraterritoriale Hoheitsgewalt über ein Datum ausgeübt werden kann. Die klassischen Kriterien des EGMR zur Bestimmung dieser Hoheitsgewalt – territoriale und personenbezogene Hoheitsgewalt – erfassen nur einen Bruchteil der extraterritorialen Vorgänge (dazu Abschnitt 1. und Teil 2 A. II. 1. a) bb) (4)). Deshalb bringt die vorliegende Arbeit ein weiteres Kriterium – die datenbezogene Hoheitsgewalt – in die Diskussion ein (dazu Abschnitt 2.).42 1. Datenvorgänge und territorial- und personenbezogene Hoheitsgewalt Entsprechend der territorialbezogenen Hoheitsgewalt des EGMR ist die EMRK anwendbar, wenn ein Staat außerhalb seines eigenen Territoriums strukturelle Kontrolle über ein bestimmtes Gebiet etabliert hat und innerhalb dessen Daten verarbeitet. Für viele Datenvorgänge ist eine solche strukturelle Kontrolle jedoch nicht gegeben; Datenerhebungen werden meist als kurzfristige Aktionen, ohne territoriale Strukturen ausgeführt. Bei der personenbezogenen Kontrolle wiederum entstehen die Schutzlücken, wenn sich der Aufenthaltsort des Menschen und der Belegenheitsort des Datums unterscheiden. Außerdem begründet die reine Überwachung als solche keine physische Kontrolle über eine Person.43 Doch auch selbst wenn bei der Datenerhebung Hoheitsgewalt über eine Person ausgeübt wurde, kann dies bei einer der zahlreichen nachfolgenden Datenverwendungen anders zu be-
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Unproblematisch wäre innerstaatliche Hoheitsgewalt gegeben, wenn der BND Daten von einem Server erhebt, der sich innerhalb der Bundesrepublik befindet, Aust, Stellungnahme zur Sachverständigenanhörung am 05. 06. 2014 des 1. UA der 18. Wahlperiode des Deutschen Bundestags, Ziff. 29. 43 Peters, Surveillance without borders, http://www.ejiltalk.org/surveillance-without-bor ders-the-unlawfulness-of-the-nsa-panopticon-part-ii/ (zuletzt abgerufen am 21. 05. 2017).
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werten sein, beispielsweise wenn das Datum weitergeleitet wird und der Empfangsstaat keine Hoheitsgewalt über den Betroffenen ausübt.44 2. Datenbezogene Hoheitsgewalt Um auch extraterritoriale Datenvorgänge in den Anwendungsbereich der EMRK aufnehmen zu können, wird deshalb vorgeschlagen, den Begriff „Hoheitsgewalt“ so auszulegen, dass er potenziell geeignet ist, auch diese Datenvorgänge zu erfassen.45 Hoheitsgewalt über Daten wird ausgeübt, sobald eine öffentliche Stelle personenbezogene Daten erhebt oder in irgendeiner Form verarbeitet, d. h. deren Bestand beeinflussen kann und ihnen Informationen entnimmt, bzw. entnehmen kann. Davon ausgehend ist bei der weiteren Spezifizierung der Auslegung des Art. 1 EMRK die Wortlautgrenze zu beachten. Art. 1 EMRK sichert allen der „Hoheitsgewalt [eines Mitgliedstaates] unterstehenden Personen“ die Rechte der EMRK zu. Die Hoheitsgewalt muss letztlich über eine Person und nicht nur in irgendeiner Weise, ohne einen Bezug zu einer Person, ausgeübt werden muss.46 Beim Umgang mit personenbezogenen Daten ist dieser äußere Rahmen der Auslegungsmöglichkeit gewahrt. Denn die Kontrolle über ein Datum führt heutzutage unmittelbar zur Kontrolle über diesen Teil der Persönlichkeit derjenigen Person, deren Daten betroffen sind.47 Personenbezogene Daten sind die digitale Version eines Menschen und werden dies in Zukunft in immer größerem Ausmaße sein. Sobald ein Vertragsstaat Autorität und Staatsmacht über ein Datum ausübt und damit das Bestehen eines Datums dadurch beeinflussen kann, dass er es erhebt, speichert, verändert oder übermittelt, übt er auch Hoheitsgewalt aus. 44
Vgl. Milanovic, Human Rights Treaties and Foreign Surveillance: Privacy in the Digital Age, Harv. Intl. Law J., Vol. 56 No. 1 (2015), 81 (123 f.). 45 Im Ergebnis so auch Pitter, Comments of Human Rights Watch to Privacy and Civil Liberties Oversight Board Hearing (19. 03. 2014), S. 4, Ziff. I, abrufbar unter https://www.hrw. org/print/253089 (zuletzt abgerufen am 21. 05. 2017); Milanovic schlägt alternativ vor, allgemein die Anwendung der EMRK davon abhängig zu machen, ob die Eingriffsdimension oder die Schutzpflichtendimension betroffen ist. Bei ersterem solle die EMRK stets anwendbar sein, denn wenn ein Staat eingreifen kann, kann er es auch gleichzeitig nicht tun, so dass es nie zu einer Überforderungen kommen könne. Nur im Rahmen der Schutzpflichtendimension käme es auf die Ausübung einer ausreichenden Kontrolle an, Milanovic, Human Rights Treaties and Foreign Surveillance: Privacy in the Digital Age, Harv. Intl. Law J., Vol. 56 No. 1 (2015), 81 (118 f.). Parallel zu den Überlegungen einer virtuellen Kontrolle als Anknüpfungspunkt für die Hoheitsgewalt im Sinne des Art. 1 EMRK werden Vorschläge zu einem Recht auf virtuelle Selbstbestimmung gemacht. Dieses soll sich aus dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung ableiten, aber weniger auf die abwehrrechtliche Dimension gerichtet sein. Vielmehr steht der „eigenverantwortlich handelnde Bürger“ im „Mittelpunkt des Rechts“, beide Zitate in Perrey, Gefahrenabwehr und Internet (2003), S. 205. 46 EGMR (Ben El Mahi ./. Dänemark), Zulässigkeitsentscheidung v. 11. 12. 2006 – 5853/07. 47 A.A. Talmon, der es nicht genügen lässt, dass in irgendeiner Form Hoheitsgewalt ausgeübt wird, Talmon, Sachverständigengutachten NSA-Untersuchungsausschuss, 02. 06. 2014, Ziff. 15.
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Hinsichtlich Metadaten ist allerdings zu differenzieren: Die reine Erhebung von Metadaten stellt keinen Personenbezug her. Sobald die Metadaten jedoch in Datenbanken gespeichert werden, besteht die (potenzielle) Möglichkeit, diese Daten mit einer bestimmten Person in Verbindung zu bringen. Dies gilt erst Recht für die Verarbeitung solcher Daten. Diese Wertung widerspricht auch nicht der oben genannten Kritik, Metadaten in den Schutzbereich des Art. 10 GG einzubeziehen. Zwischen der Definition der Ausübung von Hoheitsgewalt über eine Person und der eines Schutzbereich bestehen normative Unterschiede. Während es bei der Ausübung von Hoheitsgewalt darum geht, zu definieren, wann ein Staat in der Lage ist die Rechte eines Betroffenen zu respektieren und zu schützen, betrifft der Schutzbereich eines Grund- bzw. Menschenrechts die materielle Schutzgewährleistung wenn eines solche Beziehung zwischen dem Staat und dem Individuum bereits vorliegt. Keine Hoheitsgewalt liegt jedoch vor, wenn der Staat das Bestehen eines Datums nicht beeinflussen kann, etwa wenn er lediglich ein Glasfaserkabel oder Satelliten betreibt.48 Erst die Datenerhebung aus einem solchen Kabel bzw. Satelliten würde die Anwendung auslösen, weil der Staat dann das (personenbezogene) Datum in irgendeiner Weise beeinträchtigen kann, infolgedessen Hoheitsgewalt über eine bestimmte Person ausgeübt wird. Angesichts dessen, dass im Rahmen personenbezogenen Hoheitsgewalt eine Beeinträchtigung des potenziell geschützten Rechts allein nicht ausreicht, Autorität und Kontrolle über eine Person zu etablieren,49 könnte man an dieser Stelle einwenden, dass dies auch für die datenbezogene Kontrolle gelten muss. Dies ist mit anderen Worten die Frage danach, ob über den Umgang mit einem Datum hinaus eine etwaige Kontrollstruktur des Staates bestehen muss. Gegen ein solches Erfordernis spricht vor allem, dass der Wortlaut des Art. 1 EMRK eine etwaige „Kontrollstruktur“ nicht voraussetzt. Die normativ geprägte „Kontrolle“ wurde durch die Entscheidung Bankovic eingeführt. Dieses Konzept ist dem allgemeinen Völkerrecht entnommen und geht von Kontrollelementen eines Staates aus, um dessen (völkerrechtliche) Zuständigkeit zur Regelung von Sachverhalten in Abgrenzung zu der Zuständigkeit anderer Staaten zu begründen. Die Anwendung dieses Konzepts innerhalb des Art. 1 EMRK ist jedoch keineswegs zwingend und wird auch in der Literatur abgelehnt.50 Die Möglichkeit, die EMRK anzuwenden, sobald eine staat48
Aust, Stellungnahme zur Sachverständigenanhörung am 05. 06. 2014 des 1. UA der 18. Wahlperiode des Deutschen Bundestags, Ziff. 35. 49 Siehe nur Krieger, Die Verantwortlichkeit Deutschlands nach der EMRK für seine Streitkräfte im Auslandseinsatz, ZaöRV 62 (2002), 669 (672). 50 Milanovic, From Compromise to Principle: Clarifying the Concept of State Jurisdiction in Human Rights Treaties, Human Rights Law Review 83 (2008), 411 (417, 423); Gondek, Extraterritorial Application of the ECHR: Territorial Focus in the Age of Globalization?, NILR, Vol. 52, Issue 3 (2005), 349 (353); Arnauld, Völkerrecht (2014), S. 251; Menzel, Internationales Öffentliches Recht (2011), S. 547, dort Fn. 60. Zur weiten Auslegung des Art. 1 EMRK siehe Erberich, Auslandseinsätze der Bundeswehr und EMRK (2004), S. 8.
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Teil 3: Verbesserung des Datenschutzes bei der Auslandsaufklärung
liche Handlung im Ausland Wirkung entfaltet, ohne dass eine darüber hinaus gehende Kontrollstruktur bestand, erkannte auch der Gerichtshof selbst in früheren Fällen an. Schon in der Rechtsprechung zu Loizidou 1995 und 1996 legte der Gerichtshof die Anwendungsklausel weiter aus als dies mit der Bankovic-Rechtsprechung der Fall war.51 Eine weitere Auslegung in diesem Sinne meint, weniger normative Anforderungen an die Ausübung von Hoheitsgewalt zu stellen. Methodisch fokussierte sich die Loizidou-Rechtsprechung auf die Effektivität der Auslegung und sah dabei von einer Gleichsetzung des Begriffs Hoheitsgewalt im Sinne des Art. 1 EMRK mit dem allgemein völkerrechtlichen Begriff von Hoheitsgewalt bzw. Jurisdiktion ab.52 Dieses Vorgehen entspricht dem Umstand, dass es sich bei diesen beiden Rechtsbegriffen und dahinterstehenden Konzepten tatsächlich um unterschiedliche Konstrukte handelt.53 Wie auch der Gerichtshof in Loizidou feststellt, betrifft die Frage der Anwendbarkeit der EMRK das faktische Ausführen eines Eingriffs, nicht seine normative Ermächtigung zu eben jenem.54 Auch heute fordert ein Teil der Literatur, die Bindung an die Menschenrechte an der faktischen Machtausübung der Staaten auszurichten.55
51 EGMR (Loizidou ./. Türkei), Zulässigkeitsentscheidung v. 23. 03. 1995 – 15318/89, § 62; EGMR (Loizidou ./. Türkei), Urteil v. 18. 12. 1996 – 15318/89, §§ 52 ff. noch früher stellte der Gerichtshof auf die Effekte außerhalb des eigenen Territoriums ab, EGMR (Drozd und Janousek ./. Frankreich und Spanien), Urteil v. 26. 06. 1992 – 12747/87, § 91. 52 Vgl. Lett, The Age of Interventionism: The Extrateritorial Reach of the European Convention on Human Rights, in: Arnold / Knoops, Practice and Policies of modern Peace Support Operations under International Law (2006), 117 (130). 53 Dies gelte auch insbesondere deshalb, weil die Anwendung des allgemein völkerrechtlichen Jurisdiktionskonzepts nicht nur in extraterritorialen Sachverhalten problematisch sei. Auch in Inlandsfällen, in denen der Staat ohne gesetzliche Ermächtigung tötet und foltert, läge nach diesem Konzept keine Anwendbarkeit der EMRK vor, zu alledem Milanovic, From Compromise to Principle: Clarifying the Concept of State Jurisdiction in Human Rights Treaties, Human Rights Law Review 83 (2008), 411 (422 ff., 425 f.); a.A. Krieger, Die Verantwortlichkeit Deutschlands nach der EMRK für seine Streitkräfte im Auslandseinsatz, ZaöRV 62 (2002), 669 (672). 54 EGMR (Loizidou ./. Türkei), Zulässigkeitsentscheidung v. 23. 03. 1995 – 15318/89, § 62; Milanovic, From Compromise to Principle: Clarifying the Concept of State Jurisdiction in Human Rights Treaties, Human Rights Law Review 83 (2008), 411 (423). 55 „Die Ausweitung hoheitlicher Aktionsräume entspricht die Ausweitung der menschenrechtlichen Bindung“, Arnauld, Das (Menschen-)Recht im Auslandseinsatz, in: Weingärtner, Streitkräfte und Menschenrechte (2008), 61 (63); vgl. Aust, Stellungnahme zur Sachverständigenanhörung am 05. 06. 2014 des 1. UA der 18. Wahlperiode des Deutschen Bundestags, Ziff. 34. Zu der Frage, ob die EMRK auf extraterritoriale Drohneneinsätzen anwendbar ist siehe McCorquodale, Human Rights and the Targeting of Drones, abrufbar unter http://www.ejiltalk.org/human-rights-and-the-targeting-by-drone/ (zuletzt abgerufen am 21. 05. 2017).
A. Anwendungsbereich von Grund- und Menschenrechten
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IV. Schlussfolgerungen Bislang folgt der Umgang mit Datenvorgängen noch immer den traditionellen Ansätzen.56 Danach begrenzt sich der Schutz auf bestimmte Räume und orientiert sich an nationalen Grenzen.57 Dies ist nicht zeitgemäß, vielmehr muss die „Rückkoppelung des Gesetzes an reale Entwicklungen“58 gewährleistet werden.59 Recht besteht nicht um seiner selbst willen, sondern entfaltet seinen Geltungsanspruch innerhalb einer sozialen Wirklichkeit. Diese Feststellung ist insbesondere in solchen Rechtsbereiche von Bedeutung, in denen technische Entwicklungen die soziale Wirklichkeit beinahe täglich verändern.60 Die eingangs dargestellten Veränderungen der nachrichtendienstlichen Arbeit fordern eine „Extraterritorialisierung“ der Rechtsanwendung, um ausreichenden Schutz gewährleisten zu können.61 Beansprucht ein Menschenrechtsvertrag, effektiven Schutz zu vermitteln, muss er sich an der veränderten sozialen Wirklichkeit orientieren.62 Dies ist dadurch zu erreichen, dass nicht ein Großteil der Datenvorgänge als extraterritorial „abgestempelt“, sondern entsprechend deren Ähnlichkeiten zu anderen ideell geformten Schutzobjekten behandelt wird, mit der Folge, dass der Bezugspunkt von Hoheitsgewalt und Extraterritorialität der Handlungsort ist. Zusätzlich zu der Verringerung des Anteils extraterritorialer Sachverhalte ist der Begriff „Hoheitsgewalt“ so auszulegen, dass auch extraterritoriale Datenvorgänge erfasst werden können. 56
Grundrechte „sind in ihrem Grundkonzept letztlich noch aus der Postkutschenzeit. Das heißt sie sind territorial orientiert und haben die neue Realität konzeptionell noch nicht verarbeitet“, Hoffmann-Riem, Öffentliche Anhörung Sachverständiger Papier / Hoffmann-Riem / Bäcker im NSA-Untersuchungsausschuss v. 22. 05. 2014, S. 11. 57 Rechtssysteme sind indes bislang geographisch angebunden. Diese Anbindung beruht auf der geographischen Nähe des Betroffenen zu der gesetzgebenden Instanz, so dass die Regelungen (nur) eine bestimmte territoriale Reichweite haben. Dies gilt auch für die Regeln, die sich auf den Schutz von personenbezogenen Daten beziehen, Perrey, Gefahrenabwehr und Internet (2003), S. 202. Als Teil der Diskussion um den „Normbereich“ von Gesetzen greifen Müller / Christensen diese veränderten Anwendungsbedingungen des Rechts auf. Dabei stellen sie weitergehende Überlegungen zu neuen Formen von Partizipationsgesellschaften an, innerhalb derer es auch zu einer generellen Verschiebung von Machtverhältnissen kommt. Die Möglichkeiten des Internets führen ihrer Ansicht nach dazu, dass es in Zukunft keine einzelne Regierung mehr geben wird, sondern viele virtuelle Interessensgruppen, die völlig unabhängig vom geographischen Wohnort agieren, Müller / Christensen, Juristische Methodenlehre – Europarecht, Bd. 2, 3. Aufl. (2012), Rn. 470. 58 Müller / Christensen, Juristische Methodenlehre – Europarecht, Bd. 2, 3. Aufl. (2012), Rn. 469. 59 Müller / Christensen, Juristische Methodenlehre – Europarecht, Bd. 2, 3. Aufl. (2012), Rn. 469. 60 Müller / Christensen, Juristische Methodenlehre – Europarecht, Bd. 2, 3. Aufl. (2012), Rn. 469. 61 Müller / Christensen, Juristische Methodenlehre – Europarecht, Bd. 2, 3. Aufl. (2012), Rn. 473; Perrey, Gefahrenabwehr und Internet (2003), S. 202. 62 Siehe nur EGMR (X u.Y ./. Niederlande), Urteil v. 26. 03. 1985 – 8978/80, § 23; zur dynamischen Konventionsauslegung im Sinne der EMRK als living instument siehe Grabenwarter / Pabel, EMRK (2016), § 5 Rn. 15.
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Teil 3: Verbesserung des Datenschutzes bei der Auslandsaufklärung
Der Fokus der Definition auf den Handlungsort nachrichtendienstlicher Tätigkeit brächte für die Menschenrechte klare Anwendungsregeln, d. h. Rechtssicherheit, und eine Verbesserung des Schutzes mit sich. Die Auswirkungen wären insbesondere bei den Menschenrechten beträchtlich, scheitert hier doch eine Vielzahl an extraterritorialen Sachverhalten bereits an der Zulässigkeit einer Klage.63 Jedenfalls all diejenigen Fälle, in denen die Datenvorgänge im Inland durchgeführt werden, wären dann als reguläre Inlandssachverhalte einzustufen. Dann würden die politisch aufgeladene und deshalb schwierig zu beantwortende Frage der extraterritorialen Anwendung entschärft und es sich bei vielen Datenvorgängen vielmehr um einen Inlandssachverhalt handeln.64 Auch Fälle mit Auslandsbezug könnten mit diesem Ansatz eindeutig zugeordnet werden, wodurch nicht nur Rechtssicherheit erreicht würde. Vielmehr würde auch deutlich, dass es möglich ist, eine Datenerhebung als extraterritorial zu qualifizieren, die innerstaatliche Speicherung und Verarbeitung hingegen eigenständig als regulären Inlandssachverhalt zu behandeln. Ein weiter Anwendungsbereich der Menschenrechtsverträge ist im Übrigen deshalb angemessen, weil die Nationalstaaten auch in einer globalisierten Welt bzw. im EU-Verbund die handlungsverantwortlichen Einheiten bleiben. Mit den Worten Vitzthums hat sich die Bundesrepublik Deutschland nicht aufgelöst „wie ein Stück Zucker in einer Tasse Kaffee“.65 Dies gilt auch deswegen, weil es bislang schlicht keine alternativ verantwortlichen Völkerrechtssubjekte gibt. Die UN können diese entstandene Verantwortungslücke nur bedingt schließen, da ihre Kompetenz, allgemeinverbindliches Recht zusetzen, jedenfalls nicht unumstritten ist.66 Wie die oben genannten bilateralen Abkommen zum Datenaustausch (mit der Tendenz steigend) zeigen, sind die Staaten sehr wohl in der Lage, Grundlagen zu schaffen, auf die Eingriffe gestützt werden können. In demselben Umfang können sie auch in der Lage sein, den Schutz von subjektiven Rechten zu gewährleisten. Sobald sie ihre staatliche Macht ausüben, müssen sie sich auch daran messen lassen, wie sie die Menschenrechte bei dieser Machtausübung schützen. Ansonsten würde die Bindung an Menschenrechtsverträge zur Farce. Auch die Argumente der ablehnenden Haltung der Staaten einer umfassenden Anwendung gegenüber sprechen nicht gegen das Bedürfnis nach effektivem Schutz. Wenn die Anknüpfung an die „Rechtsverletzung“ mit dem Argument abgelehnt wird, dass dadurch potentiell mehrere Millionen Beschwerdeführer bestünden, zeigt dies 63 Das BVerfG hingegen thematisiert diese Frage innerhalb der Begründetheit, wodurch per se mehr Raum bleibt, um neue technische Entwicklungen und die Einzelfallumstände zu berücksichtigen, siehe zu alledem oben in Teil 1 B. I. 2. und Teil 2 A. II. 1. b) aa) (1). 64 Vgl. Venedig-Kommission, Report on the democratic oversight of the security services and report on the democratic oversight of signals intelligence agencies, Rn. 6. 65 Vitzthum, Extraterritoriale Grundrechtsgeltung – Zu Bedingungen nachrichtendienstlicher Auslandsaufklärung, FS Bothe (2008), 1213 (1227). 66 Siehe ausführlich zur rechtlichen Verbindlichkeit von UN SR Resolutionen Öberg, The Legal Effects of Resolutions of the UN Security Council and General Assembly in the Jurisprudence of the ICJ, EJIL (2006) Vol. 16 no. 5, 879 (882 ff.).
