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German Pages 242 [251] Year 2021
Kerstin Fröhlich Stadtentwicklung in der Wissensgesellschaft
Sozial- und Kulturgeographie | Band 42
Für Gabriel und Gisela
Kerstin Fröhlich (M. Sc. Geographie), geb. 1983, lebt und arbeitet in Hamburg. Sie promovierte im Rahmen des transdisziplinären Reallabor-Forschungsprojekts »Urban Office« am Geographischen Institut der Universität Heidelberg.
Kerstin Fröhlich
Stadtentwicklung in der Wissensgesellschaft Eine empirische Untersuchung der strategischen Instrumente Reallabor und IBA am Beispiel Heidelberg
Gutachterinnen: Prof. Dr. Ulrike Gerhard, Jun.-Prof. Dr. Anna Growe Gefördert durch das Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst BadenWürttemberg im Rahmen des Projekts »Urban Office - Nachhaltige Stadtentwicklung in der Wissensgesellschaft«. Förderung mit den Mitteln der Kurt-Hiehle-Stiftung des Geographischen Instituts sowie einem Druckkostenzuschuss der Arbeitsgruppe Stadtgeographie am Geographischen Institut, Universität Heidelberg.
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © 2021 transcript Verlag, Bielefeld Alle Rechte vorbehalten. Die Verwertung der Texte und Bilder ist ohne Zustimmung des Verlages urheberrechtswidrig und strafbar. Das gilt auch für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und für die Verarbeitung mit elektronischen Systemen. Umschlaggestaltung: Maria Arndt, Bielefeld Druck: Majuskel Medienproduktion GmbH, Wetzlar Print-ISBN 978-3-8376-5843-9 PDF-ISBN 978-3-8394-5843-3 https://doi.org/10.14361/9783839458433 Buchreihen-ISSN: 2703-1640 Buchreihen-eISSN: 2703-1659 Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier mit chlorfrei gebleichtem Zellstoff. Besuchen Sie uns im Internet: https://www.transcript-verlag.de Unsere aktuelle Vorschau finden Sie unter www.transcript-verlag.de/vorschau-download
Inhalt
Danksagung .............................................................................. 7 Abbildungsverzeichnis ................................................................... 9 Abkürzungsverzeichnis................................................................... 11 1. 1.1 1.2
Einleitung...........................................................................13 Aktualität und Zielsetzung der Arbeit .................................................13 Methodisches Vorgehen und Ergebnisdarstellung ..................................... 17
2. 2.1 2.2 2.3 2.4
Annäherung an den Begriff der Wissensgesellschaft .............................. 23 Genese des Paradigmas der Wissensgesellschaft .................................... 25 Merkmale der Wissensgesellschaft .................................................. 37 Kritische Rezeption der Wissensgesellschaft ........................................ 42 Zwischenfazit I ..................................................................... 45
3. Stadtentwicklung und Wissensgesellschaft ........................................ 49 3.1 Kontexte der wissensbasierten Stadt................................................ 50 3.2 Konzepte der wissensbasierten Stadtentwicklung ................................... 63 4. 4.1 4.2 4.3 4.4
Fallstudie Heidelberg .............................................................. 97 Instrument: Reallabor............................................................... 101 Instrument: Internationale Bauausstellung ..........................................107 Kommunale Einrichtungen zur Förderung von Wissen und Kreativität ................ 111 Raum: Planung von »Wissensorten«................................................. 115
5. 5.1 5.2 5.3
Dimensionen wissensbasierter Stadtentwicklung.................................. 119 Intermediäre Akteure und veränderte Prozesse der Wissensgenerierung ............. 119 Neue (Aushandlungs-)Räume........................................................ 131 Neue (temporäre) Strukturen....................................................... 146
6. Herausforderungen wissensbasierter Stadtentwicklung .......................... 155 6.1 Resonanz als Ressource einer wissensbasierten Stadt .............................. 156 6.2 Ressourceneinsatz als Übergang von Konzept zu gelebter Praxis.....................174 7. 7.1 7.2
Fazit .............................................................................. 199 Übergreifende Schlussfolgerungen ................................................. 199 Ausblick........................................................................... 207
Literaturverzeichnis..................................................................... 211 Anhang ................................................................................. 239
Danksagung
Nun sitze ich in Hamburg und schreibe an den letzten Zeilen einer Arbeit, mit der ich im April 2015 in Heidelberg begonnen habe. Eine gute Gelegenheit für einen Dank an all diejenigen, die mich auf diesem langen Weg begleitet und dazu beigetragen haben, dass diese Arbeit entstanden ist. Der Arbeitsgruppe Nordamerika/ Stadtgeographie am Geographischen Institut, allen voran Prof. Dr. Ulrike Gerhard, der ich für Ihre ansteckende Begeisterung für die geographische Stadtforschung, ihre Fähigkeit zur Motivation und Ihren stetigen Zuspruch von Herzen danke. Ich danke Frau Prof. Dr. Growe für die Übernahme des Zweitgutachtens. Dr. Editha Marquardt als Leiterin des Reallabors Urban Office sei gedankt für ihren fachlichen Rat, ihre vielfältigen Hinweise und Ihr offenes Ohr sowie Dr. Christina West dafür, dass sie als Koordinatorin das Urban Office mit Ihrem Engagement, Wissen und dem stetigen Willen zur Kommunikation mit Leben gefüllt hat. Großer Dank gilt meinen ehemaligen MitstreiterInnen in der Arbeitsgruppe: Dr. Cosima Werner, Daniel Bumiller, Dr. Gino Meier, Dr. Gregg Culver, Judith Keller, Dr. Svenja Kück und Philipp Schulz. Ich vermisse die Tage mit Euch, den Austausch und die gegenseitigen Ermunterungen. Ebenfalls danken möchte ich Dr. Christina Herrmann für Ihre stetige Unterstützung und Ihre Freude daran, Dinge aus einer anderen Perspektive zu betrachten. Gedankt sei Cosima Werner, Dr. Gino Meier und Laura Krauss für Ihre wertvollen Hinweise für den letzten Feinschliff der Arbeit. Mein Dank gilt weiterhin dem Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst für die Förderung des Reallabors Urban Office, in dessen Kontext diese Forschungsarbeit entstanden ist und allen Beteiligten am Reallabor »Urban Office – Nachhaltige Stadtentwicklung in der Wissensgesellschaft« für das Engagement und den Austausch über die gesamte Projektlaufzeit sowie den InterviewpartnerInnen für deren Bereitschaft Ihr Wissen und Ihre Erfahrungen mit mir zu teilen. Abschließend möchte ich meiner Familie für Ihre Ermunterungen und Ihren Zuspruch danken, insbesondere Gabriel: dein Mut und deine Neugier sind mir stetige Inspiration. Vielen Dank an meine Freunde für die Unterstützung, das Interesse und die mir entgegengebracht Geduld und Nachsicht. Danke an Martin für all
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Stadtentwicklung in der Wissensgesellschaft
das was Du gegeben hast und danke an Jasmin für Dein vielseitiges Engagement für mein Ankommen in Hamburg!
Abbildungsverzeichnis
Abb. 1: Orte der Wissenschaften. Bestand und Dynamik. 98 Abb. 2: IBA und Reallabore als intermediäre Akteure einer wissensbasierten Stadtentwicklung 100 Abb. 3: Übersicht Forschungsformat Reallabor 102 Abb. 4: Projekt- und Forschungsstruktur Reallabor Urban Office 104 Abb. 5: Projekt- und Forschungsstruktur Reallabor Asyl 105 Abb. 6: Projekt- und Forschungsstruktur Reallabor Stadt-Raum-Bildung 106 Abb. 7: Übersicht Stadtentwicklungsinstrument IBA Heidelberg 109 Abb. 8: Struktur und Themenschwerpunkte der IBA Heidelberg 110 Abb. 9: Park der Begegnung Heidelberg Südstadt (Benennung des Entwurfs durch das Büro Studio, Vulkan. Name des Vorhabens in der Planungsphase: Der Andere Park) 117 Abb. 10: Auswahl dialogischer Formate der Heidelberger Reallabore 128
Abkürzungsverzeichnis
B-Plan
Bebauungsplan
EBM
Erster Bürgermeister
FuE
Forschung und Entwicklung
IBA
Internationale Bauausstellung
IKT
Informations- und Kommunikationstechnologie
ha
Hektar
HCE
Heidelberg Center for the Environment
HSE
Heidelberg School of Education
KBUD
Knowledge-based Urban Development
MWK
Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst
OB
Oberbürgermeister
ÖPNV
Öffentlicher Personennahverkehr
PHV
Patrick Henry Village
STEP
Stadtentwicklungsplan
1. Einleitung
1.1
Aktualität und Zielsetzung der Arbeit
Im Jahr 2020 ist die Bedeutung von Wissen als die zentrale Ressource entwickelter Volkswirtschaften kaum mehr erläuterungsbedürftig. Mannigfaltig und umfassend sind die technologischen, sozialen, wirtschaftsstrukturellen, organisatorischen und räumlichen Veränderungsimpulse und deren Rezeption auf allen Ebenen. Das forschende Suchen nach neuen Erkenntnissen und Lösungswegen in allen gesellschaftlichen Bereichen sowie Neugier, Kreativität und Lust auf Erneuerung werden in der Forschung als bestimmende Merkmale aktueller gesellschaftlicher Verfasstheit benannt. Wissen gilt daher als konstitutiver Mechanismus aktueller Gesellschaften, die infolge als Wissensgesellschaften charakterisiert werden können (Drucker 1959; Lane 1966; Stehr 2001; Willke 2002; Stehr 2003; Heidenreich 2003; Lau und Böschen 2003; Engelhardt und Kajetzke 2010). Ein erster oberflächlicher Blick auf die Themen, die ihren Widerhall im Kontext der Gesellschaftsdiagnose »Wissensgesellschaft« finden, zeigt nachfolgend die Bandbreite der Adaption und Bearbeitung und leistet einen einführenden Beitrag zur Verortung des Forschungsinteresses der vorliegenden Arbeit. Wissen gilt als grundlegende Voraussetzung für Innovation und Fortschritt. Den Entstehungsbedingungen von Wissen, Innovation und Kreativität wird daher hohe Aufmerksamkeit zuteil. Regionalökonomische Forschungen rücken soziale Komponenten wie Austausch für die Generierung von Wissen und neuen Ideen seit einigen Jahren immer stärker in den Fokus. Wissenserwerb wird demnach als kollektiver Prozess verstanden, der auch auf räumlicher Nähe zwischen Personen als auch Unternehmen und Wissenseinrichtungen beruht. Gleichermaßen beschäftigt der Transfer von wissenschaftlichem Wissen in Anwendungskontexte AkteurInnen der Wirtschaft, Wissenschaft, Politik und nicht zuletzt die Zivilgesellschaft. So gilt der Wissenstransfer zwischen funktional differenzierten Systemen als Motor und Schlüssel zu Zukunftsfähigkeit und Wohlstand. Im Zuge dessen bemüht man sich in Praxiskontexten um eine engere Vernetzung von Wissenschaft und Wirtschaft. Die räumliche Integration von Orten der Wissenschaft in ihr urbanes Umfeld als auch die Ausgründung von Innovations- und Technologieparks stehen, flankiert durch
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Stadtentwicklung in der Wissensgesellschaft
die strategische Netzwerkbildung, für die praktische Umsetzung dieses Ansatzes (Knight 1995; van Winden et al. 2007; Asheim und Hansen 2009; Glückler 2010; van Winden 2010; Martin und Moodysson 2011; Bathelt und Glückler 2012; Yigitcanlar und Lönnqvist 2013). Hieran anknüpfend vollzieht sich seit einigen Jahren vielerorts die insbesondere in raumwissenschaftlichen und planerischen Disziplinen beforschte »Wiederentdeckung« der Funktionen und Bedeutung von Wissenseinrichtungen sowohl in der Theorie als auch in der Praxis. Ziel ist es, die potenziell fruchtbare Wechselwirkung zwischen Stadt und Hochschule zu stärken und auszubauen. Van Winden (2010: 101) spricht von einem »knowledge turn«, der die räumliche Planung in Kommunen erfasst habe. Das Konglomerat Wissen wirke leitend und strukturierend auf die räumliche Entwicklung. Zielsetzung ist die Weiterentwicklung von Hochschulen und ihrem räumlichen Umfeld zu Wissenslandschaften und die Etablierung einer wissensorientierten integrierten Stadtentwicklung, die durch eine adaptive strategische Planung und Governance-basierte Prozesse getragen wird (Mecklenbrauck 2015). Ein Blick in die lokale Praxis der Hochschulentwicklung bestätigt diese Trendwende auch trotz mannigfaltiger Herausforderungen wie z. B. Flächenknappheit und Nutzungskonkurrenzen an innerstädtischen Standorten, bauliche Persistenzen großmaßstäbiger Hochschulanlagen und finanzieller Restriktionen (van Winden 2010; Mecklenbrauck 2015; Moritz 2016; Hilkmann 2017; Hechler et al. 2018) (Vgl. Kapitel 2). Diese skizzenhaft nachgezeichneten Entwicklungen sollen verdeutlichen: Die Proklamation einer Wissensgesellschaft ist keine gefällige Selbstbeschreibung, sie korrespondiert vielmehr mit wahrnehmbaren Veränderungen systemischer Strukturmerkmale und materialisiert sich gleichermaßen in physischen als auch institutionell-organisatorischen Dimensionen auf der Ebene von Städten. Stadtentwicklung wird unter diesen Bedingungen transformiert. Der Betrachtung dieser Zusammenhänge gilt das übergreifende Interesse dieser Forschungsarbeit. Die Arbeit setzt an einer geteilten Erkenntnis der eingangs präsentierten Darstellungen an: Die mehrfach vernetzte Stadt wird als Ausdruck von Stadtentwicklung in der Wissensgesellschaft verstanden. Vernetzung umfasst mit der räumlich-baulichen, sozialen, mobilitätsbezogenen, individuellen, digitalen sowie institutionellen mehrere Bedeutungsdimensionen. Den institutionellen und organisationalen Dimensionen einer wissensbasierten Stadtentwicklung gilt das spezifische Interesse dieser Forschungsarbeit. Dieser liegt die Erwartung zugrunde, dass sich neue Formen der Vernetzung auf lokaler Ebene ausgebildet haben. Das metaphorische Zitat von Anders Almgren, Bürgermeister von Lund (Schweden), im Rahmen des IBA Summit in Heidelberg 2018 skizziert den Anspruch an eine institutionell-organisatorisch vernetzte Stadtentwicklung in der Wissensgesellschaft: »Coexisting and supporting each other is yesterday’s news. We have to have common projects, companies and organizations
1. Einleitung
and really get engaged: The most advanced way of collaboration is to have babies together« (IBA 2018b: 52). Diese radikale Forderung einer umfassenden institutionell-organisatorischen Vernetzung in der Stadtentwicklung postindustrieller Staaten etabliert sich zunehmend in der Praxis. Dies soll anhand der Fallstudie Heidelberg empirisch nachvollzogen werden. Zwei in Heidelberg angewendete Stadtentwicklungsinstrumente stehen im Fokus der empirischen Untersuchung: Mit dem Instrument der IBA wird erstens die Stadtentwicklung Heidelbergs für zehn Jahre unter das Leitmotiv WissenIschafftIStadt gestellt und kooperative Prozesse zwischen Wissenseinrichtungen, Unternehmen, Zivilgesellschaft und lokalem Staat etabliert. Zweitens beteiligt sich die Stadt an drei transdisziplinär-transformativen Reallaboren, welche als neue Forschungsformate eine Katalysatorfunktion für den Wissenstransfer zwischen Hochschulen und traditionelleren Akteuren der Stadtentwicklung einnehmen sollen. Mittels dieser beiden Instrumente, so die These, wird der Wandel zur wissensbasierten Stadt befördert, indem neuartige Verbindungen etabliert werden. Die empirische Forschungsarbeit hat insofern das Ziel die wissensbasierte Stadtentwicklung in Heidelberg anhand der zwei Instrumente zu charakterisieren als auch einen Beitrag zur Bearbeitung von Forschungslücken um die wissensbasierte Stadtentwicklung zu leisten. Die Forschungsbeiträge zur wissensbasierten Stadtentwicklung decken eine große Bandbreite von Themen ab (Vgl. Kapitel 3). Die Beiträge adressieren Rahmenbedingungen, Strategien als auch einzelne Maßnahmen, sie fokussieren auf die Akteure Hochschulen, Kommunalverwaltungen und wissensbasierte Unternehmen sowie Zivilgesellschaft und befassen sich hinsichtlich des Stadttypus sowohl mit Großstädten als auch kleineren Städten. Auffällig in diesbezüglichen empirischen Untersuchungen ist das Fehlen eines Stadttyps, der von van Winden et al. (2007) in seiner Stadttypologie als »knowledge pearl« beschrieben wird: kleinere Städte mit einer renommierten Wissenschaftslandschaft sowie einer starken Wirtschaftsbasis in der Nähe zu größeren Metropolen. In diesen Städten stelle sich nicht das Problem, die Wissensbasis erst aufbauen zu müssen, vielmehr gelte es, die Verbindungen zwischen oftmals autarker Wissenschaftslandschaft und Stadt(gesellschaft) zu stärken. Die Stadt Heidelberg selbst nutzt den Begriff der »knowledge pearl« zur Selbstbeschreibung. Die Konzepte zur wissensbasierten Stadtentwicklung leiten ihre Inhalte als auch Relevanzen regelmäßig mit Verweis auf diesen Stadttypus ab, dieser wird aber selbst kaum empirisch beforscht. Dies gilt ebenfalls für den Ort der Fallstudie: räumlicher Forschungsschwerpunkt der vergangenen Jahre zu Heidelberg bildet die Konversionsflächenentwicklung Bahnstadt (Growe und Freytag 2019; Foshag 2019). Veröffentlichungen zum Zusammenhang von Wissen und Stadtentwicklung erfolgen neuerlich aus den Reallaboren heraus (Marquardt und West 2016; West et al. 2017; Wiloth und Eurich 2018; Marquardt 2019; Herrmann 2020). Der zehnjährige IBA-Prozess,
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Stadtentwicklung in der Wissensgesellschaft
der 2012 begonnen wurde, bildet sich indes wenig in der wissenschaftlichen Forschung ab (Ausnahmen sind hier Gerhard und Marquardt 2015; Gerhard und Hölscher 2017). Die skizzierte Problemstellung der »knowledge pearls« verweist darauf, dass nicht allein die Akteure der Triple Helix aus Hochschulen, Unternehmen und lokalem Staat in den Forschungsfokus gerückt werden müssen, vielmehr sind die Verbindungen zwischen diesen funktional differenzierten Systemen zu fokussieren. IBA und Reallabore werden demzufolge als Instrumente der Kooperation und Vernetzung der funktional differenzierten, systemischen Akteursgruppen verstanden und sind in der Gleichzeitigkeit ihrer Anwendung eine gute Gelegenheit für eine institutionenorientierte Analyse hinsichtlich der Umsetzung der Konzepte der wissensbasierten Stadtentwicklung. Die Arbeit leistet zudem einen Beitrag zur Transformationsforschung, d.h. zur Forschung über Transformationsprozesse am Beispiel der Reallabore. Das Forschungsformat expandiert stark in Anwendung und Förderung in ganz Deutschland. Reallabore produzieren Erkenntnisse zu den jeweiligen thematischen Schwerpunkten und reflektieren gleichwohl die methodischen Grundlagen der Erkenntnisgewinnung; sie betreiben aktiv transformative Forschung. Dem Konnex zum Diskurs der Wissensgesellschaft sowie der wissensbasierten Stadtentwicklung und damit die Reflexion über die Rolle und Bedeutung der Reallabore in der Wissensgesellschaft wird aktuell wenig Beachtung geschenkt. Reallabore werden in dieser Arbeit daher als Forschungsformate verstanden, die einen Aufgaben- und Verantwortlichkeitswandel der institutionalisierten Wissenschaften befördern. Diese Lücke soll mit der vorliegenden Forschungsarbeit ebenfalls bearbeitet werden. Die zentralen Forschungsfragen zur Strukturierung des Forschungsinteresses lauten demnach: •
•
•
Welchen Beitrag leistet das Paradigma der Wissensgesellschaft für die Analyse aktueller Stadtentwicklungsprozesse? Welche Themen und Akteure sind entscheidend für Stadtentwicklung in der Wissensgesellschaft, welche Dynamiken entstehen und wer nimmt Einfluss auf deren Organisation und Gestaltung? Welche Rolle spielen die IBA und Reallabore für die lokale Fruchtbarmachung des Paradigmas der Wissensgesellschaft und der Konzepte der wissensbasierten Stadt? Welche institutionellen Veränderungsprozesse werden über die Anwendung dieser Instrumente ausgelöst? Welches Potenzial bieten die Instrumente für die Analyse und Weiterentwicklung der Konzepte der wissensbasierten Stadtentwicklung?
Die Arbeit ist wie folgt gegliedert: Im zweiten Abschnitt des Einführungskapitels wird die methodologische Herangehensweise dargestellt. Im Anschluss erfolgt die Aufarbeitung des Forschungsstands. Zunächst wird sich dem populären Begriff der
1. Einleitung
Wissensgesellschaft aus historisch-genetischer Perspektive sowie über die Identifizierung zentraler Merkmale genähert (Kapitel 2). Anschließend wird auf die geografische Dimension fokussiert und die räumlichen Aspekte im Kontext des wissensgesellschaftlichen Wandels erläutert. Hier gilt es zu klären, inwiefern städtische Strukturen bedeutsam für die Entstehung und Weitergabe von Wissen sind und unter dem Leitbild der wissensbasierten Stadtentwicklung vielerorts gefördert werden (Kapitel 3). Mittels dieser zweistufigen theoretischen Aufarbeitung wird dem oftmals als normativ kritisierten Begriff der Wissensgesellschaft eine analytische Betrachtung zur Seite gestellt. Zugleich werden die Denkannahmen, die die Konzepte der wissensbasierten Stadt begleiten, offengelegt und für die empirische Erhebung handhabbar gemacht. Anschließend erfolgt die Vorstellung der Fallstudie Heidelberg mit Fokus auf die Instrumente IBA und Reallabor (Kapitel 4). Es wird aufgezeigt, dass die beiden Instrumente neue Formen der Kooperation etablieren und damit das Spektrum der Wissenschaft-Stadt-Kopplungen erweitern. Über deren Beforschung werden insofern Erkenntnisse über die lokale Ausgestaltung des wissensgesellschaftlichen Wandels erarbeitet. Die daraus resultierenden Schwerpunkte werden in den nachfolgenden Kapiteln, systematisiert nach einerseits den Dimensionen der wissensbasierten Stadtentwicklung (Kapitel 5) sowie den spezifischen Herausforderungen, die für das Fallbeispiel konstatiert werden können (Kapitel 6), dargelegt. Ziel ist es anhand der beiden Instrumente das Spektrum an Themen, Institutionen, Räumen, Strukturen und Ressourcen aufzuzeigen, welche die wissensbasierte Stadtentwicklung zwischen wissensgesellschaftlich induzierten Veränderungen sowie spezifischen Herausforderungen und der Wirkmächtigkeit des Status quo charakterisieren. Das Schlusskapitel reflektiert die Untersuchungsergebnisse sowie weiteren Forschungsbedarf und formuliert übergreifende Schlussfolgerungen (Kapitel 7).
1.2
Methodisches Vorgehen und Ergebnisdarstellung
Das Forschungsinteresse liegt auf der institutionellen Dimension im Sinne von Governance-Arrangements der wissensbasierten Stadtentwicklung, die im Kontext der beiden Instrumente IBA und Reallabor in der Fallstudie Heidelberg zu beobachten sind. Methodisch lassen sich diesbezügliche Erkenntnisse kaum über Indikatoren-basierte Verfahren generieren. Vielmehr ist aus der sozialen Praxis und der Interaktion der Akteure analytisch abzuleiten, ob und wie aus Institutionen stabile und dauerhafte Muster der sozialen Interaktion entstehen. Räumliche Aspekte entfalten diesbezüglich eine Wirkung, da sie als kontextspezifische lokale Faktoren einen Einfluss auf die Ausbildung von Institutionen haben (Bathelt und Glückler 2012). Damit ist die Mikro- als auch die Mesoebene von Bedeutung für das Verständnis, ob und inwiefern spezifische Institutionen der wissensbasier-
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1. Einleitung
Wissensgesellschaft aus historisch-genetischer Perspektive sowie über die Identifizierung zentraler Merkmale genähert (Kapitel 2). Anschließend wird auf die geografische Dimension fokussiert und die räumlichen Aspekte im Kontext des wissensgesellschaftlichen Wandels erläutert. Hier gilt es zu klären, inwiefern städtische Strukturen bedeutsam für die Entstehung und Weitergabe von Wissen sind und unter dem Leitbild der wissensbasierten Stadtentwicklung vielerorts gefördert werden (Kapitel 3). Mittels dieser zweistufigen theoretischen Aufarbeitung wird dem oftmals als normativ kritisierten Begriff der Wissensgesellschaft eine analytische Betrachtung zur Seite gestellt. Zugleich werden die Denkannahmen, die die Konzepte der wissensbasierten Stadt begleiten, offengelegt und für die empirische Erhebung handhabbar gemacht. Anschließend erfolgt die Vorstellung der Fallstudie Heidelberg mit Fokus auf die Instrumente IBA und Reallabor (Kapitel 4). Es wird aufgezeigt, dass die beiden Instrumente neue Formen der Kooperation etablieren und damit das Spektrum der Wissenschaft-Stadt-Kopplungen erweitern. Über deren Beforschung werden insofern Erkenntnisse über die lokale Ausgestaltung des wissensgesellschaftlichen Wandels erarbeitet. Die daraus resultierenden Schwerpunkte werden in den nachfolgenden Kapiteln, systematisiert nach einerseits den Dimensionen der wissensbasierten Stadtentwicklung (Kapitel 5) sowie den spezifischen Herausforderungen, die für das Fallbeispiel konstatiert werden können (Kapitel 6), dargelegt. Ziel ist es anhand der beiden Instrumente das Spektrum an Themen, Institutionen, Räumen, Strukturen und Ressourcen aufzuzeigen, welche die wissensbasierte Stadtentwicklung zwischen wissensgesellschaftlich induzierten Veränderungen sowie spezifischen Herausforderungen und der Wirkmächtigkeit des Status quo charakterisieren. Das Schlusskapitel reflektiert die Untersuchungsergebnisse sowie weiteren Forschungsbedarf und formuliert übergreifende Schlussfolgerungen (Kapitel 7).
1.2
Methodisches Vorgehen und Ergebnisdarstellung
Das Forschungsinteresse liegt auf der institutionellen Dimension im Sinne von Governance-Arrangements der wissensbasierten Stadtentwicklung, die im Kontext der beiden Instrumente IBA und Reallabor in der Fallstudie Heidelberg zu beobachten sind. Methodisch lassen sich diesbezügliche Erkenntnisse kaum über Indikatoren-basierte Verfahren generieren. Vielmehr ist aus der sozialen Praxis und der Interaktion der Akteure analytisch abzuleiten, ob und wie aus Institutionen stabile und dauerhafte Muster der sozialen Interaktion entstehen. Räumliche Aspekte entfalten diesbezüglich eine Wirkung, da sie als kontextspezifische lokale Faktoren einen Einfluss auf die Ausbildung von Institutionen haben (Bathelt und Glückler 2012). Damit ist die Mikro- als auch die Mesoebene von Bedeutung für das Verständnis, ob und inwiefern spezifische Institutionen der wissensbasier-
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Stadtentwicklung in der Wissensgesellschaft
ter Stadtentwicklung entstehen und Einfluss auf lokale Stadtentwicklungsprozesse entfalten. Im Forschungsprozess wurden mit ExpertInneninterviews und Beobachtungen zwei Methoden der qualitativen Sozialforschung angewendet, welche insbesondere vor dem Hintergrund des transdisziplinären Reallaborformats (Vgl. Abschnitt 4.1.2), in welchem diese Arbeit entstanden ist, vielfältige Potentiale für den Prozess der Datengenerierung und -auswertung bergen. In Reallaboren betreiben WissenschaftlerInnen ihre Forschungen nicht aus einer externen Position, sondern werden selbst Teil lokaler Stadtentwicklungsprozesse. Das Forschen im Reallabor ermöglicht daher einen breiten Zugang zum Feld und eine intensive Feldforschung. Für die vorliegende Arbeit wurde ein Erhebungsrahmen entwickelt, der es ermöglicht, eine verdichtete Datenbasis zu erzeugen und den Forschungsgegenstand aus unterschiedlichen Perspektiven zu beleuchten. Das qualitative Interview ermöglicht die Informationsgewinnung mittels informierter ExpertInnen, die ihr Fachwissen teilen (informationsgenerierende Interviews). Die über qualitative Interviews erzeugten Daten ermöglichen das Analysieren von expliziten und impliziten Wissensbeständen und Deutungsmustern, von handlungsleitenden Regeln und von »ungeschriebenen Gesetzen des Expertenhandelns« sowie der Alltagspraxis mit ihren impliziten Wissensbeständen (theoriegenerierende Interviews) (Pfadenhauer 2009: 102). Diese Wissensbestände und Deutungsmuster sind konstitutiv für das Funktionieren sozialer Systeme und werden von ExpertInnen explizit als auch implizit entwickelt und genutzt. Meuser und Nagel (1991) folgend hat sich die Feldforschung auf diejenigen Expertinnen konzentriert, die selbst Teil des Handlungsfelds sind, das den Forschungsgegenstand definiert. Abgegrenzt wird dieses Handlungsfeld über Handlungsmacht und Einfluss. Die Person ist Teil des Handlungsfelds, die »in irgendeiner Weise Verantwortung trägt für den Entwurf, die Implementierung oder die Kontrolle einer Problemlösung« bzw. »über einen privilegierten Zugang zu Informationen über Personengruppen oder Entscheidungsprozesse verfügt« (ebd.: 443). Der ExpertInnenStatus wird demgemäß erst im Forschungsprozess hergestellt und existiert nicht ex ante (Rosenthal 2014). Für das vorliegende Forschungsvorhaben wurden Personen interviewt, die folgenden Gruppen zugeordnet werden können: • • •
dem Kreis der Projektbeteiligten der in Kapitel 4 vorgestellten Instrumente IBA und Reallabor; dem Kreis der kommunalen Verwaltung, die mit einem IBA- bzw. einem Reallaborprojekt vertraut sind; aus dem Kreis derjenigen, die aufgrund ihrer beruflichen Tätigkeit oder des privaten Engagements die »wissensbasierte Entwicklung Heidelbergs« im letzten Jahrzehnt in konzeptioneller, funktionaler oder symbolischer Dimension begleitet haben.
1. Einleitung
Die Auswahl der ExpertInnen folgte analytisch einer aufgaben- und akteursbezogenen anstatt einer verfahrensorientierten Perspektive (Kreuzer und Scholz 2011; Lamker und Rüdiger 2018). Dies ist dadurch begründet, dass der wissenschaftliche Such- und Analyserahmen diejenigen Akteure integrieren muss, die durch ihr Handeln auf die Umsetzung und Ausgestaltung einer KBUD Einfluss nehmen. Die in dieser Arbeit eingenommene Forschungsperspektive wird diesem Anspruch gerecht und orientiert sich konzeptionell an der Governance-Forschung sowie Perspektiven des akteurszentrierten Institutionalismus. Die Governance-Perspektive strukturiert die Forschungsperspektive der Arbeit mehrfach: Die Bedeutung von Governance in der Stadtentwicklung wird als wesentliche Kontextbedingung aktueller Stadtentwicklungsprozesse dargestellt (Vgl. Abschnitt 3.1.3), auf die Konzepte der wissensbasierten Stadt hin konkretisiert (Vgl. Abschnitt 3.2.2) und in den empirischen Kapiteln als analytischer Rahmen fruchtbar gemacht (Vgl. Kapitel 5 und 6). Die Governance-Perspektive bietet für das Erkenntnisinteresse der Arbeit einen grundlegenden Mehrwert: Öffentliche Akteure gelten nicht mehr als die Steuerungsinstanz räumlicher Entwicklung. Die Analyse muss vielmehr eine Vielzahl von Akteuren und vielfältige Formen und Mechanismen der Handlungskoordination integrieren und das Augenmerk auf die Koordination und Ausgestaltung der zwischen den Akteuren entstehenden (Un-)Abhängigkeiten richten. So können gleichermaßen die Beziehungen als auch Differenzen und Modi der Integration untersucht werden. So kann erfahren werden auf welche Weise kollektiv bindende Entscheidungen und deren Umsetzung organisiert werden (Hechler et al. 2018). Aus der eigenen Mitarbeit in dem Reallabor Urban Office ergaben sich spezifische Vorteile für die Methode der ExpertInnengespräche: Durch die aus der Forschungskooperation resultierende Bekanntheit bestand eine höhere Bereitschaft zu Gesprächen, diese waren überwiegend von Offenheit und Vertrauen gekennzeichnet. Insgesamt konnten 34 leitfadengestützte, nicht-standardisierte Interviews im Zeitraum von 2016 bis 2019 mit sowohl Personen der Leitungsals auch Arbeitsebene durchgeführt werden (siehe anonymisierte Aufstellung im Anhang). Für jedes der beiden Instrumente wurde ein Interviewleitfaden erarbeitet, dieser wurde bedingt durch den Erkenntnisfortschritt während des Forschungsprozesses geringfügig modifiziert. Mit vier InterviewpartnerInnen wurden mehrfach Gespräche geführt, dadurch ergab sich die Möglichkeiten Veränderungen im Zeitverlauf erfassen zu können. Die Methode der teilnehmenden Beobachtung wurde auf zwei Arten für die empirische Datenerhebung genutzt. Zum einen ermöglichte die Mitarbeit im Reallabor einen dauerhaften und intensiven Austausch mit den ProjektpartnerInnen. Die regelmäßigen Treffen und Gespräche qualifizierten die Feldforschung und generierten eine Vielzahl von Anlässen für das wissenschaftliche Beobachten. Daten konnten über eine sehr lange Zeitspanne gesammelt werden und decken die gesamte Laufzeit der »Wissen-Stadt-Kopplung Reallabor« ab. Zum anderen hat sich
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Stadtentwicklung in der Wissensgesellschaft
die wissenschaftliche Beobachtung mit der Verbreitung des Diskurses in die Stadtgesellschaft beschäftigt. Hier ist von Interesse, inwiefern die Konzepte der wissensbasierten Stadt in der Stadtgesellschaft verhandelt werden. Annahme ist, dass solche Entwicklungsversionen, zustimmend oder ablehnend diskutiert, erst durch den öffentlichen Diskurs Bestandteil des sozialen Handelns werden kann. Dementsprechend wurden öffentliche Veranstaltungen (als Stichproben aus dem sozialen Feld) mit der Zielsetzung besucht, »Erklärungen, Handlungsgründe und Absichten von Handelnden durch kommunikative Interaktion mit anderen Handelnden« beobachten und sinnverstehend rekonstruieren zu können (Köckeis-Stangl 1980 in Lamnek 2010: 498). Dieser wurde im Beobachtungszeitraum von der IBA GmbH, der Stadt Heidelberg, den Reallaboren, von Wissenschaftseinrichtungen als auch zivilgesellschaftlichen Initiativen getragen. Auch hinsichtlich der wissenschaftlichen Beobachtung war das Reallabor vorteilhaft, indem es Anlässe generierte mit verschiedensten Personen und Gruppierungen ins Gespräch zu kommen. So entwickelte bspw. das Reallabor Urban Office1 eine Vielzahl von Formaten (Workshops, Diskussionsveranstaltungen, Radtouren oder Baustellenführungen u. a.) für unterschiedliche Zielgruppen. Über die Formate der Reallabore hinaus wurden ca. 90 weitere öffentliche Veranstaltungen zum Themenkomplex Wissen und Stadtentwicklung besucht. Mithilfe eines offen strukturierten Beobachtungsschemas wurden Inhalte protokolliert und der Analyse zugänglich gemacht. Die aus den Interviews und Beobachtungen generierten Daten wurden transkribiert und für die weitere Analyse digital verfügbar gemacht. Um Informationen aus den Daten ableiten zu können, müssen die sprachlichen Eigenschaften des verschriftlichten Gesprächs möglichst objektiv und systematisch identifiziert und beschrieben werden. Dabei gilt es, sowohl die expliziten, konkreten Kommunikationsinhalte als auch die impliziten, bewussten oder unbewussten, Kommunikationsinhalte zu erkennen. Methodisch eignet sich hierfür im Sinne des »Fremdverstehens« die qualitative Inhaltsanalyse (Lamnek 2010: 499). Die vorlaufende Methodenauswahl (hier insbesondere die ExpertInnengespräche) generierte bereits Implikationen für den Umgang mit dem empirischen Material. Mit der Methode der Inhaltsanalyse wird der organisational-institutionelle Zusammenhang der GesprächspartnerInnen ins Zentrum gerückt anstatt des gesamthaften Erfahrungsraums, wie dies hermeneutisch basierte Interpretationsansätze erfordern. Die ExpertIn ist damit kein Einzelfall (Rosenthal 2014), Meuser und Nagel (1991) zufolge bilden die Wissensbestände aller interviewten Personen vielmehr das gemeinsam geteilte Wissen. Diesem gilt das erkenntnistheoretische Interesse dieser Arbeit. Ein sequenzielles, fallbezogenes Analysieren der InterviewTranskripte ist aus dieser Perspektive nicht notwendig. Erkenntnisse werden statt1
Das Reallabor Urban Office ist neben dem Reallabor Asyl und dem Reallabor StadtRaumBildung eines der in dieser Arbeit empirisch beforschten Reallabore (Vgl. Abschnitt 4.1.2).
1. Einleitung
dessen mittels eines Kategoriensystems abgeleitet, das auf Basis des Erkenntnisinteresses erarbeiteten wurde. Notwendige Analyseschritte entstehen aus theoretischen Vorüberlegungen und basieren auf einer begründeten Regel, um die Intersubjektivität des Vorgehens bestmöglich zu gewährleisten. Die teilnehmenden Beobachtungen werden analog mittels qualitativer Inhaltsanalyse ausgewertet. Lamnek (2010) verweist auf die Schwierigkeiten der analytischen Auswertung wissenschaftlicher Beobachtungen. Ursächlich seien u. a. die selektive Perzeption sowie die Wiedergabe subjektiver Gefühle, Wertungen und Projektionen anstatt sachlicher Feststellungen des Vorgefundenen. Zudem handele es sich bei Beobachtungsprotokollen nicht um wörtliche Mitschriften, was die »heikle Phase der Interpretation in ihrer Problematik noch steigert« (ebd.: 566). Trotz der Schwierigkeiten hinsichtlich der Auswertung ermöglicht die Methode der Beobachtung Erkenntnisse darüber, wie sich der lokale Diskurs um die wissensbasierte Stadt entwickelt und über ihn performativ soziale Wirklichkeit hergestellt wird. Aufgrund dessen wurde auf Erkenntnisse aus diesem Feldzugang nicht verzichtet. Die qualitative Inhaltsanalyse unterscheidet mit der deduktiven Kategorienanwendung und der induktiven Kategorienentwicklung zwei Verfahren zur Definition begründeter Regeln. Die induktive Vorgehensweise entwickelt und begründet die Kategorien aus dem empirischen Material heraus. Auf Basis der empirischen Daten erfolgt die Festlegung, welche Aspekte des Materials in der Analyse Berücksichtigung finden. Die induktiv erzeugten Kategorien werden in einer Rückkopplungsschleife am Material auf ihre Eignung überprüft und ggf. angepasst. Dem gegenüber erfolgt beim deduktiven Vorgehen die Zuordnung der Kategorien nach vorab festgelegten inhaltsanalytischen Regeln auf das empirische Material. Prototypische Textstellen und Abgrenzungsregeln zwischen den Kategorien werden zusammengetragen und im fortschreitenden Analyseprozess erweitert und überarbeitet (Gläser und Laudel 2010). Die Entscheidung für das jeweilige Verfahren und die Entwicklung des Auswertungsschemas leitet sich aus dem Erkenntnisinteresse ab. Eine rein deduktive Kategorienanwendung wurde trotz des umfangreichen Forschungsstandes zur wissensbasierten Stadtentwicklung als ungeeignet angesehen wurde. Das Fallbeispiel Heidelberg wurde zwar konzeptionell als Stadt in der Wissensgesellschaft begriffen, insofern wäre eine Kategorienanwendung auf Basis der eigenen umfangreichen theoretisch-konzeptionellen Vorarbeiten (Vgl. Kapitel 3.2) durchaus nachvollziehbar. Das Forschungsinteresse war jedoch nicht, den »Wissensstadttyp Heidelberg« analytisch erzeugen und beschreiben zu wollen, es galt vielmehr die veränderten Governance-Arrangements vor dem Hintergrund der wissensgesellschaftlichen Entwicklung, die über die beiden Instrumente vermittelt werden, zu analysieren. Infolge wurde für die Datenauswertung ein kombiniertes Vorgehen entwickelt. Nach der ersten orientierenden Textarbeit erfolgte eine deduktive Zu-
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Stadtentwicklung in der Wissensgesellschaft
ordnung von Kategorien zu Textstellen. Hierfür wurde mit den erörterten Bausteinen einer KBUD ein vorab grob definiertes Kategorienschema fruchtbar gemacht. Im Sinne des kombinierten Vorgehens erfolgte anschließend eine datenbasierte Kategoriendefinitionen. Ziel war, die bedeutungstragenden Aussagen, Zwischentöne und alternative Perspektiven, die kaum mit den deduktiv abgeleiteten Kategorien abzubilden waren, zu erfassen. Dementsprechend erfolgte im nächsten Schritt auf Basis des empirischen Materials eine Kategorien(um)bildung. Im dritten Schritt wurden die Kodierungen auf das gesamte Material angewendet und in Rückkopplungsschleifen überprüft. Hierbei fand keine vollständige Loslösung von der Textgrundlage statt, der Wortlaut inhaltlicher Aussagen floss in die Analyse, Interpretation und in die spätere Ergebnisdarstellung ein. Hinsichtlich der Ergebnisdarstellung kennt die qualitative Forschung kein Patentrezept. Ob in Form einer narrativen Erzählung (Rosenthal 2014), einer komparativen Darstellung (Mecklenbrauck 2015) oder aber einer synergieorientierten, sequenziellen Abhandlung (Meier 2018) – die Fragestellung als auch die Analyseergebnisse determinieren die Ergebnisdarstellung. Für die vorliegende Arbeit ist dies ähnlich: Die empirische Forschung hat die Bandbreite einer wissensbasierten Stadtentwicklung insbesondere in deren institutioneller Dimension aufgezeigt. Zwischentöne und mannigfaltige Querbezüge zwischen Themen und Ebenen sind charakteristisch für die hier präsentierten Forschungsergebnisse. Eine Ergebnisdarstellung entlang der beiden Instrumente IBA und Reallabore, was eher dem Prozess der Datenerhebung entsprochen hätte, wäre nur unter Preisgabe dieser Querverbindungen möglich gewesen. Insofern erfolgt die Ergebnisdarstellung systematisiert nach einerseits den Dimensionen der wissensbasierten Stadtentwicklung (Vgl. Kapitel 5) sowie zum anderen nach spezifischen Herausforderungen, die für das Fallbeispiel konstatiert werden können (Vgl. Kapitel 6). Über diese Darstellung soll das Spektrum und die Bandbreite an Themen, Institutionen, Räumen, Strukturen und Ressourcen aufgezeigt werden, das die wissensbasierte Stadtentwicklung in Heidelberg zwischen wissensgesellschaftlichen Veränderungsprozessen sowie spezifischen Herausforderungen charakterisiert.
2. Annäherung an den Begriff der Wissensgesellschaft
Trotz der Popularität des Begriffs existiert keine allgemeine Definition der Wissensgesellschaft – auch Jahrzehnte nach der ersten Erwähnung ist der Begriff mehrdeutig. Eine begriffliche Schärfung wird allerdings hinsichtlich des Vorwurfs, es handle es sich nur um einen »wohlklingenden Begriff, mit dem ein Sammelsurium unterschiedlichster Faktoren und Entwicklungen ›zusammengeschnürt‹ werde« (Heidenreich 2003: 26), als notwendig angesehen.1 Auch die Kritik von u. a. Burke (2001), dass bereits frühere Gesellschaften auf Wissen angewiesen waren, sowie der Vorwurf, dass es sich mehr um ein Label und normative Leitvorstellung handle und daher schwerlich für eine Gesellschaftsbeschreibung tauge (Knoblauch 2005), sind gewichtig. Dieser Kritik soll im Rückgriff auf Stehr (2001) begegnet werden, welcher Wissen als axiales Prinzip aktueller gesellschaftlicher Entwicklung bezeichnet. Wissen gilt ihm als Achse, an welcher sich die gesamte Entwicklung ausrichtet – Wissen treibt damit die gesellschaftliche Entwicklung an und nicht vice versa. Insofern kann eine Beschreibung der gesellschaftlichen Verfasstheit als auch die Analyse räumlicher Entwicklung über die Ressource Wissen, wie es dem Ansatz dieser Arbeit entspricht, mit Stehr (ebd.) als gerechtfertigt angesehen werden. Eine Schärfung des Begriffs der Wissensgesellschaft ist nichtsdestotrotz notwendig. Bevor sich die folgenden Abschnitte mit dem Paradigma der Wissensgesellschaft auseinandersetzen, sollen drei weitere wissensorientierte Gesellschaftsdeutungen skizziert werden, die häufig synonym zur Wissensgesellschaft verwendet werden. Diese erklären ebenfalls Wissen zum charakteristischen Kern moderner Gesellschaften, unterscheiden sich jedoch im Verständnis des Wissensbegriffs. Mit
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Im Fokus der begrifflichen Annährung steht der Wortteil Wissen. Der Wortteil Gesellschaft wird mit Rückgriff auf Luhmann als das »jeweils umfassendste System menschlichen Zusammenlebens« (Luhmann zitiert nach Mecklenbrauck 2015: 17) verstanden und wird mit Verweis auf die Definitionsangebote insbesondere in der Soziologie hier nicht ausführlicher diskutiert. Das Verhältnis von Wissen und Gesellschaft wird im Weiteren detaillierter erörtert.
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Stadtentwicklung in der Wissensgesellschaft
der Wissenschaftsgesellschaft wird die Bedeutung von Hochschulen hervorgehoben. Das durch sie produzierte wissenschaftliche Wissen diffundiert in die anderen gesellschaftlichen Teilbereiche (Politik, Recht, Kultur etc.). Dies gilt nicht nur für das wissenschaftliche Wissen, sondern gleichermaßen für wissenschaftliche Methoden und Gültigkeitskriterien. Das Funktionssystem Wissenschaft gilt daher als das maßgebliche, man konstatiert eine »Verwissenschaftlichung der Gesellschaft« (Weingart 2001: 18). Kritik erfährt das Paradigma hinsichtlich der Überbetonung von WissenschaftlerInnen und ExpertInnen gegenüber anderen Personenkreisen. Diese Perspektive leiste gesellschaftlicher Ungleichheit Vorschub. Die Diagnose sei zudem blind für die Tatsache, dass Wissen und Expertise auch in allen anderen Teilbereichen generiert werde (Lau und Böschen 2003). Mit dem Begriff der Informationsgesellschaft verschiebt sich der Fokus auf den Aspekt der Technologie. Knoblauch (2005: 257) verweist auf den »technologischen Enthusiasmus«, der die 1980er Jahren prägte und eine Transformation aller Lebensbereiche durch die Verbreitung von Informations- und Kommunikationstechnologie konstatierte. KritikerInnen dieser Diagnose verweisen auf die Gefahren der digitalen Spaltung und sozialen Differenzierung der Gesellschaft durch einen ungleichen Zugang zu Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) sowie eines »Corporate Capitalism«, der durch neue Machtpositionen von Digitalkonzernen ausgeübt werde (ebd.). Kritisch rezipiert wird zudem das undifferenzierte Verständnis von Wissen als reiner Information. Anstatt Inhalten stehe die reine Verfügbarkeit im Mittelpunkt (Lau und Böschen 2003). Aus geografischer Perspektive wird die Negierung des Faktors Raum kritisch rezipiert, dieser werde als vernachlässigbare »Location« von Hardware missverstanden (Matthiesen und Bürkner 2004: 67). Mit der Netzwerkgesellschaft schließlich konzipiert Castells (2017) eine mittels IKT vernetzte Gesellschaft. Deren zentrales Merkmal ist nicht das Vorhandensein, sondern die Vernetzung von Information. Die sozioökonomische Organisation der Gesellschaft werde durch die Informationsverarbeitung angetrieben; der informationelle Kapitalismus löse den industriellen ab (Steinbicker 2001). Kritik erfährt das Paradigma aufgrund des unspezifischen Netzwerkbegriffs und des inhärenten Widerspruchs der Argumentation Castells: Er verstehe das wissenschaftliche Denken als Baustein der Technologieentwicklung, womit jedoch die kognitive Ressource Wissen anstatt der Technologie als eigentlichem Treiber der Entwicklung verstanden werden müsse (Knoblauch 2005). Mittlerweile hat das Paradigma der Wissensgesellschaft als Ziel- und Entwicklungsfolie umfangreichen Einzug in alle gesellschaftlichen Teilsysteme gehalten (Engelhardt und Kajetzke 2010) und ist dabei auch zum Leitkonzept räumlicher Planung und Entwicklung geworden (Mecklenbrauck 2015). Die Analyse räumlicher Aspekte der Wissensgesellschaft erfordert jedoch zunächst eine Auseinandersetzung mit dem Paradigma und dessen Ursprüngen. Für diese können insbesondere die soziologischen bzw. wissenssoziologischen Ansätze fruchtbar gemacht
2. Annäherung an den Begriff der Wissensgesellschaft
werden. Der dafür nötige Perspektivwechsel erfolgt in raumorientierten Forschungen meist recht oberflächlich und auf Kosten eines tieferen Verständnisses von inhärenten Denkmustern und Werten. Für diese Arbeit wird die Wissensgesellschaft im Folgenden aus einer historisch-genetischen Perspektive systematisiert nach vier Entwicklungsphasen analysiert (Kapitel 2.1). Kapitel 2.2 arbeitet auf Basis der skizzierten Entwicklungsphasen wesentliche charakteristische Dimensionen heraus, die als erste Ansatzpunkte für die spätere Operationalisierung der Fragestellung fungieren. Im Anschluss an die theoretische Aufarbeitung wird die kritische Rezeption aufgezeigt, die die Zeitdiagnose insbesondere von wissenschaftlicher Seite erfahren hat (Kapitel 2.3). Kapitel 2.4 schließlich führt die Erkenntnisse zusammen und nimmt eine erste Positionierung vor, indem Grundannahmen formuliert werden, welche die weitere Forschungsarbeit strukturieren. Zielsetzung ist die Generierung eines grundlegenden Verständnisses des wissensgesellschaftlichen Wandels, der auf Städte bezogen durch die Konzepte einer wissensbasierten Stadtentwicklung vermittelt wird und daher für die eingenommene Forschungsperspektive von wesentlicher Bedeutung ist.
2.1
Genese des Paradigmas der Wissensgesellschaft
Der wissensgesellschaftliche Wandel kann anhand von vier Phasen differenziert nachvollzogen werden: In der industriellen Moderne prägen zunehmend Systematisierung und Objektivierung das ökonomische Handeln als auch die Gesellschaft in Gänze. Die wissenschaftliche Moderne, die in Veröffentlichungen regelmäßig als Startpunkt des wissensgesellschaftlichen Wandels verstanden wird, bezeugt das rasante Wachstum wissenschaftlichen Wissens – dies auch zunehmend außerhalb der institutionalisierten Wissenschaften. Die nächste Phase offenbart ambivalente Entwicklungen: Der Begriff Wissen wird weiter ausdifferenziert, Wissensgenerierung wird als sozial eingebettet verstanden und integriert zunehmend auch nichtwissenschaftliche Wissensformen. Auch das Nichtwissen findet in dieser Phase Aufmerksamkeit, gleichzeitig diffundieren weiterhin stark wissenschaftsgeprägte Formen des Erkenntnisgewinns in die Gesellschaft. Die reflexive Moderne wird schließlich von einigen AutorInnen als eine eigene Phase benannt, in welcher die Gesellschaft nunmehr als Nichtwissens-Gesellschaft begriffen wird. Die Phasen werden im Folgenden beschrieben. Erste Phase: Die Industriegesellschaft als Vorläuferin der Wissensgesellschaft Die wissenschaftlichen Beiträge zur Wissensgesellschaft fassen die Arbeiten von Drucker (1959) regelmäßig als Startpunkt des Nachdenkens über die wachsende gesellschaftliche Relevanz von Wissen. Mit Heidenreich (2003) kann die Genese der Wissensgesellschaft jedoch bereits in der (aufkommenden) Industriegesell-
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Stadtentwicklung in der Wissensgesellschaft
schaft verortet werden. In dieser löst die Entscheidungsfindung über Ratio und Wissen die tradierten Herleitungen qua Tradition, Kultur, Gefühl oder Religion zunehmend ab. Für die frühen Vertreter rationaler Entscheidungsfindung, Karl Marx, Werner Sombart, Max Weber und Joseph Schumpeter, steht die kapitalistische Gesellschaft und deren Bezüge zu Wissen im Mittelpunkt. Seit Marx wurde die kapitalistische Gesellschaft die Weiterentwicklung ihrer technisch-naturwissenschaftlichen Grundlagen zur Daueraufgabe erklärt und dementsprechend institutionalisiert. Technologisch-naturwissenschaftlichem Wissen kommt die Rolle des Wachstumsmotors zu, gleichzeitig wird das Wissen durch Fortschritt stetig entwertet (Modaschl und Stehr 2010). Entscheidend für die kapitalistischen Unternehmen ist das Bestehen im Wettbewerb mittels Innovation. Als Voraussetzung der Innovationsentwicklung gelten Systematisierung und Objektivierung von Wissen (Böhle 2003).2 Von Werner Sombart wird in der Bedeutungszunahme von Wissen eine transformative Kraft ausgemacht, die die bestehende Gesellschaftsordnung zunehmend herausfordert (Heidenreich 2003). Die Erosion ökonomischer, technischer, religiöser und wissenschaftlicher Gewissheiten ermöglichte einen neuen wissensbasierten Kapitalismus. Analog zu Marx sieht auch Sombart Systematisierung, Objektivierung und Technisierung als Motor der Veränderung. So verweist er auf das Phänomen der sich verkürzenden Gültigkeitszeiträume von Wissen – was eben die Dinge noch ordnete, sei im nächsten Moment dem Wandel preisgegeben (Knoblauch 2005). Mit Weber verschiebt sich der Fokus von Unternehmen und Arbeitskraft auf Strukturen und Organisationen. Diese zeichneten sich durch Berechen- und Kalkulierbarkeit und, hier kann eine Verbindung zu Sombart hergestellt werden, gleichzeitig durch Veränderlichkeit aus. Die gesellschaftliche Wissensbasierung zeige sich in dem »kontinuierlichen, rationalen, kapitalistischen Betrieb, der rational-kapitalistischen Organisation von (formell) freier Arbeit und der rationalen Buchführung« (Heidenreich 2003: 32). Wissen wirke dabei als Impuls für das Hinterfragen und die Anpassung organisationaler Regulationsstrukturen. Nach Weber existieren durchaus auch Kräfte der Beharrung, die dem Konzept des zweckrationalen Handelns entgegenstehen und eine Anpassung verhindern (ebd.). Wissen wird auch von Weber keinesfalls nur in dem Wissenschaftssystem verortet, er betont vielmehr die Fähigkeit der bürokratischen Verwaltung3 zur Produk2
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Aus Marx’ Perspektive hingegen werden Produktivitätssteigerungen nur dadurch möglich, dass das Wissen von ArbeiterInnen und Angestellten genutzt und auch ausgebeutet wird. Wissen begründet insofern neue Herrschaftsbeziehungen, die neben den Herrschaftsbeziehungen qua Eigentum existieren (Heidenreich 2003). Die bürokratische Verwaltung wird dabei verstanden als Ausdrucksform von Rationalisierungsprozessen, die sich u. a. durch das Hierarchieprinzip, die Schriftlichkeit und Aktenkundigkeit der Verwaltung bzw. Arbeitsteilung und Professionalität auszeichnet. Diese Organisationsform ist nicht auf Bürokratien im Sinne von öffentlichen Verwaltungen beschränkt,
2. Annäherung an den Begriff der Wissensgesellschaft
tion und Reproduktion von Fachwissen, das gleichzeitig Input als auch Produkt ist (Stehr und Grundmann 2010). Während Weber die Bedeutung von Organisationen als Träger des Wissens in kapitalistischen Gesellschaften hervorhebt, betont Schumpeter die Rolle des Individuums für Wissen, Innovation und Veränderung.4 Der Begriff der Wissensgesellschaft ist mit Schumpeter und Weber nur sinnvoll anzuwenden, wenn die organisationalen Regulationsstrukturen als Wissen, d. h. als veränderbar begriffen werden. Wissensgenerierung aus dieser Perspektive ist nicht zwingend den institutionalisierten Wissenschaften vorbehalten: Wissen kann in jedem gesellschaftlichen Teilbereich durch rationales Hinterfragen entstehen, eine Wissensgesellschaft muss nicht notwendigerweise eine Wissenschaftsgesellschaft sein. Diese Diagnose wird sich in der zweiten Phase gesellschaftlicher Wissensbasierung deutlich verändern. Zweite Phase: Wissenschaftliches Wissen als Motor gesellschaftlichen Fortschritts Im Mittelpunkt der zweiten Phase, die mit den 1960er Jahren begann, steht die Bedeutungszunahme des wissenschaftlichen Wissens. Das schnelle Wachstum staatlicher sowie privater Forschung, die Zunahme wissensbasierter Tätigkeiten und damit zusammenhängend die Herausbildung einer neuen »Klasse«5 von Wissensarbeitenden sind Merkmale dieser Phase (Bogner 2015). Im Jahr 1966 wird von Lane erstmals der Begriff »knowledgeable society« verwendet. Lane (1966) charakterisiert mit dem Begriff eine reflexive Gesellschaft, die sich von objektiven Standards der Wahrheitssuche leiten lässt und das durch sie erzeugte Wissen sammelt, systematisiert und stetig hinterfragt. Für Lane ist Wissen aufklärerisch: Es
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auch Unternehmen und gesellschaftliche Institutionen sind nach bürokratischem Prinzip organisiert. Die Bürokratie gilt als eine zentrale Ausdrucksform der industrialisierten Moderne (Lau und Böschen 2003). Schumpeter versteht die Zerstörung und den Aufbau neuer Strukturen als Ergebnis von Prozessen, die von herausragenden Unternehmerpersönlichkeiten auf der Suche nach Innovationen angestoßen werden (Heidenreich 2003). Von Stehr und Grundmann (2010) wird die Frage, ob es sich bei den Wissensarbeitenden um eine eigene Klasse handelt, verneint. Der hohe Diversifizierungsgrad der wissensbasierten Tätigkeiten resultiere in ungleichen Stellungen in den Produktionsverhältnissen, es existiert keine »Klasse an sich«. Daher existiere auch kein Kollektivbewusstsein (»Klasse für sich«). Stehr und Grundmann (ebd.) hinterfragen in diesem Zusammenhang das Ansinnen, ein neues Paradigma mit alten Vokabeln beschreiben zu wollen. Die Klassenfrage sei kennzeichnend für die Industriegesellschaft und nur bedingt zu transferieren. Notwendig seien neue Begriffe für die neuen Formen und Inhalte der Machtausübung sowie die Reichweite der sozialen Kontrolle (Vgl. Reckwitz 2017). Insofern meint die Verneinung der Klassenfrage keine Negation von Machtfragen. Wissen sei jedoch nicht gleichbedeutend mit Macht; Wissen und Expertise könne durch Gegenexpertise begegnet und damit »entmachtet« werden (ebd.). Auch Meusburger (2015) betont, dass die Inwertsetzung von Wissen historisch an Institutionen und Netzwerke gebunden war und nicht per se Macht erzeuge.
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soll zur Verbesserung der individuellen Wert- und Zielvorstellung genutzt werden (Knoblauch 2005). Drucker beschäftigt sich in seiner Forschung mit der Rolle, der Wissen für die Umstrukturierungsprozesse von Ökonomien zukommt. Er führte im Jahr 1959 die Begrifflichkeit des »knowledge workers« ein und benannte Wissen als Quelle von Produktivität und Wachstum. Wissen werde daher auch zur neuen Herausforderung: Anstatt in der Beschaffung materieller Ressourcen sei die Erzeugung, Verteilung und Nutzung von Wissen abzusichern. Produktivität und Wertschöpfung basieren auf der Fähigkeit, Wissen zu produzieren, anzuwenden und zu transformieren (Heidenreich 2003). Den wachsenden Anteil der »knowledge worker« an den Beschäftigten führte Drucker auf das Arbeitskräfteangebot6 zurück und widerspricht damit der Annahme anderer Forschender, dass die Zunahme an Hochqualifizierten auf die Nachfrage zurückzuführen sei. Der höhere Qualifizierungsgrad sei eine Folgeerscheinung der längeren Ausbildungszeit7 und nicht der Spezialisierung von Berufen. In seinem Verständnis der Wissensgesellschaft stützt sich Drucker auf Lane und beschreibt die Wissensgesellschaft als »Capitalism without Capitalists« (Knoblauch 2005: 286). Die WissensarbeiterInnen seien EigentümerInnen und NutznießerInnen der individuellen Ressource Wissen, bestimmen selbstständig über die Arbeitsabläufe und werden damit Teil des Herrschaftssystems.8 In diesem Kontext formuliert Drucker mit der »These der Technokratie« (Stehr und Grundmann 2010: 81) eine Versachlichung von Herrschaftsbeziehungen. An die Stelle von auf Normen und Gesinnung gegründeter politischer Entscheidungen trete ein technisch-instrumentelles, unpolitisches Denken (Bogner 2015).9 6 7
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Jean-Baptiste Say formulierte im Jahr 1803 den Zusammenhang zwischen Angebot und Nachfrage. Für ihn schafft das Angebot seine eigene Nachfrage (BPD 2016). Die Frage nach der Ursache längerer Ausbildungszeiten wird weiterhin unterschiedlich diskutiert. In der steigenden Rationalisierung und Differenzierung, später auch in der Globalisierung werden Gründe gesehen, dass mehr Wissen und Expertise für die Bearbeitung gesellschaftlicher Probleme benötigt wird. Damit wird der Wissenserwerb und die spezialisierte Ausbildung wiederum als nachfrageinduziert verstanden, die durch stetig steigende Anforderungen der Arbeitswelt angetrieben werden (Lau und Böschen 2003, Stehr und Grundmann 2010, Hebestreit 2013). In diesem Zusammenhang wird auch hier auf die Eigenschaft von Wissen verwiesen, dass mit Wissen gleichzeitig Nichtwissen hervorgebracht wird (siehe vierte Phase). Vgl. Fußnote 5: Die Frage nach der Machtposition von Wissensarbeitenden wird bis dato unabgeschlossen diskutiert. In Kapitel 2.3 wird anhand der Darstellung von Kritik an der Wissensgesellschaft auch die Frage aufgeworfen, inwiefern die Wissensarbeit, die nicht mehr durch Entfremdung im Sinne Marx gekennzeichnet ist, nun durch Entgrenzung geprägt sei. Stehr und Grundmann (2010) verneinen die Existenz eines technokratischen Gesellschaftmodells, in welchem die Politik als »Vollzugsorgan einer wissenschaftlichen Intelligenz« agiert. Mit Tourraine (1972, zitiert in Knoblauch 2005) wird die Gruppe der TechnokratInnen allerdings noch als die aufsteigende Klasse angesehen, die mit ihrem Wissen Entscheidungsgewalt monopolisieren.
2. Annäherung an den Begriff der Wissensgesellschaft
Mit Bell (1976) wird das wissenschaftlich-theoretische Wissen betont: Dieses sei zentral für die Entwicklungsfähigkeit postindustrieller Gesellschaften, welche sich zunehmend auf Wissenschaft und Technologie gründen. Der steigende Anteil der Wissensarbeitenden an der Gesamtbeschäftigung und das anteilig durch Wissensarbeitende erwirtschaftete Bruttonationaleinkommen gelten ihm als charakteristisch für postindustrielle Gesellschaften. Die dominante Wissensform ist das wissenschaftliche Wissen, dessen Stellenwert sich durch die Expansion staatlicher und privater Forschungsaktivitäten ausdehnt. Hochschulen erzeugten das relevante Wissen und dominierten die Art der Wissensproduktion in fortschrittsorientierten Gesellschaften. Infolge nehme die Verwissenschaftlichung der Gesellschaft10 durch einerseits die Diffusion des Wissens als auch anderseits der spezifischen Regeln der Wissensproduktion zu. Bender (2013) bietet hier eine alternative Deutung und benennt die Politik und nicht die Ökonomie als Motor dieser Expansion.11 So unterschiedlich die Diskurse: Der Begriff der Wissensgesellschaft ist geboren. Dritte Phase: Ambivalente Entwicklungen: Ausdifferenzierung und Entwertung, Entmonopolisierung und Entwertung Die dritte Phase kennzeichnen ambivalente Entwicklungen: Die gesellschaftliche Bedeutung von Wissen nimmt stetig zu, es findet eine Ausdifferenzierung des Begriffs statt. Gleichzeitig wird der Wahrheitsanspruch des nunmehr hegemonialen wissenschaftlichen Wissens zunehmend hinterfragt und Nichtwissen als Nebenprodukt der wissenschaftlichen Wissensproduktion entdeckt. Dessen ungeachtet vollzieht sich weiterhin die »Verwissenschaftlichung der Gesellschaft« – es wird
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Die These der Verwissenschaftlichung der Gesellschaft steht im Zusammenhang mit dem ab 1950 aufkommenden »Nützlichkeitsdiskurses der Wissenschaft«. Böschen und Wehling (2004) verweisen auf eine staatlich als auch industriell betriebene (Groß-)Forschungsoffensive und der sich in diesem Zuge einstellenden betriebsförmigen Organisation von Wissenschaft, insbesondere der naturwissenschaftlich-technischen Disziplinen. Wissenschaften und Staat bildeten in diesem Prozess Allianzen, die in Kontrast zur historischen Unabhängigkeit von Wissenschaft stehen. Wissenschaftliches Wissen wird an technologische Umsetzbarkeit gekoppelt, Transformation von Wissen in Innovation wird systematisch institutionalisiert (Böschen et al. 2016). Der Vollständigkeit halber: Weingart (2001) betont diesbezüglich den der Institutionalisierung reflexiver Mechanismen in allen gesellschaftlichen Teilbereichen. Bender (2013) verweist auf die Investitionsbereitschaft in Wissenschaft und Forschung der USA und sieht diese im Zusammenhang mit der Aufrüstung im Kontext des Kalten Kriegs. Die Diagnose Wissensgesellschaft tauge daher eher zur Demaskierung des US-amerikanischen Sendungsbewusstseins als zur wissenschaftlich fundierten Gesellschaftsdiagnose. Diese Verbindung zwischen Wissenschaften und Rüstungsindustrie bestand nicht nur historisch und auf die USA bezogen: Der militärisch-industrielle Komplex ist auch heute noch ein wichtiger Geldgeber wissenschaftlicher Forschung (Krass et al. 2013; Harari 2015; Prössl 2018).
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flächendeckend gezählt, gemessen und systematisch ausgewertet. Kaum eine Fragestellung scheint ohne wissenschaftliche Verfahren beantwortbar. Andere Formen des Erkenntnisgewinns, bspw. durch Erfahrung, werden abgewertet. Diese Ambivalenzen zeichnen eine potenzielle vierte Phase vor, in welcher die Wissensgesellschaft als Nichtwissens-Gesellschaft begriffen wird. Ausdifferenzierung des Wissensbegriffs Kennzeichnend für die dritte Phase ist das Aufbrechen des wissenschaftlich geprägten Wissensbegriffs und dessen Erweiterung um erfahrungsbasierte, anwendungsbezogene und organisatorische Wissensformen (Heidenreich 2003; Stichweh o. J.). Im Zuge der Verbreitung wissenschaftlichen Wissens sind »Schnittstellen zwischen Wissenschaft und Öffentlichkeit« entstanden, an denen eine gesellschaftliche Aneignung, Nutzung und Transformation des Wissens durch die bisher rein rezeptive Öffentlichkeit stattfindet (Nowotny 1999: 44f.). Die Monopolfunktion der Wissensproduktion, die dem institutionellen Wissenschaftssystem fast exklusiv zukam, erodiert. Wissensproduktion habe sich transformiert und dynamisiert: • • •
Es entstehen mannigfaltige Orte der Wissensproduktion; Wissensproduktion ist transdisziplinär und hetearchisch12 organisiert; Produktion und Anwendung von Wissen vermischen sich.
Gibbons et al. (1994) verschlagworten die neuen Praktiken der Wissensproduktion mit dem Begriff »Modus 2«, den sie von der akademisch geprägten Wissensproduktion des »Modus 1« abgrenzen. Die Verbreitung der neuen Formen der Wissensgenerierung stellen die hegemoniale Bedeutung wissenschaftlichen Wissens und der wissensproduzierenden Wissenschaften in Frage. Der epistemische Kern der Wissenschaften, welcher die gesellschaftliche Sonderstellung begründet, werde bedroht.13 Zur Absicherung von Autorität, Legitimität und Relevanz bedürfe es
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Der Begriff hetearisch meint eine vorübergehende und flexible Organisation von Kontexten der Wissensgenerierung, d. h. diese wechseln häufig die konkrete Form und Konfiguration (Nowotny 1999). Weingart (1997) argumentiert gegen die Aussagen von Gibbons et al. (1994), die Wissenschaften seien zu heterogen, als dass sie sich durch allgemeine Formeln wie Modus 2 greifen ließe. Dieser Ansatz sei mit Einschränkungen für Human- und Sozial-, Technik- und technologisch gewordene Naturwissenschaften zutreffend. Darüber hinaus handle es sich weniger um eine revolutionäre Veränderung traditioneller Wissenschaften, sondern nur um einen Grenzbereich, für welchen eine Ausweitung der institutionellen Grenzen der Wissenschaft auszumachen ist. Für Weingart (1997: 23) ist das Konzept insofern mehr ein »Legitimationsangebot«, welches neue wissenschaftspolitische Gestaltungsperspektiven eröffnet und legitimiert, als ein »Deutungsangebot«. Die Eignung als Legitimationsangebot gesteht er dem
2. Annäherung an den Begriff der Wissensgesellschaft
eines Umdenkens der Wissenschaft (Nowotny 1999). Die Institution Wissenschaft müsse ihre gesellschaftliche Einbindung anerkennen und den Forderungen und Erwartungen der Gesellschaft offen gegenübertreten. Damit sei verbunden, den Glauben an die eigene Objektivität, Rationalität und Wahrheit zu hinterfragen. Dies erfordere u. a. die »Rückkehr der Emotionen« und die Abkehr einer proklamierten Freiheit von Kultur und Moral (ebd.: 20). Der bisher vorwiegend wissenschaftlich definierte Wissensbegriffs wird pluralisiert und demokratisiert. Stichweh (o. J.) formuliert Inklusion als das konstitutive Moment der Wissensgesellschaft. Auch die Art und Weise der Wissensgenerierung mitsamt deren spezifischen Rationalitäten, Präferenzen und Zielsetzungen erfährt eine Ausdifferenzierung. Kriterien der Wissenserzeugung werden in dieser Phase zunehmend hinterfragt: Wissen, das über methodischsystematische Verfahren und institutionelle Überprüfung – ergo wissenschaftliche Überprüfung – als wahr und gültig angesehen wurde, kann sich zunehmend auch über seinen instrumentellen Nutzen, das technische Funktionieren oder die Marktnachfrage bewähren (Lau und Böschen 2003).14 Die hegemoniale Deutungsmacht des Wissenschaftssystems erodiert: »Falls die Wissensgesellschaft jemals als Wissenschaftsgesellschaft verstanden werden konnte, ist dies vor diesem Hintergrund nicht mehr möglich« (Heidenreich 2003: 37, Herv. i.O.). Gibbons et al. (1994) argumentieren ihren »Modus 2« über die empirisch festzustellende Verbreitung von Schnittstellen zwischen Wissenschaften und den anderen gesellschaftlichen Teilbereichen. Diese Schnittstellen sind über lernende Organisationen miteinander verbunden. Bereits mit Weber wurde die Wissensgesellschaft als Gesellschaft lernender Organisationen erkannt.15 Grenzüberschreitende Organisationen nehmen für die Weitergabe und Transformation von Wissen eine zentrale Rolle ein.16 Weingart (2001) betont mit dem Begriff der strukturellen Kopplung17 das produktive Spannungsverhältnis zwischen den wissensproduzierenden Teilsystemen und verweist auf die abnehmende soziale Distanz zwischen den Teilsystemen. Im Gegensatz zu Gibbons et al. (1994) konstatiert er allerdings,
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Ansatz zu: »Mode 2‹ ist post-normal: ein bißchen (sic!) Fakt, ein wenig Fiktion und sehr viel Mode«. Hier wird auf den folgenden Abschnitt über die Diffusion wissenschaftlicher Kriterien der Wissensüberprüfung verwiesen: Böhle (2003) betont deren gesellschaftliche Verbreitung und widerspricht damit Lau und Böschen (2003), die konstatieren, dass sich ebenfalls die Kriterien der Wissensüberprüfung ausdifferenziert hätten. Auf die Problematik lernender Organisationen (»Quadratur des Kreises«) verweist Heidenreich (2003: 41). Eine Lösung des Dilemmas liege in der Marktabhängigkeit von Unternehmen, über welche Veränderungsimpulse generiert werden können. Grenzüberschreitend im Sinne systemischer, nicht politischer Grenzen. Anhand dieser Kopplungen zeigt sich für Weingart (2001: 26) der dialektische Prozess der Verwissenschaftlichung der Gesellschaft bzw. der Politisierung, Kommerzialisierung und Medialisierung der Wissenschaften.
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dass Wissensproduktion weiterhin eigendynamisch in den Teilsystemen stattfindet, die Übertragung in andere Teilsysteme werde über Irritation und Resonanz anstatt eines direkten Übergangs organisiert. Zusätzlich zur Pluralisierung von Wissensorten erfolgt in dieser dritten Phase eine Verschiebung der Maßstabsebene, auf welcher die Wissensgesellschaft verortet wird. Galt mit Bell noch der Nationalstaat als die Ebene, auf der mittels Wissenschaftspolitik die Produktion und Verbreitung von Wissen organisiert wird, wird die Wissensgesellschaft nun analog zu Marx wieder als ein globales Phänomen in Wechselwirkung mit der lokalen Ebene betrachtet. Die überlokalen Dynamiken wirken sich auf nationale Institutionen aus und stimulieren lokal neue institutionelle Arrangements bzw. Produktionskontexte.18 Die Entdeckung des Nichtwissens Die Beschäftigung mit dem Nichtwissen ist ein zentrales Charakteristikum der dritten Phase gesellschaftlicher Wissensbasierung. Krohn (1997: 69) verweist auf das Fleck’sche Gesetz: Mit der Zunahme an Wissen nehme Unwissen ebenfalls zu. Nichtwissen stehe allen Erwartungen zum Trotz nicht am Anfang der Wissensproduktion, sondern entstehe im Prozess als Nebenprodukt. Aufgrund der Entgrenzung wissenschaftlich-experimenteller Praktiken (Stichwort Verwissenschaftlichung der Gesellschaft) und der Diffusion in andere gesellschaftliche Teilbereiche (durch ihre zunehmende soziale Nähe) werden bekannte als auch unbekannte Nebenfolgen (Ungewissheit, verstanden als Nichtwissen über Nichtwissen, und Unsicherheit, verstanden als Wissen um Nichtwissen) in allen gesellschaftlichen Teilbereichen wirksam. Wissensgesellschaften werden zu »Gesellschaften der SelbstExperimentation« (ebd.: 70), die »Modalitäten der Forschungspraxis werden zur Alltagspraxis« (Heidenreich 2003: 45). Ein kollektiver Zwang zum Umgang mit wissenschaftlich erzeugten Unsicherheiten und zur Entwicklung und Institutionalisierung kollektiver Lernprozesse entsteht. Krohn (1997) führt diese Unsicherheiten auf wissenschaftlich-technische Grenzüberschreitungen zurück. Heidenreich (2003: 46) verweist dagegen auf das ebenfalls zunehmende Nichtwissen: Wissensproduzierende und damit im gleichen Maße nichtwissens-produzierende Institutionen verlassen »viel häufiger als bisher bewährte Pfade und stoßen in Bereiche vor, in denen es noch keine bewährten Normen und Praktiken gibt«.
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Stehr (2001) und Heidenreich (2003) betonen gleichermaßen, dass sich Wissensgesellschaften nicht notwendigerweise durch ein Minimum an staatlichen und anderen Regulierungen auszeichnen. Vielmehr sei eine Dynamisierung und Pluralisierung von Regulierungsebenen sowie eine Diversifizierung von Regulationsinstanzen zu erwarten. Eine abnehmbare Stabilität hingegen gilt ihnen als charakteristisch, die Steuerungsfähig vormals mächtiger Institutionen wie dem Staat verringert sich.
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Daran anschließend bemerkt Stehr (2001: 1) die »Zerbrechlichkeit der Wissensgesellschaft«. Wissensgesellschaften repräsentierten »eine soziale und ökonomische Welt, in der Ereignisse oder Entwicklungen zunehmend ›gemacht‹ werden, die zuvor einfach ›stattfanden‹« (ebd.: 10). Die Zerbrechlichkeit der Gesellschaften begründet er mit ihrer Reflexivität, die sich auf die gesellschaftlichen Fundamente ausdehne. Moderne Gesellschaften seien »Gebilde, die sich vor allem durch selbstproduzierte Strukturen und eine selbstbestimmte Zukunft auszeichnen – und damit durch die Möglichkeit, sich selbst zu zerstören« (ebd.: 12). Mit dem rasanten Wachstum von Handlungsmöglichkeiten bilde sich ein kollektives Gefühl der Unsicherheit und des Unbehagens heraus, die führe zu Handlungshemmnissen (ebd.).19 Verdrängung des Erfahrungswissens Böhle (2003) widmet sich den Folgen der Verwissenschaftlichung der Gesellschaft. Trotz der Grenzen wissenschaftlichen Wissens (Stichwörter sind u. a. der abnehmende Wahrheits- und Objektivitätsanspruch und das Nichtwissen) werde wissenschaftlichem Wissen eine überlegene Rolle zugebilligt, dies befördere die Abwertung nicht-wissenschaftlicher Wissensbestände.20 Böhle (ebd.) stellt das Erfahrungswissen durch praktisches Handeln in den Mittelpunkt seiner Beobachtung.21 Hinsichtlich wissenschaftlichen Wissens werde zwar durchaus auf die Notwendigkeit von Erfahrungen und sinnlichen Wahrnehmungen verwiesen, die beiden Wissensformen unterscheiden sich allerdings hinsichtlich der Frage nach dem
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Stehr und Grundmann (2010) verweisen auf die notwendige Unterscheidung von Handlungsmöglichkeiten und Handlungsvermögen: Das Wachstum an Möglichkeiten sei nicht gleichbedeutend mit einer Zunahme an Handlungsvermögen. Hier offenbart sich eine weitere Uneinigkeit: Stehr und Grundmann (2010: 104) konstatieren, dass sich die Produktion wissenschaftlichen Wissens prinzipiell nicht unterscheide von der anderer Wissensformen. »Dies ermögliche einerseits, dass die Wissenschaften zunehmend unter Druck geraten, größere Relevanz und Zugänglichkeit zu zeigen. Andererseits wird es dadurch Laien ermöglicht, sich ein Verständnis des wissenschaftlichen Wissens anzueignen und so zu Experten zu werden in Debatten, in denen Handlungsdruck besteht, gleichzeitig aber Wissen gefragt ist«. Die Abwertung, die Böhle (2003), Böschen und Wehling (2004) oder Lau und Böschen (2004) und auch Stehr (2001) selbst konstatieren, fußt Stehr und Grundmann (2010) zufolge damit eher auf tradierte Zuschreibungen hinsichtlich des Nutzens bzw. der Legitimität. Böhle (2003) widerspricht diesbezüglich Stehr und Grundmann (2010). Mit dem Fachkräftemangel erhält diese theoretische Diskussion einen praktischen Bezug: Der Mangel an Fachkräften wird regelmäßig mit steigenden Studierendenzahlen begründet (BMAS 2017). Andere Ursachen werden in der hohen Arbeitsbelastung und der niedrigen Entlohnung gesehen (Creutzburg 2014). Es ist jedoch unbestreitbar, dass eine Abwertung von Facharbeiterberufen stattgefunden hat (Oberhuber 2018).
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»Wie« des Erfahrungsbezugs. Dominant hinsichtlich des wissenschaftlichen Wissens seien Objektivierungsmechanismen.22 Zwar nehme Erfahrungswissen in der dritten Phase gesellschaftlicher Wissensbasierung an Bedeutung zu, für die Anerkennung der Subjektivierungspraxen der Wissensproduktion gelte dies jedoch nicht. Subjektive Erkenntnisformen wie Gefühle, Empfindungen und Leidenschaften seien weiterhin zu objektivieren (Stichwort Reflektion). Die als unzulänglich markierten subjektiven Erkenntnisformen befördern in Kombination mit der faktischen »Verwissenschaftlichung praktischen Handelns« die Abwertung des Erfahrungswissens (ebd.: 153). Davon betroffen seien Technik und Arbeit sowie Medizin, das Recht und der Erziehungs- und Bildungsbereich.23 Matthiesen und Mahnken (2009: 14) ergänzen die Ausführungen Böhles aus sozialgeografischer Perspektive und verweisen auf den Trend der »Verwissenschaftlichung urbaner Alltagserfahrungen«. Die Verbreitung neuer Fitnessoder Ernährungsstrategien oder Verhaltensberatungen mit ihrem datenbasierten Optimierungsversprechen seien hierfür charakteristisch. Die Forschenden konstatieren, dass die Autorität und Überlegenheit wissenschaftlichen Wissens dadurch nicht aufgebrochen werden; das praktische Handeln gelte weiterhin als objektivierungsbedürftig und solle sich an wissenschaftlichen Maßstäben orientieren. Nach Böhle (2003) diene das objektivierte praktische Handeln jedoch nicht der Erzeugung von Wissen (im Gegensatz zu dem aus praktischem Handeln generierten Erfahrungswissen), sondern sei reines Anwendungswissen. Akteure der Praxis werden von ProduzentInnenen zu reinen AnwenderInnen von Wissen degradiert, die Wissensgenerierung wird von der Nutzung abgetrennt und professionalisiert.24 Mit dem Hype um das sogenannte »tacit knowledge« hat die Erfahrungsgebundenheit von Wissensproduktion dann doch gesteigerte Aufmerksamkeit erhalten (Polanyi 1967).
