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German Pages 508 Year 2016
Marina Stalljohann-Schemme Stadt und Stadtbild in der Frühen Neuzeit
bibliothek altes Reich
Herausgegeben von Anette Baumann, Stephan Wendehorst und Siegrid Westphal
Band 21
Marina Stalljohann-Schemme
Stadt und Stadtbild in der Frühen Neuzeit Frankfurt am Main als kulturelles Zentrum im publizistischen Diskurs
Die vorliegende Studie wurde im Wintersemester 2015/2016 vom Fachbereich 1 Kultur- und Sozialwissenschaften der Universität Osnabrück als Dissertation angenommen. Für die Drucklegung wurde sie geringfügig überarbeitet. Die Studie wurde vom Niedersächsischen Ministerium für Wissenschaft und Kultur (MWK) gefördert.
ISBN 978-3-11-050145-2 e-ISBN (PDF) 978-3-11-050332-6 e-ISBN (EPUB) 978-3-11-049871-4 ISSN 2190-2038 Library of Congress Cataloging-in-Publication Data A CIP catalog record for this book has been applied for at the Library of Congress. Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2017 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston Umschlagabbildung: „Frankfurt am Main, Stadtansicht 1646. Kupferstich von Matthäus Merian dem Älteren. Exemplar/Reproduktion: SLUB Dresden/Deutsche Fotothek/Regine Richter.“ Wikimedia Commons / Public Domain Satz: Michael Peschke, Berlin Druck und Bindung: CPI books GmbH, Leck ♾ Gedruckt auf säurefreiem Papier Printed in Germany www.degruyter.com
Vorwort In der spannenden, herausfordernden und intensiven Zeit meiner Promotion haben mich einige wichtige Menschen begleitet, ohne deren Unterstützung dieses Buch nicht entstanden wäre und denen ich hier danken möchte. Ein herzlicher Dank gilt an erster Stelle meiner Doktormutter Prof. Dr. Siegrid Westphal. Mit großem Engagement, viel Enthusiasmus und ermutigendem Zuspruch hat sie die Entstehung dieser Arbeit begleitet und in ihren Entwicklungsschritten betreut. Prof. Dr. Wolfgang Adam möchte ich für das zweite Gutachten einen großen Dank aussprechen. Er hat mir aus Sicht des Literaturwissenschaftlers und Philologen hilfreiche Impulse für meine interdisziplinär angelegte Studie geben können. Ich danke Prof. Dr. Anette Baumann, D.Phil. (Oxon) Stephan Wendehorst und Siegrid Westphal für die Aufnahme dieser Arbeit in die Reihe „bibliothek altes Reich“. Entstanden ist dieses Buch am Institut für Kulturgeschichte der Frühen Neuzeit der Universität Osnabrück in dem interdisziplinären Forschungs- und Publikationsprojekt „Handbuch kultureller Zentren der Frühen Neuzeit“. Für die Finanzierung sei dem Niedersächsischen Ministerium für Wissenschaft und Kultur gedankt. Die Redaktionssitzungen und intensiven Gespräche mit den Herausgebern Siegrid Westphal und Wolfang Adam, mit den Projektkoordinatoren Dr. Claudius Sittig-Krippner und Dr. Winfried Siebers sowie den weiteren Kollegen und Wegbegleitern Heinrich Schepers, Volker Arnke und Tobias Bartke werden mir unvergessen bleiben. Ich habe die Zusammenarbeit in all den Jahren sehr genossen. Herzlich bedanken möchte ich mich auch bei den weiteren Kolleginnen und Kollegen am Institut für Kulturgeschichte der Frühen Neuzeit und am Lehrstuhl für Geschichte der Frühen Neuzeit für die gute Zusammenarbeit, einen regen Austausch und fruchtbare Diskussionen. Ein besonders freundschaftlicher Dank geht an Dr. Annika Schmitt und Dr. Olga Weckenbrock für viele hilfreiche gemeinsame Gespräche und ihre gründlichen und kritischen Anmerkungen bei der Korrektur dieser Arbeit. Ein mir von der Rolf und Ursula Schneider-Stiftung zur Förderung der Geschichtswissenschaft gewährtes Stipendium an der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel hat mir dort einen längeren Forschungsaufenthalt ermöglicht. Für die Betreuung danke ich Dr. Jill Bepler. Ebenfalls bedanke ich mich für ein Abschlussstipendium aus den Mitteln des „Pool Frauenförderung“ der Universität Osnabrück. Den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern vom Institut für Stadtgeschichte Frankfurt am Main, der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel, der ForschungsDOI 10.1515/9783110503326-201
VI
Vorwort
bibliothek Gotha, der Forschungsstelle zur historischen Reisekultur an der Eutiner Landesbibliothek und der Abteilung Frankfurt an der Universitätsbibliothek Johann Christian Senckenberg Frankfurt am Main sei für ihre hilfreiche Unterstützung und Bereitstellung der Archivalien und historischen Buchbestände gedankt. In der Endphase dieser Arbeit konnte ich mich auf meine Familie, Freunde und Kollegen verlassen, die mir bei der Korrektur geholfen haben. Ich danke Lena Brüssau, Sina Hindersmann, Lydia Tönnissen, Susanne Wahlig, Gerlinde Wermeier-Kemper und Juliane Ziegler. Zu Dank bin ich auch Claudia Pastors verpflichtet, die das professionelle Korrektorat übernommen hat. Zu guter Letzt danke ich meiner Familie, insbesondere meinen Eltern Ellen und Friedrich Stalljohann, die immer für mich da sind. Meine größte Unterstützung aber waren und sind die niemals endende Zuversicht, Liebe und Geduld meines Mannes Christian. Westerkappeln, im August 2016 Marina Stalljohann-Schemme
Inhalt Vorwort
V
I Einleitung
1
1 Forschungsgegenstand 3 1.1 Forschungsstand und Fragestellung 3 1.2 Methodik 13 1.3 Quellengrundlage und Vorgehensweise 21 1.3.1 Städtelob 24 1.3.2 Stadtchronistik 32 1.3.3 Kosmographien, geographisch-historische Beschreibungen 1.3.4 Stadtbeschreibungen 50 1.3.5 Reiseliteratur 53 1.3.6 Lexika 59 1.3.7 Zeitschriften 64 2 2.1 2.2
Frankfurt am Main als kulturelles Zentrum der Frühen Neuzeit Frühgeschichte und Namensgebung 72 Geographische Zentralität als Voraussetzung für kulturelle Zentralität 74 2.3 Auf dem Weg zur Reichs- und Krönungsstadt im Mittelalter 2.4 Frankfurts gesellschaftspolitische Entwicklung in der Frühen Neuzeit 82 2.5 Gesellschaft und Religion 90 2.6 Frankfurt als internationales Messe- und Handelszentrum 2.7 Das architektonische Stadtbild 108 2.8 Kulturelles Leben im frühneuzeitlichen Frankfurt am Main 2.8.1 Bildung und Wissenschaft 111 2.8.2 Musik und Theater 119 2.8.3 Personen 122
44
72
77
99 111
VIII
Inhalt
II Frankfurt am Main als kulturelles Zentrum im publizistischen Diskurs der Frühen Neuzeit 125 1
„Also auch Franckfurth die Stadt den besten Ruhm in Teutschland hat“ – Kontinuität und Entwicklung tradierter Topoi 127 1.1 Der „Central-Platz“ Frankfurt 127 1.1.1 Geographische Zentralität und gute Erreichbarkeit 129 1.1.2 Wechselwirkung von geographischer und politischer Zentralität 131 1.1.3 Die Lage am Main: „Motor“ für Verkehr und Handel 134 1.1.4 Die fruchtbare Lage: Ernährung und Versorgung 140 1.1.5 Kulturelle Besonderheiten und Sehenswürdigkeiten 143 1.1.6 Zusammenfassung 146 1.2 Schauplatz der Kaiserwahl und die Goldene Bulle 148 1.2.1 Ein bedeutendes Privileg 148 1.2.2 Kaiserliche Liebe und göttliche Gnade 152 1.2.3 Kaisertreue und Ergebenheit 158 1.2.4 Prozedere der Königswahlen und Kaiserkrönungen 159 1.2.5 Wirtschaftliche Stärke und politische Zentralität 163 1.2.6 Römer und Dom 165 1.2.7 Goldene Bulle: Vom hoheitlichen Gesetzbuch zum einfachen „Pergamenten-Buch“ 174 1.2.8 Zusammenfassung 179 1.3 „Franckfurt das Edel gewerbhauß“: Versorgerin oder Ruin der „teutschen“ Wirtschaft? 180 1.3.1 Warenhaus des Reiches 180 1.3.2 Die Handelsmessen 185 1.3.3 Reichtum, Ruhm und Ehre 187 1.3.4 Wirtschaftliche Prosperität und politische Zentralität 190 1.3.5 Internationalität 193 1.3.6 Die Messe als Nachrichtenzentrum 195 1.3.7 Der Finanzplatz: Geldwechsel und Bankgeschäfte 196 1.3.8 Wirtschaftliche Konkurrenz und ökonomischer Niedergang 199 1.3.9 Unterhaltung und Vergnügen 206 1.3.10 Zusammenfassung 208 1.4 „… und sind die zwey Städte mit einer schönen steinernen Brücken aneinander gehenckt“ 209 1.4.1 Zwei Stadtteile – ein Gemeinwesen 210 1.4.2 Baugeschichte und Ereignisse 213
Inhalt
IX
215 1.4.3 Historische und symbolische Bedeutung der Mainbrücke 1.4.4 Die imposante Brücke – beeindruckende Architektur 216 1.4.5 Schönheit und Vergnügen 220 1.4.6 „Neue“ Gefahren und unzureichende Bauweise 222 1.4.7 Zusammenfassung 223 1.5 Fazit: Historische Kontinuität und wandelbares Stadtbild 223 2
Veränderte Stadt oder veränderte Perspektive? Verblassende Topoi 229 2.1 Entstehungsmythos und Namensgebung 229 2.1.1 Historisch oder geographisch: Helenopolis oder „der Franken Furt“? 231 2.1.2 Altehrwürdig und von ungewissem Anfang 246 2.1.3 Frankfurt und das Reich 251 2.1.4 Frankfurt und Karl der Große 257 2.1.5 Zusammenfassung 261 2.2 Schutz und Sicherheit nach innen und außen 262 2.2.1 Schutz und Sicherheit 264 2.2.2 Freiheit 270 2.2.3 Nachbarschaft und Freundschaft 272 2.2.4 Wehrhaftigkeit – Ehre und Mut 273 2.2.5 Veraltete Bauwerke: Gärten statt Mauern 277 2.2.6 Zusammenfassung 280 2.3 Von Tugenden, Gerechtigkeit und Frieden 281 2.3.1 Weiser Magistrat, tugendhafte Bürger, gerechte Verfassung 2.3.2 Die soziale und offene Stadt 289 2.3.3 Verfassungsstreitigkeiten 292 2.3.4 Zusammenfassung 297 2.4 Fazit: Von der Vergangenheit in die Gegenwart 299 3 3.1 3.1.1 3.1.2 3.1.3 3.2 3.2.1
Von einem historischen Zentrum des Reiches zu einem Zentrum städtischer Kultur: Die Entwicklung neuer Topoi 302 Kulturelles Leben: „Athen aller Künste“ oder kulturelles Mittelmaß? 302 Das visuelle Stadtbild 302 Gelehrsamkeit, Bildung und Wissenschaft 324 Kunst und Kultur 344 Die Stadt erhält ein Gesicht: Die Bewohner Frankfurts 376 Die Frankfurter wohlgeratene Gesellschaft – ein anonymes Kollektiv 376
281
X
Inhalt
3.2.2 Vom Allgemeinlob zur Personifizierung 381 3.2.3 Gastfreundschaft und Offenheit 391 3.2.4 Luxus und Überschwang 393 3.2.5 Die drei Konfessionen: Kirchen, Macht und Geld 395 3.2.6 Die Juden und die Judengasse 402 3.2.7 Zusammenfassung 418 3.3 Fazit: Differenzierung und Individualisierung. Von der Reichs- auf die Stadtebene 419
III Fazit: Von einem historischen zu einem kulturellen Zentrum 423 431
IV Anhang
Abbildungsverzeichnis
433
Abkürzungsverzeichnis
435
436 Quellenverzeichnis Verzeichnis handschriftlicher Quellen 436 Verzeichnis gedruckter Quellen 439 Online-Quellen und Datenbanken 454 Literaturverzeichnis Personenregister Ortsregister
489
455 482
I Einleitung
1 Forschungsgegenstand 1.1 Forschungsstand und Fragestellung Als „ganz Teutschland“1 bezeichnete der Dichter Paul Schede (Melissus, 1539– 1602) die Stadt Frankfurt am Main in seinem Städtelob Gleichwie Hellas. Diesen Vergleich bzw. dieses Bild benutzte er, um die wirtschaftliche, politische und gesellschaftliche Zentralität der Reichsstadt sowie ihre Stellung innerhalb des Alten Reiches auszudrücken. Über die Stadt Frankfurt am Main hat sich seit 1500 infolge einer breiten Tradition und Rezeption von Stadtlobgedichten, aber auch Chroniken, Stadt- und Reisebeschreibungen ein Bild in der literarisch-publizistischen Öffentlichkeit entwickelt. So haben die Zeitgenossen mit der Stadt Frankfurt seit etwa 1500 ein ganz bestimmtes Bild als Zentralort des Heiligen Römischen Reichs Deutscher Nation verbunden, das durch zahlreiche literarische, publizistische und chronikalische Textsorten tradiert und variiert wurde. Es ist kein modernes Phänomen, dass Städten2 spezifische Identitäten zugeschrieben werden,3 sondern eine Entwicklung, die schon die Frühe Neuzeit aufweist.4 Diese Herausbildung und Entwicklung von Stadtbildern soll anhand der 1 „Sic Francofurtum, Nundinas propter frequentes, nomino Germaniam Germaniae.“ Der Lobspruch wurde sehr häufig abgedruckt, z.B. bei Abraham Saur/Hermann Adolf Authes: StätteBuch: Oder Außführliche […] Beschreibung der fürnehmsten Stätte, Plätz, Vestungen, meistens in Europa, auch theils in andern Theilen der gantzen Welt. Frankfurt a.M. 1658, S. 503, bei David Vechner: Universae Germaniae breviarium. Görlitz 1673, S. 91–92, oder bei Philipp Andreas Oldenburger: Thesauri Rerumpublicarum Pars Quarta. Genf 1675, S. 1296. Deutsche Übersetzung bei Hilde Kathrein/Laura Krüger: Liebe zu Frankfurt: Die Stadt im Urteil von Dichtern, Denkern, Diplomaten. Frankfurt a.M. 1990, S. 23: „Also Franckenfurth heut zu Tag, man dich ganz Teutschland nennen mag, von wegen deiner Herrlichkeit, der Messen und ander Freyheit.“ 2 Siehe aktuell zum Stadtbegriff und insbesondere zur Inszenierung von Urbanität als Verdichtungsprozess von wirtschaftlicher, sozialer, kultureller, baulicher etc. Vielfalt sowie dem Phänomen der Großstadt in unterschiedlichen literarischen und visuellen Darstellungsformen: Martina Stercken/Ute Schneider: Urbanität. Formen der Inszenierung. In: Martina Stercken/Ute Schneider (Hrsg.): Urbanität. Formen der Inszenierung in Texten, Karten, Bildern. Köln/Weimar/ Wien 2016, S. 11–20, hier v.a. S. 11. 3 Monika Sommer: Imaging Vienna – Das Surplus von Wien. Stadterzählung zwischen Ikonisierung und Pluralisierung. In: Monika Sommer/Marcus Gräser/Ursula Prutsch (Hrsg.): Imaging Vienna. Innensichten, Außensichten, Stadterzählungen. Wien 2006, S. 9–19, hier S. 11; Marcus Gräser: Kleines Resümee: Wien-Erzählungen im internationalen Kontext. In: Sommer/Gräser/ Prutsch, Imaging Vienna, S. 189–201. 4 Siehe hierzu: Thomas Biskup/Marc Schalenberg: Die Vermarktung Berlins in Gegenwart und Geschichte. In: Thomas Biskup/Marc Schalenberg (Hrsg.): Selling Berlin. Imagebildung und Stadtmarketing von der preußischen Residenz bis zur Bundeshauptstadt. Stuttgart 2008, S. 9–21, besonders S. 9. DOI 10.1515/9783110503326-001
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Forschungsgegenstand
Reichsstadt Frankfurt am Main als ein kulturelles Zentrum der Frühen Neuzeit in der vorliegenden Arbeit rekonstruiert und auf seine Funktionen hin analysiert werden. Entstanden innerhalb des interdisziplinär ausgerichteten HandbuchProjekts kultureller Zentren der Frühen Neuzeit, soll diese Studie Erkenntnisse zu den zeitgenössischen Wahrnehmungs- und Rezeptionsprozessen überregionaler kultureller Zentralität leisten. Denn durch die Konzentration auf eine Stadt über einen chronologisch bewusst breit angelegten Zeitraum von 1500 bis 1800 konnten Aufschlüsse über langfristige Veränderungen und Konstanten gewonnen werden.
Abb. 1: „Stadtansicht von Frankfurt am Main aus der Vogelschau von Südwesten.“ Kupferstich, unbekannter Künster, um 1632.
Es wird sich zeigen, dass die Zeitgenossen der Frühen Neuzeit in erster Linie auf Bilder und Stereotype zurückgriffen, die sich aus Frankfurts Bedeutung im Hochund Spätmittelalter speisten und teils bis in die heutige Zeit Bestand haben, wie beispielsweise der Frankfurter Römer oder Frankfurts Ruf als Finanz- und Handelszentrum. Diese Studie geht der zentralen Frage nach, wann und wie dieses Bild von Frankfurt entstanden ist und sich weiterentwickelt hat. Wie haben sich die Topoi und Stereotype herausgebildet und verändert, die die Menschen mit Frankfurt in Zusammenhang brachten? Denn Städte verfügten schon relativ früh über eindeutige Zuschreibungen, die in bestimmten Entwicklungsphasen als „Referenz“5 fungierten. 5 Sommer, Imaging Vienna – Das Surplus von Wien, S. 11.
Forschungsstand und Fragestellung
5
Die vorliegende Studie untersucht das in der Publizistik und publizistisch-literarischen Öffentlichkeit entwickelte und tradierte Stadtbild6 von Frankfurt am Main als ein kulturelles Zentrum der Frühen Neuzeit. Der in dieser Arbeit verwendete Öffentlichkeitsbegriff ergibt sich aus der Tatsache, dass sich Literatur und Publizistik „häufig mit einem Raum [verbinden], auf den sie hin geschrieben“7 werden. An diesem Ort der Öffentlichkeit werden sie dann gelesen oder gehört. Darunter gefasst ist auch das Verständnis von Öffentlichkeit, die durch die Literatur und Publizistik erzeugt wird: Was Literatur versprachlicht, ist von nun an offenkundig und hat damit Öffentlichkeit. Gesprochen werden kann in diesem Zusammenhang auch von ‚Publikum‘, ‚öffentlichem Raum‘ oder ‚allgemein bedeutsamem Gehalt‘.8 Überwiegend vertreten ist dabei quellenbedingt die gelehrte und bürgerliche Öffentlichkeit, bestehend aus Kaufmannschaft und aufstrebendem Bildungsbürgertum.9 Der Begriff „Stadtbild“ bezieht sich dabei nicht auf die historisch entwickelte, äußere architektonische Form oder den baulichen Körper der Stadt, sondern auf die Art und Weise, mit der die Menschen ihre Erfahrungen und Eindrücke von der Stadt schriftlich wiedergegeben und festgehalten haben. Er impliziert auch den Personenverband10, der in dem gebauten Raum lebt und wirkt. Allerdings schließt das eine das andere nicht zwangsläufig aus, weil das visuelle Bild von Frankfurts städtebaulichem, topographischem Erscheinungsbild einen Aspekt des Stadtbildes als kulturelles Zentrum ausmacht. Denn neben den strukturellen Faktoren als Voraussetzung der Zentrumsbildung ist die Wahrnehmung durch die Zeitgenossen ein wichtiger Aspekt kultureller Zentralität, weil die Konstitution eines kulturellen Zentrums auch die bewusste Traditionsstiftung und weit verbreitete Darstellung eines Ortes als ein Zentrum voraussetzt. Hinsichtlich dieses Erkenntnisinteresses ist es in erster Linie nicht entscheidend, welche Person welches Frankfurt-Bild hatte. Entscheidend ist vielmehr die Rezeption, also die Frage danach, welches Bild in der publizistischen und breit rezipierten Öffentlichkeit vermittelt und tradiert wurde. 6 Die Wiener Stadtbildforschung hat den Begriff des „Surplus“ gewählt für „Stadt-Erzählungen und Stadt-Bilder, auf die sich Kollektive in komplexen sozialen Prozessen verständigen, ohne eine individuelle Dimension der Stadt-Imagination außer Acht zu lassen“. Vgl. Sommer, Imaging Vienna – Das Surplus von Wien, S. 12. 7 Falko Schneider: Öffentlichkeit und Diskurs. Studien zu Entstehung, Struktur und Form der Öffentlichkeit im 18. Jahrhundert. Bielefeld 1992, S. 9. 8 Ebd., S. 9–10. Die „Öffentlichkeit“ umfasst in dieser Arbeit das häufig schwer konkret zu fassende Autoren-, Rezipienten- und Lesepublikum der zur Analyse herangezogenen Quellen. 9 Werner Faulstich: Die bürgerliche Mediengesellschaft (1700–1830). Göttingen 2002, S. 17–18. 10 Peter Johanek: Bild und Wahrnehmung der Stadt. Annäherung an ein Forschungsproblem. In: Peter Johanek (Hrsg.): Bild und Wahrnehmung der Stadt. Wien/Köln/Weimar 2012, S. 1–23, hier S. 7.
6
Forschungsgegenstand
In einem zweiten Schritt wird danach gefragt, ob den in den publizistischen Quellen entworfenen Bildern eine Funktion der Kompensation oder Profilierung zugesprochen werden kann, um in der Öffentlichkeit ein Ansehen der Stadt zu erhalten, das sich zunehmend von den bestehenden Begebenheiten und dem historischen Wandel Frankfurts entfernt hat: Die zentrale Frage lautet, inwiefern die Rezeption darauf verweist, dass frühere Wahrnehmungsmuster und Topoi, die in der wirtschaftlichen Blütezeit des 15. und 16. Jahrhunderts entstanden sind, tradiert wurden und Frankfurt in späteren Zeiten eine Bedeutung zuschrieben, die nicht mehr den stadtgeschichtlichen Entwicklungen entsprach. Dieser Untersuchung liegt deshalb die These zugrunde, dass Frankfurt über den vermeintlichen Wandel und Niedergang seiner tatsächlichen Bedeutung hinaus, die es im Hoch- und Spätmittelalter erreicht hatte, im Verlauf der Frühen Neuzeit vom öffentlichen Ruf und tradierten Bild lebte, wodurch es immer wieder zur Station auf Reisen und Gegenstand von Beschreibungen wurde. Außerdem soll die These überprüft werden, ob im Prozess der Auseinandersetzung um aufkommende Kritik an Frankfurt in der Frühen Neuzeit das Frankfurt-Bild als Grundlage und Vergewisserung des „eigenen städtischen und staatlichen Umfeldes“11 dienen konnte, wie Thomas Biskup für Berlin um 1800 und Monika Sommer für Wien um 1900 festgestellt haben. Der Untersuchungszeitraum beginnt mit dem vermehrten Aufkommen deutsch- und lateinischsprachiger Berichte über Frankfurt um 1500, d.h. mit der Herausbildung eines Frankfurt-Bildes im frühen 16. Jahrhundert, und schließt mit dem Ende des Alten Reiches 1806 ab, als mit der Romantik die Beschreibungen eine neue Qualität bekamen und die ‚Objekte‘ mit einem anderen Blick betrachtet wurden. Die Konzentration auf eine einzige Stadt erlaubt es, über den chronologisch bewusst breit angelegten Zeitraum Aufschlüsse über langfristige Veränderungen und Konstanten zu gewinnen. Frankfurt am Main bietet sich für diesen Zugriff besonders gut an, weil die Reichsstadt in der Frühen Neuzeit aufgrund ihrer Funktion als Wahl-, Krönungsund Messestadt per se Zentralitätsfunktionen einnahm und die Forschung ihr für diese Zeit eine kosmopolitische Zentralfunktion zuspricht. Frankfurt hatte eine besonders zentrale geographische Lage am Kreuzungspunkt der wichtigsten Handelsstraßen des Alten Reichs.12 Auf diesen örtlichen Vorzügen beruhte auch die 11 Thomas Biskup: Auf Sand gebaut? Die „Boomstadt“ Berlin in der deutschen Öffentlichkeit um 1800. In: Biskup/Schalenberg, Selling Berlin, S. 59–76, hier S. 76; Sommer, Imaging Vienna, S. 16. 12 Alexander Dietz: Frankfurter Handelsgeschichte. 4 Bde. Frankfurt a.M. 1919–1925; Carl-Ludwig Holtfrerich: Finanzplatz Frankfurt: von der mittelalterlichen Messestadt zum europäischen Bankenzentrum. München 1999.
Forschungsstand und Fragestellung
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Entwicklung der Reichsstadt zum bedeutendsten Handelsplatz Deutschlands, weil die Stadt seit jeher am „Straßenkreuz Europas“13 lag und den „größte[n] Markt in einer Stadt der Christenheit“14 beherbergte. Außerdem war Frankfurt als reichsunmittelbare Stadt, Ort der Kaiserwahl und wichtige Messestadt eingespannt in ein weitreichendes Netz politischer und ökonomischer Zusammenhänge von europäischem Ausmaß. Darüber hinaus gehörte Frankfurt zur Gruppe der selbstverwalteten Reichsstädte, die großen Wert auf eine kollektive Selbstdarstellung als Teil der europäischen Fürstengesellschaft in der reichspolitischen Öffentlichkeit legten.15 Die Analyse der publizistischen Darstellung Frankfurts und deren literarische Rezeption in der Frühen Neuzeit ist bislang – abgesehen von einigen stark frankfurtisch geprägten Zitatesammlungen und Aufsätzen16 – ein Desiderat. Es existieren einige Arbeiten aus dem frühen 20. Jahrhundert sowie aus den 1970erbis 90er-Jahren, die vor allem eine Auflistung von frühneuzeitlichen literarischen Texten beinhalten und eine hilfreiche Grundlagenarbeit darstellen, auch wenn sie keine Quellenangaben und Verweise zu den zitierten Beschreibungen enthalten.17 Bei der Suche nach Archiv- und Bibliotheksbeständen ließen sich daraus dennoch Hinweise auf Stadtlobgedichte, Reiseberichte und Stadtbeschreibungen über Frankfurt entnehmen. Gleichwohl handelt es sich bei den angeführten 13 Wolfgang Klötzer: „Keine liebere Stadt als Frankfurt.“ Kleine Schriften zur Frankfurter Kulturgeschichte. Frankfurt a.M. 2000, S. 21. 14 Ebd. 15 André Krischer: Das diplomatische Zeremoniell der Reichsstädte, oder: Was heißt Stadtfreiheit in der Fürstengesellschaft? In: HZ 284 (2007), S. 1–30, hier S. 1. Ausführlich hierzu auch André Krischer: Reichsstädte in der Fürstengesellschaft. Politischer Zeichengebrauch in der Frühen Neuzeit. Darmstadt 2006. 16 Jörg Bong (Hrsg.): Frankfurt. Eine Lese-Verführung. 2. Aufl. Frankfurt a.M. 2009; Hans-Ulrich Korenke (Hrsg.): Frankfurt in alten und neuen Reisebeschreibungen. Düsseldorf 1990; Kathrein/ Krüger, Liebe zu Frankfurt; Johannes Fried (Hrsg.): 750 Jahre Messen in Frankfurt. Die Frankfurter Messe – Besucher und Bewunderer. Literarische Zeugnisse aus ihren ersten acht Jahrhunderten. Frankfurt a.M. 1990; Hans Sarcowicz (Hrsg.): So sahen sie Hessen. Eine kulturgeschichtliche Reise in zeitgenössischen Berichten. Stuttgart 1988, S. 59–100; Siegfried Birkner: Frankfurt – wie es war und ist. Eine Auswahl aus alten Reiseführern. In: Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel – Frankfurter Ausgabe 77 (1973), S. 393–400; Robert Diehl: Frankfurt am Main im Spiegel alter Reisebeschreibungen vom 15. bis zum 19. Jahrhundert. Frankfurt a.M. 1939; Julius Ziehen: Messe-Akademie der Musen. Alt-Frankfurt als Messe- und Krönungsstadt. Aus englischen Reiseberichten. Frankfurt a.M. 1923. 17 Eine Ausnahme ist die Arbeit von Pierre Monnet, der am Beispiel des spätmittelalterlichen Frankfurts die Frage nach den „particularismes urbains et patriotismes locals“ aufwirft und eine städtische Identität Frankfurts herausarbeitet. Vgl. Pierre Monnet: Particularismes urbains et Patriotismes local dans une Ville Allemande de la Fin du Moyen Age: Francfort et ses Chroniques. In: Rainer Babel/Jean-Marie Moeglin (Hrsg.): Identité régionale et Conscience nationale en France et en Allemagne du Moyen Age à lʼ Époque Moderne. Sigmaringen 1997, S. 389–400.
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Forschungsgegenstand
Arbeiten um keine systematischen und analytischen Aufarbeitungen des Quellenmaterials, sondern um Sammlungen und Darstellungen zeitgenössischer Zeugnisse. Auch weisen sie größtenteils als Text- und Zitatesammlungen dezidiert einen wissenschaftlichen Anspruch von sich. In der Wahrnehmungsgeschichte lassen sich hingegen einige bedeutende Untersuchungen anführen, die sich mit der Kommunikation und Medialisierung von Wahrnehmung18 oder mit der Wahrnehmung einzelner geographischer Regionen19 auseinandersetzen. Doch gerade der chronologisch breit angelegte Blick auf Konstanten und Veränderungen in Städtebildern wurde noch 2008 von der Forschung als Desiderat beklagt.20 Aus kulturwissenschaftlicher Perspektive sind neben der bildlich-graphischen Darstellung der Stadt und der Vedutistik21 vor allem Reiseberichte oder die Großstadtliteratur der Moderne22 untersucht worden, während sich die auf einzelne Städte bezogenen Arbeiten häufig auf die Dokumentation von Darstellungen der Stadt in der Kunst oder in bestimmten 18 Joachim Eibach: Europäische Wahrnehmungen 1650–1850: interkulturelle Kommunikation und Medienereignisse. Hannover 2008; Susanne Hauser: Der Blick auf die Stadt. Semiotische Untersuchungen zur literarischen Wahrnehmung bis 1910. Berlin 1990, S. 4. 19 Sascha Taetz: Richtung Mitternacht: Wahrnehmung und Darstellung Skandinaviens in Reiseberichten städtischer Bürger des 16. und 17. Jahrhunderts. Frankfurt a.M. 2004. 20 Biskup/Schalenberg, Die Vermarktung Berlins, S. 10: Die bisherige Forschung habe entweder Stadtbilder im engeren Sinne in Literatur und Kunst untersucht oder das Stadtmarketing als ein aktuelles Management- und Verwaltungsphänomen begriffen. 21 Siehe hierzu Bernd Roeck u.a. (Hrsg.): Schweizer Städtebilder: urbane Ikonographien (15.– 20. Jahrhundert). Zürich 2013; Sándor Békési: Die aufgeräumte Stadt als Bild. Zur Image-Produktion Wiens im späten 18. Jahrhundert. In: Die Alte Stadt. Vierteljahreszeitschrift für Stadtgeschichte, Stadtsoziologie, Denkmalpflege und Stadtentwicklung 34 (2007), S. 267–282; Bernd Roeck (Hrsg.): Städtebilder der Neuzeit. Die europäische Stadtansicht von den Anfängen bis zum Photo. Ostfildern 2006; Thomas Riis: Images of Danish Towns. In: Roman Czaja (Hrsg.): Das Bild und die Wahrnehmung der Stadt und der städtischen Gesellschaft im Hanseraum im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit. Thorn 2004, S. 219–221; Wolfgang Behringer/Bernd Roeck (Hrsg.): Das Bild der Stadt in der Neuzeit 1400–1800. München 1999; Peter Glasner: Stadt-Bild-Sprache im 16. Jahrhundert. Köln in der Geschichte des Sehens. In: Georg Mölich (Hrsg.): Köln als Kommunikationszentrum. Studien zur frühneuzeitlichen Stadtgeschichte. Köln 1999, S. 229–253; Friedrich Achleitner: DAS STADTBILD gibt es nicht. In: Hannes Swoboda (Hrsg.): Wien. Identität und Stadtgestalt. Wien 1990, S. 184–195. 22 Zum Beispiel: David Migley u.a. (Hrsg.): Imagening the City. 2 Bde. Frankfurt a.M./Bern 2006; Hagen Schulz-Forberg: London – Berlin. Authenticity, Modernity, and the Metropolis in Urban Travel Writing from 1851 to 1939. Brüssel u.a. 2006; Wolfgang Maderthaner: Transformationen der Wien-Narrative im 20. Jahrhundert. In: Sommer/Gräser/Prutsch, Imaging Vienna, S. 20–32; Ursula Prutsch: Inszenierungen aus der Ferne: Bilder und Vorstellungen von Wien in der Emi gration. In: Sommer/Gräser/Prutsch, Imaging Vienna, S. 87–105; Daniela Strigl: „stadt im fetten walfischbauch“ – Wien-Bilder in der zeitgenössischen Literatur. In: Sommer/Gräser/Prutsch, Imaging Vienna, S. 122–137.
Forschungsstand und Fragestellung
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deskriptiven Diskursen beschränken und auf eine weitergehende politisch-soziale bzw. kulturell-mediale Kontextualisierung verzichten.23 Darüber hinaus beschränken sich die vorliegenden Untersuchungen zur Wahrnehmung oder zum Bild einer Stadt bzw. von Städten zumeist auf nur eine bestimmte Perspektive – entweder von innen24 oder außen25 – oder konzentrieren sich auf eine ausgewählte Quellengattung bzw. ein ausgewähltes Werk.26 Während Gerhard Fouquet aus der Außen- bzw. Fremdperspektive untersucht hat, wie deutschsprachige und italienische Reisende Städte und deren Stadtgestalt aus dem eigenen Kulturkreis des Reichsgebiets im Spätmittelalter wahrnahmen und beschrieben und welche kulturellen Mentalitäten sie dabei prägten,27 23 Biskup/Schalenberg, Die Vermarktung Berlins, S. 10. 24 Hierzu z.B. Carla Meyer: Die Stadt als Thema. Nürnbergs Entdeckung in Texten um 1500. Ostfildern 2009; Mattias Legnér: A Quest for new Charters: Argumentation and Justification in Swedish and Finnish Town Histories from the eighteenth Century. In: Czaja, Das Bild und die Wahrnehmung der Stadt, S. 249–257. Hierin bezieht sich Legnér auf Stadtbeschreibungen, die von Studenten zwischen 1700 und 1799 verfasst wurden. Die Studierenden der schwedischen und finnischen Universitäten schrieben zumeist über ihre eigene Heimatstadt im Genre der sogenannten topographical dissertation, wodurch eine dezidierte Innenperspektive entstand (S. 247 ff.). 25 Henryk Samsonowicz: Die Wahrnehmung der Hanse von außen. In: Czaja, Das Bild und die Wahrnehmung der Stadt, S. 75–89; Biskup, Auf Sand gebaut?, S. 59–76; Marc Schalenberg: Berlin auf allen Kanälen: Zur Außendarstellung einer Residenz- und Bürgerstadt im Vormärz. In: Biskup/Schalenberg, Selling Berlin, S. 77–90; Hendrik Tieben: „Hauptstadt der DDR“, „zukünftige Bundeshauptstadt“, „Europäische Stadt“, „Stadt der Avantgarde“ – Berlinbilder im Umfeld des 750-jährigen Stadtjubiläums 1987. In: Biskup/Schalenberg, Selling Berlin, S. 245–260; Helmut Hundsbichler: Stadtbegriff, Stadtbild und Stadtleben des 15. Jahrhunderts nach ausländischen Berichterstattern über Österreich. In: Institut für Mittelalterliche Realienkunde Österreich (Hrsg.): Das Leben in der Stadt des Spätmittelalters. Internationaler Kongress Krems an der Donau 20. bis 23. September 1976. 2. Aufl. Wien 1980, S. 111–133. 26 Siehe dazu die einzelnen Beiträge in: Ferdinand Opll (Hrsg.): Bild und Wahrnehmung der Stadt. Linz 2004; Hartmut Freytag: Das Stadtlob des Petrus Vincentius auf Lübeck und Elias Diebels Lübeck-Ansicht aus dem Jahr 1552. In: Edmund Kotarski (Hrsg.): Literatur und Institutionen der literarischen Kommunikation in nordeuropäischen Städten im Zeitraum vom 16. bis zum 18. Jahrhundert. Danzig 1996, S. 10–37; Maria Bogucka: Das Bild der Stadt im Poem „Flößerei“ von Sebastian Fabian Klonowic. In: Kotarski, Literatur und Institutionen, S. 38–46; Holger Böning: Hamburg – die Stadt und ihre Bewohner in der Publizistik des 18. Jahrhunderts. In: Edmund Kotarski (Hrsg.): Literatur und Institutionen der literarischen Kommunikation in nordeuropäischen Städten im Zeitraum vom 16. bis zum 18. Jahrhundert. Danzig 1996, S. 105–121. 27 Gerhard Fouquet: Mit dem Blick des Fremden: Stadt und Urbanität in der Wahrnehmung spätmittelalterlicher Reisebeschreibungen. In: Opll, Bild und Wahrnehmung der Stadt, S. 45–65, hier S. 46, 48. Fouquet geht es um die Frage, was die Reisenden mit dem Stereotyp der „schönen Stadt“ (aus Utopien, Idealstadtentwürfen) verbanden und mit welchen Perzeptionsvoraussetzungen die reisenden Zeitgenossen Städte betrachteten. Dabei stellt er fest, dass neben den Einflüssen des Städtelobs und der humanistischen Stadtbeschreibung jedem Reisenden die Stadt-
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fragt Carla Meyer in ihrer Studie nach dem Thema „Stadt“ in der mittelalterlichen Wahrnehmung. Dabei geht sie von der Mittelalterrezeption im neuzeitlichen Nürnberg und der Nürnberg-Rezeption im nationalsozialistischen Deutschland aus und verwendet die Formulierungen „Selbstbild“ und „städtisches Image“.28 Meyer setzt methodisch auf den Identitätsbegriff (S. 32–34) und knüpft an die psychologische und soziologische Forschung an, nach der die individuelle und kollektive „Identität“ und ein einheitliches Selbstverständnis besonders dann zum Thema würden, wenn die eigene Existenz als unsicher und gefährdet wahrgenommen werde. Sie betont die Funktion der Artikulation städtischer Selbstbilder besonders in unruhigen Zeiten, etwa zur Reflexion, Vergewisserung über gemeinsame Werte oder als Konfliktbewältigungsstrategien.29 Darin zeigen sich Parallelen zu der hier formulierten Kompensations- und Legitimationsthese. Allerdings stand Meyer vor der Schwierigkeit zu unterscheiden, ob die von ihr herangezogenen Quellen wie Stadtchroniken, historio graphische Werke und politische Ereignisdichtung lediglich das alltägliche Zusammenleben regeln sollten oder ein explizites Selbstbild formulierten und transportierten.30 Diese Problematik soll in der vorliegenden Untersuchung aufgegriffen und umgangen werden, indem nicht nach einer städtischen Identität, einem Wir-Gefühl oder ähnlichen schwer greifbaren Identifikationsmodellen gefragt wird, sondern nach dem in den publizistisch-literarischen Texten entworfenen und tradierten Bild von Frankfurt am Main. Erste Ansätze zur Erforschung eines breit angelegten Stadtbildes in seiner historischen Entwicklung und aus unterschiedlichen Perspektiven gibt es bislang nur auf die Moderne31 bezogen, z.B. für die Topoi „Elbflorenz“ Dresden aus soziologischer oder die „Musikstadt Wien“ aus kulturwissenschaftlicher Perspektive.32 Gabriela Christmann hat mittels einer wissenssoziologischen Diskursanalyse den Gegenstand „Stadtkultur“ untersucht. Dabei geht es ihr um die Herausarbeitung der historischen Genese von der gegenwärtigen räumlichen und kollektiven Identität.33 Trotz der ‚fremden‘ Forschungsdisziplin und des divergierenden Untersugestalt gebrochen durch den je verschiedenen, fremden, vergleichenden und selektiven Blick erschien (S. 48–49). 28 Meyer, Das Bild der Stadt, S. 36. 29 Ebd., S. 40. 30 Ebd., S. 57. 31 Z.B. Judith Laister: Schöne neue Stadt. Produktion und Rezeption postindustrieller StadtBilder am Beispiel von Linz an der Donau. Münster 2004. 32 Gabriela B. Christmann: Dresdens Glanz, Stolz der Dresdner. Lokale Kommunikation, Stadtkultur und städtische Identität. Wiesbaden 2004; Martina Nußbaumer: Musikstadt Wien. Die Konstruktion eines Images. Wien u.a. 2007. 33 Christmann, Dresdens Glanz, S. 1, 20.
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chungszeitraums spielt auch bei ihr der Zusammenhang zwischen Diskurs und Topoi als „kommunikative Ausdrucksformen, die in unterschiedlichen Gestalten verfestigt, ähnliche Inhalte aufweisen“34, eine große Rolle. Bedeutend ist darüber hinaus der Aufsatz von Franz Irsigler über Köln in der Fremd- und Eigenwahrnehmung35, in dem auch Irsigler die ‚doppelte Perspektive‘36 auf die Stadt im 15. und 16. Jahrhundert untersucht hat, allerdings auf wenige Textsorten (Städtelob und Stadtbeschreibung) begrenzt und ohne auf die diachrone Entwicklung einzugehen, wie es sich die vorliegende Arbeit zum Ziel gesetzt hat. Irsigler geht davon aus, dass die Betonung der Religiosität in den Beschreibungen Kölns exakt dem Bild der Stadt entsprach, das Rat, Bürgerschaft und Klerus den Bewohnern und Besuchern Kölns vermitteln und im Gedächtnis verankern wollten.37 Wichtig ist auch der vor wenigen Jahren von Peter Johanek herausgegebene Sammelband Bild und Wahrnehmung der Stadt (2012)38, dessen Beiträge interdisziplinär einerseits bildliche, d.h. gezeichnete, gestochene und gemalte Abbilder von Städten als Zeugnisse der bildenden Kunst als Spiegelung der Realität des gebauten Stadtraumes zu einem bestimmten Zeitpunkt ihrer Geschichte analysieren. Die Beiträge untersuchen die Wahrnehmung von Städten andererseits aber auch mit Worten, d.h. schriftlich gezeichnete Bilder von Städten – in Gedichten, Literatur oder Geschichtsschreibung –, um der Rekonstruktion von Topographie, Baubestand oder Straßenführung näher zu kommen, und greifen nicht, wie zumeist notgedrungen üblich, ausschließlich auf graphisches bzw. bildliches Material wie Stadtansichten, Veduten oder Vogelschauen zurück. Diese Herangehensweise sei laut Johanek bei den Kunsthistorikern besser aufgehoben, bisher jedoch im Hinblick auf das Verhältnis von Realität und Abbild nur mäßig, unreflektiert und wenig quellenkritisch untersucht worden.39 Auch wenn die Beiträge 34 Hubert Knoblauch: Diskurs, Kommunikation und Wissenssoziologie. In: Reiner Keller u.a. (Hrsg.): Handbuch Sozialwissenschaftliche Diskursanalyse. Bd. 1: Theorien und Methoden. Opladen 2001, S. 207–224, hier S. 221. 35 Franz Irsigler: Außensicht und Selbstverständnis der Stadt Köln im 15. und 16. Jahrhundert. In: Czaja, Das Bild und die Wahrnehmung der Stadt, S. 57–74. 36 Ein weiteres Beispiel hierfür ist: Katalin Szende: „Innen-“ und „Außensicht“. Das Bild der ungarischen Städte vom Spätmittelalter bis zur Mitte des 16. Jahrhunderts. In: Opll, Bild und Wahrnehmung der Stadt, S. 241–261. Allerdings richtet Szende ihr Augenmerk stärker auf das Bild von der Topographie bzw. auf topographische Merkmale ungarischer Städte. Siehe außerdem den Sammelband von Sommer/Gräser/Prutsch, Imaging Vienna. 37 Irsigler, Außensicht und Selbstverständnis, S. 58–59. 38 Johanek, Bild und Wahrnehmung der Stadt. Annäherung an ein Forschungsproblem, S. 1–23. 39 Ebd., S. 2–3. Zu den interessantesten Aufsätzen gehören Maria Bogucka: Die Weichselstädte im Bild der polnischen Literatur des ausgehenden 16. und der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts. In: Johanek, Bild und Wahrnehmung, S. 71–78; Raingard Eßer: Städtische Geschichtsschreibung
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jeweils das Bild einer Stadt als topographische Realität, d.h. baulicher Körper und soziales Gebilde, und zumeist auf einen kurzen Zeitraum oder eine Textsorte beschränkt untersuchen, können sie die hier gewonnenen Erkenntnisse aus der Analyse des Frankfurt-Bildes ergänzen, untermauern oder auch widerlegen. Ganz aktuell ist ein Sammelband von Martina Stercken und Ute Schneider über die Inszenierung von Urbanität in Texten, Karten und Bildern erschienen, in dem vordergründig die Qualität und Modi, in denen urbane Eigenschaften vergegenwärtigt und etabliert werden, im Fokus stehen.40 Urbanität ist demnach ein weit gefasster Begriff. Er beinhaltet u.a. bürgerliches Selbstverständnis, die Genese von bürgerlicher Erinnerung und Identität in der städtischen Geschichtsschreibung, er kann ein architektonisch geformter Bühnenraum sein, er zeige sich aber auch in den Mustern der Diskurse über die Stadt.41 Die Beiträge beschreiben jeweils die Modelle, „mit denen zu bestimmten Zeiten Reflexionen über das Wesen eines vielschichtigen und sich stetig wandelnden Phänomens festgehalten werden“.42 Außerdem analysieren sie die pragmatischen, gelehrten oder künstlerischen Strategien, mit denen Urbanität entworfen wird und Stereotype produziert werden, und nehmen die historischen Settings bzw. Schauplätze in den Blick,43 wie etwa Gerhard Fouquet in seinem Aufsatz über die Stadtbilder vom Spätmittelalter bis in die Frühe Neuzeit. Darin hat er die Kunstwerke, Vogelschaupläne, Stadtveduten und Bilder sowohl genetisch verortet als auch die unabsichtlichen Mitteilungen und deren realkundlichen Quellenwert analysiert.44 Darüber hinaus ist hinsichtlich der Methode und Darstellungsart eine umfassende diachrone und synchrone Erforschung von Bildern über das Untersuchungsobjekt Stadt in publizistisch-literarischen Texten bislang nicht erfolgt. Indem Frankfurt exemplarisch für andere Städte und Zentren der Frühen Neuzeit untersucht wird, geht es vordergründig nicht um die Inhalte im Sinne einer Stadtgeschichte, sondern um die intertextuellen Rezeptions- und Diskursformen, nach denen bestimmte Bilder, Topoi und Stereotype tradiert und verfestigt wurden, in den Niederlanden im 17. Jahrhundert. Chorographie und Erinnerungskultur. In: Johanek, Bild und Wahrnehmung, S. 105–120; Wolfgang Schmid: Heilige Städte, alte Städte, Kaufmannsstädte. Zum Image deutscher Metropolen um 1500. In: Johanek, Bild und Wahrnehmung, S. 121–159; Angelika Corbineau-Hoffmann: Fragmentarität, Fremdheit, Fiktionalität. Literarische Großstadtbilder zwischen Wahrnehmung und Vision. In: Johanek, Bild und Wahrnehmung, S. 161–181. 40 Stercken/Schneider, Urbanität. Formen der Inszenierung, S. 12. 41 Ebd., S. 14. 42 Ebd., S. 16. 43 Ebd. 44 Gerhard Fouquet: Urbanität. Stadtbilder vom Spätmittelalter bis in die Frühe Neuzeit. In: Stercken/Schneider, Urbanität, S. 21–42, hier S. 23.
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sich veränderten oder an Bedeutung verloren. Frankfurt wird demnach als ein exemplarisches Beispiel für die Generierung und Tradierung von Städtebildern kultureller Zentren in der Frühen Neuzeit untersucht.
1.2 Methodik „Die Erkenntnis der Städte ist an die Entzifferung ihrer […] Bilder geknüpft“45, behauptete Siegfried Kracauer bezogen auf die problematische Wahrnehmung und Gestaltung von Bildern der Stadt Berlin. Doch gibt es viele Arten von Bildern. In dieser Arbeit geht es um schriftlich produzierte, in der Publizistik46 veröffentlichte Bilder im Sinne sprachlicher Kategorien, Beschreibungsmuster und Topoi47, die zur Verbildlichung der Stadt in der Frühen Neuzeit beitrugen. Die Forschung verweist darauf, „daß literarische Städtebilder gemachte, mit Hilfe bestimmter literarischer Verfahren hergestellte Texte sind, die gerade auf Grund ihres artifiziellen Charakters eine erkenntnisvermittelnde Funktion haben können“.48 So hat Peter Johanek noch jüngst bedauert, dass Historiker nur allzu selten fiktionale Texte, wie etwa (Stadtlob-)Gedichte, für wissenschaftliche Untersuchungen heranziehen würden.49 Denn sie würden ein Bild einer Stadt zeichnen, ohne sie zumeist in Einzelheiten zu beschreiben, „ein Bild der Stadt mit Worten“.50 Ein Bild könne, auch wenn es keine topographischen Einzelheiten beinhalten mag, über sich bzw. den einzelnen Begriff oder das einzelne Stereotyp hinausweisen, Begriffsfelder evozieren und damit das Wesentliche, „sozusagen die Essenz“51 einer Stadt erfassen.
45 Siegfried Kracauer: Straßen in Berlin und anderswo. Frankfurt a.M. 1964. Neuausgabe Berlin 1981, S. 41. 46 Michael Schilling: Stadt und Publizistik in der Frühen Neuzeit. In: Klaus Garber (Hrsg.): Stadt und Literatur im deutschen Sprachraum der Frühen Neuzeit. Bd. 1. Tübingen 1998, S. 112–141. 47 In dieser Arbeit wird der Topos mit „Thema, Stoff der Rede oder Gemeinplatz“ umschrieben. Angewandt wird damit die literaturwissenschaftliche Deutung von Topoi als mehr oder weniger fixierte Bauelemente literarischer Texte, d.h. inhaltliche Topoi. Siehe dazu: Klaus Ostheeren: Art. „Topos“. In: Gert Ueding (Hrsg.): Historisches Wörterbuch der Rhetorik. Bd. 9: St–Z. Tübingen 2009, Sp. 630–697, hier Sp. 630, 690–691, 695. 48 Jürgen Lehmann: Stadt-Ansichten und Städtebilder. Wahrnehmung und Vision – Beschreibung und Entwurf. In: Jürgen Lehmann/Eckart Liebau (Hrsg.): Stadt-Ansichten. Würzburg 2000, S. 15–30, hier S. 24. 49 Johanek, Bild und Wahrnehmung der Stadt. Annäherung an ein Forschungsproblem, S. 1. 50 Ebd., S. 2. 51 Ebd., S. 7.