B. Parallele Zurechnung im Rahmen multinationaler Koalitionen
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doch gerade die hohe Relevanz dieser Anknüpfung.67 Ebenso wenig greift der Einwand durch, dass durch diesen Anknüpfungspunkt eine Vielzahl von Staaten Hoheitsgewalt bei der internationalen Auslandsüberwachung ausüben würde.68 Dieser Einwand würde zu dem Ergebnis führen, dass bei einer Mehrzahl von Hoheitsgewalt ausübenden Staaten letztendlich kein Staat für die Verletzungshandlung verantwortlich wäre. Richtigerweise hat die Ausübung von Hoheitsgewalt des einen Staates nicht zwingend zur Folge, dass ein anderer Staat keine Hoheitsgewalt über das in Rede stehende Schutzobjekt ausüben kann. Somit würde außerdem zunächst nur die Zulässigkeit einer Klage ermöglicht. Die gegebenenfalls unterschiedlich stark ausgeprägten Einflussmöglichkeiten zum Schutz eines Datums der jeweiligen Staaten können darüber hinaus in der Begründetheit einer Entscheidung einbezogen werden.
B. Parallele Zurechnung im Rahmen multinationaler Koalitionen Damit sich Datenschutz überhaupt entfalten kann, muss eine Stelle vorhanden sein, die durch Grund- und Menschenrechte dazu verpflichtet ist, das Recht auf informationelle Selbstbestimmung bzw. das Persönlichkeitsrechts zu schützen. Wird ein Datenvorgang einer internationalen Organisation zugerechnet, beispielsweise der UN, fehlt eine solche Stelle. Wird es den Staaten ermöglicht, Handlungen ihrer Soldaten im Rahmen multinationaler Einsätze unter der Führung der UN zu großen Teilen den UN zuzurechnen, sind datenschutzrechtliche Erwägungen deshalb irrelevant. Denn internationale Organisationen können nicht Unterzeichner eines Menschenrechtsvertrags sein und sind somit nicht direkt an die Menschenrechtsverträge gebunden.69 Die gewohnheitsrechtliche Bindung an die Menschenrechte führt im Rahmen des Datenschutzes nicht weiter, da dieser bislang wohl noch kein Teil des Gewohnheitsrechts ist.70 Eine Ausnahme bildet insofern die EU, die selbst zum Schutz personenbezogener Daten verpflichtet ist.71 Ebenso können auch andere internationale Organisationen eigene datenschutzrechtliche Regeln aufstellen.72 In keinem Fall sind diese Regeln jedoch durch den starken Schutz der Menschen- bzw. 67
Talmon, Sachverständigengutachten NSA-Untersuchungsausschuss, 02. 06. 2014, Ziff. 15. 68 Talmon, Sachverständigengutachten NSA-Untersuchungsausschuss, 02. 06. 2014, Ziff. 15. 69 Röben, in: Dörr / Grote / Marauhn, EMRK/GG (2013), Kap. 5 Rn. 74; zum Schutz der Menschenrechte als Aufgabe des VN-Sicherheitsrates Heinz / Litschke, Der UN-Sicherheitsrat und der Schutz der Menschenrechte (2014), S. 7 ff. 70 Siehe dazu auch oben Teil 2 A. II. 3. b). 71 Art. 16 AEUV. 72 UN HCR, Policy on the Protection of Personal Data of Persons of Concern to UNHRC (Mai 2015).
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Teil 3: Verbesserung des Datenschutzes bei der Auslandsaufklärung
Grundrechte abgesichert. Dadurch sind insbesondere die Durchsetzungsmöglichkeiten des Betroffenen eingeschränkt, da keine mit der Individualbeschwerde im Rahmen der Menschenrechtsverträge vergleichbaren internationalen Rechtsschutzmechanismen hinsichtlich internationaler Organisationen bestehen.73 Aus rechtlicher Sicht kritikwürdig ist, dass die Anwendung der Zurechnungsgrundsätze durch die Rechtsprechung, Staaten und auch einem Großteil der Literatur zur Zeit auf eine Art und Weise erfolgt, bei der die Zurechnung zum Entsendestaat und die Zurechnung zur internationalen Organisation in einem Alternativverhältnis stehen (dazu Teil 2 A. II. 3. b)). Mit anderen Worten lässt die Staatenpraxis und teilweise auch die Rechtsprechung der Zurechnung zu einer internationalen Organisation die Wirkung zukommen, die Zurechnung zum Entsendestaat automatisch und vollständig zu beenden. Dieses Alternativverhältnis kann dazu führen, dass die Zurechnung zu einer internationalen Organisation angenommen wird, die daneben bestehenden Einflussmöglichkeiten und damit auch die Verantwortlichkeiten des Entsendestaates jedoch gänzlich unberücksichtigt bleiben (dazu Teil 2 A. II. 3. b) bb)). In der Folge wird der Entsendestaat vollständig aus seiner Verantwortung entlassen. Dem Einzelnen fehlen infolgedessen Durchsetzungsmechanismen, d. h. die Möglichkeit, seine Rechte auf Datenschutz durchzusetzen. Um den Datenschutz durchsetzen zu können, muss der Betroffene die Möglichkeit haben, „to pierce the organizational veil“74. Diese Möglichkeit bestünde, wenn der Datenvorgang nicht allein und ausschließlich der internationalen Organisation zugerechnet würde, sondern gleichzeitig auch dem Staat, dessen Soldaten den Vorgang ausführen. Anders als von Rechtsprechung und Literatur angedeutet, muss die effektive Kontrolle der internationalen Organisation, die die Zurechnung zu dieser begründen kann, nicht in einem Alternativverhältnis zur originär bestehenden Zurechnung von Handlungen der Soldaten zu ihrem Entsendestaates stehen. Die Zurechnungsregeln enthalten keine dahingehenden Anhaltspunkte. Die Zurechnungstatbestände können vielmehr parallel vorliegen (dazu B. II.). Parallele Zurechnung meint in diesem Zusammenhang, dass das Verhalten der Soldaten gegebenenfalls sowohl der den Einsatz leitenden Organisation oder (einem anderem) Staat, als auch dem Entsendestaat zugerechnet wird, entsprechend dem Ausmaß der jeweiligen Kontrolle.75
73 Um die Immunität vor nationalen Gerichten rechtfertigen zu können, müssen internationale Organisationen alternative interne Beschwerdeverfahren bereitstellen, EGMR (Waite u. Kennedy ./. Deutschland), Urteil v. 18. 02. 1999 – 26083/94, §§ 68 – 69; EGMR (Nada ./. Schweiz), Urteil v. 12.09.12 – 10593/08, §§ 207 ff.; siehe auch EuGH (Kadi II), Urteil v. 18. 7. 2013 – C-583/10 P u. a., § 133. 74 Crawford, State Responsibility (2013), S. 345. 75 Crawford, State Responsibility (2013), S. 204.
B. Parallele Zurechnung im Rahmen multinationaler Koalitionen
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I. Einflussmöglichkeiten des Entsendestaates in multinationalen Einsätzen Selbst wenn ein Staat seine Soldaten in einen multinationalen Einsatz entsendet und er selbst nicht das Oberkommando über die Soldaten behält, verbleiben ihm dennoch Einflussmöglichkeiten auf die Handlungen seiner Soldaten. Der Entsendestaat hat die Möglichkeit, seine Zustimmung zu dem Einsatz zu widerrufen, einer Entscheidung zu widersprechen, je nach Einzelfall einen Einsatz zu leiten oder auf Ebene der internationalen Organisation Einfluss auf die Entscheidungsfindung zu nehmen.76 Bereits aus der Zustimmung zu dem Einsatz lässt sich eine hinreichende Verantwortung für weitere Handlungen ableiten.77 Dem einzelnen Soldaten wird ggf. zwar die Anweisung gegeben, die Befehle anderer Staaten auszuführen. Doch kann der Entsendestaat diese Anweisung auch einseitig widerrufen, so dass die Ausführung der Befehle letztlich auch auf ihn zurückzuführen ist. Den Entsendestaaten steht es außerdem frei, bei einzelnen Maßnahmen jeweils anders zu entscheiden als der Verbund.78 Auch die Straf- und Disziplinargewalt verbleibt bei ihnen.79 Die Einsätze unterliegen daneben zwar den allgemeinen Rules of Engagement (RoE) des multinationalen Verbunds. Diese müssen aber von jedem truppenentsendenden Staat übernommen und an die jeweiligen nationalen Vorgaben angepasst werden. Insgesamt liegt somit bei jedem multinationalen Einsatz eine Vielzahl von mehr oder weniger verschiedenen RoEs vor. Jeder Soldat muss sich an die RoE seines Entsendestaates halten. Da die Staaten also jederzeit in die Ausführung des Einsatzes eingreifen können, behalten sie einen nicht zu vernachlässigenden Teil der Einfluss- und Gestaltungsmöglichkeiten. Die vollständige Freizeichnung der Bundesrepublik Deutschland in Bezug auf Bundeswehrsoldaten entspricht nicht dem Einfluss, den die Bundesre-
76 Krieger, Die Verantwortlichkeit Deutschlands nach der EMRK für seine Streitkräfte im Auslandseinsatz, ZaöRV 62 (2002), 669 (680) zu KFOR, IFOR / SFOR / bei friedenskonsolidierenden Maßnahmen: nicht allgemeiner / grundsätzlicher Ausschluss, wenn innerhalb der NATO gehandelt, auch nach Übertragung der operational control kann die Bundesregierung jeder Zeit durch einseitiges Tätigwerden widerrufen; a.A. Arnauld, Das (Menschen-)Recht im Auslandseinsatz in Weingärtner, Streitkräfte und Menschenrechte (2008), 61 (66). 77 VG Köln, Urteil v. 11. 11. 2011, Az.: 25 K 4280/09, Rn. 50; Cerone, Minding the Gap, EJIL (2001) Vol. 12 No. 3, 469 (486). 78 So knüpft auch das OLG Köln bei der Frage nach einer (deutschen) Staatshaftung an das Vetorecht der Bundesrepublik Deutschland innerhalb der Nato an, kann im Folgenden aber kein rechtswidriges Verhalten feststellen, da dieses Vetorechte dem weiten außen- und verteidigungspolitischen Beurteilungsspielraum und Einschätzungsermessen unterliege, OLG Köln, Urteil v. 28.7.05 – 7 U 8/04, juris Rn. 109 f. 79 Krieger, Die Verantwortlichkeit Deutschlands nach der EMRK für seine Streitkräfte im Auslandseinsatz, ZaöRV 62 (2002), 669 (681); a. A. noch Wieland, der in der Übertragung der Befehls- und Kommandogewalt eine Übertragung deutscher Hoheitsrechte sieht, Wieland, Die Beteiligung der Bundeswehr an gemischtnationalen Einheiten, FS Böckenförde (1995), 219 (231).
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Teil 3: Verbesserung des Datenschutzes bei der Auslandsaufklärung
gierung in diesen Einsätzen weiterhin ausübt.80 Selbst wenn der Verteidigungsminister nicht mehr die effektive Kontrolle über eine konkrete Einsatzhandlung ausübt, verbleiben ihm bzw. der Bundesrepublik weiterhin erhebliche Einflussmöglichkeiten, die bei der Verteilung rechtlicher Verantwortlichkeiten nicht unberücksichtigt bleiben dürfen.
II. Parallele Zurechnung in der Rechtspraxis Diese parallel bestehenden Einflussmöglichkeiten der verschiedenen Akteure, die im Rahmen eines internationalen Einsatzes handeln, können durch das Konzept der parallelen Zurechnung aufgefangen und angemessen berücksichtigt werden. Die Möglichkeit einer parallelen Zurechnung ist bereits den bestehenden Regeln zur Staatenverantwortlichkeit zu entnehmen und findet sich in der Kommentierung der International Law Commission zu Art. 7 DARIO81: „Although it may not frequently occur in practice, dual or even multiple attribution of conduct cannot be excluded. Thus, attribution of a certain conduct to an international organization does not imply that the same conduct cannot be attributed to a State; nor does attribution of conduct to a State rule out attribution of the same conduct to an international organization. One could also envisage conduct being simultaneously attributed to two or more international organizations, for instance when they establish a joint organ and act through that organ.“82
Diese Aussage enthält die Möglichkeit einer parallelen Zurechnung. Auch wenn sich der EGMR bislang noch nicht ausdrücklich zur parallelen Zurechnung geäußert hat, so sind zwei Entscheidungen dennoch Anhaltspunkte für die Bewertung einer solchen Zurechnung zu entnehmen. In Behrami/ Saramati hatte der EGMR eine Zurechnung im Rahmen der UN-geleiteten Einsätze zu den Entsendestaaten noch generell abgelehnt. Die Einsätze auf der Grundlage des Kapitels 7 UNCh seien auf die Unterstützung der Mitgliedstaaten angewiesen. Um diese Unterstützung und damit auch die Effektivität der Einsätze nicht zu gefährden, könne die EMRK nicht dahingehend ausgelegt werden, dass auch eine Handlung oder ein Unterlassen, das im Rahmen eines Kapitel 7- Einsatzes stattfindet, durch den Gerichtshof überprüft werden dürfe.83 Die Gefahr, dass Mitgliedstaaten von einer Be80 Vgl. UN GA, Report of the International Law Comission (2004), UN GA Doc. (Supp. 10) A/59/10, Kommentar Nr. 6 und 8 zu Art. 5. Die Übertragung von Hoheitsgewalt gilt es für jeden Einzelfall gesondert zu beurteilen, Stoltenberg, Auslandseinsätze der Bundeswehr im menschenrechtlichen Niemandsland?, ZRP 2008, 111 (113). 81 „Conduct of organs of a State or organs or agents of an international organization placed at the disposal of another international organization“, Art. 7 DARIO. 82 ILC, Draft articles on the responsibility of international organizations, with commentaries 2011), Kap. II, Abs. 4 (Hervorhebungen nur hier). 83 EGMR (Behrami ./. Frankreich und Saramati ./. Frankreich, Deutschland u. Norwegen) Entscheidung v. 02. 05. 2007 – 71412/01 u. a., § 149.
B. Parallele Zurechnung im Rahmen multinationaler Koalitionen
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teiligung an UN-Einsätzen abgehalten würden, wenn sie nicht von einer ausschließlichen Zurechnung der Handlungen zur UN ausgehen können, besteht aber bei jeder Art der Beteiligung an solchen Einsätzen, d. h. nicht nur, wenn die UN effektive Kontrolle ausüben. Die Argumentation birgt deshalb das Potenzial, sehr weitreichend, auf jegliche UN-geleiteten Einsätze ausgelegt zu werden. Später, in der Entscheidung zu Al-Jedda verdeutlichte er allerdings, dass nicht jeder Einsatz, der unter der Beteiligung der UN ausgeführt wird, eine Zurechnung zu dem Entsendestaat ausschließt. In Al-Jedda standen Handlungen Großbritanniens zur Debatte, die im Zuge der Besetzung des Iraks ausgeführt worden waren. Großbritannien als Besatzungsmacht und Gründungsmitglied des Coalition Provisional Authority (CPA) hatte zusammen mit den USA die Verantwortung für die Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung übernommen.84 Erst im Anschluss erließ der UN-Sicherheitsrat eine diesbezügliche Resolution. Dadurch, dass Großbritannien bereits vor und unabhängig von dieser Resolution seine Soldaten entsandt und befehligt hatte, lehnte der EGMR eine Zurechnung zu den UN ab.85 Dass Staaten innerhalb eines UN-geleiteten multinationalen Einsatzes tätig werden, schließt nach Al-Jedda nun nicht mehr per se die Zurechnung einer Handlung zum Entsendestaat aus. Der Gerichtshof hat damit seine strenge Haltung aus Behrami/ Saramati relativiert. Weitergehende Aussagen zur parallelen Zurechnung sind der EGMR-Rechtsprechung allerdings nicht zu entnehmen. Unterdessen beschäftigten sich das Hague District Court und der Hoge Raad der Nederlande bereits mit den Vorteilen einer parallelen Zurechnung einer Unterlassung zu einem Staat und den UN.86 Beide Urteile entschieden über die Rolle des Dutchbat bei der unterlassenen Verhinderung des Massakers in Srebrenica im Juli 1995. Das Hague District Court befand, dass die maßgebliche effektive Kontrolle über die Soldaten sowohl die UN als auch die Niederlande ausgeübt haben konnten: die UN, indem sie für den gesamten Friedenseinsatz verantwortlich waren, und die Niederlande, indem sie die Kontrolle über die konkrete Handlung ausübten. Aus der Zurechnung der Unterlassung zu den Niederlanden seien im Übrigen keine Rückschlüsse über die Zurechnung zu den UN zu ziehen.87 Das Hague District Court 84
Territorialbezogene Hoheitsgewalt wurde abgelehnt bzw. nicht geprüft in EGMR (Issa et al ./. Türkei), Urteil v. 16. 11. 2004 – 31821/96, § 81; EGMR (Al-Skeini et al ./. Großbritannien), Urteil v. 07. 07. 2011 – 55721/07, §§ 149 ff.; EGMR (Hassan ./. Großbritannien), Urteil v. 16. 09. 2014 – 29750/09, § 75; EGMR (Al-Jedda ./. Großbritannien), Urteil v. 07. 07. 2011 – 27021/08, § 85; EGMR (Al-Sadoon u. Mufdhi ./. Großbritannien), Urteil v. 04. 10. 2010 – 61498/08, §§ 10, 12 f., 128. 85 EGMR (Al-Jedda ./. Großbritannien), Urteil v. 07. 07. 2011 – 27021/08 § 84; Vgl. zu den Zurechnungskriterien in dieser Entscheidung auch Crawford, State Responsibility (2013), S. 353. 86 The Hague District Court (Mothers of Srebrenica against the State), Urteil v. 16. 07. 2014 – C/09/295247 / HA ZA 07 – 2973; Hoge Raad der Nederlande, Nederlande/ Nuhanovic, Urteil v. 06. 09. 2013 – 12/03324, § 3.11.2. 87 The Hague District Court (Mothers of Srebrenica against the State), Urteil v. 16. 07. 2014 – C/09/295247 / HA ZA 07 – 2973, Ziff. 4.33; Hoge Raad der Nederlande, Nederlande/ Nu-
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betonte: „[g]iven the option of dual attribution available we do not need to examine whether the UN also had effective control over Dutchbat’s actions that form part of the accusations.“88 Auch wenn die Details der parallelen Zurechnung noch durch die Rechtsprechung und Literatur ausgestaltet werden müssen, so zeigt sich doch bereits jetzt, dass dieser Ansatz es ermöglicht, die verschiedenen Beteiligungs- und Einflussmöglichkeiten der Parteien eines multinationalen Einsatzes angemessen zu berücksichtigen. Dementsprechend ist es gerechtfertigt dieses Konzept verstärkt in den rechtlichen Diskurs einzubinden.
C. Eingeschränkte Verwertung von Daten, die von Dritten rechtswidrig erhobenen wurden Ein weiterer Aspekt, der innerhalb des Datenschutzes im Rahmen der Auslandsaufklärung Beachtung finden muss, ergibt sich aus der Konstellation, dass Daten, die von Dritten unter Verstoß gegen grund- und menschenrechtliche Standards erhoben wurden, an deutsche öffentliche Stellen übermittelt werden. Hierbei lassen sich zwei Varianten unterscheiden. Zum einen können die deutschen öffentlichen Stellen Daten von ausländischen Nachrichtendiensten erhalten, ohne dass sie diese angefordert haben. Zum anderen können sie Daten aufgrund eines Ersuchens erhalten. Für beide Szenarien gilt zunächst, dass jede weitere Verwendung der Daten durch deutsche öffentliche Stellen einen eigenständigen Eingriff darstellt.89 Die Verantwortlichkeit der Bundesrepublik ist nicht bereits deshalb ausgeschlossen, weil eine nicht an das Grundgesetz gebundene Staatsgewalt den Eingriff zu verantworten hat.90 Vielmehr stellt die Datenverwendung der deutschen öffentlichen Stelle einen eigenständigen Eingriff dar. Dies bedeutet allerdings nicht, dass bei der Beurteilung hanovic, Urteil v. 06. 09. 2013 – 12/03324, § 3.11.2; Hoge Raad der Nederlande, Nederlande/ Mustafic, Urteil v. 06. 09. 2013 – 12/ 03329. 88 The Hague District Court (Mothers of Srebrenica against the State), Urteil v. 16. 07. 2014 – C/09/295247 / HA ZA 07 – 2973, Ziff. 4.45. „Relatedly, it indicates the relevance of shared responsibility scenarios in international law. It develops the doctrine of attribution and related concept of effective control proposed by the ILC in the Articles on the Responsibility of IOs, and indicates that both a state and an IO can share effective control, and hence, potentially, responsibility, despite the UN’s presumptive immunity“, Boon, Mothers of Srebrenica Decision: Dutch Court holds The Netherlands Responsible for 300 Deaths in 1995 Massacre, abrufbar unter http://opiniojuris.org/2014/07/17/mothers-srebrenica-decision-dutch-high-court-holdsnetherlands-responsible-300-deaths-1995-massacre/ (zuletzt abgerufen am 21. 05. 2017). 89 Siehe nur BVerfGE 115, 320 (343); 100, 313 (359, 366 f.). 90 Im Alteigentümer-Urteil entschied das BVerfG, dass die Bundesrepublik nicht für Schäden verantwortlich ist, die eine nicht an das Grundgesetz gebundene Staatsgewalt zu verantworten hat, BverfGE 102, 254 (254).