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Auch hier zeigen sich Kontroversen: So verweist Nowotny (1999) darauf, dass der epistemische Kern der Wissenschaften durch die Dezentralisierung der Wissensproduktion angegriffen sei und damit auch gerade die spezifisch wissenschaftlichen Maßstäbe zur Objektivierung des Wissens. Von einer Übertragung dieser auf praktisches Handeln und damit einer Ausbreitung wissenschaftlich orientierter Maßstäbe, wie dies Böhle (2003) konstatiert wird, kann mit Nowotny nicht gesprochen werden. Bezüglich der Verwissenschaftlichung aller Lebensbereiche nimmt Böhle (2003) selbst eine Einschränkung vor. Das Alltagshandeln sei weniger betroffen, dies sei jedoch nicht von Dauer. Das Selbstverständnis von Wissenschaft entspreche einem »noch-nicht-wissen«. Matthiesen und Mahnken (2009) sehen das Alltagshandeln hingegen ebenfalls durch Verfahren der wissenschaftlichen Wissensproduktion gekennzeichnet. Mit dem Verweis auf die berufliche Bildung, Gestaltung von Technik und betriebliche Arbeitsorganisation nennt Böhle (2003) wenige Ausnahmen. Dort werde Erfahrungswissen im praktischen Handeln generiert und angewendet – Produktion und Nutzung fallen zusammen.
2. Annäherung an den Begriff der Wissensgesellschaft
Über die Relevanz und die Geltung der unterschiedlichen Wissensformen entscheide vor dem Hintergrund der Verwissenschaftlichung der Gesellschaft jedoch weiterhin die Rückbindung an ein planmäßig-objektivierendes Handeln.25 Darin erkennt Böhle (2003) die fortschreitende Verwissenschaftlichung der Gesellschaft mitsamt ihrer neuen Formen der Absicherung wissenschaftlicher Autorität. Weingart (1997) bestätigt dies mit Verweis auf die Beständigkeit wissenschaftlicher Qualitätsstandards. Anstatt eines Autoritätsverlusts tradierter wissenschaftlicher Standards beschreibt er die Entstehung eines Amalgams verschiedener Standards: »Näher liegt die Diagnose, daß (sic!) ökonomische, politische und soziale Kriterien zusätzlich zu den wissenschaftlichen Qualitätsstandards in Anschlag gebracht werden bzw. worden sind« (ebd.: 17, Herv. i. O.). Vierte Phase: Die reflexive Moderne – Problematisierung der Zeitdiagnose Die Ausführungen zum Nichtwissen stehen im Kontext einer weiteren Zeitdiagnose: der reflexiven Moderne. Auch aus Perspektive der reflexiven Moderne werden die gesellschaftlichen Grundlagen als Wissen – und damit als veränderbar – begriffen. Grundannahme der reflexiven Moderne ist die Modernisierung der ersten Moderne (Industriemoderne) und nicht deren Ablösung.26 Modernisierungsimpulse entstehen dabei aus Wissen: Die »Modernisierung geht in die Selbstanwendung, trifft nun auf sich selbst in ihren industriegesellschaftlichen Prämissen und Funktionsprinzipien« (Wilde 2010: 36, Herv. i. O.). Wissen und Reflexivität sind insofern Sprengsätze, die an den grundlegenden Koordinaten moderner Gesellschaften, den Wissensbeständen, befestigt sind (Lau und Böschen 2003). Zwei wesentliche Vertreter der reflexiven Moderne sind Anthony Giddens und Ulrich Beck. Während Giddens (1995) Wissen und Modernisierungsprozesse in den Mittelpunkt stellt, betont Beck (1986) die Nebenfolgen von Modernisierung und das Nichtwissen.27 Gemein ist beiden das Denken in den beiden Grunddynamiken In25
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Handeln ist allerdings immer in sozialen Kontexten eingebettet und von der Interessenlage und den Zielen des handelnden Akteurs beeinflusst. Eine Negation dieses Sachverhalts kann zu einem fehlenden Anwendungsbezug wissenschaftlichen Wissens führen. Dieser Kritik wurde u. a. durch die Wissensproduktion im Modus 2 oder auch das Triple-Helix-Modell der Innovation begegnet (Nowotny 1999; Etzkowitz und Leydesdorff 1995). Im Gegensatz zur Postmoderne wird insofern kein Ende der Moderne proklamiert. Die reflexive Moderne steht als zweite Moderne für eine radikalisierte Moderne (im Hinblick auf u. a. die Autonomie des Individuums, Rationalisierung und Fordismus). Beide Begriffe werden jedoch häufig synonym verwendet. Für Beck ist Risiko das zentrale Charakteristikum der Gesellschaftsbeschreibung. Anstatt über Wissen sei die Gegenwart über Risiko zu charakterisieren. Westliche Gesellschaften gefährden sich nach Beck über die Nebenfolgen des wissenschaftlich-technischen Fortschritts zunehmend selber. Auch wenn er insofern Risiko als die zentrale Begrifflichkeit identifiziert, ist Wissen in seiner Gesellschaftsdiagnose jedoch auch als eine zentrale Kategorie für die Analyse gesellschaftlicher Verfasstheit anzusehen (Wilde 2010).
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Stadtentwicklung in der Wissensgesellschaft
dividualisierung und Globalisierung sowie eine kritische Positionierung gegenüber dem Begriff der Wissensgesellschaft. Die Grunddynamik der Individualisierung bezeichnet die Auflösung tradierter Vergesellschaftungsformen wie Klasse, Familien oder Geschlecht. Die neue Losgelöstheit führe jedoch nicht zur Atomisierung der Individuen, zwinge diese aber zum Komponieren der eigenen Biografien mit jeweils individualistischen Mustern und Elementen.28 Der Prozess der Individualisierung mäandriere zwischen Entbettung durch Globalisierung und Rückbettung durch Wiederaneignung und Wiederentdeckung lokaler raum-zeitlicher Strukturen. Aus ihren tradierten Kontexten herausgelöste Beziehungen werden durch professionelle Sachkenntnis oder technische Leistungsfähigkeit, ergo sozial entbettet, durch ExpertInnen29 bearbeitet und reduzieren so die damit verbundene Unsicherheit (Giddens 1995). Die VertreterInnen der reflexiven Moderne kritisieren das Paradigma der Wissensgesellschaft hinsichtlich ihrer technisch-instrumentellen Auslegung des Begriffs Wissen sowie den Glauben an dauerhafte Wissenszuwächse. Wissenszuwächse würden irrtümlich als linear und unbegrenzt begriffen, die Wissensgesellschaft stehe damit in die Tradition der ersten Moderne und entspreche einer undifferenzierten »Größer-, Schneller-, Mehr- Moderne« (Beck 1996: 31). Diese Denkvorstellung werde durch die Begriffsverwendung entproblematisiert. Lau und Böschen (2003: 230) konstatieren daran anschließend, dass ausschließlich »Quasi-Gewissheiten«30 – »Gewissheiten mit einem Zeitindex« existieren, und schlagen ein alternative Gesellschaftsbeschreibung vor: »Reflexiv-moderne Gesellschaften seien ›Nichtwissens-Gesellschaften‹« (ebd.: 234). Der Begriff der Wissensgesellschaft hat somit in der vierten Phase möglicherweise seinen Höhepunkt erreicht.
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Reckwitz (2017) fügt den Prozessen der gesellschaftlichen Modernisierung mit der Singularisierung der Biografie eine Facette hinzu (Vgl. Kapitel 2.3). Expertise ist relational, erst in der Anerkennung des Experten wird Expertise geschaffen (Schützeichel 2010). Das der Expertise entgegengebrachte Vertrauen gilt dabei weniger dem Individuum als mehr dem Expertensystem in Gänze (Stehr und Grundmann 2010). Der Begriff Quasi-Gewissheiten bezieht sich nicht nur auf die Halbwertszeit des produzierten Wissens. Ebenfalls adressiert werden unterschiedliche Zeithorizonte von Politik und Wissenschaft bei der Erzeugung von Handlungswissen. Der Bedarf an zeitnahen Entscheidungen führt dazu, dass Politik auf Wissen zurückgreift, welches (noch) nicht durch wissenschaftliche Forschung gedeckt ist (Stehr und Grundmann 2010). Dieser Sachverhalt verdeutlicht sich aktuell im Rahmen der globalen COVID-19-Pandemie.
2. Annäherung an den Begriff der Wissensgesellschaft
2.2
Merkmale der Wissensgesellschaft
Die Wissensgesellschaft hat sich aus ihrer Genese bedingten Zuordnung zum Teilsystem Ökonomie losgelöst, ist in die anderen gesellschaftlichen Teilsysteme diffundiert und wirkt nun auf alle Lebensbereiche ein. Über die Anforderungen der Wissensgesellschaft werden regelmäßig politische Aktivitäten begründet und durchgesetzt. Das Paradigma existiert insofern nicht nur als Modewort, sondern beeinflusst umfassend materielle und institutionelle Strukturen der Gesellschaft. Um den Diskurs für die weitere Analyse fruchtbar zu machen, werden im Folgenden fünf identifizierte Charakteristika dargelegt. Diese Charakteristika dienen dazu, die Forschungsperspektive zu schärfen und die vielerorts proklamierte »Stadt in der Wissensgesellschaft« in ihrer Konzeption analytisch besser zu durchdringen. »Innovationszentrierte Weltgesellschaft«: dienstleistungsbasiert und technologieorientiert Wissensgesellschaften sind Gesellschaften, deren gesellschaftlicher Fortschritt auf der Produktion und Nutzung wissenschaftlich-theoretischen Wissens beruht (Drucker 1959; Lane 1966; Stehr 2001). Die Übersetzbarkeit des Wissens in Innovation wird zum Katalysator von Entwicklung; Wissensgesellschaften sind innovationsorientiert (Nowotny 1999; van Winden 2010; Kujath 2012). Die Bedeutung, der Einfluss und die Abhängigkeit von Technologien nimmt stetig zu (Bell 1976; Heidenreich 2003; Modaschl und Stehr 2010). Kennzeichnend für dieses Charakteristikum ist: •
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der Wandel zu Dienstleistungsökonomien.31 Wissensarbeit und Expertise sind deren zentrale Stützpfeiler. Daraus erwächst ein Zwang zu Professionalisierung und Akademisierung (Lane 1966; Bell 1976; Stehr und Grundmann 2010; Gabe et al. 2012); Prozesse der Globalisierung sind Treiber dieser Entwicklung. Die Internationalisierung der Güter- und Kapitalmärkte führt zu erhöhten Steuerungs- und Kontrolltätigkeiten (Sassen 1996; Jessop 1997); es hat sich diesbezüglich ein heterogenes Spektrum an Unternehmen herausgebildet, welche wissensintensive Dienstleistungen (Information, Beratung, Entwicklung, Forschung und Kon-
Neben wissensbasierten Dienstleistungen existiert allerdings eine ganze Bandbreite an Dienstleistungstätigkeiten, die mehr von Prekarität gekennzeichnet sind als von einer hohen Wissensintensität: »Schuhputzer, Einpacker im Supermarkt, Gepäckträger im Hotel oder am Flughafen, das Panorama schlecht bezahlter Dienstleistungen erinnert heutzutage nicht unbedingt an die wissensbasierte Dienstleistungsgesellschaft, sondern eher an die Dienstbotengesellschaft« (Bogner 2015: 197).
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Stadtentwicklung in der Wissensgesellschaft
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zeption) produzieren. Diese nutzen Wissen als Produktivkraft und handeln es als Ware; Die Notwendigkeit für Mechanismen der lernenden Anpassung erhöht sich für alle gesellschaftlichen Organisationen. Durch die Integration verschiedener Wissensformen soll einerseits Komplexität reduziert, anderseits die existierenden Differenzen produktiv nutzbar gemacht werden (Etzkowitz und Leydesdorff 1995; Nowotny 1999; Heidenreich 2003; Berndt 2012).
In Wissensökonomien manifestiert sich die Wissensgesellschaft (Drucker 1959; Modaschl und Stehr 2010). Eine zentrale Rolle nehmen wissensbasierte Dienstleistungen und Schlüsseltechnologien wie Biotechnologie und Life Science, Künstliche Intelligenz oder Materialforschung ein. Technologisch anspruchsvolle Verfahren nehmen in ihrer Bedeutung für die Planung und Organisation des gesellschaftlichen Zusammenlebens zu: Wissenschaftliche Systemanalysen, Modellierungen und Prognosen werden zu einer wichtigen Größe für die ökonomische und politische Entscheidungsfindung. Unter den Bedingungen von Komplexität und Zeitdruck, Überfluss an Informationen und gleichzeitiger Ungewissheit und Nichtwissen ist die Anwendung von Technologie eine mögliche Bewältigungsstrategie (Lau und Böschen 2003). Neue Kontexte der Wissensproduktion: Wissenserwerb als soziales Handeln Wissensgesellschaften zeichnen sich durch dezentrale Orte der Wissensproduktion aus. Hochschulen und Forschungseinrichtungen, die sich ausschließlich auf Grundlagenforschung konzentrieren und analytisches Wissen nutzen, verlieren ihre Monopolstellung. Der Wissenstransfer wird zum zusätzlichen Standbein von Hochschulen. Die Identifikation von Fragestellungen ist nun vermehrt gesellschaftlich motiviert, die Generierung des notwendigen Wissens findet in temporären und heterogenen Kontexten und Akteurskonstellationen statt und gilt als sozialer Prozess, welcher sowohl kontextsensitiv als auch kontextenthoben sein kann (Willke 1998; Nowotny 1999; Nowotny et al. 2004). Kennzeichnend ist: •
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die Förderung des Austauschs und der Vernetzung von Menschen und Organisationen aus unterschiedlichen gesellschaftlichen Systemen, d. h. transdisziplinär, aber auch innerhalb eines Teilbereichs. Kommunikation und Austausch gelten als Ermöglicher von Wissensgenerierung (Lau und Böschen 2003; Nowotny et al. 2004; Kujath und Stein 2009); die Erkenntnis, dass Wissensgenerierung nicht vollständig geplant, in Laborkontexten jederzeit erzeugt und damit kontextunabhängig repetiert werden kann. Wissen entsteht gezielt als auch beiläufig; innerhalb der wissenschaftlichen Gemeinschaft oder durch Kooperation zwischen Wissenschaft, Wirtschaft
2. Annäherung an den Begriff der Wissensgesellschaft
und Politik oder durch die Zusammenarbeit bzw. Konfrontation von ExpertInnen und Laien. Wissensgenerierung entspricht nicht mehr bildhaft einem »Baum der Erkenntnis« – das Bild eines »wildwuchernden Rhizoms« sei treffender (Nowotny 1999: 109). Soziale Kontexte wirken ermöglichend, sie erzeugen jedoch keine Automatismen. Gerade hinsichtlich wissensbasierter Dienstleistungen ist die Pluralisierung von Orten der Wissensgenerierung und der Wissensformen relevant: Die Nutzbarkeit des erzeugten Wissens erhöht sich durch eine enge Kopplung von Produktion und Konsumtion (Etzkowitz und Leydesdorff 1995; Berndt 2012). Auch für das Erreichen gesellschaftspolitischer Zielsetzung gilt der Wissensaustausch zwischen Politik, Verwaltung, Zivilgesellschaft und Wirtschaft als zentral (Selle 2011; Hebestreit 2013; MWK 2013). Durch die gemeinsame Problemdefinition und die Identifizierung von Lösungsstrategien wird sich eine höhere Qualität und Akzeptanz des erzeugten Handlungswissens versprochen (Krohn 1997; Lau und Böschen 2003; Ahrens 2004; Nowotny et al. 2004). Im Kern dieser neuen Wissensordnungen liegt die enge Kopplung des Systems Wissenschaft mit anderen Funktionssystemen. Wettbewerbsorientierung: die »entrepreneurial society« und das »unternehmerische Selbst« Eine Wissensgesellschaft entspricht einer Gesellschaft im Wettbewerb. Im Zuge der Bedeutungszunahme des Wissens wurde der Ökonomisierung des Wissens Vorschub geleistet – die produktive Anwendung von Wissen steht im Vordergrund, der Wettbewerb entscheidet sich auf Basis der Verwertungsfähigkeit (Scott 2011; Yigitcanlar und Lönnqvist 2013). Wissensbasierte Gesellschaften sind daher in allen gesellschaftlichen Teilbereichen und auf allen Maßstabsebenen mit der Aufgabe konfrontiert, den Wissenserwerb zu planen, zu fördern und zu institutionalisieren (Fichter et al. 2004; Bogner 2015; Meusburger 2016; Reckwitz 2017). Kennzeichnend für dieses Charakteristikum ist: •
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die Parallelität von Wettbewerb und Kooperation. Wissensbasierte Gesellschaften benötigen Austausch zum Überleben. Gleichzeitig bedroht ein Zuviel den eigenen Erfolg (Glückler 2010); die Existenz von Wettbewerb auf allen Ebenen: zwischen Nationalstaaten, einzelnen Standorten oder Menschen. Mit der Wissensgesellschaft wird Wettbewerb zum Imperativ für alle (Bittlingmayer 2001; Bröckling 2007).
Wissen vergrößert nutzbare Handlungskapazitäten: Die beruflichen und persönlichen Qualifikationen wachsen potenziell, Teilnahmemöglichkeiten in dynami-
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Stadtentwicklung in der Wissensgesellschaft
schen Arbeitsmärkten steigen, infolge nehmen gesellschaftliche Teilhabeoptionen zu (Lane 1966; Stehr 2001). Diese Emanzipationsgewinne werden durch einen wirkmächtigen Nützlichkeitsdiskurs flankiert: Auf der Maßstabsebene der Gesellschaft in Form der »entrepreneurial society« (Bührmann 2010), auf Ebene des Individuums in Gestalt des »unternehmerischen Selbst« (Bröckling 2007). Die Notwendigkeit als einzigartig und singulär wahrgenommen zu werden nimmt sowohl für Unternehmen, Produkte als auch Individuen zu (Reckwitz 2017). Wissenschaftliches Wissen treibt an: wissenschaftliche Prinzipien als (hinterfragte) hegemoniale Macht Eine Wissensgesellschaft ist eine Gesellschaft, in welcher wissenschaftliches Wissen zum axialen Prinzip wird. Es wird zum Impulsgeber und Motor der Entwicklung. Die Fähigkeiten zum Wissenserwerb bzw. zur -nutzung determinieren die gesellschaftlichen Entwicklungsmöglichkeiten. Kennzeichnend dafür ist: •
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die Durchdringung aller Lebens- und Handlungsbereiche durch wissenschaftliche Reflexivität. Das Prüfen und Hinterfragen durch die Anwendung von Wissen auf Wissen wird zur Selbstverständlichkeit (Lane 1966; Beck 1986; Giddens 1996; Stehr 2001; Lau und Böschen 2003; Wilde 2010); Wissen wird zur Ressource. Wissen ist weiterhin hoch individuell, jedoch keine »Privatangelegenheit akademischer Eliten« mehr (Steinbicker 2010: 25). Die Dimension des Nutzens wird betont (Anstatt »Was weiß ich? « gilt: »Wie ist es mir nützlich«) (Mecklenbrauck 2015: 27); wissenschaftliches Wissen produziert Unsicherheiten als auch Sicherheiten. Konflikte um »wahres Wissen« nehmen zu, wissenschaftliches Wissen ist dem Irrtum unterworfen. Die Entstehung von ExpertInnensystemen, neue Akteurskonstellationen und der Einbezug von lokalem, kontextbezogenem sowie Alltagswissen gelten als Möglichkeiten zur Absicherung von Wissen (Beck 1986; Giddens 1996; Lau und Böschen 2003; Nowotny et al. 2004; Matthiesen und Mahnken 2009); das Management von Wissen und Nichtwissen wird für Politik, Wirtschaft und Wissenschaft zur Daueraufgabe. Durch die Halbwertszeit von Wissen entstehen beständige Dynamiken (Stehr 2001; Matthiesen und Mahnken 2009).
Hochschulen nehmen weiterhin eine zentrale Rolle ein: Sie generieren wissenschaftliches Wissen und stellen die Ausbildung des akademischen Nachwuchses sicher. Hochschulen sorgen für eine Verbreitung von Wissen (Weingart 1997; Böhle 2003; Beck 2004) und die Diffusion der Gütekriterien wissenschaftlicher Wissensproduktion in die anderen gesellschaftlichen Teilsysteme (Böhle 2003). Deren Monopolstellung wird jedoch zunehmend bedroht. Einerseits durch die Bedeutungs-
2. Annäherung an den Begriff der Wissensgesellschaft
zunahme dezentraler Orte der Wissensproduktion sowie die Differenzierung und Pluralisierung von Wissensformen (Nowotny et al. 2004). Anderseits durch die Forderung nach gesellschaftlicher Verantwortungsübernahme durch die »apolitischen« Wissenschaften. Verlangt wird eine Konzentration auf »relevantes Wissen« – die Definition von Relevanz ist jedoch zunehmend Teil gesellschaftlicher Aushandlungsprozesse (Lau und Böschen 2003). Wissen und dessen Relevanz bezieht nun häufig vor dem Hintergrund ökonomischer Kategorien seine Berechtigung (kritisch warnend: Willke 2002; Wilde 2010; Collini 2012; Mittelstrass 2017). Die Beteiligung von Hochschulen am Wissenstransfer (über Patentbüros, Transferzentren oder Innovations-Hubs) wird zur Selbstverständlichkeit. Strukturpolitik ist Bildungspolitik: Bildung als Bestandteil der kulturellen sowie der Marktidentität Die Wissensgesellschaft ist eine Gesellschaft, die Bildung, Lernen und Wissenserwerb als ausschlaggebende Entwicklungsmotoren ansieht. Die (Re-)Produktion von Wissen wird institutionalisiert und durch vielfältige Organisationen sichergestellt. Aus dieser Perspektive erscheint die Wissensgesellschaft als meritokratische Gesellschaft32 : Leistung und Begabung determinieren die Chancen des Individuums auf dem Arbeitsmarkt und damit seine soziale Stellung in einer arbeitsfokussierten Gesellschaft. Bildung ist der Schlüssel zur Verbesserung der eigenen Position. Sie ermöglicht Wissenserwerb, Innovation und infolge Wachstum und Wohlstand für den Einzelnen, aber auch für die Gesellschaft in Gänze. Kennzeichnend für dieses Charakteristikum ist: •
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Wissen gilt als die bedeutsamste individuelle Ressource für den Erfolg bzw. als Ursache des Versagens. Formelle Bildung wird zu einem Imperativ auf der Mikroebene (Drucker 1959; Stehr 2003; Engelhardt und Kajetzke 2010)33 ; Die Gesellschaft arbeitet auf der Makroebene kollektiv an der Bereitstellung notwendiger Organisationen, Institutionen und Strukturen (Lane 1966; Stehr 2001); diesen Imperativ als Ausdruck der eigenen Kultur zu begreifen und zu reproduzieren (Lane 1966; Engelhardt und Kajetzke 2010).
Bekannt wurde der Begriff Meriokratie durch die Arbeiten des Soziologen Jock Young, der eine Gesellschaft beschreibt, die den gesellschaftlichen Stand ihrer Mitglieder durch Intelligenz und Anstrengung festgelegt (Becker und Hadjar 2011). Die Einstellungspraxis von Unternehmen belegt diesen Zusammenhang. So konstatiert die Bertelsmann Stiftung für expandierende Dienstleistungsbranchen eine Rekrutierungspraxis, die formelle vor praktische Qualifikationen stellt und Nachwuchskräfte mit Fachschul- bzw. Hochschulabschlüssen gelernten Kräften vorzieht (Bertelsmann Stiftung 2007).
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Stadtentwicklung in der Wissensgesellschaft
Das deutsche Hochschulsystem erfährt seit Ende der 1960er Jahre eine nie dagewesene Dynamik (Lau und Böschen 2003; Böschen und Wehling 2004). Die steigende Studierendenzahl ist gleichzeitig das Ergebnis individueller Bildungsentscheidungen als auch Resultat politischer Zielsetzungen. Mittelstrass (2017) warnt indes vor einer Entleerung des Bildungsbegriffs. Dieser drohe seine gesellschaftliche Orientierungsfunktion zugunsten eines rein instrumentellen Nutzens zu verlieren. 34 Es gerate zunehmend in Vergessenheit, »dass man sich Wissen nur als Wissender aneignen kann, dass Wissen den Wissenden voraussetzt« (ebd. o. S.). Der Selbstzweck von Bildung verliere insofern im Angesicht einer omnipräsenten Wissensgesellschaft an Bedeutung (Bührmann 2010; Wilde 2010).35
2.3
Kritische Rezeption der Wissensgesellschaft
Nachdem sich die vorherigen Kapitel der Genese sowie Charakterisierung der Wissensgesellschaft gewidmet haben, steht im Folgenden deren kritische Rezeption im Mittelpunkt. Die hier dargelegte kritische Rezeption umfasst sowohl die wissenschaftlichen Grundannahmen sowie Analysemethoden als auch die Auswirkungen eines »Wissensfetischs« auf die gesellschaftliche Entwicklung und das Individuum. Auf der einen Seite weisen Forschende das Paradigma der Wissensgesellschaft vollständig zurück: Die Diagnose der Wissensgesellschaft sei weniger eine wissenschaftlich fundierte Beschreibung der aktuellen Gesellschaft als vielmehr normatives bzw. ideologisches Wunschdenken (Bittlingmayer 2001; Bender 2013). Das Paradigma diene den gegenwärtigen Ökonomisierungsidealen und legitimiere die Ökonomisierung weiterer Lebensbereiche. Aus wissenschaftshistorischer Perspektive wird hervorgehoben, dass Wissen seit jeher eine elementare Grundlage für das
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Mittelstrass (2017: o. S.) warnte anlässlich der Eröffnung der Heidelberg School of Education vor einem instrumentellen Wissensverständnis: »Eine über den Tagesbedarf und das berufliche Kerngeschäft hinausreichende Bildung war noch nie so unentbehrlich wie in einer Gesellschaft, die sich nicht nur als offene, sondern auch als beschleunigte Gesellschaft versteht und zu deren Credo permanente Veränderung und Innovation, schrankenlose Mobilität und Chamäleon gleiche Flexibilität gehören. Ohne Bildungselemente geht eine offene Gesellschaft an ihrer eigenen Wandelbarkeit zugrunde«. Marg (2014: 159f.) führt auf Basis einer qualitativen Untersuchung zur »sozialen Mitte Deutschlands« an: »Die Vertreter der Mitte möchten innerhalb des Bildungssystems auf den zu verteilenden Rängen kein Mittelmaß einnehmen. Das Studium an sich scheint für sie beinahe eine Pflichtveranstaltung zu sein – wenn es irgendwie intellektuell und finanziell möglich ist. « Sie betont mit Nachdruck, dass sich erstaunlicherweise nicht diejenigen am stärksten durch berufliche und biografische Unsicherheiten verunsichert fühlen, die verhältnismäßig weit unten stehen: Es sei die Mitte, für welche Bildung kein Versprechen mehr zu sein scheint.
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Stadtentwicklung in der Wissensgesellschaft
Das deutsche Hochschulsystem erfährt seit Ende der 1960er Jahre eine nie dagewesene Dynamik (Lau und Böschen 2003; Böschen und Wehling 2004). Die steigende Studierendenzahl ist gleichzeitig das Ergebnis individueller Bildungsentscheidungen als auch Resultat politischer Zielsetzungen. Mittelstrass (2017) warnt indes vor einer Entleerung des Bildungsbegriffs. Dieser drohe seine gesellschaftliche Orientierungsfunktion zugunsten eines rein instrumentellen Nutzens zu verlieren. 34 Es gerate zunehmend in Vergessenheit, »dass man sich Wissen nur als Wissender aneignen kann, dass Wissen den Wissenden voraussetzt« (ebd. o. S.). Der Selbstzweck von Bildung verliere insofern im Angesicht einer omnipräsenten Wissensgesellschaft an Bedeutung (Bührmann 2010; Wilde 2010).35
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Kritische Rezeption der Wissensgesellschaft
Nachdem sich die vorherigen Kapitel der Genese sowie Charakterisierung der Wissensgesellschaft gewidmet haben, steht im Folgenden deren kritische Rezeption im Mittelpunkt. Die hier dargelegte kritische Rezeption umfasst sowohl die wissenschaftlichen Grundannahmen sowie Analysemethoden als auch die Auswirkungen eines »Wissensfetischs« auf die gesellschaftliche Entwicklung und das Individuum. Auf der einen Seite weisen Forschende das Paradigma der Wissensgesellschaft vollständig zurück: Die Diagnose der Wissensgesellschaft sei weniger eine wissenschaftlich fundierte Beschreibung der aktuellen Gesellschaft als vielmehr normatives bzw. ideologisches Wunschdenken (Bittlingmayer 2001; Bender 2013). Das Paradigma diene den gegenwärtigen Ökonomisierungsidealen und legitimiere die Ökonomisierung weiterer Lebensbereiche. Aus wissenschaftshistorischer Perspektive wird hervorgehoben, dass Wissen seit jeher eine elementare Grundlage für das
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Mittelstrass (2017: o. S.) warnte anlässlich der Eröffnung der Heidelberg School of Education vor einem instrumentellen Wissensverständnis: »Eine über den Tagesbedarf und das berufliche Kerngeschäft hinausreichende Bildung war noch nie so unentbehrlich wie in einer Gesellschaft, die sich nicht nur als offene, sondern auch als beschleunigte Gesellschaft versteht und zu deren Credo permanente Veränderung und Innovation, schrankenlose Mobilität und Chamäleon gleiche Flexibilität gehören. Ohne Bildungselemente geht eine offene Gesellschaft an ihrer eigenen Wandelbarkeit zugrunde«. Marg (2014: 159f.) führt auf Basis einer qualitativen Untersuchung zur »sozialen Mitte Deutschlands« an: »Die Vertreter der Mitte möchten innerhalb des Bildungssystems auf den zu verteilenden Rängen kein Mittelmaß einnehmen. Das Studium an sich scheint für sie beinahe eine Pflichtveranstaltung zu sein – wenn es irgendwie intellektuell und finanziell möglich ist. « Sie betont mit Nachdruck, dass sich erstaunlicherweise nicht diejenigen am stärksten durch berufliche und biografische Unsicherheiten verunsichert fühlen, die verhältnismäßig weit unten stehen: Es sei die Mitte, für welche Bildung kein Versprechen mehr zu sein scheint.
2. Annäherung an den Begriff der Wissensgesellschaft
Handeln der Menschen sei (Burke 2001). Das Merkmal Wissen beschreibe jede Gesellschaft zu jeder Zeit, für die Charakterisierung der aktuellen gesellschaftlichen Verfasstheit nütze der Begriff daher kaum. Aus methodischer Perspektive werden die unzureichende Durchdringung und Definition des Wissensbegriffs kritisiert, fundierte empirische Aussagen seien aufgrund dessen nur eingeschränkt möglich (Heidenreich 2003). Die Gesellschaftsdiagnose sei in Folge empirisch kaum zu bestätigen und diene daher eher der Selbstvergewisserung. Diese ablehnende Beurteilung ist jedoch keineswegs Konsens in den Wissenschaften. Mit der vorliegenden Arbeit wird angenommen, dass mittels der Diagnose Wissensgesellschaft sehr wohl spezifische Charakteristika der aktuellen Verfasstheit beschrieben werden können; die Diagnose liefert eine belastbare Anatomie der Gegenwart. Die Bedeutung der Diagnose erhöht sich umso mehr, als dass das dezidierte Bekenntnis der Politik zur Wissensgesellschaft zunehmend zum zentralen Antriebsfaktor gesellschaftlicher Entwicklung wird: »mit ihrer Hilfe werden in den einzelnen sozialen Feldern Verhältnisse gemacht und begründet« (Engelhardt und Kajetzke 2010: 31, Herv. i. O.). Insofern kann und muss die Wissensgesellschaft neben deren Funktion als Gegenstand der Kritik für die dynamische Ausbreitung kapitalistischer Verwertungslogiken ebenfalls ein Analyseinstrument von Wissenschaften sein. Zahlreiche Studien erkennen die Diagnose der Wissensgesellschaft grundsätzlich an, formulieren jedoch zahlreiche Kritikpunkte. Gorz (2004), Bröckling (2007) und Berndt (2012) analysieren auf Ebene des Individuums neue Spannungsfelder zwischen Selbstverwirklichung und Selbstdisziplinierung in wissensbasierten und kreativen Arbeitswelten und identifizieren das Paradigma als Treiber von Ausbeutungsmechanismen. Auf gesellschaftlicher Ebene konstatiert Bogner (2015) einen blinden Glauben an einen vielbeschworenen »Fahrstuhleffekt«, während Hebestreit (2013) und Meier (2018) in Partizipation ein Instrument gesellschaftlichen Ausschlusses qua Wissen erkennen. Steinbicker (2001), Böhle (2003) und Knoblauch (2005) verweisen daran anknüpfend auf die Marginalisierung und Verdrängung nicht-wissenschaftlicher Wissensformen. Sassen (1996) und Gerhard (2012) konstatieren aus einer räumlichen Perspektive, dass die politische Fokussierung auf Wissen, Hochqualifizierte und wissensintensive Unternehmen die Aufspaltung von Arbeitsmärkten und infolge Polarisierung und Segregation befördere. Evans (2009), Peck (2009), Scott (2014) sowie Gerhard und Hölscher (2017) heben Exklusionseffekte einer auf Kreativität und Wissen orientierten Stadtentwicklungspolitik hervor. Die Argumente von Stehr (2001) und Willke (2002) sind hinsichtlich ihrer Aussagen zu neuen Ungleichheiten besonders erkenntnisreich: Beide richten ihre Aufmerksamkeit auf diejenigen, die gemeinhin als Profiteure der wissensgesellschaftlichen Entwicklung gelten. Auch mit Reckwitz (2017) können die Erkenntnisse über die »GewinnerInnen der Wissensgesellschaft« geschärft werden.
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Stadtentwicklung in der Wissensgesellschaft
Stehr (2001; 2003) betont die emanzipatorischen Effekte der Wissensgesellschaft: Die Zerbrechlichkeit der Wissensgesellschaft ermögliche dem Individuum zahlreiche Handlungsalternativen qua Wissen: »Da Wissen immer wieder (re)produziert werden muss und da Akteure es sich immer wieder neu aneignen, ergibt sich die Chance, dem Wissen seinen Stempel aufzudrücken« (Stehr 2001: 13). Ob allerdings dieses Wissen anerkannt und in Wert gesetzt werden kann, ist kaum vorhersagbar: »Ein entscheidendes Merkmal des Arbeitsmarktes in Wissensgesellschaften ist seine Unvorhersagbarkeit und die Unsicherheit darüber, ob die benötigten Qualifikationserfordernisse von künftigen Merkmalen des Arbeitsmarktes und der Arbeitswelt bestimmt werden können« (Stehr 2003: 89). Die Bedeutungszunahme von Wissen ist insofern für Stehr (2001) gleichzeitig ein emanzipatorisches Moment als auch ursächlich für den Kampf um Macht und Einfluss, in welchem sich nun gerade auch Hochgebildete wiederfinden. Während vor wenigen Jahren Abitur oder das Hochschulstudium als Garant für einen erfolgreiche Berufstätigkeit galt, löst sich diese Gewissheit heute zunehmend auf. Willke (2002) richtet sein Augenmerk dagegen auf diejenigen, die den neuen Anforderungen einer Wissensgesellschaft nicht genügen. Dies sind zum einen Menschen, die nicht über formelle Qualifikationen verfügen, zum anderen aber auch Personen, deren Wissensbestände nicht mehr als relevant betrachtet werden. Ursächlich ist die Einbindung von Wissen in die kapitalistische Ordnung, sodass sich ebenfalls für Wissen Bewertungs- und Entwertungsmechanismen ausbilden.36 Analog zu Stehr (2001) sind hiervon ebenfalls HochschulabsolventInnen (Bittlingmayer 2001; Willke 2002; Mühl 2015), Wissensarbeitende und der wissenschaftliche Nachwuchs betroffen, welche sich nun zahlreich in prekären Arbeits- und Lebenssituationen wiederfänden (Horstkotte 2005; Bührmann 2010; Hofmann und Specht 2018). Reckwitz (2017) liefert mit seinen Ausführungen zur Singularisierung37 einen weiteren Analysebeitrag zu den sogenannten GewinnerInnen der Wissensgesellschaft. Er konstatiert, dass mit der Ausbreitung der »Creative Economy« deren spezifische Maßstäbe und Zielsetzungen auf das Arbeitssubjekt übertragen wurden. Für die Creative Economy ist die Singularität von Produkten und Dienstleistungen kennzeichnend, das arbeitende Individuum müsse sich dementsprechend ebenso zu einem Singularitätsgut transformieren: »Plakativ gesagt: Die Arbeit ist profan, 36
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Engelhardt und Kajetzke (2010: 34) spitzen dies mit Verweis auf das »neoliberale Geschmäckle« der Wissensgesellschaft zu: Das intrinsische Versprechen auf ein Mehr an individuellen (Aufstiegs-)Möglichkeiten gehe einher mit einer einseitigen Schuldzuweisung an das Subjekt im Falle des Scheiterns. Für Reckwitz (2017) ist Singularität als Prozess zu verstehen. Singularität entsteht in Praktiken der Verfertigung, Praktiken der Beobachtung, Praktiken der Valorisierung und Praktiken der Rezeption. Das Gegenteil der Singularisierung ist die Entsingularisierung, der Verlust des Status der Einzigartigkeit.
2. Annäherung an den Begriff der Wissensgesellschaft
wenn der Arbeitnehmer austauschbar ist (und sich auch selbst so wahrnimmt), und sie ist singulär, wenn das nicht der Fall ist« (ebd.: 185). Die Bedeutung formaler Qualifikationen werde in vielen Fällen durch den Imperativ des einzigartigen Profils überlagert.38 Der Druck singulär zu sein geht gleichermaßen von Organisationen, Projekten oder Märkten als vom Arbeitssubjekt selbst aus. Das Kuratieren des eigenen Persönlichkeitsprofils werde für die Gruppe der Wissens- und Kreativarbeitenden zur Daueraufgabe, im »Performanzwettbewerb« der hochqualifizierten Arbeitssubjekte drohe stetig die Gefahr der »Entsingularisierung« (ebd.: 193). An dieser Stelle sei mit Foucault (2004) an das permanente »ökonomische Tribunal« erinnert: Das innere Disziplinierungssystem ersetzt das äußere.39 Die notwendig erscheinenden Anpassungsleistungen werden individualisiert, die »Veredelungen des Humankapitals gerät zur Privatsache« (Bührmann 2010: 239).
2.4
Zwischenfazit I
Die Wissensgesellschaft wird in dem vorliegenden Forschungsprojekt als Diskurs begriffen, der praktische Wirksamkeit entfaltet. Er identifiziert spezifische Entwicklungsrichtungen, kanalisiert Aufmerksamkeit und legitimiert Handlungen. Auf Basis der hier präsentierten Überlegungen zur Wissensgesellschaft werden drei grundsätzliche Annahmen formuliert, die als erstes Zwischenfazit den weiteren Forschungsprozess strukturieren: •
Mit der ersten Grundannahme wird konstatiert, dass der Gesellschaftsdiagnose Wissensgesellschaft gefolgt wird. Wir leben in einer Wissensgesellschaft, diese beeinflusst von der Strukturierung der Arbeit und der Wirtschaft über die Organisation der sozialen Beziehungen bis hin zur Planung, Organisation und Gestaltung der räumlichen Umwelt alle Lebensbereiche. Sie ist insofern keine ideologische Selbstbeschreibung, sondern eine in vielen Aussagen zutreffende Charakterisierung gesellschaftlicher Verfasstheit und manifestiert sich, so die Annahme, umfassend in gesellschaftlichen und damit ebenfalls räumlichen Strukturen. Die mit der Wissensgesellschaft verbundenen Werte, Denkmuster und Zielsetzungen haben demgemäß eine praktische Relevanz – sie wirken strukturierend, schlagen Entwicklungswege vor und schließen andere aus.
38
Reckwitz (2017) unterscheidet in seiner Diagnose zwischen Tätigkeiten, die weiterhin einer Normalisierungsarbeit entsprechen (repetitive, standardisierte und funktionale Tätigkeiten, die eine geringere Eigenmotivation erfordern), von Wissens- und Kreativarbeit. Pongratz und Voss (2003) verweisen daran anschließend auf die Entwicklung eines neuen Typus von Arbeitnehmenden: Der Arbeitskraftunternehmer sei die Antwort auf Entgrenzungsprozesse von Arbeit, er zeichne sich durch verstärkte Selbstkontrolle, erweiterte SelbstÖkonomisierung, Selbst-Rationalisierung und Verbetrieblichung der Lebensführung aus.
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2. Annäherung an den Begriff der Wissensgesellschaft
wenn der Arbeitnehmer austauschbar ist (und sich auch selbst so wahrnimmt), und sie ist singulär, wenn das nicht der Fall ist« (ebd.: 185). Die Bedeutung formaler Qualifikationen werde in vielen Fällen durch den Imperativ des einzigartigen Profils überlagert.38 Der Druck singulär zu sein geht gleichermaßen von Organisationen, Projekten oder Märkten als vom Arbeitssubjekt selbst aus. Das Kuratieren des eigenen Persönlichkeitsprofils werde für die Gruppe der Wissens- und Kreativarbeitenden zur Daueraufgabe, im »Performanzwettbewerb« der hochqualifizierten Arbeitssubjekte drohe stetig die Gefahr der »Entsingularisierung« (ebd.: 193). An dieser Stelle sei mit Foucault (2004) an das permanente »ökonomische Tribunal« erinnert: Das innere Disziplinierungssystem ersetzt das äußere.39 Die notwendig erscheinenden Anpassungsleistungen werden individualisiert, die »Veredelungen des Humankapitals gerät zur Privatsache« (Bührmann 2010: 239).
2.4
Zwischenfazit I
Die Wissensgesellschaft wird in dem vorliegenden Forschungsprojekt als Diskurs begriffen, der praktische Wirksamkeit entfaltet. Er identifiziert spezifische Entwicklungsrichtungen, kanalisiert Aufmerksamkeit und legitimiert Handlungen. Auf Basis der hier präsentierten Überlegungen zur Wissensgesellschaft werden drei grundsätzliche Annahmen formuliert, die als erstes Zwischenfazit den weiteren Forschungsprozess strukturieren: •
Mit der ersten Grundannahme wird konstatiert, dass der Gesellschaftsdiagnose Wissensgesellschaft gefolgt wird. Wir leben in einer Wissensgesellschaft, diese beeinflusst von der Strukturierung der Arbeit und der Wirtschaft über die Organisation der sozialen Beziehungen bis hin zur Planung, Organisation und Gestaltung der räumlichen Umwelt alle Lebensbereiche. Sie ist insofern keine ideologische Selbstbeschreibung, sondern eine in vielen Aussagen zutreffende Charakterisierung gesellschaftlicher Verfasstheit und manifestiert sich, so die Annahme, umfassend in gesellschaftlichen und damit ebenfalls räumlichen Strukturen. Die mit der Wissensgesellschaft verbundenen Werte, Denkmuster und Zielsetzungen haben demgemäß eine praktische Relevanz – sie wirken strukturierend, schlagen Entwicklungswege vor und schließen andere aus.
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Reckwitz (2017) unterscheidet in seiner Diagnose zwischen Tätigkeiten, die weiterhin einer Normalisierungsarbeit entsprechen (repetitive, standardisierte und funktionale Tätigkeiten, die eine geringere Eigenmotivation erfordern), von Wissens- und Kreativarbeit. Pongratz und Voss (2003) verweisen daran anschließend auf die Entwicklung eines neuen Typus von Arbeitnehmenden: Der Arbeitskraftunternehmer sei die Antwort auf Entgrenzungsprozesse von Arbeit, er zeichne sich durch verstärkte Selbstkontrolle, erweiterte SelbstÖkonomisierung, Selbst-Rationalisierung und Verbetrieblichung der Lebensführung aus.
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Stadtentwicklung in der Wissensgesellschaft
•
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Das Paradigma der Wissensgesellschaft ist als Gesellschaftsdiagnose beschreibend anstatt handlungsleitend. Die Grundannahme zwei ist demgemäß, dass keine direkte Übertragung des Paradigmas auf die lokale Maßstabsebene stattfinden kann. Die Umsetzung erfolgt in einer spezifisch lokalen Form, wird unter lokalen Prämissen übersetzt, aktiviert, geschärft und kanalisiert. Folglich muss nach der Art der Übersetzung und Bezugnahme gefragt werden, nach den Schnittpunkten des Paradigmas mit der lokalen Stadtentwicklungspraxis, nach Themen, die Aufmerksamkeit erregen, Maßnahmen, die mit Bezug auf das Paradigma und dessen Imperative identifiziert werden, als auch nach der Bearbeitungsweise sowie den Akteuren, welche im Rahmen einer wissensorientierten Politik Integration bzw. Exklusion erfahren. Das Paradigma der Wissensgesellschaft, so die dritte Grundannahme, entfaltet eine besondere Wirkkraft in urbanen Kontexten. Der Annahme eines »Tod[es, Anm. KF] der Distanz«40 (ebenfalls ablehnend genutzt durch Kujath und Stein 2009: 370) durch Technologie und Digitalisierung kann nicht gefolgt werden. Wissen entsteht nicht im räumlichen Vakuum. Städte stellen im Kontext von Wissen, Innovation und Bildung entscheidende Knotenpunkte dar, die trotz hochleistungsfähiger IKT in ihrer Bedeutung eher zu- als abnehmen.
Anknüpfend an die letzte Grundannahme fallen aus einer stadtgeografischen Perspektive die in den aufgearbeiteten Forschungen nur wenig differenzierten Aussagen zum Zusammenhang von Wissensgesellschaft und Raum ins Auge. Die räumliche Dimension der Wissensgesellschaft wird auf der Makroebene mit Globalisierungsprozessen und der Ausweitung räumlicher Beziehungen verschlagwortet, auf der Meso- und Mikroebene wird der Wandel von Fabrik- zur Büroarbeit und die räumliche Ausdehnung der Institution Wissenschaft in Gestalt von Ausgründungen sowie der Vernetzung von Wissenschaft und Praxis, bspw. über Innovationsparks, angeführt. Diese holzschnittartigen Ausführungen sind der vorwiegend soziologischen bzw. wissenssoziologischen Perspektive auf das Paradigma geschuldet, in welcher der Frage nach den raumbezogenen Prozessen und deren Ausdrucksformen eine geringere Bedeutung zugemessen wird, und die im vorliegenden Kapitel eingenommen wurde. Aus stadtgeografischer Perspektive bleibt demgemäß die Frage unbeantwortet, welche Bedeutung und Relevanz der Zeitdiagnose, die umfassend Einzug in alle gesellschaftlichen Bereiche gefunden hat,
40
Hier sei darauf verwiesen, dass im Rahmen der Diskussion um den »Tod des Raums« durch IKT mit den Untersuchungen zur Geografie von Tech-Unternehmen in den USA bestätigende Untersuchungen existieren. Auf Deutschland bezogen kann jedoch festgehalten werden, dass (deutlich kleinmaßstäbigere) Dependenzen besagter Tech-Unternehmen eine deutliche Stadtaffinität zeigen (Loy 2019).
2. Annäherung an den Begriff der Wissensgesellschaft
in der Stadtentwicklungspraxis über die Ausweisung von Technologie- und Innovationsparks und Schaffung von Büroflächen hinaus zukommt. Inwiefern lassen sich räumliche Prozesse und Ausdrucksformen durch mit Hilfe des Paradigmas der Wissensgesellschaft sinnvoll analysieren? Welche Themen und Akteure über Hochschulen und Forschungseinrichtungen hinaus sind kennzeichnend für Stadtentwicklung in der Wissensgesellschaft. Welche Prozesse ergeben sich und wer nimmt Einfluss auf deren Organisation und Gestaltung? Welche Institutionen bilden sich aus? Für das fundierte Verständnis der Zeitdiagnose war der Weg über die Genese und Weiterentwicklung des Begriffs Wissensgesellschaft notwendig und erkenntnisreich, für die Beantwortung der Forschungsfragen aber noch nicht ausreichend, sodass im Folgenden zweiten theoretischen Kapitel ergänzend raumwissenschaftliche Ansätze und Konzepte zur analytischen Begriffsbestimmung herangezogen werden. In raumwissenschaftlich orientierten Disziplinen fand die Zeitdiagnose erst in den 1990er Jahren größere Aufmerksamkeit und wird seitdem beständig und durchaus kontrovers diskutiert. Auf der einen Seite existierte ein Hype um wissensbasierte Raumentwicklungsansätze in der theoretischen Diskussion, flankiert von entsprechenden Praxisansätzen (aus dem deutschsprachigen Kontext in u. a. Bochum, Dortmund, Bremen, Mainz oder Ulm (Gerhard et al. 2020b). Anderseits gab es Gegenpositionen, die in Zweifel ziehen, dass physisch-materielle Strukturen kausale Effekte auf Kreativität und Wissensgenerierung haben. Matthiesen und Mahnken (2009) folgend wird die Wahrheit zwischen diesen beiden Positionen vermutet. Unbestritten ist jedoch, dass die viel diskutierten WissenStadt-Kopplungen Einfluss auf städtische Entwicklungsdynamiken entfalten und auf das Antlitz und die Funktionalität von Stadt einwirken. Hier liegt der Mehrwert der Analyseperspektive Wissensgesellschaft begründet, da die Denkmuster, Werte und Ziele der aktuell sehr prominent genutzten Konzepte der wissensbasierten Stadtentwicklung in ihrem theoretisch-konzeptionellen Hintergrund analysiert werden können. Im folgenden Kapitel wird insofern der Kenntnisstand um die räumliche Dimension der Wissen-Stadt-Kopplungen erweitert, bevor der Fokus auf die lokale Ausgestaltung der Fallstudie gerichtet wird.
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3. Stadtentwicklung und Wissensgesellschaft
Über die Perspektive der Wissensgesellschaft sind aktuelle raumbezogene Entwicklungsprozesse mit Mehrwert zu analysieren. Mehr noch: Der analytische Blick auf die Stadt drängt sich vor dem Hintergrund der wissensgesellschaftlichen Entwicklung förmlich auf. Verstärkt durch die gleichermaßen ungebremste Verstädterung (WBGU 2011) und die »reurbanisation of knowledge« (van Winden 2010: 105) werden Städte als die Wachstumsmotoren angesehen, welche trotz gleichzeitig voranschreitender Globalisierungsprozesse an Bedeutung zunehmen (Fromhold-Eisebith 2009; van Winden 2010; Scott 2011; Yigitcanlar und Lönnqvist 2013). Prozesse der Globalisierung wirken sich aufgrund entgrenzender und gleichzeitig lokalisierender Wirkung janusköpfig auf das Räumliche aus. Drei miteinander verschränkte Entwicklungen sind hervorzuheben: • • •
die Aufwertung der supranationalen Ebene sowie die Bedeutungszunahme internationaler Wirtschaftsunternehmen, der Bedeutungsverlust des Nationalstaates als steuerndem Akteur und ein Bedeutungsanstieg von Städten als »Kommandozentralen« der Weltwirtschaft (Sassen 1996; Jessop 1997).
Diese als Re-Skaling bezeichneten Entwicklungen resultieren in einem Bedeutungsanstieg des Lokalen, welcher mit der wissensgesellschaftlichen Entwicklung zusätzlich befördert wird. Städte gelten als Knotenpunkte des Wissens: Sie sind Orte der Wissensproduktion, -transformation und -anwendung, sie generieren vielfältige »windows of opportunities« (Knight 1995). Aufgrund dieser Eigenschaften kommt Städten die Aufgabe zu, Wachstum und Wohlstand zu stimulieren (Heeg und Rosol 2007; Schipper 2010; van Winden 2010; Scott 2011). An dieser Stelle bieten die Konzepte der wissensbasierten Stadtentwicklung den Städten eine Orientierung und identifizieren Entwicklungspotenziale sowie Erfolgsfaktoren. Hohe Aufmerksamkeit kommt in diesen Konzepten vor allem lokalen Wissenseinrichtungen und deren Vernetzung mit anderen systemischen Akteursgruppen zu (Etzkowitz und Leydesdorff 1995), aber auch lokalen Wissensnetzwerken bzw. -milieus (Matthiesen und Bürkner 2004; Matthiesen 2013;
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Stadtentwicklung in der Wissensgesellschaft
Meusburger 2015) sowie dem Zusammenhang zwischen gebauter Umwelt und lokalen Milieus sowie Wissenseinrichtungen (Brake 2004; Schiller 2015). Die Konzepte der wissensbasierten Stadt fungieren hier als Mittler und sorgen für die Diffusion des Paradigmas Wissensgesellschaft in die lokale Stadtentwicklungspraxis. Bevor die Konzepte der wissensbasierten Stadt dargelegt werden, sollen mit der Reurbanisierung sowie Urban Governance zwei Kontexte erläutert werden, welche aktuelle Stadtentwicklungskonzepte prägen. Anschließend wird in Kapitel 3.2 herausgearbeitet, wie das Paradigma der Wissensgesellschaft in Konzepte der wissensbasierten Stadtentwicklung übersetzt wird, welche spezifischen Themen und Akteure adressiert, Problemlagen identifiziert und Maßnahmen zur deren Bearbeitung vorgeschlagen werden.
3.1
Kontexte der wissensbasierten Stadt
Die im Weiteren diskutierten Konzepte fokussieren auf die Potenziale der räumlichen Kategorie Stadt und stehen damit im Kontext der Diskussionen zur Reurbanisierung (Abschnitt 3.1.2). Zum anderen integrieren sie konzeptionell das neue Verständnis von Steuerung, das mit dem Begriff der Urban Governance verschlagwortet wird (Abschnitt 3.1.3). Bevor diese beiden Kontexte erläutert werden, wird in Abschnitt 3.1.1 eine Abgrenzung zum Begriff der Wissensökonomie vorgenommen. Abschnitt 3.1.4 fasst die wesentlichen Kontexte der Wissensgesellschaft kurz zusammen und stellt deren Bedeutung für aktuelle Stadtentwicklungsprozesse heraus.
3.1.1
Abgrenzung zur Wissensökonomie
Bevor auf die beiden prägenden Kontexte der Stadtentwicklung näher eingegangen wird, soll kurz eine Abgrenzung zur Wissensökonomie erfolgen. Der Motor des Wandels zur Wissensgesellschaft wird in der Verbreitung wissensbasierter Ökonomien ausgemacht, deren Entstehung bereits in den 1960er Jahren von Bell und Drucker auf Basis empirischer Daten aufgezeigt wurde. Wissen gilt seitdem als Voraussetzung ökonomischen Wachstums und hat die materiellen Produktionsressourcen wie Arbeit, Kapital und Boden in ihrer Bedeutung abgelöst. Wissen ist zum Kapital der (Wissens-)Ökonomien geworden. Insofern mag es ungewöhnlich anmuten, dass in der vorliegenden Arbeit der Wissensökonomie geringere Aufmerksamkeit zukommt. Dies liegt in der Konzeption der Forschungsperspektive begründet, die ihren Fokus auf die lokale Adaption des globalen Paradigmas Wissensgesellschaft legt und diese über die Analyse von Akteuren, Themen sowie Institutionen aus stadtgeografischer Perspektive bearbeitet. Mit dieser Perspektive soll jedoch nicht die Bedeutung der ökonomischen Transformationsprozesse ne-
3. Stadtentwicklung und Wissensgesellschaft
giert werden. An dieser Stelle werden insofern nach einer kurzen Einordnung des Begriffs Wissensökonomie konzeptionelle Anknüpfungspunkte zur Diagnose Wissensgesellschaft (Vgl. Kapitel 2.2) herausgestellt.1 Wissensökonomien sind gekennzeichnet durch die Bedeutungsverringerung materieller Ressourcen bei gleichzeitiger Aufwertung der Ressource Wissen. Die Operationalisierung des Begriffs Wissensökonomie für den empirischen Nachweis dieser These ist herausfordernd: Auch wenn Wissensökonomien über ansteigende Beschäftigten- und Umsatzzahlen in den hochwertigen unternehmensbezogenen Dienstleistungen beschrieben werden können, greift die gängige Wirtschaftszweigsystematik zu kurz. Diese erklärt kaum den Wandel, da industrielle Produktionsprozesse ebenfalls mit Wissen durchdrungen sind. Duranton und Puga (2004) verweisen daher auf die neue funktionale Arbeitsteilung als definitorisches Merkmal. Andere Forschungsansätze setzen beim Wert der Arbeit an und konstatieren mit dem Begriff der »knowledge-value-revolution«, dass der Wert durch die eingegangene Expertise bestimmt werde und nicht mehr über quantifizierbare Größen wie Arbeitszeit oder Wert der Vorprodukte. Wert in der Wissensökonomie werde erst durch Wissensarbeitende geschaffen (Baschek 2010: 78). Trotz definitorischer Uneinigkeit gilt der kontinuierliche Wissenszuwachs, d. h. die Dynamik von Wissensproduktion und Wissensanwendung, als ein wesentliches Kriterium von Wissensökonomien. Diese Dynamiken stehen im Fokus wirtschaftsgeografischer Forschungen. Besondere Aufmerksamkeit legen diese auf die Rahmenbedingungen der Wissensproduktion und -anwendung, in diesem Zuge wurden ab den 1980er Jahren die vorherrschenden raumwirtschaftlichen Ansätze um sozialwissenschaftliche Perspektiven ergänzt. Den harten Standortfaktoren wie Steuern, Löhnen oder Infrastrukturen wurden mit den Arbeiten der New Economic Geography weiche Erklärungsfaktoren zur Seite gestellt. Darin gelten Faktoren wie soziale und kognitive Nähe2 , informelle Kontakte, ein gemeinsames kulturelles Milieu bzw. Gemeinschaftsgefühl und (Wissens-)Austausch als essenziell für die Wissensproduktion. Diese Faktoren entfalten eine hohe Relevanz für die Standortwahl von Unternehmen. Die Ansätze der New Economic Geography betonen die Wechselwirkungen zwischen Raum und Unternehmen. Die Unternehmen schaffen sich gleichermaßen das für sie geeignete Umfeld und optimieren bestehende Rahmenbedingungen (Bathelt und Glückler 2012). Die Konzepte der Wissensökonomie und Wissensgesellschaft haben deutliche konzeptionelle Schnittmengen: 1
2
Analog zur Wissensgesellschaft besteht auch hinsichtlich der Wissensökonomie keine definitorische Einigkeit: Für einige Autoren ist die Wissensökonomie die »neue« Ökonomie der Wissensgesellschaft, für andere nur ein, aber eben der am stärksten wachsende und volkswirtschaftlich wichtigste Teilbereich (Modaschl und Stehr 2010). Auf das ambivalente Verhältnis zwischen Nähe und Ferne wird in Kapitel 3.2 differenzierter eingegangen.
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Stadtentwicklung in der Wissensgesellschaft
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•
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IKT gelten als Ermöglicher und Treiber des gesellschaftlichen Wandels. Sie ermöglichen die Generierung, Anwendung und Diffusion von Wissen. Am Beispiel der IKT zeigt sich die Dialektik von Globalisierung und Lokalisierung: Information ist global verfügbar, die Weiterverarbeitung zu Wissen ist nur in lokalen Kontexten möglich (Meusburger 2015)3 . Wissen wird als endogene Ressource verstanden. Wissen kann prinzipiell auch »eingekauft« werden, dessen Anwendung setzt allerdings immer Wissen voraus. Der soziale Kontext gilt als entscheidend – Wissenscluster und Wissensmilieus, also Konfigurationen mit einer hohen Interaktionsdichte, gelten als basales Merkmal wissensbasierter Ökonomien (Matthiesen und Bürkner 2004; Dörhöfer 2010). Wissen ist nicht gleichbedeutend mit wissenschaftlichem Wissen. Asheim und Hansen (2009) argumentieren, dass Innovationsprozesse in verschiedenen Wirtschaftssektoren unterschiedlich verlaufen und durch die jeweilige Wissensbasis beeinflusst werden. Sie unterscheiden analytische (wissenschaftsbasiert), synthetische (technischbasiert) und symbolische Wissensbasen (kreativbasiert). Wissenschaftliches Wissen ist insofern nur eine Wissensform und verliert ihre hegemoniale Position (Lau und Böschen 2003).4 Analog zu der Gleichzeitigkeit des Globalen und Lokalen im Diskurs um die Wissensgesellschaft verneinen auch die Ansätze der New Economic Geography die These, dass im Angesicht von Globalisierung und IKT Raumbindungen irrelevant werden. Trotz existierender Entgrenzungsmechanismen sei Raum weiterhin bedeutungsvoll.5 Gerade urbane Räume erfahren im Kontext der Wissensökonomie große Aufmerksamkeit. Städte werden zu Profiteuren der globalen Umwälzungen: »War in den 70er/80er Jahren noch die Rede von der Krise der Städte, deren finanzielle, infrastrukturelle und sozialen Probleme ihren unaufhaltbaren Niedergang in einer flexibleren, globaleren Welt zu manifestieren schienen, so gelten heute (v. a. die großen) Städte als zentrale Akteure für wirtschaftliche wie kulturelle Konkurrenzfähigkeit und Innovation« (Mayer 2002: 33).
Dem Eindruck, dass jegliche Wissensverarbeitung Nähe benötigt, wird mit Verweis auf die Arbeiten von Martin und Moodysson (2011) und Asheim und Hansen (2009) widersprochen. Diese unterscheiden drei Wissensbasen, die jeweils einen unterschiedlichen Grad der Kodifizierung von Wissen sowie der Sensitivität für räumliche Nähe für Wissensgenerierung und -transfer aufweisen. Die Diskussion betont mit der »Entgrenzung der Wissenschaften« jedoch die Diffusion wissenschaftlich geprägter Prozesse der Wissensproduktion und verlagert auf diese Weise die Aufmerksamkeit vom Produkt Wissen auf den Produktionsprozess (Vgl. Kapitel 2.1). Auch hier muss die Aussage eingeschränkt werden: Mit Willke (2002) gilt die Wissensgesellschaft als atopisch, d. h. losgelöst von jeglichen Raumbezügen, und auch Castells (2001) konstatiert einen »space of flows« anstatt eines »space of places«.
3. Stadtentwicklung und Wissensgesellschaft
3.1.2
Reurbanisierung
Die aktuelle Phase der Stadtentwicklung ist durch Reurbanisierung6 gekennzeichnet: Kernstädte gewinnen gegenüber ihrem Umland an EinwohnerInnen und Arbeitsplätzen (quantitative Reurbanisierung), die Jahrzehnte andauernde Phase der Suburbanisierung verliert an Geschwindigkeit bzw. wird gänzlich abgelöst (Herfert und Osterhage 2012). Parallel zur vielerorts zu beobachtenden quantitativen Reurbanisierung ist ein qualitativer Reurbanisierungstrend festzustellen, der sich in Form umfangreicher Bau- und Sanierungsmaßnahme in den Innenstädten, einer Aufwertung von öffentlichen Räumen und einer Ausweitung von gastronomischen, kulturellen und sozialen Angeboten zeigt. Reurbanisierung findet in wachsenden als auch in schrumpfenden Regionen statt. Der These von Hesse (2012), dass die viel diskutierte Renaissance der Stadtzentren mehr Wunschdenken als empirisch-materielle Prozesse sei, wird für deutsche (Herfert und Osterhage 2012) sowie US-amerikanische Städte (Gerhard 2017) insofern widersprochen: während für deutsche Städte die Suburbanisierung auch für Regionen mit stagnierenden Bevölkerungszahlen fast flächendeckend zum Erliegen kam, existieren beide Stadtentwicklungsmuster in den USA nebeneinander. Altrock (2012) zeigt sich im Hinblick auf die quantitative sowie qualitative Reurbanisierung durchaus überrascht. Es mangelte während den letzten Jahrzehnten gerade an der Wertschätzung für Innenstädte als Wohnstandorte (Helbrecht und Dirksmeier 2009), manche konstatieren für das fordistische Deutschland eine dezidierte »Großstadtfeindschaft« (Altrock 2012: 182), die sich bis zum Ende des 20. Jahrhunderts in der Stigmatisierung städtischer Zentren sowie Abwanderung in die Vororte äußerte. Mitscherlich (1965: 13f.) konstatierte gar eine »Unwirtlichkeit der Städte«7 . Die Agglomerationsnachteile schienen auf Jahrzehnte hinaus Agglomerationsvorteile zu überlagern (Kloostermann 2009). Die aktuell in großer Zahl empirisch konstatierte Reurbanisierung steht im Kontext von vier Entwicklungslinien: dem ökonomischen Strukturwandel, dem
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Der Begriff der Reurbanisierung wird unscharf für die Beschreibung vieler Phänomene im Zusammenhang mit einer empirisch feststellbaren Rückkehr in die Städte genutzt. Aufgrund der damit sowohl analytisch als auch empirisch zusammenhängenden Herausforderungen schlagen (Brake und Herfert 2012: 14f., Herv. i. O.) definitorisch den »kleinsten gemeinsamen Nenner« vor: »Mit Reurbanisierung soll ein Entwicklungsprozess gemeint sein, der mit dauerhafter Wirkung zu einer neuerlichen Bedeutungszunahme von Städten durch eine belebende Nutzung ihrer zentralen Gebiete beiträgt«. Mitscherlich (1965) reiht sich allerdings keineswegs in die Reihe der StadtkritikerInnen ein. Er ist vielmehr als Verfechter des städtischen Lebens anzusehen, der mit seiner Diagnose Bewusstsein für die Zustände als auch die – auch heute noch in hohem Maße raumwirksamen – Verursacher wecken will: Die Besitzverhältnisse von Grund und Boden, das Bevölkerungswachstum und die damit zusammenhängenden Verkehrsprobleme.
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Stadtentwicklung in der Wissensgesellschaft
kulturellen Wertewandel, der hohen Investitionsneigung in Immobilien sowie der strategischen Stadtentwicklungspolitik von Kommunen. Die erste Triebfeder, der ökomische Strukturwandel, sowie die Bedeutungszunahme von Wissensökonomien verstärken und stabilisieren den Trend »Zurück in die Stadt«. Städte gelten als Knotenpunkte des Wissens und werden zu Drehpunkten der wissensbasierten und kreativen Ökonomien (Brake 2012; Gerhard 2012; Kujath 2012): »there are signs that the emerging knowledge economy has reinforced the role of cities« (van Winden 2010: 100). Urbane Räume bieten diesen Unternehmen als auch den Kreativschaffenden und Wissensarbeitenden spezifische Standortvorteile: eine hohe Dichte und Diversität von Unternehmen, Branchen, Menschen und Lebensweisen und damit auch Märkten; eine höhere räumliche und soziale Dichte, welche Suchkosten verringert und ermöglicht, dass Wissen und Informationen schneller ausgetauscht bzw. in Nutzung gebracht werden können, sowie ein umfangreiches Angebot an Konsum- und Freizeitangeboten (ebd.). Urbane Räume sind als »Anregungsfeld und soziales Umfeld zur Realisierung von Wissensvorsprüngen (…) nicht bloß interessant und schick bzw. ›in‹, sondern essentiell« (Kujath 2012: 218). Diese neuerliche Affinität zu Städten ist dabei eine Gegenposition zur Ortlosigkeit der letzten Jahrzehnte, wie sie bspw. mit der Informationsgesellschaft konstatiert wurde, jedoch keine Negation von Globalisierungsprozessen: »In struktureller Kopplung mit Globalisierungsdynamiken (space of flows) werden jetzt – nach dem hype der Videokonferenzen – ebenso euphorisch die ›Fühlungsvorteile‹ konkreter Orte und direkter Face-to-face-Kommunikation gefeiert. (…) Die Fühlungsvorteile und das Anregungspotential spezifisch urbaner Orte scheinen mit dem Habitus transnationaler Weitläufigkeit und Mobilität neue Verbindungen einzugehen. Mobilität und Sässigkeit werden damit neu gemischt« (Matthiesen und Bürkner 2004: 86). Eine zweite Triebfeder der Reurbanisierung sieht Altrock (2012) im kulturellen Wertewandel zugunsten urbaner Lebensformen und Lebensweisen. Dieser Wertewandel beruht zum einen auf negativen Erfahrungen mit der suburbanen Lebensweise und den eingeschränkten Möglichkeiten zur Alltagsgestaltung, zum anderen in der Pluralisierung von Lebensformen und Lebensweisen. Der Wertewandel zeigt sich in neuen, pro-urbanen Wohnleitbildern. Städte sind trotz steigender Mieten weiterhin das Ziel interregionaler Wanderungsbewegungen, welche durch das parallele Wachstum der Beschäftigtenzahlen gestützt wird (Herfert und Osterhage 2012). Träger dieser Wanderbewegungen sind junge Ein- und Zwei-PersonenHaushalte, die meist arbeits- bzw. ausbildungsbezogene Wanderungsmotive verfolgen (Altrock 2012).8 Das Leben in den funktional gemischten urbanen »Opti8
Altrock (2012) führt an, dass eine stabilisierende Wirkung neuerdings ebenfalls von jungen Familien ausgeht, die gegenwärtig vermehrt in der Phase der Familiengründung in den
3. Stadtentwicklung und Wissensgesellschaft
onsräumen« stellt für die ressourcenstarke Stadtbevölkerung (Brake 2012 nimmt diese Einschränkung vor und verweist damit auf den Faktor der Bezahlbarkeit) all das zur Verfügung, »was zur alltäglichen Reproduktion erforderlich ist, nämlich zur Arbeit kommen, Einkaufen, Kinderbetreuung, Freizeit etc. – und das im (keineswegs ja verlängerbaren) 24-Stunden-Tag« (ebd.: 24). Als ursächlich für die Notwendigkeit solcher leistungsfähigen Orte gelten Flexibilisierungstendenzen der reflexiven Moderne (Vgl. Abschnitt 2.1). Veränderte Familien-und Haushaltsstrukturen sind ebenso wie die Ablösung des Normalarbeitsverhältnisses Ausdrucksformen dieser Entwicklung: Leben und Arbeiten wird flexibilisiert und entgrenzt, das Einfamilienhaus im suburbanen Umland wird unattraktiver (Altrock 2012). Urbane Infrastrukturen erleichtern im Angesicht von Flexibilisierungs- und Zeitdruck die Vereinbarkeit von Arbeit und Alltag (Ahrens 2004) bzw. werden zum Ausdruck eines gänzlich gewandelten Verhältnisses zwischen Arbeits- und Privatleben (Vogelpohl 2012). In der dritten Entwicklungslinie ist die Bedeutungszunahme innerstädtischer Räume Folge der kapitalistischen Wirtschaftsordnung und deren inhärente Suchprozesse nach geeigneten Investitionsoptionen. So fließt seit einigen Jahren Kapital verstärkt in den vermeintlich sicheren und zugleich profitversprechenden Immobiliensektor9 , wodurch Aufwertungs- und Verdrängungsprozesse angetrieben werden10 . Ein in diesem Kontext prominent diskutierter Begriff ist der der Gentrifizierung. Gentrifizierung ist nicht ursächlich auf Reurbanisierung zurückzuführen, aber wird von dem Trend befördert. Gentrifizierung beschreibt in seinem klassischen Verständnis die Verdrängung statusniedriger Bevölkerungsgruppen aus innerstädtischen Gebieten im Zuge baulicher Aufwertungsmaßnahmen (Holm 2018). Der Begriff wird mittlerweile auch für die Beschreibung von Aufwertungsprozessen durch Neubauten bzw. Brownfield-Entwicklungen genutzt und wurde durch dessen breite Rezeption zum Mainstream (ebd.). Es existieren mit dem nachfrageorientierten (Friedrichs 2000; McLean 2009), dem angebotsgetriebenen (Schipper und Wiegand 2015) und den politischen
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Innenstädten verbleiben. Ein Einfluss der Generation 50+ sei aktuell noch nicht empirisch wahrnehmbar, im Zuge des demografischen Übergangs werde jedoch eine steigende Nachfrage nach gut erreichbaren Wohnfolgeeinrichtungen, Kultur- und Versorgungsangeboten erwartet. Vor einer Überhitzung des Immobilienmarktes in deutschen Boom-Städten warnen mittlerweile nicht nur WissenschaftlerInnen. Das Thema bestimmt auch die Tagespresse (Koschnitzke 2018; Öchsner 2018). Städte sind dabei keinesfalls nur Opfer des nach Anlageoptionen suchenden Kapitals. AutorInnen der kritischen Stadtforschung betonen die aktive Rolle, die dem lokalen Staat für die ökonomische Durchdringung durch Marktkräfte zukommt. So seien die mit einer Sachzwang-Rhetorik legitimierten Maßnahmen um Investitionen, Arbeitsplätze, finanzkräftige EinwohnerInnen und qualifizierte Arbeitskräfte auch politische Entscheidungen (Heeg und Rosol 2007; Schipper 2010; Schipper und Wiegand 2015).
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Stadtentwicklung in der Wissensgesellschaft
Erklärungsmodellen (Holm 2018) mehrere Erklärungsansätze. Gemein ist diesen der Befund der Verdrängung angestammter Bevölkerung sowie die veränderte Bevölkerungszusammensetzung als direkte Folgen der Aufwertungsprozesse. Indirekt hat Gentrifizierung Effekte auf das Wohnungs- und Raumangebot in Städten, was die Versorgung aller Bevölkerungsgruppen mit Wohnraum erschwert und urbane Ungleichheiten verschärfen kann. Der vierte Erklärungsansatz identifiziert kommunale Entwicklungs- und Sanierungsmaßnahmen, welche Reurbanisierung ermöglichen und attraktiv machen, als Ergebnis strategischer Entscheidungen kommunaler Politik. Die Städte verfolgen mit dieser Strategie zwei Zielsetzungen. Zum einen sehen sie sich mit der Herausforderung konfrontiert, Stadtentwicklungspolitik sowie städtische Wirtschafts- und Sozialpolitik aus eigener Kraft organisieren und gestalten zu müssen und werben in Folge um finanzstarke stadtaffine Menschen und Unternehmen (Kloostermann 2009). Gerade große Revitalisierungsprojekte auf Brachflächen bergen das Potenzial für neue Quartiere in urbanen Lagen, welche Wohnen, Arbeiten, Versorgung und Freizeit verbinden (Kloostermann 2009; Mossig 2009; Altrock 2012). Altrock (ebd.: 192f.) unterscheidet den aktuellen »reurbanisierenden Städtebau« vom »nachmodernen Städtebau« und integriert den wirkmächtigen Diskurs um Urbanität und städtische Qualitäten in die Überlegungen zur Reurbanisierung.11 Aktuell in Mode sei ein kreativer Umgang mit Zeugnissen der Vergangenheit und deren selektive Kombination mit Neuem; die Platzierung von »Starchitecture«12 ; die Kultivierung des Lebens im öffentlichen Raum, häufig verbunden mit einer Ausrichtung auf TouristInnen und BesucherInnen; die Verknüpfung traditioneller städtebaulicher Formen mit innovativen Elementen; eine gezielte Nutzungsmischung, die auf stadtaffine Menschen abzielt, sowie eine Indienstnahme von Nischen- und Pioniernutzungen (ebd.). Zum anderen ist der Trend der Reurbanisierung fruchtbar mit aktuellen planerischen und politischen Leitvisionen zu verbinden. So ist die funktionsgemischte Stadt, die sich durch eine höhere städtebauliche Dichte, kleinräumige Nutzungsmischung sowie fußläufige Erreichbarkeit auszeichnet (Leipzig Charta von 2007), das vorherrschende Leitbild, welches das Leitbild der städtebaulichen Moderne mit ihrer Funktionstrennung (Charta von Athen von 1933) abgelöst hat (Roskamm 11
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Aktuelle Beispiele für kommunal initiierte Umstrukturierungsprozesse sind die Projekte Euroméditerranée in Marseille, in welchem auf 310 ha brachgefallene Hafenflächen, weiterhin genutzter Wohnquartiere sowie öffentlicher Räume zu einem urbanen Mix aus Büro- und Wohnnutzung umstrukturiert werden, oder das Infrastruktur- und Stadtentwicklungsprojekt Stuttgart 21, wo 100 ha nach Tieferlegung des Bahnhofs für urbane Nutzungen verfügbar werden. Starchitecture ist ein Kunstwort aus Architect und Star. Damit bezeichnet werden Architekten bzw. deren Bauwerke, die auch außerhalb des eigenen Faches zu Weltruhm gelangt sind (z. B. Frank Gehry oder Zaha Hadid) (Heathcote 2016).
3. Stadtentwicklung und Wissensgesellschaft
2010). Die Einführung des neuen Baugebietstyps Urbanes Gebiet in der BauNVO bezeugt den Willen des Gesetzgebers, den Paradigmenwechsel zur nutzungsgemischten Stadt mitzutragen und den Kommunen die Umsetzung des Leitbilds der funktionsgemischten Stadt zu vereinfachen. Insbesondere die Anpassung der Immissionsgrenzwerte ist ein wichtiges Instrument, das räumliche Nebeneinander von Wohnen und Gewerbe organisieren zu können (Bumiller 2018). Auch hinsichtlich der Ziele des Umweltschutzes wird der Reurbanisierungstrend begrüßt, da Flächenverbrauch und verkehrsbedingte Umweltbelastungen durch Nutzungsmischung und kürzere Wege reduziert werden können (BMUB 2007).
3.1.3
Urban Governance
Mit dem Konzept der Urban Governance werden aus Perspektive der Planungstheorie der Politik- und Gesellschaftswissenschaften neue Formen der Steuerung beforscht, in welchen eine Vielzahl an Akteuren jenseits staatlicher Hierarchie auf lokaler Ebene gemeinsam Regelungssysteme zur kollektiven Problemlösung entwerfen. Urban Governance ist durch die zunehmende Porosität systemischer Grenzen, insbesondere zwischen Politik und Zivilgesellschaft, Wissenschaften bzw. Markt, der partiellen Öffnung von Entscheidungswegen und dem Einbezug vielfältiger Wissensbestände (Vgl. Abschnitt 3.2.2) anschlussfähig an das Paradigma der Wissensgesellschaft. Die nachfolgenden Ausführungen fungieren daher als Brückenschlag zu den Konzepten der wissensbasierten Stadtentwicklung, betonen diese ihrerseits die Notwendigkeit des Einbezugs von TrägerInnen des neuen Steuerungswissens (von Hochschulen und Forschungseinrichtungen, Bildungseinrichtungen und Zivilgesellschaft (Vgl. Abschnitt 3.2.1)) in die Prozesse von Stadtentwicklung. Eine wissensbasierte Stadtentwicklung in Konzeption und Umsetzung steht mitunter im Konflikt zur Steuerung via Government sowie zum traditionell sektoralen Aufbau einer Kommunalverwaltung. Die Reichweite des kommunalen Steuerungsinstrumentariums reicht für ein solches Entwicklungskonzept nicht aus. Mit dem Postulat einer wissensbasierten Stadtentwicklung begibt sich der traditionell steuernde Akteur Kommune daher in Grenzbereiche ihrer Handlungsfähigkeit. Wissensbasierte Stadtentwicklung ist daher gleichzeitig kooperativ und hierarchisch und muss von vielen Akteuren unterstützt und umgesetzt werden. Eine wissensbasierte Entwicklung muss akteursspezifische Handlungsressourcen anlassbezogen aktivieren und in wechselnden Governance-Arrangements nutzen können Eine integrierte, wissensorientierte Stadtentwicklung kann nur auf Basis adaptiver, strategischer und governance-basierter Prozesse entstehen. Die strategische Ebene der Konzepte der wissensbasierten Stadt umfasst daher auch immer die Vernetzung von Akteuren sowie den Einsatz neuer Governance-Arrangements (Vgl. Abschnitt 3.2.2).
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Stadtentwicklung in der Wissensgesellschaft
Die Entstehung und Verbreitung von Governance-Arrangements steht auch im Kontext der Steuerungs- und Legitimitätskrise des hierarchischen Steuerungsmodells. Der Staat verfügte in der Vergangenheit als hierarchisch-interventionistischer Hoheitsstaat sowohl über die notwendige Machtposition als auch über das für die Entscheidungsdurchsetzung notwendige Instrumentarium zur Steuerung der Systeme Wirtschaft und Zivilgesellschaft (Mayntz 2008). Die zur Steuerung nötige demokratische Legitimität ergab sich einerseits aus regelmäßigen Wahlen, anderseits wurde dem handelnden Staat das gemeinwohlorientierte Interesse an der Lösung gesellschaftlicher Problemstellungen ex ante zugebilligt. Demokratietheoretische Fragestellungen, wie diese heute u. a. die Diskussionen um Partizipation prägen, existierten kaum. Dem Output von Planungsprozessen galt das Interesse, nicht dem Input (Mayntz 2004). Die Steuerungsfähigkeit staatlicher Instanzen geriet in den letzten drei Jahrzehnten zunehmend in Kritik. Dem politischen Steuerungsapparat wurde abgesprochen, die Bedürfnisse und Ziele der immer heterogeneren Gesellschaft erfassen und aufeinander abzustimmen zu können (Legitimationskrise). Ergänzend wurde ein Steuerungsversagen konstatiert, der Staat könne auf das Handeln der politischen Akteure nicht mehr in der Form einwirken, dass es seinen politischen Zielen entspreche (Steuerungskrise) (Meier 2018). Dessen Bemühungen scheiterten in der Praxis regelmäßig an der verfassungsrechtlich gewährten Autonomie wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Akteure (Mayntz 2008). Die tradierte Differenzierung in Steuerungssubjekt (den Staat) und Steuerungsobjekt (alle anderen Subsysteme) wurde in Folge zunehmend hinterfragt, die Unterordnung und Steuerung der Gesellschaft durch den Staat ist mittlerweile zugunsten Governance-basierter Formen der Koordinierung in den Hintergrund getreten. Kennzeichnend für diese neuen Formen ist die aktive Mitwirkung vormaliger Regelungsadressaten am Entwerfen und der Durchsetzung der Regeln.13 Das Steuern und Regieren wird durch Netzwerke, Kooperationen und den Aufbau von Partnerschaften zwischen privaten, semiöffentlichen und öffentlichen Akteuren organisiert – dies lediglich im Schatten der Hierarchie. Von einer Ablöse des hierarchischen Steuerungsmodells kann insofern nicht gesprochen werden, vielmehr erfolgt eine Erweiterung von »government zu governance« (Mayntz 2008: 45). Governance bezeichnet demgemäß die Gesamtheit »aller nebeneinander bestehenden Formen der kollektiven Regelung gesellschaftlicher Sachverhalte: von der institutionalisierten zivilgesellschaftlichen Selbstregelung über verschiedene Formen des Zusammenwirkens staatlicher
13
Mayntz (2008) stellt kritisch die Frage nach der Neuartigkeit. So engagieren sich bezogen auf die deutsche Wirtschaftspolitik seit vielen Jahrzehnten gleichermaßen politische Akteure als auch Dachverbände der ArbeitgeberInnen und ArbeitnehmerInnen Vertretung.
3. Stadtentwicklung und Wissensgesellschaft
und privater Akteure bis hin zu hoheitlichem Handeln staatlicher Akteure« (Mayntz 2004: 72). Die Auflösung der tradierten Differenzierung in Steuerungssubjekt bzw. -objekt birgt diverse gesellschaftliche Potenziale: •
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Sie befördert die Überbrückung der »Kluft zwischen professionellen Politikern/ Verwaltungsakteuren und passiven Bürgern« (Haus 2002: 79) und ermöglicht die Artikulation von Expertise, die von BürgerInnen als ExpertInnen für das eigene Lebensumfeld in Stadtentwicklungsprozesse nun eingebracht werden kann (Kilpers 2010); Sie ermöglicht die Identifikation und Abstimmung »gemeinsamer oder zumindest hegemonialer Sichtweisen«, woraus eine stabilisierende Wirkung auf die Erwartungen der beteiligten Akteure sowie die Entwicklung korrespondierender Verhaltensregeln entstehen kann (Heinelt 2009: 351); Sie befördert die »Re-Integration sektoral ausdifferenzierter Politiken« für die Lösung sektorenübergreifender gesellschaftlicher Problemstellungen wie bspw. einer nachhaltigen Entwicklung oder zur kooperativen Realisierung von Stadtentwicklungsstrategien (bspw. KBUD-Konzepten) mittels koordinierten Handelns (Haus 2002: 7914 ); Sie stärkt institutionell-organisatorische als auch individuelle Fähigkeiten des dynamischen Lernens (Heinelt 2009); Sie entlastet den »allzuständigen Staat« durch neue Modalitäten der Aufgabenerfüllung. Akteure der Zivilgesellschaft werden zu Koproduzenten von öffentlichen Leistungen und Gütern. Deren bürgerschaftliches Engagement ergänzt den reduzierten (wohlfahrts-)staatlichen Leistungskatalog (Meier 2018); Sie fördert die Selbstbindung aller Beteiligten über die Einbindung in den politischen Entscheidungsprozess (Ludwig 2005).