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In dieser Arbeit wird ganz bewusst der Begriff des „Bildes“ verwendet, in Abgrenzung zur Identitäts- oder Erinnerungsforschung.52 Bei der Analyse der herangezogenen Arten von Quellen, d.h. publizierter oder einem größeren Kreis bekannter Texte, kann es nicht darum gehen, den komplexen und tiefgründigen Begriff der Identität zu ermitteln. Das Bild erscheint auch gegenüber dem methodischen Zugang des Images53 der für diese Arbeit geeignete Zugang zum Erkenntnisinteresse zu sein, weil ein Image laut Definition der Soziologie und Psychologie etwas Künstliches und mit einer ganz bestimmten Intention vom Menschen Geschaffenes sei. Außerdem diene es nach modernem Verständnis dazu, etwas zu verkaufen und Werbestrategien zu entwickeln.54 Gleichwohl gibt es auch Überschneidungen zwischen dem hier verwendeten Bild- und dem Image-Begriff nach der Definition von Wolfgang Schmid. Demnach mache der Begriff Image deutlich, dass Stadtbeschreibungen kein realistisches Bild einer Stadt zeigen. Der Einwand Schmids, dass der Bild-Begriff dafür zu unpräzise sei und das Wortfeld Abbild, Ebenbild, Sinnbild, Vorbild und Trugbild abdecke,55 kann jedoch nicht geteilt werden, denn einerseits können auch dem Image zahlreiche Übersetzungsvarianten zugeordnet werden, wie Schmid selber eingesteht.56 Andererseits geht es bei dem Stadt-Bild Frankfurts eben nicht um ein getreues Abbild, Ebenbild oder Vorbild. Diese Bedeutungen werden nach Auffassung der Verfasserin auch nicht automatisch mit einem Bild impliziert. Vielmehr beinhaltet das literarisch-publizistische Bild eine nach bestimmten Kriterien – eigene Erfahrungen, literarische Konventionen, rezipiertes Wissen etc. – zusammengestellte Auswahl von Eigenheiten und Beschreibungsmustern, die im Zuge der Rezeption der Quellen zu Topoi generieren konnten. Der hier formulierten Fragestellung kann aufgrund herrschender Textsortenkonventionen der ausgewählten Quellen- und Textsorten nur mit einer interdisziplinären Herangehensweise begegnet werden. Die historische Analyse der Texte macht die Einbeziehung literaturwissenschaftlicher Untersuchungen unumgänglich, welche die Aspekte der Topos- und Stereotypenforschung57 behandeln. 52 Meyer, Die Stadt als Thema. 53 Siehe zur Imagination des Urbanen und Imagepflege der Stadt in Texten, Bildern und Karten Stercken/Schneider, Urbanität. Formen der Inszenierung, S. 11–20. 54 Schmid, Heilige Städte, alte Städte, Kaufmannsstädte, S. 126. 55 Ebd. 56 Ebd. 57 Der Terminus des Stereotyps wird in verschiedenen Disziplinen mit wechselnden Bedeutungen (teils synonym) verwendet wie Vorurteil, Klischee, Image, Gemeinplatz. Im Fontana Dictionary of Modern Thought wird das Stereotyp als ein „vereinfachtes Denkbild (von) einer bestimmten Kategorie von Menschen, Institutionen oder Ereignissen [beschrieben], das – betreffs der wichtigsten Merkmale – von einer großen Anzahl von Menschen geteilt wird“. Vgl. Alan Bullock/
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Einen derartigen methodischen Zugriff im Sinne einer historischen Rezeptionsgeschichte, welche die Überlieferungsmechanismen und Topoi erforschen soll, forderte bereits 2002 Susanne Rau im Zuge ihrer Studien zur Historiographie und Konfession.58 Damit in engem Zusammenhang steht die Imagologie, die sich mit der Genese, Konstruktion und Verbreitung von Selbst- und Fremdbildern beschäftigt, d.h. mit der „Gesamtheit von Einzel- und Kollektivaussagen“59, die zu einem bestimmten Zeitpunkt in einer Kultur über andere Nationen kursiert. Allerdings sollen nicht nationenbezogene Bilder untersucht werden, wie es die Imagologie klassischerweise macht – also keine „Rhetorik der Nation“60 –, sondern eine „Rhetorik der Stadt“. Wichtig ist dabei, dass sich die „Rhetorik der Stadt“ nicht darauf begrenzt, eine Bedeutung zu erschaffen, sondern historisch entwickelte Formenrepertoires zu nutzen, die aus einem bestimmten kulturellen Kontext entstanden sind und bestimmte (Dis-)Kontinuitäten aufzeigen.61 Für die Erforschung des Stadtbildes ist in dieser Arbeit ein methodisches Instrumentarium kreiert worden, das sich an die unter anderem von Philipp Sarasin initiierte und später von Achim Landwehr (mit)formulierte historische Diskursanalyse62 anlehnt und aus einer Untersuchung größerer Textkorpora und einer Oliver Stallybrass: The Fontana Dictionary of modern Thought. London 1983, S. 601. Ihre Hauptfunktionen sieht die Forschung darin, dass sie „Wahrnehmung vorprägen, Orientierung bieten, Komplexität ökonomisch verkürzen, soziale Identität und Kohäsion stiften und ein bestimmtes Handeln in sozialen Interaktionen […] erleichtern und rechtfertigen“. Vgl. Martin Reisigl: „Stereotyp“. In: Historisches Wörterbuch der Rhetorik. Hrsg. von Gerd Ueding. Bd. 8. Tübingen 2007, Sp. 1368–1389, hier Sp. 1368. Stereotyp (als Substantiv oder Adjektiv) wird in der vorliegenden Studie als eine verfestigte, stets wiederholbare und deswegen in der Kommunikation als (Routine-)Formel einsetzbare Sprachform verstanden. Vgl. Margot Heinemann: Konzepte von Stereotypen – statt einer Einleitung. In: Margot Heinemann (Hrsg.): Sprachliche und soziale Stereotypen. Frankfurt a.M. u.a. 1998, S. 7–10, hier S. 7. 58 Susanne Rau: Geschichte und Konfession. Städtische Geschichtsschreibung und Erinnerungskultur im Zeitalter von Reformation und Konfessionalisierung in Bremen, Breslau, Hamburg und Köln. Hamburg/München 2002, S. 37. 59 Siehe hierzu ausführlich Manfred S. Fischer: Literarische Imagologie am Scheideweg. Die Erforschung des ‚Bildes vom anderen Land‘ in der Literatur-Komparatistik. In: Günther Blaicher (Hrsg.): Erstarrtes Denken. Studien zu Klischee, Stereotyp und Vorurteil in englischsprachiger Literatur. Tübingen 1987, S. 55–71, hier S. 57. 60 Birgit Neumann: Grundzüge einer kulturhistorischen Imagologie. Nationale Selbst- und Fremdbilder in britischer Literatur und anderen Medien des 18. Jahrhunderts. In: KulturPoetik 10/1 (2010), S. 1–24, hier S. 4. 61 Ebd., S. 5. 62 Achim Landwehr: Historische Diskursanalyse. Frankfurt a.M. 2008, S. 14. Siehe zur Diskursanalyse aus literaturwissenschaftlicher Perspektive Klaus-Michael Bogdal: Historische Diskursanalyse der Literatur. 2. Aufl. Heidelberg 2007, S. 59–60.
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methodisch angeleiteten Untersuchung von Diskursen besteht, um inhaltliche Strukturierungen aufzudecken. Dabei müsse sich der Historiker bzw. die Historikerin nach Ansicht von Sarasin fragen, was die Diskurstheorie zusätzlich zu den üblichen und unumgänglichen hermeneutischen Vorgehensweisen leisten bzw. einbringen könne.63 Für Hannelore Bublitz können mit der historischen Diskursanalyse die Wissens- und Rationalitätsstrukturen vergangener Gesellschaften aufgedeckt werden.64 Diesem auch in dieser Arbeit verfolgten Erkenntnisinte resse können mit dieser Arbeit außerdem Erkenntnisse über Rezeptionsstrukturen und Verläufe über die Weitergabe und Entwicklung von Wissensbeständen hinzugefügt werden. Die Diskursanalyse soll einen Ausweg aus dem Dilemma historischer Wissenschaft – der Unüberwindbarkeit der historischen Distanz – finden65: Was untersucht werden kann, sind die komplexen Bedingungen des Erscheinens von Aussagen innerhalb eines Diskurses, also der „Ort, die Bedingungen, das Feld des Auftauchens“.66 Es geht dabei nicht darum, Verdecktes oder Neues zu entdecken, sondern das hervorzuholen, „was so selbstverständlich und unmittelbar geworden ist, dass es gerade deswegen nicht mehr wahrgenommen werden kann“.67 Die Untersuchung ist so aufgebaut, dass anhand einer möglichst großen Anzahl an Texten die wesentlichen Aspekte gesichtet und geordnet werden. Erst darauf basierend können inhaltliche Aussagen dazu gemacht werden, wie die Diskurse „die soziale Welt des Bezeichneten in ihrer historischen Spezifität hervorbringen“.68 Mit Hilfe der analytischen Kategorie des Diskurses wird gezeigt, wie, warum und in welchen historischen Kontexten bestimmte Wissensformen und Bilder über Frankfurt hervorgebracht wurden und warum sich ausgerechnet diese konkretisierten und andere nicht. Dafür muss der Diskurs-Begriff definiert werden, zumal er ein sehr weites Bedeutungsspektrum besitzt.69 Der in dieser Untersuchung verwendete Diskurs63 Philipp Sarasin: Diskurstheorie und Geschichtswissenschaft. In: Reiner Keller u.a. (Hrsg.): Handbuch Sozialwissenschaftliche Diskursanalyse. Bd. 1: Theorien und Methoden. 3. Aufl. Wiesbaden 2011, S. 61–89, hier S. 66. 64 Hannelore Bublitz: Das Wuchern der Diskurse: Perspektiven der Diskursanalyse Foucaults. Frankfurt a.M. u.a. 1999, S. 27. 65 Bogdal, Historische Diskursanalyse, S. 73. 66 Michel Foucault: Archäologie des Wissens. 4. Aufl. Frankfurt a.M. 1990, S. 130. 67 Landwehr, Historische Diskursanalyse, S. 165. Die historische Diskursanalyse erforscht sowohl die Sachverhalte, die zu einer bestimmten Zeit als gegebene Wirklichkeit anerkannt wurden, als auch die Frage, wie soziale Wirklichkeiten umgeformt werden/wurden, sich allmählich verändern und zuweilen sogar untergehen/untergingen. Siehe Hannelore Bublitz: Diskurs. Bielefeld 2003, S. 55. 68 Sarasin, Diskurstheorie und Geschichtswissenschaft, S. 70. 69 Sara Mills: Discourse. 2. Aufl. London 2004, S. 1.
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begriff beinhaltet einen Sprach- und Zeichengebrauch im Sinne schriftlicher Aussagen und bezeichnet einen konkreten Kommunikationsprozess.70 Aussagen, die bezogen auf ein bestimmtes Thema systematisch organisiert und durch eine gleichförmige (nicht identische) Wiederholung geprägt sind, formieren einen Diskurs.71 Neben Kontinuitäten sind es besonders Verschiebungen, Brüche und Verwerfungen innerhalb einer diskursiven Anordnung, „die deren Konstitution deutlicher zutage treten lassen – und eben diese Brüche werden vor allem in historischer Perspektive deutlich“,72 wie Landwehr die Untersuchung mittels einer historischen Herangehensweise erläutert. Bereits Michel Foucault hat als ‚Vordenker‘ der Diskurs-Forschung73 dazu aufgefordert, das Dokument nicht auf die Fragen nach wahr oder falsch zu interpretieren, sondern die Quelle im Zusammenhang und im Kontext des überlieferten historischen Materials zu sehen, in dem sie auftrat.74 Landwehr hebt für diesen Prozess vier Ebenen der Kontextanalyse hervor, wobei neben dem situativen, dem institutionellen und historischen Kontext für die vorliegende Studie auch der mediale Kontext von großer Bedeutung ist. Denn Medien seien nicht nur formale und informierende Vermittlungsträger, sondern sie „beeinflussen oder erzeugen Arten der Raum-, Zeit- und Gegenstandswahrnehmung, weshalb ihnen besondere Aufmerksamkeit geschenkt werden sollte“.75 Auch ist es nicht das Ziel einer historischen Diskursanalyse, jeden Text einer ausdifferenzierten Mikroanalyse zu unterziehen,76 sondern diejenigen Merkmale, Worte und Argumente herauszufiltern, die den Diskurs zusammenhalten und Kernpunkte der schriftlichen Darstellungen sind.77 So gewinnbringend und 70 Landwehr, Historische Diskursanalyse, S. 15–16. Michel Foucault spricht dann von einer diskursiven Formation, wenn eine bestimmte Anzahl von Äußerungen in einem ähnlichen System der Streuung beschrieben werden kann und wenn sich für die Gegenstände des Diskurses eine gewisse Regelmäßigkeit feststellen lässt. Siehe Michel Foucault: Die Ordnung des Diskurses. Frankfurt a.M. 1997, S. 61–103. Diskurse werden demzufolge nicht als Objekte untersucht – das wäre in diesem Fall Frankfurt als ein kulturelles Zentrum der Frühen Neuzeit –, sondern als Praktiken. Siehe Bublitz, Das Wuchern der Diskurse, S. 23–25. 71 Landwehr, Historische Diskursanalyse, S. 92–93. 72 Ebd., S. 98. 73 Michel Foucault: Schriften. Bd. 1: 1954–1969. Frankfurt a.M. 2001, S. 874–857. 74 Foucault, Die Ordnung des Diskurses, S. 33–41. 75 Landwehr, Historische Diskursanalyse, S. 107. Ausführlich wird auf diesen Aspekt im Kapitel I.3 zur Quellenlage und Quellenkritik eingegangen, denn bereits Landwehr betont die Schwierigkeit bei der Diskursanalyse, die durch den häufig institutionellen und archivalisch überlieferten Kontext der Texte entsteht, weil sie dadurch eine mehr oder weniger normierte Form aufweisen. 76 Siegfried Jäger: Text- und Diskursanalyse: eine Anleitung zur Analyse politischer Texte. 4. Aufl. Duisburg 1993, S. 33–42. 77 Landwehr, Historische Diskursanalyse, S. 115.
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aufschlussreich eine Detailanalayse der Stadt Frankfurt in den verschiedenen Auflagen und Ausgaben der kosmographischen Schriften78 unter rezeptionsgeschichtlichen Aspekten wäre, würde dies aufgrund der Quellenfülle den Umfang der Arbeit weiter ausreizen und zu sehr ins Detail führen. Aus diesem Grund ging der vorliegenden inhaltlichen Untersuchung eine quantifizierende Vorgehensweise voraus, woran anschließend die herausgearbeiteten Bedeutungsmuster und deren Entwicklung und Funktion eruiert wurden. Anhand aus der Quellendurchsicht erarbeiteter inhaltlicher Parameter wurde untersucht, welche Aspekte sich zu Topoi und Stereotypen verfestigten und das Bild von Frankfurt in der Frühen Neuzeit prägten. Inwiefern sind nun Stereotype und Topoi eine methodisch sinnvolle Analysekategorie und wie gelangt man von ihnen zu einem Bildbegriff? Zunächst darf die semantische Überschneidung der Begriffe „Topos“, „Stereotyp“, „Klischee“ und „Vorurteil“ nicht außer Acht gelassen werden, die alle das Merkmal „verselbständigte Verallgemeinerung“79 tragen. In dieser Arbeit wird der Begriff „Stereotyp“ deshalb synonym für „Topos“ oder „Bild“ gebraucht, beinhaltet aber nicht zwangsläufig ein negativ behaftetes Bild oder Vorurteil, sondern bestimmte Aspekte und Gedanken, die mit Frankfurt am Main in Verbindung gebracht werden. Hilfreich für die Analyse des publizistischen Stadtbildes von Frankfurt am Main als kulturelles Zentrum ist außerdem die von Hahn und Hahn 2002 initiierte „historische Stereotypenforschung“80, die den Begriff des Stereotyps in einem Brückenschlag zwischen den Geschichtswissenschaften und Kulturwissenschaften näher definieren und gleichzeitig in historische Beobachtungsfelder einbetten will.81 Bislang verfolgte die historische Stereotypenforschung eine interdisziplinäre Zugangsweise basierend auf der Sozialpsychologie, Kommunikationswissenschaft, Sprach- und Literaturwissenschaft. Die aktuelle Stereotypenforschung betont jedoch die Präsenz der Geschichte im Stereotyp, die ein
78 Zum Beispiel die Cosmographia (1544) von Sebastian Münster, das Theatrum Urbium (1595) von Abraham Saur oder die Topographia Hassiae (1655) von Martin Zeiller. 79 Jens Willhardt: Island: von der Scheußlichkeit zum Schauspiel. Bilder und Topoi in deutschen Reiseberichten. Trier 2000, S. 6. 80 Siehe hierzu ausführlich Hans Henning Hahn/Eva Hahn: Nationale Stereotypen. Plädoyer für eine historische Stereotypenforschung. In: Hans Henning Hahn (Hrsg.): Stereotyp, Identität und Geschichte. Die Funktion von Stereotypen in gesellschaftlichen Diskursen. Frankfurt a.M. 2002, S. 17–56, hier S. 19–25; Hans Henning Hahn (Hrsg.): Historische Stereotypenforschung: methodische Überlegungen und empirische Befunde. Oldenburg 1995; Hans Henning Hahn: Stereotypen in der Geschichte und Geschichte im Stereotyp. In: Hahn, Historische Stereotypenforschung, S. 190–204; Rudolf Jaworski: Osteuropa als Gegenstand historischer Stereotypenforschung. In: GG 13 (1987), S. 63–76. 81 Hahn/Hahn, Nationale Stereotypen, S. 19.
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untersuchenswertes Phänomen sei, womit Stereotype ein Forschungsobjekt auch für Historiker sein können und sollten.82 Als Antwort auf dieses Desiderat und diese Forderung soll das Konzept auf die vorliegende Studie übertragen und bei der Auswertung und Analyse der herangezogenen Quellen angewendet werden, weil der Kontext, d.h. das historische Moment einer Äußerung, der räumliche und gesellschaftliche Bezug, der zeitgenössische Wissenshorizont, die Funktion bestimmter Textsorten und die Zielsetzung des jeweiligen Textes berücksichtigt werden. Mit diesem Vorgehen lassen sich historische Stereotypenforschung und die historische Diskursanalyse sehr gut miteinander verbinden. Als Gegenstand der stereotypen Betrachtung kamen in der Forschung bislang neben Nationalcharakteren, sozialen Rollen83 und Figuren überwiegend Geschlechter- und Konfessionsstereotype zur Sprache. Indem nun eine Stadt in ihrem stereotypen Bild untersucht wird, betritt die vorliegende Arbeit Neuland in dem Bereich der historischen Stereotypenforschung. Besonders die Kategorien bildung und die Frage danach, welche Aspekte bei der Beschreibung und Darstellung einer Stadt von Interesse waren, stellten zunächst die Hauptaufgabe der Untersuchung dar. Auch bleibt die Arbeit nicht bei der Analyse einzelner Stereotype stehen, weil viele Zusammenhänge erst bei der Betrachtung des „Stereotypenfeldes im Ganzen“84 genauer zu erkennen sind. Erst dann zeigen sich die Beziehungen und Verbindungen zwischen einzelnen Stereotypen und den verschiedenen Dimensionen und Ebenen, insbesondere, wenn man nicht nur die synchrone, sondern auch die diachrone Entwicklung von Stereotypen im historischen Verlauf betrachtet. Diese Betrachtung des gesamten Stereotypenfeldes zeigt sich inhaltlich anhand der drei übergeordneten Kategorien in Kapitel II, denen die einzelnen Stereotype und Topoi zugeordnet wurden. Eine Form der Instrumentalisierung von Stereotypen und Bildern ist der Nutzen von Stereotypen „als Mittel zum Schutz von Herrschaftsansprüchen und Interessen in einer Gesellschaft, welche sich im Prozess eines sozialen und ökonomischen Wandels befindet“.85 Diese Feststellung von Jochen Konrad unterstützt die Ausgangsthese für die Untersuchung des – bewussten und unbewussten – 82 Ebd., S. 17–56. 83 Zum Beispiel Christoph Ulf: Zum Verhältnis von ethnographischen Topoi und historischer Realität am Beispiel von Frauenbildern bzw. Geschlechterrollen. In: HZ 279 (2004), S. 281–307. 84 Stefan Zoll: Trivialliteratur des 19. Jahrhunderts als Quellen der historischen Stereotypenforschung. Das Beispiel Karl May. In: Hahn, Stereotyp, Identität und Geschichte, S. 365–380, hier S. 379. 85 Jochen Konrad: Stereotype in Dynamik: zur kulturwissenschaftlichen Verortung eines theoretischen Konzepts. Tönning 2006, S. 140.
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Kompensationscharakters des literarisch-publizistischen Bildes von Frankfurt als kulturellem Zentrum. Der Aufsatz von Hubert Orłowski über die Lesbarkeit von Stereotypen (2010) enthält ebenfalls einige hilfreiche methodische Ansatzpunkte für die vorliegende Studie, indem das zu untersuchende Material nicht über die Befragung zusammengetragen wird, die ja von den Befragten als solche bewusst reflektiert werden könnte, „sondern als eine Art ‚Abfallprodukt‘ von ganz anderen Erzählstrategien und Sinnkonstruktionen einzuordnen ist“.86 Statt von Abfallprodukt soll hier weniger negativ von ‚Zufalls- oder Nebenprodukt‘ gesprochen werden, um zu verdeutlichen, dass die (sprachlichen oder literarischen) Äußerungen ursprünglich in einem anderen Kontext entstanden sind und deshalb unbefangen für die jeweilige Fragestellung auf Topoi und Stereotype untersucht werden können. Damit bekommen die Äußerungen eine entsprechend hohe Authentizität.87 Michael Imhofs Aufsatz über „Stereotypen und Diskursanalyse“88 verbindet schließlich die zwei wichtigen Teile der in dieser Arbeit angewendeten Methodik miteinander, die Stereotypenforschung und die historische Diskursanalyse. Dabei stellt er die Grundidee eines Forschungskonzeptes vor, um Stereotype in ihren Funktionen zu analysieren. Damit möchte er den schon häufig beklagten deskriptiven Charakter der Stereotypenforschung überwinden und Diskurse als wesentliche Instrumente bei der Erzeugung dessen, was in einer Gesellschaft als ‚normal und natürlich‘ bestimmt wird, ansehen.89 Dieser Herausforderung stellt sich die vorliegende Studie. Sie untersucht mit einer diskursanalytischen Herangehensweise das stereotype Bild von Frankfurt am Main als ein kulturelles Zentrum der Frühen Neuzeit.
86 Hubert Orłowski: Die Lesbarkeit von Stereotypen. Ein Plädoyer. In: Mirosława Czarnecka (Hrsg.): Frühneuzeitliche Stereotype. Zur Produktivität und Restriktivität sozialer Vorstellungsmuster. Bern 2010, S. 15–27, hier S. 16. 87 Orłowski, Die Lesbarkeit von Stereotypen, S. 16. 88 Michael Imhof: Stereotypen und Diskursanalyse. Anregungen zu einem Forschungskonzept kulturwissenschaftlicher Stereotypenforschung. In: Hahn, Stereotyp, Identität und Geschichte, S. 57–71. 89 Imhof, Stereotypen und Diskursanalyse, S. 61. Für die diskursanalytische Erforschung von Stereotypen in gesprochener Sprache gibt es hingegen erste Ansätze: Marek Czyżewski/Gülich, Elisabeth (Hrsg.): Nationale Selbst- und Fremdbilder im Gespräch. Kommunikative Prozesse nach der Wiedervereinigung Deutschlands und dem Systemwandel in Ostmitteleuropa. Opladen 1995.
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1.3 Quellengrundlage und Vorgehensweise Im Unterschied zum Großteil der historischen und literaturwissenschaftlichen Arbeiten, die sich mit Fremd- und Eigenbildern von Städten beschäftigen, ist die vorliegende Analyse nicht auf eine literarische Gattung oder Textsorte90 beschränkt. Denn Stadtbilder können als kulturelle Gebilde, die interessegeleitet und unter spezifischen Bedingungen eingesetzt werden können,91 nur auf der Grundlage einer möglichst großen Anzahl von Quellen schematisiert und quantifiziert werden. Der breite Textsortenfundus hängt zum anderen damit zusammen, dass die frühneuzeitlichen Gattungen nicht immer trennscharf auseinanderdividiert werden können,92 wie zum Beispiel Kosmographien und geographische Reiseanleitungen, die wiederum verwandt sind mit Reisebeschreibungen, während die Gattung der Stadtbeschreibung immer auch Elemente der Stadtchronistik übernimmt. Damit lässt sich keine klare Trennlinie zwischen den Bereichen historiographischer, publizistischer, literarischer und sogar teils fiktionaler (z.B. Städtelob) Literatur ziehen. Die vorliegende Studie basiert auf gedruckten publizierten Quellen und der Öffentlichkeit zugänglichen oder bekannten handschriftlich überlieferten Chroniken und Reiseberichten. Insgesamt besteht das Quellenkorpus aus dem Frankfurter Städtelob, der Stadtchronistik93 und Stadtbeschreibungen sowie aus
90 Die vorliegende Arbeit bezieht sich in Anlehnung an Albert Schirrmeister auf den offeneren und flexibleren Terminus der „Textsorte“, „weil dieser an konkreten Kommunikationssituationen geformte Begriff einen leichteren Anschluss“ an die geschichtswissenschaftlich geprägten Fragestellungen erlaubt als der festgefügte und inflexible literaturwissenschaftliche Begriff der „Gattung“. Vgl. Albert Schirrmeister: Was sind humanistische Landesbeschreibungen? Korpusfragen und Textsorten. In: Johannes Helmrath u.a. (Hrsg.): Medien und Sprachen humanistischer Geschichtsschreibung. Berlin 2009, S. 5–46, hier S. 5. 91 Biskup/Schalenberg, Die Vermarktung Berlins, S. 19. 92 So fasst Carla Meyer in ihrer Studie sogar Stadtbeschreibungen und das Städtelob zu einer Kategorie zusammen, auch wenn sie auf die Heterogenität und Schwierigkeit der Abgrenzung zwischen den Genres verweist, weil die Texte sowohl von auswärtigen Besuchern der Stadt als auch von einheimischen Autoren verfasst sein konnten. Auch sind nicht alle Texte als eigenständige Arbeiten entstanden, sondern wurden häufig als unselbstständige Passagen anderen Textsorten, wie historiographischen Darstellungen, Kosmographien oder Reiseberichten, inkorporiert. Siehe Meyer, Die Stadt als Thema, S. 34–35. 93 Mit Spannung und Interesse erwartet die Verfasserin die Ergebnisse eines aktuell vorgestellten Forschungsvorhabens von Pia Eckhart und Birgit Studt zur Untersuchung von stereotypen Auffassungen über die Stadt in der Historiographie, speziell darüber, in welcher Weise die städtische Geschichtsschreibung als Gedächtnisort für die Verhandlung von Wissen über die verschiedenen sozialen Gruppen in der Stadt dienen konnte. Siehe Pia Eckhart/Birgit Studt: Das Konzil im Gedächtnis der Stadt. Die Verhandlung von Wissen über die Vergangenheit in der städtischen
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kosmographisch-geographischen und landeskundlichen Beschreibungen, Reiseberichten, Zeitschriftenartikeln und Lexikoneinträgen über Frankfurt am Main. Bei der Zusammenstellung des Quellenkorpus spielten auch – zumindest implizit – die gemeinsamen literarischen Traditionen und ein gemeinsames Reservoir an sprachlichen Rastern und Topoi eine Rolle, die die Formierung eines Bildes der jeweiligen Autoren beeinflussten. Denn das in den literarischen Quellen dargelegte Bild von Frankfurt wurde nicht nur allein von individuellen Eindrücken und Beobachtungen, dem Schreibstil der Autoren oder äußeren Faktoren (Zensur, Büchermarkt etc.) bestimmt, sondern auch von den inhaltlichen Vorgaben, literarischen Gattungstraditionen sowie sprachlichen Konventionen der literarischen Textsorten.94 Weil mit der Auswahl dieser Textsorten das in der Publizistik und Öffentlichkeit sichtbare und vermittelte Bild von Frankfurt am Main untersucht werden soll, werden etwa Selbstzeugnisse, autobiographische Schriften oder Gesandtschaftsberichte95 nicht berücksichtigt, weil sie auf eine andere Wahrnehmungsebene führen würden. Zwar bleibt immer die Skepsis der geschichtswissenschaftlichen Quellenkritik und die nur geringe Kenntnis darüber bestehen, wie weit die von den Autoren dargestellten Positionen von den Zeitgenossen rezipiert und akzeptiert wurden. Dennoch soll durch das umfangreiche Quellenkorpus eine gewisse Repräsentativität der Aussagen erreicht werden. Obwohl die Auswahlprinzipien unbedingt in Beziehung zu den Quellengattungen gesehen werden müssen, wird eine Debatte über die Zuordnung zur jeweils richtigen Textsorte auf literaturwissenschaftlicher Grundlage vermieden. Grundsätzlich bleibt aber als zentrale Erkenntnis für die vorliegende Arbeit Alfred Noes Befund von den unscharfen Grenzen zwischen Historiographie, Städtelob, Reisebericht und Reisedichtung festzuhalten.96 Diese Beobachtung ist eleGeschichtsschreibung am Oberrhein im 15. und 16. Jahrhundert. In: Stercken/Schneider, Urbanität, S. 83–103, hier S. 85, 103. 94 Siehe zur Wechselwirkung zwischen Wahrnehmung und Darstellung bzw. Strukturierung von Vorstellungen und Bildern Arnold Esch: Anschauung und Begriff. Die Bewältigung fremder Wirklichkeit durch den Vergleich in Reiseberichten des späten Mittelalters. In: HZ 253 (1991), S. 281–312. 95 Dazu kommt die Problematik von Gesandtschaftsberichten für die Beantwortung der hier entwickelten Fragestellung, dass durch das Überwiegen von politischen und ökonomischen Aspekten das Interesse der Gesandten an den spezifisch örtlichen Gegebenheiten nur sehr gering war. Die offiziellen Berichte sollten vielmehr einen „Nützlichkeitsstandpunkt“ bedienen, sodass in ihnen nur dann über fremde Städte und Bewohner berichtet wurde, wenn es für die jeweilige Regierung von Nutzen war. Siehe Hans Liebmann: Deutsches Land und Volk nach italienischen Berichterstattern der Reformationszeit. Vaduz 1965, S. 17, 23–24 (ND der Ausg. Berlin 1910). 96 Alfred Noe: Der Einfluss des italienischen Humanismus auf die deutsche Literatur vor 1600. Ergebnisse jüngerer Forschung und ihre Perspektiven. Tübingen 1993, S. 277.
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mentar für die Aussagen, die über den Diskurs zu Frankfurt am Main gemacht werden können, bedingen die Eigenheiten und Prinzipien der Textsorten doch sehr stark die Informations- und Kommunikationsstränge. Dementsprechend beförderten sie schließlich das Tradieren und die Kontinuität bestimmter Topoi – größtenteils unabhängig von der historischen Entwicklung Frankfurts. Doch auch „wenn die reale Gestalt einer Stadt hinter die literarisch geformten Abbilder zurücktreten kann“97, wie es Peter Wolf formulierte, muss gerade deshalb deren Funktion und Aussagewert analysiert und interpretiert werden, worin das Ziel dieser Arbeit besteht. Für dieses Phänomen hat Peter Wolf den Begriff der „literarischen Wahrnehmung“98 eingeführt, doch wird im Folgenden von einem „literarischen Bild“ gesprochen, weil diese Formulierung den Sachverhalt besser trifft. Die Darstellung und Beschreibung eines Stadtbildes ist also grundsätzlich durch die inhaltlichen Vorgaben und sprachlichen Möglichkeiten bestimmt, die durch das jeweilige Genre gegeben waren. Bezüglich der Vorgehensweise dieser Arbeit folgt in diesem übergeordneten Einleitungskapitel als zweiter größerer Abschnitt nach der Einführung in das Thema und in die Quellen der historische Kontext, um Frankfurt am Main in seiner politischen, wirtschaftlichen, gesellschaftlichen, konfessionellen und insbesondere kulturellen Bedeutung des frühen 16. bis zum ausgehenden 18. Jahrhundert einzuordnen. Dieses Kapitel dient als Grundlage für den folgenden analytischen Hauptteil, um die einzelnen Bestandteile des Frankfurt-Bildes vor dem historischen Kontext und der historischen Entwicklung Frankfurts einordnen zu können. Die Gliederung des analytischen Teils (II.) ist das Ergebnis der Quellendurchsicht und Quellenanalyse, aus der eine Liste von Bestandteilen des Frankfurt-Bildes extrahiert werden konnte. Dabei ist eine Kategorienbildung festgestellt und vorgenommen worden. Die ermittelten Topoi und Stereotypen lassen sich drei unterschiedlichen Gruppen bzw. Kategorien zuordnen, woraus sich eine Untergliederung des Analysekapitels in drei Teile ergibt: 1. Tradierte und kolportierte Topoi, die sich zum einen durch den Untersuchungszeitraum hindurchziehen, sich gleichzeitig aber auch verändern und variieren konnten, 2. in ihrer Bedeutung verblassende Topoi und 3. Topoi, die neu hinzukamen und das Bild Frankfurts besonders im 18. Jahrhundert prägten. Innerhalb dieser drei Hauptkapitel II.1, II.2 und II.3 kommen die einzelnen Kategorien (Themen, Bildbestandteile) zum Vorschein, nach denen diese Kapitel untergliedert sind. Es ließen sich jeweils etwa vier bis fünf Kategorien feststellen, die einen besonders großen Stellenwert in den Texten über Frankfurt einnahmen 97 Peter Wolf: Bilder und Vorstellungen vom Mittelalter. Regensburger Stadtchroniken der frühen Neuzeit. Tübingen 1999, S. 145. 98 Ebd., S. 146.
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und überdurchschnittlich häufig auftauchten und deshalb ausführlich dargelegt werden, um ihre Bedeutung und Funktion für das Frankfurt-Bild herauszuarbeiten. Eine Vollständigkeit des Frankfurt-Bildes ist aufgrund der Detailfülle und zahlreichen Aspekte in den Texten nicht möglich und für die Beantwortung der eingangs vorgestellten Fragestellung auch nicht nötig. Innerhalb der thematisch angelegten Kapitel wird das Frankfurt-Bild in seiner chronologischen Entwicklung untersucht, die sich in den Unterkapiteln auf der dritten Gliederungsebene offenbart. Jeder ‚Themenblock‘ endet mit einem kurzen Fazit, in dem die wichtigsten Erkenntnisse für das jeweilige Frankfurt-Bild kurz erläutert werden. Im dritten Teil (III.) der Arbeit werden abschließend im Fazit die gewonnenen Erkenntnisse und Ergebnisse über die Entwicklung des Frankfurt-Bildes als kulturelles Zentrum in der Frühen Neuzeit zusammengeführt. Dazu kann bereits an dieser Stelle angedeutet werden, dass sich besonders drei Ergebnisse bezüglich der Kompensationsfunktion, des Stellenwerts und Charakters des Frankfurt-Bildes als kulturelles Zentrum in der Frühen Neuzeit ergeben haben. Weil die aktuelle Forschung zur Diskurstheorie und Geschichtswissenschaft darauf verweist, dass die historiographische Repräsentation vergangener Wirklichkeit von der sprachlichen Form dieser Repräsentation, das heißt „von grundlegenden Tropen, stilistischen Vorentscheidungen und plot-Strukturen“99 geprägt ist, wird im Folgenden ein Überblick über die untersuchten literarischen Konventionen der Textsorten gegeben, um die Befunde vor deren Hintergrund möglichst adäquat einordnen und bewerten zu können.
1.3.1 Städtelob Zu den frühesten publizierten und der Öffentlichkeit zugänglich gemachten Äußerungen über die Stadt Frankfurt am Main gehören die Stadtlobgedichte.100 Als minimale Definition des schwer eindeutig zu fassenden Begriffs Städtelob schreibt Hartmut Kugler: „Die Formtradition des Städtelobs bindet Texte zusammen, die verschiedenartig angelegt und über weite Zeiträume verstreut sind. Ihnen allen ist aber gemeinsam, daß sie stets eine Stadt als Ganzes thematisieren und eine Gesamtvorstellung davon vermitteln sollen.“101 99 Sarasin, Diskurstheorie und Geschichtswissenschaft, S. 64. 100 Siehe hierzu exemplarisch Walter Ludwig: Litterae Neolatinae. Schriften zur neulateinischen Literatur. München 1989; Andreas Kraus: Civitas Regia. Das Bild Regensburgs in der deutschen Geschichtsschreibung des Mittelalters. Kallmünz 1972. 101 Hartmut Kugler: Die Vorstellung der Stadt in der Literatur des deutschen Mittelalters. München 1986, S. 12.
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Peter Johanek sieht den Mehrwert von Stadtgedichten für den Historiker darin, dass sie ein Bild einer Stadt zeichnen, ohne sie in Einzelheiten zu beschreiben. Die Dichter würden vielmehr versuchen, ihre Eigenart nach den Regeln des lyrischen Bildes102 zu erfassen, indem „Elemente einer Vorstellungskette“103 aneinandergereiht würden. Es handele sich dabei um Elemente, die untereinander eine Verwandtschaft aufweisen und beim Hörer oder Leser bestimmte Impulse auslösen würden. Sie würden ein bestimmtes Bild der Stadt evozieren, das durch die eigene Empfindung und biographische Erinnerung des Dichters begründet sei. Sie seien jedoch gleichzeitig so formuliert, dass den Inhalten jeder Hörer, der die Stadt kenne, zustimmen könne.104 Diese Mechanismen sind für die Analyse des frühneuzeitlichen Frankfurt-Diskurses und des Frankfurt-Bildes elementar. Die Tradition der Stadtlobgedichte begann bereits in der Antike, als das Genus der laus urbis in rhetorischen Abhandlungen105 definiert wurde, und reichte bis weit in die Frühe Neuzeit hinein.106 Dabei stellt Melanie Heinle für die antiken Stadtbeschreibungen zwischen 300 vor Christus und etwa dem 3. Jahrhundert nach Christus fest, dass der Aspekt der Schönheit in der Wahrnehmung von Städten eine bedeutende Rolle spielte. Wenn die Geographen und Autoren, wie Aristoteles, Strabo oder Pausanias, eine Stadt wegen ihrer Schönheit lobten, bezogen sie sich selten auf bestimmte Details oder Bauwerke, sondern auf die „Stadt als Ganzes“.107 Laut Heinle war es „das Bild der Stadt, das Prospekt“108, das den Geographen oder Stadtbeschreiber zu seinem Lob veranlasst habe. Aber auch der ästhetische Blick in die Umgebung der Stadt sei gefördert worden, ebenso wie der Blick auf die Stadt – die Stadtansicht von außen.109 Hans Lauter geht davon aus, dass den Griechen der Gedanke, der Stadtkörper sei eine „betrachtenswerte Gesamtkom-
102 Siehe hierzu etwa Walther Killy: Wandlungen des lyrischen Bildes. 3. Aufl. Göttingen 1961, S. 80–81. 103 Johanek, Bild und Wahrnehmung der Stadt. Annäherung an ein Forschungsproblem, S. 2. 104 Ebd. 105 Wie z.B. Marcus Fabius Quintilianus: Institutio Oratoria. Hrsg. und übersetzt von Harold Edgeworth Butler. Bd. 1. London 1963, III. 7, S. 476. Siehe hierzu auch: Giuseppe Lombardi: Historia, Descriptio, Laudatio. Gli Umanisti Italiani e Norimberga. In: Volker Kapp/Frank-Rutger Hausmann (Hrsg.): Nürnberg und Italien. Begegnungen, Einflüsse und Ideen. Tübingen 1991, S. 129–154, hier S. 130. 106 Ernst Robert Curtius: Europäische Literatur und Lateinisches Mittelalter. 9. Aufl. Bern/München 1978 (1. Aufl. 1948), S. 166. 107 Melanie Heinle: Stadtbilder im Hellenismus – Wahrnehmung urbaner Strukturen in hellenistischer Zeit. In: Albrecht Matthaei/Martin Zimmermann (Hrsg.): Stadtbilder im Hellenismus. München 2009, S. 41–69, hier S. 58. 108 Heinle, Stadtbilder im Hellenismus, S. 58. 109 Ebd., S. 59.
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position“, dessen Beziehung zur Umgebung als schön wahrgenommen wurde, wohl nie fremd war.110 Unter dem Einfluss des Humanismus wurde diese Betrachtungsweise eben nicht nur auf die Architektur, sondern – mittels zahlreicher graphischer Stadtansichten, Prospekte und Veduten sowie literarisch-publizistischer Stadtbeschreibungen und Stadtlobgedichte – auf die Gesamtwirkung der Stadt bezogen. Diese Entwicklung wird für das in dieser Arbeit untersuchte Frankfurter Stadtbild eine große Rolle spielen. Bereits Menander leitete seine Theorie über das epideiktische Genre aus Reden des Aristides ab und entwickelte bis ins Detail Regeln für das Lob von Städten, über ihre Nachbarschaft und die Landschaft.111 Im ausgehenden 12. und im 13. Jahrhundert wurden die aus der Antike übernommenen Formen der Laudes urbium durch Beschreibungen ersetzt, die zahlreiche neue Aspekte des städtischen Lebens und besonders der städtischen Bevölkerung enthielten.112 Schließlich wurden die Merkmale der antiken Laudes erst wieder von den Humanisten im 15. und 16. Jahrhundert „programmatisch zu neuer Geltung gebracht“.113 Die Literaturwissenschaft hebt für diese Zeit drei Formen des humanistischen Stadtlobgedichts hervor: das deskriptive (topo-geographische), das narrative (interpretative) und eine Kombination aus beidem.114 Den Beginn des humanistischen Städtelobs datiert die Forschung an den Anfang des 15. Jahrhunderts mit Leonardo Brunis Laudatio urbis Florentinae (1403/04).115 In der Folge dehnte sich die anfangs kleine und exklusive Gruppe der in Stadtlobgedichten gepriesenen Städte deutlich aus. Die Stadtlobgedichte
110 Hans Lauter: Die Architektur des Hellenismus. Darmstadt 1986, S. 90. 111 William Hammer: Latin and German Encomia of Cities. Chicago 1937, S. 3. 112 Klaus Arnold: Städtelob und Stadtbeschreibung im späten Mittelalter und in der Frühen Neuzeit. In: Peter Johanek (Hrsg.): Städtische Geschichtsschreibung im Spätmittelalter und in der Frühen Neuzeit. Köln/Weimar/Wien 2000, S. 247–268, hier S. 250; Carl Joachim Classen: Die Stadt im Spiegel der Descriptiones und Laudes urbium in der antiken und mittelalterlichen Literatur bis zum Ende des zwölften Jahrhunderts. Hildesheim 1980, S. 64–65; Paul Gerhard Schmidt: Mittelalterliches und humanistisches Städtelob. In: August Buck (Hrsg.): Die Rezeption der Antike: Zum Problem der Kontinuität zwischen Mittelalter und Renaissance. Hamburg 1981, S. 119–128. 113 Hartmut Kugler: Gelobtes Bamberg. Stadt und Land im humanistischen Denken. In: Horst Brunner (Hrsg.): Literatur in der Stadt. Bedingungen und Beispiele städtischer Literatur des 15. bis 17. Jahrhunderts. Göppingen 1982, S. 95–114, hier S. 97. 114 Hammer, Latin and German Encomia, S. 65. 115 Ediert in Hans Baron: From Petrarch to Leonardo Bruni. Studies in humanistic and political Literature. Chicago 1968, S. 232–263.
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sind schließlich seit dem späten 15. Jahrhundert im Heiligen Römischen Reich zu einem wichtigen Aspekt städtischer Repräsentation geworden.116 Darüber hinaus gehen mit dem Übergang vom lateinischen zum volkssprachlichen Städtelob aufgrund der unterschiedlichen Adressatenkreise – Gelehrte und Lateinschüler oder lateinunkundige, aber humanistisch Interessierte – teilweise veränderte Wahrnehmungsmuster einher, „die sich in der Polarität von stilisiertem Stadtideal und ‚real‘-topographischem Stadtbild ausdrücken“.117 Einen weiteren Wandel von der descriptio zur declamatio, d.h. von der Darstellung des statischen Zustands der Stadt zu einer Stadt des aktiven menschlichen Handelns, beobachtet die Forschung nach der Reformation unter dem Einfluss von Philipp Melanchthon.118 Dieser Wandel gehe aber nicht unbedingt auf eine veränderte Stadtgestalt zurück, sondern vorwiegend auf eine veränderte Anschauung, wie Hartmut Kugler festgestellt hat.119 Mit dem Ende des Humanismus und der neulateinischen Literatur kam auch die Entwicklung ihrer bevorzugten Genres und Themen zu einem Ende. Was darauf folgte und bis in die Gegenwart Bestand hat, ist zumeist geprägt von einem Gelegenheits- bzw. Zufallscharakter, etwa als eine häufige Zugabe in gedichteten Einleitungen von Reiseberichten bzw. „guide-books“ oder anderen Sammelwerken bezogen auf eine Stadt.120 Zu dieser Gruppe gehören die meisten – in dieser Arbeit unter die Kategorie des „Stadtlobs“ oder der „Stadtlobgedichte“ gefassten – Lobschriften und Gedichte auf Frankfurt, die überwiegend aus dem 16. und 17. Jahrhundert stammen. Rhetorisch folgte die Gattung den im Kontext des Humanismus wieder aufgegriffenen Regeln des antiken Städtelobs, die sich vor allem in der Hyperbel äußern.121 Gemein ist außerdem fast allen Stadtlobtexten, dass sie nicht gerade von „rationaler, um Objektivität bemühter Darstellung“122 zeugen, was aber laut
116 Walther Ludwig: Die Darstellung südwestdeutscher Städte in der lateinischen Literatur des 15. bis 17. Jahrhunderts. In: Bernd Kirchgässner/Hans-Peter Becht (Hrsg.): Stadt und Repräsentation. Sigmaringen 1995, S. 39–76, hier S. 74. 117 Glasner, Stadt-Bild-Sprache, S. 242. 118 Rolf Hammel-Kiesow: Hansestädte im Städtelob der frühen Neuzeit. In: Czaja, Das Bild und die Wahrnehmung der Stadt, S. 19–55, hier S. 24. 119 Kugler, Gelobtes Bamberg, S. 96. 120 Hammer, Latin and German Encomia, S. 65–66. 121 Rosmarie Zeller: „Ich singe Dantzig dich, Prinzeßin aller Plätze, Du Städte-Keyserin.“ Die Stadt Danzig in Beschreibungen und Lobgedichten des 17. Jahrhunderts. In: 1 000 Jahre Danzig in der deutschen Literatur: Studien und Beiträge (Studia Germanica Gedanensia, 5). Danzig 1998, S. 31–43, hier S. 37. 122 Hammel-Kiesow, Hansestädte im Städtelob, S. 20.
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Rolf Hammel-Kiesow auch nicht die Aufgabe dieser enkomiastischen Literatur war, die ihren Gegenstand schließlich loben und preisen sollte.123 Weil sich zwar die durch Rituale vermittelten Inhalte veränderten, die Form anforderungen jedoch bestehen blieben, gilt für die meisten Stadtlobgedichte, dass sie „vielfach stark von der Tradition ihres Genus oder eines einzelnen Topos geprägt sind, so dass sie nicht unbefangen gelesen und für die Rekonstruktion der sich angeblich in ihnen spiegelnden Wirklichkeit ausgewertet werden dürfen […], sondern im Licht der literarischen Konventionen gelesen werden müssen“.124 Die im Folgenden zu analysierenden Charakteristika und Bildbestandteile Frankfurts sind also nicht zwangsläufig ‚typisch frankfurterisch‘, sondern zunächst einmal typisch und spezifisch für die Gattung des Städtelobs, also Topoi.125 Das dabei übliche Übernehmen von Elementen und Motiven sowie das Zitieren älterer Texte entspricht den Prinzipien der zeitgenössischen humanistischen Poetik.126 Zu dieser Praxis gehört auch die Orientierung an antiken rhetorischen Vorbildern, die beispielsweise von David Chytraeus 1567 ins rhetorische Lehrbuch aufgenommen wurden, der im Kapitel der Urbium laudes acht Gesichtspunkte empfiehlt: 1. Ursprung und Alter, 2. Lage, 3. Gebäude, 4. politische Verfassung, 5. geschichtliche Ereignisse, 6. berühmte Männer, 7. Schule und 8. Kirche.127 Doch führe aus Sicht der aktuellen Forschung die Verwendung bekannter Topoi keineswegs dazu, dass die Texte stilistisch und inhaltlich austauschbar würden, wie lange Zeit von der Literaturwissenschaft kritisiert wurde. Auch musste die literarische Konvention keineswegs als ein „Zwangskorsett wirken, sondern bot vielmehr eine große Bandbreite an Mustern an, die auf unterschiedliche Weise verbunden und mit Spezifika ergänzt werden konnten“.128 Durch ihre unterschiedlichen Kontextbindungen entstand laut Heimann ein Bild von der Stadt bzw. ein Stadtverständnis, das geprägt war durch ein „nicht identisches Bewußtsein, eine variierte Wahrnehmungsweise und Direktheit der Stadt“.129
123 Ebd. Siehe hierzu auch Gerd Althoff: Formen und Funktionen öffentlicher Kommunikation im Mittelalter. Stuttgart 2001, S. 7. 124 Classen, Die Stadt im Spiegel, S. 68. 125 Kraus, Civitas Regia, S. 1. 126 Hartmut Freytag: Über das Stadtlob des Zacharias Orth auf Stralsund (1562) und das Stadtlob des Peter Vietz auf Lübeck (1552). Eine literaturhistorische Skizze. In: Zeitschrift des Vereins für Lübeckische Geschichte und Altertumskunde 77 (1997), S. 29–48, hier S. 30. 127 David Chytraeus: Praecepta rhetorica e inventionis illustrata multis et utilibus exemplis, ex sacra scriptura et Cicerone sumptis. Wittenberg 1567, hier verwendete Ausgabe von 1562, Bl. H2. 128 Wolf, Bilder und Vorstellungen, S. 55. 129 Heinz-Dieter Heimann: Stadtideal und Stadtpatriotismus in der „Alten Stadt“ am Beispiel der „Laudationes Coloniae“ des Mittelalters und der Frühen Neuzeit. In: HJb 111 (1991), S. 3–27, hier S. 15.
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Deshalb ist die Stadtlobliteratur trotz ihrer Topoi für den Stadthistoriker allgemein und für die vorliegende Arbeit zum Stadtbild und dessen Funktion und Entwicklung sehr wertvoll. Gleichwohl muss bei der Analyse stets berücksichtigt werden, wer der Betrachter der Stadt war und welche Distanz oder Nähe er zur Stadt hatte und welche Intention er verfolgte. Trotz der Bedeutung literarischer Strukturen und Vorgaben ist die Person bei der Formulierung eines Stadtbildes mit entscheidend, denn diese ist subjektiv und wird durch verschiedene Faktoren beeinflusst. So spielte neben den Erfahrungen und dem Wissen außerdem eine Rolle, ob der Betrachter etwas ihm Vertrautes oder Unbekanntes beschrieb, ob er schon einmal in Frankfurt gewesen war oder die Stadt nur aus Beschreibungen oder Erzählungen anderer kannte. Es ist davon auszugehen, dass die in den Laudes vorgenommenen Wertungen und Darstellungen dem Selbstbild und Selbstverständnis insbesondere der Angehörigen der städtischen Führungsschicht bzw. Führungsgruppen nicht widersprachen und auf positive Resonanz stießen.130 Glasner vermutet zudem hinter der von den Autoren getroffenen thematischen Auswahl einen wirtschaftlichen Aspekt, indem der Verkaufserfolg davon abhing, ob die Leser in den Lobsprüchen sich und ihre Stadt wiedererkannten und in einer Perspektive dargestellt fanden, die der eigenen Sichtweise „zumindest partiell entsprach und darüber hinaus dem Stadtbild schmeichelte“.131 Demgegenüber sieht der Historiker Jörn Reichel die Literatur in erster Linie nicht als ein Verkaufsobjekt an, sondern als ein „Vehikel zur Erhöhung des Sozialprestiges“.132 Letztlich muss wohl für jeden Text eine Einzelfall-Entscheidung getroffen werden, um diesbezüglich Klarheit zu bekommen. Während Ursula Paintner die Abgrenzung zu anderen Genera, wie den Reisebeschreibungen und Kosmographien, als problematisch einstuft, weil sie ebenfalls lobende Passagen auf Städte enthalten und in umfangreiche Texte eingebunden sein können,133 dürfte für Frankfurt dieses Problem insofern nicht vorliegen, als es sich bei den lobenden Passagen um Zitate und Einfügungen aus Lobgedichten handelt, die wortwörtlich in die Stadtbeschreibungen, Chroniken und geographischen Beschreibungen von Frankfurt eingefügt oder für sie verfasst wurden, wie 130 Hammel-Kiesow, Hansestädte im Städtelob, S. 26. 131 Glasner, Stadt-Bild-Sprache im 16. Jahrhundert, S. 241. 132 Jörn Reichel: Handwerkerleben und Handwerkerdichtung im spätmittelalterlichen Nürnberg: Hans Rosenplüt genannt Schnepper. In: Brunner, Literatur in der Stadt, S. 138. 133 Ursula Paintner: Zwischen regionaler Verortung und Reichsperspektive: Frankfurt im Städtelob der Frühen Neuzeit. In: Robert Seidel/Regina Toepfer (Hrsg.): Frankfurt im Schnittpunkt der Diskurse: Strategien und Institutionen literarischer Kommunikation im späten Mittelalter und in der frühen Neuzeit. Frankfurt a.M. 2010, S. 364–385, hier S. 366.