C. Eingeschränkte Verwertung von rechtswidrig erhobenen Daten
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der Rechtmäßigkeit der späteren Datenverwendung die vorgelagerten, selbstständigen Eingriffe der ausländischen Stelle vollständig ausgeklammert werden dürften.91 Eine solche Einzelbetrachtung widerspräche fundamental der Absicht hinter dem Konzept, dass jede Datenverwendung einen eigenständigen Eingriff darstellt. Die Eigenständigkeit der einzelnen Eingriffsmöglichkeiten sollte das Schutzniveau erhöhen, nicht absenken. Ein Datum, das unter Folter oder unter sonstigen Verletzungen von Grund- und Menschenrechten erhoben worden ist, kann bei der weiteren Verwendung nicht einfach wie ein Datum behandelt werden, das in rechtstaatlich zulässiger Weise erhoben wurde. Für eine Gesamtbetrachtung spricht auch, dass die Erhebung eines Datums die grundlegende Voraussetzung für alle weiteren Bedrohungen des Rechtsguts darstellt und deshalb besonderes Gewicht hat. Sie ist condicio sine qua non für alle weiteren Eingriffe im Zusammenhang mit dem Datum.92 Als Konsequenz dieser Erheblichkeit einer rechtswidrigen Erhebung ergibt sich allerdings kein Beweisverwertungsverbot, wie es aus dem Strafrecht bekannt ist nicht, wenn die Daten, die unter Verstoß gegen menschenrechtliche Standards erhoben, ohne Anforderung oder sonstiges Zutun deutscher öffentlicher Stellen an diese übermittelt werden. Denn bei der Auslandsaufklärung handelt es sich nicht um ein Strafverfahren, sondern um Aufklärungsarbeit im Sinne der Gefahrenabwehr, die dazu führen kann (und soll), weitere Bedrohungen und Gefahren zu verhindern. Im Fokus der Auslandsaufklärung steht allein die Abwehr schwerer Gefahren für eine Vielzahl von Menschen und nicht die Sammlung von Beweisen, um eine bestimmte Person in einem objektiv-materiellen Verfahren, das insbesondere auch der Selbstbelastungsfreiheit verschrieben ist, einer gerechten Strafe zuzuführen. Die Daten sollen dafür eingesetzt werden, dass ein Schaden verhindert wird und nicht dafür, eine Schuld zu begründen.93 Auch lässt sich der Rechtsgedanke des § 136a StPO, der die Selbstbelastungsfreiheit schützt, hier nicht übertragen.94 Die Auslandsaufklärung zielt nicht auf die strafrechtliche Verfolgung einer Person. Erhält der BND oder die Bundeswehr deshalb Daten, ohne dass diese angefordert wurden, würde ein Verwertungsverbot nicht präventiv wirken. Hier muss eine Abwägung möglich sein, um im Falle einer konkreten Gefahr für ein überragend wichtiges Rechtsgut diese abwehren zu können. Den Gebrauch von Daten, die dem BND ohne vorheriges Zutun übermittelt werden, zur Verhinderung einer konkreten Gefahr im Einzelfall für ein 91
Dies widerspricht auch nicht das Alteigentümer-Urteil des BVerfG. Dieses Urteil bezog sich auf eine Wiedergutmachungspflicht der Bundesrepublik für Schäden, die ein anderes Völkerrechtssubjekt zu verantworten hatte. Bei der hier diskutierten Frage handelt es sich um eine eigenständige Handlung des deutschen Staates, die an die Handlung eines anderen Staates (Datenübermittlung bzw. dem Datenempfang) anschließt. Nicht hingegen wird gefragt, für Schäden einzustehen, die durch eine etwaige Datenverwendung durch den anderen Staat verursacht wurden. 92 Vgl. zum Gewicht der Datenerhebung BVerfGE 133, 277 (353). 93 Krieger, Die Reichweite der Grundrechtsbindung bei nachrichtendienstlichem Handeln, Berliner Online-Beiträge zum Völker- und Verfassungsrecht, Beitrag Nr. 1/08, 1 (12). 94 Vgl. Schuhr, in: MüKo StPO 1. Aufl. (2014), § 136a StPO Rn. 5.
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überragend wichtiges Rechtsgut zu verbieten, wäre unter Gefahrabwehrgesichtspunkten realitätsfern.95 Fordern die Nachrichtendienste hingegen die Daten an bzw. erhalten sie Daten innerhalb eines regelmäßigen Ring-Tauschs, wird der rechtswidrigen Erhebung Anreiz geboten. An dieser Stelle ist in Anlehnung an das Beweisverwertungsverbot von einem Erkenntnis- oder Aufklärungsverbot auszugehen. Werden Daten, die unter Folter erhoben wurden, angefordert bzw. innerhalb einer dauerhaften Kooperation übermittelt, dürfen die deutschen Stellen diese Daten nicht für die weitere Aufklärungsarbeit verwenden. Deshalb sollte differenziert werden zwischen Daten, die in einem dauerhaften Ring-Tausch übertragen werden, und solchen, die im Einzelfall wegen einer konkreten Bedrohung an den BND gegeben werden.96 Entsprechend dieser Differenzierung wird an dieser Stelle die rechtspolitische Forderung aufgestellt, die Verwendung personenbezogener Daten dahingehend einzuschränken, keine Anreize zu Datenerhebungen setzen, die gegen fundamentale Menschenrechte verstoßen, beispielsweise damit, dass die Nutzung solcher Daten untersagt wird, wenn die rechtswidrigen Erhebung befördert wurde.
D. Einfachgesetzliche Verfahrensanforderungen zur Umsetzung des verfassungsrechtlichen Datenübermittlungsverbots Der Datenaustausch mit anderen Staaten ist ein wichtiger Teil der Auslandsaufklärung. Der Austausch wird zu großen Teilen in festen Kooperationen mit ausländischen Nachrichtendiensten durchgeführt. Gegen die Datenübermittlung zwischen den Nachrichtendiensten bestehen keine grundsätzlichen Einwände. Wie bereits eingangs erwähnt, braucht der Austausch dennoch einen rechtlichen Rahmen, um die verschiedenen Interessen angemessen auszugleichen. Bei der Datenübermittlung geht es dabei insbesondere darum, zu verhindern, dass die Daten in einer Weise verwendet werden, die grundlegenden rechtsstaatlichen Maßstäben widerspricht. Angesichts dieser Interessenlage, d. h. der grundsätzlichen Befürwortung nachrichtendienstlicher Arbeit und dem gleichzeitigen Bestreben, die Interessen des Betroffenen zu wahren, soll es im Folgenden nicht darum gehen, den Datenaustausch zwischen Staaten zu verhindern, sondern vielmehr unter Zuhilfenahme verfahrensrechtlicher Mittel gewisse Mindeststandards zu verwirklichen.
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A.A. Krieger, Die Reichweite der Grundrechtsbindung bei nachrichtendienstlichem Handeln, Berliner Online-Beiträge zum Völker- und Verfassungsrecht, Beitrag Nr. 1/08, 1 (12). 96 Schaller, Kommunikationsüberwachung durch den BND, SWP-Studie S 7 (April 2016), 1 (22 f.); Vgl. BVerfGE 130, 1 (40 f.); Krieger, Die Reichweite der Grundrechtsbindung bei nachrichtendienstlichem Handeln, Berliner Online-Beiträge zum Völker- und Verfassungsrecht, Beitrag Nr. 1/08, 1 (12 f.).
D. Einfachgesetzliche Verfahrensanforderungen
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Einer dieser Mindeststandards ist das Folterverbot. In diesem Zusammenhang weist die Datenübermittlung eine Parallele mit dem Auslieferungsverbot gem. Art. 3 EMRK bzw. Art. 1 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 2 Abs. 2 und Art. 104 Abs. 1 S. 2 auf.97 Danach ist die Auslieferung ausgeschlossen, wenn der auszuliefernden Person im Empfangsstaat Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht (dazu Abschnitt I. 1.). Liefert er dennoch aus, verstößt der ausliefernde Staat gegen das Folterverbot. Die Verantwortungsstruktur bei der Datenübermittlung ähnelt dem Auslieferungsverbot (dazu Abschnitt I. 2. und I. 3.). Bei der Datenübermittlung ebenso wie bei der Behandlung einer ausgelieferten Person wird die Möglichkeit des übertragenden Staates, auf die Person oder das Datum einzuwirken, an den Zielstaat abgegeben. Bezüglich solcher Konstellationen betonte das BVerfG zwar zum einen, dass die grundrechtliche Verantwortlichkeit der deutschen öffentlichen Gewalt ende, wenn ein Vorgang in seinem wesentlichen Verlauf von einem fremden souveränen Staat nach dessen eigenem, von der Bundesrepublik Deutschland unabhängigem Willen gestaltet werde.98 Zum anderen darf der Staat ungeachtet dessen „[k]einesfalls (…) seine Hand zu Verletzungen der Menschenwürde reichen“99. Insoweit besteht ein verfassungsunmittelbares Verbot, die Daten zu übermitteln. Auch wenn abstrakt betrachtet stets die Möglichkeit besteht, dass der Empfangsstaat mit der weiteren Verwendung der Daten gegen rechtsstaatliche Grundsätze verstößt, zwingt dies nicht dazu, die Datenübermittlung generell auszuschließen. Das BVerfG verlangt jedoch, dass vor der Datenübermittlung hinreichend geprüft wird, ob eine Datenübermittlung wegen der konkreten Gefahr einer Datenverwendung zu Folter oder unmenschlicher Behandlung auszuschließen ist. Innerhalb dieser Prüfung spielen Verfahrensanforderungen eine wesentliche Rolle, um den Grund- und Menschenrechtsschutz zu verwirklichen (dazu Abschnitt II.). Die derzeitigen Ermächtigungsgrundlagen zur Datenübermittlung enthalten kaum Ansatzpunkte dafür, ein etwaiges Datenübermittlungsverbot verfahrensrechtlich abzusichern (dazu Abschnitt III.). Deshalb enthält diese Arbeit die Forderung, die notwendigen Verfahrensrechte normativ zu verankern (dazu Abschnitt IV.), da die Ermächtigungsgrundlagen ansonsten gegen die Menschenwürde verstoßen.
I. Datenübermittlungsverbot Übermittelt eine deutsche öffentliche Stelle im Rahmen der Auslandsaufklärung personenbezogene Daten an eine ausländische öffentliche Stelle, besteht aus men97 Siehe nur Krieger, Die Reichweite der Grundrechtsbindung bei nachrichtendienstlichem Handeln, Berliner Online-Beiträge zum Völker- und Verfassungsrecht (25.01.08), Beitrag Nr. 1/08, 1 (11). 98 BVerfGE 66, 39 (56 ff., 63 f.). 99 BVerfGE 141, 220 (342); 140, 317 (347). Zum Auslieferungsverbot wegen drohender Verstöße gegen das Verhältnismäßigkeitsprinzip, durch die Anwendung einer unmenschlichen und erniedrigenden Handlung siehe BVerfGE 108, 129 (136).
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schenrechtlicher und datenschutzrechtlicher Perspektive die Gefahr, dass diese Daten in einer Weise verwendet werden, die fundamentalen menschenrechtlichen Prinzipien widerspricht. Nach der Übermittlung wird der Empfangsstaat potenziell in die Lage versetzt, unter Heranziehung der Daten (weitere) Eingriffe in das Persönlichkeitsrecht bzw. andere geschützte Rechtsgüter vorzunehmen. Nach der Übermittlung ist die Bundesrepublik nicht ohne Weiteres für etwaige Folgeverwendungen der Daten und somit Eingriffe in Menschenrechte verantwortlich, die ein anderes Völkerrechtssubjekt vornimmt.100 Sie müsste allerdings für Menschenrechtsverletzungen einstehen, wenn sie an dem Eingriff mitwirkt, ihr die Handlungen der ausländischen staatlichen Stelle zugerechnet werden.101 Hergeleitet wird diese Verantwortungsstruktur aus einer Parallele zu den Auslieferungsfällen (dazu Abschnitt 1.). Einen Mitwirkungsakt in Form der Datenübermittlung sah das BVerfG in Bezug auf das Bundeskriminalamtes (BKA) darin, dass durch die Datenübermittlung die Möglichkeit geschaffen wird, im Empfangsstaat ein Verstoß gegen Art. 3 EMRK bzw. gegen das grundrechtliche Folterverbot, das sich aus der unantastbaren Menschwürde aus Art. 1 Abs. 1 GG ergibt und durch das Recht auf körperliche Unversehrtheit aus Art. 2 Abs. 2 GG und das Verbot körperlicher oder seelische Misshandlung von festgehaltenen Personen aus Art. 104 Abs. 1 S. 2 GG flankiert wird, auszuüben (dazu Abschnitt 2.).102 Diese grundlegenden verfassungsrechtlichen Wertungen lassen sich auch auf den BND und die Auslandsüberwachung übertragen (dazu Abschnitt 3.). 1. Auslieferungsverbot Besteht die konkrete Gefahr, dass der Zielstaat eine auszuliefernde Person foltert oder unmenschlich behandelt oder ihr die Todesstrafe droht, verstößt eine Auslie-
100 Vgl. Art. 1 ILC; dazu Crawford, The International Law Commission’s Articles on State Responsibility (2002), Kap. 2.2.1. und 4.2.1. Nach der Übertragung ist nur noch der Empfängerstaat verantwortlich und nur seine Rechtsordnung anwendbar, Ambrock, Die Übermittlung von S.W.I.F.T.-Daten an die Terrorismusaufklärung der USA (2013), S. 108. 101 Vgl. Art. 16 ILC; Jarass, in: Jarass / Pieroth, GG, 14. Aufl. (2016), Art. 1 Rn. 35; Schaller, Kommunikationsüberwachung durch den BND, SWP-Studie S 7 (April 2016), 1 (21). Dies gilt nicht, wenn sie aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen die Durchführung der Handlung nicht beeinflussen kann, BVerfGE 66, 39 (60 f.). 102 Bank, in: Dörr / Grote / Marauhn, EMRK/GG (2013), Kap. 11 Rn. 5. Das BVerfG hatte in seiner Entscheidung zum BKAG unterstrichen, dass vor der Übermittlung von Daten sicherzustellen ist, dass die Daten weder zu politischer Verfolgung noch unmenschlicher und erniedrigender Bestrafung benutzt werden. Die EMRK und andere menschenrechtlichen Garantien dürfen durch die Übermittlung nicht ausgehöhlt werden, BVerfGE 141, 220 (342, 345). Milanovic, Human Rights Treaties and Foreign Surveillance: Privacy in the Digital Age, Harv. Intl. Law J., Vol. 56 No. 1 (2015), 81 (94); Krieger, Die Reichweite der Grundrechtsbindung bei nachrichtendienstlichem Handeln, Berliner Online-Beiträge zum Völker- und Verfassungsrecht, Beitrag Nr. 1/08, 1 (12); zu Metadaten und ihrer Sensibilität Waidner, Stellungnahme zur Anhörung des NSA-Untersuchungsausschusses am 26. 06. 2014, S. 16 und 30.
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ferung gegen Art. 3 EMRK.103 Der Verstoß gegen Art. 3 EMRK beruht darauf, dass die Folter gerade durch den ausliefernden Staat ermöglicht wird.104 Voraussetzung eines Verstoßes des ausliefernden Staates ist, dass im Zeitpunkt der Ausweisungsentscheidung eine reale Gefahr von Folter oder unmenschlicher Behandlung im Zielstaat erkannt wurde oder erkannt hätte werden können.105 Die bloße Möglichkeit einer Verletzung reicht dabei nicht aus. Vielmehr müssen tatsächliche Anhaltspunkte oder das konkrete Risiko einer Konventionsverletzung bestehen.106 Eine Zusicherung des Zielstaates, bestimmte Handlungen zu unterlassen, ist grundsätzlich geeignet, Zweifel an der bevorstehenden Behandlung auszuräumen, soweit keine gegenteiligen Anhaltspunkte vorliegen.107 Den Staaten steht kein Beurteilungsspielraum hinsichtlich der bestehenden Gefahr zu.108 Allerdings überlässt der Gerichtshof ihnen eine gewisse Einschätzungsprärogative, um die relevanten Fakten festzustellen und zu bewerten.109 2. Datenübermittlungsverbot in der Rechtsprechung des BVerfG Die Überlegungen, die dem Auslieferungsverbot zugrunde liegen, übertrug das BVerfG auf Datenübermittlungen des BKA.110 Ebenso wie in den Auslieferungsfällen dem Zielstaat ermöglicht wird, auf die körperliche Unversehrtheit der aus103 EGMR (Soering ./. Großbritannien), Urteil v. 07. 07. 1989 – 14038/88, § 100; EGMR (Al-Moayad ./. Deutschland), Zulässigkeitsentscheidung v. 20. 02. 2007 – 35865/03, § 62; EGMR (Al-Sadoon u. Mufdhi ./. Großbritannien), Urteil v. 04. 10. 2010 – 61498/08, §§ 123, 144; eine Gefahr eines Verstoßes gegen Art. 3 EMRK wurde abgelehnt in EGMR (Hakiziman ./. Schweden), Zulässigkeitsentscheidung v. 27. 03. 2008 – 37913/05. 104 EGMR (Al-Moayad ./. Deutschland), Zulässigkeitsentscheidung v. 20. 02. 2007 – 35865/ 03, §§ 62 f.; EGMR (Al-Sadoon u. Mufdhi ./. Großbritannien), Urteil v. 04. 10. 2010 – 61498/08, §§ 123, 144; Zimmermann/ Elberling in Dörr/ Grote/ Marauhn, EMRK/GG (2013), Kap. 27, Rn. 12. 105 EGMR (Al-Moayad ./. Deutschland), Zulässigkeitsentscheidung v. 20. 02. 2007 – 35865/ 03, § 63; Beweise können durch Berichte der UN/ Amnesty International erbracht werden, Zimmermann / Elberling, in: Dörr / Grote / Marauhn, EMRK/GG (2013), Kap. 27, Rn. 37, 45; „Ohne Deutschland wäre der gesamte Drohnenkrieg des US-Militärs nicht möglich“, Bryant, http://www.sueddeutsche.de/politik/us-drohnenkrieg-immer-fliessen-die-daten-ueber-ram stein-1.1929160, (zuletzt abgerufen am 21. 05. 2017). 106 EGMR (Soering ./. Großbritannien), Urteil v. 07. 07. 1989 – 14038/88, §§ 94, 99; Zimmermann / Elberling, in: Dörr / Grote / Marauhn, EMRK/GG (2013), Kap. 27, Rn. 36. 107 EGMR (Al-Moayad ./. Deutschland), Zulässigkeitsentscheidung v. 20. 02. 2007 – 35865/ 03, §§ 67 ff.; EGMR (Soering ./. Großbritannien), Urteil v. 07. 07. 1989 – 14038/88, §§100 ff.; Zimmermann / Elberling, in: Dörr / Grote / Marauhn, EMRK/GG (2013), Kap. 27, Rn. 47. 108 Vgl. EGMR (Irland ./. Großbritannien), Urteil v. 18. 01. 1978 – E 1, 232 Nr. 27, § 163; Zimmermann / Elberling, in: Dörr / Grote / Marauhn, EMRK/GG (2013), Kap. 27, Rn. 58. 109 Zimmermann / Elberling, in: Dörr / Grote / Marauhn, EMRK/GG (2013), Kap. 27, Rn. 59. 110 BVerfGE 141, 220 (342).