Mit der Verbreitung von Governance-Arrangements hat sich das Steuerungsinstrumentarium erweitert. Informelle Instrumente, Institutionen und Praktiken wie
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Haus (2002) spricht in seinem Beitrag zwar von der Bürgergesellschaft, diese weist jedoch etliche Gemeinsamkeiten mit dem Governance-Ansatz auf. Eine Bürgergesellschaft ist eine Gesellschaft, die durch aktive Partizipation ihrer BürgerInnen am öffentlichen Leben gestaltet wird. Gohl (2001) stellt die Unterschiede zur Zivilgesellschaft heraus: Die Bürgergesellschaft zeichne sich eine politisch aktive Gesellschaft aus, Zweitere bleibe auf die soziale Dimension des Bürgerengagements (Zivilcourage und Ehrenamt) beschränkt. Prinzipien einer Bürgergesellschaft sind Föderalismus, Subsidiarität, Partizipation, Solidarität und die Institutionalisierung von Prozesshaftigkeit. Für die Bürgergesellschaft sind daher auch direktdemokratische Elemente in Ergänzung des repräsentativen Demokratiemodells denkbar (Schnur und Drilling 2009).
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Stadtentwicklung in der Wissensgesellschaft
bspw. Verhandlungen am Runden Tisch, Planungswerkstätten oder persönliche Vertrauensverhältnisse ergänzen formelle staatliche Institutionen und vergrößern deren Effizienz und Reichweite (Koch 2011). Informelle Institutionen erweitern so die Handlungsfähigkeit staatlicher Akteure, werfen jedoch Fragen nach der demokratischen Legitimation15 und sozialen Gerechtigkeit der kooperativ erzeugten Entscheidungen auf. Die Anforderungen an die Qualität politischer Prozesse müsse vor diesem Hintergrund erhöht werden. Zugleich wird die Steuerung politischer Prozesse instabil, nichtlinear und unbestimmt, der Grad der Selbstorganisation nimmt zu (ebd.). Das Konzept der Urban Governance findet nicht nur Zuspruch. Forschende kritisieren u. a. die pauschale Zuschreibung demokratischen Mehrwerts und gestiegener Teilhabechancen (Meier 2018).16 Das Ausblenden von Machtasymmetrien durch eine »Partnerschafts- und Kooperationseuphorie« und ein »Problemlösungsbias« seien kennzeichnend für die neuen Arrangements, werden aber häufig negiert (Heeg und Rosol 2007: 494), gleichermaßen verdecke die Partnerschaftslogik die Ausbreitung neoliberaler Handlungsmuster in ehemals gemeinwohlorientierten Handlungsfelder (ebd.). Mayntz (2004) mahnt daran anschließend an, dass allen Akteuren ex ante der Wille zur Lösung kollektiver Probleme, d. h. ein Gemeinwohlinteresse, unterstellt werde. Festzustellen sei dann die Verfestigung spezifischer Blindheit für partikulare Interessen wie Machtgewinn bzw. -erhalt. Ebenfalls dürfe die partielle Abgabe staatlicher Macht nicht mit einem Verzicht auf Macht verwechselt werden (Gomes de Matos 2013). Der Verzicht auf hierarchische Machtausübung entspreche in der Praxis eher einem Akt zur Absicherung von Herrschaftsinteressen: »Der in horizontalen Beziehungen handelnde Staat ist im ›Schatten der Hierarchie‹ in vielem (nicht stets!) handlungsmächtiger, als er es allein auf Grund der ihm verfügbaren sonstigen (rechtlichen, personellen, finanziellen u. ä.) Ressourcen wäre« (Zürn 2007: 4). Diese neuen Governance-Arrangements seien daher weder allein das Resultat lautstarker Forderungen von unten und per se ein Demokratisierungsgewinn noch eine Aushöhlung des hoheitlichen Staates. Auch hinsichtlich der Modalitäten der Aufgabenerfüllung erfordere Governance eine kritische Reflexion: Der vorschnell konstatierte Demokratisierungsgewinn verschließe die Sicht auf zeitglich ablaufende Prozesse der Verantwortungsverlagerung (Koch 2011). Die 15
16
Mit Verweis auf Crouch (2008) und dessen Überlegungen zur Postdemokratie warnt Koch (2010) dezidiert vor einer Übernutzung informeller Institutionen. Diese seien oftmals politikentscheidend, werden jedoch regelmäßig in intransparenten Verfahren organisiert. Finale Entscheidungsmacht üben im kritisch diskutierten Feld der räumlichen Planung demokratisch gewählte Gremien aus, partizipativ erzeugte Wissensbestände und Ergebnisse aus Governance-Arrangements stellen einen Teil der politischen Willensbildungsprozesse dar. Der finale Akt der Entscheidungsfindung erscheint trotz eines Zuwachses an Teilhabe jedoch mitunter weiterhin als intransparent (Meier 2018).
3. Stadtentwicklung und Wissensgesellschaft
Aufwertung der Zivilgesellschaft qua Partizipation gehe mit einer staatlichen Rückzugsstrategie einher, die die Delegierung von Verantwortlichkeiten auf die zivilgesellschaftliche bzw. in letzter Instanz auf die individuelle Ebene vorantreibe. Die neuen Governance-Arrangements entsprechen aus dieser Perspektive staatlich induzierten Instrumenten zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit im Sinne eines »schlanken Staates« (Mayer 2002). Die Kritik am Konzept der Urban Governance hat dessen Erfolg nicht behindert. Stadtentwicklung zeichnet sich gegenwärtig durch nicht-hierarchische, organisationsüberschreitende Kooperationen mit entsprechender Akteurs- und Regelungsvielfalt aus. Zu nennen sind hier neben kommunalen Leitbildprozessen und Formaten der Bürgerbeteiligung, die in einer Vielzahl von Kommunen durchgeführt werden, auch Governance-Arrangements wie Public-Private-Partnerships (Schnur und Drilling 2009) und Business Improvement Districts (Schote 2015), mit denen eine partielle Auslagerung staatlicher Aufgaben auf private Akteure verbunden ist.
3.1.4
Zwischenfazit II
Das 21. Jahrhundert gilt als das »urban age« (WBGU 2011). Von nun an leben mehr Menschen in Städten als außerhalb von Agglomerationsräumen. Städte sind Attraktoren für Menschen, ihr Wachstum ist jedoch nicht einzig einer höheren Fertilität der städtischen Bevölkerung geschuldet, sondern meist verstärkter Zuwanderung. Auf Deutschland bezogen ist der Trend selektiv, Städte in sogenannten »Entleerungsräumen« sind von Schrumpfung gekennzeichnet, während oftmals benachbarte urbane Räume Ziel von arbeits- und emanzipationsorientierten Wanderungsbewegungen sind (Brake und Herfert 2012b: 12). Getragen und verstärkt werden die Wanderungsbewegungen durch eine »reurbanisation of knowledge« (van Winden 2010: 105) und eine »neuartige Stadtaffinität« (Brake 2011: 74) des Konglomerats Wissen: Unternehmen des kognitiv-kulturellen Kapitalismus finden dort passende Produktionsbedingungen, Hochqualifizierte strömen in diversifizierte urbane Arbeitsmärkte, Wissenseinrichtungen erkennen in urbanen Qualitäten nun vermehrt ebenfalls einen Mehrwert. Die spezifischen Qualitäten von Stadt, die die Reurbanisierung des Konglomerats Wissen befördern, werden anhand verschiedener Modelle erklärt: •
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Städte gelten als die Orte großer Akteursdichte, deren Knoten- und Scharnierfunktionen Wissensaustausch und neue Kombinationen existierenden Wissens erleichtern (Kontextmodell) (Moritz 2016); Städte sind Orte, an denen Kreativität und Innovationsfähigkeit durch bestimmte soziale als auch räumliche Bedingungen (z. B. Netzwerke, Wis-
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Stadtentwicklung in der Wissensgesellschaft
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sensmilieus, Face-to-face-Anregungspotenziale) gebunden werden kann (Placemaking-These) (Matthiesen und Mahnken 2009); Sie gelten als primäre Orte der Erzeugung von Wissen und Humankapital (Franz 2007) und Zentren der neuen Wissensökonomien (Sassen 1996); Sie entfalten Gravitationskräfte, insbesondere hinsichtlich wissensbasierter Unternehmen in spezifischen Vernetzungskontexten mit Hochschulen sowie Forschungs- und Entwicklungseinrichtungen (FuE) (Agglomerationsthese) (Markusen 1996); Städte sind Orte stimulierender Urbanität, welche durch die Anwesenheit von Kreativen und Hochgebildeten erhöht werden kann. Die Entstehung von Urbanität gilt es ebenfalls über bauliche Maßnahmen zu befördern (Urbanitätsthese) (Florida 2005).
Die Aktivierung dieser spezifischen urbanen Qualitäten, das heißt das Profitieren vom Reurbanisierungstrend, stellt Städte jedoch vor große Herausforderungen: Sie sind kaum in der Lage entsprechende Entwicklungsprozesse hoheitlich organisieren und steuern zu können. Städte bedürfen dementsprechend vor dem Hintergrund des wissensgesellschaftlichen Wandels neuer wissensorientierter Governance-Arrangements. In diesem Zuge entsteht ein neues Selbstverständnis kommunaler Akteure. Diese werden zu Vermittlern und Moderatoren der wissensorientierten Entwicklungsvision und vermitteln diese sowohl nach außen an eine Vielzahl an Akteure als auch nach innen in das politisch-administrative System. Zielsetzung wissensorientierter Entwicklungsvisionen ist der Aufbau neuer Partnerschaften und die Etablierung neuer Institutionen (Jähnke und Mahnken 2007; Fromhold-Eisebith 2009), diese bewirken eine Anpassung von Governance-Arrangements und werden unter dem Schlagwort der wissensbasierten Stadtentwicklung (knowledge-based urban development – KBUD17 ) vorangetrieben. In den folgenden Abschnitten werden die Konzepte der wissensbasierten Stadtentwicklung mit dem Ziel dargestellt, die theoretischen Ausführungen zur Wissensgesellschaft um geografische Perspektiven zu erweitern.
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Hier wird die englische Terminologie »knowledge« als Wissen übersetzt, dies in Kenntnis der Diskussion um die Unschärfe der Begrifflichkeit. Das Entwicklungskonzept KBUD wird insofern nicht als wissenschaftsbasierte bzw. wissenschaftsorientierte Stadtentwicklung verstanden, sondern als wissensbasierte Stadtentwicklung. Wissen wird im Anschluss an die Ausführungen in Kapitel 2 ganzheitlich gefasst und differenziert, Knight (1995) folgend, nicht zwischen wissenschaftlichem und nicht-wissenschaftlichem Wissen. Wissen gilt als Motor der Stadtentwicklung, nicht allein Wissenschaftseinrichtungen auch wenn diese eine wichtige Rolle spielen.
3. Stadtentwicklung und Wissensgesellschaft
3.2
Konzepte der wissensbasierten Stadtentwicklung
Das Paradigma der Wissensgesellschaft wird über die Konzepte der wissensbasierten Stadtentwicklung auf lokaler Ebene vermittelt und ausgestaltet. In diesen regionalökonomisch geprägten Konzepten wird ein positiver Wirkungszusammenhang von Wissen und Stadtentwicklung konstatiert sowie die Notwendigkeit der Neuausrichtung kommunalen Handelns in räumlicher, ökonomischer als auch institutioneller Dimension herausgestellt: »In the era of knowlege economy, urban regions must not only adjust their local economies (business climate) but also invest in their society (people climate), environment (spatial climate) and institutions (governance climate) to become competitive in the global arena« (Yigitcanlar und Lönnqvist 2013: 366). Städte – so die Ermunterung an krisengeplagte Kommunen, die eine wissensbasierte Stadtentwicklung betreiben – sicherten auf diese Weise langfristig Wachstum und Wohlstand. Zahlreiche Fachbeiträge setzten sich in den vergangenen Jahren aus geografischer Perspektive mit unterschiedlichen Aspekten dieses »knowledge turns« auseinander: auf einer Meta-Ebene wird Wissen als strategischer Erfolgsfaktor von Stadtentwicklung beforscht (Kühn 2004; Yigitcanlar et al. 2008; Kujath und Stein 2009; Lisowski et al. 2011), weitere Fachbeiträge stellen die Bedeutung von Wissensökonomien (van Winden et al. 2007; Gabe et al. 2012) bzw. von Hochschulen (Ziegenbein 2007; Schneider et al. 2015; Meusburger 2016; Motoyama und Mayer 2017; Hechler et al. 2018) für Städte in den Mittelpunkt der Forschung. Andere untersuchen indes Wissen als Entstehungsfaktor städtischer Ungleichheiten (Helbrecht 2011; Gerhard und Hölscher 2017). Daneben existieren eine Vielzahl von Arbeiten zu unterschiedlichen Wissensformen bzw. lokalen Wissensmilieus (Knight 1995; Matthiesen und Bürkner 2004; Asheim und Hansen 2009; Martin und Moodysson 2011; Matthiesen 2013), zu Innovationsgenerierung (Etzkowitz und Leydesdorff 1995; Gonzalez et al. 2009) sowie zur räumlichen Integration von Orten der Wissenschaft in ihr urbanes Umfeld (Kunzmann 2004; Mecklenbrauck 2015; Schiller 2015). Ergänzend werden Fragen zur Steuerung sowie Governance-Arrangements aufgeworfen: zur Veränderung der räumlichen Planung im Zuge einer auf Wissen orientierten Stadtentwicklung (Fichter et al. 2004; Jähnke und Mahnken 2007; van Winden 2010) sowie McCartney et al. (2010) und Moritz (2016) zu strategischen Netzwerken. Der räumliche Fokus der Studien liegt vorwiegend auf größeren Städten18 und bestätigt damit die Affinität des Konglomerats Wissen zu urbanen Räumen. 18
Seit wenigen Jahren wenden sich einige Forschungsprojekte Klein- und Mittelstädten zu – die Ergebnisse bezeugen jedoch die größenbedingten Vorteile von Großstädten (Hechler et al. 2018).
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Stadtentwicklung in der Wissensgesellschaft
Die Fachbeiträge zur wissensbasierten Stadtentwicklung operationalisieren die Konzepte regelmäßig hinsichtlich Akteuren, Maßnahmen und Zielsetzungen und bewerten auf Basis dieses Analyseschemas die Performance von Städten. Häufig steht dabei die Identifikation von Good Practice auf Kosten einer umfassenderen Auseinandersetzung mit den theoretischen Grundlagen im Vordergrund. Vor dem Hintergrund des Anspruchs an eine fundiertere Auseinandersetzung wurde mit Kapitel 2 eine erste wissenssoziologische Grundlage geschaffen, welche in den folgenden Abschnitten um spezifisch raumorientierte Elemente erweitert wird. Hierzu werden die KBUD-Konzepte nach ihren materiellen (Abschnitt 3.2.1) und immateriellen Bausteinen (Abschnitt 3.2.2) systematisiert dargelegt. Im Anschluss wird die regelmäßige Kombination der vorgestellten Bausteine zu praxisorientierten Maßnahmenpaketen dargestellt sowie Spielarten der wissensbasierten Stadtentwicklung kurz skizziert (Abschnitt 3.2.3). Die kritische Beurteilung des Konzepts wird in Abschnitt 3.2.4 dargestellt, in Abschnitt 3.2.5 folgt das dritte Zwischenfazit zu räumlichen Konfiguratioen vor dem Hintergrund der Wissensgesellschaft.
3.2.1
Materielle Bausteine
Wissenseinrichtungen Hochschulen19 , Forschungseinrichtungen sowie Einrichtungen der höheren Bildung werden zum »leading actor« (Etzkowitz 2002: 2), da sie Innovation ermöglichen und zu Wachstum und Entwicklung beitragen. Dies stellt eine jüngere Entwicklung dar. Als Treiber von Innovation galten längere Zeit marktorientierte Unternehmen. Die Erwartungen an insbesondere Hochschulen beschränkten sich daher vormals weitgehend auf die Versorgung mit Bildung und die nachfragebasierte Stimulation der lokalen Wirtschaft. Hechler et al. (2018) bezeichnen diese Funktionen als Anwesenheits- und Nachfrageeffekte. Diese konnten durch die reine Existenz der Hochschule bereits als erfüllt angesehen werden.20 Die Hochschulforschung konstatiert hier einen Wandel hinsichtlich in der Nutzenbewertung: Die Erwartung von Anwesenheits- und Nachfrageeffekten wird zunehmend ergänzt
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Hechler et al. (2018) heben hervor, dass es sich bei Hochschulen um keine Organisationen handele. Hochschulen entsprechen eher einer »organisierten Anarchie« und sind geprägt von der Gleichzeitigkeit kollegialer und hierarchischer Steuerungsmuster, die nach innen als auch nach außen nur lose gekoppelt sind (Hechler et al. 2018:90). Trotzdem werden Hochschulen sowohl in der Forschung z. B. zu der third mission, Triple Helix, Engaged University als Organisation konzipiert. Glückler et al. (2018) untersuchten Nachfrageeffekte der öffentlichen Universitäten BadenWürttemberg und ermittelten, dass die staatliche Erstfinanzierung mit einem Faktor von mehr als zwei in der regionalen Wirkung multipliziert werden kann.
3. Stadtentwicklung und Wissensgesellschaft
durch Erwartungen an Aktivitätseffekte. Dieser Begriff umfasst eine Vielzahl neuer Funktionen von Hochschulen: •
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Wissenserneuerungsfunktion: Hochschulen entfalten eine »Antennenfunktion« und absorbieren globale Wissensströme in die Region (Mecklenbrauck 2015: 91). Dadurch befördern sie Wissensproduktion und -validierung und den Austausch bzw. die Erneuerung der lokalen Wissensbasis. Über Hochschulen werden die jeweilige Sitzorte in »überregionale Kontaktschleifen« eingebunden (Hechler et al. 2018: 14). Wissenstransferfunktion: Interaktionen zwischen Hochschulen, FuE-Einrichtungen und Unternehmen bergen Potenziale für die Verbesserung lokaler Wettbewerbsfähigkeit. Hochschulen gelten in diesen Interaktionsnetzwerken als »engines of innovation« (Yigitcanlar et al. 2008: 65). Der früher als Einzelbeziehung organisierte Austausch zwischen den systemischen Akteursgruppen transformiert sich zu längerfristigen strategischen Partnerschaften (Schneider et al. 2015). Motoyama und Mayer (2017) warnen diesbezüglich vor einem unkritischen Hype um Hochschulen. Deren Einfluss auf die ökonomische Entwicklung im Sinne der Umwandlung von Forschungsergebnissen in Start-ups und Spin-offs bzw. des Technologietransfers werde oftmals überschätzt. Hochschulen seien wichtige Akteure, am Beispiel USA werde jedoch deutlich, dass die Bedeutung sich eher in der traditionellen Ausbildungsfunktion manifestiere. Sozial und kulturell-orientierte Kooperationsfunktionen: Kooperationen bearbeiten zunehmend gesellschaftspolitische Aufgaben. Im angelsächsischen Raum wird dies als »Third Mission« bezeichnet und meint den Anspruch, über Forschung und Lehre hinaus zur gesellschaftlichen Entwicklung beizutragen. Regelmäßige Bausteine sind Weiterbildungsangebote, Wissenschaftskommunikation sowie der bereits genannte Wissens- und Technologietransfer (Ziegenbein 2007). Über das neuerliche Engagement im Third MissionBereich findet eine offensive Selbsteinordnung der Hochschulen in die lokale Wissenslandschaft statt. Hochschulangehörige präsentieren sich nun als ansprechbare ExpertInnen anstatt als WissenschaftlerInnen im Elfenbeinturm und entwickeln Expertise im Aufbau von lokalen Wissensplattformen, in welchen das Wissen der Wissenschaftsgemeinschaft für Bedarfe des lokalen Umfelds fruchtbar gemacht werden kann (Hachmeister et al. 2016). Mit diesem neuen Tätigkeitsfeld wird die skizzierte Legitimations- und Verwertbarkeitskrise der Wissenschaften adressiert (Vgl. Kapitel 2.1). Forschende verweisen an dieser Stelle auf konflikthafte Implikationen der neuen Rollen (»crisis or oppurtunity« (Harloe und Perry 2004: 213): Die durch die Öffnung zur Gesellschaft entstehenden »places of expectation« müssen in einen Aus-
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Stadtentwicklung in der Wissensgesellschaft
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gleich mit den für den Erkenntnisprozess notwendigen »spaces for reflection« gebracht werden. Diese Prozesse seien nicht konfliktfrei (ebd.: 212). Kostenorientierte Kooperationsfunktion: Kooperationen werden nicht nur hinsichtlich des Wissensaustauschs angestrebt, sondern auch bezogen auf die gemeinsame Nutzung von Gebäuden und (Forschungs-)Ausstattung. Schneider et al. (2015: 192) betonen die kostenorientierten Vorteile, die sich durch »Größendegressionseffekte, Reichweiteneffekte, die Optimierung des Integrationsgrades sowie durch das Teilen von Risiken« und einen potenziell schnelleren Erkenntnisfortschritt erzielen lassen. Identitätsfunktion: Hochschulen und deren räumlichen Strukturen werden zunehmend als identitätsstiftende Orte verstanden. Gerade in der verdichteten Stadt existiere ein Bedarf an Räumen mit einer klaren Identität, die sich zunehmend auch auf die Sichtbarkeit der lokalen Wissenschaftslandschaft bezieht (Fusi 2016). Räumlichen Strukturen und der Architektur wissenschaftlicher Einrichtungen kommt ein hoher Symbolwert zu, diese sollen nun auch zur baulichen Identitätsbildung einer wissensbasierten Stadt beitragen. Neben Hochschulgebäuden sind es auch Bibliotheken oder Schulen, die aktuell hohe Aufmerksamkeit erfahren (Bauwelt 2019a; Bauwelt 2019b). Demografie-Funktion: Hochschulen entfalten positive Wirkung auf die Bevölkerungszusammensetzung und Sozialstruktur in ihrer Umgebung. Hochschulstandorte verfügen über einen höheren Anteil an Jüngeren, welcher sich im Stadtbild, den Nutzungen und anhand eines studentischen Flairs bzw. städtischer Lebendigkeit niederschlägt (Moritz 2016) und als »Verödungshemmnis« wirken (Hechler et al. 2018: 13). Dieses demographische Potenzial hat jedoch eine Kehrseite: Hochschulstandorte sehen sich regelmäßig mit der Herausforderung konfrontiert, junge AbsolventInnen in den lokalen Arbeitsmarkt zu integrieren und dauerhaft an den Standort zu binden (Moritz 2016). Aus Perspektive lokaler Unternehmen stellt sich demgegenüber die Frage nach der Qualität der universitären Ausbildung sowie deren Passgenauigkeit für die Anforderungen der späteren beruflichen Tätigkeit (Fromhold-Eisebith 2009).21
Neben diesen Aktivitätseffekten, die Hochschulen für ihre Sitzstadt entwickeln können, wird die Sichtbarkeit auch für die Hochschulen selbst zu einem relevanten Faktor. Dies resultiert zum einen aus der erwachenden Kooperationsfreudigkeit
21
An diesem Punkt entspannt sich nicht nur für Unternehmen und zwischen Eltern und Kindern, sondern auch gesellschaftlich die Frage nach den Motiven der (universitären) Ausbildung: Der Wunsch des Menschen, Sinn zu erfahren und selbstmotiviert an der Bildung der eigenen Persönlichkeit zu arbeiten, wird insbesondere seit der Bologna-Reform als (idealistisches) Gegenbild zu einem aus Gründen der späteren Verwertbarkeit aufgenommenen Studiums wahrgenommen und ausgespielt (Mittelstrass 2017).
3. Stadtentwicklung und Wissensgesellschaft
der Hochschulen, zum anderen aus der Wettbewerbssituation, in der sich Hochschulen nunmehr ebenfalls wiederfinden. Diese konkurrieren um Forschungsgelder, WissenschaftlerInnen, Studierende und KooperationspartnerInnen. Spektakuläre Wissensarchitekturen sollen deren Streben nach Exzellenz baulichen Ausdruck verleihen. Schiller (2015 o. S.) bezeichnet dies als den Umzug »vom Elfenbeinturm in den Leuchtturm«; Wissenseinrichtungen profitieren ihrerseits insofern nicht nur vom »knowledge turn«, sie befeuern diesen. Lokale Wissensökonomien Hochschulen stellen nur eine Akteursgruppe der lokalen Wissensbasis und damit der KBUD dar. Ebenfalls als hoch relevant gelten Unternehmen der Wissensökonomien. Wissensökonomie meint alle Unternehmen, in deren Kern die Nutzung, Umwandlung und der Austausch von Wissen, Informationen und wissensbasierten materiellen Gütern steht (Vgl. Abschnitt 3.1.1). Die Innovationsfähigkeit von Unternehmen gilt als wichtiger Motor von Stadtentwicklung, das Vorhandensein wissensintensiver Arbeitsplätze und Unternehmen als Grundvoraussetzung für den Erfolg wissensorientierter Entwicklungsstrategien (van Winden et al. 2007). Diese Bausteine dienen daher regelmäßig als Benchmark (Yigitcanlar und Lönnqvist 2013). Insofern nehmen Fragen nach der Steigerung der Innovationsfähigkeit und der Organisation innovativer Prozesse einen hohen Stellenwert in den KBUD-Konzepten ein. Analog zur wissenschaftlichen Wissensproduktion, die sich von einer spezialisierten und disziplingebundenen Wissensproduktion zu einer gleichzeitig inter- und transdisziplinären erweitert hat (Vgl. Kapitel 2.1), wird ebenfalls für ökonomisch orientierte Innovationsprozesse die Zusammenführung heterogener Wissensbasen, die in unterschiedlichen Sektoren bzw. unternehmensinternen und -externen Akteure der Wertschöpfungskette verteilt sind, als wesentlich erachtet (Kujath und Stein 2009). Als Ermöglicher für eine Kombination gilt soziale und räumliche Nähe. Zielsetzung einer KBUD-Entwicklungsstrategie ist deshalb die Ansiedlung und Vernetzung von Wissenschaftseinrichtungen, FuE-intensiven bzw. wissensintensiven Unternehmen und Branchen (Yigitcanlar et al. 2008; Franz 2009). Eine Umsetzung erfolgt häufig über eine Clusterpolitik oder über sogenannte Triple-Helix-Strategien (Vgl. Abschnitt 3.2.2) sowie Ansätze der wissensbasierten Stadtentwicklung, die die Förderung lokaler Wissensökonomien mit weiteren Maßnahmen aus dem Bereich Events, Imagebildung und baulichen Ansätzen kombinieren. Der Clusteransatz ist dabei keinesfalls voraussetzungsfrei: Die Ausgangssituation (Struktur, Diversität und Innovationsfähigkeit der lokalen Ökonomie) beeinflusst neben dem Vorhandensein von Wissenseinrichtungen, welche Städte sich überhaupt zu »knowlegde-based cities« weiterentwickeln können (Yigitcanlar et al. 2008; van Winden 2010; Gabe et al. 2012). An dieser Stelle wird deutlich, dass eine wis-
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Stadtentwicklung in der Wissensgesellschaft
sensbasierte Stadtentwicklung auf endogenen Potenzialen aufbaut (Kühn 2004). Ein solcher Ansatz fußt daher, wie Gerhard und Hölscher (2017) hervorheben, auf dem Matthäus-Effekt, d. h. frühere Erfolge und Leistungen determinieren die Wahrscheinlichkeit für neue. Hochqualifizierte Hochqualifizierte bilden eine zentrale Säule des KBUD-Konzepts, sind doch ihre kognitiven Fähigkeiten Grundvoraussetzung von Wissensproduktion. Sie gelten als die entscheidende Ressource entwickelter Volkswirtschaften. Aufgrund des Charakters von Wissen als sozialem Phänomen wird in geplanten und ungeplanten Begegnungen ein Potenzial für Wissensaustausch und Wissensspillover22 ausgemacht. Der Begriff Hochqualifizierte wird in den Forschungsansätzen unterschiedlich definiert: über den höchsten Bildungsabschluss (Gabe et al. 2012), die ausgeübte Tätigkeit (»cognitive-cultural workers«) (Scott 2011) oder die jeweilige Branche (Hochtechnologie, hochwertige und wissensintensive Dienstleistungen, kulturelle Bereiche) (Yigitcanlar et al. 2008). Aus diesen unterschiedlichen Definitionen resultieren verschiedene Handlungsstrategien, wie u. a. die Ansiedlung von Hochschulen, den Ausbau von Bildungs- und Betreuungsinfrastrukturen als auch von Weiterbildungsangeboten und Clusterpolitiken. Zielsetzung ist es, Hochqualifizierte nicht nur temporär anzuziehen, sondern langfristig am Standort zu halten. Deren Freiheiten in der Standortwahl (aufgrund eines großen Angebots an Arbeitsmöglichkeiten als auch der Informations- und Telekommunikationstechnologien) befördere den Wettbewerb zwischen Städten. In dieser wahrgenommenen Konkurrenzsituation liegt eine Ursache, dass sich ebenfalls Kommunen mit den kognitiven, sozialen und räumlichen Aspekten von Wissensproduktion und Wissensanwendung auseinandersetzen (Mecklenbrauck 2015). Hochqualifizierte sind insofern Motor und gleichermaßen Ziel wissensbasierter Stadtentwicklungsstrategien, was sich in einer Orientierung auf antizipierte Raumansprüche von Hochqualifizierten manifestiert. Geringer Qualifizierte sind ebenfalls integraler Bestandteil der Konzepte, diese stellen das »Bodenpersonal der Globalisierung« (Breckner 2004, zit. nach Matthiesen und Mahnken 2009: 9) und sind damit unverzichtbarer Teil einer wissensbasierten Stadt, jedoch seltener die Adressaten einer dementsprechenden Stadtentwicklungspolitik. Einige Forschende versehen daher die regelmäßige Proklamation eines nichtexklusiven Wissensverständnisses mit einem Fragezeichen, Scott (2014: 293) konstatiert daran anschließend das Fortbestehen aufgespalteter Arbeitsmärkte. ProtagonistInnen seien jedoch nicht mehr ArbeiterInnen und Angestellte, sondern
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Unter Wissensspillover werden ungerichtete Verbreitungswirkungen innovativen Wissens verstanden (Glückler 2010).
3. Stadtentwicklung und Wissensgesellschaft
WissensarbeiterInnen und Kreativschaffende sowie Beschäftigte des ServiceProletariats. Diese soziale Spaltung vollzieht sich analog im räumlichen Feld. So erkennt Helbrecht (2011: 5) »neue Intoleranzen« gerade von Hochqualifizierten, die sich in sozioräumlichen Abschottungsformen materialisieren. Eine Stadtpolitik, die sich an dieser Entwicklungsfolie ausrichte und die soziokulturellen als auch räumlichen Bedürfnisse von Hochqualifizierten präferiere, verstärke den Ausschluss benachteiligter Bevölkerungsgruppen durch die einseitige Förderung ohnehin Privilegierter (ebd.). Auch Knight (1995), der Wissen als emanzipatorische Kraft begreift, warnt vor einer Bevorzugung von »high-level knowledge« und plädiert für einen Ausgleich zwischen den verschiedenen Wissensformen. Prädestiniert für diesen Ausgleich seien Städte aufgrund deren Eigenschaft als Orte des Zusammentreffens des Globalen und Lokalen: »Cities can play a major role in restoring a balance between high-level, global knowledge and low-level, local knowledge. The task is basically twofold: to democratize knowledge by developing different types of knowledge and making knowledge more accessible; and to humanize knowledge by integrating high-level knowledge and universal values of a scientific nature with low-level knowledge and local values of a cultural and ecological nature« (ebd.: 241). Von zentraler Bedeutung sei die Neubewertung und Stärkung des lokalen Wissens, dem jedoch beständig der Makel des unwissenschaftlichen und unrelevanten angeheftet würde. Er formuliert hier insofern Ansprüche an die Politik, Prozesse des »enabling« und des »empowerments« zu fördern, und warnt vor einer sich elitär und exklusiv auswirkenden Ausgestaltung einer KBUD. Gebaute Umwelt Der gebaute Raum ist in dreifacher Hinsicht ein strategisches Handlungsfeld der KBUD-Konzepte: Zum einen wird die Erwartung geäußert, dass sich der gesellschaftliche Wandel zur Wissensgesellschaft im gebauten Raum widerspiegle (Stichwort Wissensarchitekturen mit Symbolwert); zum Zweiten wird der gebaute Raum selbst zu einem Faktor der Wissenserzeugung und Wissensweitergabe erklärt; und drittens werden räumliche Qualitäten als interkommunaler Wettbewerbsfaktor benannt und ausgebaut. Aus der ersten Perspektive wird die gebaute Umwelt als Materialisierung gesellschaftlicher Strukturen verstanden. In ihr zeigen sich gesellschaftliche Relevanzen, sowie gleichzeitig das gesellschaftlich Unbeachtete. Die Wissensgesellschaft nimmt vermehrt – so die Annahme – in zunehmenden Maßen Einfluss auf den gebauten Raum (IBA 2018b). Bauliche Zeugen dieses Perspektivwandels sind bspw. neue Campusentwicklungen wie die Entwicklung des urbanen Hochschulstandorts Belval (Leick et al. 2020), von Stararchitekten entworfene Wissenschaftsbauten wie das durch das Büro Zaha Hadid realisierte Library & Learning Center der WU Wien
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Stadtentwicklung in der Wissensgesellschaft
(WU Wien o. J.), Bibliotheksbauten mit Landmark-Charakter wie in Kopenhagen oder Oslo (Bauwelt 2019a) als auch inklusive Lernlandschaften (Altstadt Nord in Köln) und pädagogische Architekturen (Reallabor STADT-RAUM-BILDUNG 2016; Bauwelt 2019b). Der Zusammenhang zwischen gebauter Umwelt und Wissen beschäftigt gleichermaßen Akteure des politisch-administrativen Systems und Wissenseinrichtungen. So setzen sich letztgenannte ebenfalls zunehmend mit den Potenzialen von Architektur für Wissensgenerierung, der räumlichen Vernetzung von Gebäuden und Standorten, mit Fragen der Erreichbarkeit, Nutzungsmischung und Dichte sowie der Verknüpfung von Wissenschaften und Stadtgesellschaft auseinander (Kunzmann 2004; Mecklenbrauck 2015; Schiller 2015). Dieses neuerliche Interesse steht im Kontrast zur langjährigen Praxis deutscher Campusplanung und -entwicklung. Diese war gekennzeichnet durch die Herauslösung der Campi aus deren Zusammenhängen mit den Innenstädten.23 Kunzmann (2004) konstatiert vor diesem Hintergrund ein geringes Interesse der Hochschulen an ihrem lokalen Umfeld. Es fänden sich nur vereinzelt integrierte Bauten, städtebaulich oder stadtentwicklungspolitische Überlegungen der jeweiligen Stadtregierungen zur (Re-)Integration fanden bei früheren Campusplanungen kaum Berücksichtigung. Die räumliche als auch soziale Herauslösung aus urbanen Kontexten war insofern ebenfalls für die Hochschulentwicklung der Suburbanisierungsjahre charakteristisch. Diese Tendenzen wurden durch den fehlenden Problemdruck und die Nicht-Zuständigkeit von Hochschulen für die Erstellung der Gebäude gestützt.24 Hier hat sich ein Wandel eingestellt. Zum einen rücken, wie bereits konstatiert, Fragestellungen nach geeigneten räumlichen Arrangements für Prozesse des Wissenserwerbs und der Wissensweitergabe in den Fokus von Hochschulen. Urbane Kontexte gelten diesen nun ebenfalls als vorteilhaft: Das Urbane, das seit Jahrhunderten als »Ort der Möglichkeiten« gilt, wird nun auch für Hochschulen zunehmend zum »Ort der Wahrscheinlichkeiten« (Merk 2018 o. S.). An diese Umdeutung des Verhältnisses von Hochschule und Raum schließt sich die (Wieder-)Entdeckung der Kooperationsneigung durch die Hochschulen an. Der Aufbau transdisziplinärer Strukturen der Wissensproduktion mit Akteuren außerhalb des eigenen institutionellen als auch räumlichen Umfelds wird nun aktiv vorangetrieben (Lisowksi et al. 2011; MWK 2013; Mecklenbrauck 2015; Schiller 2015; Hechler et al. 2018). Der gebaute Raum wird zu einem ermöglichenden Faktor von Kooperationen als auch für Wissenserzeugung und -weitergabe erklärt. 23
24
Ursächlich hierfür waren strukturpolitische Zielsetzung als auch ein Mangel an bezahlbaren Flächen für eine Expansion der Hochschule bzw. Neuansiedlung in innerstädtischen Lagen (Kunzmann 2004). Die Universitätsgebäude fallen als landeseigene Liegenschaften in das Zuständigkeitsgebiet der jeweiligen Landesbauämter, d. h. die Hochschule hat weder aufgrund des Flächeneigentums noch der Bauherreneigenschaft begründete Handlungsmöglichkeiten.
3. Stadtentwicklung und Wissensgesellschaft
Zum anderen existieren, wie oben bereits dargestellt, ausgelöst durch den Wettbewerb um exzellente WissenschaftlerInnen, Studierende und Fördermittel, neue Dringlichkeiten aufseiten der Hochschulen. In diesem Wettbewerb sieht sich manche Hochschule bedingt durch fehlende Expansionsmöglichkeiten, Wohnraumknappheit, Verkehrsprobleme, aber auch fehlender urbaner Qualitäten benachteiligt. Der daraus abgeleitete Handlungsdruck wird durch die KBUD-Konzepte adressiert und bearbeitbar – dies sowohl zum Nutzen der Wissenseinrichtungen als auch der Städte. Der räumliche Bezugsrahmen der KBUD-Konzepte ist neben der Mikroebene des Gebäudes und der Campusanlagen ebenfalls die Ebene der Gesamtstadt. Urbane, dichte und mischgenutzte Quartiere in sozialen, funktionalen und baulichen Dimensionen stellen neben hochkarätigen Wissenschaftsarchitekturen die räumliche Zielvorstellung wissensorientierter Stadtentwicklungsplanung dar. Wesentliche Bausteine dieser Quartiere sind verdichtete Stadtstrukturen mit kurzen Wegen, qualitätsvollen öffentlichen Räumen und identitätsstiftenden Bauten als auch Orten des Zusammentreffens und gemeinschaftlichen Lebens. Wissenseinrichtungen bilden in diesen Quartieren wesentliche identitätsstiftende Elemente (Kühn 2004; Kunzmann 2004; Ziegenbein 2007). Adressaten der Planung sind meist Hochqualifizierte und Mitglieder der neuen urbanen Klasse, von van Winden (2010: 100) als »the holy grail« bezeichnet, da exklusiv mit diesen Zielgruppen eine zukunftsfähige Stadtentwicklung verbunden werde. Die regelmäßig zu vernehmende Forderungen nach »quality of life and place« (Yigitcanlar et al. 2008: 66) und »urban amenities« (van Winden 2010: 100) stehen in diesem Kontext.25 Entsprechende Maßnahmen gelten als gerechtfertigt, da sie einen ökonomischen Nutzen generieren: »This policy can be classified as economisation: public investments in quality of life (in the form of culture, parks, public space) are being justified in economic terms: they help to attract or retain knowledge workers to the city« (ebd.: 101f.). Solche Quartiere, die durchaus auch für andere Teile der Bevölkerung attraktiv sein können, gehen mitunter mit einer Gleichförmigkeit in Gestaltung und einer Selektivität in der Nutzung einher: schicke öffentliche Freiräume, die oftmals allerdings als störend empfundene Nutzungen bspw. SkaterInnen ausschließen, hochpreisige, weil exklusiv ausgestattete Wohnungen oder der nächste Coffee- oder Craft-Bier-Shop entsprechen kaum den Möglichkeiten oder Bedürfnissen aller Stadtbewohnenden. Dieser selektiv wirkende Entwicklungstrend stabilisiert sich aktuell auch im Angesicht der Rückkehr der Wohnungsfrage.
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Die Annahme einer ausnahmslosen Urbanophilie von Hochqualifizierten und Kreativen wurde bereits frühzeitig durch WissenschaftlerInnen widersprochen. Diese Gruppe sei zu heterogen und zeige durchaus ebenfalls an suburbanen Lebensformen Interesse (Glaeser o. J.; Kühn 2004).
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Stadtentwicklung in der Wissensgesellschaft
Das politisch-administrative System Mit dem politisch-administrativen System existiert eine weitere Akteursgruppe, die über ihre spezifischen Ressourcen eine hohe Bedeutung für die Planung und Umsetzung der KBUD-Ansätze zukommt. So sind diese ein wichtiger Akteur der baulichen Umsetzung und befördern die organisatorisch-institutionelle Ausbildung einer KBUD. Fichter et al. (2004) heben diesbezüglich hervor, dass trotz des Multiakteursansatzes der wesentliche Akteur im Prozess des Capacity-buildings die Kommune ist. Sie stellt das »Bindeglied zwischen Wissensgenerierung und Handlungsstrukturierung« dar (ebd.: 312). Die Erläuterung zu Aktivitäten dieser Akteursgruppe (im Sinne immaterieller Bausteine einer KBUD) erfolgt in Abschnitt 3.2.2. Im Folgenden wird die Rolle des politisch-administrativen Systems als Akteur der wissensbasierten Stadtentwicklung erläutert. In dieser Rolle ordnen, beeinflussen und steuern Akteure des politisch-administrativen Systems – Stadtpolitik, planende Verwaltung als auch eingeschränkt öffentliche Unternehmen (Eckart et al. 2019; Erl et al. 2019; Gonser et al. 2019) – die städtische Entwicklung. Dementsprechend bedarf es für eine KBUD des Engagements des politisch-administrativen Systems; dieses nimmt eine aktive Rolle sowohl für die Konzeption, Planung als auch Umsetzung ein: »Policy makers provide vision, communication and trust for developing consensus for economic and urban development and knowledge diversification, especially through their ability to network with other individuals and institutions locally, nationally and globally« (Yigitcanlar et al. 2008: 71). Trotz Privatisierung, reduzierter Finanzmittel oder neuen Governance-Formen kommt der Kommune Handlungs- und Steuerungsmacht zu.26 Sie verfügt neben dem Instrumentarium der räumlichen Planung (Ganser 1991; Albers 1992; Ehrbeck 2006; Selle 2011) über weitere Möglichkeiten zur Integration von Akteuren, Themen und Perspektiven in die Stadtentwicklung. Die Kommune nimmt darüber hinaus eine wichtige Rolle für die Realisierung ein: Eine KBUD umfasst nicht nur den Aufbau belastbarerer Kooperationen und Netzwerke, vielmehr gilt es auch, die damit verbundenen städtebaulich-architektonischen Zielsetzungen umzusetzen (siehe Ausführungen zur gebauten Umwelt). Die räumliche Umsetzung einer KBUD ist mit einigen Risiken verbunden. Für die nicht-kommunalen Akteure sind es meist die immobilienwirtschaftliche Risiken, die es in Kombination mit einem »status quo bias« (Lord und O´Brien 2017: 227) bedingen, dass bauliche Maßnahmen von Privaten (aber auch von öffentlichen
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Neben der lokalen Ebene existieren weitere relevante Politikbereiche, die auf die Möglichkeiten für eine wissensbasierte Stadtentwicklungspolitik Einfluss haben. Hier sei an die Wissenschaftspolitik des Bundes, der Länder oder der EU erinnert oder an branchenspezifische Förderprogramme (Moritz 2016).
3. Stadtentwicklung und Wissensgesellschaft
Akteuren27 ) nicht unternommen werden und die Integrationstiefe der KBUD insofern gering ausfällt. Diesbezüglich wird auf das First-Mover-Problem28 verwiesen, das sich zu einem Belastungstest für die Leistungsfähigkeit der KBUD entwickeln kann. Die Kommune kann bspw. durch bau- oder planungsrechtliche Maßnahmen, die Gründung eines Zentrums für Wissenstransfer oder dem Neubau/der Sanierung von Wissensinfrastrukturen wie Bibliotheken oder Schulstandorten Impulse setzen und der Risikoaversion anderen Akteursgruppen entgegenwirken. Das politisch-administrative System ist potenziell auch die Akteursgruppe mit einer hohen und dauerhaften Loyalität zur KBUD: Entscheidungs- und Abstimmungswege im Vorfeld sind komplex und langwierig, mit Beschluss durch die Legislative entsteht ein zusätzlicher Handlungs- und Rechtfertigungsdruck, die Kommune kann notwendige Partnerschaften stiften und mit Ressourcen ausstatten.
3.2.
Immaterielle Bausteine
Netzwerke Die Etablierung von Netzwerken gilt als der Schlüssel für eine erfolgreiche wissensbasierte Stadtentwicklung. Netzwerke ermöglichen Austausch und Kooperation sowie die Nutzung von Ressourcen der KooperationspartnerInnen und fördern Lern- und Transferprozesse zwischen heterogenen Akteursgruppen (Gibbons et al. 1994; Lisowski et al. 2011; Matthiesen und Mahnken 2009; Yigitcanlar et al. 2008; van Winden 2010; Moritz 2016). Netzwerke existieren sowohl auf der individuellen als auch der systemischen Ebene. Über die Einbindung in Netzwerke sind Distanzen zwischen Wissensproduktion und Wissensnutzung schneller zu überbrücken (Fichter et al. 2004), »Innovationsräume« (Etzkowitz 2002) können entstehen und »sozial robustes Wissen« kann generiert werden (Nowotny 2006: 33). Netzwerke werden in der Forschung als Systeme von Beziehungen mehrerer Akteure mit formellem bzw. informellem Charakter definiert. Die Struktur von Netzwerken wird durch das Verhalten der Akteure, deren Interdependenzen und Machtbeziehungen sowie der Intensität der Beziehungen bestimmt (Hechler et al. 2018). Netzwerke sind nur selten stabil, sowohl informelle als auch formelle Netzwerke sind dynamisch (Glückler 2010). Netzwerke gelten sowohl in der Forschung als auch Praxis als soziofunktionale Voraussetzung regionaler Entwicklung.29 Zahlreiche Konzepte wie Industriedistrikte, Cluster, Kreative Milieus, Ler27 28 29
An dieser Stelle sei daran erinnert, dass die Verantwortung für den Hochschulbau nicht bei den Kommunen, sondern bei den Ländern liegt. Als Risiken werden hohe Eingangskosten, Genehmigungsrisiken oder zeitlich verschobene Renditezeitpunkte angeführt (Lord und O’Brien 2017). Dabei existiert keine Einigkeit obgleich der Erfolgsaspekte von Netzwerken: Auf der einen Seite gelten kooperative und reziproke Beziehungen, die über eine kontinuierliche Koprä-
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Stadtentwicklung in der Wissensgesellschaft
nende Regionen oder Wissensstädte bezeugen die Prominenz und die mit dem Netzwerkansatz verbundenen Hoffnungen (Moritz 2016). Die beiden nachfolgend skizzierten Konzepte zur Wissensgenerierung in Netzwerken argumentieren aus zwei Perspektiven: Das Triple-Helix-Modell fokussiert auf den Output von Netzwerken, während das Modell Modus 2 die Prozessebene thematisiert. Mithilfe des Triple-Helix-Modells von Etzkowitz und Leydesdorff (1995) wird die Umwandlung von Inventionen in Innovation, im Sinne gerichteter Spillovereffekte, erklärt und ein Steuerungsangebot unterbreitet. Der Aufbau und die Qualifizierung von häufig formell institutionalisierten und dauerhaften TripleHelix-Netzwerken zwischen den systemischen Akteuren Wissenschaft, Wirtschaft und Staat ist daran anschließend eine geläufige KBUD-Maßnahme (van Winden et al. 2007; Yigitcanlar et al. 2008; McCartney et al. 2010). Gibbons et al. (1994) verstehen ihrerseits die Wissensgenerierung im Modus 2 als komplex und ungeordneten Prozess der Wissenserzeugung, der von einem Nebeneinander multipler Formen und Zeiten gekennzeichnet ist. Die Weiterentwicklung zu einem formellen Netzwerk aus Wissenschaft-Staat-Wirtschaft ist denkbar, jedoch nicht zwingend. Nowotny (1999: 66) argumentiert im Rückbezug auf die Diversifizierung der Wissensproduktion gegen die schlechterdings formulierte Erwartung gerichteter Spillovereffekte durch Hochschulen: »Wissenserzeugung ist nicht mehr das Privileg einer besonderen Art von Institution, von der ein spill-over oder spin-off-Effekt auf andere Bereiche erwartet wird. Sie hat sich vielmehr von den Universitäten über die ganze Gesellschaft ausgebreitet. In diesem Sinn ist sie zu einem Prozeß (sic!) geworden, der sich über viele Orte der Gesellschaft erstreckt. « Wissensgenerierung in Netzwerken: Das Triple-Helix-Modell Das Triple Helix Modell von Etzkowitz und Leydesdorff (1995) modelliert einen netzwerkbasierten Innovationsprozess, in dessen Zentrum die Kooperation und der Wissenstransfer zwischen Akteuren aus der Wissenschaft, Wirtschaft und Kommune stehen.30 Die ursprünglich bilateral organisierten Beziehungen werden
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senz aufgebaut wurden, als Quelle langfristiger Kooperationsgewinne. Auf der anderen Seite gelten demgegenüber Rivalität, Wettbewerb und opportunistische Strategien als Erfolgsaspekte von Netzwerken (Glückler 2010). Etzkowitz (2002) unterscheidet drei Phasen des wissensbasierten Entwicklungsprozesses: In Phase 1 entsteht durch die räumliche Konzentration von FuE-Aktivitäten ein Wissensraum (Knowledge Space), in Phase 2 wird daraus ein Übereinstimmungsraum zwischen den Akteuren der drei Subsysteme geschaffen (Consensus Space), in welchem Ideen, Konzepte und Strategien entwickelt werden. In Phase 3 entsteht ein Innovationsraums (Innovation Space), in welchem Organisationsformen und Instrumente zur Umsetzung der Strategien entwickelt werden.
3. Stadtentwicklung und Wissensgesellschaft
zu einem trilateralen Beziehungsgeflecht. Daraus resultiert eine partielle Überlagerung der Aufgabenfelder bei gleichzeitiger Unabhängigkeit und Gleichrangigkeit (Moritz 2016). Die Mobilisierung akteurspezifischer Ressourcen im Rahmen dichter Interaktions- und Kommunikationsoptionen zwischen den Subsystemen erhöhe, so die Erwartung, die Innovationsfähigkeit und leiste damit einen positiven Beitrag für die Wettbewerbsfähigkeit. Anschließend an diese Überlegungen zu Innovationsdynamiken durch die Kooperation zwischen Subsystemen kann die Unterscheidung in kumulative und kombinatorische Wissensdynamiken vorgenommen werden. Gesellschaftliche Subsysteme zeichnen sich durch spezifische institutionelle, organisationale, technologische oder kognitive Wissensbasen aus. Im Falle kumulativer Wissensdynamiken sind Distanzen zwischen dem Wissen der Akteure und damit die Schnittmengen größer und Reibungswiderstände geringer. Kumulative Wissensdynamiken schaffen daher in geringerem Maß innovatives Wissen als vielmehr Gelegenheiten für die Vertiefung der vorhandenen Wissensbasis, dies dann meist innerhalb der Subsysteme. Im Falle kombinatorischer Wissensdynamiken sind die Distanzen zwischen den Wissensbasen groß. Falls die Überbrückung der Distanzen, meist zwischen Subsystemen, gelingt, kann neues Wissen entstehen (Rösslein 2019). Eine Triple Helix generiert Optionen, Distanzen zwischen Subsystemen produktiv zu nutzen. Das System Wissenschaft gilt hier meist als wesentlicher Impulsgeber für Inventionen. Unternehmen sorgen für eine zügige Umwandlung in Innovation und stimulieren durch ihre Forschungsund Wissensbedarfe wissenschaftsgetriebene Inventionsprozesse, die lokale Regierung schließlich fördert die Zusammenarbeit der Systeme mittels regulativer Steuerungsinstrumente und finanzieller Anreize und unterstützt die Netzwerkbildung (Mecklenbrauck 2015). Eine Triple-Helix kann sowohl bottom-up entstehen bzw. top-down initiiert werden (Etzkowitz 2002), wobei Gonzalez et al. (2009: 30) betonen, dass es zwingend eines »Treibers« bedarf. Diese Beziehungen bedürfen intrinsischer Motivation (Fichter et al. 2004), die aktuellen Beispiele von WissenschaftStadt-Kooperationen in Deutschland bestätigen dies (Gerhard et al. 2020b). Die Notwendigkeit einer formellen Institutionalisierung wird unabgeschlossen diskutiert (Hilkmann 2017)31 , wobei diese wie Fichter et al. (2004) am Beispiel
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Drei Typen der Institutionalisierung sind zu unterscheiden: Typ II (Laissez-faire Modell) und Typ III (Triple-Helix 3) kommt für marktwirtschaftlich organisierte Volkswirtschaften die höchste Bedeutung zu (Etzkowitz und Leydesdorff 1995). Von Typ II zu III gewinnt die lose Verbindung zwischen den drei Subsystemen an Stärke. Im Modell III überlappen sich die Subsysteme, trilaterale Netzwerke und hybride Organisationen können sich ausbilden (Böschen 2004). Die Begrifflichkeit Triple Helix verweist auf die Instabilität der Verbindung, die sich von der stabilen Doppelhelix unterscheiden. Es sind a priori keine Aussagen möglich, ob eine Verbindung aufgebaut wird und welchen Grad der Stabilität diese erreicht (ebd.).
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von Wissensmilieus hervorheben, die Durchsetzungsfähigkeit, d. h. die Fähigkeit zum strategischen Handeln, erhöhen kann. Das Triple-Helix-Modell wurde zwischenzeitlich um die Sphäre der Bevölkerung bzw. der Medien zum Quadruple-Helix-Model erweitert (Carayannis und Campbell 2009). Der Fokus des erweiterten Modells liegt auf der Überwindung der Distanz zwischen Innovationen und Bürgerschaft. Die Bevölkerung benennen ebenfalls Fromhold-Eisebith und Meusburger als relevante Akteursgruppe: Fromhold-Eisebith (2009) betont mit ihrem Modell der »Wissensregionen«, dass die Akteursgruppe der lokalen Bevölkerung als Trägerin lokaler Identität in die Prozesse der wissensbasierten Entwicklung einbezogen werden müsse. Diese müsse den Entwicklungsansatz mittragen. Ähnlich argumentiert Meusburger (2016), der in der Einstellung der lokalen Bevölkerung zu Wissenschaft und Forschung eine entscheidende Größe für die Identität als Wissenschaftsstandort bzw. Wissenschaftsstadt ausmacht. Wissensgenerierung in Netzwerken: Modus 2 Das Konzept von Gibbons et al. (1994) thematisiert ebenfalls veränderte Prozesse der Wissensproduktion. Im Fokus steht die vernetze Wissensproduktion in transdisziplinären Kontexten (Modus 2), die die disziplinäre Wissensproduktion zunehmend ergänzt. Diese neue Form reagiert auf gesellschaftlichen Herausforderungen und ermöglicht Lösungsstrategien unter Beteiligung verschiedener Akteure aus unterschiedlichen institutionellen und sozialen Kontexten zu entwickeln. Die institutionellen Grenzen, die kennzeichnend für Modus 1 sind, werden im Modus 2 durchlässiger. Der Modus-2-Forschungsprozess ist temporär, die Problemdefinition und Lösungsstrategien sowie -aktivitäten erfolgen in konkreten Anwendungskontexten transdisziplinär zwischen Forschungsakteuren und -subjekten wie Politik, Wirtschaft und gesellschaftlichen Interessengruppen. Die Anwendbarkeit des erzeugten Wissens steht im Vordergrund, gesellschaftlich robustes Wissen ist das Ziel (Gibbons et al. 1994). Häufig erfolgt Modus-2-Wissensproduktion in zeitlich befristeten Projektteams und Netzwerken heterogener Akteure, die jeweils das erzeugte Wissen in ihre spezifischen Kontexte zurückspielen (Matthiesen und Bürkner 2004). Die durch die AutorInnen ausgelöste Debatte wurde und wird kritisch rezipiert und hatte Auswirkung auf die institutionalisierten Wissenschaften als auch die Wissenschaftspolitik. Die in Abschnitt 4.1 vorgestellten Reallabore sind hierfür ein gelungenes Beispiel (MWK 2013). Während das Triple-Helix-Modell bzw. der Ansatz Modus 2 die veränderten Prozesse der Wissensproduktion analysieren und konzeptionell fassen, richtet sich mit den Konzepten der Wissensmilieus (Kühn 2003; Matthiesen und Bürkner 2004) und des Local Buzz (Bathelt et al. 2004) der Fokus stärker auf die Raumwirkung sowie die Raumbindung der verschiedenen Trägergruppen von Wissen.
3. Stadtentwicklung und Wissensgesellschaft
Wissen-Raum-Verhältnis: Wissensmilieus Mit den Konzepten der wissensbasierten Stadtentwicklung wird die Bedeutung des spezifischen Ortes, von sozialer Dichte und räumlicher Nähe für Innovation und Wissensproduktion hervorgehoben: »New knowledge always starts as local knowledge. It is created in particular places and contexts« (Meusburger 2015: 91). Diese sozioräumlichen Faktoren gelten als förderlich für die Herausbildung innovativer Milieus, die als raumgebundene Komplexe mit starken sozialen Innenbeziehungen und informellem Netzwerkcharakter verstanden werden (Kühn 2004), wobei Außenbeziehung ebenfalls von Bedeutung sind (Bathelt et al. 2004). Wissensmilieus bezeugen die Diskursverschiebung des Nähe-Begriffs: Während vor wenigen Jahrzehnten der Einfluss räumlicher Nähe und Dichte32 hervorgehoben wurde, trifft dies mittlerweile stärker auf soziale Nähe und Dichte zu. Soziale Dichte im Sinne der Anzahl an Interaktionen und Begegnungsmöglichkeiten und der Existenz ausgeprägter Binnenkommunikation heterogener Akteure hat sich infolge zur wichtigen Bezugsfolie entwickelt, was sich u. a. am Erfolg des Wissensmilieu-Ansatzes in der planerischen Praxis zeigt (Kühn 2004). Es wird versucht, Einrichtungen und Unternehmen der Wissensgenerierung und -anwendung sowie die Bereiche Arbeiten, Wohnen und Freizeit räumlich zu konzentrieren, kurze Wege und zahlreiche ungeplante bzw. geplante Begegnungsmöglichkeiten sowie Kommunikationsmöglichkeiten zu schaffen (ebd.).33 Matthiesen und Bürkner (2004) verweisen auf Basis ihrer empirischen Analyse auf die notwendige Differenzierung der Wissensmilieus. Nicht für alle Milieutypen sei gleichermaßen ein Bezug zu lokalen Fühlungsvorteilen und dem potenziellen Anregungspotenzials spezifisch urbaner Orte zu belegen. Ein »one-size-fits-it-all-Ansatz« sei daher für die Förderung von Wissensmilieus ungeeignet. Zu dieser Debatte haben Asheim und Gertler (2005) mit ihrer Analyse unterschiedlicher Wissensbasen entschieden beigetragen und herausgearbeitet, dass nicht alle Wissensformen hochurbane Umwelten benötigen (Asheim und Gertler 2005; Martin und Moodysson 2011).
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Empirische Studien zu Technologie- und Wissenschaftspark haben diese Diskursverschiebung empirisch bestätigt und aufgezeigt, dass trotz räumlicher Nähe wenig Interaktion zwischen den angesiedelten Unternehmen stattfand (Kühn 2003). Kunzmann (2004) verweist in diesem Kontext auf zwei miteinander verbundene Problemlagen: Im Falle der Entwicklung im Bestand droht eine Verdrängung angestammter Nutzungen wie bspw. Wohnen sowie die soziale Vereinheitlichung. Im Falle der Neuentwicklung stellt sich die Herausforderung der Planbarkeit funktionierender mischgenutzter Standorte, die eine längere Zeitdauer benötigen, bis sie das Flair gewachsener Wissensmilieus entwickeln. Ob die Herausbildung innovativer Milieus durch Planung überhaupt gefördert werden kann, wird regelmäßig angezweifelt (Kühn 2003; Kunzmann 2004).
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Wissen-Raum-Verhältnis: Local Buzz Ein weiteres Konzept im Zusammenhang mit der räumlichen Konzentration von WissensträgerInnen und Unternehmen ist der »local buzz« (Bathelt et al. 2004; Jähnke 2009). Local buzz wird ebenfalls durch Face-to-face-Kontakte und Ko-Präsenz von Menschen und Unternehmen sowie deren ortsgebundene Kommunikations- und Interaktionsstrukturen begünstigt. Local Buzz wirke unterstütend auf Prozesse der Wissensgenerierung und befördere die Entstehung von Innovationen (Bathelt et al. 2004). Der Buzz bedarf keiner gerichteten Förderung; er entsteht, wenn sich genügend Unternehmen und Personen an einem Ort aufhalten und es zu geplanten bzw. ungeplanten Austausch kommt (z. B. durch unternehmerische Beziehungen, soziale Infrastrukturen usw.): »In this context, actors are not deliberatly ›scanning‹ their environment in search of a specific piece of information but rather are surrounded by a concoction of rumors, impressions, recommondations, trade folklore and strategic information« (Bathelt et al. 2004: 38 nach Grabher 2002). Neben den lokalen Wissensspillover-Effekten (local buzz) betonen die Autoren die Notwendigkeit überregionaler Verbindungen für Innovation. Forschungs- und Entwicklungskooperationen (global pipelines) über große Entfernung sind Quellen für die Erschließung neuen Wissens und vermeiden Lock-in-Effekte.34 Analog wird im Kontext der wissensbasierten Stadtentwicklung ebenfalls hervorgehoben, dass neben der viel gerühmten Nähe auch der Ferne eine Bedeutung zukommt. Relationale Distanz ermöglicht Lernprozesse durch Fremdheitserfahrung, während über relationale Nähe Bezüge und Vergleiche hergestellt werden können (siehe kombinatorische und kumulative Wissensdynamiken). Kombiniert generieren sie Potenziale, wobei deren Verhältnis nicht final bestimmbar ist (Hechler et al. 2018). Häussermann und Roost (2000) verweisen in diesem Kontext auf die Konzentration von Global Playern in großen Städten und den dort gleichermaßen existierenden leistungsfähigen externen sowie internen Kommunikations- und Informationsnetzen. In den Konzepten der wissensbasierten Stadtentwicklung nehmen Hochschulen eine Funktion für den Aufbau der Wechselbeziehungen zwischen »local buzz« und »global pipelines« ein. Hochschulen sind durch ihre Forschungstätigkeit (»cutting edge«) extern vernetzt. Durch ihre Einbindung im Kontext einer KBUD werden zugleich die Beziehungen mit dem räumlichen Umfeld in städtebaulicher, institutioneller als auch ökonomischer Hinsicht gestärkt.
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Im Gegensatz zu den lokalen Spillover-Effekten von Wissen ist der Aufbau überregionaler Partnerschaften regelmäßig mit dem Einsatz von Ressourcen verbunden und erfordert strategische Planung. Potenzielle Partner müssen identifiziert, Vertrauen aufgebaut und »Übersetzungsleistungen« erbracht werden, bevor das externe Wissen internalisiert und für den eigenen Innovationsprozess genutzt werden kann (Bathelt et al. 2004).
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Räumliche Planung Einige Städte nutzen die Konzepte der wissensbasierten Stadtentwicklung als strategische Leitbilder und Umsetzungsvehikel für ihre ökonomischen, sozialen sowie planerischen Zielsetzungen. Mecklenbrauck (2015: 49) bezeichnet eine KBUD insofern als »raumzeitliche Konkretisierung« kommunaler Zukunftsperspektiven. Für die Umsetzung dieser Leitvision genügen weder die »Instrumente noch die Philosophie« traditioneller Wirtschaftsförderung bzw. herkömmliche Planungsinstrumente: weder die Standortanforderungen hochinnovativer Unternehmen noch die der viel beschworenen Wissensmilieus sind mit diesen Instrumenten adäquat zu bearbeiten (Fichter et al. 2004: 309). Eine wissensbasierte Stadtentwicklung bedarf in ihrer Planung als auch Umsetzung insofern eines integrierten Ansatzes – die Anforderungen sind zu komplex und in ihren Zuständigkeiten zu verteilt, als dass sie über eine sektorale Perspektive zu bearbeiten wären. Städte beschäftigen sich insofern mit der Suche nach geeigneten Steuerungsinstrumenten für eine integrierte Entwicklung (Fichter et al. 2004; Yigitcanlar et al. 2008), van Winden (2010: 101) bezeichnet dies als »knowledge turn in urban policy«. Dieser zeige sich in einer Umdeutung von Aufgaben der planenden Verwaltung, einer Anpassung der strategischen Stadtentwicklungspolitiken und manifestiere sich sowohl in räumlichen, institutionellen, organisatorischen und symbolischen Dimensionen. Wesentliche Neuerungen seien die gezielte Förderung des Konglomerats Wissen sowie die Orientierung auf WissensarbeiterInnen durch die Kommunen (siehe »Hochqualifizierte«), was die Ausbildung einer neuartigen Querschnittsperspektive auf Stadtplanung, Wirtschaftsförderung, Kultur- und Bildungsförderung, Infrastrukturbereitstellung erfordere. Damit einher geht die Anforderung, neue Bearbeitungspraxen und Governance-Arrangements zu etablieren, über welche gleichzeitig wissensbasierte Stadtplanung als auch Stadtentwicklung betrieben werden kann. Die IBA Wissen|schafft|Stadt kann als ein Vehikel zur Entwicklung dafür notwendiger Querschnittsperspektive begriffen werden. Governance Vor dem Hintergrund des Bedeutungswandels des Konglomerats Wissen bilden sich neue Governance-Arrangements aus (Vgl. Abschnitt 3.1.2). Mittels dieser kann eine notwendigerweise kooperative wissensbasierte Stadtentwicklung organisiert werden. Es gilt, heterogene Akteure mit ihren jeweiligen Eigeninteressen für eine gemeinsam geteilte Zielsetzung zu motivieren, Netzwerke zu schaffen und handlungswillige bzw. -fähige Koalitionen zu etablieren. Dafür unabdingbar ist die Entwicklung geeigneter Regelungsstrukturen und Institutionen (GovernanceCapacity). Fichter et al. (2004) unterscheiden drei Kernbereiche einer wissensorientierten Governance Capacity: Die augenscheinlich bedeutendste Governance-
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Stadtentwicklung in der Wissensgesellschaft
Dimension einer KBUD ist die »intellectual capacity«, welche das Vorhandensein und die Stärkung der Ressource Wissen adressiert. »Social capacity« adressiert die Fähigkeiten zum vertrauensvollen35 Umgang und zur Kooperation, welche elementar für den Aufbau sozial robuster Strukturen sind. Die dritte Dimension der »political capacity« betrifft das politische Durchsetzungsvermögen einer KBUD, welches »social capacity« zur Grundlage hat. Vor dem zielgerichteten politischen Handeln steht insofern ein sozialer Verständigungsprozess, der auf belastbaren Vertrauens- und Solidaritätsbeziehungen basiert. Aus diesen drei Dimensionen speise sich die für eine wissensbasierte Stadtentwicklung entscheidende Fähigkeit der Entwicklung kollektiver Problemlösungskompetenzen im Sinne eines »enablings« und »empowerings« (ebd.: 310). Trotz einer notwendigerweise multiakteursbezogenen Perspektive kommt der Kommune eine wichtige Rolle im Prozess des Capacity-buildings zu: tradierte Verfahren der politischen Zielfindungen und -erreichung verändern sich durch die Integration neuer Akteure und die Anerkenntnis deren Bedarfe und Interessen, bestehende formelle und informelle Institutionen als auch kommunale Steuerungsinstrumente und Verfahren sind daraufhin zu überprüfen und anzupassen (Fichter et al. 2004). Ferner sind belastbare Netzwerke mit Gestaltungsräumen außerhalb administrativer Grenzen zu etablieren (McCartney et al. 2010). Die Kommune spielt dabei eine wichtige Rolle. Eine besondere Bedeutung für die Ausbildung und Gestalt von GovernanceArrangements nehmen Institutionen ein. Der Institutionenbegriff wird häufig synonym zu Organisation verwendet, ist jedoch von diesem abzugrenzen. Institutionen bezeichnen in den Sozialwissenschaften formelle und informelle soziale Normen, die Stabilität produzieren, jedoch selbst veränderlich sind (Martin 2009; Perry 2011). Institutionen bilden einen Rahmen, welcher »Regeln definiert, deren Einhaltung man von anderen erwarten kann und sich selbst zumuten lassen muß (sic!), konstituiert Akteure und Akteurskonstellationen, strukturiert ihre Verfügung über Handlungsressourcen, beeinflußt (sic!) ihre Handlungsorientierung und prägt wichtige Aspekte der jeweiligen Handlungssituation, mit der der einzelne Akteur sich konfrontiert sieht. Der institutionelle Rahmen umschließt jedoch nicht alle Arten von Handlungen und handlungsrelevante Faktoren, und er bestimmt auch dort, wo er gilt, Handlungen nicht vollständig« (Mayntz und Scharpf 1995 zitiert nach Kreuzer und Scholz 2011: 73). Institutionen können
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Die AutorInnen bieten eine Differenzierung an: »characteristic-based trust« meint auf gemeinsamen Werten und Traditionen basierende Vertrauensverhältnisse, »institutionally based trust« adressiert das Systemvertrauen, das sich auf durchsetzungsstarke (staatliche) Institutionen stützt, während »process based trust« positive Kooperationserfahrungen betont (Fichter et al. 2004: 319) (Siehe Abschnitt 5.3.2).
3. Stadtentwicklung und Wissensgesellschaft
in regulative, normative und kognitive Institutionen unterschieden werden. Letztgenannte bezeichnen nicht mehr hinterfragte Handlungsroutinen, normative Institutionen basieren auf bestimmten Werten und Normen; Akteure handeln aufgrund eines moralischen Anspruchs. Regulative Institutionen entsprechen niedergeschriebenen Regeln. Bei Nichtbeachtung von Institutionen drohen den Akteuren Sanktionen. Institutionen sind u. a. über den Forschungsansatz des akteurszentrierten Institutionalismus zu analysieren. Analog zum Governance-Ansatz steht in den Forschungen zu Institutionen das Zusammenwirken von Akteuren in multiplen Konstellationen (Ursachen und Beweggründe des Handelns bzw. Nichthandelns) im Vordergrund. Mittels der Perspektive eines akteurszentrierten Institutionalismus können der institutionelle Rahmen des Akteurshandelns (im Sinne formaler und diskursiver Macht), Handlungsressourcen (verstanden als persönliche Fähigkeiten, Sachkenntnisse, soziales Kapital als auch kommunikative Kompetenzen sowie materielle und autoritative Ressourcen), Handlungsorientierungen (differenziert in kognitive (im Sinne von Wahrnehmung, die sich strukturierend auf Handlungsoptionen und erwartbare Ergebnisse auswirkt) und motivationale (umfasst nutzenorientierte, normorientierte und identitätsorientierte Antriebe zum Handeln)) sowie relationale Interaktionsorientierungen und Handlungsarten unterschieden werden (Kreuzer und Scholz 2011). Über diese analytische Differenzierung kann das Akteurshandeln im institutionellen Rahmen charakterisiert und ein tieferes Verständnis über die Governance einer wissensbasierten Stadtentwicklung entwickelt werden. Branding Eine KBUD wird durch Kommunikations-, Marketing- und Branding-Maßnahmen flankiert. Die Leitvision ist wettbewerbsorientiert, es gilt das entsprechende Image in Konkurrenz zu anderen Standorten aufzubauen. Die Marketing-Aktivitäten zielen dabei gleichsam auf WissenschaftlerInnen, Studierende, Hochqualifizierte und Unternehmen als auch Fördermittelgeber (Yigitcanlar et al. 2008; van Winden 2010; Lisowski et al. 2011; Kunzmann 2012). Mit den KBUD-Konzepten wird die Notwendigkeit der Profilschärfung und des Stadtmarketings betont – das Image selbst wird zu einem wesentlichen weichen Standortfaktor. Eine KBUD erfordere daher Branding-Maßnahmen zur Profilschärfung: »The image of a city is generally recognised as a significant soft location factor for companies and people, and cities deploy increasingly sophisticated marketing and branding techniques to change their image in the ›right‹ direction. In their external presentation, cities typically seek to associate themselves with knowledge and creativity. (…) In their brochures for foreign investors, many cities stress the quality of local knowledge assets (number of students, skilled labour force, uni-
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versities, etc.). Moreover, events are used to support and sustain the urban image as ›knowledge city‹« (van Winden 2010: 105). Das Branding richte sich dabei nicht exklusiv an externe Zielgruppen, ebenfalls seien für eine erfolgreiche KBUD an die Stadtgesellschaft gerichtete Kommunikations- und Marketingmaßnahmen wichtig. Mit Verweis auf den Erfolgsfaktor der lokalen Unterstützung dieser Entwicklungsvision betonen Lisowski et al. (2011) den Unterschied zwischen einem Wissenschaftsstandort und einer Wissenschaftsstadt: BürgerInnen und andere lokale Akteure müssen die lokalen Wissenseinrichtungen kennen, sich mit ihnen identifizieren und diese als Teil des städtischen Lebens schätzen. Fromhold-Eisebith (2009: 216) warnt ihrerseits vor einer allzu beliebigen Nutzung des Wissensbegriffs als Element des Stadtmarketings. Der Begriff verliere durch eine Beliebigkeit in der Nutzung seine Wirkkraft insbesondere nach innen – Wissen verkomme zur Leerhülse.36 Es bedarf daher kritischer Auseinandersetzungen mit dem potenziellen Leitthema »Wissen« durch die Zivilgesellschaft und die Stadtpolitik als auch eines politischen Bekenntnisses zum Leitbild sowie einer Priorisierung in den kommunalen Verantwortungsbereichen (Fromhold-Eisebith 2009; Meusburger 2016). Der Aufbau eines belastbaren Images als Wissenschaftsstadt benötigt positive Erfahrungen und vermarktbare Ergebnisse – das erfolgreiche Branding als Wissenschaftsstadt setzt die Existenz und das Funktionieren einer integrierten akteurs- und sektorübergreifenden Entwicklungsstrategie voraus. Ein kooperatives Stadtmarketing als Wissenschaftsstadt kann dementsprechend aus umgedrehter Perspektive Baustein einer akteursübergreifenden Governance sein, anstatt lediglich das Instrument einer aufgehübschten Außendarstellung.
2.3.3
Umsetzungsformen und Spielarten
Die Konzepte einer wissensbasierten Stadtentwicklung entsprechen einer – wie anhand der Bausteine verdeutlicht – themen- und akteursübergreifenden Gesamtstrategie. In der kommunalen Praxis erfolgt häufig eine, durch die lokalen Ausgangbedingungen beeinflusste, Kombination der verschiedenen Bausteine. In der Literatur werden vier Profilierungsansätze unterschieden, in der Praxis treten diese jedoch meist in hybrider Form auf (Lisowski et al. 2011; Mecklenbrauck 2015; Hilkmann 2017):
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Das von ihr erarbeitete Konzept der »Wissensregion« entspricht im Angesicht ihrer Kritik daher einem Instrument, mit dessen Hilfe über die spezifischen lokalen Ziele und Ausgangsbedingungen der Regionalentwicklung reflektiert werden kann, und erst nachgeordnet ein Instrument der ökonomischen Entwicklung über das Leitthema Wissen (Fromhold-Eisebith 2009: 216).
3. Stadtentwicklung und Wissensgesellschaft
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Der Eventansatz fokussiert auf die symbolische Dimension einer KBUD und nutzt vorwiegend marken- und identifikationsbildende Maßnahmen. Zielsetzung ist die Erlebbarkeit von Wissen, bspw. über Maßnahmen der Wissenschaftskommunikation oder Eventformate mit Unterhaltungs- und Lehrwert. Dieser eher kurzfristig orientierte Ansatz wird typischerweise von einer Vielzahl von PartnerInnen aus allen gesellschaftlichen Bereichen getragen (z. B. Nacht der Wissenschaften). Der Image-Ansatz ist langfristig orientiert und umfasst Branding-Strategien und Kommunikationsmaßnahmen, über die das Bild einer Wissenschaftsstadt erzeugt und vermittelt werden soll. Im Gegensatz zum Eventansatz ist die Zusammenarbeit der PartnerInnen strategisch anstatt projektbasiert, Ziel ist der Aufbau dauerhafter kooperativer Strukturen. Der Cluster-Ansatz fokussiert auf Profilbildung des (Wissenschafts-)Standorts (z. B. Lebenswissenschaften, IKT oder grüne Technologien). Es gilt die lokale Wissensbasis zu erhöhen, die Innovationsfähigkeit der lokalen Akteure zu stimulieren und Synergien zwischen diesen zu befördern. Dafür werden lokale Kompetenzfelder identifiziert und sowohl bauliche als auch netzwerkbasierte Maßnahmen zur Stärkung dieser Kompetenzfelder entwickelt. Die thematische Fokussierung gilt im ersten Schritt als herausfordernd, ermöglicht jedoch im Weiteren eine strategische Standortprofilierung (z. B. beim Anwerben von Unternehmen und Wissenseinrichtungen oder dem Einwerben von Fördermitteln) (Mecklenbrauck 2015). Der Cluster-Ansatz ist eine Strategie mit langfristiger Perspektive sowie vielen Beteiligten. Instrumente sind neben kommunalen Cluster-Politiken Instrumente der Transfer-, Gründungs- sowie Technologieförderungen der Länder bzw. des Bundes. Ziel des baulichen Ansatzes ist die Präsenz und Erlebbarkeit von Wissen und Wissenschaften im Stadtraum (z. B. Bibliotheken, Wissenschaftsgebäude, Schulen, Wissenseinrichtungen mit öffentlichkeitsbezogenen Nutzungen usw.). Ebenfalls bearbeitet werden städtebauliche Maßnahmen in wissenschaftsbezogenen Quartieren wie z. B. die Stärkung urbaner Qualitäten bspw. durch die Mischung mit Wohn- und Freizeitnutzungen, Gestaltung öffentlicher Räume, Verbesserung der Anbindung von Wissenseinrichtung an die Stadtzentren oder aber die Neuansiedlung von Wissenseinrichtungen in zentralen Lagen. Die Wirkung dieses Ansatzes ist langfristig, der Ansatz bedarf einer geringen Anzahl an PartnerInnen. Die Planungen als auch die Umsetzung sind zeit- und ressourcenintensiv und setzen daher den Aufbau ressourcenstarker und belastbarer Partnerschaften voraus.
Die Konzepte der wissensbasierten Stadtentwicklung und deren regelmäßige Umsetzungsformen sind ebenso wie die nachfolgend skizzierten Spielarten Antworten auf den Strukturwandel von der Industrie- zur Wissensgesellschaft und werden
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als aktive Steuerungs- und Gestaltungskonzepte weltweit von Städten angewendet. Diese Konzepte erfahren allesamt eine Fülle positiver Zuschreibungen und verfügen über eine hohe Bekanntheit und Akzeptanz in der lokalen Praxis als auch bei Fördermittelgebern. Die drei im Folgenden skizzierten Spielarten beantworten die Frage nach den Treibern von Stadtentwicklung und den Möglichkeiten zur Gestaltung jeweils mit einem unterschiedlichen Fokus. Deren konzeptionelle Basis bildet jedoch der Begriff Wissen in seinen unterschiedlichen Bedeutungsfacetten. Daher sind die Spielarten ebenfalls als Stadtentwicklungskonzepte der Wissensgesellschaft zu verstehen und werden im Folgenden schlaglichtartig dargestellt. Kreative Stadt Die Hauptthese von Florida lautet – hier befindet er sich in einer Linie mit den Thesen zur Wissensgesellschaft –, dass die Ökonomien des 21. Jahrhunderts von kognitiven Ressourcen, insbesondere der Kreativität, dominiert sein werden. Die Fähigkeit zu Kreativität determiniere den Erfolg und das Scheitern von Unternehmen, Städten und Regionen. ProduzentInnen und TrägerInnen dieser Ressource sind »Kreative« – diese gelten als die »high potentials der Wissensgesellschaft« (Ziegenbein 2007: 108) und bilden eine »kreative Klasse«.37 Gemein ist diesen, dass ihren beruflichen Tätigkeiten kreative Prozesse zugrunde liegen. Kreativschaffende arbeiten häufig in atypischen Arbeitsformen (selbstbestimmt, projektbasiert, flexibel, entgrenzt) und haben einen Lebensstil, der mit diesen atypischen Arbeitsformen sozioräumlich korrespondiert (Glaeser o. J.), zudem gelten sie als hochmobil und hinsichtlich ihres Arbeitsortes flexibel (Carnoy 2000: 1).38 Auf Kreativität basierende Tätigkeiten, so die Annahme, haben daher kaum spezielle Anforderungen an harte Standortfaktoren. Auch wenn kreative Arbeit als hochmobil und geografisch entgrenzt verstanden wird, verknüpft Florida die Ressource Kreativität mit spezifischen Anforderungen an den Raum. So konstatiert er, dass sich attraktive Räume (im Sinne hoher bau-
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Florida (2005) unterscheidet dabei den »supercreative core« von den »creative professionals«. Erstere erschaffen in kreativen Prozessen stetig Neues, dies sind für ihn insbesondere WissenschaftlerInnen, DesignerInnen, KünstlerInnen aber auch UnternehmerInnen. Die Gruppe der »creative professionals« üben wissensintensive Tätigkeiten aus, die Tätigkeiten zielen aber nicht in erster Linie auf die Erschaffung von Neuem ab. Hier nennt er die Gruppe der ÄrztInnen, AnwältInnen oder ManagerInnen. Die in diesem Kontext zugesprochene soziale und räumliche Ungebundenheit und Flexibilität wird nicht nur von Forschenden kritisch rezipiert (Glaeser o. J.; Carnoy 2000). Auch die außerhalb der wissenschaftlichen Forschung geführten Diskussionen um die sogenannte Generation Y und deren, für manche Forschenden überraschenden, Ansprüche an Sicherheit sind Hinweise auf eine undifferenzierte Zuschreibung von Flexibilität und Mobilität (Zukunftsinstitut 2013).