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im Laufe der Arbeit noch deutlich wird. Damit ist vielmehr ein Hinweis auf die Struktur und den Verlauf des Diskurses sowie auf Distribution und Rezeption des Frankfurter Städtelobs gegeben, denn städteübergreifend brachte jeder Chronikschreiber, der etwas auf sich hielt, die Lobsprüche auf die Stadt an entsprechender Stelle unter.134 Auch Paintner geht davon aus, dass die auf Frankfurt bezogenen Lobtexte sowohl den Bewohnern der Stadt vermitteln sollten, wie Frankfurt regional und überregional eingebunden war, als auch nach außen den Anspruch reichsstädtischer Geltung überzeugend begründen und vertreten sollten. Sie sieht bei ihrer Analyse der drei ausgewählten Frankfurt-Texte von Hans Sachs, Steinwert von Soest sowie Georg Fabricius ein „Spannungsfeld zwischen regionaler Verortung und Reichsperspektive“135, indem alle drei analysierten Lobgedichte beide Pole, sowohl die regionale als auch die reichsstädtische bzw. überregional geprägte Identität Frankfurts, spiegeln. Allerdings muss für Frankfurt berücksichtigt werden, dass das Genre des Städtelobs im Mittelalter offensichtlich an der Mainstadt gänzlich vorbeiging136 und erst zu Beginn der Frühen Neuzeit derartige literarische Texte überliefert sind. Viele der noch heute bekannten Gedichte hat der Patrizier Achilles August von Lersner (1662–1732) in seiner Chronik Der Weit-berühmten Freyen Reichs-, Wahl- und Handels-Stadt Frankfurt am Mayn Chronica137 von 1706 auf Latein und in zeitgenössischer Übersetzung abgedruckt. Erstmals zusammengetragen und übersetzt wurden sie jedoch von Maximilian Faust von Aschaffenburg (1593–1651) in dessen Franckenfurter Chronik.138 Er hat wohl als Erster – entgegen der aktuellen Forschungsmeinung139, die bislang fälschlicherweise Lersner eine erste 134 Reichel, Handwerkerleben und Handwerkerdichtung, S. 116. 135 Paintner, Zwischen regionaler Verortung und Reichsperspektive, S. 382, 372. 136 Jörg Schwarz: Die Horizonte städtischer Historiografie in Frankfurt am Main im späten Mittelalter. Das Beispiel des Johann Heyse (†1495). In: Seidel/Toepfer, Frankfurt im Schnittpunkt der Diskurse, S. 311–323, hier S. 311–312. 137 Achilles August von Lersner: Der weit-berühmten Freyen Reichs-, Wahl- und Handels-Stadt Franckfurt am Mayn Chronica. Frankfurt a.M. 1706. 138 Maximilian Faust von Aschaffenburg: Franckenfurter Chronik. ISG: Chroniken S5/12, fol. 39v–51r. Sie ist die erste Chronik, die die Geschichte der Stadt nach inhaltlichen Themen und in einem zusammenhängenden Text beschreibt. Faust von Aschaffenburgs Intention war es, die Stadt Frankfurt vor anderen Reichsstädten hervorzuheben und sie als Bestandteil des Reichsregiments darzustellen, was durch die Hervorhebung der Stadt als Wahlort geschieht (fol. 81v.). 139 Sowohl Robert Diehl (Diehl, Frankfurt am Main im Spiegel, Vorwort S. V) als auch Hilde Kathrein und Laura Krüger (Kathrein/Krüger, Liebe zu Frankfurt, S. 15) sind in ihren Textsammlungen zu Frankfurt am Main davon ausgegangen, dass Achilles August von Lersner die deutschen Übersetzungen der lateinischen Stadtlob-Gedichte vorgenommen und in seinem Werk Der Weitberühmten Freyen Reichs-, Wahl- und Handels-Stadt Franckfurt am Mayn Chronica (1706) veröf-
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Auflistung und Übersetzung der Stadtlobgedichte zuschreibt, – in seiner Chronik von 1624 sämtliche ihm bekannten Verse und Gedichte niedergeschrieben und ins Deutsche übersetzt. Diese Stadtlobgedichte von Nikolaus Reusner, Hugo Favolius, Julius Caesar Scaliger, Conrad Celtis oder Jacobus Micyllus etc. finden sich im Laufe der folgenden Jahrzehnte und Jahrhunderte als eine Art Sammlung sowie in Auszügen auch in den Kosmographien, Stadtbeschreibungen und Reiseberichten wieder. Untersucht wurden für die vorliegende Studie 40 Stadtlob-Texte über Frankfurt, die im Zeitraum zwischen 1501 und 1780 verfasst wurden oder erschienen sind. Zu den (überlieferten) Autoren gehören teils weniger, aber auch sehr bekannte Persönlichkeiten, die auf Deutsch oder Lateinisch schrieben.140 Bei der Analyse werden sowohl die lateinischen Originalversionen als auch – sofern vorhanden – die deutschen zeitgenössischen Übersetzungen berücksichtigt, denn die Texte sind nicht ins Hochdeutsche übertragen worden, sondern erscheinen in der jeweiligen Sprache der Zeit (Frühneuhochdeutsch), um keine Verzerrungen bei der „Übersetzung“ hervorzurufen und den zeitgenössischen Charakter der Texte zu bewahren. Neben lateinischen Laudes urbium und dem Humanismus als lateinischer Gelehrtenkultur gab es im 16. Jahrhundert offenbar auch eine breite Rezeption von Humanismus und Renaissance in der Frankfurter Bevölkerung, die kein Latein konnte, was die ebenso große Anzahl volkssprachiger wie lateinischer Gedichte belegt. Bekanntestes Beispiel für dieses von Wolfgang Schmidt als „Trivialhumanismus“141 bezeichnete Interesse an Geschichte und Geographie nichtgelehrter Kreise sind sicherlich die Spruchgedichte des Nürnbergers Hans Sachs, der auch Frankfurt am Main mit einigen Versen bedacht hat.
fentlicht hat. Doch wie sich bei der Quellenanalyse für diese Arbeit herausgestellt hat, stammen diese Übersetzungen offenbar bereits von Maximilian Faust von Aschaffenburg (1593–1651). Zumindest finden sie sich größtenteils in der von ihm handschriftlich verfassten Franckenfurter Chronik, ISG: Chroniken S5/12, fol. 39v–51r (ca. 1624). Einige wenige Lobverse hat Diehl selber übersetzt. 140 Johann Steinwert von Soest, Ulrich von Hutten, Conrad Celtis, Peter Schöffer d.J., Franciscus Irenicus, Julius Caesar Scaliger, Johannes Pauli, Jacobus Micyllus, Jörg Wickram, Jacob Frey, Georg Fabricius/Georg Goldschmidt, Hugo Favolius, Paul Schede (Melissus), Hans Sachs, Henricus Stephanus, Georg Schroender, M. Johannes Griblebius, Marx Mangold, Ernst Kelchner, Johann Ludwig Gottfried (Gansius), Christoph Colerus (Moleri), Martinus Severus Venator, Nikolaus Reusner, Christoph Petschke, Hermann Adolf Authes, Johann Rudolf Karst, David Sigismund (Büttner), Adrianus Teutonius, Johann Albrecht Jormann, Friedrich Andreas Walther und Anton Kirchner. 141 Schmid, Heilige Städte, alte Städte, Kaufmannsstädte, S. 124.
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1.3.2 Stadtchronistik Mit der mittelalterlichen Stadt als einem verfassten Gebilde entstand auch die städtische Geschichtsschreibung. Die Stadt wurde als Institution und Schwurverband der Bürger zum Gegenstand, Urheber und Publikum einer neuen Art von Geschichte. In Italien gibt es Stadtchroniken bereits seit dem 12. Jahrhundert, seit dem 13. Jahrhundert dann auch nördlich der Alpen. Allgemein definiert ist die Stadtchronistik eine verbreitete Gattung der Geschichtsschreibung im 15. und 16. Jahrhundert, was Heinrich Schmidt als Ausdruck eines neuen städtisch-bürgerlichen Selbstbewusstseins interpretiert.142 Spätestens im 14. Jahrhundert war die auf die Stadt bezogene und von ihren Bürgern getragene Geschichte ein Phänomen, das sich in den Kommunen Europas, vor allem aber in den Reichsstädten, fand.143 Die Frühe Neuzeit zeichnete sich laut dem Historiker Thomas Fuchs durch sich beschleunigende soziale, ökonomische, politische und ideengeschichtliche Prozesse sowie durch eine Vertextlichung der Erinnerungsleistungen der Gesellschaft und eine förmlich explosionsartige Zunahme der Quellenüberlieferung gegenüber den früheren Jahrhunderten aus. Daher würde das kollektive Gedächtnis der frühmodernen Gesellschaften stark auf den realen Geschichtsbüchern basieren, und der Buchdruck habe auf der Ebene der medialen Vermittlung von Erinnerungen und kollektiven Gedächtnisinhalten die Frühe Neuzeit radikal von älteren Geschichtsepochen getrennt.144 Demzufolge schreibt die Forschung der frühneuzeitlichen Geschichtsschreibung eine memoriale Funktion zu, weshalb die Frage nach den verschiedenen historiographischen Genera in den Hintergrund trete. Viel wichtiger als die gattungsgeschichtliche Ausprägung sei nach Ansicht von Fuchs – aber auch für die vorliegende Fragestellung – ihre „wissensfunktionale Bedeutung“, wobei die voraufklärerische Geschichtsschreibung gegenüber der aufklärerischen Historiographie eine „widerstandsfähigere Form der Erinnerung“ darstelle, die durch die kompilatorische Wissenstechnik geschützt worden sei.145 Gleichzeitig differenziert Franz-Josef Schmale innerhalb der Historiographie nach „Vergangenheitsgeschichte“ und „Zeitgeschichte“, d.h. nach einer tatsächlichen Vergangenheits- und einer zeitgeschichtlichen Geschichtsschreibung,
142 Heinrich Schmidt: Die deutschen Städtechroniken als Spiegel des bürgerlichen Selbstverständnisses im Spätmittelalter. Göttingen 1958, S. 9–13. 143 Regula Schmid: Geschichte im Dienst der Stadt. Amtliche Historie und Politik im Spätmittelalter. Zürich 2009, S. 11. 144 Thomas Fuchs: Traditionsstiftung und Erinnerungspolitik. Geschichtsschreibung in Hessen in der Frühen Neuzeit. Kassel 2002, S. 22. 145 Ebd., S. 22–23.
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deren Grenze er zwischen möglicher mündlicher und notwendig schriftlicher Überlieferung mit drei Generationen oder ungefähr 100 Jahren bemisst, damit die vergangenen Geschehnisse nicht verloren gehen.146 Allerdings entstammt der Terminus Stadtchronistik keiner zeitgenössischen Gattungslehre, sondern wurde erst durch jüngere Quellenkunden und Überblicksdarstellungen geprägt.147 Doch weil es durchaus zeitgenössische Schriften mit dem Wort Chronik/Chronic im Titel gibt, ist für Hans-Werner Goetz der Terminus ‚Stadtchronik‘ als eine der Formen lokaler Institutionengeschichte nicht abwegig.148 Insgesamt sind die Chroniken des Spätmittelalters deutlich besser erforscht als jene der Frühen Neuzeit, wie Sascha Möbius jüngst dargelegt hat.149 Günther Lottes beschreibt das verstärkte Aufkommen der Stadtchronistik in der Mitte des 15. Jahrhunderts als einen „zentralen Vorgang der Restrukturierung des kulturellen Gedächtnisses“150, als mit der städtischen Historiographie eine neuartige Verschriftlichung von Erinnerung neben der bisherigen Archivierung von Urkunden, Stadtbüchern und Protokollen begonnen habe. Die Suche nach Vergewisserung gegenüber der eigenen Vergangenheit über das selbst Erlebte hinaus führte laut Kleinschmidt zur Entwicklung eines „Bewusstseins von Geschichtlichkeit, das archivalisch wie chronikalisch eine familiär, ständisch und korporativ betriebene Geschichtsschreibung in den frühneuzeitlichen Städten hervorbrachte“.151 146 Franz-Josef Schmale: Funktion und Formen mittelalterlicher Geschichtsschreibung. Eine Einführung. Darmstadt 1985, S. 17–18; Arnold Esch: Zeitalter und Menschenalter. Die Perspektive historischer Periodisierung. In: HZ 239 (1984), S. 309–351, hier S. 324; Aleida Assmann: Erinnerungsräume. Formen und Wandlungen des kulturellen Gedächtnisses. München 1999, S. 13. 147 Franz Xaver von Wegele: Geschichte der deutschen Historiographie seit dem Auftreten des Humanismus. München/Leipzig 1885, S. 143–178; Hans-Werner Goetz: Geschichtsschreibung und Geschichtsbewusstsein im hohen Mittelalter. Berlin 1999, S. 110–124. 148 Goetz, Geschichtsschreibung, S. 122. 149 Sascha Möbius: Das Gedächtnis der Reichsstadt. Unruhen und Kriege in der lübeckischen Chronistik und Erinnerungskultur des späten Mittelalters und der frühen Neuzeit. Göttingen 2011, S. 24. Siehe zur frühneuzeitlichen Stadtchronistik v.a. auf das 16. und 17. Jahrhundert bezogen: Rau, Geschichte und Konfession, S. 13–50; Volker Pfeifer: Die Geschichtsschreibung der Reichsstadt Ulm von der Reformation bis zum Untergang des Alten Reichs. Stuttgart 1981; Karl josef Kreter: Städtische Geschichtskultur und Historiographie. Das Bild der Stadt Hannover im Spiegel ihrer Geschichtsdarstellungen von den Anfängen bis zum Verlust der städtischen Autonomie. Hannover 1996; Klaus Wriedt: Bürgerliche Geschichtsschreibung im 15. und 16. Jahrhundert. Ansätze und Formen. In: Johanek, Städtische Geschichtsschreibung, S. 19–50, besonders S. 19–22. 150 Lottes, Stadtchronistik und städtische Identität, S. 48. 151 Erich Kleinschmidt: Stadt und Literatur in der Frühen Neuzeit. Voraussetzungen und Entfaltung im südwestdeutschen, elsässischen und schweizerischen Städteraum. Köln/Wien 1982, S. 150–157, hier S. 152–153.
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Als Heinrich Schmidt 1958 in seiner Studie über die deutschen Städtechroniken die historiographischen Aufzeichnungen des Spätmittelalters als „aufgeschriebene Möglichkeiten eines Bewußtseins von Welt“152 definierte, legte er den Grundstein für die Neubewertung historiographischer Texte, indem er sie nicht mehr nur als eine Sammlung von historischen Fakten, sondern als Quellen für die Wahrnehmungs- und Mentalitätsgeschichte153 verstand. Allerdings ist seine These, dass die von den städtischen Autoren geschriebenen Annalen und Chroniken auch ein spezifisch bürgerliches Selbstverständnis transportieren und die spätmittelalterlichen Städte von ihren Bewohnern als Einheit erfahren wurden154 von der Forschung mehrfach angezweifelt worden.155 Peter Johanek setzt Vergleichbares aber auch für die städtischen Gemeinschaften voraus, „die den Wandel von Gesellschaft und Verfassung zu bewältigen hatten und nach einem Fundament ihres Selbstverständnisses suchten“.156 Das Interesse an einer stadtbezogenen Historiographie war angesichts einer bedeutenden Überlieferung von geschichtlichen Aufzeichnungen im 16. und 17. Jahrhundert stark ausgeprägt, doch ausgeführte Darstellungen waren eher selten. Typisch war vielmehr die Beschäftigung mit älterer und zeitgenössischer Historie anhand einer Sammlung ganz unterschiedlichen Materials in häufig umfangreichen Kollektaneen in zumeist loser Form (Denkwürdigkeiten).157 Auch in Frankfurt haben die Stadtchroniken häufig einen kompilativen/kompilatorischen und unabgeschlossenen bzw. offenen Charakter, indem Notizen hinzugefügt und Lücken bzw. Auslassungen für weitere Anmerkungen und Eintragungen gelassen wurden. 152 Schmidt, Die deutschen Städtechroniken, S. 9. 153 Siehe hierzu ausführlich Robert Stein: Selbstverständnis oder Identität? Städtische Geschichtsschreibung als Quelle für die Identitätsforschung. In: Hanno Brand/Pierre Monnet/Martial Staub (Hrsg.): Memoria, Communitas, Civitas. Ostfildern 2003, S. 181–202, hier S. 183. 154 Schmidt, Die deutschen Städtechroniken, S. 9–10. 155 Etwa von Michael Borgolte: „Selbstverständnis“ und „Mentalitäten“. Bewußtsein, Verhalten und Handeln mittelalterlicher Menschen im Verständnis moderner Historiker. In: AKG 79 (1997), S. 189–210, hier S. 196–199; Hartmut Boockmann: Deutsche Städte um 1500 in den Augen der Zeitgenossen. In: Johannes Helmrath/Heribert Müller (Hrsg.): Studien zum 15. Jahrhundert. Festschrift für Erich Meuthen. Bd. 2. München 1994, S. 957–970, hier S. 958–959. Boockmann gibt zu bedenken, dass oft genug Stadt- und Weltgeschichte in der Historiographie ganz selbstverständlich zusammenfließen würden, sodass keine dezidiert städtische Perspektive in der Gemengelage der aufgezeichneten Ereignisse festzustellen sei (S. 959). Gleichzeitig leugnet auch Boockmann nicht, dass die Stadtbürger um 1500 anfingen, ihre Städte tatsächlich zu sehen (S. 969). 156 Peter Johanek: Einleitung. In: Johanek, Städtische Geschichtsschreibung, S. VII–XIX, hier S. VII. 157 Kleinschmidt, Stadt und Literatur, S. 156–157.
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Wichtig ist auch der Hinweis aus Susanne Raus Studie über Geschichte und Konfession, dass es sich bei der Historiographie um ein Elaborat handele, das sich aus gattungsspezifischen, rhetorischen, fiktionalen und intertextuellen Elementen zusammensetze, die bei der Untersuchung von Erinnerungskultur, aber auch von Stadtbildern, sogar stärker berücksichtigt werden sollten als die darin überlieferten Fakten.158 Damit fordert und begründet Rau eine Akzeptanz für die Anwendung von Methoden aus dem Bereich der Rhetorik oder Literaturwissenschaft, was der Geschichtswissenschaft keinesfalls schaden würde.159 Angestrebt wird in der vorliegenden Arbeit daher – ebenso wie von Susanne Rau – eine Position zwischen einer extrem textbezogenen und einer faktenbezogenen Geschichtswissenschaft, denn jeder Text ist auch nach narrativen Regeln aufgebaut. Auch historiographische Texte, die Ereignisse vermitteln wollen, sind Konstruktionen nach bestimmten Regeln, sodass aufgrund des Bedeutungswandels von Sprache die Quellen nicht als bloße Informationsträger betrachtet werden dürfen. Vielmehr geht es ebenfalls um die Abschreibe-Mechanismen und Abschreibe-Techniken bzw. darum, was rezipiert oder nicht rezipiert oder sogar bewusst verschwiegen wurde.160 Dabei sollte auch berücksichtigt werden, dass Geschichtsschreibung niemals ein völlig bewusster und reflektierter Umgang mit der Vergangenheit ist und die Historiographie oftmals weniger von den Intentionen ihrer Verfasser geprägt ist als von materiellen und formalen Zwängen und Vorgaben.161 Die Funktionen der städtischen Geschichtsschreibung können laut Johanek deshalb sehr breit gestreut sein, egal, ob sie vom traditionsreichen Städtelob ausgeht, Ursprung und Herkommen der Stadt beschreibt, als Memoria ihrer Selbstbehauptung fungiert oder als Gegenwartschronistik innerstädtische Konflikte dokumentiert.162 Den Großteil der städtischen Überlieferung ordnet Klaus Wriedt der Historiographie, verstanden als Zeitgeschichte, zu. Das seien vor allem die in die Stadtbücher integrierten Berichte sowie die oft aus aktuellem Anlass entstandenen Aufzeichnungen über Ereignisse der städtischen Politik und Verwaltung.163 Sollen also Stadtchroniken auf ihren Gehalt und ihre Funktion hin untersucht werden, verweist František Graus auf den Umstand, dass ein Chronist einem bestimmten Umkreis verhaftet ist, für den er schreibt, wie Familie, Kloster, Stadt, Land oder einer anonymen ‚Öffentlichkeit‘, die er mit festen Assoziatio158 Rau, Geschichte und Konfession, S. 42. 159 Ebd. 160 Ebd., S. 43. 161 Goetz, Geschichtsschreibung und Geschichtsbewußtsein, S. 141–146. 162 Johanek, Einleitung, S. XIV. 163 Wriedt, Bürgerliche Geschichtsschreibung, S. 30.
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nen verbindet.164 So ist für Graus der Befund von Topoi in der historischen Kritik unerlässlich, obwohl man bei ihrer bloßen Feststellung nicht stehen bleiben dürfe, denn aus ihnen entstehe jeweils ein neues, teils markantes Bild. Dementsprechend könne es „bei der bewußten Hochschätzung der Tradition in der spätmittelalterlichen Schulbildung […] nicht überraschen, daß Topoi, ja sogar ganze Vorstellungsmuster, einfach übernommen und in die neuen Werke ‚eingebaut‘ werden – aber es waren eben doch neue Werke, die entstanden und auf ihre Art und Weise die Aufgaben meistern wollten“.165 Ähnlich verweist auch Susanne Rau darauf, dass die übliche ‚Abschreibementalität‘, in dem Sinne, dass man im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit eher ältere Chroniken abschrieb und bis zur eigenen Gegenwart vervollständigte, statt die Geschichte einer Stadt vollständig neu zu konzipieren, nicht zu der Vorstellung führen dürfe, „die Geschichtsschreiber der Frühen Neuzeit hätten treu und brav die Vorlagen abgeschrieben“166, was anhand von Um- und Neudeutungen zu belegen sei. Genauso wenig dürfe die Tatsache, dass nur die wenigsten Chroniken in der Frühen Neuzeit gedruckt wurden, zu dem Schluss führen, dass die Chroniken nur von wenigen privilegierten und betuchten Menschen gelesen wurden, denn die Einführung der Druckerpresse bedeutete noch lange nicht das Ende des ‚Handschriftenzeitalters‘.167 Gleichwohl ist es ein noch weitgehend ungeklärtes Phänomen, weshalb in der Frühen Neuzeit relativ wenige Chroniken gedruckt wurden,168 allerdings fällt zumindest für Frankfurt auf, dass es immer wieder zu erneuerten und fortgeführten Abschriften bestehender Chroniken kam, was ihnen einen Charakter der dauerhaften Unvollständigkeit bzw. der Fortführbarkeit gab, weshalb sie womöglich gar nicht für den Druck in Betracht gezogen wurden. Als weitere Erklärungen sieht die Forschung zum einen die Verkäuflichkeit an. Die Verleger mussten hart kalkulieren, wenn sie eine Chronik, die nicht gerade zur Gebrauchsliteratur zu zählen ist, veröffentlichen wollten.169
164 František Graus: Funktionen der spätmittelalterlichen Geschichtsschreibung. In: Hans Patze (Hrsg.): Geschichtsschreibung und Geschichtsbewusstsein im späten Mittelalter. Sigmaringen 1987, S. 11–55, hier S. 12. 165 Graus, Funktionen, S. 40. 166 Rau, Geschichte und Konfession, S. 407. 167 Ebd. 168 Dieter Mertens: Früher Buchdruck und Historiographie. Zur Rezeption historiographischer Literatur im Bürgertum des deutschen Spätmittelalters beim Übergang vom Schreiben zum Drucken. In: Bernd Moeller u.a. (Hrsg.): Studien zum städtischen Bildungswesen des späten Mittelalters und der frühen Neuzeit. Göttingen 1983, S. 83–111, hier S. 108. 169 Mertens, Früher Buchdruck, S. 87, 104.
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Eine zweite These vermutet, dass Stadtchroniken im Gegensatz zu Reimchroniken aufgrund ihrer „poetischen Unzulänglichkeit“170 nicht gedruckt wurden. Schließlich darf die Tatsache, dass die wenigsten Stadtchroniken – zumindest bis zum frühen 18. Jahrhundert – gedruckt waren, nicht zu der Schlussfolgerung führen, dass sie daher nur eine geringe Verbreitung erfuhren, denn gerade das Abschreiben von Chroniken führte zur „Ausformung von Diskurskonventionen und zur Verstetigung von in Gedächtnismustern eingeordneter Geschichte“.171 Auch der überlieferte Bestand an Frankfurter Chroniken enthält sowohl zahlreiche handschriftliche Abschriften und Vervielfältigungen als auch sehr auffällige inhaltliche Übereinstimmungen zwischen früheren handschriftlichen und später gedruckten Chroniken. Es ist davon auszugehen und teilweise auch bekannt, dass die Verfasser gedruckter Chroniken im 18. Jahrhundert auf die überlieferten handschriftlichen Chroniken zurückgriffen und diese rezipierten, teils aus ihnen kopierten oder sie ergänzten. Die lange Zeit unzusammenhängend überlieferten Teile der Stadtgeschichte wurden mittels einer Chronik in einen Sinnzusammenhang gebracht. Die Forschung hat zwei Arten der chronikalischen Darstellung eruiert: zum einen die „Basiserzählung“ der Stadtgeschichte als eine chronologisch geordnete und aufgelistete Stadtgeschichte, in der je nach Chronik bestimmte Ereignisse hervorgehoben werden (z.B. Herrscherwechsel, Unwetter, Kriege, Privilegien etc.), und zum anderen eine „Anlagerung von kleineren Geschichten an die ‚große‘ Stadtgeschichte oder auch an bestimmte Erinnerungsorte in der Stadt […], die sich dann in der chronikalischen Beschreibung wiederfinden“.172 Für eine deutliche Milieubindung der Chronisten hat sich Stephanie Dzeja in ihrer Studie zur Frankfurter Stadtchronistik ausgesprochen, indem ein Autor die in seiner sozialen Gruppe geprägte Erinnerung an die Stadt niederschreibe und der Chronist somit „Stellvertreter seines sozialen Milieus“173 sei. Die gegenteilige Forschungsauffassung, dass es sich um eine „gelehrte Spielerei und Sammelobjekte reicher Oberschichten“ oder um eine gelehrte Selbstdarstellung handele, weist Dzeja damit zurück, dass die meisten Chroniken und Abschriften nicht bibliophil gestaltet seien, sie anonym und ohne biographische Informationen und zumeist auf Deutsch statt auf Latein verfasst wurden.174
170 Ludwig, Die Darstellung südwestdeutscher Städte in der lateinischen Literatur, S. 48. 171 Rau, Geschichte und Konfession, S. 524. 172 Möbius, Das Gedächtnis der Reichsstadt, S. 28. 173 Stephanie Dzeja: Die Geschichte der eigenen Stadt. Städtische Chronistik in Frankfurt am Main vom 16. bis zum 18. Jahrhundert. Frankfurt a.M. u.a. 2003, S. 20. 174 Ebd., S. 20–22.
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Weil die Informationen sowohl über die Rezeptionsgeschichte der Frankfurter Chroniken als auch über die Vorgehensweise der Autoren nur sehr spärlich sind und es für das Bild der Reichsstadt auf der literarisch-publizistischen Ebene nur in zweiter Linie von Bedeutung ist, spielt die Gebundenheit des Autors an sein Milieu keine so große Rolle, als wenn nach der Identität oder dem „Gewissen der Stadt“175 gefragt werden sollte, wie es Peter Johanek gemacht hat. Handhabbarer für die vorliegende Fragestellung ist der von Wilfried Ehbrecht geprägte Begriff „verschriftlichtes kollektives Gedächtnis“176, in dem sich durchaus die Interessen und ggf. auch Herkunft des Autors mittels der Schwerpunktsetzung und Auswahl niedergeschriebener Ereignisse widerspiegeln. Im engeren Sinne ist von einer Stadtchronik die Rede, wenn sie die Geschichte der Stadt seit der Gründung bis in die Gegenwart hinein schildert und sich im Wesentlichen auf die städtischen Geschehnisse konzentriert.177 Aufgrund des umfangreichen Quellenmaterials untersucht die vorliegende Arbeit genau diese – enger definierte – Stadtchronistik und schließt Aufzeichnungen, die nur einen begrenzten Zeitraum betreffen, fragmentarische Notizen sowie persönliche oder familienbezogene Aufzeichnungen aus. Als groben Orientierungsrahmen hat Robert Stein Eckpunkte formuliert, die sich an der Communis Opinio in der Forschungslandschaft orientieren: Stadtchroniken entstehen häufig im Umfeld des Rathauses, ihr zentraler Bezugspunkt ist die städtische Geschichte.178 Für die vorliegende Analyse der Frankfurter Stadtchroniken ist die Pionierarbeit von Stephanie Dzeja eine wichtige Orientierungsgrundlage, weil auch sie sich auf jene Stadtchroniken gestützt hat, die möglichst die gesamte Geschichte der Stadt bis zur Gegenwart des Schreibers darstellen.179 Diese Auswahl ist für die vorliegende Arbeit aufgrund der großen Quellenfülle sinnvoll. Zunächst bleibt festzuhalten, dass aus dem Mittelalter keine chronistischen Aufzeichnungen zur Geschichte Frankfurts überliefert sind. „Eine echte, große, literarisch geformte Stadtgeschichtsschreibung, wie man sie aus anderen Städten
175 Johanek, Einleitung, S. XIV. 176 Wilfried Ehbrecht: Uppe dat sulck grot Vorderfnisse je nicht meer enscheghe. Konsens und Konflikt als eine Leitfrage städtischer Historiographie, nicht nur im Hanseraum. In: Peter Joha nek (Hrsg.): Städtische Geschichtsschreibung im Spätmittelalter und in der Frühen Neuzeit. Köln/Weimar/Wien 2000, S. 51–109, hier S. 52. 177 Siehe hierzu: Rau, Geschichte und Konfession, S. 72–73; Wriedt, Bürgerliche Geschichtsschreibung, S. 37. 178 Stein, Selbstverständnis oder Identität?, S. 182–183. Außerdem erwähnt Stein den nicht unproblematischen Aspekt, dass Stadtchroniken als besonderer Ausdruck bürgerlichen Selbstverständnisses angesehen werden. 179 Dzeja, Die Geschichte der eigenen Stadt, S. 17–18.
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kennt, scheint Frankfurt am Main im Mittelalter nicht besessen zu haben.“180 Daher ist oder war man für die frühe Historiographie auf die allgemeinen Chroniken etwa des Frankenreichs und der staufischen Historiographie angewiesen. Somit ist die Ausgangslage der städtischen Historiographie zunächst als ungünstig einzuordnen. Erst in der Frühen Neuzeit sind ab dem 16. Jahrhundert Frankfurter Autoren überliefert, die sich intensiver mit der Geschichte der Reichsstadt auseinandergesetzt haben.181 Bis dato war die Frankfurter spätmittelalterliche Stadtgeschichte laut Pierre Monnet „fast so etwas wie Familiengeschichte […], so dass wir das Genre der Stadtchronistik (wenn es überhaupt ein solches gibt) nie rein antreffen“.182 Eine erste kritisch verfasste Chronik, die sich umfassend auf Urkunden und annalistische Aufzeichnungen stützt, die Acta Aliquot, hat der Dechant des Bartholomäusstifts Johannes Latomus (1524–1598) verfasst.183 Der Chronist und Historiograph stammte aus einer Frankfurter Patrizierfamilie und war der bedeutendste katholische Geistliche der Reichsstadt dieser Zeit. Für den internen Gebrauch des Bartholomäusstifts verfasste er die Antiquitates quaedam civitatis et potissimum ecclesiae Francfordensis (1562), für eine breitere Öffentlichkeit waren die Acta aliquot vetustiora in civitate Francofurtensi von 1583 bestimmt, die 1664 bei Gebhard Florian gedruckt wurden und Bestandteil seiner Chronica waren.184 Mit den Acta185 kam es zu einer „historiografischen Formgebung“186, die als eine eigenständige Geschichtsschreibung bezeichnet werden kann. Erst jetzt habe in
180 Schwarz, Die Horizonte städtischer Historiografie, S. 311. 181 Barbara Dölemeyer: Helenopolis – Frankfurt am Main in Mythos und Chronik (16.–18. Jahrhundert). In: Bernhard Kirchgässner/Hans-Peter Becht (Hrsg.): Städtische Mythen. 38. Arbeitstagung 1999. Ostfildern 2003, S. 75–90, hier S. 82; Rudolf Jung: Lersners Frankfurter Chronik. In: Konrad Bund (Hrsg.): Findbuch zu den Lersnermanuskripten. Frankfurt a.M. 1987, S. 5–17; Richard Froning: Die beiden Frankfurter Chroniken des Johannes Latomus und ihre Quellen. In: AFGK NF 8 (1882), S. 142–143; Djeza, Die Geschichte der eigenen Stadt. 182 Pierre Monnet: Führungseliten und Bewußtsein sozialer Distinktion in Frankfurt am Main (14. und 15. Jahrhundert). In: AFGK 66 (2000), S. 12–77, hier S. 48–50. 183 Johannes Latomus: Acta aliquot vetustiora in civitate Francofurtensi ab aetate Pipini parvi Francorum regis usque ad tumultum rusticum id est annum Christi 1525. Laufzeit: 753–1525. ISG: Chroniken S5/40. 184 Gebhard Florian [Georg Fickwirth]: Chronica Der weitberühmbten freyen Reichs- Wahl- und Handel-Statt Franckfurt am Mayn. Oder Ordentliche Beschreibung der Statt Franckfurt Her kunnft und Auffnehmen. In Verlegung George Fickwirdts im Jahr 1664. Siehe hierzu auch Dölemeyer, Helenopolis – Frankfurt am Main in Mythos und Chronik, S. 82. 185 Froning, Die beiden Frankfurter Chroniken des Johannes Latomus. 186 Schwarz, Die Horizonte städtischer Historiografie, S. 316.
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Frankfurt die städtische Chronistik als „Geschichte der eigenen Stadt“187 begonnen, bei der es sich nicht mehr um eine Gegenwartschronistik handele. Die historiographischen Aufzeichnungen und der Umgang mit geschichtlicher Überlieferung blieben im Frankfurt der Frühen Neuzeit überwiegend auf die ständischen und bildungsberuflichen Führungsschichten beschränkt.188 Besonders die Alten-Limpurger Patrizier und „Adelsmacher“189 Johann Friedrich Faust von Aschaffenburg d.Ä. (1569–1621) und Johann Maximilian zum Jungen (1596– 1649) waren nicht nur auf gelehrtem und politischem Gebiet aktiv,190 sondern trugen auch mit ihren Chroniken zur städtischen Historiographie bei. Faust von Aschaffenburg schuf mit seiner Alten-Limpurger Geschlechterchronik (1616)191 eine Grundlage für alle spätere Beschäftigung mit der Geschichte der Gesellschaft Alten-Limpurg, von Johann Maximilian zum Jungen über die LersnerChronik bis zu Franz Lerners Register der Geschlechter auf Alten-Limpurg (1952).192 Johann Maximilian zum Jungen, ein bedeutender Kopf im Frankfurter Patriziat, führte sein geistiges Erbe weiter, ebenso wie der Jurist und Syndikus Maximilian Faust von Aschaffenburg (1693–1651). Er legte 1624 eine Frankfurter Stadtchronik193 vor, die die Stadtgeschichte erstmals nach inhaltlichen Gesichtspunkten behandelte, sich jedoch überwiegend mit den Kaisern und Königen beschäftigte, weniger mit den Frankfurter Geschlechtern.194 Die von Johann Maximilian zum Jungen 1638 gefertigte Abschrift diente später dem Stadtbibliothekar Johann Martin Waldschmidt als Grundlage für eigene chronikalische Aufzeichnungen.195 Offensichtlich bestand ein enges Zusammenwirken zwischen dem jüngeren Faust von Aschaffenburg und zum Jungen. Ihre Beschäftigung mit der Stadtgeschichte hatte nicht nur weitere historische, genealogische und familiengeschichtliche
187 Dzeja, Die Geschichte der eigenen Stadt, S. 32–35. 188 Kleinschmidt, Stadt und Literatur, S. 160. 189 Andreas Hansert: Geburtsaristokratie in Frankfurt am Main. Geschichte des reichsstädtischen Patriziats. Wien/Köln/Weimar 2014, S. 267. 190 Ebd., S. 267–275. 191 Die Geschlechterchronik existiert in zwei Handschriften: 1.) ISG: Holzhausen-Archiv: Altenlimpurg 157; 2.) ISG: Chroniken S5/46. 192 Hansert, Geburtsaristokratie in Frankfurt am Main, S. 268. 193 Maximilian Faust von Aschaffenburg: Frankfurter Chronik. Ca. 1624. ISG: Chroniken S5/12. Eine 1638 von Johann Maximilian zum Jungen angefertigte Abschrift ist die Frankfurter Chronik von Maximilian Faust von Aschaffenburg, nach 1638. ISG: Chroniken S5/74. Siehe hierzu Dzeja, Die Geschichte der eigenen Stadt, S. 67–68, 250. 194 Siehe hierzu auch Hansert, Geburtsaristokratie in Frankfurt am Main, S. 272. 195 Johann Martin Waldschmidt: Chronicon der Weltberühmbten freyen Reichs- Wahl- und Handel-Statt Franckfurt am Mayn. Nach 1704. ISG: Chroniken S5/66.
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Studien und Dokumentensammlungen zur Folge, sondern diente auch für die Arbeit späterer moderner wissenschaftlicher Historiographen.196 Der Sohn von Maximilian, Johann Friedrich Faust von Aschaffenburg d.J. (1636–1674), führte die in seiner Familie ausgeprägte Beschäftigung mit der Geschichte weiter und legte 1660 erneut eine – im Druck vorliegende – Stadtchronik197 vor. Diese diente wiederum als Vorlage für eine Chronik198 von Gebhard Florian, die 1664 im Druck erschien und abermals die Grundlage für die 1706 in erster Auflage erschienene Stadtchronik199 der sehr traditionsbewussten AltenLimpurger Persönlichkeit und des Geschichtsschreibers Achilles August von Lersner (1662–1732) bildete, die den „Höhepunkt der chronikalischen Bemühungen der Frankfurter Patrizier in der Frühen Neuzeit darstellte“.200 Dagegen war eine mittel- oder unterschichtige Historie aus dem Handwerker- und Kaufmannsbereich eher die Ausnahme. Stephanie Dzeja hat anhand der Frankfurter Stadtchronistik das Selbstverständnis der Frankfurter frühneuzeitlichen Gesellschaft untersucht und die Chroniken nach formalen Aspekten analysiert. Die Besonderheit der Frankfurter Chronistik bestehe in ihrem späten Einsetzen (16. Jahrhundert), in ihrer weitgehend unvollendeten Form und in dem Fehlen einer Leitchronik, was Dzeja darauf zurückführt, dass kein Text existiert, der Autorität durch Alter ausgestrahlt hätte und der als Grundlage für eine weitere Beschäftigung mit der eigenen Geschichte hätte dienen können. Auch hatte der städtische Rat kein Monopol auf die Formulierung der Frankfurter Geschichte, die ebenso von kirchlicher Seite verfasst wurde, auch wenn im 17. Jahrhundert der Rat und dessen Umfeld die chronikalische Erinnerung der Stadt prägten.201 Im 18. Jahrhundert erstreckte sich die Beschäftigung mit der städtischen Geschichte dann auch auf breitere Bevölkerungsschichten. Die Chronisten sahen sich selbst teilweise als ‚bürgernah‘ an. Damit war die Beschäftigung mit der städtischen Vergangenheit endgültig keine obrigkeitliche Angelegenheit mehr. In der Positionierung der Stadt innerhalb der (Welt-)Geschichte herrschte nach Auffassung von Dzeja Einigkeit unter den Chronisten. Sie sahen Frankfurt als eine der bedeutendsten und ältesten Reichsstädte an, sie beurteilten die Freiheit vom 196 Hansert, Geburtsaristokratie in Frankfurt am Main, S. 274; Dzeja, Die Geschichte der eigenen Stadt, S. 73, 260–261. 197 Johann Friedrich Faust von Aschaffenburg: Kurtze Verfassung vieler denckwürdigen offenbahren Geschichten sampt alter kaiserlicher und teutschen Königen gerechtsame. Frankfurt a.M. (Selbstverlag) 1660. 198 Florian, Chronica Der weitberühmbten freyen Reichs- Wahl- und Handel-Statt Franckfurt. 199 Lersner, Der Weit-berühmten freyen Reichs-, Wahl- und Handels-Stadt Chronica. 200 Hansert, Geburtsaristokratie in Frankfurt am Main, S. 273. 201 Dzeja, Die Geschichte der eigenen Stadt, S. 40.
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Reich grundsätzlich positiv und die Stellung als Wahlstadt wurde von allen Chronisten betont. Bei der Beschreibung der Ereignisgeschichte differenzierte sich das Bild der Stadt hingegen immer stärker aus: „Die Differenzen äußern sich sowohl hinsichtlich der konkreten Darstellung Frankfurts als Reichsstadt wie auch in der Wahrnehmung des innerstädtischen Regimentes.“202 Für die Frankfurter Stadtchronistik lässt sich eine relativ deutliche Unterscheidung festmachen, indem es rein chronologisch angelegte Chroniken bzw. Teile von Chroniken gibt, die in kurzen Einträgen Ereignis an Ereignis reihen, oder aber thematisch sortierte Chroniken mit besonderen Schwerpunkten und einer ausführlicheren Darstellung der einzelnen Aspekte. Viele Chroniken beginnen mit einem Einführungstext zur (vermeintlichen) Frühgeschichte und Entstehung der Stadt, bevor die eigentliche chronologische Auflistung beginnt. Die voranstehenden Fließtexte bilden gewissermaßen eine „etymologische und frühgeschichtliche Einleitung zur annalistischen Reihung“.203 Damit bestehen die Frankfurter Chroniken häufig aus zwei Abschnitten: zum einen aus dem sagenhaften Ursprung und der frühen Ansiedelung um 760 n. Chr. unter Karl dem Großen und zum anderen aus der annalistischen Reihung der städtischen Ereignisse seit etwa 760 bis zum Ende des Berichts- bzw. Abfassungszeitraums. Darin sind die Frankfurter Chroniken keine Besonderheit, denn Stadtbücher und Chroniken des 15. bis 17. Jahrhunderts stellen typischerweise recht nüchtern die äußeren Geschehnisse dar und enthalten zahlreiche Angaben über Naturereignisse, Erdbeben, Überschwemmungen oder Verbrechen.204 Die gedruckten Chroniken Frankfurts des späten 17. und 18. Jahrhunderts sind demgegenüber zumeist als Fließtext formuliert und in thematische Kapitel untergliedert, sodass sie in Aufbau und Struktur den Stadtbeschreibungen ähneln. Die Ausführlichkeit und den beschreibenden Duktus gedruckter Chroniken erklärt Ennen mit dem aufgeklärten Optimismus der städtischen Gesellschaft, „die in der Historie nicht nur die Stütze reichsstädtischer Rechte, sondern auch die große Lehrmeisterin sah“.205
202 Ebd., S. 244. 203 Wolf, Bilder und Vorstellungen, S. 65. 204 Edith Ennen: Geschichtsbewusstsein und Geschichtsschreibung des städtischen Bürgertums in seinen historischen Wandlungen bis zur Gegenwart. In: Gerhard Köhn (Hrsg.): Soest: Stadt – Territorium – Reich. Festschr. zum hundertjährigen Bestehen d. Vereins für Geschichte u. Heimatpflege Soest mit Beitr. zur Stadt-, Landes- und Hansegeschichte. Soest 1981, S. 9–34, hier S. 24. 205 Ennen, Geschichtsbewusstsein und Geschichtsschreibung, S. 26.
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Für Günther Lottes bilden diese beiden Teile der Basiserzählung und Komplementärerzählungen zusammengenommen die „Identitätserzählung“206 einer Stadt. Allerdings verwendet die vorliegende Studie nicht die Begrifflichkeit der Identität, sondern legt ihren Fokus auf den Bildbegriff, weil die Chroniken mehr oder weniger stark durch ihre Verfasser und ihr Herkunftsmilieu geprägt sind, sodass nicht von einer Identität der gesamten Stadt gesprochen werden kann. Zum anderen existieren Chroniken, die ausführlich Unglücke, Unwetter, Raub oder Mord mit auflisten, was sich aus heutiger Sicht nur sehr schwer als Identität der Stadt interpretieren lässt, sondern wohl eher deshalb mit aufgeführt wurde, weil es schlicht überliefert war und zur städtischen Geschichte und Vergangenheit dazugehörte. Während Dzeja sich sehr ausführlich mit dem Charakter der Frankfurter Stadtchronistik auseinandersetzt, liegt der Schwerpunkt der vorliegenden Studie auf der oben kurz angerissenen inhaltlichen Ebene. Eine detaillierte Analyse des Stellenwertes einzelner Gesichtspunkte und Aspekte der Chroniken soll Aufschluss über das Bild der Stadt als ein kulturelles Zentrum des Alten Reichs geben. Ausgewertet wurden dafür 40 handschriftliche Chroniken207, worunter sich auch Abschriften und Sammlungen befinden, die häufig Ergänzungen oder Auszüge aus früheren Chroniken enthalten. Der Verfassungszeitraum umfasst den Beginn der Frankfurter Historiographie seit etwa 1550 (Chronik des Latomus) bis etwa 1800. Davon zu unterscheiden ist die Laufzeit der Chroniken, die häufig mit der vermeintlichen Gründungsgeschichte Frankfurts beginnt, d.h. um 750 n. Chr. Die Chroniken befinden sich im Institut für Stadtgeschichte Frankfurt am Main (ISG) und sind im Bestand „Chroniken“ (Bestandskürzel S5) zu finden. Sie sind online über die Archivdatenbank recherchierbar, jedoch in ganz unterschiedlichem Umfang erschlossen und bearbeitet.208 Außerdem wurden für diese Arbeit 18 gedruckte Chroniken209 untersucht, die zwischen 1700 und 1800 verfasst wurden. Dazu gehören auch im Druck herausgegebene Ausgaben bereits zeitlich früher verfasster handschriftlicher Chroniken aus dem 17. Jahrhundert. Sie befinden sich ebenfalls im Institut für Stadtgeschichte Frankfurt am Main sowie in der Frankfurter Universitätsbibliothek
206 Günther Lottes: Stadtchronistik und städtische Identität. Zur Erinnerungskultur der frühneuzeitlichen Stadt. In: Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Stadt Nürnberg 87 (2000), S. 47–58, hier S. 49. 207 Alle ausgewerteten handschriftlichen Chroniken finden sich im Quellenverzeichnis. 208 Online-Katalog des Instituts für Stadtgeschichte Frankfurt am Main (ISG): http://www.ifaust. de/isg/zeig.FAU?sid=40FBB4C729&dm=1&ind=1&ipos=Chroniken (letzter Zugriff: 03.06.2015). 209 Alle ausgewerteten Chroniken sind im Quellenverzeichnis aufgeführt.
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Johann Christian Senckenberg und sind über die jeweiligen Online-Kataloge und Datenbanken210 recherchierbar.
1.3.3 Kosmographien, geographisch-historische Beschreibungen Als Zeugnisse dafür, wie Frankfurt seit 1500 gesehen und dargestellt wurde, bietet die topographische Literatur und Publizistik zahlreiches Material, weil sie neben geographischen Angaben auch landeskundliche und zeitgeschichtliche Informationen enthält. Seit der Antike gehört das Beschreiben von Topographien, Landschaften, Städten, Sitten und Bräuchen aller Völker zum festen Bestandteil der geographischen Wissenschaft.211 Um die Mitte des 15. Jahrhunderts machte der römische Humanismus die Beschreibung der Erde und einzelner Länder zum Bestandteil der zeitgenössischen gelehrten Debatte.212 Im 16. Jahrhundert existierte dann ein allgemeines und weit verbreitetes Interesse an Geschichte und Geographie des Heiligen Römischen Reiches.213 Wolfgang Behringer spricht für das 16. und 17. Jahrhundert gar von einem „inflationären Interesse“ an Stadtansichten und Stadtdarstellungen, sowohl im schriftlichen als auch im bildlichen Bereich.214 Sowohl die Länder- und Stadtbeschreibungen als auch das Anfertigen von Karten firmierten unter dem Begriff der Kosmographie215, wobei die Bezeichnun-
210 Hier ist besonders der Web-Katalog der Frankfurter Museumsbibliotheken zu nennen: http://www.museumsbibliotheken.frankfurt.de/ (letzter Zugriff: 03.06.2015). 211 Weiterführende Literatur zur Geschichte der Geographie: François de Dainville: Le Langage des Géographes. Termes – Signes – Couleurs – des Cartes anciennes 1500–1800. Paris 2002; Paul Claval: Histoire de la Géographie. 3. Aufl. Paris 2001. 212 Numa Broc: La Géographie de la Renaissance. Paris 1980; Noel M. Swerdlow: The Recovery of the exact Sciences of Antiquity: Mathematics, Astronomy, Geography. In: Anthony Grafton (Hrsg.): Rome reborn. The Vatican Library and Renaissance Culture. Washington 1993, S. 125–168. 213 Schmid, Heilige Städte, alte Städte, Kaufmannsstädte, S. 157. 214 Wolfgang Behringer: Die großen Städtebücher und ihre Voraussetzungen. In: Behringer/ Roeck, Das Bild der Stadt, S. 81–93. 215 Lat. Cosmographia; dt. Weltbeschreibung (1663). Beschreibung oder Darstellung des Universums. Eine Definition des 18. Jahrhunderts lautet: „Kosmographie: Welt-Beschreibung, ist derjenige Theil der Natur-Geschichte, der den großen Welt-Körper und das daraus entspringende Ganze, welches den Nahmen der Welt führt, zum Gegenstande hat; die Wissenschaft welche den Bau, die Gestalt, die Anordnung und das Verhältniß aller Theile, woraus das Welt-Gebäude besteht, lehrt.“ Vgl. Johann Georg Krünitz: Oekonomische Encyclopädie, oder allgemeines System der Staats-, Stadt-, Haus- und Landwirthschaft. 1773–1858, hier Bd. 46 (1789). Online verfügbar im Rahmen eines Digitalisierungsprojektes der Universität Trier unter: http://www.kruenitz1. uni-trier.de/ (letzter Zugriff: 04.06.2015).