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zuliefernden Person einzuwirken, ermöglicht die Datenübermittlung dem Zielstaat, auf die Daten einzuwirken. Diese Ermöglichung stellt einen eigenständigen Verstoßt des übermittelnden Staates gegen Art. 3 EMRK bzw. Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 2 Abs. 2 GG i.V.m. Art. 104 Abs. 1 S. 2 GG dar, soweit im Zeitpunkt der Übermittlung das Risiko absehbar ist, dass die Daten dazu verwendet werden, um Personen zu identifizieren, denen gegenüber dann Folter angewendet wird. Da die Übermittlung bereits als solche die Verletzung des übermittelnden Staates darstellt, ist es unerheblich, dass es kaum möglich sein wird, eine Verbindung zwischen einem Datum und einem Menschenrechtsverletzung herzustellen, weil entsprechende Markierung der Daten fehlen. Im Rahmen seiner Rechtsprechung zum BKA führte das BVerfG aus, dass eine Übermittlung an eine ausländische öffentliche Stelle nur dann erfolgen darf, wenn in dem Empfangsstaat der menschenrechtliche Schutz personenbezogener Daten auf einem angemessenen Niveau gewährleistet ist. Bei der Beurteilung des Niveaus ist die Eigenständigkeit der anderen Rechtsordnung zu achten. Dabei sind im Einzelnen die innerstaatlichen Rechtsvorschriften und die völkerrechtlichen Pflichten bezüglich der Zweckbindung, die Löschungspflichten, die grundlegenden Anforderungen an Kontrolle und Datensicherheit sowie die Umsetzung in der täglichen Anwendungspraxis einzubeziehen.111 Das Datenschutzkonzept der anderen Rechtordnung muss dem deutschen Standard nicht vollständig entsprechen, aber einen angemessenen materiellen Schutz gewährleisten, d. h. der Empfangsstaat muss einen hinreichend rechtstaatlichen Umgang mit den Daten pflegen.112 Eine Datenübermittlung darf nicht durchgeführt werden, „wenn zu befürchten ist, dass elementare rechtsstaatliche Grundsätze verletzt werden (…). Keinesfalls darf der Staat seine Hand zu Verletzungen der Menschenwürde reichen (…).“113
111 BVerfGE 141, 220 ( 344); vgl. auch EuGH (Schrems ./.Digital Rights Ireland), Urteil v. 06. 10. 2015 – C-362/14, Rn. 73 ff.; zum angemessenen Datenschutzniveau in Drittstaaten im Sinne des Art. 25 Abs. 6 DSRL siehe auch Roßnagel / Jandt / Richter, Die Zulässigkeit der Übertragung personenbezogener Daten in die USA im Kontext der NSA-Überwachung, DuD 2014/ 8, 545 (547). Nachdem der Datenschutz in den USA für nicht ausreichend anerkannt wurde und so die USA nicht länger ein „safe habor“ waren, wurde das EU-US-Datenschutzschild ausgehandelt, um eine Datenübermittlung in die USA (wieder) zu realisieren, http://euro pa.eu/rapid/press-release_IP-16 – 216_de.htm (zuletzt abgerufen am 26. 09. 2016). Doch auch dieses Abkommen sieht sich massiver Kritik ausgesetzt. Die Vereinigung Digital Rights Ireland erhob Nichtigkeitsklage vor dem EuGH, Az.: T-670/16, https://netzpolitik.org/2016/eu-us-daten schutzschild-irische-datenschuetzer-reichen-nichtigkeitsklage-ein/ (zuletzt abgerufen am 01. 11. 2016). 112 Vgl. bspw. BVerfGE 63, 343 (369); 141, 220 (344); vgl. auch EuGH (Schrems ./. Digital Rights Ireland), Urteil v. 06. 10. 2015 – C-362/14, Rn. 73 ff.; EGMR (Roman Zakharov ./. Russia), Urteil v. 04. 12. 2015 – 47143/06, §§ 227 ff. 113 BVerfGE 141, 220 (342).
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3. Datenübermittlungsverbot des BND Diese grundlegenden Wertungen der Verfassung sind auf Datenübermittlungen des BND übertragbar, da dieselbe Verantwortungsstruktur zugrunde liegt: Eine deutsche Behörde überträgt Daten an einen anderen Staat, wobei sich die konkrete Datenverwendung im Empfangsstaat auf die Rechtmäßigkeit der Übermittlung auswirkt. Im Rahmen des Auslieferungsverbots kann eine unmenschliche Behandlung i.S.d. Art. 3 EMRK vorliegen, wenn ein unfaires Verfahren in Kombination mit der Tötung eines Menschen oder der Verhängung der Todesstrafe vorliegt.114 Bei der Datenübermittlung ist eine vergleichbare Situation denkbar, in der die Daten für gezielte Tötungen verwendet werden, ohne dass vorher ein faires Verfahren stattgefunden hätte.115 Die Daten können außerdem für Foltermaßnahmen eingesetzt werden, nachdem mithilfe der Daten ein Individuum identifiziert wurde. Außerdem ist die Verwendung der Daten als Druckmittel bei einem bereits identifizierten und in Gewahrsam befindlichen Betroffenen denkbar. Einer Übertragung dieser Wertung auf den BND steht dabei nicht entgegen, dass anders als im Rahmen der inländischen Aufklärung von Straftaten, das BVerfG dem BND bei der (meist) präventiven Auslandsaufklärung einen weiteren Einschätzungsspielraum zugesteht.116 Das Übermittlungsverbot beruht auf der grundlegenden verfassungsrechtlichen Wertung, dass die Menschenwürde absolut geschützt ist. Dieser Schutz gilt absolut und umfassend, weshalb keine Ausnahmen zugunsten der Auslandsaufklärung gemacht werden dürfen. Infolgedessen sind die Wertungen des BVerfG, eine Datenübermittlung im Hinblick auf etwaige Foltermaßnahmen im Empfangsstaat verfahrensrechtlich abzusichern, auch auf den BND übertragbar.
II. Verfahrensrechtliche Pflichten bei der Datenübermittlung Der Schutz der Menschenwürde steht abwägungsfest über der Datenübermittlung, d. h. liegt eine Beeinträchtigung der Menschenwürde vor, kommt es nicht mehr zur
114 EGMR (Al-Moayad ./. Deutschland), Zulässigkeitsentscheidung v. 20. 02. 2007 – 35865/ 03, § 62. Ein drohendes „flagrant denial“ von Verfahrensrechte kann die Ausweisung hindern, EGMR (Soering ./. Großbritannien), Urteil v. 07. 07. 1989 – 14038/88, § 113; Zimmermann / Elberling, in: Dörr / Grote / Marauhn, EMRK/GG (2013), Kap. 27, Rn. 90. Die Verhängung der Todesstrafe ohne faires Verfahren verstößt gegen Art. 2 EMRK und auch gegen Art. 3 EMRK (EGMR (Öcalan ./. Türkei), Urteil v. 12. 05. 2005 – 46221/99, §§ 166, 175; EGMR (Bader u. Kanbor ./. Schweden), Urteil v. 08. 02. 2006 – 13284/04, § 42; Alleweldt, in: Dörr / Grote / Marauhn, EMRK/GG (2013), Kap. 28, Rn. 6. 115 „Ohne Deutschland wäre der gesamte Drohnenkrieg des US-Militärs nicht möglich“, Bryant, abrufbar unter http://www.sueddeutsche.de/politik/us-drohnenkrieg-immer-fliessen-diedaten-ueber-ramstein-1.1929160 (zuletzt abgerufen am 21. 05. 2017). 116 BVerfGE 100, 313 (383).
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Abwägung der Interessen, sondern die Übermittlung ist stets verfassungswidrig.117 Befürwortet man jedoch grundsätzlich die Datenübermittlung zwischen den Nachrichtendiensten der Staaten, so kann eine rechtmäßige Übermittlung nicht voraussetzen, dass der übertragende Staat eine menschenrechtswidrige Verwendung tatsächlich verhindert. Dies wäre nur möglich, wenn Daten nie ins Ausland übermittelt würden, was jedoch nicht der Interessenlage entspricht.118 Vielmehr stellt das BVerfG verfahrensrechtliche Pflichten auf, um sicherzustellen, dass der ausliefernde Staat (die Bundesrepublik) prüft, ob berechtigterweise darauf vertraut werden darf, dass der Empfangsstaat einen rechtsstaatlich angemessenen Umgang mit den Daten pflegt.119 Als Voraussetzung einer rechtmäßigen Datenübermittlung formuliert das BVerfG deshalb, dass die Daten nur bei Vorliegen berechtigten Vertrauens in den rechtsstaatlichen Umgang übermittelt werden dürfen.120 Die Erwartung bezüglich des zukünftigen Umgangs mit den Daten hat sich insbesondere daran zu orientieren, „ob für die Verwendung der Daten die – bei der Übermittlung mitgeteilten – Grenzen durch Zweckbindung und Löschungspflichten sowie grundlegende Anforderungen an Kontrolle und Datensicherheit wenigstens grundsätzlich Beachtung finden. Maßgeblich für die Beurteilung sind die innerstaatlichen Rechtsvorschriften und die internationalen Verpflichtungen des Empfängerstaates sowie ihre Umsetzung in der täglichen Anwendungspraxis.“121 Die Feststellung des angemessenen Niveaus darf dabei auch als generalisierende Entscheidung getroffen werden, muss also nicht vor jeder Datenübermittlung im Einzelfall eingeholt werden.122 Dies gilt so lange, bis die Erwartung eines rechtsstaatlichen Umgangs erschüttert wird.123 Im Ergebnis müssen
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Zum absoluten Schutz der Menschenwürde siehe BVerfGE 75, 369 (380). Dem Staat ist es unmöglich, eine bestimmte Verwendung im Empfangsstaat durchzusetzen, da der übermittelnde Staat in einem anderen Staat keine Staatsgewalt ausüben darf und nur schwer kann. Nach dem völkerrechtlichen Interventionsverbot stehen dem BND bzw. der Bundesregierung keine weitergehenden Befugnisse zur tatsächlichen Durchsetzung und Kontrolle der Handlungen eines anderen souveränen Staates zu. Jeder Staat ist souverän und ein Staat kann den Umgang durch einen anderen Staat nicht durch seine Hoheitsgewalt verhindern, ohne seinerseits gegen das Interventionsverbot zu verstoßen. Eine etwaige, vom deutschen Staat auferlegte Pflicht des Empfangsstaates zu bestimmten Verhaltensweisen kann nicht effektiv durchgesetzt werden. Den Staaten stehen hingegen Gegenmaßnahmen (Repressalien / Retorsion) gegen Völkerrechtsverletzungen zur Verfügung. Siehe dazu im Zusammenhang mit Menschenrechtsverletzungen und den Handlungsmöglichkeiten der EU Athen / Dörr, in: Grabitz / Hilf / Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union 60. EL (2016), Art. 344 AEUV Rn. 1 ff. 119 BVerfGE 141, 220 (345) Damit nimmt es keineswegs eine (unzulässige) Abwägung mit dem Folterverbot vor. Eine Abwägung mit Folter ist stets ausgeschlossen, Zimmermann / Elberling, in: Dörr / Grote / Marauhn, EMRK/GG (2013), Kap. 27 Rn. 58; Bank, in: Dörr / Grote / Marauhn, EMRK/GG (2013), Kap. 11 Rn. 5. 120 BVerfGE 141, 220 (344); § 13 Abs. 2 Nr. 4 BND-Reformgesetz. 121 BVerfGE 141, 220 (345). 122 BVerfGE 63, 215 (215) ; BVerfGE 141, 220 (345). 123 BVerfGE 141, 220 (345); BVerfGE 109, 38 (62). 118
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die Datenübermittlungen so erfolgen, dass sichergestellt ist, dass die Menschenwürde nicht durch den Empfangsstaat beeinträchtigt werden wird. Der EGMR setzt im Rahmen des Auslieferungsverbots ebenfalls bei der verfahrensrechtlichen Absicherung an. Um eine Zurechnung zu dem ausliefernden Staat ausschließen zu können, verlangt er eine Zusicherung, dass der auszuliefernden Person keine Folter oder unmenschliche Behandlung zugefügt werden wird.124 Verfahrensrechtliche Pflichten sind insofern Teil der Grund- und Menschenrechtsverwirklichung (dazu Abschnitt 1.). Gegenstand dieser Pflichten ist, die Berechtigung des Vertrauens in den Umgang des Empfangsstaates mit den Daten zu prüfen (dazu Abschnitt 2.). Die Pflichten sind im Einzelnen, eine diplomatische Zusicherung einzuholen sowie weitere verfahrensrechtliche Absicherungen einzuhalten (dazu Abschnitt 3.). 1. Verfahrensrechtliche Pflichten als Grundrechtsverwirklichung Verfahrenspflichten haben eine besondere Bedeutung für den Grundrechtsschutz im Rahmen von nachrichtendienstlichen Tätigkeiten, bei denen der Exekutive große Handlungsspielräume belassen werden. Formuliert der Gesetzgeber diesbezügliche Befugnisse, ist die Tatsachenbasis dieser Sicherheitsgesetze im Zeitpunkt des Gesetzgebungsverfahrens noch ungewiss. Der Gesetzgeber kann lediglich eine Prognoseentscheidung fällen und der Verwaltung die konkrete Entscheidungsfindung anhand einer gesicherten Tatsachenbasis im Einzelfall überlassen.125 Gleichzeitig obliegt es dem Gesetzgeber und nur ihm, die wesentlichen Entscheidungen über die Eingriffsvoraussetzungen in Grundrechte zu treffen.126 Um die Entscheidungsfindung der Exekutive nach Maßgabe verfassungsrechtlicher Anforderungen einzuschränken, ist insbesondere der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz allein nicht ausreichend.127 Können aufgrund der komplexen Sachlage keine detaillierten Regelungen im Voraus formuliert werden, so muss der Gesetzgeber die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes auf andere Weise sicherstellen.128 124 EGMR (Al-Moayad ./. Deutschland), Zulässigkeitsentscheidung v. 20. 02. 2007 – 35865/ 03, §§ 67 ff.; Zimmermann / Elberling in: Dörr / Grote / Marauhn, EMRK/GG (2013), Kap. 27, Rn. 48. 125 Albers, Die verfassungsrechtliche Bedeutung der Evaluierung neuer Gesetze zum Schutz der Inneren Sicherheit, DIMR (2005), 21 (28). In bestimmten Fällen trifft den Gesetzgeber dabei eine Evaluierungspflicht, die Gesetze in der Zunkunft auf ihre verhältnismäßigkeit hin zu untersuchen, dazu Weinzierl, Die Evaluierung von Sicherheitsgesetzen, DIMR (2006), S. 5. 126 Petersen, Verhältnismäßigkeit als Rationalitätskontrolle (2015), S. 196. 127 Dies gilt insbesondere bei geheimen Maßnahmen, Debus / Piesker, Ex-post Gesetzesevaluation zur Ermittlung datenschutzrechtlicher Folgen, in: Gusy, Evaluation von Sicherheitsgesetzen (2015), 193 (210). 128 Petersen, Verhältnismäßigkeit als Rationalitätskontrolle (2015), S. 196.
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Deshalb ist ein effektiver Grundrechtsschutz darauf angewiesen, dass den nicht unmittelbar abwehrrechtlichen Dimensionen der Grundrechte ein stärkeres Gewicht beigemessen wird.129 Eine dieser Dimensionen sind die verfahrensrechtlichen Absicherungen.130 Diese werden hergeleitet aus den materiellen Gewährleistungen der Grundrechte, dem Gedanken der Wirksamkeit des Menschenrechtsschutzes und nicht zuletzt aus der Pflicht des Staates, das Leben gesetzlich zu schützen.131 Dabei handelt es sich nicht um Verfahrensrechte im Sinne der Prozessgrundrechte, sondern um verfahrensrechtliche Vorgaben, die die Entscheidungsfindung der Verwaltung im konkreten Fall leiten sollen.132 Die hier genannten verfahrensrechtlichen Anforderungen zielen darauf ab, sicherzustellen, dass die Datenübermittlung unterbleibt, sobald die konkrete Gefahr von Folter oder unmenschlicher Behandlung besteht. Sie spezifizieren mithin die Entscheidungsfindung der Verwaltung. Nebenbei geht es auch darum, „durch prozedurale Anforderungen eine effektive Kontrolle staatlicher Entscheidungen zu ermöglichen“.133 In diesem Sinne betonte das BVerfG in seinen Entscheidungen zu staatlichen Überwachungsmaßnahmen, dass diese nur unter verfahrensrechtlichen Auflagen angemessen seien. So wurden eine Protokollierung der Weitergabe,134 eine Mitteilungspflicht an den Betroffenen,135 andere verfahrensrechtliche Vorkehrungen zur Abwehr von Eingriffen in den absolut geschützten Kernbereich des Persönlichkeitsrechts bei geheimer Überwachung,136 Kennzeichnungs- und Protokollierungspflichten bei der Datenübermittlung137 sowie die Möglichkeit gerichtlicher Überprüfung von geheimen Maßnahmen gefordert138. 129 Menzel, Internationales Öffentliches Recht (2011), S. 551. Abzugrenzen ist diese Konstellation dennoch von der Schutzpflichtverantwortung der Bundesrepublik Deutschland bezüglich Beeinträchtigungen durch Drittstaaten. Dieser Verantwortung sei die BRD teilweise mit der UN GA RES 68/167 Right to Privacy in the digital age, vom 18. 12. 2013, A/68/456/ Add. 2 nachgekommen, Talmon, Sachverständigengutachten NSA-Untersuchungsausschuss, 02. 06. 2014, Ziff. 16. Zur Notwendigkeit dieser Schutzpflichten angesichts der nachrichtendienstliche Zusammenarbeit und Datenerhebungen durch Drittstaaten, insb. durch die USA und UK, Deiseroth, Nachrichtendienstliche Überwachung durch US-Stellen in Deutschland – Rechtspolitischer Handlungsbedarf?, ZRP 2013, 194 (194). 130 Krieger, in: Dörr / Grote / Marauhn, EMRK/GG (2013), Kap. 6 Rn. 115. 131 Krieger, in: Dörr / Grote / Marauhn, EMRK/GG (2013), Kap. 6 Rn. 118. 132 Siehe zur Abgrenzung auch Petersen, Verhältnismäßigkeit als Rationalitätskontrolle (2015), S. 198 f. 133 Petersen, Verhältnismäßigkeit als Rationalitätskontrolle (2015), S. 200. 134 BVerfGE 100, 313 (395 f.). 135 BVerfGE 109, 279 (366 – 368); 120, 274 (331 – 335); 125, 260 (353); Petersen, Verhältnismäßigkeit als Rationalitätskontrolle (2015), S. 201. 136 BVerfGE 109, 279 (332); 113, 348 (390); 120, 274 (335 – 339); Petersen, Verhältnismäßigkeit als Rationalitätskontrolle (2015), S. 201. 137 BVerfGE 109, 279 (374 – 79); 110, 33 (75); 120, 378 (431 f.); 100, 313 (344 f., 363); BVerfGE 65, 1 (44); Petersen, Verhältnismäßigkeit als Rationalitätskontrolle (2015), S. 201; zur Kennzeichnungspflicht im Rahmen der Anti-Terror-Datei siehe Arzt, in: Schenke / Graulich / Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes (2014), ATDG § 4 Rn. 27.
D. Einfachgesetzliche Verfahrensanforderungen
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Auch im Rahmen des Urteils zur Datenübermittlung durch das BKA wies das BVerfG auf verfahrensrechtliche Mechanismen hin, um die Rechtmäßigkeit einer Datenübermittlung herzustellen. Als Teil der Prognose hinsichtlich der zukünftigen Datenverwendung durch den Empfangsstaat spielten insbesondere die Zusicherung und das berechtigte Vertrauen in ein entsprechendes Verhalten eine Rolle.139 2. Gegenstand der verfahrensrechtlichen Pflichten Die Verfahrensanforderungen können sich auf unterschiedliche Gegenstände beziehen. Angedacht werden könnte beispielsweise eine Pflicht des übermittelnden Staates, die konkrete Verwendung der Daten zu kontrollieren. Diese Pflicht sähe sich allerdings erheblichen Umsetzungsschwierigkeiten ausgesetzt. Zum einen ist die Markierung eines Datums nur begrenzt möglich. Noch schwieriger würde es, die kausale Verknüpfung eines Datums zu einer menschenrechtswidrigen Handlung nachzuweisen. Die deutschen Behörden könnten auch nicht in einem anderen Staat ermittelnd tätig werden, da ihnen diesbezüglich die Befugnisse fehlen.140 Möglich wäre auch, bei entsprechendem Willen der beteiligten Akteure, eine Berichtspflicht zum Umgang mit den Daten einzuführen. Doch auch diesbezüglich ist der praktische Wirkungsgrad nicht besonders hoch. Es wird an effektiven Nachprüfungsmöglichkeiten fehlen, die Glaubwürdigkeit zu verifizieren. Ein rein datenbezogener Kontrollansatz würde deshalb nicht zu einer Verbesserung des Schutzes führen. Effektiver scheint die Kontrolle des Vertrauens in die Zusicherung hinsichtlich des rechtsstaatlich angemessenen Umgangs mit den Daten im Empfangsstaat. Diese Kontrolle bezieht sich auf die Erschütterung des Eindrucks eines rechtsstaatlichen Umgangs mit den Daten. Auch in dieser Arbeit wird dieser Gegenstand den verfahrensrechtlichen Pflichten zugrunde gelegt. 3. Verfahrensrechtliche Pflichten im Einzelnen Verfahrensrechtliche Pflichten, die auch auf die Datenübermittlung angewandt werden können, lassen sich im Wesentlichen aus den bereits genannten Fällen zum Auslieferungsverbot (dazu Abschnitt a)) sowie aus strukturell vergleichbaren Fällen ableiten (dazu Abschnitt b)). a) Diplomatische Zusicherung des Empfangsstaates Eine Einzelfallprüfung durchzuführen, um mögliche Verstöße gegen das Folterverbot auszuschließen, ist praktisch kaum durchführbar, wenn eine Vielzahl an 138 BVerfGE 113, 273 (301, 309 – 315); vgl. auch 129, 269 (283); Petersen, Verhältnismäßigkeit als Rationalitätskontrolle (2015), S. 201. 139 BVerfGE 141, 220 (345 f.). 140 Baetge, Globalisierung des Wettbewerbsrechts (2009), S. 299.