3. Stadtentwicklung und Wissensgesellschaft
licher, soziokultureller und funktionaler Qualitäten) stimulierend auf das kreative Potenzial von Kreativschaffenden auswirken: »Quality of place cuts across three key dimensions: what’s there or the combination of the build environment and the natural environment, the setting it provides for the pursuit of creative lives; who’s there or the diverse kinds of people that can be found, signaling that everyone can make a life in a community; and what’s going on, the vibrancy of street life, cafe culture, arts, music, and outdoor activities« (Florida 2014: 203). Kreative Städte selbst zeichnen sich demnach über die drei Merkmale Technologie, Talent und Toleranz aus. Technologie meint das Vorhandensein technologieintensiver und hochinnovativer Unternehmen, die für ihre Wertschöpfung auf Hochqualifizierte angewiesen sind. Talent steht für jene ebendiese Wissensarbeitende, die in ihrer Tätigkeit die kognitive Ressource Kreativität mobilisieren. Unternehmen, so die Aussage Floridas (2005) folgen diesen Kreativen, aus einem »people follow jobs« wird ein »jobs follow people«. Toleranz steht für die Offenheit, Diversität und Vielfalt der Bevölkerung, die insbesondere in urbanen Kontexten existiert (Herrmann 2020). Eine Förderung dieser drei Ts sei zum Vorteil der Städte: Im Gegenzug für städtische Investitionen in »urban amenities« erfüllen die Mitglieder der kreativen Klasse die Erwartungen an ökonomische Entwicklung und Wohlstand: »because new technologies, new industries, new wealth and all other good economic things flow from it« (Florida 2005: 21). Die Thesen von Florida haben das Interesse der lokalen Stadtregierungen an Fragen der Stadtkultur, Stadtgestaltung und den Bedarfen von Kultur- und Kreativwirtschaften befeuert und eine Übertragung der Thesen in stadtpolitische und -planerische Strategien ausgelöst (Murphy und Redmon 2009; Grodach 2013). Die höhere Sichtbarkeit von Kunst und Kultur stellt eine positive Entwicklung dar, allerdings wird die kommunale Orientierung auf einen hoch selektiven Ausschnitt der Bevölkerung bzw. ökonomische Tätigkeitsbereiche von zahlreichen Forschenden als Treiber von urbanen Ungleichheiten benannt (Glaeser o. J.; Scott 2006; Evans 2009; Peck 2009; Novy und Colomb 2013; McLean 2014). Auch die Erwartungen von Spillover-Effekten werden hinsichtlich ihrer Entstehung und Nutzbarkeit für alle Bevölkerungsgruppen kritisch hinterfragt. Deren Entstehung sei fraglich, kaum zu planen und daher oftmals mehr Hoffnung als Realität (Murphy und Redmond 2009; Gyuris 2017). Evans (2009: 1005) kritisiert die Verführungskraft des Stadtentwicklungsansatzes39 und stellt heraus, dass analog zur KBUD be-
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Ein Faktor, der zur Popularität von Floridas Wirtschaftstheorie beigetragen haben dürfte: Er macht hochkomplexe gesellschaftliche Werte (Frage: Was ist Talent?) über statistische Verfahren mittels vereinfachter Indikatoren messbar (Antwort: Anteil der Menschen mit mindestens einem Bachelorabschluss).
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lastbare Erkenntnisse zur Wirksamkeit der Maßnahmen weiterhin fehlen. Evans (2009) und McLean (2014) verweisen auf die Entpolitisierung von Kunst und Kultur durch deren Einbindung in eine kreative Stadtpolitik und Nutzbarmachung als Element des »place brandings«. Smarte Stadt Unter dem Sammelbegriff Smart City werden technologiebasierte Entwicklungsund Maßnahmenkonzepte summiert, die darauf abzielen, städtische Prozesse effizienter und nachhaltiger zu gestalten. Zentrales Instrument ist eine umfassend vernetzte IKT, über welche intelligente Lösungen für eine integrierte Stadtentwicklung ermöglicht werden: »Smart Cities are territories with high capacity for learning and innovation, which is built-in the creativity of their population, their institutions of knowledge creation, and their digital infrastructure for communication and knowledge management. (…) It is ICTs in particular that undergird all of these networks and which lie at the core of the smart city idea« (Hollands 2008: 305f.). Die vernetzte IKT wird als maßgeblicher Treiber ökonomischer, sozialer und räumlicher Umstrukturierungs- und Transformationsprozesse angesehen und gilt als Ermöglicher einer nachhaltigen Stadtentwicklung (Hollands 2008; Caragliu et al. 2011; Derickson 2017; Romão et al. 2018). Durch die Generierung und Vernetzung von Daten aus den Bereichen Infrastruktur, Energie, Gebäude, Mobilität, Dienstleistungen oder Sicherheit seien Ressourcen effizienter einzusetzen und Emissionen zu reduzieren (z. B. durch intelligente Verkehrssysteme, App-basierte Mobilitätsangebote, Etablierung eines Abfallmanagements oder von Kreislaufwirtschaftssystemen). Zugleich erhöhe sich durch smarte Lösungen die wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit der Kommune, Geldmittel seien bedarfsgerechter einzusetzen bzw. einzusparen. Hinsichtlich der sozialen Dimension von Nachhaltigkeit erhöhe sich die Lebensqualität von StadtbewohnerInnen z. B. durch Zeit- und Kostenersparnis im Rahmen von E-Government, sauberer und sicherer städtischer Umwelten sowie neuen Partizipationsangeboten und einer Optionsvielfalt durch z. B. Sharing-Angebote. Durch die Anwendung der Smart City-Konzepte entstehen neue Formen von Urban Governance. Zum einen werden für die Erzeugung IKT-basierter Dienstleistungen große Datenmengen benötigt, die entweder bereits vorliegen oder mittels Sensoren, Wearables und Apps generiert werden und zentral vernetzt werden müssen. In einer steuernden Rolle finden sich daher in der Praxis vor allem große Unternehmen aus der IKT-Branche. Die Smart-City-Entwicklung charakterisiert
3. Stadtentwicklung und Wissensgesellschaft
Hollands (2008: 308) daher als ein dezidiert »business-led urban development«40 . Von Lojewski und Munzinger (2013: 10) stützen dies und verweisen auf das »fast vollständige Fehlen der eigentlichen Stadtakteure, welche die Stadt als Kristallisationspunkt von Leben, Arbeiten, Wohnen, Handel und Freizeit tagtäglich bespielen. Auch kommunale Akteure, welche Kraft ihres Mandats die öffentlichen Interessen vertreten, blieben weitgehend außen vor«. Auch Morozov und Bria (2017) verweisen auf die Gefahren einer unternehmensorientierten Entwicklung, mit welcher im Zuge der Privatisierung öffentlicher Aufgaben in anderen Kontexten bereits negative Erfahrungen gesammelt wurde.41 Für politische Anhänger dieses Entwicklungskonzepts erscheint durch den Umbau der Städte zu smarten Städten, in welchen in Echtzeit große Datenmengen erzeugt, erfasst, miteinander vernetzt und analysiert werden, das Versprechen der optimierten Stadtentwicklung jedoch weiterhin attraktiv. Die »wicked problems« (Churchman 1967 zitiert nach Hollands 2008: 309) erscheinen durch ein Mehr an Datenverfügbarkeit und -verarbeitung lösbar (zu den Potentialen auch Leydesdorff und Deakin 2011; Romão et al. 2018). Diese Entwicklungen werden jedoch ebenfalls kritisch begleitet: zur intrinsischen Partnerschaftslogik (Hollands 2008); den Gefahren technologieinduzierter Exkludierung (Caragliu et al. 2011); dem inhärenten Technikoptimismus42 und der Naturalisierung und 40
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Dies resultiert auch aus der Genese der Smart Cities als strategischer Geschäftsfelderweiterung international agierender Konzerne der IKT-Branche. Das Geschäftsfeld der Soft- und Hardwareproduktion wurde um Consultingdienstleistungen zur Optimierung von Abläufen innerhalb des privaten, aber auch des öffentlichen Sektors erweitert (Morozov und Bria 2017). Vor dem Hintergrund sich verschlechternder finanzieller Rahmenbedingungen von Städten im Zuge der polit-ökonomischen Restrukturierungen der letzten Jahrzehnte fanden die Unternehmen, die Einsparungen durch bessere Auslastung versprachen, schnell Gehör (Schipper 2010; Morozov und Bria 2017). Die hohen Kosten der Implementierung der Smart-City-Technologien sind wiederum auch meist nicht allein durch die Kommune zu tragen und werden mittels verschiedener Finanzialisierungsmodelle an die privaten PartnerInnen übertragen (Hollands 2008). Hier sind u. a. der Verzicht auf nötige Instandhaltung sowie hohe Nutzungsentgelte für die Bevölkerung bzw. die öffentliche Hand zu nennen. Beispielhaft ist hier die British Rail (Privatisierung seit 1994). Trotz hoher Ticketpreise verschlechterte sich der Instandhaltungszustand der Infrastrukturen stetig, was die Herausforderungen an die Vereinbarkeit sozialer, politischer und unternehmerischer Interessen bezeugt (Engartner 2009). Der Europäische Rechnungshof hat in seinem Gutachten von 2018 die Kommunen dazu aufgerufen, die Wirtschaftlichkeit öffentlich-privater Partnerschaften kritischer zu prüfen. Am Beispiel des Straßenbaus weist er darauf hin, dass der ÖPP nicht automatisch als die »wirtschaftlich tragfähige Option zur Verwirklichung öffentlicher Infrastrukturvorhaben angesehen werden« dürfe (Allgemeine Bauzeitung 2018). So verweisen Untersuchungen auf eine kognitive Dissonanz gerade hinsichtlich Nachhaltigkeit und damit auf die Differenz zwischen dem Wissen um Nachhaltigkeit und den der Nachhaltigkeitszielsetzung gegenläufige Folgen und Nebenfolgen des eigenen Handelns
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Entpolitisierung eines datenbasierten Smart City-Urbanism (Derickson 2018); demokratiebezogenen Fragestellung sowie der Daten- und Technologiesouveränität von StadtbewohnerInnen bzw. dem Kompetenz- und Steuerungsverlust des politischen Systems (Morozov und Bria 2017; Bauriedl und Strüver 2018). Partizipative Stadt Partizipation bezeichnet aus rechtlicher Perspektive die gesetzlich formalisierte Beteiligung von BürgerInnen an politischen Entscheidungen. Das Begriffsverständnis hat sich über die vergangenen Jahrzehnte jedoch gewandelt und umfasst heute mehr als die Teilnahme an Wahlen sowie die gesetzlich geregelten Anhörungsmöglichkeiten bei der räumlichen Planung. Partizipation meint aktuell mehr denn je nicht-formalisierte und dialogorientierte Beteiligung an Entscheidungen der Kommunalpolitik (Koch 2011; Meier 2018) (Vgl. Abschnitt 3.1.3). Partizipation aktiviert die Expertise von BürgerInnen und weiterer zivilgesellschaftlicher Akteure (Hebestreit 2013). Sie wird als Baustein »kollektiver Problemlösungskompetenz« angesehen (Fichter et al. 2004: 309) und dient gerade vor dem Hintergrund sich ausdifferenzierender Lebensentwürfe dem Auffinden und der Mobilisierung vielfältiger Wissensbestände für die Stadtentwicklung (Meier 2018). Die Zunahme von Partizipationsangeboten bezeugt daher den kommunalen Willen zum Aufbau von Kooperationen. Gleichzeitig erhöhen Maßnahmen einer partizipativen Stadt in dieser ersten Dimension ebenfalls den Ideen- und Wissenstransfer in die gegensätzliche Richtung und fördert so die Diffusion von Vorstellungen und Werten in den Diskursraum der nun einbezogenen Akteure (Agenda Setting-Funktion). Über die regelmäßig top-down konzipierten und organisierten Partizipationsangebote werden insofern gleichsam Widerstände beherrschbar (Koch 2011; Gomes de Matos 2013; Selle 2013). Gleichzeitig kann eine partizipationsaffine und damit bürgernahe Stadtentwicklung ein Marketinginstrument sein (Meier 2018). Über diese erste Bedeutung der Wissensgenerierung und dem Wissenstransfer hinaus kann eine zweite Bedeutungsdimension identifiziert werden. In dieser meint die partizipative Stadt die Mitwirkung von BürgerInnen an der Bereitstellung öffentlicher Güter, von welchen die Gemeinschaft in wirtschaftlicher, sozialer und demokratischer Hinsicht profitiert (Mayer 2002; Knorr-Siedow und Gandelsonas 2004). Diese Bedeutungsdimension wird im Zuge von Globalisierungs-,
(Brocchi 2015; Lavergne und Pelletier 2015; Harari 2018; Sorge 2018). Auch sei die Bilanzierung von Smart-City-Maßnahmen schwierig, autonomes Fahren könne sich ökologisch und siedlungsstrukturell kontraproduktiv auswirken. Zum einen werden für die Bereitstellung dieser Smart-Mobility-Angebote enorme Ressourcen benötigt, deren Kosten als Rebound-Effekt externalisiert werden, zum anderen können sie zusätzliche MIV-Fahrten induzieren (Bauriedl und Strüver 2018) und einen »splintering urbanism« befördern (Graham und Marvin 2009).
3. Stadtentwicklung und Wissensgesellschaft
Privatisierungs- und Deregulierungsprozessen ab den 1990er Jahren vermehrt diskutiert, als offensichtlich wurde, dass nicht alle Bevölkerungsgruppen von der Ausbreitung marktlicher Mechanismen profitierten. Während diese ungleichheitsverstärkenden Entwicklungen zunächst akzeptiert und gebilligt wurden43 , wurden sie erst im Kontext der wahrgenommenen Bedrohung für die »Leistungs- und Integrationsfähigkeit der Städte« bearbeitet (Knorr-Siedow und Gandelsonas 2004: 293)44 . Soziales Kapital, das als Nebenprodukt in horizontalen Netzwerken (u. a. Vereinen, Bürgerinitiativen, Partizipation und gesellschaftlichem Engagement) entsteht, wurde durch die Politik für eigene Zwecke entdeckt und instrumentalisiert. Mayer (2002: 35) stellt diesbezüglich fest, dass der lokale Staat seinen (politisch gewollten und vorangetriebenen) Rückzug nun mit einer strategischen Aufwertung der Zivilgesellschaft verknüpfe, indem er taktisch »lokale Beteiligungsformen mit so positiven Resultaten wie demokratischer Intensität und wirtschaftlichem Wachstum« verbinde. So treibe er im Zuge des Aufbaus kooperativer Netzwerke und Regelungsstrukturen den Rückzug aus früheren Verantwortlichkeiten voran. Diese Verschiebungen werden dabei meist als Potenzial-Diskurs markiert (Mayer 2002).45 Das seit 1999 durchgeführte Programm »Soziale Stadt« ist hierfür beispielgebend (BIBH 2017). Das stetig wachsende Angebot an Partizipationsmöglichkeiten bzw. auch die Aufforderung zur verantwortlichen Teilnahme an Stadtentwicklung in bei43
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Mayer (2002: 33) verweist hier auf das neue Selbstverständnis des Nationalstaates und von Städten. Die Kommunen, deren Aufgabe früher vorwiegend die Ausführung und Verwaltung nationalstaatlicher Politik oblag, sind nun direkt zum unternehmerischen Management, d. h. der Übertragung der Markt- und Wettbewerbslogik nach innen, und Initiierung von Wachstum und Ansiedlungen sowie neuen Kooperationsformen angehalten (Heeg und Rosol 2007). Die kritische Stadtforschung verweist diesbezüglich auf die Konstruktion des Wettbewerbs und der Konkurrenz, diese sei mehr eine politische Entscheidung als ein Sachzwang (ebd.; Schipper 2010). Während dieser Phase wurde Armut, Ungleichheit, Segregation und Polarisierung nicht mehr als unveränderliche Nebenwirkung wahrgenommen; diese galten nun als Barrieren städtischer Wettbewerbsfähigkeit (Mayer 2002). Städtische Problemlagen wie sozioökonomische Unterschiede, Arbeitslosigkeit oder abgehängte Quartiere gelten in diesen Ansätzen dann nicht als strukturell bedingt, sondern als das Resultat einer ineffektiven lokalen Governance und eines Mangels an sozialem Kapital. Im Zuge der Verbreitung des Governance-Ansatzes findet, so die Kritik von Mayer (2002), eine Naturalisierung der politisch induzierten Restrukturierungsprozesse statt: Der Umbau des »wellfare state« zum »workfare state« wird als objektive und unvermeidliche Entwicklung markiert, anstatt als neoliberale Deregulierungs- und Privatisierungspolitik benannt zu werden (ebd.: 46). Über die Betonung des sozialen Kapitals werde die Ausbreitung der Marktkräfte auch in bisher unzugängliche gesellschaftliche Bereiche gefördert (ebd.). Governance wird in diesem Zuge zum Baustein eines »roll-out«-Neoliberalismus, dementsprechende Maßnahmen und Prozesse dienten der Ausbreitung und Stabilisierung marktfreundlichen Institutionen (Peck und Tickell 2002).
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den Dimensionen erfährt trotz emanzipatorischer und demokratischer – und damit normativ positiv besetzter – Ansätze kritischen Widerhall. Die Kritik an der ersten Dimension bezieht sich auf die Prozessgestaltung, Legitimität und Qualität der Ergebnisse (Schützeichel 2010; Hebestreit 2013); Exklusivitätseffekte (Knorr-Siedow und Gandelsonas 2004; Helbrecht 2011; Selle 2013); die Übernutzung des Instruments Beteiligung (Meier 2018); fehlende Rückkopplungsprozesse zwischen partizipativ erzeugten Ergebnissen und politischen Entscheidungen und damit einer »Inszenierung von Beteiligung«46 (Selle 2013: 3); sowie als Ausdruck von Postpolitik (Gomes de Matos 2013). Hinsichtlich der zweiten Dimension wird zum einen die Individualisierung gesellschaftlichstruktureller Problemlagen und zum anderen die Anrufung zivilgesellschaftlicher Gruppierungen als reine Dienstleistungsagenturen und die damit zusammenhängende Vermarktlichung des Sozialen angeführt (Haus 2002; Mayer 2002).
3.2.4
Kritische Reflexion
Die Konzepte der wissensbasierten Stadtentwicklung erzeugen – getragen von hohen Erwartungen und einer Win-win-Rhetorik – auf lokaler Ebene hohe Aufmerksamkeit, in zahlreichen Städten existiert der Diskurs bzw. finden sich konzeptionelle Bausteine. Das Stadtentwicklungskonzept erfährt jedoch ebenfalls ein kritisches Echo. Dieser bezieht sich sowohl auf die konzeptionelle Ebene z. B. im Hinblick auf den Wissensbegriffs als auch auf die Auswirkungen einer auf Wissen orientierten Stadtentwicklungspolitik. Eine wissensbasierte Stadtentwicklung fokussiert auf Wissen als Ressource der Entwicklung. In allen diesbezüglichen Fachbeiträgen ist jedoch die Schwierigkeit erkennbar, den Begriff zu definieren und ihn sowohl für die empirische Forschung als auch die praxisbezogene Anwendung zu operationalisieren. Dies gilt nicht nur für das Verständnis des Begriffs, ebenso sind die Prozesse der Wissensgenerierung konzeptionell schwer zu greifen (Matthiesen und Mahnken 2009; Gabe et al. 2012; Meusburger 2015). Dies gilt für den Forschenden, der Prozesse der Wissensgenerierung Dritter kaum beobachten kann, als auch für die Beforschten selbst, die diesbezügliche Prozesse nur schwer reflektieren bzw. artikulieren können. Trotz umfangreicher Forschungsaktivitäten in unterschiedlichen Teilgebieten (u. a. Neurowissenschaften, Psychologie, Pädagogik, Informatik in den Teilbereichen Künstliche Intelligenz oder maschinellem Lernen) ist der Begriff Wissen und
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In politikwissenschaftlichen Disziplinen ist die rechtliche Anbindung der diskursiv erzeugten Partizipationsergebnisse strittig: GegnerInnen verweisen auf die produktive Entscheidungsferne und den Prüfauftrag demokratisch gewählter VertreterInnen, welche dem Gemeinwohl rechtlich verpflichtet sind. BefürworterInnen plädieren dafür, die Grenzlinie zwischen Zivilgesellschaft und Politik aufzuheben (Hebestreit 2013).
3. Stadtentwicklung und Wissensgesellschaft
der Prozess der Wissensgenerierung nicht abschließend definiert. Insofern wird auf Indikatoren zurückgegriffen.47 Die Förderung von Wissensproduktion mittels Maßnahmen einer KBUD operiert insofern mit (auch spekulativen) Annahmen anstatt mit gesichertem Wissen (van Winden 2010). Aufgrund der Herausforderung, den Prozess der Wissensgenerierung zu durchdringen, können die mäandrierenden Such- und Annährungsprozesse zu einem Verständnisproblem führen, in ein Planbarkeitsproblem münden und perspektivisch zu einem Legitimationsproblem werden. Ebenfalls uneinheitlich ist das Verständnis von WissensträgerInnen. Eine Definition existiert bislang nicht. In der Praxis als auch einigen Fachbeiträgen wird jedoch das Bild eines homogenen Personenkreises mit übereinstimmenden Ansprüchen gezeichnet. Jedoch haben Peck (2009) für die sogenannten Kreativen sowie Kühn (2004) für Wissensarbeitende in der FuE aufgezeigt, dass es sich keineswegs um homogene Gruppen mit gleichartigen Bedürfnissen handelt. Es werden entsprechend nicht unisono innerstädtische Lagen mit hoher Differenz und Heterogenität oder aber das Fahrrad als Verkehrsmittel bevorzugt; suburbane Lebensformen existieren gleichermaßen. Helbrecht (2011) verweist diesbezüglich auf neuartige Abschottungsbedürfnisse und -mechanismen in Reaktion auf die Risiken entgrenzter Arbeitswelten sowie die Entwicklung von Coping-Strategien. Zum anderen erfährt der Kreis der WissensträgerInnen ebenfalls hinsichtlich deren sozioökonomischem Status eine Homogenisierung. Jedoch zeigen und verstärken sich Polarisierungstendenzen: Neben hoch bezahlten existieren prekäre und schlecht entlohnte wissensintensive Arbeitsverhältnisse (Scott 2008; van Winden 2010; Hutton 2017). Auch die Vielzahl an unterstützenden und ermöglichenden Tätigkeiten wie Reinigungs- oder Pflegedienstleistungen seien kaum Bestandteil der Debatten um die Wissensgesellschaft, aber eine wesentliche Stütze ihrer Verbreitung und ihres Erfolgs. Kritisiert wird die ökonomische Aufladung von Wissen und Bildung. Deren Förderung erfolge in den vorherrschenden Logiken zweckgebunden und hinsichtlich ökonomischer Kriterien: »policy-makers tend to consider knowledge as a form
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Meusburger (2015) bedient sich bspw. der Unterscheidung von Input- (z. B. Daten) und Output-Indikatoren (wissenschaftliche Publikationen und Patente usw.). Matthiesen und Bürkner (2004) unterscheiden verschiedene gegenständliche Anwendungsbereiche von Wissen (Alltagswissen, Produktwissen, Expertenwissen, Reflexionswissen oder Local Knowledge). Asheim und Gertler (2005) sowie Martin und Moodysson (2011) ziehen zur Differenzierung der drei Wissensformen (analytisch, symbolisch und synthetisch) die Art der Wissenserzeugung, des Wissensaustauschs und die Wissensabsorption heran. Gabe et al. (2012) operationalisieren den Begriff auf Basis der Selbsteinschätzung von Wissensarbeitenden nach dem Anteil an bestimmten, an Disziplinen angelehnten Wissenstypen (u. a. chemistry, engineering, mathematics, arts, administration) an der beruflichen Tätigkeit.
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Stadtentwicklung in der Wissensgesellschaft
of capital with significant ›yields‹ for the urban economy, and knowledge institutions are seen as economic assets« (van Winden 2010: 105) und immer weniger aufgrund deren intrinsischen Bedeutung für den einzelnen, aber auch für die Gesellschaft in Gänze. Kreativität, Wissen und Talent erhalte vielerorts erst durch den Markt, d. h. durch monetäre Inwertsetzbarkeit, einen Wert. Dies kann sich auf die Akzeptanz lokaler KBUD-Prozesse auswirken. So verweisen Franz (2009) und Hechler et al. (2018) diesbezüglich auf Akzeptanzprobleme bei WissenschaftlerInnen. Für diese Gruppe habe das Ideal einer eigenmotivierten Forschung hohe Priorität, das Leitbild einer »entrepreneurial university«, wie es auch in einer KBUD mitschwingt, könnten insofern infrage gestellt werden. Eine grundsätzliche Bereitschaft, zur (wirtschaftlichen) Entwicklung in der Region beizutragen, bestehe in der Regel. Breiter Widerstand sei allerdings dann zu erwarten, »wenn in Forschung und Lehre zentrale Werte des Systems Wissenschaft den Interessen einzelner Unternehmen unterstellt werden sollten« (Franz 2009: 108f.). Die Institution Wissenschaft wolle nicht als Genius Loci und Standortfaktor im Wettbewerb instrumentalisiert werden (Hechler et al. 2018). Der Entwicklungsansatz wird von Forschenden hinsichtlich der konzeptimmanenten Blindheit für die Gesamtheit der urbanen Bevölkerung kritisiert. Nach van Winden (2010: 105) gehören nur ca. 30 % der Stadtbevölkerung zu der Gruppe der Hochqualifizierten, auf diese werden jedoch zunehmend städtische Strategien und Programme zugeschnitten. Hier warnt er analog zu Knight (1995), Kunzmann (2012) sowie Gerhard und Hölscher (2017) vor einer wissensinduzierten Segregation der Stadtgesellschaft. Gerhard und Marquardt (2015: 72) kritisieren die quasi-natürliche Verschränkung von Wissen und Nachhaltigkeit: »urban development is staged as a sustainable, classless and people friendly process – if only knowledge is the main factor of development«. Die Autorinnen folgen damit der Argumentation, dass durch die Nutzung des positiv besetzen Begriffs Wissen eine kritische Auseinandersetzung mit den Zielsetzungen und Maßnahmen von Stadtentwicklung (bewusst) erschwert werde. Ein KBUD-Konzept, das solche Fragen nicht bearbeite, trage dazu bei, dass Wissen, Bildung und Nachhaltigkeit zu zentrifugalen Kräften werden. Das Entwicklungskonzept befördere die Verbreitung neoliberaler Logiken, die der Maxime »Stärken stärken« folgen und die individuelle Verantwortung für Erfolg und Misserfolg betonen (Gerhard und Hölscher 2017: 154; Kühn 2004). Eine wissensbasierte Stadtentwicklung ist dann eher Ursache von urbanen Disparitäten als Teil der Lösung. Weiterhin verweisen Forschende auf das sich verändernde Gefüge zwischen Städten durch eine wissensorientierte und damit wettbewerbsorientierte Stadtentwicklung. Zwar wächst die Anzahl der Hochqualifizierten stetig, jedoch sind diese nicht homogen im Raum verteilt. Mit dem Begriff der Schwarmstadt werden Wanderungsbewegungen zugunsten weniger Agglomerationsräume bezeichnet, die von BerufsanfängerInnen mit Hochschulabschluss im Alter von 25 bis 34
3. Stadtentwicklung und Wissensgesellschaft
Jahren getragen werden (Empirica 2017). Die Implementierung eines erfolgreichen KBUD-Konzepts setzt jedoch das Vorhandensein einer kritischen Masse an Wissenseinrichtungen und wissensintensiven Unternehmen voraus. Die Zunahme eines interregionalen Wettbewerbs um Menschen, Unternehmen und Wissenseinrichtungen ist die Folge. Die Kehrseite wissensbasierter Konzentrationsprozesse sind insofern auch weitgehend abgehängte Städte und Regionen und eine Abkehr von der raumplanerischen Zielsetzung des regionalen Disparitätenausgleichs (Kühn 2004). Fichter et al. (2004: 333) verweisen auf die Gefahren der »Verflüssigung der geregelten Politik- und Planungsverfahren« durch die neuen wissensorientierten Steuerungsarrangements. Die Flexibilisierung diene, ungewollt oder absichtsvoll, vor allem den Interessen derjenigen, die sich in den wissensorientierten Wachstumskoalitionen organisierten. Damit entstehe das nicht unerhebliche Risiko, dass sich »Governanceprozesse mit exklusiven Effekten verbinden und aus der ›knowledge-gap‹ eine Demokratielücke« werde (ebd.: 333). Die AutorInnen argumentieren daher für ein sensibel austariertes Verhältnis zwischen einer MultiakteursGovernance und hoheitlicher Steuerung sowie Kontrolle. Rechtsichere Verfahren durch hierarchische Steuerung sollten strategisches und auf Kooperation ausgerichtetes Handeln ergänzen. Das Gemeinwohl, dem in erster Linie der lokale Staat verpflichtet ist und welches er durch seine Verfahren und Prozesse absichert, sei so gegenüber entscheidungsfreudigen und machtbewussten innovativen Milieus Geltung zu verschaffen (ebd.). Einige AutorInnen stellen den praktischen Nutzen wissensbasierter Entwicklungskonzepte infrage. Abgeleitete Maßnahmen lieferten nur spärlich belastbare Erkenntnisse (Mecklenbrauck 2015). Auch Fromhold-Eisebith (2009: 216) warnt davor, den Begriff allein aufgrund seiner verführerischen Rhetorik zu nutzen, der Begriff müsse gelebt werden: »Gelingt es nicht, eine schon so verbreitete Bezeichnung wie die ›Wissensregion‹ mit klaren Vorstellungen davon zu verbinden, welche Fortschritte sie für die Region und ihre Bürger de facto bringen kann, verliert der Begriff vermutlich bald auch seinen Wert für Marketingzwecke. Er wird dann zur beliebig bzw. ubiquitär einsetzbaren Leerformel.«
3.2.5
Zwischenfazit III
Mit Zwischenfazit I wurde zusammenfassend konstatiert, dass die Diagnose der Wissensgesellschaft zutreffend ist. Zwischenfazit II hat die Stadt als die geeignete Konfiguration für die Entfaltung des Konglomerats Wissen herausgestellt und erörtert, dass die neuen Wissen-Stadt-Kopplungen eine Anpassung von Governance-Arrangements auslösen. In Kapitel 3.2 wurde aufgezeigt, dass das
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Stadtentwicklung in der Wissensgesellschaft
Paradigma der Wissensgesellschaft mittels der Konzepte der wissensbasierten Stadtentwicklung »in Anwendung geht« und u. a. über Clusterpolitik, Wissenstransferprojekte, Events, Netzwerkarbeit als auch Architektur und räumliche Planung in Multiakteurskonstellationen konkretisiert und angewandt wird. Zusammenfassend kann festgehalten werden: Die Konzepte der wissensbasierten Stadt: •
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fassen Wissensinstitutionen als die Treiber der Stadtentwicklung. Das Konzept umfasst sowohl Wissenschafts- und Forschungseinrichtungen als auch dezentrale Orte der Wissensgenerierung und -weitergabe; analysieren den Beitrag des räumlichen auf Wissensgenerierung und wollen auf diesen steuernd einwirken; die Konzepte zielen gleichzeitig auf die Sichtbarkeit von Wissen in den Stadträumen; formulieren Partizipation als Ausdruck der Wertschätzung lokalen Wissens. Das Wissen aller Akteure ist zu integrieren, gleichermaßen profitiere jede/r von einer Konzentration auf Wissen als Faktor der Stadtentwicklung; binden WissensträgerInnen über Governance-Arrangements ein und setzen auf den Aufbau dauerhafter Partnerschaften; Kommunen kommt die Aufgabe der Rahmensetzung, Moderation und Stabilisierung zu; hinterfragen die Eignung der kommunalen Aufbauorganisation (dies zeigt sich u. a. am Beispiel der Zielsetzung »urban amenities«) und suchen nach neuen Steuerungsmöglichkeiten bei veränderten Akeurskonstellationen.
Die Leitbilder der kreativen, der smarten und der partizipativen Stadt ergänzen die KBUD um weitere Akteure, Themen und Potenziale. Sie: •
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legen den Fokus auf Kreative als Motor von Entwicklung. Diese beeinflussen als TrägerInnen kreativer Potenziale die Ansiedlungsentscheidung von Unternehmen (»jobs follow people«); benennen Big Data und eine digital vernetzte Stadt als Ermöglicher einer optimierten und nachhaltigen Stadtentwicklung zum Mehrwert von StadtnutzerInnen; betonen die Wissensbestände aller StadtbewohnerInnen und entwerfen Instrumente zu deren Mobilisierung und Nutzung.
Aufgrund der querschnittsorientierten Perspektive und den Anforderungen an Integration, die mit einer wissensbasierten Stadtentwicklung verbunden sind, ist eine Einbindung und Vernetzung neuer Akteure und die Aktivierung vielfältiger Wissensbestände und Kompetenzen notwendig. Städte suchen daher nach Möglichkeiten, diejenigen Akteure zu identifizieren und über neue Formate zu mobilisieren, die über das nunmehr benötigte, erweiterte Planungswissen verfügen. Wissensba-
3. Stadtentwicklung und Wissensgesellschaft
sierte Stadtentwicklung bedingt, so die theoriebasierte Annahme, die Entstehung neuer Governance-Arrangements und die Ausbildung neuer institutioneller und organisationaler Schnittstellen und Praktiken bei veränderten Akteursverhältnissen. Zur Überprüfung dieser Annahmen werden im empirischen Teil der Arbeit die theoretisch-konzeptionellen Erkenntnisse auf die Untersuchung der Fallstudie Heidelberg angewendet.
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4. Fallstudie Heidelberg
Eine enge Verknüpfung von Wissen und Stadt ist für Heidelberg charakteristisch. Die Stadtentwicklung ist von jeher eng mit der Entwicklung der hiesigen Universität verbunden: Heidelberg wird erstmals 1196 urkundlich erwähnt, im Jahr 1386 erfolgt die Gründung der Universität, eine der ersten auf europäischem Boden. Wissenschaftlicher Fortschritt war seitdem immer wieder ursächlich für Stadterweiterungsmaßnahmen wie z. B. die Verlagerung des Akademischen Krankenhauses nach Bergheim, der Neubau des Physikalischen Instituts am Philosophenweg in Neuenheim, der Umzug des Botanischen Gartens an den nördlichen Neckarbogen sowie der Aufbau der naturwissenschaftlichen und medizinischen Institute im Neuenheimer Feld während der Expansionsphase der 1960/70er Jahre der mit einer großflächigen Umwandlung landwirtschaftlich genutzter Flächen einherging (Meusburger et al. 2011). Aktuell prägen insbesondere in den inneren Stadtteilen sowie im Campusbereich Neuenheimer Feld ca. 380 durch die Hochschulen genutzte Gebäude das Bild der Universitätsstadt Heidelberg (Abbildung 1). Ein Blick auf aktuelle Kennziffern bestätigt die Bedeutung, die der Universität für die Stadt(entwicklung) zukommt. Von 119.200 erwerbstätigen HeidelbergerInnen sind 13.712 an der Universität inklusive Universitätsklinikum beschäftigt (Stadt Heidelberg 2018d; Universität Heidelberg 2018). Die Universität ist damit die wichtigste Arbeitgeberin. Zusätzlich generiert die Hochschule indirekte Beschäftigungseffekte von ca. 3.400 Arbeitsplätzen im Einzelhandel und Nahversorgung sowie durch Multiplikatoreffekte (Verausgabung der durch die direkten und indirekten Effekte resultierenden Einkommen) (Berechnung für das Jahr 2008 durch Glückler und König 2011: 346). Die Hochschule ist neben ihren primären Beschäftigungseffekten ein bedeutender Wirtschaftsfaktor. Neben der Universität Heidelberg haben acht weitere Hochschulen, zwei BMBF-Spitzencluster, zahlreiche öffentliche und private Forschungseinrichtungen wie das European Molecular Biology Laboratory, das Deutsche Krebsforschungszentrum, vier Industry-on-Campus-Forschungskooperationen, vier Max-Planck-Institute sowie das Universitätsklinikum mit angeschlossenen biomedizinischen Forschungseinrichtungen ihren Standort in der Stadt am Neckar und prägen das Bild Heidelbergs als Stadt der Wissenschaften.
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Stadtentwicklung in der Wissensgesellschaft
Abb. 1: Orte der Wissenschaften. Bestand und Dynamik.
Quelle: Stadt Heidelberg 2010b: 16
Hohe Bedeutung wird den Zukunftsbranchen Biotechnologie und organische Elektronik zugeschrieben, in diesen Bereichen wird die Zusammenarbeit von Wissenschaft und Wirtschaft ausgebaut und in Form von disziplinübergreifenden Forschungszentren als auch Transfereinrichtungen wie dem Technologiepark bzw. Industry-on-Campus-Kooperationen institutionalisiert (Stadt Heidelberg 2018g). Heidelberg verfügt in Gesamtschau über viele wissensgesellschaftliche Merkmale. Auch in wissensökonomischen Kategorien nimmt Heidelberg im innovationsstarken Baden-Württemberg (Baden-Württemberg führt das Ranking der innovativsten Bundesländer seit 2008 durchgehend an (Statista 20181 )) eine Spitzenposition ein: In keinem anderen Kreis sind mehr Personen beruflich mit Forschungs- und Entwicklungsaufgaben betraut, nirgendwo ist der Anteil der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in wissensintensiven Dienstleistungsbranchen an den gesamten sozialversicherungspflichtig Beschäftigten höher (Einwiller 2017). Heidelberg wird umfänglich sozial, atmosphärisch und kulturell durch seine Hochschulen geprägt. Die Stadt gilt als Inbegriff der deutschen Studentenromantik. Über 39.100 Studierende d. h. jede vierte Person, ist an einer Hochschule immatrikuliert (Stadt Heidelberg 2018d). Heidelberg bleibt auch nach 1
Als innovationsrelevante Indikatoren wurden einbezogen: Ausgaben für Forschung und Entwicklung (FuE), FuE-Personal, Erwerbstätige in Hochtechnologiebranchen, Erwerbstätigen in wissensintensiven Dienstleistungsbranchen, Erwerbstätige in wissenschaftlich-technischen Berufen und die Anzahl der Patentanmeldungen (Einwiller 2019).
4. Fallstudie Heidelberg
Abschluss des Studiums ein Anziehungspunkt. So liegt die Akademikerquote unter den hier lebenden sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten bei 41 %, ein deutschlandweit extrem hoher Wert. Diese kurze Skizze macht deutlich: Heidelberg erscheint als »Wissenschaftsstadt par excellence« (Stamatiadis-Smidt 2012: 154) und für die Analyse des Zusammenhangs zwischen Wissen und Raum geeignet: Die Hochschulen prägen das Bild Heidelbergs als klassische Studentenstadt; zahlreiche Wissenschafts- und Forschungseinrichtungen bezeugen die Bedeutung des Standortes für die Wissensgenerierung als auch für den Transfer von Wissen in Innovation. Dies gilt selbst für Bauprojekte: Die Bürgerschaft kann sich an mehr als 119 städtischen Planungs- und Bauvorhaben aktiv in die Stadtentwicklung einbringen (dazu auch kritisch Meier 2018). Auch im Angesicht der beeindruckenden Kennzahlen – die oben genannte Skizzierung einer Wissensstadt wird in Teilen ebenfalls auf weitere Städte zutreffen. Kleinere Universitätsstädte mit einem sehr guten Ruf als Forschungsstandorte sowie Transferambitionen existieren zahlreich (van Winden 2007) und auch größere Städte wie München, Salzburg oder Düsseldorf (Gerhard et al. 2020b) positionieren sich als Wissensstädte und spielen dabei insbesondere ihre Größenvorteile aus. Viele Städte erscheinen insofern als geeignete Forschungsobjekte. Die Auswahl des Fallbeispiels soll daher anstatt über KBUD-bezogene Kriterien über das Vorhandensein experimenteller Stadtentwicklungsinstrumente erfolgen, d. h. über die Anwendung von Instrumenten, die in ihrer Ausrichtung über die tradierten Formen der Wissenschaft-Stadt-Kopplungen hinausreichen. Durch die Operationalisierung der Fragestellung über diese experimentellen Instrumente sind, so die Erwartung, neue Erkenntnisse über die lokale Ausgestaltung der Konzepte der wissensbasierten Stadtentwicklung zu generieren. Mit der IBA und dem Reallabor stellt die Studie zwei experimentelle Instrumente in den Mittelpunkt der Forschung, die Heidelberg als geeignete Fallstudie erscheinen lassen. Beide Instrumente erfüllen, so die These der vorliegenden Arbeit, spezifische Funktionen für die Verbreitung und Durchsetzung von Institutionen und Strukturen einer wissensbasierten Stadtentwicklung über die bereits seit längerem etablierten Technologieparks oder Transferstellen hinaus. Die Instrumente wirken in institutionellen sowie räumlichen Dimensionen. Mit der ersten Dimension stehen IBA und Reallabore als transdisziplinäre Formate bzw. als intermediäre Akteure im Mittelpunkt der Analyse. Der einerseits genutzte Begriff Format thematisiert die institutionell-organisatorische Bedeutung von IBA und Reallabor als temporäre Formate der Stadtentwicklung. Die ebenfalls genutzte Bezeichnung Akteur wird dann verwendet, wenn die in diesen Formaten handelnden Akteure im Mittelpunkt stehen. In der räumlichen Dimension wird entsprechend auf bauliche Vorhaben der Stadtentwicklung fokussiert, die als physisch-materielle Konkretisierung einer wissensorientierten Stadtentwicklung verstanden werden (im Weiteren auch als »Wissensorte« bezeichnet).
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Stadtentwicklung in der Wissensgesellschaft
IBA und Reallabore verfügen jeweils über Kontaktstellen zum politisch-administrativen System. Dieses wird als relevant eingeschätzt, da u. a. der Wille des politisch-administrativen Systems analysiert werden kann, welchem eine wichtige Rolle für die Verankerung und Ausgestaltung der KBUD-Konzepte zukommt (Vgl. Kapitel 2.1 und 3.2). Gleichzeitig sind beide Instrumente – einmal strukturell und einmal konzeptionell – mit dem lokalen Wissenschaftssystem verbunden. In dieser intermediären Rolle (Abbildung 2) wirken sie sowohl auf das politisch-administrative System als auch die Akteure der lokalen Wissenschaftslandschaft ein und sind als Mittler zu verstehen, über welche – so die These – das Paradigma der Wissensgesellschaft auf der lokalen Ebene Einzug hält.
Abb. 2: IBA und Reallabore als intermediäre Akteure einer wissensbasierten Stadtentwicklung
Quelle: eigene Darstellung
Mit den Kapiteln 4.1 und 4.2 erfolgt die Erläuterung der beiden Instrumente Reallabor und IBA. Anschließend erfolgt aus Gründen der Vollständigkeit die Beschreibung dreier kommunaler Instrumente einer wissensbasierten Stadtentwicklung (Kapitel 4.3). Zuletzt erfolgt eine einführende Beschreibung zur räumlichen Dimension der »Wissensorte« (Kapitel 4.4).
4. Fallstudie Heidelberg
4.1 4.1.1
Instrument: Reallabor Das Format
Ein Reallabor bezeichnet eine transdisziplinäre Forschungskooperation auf Zeit, die zwischen Hochschulen sowie Zivilgesellschaft, Wirtschaft und Kommunen etabliert wird und »das Leben zum wissenschaftlichen Experimentierfeld« macht (MWK 2019a o. S.). Zielsetzung dieser neuen Forschungsformate ist die Erzeugung sozial robusten Wissens für gesellschaftlich relevante Fragestellungen, die Initiierung wissenschaftsinterner als auch gesellschaftlicher Lernprozesse als auch das Anstoßen von Transformationsprozessen2 für eine nachhaltige Entwicklung (Gerhard und Marquardt 2017; Parodi et al. 2016). In dieser Funktion sind Reallabore nicht nur als Forschungsformate, sondern ebenfalls als Instrumente der Stadtentwicklung zu begreifen. Wissenschaftliche Akteure werden für die Projektlaufzeit aktiv in die Stadtentwicklung eingebunden, gleichzeitig fließt von Praxiskontexten geprägtes Wissen in die institutionalisierten Wissenschaften zurück. Die Entwicklung der Reallabore als transdisziplinäre Forschungsformate wurde durch das Gutachten zur »großen Transformation« des wissenschaftlichen Beirats Globale Umweltveränderungen der Bundesregierung befördert (WBGU 2011). Das Gutachten ist ein Plädoyer Nachhaltigkeit als komplexe soziotechnische Transformationsaufgabe zu verstehen. Mit dieser Begrifflichkeit wird angezeigt, dass für eine nachhaltige Entwicklung technologische Innovationen, die auf Basis naturwissenschaftlichem und ingenieurstechnischem Wissen entwickelt und anschließend in der Gesellschaft implementiert werden, nicht ausreichen. Die Aufgabe nachhaltige Entwicklung bedürfe heterogener Wissenbestände und sozialer Kompetenzen, um den nötigen gesellschaftlichen Wandel befördern zu können (ähnliche Forderungen finden sich bereits bei Nowotny 1999). Alle wissenschaftlichen Disziplinen sollten in diesen Prozessen eine aktive Rolle einnehmen und dazu beitragen, komplexe Transformationsprozesse verstehen und steuern zu lernen (WBGU 2011). Eine Rolle die sie bisher noch nicht eingenommen haben. Diese Empfehlungen hat das baden-württembergische Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst (MWK 2013) als Pionier3 in das Leitbild »Wissenschaft für Nachhaltigkeit« übertragen und in der Förderlinie Ba-Wü Labs 2
3
In der Kopplung von Systemwissen, Zielwissen, Kontext- und akteursspezifischem Transformationswissen wird die Voraussetzungen für eine nachhaltige Transformation gesehen (Schneidewind 2014). Vordenker dererlei Formate war Portugal, das bereits in den 1990er Jahren mit Living Labs experimentierte. Die erste Welle an Hochschul-Zivilgesellschaft-Kooperationen wurde 2005 mit der finnischen EU-Präsidentschaft ausgelöst, die ihren Ausdruck europaweit in zahlreichen Living-Lab- sowie Citizen-Science-Projekten fanden. Living Lab sowie Citizen Science
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Stadtentwicklung in der Wissensgesellschaft
in zwei Förderperioden von 2014 bis 2019 umgesetzt. Insgesamt 14 Reallabore wurden mit 15,5 Mio. EUR gefördert. Aktuell ist deutschlandweit ein »ReallaborBoom« festzustellen (Wanner und Stelzer 2019: 5), Baden-Württemberg hat sich ebenfalls zur Fortführung der Förderlinie mit den Schwerpunkten Künstliche Intelligenz sowie Klima entschlossen (MWK 2019b; MWK 2020). Abbildung 3 gibt eine Übersicht über das baden-württembergische Format der Reallabore.
Abb. 3: Übersicht Forschungsformat Reallabor
Quelle: eigene Darstellung nach Schneidewind 2014; Parodi et al. 2016; Gerhard und Marquardt 2017; Beecroft et al. 2018.
Mit der Förderlinie Reallabore wird ebenfalls die politische Zielsetzung verfolgt, gesellschaftlich relevante Themen wie Nachhaltigkeit stärker in den Hochschulen zu verankern und eine neue Forschungskultur zu etablieren. Dies kommt einer »Transformation des gesellschaftlichen Wissenssystems gleich« (Böschen et al. 2016: 183) (Vgl. Abschnitt 4.1.2). Diese Impulse zur partiellen Umstrukturierung des Wissenschaftssystems werden gleichzeitig begrüßt als auch kritisiert. Einerseits stellen diese Formate gesellschaftliche Problemlagen in ihren Mittelpunkt und ermöglichen eine transdisziplinäre, problembezogene Generierung, Anwendung sind mittlerweile Bestandteil von Forschungs- und Innovationspolitiken auf nationalstaatlicher bzw. Länderebene (Deutscher Bundestag 2018).
4. Fallstudie Heidelberg
und Überprüfung wissenschaftlicher Erkenntnisse. Die Distanz zwischen Wissensgenerierung und -anwendung verkleinert sich. Dies vergrößert die Relevanz der Wissenschaften (Böschen et al. 2016; Gerhard und Marquardt 2017). Dagegen wird argumentiert, dass transformative Ansätze einer politischen Instrumentalisierung der Wissenschaft sowie der Preisgabe wissenschaftlicher Wahrheitssuche Vorschub leiste (Strohschneider 2014).4 Dieser Kritik kann widersprochen werden. Transformative Forschung bedient sich einer wissenschaftsbasierten Erprobung für die Verbreitung von Lösungsansätzen für die Bearbeitung gesellschaftlich relevanter Fragestellungen. Durch die transdisziplinären Kooperationen gewinnen Kräfte, die bisher außerhalb des gesellschaftlich zugebilligten Wissenserzeugungssystems standen, an Einfluss auf die Kernbereiche der wissenschaftlichen Wissensproduktion. Indem sie die Anliegen, das Wissen und die Kompetenzen der PraxispartnerInnen wertschätzen und wissenschaftsbasierte Lösungen für gesellschaftliche Problemlagen erarbeiten, reduzieren Reallabore die institutionell-kognitive Distanz zwischen Wissensgenerierung und -Anwendung. Dies befördert die Erzeugung sozial robusten Wissens (Schneidewind 2014). In dieser Eigenschaft sind Reallabore jedoch eine Forschungsstruktur, die andere Regeln, Ressourcen und Zielsetzungen aufweist als disziplinäre bzw. interdisziplinäre Forschungsstrukturen (Marquardt 2019). Darüber hinaus sind Reallabore Ausdruck einer Demokratisierung von Stadtplanung und -entwicklung. Der Forschungsgegenstand von Reallaboren formt sich in der öffentlichen Kommunikation und ist damit ein gemeinsam verhandeltes soziales Konstrukt; die Ergebnisse werden in die Praxis getragen, rückgekoppelt und geprüft. Dadurch können Reallabore zum »Motor für gute Wissenschaft und lebendige Demokratie« werden und einen Beitrag für das demokratische System leisten (Schneidewind 2015: 88).
4.1.2
Die Heidelberger Reallabore
In Heidelberg arbeiteten mit dem Reallabor »Urban Office – Nachhaltige Stadtentwicklung in der Wissensgesellschaft«, dem Reallabor »Asyl in der Rhein-NeckarRegion« und dem Reallabor »STADT-RAUM-BILDUNG« drei transdisziplinäre Forschungsformate zu verschiedenen Themen der Stadtentwicklung. Das Reallabor »Urban Office – Nachhaltige Stadtentwicklung in der Wissensgesellschaft« forschte von 2015 bis 2018 in vier Teilprojekten zu Wohnkonzepten vor dem Hinter-
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Auf die widerstreitenden Diskussionen um den Grundkonflikt transformativer Forschung sowie Third Mission Aktivitäten wird nicht näher eingegangen. Für eine umfassende Darstellung des Konflikts zwischen den Polen Zweckfreiheit und Nützlichkeit siehe u. a. Strohschneider (2014); Schneidewind (2015), Henke und Schmid (2016); Würmseer (2016); Hechler et al. (2018).
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Stadtentwicklung in der Wissensgesellschaft
grund des demografischen Wandels, digitalen Methoden der Bürgerbeteiligung und Stadtplanung, zur sozialen Vernetzung in neuen Stadtteilen sowie zur Transformation von Stadtteilen durch neue Wissensorte (Abbildung 4). Verstetigt wurde das Urban Office über a) die Weiterführung des Urban-Offices-Büros als zentraler Anlaufstelle, b) das Anschlussprojekt »Town & Gown – Zusammenarbeit von Stadtverwaltung und regionalen Wissenschaftseinrichtungen« an der Verwaltungshochschule Speyer in der Forschungslinie Innovative Hochschule des Bundesministeriums für Bildung und Forschung sowie c) über die Mitgliedschaft im Netzwerk »Urban Innovation – Stadt neu denken! e. V. « (Reallabor Urban Office 2019).
Abb. 4: Projekt- und Forschungsstruktur Reallabor Urban Office
Quelle: Reallabor Urban Office 2018: 30
Das Reallabor »Asylsuchende in der Rhein-Neckar-Region« forschte von 2016 bis 2019 in fünf Teilprojekten und drei Praxiskommunen zu Erfolgsfaktoren der Integration von Geflüchteten durch Arbeitsmarktteilnahme, Bildungsangebote und die Wohnsituation sowie zur Rolle zivilgesellschaftlicher Gruppierungen für den Integrationsprozess. Wissenschaftlich getragen wurde das Reallabor durch die Pädagogische Hochschule (Heidelberg), das Geographische Institut (Heidelberg), das Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (Mannheim) sowie
4. Fallstudie Heidelberg
das Zentrum für Soziale Innovation (Heidelberg). Verstetigt wurde ein Teilprojekt (Reallabor Asyl 2019) (Abbildung 5).
Abb. 5.: Projekt- und Forschungsstruktur Reallabor Asyl
Quelle: Reallabor Asyl 2019
Das Reallabor »STADT-RAUM-BILDUNG« arbeitete von 2016 bis 2019 in drei Praxiskommunen zum Zusammenhang zwischen gebautem Raum und Lernen, der Konzipierung und Erprobung geeigneter Planungsprozesse für Lernarchitekturen unter Beteiligung aller relevanten Akteure (Phase 0) sowie zu Potenzialen und Herausforderungen des Schul(um)baus. Die Koordination übernahm das Städtebauinstitut der Universität Stuttgart sowie die SRH Heidelberg, das Team setzt
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Stadtentwicklung in der Wissensgesellschaft
sich forschungsseitig aus PlanerInnen und PädagogInnen zusammen (Reallabor STADT-RAUM-BILDUNG 2016) (Abbildung 6).
Abb. 6: Projekt- und Forschungsstruktur Reallabor Stadt-Raum-Bildung
Quelle: Reallabor STADT-RAUM-BILDUNG 2016
Transdisziplinäre Forschungsformate entstehen, wie u. a. Hechler et al. (2018) betonen, nicht automatisch durch Ko-Lokation von Hochschule und Stadt. Auf Basis der empirischen Ergebnisse zu den Impulsen der Reallaborkooperationen kann für das Fallbeispiel ergänzt werden, dass Ko-Lokation deren Entstehung jedoch befördert. Das Interesse an einer Zusammenarbeit für die Heidelberger Reallabore war sowohl inhaltlich als auch kooperationsorientiert begründet. Gesellschaftliche Entwicklungen gaben den Anstoß, während räumliche und soziale Nähe den Aufbau der Kooperation begründete: Während Deutschland den »langen Sommer der Migration« erlebte (dazu kritisch Kück 2020) und in Heidelberg ein großes Ankunftszentrum errichtet wurde, erarbeiteten WissenschaftlerInnen aus der Bildungs- und Migrationsforschung in der Reallaborkooperation praktische Handlungsempfehlungen zur Verbesserung der Lebenssituation der Geflüchteten und zur Unterstützung der Verwaltung bei ihren integrationsbezogenen Aufgaben. Auch beim Reallabor STADT-RAUM-BILDUNG waren mit der Ankündigung des Landes Baden-Württemberg und des Bundes zum Ausbau der bildungsbezogenen Investitionen externe Impulse ursächlich für die Kooperation. Zeitgleich rückt die Rolle von Architektur für den schulischen Lernerfolg zunehmend in das Bewusstsein planender Kommunen, hier mangelte es jedoch mitunter an kommunaler Expertise. Vor diesem Hintergrund hat die Verwaltung den Aufbau von Kooperationsstrukturen stimuliert, in diesen sollte mittels transdisziplinärer Forschung und
4. Fallstudie Heidelberg
Experimenten das nötige neue Handlungswissen generiert werden. Im Reallabor Urban Office fungierte die Stadt ebenfalls als Impulsgeberin: Die IBA war als zehnjähriges Experiment gerade gestartet und die Verwaltung suchte nach Möglichkeiten, den politischen Auftrag einer begleitenden Forschung zu organisieren, die mehr war als eine reine »Besucherstatistik« (Stadtverwaltung 4). Zielsetzung war simultan zur IBA-Laufzeit wissenschaftliche Forschung zu Fragen der wissensgesellschaftlichen Transformation in Heidelberg zu betreiben. An dieser Stelle zeigt sich die von Hechler et al. (2018) als strategischer Erfolgsfaktor von Kooperationen identifizierte Wechselseitigkeit: Es existieren inhaltliche Anknüpfungspunkte zwischen Hochschule und Stadt; man verspricht sich beidseitig einen Nutzen, der die jeweiligen Kosten der Kooperation übersteigt. Die finanzielle Förderung durch das Land Baden-Württemberg übernimmt daran anschließend die Funktion, das jeweilige Interesse an der Kooperation durch die Übernahme der »kooperationsbedingten Mehrkosten« vor dem Hintergrund der Neuheit des Formats zu stabilisieren (ebd.: 300).
4.2 4.2.1
Instrument: Internationale Bauausstellung Das Format
IBAs sind vorwiegend in Deutschland eingesetzte Instrumente der Stadtplanung und des Städtebaus, die über einen Zeitraum von meist zehn Jahren über Modellprojekte Impulse für einen sozialen, kulturellen und baulichen Wandel generieren sollen. Das Instrument IBA hat aktuell Hochkonjunktur. Gegenwärtig werden in Deutschland, Österreich, dem Dreiländereck Deutschland-Schweiz-Frankreich sowie in den Niederlanden sechs IBAs durchgeführt. Die Erwartungen an eine IBA sind beständig hoch, die Ausgangsbedingungen in der Regel schwierig: Eine IBA soll den gesellschaftlichen Reform- und Gestaltungsbedarf aufnehmen und in experimentellen Projekten bearbeiten (open-IBA 2018). Zu diesem Zweck bündeln IBAs Energie, Geld und Aufmerksamkeit temporär auf eine Themenstellung. Durch die Mobilisierung möglichst vieler gesellschaftlicher Subsysteme wie Politik, Wirtschaft, Wissenschaft, Kultur und Zivilgesellschaft sollen Synergien erzeugt und neue Möglichkeitsräume erzeugt werden, welche in gewöhnlichen Verfahren in einer sektoral organisierten Verwaltung kaum existieren (Roters 2007). Vor diesem Anspruch wollen IBAs herkömmliche Wege und Verfahren der Stadtentwicklung hinterfragen; IBAs thematisieren damit auch die »Abgehobenheit der administrativen Planung« (Geipel et al. 2013: 121). Als erste IBA gilt die Bauausstellung »Ein Dokument deutscher Kunst« von 1901 in der Darmstädter Mathildenhöhe. In deren Mittelpunkt standen der Entwurf und die Realisierung neuzeitlicher und zukunftsweisender Bau- und Wohnformen. Die
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4. Fallstudie Heidelberg
Experimenten das nötige neue Handlungswissen generiert werden. Im Reallabor Urban Office fungierte die Stadt ebenfalls als Impulsgeberin: Die IBA war als zehnjähriges Experiment gerade gestartet und die Verwaltung suchte nach Möglichkeiten, den politischen Auftrag einer begleitenden Forschung zu organisieren, die mehr war als eine reine »Besucherstatistik« (Stadtverwaltung 4). Zielsetzung war simultan zur IBA-Laufzeit wissenschaftliche Forschung zu Fragen der wissensgesellschaftlichen Transformation in Heidelberg zu betreiben. An dieser Stelle zeigt sich die von Hechler et al. (2018) als strategischer Erfolgsfaktor von Kooperationen identifizierte Wechselseitigkeit: Es existieren inhaltliche Anknüpfungspunkte zwischen Hochschule und Stadt; man verspricht sich beidseitig einen Nutzen, der die jeweiligen Kosten der Kooperation übersteigt. Die finanzielle Förderung durch das Land Baden-Württemberg übernimmt daran anschließend die Funktion, das jeweilige Interesse an der Kooperation durch die Übernahme der »kooperationsbedingten Mehrkosten« vor dem Hintergrund der Neuheit des Formats zu stabilisieren (ebd.: 300).
4.2 4.2.1
Instrument: Internationale Bauausstellung Das Format
IBAs sind vorwiegend in Deutschland eingesetzte Instrumente der Stadtplanung und des Städtebaus, die über einen Zeitraum von meist zehn Jahren über Modellprojekte Impulse für einen sozialen, kulturellen und baulichen Wandel generieren sollen. Das Instrument IBA hat aktuell Hochkonjunktur. Gegenwärtig werden in Deutschland, Österreich, dem Dreiländereck Deutschland-Schweiz-Frankreich sowie in den Niederlanden sechs IBAs durchgeführt. Die Erwartungen an eine IBA sind beständig hoch, die Ausgangsbedingungen in der Regel schwierig: Eine IBA soll den gesellschaftlichen Reform- und Gestaltungsbedarf aufnehmen und in experimentellen Projekten bearbeiten (open-IBA 2018). Zu diesem Zweck bündeln IBAs Energie, Geld und Aufmerksamkeit temporär auf eine Themenstellung. Durch die Mobilisierung möglichst vieler gesellschaftlicher Subsysteme wie Politik, Wirtschaft, Wissenschaft, Kultur und Zivilgesellschaft sollen Synergien erzeugt und neue Möglichkeitsräume erzeugt werden, welche in gewöhnlichen Verfahren in einer sektoral organisierten Verwaltung kaum existieren (Roters 2007). Vor diesem Anspruch wollen IBAs herkömmliche Wege und Verfahren der Stadtentwicklung hinterfragen; IBAs thematisieren damit auch die »Abgehobenheit der administrativen Planung« (Geipel et al. 2013: 121). Als erste IBA gilt die Bauausstellung »Ein Dokument deutscher Kunst« von 1901 in der Darmstädter Mathildenhöhe. In deren Mittelpunkt standen der Entwurf und die Realisierung neuzeitlicher und zukunftsweisender Bau- und Wohnformen. Die
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Stadtentwicklung in der Wissensgesellschaft
Aufgaben und das Selbstverständnis von IBAs hat sich seitdem gewandelt. Die ersten IBAs, ausgestattet mit großen Budgets und einem starken politischem Willen zu Architektur, gelten in der Rückschau als architektonische Leistungsschauen. Von ihnen zeugen umfangreiche Bautätigkeiten (Mathildenhöhe, Weißenhofsiedlung Stuttgart, Hansa-Viertel Berlin). Im Zuge des einsetzenden Strukturwandels verlagerte sich der Fokus der IBAs. Die Arbeit an und mit dem defizitären Bestand rückte ins Zentrum, parallel stiegen die Ansprüche an die Qualität der planerischen Verfahren sowie die Partizipation von BewohnerInnen. IBAs wurden zu Sanierungsinstrumenten im Städtebau (IBA Berlin, IBA Emscher Park). Aktuelle IBAs belegen die thematische sowie lokalspezifische Ausdifferenzierung des Instruments (Heidelberg: Wissen|schafft|Stadt, Basel: Vernetzungen im Dreiländereck, Thüringen: Wechselwirkungen von Stadt und Land, Parkstad: Transformation einer ehemaligen Bergbaugegend, Wien: Neues soziales Wohnen, Stuttgart: Wege zur Modellregion für industriell geprägte polyzentrische Wachstumsräume). Der städtebaulich-architektonische Fokus früherer Bauausstellungen tritt bei den neuen IBAs zugunsten qualitätsvoller und dialogorientierter Entstehungsprozesse des Gebauten in den Hintergrund. Trotz der hohen Ansprüche an die Prozessqualität verfügen jüngere IBAs meist über eine geringe Finanzausstattung (open-IBA 2018).
4.2.2
Die Heidelberger IBA Wissen|schafft|Stadt
Mit dem IBA-Format hat die Stadt Heidelberg im Jahr 2012 einen zehnjährigen Prozess angestoßen, über welchen innovative Lösungsansätze für gesellschaftliche Veränderungsprozesse aus sozialer, ökologischer, ökonomischer und städtebaulich-architektonischer Perspektive entwickelt und experimentell erprobt werden sollen. Vordringliche gesellschaftliche Veränderungen der nächsten Jahrzehnte assoziiert man in Heidelberg mit der Wissensgesellschaft. Vor diesem Hintergrund will die Stadt über das Instrument IBA einen Dialog zwischen den heterogenen Wissensformen und deren TrägerInnen stiften, wissensbasierte Raumstrukturen qualifizieren und sich nicht zuletzt im »internationalen Wettbewerb um kreative Wissensarbeiter« zu positionieren (Stadt Heidelberg 2012b: 29) (Abbildung 7). Die IBA Heidelberg beschreitet Neuland: Sie ist die erste Potenzial-IBA – man agiere, bevor Defizite entstünden (Stadtverwaltung 5). Ziel sei es, die wissensgesellschaftliche Entwicklung frühzeitig zu antizipieren und auf diese gestaltend einzuwirken. Im Heidelberg sind Wissen und Stadt räumlich eng miteinander verknüpft, Wissenschafts- und Stadtentwicklung laufen jedoch oftmals parallel zueinander. Die Stadtentwicklung wird durch das quantitative Wachstum des Konglomerats Wissen mitunter getrieben. Insofern wird vonseiten der Stadt der Bedarf an einem städtischen Dialog über die Ziele und Maßnahmen von Wissensschafts- als
4. Fallstudie Heidelberg
auch Stadtentwicklung gesehen. Mit dem Instrument IBA wollte man die parallelen Entwicklungsstränge nunmehr verknüpfen (Abbildung 7)5 : »Was heißt das eigentlich für eine Stadt wie Heidelberg, wenn es so eine enge Verzahnung gibt? Was bedeutet das für die Zukunft? Kann man so eine Entwicklung beeinflussen oder wird sie alleine durch die großen Institutionen, wie z. B. die Universität, getragen? Gibt es gemeinsame Ziele, die man mit den Institutionen haben könnte? (…) Um dem etwas mehr auf den Grund zu gehen, war dann die Überlegung, wie macht man denn das? Was ist denn ein richtiges strategisches Instrument, um damit arbeiten zu können? « (Stadtverwaltung 4).
Abb. 7: Übersicht Stadtentwicklungsinstrument IBA Heidelberg
Quelle: eigene Darstellung nach open-IBA 2018; Stadt Heidelberg 2012a
Mit der Wahl des dialogorientierten Instruments IBA knüpft die Stadt an den Diskurs um die veränderten Prozesse der Wissensproduktion an. Wie bereits am Beispiel der institutionalisierten Wissenschaften ausgeführt findet auch Stadtplanung
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Die im Folgenden präsentierten Zitate wurden sprachlich geglättet und anonymisiert. Personalpronomen wurden durch ›man‹ ersetzt. Projektbezeichnungen und Orte werden nur genannt, falls dies für das Verständnis zwingend notwendig ist. Namen Dritter werden nur genannt, falls deren Aussagen in öffentlichen Kontexten getroffen wurden. Durch die Autorin vorgenommene Ersetzung innerhalb der Zitate sind mit › ‹ gekennzeichnet.
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Stadtentwicklung in der Wissensgesellschaft
nicht mehr alleine entlang traditioneller Zuständigkeiten und den dafür vorgesehenen Teilsystemen (hier die Verwaltung und die Stadtpolitik als die traditionell Agenda-setzenden Stadtentwicklungsakteure) statt. Eine solche veränderte Perspektive auf Stadtplanung entspricht dabei dem Anspruch an eine »knowledge pearl Heidelberg«; diese zielt »auf die produktive Erschließung des Wissens der Stadt« und dessen Nutzbarmachung (Stadt Heidelberg 2012b: 44). Die Durchführung der IBA Wissen|schafft|Stadt wurde durch den Heidelberger Gemeinderat nach einer dreijährigen Vorbereitungsphase 2011 einstimmig beschlossen (Stadt Heidelberg 2011). Die IBA GmbH wurde als 100 %ige Tochtergesellschaft der Stadt gegründet und agiert als Intermediär zwischen Verwaltung, Politik und Stadtgesellschaft. Ihre Aufgabe ist es, sowohl dialogische Formate aufzusetzen, innovative Konzepte mit ProjektpartnerInnen unter den IBA-Leitmotiven Wissen, Bildung, Kreativität weiterzuentwickeln als auch die bauliche Realisierung der Projekte zu begleiten. Strukturell besteht die IBA aus dem Büro, dem Kuratorium sowie dem Aufsichtsrat (Abbildung 8). Das IBA-Büro berät, begleitet und qualifiziert die eingereichten Projekte. Das Kuratorium unterstützt die Arbeit des Büros fachlich und umfasst ExpertInnenen unterschiedlicher Disziplinen (z. B. Beteiligung, Digitalisierung, Städtebau, Architektur, Bildung, Ökologie). Als städtische GmbH verfügt die IBA über einen Aufsichtsrat, der mit LokalpolitikerInnen, der Wissenschaftsministerin sowie lokalen VertreterInnen der Institution Wissenschaft besetzt ist und eine Kontrollfunktion ausübt (IBA 2018).
Abb. 8: Struktur und Themenschwerpunkte der IBA Heidelberg
Quelle: eigene Darstellung nach IBA 2018a, Verfasser IBA Heidelberg/ Kontext Kommunikation
4. Fallstudie Heidelberg
4.3
Kommunale Einrichtungen zur Förderung von Wissen und Kreativität
Städte gelten als die zentrale räumliche Konfiguration für die Förderung des Konglomerats Wissen und Kreativität. Durch das politisch-administrative System wird daher verstärkt Aufmerksamkeit und Ressourcen auf die Förderung Kreativschaffender und Wissensmilieus gerichtet. In diesem Zuge entstehen ebenfalls neue Arbeitszusammenhänge und Governance-Strukturen innerhalb des politisch-administrativen Systems (Lisowski et al. 2011). In Heidelberg wurde bereits vor IBA und Reallaboren mit dem Aufbau entsprechender kommunaler Strukturen begonnen. Dies sind die Abteilung Wissenschaft (für das Konglomerat Wissen), die Stabsstelle Kreativ- und Kulturwirtschaft (für das Konglomerat Kreativität) sowie die Leitlinien für mitgestaltende Bürgerbeteiligung (für den zivilgesellschaftlichen Wissenstransfer). Abteilung Wissenschaft und Wirtschaft In Heidelberg werden seit einigen Jahren über verschiedene Maßnahmen WissensWirtschafts-Kopplungen aufgebaut und gestaltet. Bereits mit dem Stadtentwicklungsplan 2015 (STEP) aus dem Jahr 2007 wurde die Zielsetzung formuliert, Heidelberg als Wissenschaftsstadt ausbauen zu wollen. Wesentliche Aufmerksamkeit hat dabei der institutionalisierte Wissenstransfer zwischen Wissenschaft und Wirtschaft erhalten, der über den Ausbau des städtischen Technologieparks6 gestärkt werden sollte (Stadt Heidelberg 2007). Eine Gestaltungskraft haben die Leitlinien für das Thema Wissenschaftsförderung mit Ausnahme des Technologieparks in nur geringem Maße entwickeln können. Es fehle an der strategischen Bearbeitung des Themas durch die Stadt, diese werde vielmehr von »ihrer Science City unter Druck gesetzt« (Geipel et al. 2013: 13) – die Kommune finde sich mehr in einer reaktiven anstatt gestaltenden Rolle wieder. Die Wissenschaften wachsen durch steigende Studierendenzahlen sowie neue Forschungskooperationen stetig; daraus resultiert dauerhafter Druck auf die kommunale Flächenpolitik. In ca. 2013 wurde eine Stabsstelle Wissenschaft beim Oberbürgermeisterreferat installiert, diese wurde 2015 in das Amt für Wirtschaftsförderung und Beschäftigung umgesiedelt. 2017 erfolgte die Umstrukturierung zum Amt für Wirt-
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Die Gründung des Heidelberger Technologieparks erfolgte im Jahr 1984, Zielsetzung war die Förderung von Ausgründung aus Wissenschaftseinrichtungen. Aktuell arbeiten an fünf Standorten rund 2.800 Beschäftigte in mehr als 90 Firmen vorwiegend aus HightechBereichen (Technologiepark 2019). Der Technologiepark erhält als städtisches Beteiligungsunternehmen mit 9 Mitarbeitern (die Stadt Heidelberg hält 98 %, die IHK RheinNeckar 2 %) für das Jahr 2019 545.000 EUR an Transferzahlungen (Stadt Heidelberg 2018f: 307).
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Stadtentwicklung in der Wissensgesellschaft
schaftsförderung und Wissenschaft7 , was einer Bedeutungsaufwertung des Themas entspricht. Die Abteilung richtet sich zum einen an die Akteure der Heidelberger Wissenschaftslandschaft und fungiert für diese als erste Ansprechpartnerin in der Kommune. Zum anderen soll sie die städtische Verwaltung für die Bedarfe der Wissenseinrichtungen sensibilisieren und zwischen den divergierenden Interessen auch zu Gunsten des Wirtschaftsfaktors Wissen vermitteln. In der Stadt besteht in der Gesamtschau ein Bewusstsein gerade hinsichtlich der ökonomischen Bedeutung der Wissenschaftseinrichtungen (Stadt Heidelberg 2010a; Glückler et al. 2018). Mittels der Bausteine Technologie- und Transferförderung sowie organisatorisch-strukturell über die Abteilung Wissenschaft wird das Themenfeld in der kommunalen Praxis bearbeitet. Trotz allem ist das Verhältnis zwischen Universität und Stadt durchaus konfliktbehaftet. Zu nennen sind hier der Konflikt um den Straßenbahnanschluss des Campus Im Neuenheimer Feld, die geplante fünfte Neckarquerung durch ein Naturschutzgebiet europäischen Rangs oder die Erweiterung des Campus Neuenheimer Feld in landwirtschaftlich genutzte Flächen. Stabsstelle Kultur- und Kreativwirtschaft Das Konzept der kreativen Stadt ist auch in Heidelberg auf breites Interesse gestoßen. Im Jahr 2010 wurde das Potenzial der kreativen Ökonomien ermittelt (Stadt Heidelberg 2010a) und infolge die Stelle des Beauftragten für Kultur- und Kreativwirtschaft8 (KuK) beim Oberbürgermeister geschaffen. Diese Funktion wurde ab ca. 2015 als Stabsstelle beim Amt für Stadtentwicklung und Statistik institutionell angebunden9 , die Themen der KuK sollen damit als Querschnittsaufgabe der Stadtentwicklung bearbeitet werden. Die Stabsstelle ist die erste Anlauf- und Beratungsstelle zu den Themen Raumsuche, Gründungsunterstützung sowie Fördermöglichkeiten für Kreativschaffende, Start-ups und junge Unternehmen aus den elf Teilbranchen und unterstützt deren Vernetzung. Die Stadt betreibt ein Kreativwirtschaftszentrum in der Alten Feuerwache in Bergheim. Die Weiternutzung des defizitären Zentrums wurde 2017 u. a. mit Verweis auf den Städtewettbewerb beschlossen (Stadt Heidelberg 2017b). In den
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Die Abteilung Wissenschaft verfügt über zwei Planstellen, die Finanzierung erfolgt über den kommunalen Haushalt nach Budgetanmeldung (Gehälter und Projektmittel). Mit dem Doppelhaushalt 2019/20 wurden der Abteilung 25.000 EUR Aufwendungen für Sach- und Dienstleistungen zugewiesen (Stadt Heidelberg 2018f: 995). Die Kultur- und Kreativwirtschaft wird mit Gornig und Mundelius (2012) als Teilbereich wissensbasierter Ökonomien gefasst. Diese zeichneten sich ebenfalls durch umfassende Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten aus und verfolgen das Ziel, Neues zu schaffen. Im Doppelhaushalt 2019/2020 werden für die Stabsstelle »ordentliche Aufwendungen 2019« von 287.459 EUR veranschlagt, für das Förderprogramm Kultur- und Kreativwirtschaft zusätzlich 20.000 EUR (Stadt Heidelberg 2018f: 140).
4. Fallstudie Heidelberg
Campbell Barracks wird aufgrund der hohen Raumnachfrage aktuell das zweite Kreativwirtschaftszentrum realisiert (Stadt Heidelberg 2016a). Die Branchen der KuK sind auch in Heidelberg Wachstumsbranchen: Der Beschäftigungszuwachs beträgt 20 % seit 2013, der Umsatz stieg zeitgleich um ebenfalls 20 % auf über 720 Mio. EUR für das Jahr 2017 (Stadt Heidelberg 2018a: 24). Nutzungen aus dem Bereich der KuK werden regelmäßig als Zwischennutzer von Gebäuden im kommunalen Eigentum diskutiert. Eine strategische Positionierung der Stadt als Förderin von Zwischennutzung war damit bisher allerdings nicht verbunden, eine zögerliche Grundhaltung überwog (Stadt Heidelberg 2018c). Mit der Gründung einer kommunal getragenen Zwischennutzungsagentur erfolgte zum Ende des Jahres 2019 ein weiterer Schritt, die geringe Flächenverfügbarkeit für Unternehmen der KuK zu bearbeiten (Stadt Heidelberg 2019b). Auch die Bemühungen der Stadt zur Förderung von Kreativität können neben ihren ökonomischen Funktionen ebenfalls als Suchprozess verstanden werden, diese Akteure in die auf Kreativität und Wissen orientierte Stadtentwicklungsstrategie zu integrieren. Die Stabsstelle wird im Zuge der Dezernatsumstrukturierung ab 2020 mit dem Kulturamt zum Amt für Kultur und Kreativwirtschaft zusammengeführt und dem Dezernat für Kultur, Bürgerservice und Kreativwirtschaft unterstellt (Stadt Heidelberg 2019f). Inwiefern sich diese institutionell-organisatorische Herauslösung aus dem Bereich der Stadtentwicklung auf die Rolle von Kulturund Kreativwirtschaft als einem Motor der (wissensbasierten) Stadtentwicklung auswirken wird, bleibt abzuwarten. Bisherige Potentiale durch die institutionelle Zuordnung zur Stadtentwicklung dürften nur schwerlich bestehen bleiben. Leitlinien zur mitgestaltenden Bürgerbeteiligung Die Leitlinien zur mitgestaltenden Bürgerbeteiligung sind ein weiterer Baustein wissens- orientierter Suchprozesse Heidelbergs und adressieren insbesondere Wissensbestände der Zivilgesellschaft. Im Gegensatz zu den in der vorliegenden Arbeit untersuchten Reallaboren und der IBA sind die Leitlinien durch ihre Institutionalisierung als kommunale Satzung Teil des rechtlich organisierten Verwaltungshandelns, wirken jedoch über ihre Vorgaben auch auf den Handlungsrahmen von Reallaboren und IBA ein. Mit den Leitlinien sollte ein Gegenentwurf zum vorherrschenden, und auch in Heidelberg kritisierten, Stimulus-Response-Modell von Öffentlichkeitsbeteiligung bei der räumlichen Planung entworfen werden. Das Stimulus-Response-Modell sieht vor, dass das Agenda-Setting inklusive der Definition von räumlichen Entwicklungszielen dem politisch-administrativen System vorbehalten ist; der Stadtgesellschaft weist es eine reaktive Rolle zu.10 Die Leitlinien sollten der Stadtge10
Der Impuls zur Erarbeitung der Leitlinien steht im Kontext einer solchen zieldefinitionsbezogenen Krisensituation: Die Planungen zum Neubau eines mit den architektonischen Tra-
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Stadtentwicklung in der Wissensgesellschaft
sellschaft ein aktives Handeln (z. B. initiierendes Antragsrecht) und dem lokalen Wissen der Zivilgesellschaft eine höhere Entscheidungsrelevanz gegenüber den FachexpertInnen und der Politik gewähren (Meier 2018). Die Leitlinien entfalten durch ihre Institutionalisierung als auch hohe finanzielle Förderung einen deutlichen Einfluss auf die Heidelberger Stadtentwicklungsprozesse. So informieren fünf VerwaltungsmitarbeiterInnen Verwaltung und Politik, aber auch Interessierte aus der Zivilgesellschaft, über die Leitlinien und die Mitwirkungsmöglichkeiten an der Stadtentwicklung. Als Koordinierungsstelle Bürgerbeteiligung sind diese die ersten AnsprechpartnerInnen für die Konzipierung, Organisation und Durchführung kommunaler Beteiligungsprozessen. Die Koordinierungsstelle führt eine Vorhabenliste zu Projekten der Heidelberger Stadtentwicklung und informiert die Bürgerschaft über Art und Verfahren der Beteiligung. Mittels initiierender Antragsrechte können Vorhaben zur Beteiligung eingereicht werden, gemeinsam verständigen sich die Antragsstellenden mit der fachlich zuständigen Verwaltung und der Koordinierungsstelle über das Beteiligungskonzept (Ziele, Methoden, Kosten) (Stadt Heidelberg 2015b). Vor der gemeinderätlichen Entscheidung über ein Vorhaben leitet die Koordinierungsstelle dem Gemeinderat die Ergebnisse der Bürgerbeteiligung zur Beratung zu. Die partizipativ erzeugten Ergebnisse sind dabei nicht bindend, eine Abweichung von den Ergebnissen der Beteiligung soll allerdings nachvollziehbar dargestellt werden. Die Leitlinien werden begleitend auf Basis der Erfahrungen aus durchgeführten Beteiligungsprozessen evaluiert und angepasst – die Stadt hat die Leitlinien als lernenden Prozess konzipiert (ebd.). Mit den Leitlinien wurde der Grundstein für eine verbindliche Bürgerbeteiligung gelegt, welche die lokale Bevölkerung als Sachverständige für Fragen ihrer Lebenswelt anerkennt (Meier 2018). Allerdings geben die Leitlinien in der Praxis ein starres Korsett aus Abläufen und Verantwortlichkeiten vor, in welchem sich alle Ansätze, auch die bottom-up organisierten sowie die von IBA und Reallaboren, einfügen müssen. Die Leitlinien erzeugen insofern auf der einen Seite verlässliche und transparente Verfahren, erschweren auf der anderen Seite jedoch den Einfluss selbstorganisierter Ansätze außerhalb dieser formellen Strukturen. Die einer Bottom-up-Beteiligung inhärenten Veränderungskräfte verlieren durch die Integration in die Verwaltungsorditionen der Altstadt brechenden Konferenzzentrums wurde 2013 per Bürgerentscheid gestoppt. Dem politisch-administrativen System wurde durch den Bürgerentscheid vor Augen geführt, dass bestehende Verfahren der Beteiligung ungeeignet waren, Ziele und Werte der Stadtgesellschaft identifizieren und die Planungsprozesse integrieren zu können. Auf Anordnung des Oberbürgermeisters wurde in den folgenden Monaten durch den trialogisch besetzen Arbeitskreis Bürgerbeteiligung (VertreterInnen der Zivilgesellschaft, des Gemeinderats und der Verwaltung) unter wissenschaftlicher Begleitung ein verbindlicher Leitfaden zur informellen Partizipation erarbeitet und durch den Gemeinderat beschlossen (Stadt Heidelberg 2015b).
4. Fallstudie Heidelberg
ganisation an Energie. Hier sei die Erkenntnis aus der Analyse vorweggenommen, dass sowohl die IBA als auch die Reallabore qua Aufgabe Positionen vertreten müssen, die mitunter gegenläufig zu bestehenden Verfahren stehen. Sowohl der Ansatz einer IBA als auch die Ansätze der transformativen Forschung verweisen auf die Notwendigkeit von Systemtransformation anstatt von Systemverbesserung.