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gen Kosmographie und Geographie weitgehend synonym gebraucht wurden.216 Die von griechischen Wurzeln stammende humanistische Geographie erlebte laut Péter Kulcsár im 15. Jahrhundert einen großen Aufschwung und hing nicht nur mit der Entdeckung der individuellen ‚Gesichter‘ der Städte zusammen, sondern auch mit der Schilderung ihrer Natur-, Wirtschafts- und politischen Verhältnisse. Charakteristisch für diese Beschreibungen war der geringe Anteil persönlicher oder individueller Beschreibungen gegenüber einem stark systematisch ausgeprägten Charakter der Darstellung.217 Ein frühes Beispiel für die literarische Form der Topographie bzw. Geographie ist die Italia illustrata, die Flavio Biondo zwischen 1448 und 1453 verfasst hat. Er hat die knappen, oft formelhaften Personenskizzen in eine geographischhistorische Beschreibung eingebettet – ein Verfahren, das in den Städtelaudes und Reiseberichten literarische Vorbilder besitzt.218 Charakteristisch für die kosmographisch-geographischen Beschreibungen ist häufig die Kombination von Geschichtsbericht und Gegenwartsschilderung, wie Hartmut Kugler für die Schedelsche Weltchronik219 festgestellt hat, die zunächst in lateinischer Sprache unter dem Titel Liber Chronicarum erschien.220 Schedels Weltchronik ist noch stark vom Modell der mittelalterlichen Universalgeschichte geprägt, während jedoch seine Beschreibungen der Länder und vor allem von Städten herausragen.221 Sie gilt als eine der frühesten Verbindungen von Städtebild und Historiographie. Die Forschung spricht ihr eine Schwellenfunktion zu, „als Beleg für einen Paradigmenwechsel von einer chronographisch zu einer chorographisch222 akzen216 Eigentlich bezog sich die Kosmographie auf die Beschreibung und Erforschung der ganzen Welt und die Geographie handelte ‚nur‘ von der Erde bzw. der Erdoberfläche. Siehe hierzu: Manfred Büttner: Mercator und die Neuausrichtung der Kosmographie im 16. Jahrhundert. In: Irmgard Hantsche (Hrsg.): Mercator – ein Wegbereiter neuzeitlichen Denkens. Referate des 2. Mercator-Symposiums Duisburg, 8.–9. März 1993. Bochum 1994, S. 14–49, hier S. 33. 217 Péter Kulcsàr: Die Anfänge der humanistischen Geographie in Ungarn. In: Földrajzi Közlemények, Uj Folyam XVII. (1969), S. 297–308, besonders S. 297–298, erwähnt bei Szende, „Innen“und „Außensicht“. Das Bild der ungarischen Städte, S. 242. 218 Ottavio Clavuot: Flavio Biondos „Italia Illustrata“. In: Johannes Helmrath/Ulrich Muhlack/ Gerrit Walther (Hrsg.): Diffusion des Humanismus. Studien zur nationalen Geschichtsschreibung europäischer Humanisten. Göttingen 2002, S. 55–76, hier S. 56. 219 Elisabeth Rücker: Die Schedelsche Weltchronik. Das größte Buchunternehmen der DürerZeit. Mit einem Katalog der Städteansichten. München 1973. 220 Noch im Erscheinungsjahr 1493 wurde das Werk von Georg Alt in leicht gekürzter Form ins Deutsche übersetzt und bei dem bekannten Nürnberger Drucker Anton Koberger gedruckt. 221 Hartmut Kugler: Nürnberg auf Blatt 100. Das verstädterte Geschichtsbild der Schedelschen Weltchronik. In: Lehmann/Liebau, Stadt-Ansichten, S. 103–123, hier S. 109. 222 Eine Definition des 18. Jahrhunderts: „Chorographie: Landes=Beschreibung, Gr. und Lat. Chorographia; Fr. Chorographie. Eine wohl eingerichtete Landes-Beschreibung, in welcher so-
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tuierten Weltdarstellung“.223 Auch wenn die Schedelsche Weltchronik keinen Beitrag zu Frankfurt enthält und noch einen recht schmalen Anteil an Stadtbeschreibungen liefert, liegt ihre Bedeutung doch darin begründet, dass sie erstmals Kosmographie und Geographie mit Geschichtsschreibung und Kartographie verbindet.224 Typisch ist für die Textsorte der Kosmographie die Kompilation, indem aus den Vorlagen nicht bloß abgeschrieben wurde, sondern möglichst viele und verschiedene Quellen herangezogen und jeweils einzelne Sätze ausgewählt, umgestellt und neu kombiniert wurden. Besonders die Texte italienischer Humanisten, aber auch antiker Autoren hatten eine große Autorität und dienten häufig als Vorlagen und Quellen.225 Schirrmeister hat die intertextuellen Phänomene in der sprachlichen Darstellung, bei der Strukturierung und auch bei den beschriebenen Objekten nachgewiesen.226 Im Gegensatz zu diesen ersten Kosmographien des späten 15. und frühen 16. Jahrhunderts wurden allmählich auch Originalbeiträge von Reisenden als Ergänzung der überlieferten Vorstellung mit herangezogen und abgedruckt. Neu war zudem, dass unter den Kosmographen jetzt auch deutsche Autoren in den Vordergrund rückten. Es bildeten sich sogar einige räumlich begrenzte „Geographenschulen“227, wie beispielsweise am Oberrhein mit den Schwerpunkten Straßburg und Basel. Hierzu gehörten unter anderem Sebastian Münster (1488–1552), Johannes Stumpf (1500–1578) sowie Aegidius Tschudi (1505–1572).228 Ihre humanistischen Landesbeschreibungen verbanden Geographie, Topographie und Geschichte auf eine neue Weise miteinander. Für den deutschen Raum ist bekannt, dass eine Germania illustrata zu den wichtigsten Vorhaben des Conrad Celtis gehörte.229 Das Grundprinzip des letztlich niemals vollendeten Werkes bildete eine Landeskunde, welche die Geographie und Topographie, aber auch die politischen, ökonomischen, sozialen, kirchwohl die physische als bürgerliche Beschaffenheit eines Landes umständlich und zuverlässig vorgetragen und dargestellt wird.“ Vgl. Johann Georg Krünitz: Oekonomische Encyclopädie, oder allgemeines System der Staats-, Stadt-, Haus- und Landwirthschaft 109 (1808). 223 Kugler, Nürnberg auf Blatt 100, S. 104. 224 Reinhard Stauber: Hartmann Schedel, der Nürnberger Humanistenkreis und die „Erweiterung der deutschen Nation“. In: Helmrath/Muhlack/Walther, Diffusion des Humanismus, S. 159–185, hier S. 169. 225 Kugler, Nürnberg auf Blatt 100, S. 112, 117. 226 Schirrmeister, Was sind humanistische Landesbeschreibungen?, S. 30. 227 Josef Schmithüsen: Geschichte der Geographischen Wissenschaft von den Anfängen bis zum Ende des 18. Jahrhunderts. Mannheim/Wien/Zürich 1970, S. 70–71. 228 Ebd., S. 71–72. 229 Gernot Michael Müller: Die „Germania generalis“ des Konrad Celtis – Studien und Edition. München 1998; Rudolf Schmitz/Fritz Krafft (Hrsg.): Humanismus und Naturwissenschaften. Boppard 1980.
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lichen und kulturellen Zustände des gegenwärtigen Deutschlands erfassen und zu dem Germanien der Antike in Beziehung setzen sollte.230 Als Erster bezeichnete der bedeutsame Theologe, Hebraist und Kosmograph Sebastian Münster231 eine von ihm zusammengestellte Kompilation geographischen, historischen und altertümlichen Wissens als Cosmographia.232 Münsters zunächst 660 Seiten umfassende Cosmographia universalis erschien mit ihrer ersten Auflage im Herbst 1544 in Basel und gilt bis heute als die bedeutendste der publizistischen Gruppe topographischer Darstellungen in Wort und Bild. Als produktiver Sammler und Kompilator sowie als Kosmograph hat Münster die geographischen und naturwissenschaftlichen Ergebnisse der Antike und des Mittelalters mit denen seines Zeitalters des Humanismus und der Reformation zusammengefasst.233 Zuvor gab Münster bereits mit der Germania descriptio (1530) und der Mappa Europae (1536)234 erste landeskundliche Traktate heraus. Als Vorarbeit übersetzte er 1540 die griechische Geographie von Claudius Ptolemäus aus dem 2. Jahrhundert nach Christus ins Lateinische. Der Geographie-Historiker Manfred Büttner betont, dass Münster nicht – wie gelegentlich angenommen – einer der letzten großen Kosmographen des Mittelalters, sondern im Gegenteil der erste große Kosmograph bzw. Geograph der Neuzeit gewesen sei.235 Münsters Cosmographia und deren Einfluss haben die neuen Geographen auch die Bezeichnung „Kosmographen“ zu verdanken.236 Münster kannte das Rheinland von Basel bis Mainz – also
230 Ulrich Muhlack: Das Projekt der Germania illustrata. Ein Paradigma der Diffusion des Humanismus? In: Helmrath/Muhlack/Walther, Diffusion des Humanismus, S. 142–158, hier S. 143. 231 Siehe zum Leben und Wirken von Sebastian Münster Günther Wessel: Von einem, der daheim blieb, die Welt zu entdecken. Die Cosmographia des Sebastian Münster oder Wie man sich vor 500 Jahren die Welt vorstellte. Darmstadt 2005, v.a. S. 14 ff.; Mechthild Schüler: Weltbild – Kartenbild. Geographie und Kartographie in der Frühen Neuzeit. Ausstellung aus den Beständen der Niedersächsischen Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen. Göttingen 2002, S. 30; Karl Heinz Burmeister: Sebastian Münster. Versuch eines biographischen Gesamtbildes. Basel/ Stuttgart 1963; Viktor Hantzsch: Sebastian Münster. Leben, Werk, wissenschaftliche Bedeutung. Leipzig 1898, ND Nieuwkoop 1965. 232 Matthew McLean: The Cosmographia of Sebastian Münster. Describing the World in the Re formation. Aldershot u.a. 2007. 233 Hantzsch, Sebastian Münster, S. 5. 234 Münster nutzte vielmehr die Germaniae descriptio (1530) von Sebastian Franck und 1536 erschien unter seinem Namen die Mappa Europae, die im Wesentlichen eine deutschsprachige Übertragung von Francks lateinischem Werk ist. Die Texte aus der Germaniae ergänzte Münster durch Zusätze, bei denen Francks Weltbuch – als Fortschreibung der Chronica – die Quelle lieferte. Siehe hierzu: Wessel, Von einem, der daheim blieb, S. 226–229. 235 Büttner, Mercator und die Neuausrichtung der Kosmographie, S. 24. 236 Claval, Histoire de la Géographie, S. 28–29.
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auch Frankfurt am Main – sehr gut aus eigener Anschauung und er beschreibt die Stadt wohl deshalb sehr detailliert.
Abb. 2: „Die Stat Fra[n]ckfurt.“ Der erste Vogelschauplan von Frankfurt am Main aus der Cosmographia von Sebastian Münster. Kolorierter Holzschnitt, um 1550.
Diese Beschreibungen politisch-sozial-kulturell geprägter Räume sollten eigentlich die gesamte Welt abbilden, doch in der Realität konzentrierten sie sich schon allein wegen der zur Verfügung stehenden Informationen zumeist auf Europa und das Alte Reich, was diese Werke zu einer „deutsche[n] Spezialität“237 machte. Neben den großen Kosmographien von Sebastian Münster, Johannes Rauw (†1600) oder Paulus Merula (1558–1607) bieten historische Topographien, Stadtansichten und geographische Welt- und Stadtbeschreibungen des 16. bis 18. Jahrhunderts, wie zum Beispiel die berühmte sechsbändige Sammlung Beschreibung und Contrafactur der vornembsten Stät der Welt238 von Georg Braun (1541–1622) und Franz Hogenberg (1535–1590), Informationen über die Stadt Frankfurt. Etwa um dieselbe Zeit wie die großen Kosmographien entstanden die bekannten Buch237 Justin Stagl: Eine Geschichte der Neugier. Die Kunst des Reisens 1550–1800. Wien/Köln/Weimar 2002, S. 82. 238 Georg Braun/Franciscus Hogenbergius/Simon Novellanus (Hrsg.): Beschreibung und Contrafactur der vornembsten Stät der Welt. 5 Bde. Köln 1572–1598.
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werke, in denen Städte mit topographischer Genauigkeit abgebildet wurden und von denen das hervorragendste wohl das Städtebuch von Braun und Hogenberg war, das 1572 erstmals erschien.239 Eine besondere Bedeutung erlangte darüber hinaus im 17. Jahrhundert die Kupferstecherfamilie Merian mit der nach Territorien gegliederten Topographia Germaniae, die in 30 Bänden mit mehr als 2 000 Kupferstichen erschien.240 Das Zeitalter der Aufklärung fragte schließlich verstärkt nach dem Nutzen der Wissenschaften, was zu einer tieferen Begründung und festen Verankerung der Geographie geführt hat.241 Weil jedoch die Beschreibung und kartographische Darstellung einzelner Regionen von vielen Regierungen als Staatsgeheimnis behandelt wurden, hielten sich traditionelle Anschauungen sehr hartnäckig.242 Johann Michael Franz (1700–1761) gehörte zu den Gelehrten mit dem höchsten geographischen Selbstbewusstsein in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Franz hat – im Gegensatz zu Münster und seinen Nachfolgern – Geographie und Geschichte voneinander getrennt und sich als Geograph bewusst in staatliche Dienste gestellt und im Rahmen seiner Pläne eine gründliche Landvermessung, einen „Atlas von Deutschland“ und die Einrichtung des neuen Berufs eines Deutschen Staatsgeographus vorgeschlagen.243 Daneben zählte Anton Friedrich Büsching (1724–1793) zu den bekanntesten und erfolgreichsten Geographen seiner Zeit, weil er wohl wie kein anderer die Notwendigkeit einer länderkundlichen Zusammenfassung sah und sie mit großer Akribie erreicht hat. Von seinen Zeitgenossen wenig geschätzt, war Büsching doch ein bedeutender Wegbereiter der politischen Geographie oder Staatenkunde.244 Seit 1766 veröffentlichte er unermüdlich bis zu seinem Tod zahlreiche Bände seiner Neuen Erdbeschreibung.245 Doch hatte Büsching nicht die Absicht verfolgt, mit seinem Werk die Geographie zu revolutionieren und er ist auch nicht 239 Schmithüsen, Geschichte der Geographischen Wissenschaft, S. 112; Behringer, Die großen Städtebücher und ihre Voraussetzungen, S. 81–93. 240 Pavel Brodský: Zur Entwicklung der Kartographie. In: Günter Scholz/Pavel Brodský (Hrsg.): Weltbild im Spiegel der Kartographie des 16. bis 18. Jahrhunderts. Böblingen 1994, S. 39–43, hier S. 43. 241 Hanno Beck: Geographie. Europäische Entwicklung in Texten und Erläuterungen. Freiburg/ München 1973, S. 170. 242 Peter Hoffmann: Anton Friedrich Büsching: (1724–1793); ein Leben im Zeitalter der Aufklärung. Berlin 2000, S. 146. 243 Beck, Geographie, S. 200. 244 Ebd., S. 196; Schmithüsen, Geschichte der Geographischen Wissenschaft, S. 145. 245 Die Neue Erdbeschreibung erschien seit 1754 in acht Auflagen mit einer ständig wachsenden Anzahl an Bänden und ist darüber hinaus in viele Sprachen übersetzt worden. Jedoch konnte Büsching sie nicht mehr fertigstellen, weshalb sie nur die europäischen Länder und im letzten Band eine Übersicht über Asien und einige asiatische Länder enthält.
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als Vertreter einer neuen programmatischen Idee anzusehen. Vielmehr wollte er eine Tradition fortsetzen und die Staatsbeschreibungen, wie sie auch Franz charakterisiert hatte, auf eine solidere wissenschaftliche Grundlage bringen.246 Büschings Neue Erdbeschreibung bot den Zeitgenossen erstmals in einer verhältnismäßig übersichtlichen Anordnung systematische Angaben über jedes Land und seine territoriale Gliederung.247 In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts entwickelte sich Büschings Erdbeschreibung dann zum meistbenutzten geographischen Handbuch.248 Neben den hier näher beschriebenen, herausragenden geographischen Werken umfasst das untersuchte Quellenkorpus insgesamt 66 Titel249 aus dem Bereich der Kosmographie und Geographie, die im Zeitraum von 1512 bis 1795 erschienen sind. Wichtige Standorte historischer Bibliotheksbestände, die eine große Anzahl an kosmographisch-geographischer Publizistik und Geographica enthalten, sind die Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel, die Eutiner Landesbibliothek/Forschungsstelle zur historischen Reisekultur und die Forschungsbibliothek Gotha. Die in den ausgewerteten Quellen enthaltenen Passagen zu Frankfurt am Main fallen quantitativ und qualitativ sehr unterschiedlich aus und reichen von wenigen, meist stereotyp geprägten Zeilen bis hin zu mehreren Absätzen oder ganzen Seiten. Auch enthält dieses Quellenkorpus aufgrund der schwierigen Abgrenzung zu Reiseratgebern und Reiseführern Werke aus diesem Bereich, weil sie sich am besten unter diese Textsorte der kosmographisch-geographischen Literatur fassen lassen.250
1.3.4 Stadtbeschreibungen Während sich frühneuzeitliche Stadtbeschreibungen einerseits integriert in kosmographische Schriften, teils in Chroniken oder auch schon im Städtelob finden und nicht immer trennscharf von ihnen unterscheiden lassen, handelt es sich bei 246 Schmithüsen, Geschichte der Geographischen Wissenschaft, S. 145–146. 247 Zu den von ihm abgehandelten Merkmalen gehören die Bevölkerung, Religion, Bildungseinrichtungen, Fabriken und Handel sowie Erklärungen zur Geschichte, Verwaltung und gegenwärtigen politischen Regierungsform. 248 Hoffmann, Anton Friedrich Büsching, S. 154–160. 249 Darunter können sich auch mehrere Ausgaben eines Werkes befinden, sofern sich inhaltliche Änderungen und Entwicklungen ergeben haben. Eine Auflistung befindet sich im Quellenverzeichnis. 250 Siehe zur Verbindung zwischen den Kosmographien und der Reiseliteratur: Stagl, Eine Geschichte der Neugier, S. 82.
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den in dieser Arbeit analysierten „Stadtbeschreibungen“ um Kompendien und Schriften aus dem 18. Jahrhundert, die fast immer von Autoren aus dem Frankfurter Umfeld verfasst wurden. Sie thematisieren umfassend die Geschichte, die Bewohner und die gesellschaftspolitische Situation Frankfurts. Die Forschung hat sich bislang noch nicht konkret mit dieser Form der Stadtbeschreibung auseinandergesetzt, weshalb hier auf die Forschungserkenntnisse zu den benachbarten Textsorten zurückgegriffen werden muss, die immerhin einige wichtige Hinweise für die Einordnung der Schriften in ihren Entstehungskontext enthalten. So sollte ein Verlust historischer Zeugnisse durch ihre Darstellung in Stadtbeschreibungen vermieden werden und die häufigen kopialen Überlieferungen und Abschriften lassen den Erfolg dieser Strategie erahnen.251 Die Stadtbeschreibungen bewahren die Sehenswürdigkeiten und die auf sie gerichteten Sichtweisen. Durch die Aufzeichnung verfestigte sich eine leicht veränderbare Tradition, die in den folgenden Jahrzehnten und Jahrhunderten häufig so tradiert wurde. Dadurch entwickelten sich Stadtbeschreibungen häufig nicht nur zu „Repertorien der Stadtgeschichte“, sondern auch zu deren „Aufbewahrungsort“.252 Die Stadtbeschreibungen und Chroniken wurden schließlich zu Werken, welche die Stadt, ihre Gestalt und ihre Geschichte nicht nur wiedergaben und abbildeten, sondern auch prägten und damit Spuren im historischen Selbstverständnis einer Stadt hinterließen. Folglich wurden die Stadtbeschreibungen, die zumeist auch einen chronikalischen Überblick über die Stadtgeschichte enthalten, zu einer Art Leittext für eine lebendige historiographische Tradition bis etwa 1800. Dieses konnte zu der kuriosen Situation führen, dass die Darstellungen der Stadtgestalt und bestimmter Charakteristika der Stadt oder ihrer Bewohner auch dann noch als literarische Realität angesehen und kolportiert wurden, als sie in der realen Topographie bereits verändert oder sogar obsolet geworden waren. Peter Wolf konnte beispielsweise die Tradierung von nur noch literarisch existenten Bauwerken oder Bausituationen anhand verschiedener Städte beobachten. Darüber hinaus bedienten sich die Stadtbeschreibungen häufig einer heute als „rhetorisch-mnemotechnisch“253 beschriebenen Methode, bei der die Autoren den Stoff in topoi oder loci einteilten, die vom Leser in einer konkret räumlichen Struktur erinnert und erfahren bzw. auf einem Stadtrundgang ergangen werden konnten. Weil sich die Autoren an Stelle der als ernüchternd oder uninteressant wahrgenommenen Gegenwart auf die Vergangenheit bezogen, entstand laut Wolf 251 Siehe für diesen und auch für die folgenden zwei Absätze: Wolf, Bilder und Vorstellungen, S. 98, 128, 171–172 und 377. 252 Ebd., S. 171. 253 Ebd., S. 98.
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häufig statt einer realitätsnahen Bestandsaufnahme eine „über literarische Muster vermittelte typisierte Sichtweise“. Auch wenn Stadtbeschreibungen diachrone Elemente enthalten, sind sie überwiegend synchron geschrieben, d.h., sie beschreiben einen gegebenen Zustand der Stadt.254 Auch hat die Forschung festgestellt, dass Stadtführer und Stadtbeschreibungen eine Perspektivierung bzw. Selektion von Ansichten bewirken. Sie bieten zum einen Informationen über Geschichte und Gegenwart einer Stadt, akzentuieren aber auch anhand der Architektur, topographischen Besonderheiten und Eigenheiten der Bewohner ihre Individualität, das, was sie von anderen Städten unterscheidet und sie besonders sehenswert macht. Zum anderen geben solche Texte fast immer auch Hinweise auf wichtige Eigenschaften und Funktionen255 einer Stadt, etwa als politisches oder Wirtschaftszentrum, Verkehrsknotenpunkt, als Ort des kulturellen Gedächtnisses oder der Integration verschiedener sozialer oder religiöser Gruppen, außerdem als kommunikatives Netzwerk und Ort der vielfältigen Unterhaltung.256 Jürgen Lehmann betont, dass die Stadt lesbar und erkennbar gemacht werden solle, indem Stadtführer und benachbarte Genres dem Leser ein bestimmtes fest umrissenes Bild einer Stadt imaginieren und gleichzeitig durch die Art der Lenkung des Blickes vor allem eine ästhetisierende Wahrnehmung fördern sollen.257 Auch wenn Lehmann diese Definition auf die heutigen Reise- und Stadtführer bezieht, lässt sie sich ohne große Probleme auf die Beschreibungen der Frühen Neuzeit, insbesondere des 18. Jahrhunderts, übertragen. Diese Erkenntnis muss daher auch bei der Analyse des Frankfurt-Bildes berücksichtigt werden, weil besonders in dieser Textsorte die positiven Aspekte im Vordergrund stehen und bestimmte Merkmale bewusst ausgelassen wurden. Während Lehmann diesbezüglich von einer „Wahrnehmungsproblematik“258 in der Diskussion über die Stadt spricht, wird in der vorliegenden Arbeit gerade dieser Aspekt der Selektion und bestimmten Auswahl und Darstellung von Stadtbildern untersucht und herausgearbeitet. Die Stadtbeschreibungen enthalten also immer eine bewusste Auswahl dessen, was dargestellt werden sollte und konnte. Sie sind letztlich ein stili254 Gerhard Theuerkauf: Accipe Germanam pingentia carmina terram. Stadt- und Landesbeschreibungen des Mittelalters und der Renaissance als Quellen der Sozialgeschichte. In: AKG 65 (1983), S. 89–116, hier S. 90. 255 Siehe hierzu beispielsweise Tanja Michalsky: Die Stadt im Buch. Die Konstruktion städtischer Ordnung am Beispiel frühneuzeitlicher Beschreibungen Neapels. In: Stercken/Schneider, Urbanität, S. 105–131. 256 Lehmann, Stadt-Ansichten und Städtebilder, S. 17. 257 Ebd., S. 16–17. 258 Ebd., S. 17.
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siertes Abbild und nicht ausschließlich die tatsächlichen, historisch belegbaren Umstände. Dabei zeigten die Verfasser die Stadt überwiegend im günstigen Licht, ohne jedoch den Anspruch aufzugeben, „ein Abbild der Wirklichkeit zu schaffen“.259 Denn die Gegenstände an sich konnten die Chronisten und Autoren nicht verändern, im Gegensatz zu einer fiktiven Stadtgestalt und zu den Vorstellungen von der eigenen Geschichte und dem Selbstverständnis der Stadtbewohner. Wolf stellt in diesem Zusammenhang die These auf, dass es im Verlauf der Rezeptionsgeschichte zu einer Wechselwirkung kam. Die literarische Wahrnehmung der Stadt wurde selbst wiederum geschichtsmächtig, indem Chronisten bestimmte Konzepte von Herrschaft, Obrigkeit und Gemeindebeteiligung beschrieben und damit zugleich festigten.260 Um die „legitime Wahrnehmung“261 einer Stadt zu beeinflussen, mussten die Autoren städtischer Beschreibungen ‚nur‘ die Interessen der Besucher kennen und auf sie eingehen. Deshalb lenkten die Autoren der Stadtbeschreibungen und Stadtführer, als deren Form manche Beschreibungen auftauchen, den Blick bewusst auf bestimmte, vor allem historische Funktionen einer Stadt. Damit bewirkten sie eine „Perspektivierung bzw. Selektion von Ansichten“.262 Als Quellengrundlage für die Untersuchung wurden mit 13 gedruckten Stadtbeschreibungen und Stadtführern über Frankfurt alle bekannten Exemplare dieser Textsorte herangezogen, deren Erscheinungsraum sich auf die Jahre zwischen 1709 und 1811 erstreckt.263
1.3.5 Reiseliteratur In der Frühen Neuzeit reisten ganz unterschiedliche Personengruppen aus ebenso unterschiedlichen Gründen264: auf Pilgerreisen265, Wallfahrten266, Geschäfts- und
259 Wolf, Bilder und Vorstellungen, S. 146. 260 Ebd., S. 146–147. 261 Harald Tersch: Die Kategorisierung des Blicks. Städtische Identität in Wien – Berichte der frühneuzeitlichen Reiseliteratur. In: Frühneuzeit-Info 10 (1999), S. 108–133, hier S. 114. 262 Lehmann, Stadt-Ansichten und Städtebilder, S. 16. 263 Ein Verzeichnis aller ausgewerteten Stadtbeschreibungen befindet sich im Anhang. 264 Antoni Maczak: Travel in Early Modern Europe. Cambridge 1995; Stagl, Eine Geschichte der Neugier. 265 Klaus Herbert: Unterwegs zu heiligen Stätten – Pilgerfahrten. In: Hermann Bausinger/Klaus Beyrer/Gottfried Korff (Hrsg.): Reisekultur. Von der Pilgerfahrt zum modernen Tourismus. München 1991, S. 23–31. 266 Robert Plötz: Wallfahrten. In: Bausinger/Beyrer/Korff, Reisekultur, S. 31–38.
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Kaufmannsreisen.267 Diplomaten, Gesandte und Boten reisten im Auftrag ihrer Herren; Humanisten, Gelehrte und Geistliche gingen auf Bildungs- und Bibliotheksreisen268; Händler, Sänger und Schausteller reisten aus ökonomischen Gründen. Adlige269 gingen auf Kavalierstour270 bzw. Grand Tour271, reiche Bürger reisten aus gesundheitlichen Gründen zur Kur272, Studenten und Handwerksleute273 aus Bildungs-274 und Arbeitszwecken. Abgesehen von kleinen Unterschieden verlief die Geschichte und Entwicklung der Reiseliteratur zumindest in den süd-, west- und nordeuropäischen Literaturen weitgehend parallel. Christian von Zimmermann hebt in seinen texttypologischen Überlegungen den gegenseitigen Einfluss in dieser Epoche deutlich 267 Cornelius Neutsch/Harald Witthöft: Kaufleute zwischen Markt und Messe. In: Bausinger/ Beyrer/Korff, Reisekultur, S. 75–81. 268 Peter Jörg Becker: Bibliotheksreisen in Deutschland im 18. Jahrhundert. In: Archiv des Buchwesens 21 (1980), Sp. 1361–1534. 269 Ein umfassendes Forschungsprojekt hat systematisch die Reisebeschreibungen des Adels und politischer Eliten in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts erfasst. Hiervon habe ich bei der Recherche nach handschriftlichen Reiseberichten profitieren können, indem mir Winfried Siebers freundlicherweise die in diesem Projekt erstellte Datenbank zur Verfügung gestellt hat: Joachim Rees/Winfried Siebers: Erfahrungsraum Europa. Reisen politischer Funktionsträger des Alten Reichs 1750–1800. Ein kommentiertes Verzeichnis handschriftlicher Quellen. Berlin 2005. 270 Eva Bender: Die Prinzenreise. Bildungsaufenthalt und Kavalierstour im höfischen Kontext gegen Ende des 17. Jahrhunderts. Berlin 2011; Markus Bötefür: Reiseziel ständische Integration. Biographische und autobiographische Kavalierstourberichte des 17. und 18. Jahrhunderts als Quellen der deutschen Kultur- und Mentalitätsgeschichte. Essen 1999; Winfried Siebers: Ungleiche Lehrfahrten – Kavaliere und Gelehrte. In: Bausinger/Beyrer/Korff, Reisekultur, S. 47–56; Hilde de Ridder-Symoens: Die Kavalierstour im 16. und 17. Jahrhundert. In: Peter J. Brenner (Hrsg.): Der Reisebericht. Die Entwicklung einer Gattung in der deutschen Literatur. Frankfurt a.M. 1989, S. 197–223; Jörg Jochen Berns: Peregrinatio academica und Kavalierstour. Bildungsreisen junger Deutscher in der Frühen Neuzeit. In: Conrad Wiedemann (Hrsg.): Rom – Paris – London. Erfahrung und Selbsterfahrung deutscher Schriftsteller und Künstler in den fremden Metropolen. Ein Symposion. Stuttgart 1988, S. 155–181. 271 Rainer Babel/Werner Paravicini (Hrsg.): Grand Tour. Adeliges Reisen und europäische Kultur vom 14. bis zum 18. Jahrhundert. Ostfildern 2005; Jeremy Black: The British abroad: the Grand Tour in the eighteenth Century. New York 1992; William Edward Mead: The Grand Tour in the eighteenth Century. Boston 1914, ND New York 1972; Michael G. Brennan (Hrsg.): The Origins of the Grand Tour. The Travels of Robert Montagu, Lord Mandeville (1649–1654), William Hammond (1655–1658), Banaster Maynard (1660–1663). London 2004. 272 Helmut Busch: Reisen zum Gesundwerden. Badereisen. In: Xenia Ertzdorff/Dieter Neukirch (Hrsg.): Reisen und Reiseliteratur im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit. Amsterdam 1992. 273 Klaus J. Bade: Altes Handwerk, Wanderzwang und Gute Policey. Gesellenwanderung zwischen Zunftökonomie und Gewerbereform. In: VSWG 69 (1982), S. 1–37. 274 Zu den enzyklopädisch-lexikalischen Reisebeschreibungen im 18. und 19. Jahrhundert siehe Ulrich Klein: Reiseliteraturforschung im deutschsprachigen Raum. In: Euphorion 87 (1993), S. 286–318.
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hervor. Gleichzeitig weist er darauf hin, dass eine vergleichende Reiseliteraturforschung diese Frage noch genauer zu klären habe. Das geringe gattungstheoretische Interesse der Reiseliteraturforschung erklärt er sich mit der unübersichtlichen Situation der Theoriebildung zu Textsorten und Gattungen.275 Deshalb werden in der vorliegenden Studie die unterschiedlichen Gattungen der Reisebeschreibung, des Reiseberichts, der reisetheoretischen Beschreibungen etc. unter dem Oberbegriff der „Reiseliteratur“ zusammengefasst, ohne eine detaillierte literaturtheoretische Definition vorzunehmen, die besser der Expertise der Literaturwissenschaftler überlassen werden kann. Der sächsische Jurist Hieronymus Turler hat im Jahre 1574 mit seiner Schrift De Peregrinatione276 einen Traktat über das Reisen verfasst, in dem er das Reisen definiert, Vor- und Nachteile abwägt und im Sinne humanistischer Leitbilder ein besonderes Gewicht auf das Kennenlernen der Länder und Staaten legt.277 Dabei führt er ein Schema mit den wichtigsten zu betrachtenden Gegenständen und Aspekten an, die für Reisende als Vorbild fungierten oder an denen sich die Verfasser zumindest orientierten: nomen: d.h. antike und moderne Namen; figura: Gestalt und Lage; capacitas: Fläche, Umfang und Grenzen; iurisdictio: Herrschaftsordnung und Verfassungsform sowie deren Gebrauch und Missbrauch und zuletzt den situs: Naturmerkwürdigkeiten und Produkte der Region.278 Darüber hinaus solle der Reisende die Menschen kennenlernen, ihre Natur und Sitten, Kleidung und Nahrung, Sprache und Lebensart. Turler war sich nach Ansicht des Historikers Stagl durchaus bewusst, etwas Neues zu schaffen, indem er die zu seiner Zeit geläufigen Reiseratschläge (praecepta peregrinandi) zu einer schulmäßigen Methodik des Reisens zusammenfasste.279 In der Folge entstanden nach seinem Vorbild Werke, die für einen praktischen Zweck das Reisen reflektieren und zu einer Verbesserung der Reisepraxis durch Verhaltens- und Beobachtungsanweisungen führen sollten.280
275 Christian v. Zimmermann: Texttypologische Überlegungen zum frühneuzeitlichen Reisebericht: Annäherung an eine Gattung. In: Archiv für das Studium der neueren Sprachen und Literaturen Bd. 239/Jg. 154 (2002), S. 1–20, hier S. 1–3, 6. 276 Hieronymus Turler: De Peregrinatione et Agro Neapolitano Libri II. Scripti ab H.T. Omnibus peregrinatibus vtiles ac necessarij: ac in eorum gratiam nunc primum editi. Argentorati (Per Bernhardum Iobinum) 1574. 277 Justin Stagl: Die Apodemik oder „Reisekunst“ als Methodik der Sozialforschung vom Humanismus bis zur Aufklärung. In: Mohammed Rassem/Justin Stagl (Hrsg.): Statistik und Staatsbeschreibung in der Neuzeit vornehmlich im 16.–18. Jahrhundert. Paderborn u.a. 1980, S. 131–204, hier S. 131–132. 278 Stagl, Die Apodemik oder „Reisekunst“, S. 131. 279 Ebd., S. 132. 280 Ebd., S. 9.
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Anknüpfend an tradierte Formen wie das Städtelob oder den Gesandtenbericht lieferte die humanistische Reisetheorie der Apodemiken idealtypische Beschreibungsmuster. Dabei nahmen die Gelehrten, die das apodemische Beschreibungsschema zumeist erstellten, oft politische Funktionen ein, sodass sie sich stark an den Bedürfnissen der Obrigkeiten orientierten, was sich wiederum in der Struktur der Apodemiken widerspiegelte,281 z.B. darin, dass ein Ort vorrangig über seine militärisch-strategisch oder wirtschaftlich vorteilhafte Lage definiert wurde.282 Frühere Forschungen über Reiseberichte haben jedoch teilweise das Muster der Apodemiken nicht erkannt, wodurch Beschreibungen fälschlicherweise als naiv oder unkritisch beurteilt wurden.283 Die auch Bettina Dietz aufgefallene Stereotypie in Aufbau und inhaltlicher Struktur der Reiseberichte zwischen dem ausgehenden 16. und beginnenden 18. Jahrhundert lässt sie annehmen, dass die Leser und Verfasser der Reisebeschreibungen mit den Merkmalen der Gattung weitgehend und teils sehr gut vertraut waren.284 Die Orientierung an diesem Schema lässt sich auch in zahlreichen Beschreibungen von Frankfurt in der Reiseliteratur finden. Außerdem hat die Forschung den Fremden und Durchreisenden eine zen trale Rolle für das Selbstverständnis der besuchten Stadtgesellschaft zugewiesen. Während Harald Tersch in der frühneuzeitlichen Reiseliteratur vom „Image“285 und von der „Identität“ der Stadt spricht, hält die Verfasserin der vorliegenden Arbeit den Begriff „Bild“ bzw. den „gemeinen Ruff“286 als wesentlich passender, den Marco Lalli als ein Geflecht von „Außen- und Binnenattribuierungen“287 definiert. Denn die Schreiber ergreifen Partei mit vorstrukturierten Erwartungshal-
281 Justin Stagl: Die Methodisierung des Reisens im 16. Jahrhundert. In: Brenner, Der Reisebericht, S. 140–177, hier S. 144. 282 Tersch, Die Kategorisierung des Blicks, S. 110. 283 Zeller, „Ich singe Dantzig dich“, S. 33. 284 Bettina Dietz: Der Reisebericht als Redeform. Zur Rekonstruktion der historischen Kommunikationssituation in Frankreich, 1650–1720. In: Francia. Forschungen zur westeuropäischen Geschichte 27/2 (2000), S. 59–81, hier S. 62. 285 Tersch begründet die Begriffswahl damit, dass das Wort „Image“ stärker als der Begriff „Bild“ den strategischen Charakter der Kategorisierung betont. Siehe Tersch, Die Kategorisierung des Blicks, S. 108–109. 286 Johann Valentin Neiner: Vienna Curiosa & Gratiosa, Oder Das anjetzo Lebende Wienn; wo rinnen Alle Sehens- Haupt- und Merckwürdigkeiten vorgestellet werden. T. 1–3. Wien 1720/21, hier T. 1, S. 29. 287 Marco Lalli: Stadtbezogene Identität. Theoretische Präzisierung und empirische Operationalisierung. Darmstadt 1989, S. 24 (ungedr.), zit. nach Tersch, Die Kategorisierung des Blicks, S. 109.
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tungen, weshalb sich nur ihre aus dem Vergleich gewonnenen Bilder und Eindrücke erfassen lassen, nicht die ‚wirklichen‘ Zustände vor Ort.288 Dennoch hat Tersch für Wien aus diesen Quellen die Konstruktion eines Stadtbildes erschließen wollen sowie den möglichen Einfluss einzelner Interessengruppen auf dieses Bild. Doch musste Tersch dabei feststellen, dass sich die konkreten Auswirkungen dieses Bildes auf die Identität der Bewohner mit ihrer Stadt nicht daraus ableiten ließen. Demnach muss Tersch eingestehen, dass bei dem Begriff der ‚Ortsidentität‘ sowohl die Einzigartigkeit (Unverwechselbarkeit) eines Ortes als auch die stadtbezogene Identität des Bewohners dem Historiker weitgehend verschlossen bleiben,289 womit die Verfasserin die Unbrauchbarkeit des Identitäts-Begriffs für die vorliegende Arbeit bestätigt sieht. Auch fand eine Selektion beim Verfassen der Reiseberichte statt, die sicherlich nicht unwesentlich durch den Kenntnisstand, durch das zuvor Gelesene und das vorhandene Wissen gelenkt wurde.290 Aktuelle Ereignisse konnten die Wahrnehmung ebenso prägen (Mainhochwasser, Kaiserwahl, Messe etc.). Genauso implizieren Erwartungen immer auch Bewertungsmuster, wie z.B. die Enttäuschung von der Realität, Bestätigung oder Korrektur erwarteter Vorstellungen.291 Jerzy Samp hat sich in seiner Studie über Danzig in Reiseberichten besonders mit der Struktur der untersuchten Texte auseinandergesetzt.292 Daraus geht hervor, dass die Reiseberichte „in ihrer historischen Abfolge dieselbe Tendenz [zeigen], welche die Reiseliteratur insgesamt auszeichnet: vom mehr aufzählenden und beschreibenden Charakter hin zu einem mehr reflektierenden, durch subjektive Meinungskundgaben des Schreibers und den Ausdruck von Empfindungen geprägten Genus im letzten Viertel des 18. Jahrhunderts“.293 Im ausgehenden 18. Jahrhundert kamen nämlich verstärkt selbstreferentielle Reiseberichte hinzu. Seitdem rechtfertigten sich ihre Autoren nicht mehr, wenn sie von 288 Michael Harbsmeier: Reisebeschreibungen als mentalitätsgeschichtliche Quellen: Überlegungen zu einer historisch-anthropologischen Untersuchung frühneuzeitlicher deutscher Reisebeschreibungen. In: Antoni Maczak/Hans Jürgen Teuteberg (Hrsg.): Reiseberichte als Quellen europäischer Kulturgeschichte. Aufgaben und Möglichkeiten der historischen Reiseforschung. Wolfenbüttel 1982, S. 1–31, hier S. 3, 9; Gerhard Huck: Der Reisebericht als historische Quelle. In: Gerhard Huck/Jürgen Reilecke (Hrsg.): … und reges Leben ist überall sichtbar! Reisen im Bergischen Land um 1800. Neustadt an der Aisch 1978, S. 27–44, hier S. 32. 289 Tersch, Die Kategorisierung des Blicks, S. 110. 290 Siehe zum Aspekt des Vorwissens, der Erfahrungen und der unterschiedlichen Reiseanlässe als Einflussfaktoren für das Bild der Autoren Lombardi, Historia, Descriptio, Laudatio, S. 129. 291 Willhardt, Island, S. 7. 292 Jerzy Samp: Gdańsk w relacjach z podróży 1772–1918. [Danzig in Reiseberichten. 1772–1918]. Danzig 1991. 293 Hans-Wolf Jäger: Danzig in der Reiseliteratur des 18. Jahrhunderts. In: Jaroszewski, Marek (Hrsg.): 1 000 Jahre Danzig in der deutschen Literatur. Danzig 1998, S. 61–75, hier S. 63.
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dem alten Paradigma abwichen und über ihre persönlichen Gefühle auf Reisen schrieben.294 Wichtig zur Einordnung der Reiseberichte in ihre Zeit sowie für ihren Einfluss auf das Frankfurt-Bild ist auch ihr außerordentlich öffentliches Interesse, indem sie nicht nur für eine immer größer werdende Leserschaft publiziert wurden, sondern auch in einem breiten medialen Rahmen und diversen Präsentationsformen erschienen: in Briefform, als selbstständige Buchpublikation, als Aufsatz in einer Zeitschrift oder als Tagebucheintrag.295 Weil selbst privat scheinende unpublizierte Tagebücher den formalen Kriterien des Reiseberichts folgten, wirkten auch diese sowohl im öffentlichen als auch im privaten Raum. Bei den höfischen Reisenden war es häufig so, dass sie weniger über die aktuellen Begebenheiten vor Ort informierten, als dass sie vielmehr den über Generationen beibehaltenen Reiseablauf bestätigten, wodurch der Bericht eine „zertifikatorische Funktion“ als Nachweis für eine Buß-, Pilgeroder höfische Bildungsreise bekam.296 Erst mit der Spätaufklärung wuchs das allgemeine Interesse gegenüber den bloßen Fakten auch stärker an der Form und Art der Darstellung.297 Seit den 70er-Jahren des 18. Jahrhunderts sieht die Forschung außerdem einen ungeheuren Innovationsschub in der Reiseliteratur, den Peter J. Brenner als „Prozeß der Diversifikation“298 beschrieben hat. Dieser vollzog sich durch einen Formenwandel weg vom gelehrt-enzyklopädischen Berichtstyp.299 Unter den analysierten Reiseberichten über Frankfurt sind tagebuchartige und itinerarische Reisebeschreibungen, Beschreibungen in einer persönlich gehaltenen Briefform oder länderkundliche Werke und Reiseführer.300 Es ist schließlich weithin bekannt, dass die Kavaliersreisen des europäischen Adels die Zentren der Reichspolitik, wie Frankfurt, nie aussparten.301 Es sind insgesamt 26 handschriftliche Reisebeschreibungen zwischen 1692 und 1794 ausge294 William E. Stewart: Die Reisebeschreibung und ihre Theorie im Deutschland des 18. Jahrhunderts. Bonn 1978, S. 114. 295 Franz Simmler: Teil und Ganzes in Texten. Zum Verhältnis von Textexemplar, Textteilen, Textauszügen und Makrostrukturen. In: Daphnis 25 (1996), S. 597–625. 296 Zimmermann, Texttypologische Überlegungen, S. 12. 297 Uwe Hentschel: Die Reiseliteratur am Ausgang des 18. Jahrhunderts. Vom gelehrten Bericht zur literarischen Beschreibung. In: IASL 16.2 (1991), S. 51–83, hier S. 71 ff. 298 Brenner, Der Reisebericht, S. 273–274. 299 Ausführlicher dazu Hans Erich Bödeker: Reisebeschreibungen im historischen Diskurs der Aufklärung. In: Hans Erich Bödeker u.a. (Hrsg.): Aufklärung und Geschichte. Studien zur deutschen Geschichtswissenschaft im 18. Jahrhundert. Göttingen 1986, S. 276–298, hier S. 292–295. 300 Eine Auflistung der ausgewerteten Reiseberichte erfolgt im Quellenverzeichnis. 301 Heinz Duchhardt: Die Reichsstadt in der Frühen Neuzeit. In: Behringer/Roeck, Das Bild der Stadt in der Neuzeit, S. 39–45, hier S. 45.
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wertet worden sowie 105 gedruckte Berichte von 1608 bis 1806 (17. Jahrhundert: 18 Berichte; 1. Hälfte 18. Jahrhundert: 19 Berichte; 2. Hälfte 18. Jahrhundert: 68 Berichte). Ein Großteil der ausgewerteten Reisliteratur und Geographica befindet sich in den historischen Beständen der Eutiner Landesbibliothek/Forschungsstelle zur historischen Reisekultur, in der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel und in der Forschungsbibliothek Gotha. Vereinzelte Exemplare und Reproduktionen von Auszügen aus Reiseberichten über Frankfurt befinden sich auch in der Bibliothek des Instituts für Stadtgeschichte Frankfurt am Main (ISG) sowie in der Frankfurt-Abteilung der Universitätsbibliothek Johann Christian Senckenberg in Frankfurt, die eine umfassende Sammlung von Literatur aus und über Frankfurt sowie mehrere Sondersammlungen mit wertvollen Drucken seit der frühen Neuzeit enthält.302 Weil die vorliegende Studie die Reiseberichte als Massenquelle und demnach in einer sehr großen Anzahl benutzt und auswertet, kann auf die konkreten Reiseanlässe und -umstände nicht immer im Detail eingegangen werden. Es ist davon auszugehen, dass die gedruckten Berichte gegenüber den handschriftlichen Aufzeichnungen das frühneuzeitliche Frankfurt-Bild als kulturelles Zentrum stärker prägen konnten, schon allein aufgrund ihrer Verbreitung und stärkeren Rezeption. Gleichwohl waren einige handschriftliche Berichte womöglich auch zur Publikation vorgesehen und gewisse inhaltliche Ähnlichkeiten zwischen beiden Briefformen legen den Schluss nahe, dass die Verfasser der unveröffentlicht gebliebenen Reiseberichte die gedruckten Werke kannten, rezipiert und als Basis für ihre eigenen Texte herangezogen haben.
1.3.6 Lexika Um ein möglichst allumfassendes Bild von Frankfurt am Main als frühneuzeitliches kulturelles Zentrum zu erhalten, sind in dieser Arbeit auch die sogenannten Zeitungslexika des 18. Jahrhunderts untersucht worden. Dazu zählen keine Wörterbücher, sondern Nachschlagewerke „zu den Dingen einer Kultur, d.h. Enzyklopädien“303 bzw. Lexika im engeren Sinne, wie Ulrike Haß jüngst unter302 Die Quellen der Frankfurt-Abteilung sind am besten vor Ort recherchierbar, aber auch online unter http://www.ub.uni-frankfurt.de/wertvoll/ffm.html (letzter Zugriff: 04.06.2015). 303 Ulrike Haß: Einführung in den Band, samt eines Versuchs über die Frage, ob Europa als ‚Wissensraum‘ verstanden werden kann. In: Ulrike Haß (Hrsg.): Große Lexika und Wörterbücher Europas. Europäische Enzyklopädien und Wörterbücher in historischen Porträts. Berlin/Boston 2012, S. 1–49, hier S. 1.
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schieden hat. Es geht um enzyklopädische Lexika im Sinne sachbezogener Nachschlagewerke zu Dingen, Personen, Sachverhalten und eben auch Orten. In dieser Gruppe wiederum wurden universale Lexika, „die alle in einer Kultur für relevant gehaltenen Wissensgebiete abdecken“304, herangezogen, genauer gesagt die sogenannten Zeitungslexika der Aufklärung. Noch jüngst hat die Forschung lamentiert, dass die Geschichtswissenschaft und Philologien die Nachschlagewerke als kulturhistorische Quelle für Untersuchungen von neuzeitlichen Mentalitäten, Stereotypen und imagologischen Fragen lange Zeit vernachlässigt haben,305 obwohl sie tatsächlich einen großen Beitrag dazu geleistet hätten. Anna Kochanowska-Nieborak hat beispielhaft – allerdings für das 19. Jahrhundert – anhand Meyers Konversationslexika das deutsche Polenbild untersucht.306 Methodisch hat sie ebenfalls die historische Stereotypenforschung herangezogen. Insbesondere in der historischen Stereotypenforschung sei in den Konversationslexika reichlich Material für Untersuchungen zu finden, etwa für die Erforschung der Genese, Entwicklung und kontextuellen Einbettung von Stereotypen. Die Möglichkeiten könnten laut Kochanowska-Nieborak kaum überschätzt werden, anhand der Lexika die historische Konstruiertheit von Stereotypen vor Augen zu führen, ihre vielfältigen Funktionen innerhalb unterschiedlicher Gruppen zu untersuchen sowie Beispiele für ihre politische Instrumentalisierung in der Geschichte aufzuzeigen. Wichtig hierfür seien mehrere Eigenschaften der Konversationslexika: lange Erscheinungsdauer, hohe Auflagen, hohes Renommee beim Lesepublikum, Anspruch auf Aktualität, Ausrichtung auf die Bedürfnisse des (bürgerlichen) Publikums bei der Auswahl der Inhalte.307 Die Zeitungslexika seien eine der wenigen Produktinnovationen der sich quantitativ und qualitativ stark herausbildenden Medienlandschaft des 18. Jahrhunderts. Unter dem Einfluss der Herausbildung von Aufklärung und politischer Öffentlichkeit versuchten die neuen Genres der (Zeitungs-)Lexika und Enzyklo-
304 Haß, Einführung in den Band, S. 3. 305 Hans-Albrecht Koch: Lexika in Geschichte und Gegenwart. In: Hans-Albrecht Koch/Ga briella Rovagnati (Hrsg.): Ältere Konversationslexika und Fachenzyklopädien. Beiträge zur Geschichte von Wissensüberlieferung und Mentalitätsbildung. Frankfurt a.M. 2013, S. 9–25, hier S. 9; Gabriella Rovagnati: Historische Enzyklopädien und Lexika als vernachlässigte Quellen der Forschung. Nebst einem Ausblick auf die Situation der bibliographischen Erfassung. In: Koch/ Rovagnati, Ältere Konversationslexika und Fachenzyklopädien, S. 167–179. 306 Anna Kochanowska-Nieborak: Konversationslexika aus der Perspektive der historischen Stereotypenforschung. Am Beispiel des deutschen Polenbildes in Meyers Konversationslexika. In: Koch/Rovagnati, Ältere Konversationslexika und Fachenzyklopädien, S. 181–214. 307 Kochanowska-Nieborak, Konversationslexika, S. 181–186.
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pädien durch „systematische Darstellung das angehäufte Wissen breit zugänglich zu machen und zu erklären“.308 Die Lektüre der seit den 1720er-Jahren erscheinenden Intelligenzblätter und vor allem politischer Zeitungen war für die neu erschlossenen Leserschichten nicht immer einfach. Häufig fehlte es an politischem, historischem und geographischem Basiswissen. Die im frühen 18. Jahrhundert entstandenen Zeitungslexika reagierten auf den steigenden Bedarf nach „beliebig abrufbaren Zusatzinformationen für die geographische und historische Situierung der Neuigkeiten und die Übersetzung unbekannter Fachtermini meist lateinischen Ursprungs“.309 Die Zeitungslexika sollten auch nicht oder nur rudimentär gebildete Wissbegierige bei der „Erschließung der Welt“310 unterstützen. Diese Gattung von Lexika behandelte vor allem Geographica, später oft mit territorialer Eingrenzung nach Regionen.311 Eines der ersten Lexika waren Christian Weisens Curieuse Gedancken von Nouvellen oder Zeitungen, die 1703 in Frankfurt und Leipzig publiziert wurden. Im Jahr darauf gab der Hamburger Pädagoge und Publizist Johann Hübner (1668–1731) in Leipzig das Reale Staats- und Zeitungslexicon312 heraus, das bis zur 31. Auflage 1828 durchschnittlich alle vier Jahre aktualisiert und neu aufgelegt wurde und eines der führenden und meist verbreiteten Zeitungslexika war. Seit 1708 nannte es sich Reales Staats-, Zeitungs- und Conversationslexicon. Die Forschung beschreibt Hübners Lexikon auch als „Brockhaus des 18. Jahrhunderts“.313 Es stellte alle Informationen in lexikalischer, also alphabetisch nach Stichworten geordneter Form dar und wurde „zum erfolgreichsten Vertreter seines Genres“314, das natürlich auch einen sich über die Zeit teilweise verändernden Eintrag zu Frankfurt am Main enthielt. Als eine Weiterentwicklung erschien ab 1712 das Curieuse Natur- Kunst- Gewerck- und Handlungs-Lexicon315, in
308 Andreas Würgler: Medien in der Frühen Neuzeit. 2. Aufl. München 2013, S. 43. 309 Ebd., S. 55. 310 Ebd. 311 Koch, Lexika in Geschichte und Gegenwart, S. 15. 312 Johann Hübner (Hrsg.): Reales Staats- und Zeitungslexicon. Leipzig 1704; Johann Hübner (Hrsg.): Reales Staats- Zeitungs und Conversations-Lexicon. Leipzig 1722. Siehe hierzu auch: Koch, Lexika in Geschichte und Gegenwart, S. 14–15. 313 Würgler, Medien in der Frühen Neuzeit, S. 55. 314 Ebd. 315 Johann Hübner/Johann Jakob Marperger (Bearb.): Curieuses und Reales Natur- Kunst- BergGewerck- und Handlungs-Lexicon, […] daß man dieses als einen andern Theil des Realen StaatsConversations- und Zeitungs-Lexici mit grossem Vortheile gebrauchen kan. Frankfurt a.M. 1722.