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Teil 3: Verbesserung des Datenschutzes bei der Auslandsaufklärung
personenbezogenen Daten von einer Vielzahl an Personen übermittelt werden soll. Eine diplomatische Zusicherung hingegen kann sich auf einen Einzelfall beziehen, sie kann aber auch bezüglich des generellen Umgangs mit personenbezogenen Daten abgegeben werden. Die Einholung einer verbindlichen völkerrechtlichen Zusicherung ist grundsätzlich geeignet, etwaige Bedenken hinsichtlich der Zulässigkeit der Auslieferung auszuräumen, soweit im Einzelfall keine gegenteiligen Anhaltspunkte für einen möglichen Verstoß des ausliefernden Staates gegen Art. 3 EMRK bzw. Art. 1 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 2 Abs. 2 und Art. 104 Abs. 1 S. 2 bestehen.141 Auch im Zusammenhang mit Datenübermittlungen des BKA an ausländische öffentliche Stellen verlangte das BVerfG, dass die übermittelnde Stelle eine Zusicherung zum rechtsstaatlich angemessenen Umgang einholt, damit die Datenübermittlung verfassungsgemäß ist.142 Die Zusicherung muss außerdem gewissen qualitativen Anforderungen genügen. Hierbei geht es darum, zu definieren, wann eine angemessene Entscheidungsfindung vorliegt, auf die das jeweilige Verfahren abzielt. Mit anderen Worten kann der Gesetzgeber nicht nur festlegen, dass ein Verfahren durchzuführen ist, um festzustellen, ob ein berechtigtes Vertrauen in den rechtsstaatlich angemessenen Umgang mit den Daten besteht. Er kann auch die Anforderungen dafür definieren, wie fundiert die Tatsachenbasis eines solchen Vertrauens sein muss, mithin wann das Vertrauen als berechtigt eingestuft werden darf. Aus der jeweiligen Formulierung der Zusicherung können unter Hinweis auf eine Gruppenzugehörigkeit, eine Bevölkerungszugehörigkeit oder durch Einzelfallprüfungen Rückschlüsse auf die Wahrscheinlichkeit gezogen werden, dass die Daten eines bestimmten Individuums nach rechtsstaatlichen Grundsätzen behandelt werden wird. Angesichts dessen, dass es in der vorliegenden Konstellation Ziel der verfahrensrechtlichen Ausgestaltung ist, Eingriffe in die Menschenwürde zu verhindern, stellen sowohl der EGMR als auch das BVerfG hohe Anforderungen an die Glaubhaftigkeit der Zusicherung.143 Die diplomatische Zusicherung darf nicht zur bloßen Farce verkommen, sie darf nicht nur eine förmliche Aussage, sondern muss vielmehr eine „assurance given by the requesting State to avert the risk of the applicant being ill-treated“ sein.144 Sie muss demnach geeignet sein, eine Verwendung der Daten in einer Weise, die nicht mit dem Rechtsstaatsgebot und insbesondere Art. 3 EMRK übereinstimmt, tatsächlich abwenden zu können. 141
BVerfGE 140, 317 (350); UNHRC Note on Diplomatic Assurances and International Refugee Protection (2006), § 1. Siehe auch IGH (Germany ./. USA – LaGrand), Urteil v. 27. 06. 2001 – ICJ Reports 2001, S. 466, §§ 122 f.; vgl. BVerfGE 140, 317 (350). 142 BVerfGE 141, 220 (346 Rn. 338); vgl. auch Zimmermann / Elberling, in: Dörr / Grote / Marauhn, EMRK/GG (2013), Kap. 27, Rn. 48. 143 EGMR (Ismoilov u. a. ./. Russland), Urteil v. 01. 12. 2008 – 2947/06, § 127; EGMR (Soldatenko ./. Ukraine), Urteil v. 23. 01. 2009 – 2440/07, § 73; UN Ausschuss gegen Folter CAT 233/03 (Agiza ./. Schweden), CAT/C34/D/233/2003 (2005), Ziff. 13.4; BVerfGE 93, 248 (256 f.). 144 EGMR (Al-Moayad ./. Deutschland), Zulässigkeitsentscheidung v. 20. 02. 2007 – 35865/ 03, § 68 (Hervorhebungen nur hier).
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Hinreichend, aber nicht in jedem Fall notwendig für diese Eignung ist eine konkrete Formulierung, die begründete Erwartungshaltung, dass auch die lokalen Behörden die Zusicherung einhalten werden, sowie das Bestehen von Kontrollmöglichkeiten.145 Soweit ersichtlich wurde allerdings bislang noch nicht entschieden, ob diese Kontrollmechanismen auch tatsächlich angewandt werden müssen.146 Teilweise wird der Nutzen einer Zusicherung generell infrage gestellt. Denn die Zusicherung wird vom ausliefernden bzw. übermittelnden Staat nur dann benötigt, wenn gerade Zweifel an dem rechtsstaatlichen Umgang bestehen.147 Dementsprechend geringe Bedeutung für den Ausschluss eines Verstoßes wird einer Zusicherung zugemessen, wenn die konkrete Gefahr der Folter nach einer Auslieferung besteht.148 Wenn man jedoch die Datenübermittlung grundsätzlich zulassen möchte, muss die Möglichkeit, eine diplomatische Zusicherung einzuholen, um eine eigene Verantwortung ausschließen zu können, bestehen bleiben. Nichtsdestotrotz muss das Vertrauen in den rechtsstaatlichen Umgang und die Glaubwürdigkeit auf fundierten Tatsachen beruhen, die keine Zweifel an dem rechtsstaatlich angemessenen Umgang lassen. Die Zusicherung muss deshalb konkret auf den Einzelfall bezogen werden, sobald Anhaltspunkte für Zweifel bestehen. Unter diesen Umständen lässt auch der EGMR eine Zusicherung Bedeutung zukommen, selbst wenn der Zielstaat im Übrigen Folter anwendet. b) Weitere verfahrensrechtliche Anforderungen an eine Auslieferungsentscheidung aufgrund eines Europäischen Haftbefehls Um weitere Möglichkeiten verfahrensrechtlicher Anforderungen an eine Datenübermittlung zu konkretisieren, kann auf Fallkonstellationen im Umgang mit 145 Zimmermann / Elberling, in: Dörr / Grote / Marauhn, EMRK/GG (2013), Kap. 27 Rn. 48; EGMR (Othman ./. Großbritannien), Urteil v. 09. 05. 2012 – 8139/09, § 199. 146 Zimmermann / Elberling, in: Dörr / Grote / Marauhn, EMRK/GG (2013), Kap. 27 Rn. 48. 147 UNHRC, Note on Diplomatic Assurances and International Refugee Protection (2006), § 5; Schmid, The End of the Road on Diplomatic Assurances, Essex HRR (2011), Vol. 8, No. 1, 219 (219). 148 Zimmermann / Elberling, in: Dörr / Grote / Marauhn, EMRK/GG (2013), Kap. 27, Rn. 48. EGMR (Al-Moayad ./. Deutschland), Zulässigkeitsentscheidung v. 20. 02. 2007 – 35865/03, §§ 48, 67 ff. Inwieweit eine Zusicherung der USA glaubhaft wäre, ist angesichts der bekannten Verwendung der Daten zu Tötungen ohne vorheriges Verfahren auch möglicherweise auch außerhalb von bewaffneten Konflikten, fraglich, siehe dazu „We kill people based on metadata“, so der ehemalige NSA-Chef Michael Hayden, https://www.youtube.com/watch? v=UdQiz0Vavmc (zuletzt abgerufen am 21. 05. 2017); http://www.zeit.de/politik/2015 - 10/nsaaffaere-untersuchungsausschuss-metadaten-brandon-bryant-aussage (zuletzt abgerufen am 21. 05. 2017). Vgl. auch die Entscheidung des BVerfG zum Zollkriminalamt: „Je gewichtiger das durch die geplante Tat betroffene Rechtsgut ist und je weitergehend es beeinträchtigt würde, desto geringer darf die Wahrscheinlichkeit sein, mit der auf eine geplante Straftat geschlossen werden kann, und desto weniger fundierend dürfen gegebenenfalls die Tatsachen sein, die dem Verdacht zu Grunde liegen (…)“, BVerfGE 110, 33 (60 f.).
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Teil 3: Verbesserung des Datenschutzes bei der Auslandsaufklärung
Auslieferungsfällen aufgrund eines europäischen Haftbefehls zurückgegriffen werden, denen abstrakt das gleiche Problem zugrunde liegt (dazu Abschnitt aa)).149 Die hierbei aufgestellten Pflichten können größtenteils auf Datenübermittlungen übertragen werden (dazu Abschnitt bb)). Im Rahmen der Auslieferungsentscheidungen aufgrund eines europäischen Haftbefehls hat das BVerfG detaillierte Ausführungen zu verfahrensrechtlichen Anforderungen gemacht, weshalb sie an dieser Stelle der Arbeit von Interesse sind.150 Im Kern dieser Entscheidung stand die Überprüfungsmöglichkeit eines europäischen Haftbefehls am Maßstab des Grundgesetzes. Da das BVerfG im Verhältnis zum europäischen Rechtssystem nur eine Wahrung der Verfassungsidentität überprüfen kann, war Gegenstand des Verfahrens der Schuldgrundsatz als Teil dieser Verfassungsidentität, der durch die Auslieferung verletzt werden würde. Im Rahmen des materiellen Inhalts der Verfassungsidentität wurde auch die Frage behandelt, inwieweit der Auszuliefernden im Empfangsstaat eine dem Schuldgrundsatz angemessene Behandlung erwarten darf und welche Verantwortung die Bundesrepublik für die Behandlung in einem anderen souveränen Staat übernehmen muss. Diese grundsätzlichen Fragen stellen sich auch bei der Absicherung im Rahmen einer Datenübermittlung gegen Folter und unmenschliche Behandlung. aa) Vergleichbarkeit Die Auslieferungsfälle aufgrund eines europäischen Haftbefehls und die Datenübermittlung an andere Staaten weisen gewisse Unterschiede auf. Ihre strukturellen Gemeinsamkeiten sind indes so hoch, dass die verfahrensrechtlichen Pflichten bezüglich der Auslieferungsentscheidung auf die Datenübermittlung übertragen werden können. (1) Unterschiede Zunächst unterscheiden sich die jeweiligen Schutzobjekte. In den Auslieferungsfällen aufgrund eines europäischen Haftbefehls droht dem Betroffenen, dass ihm seine rechtsstaatlichen Garantien entzogen werden. Bei der Datenübermittlung wiederum steht im Raum, dass der Betroffene in seiner körperlichen Unversehrtheit bzw. seiner Menschenwürde beeinträchtigt wird. Ein weiterer Unterschied der beiden Sachverhalte besteht darin, wie unmittelbar im Anschluss an die Übermittlung bzw. Auslieferung in die Schutzobjekte eingegriffen wird. Mit Unmittelbarkeit ist hier gemeint, dass zwischen der Handlung des ersten Staates und dem Eingriff, der 149 Die Rechtsprechung des BVerfG zu den Auslieferungsfällen aufgrund eines europäischen Haftbefehls wird im Ergebnis dazu verwendet, die verfahrensrechtliche Absicherung auszugestalten, die erforderlich ist, um in einem Auslieferungsfall anderer Art – dem Auslieferungsverbot nach Art. 3 EMRK bzw. der Menschenwürde – nicht durch die Datenübermittlung zu verletzen. 150 BVerfGE 140, 317 (367, 370); 63, 332 (338); 59, 280 (282); BVerfGK 3, 27 (32); 3, 314 (317); 6, 13 (18).
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durch die verfahrensrechtlichen Vorkehrungen ausgeschlossen werden soll, kein Zwischenschritt erforderlich ist. Hinsichtlich der Auslieferungsfälle findet der Entzug der rechtsstaatlichen Garantien in dem Moment statt, in dem der Auslieferungsakt vollzogen wurde. Die Datenübermittlung hingegen ermöglicht dem Empfangsstaat lediglich, Kenntnis über eine Person zu erhalten. Um ihre körperliche Unversehrtheit durch Folter, unmenschliche Behandlung oder die gezielte Tötung ohne rechtsstaatliches Verfahren zu beeinträchtigen, bedarf es eines weiteren Schrittes, der durch den Empfangsstaat selbst ausgeführt wird; zusätzlich zu der Entscheidung, überhaupt Folter oder unmenschliche Behandlung auszuführen, muss die Person identifiziert bzw. in den staatlichen Gewahrsam gebracht werden. Unter diesem Aspekt ist die Verantwortlichkeit vom qualitativen Gewicht her geringer als bei den Auslieferungsfällen. Ein stärkeres Gewicht hat die Datenübermittlung, wenn die Daten direkt dazu verwendet werden, eine bereits in Gewahrsam befindliche Person unter Druck zu setzen, wobei der Druck die Qualität der Folter erreicht. Hier ist die Situation unter dem Aspekt der Unmittelbarkeit mit den Auslieferungsfällen vergleichbar. Gleichzeitig ist die Schwere eines Eingriffs durch die Datenübermittlung im Vergleich zu den Auslieferungsfällen dadurch erhöht, dass die Datenübermittlung sehr viel einfacher, schneller und an eine Vielzahl von Staaten stattfinden kann, als es bei der Auslieferung der Fall ist. Als erschwerender Umstand bei der Datenübermittlung kommt hinzu, dass diese anders als die Auslieferung in der Regel ohne Kenntnis des Betroffenen erfolgt. Dies ist ein die Grundrechtsverletzung vertiefender Aspekt.151 Dem Betroffenen ist keine Abwehr möglich, wenn er keine Kenntnis von der Datenübermittlung und der bevorstehenden Bedrohung seiner Rechte hat. Dies bezieht sich zum einen auf die Ergreifung rechtlicher (Abwehr-)Maßnahmen, zum anderen auf die Abwehr der Beeinträchtigung durch eine Anpassung des eigenen Verhaltens. Allerdings hat eine auszuliefernde Person ebenfalls kaum Möglichkeiten, sich aus eigener Kraft dem Einflussbereich des Empfangsstaates zu entziehen. Jedenfalls kann sie aber rechtliche Maßnahmen ergreifen. (2) Gemeinsamkeiten Beide Fallkonstellationen weisen hingegen Gemeinsamkeiten struktureller Art auf. In beiden Fällen sind zunächst zwei souveräne Staaten als aktive Teilnehmer involviert; der übermittelnde bzw. ausliefernde Staat und der empfangende Staat. Die Frage der Verantwortlichkeit für die Handlung eines anderen Staates im Fall der 151
Die Intensität eines Eingriffs in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ergibt sich aus der Sensibilität der Daten, der Datenmenge, der Anzahl und der Auswahl der Betroffenen, die Umstände der Erhebung und Verwendung (wie etwa eine heimliche Datennutzung), potenziellen Folgeeingriffen bei der Datenverwendung, dem Grad der Zweckbindung, die Anzahl der öffentlichen Stellen, die Zugriff auf die Daten haben, der Eingriffsdauer und den damit verbundenen „additiven Grundrechtseingriffen“, Debus / Piesker, Ex-post Gesetzesevaluation zur Ermittlung datenschutzrechtlicher Folgen, in: Gusy, Evaluation von Sicherheitsgesetzen (2015), 193 (204, 210); BVerfGE 133, 277 (352 f.); BVerfGE 65, 1 (53).
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Teil 3: Verbesserung des Datenschutzes bei der Auslandsaufklärung
Auslieferung läuft parallel zur hier gestellten Frage der Verantwortlichkeit für den Umgang mit personenbezogenen Daten nach der Übermittlung an eine ausländische öffentliche Stelle. In beiden Fällen ermöglicht die Handlung des ersten Staates den Eingriff durch den zweiten Staat. Der Eingriff in Art. 3 EMRK bei der Datenübermittlung bzw. der Entzug rechtsstaatlicher Garantien bei der Auslieferung wird jeweils durch den zweiten Staat ausgeführt. Die Handlung des ersten Staates stellt dabei jeweils eine Unterstützungshandlung für diesen Eingriff dar. So wird durch die Auslieferung der Entzug rechtsstaatlicher Garantien gerade durch die Auslieferung bewirkt. Durch die Übermittlung der Daten wird dem Empfangsstaat ermöglicht, eine bestimmte Person zu identifizieren und ihr infolge dessen ebenfalls erniedrigende Behandlungen zuzufügen. Diese Ermöglichung allein ist ausschlaggebend dafür, dass die Übermittlung bei einer entsprechenden Gefahrenlage zu unterbleiben hat. Die grundsätzlich bestehende Verantwortlichkeit für einen Verstoß gegen das Folterverbot hängt nicht von dem qualitativen Gewicht der Übermittlung, dass durch die Unmittelbarkeit bedingt ist, ab. Diese Unterschiede in der Unmittelbarkeit der Beeinträchtigung können bei der Übertragung der Verfahrensanforderungen zu berücksichtigen sein. Die grundlegenden Verantwortungsstrukturen der beiden Fallkonstellationen indes gleichen einander. Angedacht werden kann auch die Vergleichbarkeit einer sog. Kettenabschiebungen, also der Auslieferung in einen Staat, der den Betroffenen zwar nicht selbst verfolgt, ihn aber an einen Drittstaat abschiebt, der dies tun wird, mit mehreren hintereinander geschalteten Datenübermittlungen.152 So können Daten an einen Staat übermittelt werden, dessen eigene Datenverwendung rechtsstaatlich angemessenen Umständen entspricht, der die Daten jedoch an einen dritten Staat weiterübermittelt, dessen Verwendungen diesen Anforderungen nicht entsprechen. bb) Staatliche Pflichten in Auslieferungsfällen aufgrund eines europäischen Haftbefehls im Einzelnen Im Rahmen der Auslieferung aufgrund eines europäischen Haftbefehls betonte das BVerfG die „Gewährleistungsverantwortung“ des deutschen Staates.153 Bevor 152 Zur Kettenabschiebung siehe Randelzhofer, in: Maunz / Dürig, GG 78. EL (2016), Art. 16 a Rn. 18. 153 BVerfGE 140, 317 (346); 63, 332 (338), 59, 280 (282); BVerfGK 3, 27 (32); 3, 314 (317); 6, 13 (18). Der die Auslieferung Deutscher erlaubende Gesetzgeber muss insoweit prüfen, ob diese „rechtsstaatlichen Voraussetzungen von den ersuchenden Stellen erfüllt werden“, BVerfGE 113, 273 299). Die Urteile setzen bei Art. 16 Abs. 2 S. 2 GG an. Voraussetzung einer rechtmäßige Auslieferung ist, dass sie rechtsstaatliche Grundsätze wahrt. Dies bezieht sich nicht (nur) auf die ohnehin bestehende Anforderung an eine verhältnismäßige Regelung und Normumsetzung. „Vielmehr handelt es sich um eine auf den ersuchenden Mitgliedstaat und den Internationalen Gerichtshof bezogene Erwartung im Sinne einer Strukturentsprechung, wie sie auch Art. 23 Abs. 1 GG formuliert, BVerfGE 113, 273 (299). Der Gesetzgeber hat mit einem „gesetzlichen Prüfungsprogramm dafür Sorge zu tragen, dass die das Gesetz ausführenden Stellen in einem Auslieferungsfall in eine konkrete Abwägung der widerstreitenden Rechts-
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eine Auslieferung aufgrund eines europäischen Haftbefehls stattfinden darf, besteht eine von Amts wegen zu beachtende Pflicht der deutschen Behörden zur Aufklärung des Sachverhalts, d. h. des zu erwartenden Umgangs mit der ausgelieferten Person im Empfangsstaat.154 Ebenso wie im Rahmen des Auslieferungsverbots wegen der Gefahr einer unmenschlichen Behandlung ist außerdem auch hier die Einholung einer „völkerrechtlich verbindliche[n] Zusicherung grundsätzlich geeignet, etwaige Bedenken hinsichtlich der Zulässigkeit der Auslieferung auszuräumen, sofern nicht im Einzelfall zu erwarten ist, dass die Zusicherung nicht eingehalten wird“.155 Daneben obliegt es dem von einer Auslieferung Betroffenen, Anhaltspunkte zur Verfügung zu stellen, die eine Prognoseentscheidung hinsichtlich des zu erwartenden Umgangs im Empfangsstaat negativ beeinflussen können. Im Rahmen der Auslieferungsfälle trifft den Betroffenen mithin die Darlegungslast, das Vertrauen in den rechtsstaatlichen Umgang mit seiner Person zu erschüttern.156
III. Bewertung der normativen Verankerung der verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Datenübermittlung Die oben dargestellten verfassungsrechtlichen Anforderungen an eine angemessene Datenübermittlung verlangen im Kern, dass verfahrensrechtliche Absicherungen der verwaltungsrechtlichen Entscheidung bestehen, die geeignet sind, einen rechtsstaatlich unangemessen Umgang mit den Daten im Zielstaat zu erkennen und ein Datenübermittlungsverbot gegebenenfalls umzusetzen. Bislang sind diese Anforderungen nur in Ansätzen hinsichtlich der Auslandsaufklärung normativ verankert. So sind Anhaltspunkte für eine diplomatische Zusicherung vorhanden (dazu Abschnitt 1.), aber die qualitativen Anforderungen an das berechtigte Vertrauen (dazu Abschnitt 3.) und eine von Amts wegen durchzuführende Aufklärungspflicht (dazu Abschnitt 4.) fehlen. positionen eintreten. Das Grundgesetz fordert bei der Auslieferung von Personen, insbesondere von eigenen Staatsangehörigen, zusätzlich die konkrete Prüfung in jedem Einzelfall, ob die entsprechenden Rechte des Verfolgten gewahrt sind“. Die Vorgaben von Art. 20 und Art. 1 GG an den verfassungsändernden Gesetzgeber sind nicht bereits dadurch erfüllt, dass Art. 16 Abs. 2 S. 2 GG abstrakt und generell die Einhaltung rechtsstaatlicher Grundsätze in der ersuchenden Rechtsordnung einfordert und das deutsche Ausführungsgesetz eine entsprechende Konkordanz rechtsstaatlicher Mindeststandards feststellt, BVerfGE 113, 273 (304). 154 BVerfGE 140, 317 (347 f.). Diese Aufklärungspflichten des Staates sind Teil der verfahrensrechtlichen Gewährleistung des Grundrechtsschutzes, Krieger, in: Dörr / Grote / Marauhn, EMRK/GG (2013), Kap. 6 Rn. 115. Außerhalb von Auslieferungsfällen, ist die Pflicht, Sachverhalte von Amts wegen aufzuklären, bekannt, wenn ein Staatsorgan in Grundrechte eingegriffen hat oder dies möglicherweise getan hat, Krieger, in: Dörr / Grote / Marauhn, EMRK/GG (2013), Kap. 6 Rn. 117. 155 BVerfGE 140, 317 (350); 63, 215 (224); 109, 38 (62). 156 BVerfGE 140, 317 (349).