4.4
Raum: Planung von »Wissensorten«
Mit der räumlichen Dimension der »Wissensorte« werden Prozesse der physischmateriellen Konkretisierung einer wissensorientierten Stadtentwicklung in den Fokus der empirischen Forschung gestellt. Die Aufmerksamkeit verschiebt sich damit von interdisziplinären Formaten und den in ihnen agierenden Akteuren auf die durch sie produzierten räumlichen Strukturen. Hier stehen bauliche Vorhaben der IBA Wissen|schafft|Stadt im Mittelpunkt. Die IBA soll über ihre Bauprojekte erproben, auf welche Weise Wissenseinrichtungen zu Impulsgebern von Stadtentwicklung werden können und vice versa inwiefern räumliche Konfigurationen Wissensgenerierung befördern können. In der Diskussion existieren mit dem Gebäude und dem Quartier zwei Maßstabsebenen. Auf der Ebene von Gebäuden ergeben sich aus pädagogischer bzw. wissenschaftsdisziplinärer Perspektive Fragen nach der geeigneten Flächenanordnung und -gestaltung (Leitfragen: Welche architektonischen Strukturen sind förderlich für das Lernen bzw. schöpferisches Arbeiten?) sowie über die Öffnung des Gebäudes und die Integration in das Umfeld. Auf der Ebene des Quartiers stehen Fragen nach Ko-Lokation und Ko-Präsenz verschiedener Wissensproduzenten und Wissensanwender bzw. nach Ausstrahleffekten von Wissenseinrichtungen in das Quartier im Zentrum (Leitfragen: Wie schafft man über räumliche Nachbarschaften soziale Kontakte und stimuliert Begegnungen? Wie werden Wissenschafts- und Bildungseinrichtungen zu »Marktplätzen« des gemeinschaftlichen Lebens im Quartier, anstatt selbstbezogen hochspezialisierte Aufgaben zu erfüllen?). Beiden räumlichen Ebenen gemein ist die These, dass Wissensgenerierung nicht mehr nur im Studierzimmer, im Labor oder dem Klassenzimmer stattfindet, sondern dezentral und in heterogenen Kontexten. Als Untersuchungsbeispiel der räumlichen Dimension wird das IBA-Freiraumprojekt »der Andere Park« genutzt. Dieses wurde aus zweierlei Gründen gewählt. Zum einen ist das Vorhaben kein klassisches Wissensstadt-Projekt wie bspw. die Umgestaltung von Hochschulgebäuden oder der Neubau von Bildungseinrichtungen. Der Zusammenhang zwischen Freiraum und Wissensgesellschaft ist vermittlungsbedürftig, die IBA musste für den Mehrwert der Entwicklungsperspektive »Wissen« werben. An einem solchen Projekt manifestiert sich der Unterschied zwischen einem Wissenschaftsstandort und einer Wissenschaftsstadt, hier lässt sich
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4. Fallstudie Heidelberg
ganisation an Energie. Hier sei die Erkenntnis aus der Analyse vorweggenommen, dass sowohl die IBA als auch die Reallabore qua Aufgabe Positionen vertreten müssen, die mitunter gegenläufig zu bestehenden Verfahren stehen. Sowohl der Ansatz einer IBA als auch die Ansätze der transformativen Forschung verweisen auf die Notwendigkeit von Systemtransformation anstatt von Systemverbesserung.
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Raum: Planung von »Wissensorten«
Mit der räumlichen Dimension der »Wissensorte« werden Prozesse der physischmateriellen Konkretisierung einer wissensorientierten Stadtentwicklung in den Fokus der empirischen Forschung gestellt. Die Aufmerksamkeit verschiebt sich damit von interdisziplinären Formaten und den in ihnen agierenden Akteuren auf die durch sie produzierten räumlichen Strukturen. Hier stehen bauliche Vorhaben der IBA Wissen|schafft|Stadt im Mittelpunkt. Die IBA soll über ihre Bauprojekte erproben, auf welche Weise Wissenseinrichtungen zu Impulsgebern von Stadtentwicklung werden können und vice versa inwiefern räumliche Konfigurationen Wissensgenerierung befördern können. In der Diskussion existieren mit dem Gebäude und dem Quartier zwei Maßstabsebenen. Auf der Ebene von Gebäuden ergeben sich aus pädagogischer bzw. wissenschaftsdisziplinärer Perspektive Fragen nach der geeigneten Flächenanordnung und -gestaltung (Leitfragen: Welche architektonischen Strukturen sind förderlich für das Lernen bzw. schöpferisches Arbeiten?) sowie über die Öffnung des Gebäudes und die Integration in das Umfeld. Auf der Ebene des Quartiers stehen Fragen nach Ko-Lokation und Ko-Präsenz verschiedener Wissensproduzenten und Wissensanwender bzw. nach Ausstrahleffekten von Wissenseinrichtungen in das Quartier im Zentrum (Leitfragen: Wie schafft man über räumliche Nachbarschaften soziale Kontakte und stimuliert Begegnungen? Wie werden Wissenschafts- und Bildungseinrichtungen zu »Marktplätzen« des gemeinschaftlichen Lebens im Quartier, anstatt selbstbezogen hochspezialisierte Aufgaben zu erfüllen?). Beiden räumlichen Ebenen gemein ist die These, dass Wissensgenerierung nicht mehr nur im Studierzimmer, im Labor oder dem Klassenzimmer stattfindet, sondern dezentral und in heterogenen Kontexten. Als Untersuchungsbeispiel der räumlichen Dimension wird das IBA-Freiraumprojekt »der Andere Park« genutzt. Dieses wurde aus zweierlei Gründen gewählt. Zum einen ist das Vorhaben kein klassisches Wissensstadt-Projekt wie bspw. die Umgestaltung von Hochschulgebäuden oder der Neubau von Bildungseinrichtungen. Der Zusammenhang zwischen Freiraum und Wissensgesellschaft ist vermittlungsbedürftig, die IBA musste für den Mehrwert der Entwicklungsperspektive »Wissen« werben. An einem solchen Projekt manifestiert sich der Unterschied zwischen einem Wissenschaftsstandort und einer Wissenschaftsstadt, hier lässt sich
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Stadtentwicklung in der Wissensgesellschaft
der Aufbau neuer Governance-Arrangements beobachten. Zum anderen hat sich das Teilprojekt des Reallabors Urban Office auf dieses Stadtentwicklungsvorhaben konzentriert, sodass aufgrund des guten Zugangs zum Feld eine umfangreiche Feldforschung durchgeführt werden konnte und die Datenlage durch eine Vielzahl an Interviews und informellen Gesprächen sowie Teilnahme an Sitzungen des Arbeits- und des Expertenkreises und der Jurysitzung sehr umfangreich ist. Das Freiraumprojekt »der Andere Park« wird im Kontext der Konversionsmaßnahmen in der Südstadt realisiert: Der »Durchgangsstadtteil Südstadt« (Stadt Heidelberg 2012a: 32) ist durch die Konversion der US-Liegenschaft Mark Twain Village und Campbell Barracks im Umbruch begriffen.11 Ein Drittel des Stadtteils sind Konversionsflächen und werden neuen Nutzungen zugeführt. Zentrale Entwicklungsmotive der Südstadt-Konversion sind neben der Schaffung von Wohnraum (im Bestand als auch im Neubau) und ergänzenden Wohnfolgeeinrichtungen, die Ansiedlung von kulturellen, wissenschaftlichen und bildungsaffinen Nutzungen innerhalb des neuen Freiraums des »Anderen Parks«. Diesen Freiraum gilt es sowohl zu gestalten als auch konzeptionell im Hinblick auf das Motto der IBA weiterzuentwickeln. Zu diesem Zweck hat die IBA einen zweistufigen Planungswettbewerb durchgeführt, im Mai 2018 wurde das obsiegende Büro Studio Vulkan mit der Realisierung des Entwurfs beauftragt (Abbildung 9). Für die Durchführung des Planungs- und Beteiligungsverfahren sowie die Realisierung erhält die Stadt 5,9 Mio. EUR Fördermittel aus der Bundesförderung »Nationale Projekte des Städtebaus«. Die bauliche Realisierung soll bis Dezember 2021 abgeschlossen sein. Dem Freiraumprojekt wird für die Entwicklung der Konversionsflächen und des Stadtteils aus mehreren Gründen eine wichtige Rolle zugesprochen. Während die Veränderungen im Bereich der US-amerikanischen Wohnanlage Mark Twain verhältnismäßig gering ausfallen, wird der Bereich Campbell Barracks neuen Nutzungen zugeführt. Aufgrund der Denkmalschutzeigenschaft erfolgt keine städtebaulich bzw. architektonisch Anpassung: Die »Zivilisierung der Kaserne« soll über den Freiraum erfolgen (IBA 4), öffentliches Leben, Begegnungs- und Interaktionsmöglichkeiten in der ehemaligen Militärkaserne sollen über den Freiraum gestärkt werden. Funktionen, die öffentlichen Räumen traditionell zukommen, die jedoch
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Mit dem Abzug der US-amerikanischen Streitkräfte im Jahr 2013 stehen ca. 43 ha einer neuen zivilen Nutzung zur Verfügung. Meilensteine des Konversionsprozesses waren die Vorlage des Nutzungskonzepts 2013, der Beschluss des Masterplans Mark Twain Village & Campbell Barracks im Jahr 2014, der Flächenankauf durch die Stadt Heidelberg 2016 sowie erste Hochbauarbeiten ab 2018. Zielsetzung der Konversionsflächenentwicklung ist auf ca. 15 ha die Schaffung von Wohnraum (ca. 1.300 Wohneinheiten) insbesondere in preisgünstigeren Segmenten (MTV Bauen & Wohnen 2019). Die verbleibenden ca. 28 ha werden in einem Mix aus Büronutzungen, Gastronomie, kulturellen, wissenschaftlichen und bildungsbezogenen Nutzungen durch private sowie städtische Akteure entwickelt.
4. Fallstudie Heidelberg
Abb. 9: Park der Begegnung Heidelberg Südstadt (Benennung des Entwurfs durch das Büro Studio, Vulkan. Name des Vorhabens in der Planungsphase: Der Andere Park)
Quelle: Stadt Heidelberg 2019e: o. S.
durch Vernachlässigung, Privatisierung, Kommodifizierung und Versicherheitlichung des öffentlichen Raums oder durch den Rückzug in private Bereiche häufig konterkariert werden (Agora-Funktion). Der Park soll Räume erzeugen, in welchen die Anwesenheit der Wissens-, Bildungs- und Kultureinrichtungen (im Folgenden Anrainer) erlebbar wird.12 Diese Anrainer sollen nicht nur einen neuen Standort in der Südstadt finden, sondern auch den Freiraum und das umgebende Quartier prägen und beleben. Der Freiraum soll die Einrichtungen konzeptionell und gestalterisch miteinander verknüpfen (Abbildung 9, »das Netz«). Anstatt einer reinen Anhäufung von Wissenseinrichtungen soll ein gemeinsamer Raum, ein vernetzter »Wissensort« entstehen (Vernetzungsfunktion). Das Planungsverfahren hatte die Aufgabe, den ersten Grundstein für dieses kooperative Miteinander zu legen. Es wurde ein Planungsprozess aufgesetzt, der die Anrainer, die späteren NutzerInnen und einzelne AnwohnerInnen im Rahmen des sogenannten Arbeitskreises, bereits in die Formulierung der Wettbewerbsauslobung einbindet. Zielsetzung war, die Wissensbestände der Akteursgruppen für den Wettbewerb zu mobilisieren und einen Entwurf zu erhalten, der in der Umsetzung von den Anrainern mitgetragen wird. Die Anrainer sind nicht nur Beteiligte des Planungsprozesses, sondern sollen die konzeptionellen und gestalterischen Ideen 12
Diese neuen Anrainer sind ein Forschungszentrum für transatlantische Beziehungen (MarcTwain-Center), das Stadtteilzentrum Chapel e. V. (getragen durch den Stadtteilverein, effeta Eine-Welt-Zentrum sowie dem Verein formAD), eine private Hochschule mit dem Schwerpunkt Gesundheitsvorsorge (Praxis Hochschule), das Kulturhaus Karlstorbahnhof sowie das zweite Kultur- und Kreativwirtschaftszentrum Heidelbergs (betrieben durch die Heidelberg Dienste gGmbH)).
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Stadtentwicklung in der Wissensgesellschaft
des Parks auf ihren privaten Flächen umsetzen. Der Park soll sich damit nicht, wie dies klassischerweise der Fall ist, lediglich über öffentliche Flächen erstrecken (Abbildung 9, »die Orte«), sondern auch die privaten Freiflächen der Anrainer (Abbildung 9, »das Gewebe«) einbeziehen. Zusätzlich sollen die Anrainer in der Nutzungsphase zur Belebung und Aneignung des Parks beitragen (Aktivierungsfunktion). Die Benennung des Projektes als »der Andere Park« soll die Ansprüche der Stadt an das IBA-Projekt widerspiegeln – der Freiraum soll nicht nur ein Ort für Freizeit und Erholung sein, sondern ein »Wissensort« werden. Dieser artifizielle Ausdruck kann in zwei anwendungsbezogene Bedeutungsdimensionen vereinfacht werden: Zum einen werden die Bedeutung von Wissen und Lernen für die Gesellschaft herausgestellt, das Projekt ist damit anschlussfähig an den theoretischen Diskurs der Wissensgesellschaft. Zum anderen soll das Projekt durch den Planungsprozess selbst zum »Wissensort« werden, in welchem unterschiedlichen Wissensformen integriert werden.13 Die hohe Fördersumme, die für das Projekt vom Bund eingeworben werden konnte, kann dabei als Bekräftigung der dem Projekt zugrunde liegenden konzeptionell-theoretischen Überlegungen durch die Fördermittelgeberin verstanden werden.
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Siehe Abschnitt 5.1.1: Die zentrale konzeptionelle Qualifizierung erfolgte über den einberufenen Expertenkreis aus VertreterInnen der Bereiche Architektur/Städtebau, Freiraumplanung, Bildung, Partizipation und Kunst. Dieser hatte die Aufgabe, das Vorhaben konzeptionell vorzudenken und in eine Auslobung zu übersetzen: »Die Ergebnisse [des Planungswettbewerbs, Anm. KF] können nur so gut werden, wie es die Auslobung zulässt. Das haben jetzt nicht wir als IBA selber gemacht, aber wir haben dafür gesorgt, dass Leute diese Auslobung schreiben, die wirklich Ahnung haben, was gerade State of the Art ist und auch zukunftsfähig sein kann in Bezug auf einen Freiraum in der Wissensgesellschaft« (IBA 4). Über den Arbeitskreis wurde die lokale Perspektive auf das Vorhaben integriert und auf diese Weise versucht lokale Wissensbestände und ExpertInnenwissen zu verbinden.
5. Dimensionen wissensbasierter Stadtentwicklung
Im Folgenden werden die empirischen Erkenntnisse, die im Kontext der wissensbasierten Stadtentwicklung in Heidelberg stehen, entlang dreier Überthemen systematisiert dargestellt. Kapitel 5.1 beschäftigt sich mit neuen Akteuren, die mit einer wissensbasierten Stadtentwicklung Teil des Akteursspektrums werden, den Umgang mit deren Wissensbeständen als auch mit den neu entstandenen Rollen. Kapitel 5.2 widmet sich den infolge entstehenden neuen (Aushandlungs-)Räumen, während Kapitel 5.3 die Perspektive auf erste strukturelle Veränderungen und deren genereller Voraussetzung, dem Vertrauensaufbau, erweitert.
5.1
Intermediäre Akteure und veränderte Prozesse der Wissensgenerierung
Die Heidelberger Wissenslandschaft wächst sowohl räumlich als auch institutionell stetig, zahlreiche Einrichtungen wirken im Kontext von Wissen z. B. durch Lernund Bildungsangebote, neue Wissenschaftseinrichtungen siedeln sich an, die Zivilgesellschaft fordert eine aktive Rolle in Planungsprozessen ein. Immer mehr Akteure nehmen an Stadtentwicklung teil, daraus resultieren eine wachsende Themenvielfalt, neue Beziehungen als auch neue Formen der Zusammenarbeit, des gemeinsamen Lernens und Reflektierens. Diese Entwicklungen fordert die Vorstellung von Stadtentwicklung qua Planung und hierarchischer Steuerung nachdrücklich heraus. Die empirische Analyse hat die in der theoretischen Literatur zur KBUD beschriebenen Such- und Integrationsprozesse neuer Akteure der Stadtentwicklung bestätigen können (Fichter et al. 2004; Matthiesen und Mahnken 2004). Dies sind jedoch nicht nur diejenigen Akteure, die klassischerweise in den KBUD-Konzepten benannt werden, nämlich die Wissenschaftseinrichtungen und Wirtschaftsunternehmen, sondern ebenfalls sogenannte Intermediäre, die durch ihre Stellung in der Lage sind, systemübergreifende Lernprozesse anzustoßen und eine wissensbasierte Stadtentwicklung zu befördern. Diesen, im Fallbeispiel sind dies IBA und Reallabor, kommt als intermediären Akteuren eine zentrale Rolle im Aktivieren und Vernetzen von insbesondere systemischen Akteuren (d. h. Hoch-
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Stadtentwicklung in der Wissensgesellschaft
schulen, politisch-administratives System und deren Subsystemen) zu. Gleichzeitig tragen die Formate zur Ausbildung von Schnittstellen bei, an denen die Ergebnisse und Erfahrungen aus den neuen Prozessen der Wissensgenerierung in die kommunale Stadtplanung zurückgespielt werden können. Die Konzepte der wissensbasierten Stadtentwicklung müssen daher, und dies ist die erste Erkenntnis der vorliegenden Arbeit, im Hinblick auf ihr Akteursverständnis und die Prozesse der Wissensgenerierung erweitert werden. Im Folgenden wird dies am Beispiel der IBA (Abschnitt 5.1.1) sowie den Reallaboren (Abschnitt 5.1.2) erläutert.
5.1.1
Institutionen schaffen: Die IBA und deren Rolle für die wissensbasierte Stadt
Die IBA vermittelt Elemente und Prozesse einer wissensbasierten Stadtentwicklung über vier Funktionen. Sie erzeugt Impulse für die Integration und Diffusion der KBUD in das lokale »Doing« von Stadtverwaltung und -politik mittels ihrer Qualifizierungs-, Brückenbau-, Moderations- sowie Innovationsfunktion. Hier kann die These formuliert werden, dass die traditionellen Akteure einer KBUD: Wissenschaftseinrichtungen, Unternehmen als auch der lokale Staat, nicht in der Lage sind, diese Funktion vollständig zu übernehmen. Dies resultiert weniger aus fehlenden Handlungsressourcen wie materiellen Ressourcen, Instrumenten oder Macht, sondern mehr aus nicht übereinstimmenden Handlungsorientierung und -weisen, einer einschränkend wirkenden systemischen Eingebundenheit und fehlenden Institutionen. Mit den intermediären Akteuren sind einige dieser Leerstellen zu bearbeiten – dies auch im Angesicht der Herausforderungen, die mit der Erzeugung kollektiver Entscheidungen (was eine KBUD ja im Kern darstellt) einhergehen (Vgl. Kapitel 6). Qualifizierungsfunktion Durch die IBA sollen sowohl großmaßstäbige Stadtentwicklungsvorhaben als auch kleinere Bauprojekte qualifiziert werden. Qualifizierung bedeutet in diesem Kontext, dass dass die Modellprojekte einen Beitrag zum Motto Wissen|schafft|Stadt leisten. Hierfür fragt die IBA danach, welche zusätzlichen Funktionen für die Wissensgenerierung und -weitergabe Gebäude, Freiräume, soziale und technische Infrastrukturen übernehmen können und wie die sie erzeugenden Planungsprozesse vor diesem Hintergrund umzugestalten sind (Vgl. Abschnitt 4.2.2). Zur Bearbeitung dieser Fragestellungen organisiert die IBA verschiedene Qualifizierungsprozeduren wie Wettbewerbe, Workshops, Konferenzen und Werkstätten. Sie adressiert mit diesen gleichermaßen die inhaltliche Sach-, Fach- sowie Prozessebene der Modellprojekte. In der Praxis bedeutet dies, dass gewohnte Arbeitsabläufe und Gedankengänge in der planenden Kommune als auch bei privaten Bauherren mit der
5. Dimensionen wissensbasierter Stadtentwicklung
Zielsetzung hinterfragt werden, institutionelle und individuelle Lernprozesse anzustoßen und neue Handlungsorientierungen in der Planung zu etablieren. Über die IBA werden insofern neuartige Kontextfaktoren benannt, welche vor dem Hintergrund wissensgesellschaftlicher Transformation in die Wahrnehmung und das Handeln raumerzeugender Akteure integriert werden sollen. Für die Umsetzung dieser inhaltlichen Qualifizierung hat die IBA Mobilisierungsund Integrationsstrategien für unterschiedliche Wissensbestände entwickeln müssen. Es gilt Stadtentwicklung neu zu rahmen: Regulative Institutionen (z. B. des Baurechts) und Handlungsroutinen sollen um neue Themen und Fragestellungen vor dem Hintergrund Wissen|schafft|Stadt ergänzt werden. Hierfür hat die IBA für das Projekt »der Andere Park« einen Qualifizierungsprozess mit den Bausteinen Experten- und Arbeitskreis entwickelt (Vgl. Kapitel 4.4). Anstatt die notwendige Freiraumversorgung nur quantitativ zu ermitteln und die Qualitäten eines Freiraums mit den (zukünftigen) BewohnerInnen zu diskutieren, wurden durch den Expertenkreis Fragestellungen zum Zusammenhang von Freiraum und den gesellschaftlichen Transformationsprozessen im Kontext der Wissensgesellschaft in den Vordergrund gerückt (Etablierung neuer Handlungsorientierung). Der Kommunikationsraum zum Projekt »der Andere Park« schien während des Planungsprozesses dann durch das dementsprechende ExpertInnenwissen dominiert zu werden, es entfaltete durchaus diskursive Macht. Das lokale Alltags- und Milieuwissen des Arbeitskreises wurde (wie in der sehr partizipationsaffinen Stadt Heidelberg üblich, Vgl. Meier 2018) aufwendig mobilisiert und über die Etablierung verschiedener Schnittstellen (Stimmrecht für zwei Arbeitskreismitglieder in der Jury, Unterbrechung der Jurysitzung zwecks schriftlicher Kommentierung der Entwürfe) Teil des Kommunikationsraums. Die Einflussmöglichkeiten wurden durch einige Beteiligte des Arbeitskreises jedoch als gering eingeschätzt. Eine aktive Auseinandersetzung mit den in der ersten Phase durch den Expertenkreis erzeugten Planungsgrundsätzen fand zwar statt, ein eigenständiges (Weiter-)entwickeln jedoch in geringerem Maße. Auch in der zweiten Wettbewerbsphase überwog eine abwartende Haltung, gerade was die konzeptionelle Weiterentwicklung des Entwurfs anging. Dies entspricht ebenfalls der Wahrnehmung der IBA, die feststellen musste, dass das aktive Agieren der Anrainer teilweise hinter den hohen Erwartungen an eine koproduzierte Planung zurückblieb (IBA 4). Dies mag auch ein Fingerzeig auf die hoch professionalisierte Planungskultur sein, die Jahrzehnte ohne den fachlichen Laien auskam. Der Rollenwandel benötigt sowohl auf Seiten der FachexpertInnen als auch von StadtnutzerInnen Zeit. Eine demokratische Planungskultur erfordert wie die Demokratie eine aktive Inanspruchnahme. Zum Abschluss des Planungsprozesses war ebenfalls bei einigen Mitgliedern des ExpertInnenkreises eine Ernüchterung hinsichtlich der Wettbewerbsentscheidung zu vernehmen. Der gewählte Entwurf galt manchem im Hinblick auf den Anspruch eines »Anderen Parks« als wenig ambitioniert.
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Stadtentwicklung in der Wissensgesellschaft
Neben der inhaltlichen Qualifizierung adressiert die IBA ebenfalls die Ebene raumerzeugender Prozesse. Beide Ebenen stehen in Wechselwirkung miteinander. Hier bestätigt sich im Fallbeispiel die Aussage von u. a. McCartney et al. (2010), wonach neue Prozesse neue Inhalte erzeugen können. Die Etablierung experimenteller Prozesse soll die Neigung, Wissen durch Extrapolation bekannten Wissens zu generieren, einschränken und die Generierung innovativen Wissens befördern (Offenlegung von Handlungsroutinen). Weiterhin wirkt die IBA auf die individuellen Wissens- und Kompetenzebene qualifizierend. Die Qualifizierungsfunktion hat somit neben der projektbezogenen auch eine individuell-kognitive Dimension, was die in Kapitel 2 präsentierten Erkenntnisse der Wissenssoziologie/Wissensgeografie u. a. von Stehr (2001) und Meusburger (2015) bestätigt: Eine wissensbasierte Entwicklung setzt nicht nur Wissensaustausch zwischen systemischen Akteuren voraus, sondern auch individuelle Lernprozesse, die durch neue Arbeitskontexte und Aufgabenstellungen ermöglicht werden (Erweiterung sozialen Kapitals und sachlicher Handlungsressourcen). Das Qualifizierungsprozedere der IBA generiert zahlreiche Anlässe zur Stimulierung von Wissensdynamiken und Lernprozessen. Die Innovationsforschung unterscheidet kumulative und kombinatorische Wissensdynamiken (Rösslein 2019), beide sind für das Fallbeispiel zu konstatieren. Kombinatorische Wissensdynamiken ermöglichen durch die Konfrontation des lokalen (Fach-) Wissens (der Verwaltung und des Arbeitskreises) mit dem ExpertInnenwissen des IBA-Kuratoriums die Generierung innovativen Wissens. Diese Wissensdynamiken sind, wie Böschen et al. (2016) betonen, durch Unsicherheiten gekennzeichnet. Die Sicherheiten, die gewöhnlich durch das eigene institutionelle, organisationale und soziale Umfeld generiert werden, verlieren in solchen Prozessen ihre Kraft. Dies hat sich empirisch bestätigt, kombinatorische Wissensdynamiken sind im Fallbeispiel durch Reibungswiderstände gekennzeichnet (z. B. durch Abwehrmechanismen wie die Betonung eigener Expertise oder Blockadehaltung). Im Falle kumulativer Wissensdynamiken sind die Distanzen zwischen den Wissensbeständen der Akteure und damit auch potenzielle Reibungswiderstände geringer. Kumulative Wissensdynamiken fördern daher in geringerem Maße die Erzeugung innovativen Wissens, sondern bieten mehr Gelegenheiten für die Vertiefung des vorhandenen. Beispielhaft ist hierfür die neue kommunale Organisations- und Arbeitsform für die Entwicklung des Patrick Henry Village, das »agile Team« (Vgl. Abschnitt 5.3.1). Hier müssen ebenfalls kognitive als auch institutionelle Distanzen (z. B. zwischen dem »Amt für Verkehr«, dem »Umweltamt« oder »Stadtplanungsamt«) überbrückt werden, aufgrund des gemeinsamen institutionellen Umfelds (»Verwaltung«) sind diese jedoch geringer. Beide Wissensdynamiken erweitern jedoch gleichermaßen die individuell-kognitiven Kapazitäten und wirken auf die Ausweitung von Denk- und Handlungsräumen ein. Auf diese Weise können neue Handlungsroutinen entstehen. Beide stellen einen wesentlichen Baustein einer wissensbasierten Stadtentwicklung dar.
5. Dimensionen wissensbasierter Stadtentwicklung
Brückenbaufunktion Der IBA kommt trotz der Integration der Themen Bildung und Kultur, mit der sie durch die Stadtpolitik zum Ende des Vorprozesses zusätzlich betraut wurde (Stadt Heidelberg 2012b), insbesondere eine Aktivierungsfunktion der prestigeträchtigen hiesigen Universität zu. Zwischen dieser und dem politisch-administrativen System soll sie neue und belastbare »Brücken« bauen, Stadtentwicklung soll als gemeinsame Aufgabe verstanden werden (Etablierung einer neuen Problemwahrnehmung). Die Beziehung zwischen Universität und Stadt scheint durch regelmäßige Stadt-Uni-Gespräche, den Arbeitskreis Gesamtplanung sowie das Masterplanverfahren Im Neuenheimer Feld/ Neckarbogen institutionalisiert und formalisiert. Gleichzeitig kennzeichnen jedoch Kommunikationspausen und fehlende belastbare Institutionen das Verhältnis: »Diese Probleme spielen sich fast seit Jahrhunderten ab. (...) Die beiden haben bis zur heutigen Zeit nicht zusammengefunden« (Wissenschaften 1). Der kommunale Beschluss der Durchführung einer IBA mit diesem Thema ist insofern ein Hinweis auf den Willen, diese Kluft, die regelmäßig für Hochschulstandorte konstatiert wird (Ziegenbein 2007; Schneider et al. 2015; Hechler und Pasternack 2018), verringern zu wollen. Die IBA soll dafür als Brückenbauerin zwischen der Hochschule und dem politisch-administrativen System bzw. der Stadtgesellschaft vermitteln und Formate entwickeln, über die ein Dialog gestiftet und belastbare Institutionen aufgebaut werden können. Sie soll neue relationale Interaktionsorientierungen etablieren. Das wahrgenommene Missverhältnis zwischen dem Anspruch und den Ressourcen des Formats IBA wird in Abschnitt 6.2.1 ausgeführt. Moderationsfunktion Anschließend an die Brückenbaufunktion soll die IBA zwischen verschiedenen Akteuren, gegenteiligen Interessen und unterschiedlichen Handlungslogiken die gemeinsam Stadt erzeugen, vermitteln. Als Tochtergesellschaft der Stadt Heidelberg außerhalb der Verwaltungsstrukturen kann die IBA diese Moderationsaufgabe potenziell erfolgreich ausüben: regulative Institutionen wirken auf sie geringer, Handlungsroutinen konnten sich kaum ausbilden. Die IBA profitiert als Intermediär von der Position zwischen den Stühlen: »Wir sitzen als IBA einfach in diesem Boot, dass wir quer zu den Dezernaten, zu den Themen und zu den Disziplinen arbeiten wollen und müssen« (IBA 5). In dieser Dazwischen-Position liegt das Potenzial, Alternativen zum traditionell sektoral organisierten kommunalen Planungshandeln vor dem Hintergrund einer integrierten WissenIschafftIStadt-Perspektive zu etablieren und zur Erzeugung neuer kollektiver bindender Entscheidungen und deren Umsetzung beizutragen. Mit Lisowski et al. (2011) wurde erkannt, dass eine KBUD neuer Schnittstellen
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zwischen allen Teilen der kommunalen Verwaltung als auch mit der Kommunalpolitik bedarf; über formelle Zuständigkeiten einer sektoral organisierten Verwaltung lassen sich die Anforderungen und Themen einer wissensbasierten Stadt nicht bearbeiten. Die Notwendigkeit für Schnittstellenformate bestätigt sich im Fallbeispiel. Diese musste die IBA erst aktiv aufbauen: »Unsere multiperspektivische Herangehensweise, dass wir bestimmte Dinge integrativ und interdisziplinär behandeln, das mussten wir erst etablieren. Es gibt natürlich auch in der Stadtverwaltung jetzt schon Projektteams. Aber wir haben natürlich eine andere Dynamik, weil wir eben dann auch mal Hierarchien ignorieren und schneller an die Leute rangehen. Oder wenn es sein muss eben dann auch mal über die Hierarchie der Bürgermeister kommen. Wir sind sozusagen aus der Unberechenbarkeit heraus, die am Anfang ein bisschen Gegenwind erzeugt hat, nun auch akzeptierter Möglichkeitsraum geworden« (IBA 2). Das Zitat verweist darauf, dass im Zuge einer wissensbasierten Stadtentwicklung nicht nur neue Formate etabliert werden müssen. Eine KBUD muss vielmehr existierende Spielräume in kommunalen Verfahren mobilisieren und so thematische und hierarchische Integrationsleistungen erzeugen. Es gilt passende normative, kognitive und regulative Institutionen einer wissensbasierten Stadt zu entwerfen und zu etablieren. Innovationsfunktion Die IBA agiert als lokale Innovationsagentur und daher notwendigerweise vorwärts gewandt. Sie erzeugt durch die Integration neuer Akteure, Perspektiven und Fragestellungen Wissensdynamiken, aus welchen Innovationen entstehen können. Zur Umsetzung dieses Anspruchs bedient sich die IBA vielförmiger Expertise bspw. des IBA-Teams, der Kuratoriumsmitglieder als auch das Wissen der an verschiedenen IBA-Formaten beteiligter ExpertInnen. Dieser externen Expertise kommt eine hohe Geltung zu, weist diese doch eine höhere kognitive Distanz und eine geringere institutionelle Überlappung auf und ermöglicht daher die Entstehung kombinatorischer Wissensdynamiken (siehe Qualifizierungsfunktion). Aus diesen Fähigkeiten resultiert eine moralische Autorität (diskursive Macht), die die Durchsetzungsfähigkeit der IBA erhöhen kann – die IBA erschließt diese externen Wissensbestände, initiiert Wissensdynamiken und fördert so auch die kommunale Innovationsfähigkeit (Mobilisierung neuer Handlungsressourcen). Die IBA leistet durch ihre Arbeit damit nicht zuletzt einen Beitrag zur Erhöung kommunaler Steuerungsfähigkeit, so verschieben sich doch, wie Forschende herausgearbeitet haben (Fichter et al. 2004; McCartney et al. 2010), Koordinations- und Steuerungsmöglichkeiten durch eine wissensbasierte Entwicklung von der Kommune auf eine Vielzahl von Akteuren (Transformation von Interaktionsorientierung). Mit ihrer Innovationsfunktion stärkt die IBA die Handlungsfähigkeit der Kommune. Gleichzeitig gehen
5. Dimensionen wissensbasierter Stadtentwicklung
mit dem Wirken der IBA Veränderungen einher, die nicht nur positiv aufgenommen werden. Die Entwicklung von Innovation im Sinne ihres Auftrags müssen per definitionem Handlungsroutinen und Standards herausfordern. Dies kann vor dem Hintergrund, dass für die Durchsetzung des IBA-Auftrags nach Innovation nicht unisono Bedarf gesehen wird, durchaus Gegenwehr erzeugen (Vgl. Kapitel 6.1 zum Resonanzpotenzial).
5.1.2
Neue Rolle für die Wissenschaften: Erzeugung sozial robusten Wissens in Reallaboren
Nicht nur die Diversifizierung der Akteurslandschaft, neue Prozesse zur Mobilisierung von Wissensbeständen und der Bedeutungszuwachs intermediärer Akteure sind Dimensionen der wissensbasierten Stadtentwicklung Heidelbergs. Weiterhin kennzeichnend sind das Aufkommen und die Wahrnehmung neuer Rollen. Insbesondere am Beispiel von Hochschulen kann die Ausdifferenzierung des Rollenverständnisses und damit zusammenhängend, eine neuartige Einordnung in die lokale Wissenslandschaft beobachtet werden. Wissenschaftliche Einrichtungen definieren sich nicht mehr einzig über tradierte Rollen und Funktionen, wie die bereits skizzierten Wissenserneuerungs-, Ausbildungs- und Transferfunktionen (Lisowski et al. 2011; Schneider et al. 2015; Hechler et al. 2018; Hechler und Pasternack 2018). Über die Etablierung von Reallaboren wurde vielmehr der Kern des wissenschaftlichen Arbeitsprozesses adressiert und der wissenschaftliche Erkenntnisprozess an gesellschaftlichen Bedarfen ausgerichtet. Mit Böschen et al. (2016) können diese Öffnungsprozesse als Kennzeichen einer wissensgesellschaftlichen Transformation erkannt werden, welche durch das Format Reallabor befördert werden. Mit diesen transdisziplinären Formaten beschreiten einige Wissenschaftseinrichtungen Heidelbergs Neuland1 und bestätigen damit die in der Hochschulforschung diskutierte neue Rolle von Hochschulen (Hachmeister et al.
1
Transformative Forschung scheint für dabei die Verwaltung der Universität Heidelberg derartiges Neuland zu sein, dass sie im Zuge des im Jahr 2019 stattgefundenen Website-Relaunchs zwar auf ihre Transfer-Aktivitäten hinweist, Formate der transformativen Forschung, die durch Angehörige der Universität jedoch durchgeführt werden, gänzlich fehlen. Auf die Aktivitäten der Heidelberg School of Education (HSE) wird als Einrichtung der angewandten LehrerInnenausbildung zwar hingewiesen, die Beiträge einiger Institute wie bspw. des HCE, des CSI oder der HSE auf dem Feld der transformativen Forschung werden nicht genannt (Universität Heidelberg 2019). Bei der SRH, die als Koordinierungsstelle des Reallabors StadtRaumBildung fungiert sowie der PH Heidelberg, die das Reallabor Asyl koordiniert, gestaltet sich die Situation anders. Durch den engen Praxisbezug deren Forschungs- und Lehrtätigkeiten unterscheiden sie sich von der Universität Heidelberg. An gesellschaftlichen Fragestellungen orientierte Forschungen sowie Transferaktivitäten sind für beide Einrichtungen ein regelmäßiges Thema.
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2016; Hechler et al. 2018; Hechler und Pasternack 2018). Diese zeigt sich insbesondere anhand besagter Öffnung von wissenschaftlichen Arbeitsprozessen und wird im Folgenden am Beispiel des Ko-Design von Forschungsfragen dargestellt. Es werden sowohl gleichsam Erfahrungen als auch Herausforderungen dieser Rollenausdifferenzierung beleuchtet. Die Öffnung wissenschaftlicher Arbeitsprozesse in den untersuchten Reallaboren wurde in unterschiedlichen Intensitäten praktiziert. Die Bandbreite reicht von einer intensiven Zusammenarbeit der verschiedenen Akteure bei der Planung und Durchführung des Forschungsvorhabens bis zum Abarbeiten von Aufgabenlisten der PraxispartnerInnen, was mehr einer Auftragsforschung als transformativer Forschung entspricht. Einige der Befragten bestätigten die positiven Erfahrungen und hoben das Potenzial des Formats und des darin generierten Wissens für die eigene Tätigkeiten hervor. Die Reallabore böten dabei wie kaum ein anderes Format die Möglichkeit zu wechselseitigem Austausch und gemeinsamen Lernprozessen von bisher autark bzw. punktuell kooperierender Akteure. Die gemeinsame wissenschaftliche Reflexion sei trotz Zeitknappheit und den zahlreichen Alltagsaufgaben ein hoher Mehrwert (Reallabor Praxispartner 4; Reallabor Wissenschaft 8; Stadtpolitik 2). Bei anderen Befragten war eine Ernüchterung aufgrund der hohen Zielsetzungen bei kurzen Projektlaufzeiten festzustellen (IBA 3, Reallabor Wissenschaft 6; Reallabor Wissenschaft 2). Ein wichtiger Baustein für den Verlauf des Reallabors ist die Phase des KoDesigns von Fragestellungen (siehe Abbildung 3), in welcher die jeweilige Problemdefinition erörtert und eine thematische und räumliche Eingrenzung abgestimmt wird. In dieser Prozessphase steht die Identifikation praxisnaher Fragestellungen im Fokus, daher ist das Engagement der PraxispartnerInnen von entscheidender Bedeutung. Die Ko-Kreation von Fragestellungen entfaltet einen Nutzen als Mechanismus zur Überbrückung von institutionellen und sozialen Differenzen zwischen den Beteiligten. Ein gemeinsam definiertes Forschungsinteresse kann dazu beitragen, zwischen den unterschiedlichen Handlungs- und Zeitlogiken von Wissenschaften und Praxis zu vermitteln und die nötige Unterstützungsbereitschaft aufseiten der PraxispartnerInnen für den anschließenden Forschungsprozess mit seinen experimentellen Phasen zu mobilisieren. Bezüglich Ko-Produktion existiert eine Bandbreite an Erfahrungen. Ein Reallabor konnte bereits die Antragsphase transdisziplinär organisieren und gemeinsam mit den PraxispartnerInnen Fragestellungen entwickeln. Bei einem anderen war die vorgelagerte Antragsphase mehr durch grundsätzliche Abstimmungen über die Kooperation und deren Inhalte geprägt, der arbeits- und abstimmungsintensive Prozess des Ko-Designs der Forschungsfragen hat sich vom Projektbeginn auf die spätere Phase der Realexperimente verschoben. Diese zeitliche Verlagerung der Definition von Forschungsfragen entspricht zum einen dem gängigen Ablauf wissenschaftlicher Forschungsprozesse. Forschungsfragen schärfen sich im Prozess.
5. Dimensionen wissensbasierter Stadtentwicklung
Zum anderen müssen anfänglich, gerade wenn das Reallabor nicht auf bereits etablierten Strukturen aufbauen konnte, Abstimmungsformate etabliert und eine gemeinsame Wahrnehmung über die Aufgabenstellung entwickelt werden (siehe Abbildung 10). Hierfür sind auch Verständigungs- und Übersetzungsleistungen zwischen den KooperationspartnerInnen nötig. Ein transdisziplinärer Forschungsmodus muss trotz einer grundsätzlichen Übereinkunft zur Kooperation aufgrund meist fehlender Strukturen erst aufgebaut werden. Den notwendigen Vorprozess zum Aufbau des Forschungsmodus deckt, wie von einigen GesprächspartnerInnen herausgestellt, die Förderstruktur des MWK nicht ausreichend ab: »Ko-Kreation von Forschungsfragen gab es nicht in Bezug auf die Antragsstellung. Dafür ist es [das Aushandeln mit den PraxispartnerInnen, Anm. KF] tatsächlich ein bisschen zu spät gekommen. Wir haben auch in der Evaluation festgehalten, dass man im Antragsprozess an sich schon stärker mit den Kooperationspartnern aus den Kommunen hätte kooperieren sollen. Das hat aber die Zeit (im Rahmen des Antragsprozesses, Anm. KF) einfach nicht hergegeben. Das ist aber dann eben anhand der verschiedenen Realexperimente durchgeführt worden. Da sind dann schon Forschungsfragen gemeinsam entwickelt worden. Und eben auch gemeinsam erarbeitet und bearbeitet worden« (Reallabor Wissenschaft 2). Die unterschiedlichen Erfahrungen beruhen u. a. auf der Intensität des Kontakts im Vorfeld des Reallaborprojekts, den Erfahrungen mit kooperativen Formaten und der Offenheit der Akteure für die mit dem Reallabor verbundenen neuen Rollen (Defila und Di Giulio 2019b). Nicht unerheblich ist auch die Zeitspanne für den Aufbau des Forschungsteams. Einige Forschende rufen in der Diskussion um die neue Rolle von Wissenschaft die Frage nach der Legitimation des transdisziplinär erzeugten Wissens auf. So gelten Reallabore zwar als »Orte der institutionellen Unabhängigkeit« (Böschen et al. 2016: 189), werden jedoch selbst Teil des politischen Prozesses und bedürfen daher hoher Transparenz und u. U. eines Mandats (Healey 2008). Dies verlangt mehr als Wissenschaftskommunikation vonseiten der Reallaborforschenden. Es bedarf vielmehr eines tieferen Einstiegs in die öffentliche Wissensvermittlung. Dabei stellte sich den Reallaborforschenden zwingend die Frage nach der geeigneten Form der Wissensvermittlung (Reallabor Wissenschaft 8; Reallabor Wissenschaft 2). Von den Reallaboren wurde jeweils ein Mix aus tradierten wissenschaftlichen Formaten wie Vorträgen und Symposien sowie neuartigen Formaten wie Workshops, Radtouren oder Speed-Datings entwickelt, um die transdisziplinären Formate als auch deren jeweilige Ergbnisse in die Öffentlichkeit zu tragen (Abbildung 10). Die für einen öffentlichen Diskurs notwendige Aufmerksamkeit zu generieren, ist in Heidelberg mit ihrer hohen Dichte an Informations- und Partizipationsmöglichkeiten dabei durchaus schwierig. So wurde den beiden Reallaboren, die sich in weiteren Praxiskommunen in Baden-Württemberg engagierten, dort eine höhere Aufmerksamkeit
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Stadtentwicklung in der Wissensgesellschaft
Abb. 10: Auswahl dialogischer Formate der Heidelberger Reallabore
Quelle: eigene Zusammenstellung auf Basis der ExpertInnengespräche sowie Reallabor Stadt-Raum-Bildung 2016, Reallabor Urban Office 2019, Reallabor Asyl 2019
zu teil. Der Forschungsprozess wurde teilweise engagierter begleitet, die Ergebnisse stärker diskutiert (Reallabor Wissenschaft 2; Reallabor Wissenschaft 7). Dies kann im Falle des Reallabor Asyl mit dem generell hohen Interesse zusammenhängen, welches die Thematik Flucht und Integration seit 2015 erfährt (Kück 2020). Der Aufbau von Kompetenzen zur öffentlichen Wissensvermittlung und Diskussion transdisziplinär erzeugter Wissensbestände, der mit diesem Rollenwechsel verbunden ist, ist herausfordernd aber notwendig, da die Wissensvermittlung gerade auf Seiten der WissenschaftlerInnen neuer Fähigkeiten bedarf (Rose et al. 2018).
5. Dimensionen wissensbasierter Stadtentwicklung
Der Aufbau dieser Kompetenzen stand insofern bei Förderbeginn der Reallabore noch am Anfang und ist mit dem Ende der Förderung in seinem Fortbestand ungewiss. Ein Aufbau von Kapazitäten hat indes stattgefunden: Mit dem Verein Urban Innovation wurde unter Beteiligung des Reallabors Urban Office ein öffentliches Diskussionsforum gegründet, das auch nach Ende der Förderung des MWK weiter besteht. Dieses kann als Instrument der öffentlichen Wissensvermittlung begriffen werden und ist damit ein erster Schritt die Einnahme der neuen Rolle durch die institutionalisierten Wissenschaften zu verstetigen. Die neue Rolle der Wissenschaften erzeugt nicht nur Mehrwerte für die Generierung und Erprobung nachhaltiger Lösungsansätze für gesellschaftliche Fragestellungen (hier sei exemplarisch auf Handreichungen, überarbeitete Unterrichtsmaterialien, Anbahnung von Beziehungen, Entwurfsideen, eine verbesserte Informationslage für insbesondere die kommunalen PraxispartnerInnen verwiesen), sondern kann ebenfalls einen persönlichen Mehrwert für die Forschenden entfalten. Dies hat sich anhand in Reallaboren angefertigten Qualifikationsarbeiten gezeigt. So ergaben sich über die mehrjährige Laufzeit Vorteile für NachwuchswissenschaftlerInnen u. a. durch das dauerhafte gemeinsame Engagement, das tiefergehende Eintauchen in Prozesse und die Mitwirkung an Projekten. Es konnte eine besondere Nähe und Zugang zum Feld etabliert werden (Herrmann 2020; Kück 2020). Die durch die längerfristige Zusammenarbeit stimulierte Vertrautheit hat dabei auch zur Qualifizierung der Forschungsperspektive beigetragen (Reallabor Wissenschaft 5). Der Rollenwechsel und damit der Aufbau eines transdisziplinären Forschungsmodus konnte auf Ebene der Reallaborteilprojekte nicht immer vollzogen werden. So existieren Teilprojekte, in denen kaum ein Interesse an der Überbrückung der institutionellen Distanz vonseiten der Wissenschaften als auch der PraxispartnerInnen bestand. Ein Mehrwert der transdisziplinären Zusammenarbeit wurde kaum erkannt: »Es ist ein ganz klassisches Beispiel mit dem ›Projekt X‹. Der Praxispartner dachte sie könnten das jetzt ganz gut gebrauchen für ihr Marketing. Und die Wissenschaften wollten auch ihr Ding machen und eben doch nicht in die Schnittstelle zur öffentlichen Vermittlung von Wissen einsteigen. Und bei diesem Projekt ging es am meisten auseinander im Sinne der Transdisziplinarität« (IBA 3). Ein Rollenwechsel wurde hier insofern kaum vollzogen. Der Praxisakteur hat sich nur schwerlich auf den transdisziplinären Forschungsansatz einlassen können, die wissenschaftliche Seite nicht auf die Aufgabe der öffentlichen Wissensvermittlung. Das Projekt wurde in üblichen Routinen durchgeführt, ein Arbeitsmodus analog zur Auftragsforschung bildete sich aus, mit welchem sowohl Wissenschaften als auch PraxispartnerIn zufrieden schienen.
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Stadtentwicklung in der Wissensgesellschaft
Dass der Rollenwechsel auch für die institutionalisierten Wissenschaften durchaus herausfordernd ist, zeigt sich exemplarisch an der Verbindung von wissenschaftlicher Projektarbeit sowie Bewährung. Diese Aufgabenkombination entspricht dem gängigen Standard, im Zuge der Projektforschung an Hochschulen wird meist ebenfalls eine Dissertation angefertigt. Die Dissertation entsteht in den jeweiligen disziplinären Strukturen und wird über deren Leistungsindikatoren beurteilt. Diese sind jedoch mitunter gegenläufig zu den Ansprüchen an transdisziplinäre Forschung im Reallabor; dies kann Rollenkonflikte auslösen: »Diese [transdisziplinäre Forschung, Anm. KF] ist aber auch innerhalb der Uni schwer zu vermitteln. Das war falsch angelegt mit den Doktorandenstellen. Da ging es darum, dass Output entsteht und der dann in Vorträgen referiert wird. Aber das ist ja nicht transdisziplinäre Forschung« (Reallabor Wissenschaft 7). Das Zitat hebt den Rollenkonflikt hervor, der mit der Reallaborforschung für disziplinär sozialisierte WissenschaftlerInnen entstehen kann. Durch das Format der Reallabore sind diese nicht mehr nur Forschende, sondern werden ebenfalls »Faciliatoren« von Prozessen und Vermittler zwischen Akteuren sowie »Change Agents«, die praxisbezogen beraten und andere Akteure zu einer nachhaltigen Entwicklung motivieren sollen (Rose et al. 2018). Leistung und Output werden vor diesem Hintergrund mit anderen als den wissenschaftlichen Kriterien definiert. Aus diesen unterschiedlichen Anforderungen erwachsen gerade NachwuchswissenschaftlerInnen Herausforderungen, diese sind gleichzeitig zweierlei, mitunter widerstreitenden Logiken, unterworfen. Dies zeigt sich beispielhaft an der Bewertung relevanter Fragestellungen als auch an besagten Leistungskriterien. Die Fragestellungen der Reallaborprojekte haben eine hohe Relevanz und Dringlichkeit für die Praxis, sie spiegeln die Interessen der Praxis wider. Diese praxisnahen Forschungsbedarfe entsprechen jedoch nicht zwingend aus wissenschaftlicher Perspektive einer Forschungslücke. Vor dem Hintergrund der begrenzten Förderlaufzeit ergibt sich jedoch der Wunsch, möglichst Synergieeffekte aus dem Reallaborprojekt für das Dissertationsvorhaben zu generieren, was eine gewisse Überschneidung der Forschungsthemen erfordert. Auch am Beispiel wissenschaftlicher Leistungskriterien offenbaren sich die unterschiedlichen Anforderungen von disziplinärer und transdisziplinärer Forschung. Aktuell fristet transformative Forschung in den stark disziplinär organsierten Wissenschaften aller medialen Aufmerksamkeit zum Trotz bisher eher ein Nischendasein2 (Parodi et al. 2016). Daher sind wissenschaftliche Reputationsgewinne in diesem Feld aktuell nur 2
Mit dem Aufbau eines spezifischen Reputationssystems für transformative Forschung ist jedoch zu rechnen. Entsprechende Formate nehmen zu und werden innerhalb in Teilen der Wissenschaftsgemeinschaft positiv diskutiert (Defila und Di Giulio 2019a), eine eigene Wissenschaftsgemeinschaft ist im Aufbau begriffen: »Es gibt jetzt zum Beispiel ein Reallabor Netzwerk, zu den spezifischen Themen die wir machen auch tausend Kongresse und Tagungen. (…) Es passiert einfach unheimlich viel auf diesem Gebiet des transformativen
5. Dimensionen wissensbasierter Stadtentwicklung
begrenzt möglich. Der Bezugsrahmen der Qualifikationsarbeit bildet aufgrund dessen meist weiterhin die jeweilige disziplinäre Wissenschaftsgemeinschaft. Diese definiert »Fronten des Wissens« (Hechler et al. 2018: 258) und nimmt dadurch Einfluss auf das Promotionsvorhaben. An dieser Wissenschaftsgemeinschaft orientieren sich die Outputs der Forschung – diese sind in der wissenschaftlichen Forschung klassischerweise Vorträge oder Veröffentlichungen in Fachmagazinen oder Fachbüchern. Die potenzielle Anerkennung, die über die PraxispartnerInnen generiert werden kann, verläuft quer zu dem Reputationssystem disziplinärer Wissenschaftsgemeinschaften. Ein gleichzeitiger Reputationsgewinn in beiden Feldern ist kaum möglich. Dies kann sich auf die Bearbeitungsintensität und Qualität sowohl von Forschungsprojekt als auch Qualifizierungsarbeit auswirken. Ebenfalls kennzeichnend für diese neue Rollenvielfalt ist die Diversifizierung von Arbeitsweisen: Während das Reallaborprojekt zwar ebenfalls zurückgezogene Arbeitsphasen kennt, tragen jedoch vor allem die kooperativen Phasen des gemeinsamen Planens und Reflektierens das auf gesellschaftliche Lernprozesse orientierte Vorhaben. Das Verfassen einer Qualifizierungsarbeit ist dagegen ein Prozess, in welchem sich die individuelle Arbeit mit Phasen kollegialer Reflexion abwechseln. Diese Forschungen zielen auf den wissenschaftlichen Wissenszuwachs, nicht primär auf das Ergebnis und den gesellschaftlichen Nutzen. Eine Dissertation bedarf daher in ihren Arbeitsphasen Schutzräume und Optionen zur Distanzierung. Diese sind in einer Situation, in der gleichzeitig das kooperative Forschungsformat Reallabor durchgeführt wird, schwer herzustellen bzw. stiften mitunter Verunsicherung bei den PraxispartnerInnen (Reallabor Praxispartner 3). Die WissenschaftlerIn, deren Rolle gleichzeitig die eines/einer Reallaborforschenden als auch Promovierenden ist, befindet sich insofern in einem Wechsel aus Nähe und Distanz zum Feld (Rose et al. 2018), das in transdisziplinären Settings eben nicht nur beforscht wird, sondern aktiv mitforscht. Dieser stetige Wechsel führt ggf. auch bei PraxispartnerInnen zu einem Wechsel von motivationaler und kognitiver Nähe als auch Distanzgefühl, was sich auf die Kooperationsbereitschaft auswirken kann.
5.2
Neue (Aushandlungs-)Räume
Wissensbasierte Stadtentwicklung hat Einfluss auf den Raum. Der Begriff »Raum« wird hier nicht exklusiv in seiner physisch-materieller Dimension verwendet. Die IBA qualifiziert zwar bauliche Projekte, die Wissen und Bildung mit Architektur verknüpfen, und auch in den Projekten der Reallabore werden die Forschungsfragen mit Bezug zu physisch-materiellen Räumen bearbeitet (Schulen, BürgerInnenArbeitens, auf dem Gebiet der Innovation. Das ist so ein großes Thema gerade, diese kommunalen Labs« (Reallabor Wissenschaften 1).
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5. Dimensionen wissensbasierter Stadtentwicklung
begrenzt möglich. Der Bezugsrahmen der Qualifikationsarbeit bildet aufgrund dessen meist weiterhin die jeweilige disziplinäre Wissenschaftsgemeinschaft. Diese definiert »Fronten des Wissens« (Hechler et al. 2018: 258) und nimmt dadurch Einfluss auf das Promotionsvorhaben. An dieser Wissenschaftsgemeinschaft orientieren sich die Outputs der Forschung – diese sind in der wissenschaftlichen Forschung klassischerweise Vorträge oder Veröffentlichungen in Fachmagazinen oder Fachbüchern. Die potenzielle Anerkennung, die über die PraxispartnerInnen generiert werden kann, verläuft quer zu dem Reputationssystem disziplinärer Wissenschaftsgemeinschaften. Ein gleichzeitiger Reputationsgewinn in beiden Feldern ist kaum möglich. Dies kann sich auf die Bearbeitungsintensität und Qualität sowohl von Forschungsprojekt als auch Qualifizierungsarbeit auswirken. Ebenfalls kennzeichnend für diese neue Rollenvielfalt ist die Diversifizierung von Arbeitsweisen: Während das Reallaborprojekt zwar ebenfalls zurückgezogene Arbeitsphasen kennt, tragen jedoch vor allem die kooperativen Phasen des gemeinsamen Planens und Reflektierens das auf gesellschaftliche Lernprozesse orientierte Vorhaben. Das Verfassen einer Qualifizierungsarbeit ist dagegen ein Prozess, in welchem sich die individuelle Arbeit mit Phasen kollegialer Reflexion abwechseln. Diese Forschungen zielen auf den wissenschaftlichen Wissenszuwachs, nicht primär auf das Ergebnis und den gesellschaftlichen Nutzen. Eine Dissertation bedarf daher in ihren Arbeitsphasen Schutzräume und Optionen zur Distanzierung. Diese sind in einer Situation, in der gleichzeitig das kooperative Forschungsformat Reallabor durchgeführt wird, schwer herzustellen bzw. stiften mitunter Verunsicherung bei den PraxispartnerInnen (Reallabor Praxispartner 3). Die WissenschaftlerIn, deren Rolle gleichzeitig die eines/einer Reallaborforschenden als auch Promovierenden ist, befindet sich insofern in einem Wechsel aus Nähe und Distanz zum Feld (Rose et al. 2018), das in transdisziplinären Settings eben nicht nur beforscht wird, sondern aktiv mitforscht. Dieser stetige Wechsel führt ggf. auch bei PraxispartnerInnen zu einem Wechsel von motivationaler und kognitiver Nähe als auch Distanzgefühl, was sich auf die Kooperationsbereitschaft auswirken kann.
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Neue (Aushandlungs-)Räume
Wissensbasierte Stadtentwicklung hat Einfluss auf den Raum. Der Begriff »Raum« wird hier nicht exklusiv in seiner physisch-materieller Dimension verwendet. Die IBA qualifiziert zwar bauliche Projekte, die Wissen und Bildung mit Architektur verknüpfen, und auch in den Projekten der Reallabore werden die Forschungsfragen mit Bezug zu physisch-materiellen Räumen bearbeitet (Schulen, BürgerInnenArbeitens, auf dem Gebiet der Innovation. Das ist so ein großes Thema gerade, diese kommunalen Labs« (Reallabor Wissenschaften 1).
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Stadtentwicklung in der Wissensgesellschaft
zentren, Wohneinrichtungen etc.). Der physisch-materielle Raum ist jedoch nicht die einzige relevante Raumdimension. Ebenfalls bedeutsam erscheinen auf Basis der empirischen Analyse nicht-materielle Räume, die im Kontext der wissensbasierten Stadtentwicklung in Heidelberg entstehen. Hier bestätigen sich die theoretischen Ausführungen (Vgl. Kapitel 2 und 3) auch aus empirischer Perspektive: Gesellschaftliche Veränderungen produzieren neben physisch- materiellen ebenso nicht-materielle Räume. Die folgenden Abschnitte widmen sich drei »Räumen«: Abschnitt 5.2.1 thematisiert das Aufkommen eines verbalen Diskursraums, Abschnitt 5.2.2 widmet sich neuen Möglichkeitsräumen für alternative Vorstellungen einer wissensbasierten Stadt, Abschnitt 5.2.3 fasst abschließend den physisch-materiellen Raum des Projekts »der Andere Park« als Einstieg in eine Diskussion um neue Verantwortlichkeiten für die Qualitäten von Stadt.
5.2.1
Entstehen eines lokalen Diskurses
Ein Merkmal der wissensbasierten Stadtentwicklung in Heidelberg ist das Aufkommen eines Diskurses3 , der zwischen den prinzipiell-abstrakten und den konkret-fallbezogenen Perspektiven der Konzepte der wissensbasierten Stadt vermittelt und so deren alltäglichen Nutzen greifbar macht. Die Analyse hat gezeigt, dass gerade für den intermediären Akteur IBA ein solcher Diskurs ein wichtiges Instrument zur Mobilisierung von Ressourcen darstellt. Hier bestätigen sich die Erkenntnisse von Lisowksi et al. (2011) sowie Fromhold-Eisebith (2009), wonach der Etablierung eines lokalen Diskurses für die Durchsetzung der Vision einer wissensbasierten Stadtentwicklung eine hohe Bedeutung zukommt. Ein solcher Diskurs über den Zusammenhang von Wissen und Raum stellte sich trotz der hohen Bedeutung des Konglomerats Wissen für die Stadt Heidelberg (Vgl. Einführung Kapitel 4), wie im Folgenden aufgezeigt wird, nur langsam ein. So kritisiert eine interviewte Person am Beispiel von Lernarchitekturen, dass die Notwenigkeit von Bildung allerorts und lautstark betont werde, der Konnex zwischen Bildung und gebautem Raum allerdings kaum hergestellt werde: »Ich war vor zwei Wochen auf dem EduAction Gipfel. 1.500 Leute, alle sind begeistert für das Thema Bildung. Da wurde schon die Bildungsrevolution ausgerufen. Aber das Gebäude war nie ein Thema. ›Herr X‹ sagte zu mir, dass die Pädagogen raumblind sind, das denken die gar nicht mit. (...) Bildungsrevolution und die Gefängnisarchitektur von 1910« (Reallabor Wissenschaft 6).
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Der Begriff Diskurs wird hier nicht im diskurstheoretischen Sinne genutzt. Das hier zugrunde liegende Verständnis einer lebhaften Diskussion wird jedoch gleichermaßen von Elementen wie Strategie, Macht und Ausschluss beeinflusst.
5. Dimensionen wissensbasierter Stadtentwicklung
Eine Erkenntnis, die auch die IBA so formuliert – auch in der »knowledge pearl Heidelberg« sei der Zusammenhang von Bildung und Raum, Wissen und Stadtentwicklung vermittlungsbedürftig. Ein Diskurs kann eine solche Vermittlungsaufgabe übernehmen. Der Entstehung eines Diskurses kommt daher eine Katalysatorfunktion für die Handlungsfähigkeit der IBA zu. Ohne ihn ist ihre Handlungsfähigkeit eingeschränkt. Der Diskurs findet nicht ausschließlich medial statt, er muss vielmehr von Akteuren des politisch-administrativen Systems, wie dies Fichter et al. (2004) und Lisowski et al. (2011) herausstellen, getragen werden. In der Fallstudie haben sich die Aussagen dieser AutorInnen bestätigt – erst mit der Sichtbarkeit wichtiger kommunaler Akteure hat sich ein Diskurs entwickeln und stabilisieren können. Die Entstehung des Diskurses wird im Folgenden in ihrer Funktion für eine KBUD nachgezeichnet. Die IBA startete nach einer vorwiegend an die (Fach-)Öffentlichkeit gerichteten dreijährigen Vorbereitungsphase mit mehreren Stadtteilspaziergängen, die sich an die breite Stadtöffentlichkeit richteten. Diese Spaziergänge hatten das Ziel, Aufmerksamkeit für die IBA zu generieren und die Relevanz der IBAPerspektive die Heidelberger Stadtentwicklung aufzuzeigen. Der IBA-Start wurde trotz zahlreicher Veranstaltungen von manchem Befragten als stockend wahrgenommen (Stadtverwaltung 4; Stadtverwaltung 5; Stadtpolitik 2; Zivilgesellschaft 1). Ursächlich für diesen als stockend eingeschätzten Beginn wird zum einen das abstrakte Thema Wissen|schafft|Stadt angeführt, dessen Bedeutung trotz einer hochrenommierten lokalen Wissenschaftslandschaft und einer hohen Dichte verschiedenster Wissenseinrichtungen erklärungsbedürftig war: »Ich muss so rum anfangen: Als die IBA begann habe ich mich gefragt, wie ganz viele Bürger übrigens auch, was wird das denn bloß? Das hatte für mich keine Kontur, dieses Wissen|schafft|Stadt« (Stadtpolitik 2). Zum anderen wurde die Notwendigkeit einer IBA für diesen thematischen Schwerpunkt durchaus auch kritisch gesehen (Vgl. Abschnitt 6.1.1). Auch die sich anschließende Phase der Projektakquise erscheint vor dem Hintergrund der hohen Erwartungen an das Stadtentwicklungsinstrument retrospektiv teilweise ernüchternd. So konnten zu Beginn zwar zahlreiche Projekte generiert werden, jedoch für das Motto kaum wegweisende. Dies wird u. a. auf die prozesshafte Struktur des Projektaufrufs und den egalitären Charakter der IBA (verkürzt: Wissen statt Wissenschaft) zurückgeführt. Der öffentliche Aufruf richtete sich an die gesamte Stadtöffentlichkeit, die lokalen Wissenschaftseinrichtungen waren Teil der angerufenen Stadtöffentlichkeit. Der Projektaufruf ist in weit höherem Maße auf das Interesse kleiner zivilgesellschaftlicher Gruppierungen und Einzelpersonen gestoßen, als auf das der zentralen Akteure einer KBUD, die die Stadt gerne über die IBA erreicht hätte: »Das Dilemma war eben, dass der Projektaufruf, also gerade dieses Prozesshafte, die etablierten Strukturen, die Exzellenzstrukturen, die akademischen Strukturen verschreckt hat« (IBA 5). Insofern haben in
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Stadtentwicklung in der Wissensgesellschaft
der IBA-Anfangszeit gerade öffentlichkeitswirksame Projektideen der zahlreichen Wissenschaftseinrichtungen4 gefehlt, welche eine stadtweite Sichtbarkeit der IBA befördert hätten. Ein IBA-Diskurs hat sich insofern sowohl in der Stadtöffentlichkeit, der Wissenschaftslandschaft als auch innerhalb des politisch-administrativen Systems in den ersten Jahren kaum aufgebaut (Stadtverwaltung 4; Stadtpolitik 2). Die Anfangsjahre der IBA haben somit nicht dazu beigetragen, den als sehr akademisch wahrgenommenen Auftrag aus dem IBA-Memorandum über einen Diskurs zu erden, ihn in der Stadtverwaltung zu beleben und über Modellprojekte in die Stadtöffentlichkeit zu tragen. Diese erste Diagnose hat sich im Zeitverlauf gewandelt. Wichtige Meilensteine für die Entstehung eines IBA-Diskurses waren der Amtsantritt des neuen Ersten Bürgermeisters (Dezernent für Bauen und Verkehr) im August 2016, der sich als Fürsprecher der IBA positionierte, sowie die gemeinderätliche Entscheidung zur Beauftragung der IBA mit der Durchführung der sogenannten Planungsphase 0 für das Patrick Henry Village ebenfalls in 2016. Diese beiden Ereignisse verdeutlichen die Rolle des politisch-administrativen Systems für die Entstehung des Diskurses. Erst deren Aktivierung ermöglicht die Entwicklung von Prozessen und Implementierung von Bausteinen einer wissensbasierten Stadtentwicklung. Ohne die Akzeptanz und Mitwirkung der Kommune kann, wie in Kapitel 3.2 konzeptionell u. a. mit Verweis auf Fichter et al. (2004) aufgezeigt, keine wissensbasierte Stadtentwicklung auf den Weg gebracht werden. Es bedarf groß-maßstäbiger Projekte, diese werden oftmals durch die Kommune initiiert bzw. gesteuert. Die Impulse, die von den kleineren bzw. zivilgesellschaftlichen IBA-Projekten generiert werden, entfalten nur ein geringes wissensgesellschaftliches Transformationspotenzial. Sie generieren zwar relevante, jedoch nicht die vollumfänglich gewichtigen Impulse. Dies wurde auch durch die Verantwortlichen in Heidelberg erkannt, die ihren Umgang mit der IBA und deren Leitmotiv erst finden mussten: »Letztlich muss man sagen, dass das mit dem Patrick Henry Village der Weg war den die Politik aufgezeigt hat. Es gab eine Gemeinderatsklausur zur IBA, auf der dann dieser Weg aufgezeigt wurde: ›Macht PHV und nehmt das in die Hand. Überlegt euch, wie das ein IBA Projekt ist‹« (Stadtverwaltung 4). Dieser Entscheidung, der IBA eines der zentralen Vorhaben der Heidelberger Stadtentwicklung anzuvertrauen, ging eine längere Überzeugungsarbeit voraus. Wie bereits beleuchtet, hatte sich der IBA-Diskurs von 2013 bis Mitte 2016 kaum eingestellt. Die Stadt selbst hatte bis dato mit Ausnahme des Projekts B³ Gada-
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In der Anfangsphase war die Universität Heidelberg jedoch als Kooperationspartnerin an einigen Veranstaltungen der IBA beteiligt (Stadt Heidelberg 2015a).
5. Dimensionen wissensbasierter Stadtentwicklung
merplatz5 keinen IBA-Kandidaten eingereicht. Eine strategische Positionierung mit Signalwirkung durch die Stadtpolitik als auch die Stadtverwaltung für »ihre« IBA unterblieb somit weitestgehend. Dies hat die gerade anfänglich benötigte Autorität der IBA untergraben. Ihre Autorität in Fragen der Stadtentwicklung musste sich die IBA insofern erst erarbeiten. Hierfür hat sie auch das kommunale Selbstverständnis angreifen müssen: »Das war eine Achterbahnfahrt zwischen Betteln und Drohen. (…) Es hat dann auch wirklich einige derbe Formulierungen gebraucht. Also ist es jetzt eine internationale IBA oder ist es eine Stadt-IBA? Eine von den Debatten oder Fragen war damals: ›muss man nach fünf Jahren dicht machen, wenn man eben keine adäquaten, komplexen, ambitionierten Referenzprojekte bekommt?‹ Und das hat der Gemeinderat dann rumgerissen. Vor allen Dingen durch seinen Beschluss, uns das PHV in der Phase 0 zu geben« (IBA 5). Der neue Erste Bürgermeister wurde mit seinem Amtsantritt im August 2016 zu einem der zentralen Akteure für die interne Stabilisierung als auch externe Stimulierung des IBA-Diskurses. Während sein Amtsvorgänger als »Verwalter« und weniger als »Impulsgeber« (Stadtpolitik 2) in Fragen von Stadtentwicklung wahrgenommen wurde, nutzt der neue EBM seine institutionelle Stellung und befördert die Integration der IBA sowohl in konzeptioneller als auch in institutioneller Hinsicht: »Wir waren Dank unseres EBM in die Vorprozesse für das ›Wissenschaftsprojekt X‹ eingebunden (…) und wir sind optimistisch, dass wir da im nächsten Jahr in die weiteren Verfahren eingebunden werden. Und dass wir das Projekt auch offiziell unter das IBA-Label stellen können, weil das auch wirklich spannende Projekte sind, gerade wegen der Kooperationen mit den Wissenschaften« (IBA 3). Für die IBA ist der EBM diejenige Instanz, die sowohl administrative Freiheiten eröffnen als auch politische Unterstützung befördern kann. Beides benötigt die IBA zwingend für ihre Arbeit, wurde ihr in den ersten Jahren jedoch nicht gewährt. Handlungsfreiheiten werden der IBA jedoch nicht in Form einer Carte blanche gewährt, sondern müssen aufgrund der Gemeinwohlverpflichtung der IBA jeweils projektbezogen bestimmt werden. Hieran verdeutlicht sich: Eine wissensbasierte Stadtentwicklung produziert nicht automatisch Gemeinwohl – sie muss vielmehr kritisch begleitet, diskutiert sowie politisch ausgehandelt und legitimiert werden.
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Das B³ Gadamerplatz ist ein Gebäudekomplex aus Grundschule, Kita und BürgerInnenzentrum in der Bahnstadt, Heidelbergs jüngstem Stadtteil, mit dessen Planung und Realisierung seit Stilllegung des Bahnbetriebs 1999 begonnen wurde (siehe Herrmann 2020 zu den Wechselwirkungen von Stadtraum, sozialen Beziehungen und Einstellungen am Beispiel der Bahnstadt).
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Stadtentwicklung in der Wissensgesellschaft
Während zur IBA-Zwischenpräsentation im Jahr 2018 der Diskurs innerhalb des politisch-administrativen Systems stabil und deutlich wahrnehmbarer erscheint, ist die Universität als ein zentraler Akteur einer KBUD in den öffentlichen Diskussionen weiterhin fast gänzlich unsichtbar. Auf der Projektebene wird mit dem IBA-Kandidaten Mensaria Campus Bergheim zwar ein Vorhaben bearbeitet, welches die Öffnung des Erdgeschosses eines Universitätsgebäudes mittels einer gastronomischen Nutzung vorsieht und damit die Verflechtung von Wissenschaften und Stadt voranbringen möchte (IBA 2018a). Die Vernetzung des Campus mit dem Stadtteil scheint jedoch bereits an den Diskussionen bezüglich der Notwendigkeiten der Umzäunung von einer per se öffentlichen Nutzung wie einer Campusanlage an ihre sinnbildlichen Grenzen zu stoßen. Daneben ist die Universitätsleitung an informellen Kooperationsformaten beteiligt, deren perspektivisches Ziel die Formulierung eines gemeinsamen Leitbilds von Wissenschafts- und Forschungseinrichtungen sowie der Stadt Heidelberg ist (IBA 3). Viele GesprächspartnerInnen haben jedoch in diesem Zusammenhang die aus der Literatur (Moritz 2016; Hilkmann 2017) bekannte Differenz zwischen aktiver und passiver Teilnahme bemüht (IBA 5; Stadtverwaltung 4; Stadtverwaltung 5; Reallabor Wissenschaft 7; Expertenkreis Park-Projekt 8 sowie Selle 2017). Dieser Unterschied manifestiert sich im IBA-Diskurs, in welchem die Universität zur Verwunderung als auch zum Ärgernis einiger interviewter Personen kaum in einer aktiven Rolle wahrzunehmen ist (Stadtverwaltung 5; Reallabor Wissenschaft 6; Expertenkreis Park-Projekt 8). Der Beitrag zum IBA-Diskurs durch die Wissenschaften und insbesondere die Universität wird sich von der Stadt und der IBA durchaus erwartet: Die Universität wird als derjenige Akteur anerkannt, der in Planungsprozesse die spezifische Kompetenz einbringt, über das Wesen und die Rahmenbedingungen von Wissensproduktion reflektieren zu können. Gerade dieser Input qualifiziert und ermöglicht eine wissensbasierte Stadtentwicklung. Aus Sicht der Universität wurde diese Reflexionsleistung jedoch bereits über die Übermittlung quantitativer Raumbedarfe für bspw. den Masterplanprozess Im Neuenheimer Feld/ Neckarbogen erbracht; für das Arbeitspapier »Wissenschaftsstadt Heidelberg« (Meusburger 2016) wurden Aussagen zu Arbeitszusammenhängen und Nähebedürfnissen getroffen. Die Präsenz der Universitätsverwaltung in formellen und informellen IBA-Formaten übersetzte sich daher in den ersten Jahren kaum in eine aktive Suche nach gemeinsamen Vorhaben und dem Aufbau strategischer Kooperationen mit der IBA. Vielmehr erscheint aus Perspektive der Universität in der IBA und dem PHV-Projekt ein neuerlicher Prüfstein für das Verhältnis zwischen Hochschule und Stadt zu liegen: Die IBA will die »Wissensstadt von Morgen« entwickeln, in diesem Zuge wird die Verlagerung einzelner Institute aus dem Campus Neuenheimer Feld auf die ca. 5 km entfernte Konversionsfläche PHV diskutiert. Aus Perspektive der Universität offenbart sich daran jedoch die unzureichende Akzeptanz wissenschaft-
5. Dimensionen wissensbasierter Stadtentwicklung
licher Grundbedürfnisse: Die Stadt nehme die durch die Wissenseinrichtungen formulierten Anforderungen an räumliche Nähe und Face-to-face-Begegnungen nicht ernst genug (IBA Lab No. 3; Wissenschaften 1; Sitzung des Gemeinderats vom 6.10.2016): »Das was Wissenschaft speist, werden Fachplaner nicht erarbeiten können. Das wird in den Wissenschaften selbst erarbeitet« (Universitätsrektor Prof. Dr. Eitel während des IBA LAB Nr. 3). Auf eine Teilnahme am IBA-Diskurs wird vor diesem Hintergrund vermutlich sogar bewusst verzichtet. Dieses Fehlen im IBA-Diskurs sorgt bei einigen Interviewten vor dem Hintergrund des in Kapitel 2 skizzierten wissensgesellschaftlichen Wandels für Unverständnis und Unmut – in der Wissenschaftsstadt Heidelberg scheitert das, was an anderen Orten gut funktioniert (Gerhard et al. 2020b): »Dass man Stadtentwicklung als Aufgabe aller begreift und dass man einen eigenen Beitrag dazu leistet. Den Wissenschaften muss man eigentlich abreden, dass sie sich auch als Beitrag zur Stadtentwicklung betrachten. Beitrag in einem ganzheitlichen Sinne. Und sich deswegen auch zumindest mal zu einem Gespräch über die Standortwahl bereit erklären oder eben über die Frage von Nutzungsmischung und so weiter. (…) Wir hatten gedacht, dass die IBA dafür ein gutes Instrument ist. Jetzt würde ich eher sagen, dass wir uns da bislang getäuscht haben« (Stadtverwaltung 5). Die ExpertInnengespräche haben ihre Verwunderung zum Ausdruck gebracht, dass die Universität offensichtlich kaum einen Nutzen aus der IBA zu ziehen vermag: »Da bin ich einfach irritiert, dass aus dieser Szene [den Wissenschaften, Anm. KF] nicht von sich der Andockungsgrad an die IBA erhöht wird. Das Werben der IBA ist ja da. Es gibt ja auch jemand im Kuratorium. Trotz der Bemühungen und dem Werben ist da immer noch, das ist jedenfalls mein Eindruck von außen, etwas Zähflüssiges. Da schlägt nichts Funken. Das finde ich irritierend. Weil aus meiner Sicht die Wissenschaft doch dem Anspruch der IBA im Grunde zujubeln müsste und sagen: ›Ja genau, das ist doch unser Markenversprechen für die Zukunft der Knowledge Pearl‹« (Expertenkreis Park-Projekt 8). Der im Selbstverständnis progressive Akteur Universität scheint mit dem Status quo zufrieden zu sein, einer engagiert zukunftsgerichtet agierenden Stadt scheint man wenig abzugewinnen. Das Motto der Universität Heidelberg – »semper apertus – immer offen« – scheint sich somit auf wissenschaftliche Fragen zu beschränken. Es wäre jedoch zu kurz gegriffen, das Fehlen der Universität im Diskurs mit Eigeninteressen und Selbstbezüglichkeit erklären zu wollen. Ebenso kann auf die Stadt verwiesen werden, die im Vorprozess von 2008 bis 2012 die enge Kooperation mit der Universitätsleitung suchte. So war die Universitätsleitung im wissen-
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schaftlichen Beirat, gemeinsame Arbeitsgruppen wurden aufgebaut, das Memorandum von 2011 orientierte sich an den institutionalisierten Wissenschaften. Der gemeinsam vorgedachte IBA-Auftrag fokussierte sich in der Vorbereitungszeit auf das Thema Wissenschaft, die stadtgesellschaftliche und kulturelle Akteure sollten in zweiter Instanz eingebunden werden: »Die IBA sollte als gemeinsames Projekt zwischen ›Wissenseinrichtungen‹ und Stadt entwickelt werden. Dabei kommt der Universität eine tragende Rolle zu. Zur Qualifizierung des thematischen Schwerpunkts sollten neben der Universität weitere Partner aus Wissenschaft, Wirtschaft und Gesellschaft gewonnen werden« (Stadt Heidelberg 2008: 8). Es wird berichtet, dass der aufgebaute Kooperationsfaden mit Beginn der IBA im Jahr 2012 nicht ohne Weiteres fortgeführt werden konnte. Etablierte Arbeitskreise »Wissen-schafft-Stadt«6 und »Wissenschaftsmarketing« wurden beendet (Stadtverwaltung 5; IBA 3) bzw. lediglich auf Ebene einzelner Forschender und thematischer Unterfragestellungen weitergeführt. Das Motto Wissen|schafft|Stadt wurde somit von einer strategischen Aufgabenstellung an die Institution Universität zu einer wissenschaftlichen Fragestellung für einige universitäre Institute. Ursächlich kann neben bereits benannten Konfliktlinien ggf. auch sein, dass der Stadt bzw. der IBA GmbH nicht gelungen ist, die thematische Erweiterung des Mottos von Wissenschaft um Bildung und Kultur zu kommunizieren und das gegenseitige Vertrauen aus der gemeinsamen Vorphase in den IBA-Prozess zu überführen. Einige der Befragten haben diesbezüglich eine gewisse Selbstgefälligkeit der IBA gegenüber den lokalen Wissenschaftsinstitutionen angemerkt (Zivilgesellschaft 1). Die IBA GmbH habe es nicht umfassend geschafft, den partnerschaftlichen Duktus des Vorprozesses aufrecht zu halten und die Universität als strategisch wichtige Partnerin (auf Augenhöhe) einzubinden. Aus dem Fehlen der Universität im Diskurs resultiert für einige eine kritische Rezeption des kommunalen Vorhabens IBA »Wissen|schafft|Stadt« in Gänze: »Wenn ich eine IBA Wissen|schafft|Stadt nenne und in Heidelberg aufs Gleis setzte, ohne dass ich das bis ins Detail mit der Universität kommuniziert habe, bin ich völlig daneben« (Selle 2017: 115). Für manche stehen daher trotz Wissen|schafft|Stadt Wissen und Stadt – beide gleichermaßen bekannt und renommiert – weiterhin unverbunden nebeneinander.
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Der Arbeitskreis »Wissen-schafft-Stadt« dient, anders als die Benennung vermuten lässt, nicht ausschließlich der Vorbereitung der IBA und war damit nach IBA-Beginn obsolet. Er zielte ebenfalls darauf ab, die verschiedenen Standorte und Wissenschaftskulturen in den Diskussionsprozess einzubinden, Einzelthemen mit lokalen ExpertInnen zu vertiefen und einschlägige Forschungstätigkeiten mit thematischen Bezug aufzugreifen sowie neue zu initiieren. Eine teilweise Verstetigung erfolgte durch den Runden Tisch zur wissenschaftlichen Begleitforschung der IBA, welcher mehrere Forschungsprojekte definierte.