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dessen Vorrede Hübner das Anwachsen der deutschsprachigen Lexikon-Produktion mit dem praxisorientierten Geist der Aufklärung erklärte.316 Neben den Zeitungslexika erschienen Reallexika zu Natur, Bergbau, Handel usw. für ein interessiertes breites Publikum. Während die Zeitungs-, Konversations- und Reallexika aus volkspädagogischem Engagement entstanden, beinhaltete die Enzyklopädie des 18. Jahrhunderts – auch Universal-Lexikon genannt – eine wissenschaftliche Bestandsaufnahme aller Wissensgebiete für den gelehrten bzw. wissenschaftlichen Bedarf.317 Auch das wohl bekannteste Universal-Lexicon der Frühen Neuzeit, das Große vollständige Universal-Lexicon aller Wissenschafften und Künnste, das der Leipziger Verleger Johann Heinrich Zedler (1706–1751) zwischen 1732 und 1750 herausgegeben hat, enthält einen relativ ausführlichen Eintrag zu Frankfurt am Main.318 Schon die Bezeichnung Universal-Lexicon macht deutlich, dass es bei den Lemmata keine Einschränkungen vornimmt, sondern anstrebt, alle Bereiche zu berücksichtigen, auf die sich die Suche des Benutzers erstrecken könnte: Personen, Orte (Geographica, Topographica) und Sachen. Bei der Analyse der Zeitungs- wie auch Universallexika gilt zu beachten, dass sie vielfach aus vielen spezialisierten Nachschlagewerken geschöpft und deren Informationen zusammengetragen und gesammelt haben.319 Üblicherweise dienen Lexika der schnellen Information, „dem punktuellen Zugriff und nicht einer ausgedehnten Lektüre“.320 Auch wenn Nachschlagewerke oft als „ultimativ objektive und ‚neutrale‘ Quellen“321 galten bzw. gelten, hat die Forschung herausgestellt, dass sie sich in ihrer Standpunktgebundenheit nicht von anderen Texten unterscheiden, seien es literarische oder sachgebundene. Vielmehr seien sie auf spezifische Weise in Diskurse eingebunden, in denen sie häufig sogar eine he rausragende Rolle spielen, gerade weil sie für unparteiisch gehalten werden.322 Diese Funktion und Einordnung in den Forschungskontext macht deutlich, dass sich die Universalenzyklopädien und Lexika der Aufklärungsepoche für die Untersuchung des Frankfurt-Diskurses geradezu anbieten. Wesentlicher Hintergrund des Kolportierens, als Weg der Aneignung bzw. Erscheinungsform von Wissen, war das Vollständigkeitsbestreben der Enzyklopädien, die in der Frühen Neuzeit eine ganze Bibliothek ersetzen sollten. Doch das 316 Koch, Lexika in Geschichte und Gegenwart, S. 15. 317 Würgler, Medien in der Frühen Neuzeit, S. 55. 318 Johann Heinrich Zedler: Grosses vollständiges Universal-Lexicon aller Wissenschafften und Künste. 1731–1754. Artikel „Franckfurt am Main“: Bd. 9, Sp. 1717–1724. 319 Koch, Lexika in Geschichte und Gegenwart, S. 14. 320 Haß, Einführung in den Band, S. 7–8. 321 Ebd., S. 8. 322 Ebd.
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Streben nach dem Ideal der Vollständigkeit kam im Laufe des 19. Jahrhunderts an seine Grenzen, als die Masse des Gedruckten und Wissenswerten enorm zunahm, was zum Scheitern einiger enzyklopädischer und lexikographischer Großprojekte geführt hat, weil sie an dem Vollständigkeitsgedanken festhielten.323 Die von dem Mediziner Johann Georg Krünitz gegründete Oeconomische Encyclopädie (1773–1858) ist neben dem Grimmschen Wörterbuch und Zedlers Universallexicon aller Wissenschafften und Künste eine der wenigen abgeschlossenen Enzyklopädien des 18./19. Jahrhunderts in deutscher Sprache und wahrlich ein „Mammut-Unternehmen“324.325 Die Enzyklopädie sollte vor allem aufklären und hat sich daher nicht nur an ein gelehrtes Publikum gerichtet, sondern an die Ungelehrten als den größten Teil der Leserschaft (Hausväter, Haushaltsgemeinschaft und Landmänner). Der thematische Schwerpunkt liegt besonders auf der Ökonomie im Sinne von Haußhaltungs-Wissenschaft und Haußhaltungs-Kunst sowie der Technologie. Krünitz wollte aufklären und der Sinn und Zweck seiner Enzyklopädie lag für ihn in dem Gewinn, den die Leser an „praktisch verwertbaren, die Lebensbedingungen verbessernden Informationen erhalten“326, etwa über Landwirtschaft und Ernährung, Ökonomie (Haushaltung) sowie vor allem Gesundheit. Somit bekam die Enzyklopädie den Charakter eines Ratgebers und Handbuchs.327 Der Krünitz steht für Reinstein „in seinen Anfängen an der Schwelle der Aufklärung und an seinem Ende in der Konkurrenz zum bildungsbürgerlichen Konversationslexikon“.328 Für die vorliegende Arbeit wurden 20 sogenannte Zeitungs-, Konversationsund Universallexika ausgewertet, worunter auch spätere Auflagen fallen. Dazu gehören auch fachspezifische Lexika wie Natur-, Kunst-, Bergwerks- oder Handlungs-Lexika. Eine klare Abgrenzung zwischen den Reiselexika und kosmographisch-geographischen Lexika war nicht immer eindeutig herzustellen, sodass diese Quellengruppe im Quellenverzeichnis in einem Kapitel zusammengefasst
323 Ebd., S. 21. Siehe hierzu auch Rainer Maria Kiesow: Die Ordnung des juridischen Wissens. In: Theo Stammen/Wolfgang E.J. Weber (Hrsg.): Wissenssicherung, Wissensordnung und Wissensverarbeitung. Das europäische Modell der Enzyklopädien. Berlin 2004, S. 59–70, besonders S. 67. 324 Koch, Lexika in Geschichte und Gegenwart, S. 18. 325 Hagen Reinstein: Die Oeconomische Encyclopädie von Johann Georg Krünitz. In: Ulrike Haß (Hrsg.): Große Lexika und Wörterbücher Europas. Europäische Enzyklopädien und Wörterbücher in historischen Porträts. Berlin/Boston 2012, S. 105–116, hier S. 106. 326 Reinstein, Die Oeconomische Encyclopädie, S. 107, 109. 327 Ebd., S. 109. 328 Ebd., S. 110.
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wurde.329 Sie sind im Zeitraum zwischen 1700 und 1838 erschienen. Wichtige Standorte sind wiederum die Eutiner Forschungsstelle zur historischen Reisekultur, die Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel und die Forschungsbibliothek Gotha.
1.3.7 Zeitschriften Die Zeit der Aufklärung im 18. Jahrhundert war eine Zeit zunehmender Wissensund Informationsdistribution und -rezeption, ermöglicht durch ein „Sammlungs-, Ordnungs- und Institutionalisierungsbegehren“330, in dessen Konsequenz eine sich immer breiter entwickelnde und herausdifferenzierende Medienlandschaft entstand.331 Die ideengeschichtliche Bewegung der europäischen Aufklärung steht „in vielerlei Hinsicht in der Tradition humanistischer, gelehrter und wissenschaftlicher Freundschafts- und Korrespondenznetze“, allerdings mit dem Unterschied, dass diese weitgespannte Kommunikation nun weit über den Brief und das gedruckte Buch hinausreichte und auf ein neues Medium zurückgreifen konnte, „das die Erfordernisse einer vernunftgeleiteten kontroversen Reformdiskussion ideal erfüllte: Die Zeitschrift“.332 Besonders bei den Zeitschriften fand eine „typologische Diversifikation“333 statt. Der Aufstieg der Zeitungen und Zeitschriften ergab zusammen mit den traditionellen Gattungen des Buches um 1800 in Deutschland eine Medienkultur, die nach Ansicht der Forschung „in ihrer Ausbreitung, Dichte und Differenziertheit in Europa konkurrenzlos gewesen sein dürfte“.334 Die Aufgaben der zu großer Bedeutung gelangten Medien bestanden in der Ausübung politischer und sozia-
329 Siehe im Quellenverzeichnis Kap. IV.2.3 „Kosmographisch-geographische Beschreibungen, Itinerare, Zeitungslexika“. 330 Siehe hierzu Martin Gierl: Zeitschriften – Stadt – Information – London – Göttingen – Aufklärung. In: Hans Erich Bödeker/Martin Gierl (Hrsg.): Jenseits der Diskurse. Aufklärungspraxis und Institutionenwelt in europäisch komparativer Perspektive. Göttingen 2007, S. 243–264, hier S. 244. 331 Siehe zum Aufschwung des Zeitschriftenwesens im Aufklärungszeitalter Paul Raabe: Die Zeitschrift als Medium der Aufklärung. In: Wolfenbütteler Studien zur Aufklärung 1 (1974), S. 99– 136. 332 Würgler, Medien in der Frühen Neuzeit, S. 43. 333 Werner Faulstich: Mediengeschichte von 1700 bis ins 3. Jahrtausend. Göttingen 2006, S. 15. 334 Ernst Fischer/Wilhelm Haefs/York-Gothart Mix: Einleitung: Aufklärung, Öffentlichkeit und Medienkultur in Deutschland im 18. Jahrhundert. In: Ernst Fischer/Wilhelm Haefs/York-Gothart Mix (Hrsg.): Von Almanach bis Zeitung. Ein Handbuch der Medien in Deutschland 1700–1800. München 1999, S. 9–23, hier S. 10.
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ler Kontrolle, in der Vermittlung weltanschaulichen Wissens innerhalb der Säkularisierung und in der Absicherung nationaler bzw. territorialer Identitäten.335 Werner Faulstich beschreibt die Zeitschrift als das „Schlüsselmedium der bürgerlichen Gesellschaft“336, die zusammen mit anderen Printmedien als zentrales Kommunikationsforum fungierte, in dem sich das bürgerliche Selbstbewusstsein herausbildete und verfestigte. Als ein sehr wichtiges Medium für den Strukturwandel des Öffentlichen und für die Identitätsstiftung des Bürgertums wird die Zeitschrift in der Forschung auch als „Medium der Aufklärung“ bezeichnet und die zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts als „Jahrhundert der Zeitschrift“337 charakterisiert.338 Besonders seit 1750 bot die Zeitschriftenlandschaft jungen Intellektuellen als Herausgeber, Rezensenten, Korrespondenten oder Redakteuren eine Existenzgrundlage.339 Als Vorbild für die neu aufkommenden literarisch-kulturellen Zeitschriften im 18. Jahrhundert gelten die französischen Periodika Journal des Sçavans (1626–1731) und der Mercure de France (1724–1791).340 Noch bis Mitte des 18. Jahrhunderts behandelte Zedlers Universallexikon Zeitschriften unter dem Stichwort „Zeitung“ und bezeichnete sie dabei wechselweise als „gelehrte Zeitungen“ oder „Monats-Schriften“.341 „Zeitschrift“ übersetzte das französische und englische journal, weshalb bei den Zeitschriften und anderen Periodika bis ins 19. Jahrhundert auch immer wieder die Rede von Journalen war.342 Wichtige Merkmale der Zeitschrift waren die Universalität an Themen und Formen und die eingeschränkte Ziel- und Lesergruppe. Der Umfang der Zeitschrift entsprach dem eines Heftes und ihr Erscheinen war nicht immer regelmäßig. Mit der Zeit setzte sich die periodische Kontinuität jedoch durch, allerdings nur wöchentlich, monatlich oder vierteljährlich, wodurch die Zeitschrift einen buchähnlichen Charakter bekam.343 Im Unterschied zur Zeitung wies sie eine
335 Fischer/Haefs/Mix, Einleitung: Aufklärung, Öffentlichkeit und Medienkultur, S. 12. Siehe hierzu außerdem Martin Welke: Zeitung und Öffentlichkeit. Betrachtungen zur Reichweite und Funktion der periodischen deutschen Tagespublizistik. In: Elger Blühm (Hrsg.): Presse und Geschichte. Beiträge zur historischen Kommunikationsforschung. München 1997, S. 71–99. 336 Faulstich, Mediengeschichte, S. 50. 337 Ebd. 338 Werner Faulstich: Die bürgerliche Mediengesellschaft (1700–1830). Göttingen 2002, S. 225. 339 John A. McCarthy: Literarisch-kulturelle Zeitschriften. In: Fischer/Haefs/Mix, Von Almanach bis Zeitung, S. 176–190, hier S. 176. 340 McCarthy, Literarisch-kulturelle Zeitschriften, S. 177. 341 Rudolf Stöber: Deutsche Pressegeschichte. Einführung, Systematik, Glossar. Konstanz 2000, S. 80. 342 Ebd. 343 Faulstich, Mediengeschichte, S. 51.
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geringere Aktualität auf, was jedoch eine größere Ausführlichkeit und umfassende Hintergrundinformationen ermöglichte.344 Die Zeitschriften stellten einen öffentlichen Raum dar, in dem Meinungen artikuliert wurden und das Publikum räsonieren konnte.345 Sie verbreiteten Informationen und Meinungen und stellten diese in einen „Mitteilungszusammenhang, der neue Themen und Formen des Schreibens und Argumentierens ermöglichte“.346 Bereits die Zeitgenossen hätten nach Auffassung von Hans Erich Bödeker die Journale als zentrale Medien erkannt, in denen sich aufklärerische Politisierungsprozesse nicht nur entwickeln konnten, sondern auch publik wurden.347 In den aufklärerischen Zeitschriften habe sich ein zunehmend konkreter werdendes Interesse an politischem, sozialem und ökonomischem Wissen ausgeformt, in dessen Folge sich die Berichterstattung immer mehr den aktuellen und politischen Ereignissen zuwandte. Bödeker beschreibt es als „Novum, daß die Gebildeten mehr und mehr Gegenstände in die öffentliche Diskussion zogen, die zuvor politisch tabu gewesen waren und auch die Zensur nicht passiert hatten“.348 Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Tatsache, dass die Zeitschriften von der Zensur meist weniger streng überwacht wurden als die Zeitungen.349 Dies begründet Wilke zum einen damit, dass sie eher als Bücher angesehen wurden und sie durch ihr höchstens wöchentliches oder monatliches Erscheinen nicht so sehr den tagesaktuellen Bezug hatten. Zum anderen waren sie häufig wissenschaftlicher Herkunft und die Wissenschaftler wirkten oftmals selbst als Zensoren.350 Eine ausführliche Besprechung der einzelnen Themengebiete, mit denen sich die Zeitschriften befassten, liefert Joachim Kirchner in seiner Studie über das deutsche Zeitschriftenwesen.351 Zu den führenden Erscheinungsorten gehörten vor allem die überwiegend protestantischen nordost- und mitteldeutschen Städte wie Leipzig und Hamburg, gefolgt von Halle, Jena, Frankfurt am Main, Berlin,
344 Faulstich, Die bürgerliche Mediengesellschaft, S. 226. 345 McCarthy, Literarisch-kulturelle Zeitschriften, S. 181. 346 Hans Erich Bödeker: Zeitschriften und politische Öffentlichkeit. Zur Politisierung der deutschen Aufklärung in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts. In: Hans Erich Bödeker/Etienne François (Hrsg.): Aufklärung/Lumières und Politik. Zur politischen Kultur der deutschen und französischen Aufklärung. Leipzig 1996, S. 209–231, hier S. 210. 347 Bödeker, Zeitschriften und politische Öffentlichkeit, S. 211. 348 Ebd., S. 222–223. 349 Jürgen Wilke: Grundzüge der Medien- und Kommunikationsgeschichte. Von den Anfängen bis ins 20. Jahrhundert. Köln/Weimar/Wien 2000, S. 94. 350 Ebd. 351 Joachim Kirchner: Das deutsche Zeitschriftenwesen. Seine Geschichte und seine Probleme. Teil 1: Von den Anfängen bis zum Zeitalter der Romantik. 2. Aufl. Wiesbaden 1958, S. 119 ff.
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Königsberg, Braunschweig und Göttingen; in den südlichen Regionen waren Zürich, Augsburg und Nürnberg führend.352 Offenbar eignete sich dieses Periodikum besonders dazu, auf die sich in dieser Zeit verändernden gesellschaftlichen und intellektuellen Bedürfnisse einzugehen.353 Während in der ersten Jahrhunderthälfte eher die gelehrten Journale und sogenannten Moralischen Wochenschriften dominierten, kamen in der zweiten Hälfte die gemeinnützigen Magazine hinzu, in denen der Leser über Erfindungen und Entdeckungen, Naturkunde, Geschichte, Statistik, aber auch Dichtung und Moral informiert wurde. Besonders aber gewannen die politischhistorischen Zeitschriften an Bedeutung, die über Fortschritte in Wirtschaft, Kultur und gesellschaftlicher Emanzipation berichteten.354 Die entstandenen literarisch orientierten Zeitschriften widmeten sich verstärkt der politischen Berichterstattung und brachten politische Abhandlungen sowie Besprechungen politischer Bücher. Bödeker sieht hierin „Zeichen für das sich bei den Gebildeten in diesen Jahren steigernde Interesse am öffentlichen Leben, das sich nun wesentlich stärker zu regen begann als noch in den fünfziger und sechziger Jahren des Jahrhunderts“.355 Die Journalisten wollten nicht mehr nur Informationen liefern, sondern eine ‚öffentliche Meinung‘ bilden, Kritik und Reformvorschläge publizieren.356 Aus dieser Zeit und dieser Form der Zeitschriften stammen auch die meisten Diskurs-Beiträge zum Frankfurt-Bild. Außerdem muss berücksichtigt werden, dass es in den 1780er- und 90erJahren zu einer Politisierung der (literarischen) Zeitschrift kam.357 Sie vollzog sich vor allem im Zuge der sich radikalisierenden Spätaufklärung und unter dem Eindruck der Französischen Revolution.358 Diese Art Publizistik ordnet Kirchner der Gruppe der allgemeinwissenschaftlichen Journalistik zu, die im Sinne der Volksaufklärung eine große Leserschaft unterhalten und belehren wollte.359 Hiermit zusammen hing der Freizeitcharakter des Mediums, der Meinungsbildung, Kritik, Bildung, Didaktik und Unterhaltung beinhaltete.360 Die Zeit-
352 Joachim Kirchner: Die Grundlagen des deutschen Zeitschriftenwesens. 2 Bde. Leipzig 1928– 1931, hier Bd. 1, S. 54 ff. 353 Wilke, Grundzüge der Kommunikationsgeschichte, S. 95. 354 Bödeker, Zeitschriften und politische Öffentlichkeit, S. 216–217. 355 Ebd., S. 217. 356 Ebd., S. 223. 357 Wilke, Grundzüge der Medien- und Kommunikationsgeschichte, S. 108. 358 Ebd. 359 Kirchner, Das deutsche Zeitschriftenwesen, S. 126. 360 Faulstich, Die bürgerliche Mediengesellschaft, S. 230.
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schriften wurden daher auch als Gesprächspresse bezeichnet, weil sie in fiktiven Dialogen die Probleme der Zeit erörterten.361 Die Zeitschriften trugen laut Stöber zur Herausbildung einer Nationalkultur bei, unterstützten Nationaltheater und nationale Literatur, schufen Öffentlichkeit und förderten und vereinheitlichten den deutschen Sprachgebrauch.362 Die Publizisten wollten aufklären, räsonieren und informieren, aber auch unterhalten und nützliche Informationen verbreiten. Gegen Ende des 18. Jahrhunderts nahmen politische Stellungnahmen und Erwägungen vermehrt zu und die Französische Revolution zwang, Position zu beziehen.363 Innerhalb dieses Politisierungsprozesses waren die Journale irgendwann nicht mehr nur bloße Nachrichtenblätter. Vielmehr konstituierten sie einen permanenten Dialog zwischen den Zeitschriften und Journalisten bzw. Herausgebern, die sich gegenseitig kritisch kommentierten, Themen aufnahmen und die Diskussion fortsetzten.364 Die Zeitschriften sind zu „Träger[n] des öffentlichen Räsonnements“365 geworden. Herausgeber und Journalisten wollten trotz der fortbestehenden Zensur, die sich im Zuge der Französischen Revolution noch verschärft hatte,366 den Politisierungsprozess vorantreiben und verbreiten. Die ersten Gazetten und Intelligenzblätter entstanden 1722 in Frankfurt und 1724 in Hamburg, also im Alten Reich verhältnismäßig spät, obwohl es zuvor schon Pläne hierfür gegeben hatte.367 Während das Medium der täglich erscheinenden Zeitungen, die um 1600 aufkamen, für die in dieser Arbeit gestellte Fragestellung nicht berücksichtigt wird, lieferten die unter die Gattung der Zeitschriften zu fassenden Magazine, Journale, (Moralische) Wochenzeitschriften, Intelligenzblätter und Rezensionsorgane der Aufklärung einen Beitrag zum Frankfurt-Bild. Die Frankfurter Zeitungen368 des 16. und 17. Jahrhundert wurden aus diesem Grund nach eingehender Sichtung und Analyse nicht mit einbezogen, weil sie im Großteil Anzeigenblätter waren, Serviceleistungen sowie aktuelle Nachrichten 361 Stöber, Deutsche Pressegeschichte, S. 83ff. 362 Ebd., S. 92. 363 Ebd., S. 92–93. 364 Bödeker, Zeitschriften und politische Öffentlichkeit, S. 225. 365 Ebd., S. 227. 366 Jürgen Fromme: Kontrollpraktiken während des Absolutismus 1648–1806. In: Heinz-Dieter Fischer (Hrsg.): Deutsche Kommunikationskontrolle des 15. bis 20. Jahrhunderts. München 1982, S. 36–54. 367 Gierl, Zeitschriften – Stadt – Information, S. 247. 368 Der Zeitungsbestand in der Frankfurt-Abteilung der Universitätsbibliothek Johann Christian Senckenberg umfasst einen Großteil der seit 1615 in Frankfurt erschienen Zeitungen und Zeitschriften: http://www.ub.uni-frankfurt.de/wertvoll/ffmztg.html (letzter Zugriff: 04.06.2015). Gesichtet wurden die Zeitungen: Frankfurter Handlungs-Avis-Comptoir-Zeitung (1771–1781), Frankfurter Journal (1671–1810), Frankfurter Staats-Ristretto (1772–1810), Wochentliche Frankfur-
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beinhalteten, wie Wechselkurse, aktuelle Preise, Todesfälle, Hochzeiten, wichtige Staatsbesuche, Wohnungsanzeigen etc.369 Hin und wieder wurde zwar auch von Ereignissen berichtet, wie etwa von Konzerten370 oder der Luftfahrt von JeanPierre Blanchard im Jahr 1785,371 doch war dies die Ausnahme. Über den in der Publizistik geführten Diskurs über Frankfurt am Main als ein kulturelles Zentrum würde daher eine Auswertung der Zeitungen nur wenig Aufschluss geben. Gleichwohl ließen sich aus einer detaillierten Untersuchung sicherlich wichtige Erkenntnisse zu stadtgeschichtlichen Aspekten Frankfurts gewinnen, die jedoch nicht der Beantwortung des hier gestellten Erkenntnisinteresses dienen. Hinter den Artikeln der Wochenzeitschriften verbargen sich häufig anonyme oder fiktive Verfasserfiguren, die der Öffentlichkeit „als imaginiertem Empfänger ihrer Schreiben […] Nachrichten aus ihrer Sicht“372 darboten. Sie enthielten Rezensionen373, Briefe, Debatten, Poesie, längere Abhandlungen zu Musik, Biographie, Historie, Geographie, Reisen, Kritik, Übersetzungen, Philosophie, Handel, Architektur und anderen Künsten und Wissenschaften.374 Genauso wurden in ihnen auch offizielle Dokumente wie Erlasse, Ratsbeschlüsse und Gesetze abgedruckt. Sie betteten Alltagsinformationen in Wissenskontexte ein und verorteten das Alltagsleben mit Moral, Kunst, Religion und Politik.375 Die Zeitschriften der Aufklärung, wie Der Teutsche Merkur und das Deutsche Museum, und insbesondere die in ihnen enthaltenen Rezensionen hätten laut Astrid Urban den Raum für Diskussionen überhaupt erst geschaffen, wodurch sie auf eine kulturelle Integration hinwirken konnten, „da die politische schon nicht zu realisieren war“.376 Sie knüpften einerseits an die Tradition der Moralischen Wochenschriften an, die eine angenehme Lektüre mit Lesererziehung verbanden, andererseits übernahmen sie zumeist die kritische Intention der gelehrten Jourter Frag- und Anzeigungs-Nachrichten (1722–1806), Ober-Postamts-Zeitung (mehrere Titeländerungen, 1615–1866). 369 Gierl, Zeitschriften – Stadt – Information, S. 254. 370 Frankfurter Staats-Ristretto, 39. Stück, Montags den 8. Merz, 1773, S. 154; passim. Siehe auch: Außführlicher und deutlicher Bericht von einem zu Franckfurt am Mayn aufzurichtenden Gemein-nützlichen Werck; Welches wochentlich unter nachfolgendem Titul soll publiciret werden: Wochentliche Franckfurter Frag- und Anzeigungs-Nachrichten. Frankfurt a.M. 1722, passim. 371 Frankfurter Staats-Ristretto, Num. 139, Samstag, den 3. September 1785, S. 579–580, passim. 372 Gierl, Zeitschriften – Stadt – Information, S. 249. 373 Siehe ausführlich zur Gattungsgeschichte der Rezension Astrid Urban: Kunst der Kritik. Die Gattungsgeschichte der Rezension von der Spätaufklärung bis zur Romantik. Heidelberg 2004. Darin besonders das Kapitel „Reifes Urteil und guter Ton: Die Literaturkritik im Teutschen Merkur“ (S. 85–106). 374 Siehe hierzu u.a. Gierl, Zeitschriften – Stadt – Information, S. 254–255. 375 Ebd., S. 256. 376 Urban, Kunst der Kritik, S. 87.
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nale und Bibliotheken, ohne jedoch Anspruch auf vollständige und umfassende Kritik zu erheben.377 Gleichwohl muss berücksichtigt werden, dass die Wochenblätter trotz aufklärerischen Gedankenguts und eines intensiv geführten Zensurdiskurses keine individuellen Meinungsorgane waren, sondern eine „offiziöse städtische Institution“378 darstellten. Bezogen auf die Frage nach dem publizistischen Bild einer Stadt im Spiegel der Presselandschaft stellt Holger Böning am Beispiel Hamburgs fest, dass noch fast für das ganze 18. Jahrhundert eine „kritische Beschreibung einheimischer Zustände seltene Ausnahme“379 blieb. Unter dieser Ägide gestalteten sich entsprechend wertneutral und kritiklos die Meldungen über Hamburger Ereignisse, im Gegensatz zur auswärtigen Berichterstattung, die in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts durchaus schon kritische Kommentare zu den Lebensumständen in fremden Ländern enthalten konnte. Hamburgs Bürger des 18. Jahrhunderts erhielten in den zahlreichen Zeitungen Informationen über das Weltgeschehen, über diplomatische Beziehungen und Verhandlungen und Kriege zwischen deutschen Ländern, über Wirtschaft und Handel, konnten jedoch über die hamburgischen Verhältnisse nur sehr wenig lesen.380 Diese Beobachtung lässt sich nach der Auswertung der an der Universität Bielefeld in einem Forschungsprojekt durchgeführten „Retrospektiven Digitalisierung wissenschaftlicher Rezensionsorgane und Literaturzeitschriften des 18. und 19. Jahrhunderts aus dem deutschen Sprachraum“381 erschlossenen und digitalisiert vorliegenden Rezensionsorgane des 18. Jahrhunderts im Großen und Ganzen für die Reichsstadt Frankfurt bestätigen. Von den dort erfassten 160 Zeitschriften (118 250 Artikel) enthielten zwar 365 Artikel Informationen über Frankfurt. Dazu gehörten aber in erster Linie offizielle Bekanntmachungen, Rechtstexte, Ratsbeschlüsse, Gesetze oder beispielsweise der Umgang mit den Reformierten bzw. ihre eingeschränkten Möglichkeiten, den Gottesdienst zu besuchen. Mit 25 Artikeln partizipierten nur verhältnismäßig wenige Artikel am Diskurs über das Frankfurt-Bild, zu dem der Frankfurter Schriftsteller, Sammler und Di plomat Freiherr Johann Isaak von Gerning (1767–1837) einen besonders großen Beitrag lieferte. Gleichwohl trug die Mehrzahl dieser Beiträge zu einer gewissen Konstanz im Frankfurt-Bild bei, indem sie als ein Medium dienten, in dem tra377 Ebd. 378 Gierl, Zeitschriften – Stadt – Information, S. 258. 379 Böning, Hamburg – die Stadt und ihre Bewohner, S. 108. 380 Ebd., S. 110. 381 Online-Datenbank der Universität Bielefeld „Retrospektive Digitalisierung wissenschaftlicher Rezensionsorgane und Literaturzeitschriften des 18. und 19. Jahrhunderts aus dem deutschen Sprachraum“: http://www.ub.uni-bielefeld.de/diglib/aufklaerung/index.htm (letzter Zugriff: 04.06.2015).
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dierte Topoi und Stereotype kolportiert und tradiert wurden, wie in der folgenden Analyse noch deutlich wird. Erst langsam entwickelte sich laut Böning im 18. Jahrhundert eine Lokalberichterstattung über Ratsbeschlüsse, Berichte von Überflutungen und Unwettern etc. Doch habe sich diese Berichterstattung noch weitgehend im deskriptiven Bereich bewegt und jeder Versuch, in die Stadtpolitik einzugreifen, unterblieb. Demzufolge erschien Hamburg – ebenso wie Frankfurt – in der Zeitungsberichterstattung als „wohlgeordnetes Gemeinwesen, das von treusorgenden Stadtvätern verwaltet wird“.382 In der Mitte des 18. Jahrhunderts verortet Böning einen Wandel in den Hamburger Zeitungen, der auf ein aktiveres Verhältnis der Leser zur Politik verweist. In den Zeitschriften und Moralischen Wochenschriften entdeckte Böning wichtige Elemente dessen, was das Selbstbild und Selbstverständnis des aufgeklärten und gebildeten Hamburgers bestimmte.383 Auch in Frankfurt entwickelte sich verstärkt ein Diskurs über Lesegesellschaften, Kunstsammlungen und Museen, aber auch über Armenhäuser und Wohlfahrtseinrichtungen. Schließlich habe sich aus der Zeitschriftenlektüre ein Bild von Hamburg zwischen Aufklärung und Aberglauben ergeben, von einer Stadt mit den gelehrtesten und berühmtesten Geistlichen, die aber ebenso intolerant orthodox sein konnten, und einer kulturellen und Bildungsmetropole,384 die sie zu einer der ersten Stätten einer „segensvollen Geistesfreiheit, der Toleranz und der praktischen Menschenliebe werden ließen“.385 Welchen Anteil und welche Funktion die Zeitschriften für das frühneuzeitliche Stadtbild von Frankfurt als kulturellem Zentrum hatten, soll im Folgenden ausführlich untersucht werden. Dafür werden zunächst der historische Kontext und Frankfurts stadtgeschichtliche Entwicklung zu einem kulturellen Zentrum beleuchtet.
382 Vgl. auch für die folgenden Zitate: Böning, Hamburg – die Stadt und ihre Bewohner, S. 110– 118. 383 Ebd., S. 118. 384 Ebd., S. 120–121. 385 J[ohann] G[ottlieb] Ehrlich (Hrsg.): Denkmäler philosophischer Schüler. Hamburgs Denkmal. Hamburg/Leipzig 1792, S. XIII–XIV.
2 Frankfurt am Main als kulturelles Zentrum der Frühen Neuzeit 2.1 Frühgeschichte und Namensgebung Seit dem Mittelalter gehört Frankfurt zu den bedeutenden urbanen Zentren Deutschlands. Am 2. Februar 794 tauchte in einer Urkunde Karls des Großen, der sich anlässlich einer Reichssynode in Frankfurt aufhielt, erstmals der Name villa Franconovurd (Furt der Franken) auf.386 Bereits bei dieser ersten Namensnennung stand vor dem Franconofurd ein super fluvium Moin.387 Vermutlich reicht die Frankfurter Namensgebung bis in die Zeit der fränkischen Landnahme zurück, als um 500 nach Christus der germanische Volksstamm der Franken vom Niederrhein die ebenfalls germanischen Alemannen nach Süden zurückdrängte und das Untermaingebiet in das merowingische Frankenreich eingliederte. Die ursprüngliche Namensform Franconofurd (794 n. Chr.) entwickelte sich im Laufe des Mittelalters von Franchonofurt (9. Jh.) zu Frankenfort (12. Jh.) oder Frankinfort (14. Jh.), in der Neuzeit zu Franckfort (16. Jh.) und Franckfurth (18. Jh.) weiter. Spätestens seit Anfang des 19. Jahrhunderts hat sich die Schreibweise Frankfurt gefestigt.388 Die Reichssynode von 794 wird aufgrund einer fehlenden Gründungsurkunde oder eines Stadtprivilegs als Beginn der Frankfurter Stadtgeschichte betrachtet. In merowingischer Zeit nahm der Ort die Funktion eines Königshofes ein, bevor er mit dem Aufkommen der Karolinger zu einer Pfalz umfunktioniert wurde.389 Das Maingebiet hatte für Karl den Großen wegen der Anbindung an den linksrheinischen fränkischen Kernraum durch den Main eine besondere Bedeutung.390 Seit 833 bildete Frankfurt am Main das Zentrum des östlich des Rheins neu im Entstehen begriffenen Staatswesens Oströmisches Reich, das „principalis sedes orientalis regni“391, wie Regino von Prüm (um 840–915) Frankfurt in seiner 908 veröf386 Hans-Joachim Jacobs: Das Bild Karls des Großen in der Stadt Frankfurt im 14. Jahrhundert. In: Lieselotte E. Saurma-Jeltsch (Hrsg.): Karl der Große als vielberufener Vorfahr. Sein Bild in der Kunst der Fürsten, Kirchen und Städte. Sigmaringen 1994, S. 63–86. 387 Klötzer, „Keine liebere Stadt“, S. 13. 388 Ebd. 389 Walter Schlesinger: Die Pfalzen im Rhein-Main-Gebiet. In: GWU 16 (1965), S. 487–504. 390 Dieter J. Weiß: Die Entstehung Frankens im Mittelalter. Von der Besiedlung zum Reichskreis. In: Werner K. Blessing/Dieter J. Weiß (Hrsg.): Franken. Vorstellung und Wirklichkeit in der Geschichte. Neustadt an der Aisch 2003, S. 51–67, hier S. 56. 391 Regino von Prüm: Chronicon (Monumenta Germaniae Historica Scriptores rerum Germanicarum in usum scholarum seperatim editi), Anno 908. Hannover 1890, S. 111. DOI 10.1515/9783110503326-002
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fentlichten Weltchronik bezeichnete. Nach dem Vertrag von Verdun 843 wurde Frankfurt sozusagen Hauptstadt bzw. Hauptsitz des ostfränkischen Reiches. Die häufigen Aufenthalte der Kaiser und Könige, die abgehaltenen Reichstage und Kirchenversammlungen, die Errichtung eines geistlichen Stifts und zahlreiche Schenkungen an das St. Bartholomäusstift bzw. den späteren Kaiserdom St. Bartholomäus förderten das städtische Gemeinwesen.392 Als Standort einer mächtigen Pfalz, Vorort einer reichen Königsgutlandschaft und als Zugang zu den übrigen Gegenden des ostfränkischen Reichs war Frankfurt politisch wichtig geworden. Doch auch als die deutschen Kaiser keine beständige Residenz mehr hatten, blieb Frankfurt kaiserliches Kammergut von Ostfranken.393 Zu dieser Zeit dürfte nur die königliche villa mit Wirtschafts- und Vorratshäusern vorhanden gewesen sein. Die karolingische Palastanlage auf dem Domhügel ist erst im frühen 9. Jahrhundert erbaut worden. Allerdings gibt es keine Belege dafür, dass Karl der Große in Frankfurt als Bauherr auftrat oder den Platz als Pfalzort vorgesehen hatte. Die zeitgenössischen Quellen bieten keine Erklärungen für die getroffene Ortswahl.394 Vermutlich ließ Karls Sohn Ludwig der Fromme (778–840) den Königshof Frankfurt zur Pfalz ausbauen. Während Frankfurt unter den Karolingern häufig als Aufenthaltsort der Herrscher diente, trat es unter den Saliern395 und dem sächsischen Herzogshaus zunächst in den Hintergrund. Dennoch geht die Forschung von einer „stetigen Inanspruchnahme“396 Frankfurts im Früh- und Hochmittelalter aus. Bis in das 13. Jahrhundert hinein stammt die überwältigende Mehrzahl der Nachrichten über Frankfurt aus der Reichsgeschichtsschreibung und aus Königsurkunden.397
392 Klötzer, „Keine liebere Stadt“, S. 10; Elsbeth Orth: Frankfurt am Main im Früh- und Hochmittelalter. In: Frankfurter Historische Kommission (Hrsg.): Frankfurt am Main: Die Geschichte der Stadt in neun Beiträgen. Sigmaringen 1991, S. 9–52. 393 Ebd., S. 16 f. 394 Möglicherweise hat eine vorteilhafte Versorgungslage des von Missernten verschonten Ostens für günstigere Bedingungen gesorgt als beispielsweise im Süden oder Westen des Frankenreiches. Siehe Orth, Frankfurt am Main im Früh- und Hochmittelalter, S. 17. 395 Die Salier (1024–1125) suchten nur viermal den Ort am Main auf. Erklärungen gibt es hierfür mehrere. So suchten sie angeblich auch andere alte Königsorte nur selten auf und verlagerten die Königsgastung aus den Pfalzen in die Bischofssitze. Außerdem war der Ort nach einem Brand zwischen 1018 und 1045 für Herrscherbesuche nicht mehr geeignet. Siehe Orth, Frankfurt am Main im Früh- und Hochmittelalter, S. 25. 396 Ebd., S. 23. 397 Ebd.
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2.2 Geographische Zentralität als Voraussetzung für kulturelle Zentralität „Franckfort am Mayn ligt schier mitten in Teutschland“398, beschrieb 1670 die Neue Weltbeschreibung vor die Reisende die zentrale geographische Lage Frankfurts im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation. Frankfurt gehörte zu den Orten, die im Mittelalter aufgrund ihrer natürlichen Lage zu Mittelpunkten des Verkehrs und Handels für das nahe Umland und ferner gelegene Regionen wurden.399 Frankfurt entstand am nördlichen Ufer des dank einer Furt leicht passierbaren Mains und entwickelte sich in der Folgezeit an beiden Seiten des Untermains südöstlich des Taunus im heutigen Südwestdeutschland, einer fruchtbaren Landschaft zwischen Main und Taunus. Das engere Stadtgebiet erstreckte sich über die Mittel- und Niederterrasse des Mains. Der Pfalzort und früheste Siedlungskern der mittelalterlichen Stadt befindet sich auf dem Dom- und Karmeliterhügel.400 Die „Keimzelle Frankfurts um den karolingischen Pfalzbereich war relativ klein: 200 mal 300 Meter zwischen den späteren Punkten Dom und Römerberg“.401 Aber schon die staufische Stadt hatte sich bis zu den heutigen Grabenstraßen, von denen der Hirschgraben mit Goethes Elternhaus der bekannteste ist, ausgedehnt. Im 14. und 15. Jahrhundert kam sukzessive die Neustadt hinzu, die sich bis zu den heutigen Wallstraßen beiderseits des Eschenheimer Turms erstreckte. Die staufische Stadt wurde damit zur Altstadt zwischen Katharinenkirche und Main.402 Aufgrund bestimmter topographischer Bedingungen des rhein-mainischen Raums – das große Becken am Nordrand der oberrheinischen Tiefebene, umgeben von Mittelgebirgen und Verkehrshindernissen, wie dem Durchbruch des Rheins durch das Schiefergebirge und niedrige Pässe – liefen an der Stelle des späteren Frankfurt die Wege aus allen Himmelsrichtungen zusammen.403 Die Stadt lag am Schnittpunkt von fünf wichtigen Handelsrouten nach Norden (der Hessenweg über Paderborn und Münster nach Holland), nach Nordosten (die Erfurter Straße 398 Neue Weltbeschreibung vor die Reisende. Darinnen in 73. Capituln die vornehmste Länder sampt allen ihren Haupstädten und Flüssen. Frankfurt a.M. 1670, S. 95. 399 Hermann Meinert: Frankfurts Geschichte. Frankfurt a.M. 1984, S. 7. 400 Marianne Schalles-Fischer: Pfalz und Fiskus Frankfurt: eine Untersuchung zur Verfassungsgeschichte des fränkisch-deutschen Königtums. Göttingen 1969, S. 17–20. 401 Wolfgang Klötzer: Grund und Boden im alten Frankfurt. In: Hans-Peter Becht/Jörg Schadt (Hrsg.): Wirtschaft – Gesellschaft – Städte. Festschrift für Bernhard Kirchgässner zum 75. Geburtstag. Ubstadt-Weiher 1998, S. 189–199, hier S. 195. 402 Klötzer, Grund und Boden, S. 195. 403 Franz Lerner: Frankfurt im Netz der Handelsstraßen. In: Rainer Koch/Patricia Stahl (Hrsg.): Brücke zwischen den Völkern – Zur Geschichte der Frankfurter Messe. Bd. 2: Beiträge zur Geschichte der Frankfurter Messe. Frankfurt a.M. 1991, S. 103–107.
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nach Frankfurt a.d.O. und Braunschweig über Erfurt), nach Südosten (über Nürnberg, Regensburg und Linz nach Wien), nach Südwesten (über Mainz und Speyer nach Straßburg) und nach Nordwesten (über Köln nach Maastricht sowie über Wesel nach Antwerpen).404 Diese günstige Verkehrslage in der Mitte des Alten Reiches und im „Herz[en] Europas“405 ließ Frankfurt bereits im Mittelalter zu einer wichtigen Wahl- und Handelsstadt sowie zum Schauplatz vieler Reichsversammlungen avancieren.406 Die gut zugängliche Lage hatte Frankfurts Attraktivität für die ostfränkischen und deutschen Könige gesteigert, die das Reich noch in Form eines Wanderkönig- und Wanderkaisertums regierten. Verkehrstopographisch war Frankfurt zu Wasser und zu Land sehr gut zu erreichen.407 Zudem ermöglichte die Lage am Main einen Anschluss an die bedeutende Verkehrsader des Rheins und damit an den zunehmend erschlossenen Osten. Der Unterlauf des Mains war auch flussaufwärts gut schiffbar. In der überwiegend flachen Gegend floss der Strom verhältnismäßig langsam in einem breiten Flussbett und halbwegs feste Ufer ermöglichten das Treideln.408 Im Spätmittelalter war die Stadt Frankfurt in drei Teile untergliedert, wie aus der frühen Stadtbeschreibung Chorographia Francofurtensis (um 1380) von Baldemar von Peterweil, Kanonikus am St. Bartholomäusstift, hervorgeht. Nach dessen Beschreibung war Frankfurt in eine in der Mitte gelegene Altstadt, in eine nördlich gelegene Neustadt und in Sachsenhausen unterteilt, das südlich und zur rechten Seite des Mains lag.409 Sachsenhausen war kein Vorort oder eine
404 Dietz, Frankfurter Handelsgeschichte. Bd. 3, S. XV. 405 Friedrich Bothe: Geschichte der Stadt Frankfurt am Main. Frankfurt a.M. 1977 (ND der 3. Aufl. Frankfurt a.M. 1929), S. 1. 406 Dietz, Frankfurter Handelsgeschichte, Bd. 3. 407 Matthias Meyn: Die Reichsstadt Frankfurt vor dem Bürgeraufstand von 1612 bis 1614: Struktur und Krise. Frankfurt a.M. 1980, S. 134–136; Thorsten Burger: Frankfurt am Main als jüdisches Migrationsziel zu Beginn der Frühen Neuzeit. Rechtliche, wirtschaftliche und soziale Bedingungen für das Leben in der Judengasse. Wiesbaden 2013, S. 36. 408 Karl Härter: Aachen – Frankfurt – Nürnberg – Regensburg. Politische Zentren des Reiches zwischen 1356 und 1806. In: Bernd Heidenreich/Frank-Lothar Kroll (Hrsg.): Wahl und Krönung. Frankfurt a.M. 2006, S. 175–188, hier S. 179; Felicitas Schmieder: Frankfurt – das überregionale Wirtschaftszentrum vom 13. bis zum 16. Jahrhundert. In: Mitteilungen des Oberhessischen Geschichtsvereins Gießen 83 (1998), S. 55–71. 409 „Frankenford imperialis est urbs atque tripartita. Prima pars Antiquum opidum, maedia, his limitibus videlicet Ecclesia Predicatorum, Sancti Georgii, Penitentum, montis Marie, sancti Anthonii interclusa. Secunda pars Novum opidum in parte septemptrionali et sinistrum versus campum. Tertia pars Sassinhusen a parte meridionali atque dextrum, ultra Mogum sita.“ Vgl. Ludwig Heinrich Euler (Hrsg.): Des Canonicus Baldemar von Peterweil Beschreibung der kaiserlichen Stadt Frankfurt am Main, aus dem XIV. Jahrhundert. Urschrift mit Übersetzung und Erläuterungen. Frankfurt a.M. 1860, S. 58.
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„Frankfurter Landgemeinde“, sondern gehörte als „befestigter Brückenkopf“ immer zum Stadtgebiet.410 Doch ab 1500 erwähnten die Beschreibungen von Frankfurt ausschließlich eine Zweiteilung der Stadt in Frankfurt und Sachsenhausen – miteinander verbunden durch eine steinerne Mainbrücke.411 1222 wurde die „neue“ Mainbrücke erstmals urkundlich erwähnt, obwohl sie möglicherweise schon einige Jahre älter war.412 Die Brücke verband Frankfurt und Sachsenhausen miteinander und war das Bindeglied im Straßenverkehr zwischen Ober- und Niederdeutschland. Die später sogenannte Alte Brücke war lange Zeit die einzige Möglichkeit, den Fluss trockenen Fußes zu überqueren.413 Sie war von überregionaler Bedeutung, sodass nicht nur die Stadt für die Unterhaltung der durch Hochwasser oder Eisgänge mehrfach beschädigten Brücke414 aufkam, sondern auch königliche Privilegien und kirchliche Ablässe zu ihrer Unterhaltung und Ausbesserung beitrugen.415 Weil die Brücke nach dem St. Bartholomäusstift und der Stadtmauer eines der größten Bauwerke Frankfurts war, legte der Rat für die Finanzierung ihrer Instandhaltung eine sogenannte Brückenfabrik, ein Sonderkonto, an. Ein Interesse am Erhalt der Brücke hatten auch die Frankfurter Bürger, weil sie während der Messe und im täglichen Leben vom Brückenbau profitierten. Auch der Kirche war an einer intakten Brücke gelegen, weil sie den Weg zu den heiligen Pilgerstätten in Rom und Santiago de Compostela offen halten wollten. Drittens war für den Kaiser der Erhalt der Infrastruktur im Reich von Bedeutung. Deshalb steuerten diese Gruppen regelmäßig Geld oder Baumaterial zur Wiederherstellung der Brücke bei. König Heinrich VII. (reg. 1220/22–1235) beispielsweise erlaubte den Frankfurtern nach einem Hochwasser vom 10. Mai 1235, den halben Ertrag der Frankfurter Münze zum Brückenbau zu verwenden und zeitlich unbegrenzt Holz aus den königlichen Wäldern zu holen. Kaiser Ludwig der Bayer (reg. 1314–1347) hatte Frankfurt ein zweites Messeprivileg verliehen und gestattete nach dem Hochwasser von 1342 zeitweise, den Brückenzoll für Fuhr-
410 Klötzer, Grund und Boden, S. 195. 411 Siehe zur Geschichte der Mainbrücke Hans-Otto Schembs: Die Alte Brücke und ihre Erneuerung im Laufe der Jahrhunderte. In: AFGK 70 (2004), S. 185–212. 412 Björn Wissenbach: Frankfurts alte Brücke. Gestern – Heute – Morgen. Frankfurt a.M. 2010, S. 11. 413 Carl Wolff/Rudolf Jung: Die Baudenkmäler in Frankfurt am Main. Bd. 2: Weltliche Bauten. Frankfurt a.M. 1898, S. 259 ff.; Konrad Bund: Frankfurt am Main im Spätmittelalter 1311–1519. In: Frankfurter Historische Kommission, Frankfurt am Main, S. 53–150, hier S. 54. 414 Die Frankfurter Stadtchroniken verzeichnen die Hochwasser sehr akribisch, zum Beispiel in den Jahren 1306, 1342, 1358, 1407/08 und 1455. 415 Bund, Frankfurt am Main im Spätmittelalter, S. 54.
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werke zu erhöhen.416 Als Zollstelle war die Brücke außerdem eine stetige Einnahmequelle, weil auf die aus der Stadt hinausgehenden Waren der Brückenzoll als wichtigster Pfortenzoll, eine Unterart des gewöhnlichen Zolls, erhoben wurde.417 Die Stadt selbst war aus militärischen, steuerlichen und administrativen Gründen in Viertel bzw. „Quartiere“ eingeteilt.418 Zwei dieser 14 Quartiere lagen in Sachsenhausen. Im Inneren war die Stadt unterteilt in die Neustadt mit großzügigen Plätzen, freistehenden Häusern und Gartenanlagen sowie in die Altstadt mit ihren Fachwerkhäusern, Kirchen und Klosteranlagen. Das Stadtzentrum bildeten die Bartholomäus- und Nikolaikirche sowie der Samstagsberg und der Römer. Der Dom bzw. die St. Bartholomäus-Stiftskirche galt jahrhundertelang als Wahrzeichen der Stadt.419
2.3 Auf dem Weg zur Reichs- und Krönungsstadt im Mittelalter Seit dem 12. Jahrhundert entwickelte sich Frankfurt allmählich zu einer Stadt.420 Unter den städtefreundlichen ökonomischen und machtpolitischen Begebenheiten des Spätmittelalters konnte sich Frankfurt weitgehend unbeeinflusst von außen entwickeln. Während die Kaiser die Städte vom 12. bis 15. Jahrhundert mit zahlreichen wichtigen Privilegien versahen, residierten sie dort nie, sodass die Abhängigkeiten auf anderer Ebene bestanden. Thomas Eser beschreibt die Vo raussetzungen für diese Entwicklung und für die Ausgestaltung eines entsprechenden Stadtbildes für Nürnberg als „politische Herrschaftsnähe ohne physische Vereinnahmung, kombiniert mit massiver Wirtschaftskraft“421, das sich wohl auf Frankfurt übertragen lässt. So wurden beide, Frankfurt und Nürnberg, durch die häufigen Reichsversammlungen zu wichtigen ‚nationalen‘ Ereignis- und neutralen Begegnungsorten des Kaisers mit anderen Herrschern im Alten Reich.422
416 Wissenbach, Frankfurts alte Brücke, S. 16. 417 Ebd. 418 Wolfgang Klötzer: Vom Stadtquartier zum Stadtteil. Eine topographisch-soziologische Untersuchung am Beispiel der Stadt Frankfurt am Main. In: Bernhard Kirchgässner/Heinz Schmidt (Hrsg.): Stadtkern und Stadtteile. Sigmaringen 1991, S. 45–67. 419 Ralf Roth: Stadt und Bürgertum in Frankfurt am Main: Ein besonderer Weg von der ständischen zur modernen Bürgergesellschaft 1760–1914. München 1996, S. 35. 420 Bothe, Geschichte der Stadt Frankfurt am Main, S. 13, 19. 421 Thomas Eser: „Deutschlands Nabel“ und „Europas Mitte“: Nürnbergs Ruf und Stellung in Spätmittelalter und Früher Neuzeit. In: Jacek Purchla (Red.): Krakau und Nürnberg in der europäischen Zivilisation: Materialien der internationalen Tagung im Internationalen Kulturzentrum Krakau (6.–7. Dezember 2004). Krakau 2006, S. 27–48, hier S. 34. 422 Ebd.