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Die einfachgesetzliche Regelung dieser Pflichten ist jedoch entscheidend dafür, dass die wesentlichen Entscheidungen bei der Normsetzung und nicht bei der Normanwendung getroffen werden. „Die Entscheidung über die Grenzen der Freiheit des Bürgers darf nicht einseitig in das Ermessen der Verwaltung gestellt sein (…). Dem Gesetz kommt im Hinblick auf den Handlungsspielraum der Exekutive eine begrenzende Funktion zu, die rechtmäßiges Handeln des Staates sichern und dadurch auch die Freiheit der Bürger vor staatlichem Missbrauch schützen soll“.157 Dieser Aspekt der Bindung der Verwaltung ist bei einer Überwachungsmaßnahme besonders wichtig, da der Betroffene von ihr keine Kenntnis hat. Auch wenn die Verantwortung der deutschen öffentlichen Gewalt endet, sobald der Vorgang in seinem maßgeblichen Verlauf von einem anderen souveränen Staat gelenkt wird, darf der deutsche Staat dennoch keine Verletzungen der Menschenwürde ermöglichen. 158Auf den verfahrensrechtlichen Pflichten beruht auch das Vertrauen in den rechtsstaatlichen Umgang mit den Daten und die Glaubwürdigkeit der Nachrichtendienste.159 1. Diplomatische Zusicherung und ihr materieller Maßstab Um auszuschließen, dass die Daten für Folter oder unmenschliche Behandlung verwendet werden, muss in Zweifelsfällen vor der Datenübermittlung eine Zusicherung des Empfangsstaates diesbezüglich eingeholt werden. Das BND-Reformgesetz differenziert bei Datenübermittlungen an ausländische öffentliche Stellen nach einer Übermittlung innerhalb einer Kooperation (dazu Abschnitt a)) und nach außerhalb einer solchen (dazu Abschnitt b)). a) Datenübermittlung innerhalb einer Kooperation Bezüglich der Gefahr, dass personenbezogene Daten nach der Übermittlung zu Folter oder unmenschlicher Behandlung genutzt werden, bestehen mehrere relevante Regelungen. Ausgangspunkt ist eine Absichtserklärung der Kooperationspartner (dazu Abschnitt aa)), die in Kombination mit der Arbeitsweise der Kooperation – der automatisierten Datenübermittlung – (dazu Abschnitt bb)) und dem faktischen Leerlaufen des Zweckbindungsgrundsatzes (dazu Abschnitt cc)) keine ausreichende Absicherung eines ggf. bestehenden Datenübermittlungsverbots darstellt.
157 Dies entschied das BVerfG im Rahmen einer möglichen Verletzung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung durch eine Videoüberwachung im öffentlichen Raum in BVerfGK 10, 330 (337 f.). 158 BVerfGE 140, 317 (347). 159 Erxleben, Agenten zwischen den Fronten – Der Bundesnachrichtendienst zwischen Auftrag, Rechtslage und Historie (2015), S. 254 ff.
D. Einfachgesetzliche Verfahrensanforderungen
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aa) Absichtserklärung Für eine Datenübermittlung im Rahmen einer Kooperation mit ausländischen öffentlichen Stellen müssen die Parteien schriftlich eine Absichtserklärung niederlegen.160 Darin muss nicht nur das Kooperationsziel festgelegt werden (dazu Abschnitt cc)), sondern es ist auch eine Absprache darüber zu treffen, „dass die im Rahmen der Kooperation erhobenen Daten nur zu dem Zweck verwendet werden dürfen, zu dem sie erhoben wurden, und die Verwendung mit grundlegenden rechtstaatlichen Prinzipien vereinbar sein muss“.161 Außerdem ist eine Absprache über die Einwilligung des Empfangsstaates in ein etwaiges Auskunftsverlangen der Bundesrepublik hinsichtlich der Datenverwendung zu treffen.162 Zuletzt hat die ausländische öffentliche Stelle eine Zusicherung abzugeben, mit dem Inhalt, dass sie etwaigen Löschungsaufforderungen der deutschen Stelle Folge leisten wird. Das Verbot von Folter zählt zu den grundlegenden Wertungen der deutschen Verfassung und dem Völkerrecht, so dass es als Teil der „rechtsstaatlichen Prinzipien“ in einer etwaigen Absprache enthalten ist.163 Insofern besteht bei unbefangener Betrachtung ein gesetzlicher Ansatzpunkt für die oben erwähnte, verfassungsrechtlich erforderliche Zusicherung des Empfangsstaats. Tatsächlich ist nicht zwingend, dass die Parteien § 13 Abs. 3 Nr. 4 BND-Reformgesetz in der Weise auslegen müssen, dass eine völkerrechtlich verbindliche Zusicherung abgegeben wird. Dass die Absprache nicht als Synonym für den Begriff „Zusicherung“ verwendet wird, zeigt sich daran, dass die Norm selbst diesen Begriff an anderer Stelle verwendet: Einer etwaigen Löschungsaufforderung nachzukommen, soll die ausländische öffentliche Stelle im Rahmen einer Zusicherung erklären. Bezüglich des rechtsstaatlich angemessenen Umgangs wird hingegen der Begriff „Absprache“ verwendet. Eine Absprache ist nicht dasselbe wie eine (diplomatische) Zusicherung, bei der einseitig ein Staat ein bestimmtes Verhalten verspricht.164 Sie ist vielmehr eine zweiseitige Vereinbarung über ein bestimmtes Verhalten und ähnelt somit einem völkerrechtlichen Vertrag.165 Ein völkerrechtlicher Vertrag soll an dieser Stelle wohl allerdings nicht geschlossen werden, zumal auch nicht die dafür erforderlichen Akteure die Absichtserklärung schließen. Die Einbettung dieser Absprache in eine
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§ 13 Abs. 3 BND-Reformgesetz. § 13 Abs. 3 Nr. 4 BND-Reformgesetz. 162 § 13 Abs. 3 Nr. 5 BND-Reformgesetz. 163 Siehe nur BVerfGE 75, 1 (16 f.); Zimmermann / Elberling, in: Dörr / Grote / Marauhn, EMRK/GG (2013), Kap. 27, Rn. 21. 164 Crawford, Public International Law (2012), S. 416; Knauff, in: Schöbener, Völkerrecht (2014), S. 341. 165 Ein völkerrechtlicher Vertrag ist schriftlich zu schließen, ILC Yearbook 1962/II, S. 161; Crawford, Public International Law (2012), S. 369. 161
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Teil 3: Verbesserung des Datenschutzes bei der Auslandsaufklärung
„Absichtserklärung“ lässt erhebliche Zweifel an der rechtlichen Verbindlichkeit aufkommen.166 Damit die Absprache die Rechtmäßigkeit der Datenübermittlung bewirken kann, muss sie rechtlich verbindlich sein.167 Angesichts dessen, dass hier die Menschenwürde als höchstes Verfassungsgut betroffen ist, dürfen keine Zweifel daran bestehen, dass eine Datenverwendung nicht zu Folterzwecken stattfindet. § 13 Abs. 2, 3 BND-Reformgesetz bieten somit lediglich einen Anhaltspunkt dafür, menschenrechtliche Erwägungen zu Folter und unmenschlicher Behandlung durch den Empfangsstaat einzubeziehen. Eine rechtliche verbindliche Absicherung im Sinne einer verpflichtenden Zusicherung des Empfangsstaates stellt sie nicht zwingend dar. Auch die Möglichkeit, Auskunft über die Datenverwendung zu erlangen, verändert dieses Ergebnis nicht. Nach einer Datenübermittlung hat die deutsche öffentliche Stelle keine Befugnisse, die Datenverwendung auch nur ansatzweise nachzuvollziehen. Die Verwendung einzelner Daten zu überprüfen, ist technisch kaum möglich. Selbst wenn die Daten gekennzeichnet wären, kann nicht gewährleistet werden, dass auch jeder Aufruf dieses Datums durch den Empfangsstaat gekennzeichnet wird oder dass die anschließende Nutzung dieses Datums nachvollzogen werden kann. Nutzt eine ausländische öffentliche Stelle ein Datum, um eine Person zu identifizieren, so wird sie den entsprechenden Datensatz aufrufen. Stimmen die Angaben mit einer ihr gegenüberstehenden Person überein, d. h. stellt sich zu Beispiel heraus, dass die Fingerabdrücke dieser Person wiedererkannt wurden, so wird dies nicht zwangsweise in demselben Datensatz vermerkt. Auf die Daten der ausländischen öffentlichen Stelle hat die deutsche Behörde selbst keinen Zugriff und sie hat auch keinen Einblick, wie die Stelle die betroffene Person nach Durchführung dieser erkennungsdienstlichen Maßnahme behandelt.168 Infolgedessen kann auch die Zusicherung, einer Löschungsaufforderung Folge zu leisten, nur den praktischen Nutzen haben, dass Daten gelöscht werden, die aus deutscher Sicht nicht mehr verwendet werden dürfen.169 Eine Löschungsaufforderung in Bezug auf eine (drohende) rechtsstaatlich unangemessene Datenverwendung ist hingegen praktisch nicht umsetzbar. Die deutschen Behörden werden kaum wissen können, wann eine solche Verwendung vorliegt. 166 Die Gesetzbegründung enthält keine weitergehenden Aussagen zu einer etwaigen Verbindlichkeit dieser Absichtserklärung bzw. Absprache. 167 Zur Wirkung der Zusicherung als rechtlich verbindliche Zusage siehe auch IGH (Germany ./. USA – LaGrand), Urteil v. 27. 06. 2001 – ICJ Reports 2001, S. 466, §§ 122 f. Zur Bindungswirkung eines einseitigen völkerrechtlichen Aktes allgemein siehe Crawford, Public International Law (2012), S. 421. 168 Man könne nicht davon ausgehen, dass die Daten zu den Zwecken verwendet werden, die bei der Übermittlung vereinbart worden waren, Hartmann / Steup, On the Security of International Data Exchange Services for E-Governance Systems, DuD 7/2015, 472 (475). Zur Schutzpflichtendimension der Grundrechte angesichts dieser Gefahren siehe Roßnagel / Jandt / Richter, Die Zulässigkeit der Übertragung personenbezogener Daten in die USA im Kontext der NSA-Überwachung, DuD 8/ 2014, 545 (546). 169 Zur Löschungspflicht siehe § 10 BND-Reformgesetz.
D. Einfachgesetzliche Verfahrensanforderungen
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bb) Automatisierte Datenübermittlung Zu den Bedenken hinsichtlich der rechtlichen Verbindlichkeit der Absichtserklärung tritt hinzu, dass Daten innerhalb einer Kooperation automatisiert übermittelt werden dürfen.170 Bei einer automatisierten Übermittlung haben Vorgaben zur rechtstaatlichen Verwendung im Einzelfall keine praktische Bedeutung. Dieser Einzelfallbezug ist aber von herausragender Bedeutung dafür, dass die Zusicherung die Wirkung hat, einen Verstoß gegen das Folterverbot bzw. die Menschenwürde auszuschließen. Dabei ist der materielle Maßstab hinsichtlich der inhaltlichen Anforderungen an der Schwere der drohenden Beeinträchtigung auszurichten. Besteht die Gefahr, dass dem Betroffenen eine unmenschliche Behandlung bzw. Folter, die Todesstrafe oder Ähnliches droht, ist die Zusicherung konkret bezüglich des Einzelfalls zu formulieren.171 Diesen Anforderungen kann im Rahmen einer automatischen Übermittlung nicht Genüge getan werden. Zu keinem anderen Ergebnis führt die automatisierte Vorabprüfung. Die gesetzliche Regelung sieht vor, dass diese Vorabprüfung die automatisierte Übermittlung dahingehend einschränken, dass im Rahmen dieser Vorprüfung erkannte Daten, deren Übermittlung nationale Interessen der Bundesrepublik entgegenstehen, gelöscht werden. Ein etwaiges Übermittlungsverbot wegen der Gefahr von Folter oder unmenschlicher Behandlung kann diese automatisierte Vorabprüfung allerdings nicht umsetzen. Zwar ist die Verhinderung von Folter und unmenschlicher Behandlung im nationalen Interesse der Bundesrepublik Deutschland, so dass eine Datenübermittlung, die diese Behandlungen nach sich ziehen würde, ausgeschlossen wäre. Aber nicht nachvollziehbar ist, wie mithilfe einer automatisierten Vorabkontrolle die Übermittlung von Daten ausgeschlossen werden kann, die nach der Übermittlung zum Einsatz von Folter oder unmenschlicher Behandlung genutzt würden. Zwischen der Übermittlung eines Datums und der späteren Verwendung besteht kein direkter Zusammenhang. Dass eine etwaige Verwendung sich auf die Haftung des übermittelnden Staates auswirkt, liegt allein daran, dass die das Datum gewissermaßen begleitenden Sachverhaltsumstände in die Gefahrevaluation einbezogen werden. Dem personenbezogenen Datum als solchem lässt indes sich nicht entnehmen, ob oder dass die Gefahr der Folter o. ä. droht. Dementsprechend kann auch keine automatisierte Kontrolle eine Übermittlung gerade wegen einer solchen Gefahr ausschließen. Denn die Kontrolle ist darauf angewiesen, mit bestimmten Kriterien zu arbeiten, die sich auf das Datum beziehen und in den jeweiligen Algorithmus eingefügt werden können. Anders als bei Daten, die sich beispielsweise auf die militärische Sicherheitsstruktur der Bundesrepublik beziehen und deshalb 170
§§ 15 Abs. 1, 26 und 29 Abs. 3 BND-Reformgesetz. Die personenbezogenen Daten dürfen zusätzlich in einer gemeinsamen Datei gespeichert werden, soweit die Einhaltung grundlegender Prinzipien und das Prinzip der Gegenseitigkeit gewahrt ist, § 26 BND-Reformgesetz. 171 Zimmermann / Elberling, in: Dörr / Grote / Marauhn, EMRK/GG (2013), Kap. 27, Rn. 48.
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Teil 3: Verbesserung des Datenschutzes bei der Auslandsaufklärung
zugunsten der nationalen Interessen nicht übermittelt werden würden, gibt es bei personenbezogene Daten keine Kriterien, die auf die Gefahr einer Folter hinweisen würden. Wenn bekannt ist, dass im Empfangsstaat Folter oder unmenschliche Behandlung ausgeübt wird, dann ist dies auch ohne die hier genannte Vorabprüfung bekannt. Wenn es sich also um eine Datenübermittlung an ein Land handelt, in dem auch nur abstrakt die Gefahr von Folter oder unmenschlicher Behandlung besteht, darf keine automatisierte Übermittlung stattfinden. In diesen Fällen müssen Einzelfallprüfungen erfolgen, um ermitteln zu können, ob auch die konkrete Gefahr einer solchen Behandlung droht. cc) Zweckbindung Die Zwecke der Kooperation können gerichtet sein auf die Gewinnung von Informationen zur Erkennung und Begegnung von Gefahren durch den internationalen Terrorismus, zur Erkennung und Begegnung von Gefahren durch die illegale Verbreitung von Massenvernichtungs- und Kriegswaffen, zur Unterstützung der Bundeswehr und zum Schutz der Streitkräfte der an der Kooperation beteiligten Staaten, zu krisenhaften Entwicklungen im Ausland, über die Gefährdungs- und Sicherheitslage von deutschen Staatsangehörigen sowie von Staatsangehörigen der an der Kooperation beteiligten Staaten im Ausland, zu politischen, wirtschaftlichen oder militärischen Vorgängen im Ausland, die von außen- und sicherheitspolitischer Bedeutung sind, oder in vergleichbaren Fällen.172 Die Ausrichtung der weiteren Datenverwendung an den Zwecken der Datenerhebung führt kaum dazu, dass die Verarbeitungsmöglichkeiten (auch etwa des Kooperationspartners) eingeschränkt würden.173 Im Grunde werden alle Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheitslage als legitim angesehen. Diese abstrakte Festlegung der Zwecke lässt es zu, dass die Daten zur Begegnung des internationalen Terrorismus erhoben und anschließend vom Empfangsstaat der Daten dazu verwendet werden, um einen mutmaßlichen Terroristen zu exekutieren. b) Datenübermittlung außerhalb einer Kooperation Die Datenübermittlung an eine ausländische öffentliche Stelle außerhalb einer Kooperation richtet sich nach § 24 Abs. 2 S. 1 Hs. 2 BND-Reformgesetz i.V.m. § 19 Abs. 2 und 3 BVerfSchG.174 Angesichts der weit formulierten Aufgabenstellung des 172
§ 13 Abs. 4 BND-Reformgesetz. § 14 Abs. 1 Nr. 1 BND-Reformgesetz. Die weitere Datenverwendung bezieht sich auf die Kooperationsziele, § 13 Abs. 3 Nr. 4 BND-Reformgesetz. 174 Der Datenaustausch erfolge auf der Grundlage von „formeller und informeller, zwischenstaatlicher Vereinbarungen, Usancen und Praktiken auch im Rahmen von do-ut-desVerhältnissen“, Gusy, in: Schenke / Graulich / Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes (2014), BNDG § 9 Rn. 5. 173
D. Einfachgesetzliche Verfahrensanforderungen
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BND kommt der Forderung, dass die Übermittlung für die Aufgabenerfüllung erforderlich sein muss, keine eigenständige einschränkende Wirkung zu. Dass die Übermittlung ausgeschlossen ist, soweit „überwiegend schutzwürdige Interessen des Betroffenen“ entgegenstehen, bietet einen Anhaltspunkt dafür, das gegebenenfalls im Einzelfall bestehende Datenübermittlungsverbot umzusetzen.175 Die bloßen Hinweise auf die Zweckbindung und darauf, dass Auskunftsverlangen vorbehalten werden, haben allerdings wegen ihrer rechtlichen Unverbindlichkeit keine praktische Bedeutung für die Umsetzung eines etwaigen Übermittlungsverbots.176 2. Keine Darlegungslast des Betroffenen Eine Darlegungslast des Betroffenen, wie bei den Auslieferungsfällen aufgrund eines europäischen Haftbefehls, wurde bislang nicht normiert und wäre darüber hinaus in besonderem Maße kontraproduktiv für den Grundrechtsschutz. Bei den meisten, wenn nicht sogar bei allen Datenübermittlungen hat der Betroffene keine Kenntnis von der Übermittlung. Für ihn besteht nicht die Möglichkeit, gegenteilige Anhaltspunkte in die Prognoseentscheidung einzubringen. Eine Übertragung dieser Pflicht hätte somit keinen positiven Effekt auf den Grundrechtsschutz. Eine solche Darlegungspflicht lässt darüber hinaus im Grunde den Schutz durch Verfahrensgrundsätze ins Leere laufen, weil eine Vermutungsregel zugunsten der positiven Einschätzung des übermittelenden Staates greifen würde. 3. Qualitative Anforderungen an das berechtigte Vertrauen Die Empfangsstelle muss sich verpflichten, über diese Verwendung Auskunft zu erteilen und eine Zusicherung abgeben, etwaigen Löschungsaufforderungen der Bundesrepublik Folge zu leisten.177 Gesetzliche Vorgaben dafür, dass und welche Anforderung an die Glaubwürdigkeit einer solchen Absprache oder/ und Zusicherung zu stellen sind, fehlen jedoch. Die bestehenden Regeln zur Datenübermittlung enthalten keine Anforderungen an die Qualität des Vertrauens in den rechtsstaatlich angemessenen Umgang mit den Daten im Empfangsstaat. Damit eine angemessen gewichtete Datenübermittlung gewährleistet werden kann, sind diese materiellen Anforderungen an das berechtigte Vertrauen bereits in die Ermächtigungsgrundlage aufzunehmen. Die prognostische Entscheidung ist an bestimmte qualitative Anforderungen zu knüpfen. Angesichts der Schwere der möglichen Eingriffe durch Datenverwendungen in das Folterverbot oder das Verbot unmenschlicher Behandlung muss das Vertrauen in den rechts-
175 176 177
Vgl. § 24 Abs. 2 S. 1 Hs. 2 BND-Reformgesetz i.V.m. § 19 Abs. 3 S. 2 BVerfSchG. Vgl. § 24 Abs. 2 S. 1 Hs. 2 BND-Reformgesetz i.V.m. § 19 Abs. 3 S. 4 BVerfSchG. § 13 Abs. 2 Nr. 5 und 6 BND-Reformgesetz.