5. Dimensionen wissensbasierter Stadtentwicklung
5.2.2
Etablierung alternativer (Möglichkeits-)Räume
Wie in Abschnitt 5.2.1 aufgezeigt, ist ein Diskurs um Wissen als Element der Stadtentwicklung über das Vehikel IBA mit einiger Verzögerung entstanden. In diesem Diskurs erhalten Fragen nach Wissensgenerierung, Wissenstransfer, Bildung und Kreativität und deren Zusammenhängen mit Städtebau und Architektur vermehrt Aufmerksamkeit. Es wäre jedoch falsch zu behaupten, dass diese Themen erst mit der IBA entstanden sind (Vgl. Kapitel 4.3), sie waren bereits vor dem Beginn des zehnjährigen IBA-Prozesses existent. Mit der IBA erhalten diesbezügliche Fragestellungen höhere Aufmerksamkeit, in der Folge differenziert sich auch das Verständnis einer wissensbasierten Stadtentwicklung weiter aus. Auf Basis der empirischen Analyse konnten zwei lokale Narrative identifiziert werden, wobei sich das erste auf die bereits dargelegten theoretischen Ausführungen stützt (Vgl. Kapitel 3.2) und Wissen in erster Linie als Wettbewerbs- und Wirtschaftsfaktor fasst. Dieses erste Narrativ ist wirkmächtig und erschließt sich stetig neue »Räume«. So wird die Technologie- und Innovationsförderung bspw. mit der Entwicklung der Konversionsfläche Patton Barracks zum Heidelberg Innovation Park trotz sowohl gemeinderätlicher als auch bürgerschaftlicher Gegenstimmen weiter vorangebracht – die von Knight (1995: 226) als »big science« und »global values« bezeichneten Wissensinstitutionen und Wissensformen gelten – wie an diesem Beispiel deutlich wird als wesentliche Bausteine der »knowledge pearl Heidelberg«. Das zweite, in der Literatur bisher unterrepräsentierte Narrativ bietet im Kontext der Forschungsarbeit fruchtbare Ansätze zur Entstehung neuer Möglichkeitsräume im Rahmen einer wissensbasierten Stadtentwicklung. In Abgrenzung zum dominanten Narrativ einer KBUD mit der Betonung von Wissen als Wettbewerbsund Wirtschaftsfaktor erweitert sich der Wissensbegriff mit der zweiten Lesart auf ein heterogenes Feld verschiedener und gleichwertiger Wissensformen. Der Wissensbegriff wird aus den überwiegend ökonomisch geprägten Bewertungsmaßstäben herausgelöst und hinsichtlich seines Nutzwerts betrachtet. Auch wenn eine solche nutzenorientierte Betrachtung des Wissens im Gegensatz zu ihrer ökonomischen Bewertung ein geringes Bedeutungslevel erreicht, zeigt sich vor allem in Verbindung mit der IBA Entscheidendes: Die IBA erzeugt gerade für Akteure außerhalb der prestigeträchtigen Wissenschaftslandschaft neue Teilnahmemöglichkeiten an Stadtentwicklung, was gleichsam Bottom-up-Prozesse stärkt.7 Insofern 7
Beides ist insofern von Bedeutung, als dass Heidelberg trotz seiner institutionalisierten Bürgerbeteiligung mit festgeschriebenem Initiativrecht, eine Bottom-up-Beteiligungskultur von einigen Befragten abgesprochen wird (Meier 2018 zu Wirkung und Nutzen von Partizipation vor dem Hintergrund politischer Sättigung und fehlender gesellschaftlicher Nöte, die Beteiligung erst befördern). Die »Initialzündung« für Ziele und Maßnahmen der Stadtentwicklung gehe von der Stadtspitze sowie Verwaltung aus (Arbeitskreis Park-Projekt 4). Es mangele trotz bestehender Beteiligungsstrukturen, die siche eine Förderung von bottom-
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Stadtentwicklung in der Wissensgesellschaft
kann konstatiert werden, dass die IBA unter ihrer Leitvision Wissen|schafft|Stadt einen Beitrag dazu leistet, neue Themen und Akteure in die Prozesse der Stadtentwicklung zu integrieren. Dadurch entstehen ebenfalls Möglichkeitsräume für dieses alternative Verständnis einer wissensbasierten Stadt, was durch die beiden Projekte Collegium Academicum (CA) und Begeisterhaus verdeutlicht wird. Beide Vorhaben integrieren ein Verständnis von Wissen, das den Menschen, dessen Neugier und Entwicklungsbedürfnis als auch den Wunsch nach gesellschaftlicher Teilhabe in den Fokus rückt. Der Nutzen von Wissen für die Gestaltung des eigenen Lebens und des Lebensraums steht im Vordergrund.8 Sowohl das CA als auch das Begeisterhaus nehmen diese Gedanken auf und brechen mit dem dominanten ökonomiegetriebenen Verständnis von wissensbasierter Entwicklung. Eine Realisierung dieser beiden Projekte in Heidelberg war zu einem früheren Zeitpunkt kaum denkbar. Dass diese nunmehr verwirklicht werden, ist als Indiz für ein sich ausdifferenzierendes Narrativ wissensbasierter Stadtentwicklung zu verstehen. Beide Projekte werden im Folgenden als neue Möglichkeitsräume einer wissensbasierten Stadtentwicklung betrachtet. Das Begeisterhaus wird als offenes Haus für Wissensvermittlung und interkulturelle Begegnung entwickelt und umfasst u. a. Räume für das Lernen und das kollaborative Arbeiten, kulturelle Veranstaltungen sowie eine offene Werkstatt mit Schwerpunkt auf digitalen Technologien. Das Projekt, das perspektivisch durch das traditionsreiche Deutsch-Amerikanische Institut betrieben wird, ist die einzige soziale Nutzung auf den Patton Barracks. Die Realisierung des Projekts wurde u. a. durch die mit der Ablehnung der Offenlage des ersten B-Plans durch den Bezirksbeirat Kirchheim entstandene kritische Öffentlichkeit befördert (Stadt Heidelberg 2017a). Die Stadtverwaltung hatte in 2017 die planungsrechtliche Entwicklung eines Innovationsparks mit Großsporthalle angestoßen (Stadt Heidelberg 2017c), diese Nutzungen entsprachen jedoch nicht den Ideen aus dem dialogischen Planungsprozess. Dort wurde der Wunsch nach einer mischgenutzten urbanen Entwicklung mit Schwerpunkt Gewerbe formuliert (Stadt Heidelberg 2012a; Stadt Heidelberg 2014a; Stadt Heidelberg 2015c). Im B-Plan-Entwurf fanden sich jedoch weder Wohnen noch soziale Nutzungen. Hier, so lautete eine Kritik, stehe nicht die Integration der Konversionsfläche in das Umfeld und der Nutzen für die Bevölkerung im Vordergrund, sondern die Befriedigung ökonomischer Interessen (Die Stadtredaktion 2017). An dieser Entwicklungsplanung
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up-Ideen gerade in der Aufbauphase von Projekten an Unterstützung und Wohlwollen (Zivilgesellschaft 1; Arbeitskreis Park-Projekt 4) Hier kann eine Verbindung zu Georg Simmel gezogen werden, der das unbegrenzte Wissenswachstum als »Kulturtragödie« bezeichnete, welches eine Gefahr für das »geistige Wohlergehen des Menschen und der Gesellschaft« darstelle (Simmel 1919 nach Stehr und Grundmann 2010: 88). Simmel verweist auf die Notwendigkeit persönlichen Nutzens, welcher eine sinnvolle Bearbeitung der Wissensfülle ermögliche.
5. Dimensionen wissensbasierter Stadtentwicklung
verdeutlicht sich die Wirkmächtigkeit des ökonomiegetriebenen Narrativs: Die Bedeutung von Wissensarbeitenden, Hightech, Digitalisierung und der Wettbewerb um diese werden ins Feld geführt, um die Entwicklung zum Innovationspark zu legitimieren. Die Nutzungsbausteine Innovationspark und Großsporthalle bestimmen auch den überarbeiteten B-Plan (Stadt Heidelberg 2019a), gewerbliche Nutzungen stehen weiterhin im Vordergrund. Jedoch wurden die Gespräche zum Begeisterhaus im Zuge der Planüberarbeitung konkreter – der Kaufvertrag wurde im November 2018 unterzeichnet, die Offenlage des zweiten B-Planentwurfs im Februar 2019 beschlossen. Mit dem Projekt Begeisterhaus wurde der Realisierung eines Projekts zugestimmt, das für eine konzeptionelle Öffnung und Weiterentwicklung des ökonomisch getriebenen Narratives steht: Selbstbestimmte Lernprozesse, der Ausbau individueller Fähigkeiten sowie die Stärkung technologischer Souveränität des Einzelnen stehen im Fokus. Die Analyse hat gezeigt, dass sich das Begeisterhaus dabei durchaus an Attribute des dominanten Narrativs anlehnt (Hochtechnologie, Digitalisierung sowie neue kooperative Formen von Arbeit und Wissensgenerierung), jedoch nicht die darunterliegenden ökonomischorientierten Denkmustern und Nutzendefinitionen verfolgt. Partnerschaftliche Kooperationen und zivilgesellschaftliches Engagement stehen im Vordergrund, der lernende Mensch steht im Zentrum (Reallabor Praxispartner 3). Das Projekt zieht somit einen Nutzen aus der Wirkmächtigkeit des dominanten Narrativs und präsentiert sich anschlussfähig. Gleichermaßen bricht es mit diesem und stellt stattdessen den Nutzen von Wissen für die Entwicklung des Menschen als auch für die Stadtgesellschaft heraus. Die IBA und ihr breiterer Ansatz einer wissensbasierten Stadtentwicklung hat für die Realisierung solcher Projekte die Entstehung von Möglichkeitsräumen begünstigt.9 Mit dem Vorhaben scheint von städtischer Seite nun – wenn auch vorwiegend als Ergänzung zum Innovationspark – ein Mehrwert verbunden zu werden, wie das Zitat eines Befragten aus dem politisch-administrativen System erkennen lässt: »Und der Heidelberg Innovation Park, der ja ganz stark mit der Hochtechnologie und der Bio-Tech operiert, wird aufgewertet durch dieses Lebendige und eben ganz operative, basale Projekt [das Begeisterhaus, Anm. KF), das auch generationsübergreifend Kinder, Jugendliche und ältere Menschen an Hochtechnologie 9
Für Heidelberg wird häufig ein Klima des Bewahrens konstatiert. Heidelberg hat zwar analog zu vielen Universitätsstädten eine Tradition als politischer Ort (z. B. durch Studierendenproteste in den 1970er Jahren, in der Altstadt gab es einen der ersten Frauenbuchläden der BRD). Die Bereitschaft neuem »Raum« einzuräumen, ist jedoch ambivalent ausgeprägt. Sehr deutlich wird dies bei gemeinschaftlichen Wohnformen, die erst seit dem Konversionsprozess ab 2013, und dann auch nur zögerlich, Unterstützung der Stadt erfahren haben (Blatt 2020).
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heranführt. Das ist für mich auch ein Knotenpunkt in diesem Bereich. Und dem möchten wir Raum bieten. (…) Die Liegenschaft wird verkauft an eine kulturelle Institution, aber die ganze Stadt hat Interesse daran. Sonst wäre es soweit gar nicht gekommen, dass das Begeisterhaus dort auch tatsächlich umsetzen werden kann« (Stadtverwaltung 2). Das Projekt ist mittlerweile in der Bauphase (Labrenz 2020). Der durch die IBA beförderte Möglichkeitsraum wurde ebenfalls von den Initiatoren des zweiten Projekts genutzt. Die Studierendengruppe des Collegium Academicum plant den Bau eines selbstverwalteten Wohnheims für 220 junge Menschen auf der Konversionsfläche US-Hospital im Stadtteil Rohrbach.10 Integrale Bestandteile des Projekts sind sowohl ein Bildungs- sowie ein Quartierskonzept. Der Möglichkeitsraum zur Realisierung dieses Vorhabens ergab sich ebenfalls erst durch die eigensinnige Aneignung und Nutzung der in Heidelberg omnipräsenten Entwicklungsvorstellung qua Wissen. Dem CA fehlte für ihr Vorhaben lange die Unterstützung der Universität wie auch der Lokalpolitik und Verwaltung. Im Zuge der Konversion der ehemaligen Militärareale haben VertreterInnen des CA stetig für ihr Vorhaben geworben – zuerst für die Fläche Mark Twain in der Südstadt, anschließend für die Patton Barracks in Kirchheim – jeweils ohne Erfolg. Das Vorhaben wird nun auf der Fläche des ehemaligen US-Hospitals in Rohrbach realisiert, ein Standort, der aufgrund seines rein durch Wohnnutzung geprägten Umfelds und der Entfernung vom Zentrum Heidelbergs nicht favorisiert wurde. Das CA hat nach den Jahren des erfolglosen Suchens um Unterstützung erst durch die Zusammenarbeit mit der IBA die notwendigen Ressourcen mobilisieren können, die es für die Realisierung seines Vorhabens benötigte: die Kooperationsbereitschaft und das Vertrauen des politisch-administrativen Systems, das sich in dem Entschluss zum Verkauf des städtischen Grundstücks an das CA manifestierte. Die Kooperation mit der IBA und die strategische Instrumentalisierung des Mottos Wissen|schafft|Stadt entfaltete für das CA einen Möglichkeitsraum. Durch das Bündnis mit der IBA konnte der lange Zeit ausgebliebene Zuspruch des politisch-administrativen Systems erreicht werden (Veranstaltung des FormAD e. V.: Erben – die neoeuropäische Stadt vom 19.06.2019). Aktuell erscheint das Vorhaben, das sich ebenfalls in der Bauphase befindet, gemeinsam mit dem Patrick Henry Village, das IBA-Projekt zu sein, welchem die meiste Aufmerksamkeit zuteilwird. Hinter diesem Erfolg, mit dem sich sowohl IBA als nun auch die Stadt Heidelberg
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Das CA hat eine lange Tradition in Heidelberg. Deren erste Studierendenwohnheim in der zentral gelegenen Seminarstraße wurde im Jahr 1975 auf Beschluss der Universität zwangsgeräumt, seitdem nutzt die Universitätsverwaltung das Gebäude. In den folgenden Jahren bewohnten nur einige wenige Mitglieder des CA ein angemietetes Haus in der Altstadt.
5. Dimensionen wissensbasierter Stadtentwicklung
gleichermaßen schmücken, verschwinden die langjährigen Gegenbewegungen des politisch-administrativen Systems zusehends. Die wissensbasierte Stadtentwicklung offenbart sich, wie an diesen beiden Vorhaben deutlich wird, in der Praxis als variabel und vielfältig. So existieren verschiedene Ausdrucksformen nebeneinander; das Konzept der wissensbasierten Stadt bietet Anknüpfungsfähigkeit für eine Bandbreite an Projekten und unterschiedlichen Perspektiven. Das vorherrschende Verständnis einer KBUD erfährt dabei wechselseitig Zustimmung als auch Kritik und wird gleichermaßen instrumentalisiert. Durch diese Instrumentalisierung entstehen alternative Möglichkeitsräume. Am Beispiel der beiden Projekte Begeisterhaus und selbstverwaltetes Studierendenwohnheim CA verdeutlicht sich jedoch zugleich die Wirkmächtigkeit und Dominanz des ersten KBUD-Narrativs. Vor diesem Hintergrund scheint die vereinzelte Realisierung alternativer Projekte der Legitimation und Absicherung von Maßnahmen zu dienen, die dem dominanten Narrativ zuzuordnen sind und ihrerseits Exzellenz und Wettbewerb betonen.
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Begründung neuer Verantwortlichkeiten
Wie bereits herausgearbeitet, werden aus geographischer Perspektive mit Bezug auf das Paradigma der Wissensgesellschaft neue raumbezogene Fragestellungen aufgeworfen, die über architektonisch-gestalterische Aspekte von Raum herausreichen und ebenfalls neue soziale und organisationale Kulturen der Raumproduktion adressieren. In diesem Zuge treten neben die Fragen nach einer »Neuprogrammierung« physisch-materieller Orte als auch der sie erzeugenden Prozesse gleichermaßen die Frage nach den Auswirkungen der wissensgesellschaftlichen Transformationsprozesse auf die organisationalen Formen von Stadt. Dieser Aspekt wird in der Literatur häufig nur über neue kooperative Interaktionsformen bearbeitet, meist am Beispiel mehr oder weniger institutionalisierter Triple-Helix-Strukturen (Yigitcanlar et al. 2008; Yigitcanlar und Lönnqvist 2013; Hilkmann 2017). Fragen nach der Ausbildung neuer Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten zwischen öffentlichen und privaten Akteuren vor dem Hintergrund der wissensgesellschaftlichen Entwicklungsprozesse werden in der Literatur indes kaum diskutiert. In der Fallstudie hat sich derweil gezeigt, dass diese jedoch ebenfalls mit wissensgesellschaftlichem Wandel verbunden werden: Koproduktion von Stadt adressiert ebenso Fragen nach einer gemeinsamen Verantwortung für Stadt. Das IBA-Projekt »der Andere Park« konnte im Hinblick auf diese Fragestellung analysiert werden. Im Folgenden wird aufgezeigt, dass durch eine wissensbasierte Stadtentwicklung Möglichkeitsräume erzeugt werden, einen Diskurs über Verantwortung für eine »koproduzierte Stadt« zu befördern. Die Funktion des öffentlichen Raums als Ort gesellschaftlichen Austauschs wurde bereits dargestellt (Vgl. Kapitel 4.4). Die in öffentlichen Räumen stattfin-
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Stadtentwicklung in der Wissensgesellschaft
denden sozialen Interaktionen wurden bedingt durch die Funktionstrennung der Moderne, aber auch die Vernachlässigung, Privatisierung, Kommodifizierung und Versicherheitlichung zunehmend eingeschränkt. Der öffentliche Raum wird in seiner gesellschaftlichen Funktion beschnitten (Mecklenbrauck 2015). Mit dem Projekt »der Andere Park« wird wiederum der Versuch unternommen, den öffentlichen Freiraum in seiner gesellschaftlichen Funktion zu stärken. Verantwortlich dafür – und hier zeigt sich die Idee einer Verantwortungsneudefinition – soll nicht mehr nur die öffentliche Hand sein. Über die IBA wurde stattdessen ein experimenteller Prozess initiiert, der gleichermaßen öffentliche und private Akteure als Koproduzenten städtischer Qualitäten aktivieren soll. Zielsetzung ist ein Freiraum mit fließenden Übergängen zwischen öffentlich und privat, in welchem sich die neue kognitiv-ideelle Gemeinschaft auch in der räumlichen Gestaltung und sozialen Interaktionen zeigt. Die Umsetzung der Planungen zum Projekt »der Andere Park« erfordert die konzeptionelle Integration privater Flächen in die Realisierung des Siegerentwurfs (siehe Abbildung 9). Hierfür bedarf es neuer Governance-Arrangements. Über diese muss es der Kommune ermöglicht werden, auf diejenigen Flächenbereiche langfristig einwirken zu können, die sich in privatem Eigentum befinden und auf die mittels bestehender kommunaler Instrumente nur ein eingeschränkter Zugriff besteht. Der konzeptionelle Gedanke eines Netzwerkparks, der Wissensinstitutionen räumlich, funktional und institutionell miteinander verbindet, ist daher ohne das Engagement der Anrainer selbst kaum zu verwirklichen. Deren Beteiligung kommt insofern eine herausgehobene Rolle für den Erfolg bzw. Misserfolg des Vorhabens zu: »Die Gretchenfragen kommen jetzt erst: ›Seid ihr jetzt wirklich bereit mitzumachen oder nicht? Gefällt euch das was jetzt vorliegt?‹ Wenn wir es nicht schaffen, da alle Akteure auch einzubinden und mitzunehmen, das ist definitiv ein Erfolgsfaktor für das Projekt. (…) Jetzt nur zu sagen, wir haben nachher einen hübschen Reitplatz und der Park um die Kommandantur ist nett gestaltet, das wäre dann kein IBA-Projekt« (IBA 4). Die IBA will insofern über dieses Projekt zur Neudefinition von Rollen in der Stadtentwicklung beitragen und nicht-öffentliche Akteure für die Erzeugung städtischer Qualitäten mobilisieren. Über ihren Planungsprozess will sie neue Interaktionsorientierungen etablieren und zur Entstehung neuer Institutionen in der Stadtentwicklung beitragen. Diese Institutionen sind, wie im Folgenden aufgezeigt wird, mehr informeller als formeller Natur. Vor dem Hintergrund der Zielsetzung einer koproduzierten Stadt adressiert die IBA das Thema der Verantwortlichkeit für ebendiese gemeinschaftliche Stadtentwicklung sowohl in konzeptioneller (Vgl. Abschnitt 6.1.1) als auch in organisatorisch-struktureller Hinsicht. Letzteres allerdings nur sehr zaghaft und vorsich-
5. Dimensionen wissensbasierter Stadtentwicklung
tig, wie die empirische Analyse zeigt. So setzt die IBA auf die Selbstbindung der Akteure und verzichtet hinsichtlich der Umsetzung als auch der Absicherung der konzeptionellen Freiraumplanungen auf den privaten Flächen auf Vorgaben und rechtliche Regelungen. Sie vertraut vielmehr auf die Bindungswirkung des Vorprozesses, die Qualitäten des Entwurfs sowie das intrinsische Interesse und den Eigennutz der Anrainer an der Entwicklung dieses räumlich-institutionellen Netzwerks (Stadtverwaltung Park-Projekt 2; IBA 1; Stadtverwaltung Park-Projekt 7). So wurden für die konzeptionelle Absicherung der IBA-Zielsetzung kaum Steuerungsinstrumente bzw. Finanzierungsmechanismen konzipiert (bspw. in Form einer KoFinanzierung von Vernetzungsaktivitäten oder einer Realisierungsverpflichtung der Entwürfe auf privaten Flächen). Diesbezüglich fällt auf, dass sich die Stadt finanziell selbst (noch11 ) nicht dem IBA-Ziel eines vernetzten Parks verpflichtet hat (Stadt Heidelberg 2018f). Die bauliche Realisierung ist finanziert, die spätere Vernetzung der Akteure vor Ort allerdings noch nicht. Über das geeignete Instrument bestand zum Zeitpunkt der Erhebung noch keine Einigkeit: Ein System analog eines Quartiermanagements zur Vernetzung der Akteure wurde aufgrund des umfangreichen Planungs- und Beteiligungsprozesses als nicht notwendig erachtet (Stadtverwaltung Park-Projekt 3), in Teilen des Arbeitskreises wird dieser Bedarf mit Verweis auf die hohen IBA-Ansprüche jedoch gesehen (Arbeitskreis ParkProjekt 4). Belastbare Erkenntnisse darüber, welche praktischen Erfahrungen die IBA bezüglich neu austarierter Verantwortlichkeiten mittels ihrer auf Koproduktion orientierten Planungsprozessen sammeln konnte, liegen außerhalb des zeitlichen Rahmens des vorliegenden Forschungsprojekts. Die empirische Erhebung hat an diesem Punkt jedoch geringe projektbezogene Ressourcen der Heidelberger IBA offenbart. Auf diese wird im Weiteren vertieft eingegangen (Vgl. Abschnitt 6.2.2). Vorweggenommen sei, dass die IBA diesbezüglich vor organisationalen Herausforderungen steht: Sie verfolgt qua Auftrag eine integrierte Perspektive, kann diese jedoch durch ihre mangelnden Ressourcen weder im Innenverhältnis zu den kommunalen Ämtern noch im Außenverhältnis mit den Anrainern umfassend durchsetzen. Jedoch lässt sich an dieser Stelle ebenfalls festhalten, dass über die IBA nunmehr das oben skizzierte Thema der kommunalen Steuerungsfähigkeit adressiert wird. So beschäftigt sich die IBA u. a. mit der Fragestellung über welche Instrumente innovative Konzepte auch in den späteren Nutzungsphasen und vor dem Hintergrund wechselnder Eigentumsstrukturen abzusichern sind. Über das
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Mit dem Wort »noch« wird angezeigt, dass es zu früh für eine finale Aussage ist, da der Haushalt nur die Jahre 2019/2020 abdeckt. Zum aktuellen Stand sieht der Haushaltentwurf als auch die letzte Gemeinderatsvorlage keine Prozessausgaben nach Realisierung des Parks bzw. Mittel für gestalterische oder konzeptionelle Anpassung vor (Stadt Heidelberg 2018f; Stadt Heidelberg 2018b).
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Stadtentwicklung in der Wissensgesellschaft
Instrument IBA wird insofern die kommunale Handlungspraxis reflektiert und weiterentwickelt (Vgl. Abschnitt 5.1.1).
5.3
Neue (temporäre) Strukturen
Das abschließende Kapitel zu den Dimensionen der wissensbasierten Stadtentwicklung Heidelbergs widmet sich neu entstandenen Strukturen. Die Reallabore und die IBA können selbst als wesentliche neue Strukturen im Verhältnis von Wissenschaften und Stadt verstanden werden (Vgl. Kapitel 5.1). Beide haben ebenso zur Etablierung neuer Institutionen beigetragen und ermöglichen damit perspektivisch die Entstehung neuer Strukturen bzw. deren Weiterentwicklung. Aktuell sind diese vorwiegend temporärer Natur, können jedoch durch ihre Entstehung als Verweis darauf interpretiert werden, dass über die Instrumente Reallabor und IBA bestehende Strukturen auf ihre Tauglichkeit überprüft und partiell Anpassung an neue Governance-Anforderungen in einer wissensbasierten Stadt angestoßen wurden. Dementsprechende Strukturveränderungen betreffen das Experimentieren mit kommunalen Arbeitsstrukturen am Beispiel der agilen Arbeitsgruppe für das PHV (Vgl. Abschnitt 5.3.1) sowie den Aufbau von Vertrauen, welches zur Stabilisierung und Verstetigung der aufgebauten Beziehungen beiträgt und am Beispiel der Reallabore erläutert wird (Vgl. Abschnitt 5.3.2). Der Aufbau von Vertrauen eröffnet weitere Gestaltungsspielräume für eine wissensbasierte Stadtentwicklung.
5.3.1
Reduzierung von Schnittstellen durch ein agiles Team
Neue institutionelle und organisatorische Strukturen sind, wie bereits in Kap. 2 und 3 dargelegt, ein Kennzeichen wissensgesellschaftlichen Wandels. Diesbezügliche Forschungsbeiträge konzentrieren sich dabei meist auf die Beziehungen und Organisationsformen zwischen den funktional differenzierten systemischen Akteuren Wissenschaften, Wirtschaft und Stadt und den in diesen Kontexten entstandenen Institutionen und Interaktionsdynamiken (Matthiesen und Mahnken 2004; Jähnke und Mahnken 2007; McCartney et al. 2010). Die Beziehungen zwischen diesen Schlüsselakteuren einer KBUD dominieren daher auch die Forschungen zu Governance-Arrangements. Diese neuen Strukturen gelten als innovativ. Ebendiese Beziehungsstrukturen sind auch für den Ort der Fallstudie relevant. Die empirische Forschung hat jedoch gleichermaßen aufgezeigt, dass ebenfalls ein Blick auf Strukturveränderungen innerhalb systemischer Akteure, im Fallbeispiel der Verwaltung, erkenntnisreich sein kann. Fachbeiträge zu organisationaler Innovationsfähigkeit von Kommunen werden vonseiten der Verwaltungsforschung regelmäßig vorgelegt (Wollmann 2017; Hopp und Göbel 2019), eine Verknüpfung der beiden Forschungsansätze ist allerdings kaum festzustellen. Hier
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Stadtentwicklung in der Wissensgesellschaft
Instrument IBA wird insofern die kommunale Handlungspraxis reflektiert und weiterentwickelt (Vgl. Abschnitt 5.1.1).
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Neue (temporäre) Strukturen
Das abschließende Kapitel zu den Dimensionen der wissensbasierten Stadtentwicklung Heidelbergs widmet sich neu entstandenen Strukturen. Die Reallabore und die IBA können selbst als wesentliche neue Strukturen im Verhältnis von Wissenschaften und Stadt verstanden werden (Vgl. Kapitel 5.1). Beide haben ebenso zur Etablierung neuer Institutionen beigetragen und ermöglichen damit perspektivisch die Entstehung neuer Strukturen bzw. deren Weiterentwicklung. Aktuell sind diese vorwiegend temporärer Natur, können jedoch durch ihre Entstehung als Verweis darauf interpretiert werden, dass über die Instrumente Reallabor und IBA bestehende Strukturen auf ihre Tauglichkeit überprüft und partiell Anpassung an neue Governance-Anforderungen in einer wissensbasierten Stadt angestoßen wurden. Dementsprechende Strukturveränderungen betreffen das Experimentieren mit kommunalen Arbeitsstrukturen am Beispiel der agilen Arbeitsgruppe für das PHV (Vgl. Abschnitt 5.3.1) sowie den Aufbau von Vertrauen, welches zur Stabilisierung und Verstetigung der aufgebauten Beziehungen beiträgt und am Beispiel der Reallabore erläutert wird (Vgl. Abschnitt 5.3.2). Der Aufbau von Vertrauen eröffnet weitere Gestaltungsspielräume für eine wissensbasierte Stadtentwicklung.
5.3.1
Reduzierung von Schnittstellen durch ein agiles Team
Neue institutionelle und organisatorische Strukturen sind, wie bereits in Kap. 2 und 3 dargelegt, ein Kennzeichen wissensgesellschaftlichen Wandels. Diesbezügliche Forschungsbeiträge konzentrieren sich dabei meist auf die Beziehungen und Organisationsformen zwischen den funktional differenzierten systemischen Akteuren Wissenschaften, Wirtschaft und Stadt und den in diesen Kontexten entstandenen Institutionen und Interaktionsdynamiken (Matthiesen und Mahnken 2004; Jähnke und Mahnken 2007; McCartney et al. 2010). Die Beziehungen zwischen diesen Schlüsselakteuren einer KBUD dominieren daher auch die Forschungen zu Governance-Arrangements. Diese neuen Strukturen gelten als innovativ. Ebendiese Beziehungsstrukturen sind auch für den Ort der Fallstudie relevant. Die empirische Forschung hat jedoch gleichermaßen aufgezeigt, dass ebenfalls ein Blick auf Strukturveränderungen innerhalb systemischer Akteure, im Fallbeispiel der Verwaltung, erkenntnisreich sein kann. Fachbeiträge zu organisationaler Innovationsfähigkeit von Kommunen werden vonseiten der Verwaltungsforschung regelmäßig vorgelegt (Wollmann 2017; Hopp und Göbel 2019), eine Verknüpfung der beiden Forschungsansätze ist allerdings kaum festzustellen. Hier
5. Dimensionen wissensbasierter Stadtentwicklung
offenbart sich eine Lücke in den Forschungen zur KBUD – neue verwaltungsinterne Organisationsformen können ebenfalls als Bausteine einer wissensbasierten Stadtentwicklung begriffen werden. Die Arbeit mit kommunalen Wissensbeständen hat sich für die außerhalb kommunaler Strukturen agierenden Wissensstadtakteure IBA und Reallabore aufgrund der hierarchisch organisierten und versäulten kommunalen Verwaltungsstrukturen und dem standardisierten Wissensaustausch zwischen den Fachämtern als auch mit der Zivilgesellschaft (Vgl. Kapitel 5.3.1) mitunter schwierig gestaltet (Erl et al. 2019). Dies wird zum einen durch die Wissenschaften im Hinblick auf die Durchführung transdisziplinärer Projekte (siehe Teil 1 des Sammelbands Defila und Di Giulio 2019b; Reallabor Wissenschaft 2, Reallabor Wissenschaft 8) als auch von der IBA geschildert (IBA 1; IBA 2; IBA 3; IBA 5). Die Herausforderung verteilter Zuständigkeiten kann ebenfalls das Handeln der Fachverwaltung im Sinne einer integrierten Aufgabenbearbeitung erschweren als auch Arbeitsprozesse verlangsamen: »Man hat oftmals so eine Abgrenzung: ›Was ist meine Zuständigkeit, was ist deine‹« (Stadtverwaltung Park-Projekt 7). Die IBA hat mit ihrer Organisationsstruktur des agilen Arbeitens hierzu eine alternative Arbeitsorganisation entwickelt und dem versäulten einen integrierten Ansatz gegenüberstellt. Das Experiment des agilen Arbeitens der Verwaltung, das für die Entwicklung des Patrick Henry Village (PHV) angewendet wurde, wird nachfolgend dargestellt. Das fast 100 ha große PHV liegt in peripherer Insellage in ca. 5 km Entfernung vom Bismarckplatz, dem Zentrum Heidelbergs, und ist die letzte große Potenzialfläche Heidelbergs. Deren Entwicklung zur »Wissensstadt von morgen« soll daher zum Vorzeigeprojekt der Heidelberger Stadtentwicklung als auch der Leistungsfähigkeit der IBA werden (Stadtverwaltung 3). Für die Bearbeitung dieser Aufgabe war zuerst ein anderes Unternehmen beauftragt, das Mandat wurde der IBA mit einem Zeitverzug übertragen.12 Die IBA wurde im Jahr 2016 mit der Durchführung der sogenannten Phase 0 für das PHV durch den Gemeinderat beauftragt, das Ergebnis der ca. 18-monatigen Planungsphase war die sogenannte Entwicklungsvision PHVision. Im April 2018 wurde die IBA mit deren Präzisierung in einen umsetzungsreifen Masterplan beauftragt (Stadt Heidelberg 2019h). Diese Konkretisierung erfolgt in einem koproduzierten Prozess und wird durch drei Akteursgruppen getragen: dem Projektteam PHV, bestehend aus der agilen interdisziplinären 12
Der Heidelberger Gemeinderat hat im Juli 2012 das Unternehmen Nassauische Heimstätte Wohnungs- und Entwicklungsgesellschaft mbH mit der Erarbeitung von Nutzungskonzepten für die fünf Konversionsflächen sowie eines integrierten Handlungskonzepts für die gesamte Konversion beauftragt (Stadt Heidelberg 2012c). Diese Beauftragung fand nach Beschluss zur Durchführung der IBA im vorherigen Jahr statt, die Gemeinderatsvorlage benennt in dem IBA-Beschluss jedoch die Qualifizierung der Konversionsflächenentwicklung als eine wesentliche Aufgabe der IBA (Stadt Heidelberg 2011). Die IBA musste sich daher in einer unklaren Gemengelage ihre Zuständigkeit für das PHV erstreiten.
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Stadtentwicklung in der Wissensgesellschaft
Arbeitsgruppe (besetzt mit 21 Mitarbeitenden der städtischen Verwaltung13 ) und dem Planerkreis aus den Dezernatsleitern für Bauen & Verkehr und Konversion & Finanzen sowie der IBA; dem externen Planerteam PHV, bestehend aus dem beauftragten Planungsbüro KCAP sowie Fachplanungsbüros, welche die vertiefenden Studien erarbeitet haben; und dem Beratungsgremium PHV, das durch die IBA organisiert und mit Personen aus dem IBA-Netzwerk besetzt ist. Die agile Arbeitsgruppe ist auf organisatorisch-struktureller Ebene exemplarisch für die sich in den letzten Jahren gewandelte Handlungsrationalität der öffentlichen Verwaltung. Aus traditioneller Perspektive steht die routinemäßige Bearbeitung von Daueraufgaben mittels Rahmenvorgaben durch die Primärorganisation im Vordergrund (bspw. die Erteilung von Baugenehmigungen, Instandhaltung städtischer Infrastrukturen oder die Ausstellung von Meldedokumenten). Diese Formalstrukturen sorgen für »Verlässlichkeit und Effizienz« (Hopp und Göbel 2019: 159). Die Bearbeitung neuartiger, einmaliger, zeitlich befristeter sowie hochkomplexer Vorhaben, wie dies die Entwicklung des PHV darstellt, ist innerhalb dieser Primärstrukturen jedoch kaum zu leisten. Zudem erschweren überwiegend hierarchisch-bürokratische Primärstrukturen Lernprozesse von MitarbeiterInnen und damit Lernprozesse der öffentlichen Verwaltung in Gänze. Notwendig für die Aufgabenbearbeitung sind offene und anpassungsfähige Organisationsstrukturen, welche ein ganzheitliches, problembezogenes und innovatives Denken, Lernen und Handeln ermöglichen (ebd.). Die agile Projektgruppe ist der Versuch der Stadtspitze, eine solche Struktur temporär parallel zur Primärstruktur zu etablieren und hinsichtlich ihres Nutzens zu prüfen: »Es ist ja auch das Ziel der agilen Projektgruppe. Man sitzt problem- und projektbezogenen an einem Tisch (…). Man muss das agile Projektteam in zwei Dimensionen wahrnehmen: Einmal tatsächlich als neue Art einer Verwaltung zusammenzuarbeiten, unabhängig vom Inhalt. Und als zweite Dimension natürlich der Inhalt: gemeinsam PHV zu entwickeln. Aber in beiden Dimensionen befindet sich die Stadt da auf neuen Wegen und das macht es ganz spannend« (Stadtverwaltung 3). Diese Organisationsform dient der frühzeitigen Integration von Themen der Fachplanungen und soll gleichzeitig ermöglichen, Markt- und Realisierungswissen mittels einer dynamischen Gruppe von ExpertInnen (InvestorInnen, Stakeholdern und Planungs- und Beratungsbüros etc.) generieren und einbeziehen zu können. Die Integration von Themen soll aufgrund der oben skizzierten Herausforderungen
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Nicht alle der 39 städtischen Ämter waren demgemäß in der ersten Phase beteiligt, die Zusammensetzung des agilen Teams wird mit dem Planungsfortschritt an die jeweils aktuelle Aufgabenstellung angepasst.
5. Dimensionen wissensbasierter Stadtentwicklung
nicht entlang segmentierter kommunaler Zuständigkeiten (Erl et al. 2019) organisiert werden14 , sondern mittels einer experimentelleren Herangehensweise in Form der agilen Arbeitsgruppe. Der Aufbau dieses agilen Teams markiert eine bis dahin nicht existierende Handlungsfreiheit der IBA, wie ein Vertreter der IBA selbst hervorhebt: »Es gibt nun tatsächlich andere Freiräume [für die IBA GmbH, Anm. KF]. Das haben wir ja jetzt konkret am PHV-Prozess gesehen, wo jetzt ein agiles Team, das außerhalb der Ämterstruktur agieren soll, für sehr viel Aufruhr sorgt« (IBA 3). Für die Besetzung der Arbeitsgruppe wurde ebenfalls nicht auf kommunale Standardverfahren zurückgegriffen und die Delegierung durch die jeweiligen Amtsleitungen organisiert. Stattdessen wurden alle 2.500 MitarbeiterInnen der kommunalen Verwaltung durch den Oberbürgermeister zur Bewerbung aufgerufen. Die Auswahl erfolgte auf Basis der Motivation sowie mit Fokus auf eine interdisziplinäre Zusammensetzung, um mit dem agilen Team »kurze Wege zu schaffen« (Stadtverwaltung 3). Kommunale Wissensbestände sind üblicherweise in spezifische Fachbereiche differenziert und in Fachämtern gebunden, eine Vernetzung findet regelmäßig über die Leitungsebenen der Ämter oder Dezernate bzw. im sogenannten Ämterumlauf statt (Hopp und Göbel 2019). Eine Bündelung spezifischen Fachwissens in der wöchentlich zusammenkommenden agilen Arbeitsgruppe stellt insofern eine geeignete Maßnahme dar, heterogene Wissensbestände schnell und mit wenigen Schnittstellen aufeinander beziehen und in produktive Abstimmung durch direkte Interaktion bringen zu können. Als »Schmierstoff« zwischen diesen Schnittstellen fungiert Vertrauen (Vgl. Abschnitt 5.3.2). Die agile Arbeitsgruppe fungiert hier insofern als Modus der Integration von Differenzen. Entscheidungskompetenzen kommen jedoch weiterhin dem Planerkreis der Bürgermeister als Lenkungsgremium zu. Die Hierarchieebene der Amtsleitungen, denen im Standardverfahren Entscheidungsbefugnis über strategische Setzungen im Sinne der inhaltlichen Ausrichtung der Konversionsflächenentwicklung (bspw. Konkretisierung zentraler Entwicklungsbausteine für das PHV) oder aber der Zuteilung von Ressourcen (z. B. der Arbeitskraft der Mitarbeitenden) zukommt (Gonser et al. 2019), wurde mit dem gewählten PHV-Verfahren übersprungen (Stadtverwaltung 3). Die mit dem agilen Team angestoßenen Veränderungen der Verwaltungsstruktur sind temporärer Natur. Inwiefern diese Arbeitsweise im weiteren Planungsund Realisierungsprozesse verstetigt werden soll und eine dementsprechende Organisationsumgestaltung angestrebt wird, konnte im Zuge der Feldforschungen
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Das Format der ämterübergreifenden Arbeitsgruppen kennt man natürlich auch in Heidelberg seit Längerem. Diese sind jedoch in ihrer Organisation und Funktion dominiert durch die jeweilige Fachperspektive anstatt einer Aufgabenperspektive sowie der Entscheidungsfindung durch Führungspersonen.
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Stadtentwicklung in der Wissensgesellschaft
zeitbedingt nicht umfassend geklärt werden. Um die agile Arbeitsgruppe ist es mit Blick auf die aktuelle Gemeinderatsvorlage, welche den weiteren Entwicklungsprozess skizziert, zwischenzeitlich still geworden (Stadt Heidelberg 2019d). Der von KCAP et al. (2019: 118) vorgelegte schriftliche Teil des Masterplans konstatiert die Notwendigkeit, neue Organisations- und Governancestruktur für die Entwicklung des PHV zu etablieren (z. B. über neue Vergabeverfahren, Erbbaurecht sowie ein integriertes Servicemodell).15 Ausführungen zur kommunalen Organisationsstruktur fehlen hingegen in dieser Skizze vollständig.
5.3.3
Zukunftsorientierung: Aufbau von Vertrauen und Ausbau von Netzwerken
Der Aspekt des Vertrauens ist in der Literatur zur wissensbasierten Stadtentwicklung meist nur am Rande präsent. In einigen Publikationen, die die KBUD auf der Meso-Ebene beforschen, wird gar der Eindruck erzeugt, dass Vertrauen per se existiere bzw. über institutionalisierten Austausch automatisch entstehe (McCartney et al. 2010; Yigitcanlar und Lönnqvist 2013). Im Gegensatz dazu verweisen die Forschungen mit einer akteurszentrierten Perspektive wiederholt auf den Zeitbedarf und die Komplexität des Vertrauensaufbaus (Bathelt et al. 2004; Fichter et al. 2004; Matthiesen und Bürkner 2004; Jähnke 2009; Growe et al. 201816 ). Auf der Meso-Ebene einer KBUD verweist nur Fromhold-Eisebith (2009) darauf, dass komplexe Vorhaben wie eine wissensbasierte Stadtentwicklung auf in sozialen Beziehungen zwischen den Akteuren einer KBUD verankertem Vertrauen angewiesen sei, und betont die Rolle, der Vertrauen für den Aufbau wissensbasierter Netzwerkstrukturen zukommt.17 Auch im Fallbeispiel hat sich Vertrauen als wesentliche Grundlage der Kooperation offenbart. Neben ihrer Bedeutung für 15
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Die darin skizzierten Organisations- und Governancemodelle ermöglichen der Stadt einen höheren Einfluss auf die Entwicklung des PHV, als dies über die Anwendung baurechtlicher Instrumente möglich wäre. Auch dies ist ein Novum für die Stadt Heidelberg – für die bei der Entwicklung der Bahnstadt habe man noch nicht solche Modelle vorgedacht (Stadtverwaltung Park-Projekt 32; Stadtverwaltung 1; Reallabor Praxispartner 4; IBA 3). In Abschnitt 5.2.3 wurde für das Projekt »der Andere Park« noch eine gewisse Zögerlichkeit der Kommune festgestellt, diese Möglichkeiten in der Praxis auch zu nutzen. Growe et al. (2018) haben am Beispiel des Klimawandels und der Etablierung von Anpassungs- und Minderungsmaßnahmen den hohen Einfluss fehlenden Vertrauens zwischen Verwaltung und Politik herausgestellt. Trotz der zeitkritischen Handlungsnotwendigkeit muss auch innerhalb eines Systems viel Zeit in vertrauensbildende Maßnahmen und die Etablierung funktionaler Arbeitsgrundlagen investiert werden. Diese Erkenntnisse untermauern die Notwendigkeit von Vertrauen für alle Fragen der Stadtentwicklung. Fichter et al. (2004) und andere verweisen jedoch ebenfalls auf den innovations- und damit auch stadtentwicklungshemmenden Einfluss von Vertrauen. So ließen sich u. a. Schließungsund Abschottungsprozesse beobachten; ebenfalls sei die Gefahr der Konsensbildung auf
5. Dimensionen wissensbasierter Stadtentwicklung
die Etablierung von kooperativen Strukturen konnte Vertrauen gleichsam als deren Ergebnis erkannt werden. Auf das Fallbeispiel bezogen ist Vertrauen somit Ermöglicher und Ergebnis der in den vorangegangenen Abschnitten aufgezeigten neuen Handlungs- und Steuerungsformen einer wissensbasierten Stadtentwicklung. Vertrauen wird im Angesicht der Herausforderungen räumlicher Entwicklung (Komplexität, Kontingenz und geringe Planbarkeit) eine hohe Bedeutung zugesprochen: Vertrauen wirkt komplexitätsreduzierend und ist in dieser Funktion von grundlegender Bedeutung für die Gesellschaft und infolge auch für deren räumliche Entwicklung (Gerhard und Keller 2019; Lobeck und Wiegandt 2019; Gerhard et al. 2020a). Der Begriff selbst wird allerdings bis dato uneinheitlich genutzt. Angebote zum konzeptionellen Verständnis von Vertrauen machen u. a. Lobeck und Wiegandt (2019), die Niklas Luhmann folgend Vertrauen als Mechanismus zur Reduktion sozialer Komplexität begreifen, sowie Heidenreich (2014), der die Bedeutung von Vertrauen für die Entstehung und Stabilisierung kollektiver Ordnungen betont und eine Differenzierung des Begriffs anbietet. Heidenreich (ebd.) unterscheidet drei Typen kollektiver Ordnungen, die jeweils durch unterschiedliche Formen von Vertrauen gespeist und stabilisiert werden. Die erste Vertrauensform beruht auf gemeinsamen soziokulturellen Werten und Traditionen (»characteristic-based trust«), Differenzen werden durch die gemeinsame Alltagswelt sowie geteilte Annahmen und Selbstverständlichkeiten überbrückt. Ein Nachteil dieser merkmalsgestützter, gemeinschaftsbasierter Vertrauensformen ist ihre Inflexibilität. Kooperationen über die Grenzen der jeweiligen Gemeinschaft sind auf Basis dieser Vertrauensform schwierig (ebd.). Die zweite Vertrauensform ersetzt milieubasiertes durch institutionelles Vertrauen, welches verbindlich zu erwartende Verhaltens-, Interpretations- und Beziehungsmuster zur Grundlage hat (»institutionally-based trust«). Diese Form stützt sich auf durchsetzungsstarke, im Allgemeinen kollektive Institutionen, die allen Mitgliedern der Gesellschaft bekannt sind und auf welche sie sich wechselseitig beziehen. Die dritte Vertrauensform beruht auf positiven Kooperationserfahrungen (»process-based trust«). Dieser Typus hat eine geringere Reichweite, da er über individuelle Erfahrungen generiert wird, wodurch jedoch ein größerer Raum für Selbstverständigungs-, Abstimmungs-, Aushandlungs- und Lernprozesse entsteht (ebd.). Das transdisziplinäre Arbeiten in Reallaboren findet in Netzwerken mit hoher Komplexität statt: Akteure mit unterschiedlichen Handlungs- und Funktionslogiken arbeiten temporär gemeinsam an Fragestellungen, die jeder Akteur für sich wahrscheinlich abweichend konzipiert und bearbeitet hätte. Nicht nur die Umwelt, auf die Reallabore transformativ einwirken sollen, auch die Reallabore selbst
kleinstem gemeinsamen Nenner und die Verhinderung von Lernprozessen mit einem Zuviel an Vertrauen verbunden.
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Stadtentwicklung in der Wissensgesellschaft
sind als komplexe »Räume« zu begreifen und kontingent. So ist es gerade in Reallaboren, d. h. in hoch variablen und situativen Settings, von Bedeutung, die Netzwerkaktivitäten regulieren, Ressourcen im Prozess verteilen sowie die Forschungsergebnisse interpretieren und verhandeln zu können. In solchen Situationen ist Vertrauen für den Aufbau von Kooperationen und deren Stabilisierung von zentraler Bedeutung. Vertrauen ermöglicht Ressourcen einzusparen, die fehlendes Vertrauen notwendigerweise kostet: Zeit und finanzielle Mittel, um PartnerInnen im Vorfeld einer potenziellen Kooperation überprüfen zu können sowie die Etablierung von Kontrollmechanismen. Am Beispiel der Reallabore hat sich gezeigt, dass verschiedene Formen von Vertrauen zu unterschiedlichen Zeitpunkten in unterschiedlichen Intensitäten die transdisziplinären Kooperationen geprägt haben. Je nach Vorgeschichte der Kooperation (Umfang und Intensität der Vorbereitungszeit, eingebundene Personen, Bekanntheit der ReallaborpartnerInnen aus früheren beruflichen oder privaten Kontexten) basiert Vertrauen in der Sondierungsphase insbesondere auf der jeweiligen Persönlichkeit des Gegenübers bzw. auf geteilten soziokulturellen Werten und Traditionen. In dieser Phase kann das von Heidenreich (2014) als »character-based trust« benannte Vertrauen als bedeutend erkannt werden – Frau A. oder Herr K. sind die Bezugspunkte von Vertrauensbildungsprozessen. In dieser ersten Phase kommt ebenfalls bereits dem institutionellen Vertrauen eine hohe Bedeutung zu. In Arbeitskontexten dominiert die arbeitsbezogene Persönlichkeit des Gegenübers, die durch die organisationale Umwelt geprägt wird. Die jeweilige Organisation wird mit spezifischen Werten und Normen assoziiert, die zwar nicht im Detail bekannt sind und die die Person selbst u. U. auch nicht umfassend teilt, die jedoch dessen ungeachtet Vertrauen stiften, indem sie eine grundlegende Orientierung bieten (»institutionally-based trust«). Institutionelles Vertrauen abstrahiert insofern von der Persönlichkeit und koppelt Vertrauen an durchsetzungsstarke Institutionen – die Hochschule, das Stadtplanungsamt, der Stadtteilverein werden zu wichtigen Bezugspunkten der Vertrauensbildung. In der praktischen Zusammenarbeit konnten die individuell sowie institutionell begründeten Vertrauensverhältnisse zwischen den Partnerinnen Stadt und Hochschule vertieft werden. Beide Vertrauensformen haben zu Beginn den Aufbau kooperativer Beziehungen ermöglicht, die (meist) kooperative Zusammenarbeit konnte durch im Prozess erworbenes Vertrauen stabilisiert werden (»processbased trust«). Zur Förderung dieses prozessbasierten Vertrauens haben alle drei Reallabore Formate entwickelt, die auf die Herstellung von Sprachfähigkeit zwischen den unterschiedlichen systemischen Akteuren abzielten (siehe Abbildung 10): »Der Erfolg war natürlich erstmal, dass eine Sprachfähigkeit zwischen den verschiedenen Disziplinen hergestellt wurde. Das heißt, dass sich auch innerhalb der Gruppen Stadt, Uni, Doktoranden, Praxispartner, IBA über Begriffe verstän-
5. Dimensionen wissensbasierter Stadtentwicklung
digt wurde. Es gab einige Workshops und das war ein wichtiger Schritt, um auch so ein bisschen Vertrauen, naja Vertrauen ist jetzt übertrieben, um einfach eine Arbeitsebene zu finden, eine gemeinsame Ebene« (IBA 3). Eine weitere Maßnahme zur Förderung von Vertrauen betraf den ersten Arbeitsort der Koordinatorin des Reallabors Urban Office. Dieser wurde nicht in der Universität, sondern bei der Praxispartnerin Stadtplanungsamt geschaffen (Reallabor Wissenschaft 8). Ziel war die Überbrückung kognitiver und sozialer Distanzen bei den beteiligten ReallaborpartnerInnen Stadtverwaltung und Wissenschaften. Der Aufbau vertrauensvoller Beziehungen benötigt trotz schriftlicher Kooperationsvereinbarungen, die zu Beginn der Forschungskooperationen geschlossen wurden, regelmäßigen Abstimmungen, dem Verständigen über ein gemeinsames Vokabular und der räumlichen Nähe zueinander insbesondere Zeit. Zeit ist jedoch eine herausfordernde Rahmenbedingung für die transdisziplinären Forschungsprojekte mit begrenztem Zeitrahmen (Vgl. Abschnitt 6.2.3): »Also man muss nicht nur eine gemeinsame Sprache finden, man muss auch erst einmal Vertrauen zueinander aufbauen, sich kennen lernen. Das dauert und da haben wir sehr viel Zeit reingesteckt. Und wir haben auch für die Zeit wahnsinnig viel gemacht und waren da schon engagiert. Aber im Prinzip lief alles ganz schön schleppend. Ich habe das jetzt so aufgezählt, aber da liegt ja jedes Mal fast ein Jahr dazwischen, wo man einfach nur kommunizieren musste« (Reallabor Wissenschaft 5). Für den Aufbau von Vertrauen in der Forschungskooperation sind jedoch nicht nur kooperationsinterne Einflussfaktoren bedeutsam. Externe Faktoren haben ebenfalls einen Einfluss. Die kommunalen PartnerInnen arbeiten kontinuierlich an Themen mit Bezügen zur Vergangenheit als auch zur Zukunft, deren Tätigkeit ist geprägt durch ein »zeitliches und organisatorisches Vor-, Neben-, Mit- und Nacheinander« (Eckart et al. 2019). Dies unterscheidet sie von den wissenschaftlichen PartnerInnen, bei welchen die tiefergehende Auseinandersetzung u. U. erst zu Beginn der Kooperation erfolgt. So prägen frühere Konfliktlinien und Erfahrungen die Wahrnehmungs- und Denkweisen gerade kommunale PraxispartnerInnen und beeinflussen dadurch die Handlungs- und Gestaltungsspielräume, die einer auf Experimente angelegten Forschungskooperation zugebilligt werden (Reallabor Wissenschaft 1; Reallabor Wissenschaften 2). Die Existenz vertrauensvoller Beziehungen innerhalb der Kooperation vermögen den kooperationsexternen Einflussfaktoren kaum etwas entgegenzustellen. Dies mit der Folge, dass einige, auch für die Kommune wesentliche Themen mit Potentialen für die Forschungskooperation gar nicht zur Disposition gestellt werden (Reallabor Wissenschaft 8). Das Experiment Reallabor scheint in Heidelberg – auch bedingt durch das aufgebaute persönliche und institutionelle Vertrauen – das Interesse an trans-
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Stadtentwicklung in der Wissensgesellschaft
disziplinären Forschungskooperationen erhöht zu haben. So wurde im Anschluss an das Reallabor Urban Office eine weitere transformative Forschungskooperationen begonnen. Einige der ProjektpartnerInnen (sowohl auf wissenschaftlicher als auch auf Praxisseite) arbeiten im Projekt »Town & Gown« zur »Optimierung der Zusammenarbeit von Stadtverwaltungen mit regionalen Wissenschaftseinrichtungen« für weitere fünf Jahre zusammen (Universität Speyer o. J.). Wesentliche Faktoren für diese neuerliche Kooperation waren neben dem zeitintensiven Aufbau vertrauensvoller Beziehungen während der Reallaborkooperation geteilte Interessen und die Wahrnehmung eines jeweils individuellen Nutzens durch die ehemaligen Reallabor-PartnerInnen (Reallabor Wissenschaft 8). Transdisziplinäre Kooperationen zwischen Wissenschaften und Stadt werden insofern in Heidelberg von beiden Seiten aktiv gesucht und führen auf diese Weise zu einer Verbreitung des Formats sowohl in den institutionellen Wissenschaften als auch der Praxis, was die Herausforderungen und Schwierigkeiten, die mit der praktischen Durchführung verbunden sind, perspektivisch verringern kann. Vertrauen kann daher mit Heidenreich (2014) als Voraussetzung und Ergebnis selbstorganisierender Kooperationsnetzwerke erkannt werden. Der Aufbau vertrauensvoller Beziehungen befördert potenziell eine aktive Interaktion zwischen den Akteuren. Inwiefern solche temporären Partnerschaften zu dauerhaften Strukturveränderungen, welche eine wissensbasierte Stadtentwicklung bedarf, beitragen können, muss zum aktuellen Zeitpunkt noch unbeantwortet bleiben.
6. Herausforderungen wissensbasierter Stadtentwicklung
In Kapitel 5 wurden die Veränderungen dargelegt, die im Kontext der wissensgesellschaftlichen Transformation in Heidelberg zu beobachten sind. An einigen Stellen wurde dabei bereits auf empirische Erkenntnisse verwiesen, welche die nunmehr mögliche Diagnose der wissensbasierten Stadtentwicklung Heidelbergs mit einem Fragezeichen versehen lassen. Mit weiteren solchen Fragezeichen befasst sich das zweite empirische Kapitel. Am Beispiel der IBA wird anhand dreier Akteursgruppen die Bedeutung von Resonanz als Ressource für die wissensbasierte Stadtentwicklung analysiert. Die in Kapitel 6.1 präsentierten Erkenntnisse bilden damit eine wichtige Ergänzung zu Abschnitt 5.2.1. Anschließend werden die verfügbaren Ressourcen der IBA GmbH (Vgl. Abschnitt 6.2.1) als auch des IBAProjekts »der Andere Park« (Vgl. Abschnitt 6.2.2) für eine strategische wissensbasierte Stadtentwicklung diskutiert. Mit Abschnitt 6.2.3 wird der Blick auf die Ebene der Universität sowie des Landes Baden-Württemberg verlagert und am Beispiel des Forschungsformats Reallabore die Frage aufgeworfen, welche Schlüsse aus der Ausgestaltung des Formats hinsichtlich einer politisch gewollten wissensbasierten Stadtentwicklung gezogen werden können. Den nachfolgenden Ausführungen vorangestellt soll daran erinnert werden, dass sich die empirische Feldforschung mit zwei experimentellen, projektförmig organisierten Instrumenten einer wissensbasierten Stadtentwicklung befasst hat. Insofern ist deren temporärer Charakter und das Nebeneinander von tradierten und experimentellen Strukturen der bewusst gewählte Weg und kennzeichnendes Charakteristikum beider Formate: Fragen aufwerfen, einen Dialog stiften, in Koproduktion gemeinsam Ideen entwickeln bzw. weiterentwickeln und in Modellprojekten potenziell umsetzen und daraus Erkenntnisse für Stadtentwicklung ableiten. Eine Kritik im Sinne des Fehlens harter Steuerungsinstrumente, z. B. eines Zwangs zur Umsetzung der Forschungsergebnisse der Reallabore oder einer IBACarte blanche, wäre an dieser Stelle insofern unzulässig. Ein Blick auf das durch das verfügbare Instrumentarium sowie die Ressourcen wird jedoch trotzdem als sinnvoll erachtet. Beide Formate wurden durch das politisch-administrative System befördert – über deren ressourcenbedingter Reichweite sind daher durchaus
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Stadtentwicklung in der Wissensgesellschaft
Erkenntnisse bezüglich des politischen Willens und der Bedeutung der Instrumente abzuleiten. Die ressourcenorientierte Perspektive ermöglicht insofern, ein ganzheitlicheres Bild der Prozesse der wissensbasierten Stadtentwicklung in Heidelberg zu entwickeln. Zum anderen gilt es zu beachten, dass die Förderung der Forschungsformate Reallabor durch das MWK zum April 2019 beendet wurde (einige Förderungen wurden um ein Jahr verlängert), die IBA jedoch noch bis einschließlich 2022 durchgeführt wird. Demzufolge sind die dargestellten Herausforderungen mehr noch als die Dimensionen mit spezifischen Zeitpunkten verbunden. Reflexionen über die Anpassungen von Strukturen nach dem Ende der IBA sind für ein umfassendes Bild notwendig, liegen jedoch außerhalb des Rahmens dieser Arbeit. Jedoch sollen bereits jetzt »Leerstellen« in der Governance aufgezeigt werden, was als erster Abgleich zwischen Anspruch und ressourcenbedingter Wirklichkeit fungieren soll.
6.1
Resonanz als Ressource einer wissensbasierten Stadt
Die Umsetzung der Konzepte einer wissensbasierte Stadtentwicklung erfordert eine gemeinsame Strategie und ein kollektives Handeln (u. a. Fichter et al. 2004; Yigitcanlar et al. 2008; van Winden 2010; Lisowksi et al. 2011; Hechler et al. 2018). Von grundlegender Bedeutung für kollektives Handeln ist, dass dieses für alle Beteiligten einen individuellen Mehrwert generiert. Die Wahrnehmung von Mehrwerten steht in einem Abhängigkeitsverhältnis zu Resonanz. Dieser Annahme folgend sollten KBUD-bezogene Forschungen ebenfalls auf den Aspekt Resonanzfähigkeit fokussieren. Resonanzfähigkeit bezeichnet nach Feess (2018: o. S.) in der soziologischen Systemtheorie »die Fähigkeit eines Systems, nach Maßgabe seiner Struktur auf Umweltereignisse reagieren zu können. Die Resonanzfähigkeit eines Systems ist selektiv, d. h., es wird nicht von allen Umweltentwicklungen in Schwingungen versetzt. Die Selektivität der Resonanzfähigkeit nimmt mit dem Grad der Ausdifferenzierung des Systems zu. Ein nicht oder nur unzureichend resonanzfähiges System ist in einer dynamischen Umwelt existenziell gefährdet«. Auf wissensbasierte Stadtentwicklung bezogen betont Resonanzfähigkeit damit die relationale Fähigkeit von Akteuren, externe, d. h. von anderen identifizierte Problemlagen und Chancen anzuerkennen und auf diese gemeinsam reagieren zu wollen. Resonanzfähigkeit steht insofern vor der Realisierung eines Mehrwerts und ist von grundlegender Bedeutung, um sich mit etwas oder jemand identifizieren zu können. Aufbauend auf Resonanz entwickelt sich die Bereitschaft zur Handlung. Resonanzfähigkeit findet in der theoretischen Literatur zur KBUD jedoch kaum Beachtung. Allein Hechler et al. (2018) stellen deren Bedeutung heraus. Auf Basis der empirischen Erkenntnisse wird hierin eine theoretische Leerstelle ausgemacht und konstatiert, dass Resonanzfähigkeit die Grundlage für die Entwicklung
6. Herausforderungen wissensbasierter Stadtentwicklung
von Mehrwerten darstellt. Das lokale Fallbeispiel ist zwar gekennzeichnet durch die Entstehung eines Diskurses (Vgl. Abschnitt 5.2.1), gleichzeitig ist jedoch ein Mangel an Resonanzfähigkeit bei drei bedeutsamen Akteursgruppen einer KBUD – der lokalen Wissenschaftslandschaft, dem (politisch-)administrativen System sowie der Stadtgesellschaft – gegenüber dem Format IBA bzw. dem durch sie propagierten Problem- bzw. Chancendiskurs zu beobachten. Dieser im Folgenden dargestellte Mangel an Resonanzfähigkeit der drei Akteursgruppen geriert der IBA zu einer fehlenden Handlungsressource.
6.1.1
IBA und die lokale Wissenschaftslandschaft: Augenhöhe als Voraussetzung
Resonanzfähigkeit wurde nach Hechler et al. (2018) als eine Fähigkeit von Akteuren definiert, externe, d. h. von anderen Akteuren identifizierte Problemlagen anzuerkennen, sowie die Bereitschaft, diese durch gemeinsames Engagement bearbeiten zu wollen. Sieverts (2007) hat am Beispiel der IBA Emscher Park herausgestellt, dass die Resonanzfähigkeit der regionalen Akteure aus Verwaltung, Politik, Wirtschaft und Gesellschaft auf die formulierte Problemstellung der IBA eine zentrale Quelle deren Erfolgs darstellte. Die endogenen, jedoch brachliegenden Innovationspotenziale konnten nur dadurch mobilisiert werden, dass die durch die IBA aufgeworfene Problemstellung geteilt wurde. Erst auf dieser Basis sei es möglich gewesen, eine gemeinsame Strategie zum Umgang mit dem ökonomischen Strukturwandel zu entwickeln und diese in gemeinsames Handeln zu übersetzen (ebd.). Auf die Fallstudie Heidelberg bezogen bedeutet Resonanzfähigkeit demzufolge mehr als die Existenz von Kooperationsbeziehungen für den Wissensbzw. Technologietransfer zwischen Hochschulen, FuE-Einrichtungen sowie AnwenderInnen oder Spin-off-Unternehmen. Gerade vor dem Hintergrund wissensgesellschaftlicher Transformationen kann sich nicht auf den Ausbau dieser Wissenschaft-Wirtschaft-Kopplungen beschränkt werden, vielmehr muss Wissen als Faktor der Stadtentwicklung verstanden und umfassend bearbeitet werden. Dieser Anspruch wird ebenfalls von der IBA deutlich formuliert, dies mit der Konsequenz, dass von den institutionalisierten Wissenschaften, insbesondere der dominierenden Universität, erwartet wird, dass sie sich neben der legitimen Verfolgung von Eigeninteressen ebenfalls als »guter Nachbar« geriert (IBA 2). Der im Zuge des wissensgesellschaftlichen Wandels aufgekeimte Verantwortungsdiskurs der Wissenschaften (Vgl. Kapitel 2) bestätigt sich insofern auch für das Fallbeispiel (IBA 2; Reallabor Praxispartner 4; Stadtverwaltung 4; Stadtverwaltung 5; Stadtverwaltung Park-Projekt 3). Den institutionalisierten Wissenschaften wird eine Verantwortung für das Lokale zugesprochen, sie werden nicht mehr nur als NutzerInnen und gleichermaßen ProfiteurInnen von Stadt angesehen,
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Stadtentwicklung in der Wissensgesellschaft
sondern auch als verantwortliche MitgestalterInnen (IBA 2). Mittels der IBA sollten diese Ansprüche an die lokale Wissenschaftslandschaft vermittelt und gemeinsam fruchtbar gemacht werden. Insofern stellt sich zwingend die Frage nach dem Resonanzpotenzial auf den durch die IBA propagierten Problem- bzw. Chancendiskurs für diesen hochrelevanten Akteurskreis. Zur Zwischenpräsentation der IBA stellt sich das Resonanzpotenzial der lokalen Wissenschaftslandschaft sowie insbesondere der Universität spärlich dar. Trotz mehrerer gemeinsamer Arbeitskreise in der Prä-IBA-Phase und Präsenz bei Veranstaltungen wurde der Universität bereits zu Beginn der IBA-Phase ein geringes Engagement durch einige InterviewpartnerInnen konstatiert – das Thema Wissen|schafft|Stadt scheint kaum einen Kooperationswillen über die benannten Formen hinaus zu erzeugt zu haben. Die Perspektive auf gesamtstädtische Interessen durch die lokalen Wissenschaftseinrichtungen werde kaum eingenommen (Stadtverwaltung 5); innerinstitutionelle Perspektiven und Eigeninteressen dominieren das Handeln der wissenschaftlichen Akteure (Reallabor Wissenschaft 6). Die Bereitschaft zur Community-Orientierung, d. h. zur Reflektion der eigenen Rolle für Stadtentwicklung, zur Beteiligung an diesbezüglichen Prozessen sowie zum gemeinschaftsorientierten Handeln, ist nur gering ausgeprägt. Während nur das Grundlagenforschungsinstitut EMBL und die Sammlung Prinzhorn (Projektträger sind Universitätsklinikum und die Freunde der Sammlung Prinzhorn e. V.) eine offensive Bereitschaft zur Community-Orientierung gezeigt haben, schlugen Wissenschaftseinrichtungen in anderen Städten weitaus aktiver den Weg einer Community-orientierten, wissensbasierten Stadtentwicklung ein. Beispielhaft sei hier auf die Bauhaus-Universität Weimar, die als Initiatorin des Entwicklungsvorhabens »Neues Bauen am Horn« fungierte (Ziegenbein 2008), die Bewerbung der Stadt Mainz um den Titel »Stadt der Wissenschaften«, die von der Stadt Mainz zusammen mit dem Wissenschaftsministerium und der Mainzer Wissenschaftsallianz (Zusammenschluss der Mainzer Wissenschaftseinrichtungen) eingereicht wurde (Moritz 2016), die Arbeitsgemeinschaft der Wissenschafts- und Forschungseinrichtungen in Dortmund (windo e. V.), die den Masterplanprozess Wissenschaft gemeinsam mit der Stadt organisierte und darin verbindliche Ziele und Maßnahmen definierte (Hilkmann 2017), oder die Kooperation der Universität Leuven im Rahmen des Triple-Helix-Konzepts LeuvenMindGate (IBA 2018b) verwiesen (für einen aktuellen Überblick über bestehende Wissenskooperationen in 41 deutschen Städten Vgl. Gerhard et al. 2020b). Für Heidelberg ist eine vergleichbare Resonanz auf das Kommunikations- und Kooperationsangebot der IBA indes kaum festzustellen. So schätzt die IBA ihren bisherigen Beitrag zur Transformation des Hochschul-Stadt-Verhältnisses selbstkritisch als eher gering ein (IBA 2). Ursächlich für das geringe Resonanzpotenzial der Wissenschaftseinrichtungen können neben den oben skizzierten Eigeninteressen als erstem identifizierten Einflussfaktor jedoch auch Versäumnisse der Stadt Heidelberg
6. Herausforderungen wissensbasierter Stadtentwicklung
sein. Die empirische Analyse hat beleuchtet, dass das geringe Resonanzpotenzial der Wissenschaftseinrichtungen ebenfalls mit einem nicht immer kooperativen Handeln der Stadt sowie dem gewählten Format einer Bauausstellung assoziiert werden kann. Diese Einsichten werden im Folgenden ausgeführt. Die Bedeutung der lokalen Wissenschaftslandschaft und deren Einfluss auf Stadtentwicklung wird nicht erst seit der IBA diskutiert. Bereits der Stadtentwicklungsplan 2015 aus dem Jahr 2007 formuliert das Ziel des Ausbaus der Standortvorteile Heidelbergs als Wissenschaftsstadt und macht die Wissenschaftsförderung damit zu einem Leitziel der Stadtentwicklungspolitik (Stadt Heidelberg 2007, Vgl. Kapitel 4.3). Im Kontext der Wissenschaftsförderung wird auf die urbanen Qualitäten Heidelbergs verwiesen, Städtebau und Architektur werden hier bereits diskursiv mit Wissensproduktion verbunden. Die Stadt Heidelberg positioniert sich dabei als Moderatorin beim Aufbau von Kooperationen zwischen Wissenschaft und Wirtschaft und verweist auf die Bedeutung des Transfers universitären Wissens in Anwendungskontexte. Organisiert werden soll dieser über den Ausbau des Technologieparks (ebd.), was auf die zu dieser Zeit vorherrschende ökonomisch geprägte Perspektive auf Wissen als Faktor der Stadtentwicklung verweist. Eine Durchschlagskraft hat das Thema Wissenschaften als Teil des STEPs über das Thema des Technologietransfers hinaus jedoch nur in sehr geringem Maße entwickeln können, auch wenn im weiteren Zeitverlauf halbjährliche Treffen von Universitätsbauamt und Stadtplanungsamt etabliert wurden. Einige Jahre später hat die Stadt das Thema erneut aufgegriffen und die Stabsstelle Wissenschaft etabliert. Deren Schaffung zeigt zwar einerseits das Bewusstsein für die Bedeutung der Wissenschaften durch die Stadt, offenbart jedoch auf der anderen Seite den fehlenden Willen zur Kommunikation und eines abgestimmten Handelns auf Augenhöhe. Um Heidelberg nach außen als auch gerade nach innen als Wissenschaftsstadt zu positionieren und die Belange der Wissenschaften entsprechend bearbeiten zu können, wurde die Stabsstelle Wissenschaft innerhalb der Stadtverwaltung eingerichtet. Dies auf Beschluss der Stadtspitze und – nach Aussage mehrerer GesprächspartnerInnen ohne Abstimmung mit den Wissenschaften selbst, deren Probleme man jedoch eigentlich über diese Stabsstelle adressieren wollte. Auch hier existiert die Selbsteinschätzung analog zu der der IBA, dass man mit diesem Angebot noch immer nicht bei den Wissenschaftseinrichtungen angekommen sei (Stadtverwaltung 1). Die hohe personelle Fluktuation in der Abteilung Wissenschaft kann ein Hinweis auf die Herausforderung dieser Aufgabe sowohl im Innen- als auch im Außenverhältnis sein. Mit dem Instrument IBA hat die Stadt einen neuerlichen Ansatz gewählt, die lokalen Wissenschaftseinrichtungen in Stadtentwicklung einbinden. So ist eine IBA-Zielsetzung die Erarbeitung gemeinsam getragener Entwicklungsvision mit den ansässigen Wissenschaftsinstitutionen und damit ein belastbares Bekenntnis zur wissensbasierten Stadt sowohl durch die institutionalisierten Wissenschaften
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als auch die Stadt (IBA 2). Insbesondere die Universität war in prominenter Rolle in die IBA-Vorbereitungsphase eingebunden, das Vorhaben trug zu dieser Zeit noch den sprechenden Untertitel Wissenschaftsstadt Heidelberg (Stadt Heidelberg 2009). Die kooperative Energie aus dem Vorprozess konnte allerdings nicht in den IBA-Prozess überführt werden. Als ursächlich wurde bereits die Struktur des ersten Projekt-Calls benannt (Vgl. Abschnitt 5.1.1). Nach der deutlich auf die lokale Wissenschaftslandschaft ausgerichteten Prä-IBA-Phase erfolgte auf politischen Druck ein offener Projekt-Call an alle Interessierten der Stadtgesellschaft. Mit dieser inhaltlichen Öffnung wollte man der Kritik hinsichtlich des Elitencharakters des Mottos Wissen|schafft|Stadt begegnen, die die IBA-Vorbereitung begleitet hatte: »Es ging uns vor allem darum die IBA nicht als Eliteprojekt zu verstehen, sondern als ein Projekt, was in der Tat auch alle Bevölkerungsschichten berühren kann. Deswegen ist das B³ vom Gemeinderat auch als IBA-Projekt miteingebracht worden, um tatsächlich auch zu zeigen, dass Bildung und Wissen, also eben nicht nur die Wissenschaften, die ganze Stadt berühren« (Stadtverwaltung 4). Der Call traf dann auf größeres Echo in der Stadtgesellschaft – viele bildungs- und zivilgesellschaftliche Projekte wurden eingereicht –, jedoch weniger bei den lokalen Wissenschaftseinrichtungen (IBA 5). Bei den besagten Exzellenzstrukturen hat der erste Call wenig Resonanz ausgelöst, was der IBA mit fortschreitender Laufzeit im lokalen Diskurs mehr und mehr zum Nachteil gereicht wurde. Im Rahmen der IBA-Vorbereitung wurde mit dem Arbeitskreis Wissenschaftsmarketing ein weiterer Baustein einer strategischen Wissenschaft-StadtKooperation etabliert. Die Dokumentation des IBA-Vorbereitungsprozesses bezeugt die gemeinsame Zielsetzung eines integrierten Wissenschaftsmarketings: »Heidelberg ist eine Marke, die national und international für hohe Attraktivität steht. Deshalb ist eine enge Verzahnung von Stadtentwicklung und Wissenschaft für internationale Sichtbarkeit und Erfolge auf allen Handlungsebenen unerlässlich – eine strategische Aufgabe, in die alle am Wissenschaftsstandort wirkenden Institutionen einbezogen sein sollten« (Stadt Heidelberg 2013: 9). Mehrere Treffen des Arbeitskreises wurden dokumentiert, seit 2013 scheint dieser nach Aussage einiger GesprächspartnerInnen nicht mehr zusammenzukommen (Stadtverwaltung 1; IBA 3; Stadtverwaltung 3). Eine in 2018 und 2019 durchgeführte Überprüfung der städtischen und universitären Website bestätigt den Eindruck eines fehlenden gemeinsam getragenen Wissenschaftsmarketings. Die jeweiligen Internetauftritte sind über die Verlinkungen »Lernen & Forschen« sowie »Leben in Heidelberg« zwar miteinander verbunden, abgestimmte Kampagnen mit Infor-
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mationen zu gemeinsamen Projekten, Vernetzungsthemen oder Veranstaltungen1 fehlen jedoch. Die IBA existiert auf der Website der Universität in Form weniger Pressemitteilungen sowie über die verbundene Webseite des Reallabor Urban Office. Einzig die »Nacht der Forschung« in 2018 und 2019, die regelmäßig auf großes Interesse stößt, zeugt als kooperatives Format der Wissenschaftskommunikation von einer eventbasierten, d. h. temporären Zusammenarbeit zwischen Wissenschaftseinrichtungen und Stadt. An Maßnahmen der Wissenschaftskommunikation durch die Wissenschaftseinrichtungen mangelt es indes nicht. Wissenschaftliche Themenstellungen werden in einer Vielzahl von Formaten in die Öffentlichkeit getragen z. B. der »akademischen Mittagspause« oder dem »Studium generale«. Diese waren im Zuge des 625-Jubiläums der Universität Heidelberg und im Jahr der IBA-Zwischenpräsentation kooperative Formate mit der Stadt bzw. IBA, sonst sind es individuelle Formate der Wissenschaftseinrichtungen. Diese Ausführungen verdeutlichen: In den vergangenen Jahren wurden einige Bausteine einer wissensbasierten Stadtentwicklung durch die Stadt Heidelberg etabliert. Diese haben jedoch augenscheinlich kaum Resonanz bei den Wissenschaftseinrichtungen erzeugt und deren Community-Orientierung befördert. Eine interviewte Person sieht darin das Fehlen eines ganz basalen Bausteins einer wissensbasierten Stadtentwicklung: der regelhaften Kommunikation zwischen Stadtund Universitätsspitze, die es ermöglicht, dass Wissenschafts- und Stadtentwicklung aufeinander bezogen und gemeinsam reflektiert werden: »Es ist ein grundsätzliches Problem. Man wird sich zwar nie lieben. Aber ein Fortschritt in Sachen Kommunikation wäre der OB im Senat der Universität und der Rektor im Gemeinderat. Dann hat man auch nicht diese Unkenntnis, die Kommunikation würde eine Basis bekommen. Das fehlt einfach. Das liegt mit Sicherheit an den Persönlichkeiten, die das nicht wollen. Die Konflikte vererben sich damit einfach weiter. Sich treffen und über Probleme unterhalten, da fehlt es aus meiner Sicht. Und es fehlt an einer dementsprechend guten Organisation dieses Verhältnisses« (Wissenschaft 1). Daran anschließend scheint die geringe Resonanz auf das neuerliche Kooperationsangebot der IBA nicht nur mit dem Fehlen von Strukturen begründet werden 1
Beispielsweise haben in 2018/2019 zwei Konferenzen zu den Potenzialen lokalen Handelns für Nachhaltigkeit in Heidelberg stattgefunden. Organisatoren waren jeweils die Stadt Heidelberg als Partner des BMU sowie die Universität mit dem Heidelberg Center for the Environment. Beide Veranstaltungen adressierten die Öffentlichkeit für die Herausforderungen des Klimawandels und die Notwendigkeit eines schnellen Handelns und sollten gleichermaßen die Vernetzung von Wissenschaften und Gesellschaft stärken. Die beiden Veranstaltungen mit nationalem als auch internationalem Publikum fanden innerhalb von nur sieben Monaten statt – dies in einer Zeit, in der vom Oberbürgermeister der Klimanotstand ausgerufen wurde (Stadt Heidelberg 2019c).
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zu können, sondern ebenfalls mit Eigeninteressen der Wissenschaftseinrichtungen, aber auch wie nachfolgend aufgezeigt wird, der fehlenden Wahrnehmung eines durch die Stadtverantwortlichen gelebten kooperativen Verständnisses der Vision Wissen|schafft|Stadt, welche die Wissenschaftseinrichtungen auf Augenhöhe einbezieht. So manifestiert sich die als gering wahrgenommene Akzeptanz der Interessen der Wissenschaften durch die Stadt Heidelberg u. a. aktuell anhand des Masterplans Im Neuenheimer Feld/ Neckarbogen, des Eklats zur Straßenbahnerschließung des Neuenheimer Feldes2 oder der Verlagerungsdiskussion universitärer Institute ins PHV. Stadt- und Wissenschaftsentwicklung ist in Heidelberg seit jeher eng verzahnt – die Universität hat sich aufgrund ihrer spezifischen Bedürfnisse (u. a. Platzbedarfe und Entfernung zu Immissionsquellen) regelmäßig in Außenbereichen angesiedelt, die Stadt sich in Wachstumsphasen immer wieder angenähert (Vgl. Einführung Kapitel 4). Die räumlichen Bedürfnisse gerade der Universität Heidelberg kollidieren daher regelmäßig mit städtischen Interessen, was sich anhand des Planungsprozesses zum Masterplan Im Neuenheimer Feld/ Neckarbogen verdeutlicht. Die Universität erwartet sich räumliche Handlungsfreiheit im Sinne planrechtlich gesicherter Entwicklungsflächen und somit eine Campusentwicklung, die sich in erster Linie an den Bedarfen der wissenschaftlichen Einrichtungen ausrichtet. Sie versteht den Campus als Ort von Wissenschaft und Forschung. Die Stadt hingegen denkt auch bedingt durch die Leitlinien zur mitgestaltenden Bürgerbeteiligung prozesshaft und will wesentliche Planungsgrundlagen mittels eines kooperativen Prozesses zwischen Wissenschaftseinrichtungen, BürgerInnen, Vereinen und der lokalen Politik erzeugen. Der Campus selbst gilt ihr als Teil der Stadt, auch wenn mit Wissenschaftseinrichtungen eine spezifische Nutzung dominiert. Dass sich die Universität weiterhin mit einer fehlenden Akzeptanz ihrer Bedürfnisse konfrontiert zu sehen scheint, offenbart der im Dezember 2019 veröffentlichte Faktencheck zum Wissenschaftscampus Im Neuenheimer Feld. Dieser Faktencheck soll »Befürchtungen, Meinungen, Fragen und Behauptungen, die in den Diskussionen um die zukünftige Entwicklung des Wissenschaftscampus Im Neuenheimer Feld im Raum stehen« (Land Baden-Württemberg et al. 2019: 2), prüfen und die Akzeptanz der Wissenschaftsbedarfe durch die Stadtgesellschaft befördern. Dass dieser Faktencheck zwei Jahre nach der öffentlichen Auftaktveranstaltung des Masterplanverfahrens und einer noch viel länger andauernden Vorbereitungsphase noch notwendig ist, offenbart das Ausmaß des Konflikts und die
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Im Jahr 2016 wurde durch das Verwaltungsgericht Mannheim der Planfeststellungsbeschluss Straßenbahntrasse für den Campus Im Neuenheimer Feld aufgehoben. Als Grund wurde die unzureichende Abwägung der grundrechtlich geschützten Forschungsfreiheit durch die Planungsträgerin Rhein-Neckar-Verkehr GmbH genannt.
6. Herausforderungen wissensbasierter Stadtentwicklung
Schwierigkeit, die unterschiedlichen Bedarfe im Sinne einer integrierten Entwicklung des Campus-Areals zu bearbeiten. Die Hoffnung der ProjektträgerInnen, über einen gelungenen städtebaulich-freiraumplanerischen Entwurf die Lösungsformel des Konflikts generieren zu können, hat sich somit bisher nicht erfüllt: So wurde bspw. die Erwartung der Wissenschaftseinrichtungen nach der planerischen Sicherung schnell verfügbarer Expansionsflächen, die von den vier Planungsbüros über einen Flächentausch im Bereich Hühnerstein abgebildet wurden, durch den Gemeinderat eingeschränkt. Der Hühnerstein darf nur dann für eine Bebauung genutzt werden, wenn »die im zukünftigen Masterplan festgestellten Nachverdichtungspotentiale weitgehend3 ausgeschöpft sind« (Stadt Heidelberg 2020: 56). Bestehende Konflikte, das zeigt sich am Hühnerstein exemplarisch, sind kaum mittels räumlicher Planung zu lösen. Eine solche Erwartung stellt eine Überfrachtung von Planung dar. Die Feststellung, dass sich die Kontroversen zwischen Stadt und Universität immer wieder gerade an städtebaulich-architektonischen Fragestellung neu entzündet, führt zum dritten identifizierten Einflussfaktor der Resonanz der Universität auf das Dialogangebot. Dieser Faktor wird im Format IBA ausgemacht. Eine IBA definiert sich als Instrument der Stadtentwicklung nicht zuletzt auch über ihre baulichen Zeugnisse. Wie die vorherigen Erläuterungen aufgezeigt haben, stellt das Bauen ein beträchtliches Konfliktfeld in der Beziehung zwischen Universität und Stadt dar. So ist eine IBA nicht uneingeschränkt als geeignetes Instrument für den Aufbau vertrauensvoller Kommunikations- und Kooperationsstrukturen zu betrachten. Auf die Entwicklung von Resonanzfähigkeit der institutionalisierten Wissenschaften wirkt die Struktur des deutschen Wissenschaftssystems mit ihren verteilten Verantwortlichkeiten zusätzlich erschwerend. Die Universität sowie das Wissenschaftsministerium waren am Vorprozess zwar beteiligt, allerdings ist die Universität nur Nutzerin der Gebäude und nicht Bauherrin. Sie verfügt daher nur über einen eingeschränkten Handlungsspielraum für den Hochschulbau. Das zuständige Finanzministerium war in der Prä-IBA-Phase nicht vertreten und hat während der ersten IBA-Jahre zurückhaltend agiert. Dies sowohl hinsichtlich einer projektungebundenen Finanzierung als auch der Bereitschaft zu gemeinsamen Projekten. Das inhaltlich zuständige Wissenschaftsministerium hat projektbezogene Förderungen zugesagt – deren finanzielle Beteiligung ist insofern nur unter der Prämisse möglich, dass die Universität ein IBA-Projekt einreicht. Ein deutliches Bekenntnis zur IBA ist demgemäß ebenfalls nicht durch das Wissenschaftsministerium erfolgt. Das zurückhaltende Engagement der Universität kann daher auch
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Um das Wort »weitgehend« wurde in den vier beteiligten Bezirksbeiräten inhaltlich gerungen: Die einen forderten den Begriff »vollumfänglich«, ein anderer formulierte keine Einschränkung und drückte damit indirekt ebenfalls die Anforderung nach der vollumfänglichen Ausnutzung aus (Stadt Heidelberg 2020).