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Nachdem Frankfurt 1140 erstmals als Oppidum (Stadt) erwähnt wird, lässt sich für 1219 das Stadtsiegel sigillum civitatis mit der Umschrift „specialis domus imperii“ bezeugen, ebenso wie die universitas civium – die Bürgergemeinde.423 Seitdem der Staufer-König Konrad III. (1138–1152) bei Frankfurt eine neue Burg – einen Saalhof – am Rand der Domhügelsiedlung errichten und dort seinen Sohn Heinrich zum König wählen ließ, nahm die Präsenz der deutschen Könige in Frankfurt zu. Die Forschung hat für die Staufer-Zeit eine massive Förderung Frankfurts festgestellt, als eine neue Pfalz entstand und die Stadt förmlich aufblühte.424 Mit der Regierungszeit der Hohenstaufer und der Wahl Friedrich I. Barbarossas 1152 zum König begann in Frankfurt eine Kontinuität der Königswahlen. Zur Zeit Kaiser Barbarossas (reg. 1155–1190) entstand auch die bürgerliche Genossenschaft, die sukzessive die Geschicke der Stadt übernahm. Eine weitere wichtige Station auf dem Weg der Frankfurter Stadtentwicklung war 1227 eine erstmals in den Akten erwähnte Messe (Wochenmarkt).425 1239 erfolgte die Weihe der neuen Stiftskirche. Auf dieselbe Zeit gehen verschiedene geistliche und karitative Einrichtungen zurück, wie das Heilig-Geist-Spital und das Leprosorium (Gutleutehof). Seit 1228 sind in Frankfurt die Reuerinnen, spätestens seit 1242 Dominikaner, seit 1236 Antoniter und seit 1255 Franziskaner nachweisbar.426 Der Mauerbau um Ober- und Niederstadt, die Einrichtung einer königlichen Münzstätte und die Erteilung des Messeprivilegs für eine Herbstmesse in Form eines Schutzgeleits der anreisenden Kaufleute durch Kaiser Friedrich II. im Jahr 1240 schufen die weitere Basis für die Entwicklung der Stadt.427 1266 sind neben dem kaiserlichen Schultheißen ein erster Rat bzw. Ratsherren (Consules) überliefert. 1297 erwähnen die Quellen erstmals ein Stadtrecht. 1311 traten zwei Bürgermeister an die Stelle des kaiserlichen Schultheißen, mit denen die kommunale Selbstverwaltung errichtet wurde und die Stadt eine (eingeschränkte) Selbstverwaltung erhielt.428 Der Prozess der Stadtprivilegierung und Konzentration von Gerichts- und Verwaltungsinstanzen nahm im 14. Jahrhundert unter dem Frankfurt sehr nahe ste423 Markus Kutscher: Chronik der Stadt Frankfurt am Main. Von der Eiszeit bis zur Europäischen Zentralbank. Gudensberg-Gleichen 2009, S. 24. 424 Jacobs, Das Bild Karls des Großen, S. 64. 425 Kutscher, Chronik der Stadt Frankfurt am Main, S. 24. 426 Siehe hierzu ausführlich Roman Fischer (Hrsg.): Von der Barfüßerkirche zur Paulskirche. Beiträge zur Frankfurter Stadt- und Kirchengeschichte. Frankfurt a.M. 2000; Werner Moritz: Die bürgerlichen Fürsorgeanstalten der Reichsstadt Frankfurt a.M. im späten Mittelalter. Frankfurt a.M. 1981. 427 Orth, Frankfurt am Main im Früh- und Hochmittelalter, S. 44–45. 428 Kutscher, Chronik der Stadt Frankfurt, S. 24–26.
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henden Kaiser Ludwig dem Bayern und unter Karl IV. (reg. 1355–1378) an Geschwindigkeit und Umfang zu. Dazu zählten das Recht, alle vom Kaiser verpfändeten Reichsgüter einzulösen, die Genehmigung eines Rathausbaus 1329, das Privileg zur Einrichtung einer zweiten Messe in der Fastenzeit sowie die Abwehr einer Konkurrenz-Messe in Mainz 1330 und 1337.429 Außerdem erwarb die Reichsstadt 1336 und 1349 die Gerichtsbarkeit Bornheimer Berg und das Judenregal. Juden sind bereits Mitte des 12. Jahrhunderts – erstmals in Zusammenhang mit jüdischen Kaufleuten auf der Messe – in Frankfurt bezeugt.430 Seit 1363 durften sie sich unter bestimmten Auflagen wieder in der Stadt ansiedeln. Die Stadt, die nach und nach ihre Autonomie ausbaute und ihre Rechte auf die Juden ausdehnen wollte, hatte von Karl IV. erneut pfandweise die Herrschaft über die Juden erworben, nachdem sie 1349 in einem Pogrom ermordet worden waren. Bis zu dieser Zeit lebten die Juden noch in der Mitte der Stadt und die älteste Synagoge war nur wenige Meter vom Dom entfernt. Die Häuser bildeten noch keinen geschlossenen Bezirk, sondern befanden sich direkt neben Häusern von Patriziern, Handwerkern und Fischern.431 1372 gelang es Rat und Bürgerschaft, das Schultheißenamt, die Gerichtsbarkeit und den Stadtwald vom Kaiser für 8 800 Gulden verpfändet zu bekommen, womit die Reichsunmittelbarkeit der Stadt erreicht war, die bis 1806 Bestand hatte.432 Frankfurt war seitdem Reichsstadt, Mitglied des Reichstages und ausschließlich dem Kaiser unterstellt. Mit der Finanz- und Gerichtshoheit gelangte die städtische Obrigkeit, befreit vom königlichen Statthalter, in den Besitz der gesamten öffentlichen Gewalt. Seit dem Erhalt der Selbstverwaltung fochten drei soziale Gruppen um die Teilhabe am Stadtregiment: die „Altbürger“, die Handwerker und die Kaufleute.433 Als Kaiser Karl IV. in Nürnberg 1356 die Goldene Bulle434 als eine Art erste „Reichsverfassung“ erließ, wurde mit ihr Frankfurt zur Wahlstadt der römisch429 Bund, Frankfurt am Main im Spätmittelalter, S. 53–149. 430 Fritz Backhaus: Zur Situation der Frankfurter Juden im 14. Jahrhundert. In: Volker Gallé/ Klaus Wolf/Ralf Rothenbusch (Hrsg.): Das Wormser Passionsspiel. Versuch, die großen Bilder zu lesen. Worms 2013, S. 83–100. 431 Fritz Backhaus: Die Frankfurter Judengasse. In: Fritz Backhaus u.a. (Hrsg.): Die Frankfurter Judengasse. Geschichte – Politik – Kultur. Katalog zur Dauerausstellung des Jüdischen Museums Frankfurt. München 2016, S. 9–39, hier S. 16–17. 432 Klötzer, „Keine liebere Stadt“, S. 19–20. 433 Rainer Koch: Herrschaftsordnung und Sozialverfassung im frühneuzeitlichen Frankfurt am Main. In: Michael Stolleis (Hrsg.): Recht, Verfassung und Verwaltung in der frühneuzeitlichen Stadt. Köln u.a. 1991, S. 173–197, hier S. 173–174. 434 Konrad Müller (Hrsg.): Die Goldene Bulle Kaiser Karls IV. 1356. Lateinischer Text mit Übersetzung. Bern 1964; Armin Wolf: Die Goldene Bulle und die Kurfürsten. In: Heidenreich/Kroll, Wahl und Krönung, S. 57–77, hier S. 58–59. Siehe zur Bedeutung und Rezeption der Goldenen
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deutschen Könige und zum Aufbewahrungsort des Schriftstücks bestimmt. Abgesehen von dem praktischen Grund der guten Erreichbarkeit für die Kurfürsten, dürfte für die formale Bestimmung von Frankfurt als Wahl- und Krönungsort weitaus wichtiger gewesen sein, dass es bereits um die Mitte des 13. Jahrhunderts als der angemessene Wahlort galt.435 Die Goldene Bulle bestimmte nach Ansicht des Historikers Michael Lindner „wie selbstverständlich und eher beiläufig“436 Frankfurt als den rechtmäßigen Ort für die Wahl der Könige durch die Kurfürsten und legte fest, dass eines der sieben Exemplare in Frankfurt aufbewahrt werden sollte. Frankfurt war sogar die erste Stadt, die ein Exemplar der Goldenen Bulle – eine vollgültige, zehn Jahre jüngere Abschrift der böhmischen Ausfertigung von 1356 – erhielt, was sie dem Wirken und geschickten Heiraten des Bürgers Siegfried zum Paradies zu verdanken hatte.437 Damit verankerte die Goldene Bulle endgültig und reichsrechtlich den Status Frankfurts als Wahlort der römisch-deutschen Könige, im Gegensatz zum bisherigen Gewohnheitsrecht. Zwar wurde Frankfurt dadurch „nicht unbedingt die eigentliche Hauptstadt des Reiches, […] aber doch zu einer der wichtigsten Reichsstädte des Alten Reiches“438, wie der Historiker Michael Matthäus betont. Weil die Goldene Bulle unter anderem die Modalitäten der Wahl und Krönung regelte, wurde sie auch als Souveränitätserklärung des mittelalterlichen römischdeutschen Reiches angesehen.439 Sie blieb bis zum Ende des Alten Reiches 1806 in Kraft. Zeitgenössisch hieß das Textkorpus bzw. die Privilegiensammlung – was sie im Grunde war – leges und constitutiones. Ihren deutschsprachigen Kurztitel Goldene Bulle, der die Art der Besiegelung der Urkunde zur bis heute üblichen Bezeichnung der Gesetzessammlung gemacht hat, erhielt sie erst im Jahr 1400.440 Im 15. Jahrhundert erfolgten weitere wichtige Schritte in der Entwicklung Frankfurts, als 1402 mit der ersten Wechselstube der Grundstein für das deut-
Bulle Ulrike Hohensee (Hrsg.): Die Goldene Bulle. Politik – Wahrnehmung – Rezeption. 2 Bde. Berlin 2009; Evelyn Brockhoff/Michael Matthäus (Hrsg.): Die Kaisermacher. Frankfurt am Main und die Goldene Bulle 1356–1806. Aufsätze. Frankfurt a.M. 2006. 435 Orth, Frankfurt am Main im Früh- und Hochmittelalter, S. 31. 436 Michael Lindner: Es war an der Zeit. Die Goldene Bulle in der politischen Praxis Kaiser Karls IV. In: Hohensee, Die Goldene Bulle, Bd. 1, S. 93–140, hier S. 107. 437 Lindner, Es war an der Zeit, S. 107–108. 438 Michael Matthäus: Das Frankfurter Exemplar der Goldenen Bulle. In: Brockhoff/Matthäus, Die Kaisermacher, S. 40–63, hier S. 40. 439 Eckhard Müller-Mertens: Geschichtliche Würdigung der Goldenen Bulle. In: Wolfgang D. Fritz (Hrsg.): Die Goldene Bulle. Das Reichsgesetz Kaiser Karls IV. vom Jahre 1356. Berlin 1978, S. 9–24, hier S. 21. 440 Lindner, Es war an der Zeit, S. 98.
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sche Bankenwesen gelegt wurde, die Stadt 1428 das eingeschränkte Münzrecht auf Silbermünzen erhielt.441 1495 wurde zur Wahrung des Landfriedens in Frankfurt das Reichskammergericht als oberste Rechtsinstanz im Heiligen Römischen Reich geschaffen, das 1527 nach Speyer verlegt wurde und von 1693 bis 1806 in Wetzlar tagte.442 Seit der Wahl Maximilians II. im Jahr 1562 fanden auch die Kaiserkrönungen in Frankfurt statt.443 Bis 1792 wurde Frankfurt Schauplatz von 30 Königswahlen und zehn Kaiserkrönungen, während deren Frankfurt vorübergehend zum Mittelpunkt und „Nabel der Welt“444 wurde. Diese zentrale politische Funktion brachte auch den Bürgern der Reichsstadt großes Prestige ein. Sie wurden allerdings unter Androhung der Reichsacht und des Verlustes ihrer Rechte und Privilegien eidlich dazu verpflichtet, alle zur Wahl anreisenden Kurfürsten und deren Gefolge zu beschützen.445 Außerdem mussten sie für die Sicherheit von Wahl und Krönung bürgen und waren für einen würdigen Rahmen der zeremoniellen Akte verantwortlich.446 Auch wenn in Frankfurt seit 1500 kein Reichstag mehr stattfand, wurde die Reichsstadt seit 1555 für reichsständische Versammlungsgremien zu einer wichtigen Tagungsstätte, denn der Augsburger Reichstagsabschied bestimmte, dass in schwerwiegenden Fällen von Landfriedensbruch der Erzbischof von Mainz eine ständische Reichsdeputation nach Frankfurt einberufen sollte. Insbesondere während der Krise des habsburgischen Kaisertums Mitte des 17. Jahrhunderts wurde Frankfurt zum Tagungsort einer antihabsburgischen Ständepolitik. 1643 tagte hier die Reichsdeputation zur Vorbereitung des Westfälischen Friedenskongresses. Zwischen dem Regensburger Reichstag 1653/54 und dem Beginn des Immerwährenden Reichstags 1663 tagte ein langer ergebnisloser Deputationstag über die Durchführung der Reformprojekte zur Reichsverfassung, die der Westfälische Friedensschluss als noch ausstehend hinterlassen hatte.447 441 Kutscher, Chronik der Stadt Frankfurt, S. 28. 442 Bund, Frankfurt am Main im Spätmittelalter, S. 53–149. 443 Siehe zur zunehmenden Präsenz des Reiches in Frankfurt, das seit 1562 nicht nur Wahl-, sondern auch Krönungsstadt war, Anton Schindling: Wachstum und Wandel vom Konfessionellen Zeitalter bis zum Zeitalter Ludwigs XIV. Frankfurt am Main 1555–1685. In: Frankfurter Historische Kommission, Frankfurt am Main, S. 205–260, hier S. 212–219. 444 Heinz Duchhardt: Frankfurt am Main im 18. Jahrhundert. In: Frankfurter Historische Kommission, Frankfurt am Main, S. 261–302, hier S. 277. 445 Wolf, Die Goldene Bulle, S. 60. 446 Anton Schindling/Walter Ziegler (Hrsg.): Die Kaiser der Neuzeit 1519–1918. Heiliges Römisches Reich – Österreich – Deutschland. München 1990; Barbara Dölemeyer: Wahl und Krönung im Spiegel der Diarien des 18. Jahrhunderts. In: Heidenreich/Kroll, Wahl und Krönung, S. 79–98, hier S. 85. 447 Schindling, Wachstum und Wandel, S. 220.
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2.4 Frankfurts gesellschaftspolitische Entwicklung in der Frühen Neuzeit Frankfurt zählte um 1500 noch keineswegs zu den bevölkerungsreichsten und finanzstärksten Städten im Reich, erhielt aber durch seine Bedeutung als Messestadt und Wahlort hohes Ansehen auch in anderen politischen Bereichen. Mit etwa 10 000 Einwohnern gehörte Frankfurt am Beginn der Frühen Neuzeit zu den Mittelstädten wie Mainz, Trier, Basel, Münster oder Maastricht. Dennoch überragte die Reichsstadt nach Ansicht von Konrad Bund die gleich großen und viele größere Städte an überregionaler Bedeutung.448 Hierzu zählte die Stellung als eine der vier ausschreibenden Kommunen, die die Freien und Reichsstädte zu den Städtetagen einberiefen. Frankfurt gehörte zum Oberrheinischen Reichskreis. Der Kreistag tagte in Frankfurt, wo der Römer, das Karmeliter- und das Dominikanerkloster als Tagungsorte genutzt wurden.449 Auch der Kurrheinische Kreis hielt bald wegen der zunehmend engen Zusammenarbeit der beiden territorial beieinanderliegenden Nachbarkreise in Frankfurt seine Tagungen ab. Im Laufe der Zeit siedelten deshalb beide rheinischen Kreise ihre Kreisorgane dauerhaft in der Reichsstadt an, wodurch die Stadt den Stellenwert einer Kur- und Oberrheinischen „Kreishauptstadt“450 bekam – eine Bezeichnung, die im zeitgenössischen Verständnis allerdings noch nicht existierte. Die sogenannte Frankfurter Reformation von 1578 und 1611 regelte vom 16. bis zum Ende des 19. Jahrhunderts die wesentlichen privatrechtlichen Verhältnisse der Bürger der Reichsstadt. 1509 erstmals als Reformacion der stat Franckenfort am Meine und 1578 von dem Syndicus Johann Fichard umgearbeitet als Der Statt Franckenfurt am Mayn erneuwerte Reformation, war sie vom römischen Recht beeinflusst.451 Die Frankfurter Privatrechtsordnung und Stadtverfassung war statisch und stark von traditionalen Elementen sowie dem römischen Recht bestimmt. So war die Zugehörigkeit zur Bürger- und Rechtsgemeinschaft für den 448 Bund, Frankfurt am Main im Spätmittelalter, S. 53–54; Günter Buchstab: Reichsstädte, Städtekurie und Westfälischer Friedenskongreß. Zusammenhänge von Sozialstruktur, Rechtsstatus und Wirtschaftskraft. Münster 1976, S. 190; Schindling, Wachstum und Wandel, S. 209; Roth, Stadt und Bürgertum, S. 47. 449 Gustav Adolf Süss: Geschichte des oberrheinischen Kreises und der Kreisassoziationen in der Zeit des spanischen Erbfolgekrieges. In: ZGO 103 (1955), S. 317–425, hier S. 360. 450 Michael Müller: Die Reichsstadt Frankfurt am Main als Kur- und Oberrheinische „Kreishauptstadt“ im 17./18. Jahrhundert. In: Anja Amend (Hrsg.): Die Reichsstadt Frankfurt als Rechtsund Gerichtslandschaft im Römisch-Deutschen Reich. München 2008, S. 107–137, hier S. 110. 451 Barbara Dölemeyer: Privatrechtliche Handlungsspielräume von Frauen im Frankfurt des 18. Jahrhunderts. In: Ursula Kern (Hrsg.): Blickwechsel. Frankfurter Frauenzimmer um 1800. Historisches Museum, Frankfurt am Main. Frankfurt a.M. 2007, S. 41–49, hier S. 41.
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privatrechtlichen Status grundlegend. Während der römisch-deutsche Kaiser der offizielle Stadtherr Frankfurts war, übte der Rat bzw. Magistrat, bestehend aus dem Stadtschultheißen, dem Älteren und Jüngeren Bürgermeister, den Schöffen, Senatoren und Ratsherren, die gesamte Landeshoheit aus, wie Administration, Rechtsprechung und Gesetzgebung.452 Die politische Verantwortung trug damit allein der Rat als „Souverän der Stadt“453, dominiert von den Patrizier-Geschlechtern der Alten-Limpurger und Frauensteiner sowie den übrigen Bürgern.454 Neben den 15 Meistern der zehn ratsfähigen Frankfurter Handwerke besetzte ausschließlich die wirtschaftliche und politische Führungsschicht, das Patriziat, den Rat. Die Mitgliedschaft galt lebenslänglich und die Neubesetzung erfolgte durch die sogenannte Kooptation bzw. Kugelung.455 Die enge Bindung an Kaiser und Reich blieb mit dem Status Frankfurts als Reichsstadt über Jahrhunderte bestehen.456 Die Frankfurter Gesellschaft war in Bürger und Nichtbürger untergliedert, wobei man das Bürgerrecht als Sohn eines Frankfurter Bürgers erlangen oder nach Zahlung eines Bürgergeldes, nach Vorlage eines Vermögens- und Berufsnachweises sowie einer Eidesleistung erwerben konnte. Allerdings war die Gruppe der Bürger nicht homogen, sondern bestand aus Handwerkern, Handelsleuten und Gelehrten von ganz unterschiedlichem Vermögen und gesellschaftlichem Status.457 Damit war bemerkenswerterweise eine sozial und ökonomisch schwächer gestellte Berufsgruppe der städtischen Bürgergesellschaft politisch besser gestellt als das wirtschaftlich dominante Handelsbürgertum. Durch ihre Präsenz in den politischen Strukturen der bürgerlichen Gesellschaft nahm das Handwerk mehr als in anderen Städten an den politischen Auseinandersetzungen teil, „ohne daß insgesamt von einer kleinbürgerlich dominierten Gesellschaft gesprochen werden kann“.458 452 Bund, Frankfurt am Main im Spätmittelalter, S. 68, 73; Gerhard Dilcher: Bürgerrecht und Stadtverfassung im europäischen Mittelalter. Köln u.a. 1996, S. 129–130; Henrik Halbleib: Von Unfug und bürgerlicher Wohlfahrt. Policeygesetzgebung in Frankfurt 1329–1806. In: AFGK 68 (2002), S. 151–165. 453 Roth, Stadt und Bürgertum, S. 103. 454 Eine sehr umfangreiche Studie zur Genealogie, Gründungsgeschichte und Aristokratisierung der Lebensführung des Frankfurter Patriziats hat jüngst Andreas Hansert vorgelegt: Geburtsaristokratie. 455 Bothe, Geschichte der Stadt Frankfurt am Main, S. 95; Barbara Dölemeyer: Juristen und Pa triziat im alten Frankfurt. In: AFGK 68 (2002), S. 217–234. 456 Bernd Schneidmüller: Stadt – König – Reich im Mittelalter. In: Koch/Stahl, Brücke zwischen den Völkern, Bd. 2, S. 24–32, hier S. 28–29. 457 Koch, Herrschaftsordnung und Sozialverfassung, S. 173–197; Roth, Stadt und Bürgertum, S. 62–64. 458 Ebd., S. 64.
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Die Patrizier und Geschlechtergesellschaften459 der Frauensteiner und AltenLimpurger460 hatten ihren Ursprung im 15. bis 17. Jahrhundert (Nobilitierung) und stammten aus der Ministerialen- und Kaufmannsschicht.461 Sie lebten ursprünglich vom Groß- und Fernhandel, bevor sie sich um 1600 aus dieser Tätigkeit zurückzogen (zumindest Letztere), lebten ausschließlich von den Einkünften ihrer Besitztümer und pflegten einen adligen Lebensstil, weil sie eine Beteiligung am Geschäftsleben offenbar als nicht standesgemäß erachteten.462 Sie verwalteten stattdessen ihre Güter und Besitzungen auf dem Lande und bekleideten städtische Ämter. Seit dem 16. Jahrhundert schottete sich das Frankfurter Patriziat immer mehr ab. Die Gesellschaften verstanden sich als Obrigkeit der Stadt und Träger der Reichsstandschaft. Weil das Patriziat nicht die gesamte Bürgerschaft vertrat und große Teile der Frankfurter Bevölkerung inklusive der Zünfte von der politischen Teilhabe ausgeschlossen waren, verloren sie seit dem 16. Jahrhundert sukzessive an Ansehen.463 Ein besonders schwerer gesellschaftlich-innerstädtischer Konflikt herrschte von 1612 bis 1614 im Zuge wirtschaftlicher und sozialer Spannungen durch die Anwesenheit der Exulanten und infolge von Preissteigerung und Verteuerung der Lebenshaltungskosten. „Die Verdoppelung der Bevölkerung, die Einwanderung kapitalstarker calvinistischer Gruppen, die jedoch keinen Anteil an der von einer kleinen Gruppe von patrizischen Familien beherrschten Stadtregierung erhielten, schufen zu Beginn des 17. Jahrhunderts ein Klima zunehmender Spannungen und Auseinandersetzungen“464, die im Aufstand gegen den Rat kulminierten. Er war als vermeintlicher Beschützer der fremden ‚Welschen‘ und Juden Adressat des wachsenden Unmuts der Frankfurter Bürgerschaft. 459 Andrea Pühringer: Adel in der Stadt – Frankfurt und die Residenzstädte. In: Eckart Conze u.a. (Hrsg.): Adel in Hessen. Herrschaft, Selbstverständnis und Lebensführung vom 15. bis ins 20. Jahrhundert. Marburg 2010, S. 543–568. 460 Klötzer, „Keine liebere Stadt“, S. 218–235 (Abschnitt „Die Limpurger in ihrer Vaterstadt Frankfurt“). 461 Pühringer, Adel in der Stadt, S. 546. 462 Robert Seidel: Innerstädtische Konflikte im Spiegel der Ständesatire. Eine exemplarische Studie zur Frankfurter Gelegenheitsdichtung und ihrer philologischen Erschließung. In: Seidel/ Toepfer, Frankfurt im Schnittpunkt der Diskurse, S. 343–363, hier S. 349; Dölemeyer, Juristen und Patriziat, S. 217–234. 463 Stephanie Dzeja: „Zu Nutz der Statt und Regiment“. Zum Selbstverständnis der Frankfurter Geschlechtergesellschaft Alt-Limpurg nach dem Fettmilch-Aufstand. In: Werner Rösener (Hrsg.): Adelige und bürgerliche Erinnerungskulturen des Spätmittelalters und der Frühen Neuzeit. Göttingen 2000, S. 177–190, hier S. 178; Bund, Frankfurt am Main im Spätmittelalter, S. 77; Michael Matthäus: Hamman von Holzhausen (1467–1536). Ein Frankfurter Patrizier im Zeitalter der Reformation. Frankfurt a.M. 2002, S. 18–19. 464 Backhaus, Die Frankfurter Judengasse, S. 30.
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Das Besondere an der als Fettmilch-Aufstand465 bekannten Erhebung gegenüber anderen Bürgerunruhen war, „daß dieser reichsstädtische Verfassungskonflikt nicht nur die Dimension von ‚Magistrat contra Bürgerschaft‘ hatte, sondern von Anfang an auch die Dimension des christlich-jüdischen Nebeneinanders und des antijüdischen Ressentiments, und daß er dann auf dem Siedepunkt der sich radikalisierenden Volksbewegung 1614 in ein Judenpogrom umschlug“.466 Hinsichtlich des breiten Spektrums an Forderungen ergab sich eine komplexe und heterogene Interessenstruktur: Wollten die Aufständischen unter Führung des Lebkuchenbäckers Vinzenz Fettmilch (†1616) zunächst eine ‚Demokratisierung‘ der Herrschaftsstrukturen und Reformen im Steuer- und Finanzwesen, geriet bald auch die städtische Judenpolitik ins Visier der Renitenten. Reformierte und Katholiken forderten die gleichberechtigte Anerkennung ihres Glaubensbekenntnisses sowie politische Gleichberechtigung, die Kaufleute kritisierten die vielen und den Handel beeinträchtigenden Abgaben und die Verlagsherren waren gegen die Auflagen auf Gewerbebetriebe. Mit dem Ende des FettmilchAufstandes durch kaiserliches Intervenieren und nachdem die Aufrührer verhaftet und hingerichtet worden waren, hatte die Opposition Erfolg. Die Verfassung wurde zugunsten der Bürgerschaft verändert, die Patrizier verloren ihre Macht und viele adelige Familien verließen die Stadt. Außerdem sollten die Juden vertrieben oder zumindest ihre Anzahl vermindert werden. Nach Gewalt, Terror und Stürmung der Judengasse verließen auch viele von ihnen aus Angst die Stadt.467 Mit dem Zusammenbruch des Aufstandes waren die meisten Errungenschaften hinsichtlich politischer Partizipation und sozial-wirtschaftlicher Sicherungen für die Bürgergemeinde wieder verloren und die Patrizier übernahmen erneut das Regiment im Rat.468 Schließlich ergaben sich aus dem Aufstand auch Konsequenzen für die Konflikte des 18. Jahrhunderts: Die selbstständigen Zünfte und nichtpatrizischen Gesellschaften wurden als Träger der Revolution durch die patrizische Reaktion vollständig zerstört, aufgehoben und „zu römisch-rechtlich definierten Korporationen, deren Interessen im Rat jetzt über Deputierte aus der Schöffen- und Senatorenbank wahrgenommen werden mußten, also durch Pa trizier oder Juristen“.469
465 Siehe hierzu u.a. Ernst Karpf: Eine Stadt und ihre Einwanderer. 700 Jahre Migrationsgeschichte in Frankfurt am Main. 2. Aufl. Frankfurt a.M./New York 2013, S. 58–66. 466 Schindling, Wachstum und Wandel, S. 232. 467 Backhaus, Die Frankfurter Judengasse, S. 30. 468 Karpf, Eine Stadt und ihre Einwanderer, S. 66. 469 Rainer Koch: Frankfurt am Main im 18. Jahrhundert. Topographie, Demographie, Verfassung, Lebens- und Rechtsgemeinschaften. In: Gisela Engel u.a. (Hrsg.): Frauen in der Stadt – Frankfurt im 18. Jahrhundert. Königstein (Taunus) 2002, S. 67–86, hier S. 75.
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Kaiser Matthias bestätigte bzw. erließ eine neue Judenstättigkeit. Dabei handelte es sich um einen Schutzvertrag, der das Leben der Juden in Frankfurt rechtlich bzw. vertraglich regelte und gegen die Zahlung von Steuern gewährt wurde. Die Stättigkeit wurde erstmals 1424 erlassen und enthielt Bestimmungen zur Aufenthaltsdauer, Abgabenhöhe und zahlreiche weitere Vorschriften. Allerdings behielt die neue Stättigkeit einerseits die meisten früheren Beschränkungen grundlegend bei,470 bedeutete aber dennoch für die Frankfurter Juden „einen erheblich verbesserten Rechtsschutz gegenüber der Bürgerschaft“471, da sie jetzt von der kaiserlichen Kommission erlassen und somit durch das Reichsrecht und den Kaiser garantiert wurde. Die neue Militärverfassung erfuhr eine bedeutsame Veränderung: Das Kommando unterstand nun nicht mehr den Zunftgeschworenen, sondern bürgerlichen Oberoffizieren in den jeweiligen Quartieren, den Bürgercapitainen.472 Damit waren die Verhältnisse kurz vor Ausbruch des Dreißigjährigen Krieges wieder größtenteils auf den alten Stand gebracht und die sozialen, wirtschaftlichen und politischen Konflikte weiterhin ungelöst.473 Während des Dreißigjährigen Krieges erging es der Reichsstadt in Anbetracht der Beeinträchtigungen noch recht gut. Aufgrund der starken Befestigungsanlagen respektierten die unterschiedlichen Kriegsparteien die Stadt. Doch liegt der eigentliche Grund wohl in der Bedeutung Frankfurts als Handels- und Finanzplatz474, „der es den kriegführenden Parteien […] ermöglichte, dort ihren jeweiligen militärischen Bedarf zu decken“.475 Bis 1631 blieb Frankfurt neutral und von direkten militärischen Handlungen verschont. Bis dato fungierte die Stadt vor allem als Nachrichtenzentrum, in dem Kupferstiche mit Schlachtprospekten, Newe Zeitungen und Flugblätter gedruckt und angeboten wurden. Doch die ruhige Lage änderte sich nach dem Vorrücken des schwedischen Königs Gustav II. Adolf (reg. 1611–1632) bis an den Main und den Mittelrhein. Die Schweden besetzten Frankfurt von Ende November 1631 bis Mitte August 1635, 470 Isidor Kracauer: Geschichte der Juden in Frankfurt am Main (1150–1824). Bd. 2. Frankfurt a.M. 1927, S. 75, 147–151. 471 Schindling, Wachstum und Wandel, S. 246. 472 Andreas Hansert: Adel der Geburt und Adel des Geistes. Zu einem paradigmatischen Rangund Standeskonflikt zwischen Patriziern und Gelehrten in Frankfurt im 17. und 18. Jahrhundert. In: Günther Schulz (Hrsg.): Sozialer Aufstieg. Funktionseliten im Spätmittelalter und in der frühen Neuzeit. München 2002, S. 113–148. 473 Karpf, Eine Stadt und ihre Einwanderer, S. 67. 474 Anja Rieck: Frankfurt am Main unter schwedischer Besatzung 1631–1635. Reichsstadt – Repräsentationsort – Bündnisfestung. Frankfurt a.M. 2005, S. 259–265. 475 Cordula Kapser: Handel und Militär in Frankfurt zur Zeit des Dreißigjährigen Krieges. In: Koch/Stahl, Brücke zwischen den Völkern, Bd. 2., S. 140–146, hier S. 141.
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nachdem sich die Stadt auf einen Vergleich und ein Schutzbündnis mit dem Schwedenkönig eingelassen hatte, der vorgab, die protestantische Konfession vor den Katholiken zu schützen. Außerdem hatte er ihnen die Sicherung der Privilegien und des Handels zugesagt. Entgegen der Versuche von schwedischer Seite, Einfluss auf die städtischen Angelegenheiten zu nehmen, behauptete die Stadt ihre autonome Regierung, sodass sich „das Protektorat nicht in eine Fremdherrschaft verkehren konnte“.476 Der Schwede hatte auch den Kaiser de facto nie als Stadtherrn abgelöst, denn Gustav Adolf besetzte Frankfurt vorrangig nicht als Kaiserstadt, sondern aufgrund ihrer Funktion als Handelsplatz und Knotenpunkt in einem fest verankerten und finanzstarken Handelssystem.477 Trotz der enormen Kosten für Einquartierungen und Kontributionen wurde der Wohlstand der Stadt und ihrer Bürger nicht sonderlich geschmälert. Am schlimmsten war die Zeit zwischen 1634 und 1636 mit jährlich 6 943 Toten, u.a. infolge der Pest, bei ca. 20 000 Einwohnern.478 Nach den Tiefpunkten der Jahre 1635/36 kam Frankfurt aber relativ günstig durch die letzte Phase des Dreißigjährigen Krieges (1635–1648). Am Ende des Krieges war Frankfurts Bevölkerung zu einem noch größeren Anteil als schon zuvor „entweder von außerhalb gekommen oder hatte von auswärts Gekommene geheiratet oder stammte unmittelbar von solchen ab“.479 Im Westfälischen Frieden, der im November 1648 in Frankfurt mit einem Buß- und Bettag begangen wurde,480 ist Frankfurt als Reichsstadt bestätigt worden. Sie gelangte anschließend allmählich zu neuem Wohlstand.481 In den folgenden Jahrzehnten drohte der Stadt zumindest am Horizont neue Kriegsgefahr, als Frankreich unter König Ludwig XIV. in den Regionen am Rhein und nahe dem Rhein Kriege gegen Spanien und das Reich führte. In dieser Zeit der latenten Bedrohung in den 1670er- und 1680er-Jahren zahlte sich der Bau der modernen Wallanlagen und Bastionen (1628–1667) als Schutz aus.482 Das 18. Jahrhundert war geprägt durch innerstädtische und nach außen reichende Konflikte, durch Stagnation, aber auch durch eine kurze glanzvolle
476 Rieck, Frankfurt am Main unter schwedischer Besatzung, S. 26–28, 321. 477 Ebd., S. 321–322. 478 Schindling, Wachstum und Wandel, S. 243. 479 Karpf, Eine Stadt und ihre Einwanderer, S. 67. 480 Schindling, Wachstum und Wandel, S. 243. 481 Georg Ludwig Kriegk: Frankfurt um die Mitte des Dreißigjährigen Krieges. In: AFGK N.F. 1 (1860), S. 251–274; Roswitha von Kietzell: Der Frankfurter Deputationstag von 1642–1645. Eine Untersuchung über die staatsrechtliche Bedeutung dieser Reichsversammlung. In: Nassauische Annalen. Jahrbuch des Vereins für Nassauische Altertumskunde und Geschichtsforschung 83 (1972), S. 99–119. 482 Schindling, Wachstum und Wandel, S. 243.
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Phase, in der Frankfurt zur „faktischen Hauptstadt des Reiches avancierte“483 und besonders ins Zentrum der Reichspolitik rückte, als der 1742 zum Kaiser gewählte Wittelsbacher Karl Albrecht von Bayern aufgrund der herrschenden Kriegsereignisse von Frankfurt aus regieren musste und im Barckhausenschen Palais auf der Zeil residierte.484 Im Zuge dessen zogen zentrale Reichsorgane wie der Reichstag und der Reichshofrat nach Frankfurt. Die Messestadt, „die wegen der vielen reichsinternen und zwischenstaatlichen Konferenzen und Kongresse schon seit längerem eine Art ‚heimliche Nebenhauptstadt‘ des Reiches [war], wurde nun faktisch für knapp drei Jahre zum Regierungszentrum, zur Residenz eines freilich sowohl glanz- wie glücklosen Fürsten“.485 Innerhalb der Frankfurter Bevölkerung kam es im 17. und 18. Jahrhundert zu einer ernsthaften Statuskonkurrenz zwischen der sogenannten Ratsoligarchie und den Gelehrtenfamilien, was insbesondere zwischen 1705 und 1732 zu Gesellschafts- und Verfassungskonflikten führte.486 Diese gesellschaftlichen und rechtlichen Spannungen waren in der spezifischen Frankfurter Bevölkerungsstruktur bedingt.487 Während die verfassungsrechtliche Stellung des Patriziats faktisch weiter gestärkt wurde, ging der politische Einfluss der Handwerker nach einem Verbot der Zünfte deutlich zurück. Der Rat behielt – wie auch vor dem FettmilchAufstand – die Privilegien der christlichen Bürgerschaft für sich und das Finanzwesen war durch eine hohe Verschuldung praktisch ruiniert.488 Als zugleich die mit dem Patriziat wirtschaftlich in Kontakt stehenden Juden rechtlich gestärkt wurden, waren sie erneut Auslöser einer Verfassungskrise, an deren Spitze Handwerker und Kaufleute standen.489 In den Verfassungskämpfen ging es darum, die Verbindung von Familientradition und staatlicher Sphäre zu lockern. Denn Frankfurt war im 18. Jahrhundert verfassungspolitisch von einem allmählichen Abstieg der patrizischen Ratsmacht und einem Aufstieg des bürgerlichen Juristen- und Handelsstands geprägt.490
483 Duchhardt, Frankfurt am Main im 18. Jahrhundert, S. 261. 484 Bernhard Reichel: Wahl und Krönung Kaiser Karls VII. in den Ratsverordnungen der Stadt Frankfurt am Main. In: Rainer Koch/Patricia Stahl (Hrsg.): Wahl und Krönung in Frankfurt am Main. Kaiser Karl VII. 1742–1745. Ausstellungskatalog. 2 Bde. Frankfurt a.M. 1986, S. 45–65. 485 Duchhardt, Frankfurt am Main im 18. Jahrhundert, S. 278. 486 Hansert, Adel der Geburt und Adel des Geistes, S. 113–148; Hansert, Geburtsaristokratie in Frankfurt am Main, S. 343–367. 487 Rainer Koch: Grundlagen bürgerlicher Herrschaft. Verfassungs- und sozialgeschichtliche Studien zur bürgerlichen Gesellschaft in Frankfurt am Main (1612–1866). Wiesbaden 1983, S. 18– 28. 488 Ebd., S. 18. 489 Duchhardt, Frankfurt am Main im 18. Jahrhundert, S. 267. 490 Hansert, Adel der Geburt und Adel des Geistes, S. 113–148.
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Von bürgerlicher Gleichheit war die Stadt jedoch noch weit entfernt, sodass diese Konflikte auch aus der Starrheit und dem gelähmten Verhalten der Verfassungsgruppen resultierte.491 Wiederum sollten kaiserliche Resolutionen (1716, 1725, 1732) für eine Klärung der Verhältnisse sorgen.492 In den Verfassungskämpfen von 1705 bis 1732 setzte die Bürgerschaft eine ganze Reihe von verfassungsrechtlichen Grundsätzen durch, „die insgesamt zu einer Dynamisierung der politischen Repräsentationsstruktur und mit der größeren Beteiligung des Handelsstandes an der politischen Führung zu einer hohen Identifikation des Bürgertums mit der Stadt führten“.493 Auch in den Verfassungskämpfen des 18. Jahrhunderts ging es vor allem darum, die Verbindung von Familientradition und staatlicher Sphäre zu lockern, um sie im 19. Jahrhundert schließlich ganz zu überwinden. Somit war Frankfurt im ganzen 18. Jahrhundert verfassungspolitisch von einem allmählichen Niedergang der patrizischen Ratsmacht und einem entsprechenden Aufstieg des bürgerlichen Juristen- und Handelsstands geprägt.494 Der Frankfurt-Historiker Andreas Hansert verweist jedoch darauf, dass es sich bei den sozialen Konflikten nicht um ein singulär Frankfurter Phänomen handelte, sondern in zahlreichen anderen Reichsstädten ähnliche Bewegungen stattfanden, in denen bestimmte bürgerliche Gruppen das hergebrachte (patrizische) Ratsregiment infrage und Ansprüche auf Teilhabe gestellt haben. Im Gegensatz zum Fettmilch-Aufstand des 17. Jahrhunderts verliefen diese Auseinandersetzungen aber nicht mehr gewaltsam, sondern in rechtlich geordneten Bahnen. Es wurde „im Rahmen geordneter Verfahren eine Lösung der Probleme gesucht“.495 Frankfurt war trotz der Weltoffenheit und Urbanität und bei aller merkantilen, wirtschaftlichen und politischen Bedeutung am Vorabend der Französischen Revolution keinesfalls vergleichbar mit der industrialisierten Großstadt des späten 19. Jahrhunderts.496 In der städtischen Verfassungs- und Sozialstruktur, im Rechtswesen sowie im kulturellen Bereich dominierten bis zur vorrevolutionären Zeit die „Kräfte der [konservativen] Beharrung“.497 Auch von bürgerlicher Gleichheit war die Stadt noch weit entfernt. Doch im Hinblick auf die Schulreformen, Reformdiskussionen bei den Juden (aufgeklärtes modernes Reformjudentum)498, das Interesse an Kunst, Bildung 491 Klötzer, „Keine liebere Stadt“, S. 45. 492 Koch, Grundlagen bürgerlicher Herrschaft, S. 24–28; Koch, Herrschaftsordnung, S. 181–197. 493 Roth, Stadt und Bürgertum, S. 101. 494 Hansert, Adel der Geburt und Adel des Geistes, S. 113–148. 495 Hansert, Geburtsaristokratie in Frankfurt am Main, S. 343. 496 Ebd., S. 294–295. 497 Ebd., S. 284. 498 Roth, Stadt und Bürgertum, S. 155.
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und Wissenschaft, die Etablierung völlig neuer Stiftungstypen und neuer Strukturen in der Öffentlichkeit499 waren „durchaus auch ohne einen großen politischen Umbruch zahlreiche Anzeichen eines Wandels in den alten, ständisch geprägten gesellschaftlichen Beziehungen in Frankfurt am Main festzustellen“.500 Dieser Veränderungsprozess wurde zwar nach Einschätzung von Heinz Duchhardt von den Umbrüchen im Zuge der Französischen Revolution und der Napoleonischen Kriege überlagert, nicht aber von ihnen bestimmt.501
2.5 Gesellschaft und Religion Die evangelische Reformation brachte Frankfurt als kaiserliche Wahlstadt und privilegierten Messeort in ein Dilemma.502 Mit einem profanen Rechtsakt im April 1533 wurde die Reformation offiziell eingeführt und die öffentliche Ausübung der katholischen Religion unterbunden. Frankfurt ist ein bezeichnendes Beispiel dafür, dass eine Reichsstadt angesichts der komplizierten Situation eher zurückhaltend und abwartend handelte und der Magistrat die Kirchenveränderungen nur zögerlich und unter dem Druck der evangelischen Prädikanten und dem Einfluss der Bürgerschaft einführte.503 Doch gravierende Missstände in der alten Kirche und erhebliche wirtschaftliche Konflikte zwischen Rat, Bürgerschaft und Klerus waren in Frankfurt die Grundlage für eine kirchliche Erneuerung, sodass die Reformation unter der Ägide aktiver Prädikanten trotz der zögerlichen Haltung des Rates voranschreiten konnte.504 Die Reformation ist in Frankfurt als „rechtsförmige Durchsetzung der städtischen Souveränität über die bislang von allgemeinen Pflichten befreiten katholischen Klöster und Stifte, über geistlichen Besitz und Gerichtsbarkeit“505 vonstat499 Wie z.B. Kaffeehäuser, Theater, Lesegesellschaften, Logen und Vereine. 500 Roth, Stadt und Bürgertum, S. 188. 501 Koch, Frankfurt am Main im 18. Jahrhundert, S. 76. 502 Sigrid Jahns: Frankfurt am Main im Zeitalter der Reformation (um 1500–1555). In: Frankfurter Historische Kommission, Frankfurt am Main, S. 151–204. 503 Sigrid Jahns: Frankfurt, Reformation und Schmalkaldischer Bund. Die Reformations-, Reichs- und Bündnispolitik der Reichsstadt Frankfurt am Main 1525–1536. Frankfurt a.M. 1976; Anton Schindling: Die Reformation in den Reichsstädten und die Kirchengüter. Straßburg, Nürnberg und Frankfurt im Vergleich. In: Südwestdeutscher Arbeitskreis für Stadtgeschichtsforschung (Hrsg.): Stadt in der Geschichte. Bd. 7. Ostfildern 1980, S. 67–96, hier S. 81; Jahns, Frankfurt am Main im Zeitalter der Reformation, S. 151–204. 504 Frank Berger: Frankfurt um 1550. Frankfurt Around 1550. In: Frank Berger (Hrsg.): Glaube – Macht – Kunst. Antwerpen – Frankfurt um 1600. Ausstellungskatalog. Frankfurt a.M. 2005, S. 39–47, hier S. 41. 505 Koch, Frankfurt am Main im 18. Jahrhundert, S. 74.
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tengegangen. Seit der Reformation waren Bürgerrecht und lutherische Konfession unabdingbar miteinander verbunden. Doch weil das nun protestantische Frankfurt weder unter die Reichsacht fallen noch die für sie existentiell wichtigen Handelsmessen verlieren und weiterhin Wahlort des katholischen Kaisers bleiben wollte, befand sich die Stadt in einem ständigen Lavieren zwischen den Parteien, schloss sich 1536 aber auf der Suche nach politischem Rückhalt für zehn Jahre dem Schmalkaldischen Bund an.506 Während die neue Lehre innerhalb der Stadt fest verankert wurde, hielt sie nach außen weiterhin formal die traditionelle Treue zu Kaiser und Reich. Die Folge daraus war eine „kaum durchzuhaltende Doppelloyalität“.507 Schließlich verließ Frankfurt im Dezember 1546 den Schmalkaldischen Bund und ließ kaiserliche Truppen herein, um die Freiheit und Privilegien der Stadt zu bewahren. Dafür nahm man auch konfessionelle Opfer in Kauf, sodass der katholische Gottesdienst in den Stiften und katholisch gebliebenen Klöstern wiederhergestellt wurde.508 Ihren großen wirtschaftlichen, demographischen und politischen Aufschwung in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts verdankte die Reichsstadt vor allem den Glaubensflüchtlingen aus dem südlichen Teil der Spanischen Niederlande, als sich um 1560 etwa 2 000, Mitte der 70er-Jahre 1 500 und Anfang der 90er-Jahre sogar 2 800 Niederländer in der Stadt befanden.509 Zunächst kamen seit 1554 reformierte bzw. calvinistische und protestantische Flamen und Wallonen,510 die zuvor nach England geflohen waren, sowie einige Engländer. 1685 setzte die Einwanderung französischer Hugenotten ein. Sie alle flüchteten nach Frankfurt bzw. in das Alte Reich, weil es aus vielen selbstständigen politischen Gebilden unterschiedlicher Größe und Ausprägung bestand. Folglich war die Religionszugehörigkeit und -toleranz im Konfessionellen Zeitalter ganz verschieden ausgeprägt. Frankfurt hatte besonders wichtige Vorteile als Ziel für Migranten zu bieten: zum einen die Nähe zum Rhein, den viele Flüchtlinge zur Orientierung nutzten. Zum anderen hatte sich Frankfurt der Reformation angeschlossen und war eine attraktive Messestadt, die vielen Kaufleuten bekannt war.511 Umgekehrt nahm Frankfurt die Flüchtlinge sicherlich nicht nur aus Nächstenliebe auf, wie 506 Irene Haas: Reformation – Konfession – Tradition. Frankfurt am Main im Schmalkaldischen Bund 1536–1547. Frankfurt a.M. 1991. 507 Berger, Frankfurt um 1550, S. 41. 508 Koch, Frankfurt am Main im 18. Jahrhundert, S. 74. 509 Heinz Schilling: Niederländische Exulanten im 16. Jahrhundert. Ihre Stellung im Sozialgefüge und im religiösen Leben deutscher und englischer Städte. Gütersloh 1972, S. 52. 510 Siehe zur wallonisch-flämischen Einwanderung Karpf, Eine Stadt und ihre Einwanderer, S. 41–66. 511 Ebd., S. 44.
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Ernst Karpf untersucht hat, sondern um einen Bevölkerungsschwund des vorherigen Jahrhunderts auszugleichen. Auch fehlte es für leerstehende Häuser nach der Umsiedlung der Juden in die Judengasse an potenten neuen Besitzern. Generell fehlten der Stadt wirtschaftliche Impulse, „die in der prekären Finanzlage des Rats einen Hoffnungsschimmer hervorrufen konnten“.512 Zum religiösen Ritus bleibt festzustellen, dass die Reformierten am 22. April 1554 erstmals in der Weißfrauenkirche ihren Gottesdienst halten durften, womit praktisch eine französisch-reformierte Gemeinde in Frankfurt gegründet wurde.513 Im Mai 1585 versammelten sich nach monatelangen Unruhen und der Plünderung Antwerpens in Frankfurt weitere protestantische Flüchtlinge zu einer gottesdienstlichen Gemeinschaft, aus der die Niederländische Gemeinde Augsburger Konfession bzw. Confession (NGAC) entstand.514 Die zugezogenen Glaubensflüchtlinge wurden zwar religiös und politisch in das städtische Leben nicht mit einbezogen, bereicherten jedoch wirtschaftlich und kulturell die Stadt in ihrer Entwicklung und trugen maßgeblich zu ihrem Wohlstand bei. Durch die Ressentiments gegenüber den neuen Produktions- und Finanzierungsmöglichkeiten von Seiten der Einheimischen war „eine Verschmelzung der fremden Zuwanderer mit den Einheimischen […] in weite Ferne gerückt“, während zur Sprachbarriere Mitte des 16. Jahrhunerts „unversöhnlicher Hass“ hinzugekommen war, aus Angst vor unkontrolliertem Zuzug von Fremden.515 Auch die unterschiedlichen religiösen Bekenntnisse der einheimischen Mehrheit und der fremden Minderheiten spielten eine Rolle. So kam es bald zu einem Streit zwischen der lutherischen Regierung und den Flüchtlingsgemeinden, der sich vor allem um das Abendmahl sowie um die Zulassung eines calvinistischen Gottesdienstes drehte. Weil den Reformierten beider Sprachen die Weißfrauenkirche für den Gottesdienst entzogen sowie jegliche Abhaltung von Gottesdiensten und Taufen in der Öffentlichkeit verboten wurde, verließen viele Flamen im Sommer 1562 Frankfurt und folgten einem Angebot des Kurfürsten Friedrichs III. von der Pfalz nach Frankenthal.516 512 Ebd., S. 45. 513 Gudrun Petasch: „Zur Ehre Gottes, zum ewigen Heil und zur Ordnung in unseren Kirchen …“. Alltag und Grenzen reformierter Selbstverwaltung in Frankfurt um 1650. In: Amend, Die Reichsstadt Frankfurt, S. 217–246, hier S. 224–225. 514 Siehe ausführlich zur Niederländischen Gemeinde Augsburger Confession Martin Jhering: Wandlungen und Aufbrüche. Der Weg der Niederländischen Gemeinde von Antwerpen nach Frankfurt am Main. Frankfurt a.M. 2014. 515 Karpf, Eine Stadt und ihre Einwanderer, S. 46. 516 Berger, Frankfurt um 1550, S. 43–44; Anton Schindling: Multikonfessionalität als Chance. Die Reichs- und Messestadt Frankfurt am Main zwischen Reformation und paritätischem Altem Reich. In: Axel E. Walter (Hrsg.): Regionaler Kulturraum und intellektuelle Kommunikation vom
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Nach dem Verbot auch der französischen Privatgottesdienste zogen ca. 1 000 Wallonen (Französisch-Reformierte) in die neugegründete Hanauer Neustadt. Diese Abwanderung im Zuge der „Zweiten Reformation“ alarmierte den Frankfurter Rat aufgrund des drohenden wirtschaftlichen Verlustes, sodass er 1601 den reformierten Gottesdienst wieder gestattete, allerdings nur in einem hölzernen Gebäude (Holzkirchlein) außerhalb der Stadtmauer an der Bockenheimer Landstraße. Nachdem diese Holzkirche 1608 aus ungeklärter Ursache abbrannte, zog der Rat die Genehmigung des reformierten Gottesdienstes erneut zurück, tolerierte aber den Besuch des reformierten Gottesdienstes in Bockenheim. Allerdings konnte die dortige Glaubensfreiheit die überlegene wirtschaftliche Attraktivität und Marktkonzentration Frankfurts nicht aufwiegen, weshalb auch weiterhin niederländische Exulanten in der Frankfurter Wirtschaft und Gesellschaft vorzufinden waren.517 Seitdem gibt es bis heute in Frankfurt zwei verschiedene reformierte Gemeinden: die Französisch-Reformierte und die Niederländisch- (später Deutsch-)Reformierte Gemeinde. Wirtschaftliches Kalkül wird in der Frühen Neuzeit wohl bei allen Wanderungsbewegungen nach Frankfurt gegenüber der Religion eine ausschlaggebende Rolle gespielt haben.518 Am Übergang vom 17. zum 18. Jahrhundert befand sich der Magistrat in einem „Spagat zwischen einer restriktiven Einwanderungspolitik und der Förderung der Stadt als Handelsdrehscheibe“.519 In Frankfurt gehörten zu den bedeutenden Persönlichkeiten des 16. und 17. Jahrhunderts auffallend viele zugezogene Glaubensflüchtlinge aus Westeuropa, die den Handel, die Produktion kostbarer Waren wie Seide und vor allem das Frankfurter Buchgeschäft belebten, wie der Wallone Nikolaus Bassée (†1599) aus Valenciennes und der französisch-calvinistische Buchhändler Andreas Wechel (um 1573 nach Frankfurt gekommen; †1581) mit seinen Schwiegersöhnen Claude de Marne (†1610) und Johannes Aubry (†1600). Bassée war neben Feyerabend und Wechel wohl der bedeutendste Vertreter im Frankfurter Buchgewerbe der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts.520 Der Wallone Theodor de Bry d.Ä. (1528–1598) aus Lüttich entstammte einer calvinistischen Künstlerfamilie und kam 1578 ebenfalls als Glaubensflüchtling Humanismus bis ins Zeitalter des Internet. Amsterdam/New York 2005, S. 778–795, hier S. 789– 791. 517 Roman Fischer: Glaube. Churches. In: Berger, Glaube – Macht – Kunst, S. 51–63, hier S. 57–59. 518 Karpf, Eine Stadt und ihre Einwanderer, S. 55. 519 Ebd., S. 69. 520 Josef Benzing: Bassée (Basse, Bassaeus), Nikolaus. In: NDB 1 (1953), S. 621–622. Siehe hierzu auch im Überblick Marina Stalljohann: Frankfurt am Main. In: Wolfgang Adam/Siegrid Westphal (Hrsg.): Handbuch kultureller Zentren der Frühen Neuzeit. Städte und Residenzen im alten deutschen Sprachraum. Bd. 1: Augsburg – Gottorf. Berlin/Boston 2012, S. 535–594, hier S. 562–563.