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Teil 3: Verbesserung des Datenschutzes bei der Auslandsaufklärung
staatlichen Umgang auf fundierten Tatsachen beruhen. Auch die Rechtsmäßigkeit der Behördenentscheidung im Nachhinein kann nur so effektiv überprüft werden.178 4. Von Amts wegen bestehende Aufklärungspflicht Für die Datenübermittlung wurde bislang noch keine von Amts wegen durchzuführende Sachverhaltsaufklärung statuiert. Wenn eine solche Pflicht jedoch selbst im Fall der europäischen Haftbefehle existiert, muss sie auch gelten, wenn dem Ersuchen zu einer Übermittlung keine dem europäischen System vergleichbare Verbindlichkeit rechtsstaatlicher Gewährleistungen im Empfangsstaat zugrunde liegt. Dies ergibt sich auch daraus, dass im Fall der Zusammenarbeit der Staaten innerhalb der EU der gegenseitige Vertrauensgrundsatz gilt. Besteht ein solcher Grundsatz nicht, so muss erst recht gefordert werden, dass eine solche Überprüfung des Sachverhalts von Amts wegen erfolgt. Dabei ist bei einer Datenübermittlung einzubeziehen, welche Verwendungs- und Verknüpfungsmöglichkeiten dem Empfangsstaat nach Erhalt der Daten zur Verfügung stehen. 179 Für eine von Amts wegen bestehende Aufklärungspflicht spricht außerdem, dass auch bei Abgabe der einmaligen Zusicherung die Umstände der Datenverwendung sich im Empfangsstaat im Laufe der Zeit ändern können. Wurden die Daten indes einmal unter Vorlage einer ausreichenden Zusicherung übermittelt, endet die Verantwortlichkeit der Bundesrepublik. Anders als bei den Auslieferungsfällen kann der Betroffene nicht selbst Anhaltspunkte vorbringen, die das Vertrauen in den rechtsstaatlich angemessenen Umgang gegebenenfalls erschüttern könnten. Der Behörden ist es möglich, zu beobachten, ob das Vertrauen in den rechtsstaatlichen Umgang mit den Daten durch den Empfangsstaat weiterhin gewährleistet bleibt oder erschüttert wurde. Im Gegensatz dazu hat der Betroffenen meist keine Kenntnis von der Datenübermittlung, geschweige denn die Möglichkeit entsprechende Nachforschungen anzustellen. Wegen dieses Informationsgefälles hinsichtlich der konkreten Gefahr kann der Schutz nur durch die Aufklärung der inländischen öffentlichen Stelle hergestellt werden. Weil nur ihr die Möglichkeit zusteht, den Grundrechtsschutz zu verwirklichen, ist es zwingend erforderlich, eine Aufklärungspflicht der Behörden in die gesetzliche Ermächtigungsgrundlage aufzunehmen. 178 Vgl. BVerfGE 110, 33 (54); vgl. auch 137, 185 (134 f.). Ausführlich zur Kontrolle der Auslandsaufklärung siehe Huber, Ein Europäischer Nachrichtendienst?, NVwZ 2011, 409 (410); Degenhart, Die Bewältigung der wissenschaftlichen und technischen Entwicklungen durch das Verwaltungsrecht, NJW 1989, 2435 (2437); Zweifel an der Legitimität und Rechtsstaatlichkeit des nachrichtendienstlichen Handelns müssen ausgeräumt werden, Vertrauen der Verbraucher in digitale Technologien entscheidend auch für wirtschaftlichen Wachstum, es fehlen präzise Beschreibung der komplexen nachrichtendienstlicher Tätigkeiten und auch Fachleute können diese Komplexität oft nur schwer überblicken, so dass ungeklärte Rechtsfragen in Verbindung mit fehlendem fachlichen und technischem Unterbau charakteristisch sind Löning, Eine Reformagenda für die deutschen Geheimdienste, stiftung neue verantwortung, (April 2015), 1 (3). 179 Vgl. auch BVerfGE 141, 220 (344).
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IV. Forderungen nach einer normativen Verankerung der verfahrensrechtlichen Absicherung eines Datenübermittlungsverbots Dass mittlerweile überhaupt Regeln hinsichtlich der nachrichtendienstlichen Kooperation mit ausländischen öffentlichen Stellen bestehen, ist im Ansatz positiv für den Grundrechtsschutz. Indes sind die (verfahrensrechtlichen) Absicherungen zur Umsetzung eines Übermittlungsverbots im Fall einer konkreten Gefahr von Folter oder unmenschlicher Behandlung im Empfangsstaat weiterhin unzureichend und damit verfassungswidrig. Anders als in den vorherigen Entscheidungen zu außen- und sicherheitspolitischen Aktivitäten der Bundesregierung schränkt das BVerfG bei Datenübermittlungen in Bezug auf Menschenrechtsverletzungen, die durch die Übertragung der Daten ermöglicht werden, den exekutiven Einschätzungsspielraum ein. Es ist darauf zu achten, dass die Daten im Empfängerstaat nicht zu politischer Verfolgung oder unmenschlicher Behandlung oder erniedrigender Bestrafung oder Behandlung genutzt werden. Ob diese Anforderung erfüllt ist, unterliegt seit der Entscheidung des BVerfG zum BKAG nicht mehr der politischen Einschätzungsprärogative, sondern muss sich auf Informationen stützen, die durch Datenschutzbeauftragte und Gerichte überprüfbar sind.180 Diesbezüglich ist festzustellen, dass das BND-Reformgesetz nur solche Datenerhebungen erfasst, die vom Inland aus durchgeführt werden. Für Datenerhebungen, die im Ausland stattfinden, sind weiterhin keine Regeln vorhanden. Angesichts dessen, dass selbst aus Sicht der Skeptiker jedenfalls die Möglichkeit besteht, dass der BND auch bei extraterritorialen Tätigkeiten an die Grund- und Menschenrechte gebunden ist,181 dürfen diese Fälle nicht ohne gesetzliche Eingriffsgrundlage bleiben. Im Übrigen fehlt es der Ermächtigungsgrundlage an einer ausdrücklichen Verpflichtung, in Zweifelsfällen eine rechtlich verbindliche Zusicherung einzuholen, die einen rechtsstaatlich angemessenen Umgang mit den Daten im Empfangsstaat zu gewährleisten vermag. Dabei stellt sich auch die automatisierte Datenübermittlung als Hindernis einer effektiven Durchsetzung des Übermittlungsverbots dar. An dieser Stelle sind mindestens die grund- und menschenrechtlichen Garantien der Menschenwürde ausdrücklich als entgegenstehende Interessen einzubeziehen.182 Will man diese im Rahmen einer automatisierten Vorabprüfung durchsetzen, so sind Kriterien zu for180
BVerfGE 141, 220 (346). Gärditz, Die Rechtsbindung des Bundesnachrichtendienstes bei Auslandstätigkeiten, Die Verwaltung 48 2015, 463 (473); Krieger, Die Reichweite der Grundrechtsbindung bei nachrichtendienstlichem Handeln, Berliner Online-Beiträge zum Völker- und Verfassungsrecht (25.01.08), Beitrag Nr. 1/08, 1 (3). 182 Für die Datenübermittlung außerhalb einer Kooperation enthält § 24 Abs. 2 S. 1 Hs. 2 BND-Reformgesetz i.V.m. § 19 Abs. 3 S. 2 BVerfSchG die Formulierung, dass entgegenstehende „überwiegende schutzwürdige Interessen des Betroffenen“ die Übermittlung ausschließen. 181
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mulieren, an denen eine solche Vorabprüfung ausgerichtet werden kann. Ebenso ist die Zweckbindung zu konkretisieren, dies gegebenenfalls auch durch Negativformulierungen wie: „Eine Verwendung, die gegen die Menschenwürde verstößt, ist unzulässig.“ Zusätzlich dazu sind die hohen verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Fundiertheit des berechtigen Vertrauens in den rechtsstaatlich angemessenen Umgang mit den Daten in die Ermächtigungsgrundlage aufzunehmen. Zuletzt müssen die deutschen öffentlichen Stellen dazu verpflichtet sein, Aufklärungsarbeit hinsichtlich etwaiger drohender Verstöße gegen die Menschenwürde bzw. das Folterverbot zu leisten. Dabei ist insbesondere regelmäßig und in hinreichenden Abständen zu prüfen, ob die Zusicherung (bzw. nach derzeitiger Rechtslage die „Absprache“) weiterhin fundiert und das Vertrauen in den rechtsstaatlichen Umgang berechtigt ist.
E. Ansätze zur Effektivierung der Kontrolle Die weiten Handlungsspielräume der Exekutive bei der Auslandsaufklärung sind in gewissen Umfang notwendig, um den vielfältigen Gefahrenlagen begegnen zu können, die die Auslandsaufklärung umfasst. Als Korrektur dieser weiten Befugnisse sehen EGMR und BVerfG die nachträgliche Kontrolle, um einen willkürfreien und angemessenen Umgang mit den personenbezogenen Daten zu gewährleisten.183 So gebieten die rechtsstaatlichen Grundsätze auch außerhalb eines möglichen Verstoßes gegen das Folterverbot bzw. die Menschenwürde, dass die Handlungsspielräume der Verwaltung bei Datenvorgängen durch eine effektive gerichtliche Kontrolle eingeschränkt werden. Doch die Kontrolle der Nachrichtendienste stellte sich in der Vergangenheit weltweit als defizitär heraus.184 Auch Deutschland stellt diesbezüglich keine Ausnahme dar (dazu Abschnitt I.). Um eine effektive Kontrolle zu ermöglichen, werden im Folgenden rechtspolitische Verbesserungsvorschläge gemacht (dazu Abschnitt II.).
I. Defizite bei der Kontrolle von Nachrichtendiensten Innerhalb der verschiedenen Kontrollinstrumente hinsichtlich nachrichtendienstlicher Tätigkeiten besteht eine Reihe von Defiziten. Die Ermächtigungs183 Der Fokus bei der Frage nach dem Handeln von Nachrichtendiensten liege nicht auf der Ausgestaltung des materiellen Rechts, sondern auf der Durchsetzung dieser Rechtsbindung durch angemessene Kontrollmechanismen, Gusy, Parlamentarische Kontrolle der Nachrichtendienste im demokratischen Rechtsstaat, ZRP 2008, 36 (36). 184 Venedig-Kommission, Report on the democratic oversight of the security services and report on the democratic oversight of signals intelligence agencies v. 07. 04. 2013, Rn. 114. In einer Unterrichtung (BT-Drs. 18/7962 v. 21. 03. 2016) fordert das Parlamentarische Kontrollgremium eine bessere parlamentarische Kontrolle der Nachrichtendienste.
E. Ansätze zur Effektivierung der Kontrolle
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grundlagen enthalten eine beträchtliche Anzahl an unbestimmten Rechtebegriffen („schwere Straftat“, „Terrorismusgefahr“, „Notwendigkeit“). Diese unbestimmten Rechtsbegriffe, weite Ermessens- und Beurteilungsspielräume sowie geheime Regelungen und Verwaltungspraktiken, denen die Qualität als eigenständige Rechtsgrundlage gänzlich fehlt, machen eine nachträgliche Kontrolle beinahe unmöglich, da schlicht keine Kontrollmaßstäbe vorhanden sind. Nur wenn der Umfang der Aufgaben und Befugnisse festgelegt ist, kann nachträglich beurteilt werden, ob eine staatliche Stelle innerhalb der ihr zugewiesen Befugnisse gehandelt hat.185 Zum anderen mangelt es den Kontrolleuren an technischer Expertise und Ressourcen. Insbesondere den parlamentarischen Kontrollinstitutionen fehlt das technische Wissen, um eine Kontrolle effizient ausführen zu können.186 Außerdem bestehen institutionelle Mängel, wie der beschränkte Zugang zu Informationen, Defizite in der Benachrichtigung der Betroffenen,187 fehlende Durchgriffsrechte der Kontrolleure188 sowie Abhängigkeiten derselben von den zu kontrollierenden Behörden und politischen Interessen.189 Die Auskunftsrechte des PKGr stehen unter dem Vorbehalt der Verfügungsberechtigung der Nachrichtendienste.190 Das bedeutet, dass die Auskunft verweigert werden darf, soweit dies aus zwingenden Gründen des Nachrichtenzugangs oder aus Gründen des Schutzes von Persönlichkeitsrechten Dritter notwendig ist oder wenn der Kernbereich der exekutiven Eigenverantwortung 185 Fehlt diese Möglichkeit, wirkt sich dies auch auf die Legitimationsfunktion des Gesetzes für eine bestimmte Maßnahme aus, Gusy, Parlamentarische Kontrolle der Nachrichtendienste im demokratischen Rechtsstaat, ZRP 2008, 36 (38). Die damit einhergehenden Beweisführungsschwierigkeiten von Betroffenen in Bezug auf geheimdienstliche Tätigkeiten, die sich gerichtlich gegen eine Beeinträchtigung wehren wollen, werden bereits vom EGMR berücksichtigt, EGMR (Weber u. Saravia / Deutschland), Entscheidung v. 29.06. 2006 – 54934/00, § 78. 186 Venedig-Kommission, Report on the democratic oversight of the security services and report on the democratic oversight of signals intelligence agencies, Rn. 22; Gusy, Parlamentarische Kontrolle der Nachrichtendienste im demokratischen Rechtsstaat, ZRP 2008, 36 (39). 187 Zu diesem Problem und der G 10 Kommission siehe Huber, Die strategische Rasterfahndung des BND, NJW 2013, 2572 (2574). 188 Die unabhängigen Kontrollinstitutionen müssten mit ausreichenden rechtlichen Ermächtigungen, personellen und finanziellen Ressourcen und Expertise ausgestattet sein, wobei insbesondere ein Recht, zu eigeninitiativem Tätigwerden gegeben sein müsse sowie das Recht, vollständige Informationen zu erlangen, Scheinin, Report of the Special Rapporteur on the promotion and protection of human rights and fundamental freedoms while countering terrorism, A/HRC/14/46 v. 26. 05. 2010, S. 9 f. 189 Keine Regierung wolle Kontrollen ihrer Handlungsspielräume bei Nachrichtendiensten, deshalb müsse das Parlament dies selber in die Hand nehmen und kein Bereich der Exekutive dürfe außerhalb der Kontrollmöglichkeiten des Parlamentes und der Gerichte stehen, Löning, Eine Reformagenda für die deutschen Geheimdienste, stiftung neue verantwortung, (April 2015), 1 (2 ff.). Der EuGH nimmt in seinem Safe-Harbor Urteil vom 06. 10. 2015 indirekt Bezug auf die von Edward Snowdens sichtbar gemachten Überwachungstätigkeiten der US-Amerikanischen Geheimdienste, die ohne Beschränkung und Kontrolle stattfinden, Ambrock, Nach Safe Harbor: Schiffbruch des transatlantischen Datenverkehrs?, NZA 2015, 1493 (1494). 190 § 6 Abs. 1 PKGrG.
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betroffen ist.191 Unter die zwingenden Gründe des Nachrichtenzugangs fallen insbesondere der Quellenschutz und der Schutz der Partnerdienste.192 Zuletzt wirkt es sich negativ auf die Kontrolle aus, dass diese faktisch eine politische ist.193 Der Deutsche Bundestag wählt zu Beginn jeder Wahlperiode die Mitglieder des PKGr aus seiner Mitte, so dass dieses die Mehrheitsverhältnisse des Bundestags widerspiegelt. 194 Darüber hinaus trifft das PKGr seine Entscheidungen grundsätzlich mit der Mehrheit seiner Mitglieder.195 Dabei besteht die Gefahr, dass die der Regierungsfraktion zugehörigen Mitglieder parteipolitische Rücksicht auf den Kanzleramtsminister als verantwortliche Behörde des BND nehmen.
II. Rechtspolitische Forderung nach Verbesserung der Kontrolle Angesichts der bestehenden Defizite werden entsprechende Reaktionen auf drei Ebenen vorgeschlagen: auf Ebene der legislativen Präzisierung der Rechtsgrundlage, auf Ebene der Institutionalisierung der Kontrollorgane sowie auf Ebene der Expertise und Ressourcen dieser Kontrollorgane.196 1. Präzise Ermächtigungsgrundlagen Die vorhandenen Ermächtigungsgrundlagen müssen hinsichtlich der Aufgaben und Ziele der Nachrichtendienste präzisiert werden.197 Das BVerfG sah den Gesetzgeber bereits hinsichtlich der Befugnisse des BND zur Telekommunikations191 192
Rn. 7.
§ 6 Abs. 2 PKGrG. Huber, in: Schenke / Graulich / Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes (2014), PKGrG § 6
193 Peitsch / Polzin, Die parlamentarische Kontrolle der Nachrichtendienste, NVwZ 2000, 387 (389); vgl. dazu auch Kommissar für Menschenrechte, Democratic and effective oversight of national security services, S. 46; Smidt, Kritik des mehrpoligen parlamentarischen Kontrollsystems in Deutschland, in: Röttgen / Wolff, Parlamentarische Kontrolle – Die Nachrichtendienste im demokratischen Rechtsstaat (2008), 45 (57 ff.). 194 § 2 Abs. 1 PKGrG. Gewählt ist, wer die Stimmen der Mehrheit der Mitglieder des Deutschen Bundestages auf sich vereint, § 2 Abs. 3 PKGrG. 195 § 3 Abs. 8 S. 2 GO des PKGr; §§ 5b Abs. 1, 7 Abs. 1 PKGrG. 196 Vgl. auch Gusy, Überwachung der Telekommunikation unter Richtervorbehalt, ZRP 2003, 275 (276). 197 Löning, Eine Reformagenda für die deutschen Geheimdienste, stiftung neue verantwortung, (April 2015), 1 (4); Rudolf, Datenschutz und Europa, FS Klein (2003), 633 (637); Töpfer, Rechtsschutz im Staatsschutz?, DIMR Policy Paper Nr. 33, (Sept. 2015), S. 11. Zur Steuerungskraft von Recht angesichts technischer Entwicklungen siehe Degenhart, Die Bewältigung der wissenschaftlichen und technischen Entwicklungen durch das Verwaltungsrecht, NJW 1989, 2435 (2435 ff.). Der Gesetzgeber hinke der technischen Entwicklungen stets hinterher, Géczy-Sparwasser, Die Gesetzgebungsgeschichte des Internet (2003), S. 254.