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als ein Fingerzeig auf das fehlende Resonanzpotenzial der Landespolitik gedeutet werden (Stadtverwaltung 5; Stadtverwaltung 4; IBA 2). Zum einen hätte aktiv die Entwicklung von Projekten vorangetrieben werden können, zum anderen hätte das Experiment IBA auch auf der Maßstabsebene des Landes die oben skizzierten segmentierten Zuständigkeiten experimentell hinterfragen können. Dies allerdings nur, wenn man denn die in Kapitel 3.2 skizzierten Anforderungen an eine KBUD auf landespolitischer Ebene nachdrücklicher hätte umsetzen wollen, wie die IBA selbst herausstellt: »Ich glaube angekommen ist es [das IBA-Thema, Anm. KF] gut. Auch beim Rektor können wir uns eigentlich grundsätzlich nicht beschweren. Es geht wirklich eigentlich um das schwarze Peter-Spiel, was da zwischen den Ministerien passiert und uns zum Nachteil gereicht wird. Was aber eben nicht nur einer IBA, sondern auch im internationalen Vergleich dem Standort Deutschland als Wissenschaftsstandort zum Nachteil gereicht wird. Insofern würde ich mich freuen, wenn die Landesregierung jetzt sagen würde: ›Wir machen einen Ausnahmezustand auf Zeit und geben der Uni Heidelberg für 10 Jahre ein Planungsbudget X, um mit der IBA zusammen mal eine strategische Planung für die Zukunft aufzustellen.‹ Damit nicht der Rektor immer sagen muss: ›die Freiheit von Lehre und Forschung ist wichtig, deshalb das Neuenheimer Feld beplanen.‹ (…) Es muss eine Wahl in der Mitte geben. Wie es international gelebt wird. Hochschulen könnten dann strategisch planen« (IBA 3). 4 Der hier formulierte Wunsch nach einer Hochschule, die Stadtentwicklungsaufgaben und -verantwortlichkeiten wahrnehmen darf, wird nicht zuletzt auch von den institutionalisierten Wissenschaften selbst, beispielsweise auch der Kommission zur Finanzierung des Hochschulbaus in Baden-Württemberg, unterstützt (LRK BW 2019). Die Forderung der IBA geht insofern einher mit einem Perspektivwandel der Hochschulen. Interessanterweise scheint die Landespolitik diesbezüglich jedoch (noch) keinen Handlungsbedarf erkannt zu haben.
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Eine Hochschule, die strategischer planen kann, findet sich mit der SRH ebenfalls in Heidelberg. Dort wird seit 2016 an einem Masterplan für den Campus im Stadtteil Wieblingen gearbeitet, der gleichermaßen die Lern- und Arbeitsbedingungen verbessern und einen Mehrwert für die Menschen im Umfeld erzeugen soll (SRH Hochschule o. J.). Ein Unterschied: Die SRH ist eine private Hochschule, die oben beschriebenen verteilten Zuständigkeiten entfallen und damit auch – wie am Beispiel der Universität deutlich wird – ein Hindernis für eine kooperative Stadt- und Wissenschaftsentwicklung.
6. Herausforderungen wissensbasierter Stadtentwicklung
6.1.2
IBA und das (politisch-)administratives System: Ratlosigkeit als Chance
Die Resonanz auf den Chancen- und Problemdiskurs der IBA stellt sich für das (politisch-)administrative System ambivalent dar. Auf der einen Seite birgt die IBAPerspektive Potentiale für die Heidelberger Stadtentwicklung. Regelmäßig wurden von den GesprächspartnerInnen die Leistungsfähigkeit eines vernetzten horizontalen Arbeitens der Verwaltung als auch die innovativen Fragestellungen und Prozesse der IBA positiv hervorgehoben: » [Mit der IBA begann ein, Anm. KF] viel stärkeres Vernetzen der Ämter untereinander, weniger Abgrenzung in die üblicherweise festgelegten Aufgabengebiete. IBA macht es nötig, dass man sich mehr zusammenschließt und ein gemeinsames Ziel ins Auge fasst. Ich empfinde das eigentlich als wirklich positiv, dass wir intensiver und freier zusammenzuarbeiten, als ich es so aus der Vergangenheit auch kenne« (Stadtverwaltung Park-Projekt 7). Die IBA wird auch in der Verwaltung als Katalysator für Innovationen wahrgenommen, indem sie Expertise oder Finanzmittel für ihre Vorhaben mobilisiert5 : »Und wir würden das als Stadt sicher nicht so – in Anführungsstrichen – innovativ jetzt auf den Weg bringen, weil wir jetzt auch nicht so frei denken können wie es die IBA macht. (…) Das ist schon das Losgelöste der IBA und auch der fachlich hochkompetent unterstützte Prozess, der eben gesteuert wird von der IBA. Da sitzen sehr innovative, kluge, gute Leute, die sich halt auch nur diesem Thema widmen können« (Stadtverwaltung Park-Projekt 7). Das Resonanzpotenzial des administrativen Systems offenbart sich jedoch differenzierter, als die beiden Zitate vermuten lassen. So scheint man gegenüber dem Chancen- und Problemdiskurs, obwohl mit diesem oben skizzierte Potenziale verbunden werden, gleichsam keine umfassende Resonanz zu entwickeln. Während für die lokale Wissenschaftslandschaft das Prinzip der Augenhöhe als wesentlich für die Entwicklung von Resonanz gelten kann, können für das (politisch-)administrative System die Faktoren Ratlosigkeit und Handlungsdruck als zentral erkannt werden. Die ernsthafte Suche nach Veränderungen im Kontext von Stadtentwicklung fußt nach Karl Ganser, dem Leiter der IBA Emscher Park 5
Diese Wahrnehmung ist insofern auch stellenweise ressourcenbedingt: So wird die IBA nicht nur als Motor für Innovation wahrgenommen, sondern stellenweise ebenfalls als Generator von finanziellen Ressourcen (im Sinne von Planungs- und Realisierungsmitteln), die sie einwerben kann. Aus dieser Perspektive erscheint es wiederum fraglich, ob die kommunalen Akteure nun den IBA-Leitgedanken mittragen, d. h. dieser Resonanz ausgelöst hat, oder ob die Motivation zur Zusammenarbeit auf den Ressourcen beruht, die die IBA im Gegensatz zur städtischen Verwaltung mobilisieren konnte.
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(1989–1999), auf einer gemeinschaftlich empfundenen Ratlosigkeit über den geeigneten Umgang mit vordringlichen Problemlagen (Selle 2017: 119). Gerade eine IBA kann als experimentelles Format Antworten auf drängende Problemlagen finden – entsprechende Fragen müssen allerdings auch gestellt und die Antworten gehört werden wollen. In Heidelberg existiert zwar ein lokaler IBA-Diskurs (Vgl. Abschnitt 5.2.1), allerdings basiert dieser weniger auf einem gemeinschaftlich empfundenen »Man muss IBA«, sondern auf einem »Man macht IBA«. Dieser Unterschied kann als wesentlich für die Entwicklung von Resonanzpotenzial des administrativen Systems betrachtet werden. Bereits in der IBA-Vorbereitungsphase distanzierten sich die Verantwortlichen in Heidelberg von einem wesentlichen Kennzeichen der meisten IBAs: dem Aspekt der Ratlosig keit. So beginnt der IBA-Prozess unter gänzlich anderen Vorzeichen. Der Impuls zur IBA entspringt dem Selbstverständnis, proaktiv und aus der Wahrnehmung eigener Stärke heraus aktiv eine Vision für die Zukunft zu entwickeln zu wollen. Der stetig mitgeführte Verweis auf die Heidelberger Chancen-IBA verneint sowohl den Aspekt der Ratlosigkeit als auch einen zwingenden Handlungsbedarf (Stadtverwaltung 5).6 Mit dieser Haltung verliert die IBA jedoch deutlich an Kraft. Der Nutzen, sich alternative Wege zu erschließen und neue Partnerschaften einzugehen, erscheint aus einer Position der Stärke heraus kaum die Kosten zu übersteigen. Die diversen Kosten eines zehnjährigen IBA-Prozesses sind für die planende Verwaltung nicht unbedeutend. Neben einem nicht geringen Mehraufwand für zusätzliche Abstimmungs- und Koordinierungsprozesse existiert mit der IBA ein weiterer Akteur vor Ort, der sich durchaus auch deutlich in Gegenposition zur planenden Verwaltung positioniert und mit dem ein Umgang gefunden werden muss. Die IBA wirkt qua Auftrag als »Störfaktor in die in gewissem Maße auch saturierte Verwaltung« (Reallabor Praxispartner 3) und hinterfragt gewohnte Arbeitsabläufe und Gedankengänge. Dies, wie bereits aufgezeigt, im positiven, aber auch im negativen Sinn. So hat sie einerseits neue Impulse vermitteln können, zum anderen hat sie durch das Aufzeigen von Leerstellen gleichermaßen das Selbstbild einer gut
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Die Bedeutung, die Ratlosigkeit und Handlungsdruck für das Standing der IBA zukommt, verdeutlicht sich am Vorhaben PHV. Aufgrund der spezifischen Ausgangslage (autarke Wohnsiedlung in peripherer Lage ohne Anschluss an den Stadtkörper) hatte die IBA hier größere Freiräume hinsichtlich des Konzepts und der Prozessgestaltung (Fokus auf SharingKonzepten; angebots- anstatt nachfrageorientierte Entwicklung; frühzeitige, wenn auch temporäre Zwischennutzung des Areals und die Etablierung der agilen Arbeitsgruppe). Die größere Handlungsfreiheit der IBA steht im Kontext der herausfordernden Ausgangslage und der diesbezüglichen Ratlosigkeit. Vom Engagement der IBA verspricht man sich tatsächlich gute Lösungen. (Stadtverwaltung Park-Projekt 3; Stadtpolitik 2; Arbeitskreis Park-Projekt 5; IBA 4).
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funktionierenden Verwaltung angegriffen und sich selbst als Motor von innovativer Stadtentwicklung positioniert. Dies wurde durchaus auch kritisch aufgenommen: »Die Positionierung der IBA ist da natürlich auch sehr selbstbewusst und betrachtet sich als Motor des Ganzen. Sie ist aus unserer Sicht auch sicher ein Motor. Oder aber ein Getriebeteil in einem großen Motor, das wichtig ist, aber das auch eingebettet ist in die gesamtstädtische Thematik und Struktur« (Stadtverwaltung ParkProjekt 7). Dass sich die Verwaltung durch die IBA in ihrem Selbstbild angegriffen fühlt, verdeutlichen auch die regelmäßigen Hinweise auf die Qualität städtischer Verfahren und Projekte: »Es ist elementar wichtig, dass man die Akteure, die später das Projekt mit Leben füllen von Anfang an mitnimmt. Aber das würde ich jetzt nicht sagen, dass das beim Park der anderen Art zum ersten Mal ausprobiert wurde. Das ist hier vielleicht anders formuliert worden, ja. Aber letztendlich praktizieren wir das schon viele Jahre« (Stadtverwaltung Park-Projekt 3). Dieser Hinweis aus der Verwaltung ist inhaltlich durchaus berechtigt. Einige IBABausteine entsprechen dem kommunalen Standard. So orientiert sich der im obigen Zitat angesprochene Beteiligungsprozess zum Projekt »der Andere Park« an den Leitlinien zur mitgestaltenden Bürgerbeteiligung. Dies zeigt sich beispielhaft an dem Baustein der Arbeitsgruppe von »Betroffenen«, deren Einbindung in den Prozess der Auslobungserstellung sowie Teilnahme an der Jurysitzung zum Wettbewerb bereits in den Leitlinien zur mitgestaltenden Bürgerbeteiligung angelegt wurden (Vgl. Abschnitt 5.1.1). In dem Anspruch der IBA, die Anrainer des Arbeitskreises auch in die Umsetzungsphase einzubeziehen und für die spätere Belebung »verpflichten« zu wollen, liegt jedoch eine Neuerung im Vergleich zum kommunalen Standard. Dieser sieht zwar ebenfalls vor, Institutionen vor Ort zu aktivieren, dies sind jedoch meist soziale Institutionen wie Stadtteilvereine oder Kirchen. Auch der Baustein Expertenkreis war in seinen Grundzügen in Form des Koordinationsbeirats ebenfalls ein bereits bekanntes Format und wurde u. a. für die Vorhaben Bahnstadt, Masterplan Im Neuenheimer Feld/ Neckarbogen oder dem neuen Konferenzzentrum eingesetzt. Insofern existiert in Heidelberg aufgrund des hohen Formalisierungsgrads der Beteiligung nur ein sehr eingeschränkter Handlungsspielraum für das Entwerfen von Beteiligungsprozessen. Gerade auf prozessuale Standards der Beteiligung bezogen konnte die IBA insofern nur begrenzt bestehende Verfahren infrage stellen und Handlungsraum abseits tradierter Wege für die Umsetzung des IBA-Anspruchs schaffen (Vgl. Abschnitt 6.2.2). Diese Eingebundenheit in kommunale Standards in Verbindung mit einer offensiven Selbstpositionierung der IBA mag daher ebenfalls zu einer Abwehrhaltung der Verwaltung gegenüber der IBA beigetragen haben.
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Für die IBA ist ein konfrontatives Agieren Teil des Instrumentariums und ein notwendiges strategisches Mittel ihre Zielsetzung, die Qualifizierung von Projekten und Verfahren erreichen zu können. Die IBA muss sich daher, will sie als Impulsgeberin anerkannt werden, teilweise als Störfaktor positionieren und kommunale Standards und gewohnte Abläufe nachdrücklich herausfordern: »Das ist eine große Herausforderung, denn wir wollen ja ein IBA-Projekt haben. Das bedeutet ja immer, dass es über gängige Standards hinausreicht. Und das ist natürlich etwas – ich will damit nicht sagen, dass die Stadt niedrige Standards hat, ganz im Gegenteil, sie hat recht hohe – aber sie hat eben Standards, die sie sich im Laufe der Zeit erarbeitet hat und die für ganz vieles dann einfach gelten sollen. Auch gerade hinsichtlich der Verfahrensweisen und im Sinne des pragmatischen Arbeitens. (…) Und an der Stelle ist es dann so ein bisschen der Sand im Getriebe sein« (IBA 4). Ein solches, mitunter konfrontatives Handeln ist auch mit der Gefahr des Ausbremsens durch die Verwaltung verbunden. Die IBA scheint sich den Folgen einer zu konfrontativen Haltung auf das Resonanzpotenzial der Verwaltung bewusst zu sein und zielt mittlerweile in ihrem Handeln darauf ab, die Resonanz der Verwaltung über die Betonung von Potenzialen zu erhöhen, anstatt sich beständig als Verbesserungsagentur zu positionieren: »[Wir sagen] die wissensbasierte Stadtentwicklung ist unser Schwerpunkt und bei allem anderen kann man dann mal einen Hinweis geben, aber man besteht nicht so darauf« (IBA 1). Zu Beginn des IBA-Prozesses wurde das Agieren der IBA hingegen noch deutlich konfrontativer wahrgenommen. Die IBA war mitunter ein negativer Störfaktor (Stadtverwaltung 4; Stadtverwaltung 5), was Abstoßungseffekte zur Folge gehabt haben mag. Eine hohe Resonanz des administrativen Systems ist für das Vorhaben IBA jedoch als wesentlich anzusehen. Zwar genießt die IBA eine gewisse Autonomie, um qua Auftrag innovative Prozesse entwickeln und erproben zu können. Final muss das Handeln der IBA jedoch von der Kommune mitgetragen werden: Die Kommune übt das Planungsrecht aus, die Prozessgestaltung und -durchführung erfordert ebenfalls eine Rückbindung an das politisch-administrative System (Vgl. Abschnitt 6.2.1). Die IBA ist ein intermediärer Akteur außerhalb tradierter Verwaltungsstrukturen, jedoch mit einer gezwungenermaßen engen Bindung an das politisch-administrative System – dies allein schon aus dem Antrieb heraus, etwas in der Heidelberger Stadtentwicklung physisch-materiell bewegen zu wollen. Daher muss sich die IBA auch im Angesicht geringer Resonanz ihrer Handlungsfähigkeit versichern. Ein Instrument zur Sicherung der Handlungsfähigkeit waren schriftliche Zielvereinbarungen mit den ProjektpartnerInnen. Solche wurden im Zeitverlauf ebenfalls mit der Stadt Heidelberg abgeschlossen. Augenscheinlich konnte sich die IBA verwaltungsintern auch einige Jahre nach ihrem Beginn nicht unhinterfragt in ihrer Rolle etablieren. Der aufgeworfene Problem- und Chancendiskurs hat gerade
6. Herausforderungen wissensbasierter Stadtentwicklung
am Anfang nicht zu einer umfassenden Aktivierung der Verwaltung für die IBAPerspektive geführt. Über die unterzeichnete Zielvereinbarung sollte fehlende Resonanz ausgeglichen werden. Mangelnde Resonanz kann dabei durchaus auch im Zusammenhang mit Ressourcen der Verwaltung gebracht werden. So existierte zu Beginn kein festes Zeitkontingent für die städtischen Mitarbeitenden für die Mitarbeit an Projekten der IBA. Die IBA bedeutete daher einen zeitlichen Aufwand, der zuzsätzlich geleistet werden musste: »Eine IBA hatten wir bisher auch noch nicht gehabt. Sich an der Schnittstelle auch zu vernetzen ist total spannend, aber auch aufwändig« (Stadtverwaltung Park-Projekt 7). Zusätzlich zu diesem Mangel an zeitlichen Ressourcen kann auch phasenweise ein Mangel an autoritativen Ressourcen das Resonanzpotenzial der Verwaltung beeinflusst haben. Die Verwaltung ist ein hierarchisch organisiertes System, strategische Handlungsmacht kommt der Stadtspitze sowie den Dezernats- und Amtsleitungen zu. Das Verhältnis der IBA zu diesen kommunalen EntscheiderInnen war jedoch nicht beständig von Wohlwollen und Unterstützung geprägt. Deren strategisches Positionieren für die IBA war gerade in der ersten Phase kaum wahrzunehmen: »Wir hatten zwei Rücktritte im Kuratorium und einen Rücktritt im Aufsichtsrat gehabt, die ja durchaus mit dem Missverständnis eines IBA-Prozesses in der Verwaltung, zum Teil auch in der Verwaltungsspitze, zu tun hatten. Eben weil dort nicht erkannt worden ist, was es braucht an Kooperation, gelebter Kooperation, um so ein Jahrhundertprojekt zu stemmen« (IBA 5). Nach einem großen Auftakt in 2012 schienen insofern die oberen Hierarchieebenen ebenfalls mit dem neuen Akteur IBA gehadert zu haben. Dieser Sachverhalt dürfte sich durchaus auch auf die Resonanz auf den kommunalen Arbeitsebenen als auch, wie im Folgenden ausgeführt, der Stadtgesellschaft ausgewirkt haben.
6.1.3
IBA und die Stadtgesellschaft: Neue Perspektiven etablieren als Aufgabenstellung
Das Resonanzpotenzial der Stadtgesellschaft stand nicht im Fokus der empirischen Erhebungen, der Feldaufenthalt als auch die ExpertInnengespräche haben jedoch die Bedeutung dieser Akteursgruppe offengelegt. Datengrundlage der folgenden Ausführungen sind neben den ExpertInneninterviews und Feldbeobachtungen die unveröffentlichte Netzwerkstudie der Universitäten Speyer und Heidelberg, welche im Rahmen des Reallabors Urban Office erstellt wurde (Hölscher et al. 2018). Die Studie, die im Kontext des Reallabors Urban Office entstanden ist, wertet zwei Netzwerkerhebungen der Jahre 2013/2014 sowie 2017 sowie eine Nacherhebung von 2018 aus und analysiert als Längsschnitt die Vernetzungsaktivitäten der IBA. Sie dient der Identifikation wesentlicher Akteure im IBA-Netzwerk, der Beschreibung
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Stadtentwicklung in der Wissensgesellschaft
ihrer Beziehungen und der Analyse der Bedeutung der IBA für lokale Vernetzungsprozesse. Die Studie wird in dieser Arbeit hinsichtlich ihrer Aussagen zur Stadtgesellschaft ausgewertet. Einige im Jahr 2017 geführte ExpertInneninterviews unterstreichen die bereits in Abschnitt 5.2.1 dargestellte Wahrnehmung eines stockenden IBA-Beginns insbesondere hinsichtlich des Ankommens in der Stadtgesellschaft: »Wenn jetzt nicht die Zwischenpräsentation wäre, ich wüsste gar nicht, ob ich nochmal was von der IBA mitbekommen würde. Und das ist schon wenig, finde ich. (...) IBA ist in der Öffentlichkeit nie ein Thema gewesen und in der Fachöffentlichkeit immer so mit dem Nebensatz: ›Ob das was wird oder ob man sich da nicht ein bisschen zu viel vornimmt.‹ Das war auch in dem Vorprozess schon so. Und da waren wir so ein bisschen Marketingmenschen in eigener Sache und haben damals gedacht, dass IBA im vierten oder fünften Jahr schon ein bisschen stärker wahrnehmbar sein wird. Dass man zum Beispiel an den Projekten vorbeifährt, an Baustellen mit IBA-Logo oder so. Ganz einfache Dinge. Oder dass es mehr Veranstaltungen gibt« (Stadtverwaltung 5). Der durch die IBA kommunizierte Chancen- und Problemdiskurs schien nur eine geringe Resonanz in der Stadtbevölkerung ausgelöst zu haben. Das Thema der IBA wurde, so die geschilderte Wahrnehmung von mancherVertreterInnen des politisch-administrativen Systems, in der Bevölkerung nicht wie erhofft aktiv aufgegriffen (Stadtverwaltung 4; Stadtpolitik 2; Stadtverwaltung 5). Auch die Netzwerkstudie spiegelt die von den ExpertInnen wahrgenommene geringe Anbindung der IBA an die Heidelberger Bevölkerung in der ersten Phase wider. Im IBA-Netzwerk7 befinden sich mit 6 % bzw. 4 % (2013/14 und 2017) nur wenige Personen, die sich selbst der Gruppe Bevölkerung zuordnen. Das Netzwerk wird auch im Jahr 2017 weiterhin durch Akteure aus den Bereichen Architektur/Bau (26 %), Wissenschaft (21 %) und Verwaltung (12 %) getragen (Hölscher et al. 2018: 29), was im Rückgriff auf Roters (2007: 270) problematisiert werden kann. Das IBA-Netzwerk stellt sich zu beiden Erhebungszeitpunkten professionell dar. ArchitektInnen und Verwaltungsleute bilden bei IBAs typischerweise das Netzwerk, daher ist dieses Ergebnis erwartbar. Solche »normalen Kooperationsbeziehungen und Netzwerke« entsprechen aus einer Evaluationsperspektive jedoch nicht der Zielsetzung der Heidelberger IBA und haben sich im Zeitverlauf kaum verändert. Für 2018 konstatiert die Studie ebenfalls, dass sich die Einbindung nicht-professionell mit der IBA verbundener Gruppen, insbesondere von BürgerInnen, Wirtschaft und organisierter Zivilgesellschaft, weiterhin als schwierig darstellt. Die Bevölkerung ist
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Das Netzwerk: Diese Personen haben 2017 mit Nennung ihres Namens an der Befragung teilgenommen (Hölscher et al. 2018: 13).
6. Herausforderungen wissensbasierter Stadtentwicklung
vor allem als Umfeld8 des Netzwerks und über den Verteiler9 an das stark professionalisierte Netzwerk angebunden und wird demzufolge wahrscheinlich eher informiert als beteiligt (Hölscher et al. 2018). Die IBA soll mit ihrer Arbeit die Heidelberger Stadtöffentlichkeit adressieren und einen Diskurs über Stadtentwicklung und Architektur in der Wissensgesellschaft anstoßen. Dass dieses Diskursangebot trotz der hohen lokalen Beteiligungskultur (Meier 2018) nur eine geringe Resonanz ausgelöst hat, wird von einigen GesprächspartnerInnen mit der Dominanz des historisierten Bilds Heidelberg begründet. Die bauliche Vergangenheit und deren Zeugnisse wirkten determinierend auf die heutige Einstellung zu Architektur: »Heidelberg ist einerseits wirklich das Schloss, die alte Brücke, der Landschaftsbezug, die Altstadt. Man hat hier eher keinen Zug zur Architektur als Handlungsfeld. Es gibt keine Architekturuni. Es gibt auch keinen Bedarf, Architektur zu nutzen, um sich eine Art neuer Marke zu schaffen. Heidelberg lebt, was die gebaute Umwelt angeht, aus der Vergangenheit heraus« (Reallabor Praxispartner 3). Das Interesse an Architektur als Ausdruck gesellschaftlicher Entwicklung scheint vor dem Hintergrund der im Stadtkern omnipräsenten historischen Architektur nur gering ausgeprägt. Der Anstoß eines breiten Diskurses über Architektur und Städtebau durch die IBA ist daher nur auf geringe Resonanz gestoßen. Die Netzwerkstudie dokumentiert dies über den Befund sinkender Erwartung an das Erreichen dieser Zielsetzung in allen Gruppen, insbesondere jedoch für das Umfeld, d. h. bei denjenigen, die sich weniger zentral im IBA-Netzwerk befinden (Hölscher et al. 2018: 43). Die Forschenden stellen heraus, dass sich diese Diagnose mit Einbezug der Zentralität verändert: Zentrale Akteure, d. h. meist professionell mit der IBA verbundene Akteure bewerten dieses Handlungsfeld tendenziell besser als periphere. Ebenfalls ist die Zufriedenheit bezüglich der beiden Kernziele »Anstoßen eines öffentlichen Diskurses über Baukultur und Stadtentwicklung in der Wissensgesellschaft« sowie »Anregung möglichst vieler gesellschaftlicher Akteure (z. B. aus Wirtschaft und Wissenschaft) zur Beteiligung an der IBA« zwischen 2014 und 2017 gesunken, wobei das Umfeld und der IBA-Verteiler skeptischer sind als das Netzwerk selbst (ebd.: 42ff.). 8
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Das Umfeld: Diese Personen wurden 2017 namentlich genannt (sind somit als Knoten im Netzwerk), aber sie haben 2018 entweder anonym teilgenommen, nicht geantwortet oder wurde nicht mehr befragt (Welle 5) (Hölscher et al. 2018: 13). Der Verteiler: bisher nicht im Kontakt-Netzwerk, aber über den IBA-Verteiler vernetzt (Hölscher et al. 2018: 13). Die AutorInnen merken an, dass innerhalb der verschiedenen Gruppen viel Fluktuation sowie deutliche personelle Änderungen in der Zusammensetzung existiert, was den Längsschnittvergleich methodisch erschwert. Weiterhin kann die Vorgehensweise mittels Schneeballerhebung mit dem Startpunkt ExpertInnen zur aktuell noch existierenden Unsichtbarkeit bei Bevölkerung beigetragen haben.
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Stadtentwicklung in der Wissensgesellschaft
Die Bewertung der IBA durch die Teilnehmenden der Studie ist jedoch nicht unisono kritisch. Es werden zwar weiterhin die »Zusammenarbeit von Universität und Stadt«, das »Engagement der Heidelberger Bevölkerung« und die »Zusammenarbeit gesellschaftlicher Akteure (z. B. Wirtschaft und Wissenschaft)« als drei dringende Handlungsfelder benannt, jedoch wird eine positive Entwicklung attestiert (ebd.: 51). Die AutorInnen zeigen im Längsschnitt auf, dass das IBA-Netzwerk insgesamt größer, internationaler und heterogener wird; die IBA leiste demnach einen Beitrag zur Vernetzung von Akteuren im Sinne von Kontaktentstehung als auch -verstetigung. Dies jedoch weiterhin mit Defiziten in der Einbindung der ganzen Breite der Bevölkerung (ebd.: 69ff.). Dieser Mangel spiegelt sich in den Zustimmungswerten zur Durchführung der IBA Wissen|schafft|Stadt wider: Die Zustimmung des Netzwerks ist nach der Zwischenpräsentation gestiegen und liegt bei 73 %, während Personen im Verteiler zu nur 52 % »sehr für eine IBA« votierten. Auch die Zufriedenheit mit dem IBA-Motto ist bei Teilnehmenden der Gruppe »Peripherie« am geringsten ausgeprägt, d. h. Leute, die tendenziell weniger zentral sind, sind weniger zufrieden mit dem Motto und dessen Sinnhaftigkeit (ebd.: 39f.). Dies kann in Summe als Fingerzeig auf das Resonanzpotenzial der Stadtgesellschaft gedeutet werden, das ebenfalls in den ExpertInnengespräche kritisch diskutiert wurde. Hinsichtlich des Charakters der Stadtgesellschaft wurde das janusköpfige Bild einer gleichzeitig wissensorientierten und damit veränderungsbereiten als auch konservativen und bewahrenden Stadtgesellschaft gezeichnet (Stadtverwaltung 4; Stadtverwaltung 5; Reallabor Wissenschaft 7; Reallabor Praxispartner 3; IBA 3; Expertenkreis Park-Projekt 8): »Es gibt hier eine sehr dynamische Seite, dann ist aber eine sehr konservative Seite prägend, die in Heidelberg vielleicht dadurch bedingt ist, dass man zumindest in den letzten Jahrzehnten von dem Neuen eher eine Gefahr ausgehen sieht. Also von neuer Architektur zum Beispiel oder von neuen Bauprojekten. Eine Gefahr für das, was man an Heidelberg so schätzt und liebt und auch weltweit kennt« (Stadtverwaltung 5). Diese Charakterisierung wird gleichermaßen der Stadtgesellschaft als auch teilweise selbstkritisch dem politisch-administrative System attestiert. Das experimentelle Format IBA scheint aus Perspektive einiger daher nur eingeschränkt für Heidelberg geeignet zu sein. Es ist augenfällig, dass eine auf Veränderungen angelegte »Innovationsagentur« (Selle 2017: 121) in diesem sozioräumlichen Kontext mit Herausforderungen und Vorbehalten konfrontiert ist und sich in nur geringerem Maße der Unterstützung der Stadtbevölkerung versichert sein kann. Dies resultiert zum einen aus den bereits skizzierten Beharrungstendenzen, die mit der Zielsetzung Innovation zwangsweise kollidieren, zum anderen aus dem im Weiteren dargestellten hohen Abstraktionsgrad des IBA-Mottos, das für die Stadtbevöl-
6. Herausforderungen wissensbasierter Stadtentwicklung
kerung nur schwerlich greifbar wird, und zum dritten aus der mitgeführten IBARhetorik. Das Diskussionsangebot der IBA brennt den HeidelbergInnen im täglichen Leben kaum »unter den Nägeln«, auch wenn sich aus den aktuellen gesellschaftlichen Herausforderungen wie dem Klimawandel, dem demografischen Wandel, der Digitalisierung etc. durchaus wahrnehmbare Bedarfe hinsichtlich des integrierten Zusammenwirkens von Zivilgesellschaft, Wirtschaft, Wissenschaft und Politik ergeben (Fromhold-Eisebith 2009; MWK 2013). Diese Zusammenhänge hat die IBA jedoch gerade zu Beginn wie es scheint nicht umfassend vermitteln können. Das Thema Wissen und die IBA selbst konnte in den öffentlichen Diskursen kaum platziert werden. Lautstark diskutierte Themen wie fehlender Wohnraum werden zwar ebenfalls durch die IBA bearbeitet (z. B. über die Entwicklung des PHV oder die höhere Aufmerksamkeit für neue Wohnformen wie das CA), haben aber aktuell noch keine größere Strahlkraft für die IBA entwickeln können. Auch der öffentliche Raum, an welchem beispielhaft der Zusammenhang von Wissensgesellschaft und Stadtentwicklung aufgezeigt werden soll (Stadt Heidelberg 2012b), wird zwar im Projekt »der Andere Park« bearbeitet, die IBA-Perspektive bleibt stellenweise jedoch zu abstrakt. Bedeutsamer für die Wahrnehmung der IBA und ihrer Fragestellungen wäre es daher, diese Thematik an Orten wie dem Campus Neuenheimer Feld oder Campus Bergheim zu bearbeiten. Bei der räumlichen Weiterentwicklung und Qualifizierung dieser beiden Hochschulanlagen bleibt die IBA jedoch recht unsichtbar. Das universitäre Bauen, das prägend für die Heidelberger Stadtentwicklung ist, leistet daher nur einen geringen Beitrag, das Resonanzpotenzial der Stadtgesellschaft für den Problem- bzw. Chancendiskurs der IBA zu erhöhen. Ferner erfolgt die Aktivierung der Bevölkerung in einer spezifischen Rhetorik. Zwar bestimmt die gesellschaftliche Transformation qua Wissen programmatisch die Arbeit der IBA und sie thematisiert in ihren Projekten Suffizienz, neue Formen der Mobilität, alternative Wohnformen, nachhaltige Stoffkreisläufe und technologiebasierten Klima- und Umweltschutz, diese jedoch meisten in einer Erfolgsrhetorik. Eine Auseinandersetzung mit dem Einfluss gesellschaftlicher Strukturen und den Herausforderungen systemimmanenten Wandels, d. h. eine Nutzung von Wissen als »umstürzlerischer« Kraft, entsteht nicht. So waren im Kontext der IBAVeranstaltungen kaum Diskussionen über die Vereinbarkeit von Wachstum und Nachhaltigkeit oder alternativer Gesellschaftsmodelle wahrzunehmen (Reallabor Praxispartner 3). Hier zeigt sich ebenfalls eine Gemeinsamkeit mit den Erkenntnissen aus der theoretischen Aufarbeitung, dort fehlt ebenfalls eine solche gesellschaftskritische Perspektive (Yigitcanlar und Lönnqvist 2013). Die IBA übernimmt nicht die Rolle, Wissen für eine kritischere Perspektive auf Stadtentwicklung zu aktivieren, sie verbleibt in dem vorab formulierten und politisch gewollten Potenzial-Diskurs. Wissen wird insofern als Ressource analog zum Paradigma der Wissensgesellschaft verstanden. So wird die IBA-Zielsetzung einer nachhaltigen
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Stadtentwicklung in der Wissensgesellschaft
Stadtentwicklung meist mit den Themen Wachstum, Exzellenz oder Wettbewerb verknüpft. Verzicht oder Bescheidenheit werden demgegenüber kaum adressiert. Ein solcher Diskurs wird gerade in einer Universitätsstadt mit ihren studentischen Milieus und grünen und linken Werten kaum jeden mitnehmen. Das vorliegende Kapitel hat am Beispiel dreier Akteursgruppierungen herausgearbeitet, dass der Resonanzfähigkeit eine grundlegende Bedeutung für die Identifikation von Anknüpfungspunkten mit dem Experiment IBA zukommt. Die Resonanzfähigkeit der Akteursgruppen, die hier aufeinanderfolgend dargestellt wurden, beeinflusst sich wechselseitig und haben damit Einfluss auf die Resonanz der IBA in Gänze und infolge auf ihre Handlungsfähigkeit. Der Mangel in einem der Teilbereiche wirkt sich negativ auf die Handlungsmöglichkeiten in anderen Bereichen aus. Die IBA konnte daher nur eingeschränkt die von ihr erwartete Rolle als Impulsgeberin gemeinsamer Strategien sowie Wegbereiterin kollektiven Handelns einnehmen.
6.2
Ressourceneinsatz als Übergang von Konzept zu gelebter Praxis
Das folgende empirische Ergebniskapitel widmet sich analytisch den Ressourcen einer wissensbasierten Stadtentwicklung in Heidelberg. Über diese Ressourcenperspektive ist ein ganzheitlicheres Bild der wissensbasierten Stadtentwicklung zu erzeugen, da für die Umsetzung von Strategien Ressourcen eine zentrale Rolle zukommen. Der analytische Blick auf Ressourcen ist demgemäß ein geeignetes Instrument, den verbalisierten Transformationswillens gerade öffentlicher Akteure, die über wichtige instrumentelle und materielle Ressourcen verfügen, einschätzen zu können. Eine vertiefte Analyse von Ressourcen unterbleibt jedoch in vielen Veröffentlichungen zur KBUD (Matthiesen und Bürkner 2004; Yigitcanlar et al. 2008; Moritz 2016; Hilkmann 2017). Zwar werden durchaus Aspekte wie der zeitliche Aufwand für die Koordination der Akteure als auch der Bedarf an Geldmitteln für die Umsetzung von Maßnahmen benannt, jedoch werden die empirischen Fallbeispiele nur selten einer detaillierteren Analyse hinsichtlich der tatsächlich bereitgestellten Ressourcen unterzogen. Dies kann mit den eingenommenen Forschungsperspektiven begründet werden, bei welchen meist das Konzept und dessen Umsetzung in Gänze im Vordergrund stehen und nur selten einzelne Akteure und deren Ressourcen. Das vorliegende Forschungsprojekt hat hier einen anderen Weg gewählt und mit den Akteuren IBA und Reallabor analytisch auf zwei Instrumente einer wissensbasierten Stadtentwicklung fokussiert, sodass ein Blick auf deren jeweilige Ressourcen möglich ist und als erkenntnisreich erachtet wird. Die Abschnitte 6.2.1 und 6.2.2 befassen sich mit den Ressourcen der ersten intrakommunalen IBA Deutschlands, während Abschnitt 6.2.3 die Ressourcenausstattung von Reallaborprojekten thematisiert.
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Stadtentwicklung in der Wissensgesellschaft
Stadtentwicklung meist mit den Themen Wachstum, Exzellenz oder Wettbewerb verknüpft. Verzicht oder Bescheidenheit werden demgegenüber kaum adressiert. Ein solcher Diskurs wird gerade in einer Universitätsstadt mit ihren studentischen Milieus und grünen und linken Werten kaum jeden mitnehmen. Das vorliegende Kapitel hat am Beispiel dreier Akteursgruppierungen herausgearbeitet, dass der Resonanzfähigkeit eine grundlegende Bedeutung für die Identifikation von Anknüpfungspunkten mit dem Experiment IBA zukommt. Die Resonanzfähigkeit der Akteursgruppen, die hier aufeinanderfolgend dargestellt wurden, beeinflusst sich wechselseitig und haben damit Einfluss auf die Resonanz der IBA in Gänze und infolge auf ihre Handlungsfähigkeit. Der Mangel in einem der Teilbereiche wirkt sich negativ auf die Handlungsmöglichkeiten in anderen Bereichen aus. Die IBA konnte daher nur eingeschränkt die von ihr erwartete Rolle als Impulsgeberin gemeinsamer Strategien sowie Wegbereiterin kollektiven Handelns einnehmen.
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Ressourceneinsatz als Übergang von Konzept zu gelebter Praxis
Das folgende empirische Ergebniskapitel widmet sich analytisch den Ressourcen einer wissensbasierten Stadtentwicklung in Heidelberg. Über diese Ressourcenperspektive ist ein ganzheitlicheres Bild der wissensbasierten Stadtentwicklung zu erzeugen, da für die Umsetzung von Strategien Ressourcen eine zentrale Rolle zukommen. Der analytische Blick auf Ressourcen ist demgemäß ein geeignetes Instrument, den verbalisierten Transformationswillens gerade öffentlicher Akteure, die über wichtige instrumentelle und materielle Ressourcen verfügen, einschätzen zu können. Eine vertiefte Analyse von Ressourcen unterbleibt jedoch in vielen Veröffentlichungen zur KBUD (Matthiesen und Bürkner 2004; Yigitcanlar et al. 2008; Moritz 2016; Hilkmann 2017). Zwar werden durchaus Aspekte wie der zeitliche Aufwand für die Koordination der Akteure als auch der Bedarf an Geldmitteln für die Umsetzung von Maßnahmen benannt, jedoch werden die empirischen Fallbeispiele nur selten einer detaillierteren Analyse hinsichtlich der tatsächlich bereitgestellten Ressourcen unterzogen. Dies kann mit den eingenommenen Forschungsperspektiven begründet werden, bei welchen meist das Konzept und dessen Umsetzung in Gänze im Vordergrund stehen und nur selten einzelne Akteure und deren Ressourcen. Das vorliegende Forschungsprojekt hat hier einen anderen Weg gewählt und mit den Akteuren IBA und Reallabor analytisch auf zwei Instrumente einer wissensbasierten Stadtentwicklung fokussiert, sodass ein Blick auf deren jeweilige Ressourcen möglich ist und als erkenntnisreich erachtet wird. Die Abschnitte 6.2.1 und 6.2.2 befassen sich mit den Ressourcen der ersten intrakommunalen IBA Deutschlands, während Abschnitt 6.2.3 die Ressourcenausstattung von Reallaborprojekten thematisiert.
6. Herausforderungen wissensbasierter Stadtentwicklung
6.2.1
IBA GmbH: »Frischer Wind«10 und »kleine Segel«?
Die Ressourcen der IBA Heidelberg liegen, wie in Abschnitt 5.1.1 ausführlich dargestellt, in ihrer Dialogfähigkeit, ihrer fachlichen und methodischen Expertise sowie ihrem Netzwerk, das sie für die Qualifizierung ihrer Projekte mobilisieren kann. Diese Ressourcen stehen jedoch in einem Ungleichgewicht zu den an sie gerichteten Ansprüchen. Als eine Konsequenz dessen ist die IBA seit ihrem Start im Jahr 2012 mit Vorbehalten und Fragezeichen hinsichtlich ihres Gelingens konfrontiert. Sie verfügt als intermediärer Akteur nicht über das Planungsinstrumentarium einer Kommune, als IBA neuen Typs ferner nicht über eine umfangreiche Grundund Projektfinanzierung. Mit der fehlenden Resonanzfähigkeit wurde in Kapitel 6.1 bereits eine weitere teilweise fehlende Ressource der IBA dargestellt. Die Stadt Heidelberg hat diesen Mangel jedoch nur in Ansätzen ausgeglichen. Dies hat dazu geführt, dass sich partiell ein fehlendes Vertrauen in die Gestaltungskraft und Handlungsmacht der IBA manifestiert hat (Selle 2017). Im Folgenden werden am Beispiel definierter Zuständigkeiten, ökonomischer und autoritativer Ressourcen sowie von Schutzräumen und Interdisziplinarität einige Ressourcen einer Bauausstellung erläutert, deren Vorhandensein für das Fallbeispiel Heidelberg analysiert und hinsichtlich ihrer Wirkung eingeordnet. Eine der bedeutendsten Ressourcen einer jeden Bauausstellung liegt in ihrer Zuständigkeit für a) eine inhaltlich-fachliche Gestaltungsaufgabe und/ oder b) für ein abgegrenztes räumliches Gebiet. Erstere existierte zwar mit dem IBABeschluss, konnte aber nicht unmittelbar durch die IBA GmbH wahrgenommen werden. In hohem Maße mangelte es in den ersten IBA-Jahren an Zweiterem. Die IBA bearbeitet mit ihrem Motto zwar eine inhaltlich-fachliche Aufgabestellung, diese wurde in der Öffentlichkeit jedoch als zu abstrakt und akademisch wahrgenommen und hinsichtlich ihrer Notwendigkeit kritisch bewertet (Vgl. Abschnitt 6.1.3). Die von der IBA formulierten Problemstellungen waren mit Ausnahme der Konflikte mit der Universität kaum greifbar, eine zügige »Erdung« des Mottos, z. B. über die schnelle Realisierung von Modellprojekten, war in den ersten Jahren kaum wahrnehmbar.11 Auch im Innenverhältnis mit der Kommune generierte der IBA-Auftrag zu Beginn kaum Resonanz (Vgl. Abschnitt 6.1.3). Die IBA war und ist
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Das Zitat entstammt einer PassantInnenbefragung im Rahmen des Stadtteilfests Südstadt aus dem Jahr 2017, die gemeinsam mit Studierenden durchgeführt wurde. Die zitierte Person verknüpfte mit dem Experiment IBA einen – als notwendig erachteten – »frischen Wind in der Heidelberger Stadtentwicklung«. Die hier präsentierte Kritik ist verständlich, aber in der Sache unzutreffend. Die Entwicklung eines Modellprojekts benötigt Zeit, Ergebnisse sind nicht unmittelbar zu generieren. Wie an dieser Kritik zu erkennen ist, war die IBA gerade zu ihrer Anfangszeit mit überhöhten Ansprüchen konfrontiert.
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Stadtentwicklung in der Wissensgesellschaft
fakultativ. Sie ist nicht selbst Bauherrin, sondern qualifiziert Projekte anderer. Sie ist daher stetig auf das Aktivwerden und Interesse Dritter angewiesen. Die IBA hat längere Zeit an dem aus externer Wahrnehmung diffusen Auftrag und ihrer aufgrund des Mangels an initialen kommunalen Vorzeigeprojekten – unverbindlichen Rolle gekrankt. Diese Konstruktionsschwäche ermöglichte es der Stadt zum einen, an der IBA Wissen|schafft|Stadt vorbei Stadtentwicklung in der »knowledge pearl Heidelberg« zu betreiben und zum zweiten gestattet es eine Rückkehr des »pragmatischen Handelns« (Baus 2020) in späteren Planungs- und Umsetzungsphasen von IBA-Vorhaben. In diesen Phasen werden innovative Planungen, die über ambitionierte und aufwendige Prozesse erzeugt wurden, zunehmend herausgefordert – dies zumindest solange es an einer Verbindlichkeit für die erarbeiteten Konzepte der IBA mangelt (ebd.). Die IBA verfügt über kaum Instrumente solchen pragmatischen Anpassungen umfassend gegensteuern zu können. Sie kann nur potenzielle Reputationsverluste antizipieren und an das Selbstverständnis der Stadt appellieren.12 Jedoch schien es trotz dieser Appelle stellenweise an denen für das Selbstverständnis einer IBA-Stadt entscheidenden Eigenschaften »Mut und Neugier« (Gutzmer 2014 o. S.) gemangelt zu haben. Selle (2017: 116) zitiert aus seiner empirischen Feldforschung einen Interviewten, der konstatiert, dass: »die Stadt selber nicht genau weiß, was sie mit ihrer IBA will«. Eine für diese Arbeit interviewte Person bestätigt daran anschließend die Wahrnehmung einer sehr zurückhaltend mit ihrer IBA agierenden Stadt. Sie verweist dabei auf das PHV, das der IBA erst nach mehrjährigem Klinkenputzen »endlich« anvertraut wurde (Arbeitskreis Park-Projekt 5). Dies bestätigt, dass die IBA sich ihre Rolle und Zuständigkeit in den ersten IBA-Jahren auch für die Stadtöffentlichkeit deutlich wahrnehmbar, erst erstreiten musste. Eine aktive Auseinandersetzung mit dem Motto Wissen|schafft|Stadt sei den Stadtverantwortlichen zu Beginn des IBAProzesses nur eingeschränkt zu bescheinigen, die Auseinandersetzung endete, so die Kritik, mit dem Beschluss zur Durchführung. Der Hinweis der interviewten Person auf das Vorhaben PHV verweist auf den zweiten relevanten Aspekt der räumlichen Zuständigkeit: Dies ist – mit Ausnahme des PHV – für die Heidelberger IBA eine Seltenheit, häufiger ist deren Zuständigkeit auf ein Einzelvorhaben beschränkt. Über das geeignete IBA-Demonstrationsgebiet wurde in der Vorphase ausführlich diskutiert. Final hat man sich gegen bereits wissenschaftsgeprägte Stadtteile wie das Neuenheimer Feld, die Altstadt oder Bahnstadt mit dem Ziel entschieden,
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Die Frage des Umgangs mit der systemimmanenten Unverbindlichkeit stellt sich insbesondere nach Beendigung der IBA. Der Transfer der IBA-Ansprüche in das Verwaltungshandeln »ohne Ausnahmezustand« ist eine offene Flanke und wird sich gerade bei den nicht abgeschlossenen IBA-Großprojekten deutlich stellen (Baus 2020).
6. Herausforderungen wissensbasierter Stadtentwicklung
den gesamtgesellschaftlichen Aspekten von Wissen mehr Raum zu geben. Dementsprechend wurde die »Stadt als Ganzes« zum IBA-Demonstrationsgebiet erklärt (Stadt Heidelberg 2012b: 23). Theoretisch eröffneten sich durch diese Entscheidung umfangreiche Handlungsmöglichkeiten, die zu beobachtende praktische Konsequenz war jedoch, dass die IBA sich ihre Aufgaben sowohl in inhaltlichen als auch räumlichen Dimensionen die ersten Jahre stetig suchen musste: Die IBA war ein Weg unter mehreren, ihre Führungsrolle für anstehende Stadtentwicklungsvorhaben wurde regelmäßig negativ beschieden. In der Rückschau verkehrt sich demgemäß die räumliche Freiheit in eine Handlungsunfähigkeit. Der IBA hat es, verkürzt ausgedrückt, dadurch, dass die ganze Stadt Demonstrationsraum ist, an einem wirklichen Demonstrationsraum gemangelt.13 Weder mit der Kommune noch den lokalen Wissenschaftsinstitutionen konnten in der ersten Phase aufsehenerregende IBA-Kandidaten generiert werden. Gerade diese monatelangen und teilweise erfolglosen Suchprozesse in der Frühphase wurden der IBA zum Nachteil gereicht: »Die IBA hat keinen physischen und intermediären Ort. Sie funkt daher überall ein bisschen rein und macht sich unbeliebt« (Selle 2017: 116). Falls ihr in dieser ersten Zeit öffentliche Aufmerksamkeit zukam, waren dies meist krisenhafte Kontexte wie die Absage einer Grundförderung durch das Land Baden-Württemberg, Rücktritte aus dem Kuratorium, der Mangel an herausragenden Projekten und damit zusammenhängend die Diskussionen um einen IBA-Abbruch (Riemer 2017). Mit dem gemeinderätlichen Auftrag der Phase 0 für das PHV setzte ein Wandel ein (Vgl. Abschnitt 5.2.1). Der IBA wurde mit diesem Vorhaben die Zuständigkeit für ein räumliches Teilgebiet übertragen, hier kann sie ihre Stärken als Instrument der Stadtentwicklung entfalten und agiert aus einer neuen Position heraus. Für die Bearbeitung dieser Aufgabenstellung stehen ihr die beiden Ressourcen nun zur Verfügung: eine räumliche und inhaltliche Zuständigkeit sowie Handlungsfreiheiten hinsichtlich neuer Prozesse und eine geteilte Problemwahrnehmung welche es vermag, Resonanz zu erzeugen.14 Aus dieser Position heraus kann die IBA, 13
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Alternativ zu der gewählten kommunalen Bezugsebenen wäre bspw. ein nach funktionalen Kriterien abgegrenzter IBA-Zuschnitt auf regionaler Ebene gewesen. Dieser hätte für einen von kommunaler Dauerbeobachtung sowie Legitimationszwängen entlasteten Handlungsund Experimentierraum gesorgt, wie dieser mit der regionalen IBA Emscher Park erreicht wurde (Roters 2007). Ein regionaler Zuschnitt scheitert jedoch mitunter am »Kirchturmdenken«, welches regelmäßig den Kommunen konstatiert wird, die eine Strategie der wissensbasierten Stadtentwicklung verfolgen (Lisowski et al. 2011; Hilkmann 2017). Auch für Heidelberg kann dies angenommen werden – als Sitzort der ältesten Universität Deutschlands sieht man sich als »Wissenschaftsstadt Nummer 1« (Stadtverwaltung 5) und hat sich daher vermutlich kaum an die NachbarInnen in der Region wenden wollen. Dies kann sich im weiteren Prozess wiederum auch verändern. Das Augenmerk ist diesbezüglich auf die Frage des Flächeneigentums zu richten. Die Handlungsmöglichkeit der Kommune und damit in Folge auch der IBA sind im Falle des eigenen Flächeneigentums höher.
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Stadtentwicklung in der Wissensgesellschaft
nunmehr mit einigen Freiheiten ausgestattet, Impulse setzen und das Thema Wissen|schafft|Stadt erstmals auf größerem Maßstab bearbeiten. Die Ausgangslage der IBA ist nun, vier Jahre nach deren Beginn, für das Vorhaben PHV eine wesentlich aussichtsreichere: Die IBA ist frühzeitig in einer steuernden Position und muss nicht in teilweise festgefahrene Prozesse einsteigen (wie beim Projekt B³); sie verantwortet eine integriertes Stadtentwicklungsvorhaben und nicht nur einen thematischen-sektoralen Bereich, der durch die IBA (aus Perspektive einiger Personen nachträglich und damit in hoffnungsloser Position qualifiziert werden soll wie beim Projekt »der Andere Park«). Dass die IBA für ihr einziges Großprojekt nicht nur Zustimmung erhält, zeigt sich an den Diskussionen im Gemeinderat zum dynamischen Masterplan. Der Masterplan, der eine Flächenerweiterung um 18 ha vorsieht, wurde mit zwölf Gegenstimmen und drei Enthaltungen zwar mehrheitlich beschlossen, jedoch wurde ebenfalls die unmittelbare Nutzung der Erweiterungsflächen untersagt. Gegenwind hatte insbesondere diese planerische Integration landwirtschaftlich genutzter Flächen erfahren – das Erreichen einer notwendigen Nutzungsdichte für einen funktionierenden Stadtteil steht hier im Konflikt mit dem Schutz von landwirtschaftlich genutzten Freiflächen. Analog zum Bereich Hühnerstein dürfen die Erweiterungsflächen erst bebaut werden, wenn andere Flächenpotenziale ausgeschöpft sind (Stadt Heidelberg 2019d). Hier zeichnet sich vielleicht schon das ab, was IBA-Großprojekten regelmäßig droht: Der ZehnJahres-Rahmen einer IBA genügt für die planerische und bauliche Realisierung des Großprojekts nicht, mit dem Ende der IBA findet der »Ausnahmezustand« sein Ende und für durch die IBA entwickelten Ideen und Konzepte fehlt u. U. der »Mut zum Risiko« oder die Neigung »Dinge auch mal anders zu machen« (Baus 2020: o. S.). Eine angemessene Finanzierung stellt eine weitere entscheidende Ressource dar. Die IBA Heidelberg wurde bereits als postheroische IBA charakterisiert (Vgl. Abschnitt 4.2.2), als solche verfügt sie nur über eine geringe Grundausstattung15 und erhält keine Mittelzuweisung zur Finanzierung der Projekte durch die Kommune, welche den Anziehungsgrad hinsichtlich potenzieller KooperationspartnerInnen erhöhen könnten. Das Land Baden-Württemberg geht seinerseits für die
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Die Kommune hatte in der Vergangenheit den Ankauf der gesamten PHV-Fläche beabsichtigt, nun wird in Teilbereichen eine Eigenentwicklung von bundeseigenen Werkswohnungen durch die BImA diskutiert. Die reduziert auf der einen Seite die finanziellen Lasten der Kommune, führt auf der anderen jedoch dazu, dass das Steuerungsinstrument Eigentum nicht auf der Gesamtfläche angewendet werden kann. Die BImA hat sich laut Protokoll der Gemeinderatssitzung zu den Planungen der IBA bekannt (Stadt Heidelberg 2019h), nichtsdestotrotz erhöht ein verteiltes Flächeneigentum den Koordinationsbedarf und die Gefahr von Alleingängen. Für 2019/2020 wurde ein jährliches Leistungsentgelt in Höhe von 570.000 € bzw. 850.000 € beschlossen (Stadt Heidelberg 2018f: 733). Für 2019/2020 wurde ein jährliches Leistungsentgelt in Höhe von 570.000 € bzw. 850.000 € beschlossen (Stadt Heidelberg 2018f: 733).
6. Herausforderungen wissensbasierter Stadtentwicklung
Heidelberger IBA ebenfalls keine dauerhaften finanziellen Verpflichtungen ein. Im Gegensatz zur Stuttgarter IBA, die eine einmalige Zuwendung von 2,5 Mio. EUR erhält (MWAW 2018) erfolgt eine finanzielle Zuwendung für Heidelberg ausschließlich durch in Konkurrenzverfahren vergebene Fördermittel. Bisher wurde Heidelberg allerdings nur für die vorbereitenden Untersuchungen zum PHV gefördert (MWAW 2019), dieses Arbeitspaket liegt jedoch außerhalb der Zuständigkeit der IBA und entspricht daher keiner konzeptionellen IBA-Projektförderung. Die IBA muss ergo alle erforderlichen Finanzmittel für ihre Kandidaten und Projekte oder aber Projekte mit hoher Finanzierungssicherheit einwerben. Anhand der fehlenden finanziellen Unterstützung der IBA offenbart sich ein Widerspruch: Lokale Wissenschaftsinstitutionen werden von politischer Seite häufig finanziell gefördert, so gelten diese doch als wirtschaftliche Zugpferde (Kunzmann 2017). Eine IBA, die diese Wissenschaftsentwicklung im Kontext von Stadtentwicklung Wissen|schafft|Stadt thematisiert und damit eine Erweiterung der klassischen ökonomischen und von Trickle-down-Effekten geprägten Perspektive vornimmt, trifft auf weit weniger Interesse und Unterstützung. An dieser Stelle soll der Faden der wechselvollen Resonanz nochmals aufgenommen werden. Resonanz stellt ebenfalls eine potenzielle Ressource dar, an welcher es der IBA jedoch teilweise mangelt. Als ursächlich wird angenommen, dass die durch die IBA formulierte Problemdefinition nicht umfassend mitgetragen wurde (Vgl. Kapitel 6.1). Auch aufgrund dessen wurde eine aus organisatorischer sowie instrumenteller Perspektive »kleine« IBA geschaffen, für welche nicht nur auf Projektmittel, sondern bspw. ebenfalls auf die Bereitstellung von personellen IBA-Ressourcen innerhalb der planenden Ämter verzichtet wurde. Dies ist vor dem Hintergrund, dass die kommunale Verwaltung ohnehin geringe personelle Ressourcen hat und bereits die Konversion als Zusatzaufgabe nicht vollumfänglich mit einem Aufbau an Personalstellen verbunden war (Stadtverwaltung Park-Projekt 7), für das Erreichen der ambitionierten IBA-Zielsetzung kaum dienlich. Die Mehrarbeit, die zwangsläufig durch eine IBA entsteht, ist nicht ohne Weiteres zu leisten (IBA 2; IBA 1; Stadtverwaltung Park-Projekt 7; Stadtverwaltung Park-Projekt 3), da mit dem Beginn der IBA bspw. kein designiertes IBA-Zeitbudget für die städtischen MitarbeiterInnen geschaffen wurde. Die zusätzlich benötigten zeitlichen Ressourcen mussten in Folge durch die jeweiligen Amtsleitungen freigegeben werden. Das setzt deren Akzeptanz der IBA voraus. In Folge dieser initialen Entscheidung war die IBA im Alltag der planenden Ämter gerade zu Beginn ein Tagesordnungspunkt unter vielen – nur wenige Ressourcen konnten zusätzlich mobilisiert werden, um das Projekt IBA engagiert durchzuführen. Die Stadt hat sich organisatorisch somit nur eingeschränkt auf ihre IBA vorbereitet. Dies mutmaßlich vor dem Hintergrund kommunaler Haushaltsbeschränkungen sowie der Erwartung, dass andere Akteure umfassend an der Durchführung sowie Finanzierung partizipieren. Erst mit der agilen Arbeitsgruppe für das PHV (Vgl. Abschnitt 5.3.1) wurde die Organi-
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Stadtentwicklung in der Wissensgesellschaft
sationsstruktur temporär-projektbezogen aufgebrochen und der IBA zusätzliche kommunale Personalmittel in Form eines Arbeitstags pro Woche für alle Mitglieder des agilen Teams zur Verfügung gestellt (Stadtverwaltung 3). Das zu Beginn fehlende Zeitbudget und damit verbunden auch das zögerliche praktische Bekenntnis der Verwaltungsspitze zur IBA kann bei den Mitarbeitenden der Verwaltung zur geringeren Akzeptanz der IBA beigetragen haben. So mangelte es in dem hierarchischen System der Verwaltung teilweise an einer eindeutigen Direktive zu Gunsten der IBA (IBA 2). Eine weitere Ressource, die der IBA in ihrer frühen Phase fehlte, ist autoritative Handlungsmacht, die sich u. a. aus der Unterstützung des politisch-administrativen Systems speist. Die im Vorprozess vorgesehene Ausrichtung der IBA auf die Gestaltung des Verhältnisses von Wissenschaftseinrichtungen und Stadt sowie die Weiterentwicklung von Wissenschaftsbauten wurde für ihre Bearbeitung nur unzureichend mit den dafür nötigen autoritativen Ressourcen ausgestattet. Das Thema der mäandrierenden Zuständigkeiten für institutionalisierte Wissenschaften wurde bereits angeführt – die Stadt wollte oder konnte ihre IBA in dieser Gemengelage nicht umfassend platzieren. Die IBA selbst entfaltete nur eine geringe Ausstrahlungskraft auf die Akteure der lokalen Wissenschaftslandschaft; vonseiten der Stadt schien eine diesbezügliche Annährung ebenfalls nicht mehr forciert zu werden. Im Falle des Masterplanverfahrens zum Neuenheimer Feld/ Neckarbogen, in welchem der Stadt Gestaltungsmacht zukommt, hat die IBA keine führende Rolle. Sie stellt einen der zehn FachberaterInnen, jedoch fehlt das offizielle Mandat, aktiv als IBA zu agieren und auf Prozesse einzuwirken. Wie bereits dargestellt, wurden in den ersten IBA-Jahren kaum Wissenschafts-Projekte angebahnt, die als Brückenschlag zwischen der Stadtgesellschaft und der lokalen Wissenschaftslandschaft hätten fungieren können. Erst mit dem Wechsel des Baudezernenten hat sich die Position der IBA verbessern können (Vgl. Abschnitt 5.2.1). Die IBA wird verstärkt in Vorprozesse bspw. zu Wissenschafts- und Forschungsbauten integriert, die Etablierung gemeinsamer Projekte wird von städtischer Seite aktiver unterstützt (IBA 3). Aktuell wird jedoch noch kein dementsprechendes Projekt auf der Website präsentiert.16 Es ist jedoch zu erkennen, dass die IBA im Zeitverlauf autoritative Ressourcen des hierarchisch organisierten Verwaltungssystems mobilisieren konnte und ihr daraus Möglichkeitsräume für die Etablierung von Institutionen einer integrierten Standentwicklung entstanden sind: »Bei der Willy-Hellpach-Schule (…) gibt es ja jetzt auch eine Runde, die wir mit einberufen mit den ganzen Ämtern, um da auch wieder integrierte Stadtentwicklung 16
Die letzte Statusmeldung zu einem Projekt aus dem Bereich Wissenschaften findet sich zum Innovationscampus Heidelberg 4 Life und ist aus dem September 2018. Der Gemeinderat hat den Siegerent- wurf der städtebaulichen Entwurfsstudie beschlossen, die IBA war als Gast in der Jurysitzung anwesend (Stadt Heidelberg 2018e).
6. Herausforderungen wissensbasierter Stadtentwicklung
zu machen. Mit der Stadtplanung, Landschaftsamt, Schulamt da etwas aufzugleisen. Es ist schon so, dass wir jetzt als IBA dieses Arbeiten in Projektgruppen bei der Stadt nochmal sehr viel weitergetrieben haben. Das liegt jetzt auch wiederum am Baubürgermeister, dass der dafür auch offen ist. Und das wird jetzt an vielen Stellen so werden« (IBA 3). Den im Zeitverlauf entstandenen Möglichkeitsraum scheint die IBA insofern aktiv genutzt zu haben. Die lokale Presse berichtet über die Einsetzung eines Bauausschusses aus Eltern, Lehrenden sowie weiteren InteressenvertreterInnen, der Etablierung des Konzepts der Lernlandschaften und einer geplanten Öffnung des Schulcampus zum Stadtteil – allesamt Bausteine einer Wissen|schafft|StadtEntwicklungsvision, die von der IBA seit 2012 artikuliert werden (Edinger 2019).17 An die Ressource der autoritativen Handlungsmacht anknüpfend konnte sich die IBA erst im Laufe der Zeit stärkere Instrumente zur Bindung von KooperationspartnerInnen erschließen. Diese Steuerungsmöglichkeiten wurden über schriftliche Zielvereinbarungen institutionalisiert. Die Zielvereinbarungen formulieren Regelungen, die einerseits eine organisatorische Bindungswirkung der ProjektpartnerInnen entfalten und diese auf eine enge Kooperation verpflichten und anderseits den konzeptionellen Beitrag des Projekts für die IBA-Leitvision festschreiben und so den IBA-Gedanken über die Planungs- und Realisierungsphasen hinweg verbindlich festschreiben sollen. Dieses Instrument erscheint auch im Verhältnis zwischen IBA und Stadt als durchaus notwendig, so wurde bspw. ein vernetzeres Arbeiten der Verwaltung trotz Beschluss und Durchführung einer IBA mit dem proklamierten Anspruch der integrierten Stadtentwicklung nicht von Anfang an angelegt. Das politisch-administrative System hat sich mit Zeitverzug auf die experimentellen Prozesse der IBA eingelassen, die Rolle der IBA als steuernde Instanz wurde zögerlich anerkannt: »Die Verwaltung ist ja auch erstmal ein hierarchisches System und das war ja auch bei unserem ersten Anlauf vor drei, vier Jahren so. Da hat die Stadtspitze ja auch gesagt: ›Wieso, wir sind doch auch Stadt, wir brauchen doch keine Vereinbarung zwischen Stadt und städtischer GmbH.‹ Aber da haben wir jetzt mit dem neuen Baubürgermeister einen Fürsprecher gefunden. Ein Papier hilft dann schon, auch in den Hierarchien die Verlässlichkeit herzustellen. Seitdem er da ist [der EBM, Anm. KF] gibt es einen Projekt-Jour Fixe dreimal im Jahr mit allen Querschnittsämtern. Und da gehört es einfach dazu, dass auch eine gewisse Verbindlichkeit reinkommt, dass man auch dem Sachbearbeiter sagen muss: ›Hier du hast eine Pflicht aber auch eine Rechtfertigung, ein paar Stunden in der Woche auch etwas in diese IBA-Fragestellungen hereinzustecken‹. Das ist ja immer die Frage, die sind 17
Das Vorhaben Schulcampus Mitte ist mit Stand Anfang 2020 auch als Kandidat der IBA Heidelberg gelistet.
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Stadtentwicklung in der Wissensgesellschaft
ja alle immer heillos überlastet und brauchen dann eben eine Begründung, warum sie bestimmte Ressourcen für diese Soft Skills einsetzen« (IBA 3). Während die Zielvereinbarung in der ersten Phase einen Beitrag zur Handlungsfähigkeit der IBA leisten konnte und danach in ihrer Bedeutung in den Hintergrund trat, kann die Realisierungs- und Betriebsphase eine potenzielle neuerliche Zäsur darstellen (IBA 3; IBA 1). Zur Durchsetzung und Verstetigung von IBA-Intentionen in der Realisierungsphase und dem späteren Betrieb könnte die Zielvereinbarung wieder zu einer wichtigen Ressource der IBA werden (z. B. Vereinbarungen zur Vergabe von Grundstücken, der Auswahl von Nutzungen oder für die Durchführung eines Monitorings). Diesbezüglich hatte die IBA zum Zeitpunkt der Feldforschung jedoch noch keine Erfahrungswerte generieren können, die Bindung der Kommune an die IBA-Konzepte wird jedoch zum Abschluss der IBA ein wesentliches Thema sein. Mit Blick auf vergangene IBAs offenbart sich eine weitere wichtige Ressource, die der IBA Heidelberg ebenfalls nur eingeschränkt zugestanden wurde: ein Schutzraum außerhalb der Aufmerksamkeit von lokaler Politik, Verwaltung sowie Stadtöffentlichkeit. Ein Plädoyer für den Ausschluss von Öffentlichkeit sollte daraus nicht abgeleitet werden. IBAs benötigen und profitieren von öffentlicher Aufmerksamkeit, gleichwohl sind sie einen öffentlichen Diskurs schuldig, da sie durch ihr Wirken Einfluss auf gesellschaftliche Systeme nehmen (möchten) und nicht zuletzt mit öffentlichen Mittel finanziert werden (Selle 2017). Öffentlichkeit ist demgemäß eine wichtige Ressource von IBAs. Allerdings hat sich im Fallbeispiel ein Missverhältnis zwischen den Erwartungen der Stadtöffentlichkeit sowie der Auftraggeberin an die Sichtbarkeit der IBA einerseits und dem arbeitsbedingten Anspruch einer IBA an geschützte Experimentierräume anderseits gezeigt. Die ersten Interviews im Jahr 2016 offenbarten die manifesten Erwartungen, dass die IBA schnell Einzug in das öffentliche »Grundrauschen« (Stadtverwaltung 5) halten und durch erste Baustellen im Stadtraum sichtbar werden solle (Stadtverwaltung 4). Diese Hoffnungen haben sich nicht erfüllt, der Druck auf die IBA ist infolge stetig gestiegen. Selle (2017: 121) formuliert anschließend an diese Erwartungen Grundprobleme des Verhältnisses von IBA und Öffentlichkeit18 , die sich ebenfalls in Heidelberg manifestiert haben. Er bilanziert, dass die Forderungen nach einer
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Selle (2017) strukturiert dieses Verhältnis entlang der Charakteristika einer IBA: In der Vorbereitungsphase der IBA-Projekte dominiert der Aufbau von Partnerschaften und die Qualifizierung von Ideen. In dieser experimentellen Phase misslinge einiges, von vielem bleibe nur wenig. Das zweite Grundproblem ist der Ausstellungscharakter: In den Ausstellungen bleiben die wesentlichen Veränderungen, sollten sie denn gelungen sein, ebenfalls unsichtbar, da sie in den Köpfen der Beteiligten stattfinden. Drittens seien Adressanten einer IBA vorwiegend Fachleute. Deren Themen seien einer Laienöffentlichkeit schwerlich vermittelbar. Zudem bestehe die grundlegende Herausforderung, Zukunft denken zu müssen.
6. Herausforderungen wissensbasierter Stadtentwicklung
stärkeren Wahrnehmbarkeit von IBAs nicht strikt abzulehnen seien, warnt jedoch davor, anhand dessen den Erfolg oder Misserfolg einer IBA ermitteln zu wollen. Eine IBA bedarf der Schutzräume für Experimente, diese machen eine IBA letztendlich aus. Schutzräume scheinen jedoch in der alltäglichen Praxis kaum zu existieren – die IBA und ihre Projekte sollen beständig wahrnehmbar sein, sie müssen in der für Heidelberg typischen Form in das Korsett der Bürgerbeteiligung eingepasst werden und sind dadurch konzeptionell gebunden. Räume für Experimente konnten sich teilweise nur konflikthaft (»betteln und drohen« (IBA 3)) und in Ablehnung bestehender Standards erschlossen werden. Ein Schutzraum als Handlungsressource der IBA existierte mit Blick auf die ersten Jahre der IBA in Summe nur in Ansätzen. Die personelle Aufstellung der IBA GmbH kann als eine weitere ungehobene Ressource angesehen werden. Die MitarbeiterInnen, kuratorische Leitung sowie Geschäftsführung haben einen ähnlichen fachlichen Hintergrund (verkürzt: Planen und Bauen) und aufgrund dessen eine verwandte ausbildungsbezogene und professionelle Sozialisation durchlaufen, was das Verstehen anderer Funktionslogiken, Wertehaltungen oder Kommunikationsweisen potenziell erschweren kann. Von der IBA wurde der Aufbau von Netzwerken mit unterschiedlichen Akteuren sowie ein »kulturelles, interaktives, bauliches, symbolisches und metaphorisches Brückenbauen« erwartet (Stadt Heidelberg 2012b: 44). In einem interdisziplinär besetzen Team liegt für die Erfüllung dieser Aufgabenstellung durch die Integration unterschiedlicher Perspektiven ein größeres Potenzial. Dies wurde durch die Personalentscheidungen der Heidelberger IBA nicht gehoben. Diese merkt hierzu selbstkritisch an, dass der vorwiegend planerische Hintergrund des Teams den Vertrauensaufbau mit anderen Akteuren nicht erleichtert habe (IBA 6). Hier muss sich die IBA an ihren eigenen Maßstäben messen lassen. Sie sollte ebenfalls die Integration von Perspektiven in ihre Organisation als Zielsetzung definieren. Dies nicht nur aus Gründen der Authentizität, sondern auch aus inhaltlichem Antrieb: Sie selbst sollte nicht nur zwischen den Systemen stehen, sondern durch ihre Interdisziplinarität auch zur Verständigung zwischen diesen beitragen. Ein interdisziplinär besetztes Kuratorium genügt vor diesem Hintergrund nicht.
6.2.2
Das IBA-Projekt »der Andere Park«: Kommunaler Einfluss auf projektbezogene Ressourcen
Um die Handlungsfähigkeit der IBA einschätzen zu können, sollten nicht ausschließlich die Ressourcen der IBA GmbH betrachtet werden. Das Augenmerk muss ebenfalls auf den Akteur Stadt Heidelberg gerichtet werden, der mittels des öffentlichen Bau- und Planungsrechts sowie Flächeneigentums einen großen Einfluss auf die Handlungsfähigkeit der städtischen IBA GmbH hat. Die Stadt Heidelberg öffnet und schließt Handlungsräume der IBA – am offensichtlichsten
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Stadtentwicklung in der Wissensgesellschaft
zeigt sich diese Handlungsmacht der Kommune in spezifischen Projektkontexten. Auf Basis der Erkenntnisse zum Stadtentwicklungsvorhaben »der Andere Park« werden daher neben den projektbezogenen Ressourcen der IBA GmbH ebenfalls die ressourcenbezogene Handlungsmacht der Kommune analysiert. Deren Handlungsmacht kann gleichermaßen zur Ressource der IBA werden, als auch bei Verwehren die Handlungsmöglichkeiten der IBA nachhaltig beschneiden. Auf Basis einer ressourcenorientierten Analyse werden Rückschlüsse möglich, inwiefern die Stadt den Weg, den sie mit dem Beschluss zur Durchführung der IBA eingeschlagen hat, in der Praxis gestaltet. Die Stadt verfügt über autoritative und materielle Ressourcen: • • • • •
als Planungsträgerin, die Handlungsmöglichkeiten über das Planungsrecht generiert; als Flächeneigentümerin; als Dialogstifterin, indem sie Kommunikation und Kooperationen begründet; als Fördermittelgeberin, die öffentliche Mittel zielbezogen einsetzt (Selle und Wachten 2008). zusätzlich kann sie als sogenannter »first mover« (Lord und O’Brien 2017) agieren und bspw. über initiale Bauvorhaben auf räumliche Entwicklung stimulierend einwirken.
Diese Ressourcen kann die Stadt ebenfalls zur Vergrößerung der Handlungsmacht ihrer »Innovationsagentur IBA« einsetzen. Für das Projekt »der Andere Park« wurde, wie im Folgenden aufgezeigt wird, diese potenziellen Ressourcen nicht umfassend mobilisiert. Als Planungsträgerin stellt die Kommune Bebauungspläne auf und erteilt Baugenehmigungen. Für die Aufstellung von Bebauungsplänen muss sich die Kommune an städtebaulichen Zielen orientieren (vorwiegend aus dem Baugesetzbuch) und Ziele der Raumordnung beachten. Die Handlungsfreiheit der Kommune wird im Sinne einer geordneten städtebaulichen Entwicklung eingeschränkt. Nichtsdestotrotz verfügt sie durch ihre Planungshoheit über eine zentrale Handlungsressource für Stadtentwicklung. So kann bspw. anhand der Aushandlung um die Anzahl baurechtlich notwendiger Pkw-Stellplätze eingeschätzt werden, inwiefern die Kommune bereit ist, ihren Handlungsspielraum für ihr experimentelles IBA-Projekt zu nutzen.19 Im Hinblick auf die formulierte Zielsetzung eines »entgrenzten« Parks 19
Auch der ruhende Verkehr unterliegt Regelungen. Gemäß der Landesbauordnung (LBO) Baden-Württemberg sind Stellplätze in solcher Anzahl herzustellen, »dass sie für die ordnungsgemäße Nutzung der Anlagen unter Berücksichtigung des öffentlichen Personennahverkehrs« ausreichen (Land Baden-Württemberg 2010). Da die Herstellung von Stellplatzanlagen Voraussetzung für die Erteilung von Baugenehmigungen ist, muss im Vorfeld eine Einigung darüber erzielt werden, was unter dem Begriff ausreichend zu verstehen und wie
6. Herausforderungen wissensbasierter Stadtentwicklung
ist das Thema der Pkw-Stellplätze konzeptionell von wesentlicher Bedeutung. »Der Andere Park«, so die nachvollziehbare Erwartung, müsse einen alternativen Umgang mit dem ruhenden Verkehr finden und einen Beitrag dazu leisten, den öffentlichen Raum als sozialen und funktionalen Raum für die ganze Stadtgesellschaft zurückzugewinnen. Dies nicht zuletzt vor dem Hintergrund einer immer lauter formulierten Forderungen nach einer Mobilitätswende in ganz Deutschland. Die IBA konnte jedoch nicht auf eine radikale Lösung eines weitgehend stellplatzfreien Quartiers hinwirken, der erzielte Kompromiss scheint angesichts der hohen Zielsetzungen kaum IBA-würdig. Realisiert wird eine Quartiersgarage, die einen Teil des ruhenden Verkehrs aufnimmt, weiterhin existiert jedoch traditionelles Parken im Straßenraum, hier also im »entgrenzten« Park. Eine autoreduzierte Stadtteilentwicklung wurde nur in Ansätzen erreicht (bspw. über Verzicht auf Pkw-Straßen innerhalb des Bereichs um den zentralen Paradeplatz) (LK Argus 2017), obwohl eine solche bereits zu Beginn der Konversionsflächenentwicklung im Rahmen von Bürgerforen diskutiert wurde (Stadt Heidelberg 2012a). Auch wenn das Thema Parkierung auf den ersten Blick kein originäres IBA-Thema zu sein scheint, es ist konzeptionell ein wichtiger Baustein der projektinhärenten IBA-Zielstellung und, nicht zuletzt auch in Heidelberg, ein häufiges Diskussionsthema mit Bauherren und StadtnutzerInnen (Stadtverwaltung 3). Die IBA sieht in der erreichten Lösung, nur die baurechtlich notwendigen Stellplätze zu bauen, daher selbst auch nur einen Teilerfolg (IBA 1). Die IBA wollte die Agenda eines möglichst autofreien Parks verhandeln und konzeptionelle, planerische und rechtliche Spielräume ausloten. Darauf hat sich die Stadt jedoch nur eingeschränkt eingelassen und den Möglichkeitsraum für Experimente eingeschränkt. Die Potenziale eines autoarmen Quartiers werden nun im Zuge der PHVEntwicklung neuerlich diskutiert. Beschleunigt durch den Wahlerfolg von Bündnis 90/ Die Grünen ist ein solches Konzept in Heidelberg nun auch politisch eher möglich, die agile Arbeitsgruppe PHV bearbeitet diese Option für einen ganzen Stadtteil. Zielsetzung der PHV-Entwicklung ist jedoch kein autofreies Quartier, sondern eine hohe Stellplatzabminderung durch das hochwertige ÖPNV-basierte Mobilitätsangebot (Stadt Heidelberg 2019d). Von einer solchen Lösung müssen die Verantwortlichen der Stadt in ihrer Rolle als PlanungsträgerInnen wiederum Akteure der Immobilienwirtschaft überzeugen, von welchen einige trotz der politisch und gesellschaftlich gewollten Mobilitätswende weiterhin nicht zukunftsfähige Vorstellungen hinsichtlich der Notwendigkeit von Pkw-Stellplätzen
der ruhende Verkehr zu organisieren ist. Die Richtzahlen der LBO für baurechtlich notwendige Stellplätze dienen dabei jedoch nur als Anhaltspunkte und können im Einzelfall mittels einer kommunalen Satzung verändert werden. Die Kommune verfügt trotz rechtlicher Regelungen insofern über Handlungsspielräume und kann von den baurechtlichen Vorgaben abweichen. Dies ist für das Vorhaben »der Andere Park« nicht erfolgt.
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Stadtentwicklung in der Wissensgesellschaft
vertreten (Blechschmidt 2016). Die Stadt muss hier insofern eine strategische Linie entwickeln, Vorgaben ableiten und von ihren Ressourcen als Flächeneigentümerin sowie Planungsrechtsgeberin Gebrauch machen. Sie ist es, welche die IBA-Konzepte in die Realisierung bringt und insofern über Konzept und Realität mitentscheidet.20 Die Stadt Heidelberg ist bzw. war Eigentümerin der Konversionsflächen in der Südstadt.21 Ihr erwachsen in dieser Rolle wichtige Handlungsressourcen zur Durchsetzung kommunaler Zielsetzungen. Diese Potenziale kann sie ebenfalls zur Stärkung der Verhandlungsposition der IBA einsetzen. Das Entwicklungsmodell der Konversionsfläche Südstadt sieht in weiten Teilen den Weiterverkauf vor, nur die Grundstücke der städtischen Gesellschaften Karlstorbahnhof und Kreativwirtschaftszentrum bleiben in kommunalem Eigentum. Zwischenzeitlich wurde für alle Konversionsflächen über den flächendeckenden Einsatz von Erbbaurechtsmodellen nachgedacht, das Instrument wird mit Verweis auf die Schuldenlast der Kommune jedoch nur punktuell angewendet (Stadt Heidelberg 2014b). Die Erlösmöglichkeiten über den Flächenverkauf werden als wichtiger eingestuft als der langfristige Erhalt eigener Steuerungsmöglichkeiten.22 Jedoch existieren für die Kommune auch im Rahmen von Verkaufsverhandlungen durchaus Steuerungspotenziale und Handlungsressourcen. Zahlreiche Qualitäten von Stadt, die sich nicht über einen Bebauungsplan steuern lassen, sind potenziell über Grundstückskaufverträge privatrechtlich zu sichern. Die sich daraus ergebenden Ressourcen müssen jedoch von der Stadt Heidelberg als Vertragspartnerin der potentiellen Bauherren genutzt werden wollen. Dieser Wille ist für das Vorhaben »der Andere Park« nur eingeschränkt zu erkennen. Zwar trat die IBA zu einem späten Zeitpunkt in den Planungsprozess Konversion Südstadt ein, jedoch waren noch nicht alle Grundstücke verkauft (Stadtverwaltung Park-Projekt 2), d. h. es existierten durchaus Spielräume, den IBA-Intentionen und den Entwurfsideen zum »Anderen Park« über privatrechtliche Regelungen eine höhere Verbindlichkeit zu verschaffen. So hatte sich auch die IBA von der Ressource Eigentum für die Durchsetzung ihrer konzeptionellen Zielsetzungen mehr erwartet: »Man könnte ja sogar bei der Vergabe sagen, (…) ›gerne verkaufen wir dir die Kaserne, wenn du unterschreibst, dass die IBA mitmacht.‹ Das hätte die Stadt ohne weiteres sagen können und ich würde auch behaupten, oder ich würde hoffen, dass
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Die Beschlussvorlage zum Dynamischen Masterplan PHV nennt »Autoarmer und stellplatzfreier Stadtteil« nun als einer der Umsetzungsprinzipien des innovativen Mobilitätskonzeptes (KCAP Architects&Planners et al. 2019; Stadt Heidelberg 2019d). Ausnahme ist hier die Fläche der Polizei, die direkt von der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben an das Land Baden-Württemberg verkauft wurde. Für das PHV soll neuerlich der Einsatz von Erbbaurechtsmodellen über den Einzelfall hinaus geprüft werden (KCAP Architects&Planners et al. 2019).