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nach Frankfurt. Der Goldschmied, Kupferstecher und Verleger baute dort einen Buch- und Kunstverlag auf, der entscheidend zur Durchsetzung des Kupferstichs anstelle des Holzschnitts im Buchdruck beitrug. Den Verlag führte nach seinem Tod der Sohn Johann Theodor de Bry d.J. (1561–1623) und seit 1616 der aus Basel stammende Matthäus Merian d.Ä. (1593–1650) weiter, der 1618 die Tochter des jüngeren de Bry geheiratet und sich 1625 dauerhaft in Frankfurt niedergelassen hatte. Merian d.Ä. und sein Sohn Matthäus Merian d.J. (1621–1687) führten anschließend das Unternehmen erfolgreich weiter.521 Unter den berühmten und zugezogenen Buchdruckern war auch der 1652 aus Wittenberg übergesiedelte Bibeldrucker Balthasar Christoph Wust (1630–1704). Er hatte 1654 eine Tochter des Formschneiders und Buchdruckers Caspar Rötel (Druckhaus 1613 gegründet) geheiratet und dessen Druckerei und Haus auf dem Trierischen Platz übernommen. Wust und der Verleger Johann David Zunner d.J. (†1704) waren wohl die beiden großen Persönlichkeiten, denen Frankfurt am Main in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts ganz wesentlich den Ruf als Buchstadt verdankte. Eine ebenso große Bedeutung für das Frankfurter Buchgewerbe erlangte die 1666 von dem gebürtigen Straßburger Johannes Andreae (*1626) ins Leben gerufene Buchdruckerei, die sich unter seinen Nachkommen immer weiter entwickelte und 1793 in den Besitz der Brüder Johann Jakob und Johann Benjamin Krebs überging.522 Die Einwanderer machten zeitweise bis zu 20 Prozent der Frankfurter Bevölkerung aus und bestimmten die wirtschaftliche und kulturelle Entwicklung der Handelsstadt bedeutend mit.523 Seit dieser Zeit galt der – bis in das späte 18. Jahrhundert in der Publizistik stereotyp tradierte524 – Grundsatz, dass in Frankfurt die Lutheraner die Macht, die Reformierten das Geld und die Katholiken die Kirchen besitzen würden.525 Erst mit der Aufklärung und Entkräftung der Religion insgesamt erhielten die beiden reformierten Gemeinden 1783 die Erlaubnis 521 Anna Schreurs: Den Leser „aus dem Käfig befreien“. Frankfurts kosmopolitischer Blickwinkel. Zu den Publikationen des Verlagshauses Matthäus Merians. In: Seidel/Töpfer, Frankfurt im Schnittpunkt der Diskurse, S. 235–260; Daniela Nieden: Matthäus Merian der Jüngere (1621–1687). Göttingen 2002; Margarete Braun-Ronsdorf: Bry, Johann Theodor de. In: NDB 2 (1955), S. 692–693. 522 Gustav Mori: Die Erfindung des Buchdrucks und das Wirken Gutenbergs in Mainz, Straßburg und Frankfurt a.M. In: Paul Wentzke/Gustav Mori (Hrsg.): Straßburg und Frankfurt in den Anfängen der Buchdruckerkunst. Beiträge zur Fünfhundertjahrfeier ihrer Erfindung. Frankfurt a.M. 1940, S. 31–56. 523 Berger, Frankfurt um 1550, S. 45; Hermann Meinert: Die Eingliederung der niederländischen Glaubensflüchtlinge in die Frankfurter Bürgerschaft 1554–1596: Auszüge aus den Frankfurter Ratsprotokollen. Frankfurt a.M. 1981. 524 Siehe hierzu ausführlich das Analyse-Kapitel II.3.2.5 „Die drei Konfessionen: Kirchen, Macht und Geld“. 525 Fischer, Glaube, S. 60–61; Schindling, Multikonfessionalität, S. 788.
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zur Abhaltung öffentlicher Gottesdienste und 1787 das Recht, eigene Gotteshäuser in der Stadt einzurichten. Die volle rechtliche Gleichstellung und damit auch einen unbeschränkten Zugang zu allen öffentlichen Ämtern erhielten die Reformierten erst 1806 unter Karl Theodor von Dalberg.526 Spätestens seit Mitte des 12. Jahrhunderts gab es in Frankfurt am Main eine jüdische Niederlassung.527 Als einzige nichtchristliche Gruppe wurden die Juden in Frankfurt zwar geduldet, doch gab es ständig antijüdische Polemik von Seiten der Christen und Versuche, sie zu missionieren. Ebenso wie in den Pogromen von 1241 und 1349 verbanden sich stets religiöse Motive mit politischen Konflikten, wenn es zu Angriffen auf Juden kam.528 Bis ins 15. Jahrhundert hinein zählten die Juden zu den Bürgern, womit sie zum städtischen Schutz- und Haftungsverband gehörten.529 Ein Ratsbeschluss von 1446 untersagte den Frankfurter Juden dann ausdrücklich, sich als Bürger zu bezeichnen, was die zunehmende Abrenzung seit dem 15. Jahrhundert verdeutlicht. Gleichwohl waren sie verhältnismäßig autonom. Sie besaßen eigene soziale Einrichtungen wie Friedhof, Hospital, Synagoge und Ritualbad.530 Ihr Rechtsstatus war jedoch begrenzt, da sie nur ein auf wenige Jahre befristetes Aufenthaltsrecht besaßen. Der Rat regulierte seit Mitte des 14. Jahrhunderts mit Vorschriften und Verboten zunehmend das Leben der Juden und ihre Beziehungen zu den Christen. Gleichzeitig unterstanden sie nach wie vor dem König, der eine Art Oberherrschaft über sie hatte. Er forderte von ihnen Steuern und versprach den Juden im Gegenzug Schutz in Bedrohungssituationen. Somit standen die Juden jahrhundertelang in „Abhängigkeit von miteinander konkurrierenden Herrschaftsgewalten“.531 Dem Trend der Zeit folgend, diskutierte der Rat in den 1430er-Jahren darüber, die Juden generell aus der Stadt auszuweisen, als die großen unabhängigen Städte und viele Territorien seit Ende des 14. Jahrhunderts ihre jüdischen Gemeinden vertrieben. Doch Frankfurt ging einen eigenen Weg. Der Grund dafür war eine Verbindung religiöser, politischer und wirtschaftlicher Aspekte.532 Der Rat wollte die Juden aus der Stadtmitte entfernen und an den Randbereich umsiedeln. Die Juden wehrten sich, argumentierten mit erhöhten Kosten durch die Umsied526 Meinert, Die Eingliederung der niederländischen Glaubensflüchtlinge. 527 Saul Lilienthal: Jüdische Wanderungen in Frankfurt am Main, Hessen, Hessen-Nassau. Frankfurt a.M. 1938, S. 2. 528 Backhaus, Zur Situation der Frankfurter Juden, S. 83 f. 529 Felicitas Schmieder: „Wie andere Bürger“ – Eine (Rechts)Geschichte der mittelalterlichen Stadt. Frankfurt am Main im Licht des kirchlichen Anteils davon. In: AFGK 66 (2000), S. 78–94, hier S. 92–93. 530 Backhaus, Die Frankfurter Judengasse, S. 17. 531 Ebd., S. 18. 532 Elisabeth Lücke: Frankfurt am Main. Rundgänge durch die Geschichte. Erfurt 2008, S. 52–54.
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lung und wiesen auf die Gefahren hin, die ihnen in einer schutzlosen Lage am Rande der Stadt von den christlichen Bürgern und Fremden drohen würden. Doch unter großen Kosten und enormem Aufwand wurden neue Fachwerkhäuser und eine Synagoge aus Stein errichtet, weshalb der Historiker Fritz Backhaus die Umsiedlung als einen „erstaunliche[n] Vorgang“533 beschreibt. An der Außenseite der staufischen Stadtbefestigung wurde schließlich auf Initiative von Kaiser Friedrich III. und Papst Pius II. ab 1460/62 die Judengasse534 eingerichtet. Sie bestand zunächst aus etwa 15 Häusern, einer Synagoge, einem Fremdenhospital und einem Ritualbad. Alle jüdischen Familien – 1473 waren es 154 Personen (1,5 Prozent der Bewohner) – zogen in die neue Gasse, keine von ihnen verließ Frankfurt. Doch trotz der Einrichtung der Gasse endeten die Diskussionen um die Vertreibung der Juden nicht, auch wenn die Versuche letztlich scheiterten.535 Stattdessen erlebte die Stadt zu Beginn der Frühen Neuzeit einen Zustrom von Juden. Der legale Aufenthalt jüdischer Stadtbewohner in der Judengasse unterstand mittlerweile in dreifacher Hinsicht obrigkeitlicher Kontrolle: beim Zuzug von außerhalb, bei den periodischen Verlängerungen der Stättigkeit und bei der Zuweisung des Wohnsitzes innerhalb der Gasse.536 Seit dem 16. Jahrhundert gehörte die Frankfurter Judengasse zu den wichtigsten Zentren jüdischen Lebens in Mitteleuropa. Die Gemeinde wuchs von ein paar hundert auf über 2 500 Personen an. Damit bildete sich in Frankfurt nicht nur ein Zentrum jüdischer Wirtschaft und Gelehrsamkeit, sondern auch eine der größten Judengemeinden des Alten Reiches.537 Die Ausstrahlung nach außen lag in der wirtschaftlichen Attraktivität für (teils vertriebene) Juden von nah und fern, die die Messetermine neben dem Warenhandel für Finanzgeschäfte und vielfältige Formen der Kommunikation nutzten.538 Die geographische Lage Frankfurts führte dazu, dass die Stadt für 533 Ebd., S. 21. 534 Die Gasse war 300 Meter lang und verlief in einem Bogen von der Konstablerwache über die Kurt-Schumacher-Straße bis zum städtischen Verwaltungsgebäude. Siehe Alfred Haverkamp: The jewish Quarter in German Towns during the Late Middle Ages. In: Ronnie Po-Chia Hsai/ Hartmut Lehmann (Hrsg.): In and out of the Ghetto. Jewish-Gentile Relations in Late Medieval and Early Modern Germany. Cambridge 1995, S. 13–16; Benjamin Ravid: Alle Ghettos waren jüdische Viertel, aber nicht alle jüdischen Viertel waren Ghettos. In: Backhaus u.a., Die Frankfurter Judengasse, S. 13–30, hier S. 24. 535 Backhaus, Die Frankfurter Judengasse, S. 21–23. 536 Siehe ausführlich zur jüdischen Zuwanderung Karpf, Eine Stadt und ihre Einwanderer, besonders S. 33. 537 Siehe hierzu sowie für weiterführende Literatur Burger, Frankfurt am Main als jüdisches Migrationsziel, S. 2, 17–33. 538 Rotraut Ries: Die Mitte des Netzes. Zur zentralen Rolle Frankfurts für die Judenschaft im Reich (16.–18. Jahrhundert). In: Backhaus u.a., Die Frankfurter Judengasse, S. 118–130, hier S. 124–125.
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die Juden des deutschsprachigen Raums zum Mittelpunkt wurde. Während der Verbreitungswellen des 15. und 16. Jahrhunderts wurde im Gegensatz zu anderen Gemeinden des Heiligen Römischen Reichs die Frankfurter Judenschaft vor allem aus wirtschaftlichen Gründen nicht vertrieben.539 Die Wahrnehmung bürgerlicher Freiheiten gestaltete sich jedoch schwierig, denn die Juden besaßen kein Bürgerrecht, wohl aber eine sogenannte Stättigkeit, die ihnen zumindest mehr Sicherheit bot als den meisten übrigen Juden im Reich. In dieser waren u.a. die wirtschaftlichen Tätigkeiten auf das Pfandleihgeschäft, den Trödelhandel, das Münzwechselgeschäft und das Kreditgeschäft beschränkt. Nur der Großhandel blieb weitgehend frei von Restriktionen, weshalb fast 70 Prozent aller berufstätigen Juden im Handel und Geldgeschäft tätig waren.540 Auch wenn die Frankfurter Gemeinde aufgrund ausgeschöpfter räumlicher Kapazitäten der Judengasse und der strengen Restriktionen der Stättigkeit nicht weiter wachsen konnte, behielt sie ihre mengenmäßige Spitzenstellung bis ins 18. Jahrhundert hinein bei.541 Allerdings mussten die Juden unter einer zunehmd bedrückenden Enge und äußerst prekären hygienischen Bedingungen in der nachts verschlossenen Judengasse leben.542 Weil der Rat das Gelände der Judengasse kaum vergrößerte, wurde dementsprechend die Bebauung aufgrund der anwachsenden jüdischen Bevölkerung immer dichter.543 Ende des 16. Jahrhunderts wohnten in etwa 200 Wohnhäusern 450 Familien.544 Seit dem Fettmilch-Aufstand war zwar die Existenz der Juden in Frankfurt nicht mehr gefährdet, doch kam es im 17. und 18. Jahrhundert immer wieder zu Konflikten v.a. um Einfluss und Kontrolle in den Gemeindegremien und -finanzen innerhalb der „nach außen so geschlossen wirkenden Gemeinschaft“.545 Das Besondere war, dass diese Konflikte nicht intern unter der Judengemeinde geklärt werden konnten, sondern „die enge Vernetzung der führenden Familien mit dem Rat, dem Kaiserhof und verschiedenen Fürstenhöfen“546 deutlich machten. Auch darf die räumliche Trennung der Judengasse nach Ansicht von Fritz Backhaus nicht darüber hinwegtäuschen, „dass sie Teil eines gemeinsamen politischen und in vieler Hinsicht auch kulturellen Raumes war“.547 Das Bild, das die Zeitgenossen in gesellschaftlicher, politischer, religiöser und kultureller Hinsicht von 539 Burger, Frankfurt am Main als jüdisches Migrationsziel, S. 2. 540 Roth, Stadt und Bürgertum, S. 82–83. 541 Ries, Die Mitte des Netzes, S. 121. 542 Duchhardt, Frankfurt am Main im 18. Jahrhundert, S. 269–272. 543 Kracauer, Geschichte der Juden, Bd. 2, S. 303–463. 544 Backhaus, Die Frankfurter Judengasse, S. 24. 545 Ebd., S. 32. 546 Ebd., S. 33. 547 Ebd.
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den Juden und der Judengasse hatten, wird ausführlich in Kapitel II.3.2.6 „Die Juden und die Judengasse“ thematisiert. 1711 und 1721 zerstörten zwei Großbrände die Judengasse, deren Wiederaufbau einige Jahre dauerte.548 Mit der Aufklärung und Französischen Revolution empfanden die Zeitgenossen die Judengasse immer stärker als einen Skandal. Das Einsperren in ein Ghetto und die vielen Beschränkungen widersprachen den Menschen- und Bürgerrechten, die auch für die Juden gelten sollten.549 Bei der Beschießung Frankfurts durch französische Truppen geriet 1796 der nördliche Teil der Judengasse in Brand. Die Bewohner mussten in anderen Teilen der Stadt Unterkunft suchen. Obwohl der Magistrat die Judengasse wieder aufbauen wollte, scheiterten alle Pläne. Nach der endgültigen Auflösung der Judengasse 1796 und nach dem Ende des Alten Reiches 1806 wurde den Juden zwar unter der neuen Frankfurter Obrigkeit von Dalberg im Januar 1808 der Wiederaufbau der Gasse „nach einem allgemeinen, nach und nach auszuführenden Plane“ auferlegt, doch kam es nicht mehr zur Wiedereinrichtung des Ghettos.550 Mit der fast vollständigen Zerstörung der Judengasse 1796 hatten auch die Zustände, die diesen Ort zu einem „Kuriosum“551 und seine Bewohner in den Augen der Besucher zu abstoßenden Kreaturen machten, ein Ende. 1811 konnte die jüdische Gemeinde für 440 000 Gulden die rechtliche Gleichstellung mit den christlichen Bürgern erreichen. Nach dem Ende der napoleonischen Herrschaft und der Wiederherstellung der freien Stadt Frankfurt verloren die Juden ihre privatrechtliche Gleichstellung wieder, die sie erst nach langen Verhandlungen 1824 wiedererlangen konnten.552 Somit lebten im frühneuzeitlichen Frankfurt Angehörige aller drei christlichen Konfessionen und der jüdischen Religion zusammen, sodass von einer „ausgesprochen multikonfessionellen Stadt“553 gesprochen werden kann. Für die Zeit zwischen 1555 und 1685 lässt sich Frankfurt als eine „Stadt der Fremden, der an- und abreisenden Gäste, der Immigranten und der Minderheiten mit einem Konzentrationsgrad wie in keiner zweiten deutschen Stadt dieser Zeit“554 beschreiben. So traten die Minderheitengruppen im städtischen Alltag deutlich in Erscheinung, etwa fördernd im Wirtschaftsprozess oder eher konfliktträchtig 548 Kracauer, Geschichte der Juden, Bd. 2, S. 108 ff. 549 Backhaus, Die Frankfuter Judengasse, S. 35. Hier auch weiterführende Literatur. 550 Kracauer, Geschichte der Juden, Bd. 2, S. 334–336, 345–354. 551 Gabriela Schlick: Was Johann Wolfgang Goethe hätte sehen können … Die Judengasse in Frankfurt am Main. In: Annette Weber (Hrsg.): „Außerdem waren sie ja auch Menschen“. Goethes Begegnung mit Juden und Judentum. Berlin/Wien 2000, S. 47–65, hier S. 64. 552 Backhaus, Die Frankfurter Judengasse, S. 36. 553 Roth, Stadt und Bürgertum, S. 92. 554 Schindling, Wachstum und Wandel, S. 209.
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im bürgerlichen Gemeinwesen. Während die Reichsstadt als Ganzes eine „hochprivilegierte Korporation“555 war, fanden Katholiken und Juden Schutz durch die Privilegien der kirchlichen Stifte bzw. Judengemeinde, „die sie zu korporativen Gruppen in der Gesamtkorporation machten“.556 Damit sicherten die Reichsrechte nicht nur dem Messeplatz Frankfurt seine wirtschaftliche Attraktivität, sondern auch den Immigranten ein zumindest notwendiges Maß an Rechtssicherheit. Im 17. Jahrhundert erreichte Frankfurt infolge der Migrationsbewegungen größenmäßig die Spitzengruppe der deutschen Reichsstädte und hatte an Wachstumsdynamik mittlerweile Augsburg, Nürnberg, Köln und Lübeck übertroffen. Nur Hamburg und Straßburg (seit 1681 französisch) waren nach dem Dreißigjährigen Krieg vergleichbar vital in ihrer Stadtentwicklung.557 Doch der Alltag war auch geprägt durch gegenseitiges Polemisieren. Die Frankfurter Stadtgesellschaft war „konfessionell aufgespalten, die Beziehungen der drei Konfessionen untereinander waren feindselig, wenngleich sie in dem System des Reiches gemäß dem Augsburger Religionsfrieden und dem Westfälischen Frieden auf ein Miteinanderauskommen angewiesen waren“.558 Dieser Umstand brachte den Stadthistoriker Anton Schindling dazu, von einer „monokonfessionell lutherische[n] Stadt“ zu sprechen, unter deren Einwohnern sich dennoch eine „Kultur des Umgehens mit andersgläubigen Minderheiten“ entwickelt habe.559 Schindling sieht die frühneuzeitliche Mehrkonfessionalität Frankfurts als Konfliktursache und Zukunftschance zugleich, wie im Bereich des Handels und Gewerbes, aber auch im kulturellen Leben der Stadt deutlich zu sehen sei.560
2.6 Frankfurt als internationales Messe- und Handelszentrum Die traditionelle Bedeutung der Reichsstadt Frankfurt im Gefüge des Alten Reiches basierte zwar auf ihrer Funktion als Wahl- und Krönungsstadt, ihr „Lebensrhythmus, ihre Prosperität wurde jedoch weit mehr von den alljährlichen Messen, dem Speditions- und Verlagsgeschäft, dem Warenumschlag, den Spekulationen und 555 Ebd., S. 211. 556 Ebd. 557 Ebd. 558 Schindling, Wachstum und Wandel, S. 239. 559 Schindling, Multikonfessionalität, S. 795. 560 Anton Schindling: Kommerz und Konfession. Die Reichs- und Messestadt Frankfurt am Main zwischen Reformation und paritätischem Altem Reich. In: Konrad Ackermann/Hermann Rumschöttel (Hrsg.): Bayerische Geschichte. Landesgeschichte in Bayern. Festgabe für Alois Schmid zum 60. Geburtstag. München 2005, S. 573–587, hier S. 583–584.
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ihren Erträgen bestimmt, die insbesondere seit dem Ende des 16. Jahrhunderts in ihrer allgemeinen ökonomischen Bedeutung, wie auch der individuellen Vermögensbildung das Gewicht jeder handwerklich-zünftigen Tätigkeit übertrafen“.561 Aufgrund der geographischen Mittelpunktfunktion Frankfurts konnte sich dort bereits im 10. Jahrhundert ein lokaler Markt für den Pfalzort und das Umland entwickeln. Nachdem dieser zum Absatzmarkt insbesondere für Wetterauer Tuche avanciert war, die großen Messen in der Champagne an Bedeutung verloren hatten und sich ein starker oberdeutscher Wirtschaftsraum entwickelt hatte, entstand aus ihm die Frankfurter Herbstmesse, die 1240 erstmals urkundlich genannt und privilegiert wurde. Auch die wirtschaftliche Erschließung des Ostens rückte die Mainstadt endgültig ins Zentrum des europäischen Handelswegenetzes.562 Weil ein konkretes Datum für den Beginn der Herbstmesse nicht überliefert ist, hat die Forschung das Jahr 1240 dafür angesetzt, als am 11. Juli Friedrich II. mit einem Messeschutzbrief alle Reisenden zur Frankfurter Messe unter seinen Schutz gestellt hat.563 1330 kam durch eine königliche Privilegierung die Frühjahrsmesse hinzu.564 Die Stadt war seit der Erlangung dieser wichtigen Messe- und Handelsprivilegien Berührungspunkt und Vermittlerin zwischen den Handelsgebieten der Hanseaten und Oberdeutschen.565 Die Aufrechterhaltung des Messeprivilegs bestimmte in der Folgezeit grundlegend die städtische Politik gegenüber Kaiser und Reich, denn das Messewesen566 basierte auf einem rechtlich verankerten Ausnahmezustand und auf Privilegien, welche die normalerweise geltenden mittelalterlichen Grundsätze für die Messezeit außer Kraft setzten.567 Dazu gehörte auch die Zollbefreiung. Die Städte Worms, Bamberg und Nürnberg erhielten jähr-
561 Wilfried Forstmann: Simon Moritz von Bethmann – Ein Bankier macht Politik. In: Günther Böhme (Hrsg.): Geistesgeschichte im Spiegel einer Stadt. Frankfurt am Main und seine großen Persönlichkeiten. Frankfurt a.M. u.a. 1986, S. 36–47, hier S. 36. 562 Schmieder, Frankfurt – das überregionale Wirtschaftszentrum, S. 64. 563 Kutscher, Chronik der Stadt Frankfurt am Main, S. 24. 564 Nils Brübach: Die Entstehung und die Frühzeit der Frankfurter Messen. Vom fränkischen Königshof zum „Kaufhaus der Deutschen“. In: Peter Johanek/Heinz Stoob (Hrsg.): Europäische Messen und Märktesysteme in Mittelalter und Neuzeit. Köln u.a. 1996, S. 143–170. 565 Dietz, Frankfurter Handelsgeschichte, Bd. 3, S. XV. 566 John L. Flood: ‚Omnium totius orbis emporiorum compendium‘: The Frankfurt Fair in the Early Modern Period. In: Robin Myers (Hrsg.): Fairs, Markets and the itinerant Book Trade. New Castle/London 2007, S. 1–42. 567 Dietz, Frankfurter Handelsgeschichte, Bd. 1., S. 36, 41, 45. Während der Messezeit durfte jeder – egal ob Bürger, Fremder, Kaufmann, Handwerker oder Hausierer – seine Waren frei und öffentlich zum Verkauf anbieten und jeder Einwohner durfte Fremde beherbergen.
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lich in dem traditionellen Pfeiffergericht568, einer feierlichen Sitzung des Schöffengerichts, die Erneuerung ihres Privilegs. Am Beginn des 14. Jahrhunderts erhielt die bis dato nur regional bedeutsame Frankfurter Messe eine internationale Funktion, die zuvor nur den Champagnemessen zukam: Sie wurde zum „Kreuzungspunkt des europäischen Fernhandels“.569 Die zweimal jährlich stattfindenden Messen570 bildeten fortan das „wirtschaftliche Rückgrat der Stadt, die im Spätmittelalter die oberdeutschen Handelsstädte als bedeutendste Handelsmetropolen in der Mitte und dem Süden des Reiches (nördlich der Alpen) ablöste“.571 So haben die Frankfurter Messen, „deren Einzugsbereich von London bis Genua, von Lissabon bis Nowgorod reichte, […] Frankfurt zu einem Wirtschaftszentrum Europas werden lassen“.572 Um 1500 sah die wirtschaftliche Lage Frankfurts durch den Rückgang der Wollweberei und anderer steuerpolitischer Maßnahmen eher bescheiden aus. Ein Großteil der Bevölkerung besaß nichts oder nur wenig. Am Beginn der Frühen Neuzeit profitierten Frankfurt und seine Messen aber von der Verlagerung des europäischen Handelsschwerpunktes an Atlantik und Nordsee, denn die Verbindungen nach Antwerpen sicherten den Import asiatischer und amerikanischer Waren.573 Von großer Bedeutung war auch die enge Bindung des RheinMain-Gebiets an den niederrheinischen Raum.574 Die europäische Dimension der Messen zeigte sich auch an ihrem Warenangebot: Pelze aus Russland, Brabanter Tuche und Ochsen aus Ungarn. Gehandelt wurde auch mit Branntwein, Essig, Champagner, Wein, Vieh, Gold, Silber, Kriegsgerät, Holz, Kupfer und Perlen sowie mit niederländischem, englischem, italienischem, rheinischem und flandrischem Tuch.575 568 Eine ausführliche zeitgenössische Beschreibung des Pfeiffergerichtes gibt Johann Heinrich Hermann Fries: Abhandlung vom sogenannten Pfeifer-Gericht, so in der Kaiserl. Freien ReichsStadt Frankfurt am Main, von uralten Zeiten her mit besondern und merkwürdigen Feierlichkeiten aljärlich einmal gehalten zu werden pflegt. Frankfurt a.M. 1752. 569 Bund, Frankfurt am Main im Spätmittelalter, S. 54–55. 570 Einen populärwissenschaftlichen Überblick gibt Hans-Otto Schembs: Weither suchen die Völker sie auf. Die Geschichte der Frankfurter Messe. Frankfurt a.M. 1985. 571 Robert Riemer: Hamburg und Frankfurt vor dem Reichskammergericht. Ein Vergleich unter besonderer Berücksichtigung der Handels- und Handwerksprozesse. In: Amend, Die Reichsstadt Frankfurt, S. 265–283, hier S. 274. 572 Klötzer, „Keine liebere Stadt“, S. 20–21. 573 Franz Lerner: Die Haupthandelswege zur Frankfurter Messe. Ein Zufallsfund aus dem 18. Jahrhundert. In: VSWG 79 (1992), S. 177–188. 574 Bernd Schneidmüller: Hanse und Frankfurter Messen im Mittelalter. In: Koch/Stahl, Brücke zwischen den Völkern, Bd. 2, S. 43–48, hier S. 45. 575 Michael North (Hrsg.): Deutsche Wirtschaftsgeschichte. Ein Jahrtausend im Überblick. München 2005, S. 165.
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Außerhalb der Messezeiten war Frankfurt um 1500 aber noch überwiegend handwerklich-agrarisch und ackerbürgerlich geprägt und auf ein florierendes Messegeschäft angewiesen, von dem die Stadt in den Monaten zwischen den Messen zehren konnte. Der Rückgang des Aktivhandels führte außerdem dazu, dass sich die Frankfurter Patrizier in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts aus dem Groß- und Fernhandel zurückzogen und, orientiert an landadeligen Lebensformen, als Rentiers von den Einkünften ihres Haus- und Grundbesitzes lebten, statt ihr Kapital in große Finanzaktionen oder Handelsgesellschaften zu investieren. Damit gerieten die beiden jährlichen Handelsmessen mehr denn je zum „Lebensnerv Frankfurts“.576 Im Laufe des 16. Jahrhunderts verbreiteten sich neue Kredittechniken577 durch entstehende Börsen und Banken, die den Fernhandel zunehmend bargeldlos machten. Dies war für Frankfurt besonders wichtig, weil die Stadt seit dem Spätmittelalter in das „europäische Clearing-System“578 eingebunden war, von dem die Frankfurter Wechselmesse den nordöstlichsten Eckpunkt bildete, sodass in Frankfurt aufgrund der vielen unterschiedlichen Währungen mit dem Geldwechsel die wohl „älteste Form des Bankgeschäfts“579 entstand. In Frankfurt traten fremde und einheimische Kaufleute erstmals 1585 auf Anregung einiger Nürnberger als Börsengemeinschaft auf, um den Geschäftsverkehr autonom zu regeln. Seit Anfang des 17. Jahrhunderts fanden die Börsenversammlungen auch außerhalb der Messen regelmäßig statt und um 1694 zog die Börse in gemietete Räume des Hauses Braunfels auf dem Liebfrauenberg um.580 Zahlungstermin des internationalen und regionalen Kapitalverkehrs war die jeweils nächste Frankfurter Messe – unabhängig vom Zeitpunkt des Geschäftsabschlusses und Herkunft der Geschäftspartner. Eine Voraussetzung für die Entwicklung Frankfurts zu einem Finanzplatz mit einer Wechselmesse war die Kapitalkonzentration, die mit dem Fern- und Großhandel einsetzte und zur Verdrängung der „selbstverkaufenden Handwerker“ durch die finanzstarken Handelsfamilien führte.581 In der zweiten Hälfte und besonders zum Ende des 16. Jahrhunderts erlebte Frankfurt einen bedeutenden wirtschaftlichen Aufschwung, den es vor allem den zugewanderten Glaubensflüchtlingen reformierter Konfession aus Flandern und
576 Jahns, Frankfurt am Main im Zeitalter der Reformation, S. 153. 577 Holtfrerich, Finanzplatz Frankfurt, S. 69–80. 578 North, Deutsche Wirtschaftsgeschichte, S. 165. 579 Leoni Krämer: Zweimal im Jahr – zum Clearing nach Frankfurt. In: Koch/Stahl, Brücke zwischen den Völkern, Bd. 2, S. 159–166, hier S. 159. 580 Ebd., S. 159–163. 581 Holtfrerich, Finanzplatz Frankfurt, S. 57.
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den Niederlanden (Flamen und Wallonen) zu verdanken hatte. Für die Zeit vom Ende des 16. bis weit in die erste Hälfte des 17. Jahrhunderts spricht die Forschung von „Frankfurts Blütezeit“582 – trotz innerstädtischer Konflikte (Fettmilch-Aufstand) und des Dreißigjährigen Kriegs. Die wallonischen Flüchtlinge aus den Spanischen Niederlanden brachten die modernsten Techniken der Tuchherstellung mit, zu der Zeit eines der wichtigsten nichtlandwirtschaftlichen Gewerbe. Sie sollten bzw. konnten den Webern und Tuchmachern auf den neuesten Stand verhelfen. Die Frankfurter Sozial- und Wirtschaftsordnung trafen sie damit jedoch an einem wunden Punkt: Die noch spätmittelalterlich organisierte zünftische Handwerkerschaft produzierte in genau festgelegtem Umfang für den lokalen, höchstens noch regionalen Markt. Sie verteidigte die Begrenzung zur Konkurrenz, den sogenannten Nahrungsschutz, als oberstes Gebot. Deshalb wurden die Zuwanderer mit ihrer „überlegenen Technik, ihrer effektiveren Arbeitsorganisation und ihren günstigeren Finanzierungsmöglichkeiten den betroffenen Einheimischen schnell unheimlich“.583 Soziale Spannungen führten folglich zu Protesten beim Magistrat und einem teilweisen „Rückzug aus der Integration“.584 Doch die eingewanderten Glaubensflüchtlinge förderten auch das Bank-, Börsen- und Wechselgeschäft, sie führten die Herstellung und Färberei von Seide, Tuchen und Wollstoffen ein und machten Frankfurt zu einem Zentrum des Edelstein- und Juwelenhandels. Diese „geballte wirtschaftliche Potenz wirkte sich auf die Messen aus“585, insbesondere auf den Buchhandel, Seiden- und Juwelenhandel sowie das Geldgeschäft. Die finanzkräftigen niederländischen Unternehmer führten „Werkstätten eines frühkapitalistischen Wirtschaftswandels inmitten einer von traditionellem zünftischem Denken bestimmten einheimischen Handwerkswelt“.586 Trotz der enormen Kosten für Einquartierungen und Kontributionen während des Dreißigjährigen Krieges, in den die Stadt seit 1631 aktiv involviert war, wurde der Wohlstand der Stadt und ihrer Bürger nicht sonderlich geschmälert. Allerdings brachten Heereslieferungsgeschäfte für Handwerker und Kaufleute nicht nur ökonomischen Profit, sondern konnten ebenso ihren wirtschaftlichen Ruin bedeuten: Überhöhte Zölle, Sperrungen und Unsicherheiten der Verkehrswege führten regelmäßig zu Geschäftsverlusten bis hin zum völligen Stillstand des 582 Gabriele Marcussen-Gwiazda: Die Liquidation der Juwelenhandlung des Daniel de Briers in Frankfurt am Main. Ein Beitrag zu konsensualen Konfliktlösungsstrategien bei Handelsstreitigkeiten im nordwesteuropäischen Kontext. In: Amend, Die Reichsstadt Frankfurt, S. 165–183, hier S. 165. 583 Karpf, Eine Stadt und ihre Einwanderer, S. 46. 584 Ebd. 585 Berger, Frankfurt um 1550, S. 45. 586 Schindling, Wachstum und Wandel, S. 228.
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Wirtschaftslebens. Negative Auswirkungen des Dreißigjährigen Krieges auf den Messehandel gab es seit 1631, als der Messeverkehr rapide zurückging und 1635 seinen tiefsten Stand erreichte, sodass die Fastenmesse überhaupt nicht abgehalten werden konnte.587 Abgesehen von den Jahren 1631 bis 1641 wurde der Frankfurter Buchhandel nur geringfügig von den Kriegsfolgen beeinflusst und die Zahl der Verleger ging nur vorübergehend leicht zurück. Die zum Friedensschluss einsetzende erhöhte Verlagstätigkeit wirkte sich wieder günstig auf den Buchdruck aus.588 Mit dem Westfälischen Frieden von 1648 wurde Frankfurt als Reichsstadt bestätigt und gelangte in der Folgezeit zu neuem Wohlstand.589 Gleichwohl brachte er nicht den erhofften schnellen Wiederaufschwung der Messen. Erst 1653 trat eine Besserung ein. Im Wahl- und Krönungsjahr 1657/58 war die Messe wieder sehr ertragreich. In den Folgejahren erlebten die Frankfurter Messen einen „gebremsten geschäftlichen Aufschwung, der von Rückschlägen begleitet war, die durch die Kriege Ludwigs XIV. mit dem Reich und durch Seuchen verursacht wurden“.590 Der wirtschaftliche Aufschwung Frankfurts in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts verlief eher schwankend, führte jedoch durch eine neue Immigrationswelle von französisch-hugenottischen Handelsfamilien zur dauerhaften Ansiedelung von Handelsfirmen und Bankhäusern. Warenhandlungen, Geld- und Kreditgeschäfte prägten nun nicht mehr nur zur Messezeit die Wirtschaftsstruktur Frankfurts, das sich laut Schindling „mit seiner zahlenmäßig gewachsenen ständigen Kaufmannschaft bis zum Ende des 17. Jahrhunderts konkurrenzlos zur ersten Handelsstadt von West- und Süddeutschland entwickelte“.591 Frankfurt war dank seiner weitreichenden wirtschaftlichen, reichs- und städtepolitischen Funktionen nicht nur ein Umschlagplatz für Geld und Waren, sondern auch eine „Nachrichtenbörse ersten Ranges“.592 Als die Messen im Spätmittelalter neben ihrer Bedeutung als Wareneinkaufs-, Verkaufsmessen und Zahlungstermin für Handelsgeschäfte auch Geldgeschäfte, Banken- und Börsenfunktionen übernommen hatten, wurden sie zu einem wichtigen Kommunikationszentrum. Dort liefen wirtschaftliche und politisch-gesellschaftliche Informationen zusammen, die vielen sehr nützlich und nach Einschätzung von Michael 587 Rieck, Frankfurt am Main unter schwedischer Besatzung, S. 260. 588 Kapser, Handel und Militär, S. 143–145. 589 Georg Ludwig Kriegk: Frankfurt um die Mitte des Dreißigjährigen Krieges. In: AFGK NF. 1. Bd. Frankfurt a.M. 1860, S. 251–274. 590 Schindling, Wachstum und Wandel, S. 223–224. 591 Ebd., S. 224. Siehe ausführlich zum Frankfurter Handel und Gewerbe zwischen 1648 und 1806 Holtfrerich, Finanzplatz Frankfurt, S. 93–99. 592 Jahns, Frankfurt am Main im Zeitalter der Reformation, S. 154.
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Rothmann in dieser Dichte sonst höchstens am königlichen Hof zu haben waren. In der Folge habe sich durch die stetig ansteigende Besucherzahl auch der Informationsfluss verdichtet.593 Ebenso wie die Handelsmessen hat auch das Frankfurter Druckgewerbe einen bedeutenden Beitrag zur Produktion von Kommunikationsmedien geleistet und deren weitreichende Verbreitung ermöglicht.594 Als herausragendes und frühes Beispiel ist Christian Egenolff (auch Egenolph, 1502–1555) zu nennen. Er begann als erster Buchdrucker Frankfurts 1530 seine Arbeit. Mit ihm begann die Erfolgsgeschichte des Frankfurter Buchdrucks ebenso wie die herausragende Position der Reichsstadt im internationalen Buchhandel.595 An dem steilen Aufschwung des Frankfurter Druck- und Verlagswesens seit den 1650er-Jahren war auch der Verleger Sigismund (Sigmund) Feyerabend (1528–1590) führend beteiligt, der von 1559 bis 1590 in der Stadt tätig war.596 Frankfurts Funktionen als Druck- und Messeort hingen eng miteinander zusammen. Im Dreißigjährigen Krieg wurde das geostrategisch günstig gelegene Frankfurt sogar zu einem der wichtigsten Zentren der Nachrichtenvermittlung im Alten Reich, in dem viele deutsche und internationale Postlinien zusammenliefen.597 Der kommunikativen Funktion der Buchhandelsmesse ist es zu verdanken, dass sie ein Zentrum für den Austausch von sämtlichen Nachrichten wurde.598 Am Ende des 18. Jahrhunderts erreichte das Kreditgeschäft in Frankfurt eine neue Qualität, weil der Finanzbedarf der umliegenden Staaten sich beträchtlich ausgeweitet hatte. Laut dem Historiker Ralf Roth sonderte sich die Berufsgruppe der Bankiers allmählich vom Messe- und Speditionshandel ab.599 Die Forschung 593 Michael Rothmann: Die Frankfurter Wirtschaft im Mittelalter. In: Toni Pierenkemper (Hrsg.): Stadt Frankfurt am Main. Wirtschaftschronik. Wien 1994, S. 15–57, hier S. 43. 594 Karl Heinz Kremer: Johann von den Birghden 1582–1645: kaiserlicher und königlich-schwedischer Postmeister zu Frankfurt am Main. Bremen 2005, S. 28, 47–61. 595 Jürgen Seuss: Der Ahnherr der Frankfurter Verleger Christian Egenolff. In: Hans Sarkowicz (Hrsg.): Die großen Frankfurter. Frankfurt a.M. 1994, S. 13–24. 596 Schindling, Wachstum und Wandel, S. 250. Siehe hierzu im Überblick auch Stalljohann, Frankfurt am Main, S. 561–563. 597 Julius Otto Opel: Die Anfänge der deutschen Zeitungspresse 1609–1650. In: Archiv für Geschichte des deutschen Buchhandels 3 (1879), S. 65–115 (Kap. 4 Die Frankfurter Zeitungen); Fried Lübbecke: Fünfhundert Jahre Buch und Druck in Frankfurt am Main. Frankfurt a.M. 1948, S. 273–274. 598 Einen zeitgenössischen Einblick in die Frankfurter Presselandschaft und -produktion gibt Joachim von Schwarzkopf: Ueber politische und gelehrte Zeitungen, Messrelationen, Intelligenzblätter und über Flugschriften zu Frankfurt am Mayn. Frankfurt a.M. 1802. Siehe hierzu auch Dieter Skala: Vom neuen Athen zur literarischen Provinz. Die Geschichte der Frankfurter Büchermesse bis ins 18. Jahrhundert. In: Koch/Stahl, Brücke zwischen den Völkern, Bd. 2, S. 195–202. 599 Siehe für diesen Absatz Roth, Stadt und Bürgertum, S. 54–55.
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geht davon aus, dass der Aufschwung des Geschäfts mit Staatsanleihen Ende des 18. Jahrhunderts dem Bankgeschäft zu einer zunehmend größeren Bedeutung verhalf und dessen Ablösung vom Warenhandel förderte, „ohne jedoch den Handel zu verdrängen oder in seiner Bedeutung herabzumindern“. Ganz im Gegenteil hätte die Handelstätigkeit sogar wieder kontinuierlich zugenommen, und Frankfurt blieb neben seiner Funktion als Geldwechsel- und Finanzzentrum eine „Drehscheibe des Warenverkehrs“.600 Der Messehandel spielte im 18. Jahrhundert weiterhin eine bedeutende Rolle und zog Handeltreibende aus allen Regionen Europas an, wie etwa aus der Schweiz, dem Elsass, Lothringen und Frankreich, Belgien, Holland, Tirol, Böhmen, England und einige Jahre lang sogar aus Amerika. Durchschnittlich besuchten 4 000 bis 5 000 Messebesucher zwei Mal im Jahr die Stadt – das entsprach etwa 15 Prozent der Einwohner. Der Messehandel bestand mittlerweile zu 80 bis 90 Prozent aus dem Textilien-, Metallwaren- und Lederhandel sowie dem Absatz von verschiedenen Luxusartikeln im Bijouterie- und Uhrenhandel.601 Allerdings kam es Ende des Jahrhunderts aufgrund der kriegerischen Ereignisse, der wachsenden Konkurrenz in Leipzig und wegen einer allgemein rückläufigen Bedeutung zur Stagnation und einem zeitweisen Rückgang dieser Art des Handels.602 Die ökonomische Krise blieb dennoch aus, weil der ständige Speditions- und Kommissionshandel der Frankfurter Handelsfirmen weiter pros perierte. Zudem konnten im 18. Jahrhundert neue Märkte erschlossen und zahlreiche neue Produkte in den Handel integriert werden, wie der englische Manufaktur- und Kolonialwarenhandel mit Textilien, Eisenwaren, Kaffee, Zucker, Gewürzen und Farbstoffen. Auch das Kredit- und Bankgeschäft erreichte im ausgehenden Jahrhundert eine neue Qualität, weil der Finanzbedarf umliegender Staaten zunehmend anwuchs.603 In der vorrevolutionären Zeit dominierten gesellschaftsökonomisch betrachtet nach Einschätzung des Historikers Heinz Duchhardt eindeutig die „Kräfte der [konservativen] Beharrung“.604 Diese Einstellung zeigte sich etwa darin, dass der Zunftzwang die wirtschaftliche Entfaltung hemmte und der patrizische Rat es eher in Kauf nahm, innovative Unternehmer in Nachbarstädte abwandern zu lassen, 600 Ebd., S. 55. 601 Dietz, Frankfurter Handelsgeschichte, Bd. 1, S. 88–101; Roth, Stadt und Bürgertum, S. 53. 602 Ebd., S. 53; Hugo Kanter: Die Entwicklung des Handels mit gebrauchsfertigen Waren von der Mitte des 18. Jahrhunderts bis 1866. Tübingen/Leipzig 1902, S. 20–25; Hugo Arenz: Die Beeinflussung des Frankfurter Handels durch die Kontinentalsperre von 1806–1913. Mayen 1932, S. 15–20. 603 Während sich 1773 nur 47 Kaufleute explizit als Bankiers bezeichneten, waren es 1817 bereits 112, d.h. dreimal so viele wie die Verleger und doppelt so viele wie die Fabrikanten. 604 Duchhardt, Frankfurt am Main im 18. Jahrhundert, S. 284.
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als ihnen Anreize zu verschaffen, ihr Können und Wissen in der Stadt vorteilhaft einzusetzen. Fortschrittliche Unternehmen wanderten zunehmend ab und Frankfurter Kapital floss in die aufstrebenden Industrieorte der Nachbarschaft,605 um von dort als Fertigware auf den Frankfurter Markt zurückzugelangen.606 Dazu kam die konsequente, aber kurzsichtige Politik des Magistrats zur Verhinderung von Manufaktur- und Fabrikgründungen in der Stadt, um den spezifischen Charakter Frankfurts als Handels- und Messemetropole zu erhalten und die unzünftigen Fabrikarbeiter als potentiellen Unruhefaktor von der Stadt fernzuhalten. Hemmend für die städtische Entwicklung erwies sich auch die fehlende religiöse Toleranz des Rates, der noch lange „ein lutherisches Reservat [blieb], und auch die meisten Handwerker verweigerten nicht-lutherischen Bewerbern die Aufnahme“.607 Gegen Ende des Alten Reiches war Frankfurt, im Gegensatz zu seinem Umland, zunächst jahrzehntelang von kriegerischen Auseinandersetzungen verschont geblieben. Erst der Siebenjährige Krieg traf die Stadt, die von 1759 bis 1763 die französische Besatzung erdulden musste. Diese Zeit belastete Frankfurt sehr, endete aber letztlich positiv für die Stadt, indem Frankfurt einige bis in die Gegenwart wirkende Neuerungen seiner Infrastruktur erhielt, wie die Hausnummerierung, die Straßenbeleuchtung und gepflasterte Straßen.608 Abermals geriet Frankfurt während der Koalitionskriege Anfang der 1790erJahre unter Beschuss und musste sich 1792 den Franzosen widerstandslos ergeben. Zwar wurde Frankfurt schon sechs Wochen später von preußisch-hessischen Truppen befreit, aber in den militärisch-diplomatischen Wirren der folgenden Jahre, in denen Frankfurt beschossen, bestürmt, besetzt und zu Kontributionen gezwungen wurde, „starb die Reichsstadt als Institution dahin“.609 Den Reichsdeputationshauptschluss konnte sie 1803 noch überstehen, aber als Kaiser Franz II. nach der Schlacht bei Austerlitz am 6. August 1806 die römisch-deutsche Kaiserkrone niederlegte, hatte Frankfurt als Reichsstadt bereits aufgehört zu bestehen. Der Rheinbundvertrag vom 12. Juli 1806 hatte Frankfurt mit weiteren Reichsstädten, reichsstädtischen und reichsritterlichen Gebieten dem letzten 605 Die bekanntesten „Opfer“ dieser Ratspolitik waren die reichen Brüder Josef Maria Markus (1712–1779), Jakob Philipp (1710–1780) und Franz Maria (†1756) Bolongaro aus Oberitalien, denen in Frankfurt die Errichtung einer Tabakfabrik untersagt wurde, welche die Handelsmänner da raufhin im benachbarten kurzmainzischen Höchst errichteten. 606 Klötzer, „Keine liebere Stadt“, S. 45. 607 Duchhardt, Frankfurt am Main im 18. Jahrhundert, S. 294. 608 Wolfgang Klötzer: Frankfurt am Main von der Französischen Revolution bis zur preußischen Okkupation 1789–1866. In: Frankfurter Historische Kommission, Frankfurt am Main, S. 303–348, hier S. 304–310. 609 Klötzer, Frankfurt am Main von der Französischen Revolution, S. 310.
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Mainzer Erzbischof und Fürstprimas Karl Theodor von Dalberg als Fürstentum zugesprochen und 1810 zum Großherzogtum erhoben.610
2.7 Das architektonische Stadtbild Seit der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts erlebte die mittelalterliche Reichsstadt einen „lange anhaltenden Innovationsschub, der entscheidende Neuerungen im Gesicht der Stadt mit sich brachte“611, die nach Auffassung von Christian Freigang auch heute noch trotz aller Veränderungen und Zerstörungen prägend sichtbar seien. Manche dieser Neuerungen gehen auf den Stadtbaumeister Madern Gerthener zurück, der kunstgeschichtlich zu den wichtigsten frühen Nachfolgern der Werkmeisterdynastie der Parler zählt. Mit Gertheners Anbau des „markanten und kühnen“ Westturms an die Stifts- und Pfarrkirche St. Bartholomäus, den heutigen Dom, stieg Frankfurt „zu einem regelrechten Architekturzentrum auf“.612 Die in dieser Zeit entwickelten technischen und gestalterischen Möglichkeiten blieben bis in das 16. Jahrhundert hinein prägend und besaßen eine Strahlkraft weit über das regionale Umfeld hinaus.613 So war das Frankfurter Stadtbild im 16. und 17. Jahrhundert überwiegend von den Bauten und dem „gotischen Stilempfinden der spätmittelalterlichen Stadt geprägt“.614 Während im Reformationszeitalter keine bedeutenden Bauvorhaben umgesetzt wurden, erhöhte sich die Bautätigkeit seit 1600 deutlich. Bürgerhäuser wurden mit steinernen, als Verkaufsgewölbe dienenden Erdgeschossen und mit in Fachwerkkonstruktionen errichteten Obergeschossen neu erbaut. Die große Mehrzahl der bekannten Fachwerkhäuser, die bis zu ihrer Zerstörung im Zweiten Weltkrieg zum Ruhm der Frankfurter Altstadt beitrugen, stammte aus dieser Epoche, wie zum Beispiel das Salzhaus, das Haus zum Großen Engel und das Haus zum Schwarzen Stern am Römerberg sowie das Haus zur Goldenen Waage am Dom. Diese Häuser veranschaulichten mit ihrem ornamentalen Fassadenschmuck in den Formen der Renaissancekunst die Handelsfunktion und den bürgerlichen Wohlstand der Stadt.615 610 Ebd. 611 Christian Freigang: Madern Gerthener und der Aufstieg Frankfurts zum Architekturzentrum im Spätmittelalter. In: Christian Freigang/Markus Dauss/Evelyn Brockhoff (Hrsg.): Das ‚neue‘ Frankfurt. Innovationen in der Frankfurter Kunst vom Mittelalter bis heute. Frankfurt a.M./Wiesbaden 2010, S. 11–21, hier S. 11. 612 Ebd. 613 Ebd. 614 Schindling, Wachstum und Wandel, S. 206. 615 Ebd.