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überwachung in der Pflicht, die Ermächtigungsgrundlage in Bezug auf die Begrenzung der zulässigen Verwendungszwecke, die Erforderlichkeitsprüfung bei der Datenübermittlung, die Berichts- und Mitteilungspflicht sowie die hinreichende nachträgliche Kontrolle zu konkretisieren.198 Krieger stellt dabei niedrigere Anforderungen an die Bestimmtheit, als bei Inlandssachverhalten, um den Besonderheiten der Auslandssituation begegnen zu können.199 Zu diesen Besonderheiten zähle vor allem, dass die deutsche Staatsgewalt einen Auslandssachverhalt weniger stark beherrschen kann, als einen Inlandssachverhalt. Dass nachrichtendienstliche Befugnisse allgemein weniger präzise formuliert werden können, als dies etwa bei polizeilichen Ermächtigungsgrundlagen zur Strafverfolgung möglich ist, ist im Ansatz nachvollziehbar. Angesichts der sich stetig wandelnden Bedrohungen, denen die Nachrichtendienste zuvorkommen sollen, benötigen sie entsprechend flexibel formulierte Befugnisse. Darüber hinaus ist es angesichts der weiteren Angleichung der Befugnisse des BND an die der Polizei nicht mehr angemessen, sich hinsichtlich der Unbestimmtheit der Ermächtigungsgrundlage auf die rein präventive Aufgabenbeschreibung zurückzuziehen. Die Auslandsaufklärung hat ihren rein aufklärenden Charakter verloren. Dass auch Auslandssachverhalte normativ festgehalten und geregelt werden können, soweit der politische Wille hierzu vorhanden ist, zeigt sich am Beispiel des MI 6, dessen Auslandstätigkeiten im Intelligence Service Act von 1994 geregelt sind.200 2. Institutionalisierung der Kontrolle Die Kontrolle muss stärker institutionalisiert und unabhängig von politischen Entscheidungen ausgeführt werden. Bislang sind die Kontrolleure darauf angewiesen, dass sie über verschiedenste Kanäle Informationen über die Nachrichtendienste erhalten. Die regelmäßige Kontrolle bezieht sich nur auf sehr beschränkte Bereiche. Das Tätigwerden darf indes nicht davon abhängen, dass die Kontrolleure mehr oder weniger „zufällig“ Informationen erlangen. Der Bundesbeauftragte für Datenschutz muss uneingeschränkten Zugang zu allen Datensammlungen der Nachrichtendienste erhalten.201 Dasselbe gilt für das Parlamentarische Kontrollgremium, dessen Un198
BVerfGE 100, 313 (314). Krieger, Die Reichweite der Grundrechtsbindung bei nachrichtendienstlichem Handeln, Berliner Online-Beiträge zum Völker- und Verfassungsrecht, Beitrag Nr. 1/08, 1 (10). 200 Abrufbar unter http://www.legislation.gov.uk/ukpga/1994/13/contents (zuletzt abgerufen am 21. 05. 2017); dazu Krieger, Die Reichweite der Grundrechtsbindung bei nachrichtendienstlichem Handeln, Berliner Online-Beiträge zum Völker- und Verfassungsrecht, Beitrag Nr. 1/08, 1 (9). 201 Löning, Eine Reformagenda für die deutschen Geheimdienste, stiftung neue verantwortung, (April 2015), 1 (7); anders BVerfG, Beschluss v. 20. 09. 2016 – 2 BvE 5/15; vgl. auch Tinnefeld / Buchner / Petri, Einführung in das Datenschutzrecht, 5. Aufl. (2012), S. 104. Im Anwendungsbereich des BDSG bestehen Auskunfts- und Duldungspflichten sowie Zutrittsrechte und Akteneinsichtsrechte bzgl. Kontrollkompetenzen, § 24 Abs. 4 S. 1, 2 BDSG, dazu Polenz, in: Kilian / Heussen, Computerrecht (2013), 1. Abschnitt, Teil 13 Rn. 14 und 20. 199
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terrichtungsanspruch bislang unter dem Vorbehalt der Verfügungsberechtigung der Nachrichtendienste steht.202 Darüber hinaus muss direkt bei den Dienststellen nachgeprüft werden können, die sich mit nachrichtendienstlichen Tätigkeiten beschäftigen, ohne den Umweg über das Bundeskanzleramt als verantwortlicher Behörde gehen zu müssen.203 Das Parlament sollte zudem einen eigenen Beauftragten mit unabhängigem Initiativrecht für die Überwachung der Auslandsaufklärung aufstellen.204 Die Nachrichtendienste müssten in regelmäßigen Abständen über die Art, den Umfang und die Rechtsgrundlage für ihre Zusammenarbeit mit ausländischen Nachrichtendiensten berichten.205 Jeder Fall der Überwachung durch Nachrichtendienste muss, unabhängig von der Nationalität der Betroffenen und dem Handlungsort, der G 10-Kommission gemeldet werden.206 Ebenso darf das PKGr nicht erst bei politischer Relevanz eines Falles tätig werden, sondern muss seine Kontrollfunktion strukturell bezüglich sämtlichen Datenvorgängen des BND ausführen, d. h. auch wenn der konkrete Fall aus politischstrategischer Sicht wenig vorteilhaft ist.207 Um der Gefahr zu begegnen, dass Mit202 Siehe zum derzeitigen Regelungsstand § 6 Abs. 1 PKGrG; ausführlich zu den Beschränkungen siehe Peitsch / Polzin, Die parlamentarische Kontrolle der Nachrichtendienste, NVwZ 2000, 387 (391 ff.); zum Interpellationsrecht einzelner Abgeordneter und dessen Grenzen siehe Beck / Schlikker, Zur Kontrolle der Geheimdienste durch Fragen der Abgeordneten und Fraktionen des Deutschen Bundestages , NVwZ 2006, 912 (912). 203 So auch Löning, Eine Reformagenda für die deutschen Geheimdienste, stiftung neue verantwortung, (April 2015), 1 (1); dazu und Hinweise auf Norwegen und die Niederlande, in denen eine solche direkte Kontrolle bereits vorhanden ist siehe Muiznieks, Menschenrechtskommissar des Europarats, https://www.heise.de/ct/artikel/Menschenrechtskommissar-Wir-ha ben-die-Lektion-von-Snowden-schnell-wieder-vergessen-2681854.html (zuletzt abgerufen am 21. 05. 2017); Gusy, Parlamentarische Kontrolle der Nachrichtendienste im demokratischen Rechtsstaat, ZRP 2008, 36 (39); a.A. Peitsch / Polzin, Die parlamentarische Kontrolle der Nachrichtendienste, NVwZ 2000, 387 (391). Vgl. zum jetzigen Regelungsstand § 5 Abs. 1 PKGrG. 204 Vgl. Löning, Eine Reformagenda für die deutschen Geheimdienste, stiftung neue verantwortung, (April 2015), 1 (6). Der Gesetzesentwurf zur weiteren Fortentwicklung der parlamentarischen Kontrolle der Nachrichtendienste des Bundes sieht in § 5a die Schaffung eines Ständigen Bevollmächtigten vor BT- Drs. 18/10069 v. 19. 10. 2016, Beschlussempfehlung und Bericht des Innenausschusses (4. Ausschuss) zu den Entwürfen (…) zum Entwurf eines Gesetzes zur weiteren Fortentwicklung der parlamentarischen Kontrolle der Nachrichtendienste des Bundes, S. 5. Dieser scheint sich jedoch eher auf die Verbesserung der internen Arbeit zu beziehen. Aufgrund der Voraussetzung, dass dieser Ständige Bevollmächtigte die Befähigung zum Richteramt oder höherem technischen Verwaltungsdienst haben soll, § 5b Gesetzesentwurf, lässt darauf schließen, dass es ihm an den für eine effektive Kontrolle erforderlichen technischen Kenntnissen regelmäßig fehlen wird. 205 Löning, Eine Reformagenda für die deutschen Geheimdienste, stiftung neue verantwortung, (April 2015), 1 (6). 206 Löning, Eine Reformagenda für die deutschen Geheimdienste, stiftung neue verantwortung, (April 2015), 1 (5); zu Datenschutzkontrollen im Schengen-Verbund siehe Bodenschatz, Der europäische Datenschutzstandard (2010), S. 264. 207 Die G 10-Kommission entscheidet von Amts wegen oder auf Grund von Beschwerden, wann sie tätig wird, § 15 Abs. 5 S. 1 Artikel 10-Gesetz.
E. Ansätze zur Effektivierung der Kontrolle
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glieder des PKGr parteipolitische Rücksicht auf das Kanzleramt nehmen, bedarf es zusätzlich zu den bestehenden Befugnissen des PKGr Minderheitenrechte, wie sie etwa für den Untersuchungsausschuss vorgesehen sind.208 Beispielsweise muss es einer qualifizierten Minderheit des PKGr möglich sein, Anträge auf Akteneinsicht stellen zu können oder Auskünfte zu verlangen. Angesichts dessen, dass das PKGr geheim tagt, rechtfertigt der Schutz einer Quelle die Einschränkung der Auskunft nicht. Zuletzt wird die Verbesserung des Schutzes von Whistleblowern gefordert.209 3. Expertise und Ressourcen Mit der institutionellen Aufwertung der Kontrolle einhergehen sollte die Ausstattung der Kontrollinstanzen mit ausreichend technischem Sachverstand und Ressourcen. Für die Beurteilung von Maßnahmen der Nachrichtendienste ist ein hohes Maß an Erfahrungs- und Spezialwissen notwendig.210 „Anomalien müssen nicht nur gesehen, sondern auch verstanden werden.“211 Die Kontrollgremien müssen deshalb nicht nur mit rechtlichem, sondern auch mit technischem und nachrichtendienstlichem Sachverstand ausgerüstet werden.212 Da Expertise in diesen unterschiedlichen Gebieten selten in einer einzelnen Person zu finden sein wird, schlägt die Venedig-Kommission ein „hybrid body“ aus Richtern und anderen Experten vor.213 Das vom BND-Reformgesetz eingebrachte sog. Unabhängige Gremium besteht hingegen nur aus Richtern und Bundesanwälten.214 Auch die G 10-Kommission hat als Vorsitzenden eine Person mit Befähigung zum Richteramt.215 Diese Personen haben in den seltensten Fällen die technischen Kenntnisse, die für die Beurteilung einer datenverarbeitenden Maßnahme erforderlich sind. Dasselbe gilt auch für das 208 Vgl. § 2 PUAG. Der parlamentarischen Kontrolle sind auch insofern Grenzen gesetzt, als dass sie nicht zu einer Verschiebung der Gewaltenteilung führen darf, indem sie faktisch die Entscheidungen der Exekutive ersetzt. Die hat vielmehr den Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung zu wahren, Peitsch / Polzin, Die parlamentarische Kontrolle der Nachrichtendienste, NVwZ 2000, 387 (389). 209 Omtzigt, Council of Europe, Committee on Legal Affairs and Human Rights: Report on Mass Surveillance, v. 26. 01. 2015, Rn. C 121 f.; Löning, Eine Reformagenda für die deutschen Geheimdienste, stiftung neue verantwortung, (April 2015), 1 (7). 210 Löning, Eine Reformagenda für die deutschen Geheimdienste, stiftung neue verantwortung, (April 2015), 1 (5). 211 Gaycken, Sachverständigengutachten „IT-Infrastruktur“ NSA-Untersuchungsausschuss 19. 06. 2014, S. 2. 212 Löning, Eine Reformagenda für die deutschen Geheimdienste, stiftung neue verantwortung, (April 2015), 1 (5). 213 Venedig-Kommission, Report on the democratic oversight of the security services and report on the democratic oversight of signals intelligence agencies v. 07. 04. 2013, Rn. 120. 214 § 16 Abs. 1 S. 2 BND-Reformgesetz. 215 § 15 Abs. 1 Artikel 10-Gesetz.
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Teil 3: Verbesserung des Datenschutzes bei der Auslandsaufklärung
PKGr, das aus Mitgliedern des Bundestags besteht und nicht zwingend IT-Experten o. ä. Expertise haben muss.216 Angesichts der auch hierzulande bestehenden erheblichen Mängel bei der Kontrolle der Nachrichtendienste ist zu bedenken, dass Kritik am Umgang mit personenbezogenen Daten durch andere Staaten nur dann glaubhaft geübt werden kann, wenn auch hier die Kontrolle effektiv ausgestaltet ist.217
F. Verbesserung des technischen Datenschutzes Datenschutz ist ein Rechtsgebiet, das besonders stark durch die Technik beeinflusst wird. Die folgenden Ausführungen sollen dazu anregen, die zukünftige rechtliche Diskussion um technische Aspekte zu ergänzen. Denn aus der technischen Struktur und Entwicklung einer Regelungsmaterie ergeben sich zwingende Vorgaben für das Recht und den Gesetzgeber. Bei der Verbesserung des Datenschutzes durch Technik werden für die verwaltungsrechtliche Tätigkeit folgende Ideen formuliert. Der Zweckbindungsgrundsatz läuft bei der Übermittlung von Daten meist leer, wenn die Empfangsstelle nicht derselben Zweckbindung unterliegt. Auch die Datensicherheitseinstufung kann durch eine Übermittlung herabgesetzt werden, wenn sich die Stufen beim Versender und Empfänger der Daten unterscheiden. Deshalb werden Methoden benötigt, die nachhaltig die weitere Verwendung und Einstufung der Daten beobachten und steuern können.218 Darüber hinaus wird Datenschutz durch Technik hauptsächlich aus Sicht der Betroffenen und deren Schutzmaßnahmen sowie im Zusammenhang mit den Unternehmen, die personenbezogenen Daten speichern und verkaufen, diskutiert.219 ITExperten weisen darauf hin, dass ein ausreichender Schutz vor staatlicher Überwachung dadurch erreicht werden kann, dass jeder Telekommunikationsteilnehmer seine Daten selber schützt. Verbindungsdaten können durch die Verwendung von Anonymisierungsdiensten geschützt werden.220 Die Verbindungsdaten von E-Mails können zwar nicht verschleiert werden, dafür aber ihr Inhalt durch den Einsatz von
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§ 2 Abs. 4 PKGrG. Bäcker, Öffentliche Anhörung Sachverständiger Papier / Hoffmann-Riem / Bäcker im NSA-Untersuchungsausschuss v. 22. 05. 2014, S. 17; dazu und zur fehlenden Kontrolle extraterritorialer Sachverhalte siehe Schaller, Kommunikationsüberwachung durch den BND, SWP-Studie S 7 (April 2016), 1 (38). 218 Hartmann/ Steup, On the Security of International Data Exchange Services for E-Governance Systems, DuD 7/2015, 472 (475). 219 Dazu auch Waidner, Stellungnahme zur Anhörung des NSA-Untersuchungsausschuss am 26. 06. 2014, S. 43. 220 Hahn / Johannes / Lange, Schutzschilde gegen die NSA, DuD 2015, 71 (74). 217
F. Verbesserung des technischen Datenschutzes
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Kryptographie.221 Eine erfolgreiche Umsetzung von Kryptographie hängt von dem verwendeten Algorithmus, den Vertrauensstandards sowie von der fehlerfreien Implementierung des Algorithmus ab.222 Auch die Dienstanbieter müssen „angemessene technische Vorkehrungen oder sonstige Maßnahmen zum Schutz des Fernmeldegeheimnisses und der Telekommunikations- und Datenverarbeitungssysteme gegen unerlaubte Zugriffe […] treffen.“223 Maßnahmen sind dann angemessen, „wenn der dafür erforderliche technische und wirtschaftliche Aufwand in einem angemessenen Verhältnis zur Bedeutung der zu schützenden Rechte steht.“224 In diesem Sinne kann an den technischen Produkten angesetzt werden, indem das sog. Security and Privacy by Design eingebaut wird.225 Das bedeutet, dass bereits bei der Produktion Schutzmechanismen eingebaut werden.226 Gaycken weist darüber hinaus auf das „Schengen- und Deutschland-Routing“ hin.227 Damit ist gemeint, dass Daten, die über das Internet übermittelt werden, dadurch innerhalb Deutschlands bzw. des Schengen-Raums bleiben, dass das Routing entsprechend eingestellt ist. Der Einzelne wird all diese Vorkehrungen nicht alleine gegenüber den Betreibern und Produzenten durchsetzen können, so dass auch an dieser Stelle der Gesetzgeber regulierend eingreifen sollte.228
221 Omtzigt, Council of Europe, Committee on Legal Affairs and Human Rights: Report on Mass Surveillance, v. 26. 01. 2015, Rn. C 119; Hahn / Johannes / Lange, Schutzschilde gegen die NSA, DuD 2015, 71 (75). 222 Waidner, Stellungnahme zur Anhörung des NSA-Untersuchungsausschuss am 26. 06. 2014, S. 24 f. 223 BVerfGE 125, 260 (348 f.). 224 BVerfGE 125, 260 (348 f.). 225 Dazu und zum „Verbraucherschutz im Zusammenhang mit Cybersicherheit“ siehe Waidner, Stellungnahme zur Anhörung des NSA-Untersuchungsausschuss am 26. 06. 2014, S. 45 und 50. 226 Hahn / Johannes / Lange, Schutzschilde gegen die NSA, DuD 2015, 71 (76). 227 Gaycken, Sachverständigengutachten „IT-Infrastruktur“ NSA-Untersuchungsausschuss 19. 06. 2014, S. 3. 228 Hahn / Johannes / Lange, Schutzschilde gegen die NSA, DuD 2015, 71 (77).
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Rechtsprechungsverzeichnis
BVerfGE 92, 26 – 53 = BVerfG, Urteil v. 10. 01. 1995 – 1 BvF 1/90, 1 BvR 342/90, 1 BvR 348/90 BVerfGE 92, 277 – 365 = BVerfG, Beschluss v. 15. 05. 1995 – 2 BvL 19/91 u. a. BVerfGE 93, 248 – 258 = BVerfG, Beschluss v. 12. 09. 1995 – 2 BvR 1906 u. a. Sonstige Gerichte BGH, Urteil v. 02. 11. 2006 – III ZR 190/05 BGH, Urteil v. 06. 06. 2016 – III ZR 140/15 BGH, Urteil vom 27. Mai 1993 – III ZR 59/92 = BGHZ 122, 363 – 372 BVerwG, Urteil v. 21. 06. 2007 – 2 A 6.06 BVerwG, Urteil v. 28. 11. 2007 – 6 A 2/07 BVerwG, Urteil v. 16. 10. 2008 – 2 A 9/07 BVerwG, Urteil v. 15. 12. 2011 – 2 A 13/10 BVerwG, Urteil v. 04. 03. 2010 – 20 F 14/09 EuGH (Digital Rights Ireland Ltd), Urteil v. 08. 04. 2014 – C-293/12 und C-594/12 EuGH, Gutachten v. 18. 12. 2014 – C-2/13 EuGH (Schrems ./.Digital Rights Ireland), Urteil v. 06. 10. 2015 – C-362/14 EuGH, Urteil v. 17. 10. 2013 –- C-291/12 EuGH, Urteil v. 06. 12. 2016 – C-582/14, Rn. 49 EuGH, Urteil v. 24. 11. 2011 – C-70/10, Rn. 51 EuGH (Chartry ./. Belgien), Beschluss v. 01. 03. 2011 – C-457/09 EuGH (Akerberg Fransson), Urteil v. 26. 2. 2013 – C-617/10 The Hague District Court (Mothers of Srebrenica against the State), Urteil v. 16. 07. 2014 – C/ 09/295247 / HA ZA 07 – 2973 Hoge Raad der Nederlande, Nederlande/ Nuhanovic, Urteil v. 06. 09. 2013 – 12/03324 HRC (Lichtensztejn ./. Uruguay), 31. 03. 1983 – 77/1980 (CCPR/C/18/D/77/1980) ICTY, Urteil v. 07. 05. 1997 – IT-94 – 1-T IGH (Germany ./. USA – LaGrand), Urteil v. 27. 06. 2001 – ICJ Reports 2001, S. 466 IGH (The Case of the S.S. „Lotus“), Urteil v. 07. 09. 1927 – PCIJ Series A 10 (1927) IGH (Armed Activities on the Territory of the Congo ./. Uganda), Urteil v. 19. 12. 2005, I.C.J. Reports 2005, S. 168 IGH (Germany ./. USA – LaGrand), Urteil v. 27. 06. 2001 – ICJ Reports 2001 IGH (Legal Consequences of the Construction of a Wall in the Occupied Palestinian Territory – The Wall), Gutachten v. 09. 07. 2004, ICJ Rep. 2004, S. 136 Inter-American Court of Human Rights (Coard et al. ./. the United States of America), Case 10.951, Report Nr. 109/99, v. 29. 9. 1999 Supreme Court of the Netherlands, Urteil v. 13. 04. 2012 – First Division 10/04437 EV/AS
Rechtsprechungsverzeichnis
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UK Investigatory Powers Tribunal, Urteil v. 16. 03. 2016 – UKIPTrib15_165-CH UN-Ausschuss gegen Folter CAT 233/03 (Agiza ./. Schweden), CAT/C34/D/233/2003 (2005) UN-Ausschuss gegen Rassendiskriminierung, (Habassi ./. Dänemark), Mitteilung Nr. 10/1997, CERD/C/390 UNHRC (Sergio Euben Lopez Burgos ./. Uruguay), Communication No. R.12/52, U.N. Doc. Supp. No. 40 (A/36/40) UNHRC (Ibrahima Gueye et al. ./. Frankreich), Communication No. 196/1985, U.N. Doc. CCPR/C/35/D/196/1985 (1989) UNHRC (Sergio Euben Lopez Burgos ./. Uruguay), Communication No. R.12/52, U.N. Doc. Supp. No. 40 (A/36/40) at 176 (1981) U.S. Supreme Court (Katz ./. United States) (No. 35), Entscheidung v. 18. 12. 1967 – 389 U.S. 347 OLG Köln, Urteil v. 28.7.05 – 7 U 8/04 OLG Köln, Urteil v. 30. 04. 2015, I-7 U 4/14, 7 U 4/14 OLG Karlsruhe, Beschluss v. 04. 01. 2011 – 1 AK 51/10 VG Köln, Urteil v. 11. 11. 2011 – 25 K 4280/09 VG Köln, Urteil v. 09. 02. 2012 – 26 K 5534/10 VG Köln, Urteil v. 28. 07. 2005 – 7 U 8/04 VG Köln, Urteil v. 27. 05. 2015 – 3 K 5625/ 14
Sachregister Anwendungsbereich EMRK 16, 42, 48, 50, 53, 58 f., 64 f., 67, 91, 113, 115, 121, 159 ff., 164, 173 ff. Anwendungsbereich Grundrechte 16, 42, 50 Anwendungsbereich IPbpR 16, 42, 61, 65, 67, 91, 113, 159 ff., 164, 173 ff. Auslieferung 187 f., 191, 193, 196 ff., 207 ff.
Internationale Organisation 84, 97 f., 106, 108 f., 179 f.
Bundesnachrichtendienst 13 f., 35 f., 39 f., 69, 110 ff., 123 ff, 136 ff., 166, 169, 172, 185 f., 188, 191, 202, 207, 209, 212 ff.
Metadaten 21, 128 f., 132, 144, 171, 175
Daten, personenbezogene 13, 21 ff.25 f., 31 f., 47, 93, 110 ff., 136, 142 f., 158, 160 f., 170, 172 ff., 187, 202, 206, Datenübermittlungsverbot 159, 186, 189, 191, 201 f., 207, 209 Derogation 86 ff. Diplomatische Zusicherung 193, 196 f., 201 ff. Einschätzungsprärogative 48, 70 f., 74 ff., 81, 92, 134, 148, 189, 209 Extraterritorialität 50, 115 ff., 163 ff., 172, 178 Hoheitsgewalt, datenbezogen 173 f. Hoheitsgewalt, personenbezogen 57, 59, 64, 173 Hoheitsgewalt, territorialbezogen 54, 59, 62 f. Humanitäres Völkerrecht 48, 86, 88 ff.
Kontrolle 16 f., 22, 24, 39, 54 ff., 60, 62 ff., 98 ff., 107 f., 118 f., 121 f., 133 ff., 138, 141, 145 f., 147, 149 ff., 159, 166 f., 173 ff., 180, 182 f., 190, 194 f, 205, 210 ff., 213 ff.
Parallele Zurechnung 98, 103, 159, 179, 182 ff. Persönlichkeitsrecht 15 f., 22, 24 ff., 33 f., 40, 80, 115 f., 128, 149 f. 154, 159, 161 f., 170, 179, 188, 194, 211 Staatenverantwortlichkeit 16, 97 f., 100, 107, 182 Technischer Datenschutz 216 Verfahrensrechtliche Pflichten 146, 186 f., 191 ff., 201 ff., 209 Zurechnung 16, 49, 95 ff., 159, 179 f., 182 ff., 193 Zweckbindungsgrundsatz 16 f., 33, 42, 137 f., 140, 202, 216