6. Herausforderungen wissensbasierter Stadtentwicklung
der neue Baubürgermeister das durchsetzen würde. Dass er sagt: ›wir machen hier ein großes städtisches Projekt, dafür zahlen wir eine Million Euro pro Jahr. Jetzt wollen wir auch, dass die Leute, die von uns Grundstücke kaufen, mitmachen.‹ Denn die Grundstücke sind das einzige richtige Gestaltungselement, welches die Stadt heutzutage hat« (IBA 5). Die Stadt Heidelberg hat auf den Einsatz privatrechtlicher Steuerungsinstrumente verzichtet und für die Umsetzung der Projektideen auf privaten Flächen alleinig auf das kommunikative Talent der IBA und die Überzeugungsfähigkeit des planerischen Entwurfs gesetzt (Vgl. Abschnitt 5.2.3) Die Position der IBA wurde durch diese kommunale Entscheidung kaum gestärkt. Die Stadt Heidelberg verfügt hinsichtlich privatrechtlicher Steuerungsinstrumente über nur limitierte Erfahrungswerte. Zwar wurden vertragliche Regelungen bspw. für die Bahnstadtentwicklung etabliert (z. B. Passivhausstandard oder die Verwendung von Smart-Meter), hinsichtlich der Absicherung kommunaler Zielsetzung über die erste Generation der VertragspartnerInnen hinaus verfügt man jedoch über geringe Erfahrungswerte (IBA 2). Die IBA kann diese fehlende Expertise perspektivisch über ihr Netzwerk adressieren und diesbezügliche Lernprozesse der Kommune unterstützen.23 Die Ausweitung des kommunalen Instrumentariums ist gerade im Hinblick auf die große Stadtentwicklungsaufgabe und das heterogene Akteursfeld der PHV-Entwicklung sinnvoll, da voraussichtlich nicht alle Akteure gleichermaßen aktiv die Umsetzung kommunaler Zielsetzungen vorantreiben werden (bspw. aufgrund des Mangels an sozialer Nähe oder weil die Anforderungen als nicht wirtschaftlich realisierbar angesehen werden). Weitere Ressourcen erwachsen der Stadt Heidelberg aus ihrer dritten Rolle als Dialogstifterin. Sie bringt verschiedene Akteure zusammen, kann durch deren Aktivierung neue Ressourcen erschließen und Synergien erzeugen, die ein Akteur allein nicht hätte bewirken können. Das Projekt »der Andere Park« soll ein solches Dialogprojekt sein, in welchem aus der Ko-Präsenz verschiedener Akteure und deren Zusammenwirken langfristig ein Mehrwert für die Beteiligten als auch für den Stadtteil entsteht. Von Bedeutung für das Gelingen eines auf freiwilligem Engagement basierenden Projekts kann die Existenz von Einflussmöglichkeiten, d. h. in diesem Fall durch die Teilnahme am planungsbezogenen Dialog angesehen werden. Dementsprechende Möglichkeiten existierten im untersuchten Bei23
So loten einige Kommunen Handlungs- und Steuerungsmöglichkeiten im Angesicht starker (privatwirtschaftlicher) VerhandlungspartnerInnen auch ohne IBA aus: »Das alles hat natürlich ganz viel mit Immobilienwirtschaft zu tun. Und damit mit welchen privatrechtlichen und planungsrechtlichen Dingen man agiert. Also da ist ja auch die HafenCity immer ein guter Sparringspartner, um zu gucken, was eigentlich noch neben planungsrechtlichen Dingen geht. Privatrechtliche Dinge, die da auch auf den Tisch gehören und wo die Stadt Heidelberg heute erst mal überfordert ist, diese Strukturen aufzubauen« (IBA 2).
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Stadtentwicklung in der Wissensgesellschaft
spiel jedoch nur eingeschränkt. Wichtige Meilensteine hatte die Konversionsflächenentwicklung in der Südstadt bereits hinter sich, der Einfluss der Anrainer auf wesentliche Fragen der Flächenentwicklung wurde daher als gering eingeschätzt. Das bottom-up-konzipierte Projekt war als Resultat vorlaufender Entscheidungen bereits stark determiniert, insbesondere auf, wie das folgende Zitat illustriert, als wesentlich eingeschätzte Sachverhalte: »Deswegen war ›der Andere Park‹ auch kein Thema, welches uns stark beschäftigt hat. Eben weil die großen Pflöcke ja schon vorher festgelegt waren. Also die Fragen, die für uns wirklich relevant waren, die waren ja eigentlich vorher schon fest« (Arbeitskreis Park-Projekt 4). Der Handlungsspielraum hinsichtlich planungsbezogener Themen der nicht-kommunalen Akteure erscheint vor diesem Hintergrund eher gering. Auch für die IBA resultierten aus den Setzungen des vorlaufenden Planungsprozesses Schwierigkeiten für die Planung und die Verhandlungen mit den Beteiligten, die in laufenden Prozessen als PartnerInnen für die Umsetzung der IBA-Projektziele gewonnen werden mussten. Zwar wurden noch keine Baugenehmigungen erteilt, was die Verhandlungsposition der IBA gegenüber den Anrainern massiv erschwert hätte, jedoch war die IBA durch den Verzicht auf starke Instrumente (bspw. besagte privatrechtliche Vereinbarungen) auf dialogische Instrumente beschränkt. Dieser Dialog zwischen den verschiedenen Akteuren hat sich jedoch nicht umfassend eingestellt. Insofern wurde das Vorhaben »der Andere Park« zwar mit einem starken Prozesscharakter entworfen, die Leitlinien wirkten auf die Handlungsmöglichkeiten jedoch stark ein, sodass für das Vorhaben kein umfassend experimentelles Prozessdesign entworfen werden konnte. Dies kann durchaus auch Einfluss auf die Ergebnisse des Planungsprozesses gehabt haben. Prozesskultur, das für das Beispiel des Projekts »der Andere Park« zu formulieren, wird vorwiegend in der Dimension BürgerInnenbeteiligung verstanden und kaum in eine experimentelle Planungskultur umgedeutet. Die IBA-Zielsetzung eines gemeinsamen Verhandelns zwischen stadterzeugenden Akteuren, welches zum Startpunkt eines sozial vernetzen Parks werden sollte, schien der IBA daher selbst nur zum Teil eingelöst (Vgl. Abschnitt 5.1.1): »Es kamen auch ›Wunschlisten‹ (der Anrainer, Anm. KF), die in den Wettbewerb eingeflossen sind und teilweise auch abgearbeitet werden bzw. wurden. Aber in dieses gemeinsame Aushandeln kommen, das finde ich, hätte stärker stattfinden können. Also auch gemeinsam das Konzept entwickeln. (…) Sprich, ich bin nicht nur Nutzer und mähe den Meter Rasen vor meiner Haustür, sondern ich beteilige mich aktiv an diesem Freiraum« (IBA 4). Weiterhin ursächlich für eine geringere Nutzung des durch die IBA formulierten Dialogangebots können ausstehende Ansiedlungsentscheidungen bzw. Gründungsuntersicherheiten sein. Beide erschweren potenziell das Engagement in einem dialogischen Projekt – eine Erfahrung, die die IBA bereits bei dem Projekt B³
6. Herausforderungen wissensbasierter Stadtentwicklung
machen musste. Die IBA konnte daher für das Projekt »der Andere Park« nur eingeschränkt die potenziellen Ressourcen einer Dialogstifterin heben. Inwieweit sie Grundlagen für ihre Zielsetzung eines institutionell vernetzten Parks geschaffen hat muss zum aktuellen Zeitpunkt noch offen bleiben. In ihrer vierten Rolle als Fördermittelgeberin kann sich die Stadt über die Vergabe von Fördermitteln Steuerungsmöglichkeiten erschließen. Über Anreizsysteme erhöht sie potenziell die Akzeptanz kommunaler Zielsetzungen und die Handlungsbereitschaft anderer Akteure (bspw. durch die finanzielle Förderung energetischer Gebäudesanierung bzw. umweltfreundlicher Mobilitätsentscheidungen) (Stadt Heidelberg 2019g). Im Projekt »der Andere Park« ist die Stadt Heidelberg nun selbst in der Rolle der Fördermittelnehmerin und wird hinsichtlich der Vorgaben und Anforderungen des Fördermittelgebers gesteuert. Diese umfassen u. a. einen besonderen Qualitätsanspruch hinsichtlich des städtebaulichen Ansatzes, des Innovationspotenzials, baukultureller Aspekte sowie der Beteiligungsprozesse (BBSR 2018). Mit dem gemeinderätlichen Beschluss zur Realisierung des Vorhabens »der Andere Park« hat die Stadt Heidelberg sich den Kriterien des Fördermittelgebers unterworfen und mit dem gemeinderätlichen Beschluss die zentrale Rolle der IBA für die Erfüllung der Anforderungen betont (Stadt Heidelberg 2016b). Insofern hätte der IBA für dieses Vorhaben eine Führungsrolle zugestanden, so wurde doch deren inhaltliche und prozessbezogene Expertise als zentral für die Umsetzung der ambitinierten Anforderungen benannt. Eine Verlagerung von Handlungs- und Steuerungskompetenzen und in diesem Zuge ebenfalls der Verfügungsmöglichkeiten über Ressourcen auf die IBA war jedoch in der praktischen Durchführung des Projekts aus Perspektive einer interviewten Person kaum wahrzunehmen. Die IBA hat zwar den Prozess verantwortet, jedoch wurde die Kommune als steuernder Akteur wahrgenommen: »Was ich ursprünglich erwartet habe, war eine relativ unvoreingenommene Entwicklungsmöglichkeit. Wo die IBA wirklich den Hut aufhat und sagt: ›Das sind gute Entwicklungsschritte. Das brauchen die einzelnen Einrichtungen, damit wir da wirklich etwas aus einem Guss draus machen können‹. Meine Erwartungen an die Stadt waren, sich zu den Themen zurückhält und das Geld, das sie zugesagt hat, bereitstellt, aber dass sie sich an der inhaltlichen Entwicklung eher weniger beteiligt. Mein Eindruck ist inzwischen eher, dass die Stadt sehr genau hinschaut und auch eher mal die Bremse reinzieht« (Arbeitskreis Park-Projekt 5). Vor diesem Hintergrund erscheint es so, dass weder die Selbstverpflichtung der Kommune aus dem politischen Bekenntnis zur IBA noch die Verpflichtung gegenüber dem Fördermittelgeber das experimentelle Handeln der IBA hat umfassend befördern können. Die externe Projektfinanzierung implizierte somit keinen »Befreiungsschlag« der IBA. An einzelnen Themen (bspw. der Baumreihe auf der Rö-
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Stadtentwicklung in der Wissensgesellschaft
merstraße24 als auch teilweise der Pkw-Stellplätze) ist jedoch zu erkennen, dass die IBA Themen auf die Agenda setzen und teilweise auch durchsetzen konnte. Die Bereitstellung von Ressourcen durch die Stadt Heidelberg an die IBA stellt sich am Vorhaben »der Andere Park« in der Gesamtschau ambivalent dar: Einerseits zeigt sich punktuell anhand einiger Themen durchaus ein Einfluss der IBA und offenbart auf diese Weise die Bereitschaft der Kommune, Handlungsräume zu eröffnen und Stadtentwicklung in der zehnjährigen IBA-Phase auf andere Weise zu betreiben. Anderseits hat die Stadt ihrerseits selbst auf Steuerungsinstrumente verzichtet, die sie dementsprechend ebenfalls nicht für ihre »Innovationsagentur« einsetzen konnte. Es erscheint vor diesem Hintergrund fraglich, welche Bedeutung das IBA-Projekt für die Entwicklung der Südstadt entfalten kann bzw. im Umkehrschluss welchen Beitrag dieses Projekt für das IBA-Motto Wissen|schafft|Stadt leisten wird. Eventuell bestätigt sich hier die sowohl durch mehrere InterviewpartnerInnen als auch durch Selle (2017) artikulierte Kritik, dass es in Heidelberg oftmals ausreiche, über – und hier ist das Wort wissensbasierte zu ergänzen – Stadtentwicklung gesprochen zu haben. Dass dieses Zwischenfazit für andere IBA-Projekte anders ausfallen wird, liegt auf der Hand, negiert jedoch nicht die hier präsentierten Ergebnisse: Als intermediäre Institution muss die IBA sich kontextabhängig ihre Handlungsräume erschließen. Inwiefern ihr das gelingt, wird durch Macht- und Handlungsressourcen aller Akteure sowie deren Zielsetzungen bestimmt. Eine wesentliche Rolle kommt, wie die Analyse gezeigt hat, der Kommune zu.
6.2.3
Reallaborkonzeption: Bestandsschutz für »die Praxis« und »den Elfenbeinturm«?
In Abschnitt 5.1.2 wurde die neue Rolle von Hochschulen am Beispiel der Heidelberger Reallabore erörtert. Die traditionellen Aufgabenbereiche Forschung und Lehre werden um neue Aufgabenfelder ergänzt: Im Zuge wissensgesellschaftlicher Transformationsprozesse werden Hochschulen zunehmend zu Akteuren der Regionalentwicklung und nehmen auf Basis ihrer Kernkompetenzen Einfluss auf die Entwicklung lokaler Meinungsbilder. Reallabore sind beispielhafte Formate für diese neue Rolle. An dieser Stelle stellt sich die Frage, inwiefern die Rollenübernahme gelingt bzw. was dieser im Wege steht? Über welche zentralen Ressourcen verfügt ein Reallabor nicht, die jedoch von Bedeutung wären, um die ambitionierten
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Die Diskussionen um eine Umgestaltung der Römerstraße begleitete den Konversionsprozesses Südstadt von Beginn an. Im Zuge der Planungen zum IBA-Projekt »der Andere Park« wurde das Thema der Gestaltung der Römerstraße nach durchaus größerer Gegenwehr einiger Ämter neuerlich diskutiert. Eine Baumreihe, die die beiden Parkteile verbinden soll, ist Teil der nunmehr beschlossenen Planung.
6. Herausforderungen wissensbasierter Stadtentwicklung
Zielsetzungen der Förderlinie erreichen und den dahinterliegenden Ansprüchen an ein transdisziplinär-transformatives Forschungsformat gerecht werden zu können? Das Erkenntnisinteresse gilt insofern weder der Methodologie noch einer Evaluation spezifischer transdisziplinärer Forschungsabläufe oder dem gesellschaftlichen Potenzial von Reallaborforschung (diesbezüglich sei verwiesen auf Beecroft et al. 2018; Defila und Di Giulio 2018; Schneidewind et al. 2018; Defila und Di Giulio 2019b; Wanner und Stelzer 2019). Die Arbeit konzentriert sich vielmehr auf strukturelle Aspekte der Reallaborforschung. Eine solche Perspektive haben in Ansätzen die Reallaborforschenden der Ba-Wü Labs in ihrem Positionspapier eingenommen (Parodi et al. 2018), welches Wissenschaftsministerin Bauer (MWK) zum Ende der ersten Reallaborförderlinie übergeben wurde. Deren Hinweise werden im Folgenden reflektiert und auf Basis der Erkenntnisse aus den Heidelberger Reallaboren weitergedacht. Eine solche Analyse wird als wichtig erachtet, da die Reallabore als Instrumente der wissensbasierten Entwicklung verstanden werden und darüber hinaus politische Förderung erfahren. Insofern sollte nach Ende der ersten beiden Förderperioden eine Reflexion über Anspruch sowie Wirklichkeit des Formats erfolgen. Thematisiert werden die Ressourcen des politisch-administrativen Systems auf lokaler Ebene, anschließend wird die Fragestellung auf die Wissenschaftspolitik des Landes sowie das Wissenschaftssystem hingewendet. Analog zum Format der IBA sind Reallabore keine geübte Praxis – sowohl der konzeptionelle Rahmen als auch die praktische Durchführung bedeuten Neuland für die meisten Beteiligten. Die Ergebnisse der empirischen Forschung betonen die Notwendigkeit, sich mit institutionell-strukturellen als auch ressourcenbedingten Ermöglichungsstrukturen dieser Formate auseinanderzusetzen, insbesondere da sich die schriftliche Kooperationsvereinbarungen aus operativer Perspektive als nur bedingt geeignet herausgestellt haben. Die Kooperationsvereinbarung begründet die Zusammenarbeit zwar organisatorisch, kann sie aber nicht funktional über die gesamte Laufzeit tragen sowie absichern. Sie bildet insofern nur den Startpunkt der Kooperation: »Den Letter of Intend hat der Bürgermeister vielleicht unterschrieben. Aber gleichzeitig ist es ja auch ein Drei-Jahres-Thema (...) Und dann muss trotzdem jedes Amt einzeln vielleicht auch ein bisschen begeistert werden« (Reallabor Wissenschaft 2). Eine Bedeutung hat die Kooperationsvereinbarung daher mehr für die Fördermittelgeberin als für die operativen Beteiligten. Von wesentlich höherer Bedeutung für die operative Umsetzung sind daher die Ressourcen, die für die Kooperation von der Fördermittelgeberin als auch von den Beteiligten selbst mobilisiert wurden. Hier offenbart sich stellenweise ein fehlendes Bewusstsein für die hohen Anforderungen eines transdisziplinären Forschungsprojekts durch die Fördermittelgeberin einerseits und anderseits die Beteiligten der kommunalen Praxis. Auf diesen zweiten Punkt soll im Folgenden eingegangen werden, anschließend erfolgt ein Maßstabswechsel von der lokalen Ebene auf die des Landes.
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Stadtentwicklung in der Wissensgesellschaft
Eine Reallaborkooperation kann Mehrwerte für die kommunalen Beteiligten erzeugen, sie erfordert in erster Instanz jedoch einen Mehreinsatz an insbesondere zeitlichen und finanziellen Ressourcen der Kommune sowie die Bereitschaft, den transformativen Kooperationszielen einen gewissen Handlungsspielraum einzuräumen. So hebt ein Forschender des Reallabors die Ressourcen der Kommune als wichtigen Faktor hervor – kommunale PraxispartnerInnen benötigen genauso wie die wissenschaftlichen Beteiligten Handlungsressourcen im Sinne personeller Ressourcen (insbesondere im Sinne zeitlicher Kapazitäten) sowie Experimentierund Handlungsspielräume für die Durchführung der neuartigen Kooperation. In den gewöhnlichen kommunalen Abläufen und Gedankengängen muss Raum für die gemeinsame Erörterung der jeweiligen Fragestellung als auch für die Realexperimente geschaffen werden (Reallabor Wissenschaft 2), dies gerade vor dem Hintergrund teilweise stark formalisierter kommunaler Strukturen, in welchen es mitunter an Freiräume mangelt. In einigen Teilprojekten wurde der Forschungskooperationen der notwendige Handlungsraum zugestanden. Als wichtige Faktoren können zeitliche Ressourcen und der jeweilige Arbeits- und Führungsstil angeführt werden. Für die Reallaborkooperationen wurden durch die kommunalen PraxispartnerInnen in unterschiedlichem Maße zusätzliche Ressourcen im Sinne bspw. Personalstellen, Arbeitsentlastung von bestehenden Aufgaben oder Aufwandsentschädigungen mobilisiert. Für die Mitarbeitenden der Verwaltung bedeutete das Reallabor somit teilweise eine unentgeltliche Mehrarbeit. Auch über die Reallaborförderlinie wird dem nichts entgegengesetzt. Die Fördermittelgeberin erlaubt einzig die Finanzierung von Personalstellen in den Wissenschaftseinrichtungen. Der Ressourcenmangel ist demgemäß bereits in der Struktur der Reallaborformate angelegt, Beecroft et al. (2018: 91) sprechen von einer »Sollbruchstelle in der Kooperation«. Die empirische Analyse hat diese ressourcenbedingte Problematik für alle Reallabore bestätigt (Reallabor Wissenschaft 6; Reallabor Wissenschaft 2; Reallabor Wissenschaft 1; Reallabor Wissenschaft 5). Zum einen bedarf es daher einer Anpassung der Förderrichtlinien auf die Spezifika der Reallabore im Sinne einer größeren Verwendungsoffenheit der Mittel.25 Zum zweiten muss auch auf Durchführungsebene über Möglichkeiten reflektiert werden, transdisziplinäre Formate mittels kommunaler Instrumente zu stärken. Einige Städte wie bspw. Hamburg beschreiten bereits verstärkt diesen Weg und verbinden Flächenverkäufe oder Förderzusagen mit Vorgaben hinsichtlich wissenschaftlicher Kooperationen. Zum dritten
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Die Fördermittelgeberin ermöglicht nun die Zahlung von Aufwandsentschädigungen und/oder die begründete Beauftragung von Dritten (z. B. Werkverträge für externe Praxisund/oder ProjektpartnerInnen), dies ohne eine Limitierung wie sie noch für die ersten Förderlinien galt (MWK 2019b; MWK 2020).
6. Herausforderungen wissensbasierter Stadtentwicklung
benötigt die auf Experimente und Transformation angelegte Forschungskooperation entsprechende Experimentierräume innerhalb des kommunalen Handlungsraums. Die empirische Feldforschung hat die Schwierigkeiten mancher Reallaborteilprojekte aufgezeigt, sich dementsprechende Experimentierräume im sektoralhierarchischen und durch verbindliche Abläufe gekennzeichneten Verwaltungshandeln erschließen zu können (Reallabor Wissenschaft 1; Reallabor Wissenschaft 5). Hier bedarf es eines Wandels in der Arbeitskultur. Um das Forschungsziel der Reallabore – die Generierung belastbaren Wissens – erreichen zu können, bedarf die Phase des Ko-Designs von Forschungsfragen besonderer Aufmerksamkeit (Vgl. Abschnitt 5.1.2). Anders als bei klassischen Forschungsvorhaben müssen diese zu einem frühen Zeitpunkt gemeinsam zwischen allen Beteiligten identifiziert werden. Die zentrale Bedeutung dieses Forschungsschritts wird von der Fördermittelgeberin hervorgehoben und den Reallaboren als Verpflichtung auferlegt. Jedoch existierten für die ersten beiden Förderlinien keine Ressourcen für die Anbahnungs- und Aufbauphase, in welcher die Ko-Kreation von Forschungsfragen stattfinden sollte. Dies kann einen Einfluss darauf gehabt haben, dass diese erste Phase bei den untersuchten Reallaboren mit unterschiedlichem Erfolg verlaufen ist. Während ein Reallabor den Prozess des Ko-Designs transdisziplinär organisieren konnte, beschreibt ein anderes diese Phase als stärker von den wissenschaftlichen Beteiligten geprägt (Reallabor Wissenschaft 6; Reallabor Wissenschaft 2; Reallabor Wissenschaft 8). Gespräche mit potenziellen PraxispartnerInnen fanden auch bei diesen Reallaboren durchaus statt, diese dienten dann jedoch mehr dazu, die grundsätzliche Bereitschaft zur Teilnahme auszuloten und eine grobe Zieldefinition vorzunehmen. Dies resultiert auch aus den Fördervorgaben. Der Antragsprozess wird – wie im Wissenschaftssystem üblich – finanziell nicht gefördert. Diese fehlende Finanzierung ist jedoch für kommunikations- und abstimmungsintensive Forschungsformate wie Reallabore, die eben in ihrer Antragsphase nicht nur einer Forschungsskizze nach wissenschaftsinternen Maßstäben bedürfen, schwierig und wurde im Positionspapier der Reallaborforschenden (Parodi et al. 2018) als auch in einzelnen ExpertInnengesprächen als änderungsbedürftig benannt. Hier mangelt es insofern an bereitgestellten Ressourcen, die Ansprüche an Ko-Design von Forschungsfragen von Beginn an umsetzen zu können. Daraus resultiert die Gefahr, dass in der Konzeption Forschungsziele über Praxisziele dominieren, was sich auf die Teilnahmebereitschaft und das langfristige Engagement von PraxispartnerInnen auswirken kann. Ein verändertes Ausschreibungsverfahren (im Sinne einer Finanzierung der kollaborativen Ausarbeitung der Projektskizze) der Fördermittelgeberin kann die notwendigen Ressourcen generieren, den formulierten Anspruch an die Ko-Kreation des Forschungsdesigns umset-
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zen zu können. Auf diese Kritik hat die Fördermittelgeberin mit den beiden neuen Reallabor-Ausschreibungen reagiert.26 Die Aufgabe der Reallabore, sozial robustes Wissen zu generieren, ist jedoch nur ein Teilbereich, für den die Ressourcenausstattung reflektiert werden sollte. Einer weiteren Reflexion bedürfen ebenfalls Fragen bezüglich der Anwendung des Wissens in Praxiskontexten. Hier ist festzuhalten, dass keine Automatismen der Integration der Wissensbestände in die kommunale Praxis existierten. Kommunale Akteure müssen sich daher als aktive Multiplikatoren sowie Integratoren der Ergebnisse begreifen. Um dieses Rollenverständnis entwickeln zu können, bedarf es ebenfalls Ressourcen. In Kapitel 6.1 wurde am Beispiel der IBA bereits über die Ressource Resonanz reflektiert, welche im Weiteren vor dem Hintergrund der Reallabore ergänzt wird. Reallabore sind Formate, die gesellschaftliche Veränderungsprozesse anstoßen sollen. Sie müssen daher die Anschlussfähigkeit der Ergebnisse von Beginn an mitdenken und wirken dadurch potenziell unmittelbarer als dies grundlagenorientierte Forschungsformate tun, welche einer Übersetzung bedürfen. Erkenntnisse aus transformativer Forschung sind daher nicht nur wissenschaftlicher, sondern auch politischer Natur. Aus diesem Grund benötigen diese Formate in besonderer Weise der politischen Akzeptanz sowie Unterstützung, kurz: Sie bedürfen der Resonanz. Staatliche Legitimation und Anerkennung, und diese nicht nur in Form von Fördermitteln, können die gesellschaftliche Akzeptanz vor Ort und die transformative Wirkung der Reallabore erhöhen (Parodi et al. 2018). Die ExpertInnengespräche haben die temporäre und soziale Dimension von Resonanz betont und offenbart, dass im Instrument der schriftlichen Kooperationsvereinbarungen nur wenig Potenzial für die Erzeugung von Resonanz liegt. Eine solche hierarchisch bestätigte Kooperationsvereinbarung entfaltet für die Arbeitsphase eine geringe Bindewirkung, gerade wenn das Thema für die Verwaltungsspitze keine Priorität hat oder nur unregelmäßig aufgerufen wird. Auch für den relevanten Akteur Stadtpolitik hat die Kooperationsvereinbarung bestenfalls einen empfehlenden Charakter. In beiden Fällen bedarf es der Etablierung neuer Kanäle für die Auseinandersetzung und Weiterbearbeitung der in transdisziplinären Kontexten erzeugten Wissensbestände (Reallabor Wissenschaft 1; Reallabor Wissenschaft 2). Insofern hat sich gezeigt, dass das Instrument der schriftlichen Kooperationsvereinbarungen für die Durchführung der transdisziplinären Formate nur eingeschränkt Ressourcen mobilisieren konnte. Das Vertrauen in dieses Instrument beruht u. a. auf dessen Wirksamkeit im Wissenschaftssystem. Dort sind Forschungskooperationen über Vereinbarungen, die alle PartnerInnen gleichmäßig auf die Durchführung des Projekts verpflichten, erfolgreich zu steuern. Vor
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Das MWK fördert nun bereits die Erstellung des Vollantrags mit einem fakultativen Zuschuss (MWK 2019b; MWK 2020).
6. Herausforderungen wissensbasierter Stadtentwicklung
diesem Hintergrund wurde das Instrument auch auf das Setting der transdisziplinär-transformativen Forschungskooperationen übertragen, konnte hier jedoch nur eine eingeschränkte Wirkung entfalten. Diese Formate benötigen vielmehr der Resonanz und »Normalisierung«. Solche Normalisierungsprozesse können u. a. durch eine breite politische Unterstützung befördert werden. Dieser autoritativen Ressource hat es einigen Reallaboren gemangelt. So waren an deren Veranstaltungen regelmäßig PraxispartnerInnen aus der Verwaltung vertreten, jedoch kaum aus der Kommunalpolitik und der Landespolitik. Hieran zeigt sich, dass das Format der Reallabore noch keine große politische Resonanz hat erregen können.27 Resonanz ist jedoch nicht nur hinsichtlich der Praxisakteure von Bedeutung, sondern ebenfalls für die wissenschaftlichen Akteure. Auch hier signalisiert bspw. die Präsenz der Hochschulleitung bei Veranstaltungen das Interesse und die Unterstützung der auch für die Wissenschaftsgemeinschaft neuartigen Forschungsformate. Diese ist bisher kaum festzustellen. Neben dem Aspekt der Anpassung der Forschungsförderung durch die Wissenschaftspolitik, die im nächsten Absatz näher erläutert wird, betont der WBGU (2016) den integralen Anspruch des Formats, der ebenfalls die Landespolitik bindet und bisher ebenfalls unbeachtet geblieben ist. Zwar sind Reallabore Forschungsformate und daher Teil des Verantwortungsbereichs der Wissenschaftsbehörden der Länder, jedoch bearbeiten Reallabore gesellschaftliche Problemstellungen und sollen praxisrelevantes Wissen für eine Vielzahl unterschiedlicher gemeinwohlorientierter Problemstellungen generieren. Aufgrund dessen sind sie ebenfalls für andere Politikressorts von Bedeutung. Die Wissenschaftsbehörde müsste sich insofern ebenfalls dem integralen Anspruch des Formats verpflichten und in ihren Verantwortungsbereichen Anknüpfungspunkte zu anderen politischen Handlungsfeldern einer nachhaltigen Entwicklung suchen und stärken. Final wird sich nun der Wissenschaftspolitik bzw. dem Wissenschaftssystem gewidmet. Reallabore sind Grenzgänger im Wissenschaftssystem, manche Kritik hinterfragt gar die Wissenschaftlichkeit des Formats und unterstellt eine unzulässige politische Instrumentalisierung von Wissenschaft (Vgl. Abschnitt 4.1.1). Dieser Kritik wird hier nicht gefolgt. Reallabore sind Forschungsformate – Reflexivität und methodisch-kontrolliertes Vorgehen sind deren Erkenntnisgrundlage. Jedoch existieren zahlreiche Unterschiede zwischen transdisziplinären und nichttransdisziplinären Forschungsformaten, wobei insbesondere Universitäten aktuell kaum über geeignete Strukturen zur Durchführung transformativer Forschungsformate verfügen. In mehreren Veröffentlichungen wurden daher Empfehlungen zum Kapazitätsaufbau an Hochschulen sowie Anpassung der Förderlinien an die 27
Parodi et al. (2018) verweisen auf den schmalen Grat zwischen politischer Unterstützung und Instrumentalisierung der Reallabore, ein aufmerksames Austarieren müsse sichergestellt werden.
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speziellen Anforderungen dieser Formate formuliert (WBGU 2016; Parodi et al. 2018146; Schneidewind et al. 2018; Defila und Di Giulio 2019a; Wanner und Stelzer 2019). Der darin formulierte spezifische Ressourcenbedarf von Reallaboren wird ebenfalls durch die Forschenden der Heidelberger Reallabore bestätigt (Reallabor Wissenschaft 2; Reallabor Wissenschaft 1; Reallabor Wissenschaft 6). Das transdisziplinäre Arbeiten setzt ein höheres Maß an Kommunikation und Koordination sowie Anwendungs- und Praxisbezogenheit voraus. Im Vergleich zu klassischen Forschungsprojekten bedürfen transdisziplinäre Forschungsprojekte einer zeitlichen Planung, die sich von der Logik der Forschung zu den Logiken der Praxis bewegen muss. Reallabore müssen sich an den Zeiträumen der Praxis orientieren, wenn sie gesellschaftlich relevante Ergebnisse produzieren wollen. Daher arbeitet ein Reallabor in anderen Zeithorizonten und bedarf anderer Förderzeiträume als die klassischen Drei-Jahres-Forschungsförderung (Defila und Di Giulio 2019b).28 Die mit den Ba-Wü Labs geförderte transformative Forschung wirkt sich daher nicht nur potenziell veränderlich auf die kommunale Praxis aus, sondern ebenfalls auf das Wissenschaftssystem. Im Zuge der Verbreitung von Reallaborformaten bedarf es einer intensiven Betrachtung der Potenziale von Reallaboren, deren inhaltliche Ausgestaltung sowie über geeignete Methoden. In gleichem Maße bedarf es auf der Ebene der Wissenschaftspolitik einer Reflexion über die Strukturen des Wissenschaftssystems und deren Einfluss auf die Durchführung transformativer Forschungsformate. Neben wissenschaftspolitisches Interesse treten damit gesellschaftspolitische Interesse. Es stellt sich insofern analog zur Praxis die Aufgabe, das Format sowohl strukturell-organisatorisch als auch inhaltlich zu reflektieren und adäquate Anpassungen zu identifizieren und im Wissenschaftssystem anzustoßen. Diese Reflektionen gelten als lohnenswert: Wanner und Stelzer (2019: 6) heben die Eignung der Formate für die gesellschaftliche Weiterentwicklung hervor und plädieren vor diesem Hintergrund für einen »Capacity-Aufbau im Wissenschaftssystem« mit dem erklärten Ziel, Reallaborformate dauerhaft im Wissenschaftssystem zu verankern. Eine entsprechende Empfehlung sprechen eine Vielzahl weiterer Forschende aus (WBGU 2016; Parodi et al. 2018; Defila und Di Giulio 2019b). Ein solcher Kapazitätsaufbau umfasst neben strukturellen Anpassungen durch eine angepasste Wissenschaftspolitik (durch den WBGU (2016: 3) plakativ formuliert als »50 urbane Reallabore auf 50 Jahre«) ebenfalls den Aufbau wissenschaftlicher Standards und Verfahren der Qualitätssicherung sowie die
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Diese Empfehlungen der ersten Baden-Württemberger Reallabore wurden 2018 formuliert und an das Wissenschaftsministerium übergeben (Parodi et al. 2018), kurzfristig mögliche Anpassungen z B. hinsichtlich des Evaluationsverfahrens) während der Restlaufzeit der zweiten Förderlinie unterblieben jedoch.
6. Herausforderungen wissensbasierter Stadtentwicklung
Etablierung von Trainings- und Qualifizierungsmaßnahmen für WissenschaftlerInnen als auch Praxisakteure (Beecroft et al. 2018; Defila und Di Giulio 2018; Defila und Di Giulio 2019a; Defila und Di Giulio 2019b). Anknüpfend an diese Forderung nach einer Anpassung wissenschaftlicher Standards verweisen einige GesprächspartnerInnen, wie bereits erläutert (Vgl. Abschnitt 5.1.2), auf die ungenügende Vereinbarkeit von akademischer Bewährung und transdisziplinärer Forschung, die durch die bestehende Förderstruktur nicht erhöht werden kann: »Das ist natürlich auch ein Problem. Wir arbeiten hier in Drei-Jahres-Horizonten. Doktorarbeiten müssen fertig werden, aber Stadtentwicklung läuft über zehn oder mehr Jahre und daran muss man sich einfach anpassen. Das kann ein Punkt sein, wo man formattechnisch etwas verändern muss« (Reallabor Wissenschaft 8). In der Anpassung der Wissenschaftsstrukturen im Hinblick auf Anreizsysteme, Karrierechancen und Projektlaufzeiten liegt daher eine durch die Wissenschaftspolitik noch nicht adäquat mobilisierte Ressource der Reallabore. Diese Leerstelle habe nicht nur Einfluss auf die Qualität der transdisziplinären Forschung und die Karriereperspektive der beteiligten ForscherInnen, sondern auch auf das Vertrauensverhältnis mit den Praxisakteuren und die Praxisrelevanz von Reallaborforschung (WBGU 2016; Gerhard und Marquardt 2017; Beecroft et al. 2018; Parodi et al. 2018; Wanner und Stelzer 2019). Die Forschenden verweisen auch aus wissenschaftsimmanenten Gründen auf die Notwendigkeit eines Kapazitätsaufbaus des Wissenschaftssystems: Die noch kleine wissenschaftliche Gemeinschaft transdisziplinär-transformativ Forschender sieht sich aktuell mit der fehlenden Passung vorherrschender disziplinärer Standards für ihre Forschungen konfrontiert. Standards (im Sinne von »best practices und state-of-the-art« (Defila und Di Giulio 2018: 3)) kommen für das wissenschaftliche Arbeiten eine hohe Bedeutung zu. Sie vermitteln dem Forschenden Sicherheit und Orientierung und ermöglichen so das wissenschaftliche Arbeiten. Für Reallaborforschende lösen sich die Sicherheiten (inter-)disziplinärer Forschung stückweise auf, ohne dass sie umstandslos durch neue ersetzt werden könnten. Verbunden mit dem Fehlen diesbezüglicher Sicherheiten sind Akzeptanzprobleme im disziplinären Wissenschaftssystem, welche mitunter Adaptions- und Umsetzungsprobleme auf Seiten der Reallaborforschenden auslösen. Ein Reallaborforschender selbst verweist auf die Herausforderungen der institutionalisierten Wissenschaften, die qua Auftrag neues schaffen, sich auf die spezifischen Anforderungen der Reallaborforschung einzulassen: »Mit der Wissenschaft ist das manchmal schwierig. Die hat ein gigantisches Marketing hier. Zukunft seit 1325 oder so. Aber ist das hier Zukunft? Ist Zukunft nicht mal was Neues wagen? Sich neuen Fragen stellen? « (Reallabor Wissenschaft 6). Die Entwicklung eigener Standards
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durch eine wachsende Wissenschaftsgemeinschaft ist daher eine Notwendigkeit zur erfolgreichen und dauerhaften Etablierung transdisziplinär-transformativer Forschungsansätze und dem Einlassen auf die damit verbundenen Rollenerwartungen. Ansonsten besteht die Gefahr, dass Reallaborprojekte, weil sie weiterhin in das Korsett klassischer Forschung gepresst sind, zweierlei mitunter unvereinbarer Interessen dienen müssen: Die Ergebnisse müssen für die Praxis nützlich sein als auch zweckmäßig für das Wissenschaftssystem. Dieser Konflikt hat sich auch in den untersuchten Reallaboren regelmäßig anhand der Frage um die Verwendbarkeit der entstandenen Forschungsergebnisse offenbart: »Das ist das Problem bei Forschung allgemein. Das ist für dich auch nur ein Projekt, das du irgendwann abschließen willst. Du gewinnst wissenschaftliche Erkenntnisse, aber das ist letztendlich eine Masterarbeit oder eine Promotion, die oft nur in wissenschaftlichen Kreisen zirkuliert. Für die Praxis und unser Alltagsgeschäft ist es total wichtig, wenn was rauskommt, das verwertbar ist. Wissen, wie wir es in Zukunft besser machen können« (Reallabor Praxispartner 4). Das Zitat unterstreicht den Konflikt zwischen Zweckfreiheit und Nützlichkeit. Wissenschaftliche Themen gelten in der Praxis mitunter als »Elfenbeinforschung«, gleichermaßen genügen manche Fragestellungen aus der Praxis gerade an Universitäten nicht den Anforderungen an die nötige wissenschaftliche Forschungstiefe. Die Reallaborformate haben hierfür bisher keine Lösung finden können, die vorherrschenden Strukturen des universitären Wissenschaftssystem bieten für eine Lösungsfindung wenig Raum. Um Reallaborforschung weiterhin auch an Universitäten durchführen zu können, bedarf es einer Anpassung der Wissenschaftspolitik an die Spezifika der Reallabore – oder aber Reallabore werden zukünftig vorwiegend an Fachhochschulen durchgeführt, wo die Differenz zwischen wissenschaftlicher Forschung und praktischer Anwendung traditionell geringer ist.
7. Fazit
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Übergreifende Schlussfolgerungen
Ausgehend von den theoretischen, methodologischen Rahmensetzungen sowie den empirischen Ergebnissen werden nachfolgend drei übergreifende Schlussfolgerungen formuliert. Mit der vorliegenden Arbeit konnte zum einen aufgezeigt werden, dass die beiden experimentellen Formate IBA und Reallabor geeignete Stadtentwicklungsinstrumente darstellen, um die Veränderungen, die mit der wissensgesellschaftlichen Transformation einhergehen, begleiten als auch gestalten zu können. Auch wenn die Analyse gleichermaßen dargelegt hat, dass die deren Steuerungsfähigkeit u. a. aufgrund des temporären Charakters und der Wirksamkeit aktueller Strukturen noch geringer ist, wird jedoch eines deutlich: über die beiden Instrumente wurden (Möglichkeits-)Räume erzeugt, in welchen neue Akteure integriert, zusätzliche Schnittstellen etabliert und andere Verfahren der Planung und Beteiligung erprobt werden konnten. Die erste übergreifende Schlussfolgerung lautet daher, dass die beiden Instrumente einen Beitrag dazu leisten, gesellschaftliche Herausforderungen, wie sie mit der Wissensgesellschaft einhergehen, auf der lokalen Ebene von Stadt bearbeiten zu können. Sie erzeugen vor dem Hintergrund steigender Anforderungen an eine integrierte Stadtentwicklung Mehrwerte insbesondere aufgrund deren Beitrags zur institutionellen und räumlichen Vernetzung stadtgestaltender Akteure. Zum Zweiten hat die Reflexion der empirischen Ergebnisse vor dem Hintergrund der in den theoretischen Kapiteln herausgearbeiteten Einsichten zur wissensgesellschaftlichen Stadtentwicklung Kongruenzen als auch Leerstellen zwischen Theorie und Empirie offenbart. Diesen wird sich nachfolgend ausführlicher gewidmet. Hierzu werden im ersten Schritt diejenigen Charakteristika des Fallbeispiels herausgearbeitet, die dem Stand der Forschung zur wissensbasierten Stadtentwicklung entsprechen (Vgl. Kapitel 3.2). Anschließend werden die auf Basis der empirischen Analyse neu identifizierten KBUD-Charakteristika in vier Thesen dargestellt und kurz diskutiert. Die zweite übergreifende Schlussfolgerung lautet daher, dass die theoretischen Konzepte der wissensbasierten Stadt um neue Charak-
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teristika zu ergänzen sind. Die vorliegende Arbeit macht ein empirisch begründetes Diskussionsangebot zur konzeptionellen Erweiterung. Zum Dritten hat die Forschungsarbeit, anknüpfend an die zweite übergreifende Schlussfolgerung, den Bedarf der konzeptionellen Integration des Individuums für die Entstehung und Etablierung von Institutionen der wissensbasierten Stadtentwicklung aufzeigen können. Die Maßstabsebene des Individuums wird in den hier referierten Forschungsbeiträgen zur KBUD zwar nicht negiert, deren Bedeutung verbleibt jedoch im Vergleich mit der Meso-Ebene der funktional differenzierten Akteursgruppen und der geografischen Maßstabsebene Stadt mitunter unterreflektiert. Die dritte übergreifende Schlussfolgerung lautet somit, dass den inhärenten interpersonellen und individuellen Aspekten einer wissensbasierten Stadtentwicklung eine ausreichende Beachtung zukommen sollte. Dies wird im Anschluss an die Ausführungen zur zweiten übergreifenden Schlussfolgerung ausführlicher dargestellt. Die wissensbasierte Stadtentwicklung Heidelbergs wird angetrieben durch das Wachstum der lokalen Wissenschaftslandschaft und dem hohen Anteil Hochqualifizierter (Vgl. Abschnitt 3.2.1). Die Stadt Heidelberg, die sich nie als politisches oder industrielles Zentrum etablieren konnte, hat sich früh zum Ort für Wissenschaften entwickelt. Diese Position wurde stetig ausgebaut, indem u. a. Standortqualitäten gestärkt und auf die Ansiedlungsentscheidungen von Wissenschaftseinrichtungen und wissensintensiven Unternehmen als auch der Wissenschaftspolitik Einfluss genommen wurde (u. a. mittels Cluster-Ansätzen (Vgl. Abschnitt 3.2.3)). Standortvorteil war und ist die renommierte Universität und die sich stetig weiterentwickelnde Wissenschaftslandschaft, in den letzen Jahrzehnten insbesondere in naturwissenschaftlichen Feldern, welche vielgestaltige Austausch- und Kooperationsoptionen bergen: »The other thing I think is that as they [Verantwortliche der Standortentscheidung, Anm. KF] did not know anything about the future development of the molecular biology. They don‘t want to just work with the DKFZ and then simply become another cancer research institute. So the diversity of the institutes and research topics in Heidelberg is like a small guarantee that this will not happen. That they will be able to exchange with different institutes and types of knowledge and scientists. This should guarantee the interdisciplinarity approach that is important because the future was open« (Wissenschaften 2). Zu einem vergleichsweise frühen Zeitpunkt wurde Anfang der 1990er Jahre der Wissenstransfer als wesentlich für den Erfolg und die Zukunftsfähigkeit von Unternehmen und damit mittelfristig auch der Stadt erkannt. Vor diesem Hintergrund wurde synchron zum stetigen und meist ungeplantem räumlichen Wachstum der Wissenschaftslandschaft der Aufbau von Wissenschaft-Wirtschaft-Kopplungen strategisch vorangetrieben (begonnen mit der Gründung des Technologiepark,
7. Fazit
über die aktive Förderung von Forschungskooperationen und Transfereinrichtungen (Industry-on-Campus-Partnerschaften bis zu Beratungsdienstleistungen für Start-ups aus den Wissenschaftseinrichtungen). Vielgestaltige Triple-HelixBeziehungen wurden aufgebaut und die Vernetzung zwischen den systemischen Akteuren Wissenschaft, Wirtschaft und lokalem Staat intensiviert (Vgl. Abschnitt 3.2.1). Diese dynamische Wissenschaftslandschaft im Sinne der »intellectual capacity« ist eine charakeristische Ausdrucksform der wissensbasierten Stadt Heidelberg (Vgl. Abschnitt 3.2.2), die auch funktional über den Wissenstransfer eine Bedeutung für die Stadtentwicklung hat. So wird bereits seit einiger Zeit wissenschaftliche Expertise für kommunale Entwicklungsprozesse bspw. im Rahmen des Fachbeirats Bahnstadt oder der IBA-Vorphase, der Entwicklung der Leitlinien zur mitgestaltenden Bürgerbeteiligung sowie für Einzelplanungen zum B³ bzw. im Rahmen von Gutachtertätigkeiten mobilisiert. Dies jedoch meist punktuell und im Sinne einer Beratungsaufgabe. Auch die Bevölkerung wird über verschiedene Formate für die Teilhabe an lokalen Planungsprozessen aktiviert. Zwar kann hier nicht von einer Wissensproduktion im Modus 2 gesprochen werden, institutionelle und systemische Grenzen sind weiterhin prägend. Jedoch wird die Entstehung von übergreifenden Kommunikations- und Arbeitszusammenhängen befördert, auf dessen Basis sich »social capacity« ausbilden kann. Der gebaute Raum stellt ebenfalls ein strategisches Handlungsfeld der KBUD Heidelbergs dar (Vgl. Abschnitt 3.2.1). Bereits vor der IBA scheint das Paradigma der Wissensgesellschaft impliziter Bezugsrahmen für die räumliche Entwicklung gewesen zu sein: So wurde der jüngst entwickelte Stadtteil Bahnstadt mit einem rhetorischen Bezug auf den (weltweiten) Wettbewerb um Hochqualifizierte geplant und sollte insbesondere diesen Bevölkerungsgruppen attraktive Lebens- und Arbeitsorte bieten. Diese komprimierten Ausführungen verdeutlichen in ihrer Gesamtschau: Konzeptionelle Merkmale der wissensbasierten Stadtentwicklung (Vgl. Kapitel 3.2) stellen Bezugspunkte der Stadtentwicklung in Heidelberg dar. Die empirische Forschung hat weitere Charakteristika identifizieren können, die in den Forschungsbeiträgen zur KBUD unterrepräsentiert sind, jedoch als fruchtbare Ansätze für die Weiterentwicklung des Konzepts betrachtet werden. Diese werden, als vier Thesen formuliert, nachfolgend dargestellt. These 1: Intermediäre Akteure sind aufgrund ihrer Schnittstellen wichtige Akteure einer wissensbasierten Stadtentwicklung Die empirische Analyse hat die in der theoretischen Literatur zur KBUD beschriebenen Such- und Integrationsprozesse von neuen Akteuren der Stadtentwicklung für das Fallbeispiel Heidelberg bestätigen können (Fichter et al. 2004; Matthiesen und Mahnken 2004). Integriert werden jedoch nicht ausschließlich Wissenschaftseinrichtungen und wissensintensive Unternehmen, d. h. Akteure jeweils
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Stadtentwicklung in der Wissensgesellschaft
unterschiedlicher institutioneller Sphären, die miteinander und mit dem lokalen Staat entlang einer Wirkungskette aus Wissensgenerierung und -anwendung kooperieren. Im Fallbeispiel zeigt sich die Bedeutung bisher unterrepräsentierter Akteure. Die beiden Intermediäre IBA und Reallabor wirken in ihrer Organisationsform und Tätigkeit systemübergreifend, stellen systemische Grenzziehungen infrage und tragen zur Entstehung von Schnittstellen zwischen funktional differenzierten Akteuren bei (Vgl. Abschnitt 5.1.1). Gleichzeitig spielen sie als Plattformen eine wichtige Rolle im Aktivieren und Vernetzen weiterer Akteure und deren Wissensbeständen sowie im Aufspüren neuer relevanter Themen für die Stadtentwicklung (Vgl. Kapitel 5.1). Beide Instrumente haben experimentelle Formate entwickelt und ermöglichen über diese systemübergreifende Lernprozesse zwischen Akteursgruppen. Mit den Formaten wird insofern darauf reagiert, dass der wissensgesellschaftliche Wandel nicht nur die Kopplung systemischer Akteure befördert, sondern ebenfalls zur Porosität systemischer Grenzen beiträgt. Weiterhin konnte aufgezeigt werden, dass die Intermediäre den wissensgesellschaftlichen Wandel ebenfalls innerhalb systemischer Akteursgruppen vermitteln, indem sie neue Aufgabenwahrnehmung und Arbeitsformen etablieren (Vgl. Abschnitt 5.1.2 und 5.3.1). IBA und Reallabore sind vor diesem Hintergrund wichtige Experimentierfelder und gleichzeitig aktive Vehikel einer wissensbasierten Entwicklung, indem sie Interaktionsorientierungen und Handlungsorientierungen hinterfragen, neue Räume der Wissensgenerierung etablieren und die Vernetzung von Akteuren befördern. Dadurch tragen sie zur Entstehung neuer Institutionen bei. Trotz dieser Funktion werden intermediäre Akteure in den Fachbeiträgen kaum beforscht. Am Beispiel der Reallabore konnte die zunehmende Porosität systemischer Grenzen und die produktive Nutzbarmachung der entstandenen Verbindungen beobachtet werden. In der Hochschulforschung wird die Ausdifferenzierung des Rollenverständnisses von Hochschulen (Hechler et al. 2018; Hechler und Pasternack 2018) sowie die Pluralisierung von Orten der Wissensgenerierung in der Wissenschaftsforschung (Gibbons et al. 1994) bereits seit einigen Jahren diskutiert. Mit dem transdisziplinären Forschungsformat Reallabor wird nun die aktivere Befassung der Hochschulen mit gesellschaftlichen Problemstellungen politisch befördert. Anstatt punktueller Verbindungen (z. B. durch Gutachtertätigkeiten) werden längerfristige Kooperationen zwischen funktional differenzierten Akteuren aufgebaut. Die Reallabore haben den wissenschaftlichen Erkenntnisprozess an den gesellschaftlichen Bedarfen ausgerichtet und ihn für nicht-wissenschaftliche Akteure geöffnet (Vgl. Abschnitt 5.1.2). Die in diesem Zuge entstandenen neuen Akteurskonstellationen und die Integration von lokalem sowie Alltagswissen in die akademische Wissensproduktion sind kein Selbstzweck, sondern befördern die Absicherung des erzeugten Wissens als auch die produktive Wissensanwendung für dringliche gesellschaftliche Fragestellungen. Die Relevanz sozial robusten Wissens für Stadtentwicklung nimmt stetig zu, transdisziplinäre Formate nehmen
7. Fazit
für dessen Generierung eine wichtige Rolle ein. Wissen wird somit nicht auf die Funktion als Wettbewerbs- und Wirtschaftsfaktor verkürzt, sondern als Baustein lokalgesellschaftlicher Lernprozesse verstanden. Dieser Bewertungswandel von Wissen, der auch durch die Reallabore befördert wird, findet in den theoretischen Beiträgen zur wissensbasierten Stadtentwicklung kaum Widerhall, wohl aber in den Publikationen zur Hochschulforschung (Vgl. Abschnitt 3.2.1) bzw. der Wissenschaftssoziologie/ Wissenschaftsforschung (Vgl. Kapitel 2.1). These 2: Wissensbasierte Stadtentwicklung erzeugt vielfältige »Räume« Die empirischen Erkenntnisse hinsichtlich den »Räumen« einer wissensbasierten Stadtentwicklung zeigen Kongruenzen zu den theoretischen Forschungen als auch Leerstellen. Zwei ergänzende Charakteristika einer wissensbasierten Stadt können aus der Fallstudie abgeleitet werden. Bestätigt werden konnten zunächst die Erkenntnisse von Lisowksi et al. (2011) und Fromhold-Eisebith (2009), wonach die strategische Vision der wissensbasierten Stadtentwicklung eine Integration in den lokalen Diskursraum erfahren müsse. Über den Diskurs kann die notwendige Aufmerksamkeit einer Vielzahl von Akteuren generiert werden; er stimuliert Beteiligungsbereitschaft. Im Diskursraum müssen meinungsstarke Persönlichkeiten mit Ausstrahlungskraft stehen – dies gerade vor der empirisch begründeten Einsicht, dass der Diskurs die Anschlussfähigkeit der Akteursgruppen befördert (These 1; Vgl. Abschnitt 5.2.1). Vor diesem Hintergrund können die theoretischen Fachbeiträge reflektiert werden: Die Etablierung eines Diskurses richtet sich nicht allein funktional an die Stadtgesellschaft, deren Integration konzeptionell jedoch meist adressiert wird – der Diskurs ist ebenfalls für die beteiligten systemischen Akteure selbst von Bedeutung. Bestätigung erhält diese These durch die empirischen Ergebnisse zur Resonanzfähigkeit. Diese heben ebenfalls die Notwendigkeit eines lokalen Diskurses hervor. Die Fallstudie zeigt teilweise einen Mangel an Resonanzfähigkeit bei drei klassischen Akteursgruppen einer KBUD – der lokalen Wissenschaftslandschaft, dem (politisch-)administrativen System sowie der Stadtgesellschaft – gegenüber dem formulierten Problem- bzw. Chancendiskurs Wissen|schafft|Stadt (Vgl. Kapitel 6.1). Diskurs und Resonanzfähigkeit stehen dabei in einem Verhältnis gegenseitiger Bedingtheit. Resonanzfähigkeit ist daher ebenfalls als Charakteristikum einer wissensbasierten Stadtentwicklung zu verstehen, wird aber in seiner Bedeutung in den theoretischen Beiträgen kaum reflektiert. Dies wird als konzeptionelle Leerstelle angesehen: Resonanz kommt für die Wahrnehmung von Mehrwerten eine bewirkende Bedeutung zu. Der Aspekt des Mehrwerts selbst wird in der Literatur regelmäßig diskutiert und gilt wiederum als Grundvoraussetzung für das aktive Handeln von Akteuren. Unterreflektiert bleibt dabei jedoch, dass die Konzepte zur wissensbasierten Stadt ein spezielles Deutungsangebot machen. Dieses Deutungs-
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angebot aus Problembeschreibung und Lösungsangebot muss geteilt werden, es muss Resonanz erfahren. Resonanz auf das Angebot Wissen|schafft|Stadt der IBA stellt sich, wie die Fallstudie gezeigt hat, jedoch auch in einer wissensbasierten Stadt nicht selbstverständlich ein. Die Erkenntnis eines sich ausdifferenzierenden Narrativs der wissensbasierten Stadtentwicklung stellt ein weiteres raumbezogenes Ergebnis der Fallstudie dar. Auch wenn das dominante Narrativ, welches Wissen als Wettbewerbs- und Wirtschaftsfaktor fasst und vor diesem Hintergrund die insbesondere ökonomisch produktive Kooperation von Wissenschaftseinrichtungen, Unternehmen und Kommune weiterhin deutlich raumgreifender ist, ko-existieren weitere Narrative. Durch diese wird die Entstehung neuer konzeptioneller, institutioneller und nicht zuletzt physisch-materieller Möglichkeitsräume befördert. Der lokale Diskursraum erzeugt somit kein kongruentes räumliches Narrativ, er ermöglicht vielmehr die Entstehung disparater Raumnutzungen. Alternative Vorstellungen einer wissensbasierten Stadt können insofern ebenfalls realisiert werden (Vgl. Abschnitt 5.2.2) – eine Erkenntnis, die in Veröffentlichungen zur KBUD mit einem spezifischen Handreichungscharakter bisher kaum Aufmerksamkeit erfährt. Der in der Fallstudie skizzierte Verantwortungsdiskurs hinsichtlich der Gestaltung, Erhaltung und Bespielung des öffentlichen Raums als gemeinsamer Sache (»res publica«) von (institutionellen) StadtnutzerInnen und der Kommune stellt ein weiteres Diskussionsangebot für die theoretische Konzeption der wissensbasierten Stadtentwicklung dar. Regelmäßig wird mit einer KBUD auch der Aspekt der Partizipation beschworen, seltener wird darin hingegen die Frage nach geteilter Verantwortung für Stadt gestellt. Am Beispiel des Projekts »der Andere Park« wurde dargestellt, dass die Verantwortlichkeit nicht-öffentlicher Akteure für städtische Qualitäten ebenfalls als Charakteristikum des wissensgesellschaftlichen Wandels verstanden werden kann (Vgl. Abschnitt 5.2.3). These 3: Die Entstehung einer wissensbasierten Stadt bedarf struktureller Veränderungen Die Forschungen zur wissensbasierten Stadtentwicklung fokussieren regelmäßig auf die Beziehung zwischen den funktional differenzierten Akteuren einer KBUD (Matthiesen und Mahnken 2004; Jähnke und Mahnken 2007; McCartney et al. 2010). Die Entstehung neuer Netzwerkstrukturen zwischen diesen systemischen Akteuren sind zugleich Zielsetzung als auch Umsetzungsvehikel einer KBUD. Diese Annahmen werden durch die Fallstudie gestützt. Allerdings führt die konzeptionelle Betonung dieser spezifischen Beziehungsdimension dazu, systemimmanente Strukturanpassungsprozesse zu übersehen. Im Fallbeispiel konnte in der Anpassung systemimmanenter Organisationsstrukturen ein Baustein einer integrierten wissensbasierten Stadtentwicklung identifiziert werden (Vgl. Abschnitt 5.3.1). Wissensbasierte Stadtentwicklung umfasst somit nicht nur neue Strukturen
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zwischen systemischen Akteursgruppen, sondern auch Strukturveränderungen innerhalb systemischer Akteure, in der vorliegenden Fallstudie der Verwaltung. Eine Leerstelle in den Forschungen zur wissensbasierten Stadt stellt ebenfalls mitunter das Thema des Vertrauens dar. Während Vertrauen in den akteurszentrierten Forschungen zu Lernprozessen und Wissensaustausch prominent diskutiert wird, wird es auf der Meso-Ebene in den KBUD-Konzepten oftmals als per se existent markiert. Nur selten wird es in seiner zentralen Funktion als Ermöglicher einer wissensbasierten Stadt untersucht. Ausnahmen bilden Beiträge von Fichter et al. (2004) und Fromhold-Eisebith (2009). Die empirische Analyse hat indes Vertrauen als wesentlichen Mechanismus einer KBUD herausstellen können (Vgl. Abschnitt 5.3.2). Vertrauen ist nicht nur im BürgerIn-Staat-Verhältnis von Bedeutung (diese Dimension erhält mittlerweile größere Aufmerksamkeit), Vertrauen konstituiert ebenfalls das persönliche als auch professionelle Verhältnis von Beteiligten einer KBUD und nimmt für eine von kooperativem Handeln abhängige Stadtentwicklungsstrategie eine wichtige strukturelle, oft jedoch nicht ausreichend berücksichtigte Rolle ein. These 4: Wissensbasierte (Stadt-)Entwicklung benötigt Ressourcen Der analytische Blick auf die mobilisierten Ressourcen der beiden Instrumente konnte ebenfalls eine teilweise Leerstelle in den Forschungen zur wissensbasierten Stadtentwicklung offenlegen. Diesbezügliche Fachbeiträge negieren zwar nicht den notwenigen Mehreinsatz von Ressourcen für die Umsetzung der Entwicklungsvision, sie stellen jedoch die bereitgestellten materiellen und autoritativen als auch individuellen und institutionellen Ressourcen nur selten in den Forschungsfokus (Matthiesen und Bürkner 2004; Yigitcanlar et al. 2008; Moritz 2016; Hilkmann 2017). Mitunter verbleibt der Ressourceneinsatz und damit auch dessen Bedeutung für die Umsetzung der Stadtentwicklungsstrategie unterreflektiert. Diese Lücke konnte für die beiden Instrumente der Fallstudie bearbeitet werden (Vgl. Kapitel 6.2). Die empirische Analyse hat gezeigt, dass Ressourcen zur Umsetzung nur zögerlich mobilisiert werden, dies sowohl hinsichtlich materieller als auch autoritativer Ressourcen. In Summe liefert die Fallstudie zum einen ein empirisch begründetes Diskussionsangebot zur Weiterentwicklung der Konzepte der wissensbasierten Stadtentwicklung. Die am Beispiel Heidelbergs abgeleiteten Erkenntnisse benennen ergänzende Dimensionen einer wissensbasierten Stadtentwicklung und illustrieren gleichzeitig die damit verbundenen Herausforderungen. Zum anderen zeigt die Fallstudie, dass Reallabore und IBA als strategische Instrumente der Stadtentwicklung vor dem Hintergrund der wissensgesellschaftlichen Transformation fungieren können. Es wurde jedoch gleichermaßen deutlich, dass für die Heidelberger Stadtentwicklung ein Spektrum an Handlungs-, Koordinations- und Steuerungs-
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mechanismen zwischen Veränderung und einem Festhalten am Status quo charakteristisch ist. Der These, dass sich die Heidelberger Stadtentwicklung vor dem Hintergrund der wissensgesellschaftlichen Transformation umfassend gewandelt hat, kann im Angesicht der Forschungsergebnisse nicht zugestimmt werden. Die lokale Stadtentwicklungspraxis scheint gegenwärtig nicht umfassend durch neue Institutionen einer wissensbasierten Stadt bestimmt zu werden. Zur Einordnung dieser Erkenntnis können Forschungsansätze herangezogen werden, die über die Betrachtung der Mikroebene einen Erklärungsansatz für das Entstehen von Institutionen anbieten. Die Forschungsbeiträge, auf die sich die vorliegende Arbeit theoretisch stützt, zeigen diesbezüglich ein heterogenes Bild: Einige Arbeiten beforschen Wissensmilieus und -netzwerke auf einer Mikroebene. Individuelle Akteure und deren Bedeutung für die Entstehung von Institutionen werden in den Fokus gestellt (Fichter et al. 2004; Matthiesen und Bürkner 2004; Jähnke 2009). Andere Forschungsbeiträge setzen sich hingegen mit einer KBUD als strategischem Entwicklungskonzept auseinander und beziehen sich daher vorwiegend auf die Ebene überindividueller und systemischer Akteursgruppen (McCartney et al. 2010; van Winden 2010; Moritz 2016; Hilkmann 2017). In diesen zweitgenannten Forschungsbeiträgen erhalten die Entstehungsbedingungen von Institutionen meist geringere Aufmerksamkeit. Die erstgenannten Forschungsansätze können daher in höherem Maße für die Einordnung der hier präsentierten Ergebnisse fruchtbar gemacht werden. Diese Ansätze betonen die Bedeutung sozialer Interaktionen, definiert als Informations- und Kommunikationsstrukturen zwischen Individuen, für die Entstehung von Institutionen (Martin 2009). Durch Wiederholung personengebundener Interaktionen entwickeln sich personenunabhängige Institutionen. Die Konzepte der wissensbasierten Stadt haben vor diesem Hintergrund einen starken Konnex zur Mikroebene. Dieser ist jedoch in denjenigen Forschungsbeiträgen unterreflektiert, die überwiegend auf die überindividuelle und systemische Ebene wissensbasierter Stadtentwicklung fokussieren. Diese Perspektive kann insofern problematisiert werden, da erkannt wurde, dass individuelle Interaktionen den Ausgangspunkt intersubjektiv geteilter Institutionen bilden. Als dritte übergreifende Schlussfolgerung der Fallstudie kann insofern auf die Rolle des Individuums für die Etablierung von neuen Institutionen der wissensbasierten Stadtentwicklung verwiesen werden. Die Wirkungskette von sozialen Interaktionen und intersubjektiven Institutionen stellt sich auf Basis der empirischen Ergebnisse für die Fallstudie als im Aufbau begriffen dar. Die Generalisierung und Abstraktion von durchaus existierenden sozialen Interaktionsmustern ist nicht umfassend vollzogen. Soziale Interaktionsmuster weisen weiterhin einen Bezug auf das spezifische Gegenüber auf. Sie sind damit personenabhängig, bedürfen jedoch für die Entstehung von Institutionen einer Abstrahierung vom Individuum. Die Rollenveränderungen als auch neue Interaktionszusammenhänge vor dem Hintergrund wissensgesellschaftlicher Trans-
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formationsprozesse, die in den empirischen Kapiteln geschildert wurden, existieren jedoch kaum losgelöst von ihren individuellen Bezügen. Tradierte rollenbezogene Gewissheiten, auf deren Basis sich die Bildung bisher wirksamer Institutionen vollzogen hat – »der apolitische Wissenschaftler« und »die technokratische Stadtplanerin« –, sind als verlässliche Bezugspunkte vor dem Hintergrund des wissensgesellschaftlichen Wandels in Auflösung begriffen, deren Orientierungsfunktion vermindert sich. Neue Rollenvorstellungen bilden sich trotz teilweise verstetigter Interaktions- und Kommunikationsstrukturen nur schrittweise und allmählich aus. Die ExpertInnengespräche haben bisweilen eine Verunsicherung mit tradierten als auch neuen Rollen wie auch Prozesse der Selbstversicherung offenbart. Gleichzeitig zeigte sich ebenso die Entstehung und gleichermaßen Wertschätzung neuer Interaktionszusammenhänge. Die beiden Instrumente IBA und Reallabor haben ihrerseits Gelegenheitsstrukturen und Räume für soziale Interaktionen und neue Vernetzungsformen bereitgestellt. Die Interaktionen sind jedoch meist auf das individuelle Gegenüber bezogen und haben sich noch nicht von diesem losgelöst. Ein Befund, der kein Fazit darstellt, sondern vielmehr den graduellen Charakter von Transformation betont.
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Ausblick
Das mit diesem Beitrag unterbreitete Diskussionsangebot birgt für die theoriegeleitete Reflektion der Konzepte der wissensbasierten Stadtentwicklung einen wissenschaftlichen Mehrwert. Potenziale werden ebenfalls hinsichtlich der Übertragund Nutzbarkeit von Erkenntnissen für die empirische Stadtforschung gesehen. Das Setting der vorliegenden Arbeit ist zwar einmalig – keine Stadt richtet eine IBA mit dem Thema Wissen|schafft|Stadt aus und ist gleichzeitig Praxispartnerin dreier transdisziplinär-transformativer Reallabore. Jedoch gilt: Trotz des einmaligen Rahmens dieser Fallstudie handelt es sich hierbei nicht um eine Forschungsarbeit a la L’art pour l’art. Stadtentwicklung in den Städten des globalen Nordens findet, trotz unterschiedlicher Ausgangsbedingungen gerade hinsichtlich der lokalen Wissenschaftslandschaft, im Kontext vergleichbarer Fragestellungen und Herausforderungen statt. Die im Fallbeispiel analysierten Suchprozesse existieren über den Einzelfall hinaus für eine größere Anzahl von Städten, die in der wissensgesellschaftlichen Transformation Chancen für sich entdecken. Der Übergang zu wissensbasierten Ökonomien als auch die Notwendigkeit gesellschaftlicher Transformation vor dem Hintergrund von Klimawandel, Migration und Digitalisierung befördern die Herauslösung aus tradierten systeminternen Beziehungsmustern und den Aufbau enger Multiakteursbeziehungen zwischen den diese Gesellschaften kennzeichnenden hochspezialisierten Systemen. Vielerorts wird daran gearbeitet, wissenschaftliche Erkenntnisse und gesellschaftliche Diskurse zu verbinden
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formationsprozesse, die in den empirischen Kapiteln geschildert wurden, existieren jedoch kaum losgelöst von ihren individuellen Bezügen. Tradierte rollenbezogene Gewissheiten, auf deren Basis sich die Bildung bisher wirksamer Institutionen vollzogen hat – »der apolitische Wissenschaftler« und »die technokratische Stadtplanerin« –, sind als verlässliche Bezugspunkte vor dem Hintergrund des wissensgesellschaftlichen Wandels in Auflösung begriffen, deren Orientierungsfunktion vermindert sich. Neue Rollenvorstellungen bilden sich trotz teilweise verstetigter Interaktions- und Kommunikationsstrukturen nur schrittweise und allmählich aus. Die ExpertInnengespräche haben bisweilen eine Verunsicherung mit tradierten als auch neuen Rollen wie auch Prozesse der Selbstversicherung offenbart. Gleichzeitig zeigte sich ebenso die Entstehung und gleichermaßen Wertschätzung neuer Interaktionszusammenhänge. Die beiden Instrumente IBA und Reallabor haben ihrerseits Gelegenheitsstrukturen und Räume für soziale Interaktionen und neue Vernetzungsformen bereitgestellt. Die Interaktionen sind jedoch meist auf das individuelle Gegenüber bezogen und haben sich noch nicht von diesem losgelöst. Ein Befund, der kein Fazit darstellt, sondern vielmehr den graduellen Charakter von Transformation betont.
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Das mit diesem Beitrag unterbreitete Diskussionsangebot birgt für die theoriegeleitete Reflektion der Konzepte der wissensbasierten Stadtentwicklung einen wissenschaftlichen Mehrwert. Potenziale werden ebenfalls hinsichtlich der Übertragund Nutzbarkeit von Erkenntnissen für die empirische Stadtforschung gesehen. Das Setting der vorliegenden Arbeit ist zwar einmalig – keine Stadt richtet eine IBA mit dem Thema Wissen|schafft|Stadt aus und ist gleichzeitig Praxispartnerin dreier transdisziplinär-transformativer Reallabore. Jedoch gilt: Trotz des einmaligen Rahmens dieser Fallstudie handelt es sich hierbei nicht um eine Forschungsarbeit a la L’art pour l’art. Stadtentwicklung in den Städten des globalen Nordens findet, trotz unterschiedlicher Ausgangsbedingungen gerade hinsichtlich der lokalen Wissenschaftslandschaft, im Kontext vergleichbarer Fragestellungen und Herausforderungen statt. Die im Fallbeispiel analysierten Suchprozesse existieren über den Einzelfall hinaus für eine größere Anzahl von Städten, die in der wissensgesellschaftlichen Transformation Chancen für sich entdecken. Der Übergang zu wissensbasierten Ökonomien als auch die Notwendigkeit gesellschaftlicher Transformation vor dem Hintergrund von Klimawandel, Migration und Digitalisierung befördern die Herauslösung aus tradierten systeminternen Beziehungsmustern und den Aufbau enger Multiakteursbeziehungen zwischen den diese Gesellschaften kennzeichnenden hochspezialisierten Systemen. Vielerorts wird daran gearbeitet, wissenschaftliche Erkenntnisse und gesellschaftliche Diskurse zu verbinden
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und in der Stadt Orte zu schaffen, an denen es gelingt, Wissen zu vernetzen und unterschiedliche gesellschaftliche Gruppen einzubinden. Zielsetzung ist nicht, institutionelle, organisationale, kognitive oder soziale Differenzen zwischen Personen, Systemen und Orten einzuebnen, sondern sie produktiv aufeinander zu beziehen. So wird die eindrückliche Forderung an die institutionalisierten Wissenschaften formuliert, sie mögen den »Elfenbeinturm« verlassen und ihren Platz mitten in der Gesellschaft einnehmen – dies sowohl in räumlicher als auch in institutioneller Hinsicht. An dieser Stelle zeigt sich der Mehrwert der Untersuchung trotz der spezifischen Raum- und Zeitlichkeit des Fallbeispiels. Mit der Forschungsperspektive auf institutionell-organisationale wie auch räumliche Dimensionen der beiden Instrumente konnten Meilensteine und Herausforderungen wissensgesellschaftlicher Veränderungsprozesse auf der lokalen Ebene analysiert werden. Die hier präsentierten Erkenntnisse benennen Rahmenbedingungen der Entwicklungsprozesse und skizzieren Elemente der institutionell-organisationalen Vernetzungen, die im Kern kontemporärer Veränderungsprozesse stehen. Diese sind unter Berücksichtigung des lokalspezifischen Kontexts für die Analyse anderer Städte anzuwenden. Aus den Ergebnissen der Fallstudie kann nichtsdestotrotz weiterer Forschungsbedarf abgeleitet werden. Die IBA sowie die Reallabore wurden hier als Instrumente für die Bearbeitung wissensgesellschaftlicher Transformationsimpulse verstanden, sie haben Möglichkeitsräume erzeugt, gemeinsam und temporär (!) Stadtentwicklung zu betreiben. Nach Ende der IBA-Laufzeit im Jahr 2022 sollten die Experimente IBA und Reallabor einer weiteren Reflexion unterzogen werden. Dies ist zum einen von wissenschaftlichem Interesse, in dessen Bearbeitung die hier formulierten Erkenntnisse und Thesen fruchtbar gemacht und überprüft werden sollten. Zum anderen sollte eine solche Reflektion ebenfalls Thema der lokalen Praxis sein: Es muss einer Stadt, die auch mittels der beiden Instrumente IBA und Reallabore reich an Erfahrungen mit Öffnungs- und Integrationsprozessen wurde, als obligatorisch gelten, sich mit der Bedeutung, den Grundlagen sowie den Möglichkeiten für eine kooperative wissensbasierte Zukunft auseinanderzusetzen. Hier existiert, ggf. transdisziplinärer, Forschungsbedarf. Hochschulen sollten ebenfalls die sie gleichermaßen betreffenden Veränderungsprozesse untersuchen – sowohl hinsichtlich inter- und transdisziplinärer Forschung und Lehre als auch hinsichtlich Aktivitätseffekten sowie dem (lokalen) Selbstverständnis. Es gilt anzuerkennen, dass sich in veränderlichen Umwelten ebenfalls Hochschulen ihrer Rollen versichern müssen. Die Gesellschaft erwartet sich von den institutionalisierten Wissenschaften zusätzlich zu grundlagenorientierter Forschung einen originären Beitrag zum Lösungsfindungsprozess gesellschaftlicher Problemstellungen. An dieser Stelle kann weiterer Forschungsbedarf entstehen: Beiträge aus der Reallaborforschung haben wichtige Erkenntnisse über die Etablierung wissenschaftlicher Arbeits- und Erkenntnis-
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prozesse zwischen WissenschaftlerInnen und PraxisakteurInnen generiert. Das Forschungsgebiet der Hochschulforschung beschäftigt sich unterdessen mit den wachsenden Aufgaben und neuen Rollen von Hochschulen vor dem Hintergrund des wissensgesellschaftlichen Wandels. Beide Forschungsansätze gilt es stärker aufeinander zu beziehen und den Fokus auf die Organisation Hochschule und deren Transformationsaufgabe zu richten. Die Folgen sich verstärkender Spezialisierung und Verfestigung disziplinärer Strukturen im Wissenschaftssystem sind vor den steigenden gesellschaftlichen Ansprüchen an disziplinübergreifende Forschung und Lehre zu reflektieren; die Schnittstelle Wissenschaft und Gesellschaft muss steig austariert werden. Während insbesondere die naturwissenschaftlichtechnischen Disziplinen mit Lizenz- und Patentpolitik und Gründungsförderung über Erfahrungswerte an dieser Schnittstelle verfügen, gilt dies in weitaus geringerem Maße für sozial- und gesellschaftswissenschaftliche Disziplinen. Mit den transdisziplinären Lehrangeboten der Reallabore wurden erste (temporäre) Schritte vollzogen, allerdings fehlt das flächendeckende und dauerhafte Angebot der Hochschulen an community based research. Hier gilt es, hochschulbezogene Kompetenzen auszubauen und neue transdisziplinäre Praktiken zu etablieren und zu reflektieren. Eine wissensbasierte Stadtentwicklung integriert mit Unternehmen, Hochschulen und Zivilgesellschaft drei diskursstarke Akteursgruppen in Stadtentwicklungsprozesse. Die empirische Analyse hat gezeigt, dass dies vom lokalen Staat einen Kapazitätsaufbau hinsichtlich seiner moderierenden und koordinierenden Rolle in instrumenteller, materieller und institutioneller Dimension erfordert. Er ist keineswegs nur Zuschauer einer Stadtentwicklung, die sich Belangen der Wissensentwicklung zuwendet. Mit dem Anspruch einer wissensbasierten Stadt sind die Modi der Integration von existierenden Differenzierungen auszubauen. Tradierte Instrumente sind für diese Aufgabe nur bedingt nutzbar. Es bedarf innovativer Instrumente und deren wissenschaftlicher Überprüfung. Einige Forschungsarbeiten mit empirischem Fokus auf in der Praxis angewendete Instrumente (bspw. Masterplan, Stabsstelle, strategische Arbeitskreise, Kooperationsvereinbarung, Stadtwettbewerbe, Netzwerkkoordination, baulicharchitektonische Ansätze oder hier: eine städtische IBA GmbH) liegen bereits vor. Zukünftige Forschungen können durch einen Perspektivwechsel einen wichtigen Forschungsbeitrag leisten und anstatt auf den empirischen Einzelfall (hinsichtlich des Ortes der Fallstudie als auch dem Instrument) über bspw. analytische Vergleichsstudien Syntheseleistungen erzeugen. Die KBUD-Konzepte formulieren strategische Impulse für die städtebaulicharchitektonische Dimension von Stadt. Die Sichtbarkeit von Wissen(schaft)seinrichtungen und deren Integration in die zentralen Stadträume liegt im Kern des Ansatzes. Die vorliegende Fallstudie hat sich zwar mit der räumlichen Dimension wissensbasierter Stadtentwicklung beschäftigt, diese aber mehr als Vehikel für die
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Analyse und gleichermaßen als Anschauungsbeispiel für institutionelle Veränderungen genutzt. Insofern besteht in Anlehnung an van Winden (2010) weiterhin Forschungsbedarf zu den prominet diskutierten räumlichen Konfigurationen einer urbanen Wissensgesellschaft (z. B. »knowledge quarters«). Diese werden zahlreich geplant und realisiert, deren Evaluation hat im Gegensatz zu den Technologieund Innovationsparks bisher jedoch geringere Aufmerksamkeit erfahren (Poonjan und Tanner 2018). Auch im Wissen um die Herausforderung der Erarbeitung einer belastbaren Evaluationsmethodik wird hier weiterer Forschungsbedarf konstatiert. Es gilt, abseits von Pathos und Aktionismus wissenschaftlich zu erforschen, inwiefern diese räumlichen Konfigurationen den hohen Erwartungen gerecht werden.
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Anhang
Aufstellung interviewter Personen
Geographie Lisa Maschke, Michael Mießner, Matthias Naumann
Kritische Landforschung Konzeptionelle Zugänge, empirische Problemlagen und politische Perspektiven 2020, 150 S., kart., 3 SW-Abbildungen 19,50 € (DE), 978-3-8376-5487-5 E-Book: PDF: 17,99 € (DE), ISBN 978-3-8394-5487-9
Susann Schäfer, Jonathan Everts (Hg.)
Handbuch Praktiken und Raum Humangeographie nach dem Practice Turn 2019, 396 S., kart., 5 SW-Abbildungen 29,99 € (DE), 978-3-8376-4603-0 E-Book: PDF: 26,99 € (DE), ISBN 978-3-8394-4603-4
Ian Klinke
Bunkerrepublik Deutschland Geo- und Biopolitik in der Architektur des Atomkriegs 2019, 256 S., kart., 21 SW-Abbildungen 29,99 € (DE), 978-3-8376-4454-8 E-Book: PDF: 26,99 € (DE), ISBN 978-3-8394-4454-2 EPUB: 26,99 € (DE), ISBN 978-3-7328-4454-8
Leseproben, weitere Informationen und Bestellmöglichkeiten finden Sie unter www.transcript-verlag.de
Geographie Lynn Berg, Jan Üblacker (Hg.)
Rechtes Denken, rechte Räume? Demokratiefeindliche Entwicklungen und ihre räumlichen Kontexte 2020, 286 S., kart., 29,00 € (DE), 978-3-8376-5108-9 E-Book: kostenlos erhältlich als Open-Access-Publikation PDF: ISBN 978-3-8394-5108-3
Bastian Lange, Martina Hülz, Benedikt Schmid, Christian Schulz (Hg.)
Postwachstumsgeographien Raumbezüge diverser und alternativer Ökonomien 2020, 456 S., kart., 29,00 € (DE), 978-3-8376-5180-5 E-Book: kostenlos erhältlich als Open-Access-Publikation PDF: ISBN 978-3-8394-5180-9
Manuel Trummer, Anja Decker (Hg.)
Das Ländliche als kulturelle Kategorie Aktuelle kulturwissenschaftliche Perspektiven auf Stadt-Land-Beziehungen 2020, 330 S., kart., 39 SW-Abbildungen 39,00 € (DE), 978-3-8376-4990-1 E-Book: PDF: 38,99 € (DE), ISBN 978-3-8394-4990-5
Leseproben, weitere Informationen und Bestellmöglichkeiten finden Sie unter www.transcript-verlag.de