Das architektonische Stadtbild
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Im Verlauf des 17. Jahrhunderts wurden im Stadtbild weitere prägende Akzente gesetzt. Seit 1628 wurde um die spätmittelalterliche Stadtmauer der Neustadt ein Kranz aus elf Bastionen in moderner Festungsbauweise angelegt. Die neuen Befestigungen sind jedoch erst 1667 vollendet worden und sicherten die Stadt in einem kriegerischen Jahrhundert. Von 1678 bis 1681 wurde der Neubau der Katharinenkirche in einer Verbindung aus gotischen und barocken Stilelementen errichtet und als „bauliche Manifestation der selbstbewußten lutherischen Bürgerschaft [angesehen], die sich jetzt eine repräsentative Stadtkirche schuf neben der als lutherische Hauptkirche dienenden engen mittelalterlichen Barfüßerkirche“.616 Damit wurde architektonisch im Stadtbild etwa 150 Jahre nach der Reformation das Nebeneinander von Katholiken und Lutheranern sichtbar.617
Abb. 3: Vogelschau von Frankfurt am Main. Kupferstich von Matthäus Merian d.Ä., ca. 1628.
Trotz ihrer Weltoffenheit gab es in der Stadt eigentlich keine großen Repräsentativbauten im Renaissance-Stil. Dennoch dürfte das Stadtbild Frankfurts im 17. Jahrhundert wohl zu den bekanntesten im Alten Reich gehört haben; beson616 Ebd. 617 Ebd., S. 209.
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ders wegen der Merian-Stiche und der Ansichten anderer Stecher, die den Ablauf der Kaiserwahlen und Kaiserkrönungen zwischen Römerberg und Dom „für ein am Reich und an Nachrichten interessiertes Publikum festhielten“.618 Der detaillierte Vogelschauplan Merians d.Ä. (Abb. 3) zeigt in mehreren Auflagen von 1628 bis 1682 die Neuakzentuierung im Stadtbild durch Bollwerkskranz und Katharinenkirche. Als herausgehobenes Bauwerk der Stadt gilt bis heute die Stiftskirche St. Bartholomäus, die auch als „Dom“ bezeichnet wird. Über 500 Jahre lang war die Reichsstadt von weitem am Turm ihres Domes zu erkennen. Dabei war sie eine Kirche wie ein Dom, ohne dass die Stadt je Bischofssitz war, und ein Gotteshaus, in dem ein Konklave Könige wählte und Kaiser als Herrscher des Heiligen Römischen Reichs gekrönt wurden, obwohl sie dort (fast) nie residierten, wie Heinz Schomann treffend formuliert hat. Bis in das 20. Jahrhundert hinein hatte der Dom das Weichbild der Stadt als größtes und höchstes Gebäude dominiert, bevor sich die heute bekannte Skyline mit den Bankenhochhäusern durchsetzte.619 Im 18. Jahrhundert veränderte sich die Stadt deutlich. Nachdem sich das gotisch geprägte Stadtbild über lange Zeit kaum verändert hatte, wurde zwischen 1740 und 1810 rege gebaut. Es entstanden 730 Neubauten, mit dem Fischerfeld kam ein neuer Stadtteil hinzu und die Zahl der Gebäude stieg um 20 Prozent.620 Hinter der Staufermauer, welche die Altstadt von der Neustadt trennte, prägten prächtige Höfe und Gärten des Patriziats das Stadtbild, die Frankfurt als Gartenstadt auszeichneten. Zwischen Römerberg und Domplatz lagen die bedeutendste Straße des Altstadtkerns, die Krämergasse, sowie der Alte Markt, auf dem die gekrönten Kaiser vom Dom zum Römer zogen.621
618 Ebd. 619 Heinz Schomann: Vorwort. In: Andrea Hampel: Der Kaiserdom zu Frankfurt am Main. Ausgrabungen 1991–93. Nußloch 1994, S. 1–16, hier S. 1, 3–4, 6, 8. 620 Harry Gerber: Die Stadt Frankfurt am Main und ihr Gebiet. In: Heinrich Voelcker (Hrsg.): Die Stadt Goethes. Frankfurt am Main im XVIII. Jahrhundert. Frankfurt a.M. 1982 (ND der Ausg. Frankfurt a.M. 1932), S. 17–50, hier S. 22. 621 Koch, Frankfurt am Main im 18. Jahrhundert, S. 69–71.
Kulturelles Leben im frühneuzeitlichen Frankfurt am Main
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2.8 Kulturelles Leben im frühneuzeitlichen Frankfurt am Main 2.8.1 Bildung und Wissenschaft Das Frankfurter Bildungswesen der Frühen Neuzeit war nach Ansicht der heutigen Stadtgeschichtsforschung eher mäßig ausgeprägt.622 Erst unter dem Einfluss der Reformation kam das Bildungswesen wieder einigermaßen in Gang, als 1537 mit dem Beginn einer zweiten Amtsperiode des Humanisten und Schulleiters Jakob Micyllus (Moltzer, 1503–1558) die jahrelang vernachlässigte Lateinschule, die einst der Stolz humanistisch und reformatorisch gesinnter Patrizier war, wieder aktiviert wurde und zunehmend an Attraktivität gewann.623 Das städtische Gymnasium (Lateinschule) im ehemaligen Barfüßerkloster – die Barfüßerschule – war ein Ort humanistischer Bildung und als eine fünfklassige Lateinschule organisiert. Lehrplangestaltung und Unterricht wiesen Einflüsse des berühmten Straßburger Gymnasiums auf, der Schule des Humanisten Johann(es) Sturm.624 Mit den vorbildlichen Schulreformen anderer evangelischer Reichsstädte wie Straßburg, Augsburg oder Nürnberg konnte die Messestadt allerdings nicht konkurrieren, weil es in Frankfurt in der Reformationszeit nicht gelungen war, in größerem Umfang Kirchengüter einzuziehen und zu Schulen umzufunktionieren, während in anderen Städten die „reformatorische Neuverwendung von Stiftsund Klostervermögen die ökonomische Voraussetzung für die Durchführung der humanistischen Bildungsreform“625 war. Aufgrund der knappen finanziellen Ressourcen blieb das städtische Schulwesen im regionalen Umfeld neben den katholischen Bildungseinrichtungen in Mainz (Universität), Aschaffenburg (Jesuitengymnasium), den reformierten Hohen Schulen in Hanau und Herborn und der lutherischen Universität Gießen wenig ausgeprägt. Es konnten auch keine renommierten Gelehrten für die Schule gewonnen oder gar durch wissenschaftliche Vorlesungen die Schule zu einem Gymnasium illustre ausgebaut werden. So blieb das städtische Schulwesen insgesamt wenig ausgeprägt.626 Besonders für das 18. Jahrhundert wird das Fehlen einer Universität als großes Manko betrachtet und das Bildungs- und Schulwesen nicht gerade übermäßig gerühmt. So blieb 622 Siehe hierzu Stalljohann, Frankfurt am Main, Kapitel „5. Orte kulturellen Austauschs“, S. 553–559. 623 Jahns, Frankfurt am Main im Zeitalter der Reformation, S. 180. 624 Anton Schindling: Humanismus und städtische Eliten in der Reichsstadt Frankfurt am Main. In: Klaus Malettke/Jürgen Voss (Hrsg.): Humanismus und höfisch-städtische Eliten im 16. Jahrhundert. Humanisme et Élites des Cours et des Villes au XVIe Siècle. 23. Deutsch-französisches Historikerkolloquium. Bonn 1989, S. 211–222. 625 Schindling, Wachstum und Wandel, S. 248. 626 Duchhardt, Frankfurt am Main im 18. Jahrhundert, S. 286.
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das Gymnasium Moeno-Francofurtanum die einzige auf die Universität vorbereitende Schule.627 Ein wichtiger Ort der Gelehrsamkeit und Bildung waren indes Frankfurts Bi bliotheken, nachdem 1484 eine kommunale (aber nicht öffentliche) Ratsbibliothek unter Mitwirkung des Patriziers und Juristen Ludwig von Marburg zum Paradies (†1502) ins Leben gerufen wurde. Sie war zunächst nicht sehr umfangreich und diente dem Frankfurter Rat und der städtischen Kanzlei als Handbibliothek. Sie enthielt vor allem juristische Abhandlungen, Werke aus der Frühdruckzeit, Schriften antiker Historiker und mittelalterliche Chroniken.628 Die Ratsbibliothek wurde 1668 in die 1529 gegründete Barfüßerbibliothek eingegliedert und entwickelte sich bis 1691 zur öffentlichen Stadtbibliothek. Sie umfasste eine wichtige Sammlung von Büchern und Handschriften. Ihre Einrichtung bedeutete praktisch den Beginn des wissenschaftlichen Sammelns in Frankfurt. Durch die Zusammenlegung umfasste sie alle Wissenschaftsbereiche von der Theologie über die Jurisprudenz, Philologien, Geschichte bis zur Medizin und den Naturwissenschaften mit über 5 000 Bänden.629 1689/90 beschloss der Stadtrat, die sehr kostbare Bibliothek des 1649 verstorbenen Frankfurter gelehrten Patriziers Johann Maximilian zum Jungen (*1596) für 3 300 Gulden zu kaufen. Unter dem Einfluss des ersten Bibliothekars Johann Martin Waldschmidt (1650–1706) entwickelte sich die Stadtbibliothek zwischen 1691 und 1706 schließlich von einer reinen Büchersammlung zu einer „Kunstund Wunderkammer“.630 Nach zweihundert Jahren hatte sich damit die Stadtbibliothek sowohl durch großzügige Stiftungen der Bürger und Überlassungen von Privatbibliotheken631 als auch durch erhebliche Mittel der Stadtregierung zu einem Institut entwickelt, das einen festen Stellenwert innerhalb der städtischen Verwaltung einnahm.632
627 Ebd., S. 284–290. 628 Gerhardt Powitz: Von der Ratsbücherei zur Stadtbibliothek 1484–1668. In: Klaus-Dieter Lehmann (Hrsg.): Bibliotheca Publica Francofurtensis. Textband. Fünfhundert Jahre Stadt- und Universitätsbibliothek Frankfurt am Main. Frankfurt a.M. 1984, S. 13–55, hier S. 15–28. 629 Powitz, Von der Ratsbücherei zur Stadtbibliothek, S. 15–55. Siehe auch im Überblick Stalljohann, Frankfurt am Main, S. 554–555. 630 Kern, Blickwechsel, S. 172. 631 Jörg Ulrich Fechner: Patrizierbibliotheken. Überlegungen zu einem kulturgeschichtlichen Typus der Privatbibliotheken von ‚Patriziern‘, ‚Honoratioren‘ oder Angehörigen des ‚KaufmannsAdels‘ im Hinblick auf einige Beispiele in Frankfurt am Main um die Mitte des 18. Jahrhunderts. In: Wolfenbütteler Notizen zur Buchgeschichte 11 (1986), S. 33–45. 632 Werner Wenzel: Die Stadtbibliothek 1668–1884. In: Lehmann, Bibliotheca Publica Francofurtensis, S. 59–117, hier S. 64–65.
Kulturelles Leben im frühneuzeitlichen Frankfurt am Main
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Frankfurt stellte aber auch als Messe-, Drucker- und Buchhandelsstadt für Künstler und Verleger insbesondere während der Messen und Kaiserkrönungen ein gutes Forum dar, sich zu präsentieren, Geschäftsbeziehungen zu knüpfen und zu pflegen. Die Buchmessen633 hatten sich seit den siebziger Jahren des 15. Jahrhunderts innerhalb der Warenmesse etabliert und besonders durch ihre Internationalität ausgezeichnet.634 Peter Schöffer aus Mainz und Konrad Henkis, die beide in Verbindung zu Johannes Gutenberg standen, gelten als Gründer der Frankfurter Buchmesse.635 Mit dem Aufkommen des Letterndrucks brachten die Frankfurter Frühdrucker ihre Werkstätten vorzugsweise in der Nähe des Klosters unter, womit sie „die Entstehung des geistigen Athens, des weltberühmten Frankfurter Buchdrucker- und Buchhändlerviertels, der Buchgasse und ihrer benachbarten Straßen, in die Wege leiteten“636, wie Gustav Mori es in den 1940er-Jahren ausdrückte. Durch die Anbindung an die Büchermärkte in Lyon, Paris und Venedig wurde die Frankfurter Buchmesse innerhalb kurzer Zeit eine dauerhafte Institution im europäischen Buchhandelsverkehr.637 Die Lager und Verkaufsstände konzentrierten sich im Buchhändlerviertel zwischen Römerberg und Mainzer Pforte in der Buchgaß, die parallel zum Main verlief. Diese wurde 1518 von dem Humanisten Johannes Reuchlin erstmals erwähnt und seit 1690 auch vom Frankfurter Rat so bezeichnet. Die Buch- und Handelsmessen waren Treffpunkt und Ort des gegenseitigen Austausches für Buchhändler, Gelehrte und Bucheinkäufer fürstlicher Bibliotheksbesitzer aus zahlreichen Ländern und von unterschiedlicher Religion.638 Im 16. Jahrhundert hatte Frankfurt neben Basel eine wichtige Mittlerfunktion bei der Verbreitung antiker Autoren, späthumanistischer und französischsprachiger Literatur nördlich der Alpen.639 Vom letzten Drittel des 16. Jahrhunderts bis 633 Sabine Niemeier: Funktionen der Frankfurter Buchmesse im Wandel – von den Anfängen bis heute. Wiesbaden 2001, besonders S. 8–28. 634 Clemens Köttelwelsch: Die Frankfurter Buchmesse: eine Tradition seit Jahrhunderten. In: Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel 81/29 (1973), S. 1642–1650, hier S. 1643. 635 Adalbert Brauer: Frankfurt als Stätte deutschen Buchhandels im Laufe der Jahrhunderte. In: Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel. Frankfurter Ausgabe 77 (1973), S. 340–347, hier S. 341. 636 Gustav Mori: Die Erfindung des Buchdrucks und das Wirken Gutenbergs in Mainz, Straßburg und Frankfurt a.M. In: Paul Wentzcke/Gustav Mori (Hrsg.): Straßburg und Frankfurt in den Anfängen der Buchdruckerkunst. Beiträge zur Fünfhundertjahrfeier ihrer Erfindung. Frankfurt a.M. 1940, S. 31–56, hier S. 33. 637 Hans Widmann: Geschichte des Buchhandels vom Altertum bis zur Gegenwart. Teil 1: Bis zur Erfindung des Buchdrucks sowie Geschichte des Deutschen Buchhandels. Wiesbaden 1975, S. 84. 638 Schindling, Wachstum und Wandel, S. 249. 639 Köttelwelsch, Die Frankfurter Buchmesse, S. 1645.
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in die Zeit des Dreißigjährigen Krieges waren die Buchmessen nach Ansicht der Forschung „Veranstaltungen einer deutschen und europäischen Bildungswelt und Lesekultur im Zeichen des Späthumanismus“.640 Das Buch als Multiplikator humanistischer Bildung war in Frankfurt besonders durch die ortsansässigen Buchdruckereien und Buchhandelsmessen präsent. Allerdings stand Frankfurt nach Einschätzung des Historikers Anton Schindling als „Verkehrs-, Handelsund Nachrichtenzentrum, als Stadt der religiösen Minderheiten und der Fremden […] im 16. Jahrhundert in den Ausformungen einer bodenständigen humanistischen Bürgerkultur zeitlich und qualitativ zurück hinter Städten wie Straßburg, Nürnberg und Augsburg“.641 Doch als eine Stadt des Buchverlags, des Buchdrucks und der Buchmessen „war Frankfurt schließlich in der Blütezeit des Späthumanismus um 1600 ein Zentrum von europäischem Rang für Kommunikation, Wissensvermittlung und geistigen Austausch zwischen den gebildeten Eliten“.642 Die charakteristischen Hauptträger einer späthumanistischen Gelehrten- und Bürgerkultur waren in Frankfurt vor allem die Patrizier und Juristen im städtischen Dienst, die Prediger der lutherischen Stadtkirche und die sozial geringer eingestuften Lehrer des Barfüßergymnasiums.643 Auch aus der Ganerbschaft der Alten-Limpurger öffneten sich Viele als gebildete Humanisten der Kirchenreform. Besonders Hamman von Holzhausen (1467–1536) trug durch sein Handeln als Vorbild zur Einführung des evangelischen Glaubens in Frankfurt bei, indem er 1526 demonstrativ nicht an der Fronleichnamsprozession teilnahm und in seiner letzten Amtszeit als Älterer Bürgermeister (1530) den Laienkelch erlaubte, auch wenn er nicht frei von Vorbehalten gegenüber Martin Luther war, vor allem wegen dessen Ehe und Verhalten im Bauernkrieg.644 In Frankfurt wurden die geistigen und kulturellen Bewegungen durchaus wahrgenommen und rezipiert, obwohl die Stadt im zeitgenössischen Frankfurt-Bild des 16. und 17. Jahrhunderts erstaunlicherweise nicht eben als literarisches Zentrum galt, zumindest nicht vor der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts, als laut Robert Seidel und Regina Toepfer „mit dem jungen Goethe die Reihe der noch heute im kulturellen Gedächtnis der Nation verankerten Frankfurter Literaten einsetzte“.645 Die Frankfurter Stadtgeschichtsschreibung führt hier vielfältige Gründe an: Frank-
640 Schindling, Wachstum und Wandel, S. 249. 641 Ebd. 642 Ebd. 643 Jahns, Frankfurt am Main im Zeitalter der Reformation, S. 180. 644 Matthäus, Hamman von Holzhausen. 645 Robert Seidel/Regina Toepfer: Einleitung. Frankfurt im Schnittpunkt der Diskurse. In: Seidel/Toepfer, Frankfurt im Schnittpunkt der Diskurse, S. 1–20, hier S. 4.
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furt war weder Residenzstadt noch Bischofssitz, bis ins 20. Jahrhundert hinein gab es keine Universität und kaum ein überregional bedeutsames Gelehrtenschulwesen. Im Allgemeinen wird der Frankfurter Humanismus meist ‚nur‘ als ein Rezeptionsphänomen bewertet. Die herausgehobenen Personen waren gebildete, mäzenatisch wirkende Patrizier, während die literarisch aktiven Gelehrten des Bürgertums keine dauerhafte literarische Produktion hervorbrachten.646 Dennoch gab es auf literarischem Gebiet einige Bereiche, in denen sich die Reichsstadt durch ein eigenes Profil auszeichnen konnte. Zwischen 1570 und 1630 war Frankfurt unbestritten der „Vorort für wissenschaftliche juristische Literatur, insbesondere im Zeichen der internationalen Bewegung der Rezeption des Römischen Rechts“.647 Somit bestand eine maßgebende Bedeutung Frankfurter Verlage auf juristischem, aber auch auf geschichtlichem Gebiet.648 Frankfurt galt bis in die 1670er-Jahre als die führende Buchhandelsstadt des Reiches, ehe es seine Position sukzessive an Leipzig abtreten musste.649 Die Gründe hierfür sieht die Forschung in einer schnelleren Anpassung an den sich im Zuge der Reformation entwickelnden deutschsprachigen Markt sowie in den liberalen und für die Produktion förderlichen Bedingungen der sächsischen Regierung. Seit 1700 verschlechterten die strengeren Zensurmaßnahmen und Handelsbeschränkungen die Messebedingungen in Frankfurt. Im Laufe des 18. Jahrhunderts verstärkte sich außerdem der Warenaustausch unabhängig von den Messezeiten, die infolgedessen laut Niemeier generell an Funktion verloren.650 So konnte die zentrale Stellung für den europäischen Büchermarkt nicht mehr zurückgewonnen werden, die Frankfurt noch vor dem Dreißigjährigen Krieg innehatte.651 Nachdem die Buchmessen im Laufe des 18. Jahrhunderts generell ihre Funktion zunehmend verloren hatten, spricht die Forschung für das letzte Drittel des Jahrhunderts von einer „Sturm- und Drang-Periode“652 des Buchhandels. Bei der Buchproduktion insgesamt verschob sich der Schwerpunkt vom katholischen Süden in den protestantischen Norden. Schließlich bedeutete für Frankfurt das Wegbleiben der Holländer und ihr Umzug nach Leipzig das endgültige Aus seiner Internationalität. 1764 war die Frankfurter Buchmesse schließlich auf ihrem Tief646 Matthäus, Hamman von Holzhausen. 647 Schindling, Wachstum und Wandel, S. 250. 648 Z.B. die Lebensbeschreibungen der berühmten Franzosen Comineus, Froissart und Latellius, die Annales Rerum Gallicarum (1578) von dem Pariser Ordensgeneral und Bibliothekar Robert Gaguinus (1433–1501) aus dem Verlag von Andreas Wechel. 649 Brauer, Frankfurt als Stätte deutschen Buchhandels, S. 344. 650 Niemeier, Funktionen der Frankfurter Buchmesse, S. 21–22. 651 Skala, Vom neuen Athen zur literarischen Provinz, S. 200. 652 Niemeier, Funktionen der Frankfurter Buchmesse, S. 22.
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punkt angelangt und hatte sich zu einem regionalen süddeutschen Markt zurückentwickelt.653 Im 18. Jahrhundert gab auch auf literarisch-gelehrtem Gebiet die kulturelle Produktivität der Stadt zumindest aus heutiger Forscherperspektive ein bescheidenes Bild ab, wie die Einschätzung Duchhardts von der „Sterilität des Bildungsund Kulturlebens“ vor Augen führt. Dass Frankfurt für „ambitionierte, qualitativ hochstehende Zeitschriften nicht unbedingt ein guter Boden war, belegt die Kurzlebigkeit der meisten Organe“. Ausschlaggebend für diese Einschätzung Duchhardts waren unter anderem die Schwierigkeiten, die zum Beispiel Johann Georg Schlosser (1739–1799) und seine Redaktionskollegen der Frankfurter Gelehrten Anzeigen (1736–1790) – darunter Johann Wolfgang von Goethe (1749–1832), Johann Gottfried Herder (1744–1803) und Johann Heinrich Merck (1741–1791) – im Jahr 1772 mit den kirchlichen Behörden hatten. Auch die Wöchentlichen Frankfurtischen Abhandlungen zur Erweiterung der nothwendigen, brauchbaren und angenehmen Wissenschaften (1755) von Friedrich Karl von Moser (1723–1798) gingen nach nur zwei Jahrgängen aufgrund von Mitarbeitermangel und des überwiegenden Interesses des Publikums an pragmatischen Informationen wie Wein- und Warenpreisen statt an einer christlichen Sittenschrift wieder ein.654 Trotz der nur bedingten wissenschaftlichen Kapazitäten und Leistungen der Reichsstadt haben die Brüder Zacharias Konrad und Johann Friedrich (1687–1769) von Uffenbach nach Ansicht der Forschung in ihrer kleinen gelehrten Gesellschaft von 1725, der Naturwissenschaftlich-technischen Gesellschaft, vor allem naturwissenschaftliche und praktische Fragen aufgriffen.655 Besonders der jüngere Uffenbach unternahm hier einen ernsthaften Versuch, ständeübergreifend eine akademische Gesellschaft zu gründen, mit der er der Entfaltung des ‚Geistesadelsʻ innerhalb des kulturellen Bereichs einen institutionellen Rahmen verschaffen wollte. Allerdings waren die (geburts-)ständischen Abgrenzungen in dieser Zeit noch zu groß. Nach 14 Jahren scheiterte Uffenbachs Vorhaben unter anderem daran, dass die Gesellschaft keine neuen Mitglieder mehr rekrutieren konnte.656 Das Engagement von Stiftungen hat Frankfurt am Main und seine Stadtgesellschaft über Jahrhunderte hinweg nachhaltig geprägt. Die größten, noch heute selbstständigen Milden Stiftungen – das Hospital zum Heiligen Geist mit zwei 653 Skala, Vom neuen Athen zur literarischen Provinz, S. 199–201. 654 Ebd., S. 290; Alfred Estermann: Zeitungsstadt Frankfurt am Main. Zur Geschichte der Frankfurter Presse in fünf Jahrhunderten. Frankfurt a.M. 1994, S. 11 ff. 655 Irmgard Lange-Kothe: Die naturwissenschaftlich-technische Gesellschaft in Frankfurt 1725– 1739. In: AFGK 47 (1960), S. 31–43; Konrad Franke: Zacharias Konrad von Uffenbach als Sammler von Antiquitäten, Autogrammen und Münzen. In: AFGK 49 (1965), S. 87–98; Roth, Stadt und Bürgertum, S. 176. 656 Hansert, Adel der Geburt und Adel des Geistes, S. 134.
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Großkrankenhäusern, das St. Katharinen- und Weißfrauenstift zur Versorgung von Seniorinnen, die Stiftung Waisenhaus, das Versorgungshaus und Wiesenhüttenstift sowie die Stiftung Allgemeiner Almosenkasten – reichen bis in das Mittelalter bzw. in die Frühe Neuzeit zurück.657 Neben dem Allgemeinen Almosenkasten (1531) errichteten die konfessionellen Gemeinden der Reformierten, Katholiken und Juden eigene Almosenkästen, in die eine Vielzahl von Stiftungen der Gemeindemitglieder einfloss.658 Eine Besonderheit mit einer völlig neu ausgerichteten Tendenz war die Frankfurter Dr. Senckenbergische Stiftung von 1763, die hauptsächlich in den Quellen bzw. im Frankfurt-Bild zum Thema Stiftungen erwähnt wurde. Johann Christian Senckenberg (1707–1772) war ausgebildeter Arzt und trat 1742 als Physicus in den Dienst der Stadt. Sein Vermögen wollte er für die Krankenfürsorge, für die Errichtung eines Bürgerhospitals mit Geburtsklinik, Findel- und Pfründnerhaus sowie für die Verbesserung der Heilkunst einsetzen. Das Neue an der Stiftung war Senckenbergs Idee von der Förderung der medizinischen Wissenschaften.659 Die Stiftungsurkunde von 1763 nennt die Einrichtung eines anatomischen Instituts, Stipendien für medizinische Studien, den Aufbau einer Fachbibliothek und ärztliche wie naturwissenschaftliche Sammlungen.660 Um 1770 wurden die ersten Lesegesellschaften in Frankfurt gegründet. 1788 gelang es dem Frankfurter Buchhändler Friedrich Eßlinger (1761–1812), seine im eigenen Haus am Kornmarkt eingerichtete und wohl bekannteste Lesegesellschaft nach Ansicht der Forschung zu einem „gesellschaftlichen Mittelpunkt des städtischen Lebens“661 zu machen. Diese Gesellschaften gingen auf die Initiative von Buchhändlern und Hauslehrern zurück, formulierten ein allgemein aufklärerisches Programm ohne politische Ansprüche und spielten bei der Umsetzung von Schul- und Bildungsreformen in der Stadt eine Rolle.662 Daneben bestanden mehrere Lesekabinette, die auf Zeitungen und Zeitschriften beschränkt waren, sowie einige wenige Einrichtungen für die Juden.663 657 Wolfgang Klötzer: Über das Stiften – Zum Beispiel Frankfurt am Main. In: Bernhard Kirchgässner/Hans-Peter Becht (Hrsg.): Stadt und Mäzenatentum. Sigmaringen 1997, S. 15–30, hier S. 15–16. 658 Bruno Müller: Stiftungen in Frankfurt am Main. Frankfurt a.M. 1958, S. 50. 659 Roth, Stadt und Bürgertum, S. 167. 660 Ebd., S. 169. 661 Klaus Gerteis: Bildung und Revolution. Die deutschen Lesegesellschaften am Ende des 18. Jahrhunderts. In: AKG 53 (1971), S. 127–139, hier S. 130. 662 Roth, Stadt und Bürgertum, S. 176–177. 663 Jörg-Ulrich Fechner: Johann Georg Schlossers Lesegesellschaft in Frankfurt. Hinweise auf eine Spurensuche. In: Badische Landesbibliothek Karlsruhe (Hrsg.): Johann Georg Schlosser (1739–1799). Ausstellungskatalog. Karlsruhe 1989, S. 91–102.
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Zu den neuen Formen städtischer Geselligkeit gehörten auch gesellschaftliche Netzwerke. Die bürgerlichen Salons664 oder Theegesellschaften bildeten neben den Theater-, Musik- und Lesegesellschaften öffentliche und halböffentliche Räume, „in denen beide Geschlechter in gemeinschaftlichem Interesse zusammenfanden“.665 Auch wenn über die Frankfurter Salons noch sehr wenig bekannt ist und sie nicht scharf konturiert und von gesellschaftlichen Einladungen differenziert werden können, wurde beispielsweise der literarische Salon im Haus der Familie von Schwarzkopf zu einer festen Einrichtung, wo man sich regelmäßig mittwochs traf, um nach einem festgelegten Programm literarische Werke zu hören und darüber zu diskutieren.666 Zum wachsenden Angebot der außerhäuslichen Formen der Öffentlichkeit gehörten im Frankfurt des 18. Jahrhunderts die Kaffeehäuser. Das erste Frankfurter Kaffeehaus wurde sogar schon 1689 eröffnet, nur 17 Jahre nach dem deutschlandweit ersten Kaffeehaus in Hamburg. 1761 gab es mehrere Häuser, die als Lokale für Kaffeehäuser genutzt wurden. Für das Jahr 1771 sind bereits über zwölf Caffeewirte überliefert.667 Ein weiterer Ort des kulturellen Austauschs waren die geschlossenen und (halb)öffentlichen Gesellschaften, die sogenannten College bzw. Collegien. Seit langem gab es in Frankfurt bereits geschlossene Gesellschaften wie das Collegium Frosch oder das Collegium Musicum (1714), das 1741 von Georg Philipp Telemann als Ort zum Musizieren und Gedankenaustausch (wieder)gegründet wurde.668 Interessant ist an diesen frühen Vereinigungen der ständeübergreifende Ansatz. Die Gesellschaften wurden von Kaufleuten, Patriziern und Juristen gebildet. Zudem traten ihnen sowohl Katholiken als auch reformierte Kaufleute und Bildungsbürger bei. Außerdem existierte die Alte Gesellschaft als eine geschlossene Institution bereits seit 1706.669
664 Wolfgang Klötzer: Die Salons der alten Frankfurter Familien. Vortrag am 22. Oktober 1992 im Frankfurter Literaturhaus zur Konstituierung des „Literarischen Salons“ der SchopenhauerStiftung (masch.). 665 Kern, Blickwechsel, S. 221. 666 Klötzer, Die Salons, S. 20. 667 Roth, Stadt und Bürgertum, S. 173. 668 Caroline Valentin: Geschichte der Musik in Frankfurt am Main vom Anfang des 14. bis zum Anfang des 18. Jahrhunderts. Frankfurt a.M. 1906, S. 247. 669 Hartmut Schaefer: Die Stadtbibliothek 1884–1942. In: Lehmann, Bibliotheca Publica Franco furtensis, S. 121–201, hier S. 163–164.
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2.8.2 Musik und Theater In Bezug auf das Musikwesen in der Reichsstadt gibt der Historiker Roman Fischer zu bedenken, dass das Bürgertum kein so ausgeprägtes Repräsentationsbedürfnis entwickelte wie Hof und Adel und seine Kultur eher privat als öffentlich geprägt war. Dies bedeute jedoch nicht, dass die Stadt als Reichsstand keinen Repräsentationspflichten nachzukommen hatte; jedoch spielten sie im gesellschaftlichen Leben keine so überragende Rolle wie am Hof.670 Neben den punktuellen musikgeschichtlichen Ereignissen der Kaiserkrönungen671, zu deren Anlass die Hofkapellen vor Ort waren und Sonaten und Krönungsmessen komponiert wurden, war das Zentrum des öffentlichen Musiklebens in Frankfurt die von der städtischen Kapelle getragene Kirchenmusik, vor allem an der Barfüßer-, Katharinen- und Peterskirche. Allerdings waren die Aufwendungen hierfür nicht übermäßig hoch. Während die Schulmusik ebenfalls eher bescheiden war, spielten Gelegenheitsmusiken, die bei besonderen Anlässen in repräsentativen Aufführungen dargeboten wurden, eine nicht zu unterschätzende Rolle, wie etwa Telemanns Festmusik zur Geburt des habsburgischen Erbprinzen Leopold am 17. Mai 1716, die Serenata Deutschland blüht und grünt im Friede oder seine Brockes-Passion (1719), „mit der sich Frankfurt für einen Augenblick zu einem Zentrum der Musikkultur für ganz Deutschland aufschwang“.672 Die private Musikpflege lässt sich in Frankfurt etwa seit 1608 mit einem Musik-Kräntzlein als Zusammenschluss von Patronen und Mäzenen nachweisen. Neben dem Collegium musicum sind im Bereich privater Musikproduktion einige Persönlichkeiten hervorzuheben, wie der Patrizier Johann Friedrich von Uffenbach. Nachdem er eine schöne Sammlung von Musikalien von seiner Kavalierstour aus Italien mitgebracht hatte, wurden Konzerte und Oratorien in seinem Haus aufgeführt.673 Doch für ein deutlicheres Bild des Musiklebens bedarf es nach Ansicht des Frühneuzeit-Historikers Roman Fischer ausführlicherer Detailstudien beispielsweise über die Kirchenmusiker, die städtischen Musiker, über
670 Fischer, Von der Barfüßerkirche zur Paulskirche, S. 19. 671 Arno Paduch: Festmusiken zu Frankfurter Kaiserwahlen und Krönungen des 17. und 18. Jahrhunderts. In: Brockhoff/Matthäus, Die Kaisermacher, S. 346–359; Arno Paduch: Die Frankfurter Kaiserkrönung Leopolds I. (1658) als musikgeschichtliches Ereignis. In: Evelyn Hils-Brockhoff (Hrsg.): Musik in Frankfurt am Main. Frankfurt a.M. 2008, S. 9–16. 672 Roman Fischer: Bürgerliches und Patrizisches Musikleben in Frankfurt zur Zeit Telemanns. In: Peter Cahn (Hrsg.): Telemann in Frankfurt. Bericht über das Symposium Frankfurt am Main, 26./27. April 1996. Mainz u.a. 2000, S. 13–29, hier S. 20. 673 Fischer, Bürgerliches und Patrizisches Musikleben, S. 23–24.
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das Auftreten auswärtiger Künstler oder das Wirken der privaten Musiklehrer, über die bisher noch wenig bekannt sei.674 Das musikalische Frankfurt vor der Zeit Telemanns wurde besonders von Johann Andreas Herbst (†1666) geprägt, der 1623 als erster städtischer Musikdirektor vom Stadtrat angestellt wurde. Er gestaltete an Sonn- und Feiertagen den Gottesdienst an der Barfüßerkirche, vergrößerte das Orchester an Musikern und Instrumenten, stellte einen Chor aus Berufssängern und Schuljungen zusammen und setzte sich für die Renovierung der großen Orgel ein. Laurentius Erhardi (1598–1669) wurde als Leiter der Kirchenmusik an St. Katharinen und als Kantor des Gymnasiums eingestellt.675 Mit dem Amtsantritt Philipp Jacob Speners (1635–1705) 1666 und der Entwicklung Frankfurts zu einem Zentrum des frühen Pietismus wurde der Gemeindegesang gegenüber der Figuralmusik aufgewertet. Der Tenorist und Violinist Johann Schober (seit 1667 erwähnt, †1697) komponierte als Vize-Musikdirektor (seit 1682) Melodien zu Liedtexten von Spener. Die Forschung sieht ihn zu der Zeit als „die führende Musikerpersönlichkeit in Frankfurt“676 an. Schobers Nachfolger wurde der Frankfurter Philip Jakob Mehl, dessen Amt an der Katharinenkirche Georg Philipp Telemann (1681–1767) 1718 übernahm.677 Im musikalischen Bereich sticht Telemanns Wirken zwischen 1712 und 1721 besonders hervor. Er war in Frankfurt für den gymnasialen Musikunterricht zuständig und begründete ein regelmäßiges Konzertwesen. Seine vielen Kompositionen prägten noch Jahrzehnte nach seinem Weggang das Frankfurter Musikleben.678 Zudem übernahm er die Direktion der Kirchenmusik an der Katharinenkirche und wirkte bei der musikalischen Ausgestaltung von privaten Festlichkeiten mit.679 Telemann veröffentlichte als städtischer Musikdirektor und Kapellmeister in Frankfurt viele repräsentative Werke und legte in der Reichs-
674 Ebd., S. 25. 675 Von Herbsts Kompositionen sind fünf Motetten (1623–1632), die Suspiria Cordis (1647) und die Precatio Regis Josaphat (1650) erhalten. 676 Christiane Jungius: Telemanns Frankfurter Kantatenzyklen. Kassel u.a. 2008, S. 18. 677 Ebd., S. 16–17; Ann Barbara Kersting-Meulemann: Die Musik an der Barfüßer- und Paulskirche. In: Fischer, Von der Barfüßerkirche zur Paulskirche, S. 343–400; Ann Barbara KerstingMeulemann: Die Telemann-Kantatensammlung in der Universitätsbibliothek Johann Christian Senckenberg in Frankfurt am Main: Jahrgangscharakteristik und -chronologie anhand der Schreiber, Papiere und Textbücher. In: Adolf Nowak/Andreas Eichhorn (Hrsg.): Telemanns Vokalmusik. Über Texte, Formen und Werke. Hildesheim u.a. 2008, S. 391–424. 678 Peter Cahn: Telemanns Frankfurter Jahre. In: Hils-Brockhoff, Musik in Frankfurt am Main, S. 17–25, hier S. 21. 679 Jungius, Telemanns Frankfurter Kantatenzyklen, S. 19–21.
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stadt den Grundstock seines späteren Ruhms.680 Der Großteil seines Frankfurter Schaffens waren geistliche Kompositionen.681 Gleichwohl betont die musikgeschichtliche Forschung, dass Frankfurt zur Zeit Telemanns kein musikalisches Zentrum in Deutschland war. Es existierte eine kirchenmusikalische Tradition, die seit Johann Andreas Herbst nicht besonders herausgehoben war. Im politisch-repräsentativen Bereich gab es außer den Gelegenheitsmusiken praktisch gar nichts und im privaten Bereich war zwar eine Schicht von wohlhabenden, interessierten und musikliebenden Laien aktiv, die jedoch insgesamt betrachtet nicht viel hervorbrachte. Das größte Manko war aber das Fehlen einer Oper. Dennoch war es nach Ansicht von Fischer nicht ihr Fehlen allein, das den Weggang Telemanns 1721 nach Hamburg erklärt, „sondern ein gewisses Maß an Provinzialität, an Kärglichkeit der – personellen und finanziellen – Ausstattung sowie unzureichende Auftrittsmöglichkeiten“.682 Bezeichnend für die sich im Frankfurt des 18. Jahrhunderts eher zögerlich ausbreitende Kulturlandschaft ist die vergleichsweise späte Eröffnung des ersten Theatergebäudes im Jahr 1782 und Einrichtung eines Nationaltheaters mit einem ersten festen Ensemble im Komödienhaus 1792.683 Erst seit dem Ende des 18. Jahrhunderts verlagerte sich mit dem ersten eigenen Theater mit ständigem Ensemble der Schwerpunkt von der Kirchenmusik zunehmend auf das Opern- und Konzertwesen.684 Auf dem Spielplan stand als eines der ersten Stücke Friedrich Schillers (1759–1805) Kabale und Liebe, das 1784 in Frankfurt uraufgeführt wurde.685 Weitere Erstaufführungen des Nationaltheaters waren Opern von Wolfgang Amadeus Mozart (1756–1791), wie etwa die Zauberflöte, die das junge Frankfurter Nationaltheater am 16. August 1793 spielte.686 Bei dieser Oper gingen Frankfurt nur die Theater in Wien, Prag und München mit Erstaufführungen voraus. Beachtet man, dass Frankfurt keine Residenzstadt war, so erstaunt es den Musikhisto-
680 Fischer, Von der Barfüßerkirche zur Paulskirche, S. 15. 681 Kersting-Meuleman, Die Telemann-Kantatensammlung, S. 391–424. 682 Fischer, Bürgerliches und Patrizisches Musikleben, S. 25. 683 Elisabeth Mentzel: Geschichte der Schauspielkunst in Frankfurt am Main. Von ihren Anfängen bis zur Eröffnung des städtischen Komödienhauses. Ein Beitrag zur Deutschen Kultur- und Theatergeschichte. Leipzig 1975 (ND der Ausg. Frankfurt a.M. 1882). Siehe zur Geschichte des ersten Frankfurter Theaters auch Anton Heinrich Emil von Oven: Das erste städtische Theater zu Frankfurt a.M. Ein Beitrag zur äußeren Geschichte des Frankfurter Theaters. 1751–1872. Frankfurt a.M. 1872. 684 Schaefer, Die Stadtbibliothek 1884–1942, S. 163–164. 685 Roth, Stadt und Bürgertum, S. 175. 686 Clemens Greve: Mozart und Frankfurt am Main. In: Hils-Brockhoff, Musik in Frankfurt am Main, S. 27–40, hier S. 38.
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riker Clemens Greve, „was die Bürger dieser Stadt an kulturellen Höhepunkten anbieten konnten und vor allem, zu welchem Zeitpunkt“.687 Seit der ersten Mozart-Aufführung 1782 wurde Frankfurt zu einem der ganz frühen und wichtigen Aufführungsorte Mozartʼscher Opern. Dies mag vielleicht mit seinem persönlichen Auftreten in Frankfurt im Rahmen seiner Tournee zusammenhängen, zum anderen halfen ihm persönliche Kontakte vor Ort, dass seine Stücke zur Aufführung gebracht wurden. Möglicherweise spielt auch der Einfluss des heutigen ‚Stadtimages‘ als Mozart-Stadt bei dieser Bewertung eine Rolle. Die Gründung einer Mozart-Stiftung im Jahr 1838, ein Stadtführer mit dem Titel 3 Generationen Mozart, eine Ausstellung sowie die regelmäßige Feier bestimmter Jubiläen (Geburtstag von Mozart etc.) sollen der Stadt in heutiger Zeit das Ansehen einer berühmten Wirkungsstätte des Komponisten geben.
2.8.3 Personen Ein einflussreicher Repräsentant der Frankfurter humanistischen Bürgerkultur im 17. Jahrhundert war der Alten-Limpurger Patrizier Johann Maximilian zum Jungen (1596–1649). Er heiratete 1625 Maria Salome von Stolberg (†1646) und war seit 1633 im Frankfurter Stadtrat vertreten. 1636 wurde er Zeugherr, 1637 Jüngerer Bürgermeister, 1639 Schöffe und 1644 schließlich Älterer Bürgermeister. Wegen seiner Gelehrsamkeit sowie politischen und Sprachkenntnisse hatte ihn der Magistrat häufig zu diplomatischen Unterhandlungen hinzugezogen. 1646 nahm er auch am Friedenskongress in Münster und Osnabrück teil.688 Weitere Alten-Limpurger wirkten auch auf literarischem und wissenschaftlichem Gebiet, wie die Kellner, Marburg zum Paradies und zum Jungen, die ansehnliche Bibliotheken besaßen. Sie führten umfangreiche Schriftwechsel oder waren als Chronisten tätig, wie Achilles August von Lersner (1662–1732) oder Johann Friedrich Faust von Aschaffenburg (1636–1674) mit Der Statt Franckfurt am Mayn Herkunft und Aufnahmen (1660).689 Auf kulturellem Gebiet zeichnete sich besonders der Patrizier (Frauensteiner) Uffenbach aus. Er bereiste 1709 gemeinsam mit seinem älteren Bruder Zacharias Konrad Niederdeutschland, Holland und England sowie später allein Frankreich 687 Greve, Mozart und Frankfurt am Main, S. 38. 688 Wilhelm Stricker: Jungen, Johann Maximilian zum. In: ADB 14 (1881), S. 705–706; Schindling, Humanismus und städtische Eliten, S. 211–222. 689 Hans Körner: Frankfurter Patrizier: Historisch-genealogisches Handbuch der adeligen Gan erbschaft des Hauses Alten-Limpurg zu Frankfurt am Main. München 1971, S. 159–160; Klötzer, „Keine liebere Stadt“, S. 200–233.
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und Italien. 1744 trat er in den Frankfurter Stadtrat ein, war 1749 Jüngerer Bürgermeister, wurde 1751 Schöffe und kaiserlicher wirklicher Rath sowie 1762 schließlich Älterer Bürgermeister. Er widmete sich der Kunst, Architektur, Kunstgeschichte und Geographie. Für sein Interesse an Mathematik und Naturwissenschaften spricht seine Sammlung mathematischer und physikalischer Instrumente. Uffenbachs naturwissenschaftliche und technische Richtung wird auch die gelehrte Gesellschaft690 geprägt haben, die er mit seinen Landsleuten Albrecht Diesterweg, Eberhard und Philipp Jakob Behaghel gründete. Im geistigen Leben seiner Vaterstadt zeichnete er sich aber am meisten als Künstler und Kunstsammler von Gemälden, Handzeichnungen und plastischen Arbeiten aus. Sein Kupferstichkabinett soll aus 30 000 Blättern bestanden haben. Uffenbach war aber auch selber ein aktiver Künstler im Drechseln und Glasschleifen und war dichterisch tätig.691 Der aus dem Elsass stammende lutherische Prediger und Initiator des Pietismus, Philipp Jacob Spener (1635–1705), war von 1666 bis 1686 Senior des Frankfurter Predigerministeriums und Hauptpastor an der Barfüßerkirche. Sein Hauptwerk, die Reformschrift Pia desideria, veröffentlichte er 1675 in Frankfurt. Mit der Schrift initiierte er die neue Frömmigkeitsbewegung des Pietismus, die ihn weit über Frankfurt hinaus bekannt gemacht hat.692 Anreger und Verleger der Schrift war der Frankfurter Verlagsbuchhändler Johann David Zunner (1610– 1653). Spener führte in Frankfurt die Konfirmation, die Einhaltung der Sonntagsheiligung sowie die Kirchenzucht ein und gründete 1679 ein Armen-, Waisen- und Arbeiterhaus auf dem Klapperfeld.693 Seit 1670 berief Spener private religiöse Zusammenkünfte außerhalb des öffentlichen Gottesdienstes ein, die sogenannten Collegia pietatis, die einer gemeinsamen geistlichen Lesung und Erbauung dienlich sein sollten.694 Spener trug aber auch zur Kulturproduktion in Frankfurt bei, indem er den Neubau der Katharinenkirche (1678–1681), der zweiten evangelischen Hauptkirche, maßgeblich lenkte.695
690 Siehe hierzu ausführlicher Kapitel I.2.8.1 „Bildung und Wissenschaft“. 691 Rudolf Jung: Uffenbach, Johann Friedrich von. In: ADB 39 (1895), S. 132–134; Franke, Zacharias Konrad von Uffenbach, S. 87–98. 692 Martin Friedrich: Frankfurt als Zentrum des frühen Pietismus. In: Fischer, Von der Barfüßerkirche zur Paulskirche, S. 187–202. 693 Johannes Wallmann: Philipp Jakob Spener und die Anfänge des Pietismus. 2. Aufl. Tübingen 1986, S. 217. 694 Klaus vom Orde: Philipp Jakob Spener und sein Frankfurter Freundeskreis. In: Fischer, Von der Barfüßerkirche zur Paulskirche, S. 203–214. 695 Wallmann, Philipp Jakob Spener, S. 200–227.
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Frankfurt am Main als kulturelles Zentrum der Frühen Neuzeit
Johann Wolfgang von Goethe (1749–1832) gilt bis in die Gegenwart als wohl bekanntestes Kind der Stadt.696 Goethe hat seine Vaterstadt allerdings keineswegs angehimmelt, noch hat Frankfurt laut Klaus-Detlef Müller zunächst seinen großen Sohn verehrt. Entsprechend zwiespältig war das Verhältnis von Goethe zu seiner Heimatstadt: Einerseits konnte Goethe in Frankfurt weder auf der persönlichen noch beruflichen Ebene zu großem Erfolg gelangen. Als Rechtsanwalt oder im öffentlichen Dienst sah er in seiner Heimatstadt keine Zukunft. Andererseits hat er sich in späteren Jahren gerne literarisch und durch Besuche zu seiner geliebten Vaterstadt bekannt.697 Deutlich wird in Goethes Dichtung und Wahrheit (1811–1833) seine Herkunft aus dem Patriziat einer Reichsstadt und 1775 die Entscheidung für das Leben im Dienst eines regierenden Fürsten in Weimar. Goethe hatte Frankfurt einerseits aus emotionalen Gründen verlassen, nachdem ihn Lili Schönemann abgewiesen hatte. Andererseits hatte er in Frankfurt mehrfach erleben müssen, „wie sinnvolle neuartige Kultur- und Bildungsini tiativen, die schöpferische und umtriebige Köpfe vorschlugen, von dem damals allzu verkrusteten Rat der Stadt Frankfurt abgeschmettert wurden“698, wie etwa die Gründung einer Mal- und Zeichenakademie in den 1770er-Jahren. Schließlich entschied er sich aus beruflichen Gründen für Weimar und damit auch für das nahe gelegene Jena, wo er gestalterisch und bildungspolitisch wirken konnte.699 Wie sich vor dem Hintergrund dieser historischen Entwicklung Frankfurts das in der publizistischen Öffentlichkeit tradierte Bild von Frankfurt als einem politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Zentrum entwickelt hat und welche Funktionen ihm zukam, soll die folgende Analyse zeigen.
696 Herbert Heckmann: Goethe und Frankfurt – Frankfurt und Goethe. In: Jean-Marie Valentin (Hrsg.): Johann Wolfgang Goethe zum 250. Geburtstag. Études Germaniques 54 (1999) Numéro Hors série, S. 35–53, hier S. 39. 697 Klaus-Detlef Müller: Die Vater-Stadt. Frankfurt in Goethes autobiographischen Schriften. In: Waltraud Wiethölter (Hrsg.): Der junge Goethe. Genese und Konstruktion einer Autorschaft. Tübingen/Basel 2001, S. 103–116, hier S. 105. 698 Siehe zu Goethes Beweggründen, Frankfurt zugunsten von Weimar den Rücken zu kehren, Anette Seemann: Frankfurt und Weimar – zwei Landschaften erlebter Bildung. In: Supralibros 17 (2015), S. 16–19, hier S. 16. 699 Ebd., S. 17.
II Frankfurt am Main als kulturelles Zentrum im publizistischen Diskurs der Frühen Neuzeit
1 „Also auch Franckfurth die Stadt den besten Ruhm in Teutschland hat“ – Kontinuität und Entwicklung tradierter Topoi In der Frühen Neuzeit gab es in der literarisch-publizistischen Öffentlichkeit intensive Diskurse über Städte und ihre Eigenheiten, aus denen sich ein Stadtbild entwickelte. Das frühneuzeitliche Frankfurt am Main ist wegen seiner wirtschaftlichen, politischen und gesellschaftlichen Zentralortfunktionen ein herausragendes Beispiel, an dem eindrücklich die Entwicklung des Diskurses, das sich aus ihm ergebende Stadtbild als ein kulturelles Zentrum sowie dessen Funktionen aufgezeigt werden können. So war der Diskurs durch eine Vielzahl von Topoi und Stereotypen geprägt, die sich ausgehend vom Städtelob unter dem Einfluss der literarischen und diskursiven Eigenheiten der jeweiligen Textsorten entwickeln und etablieren konnten. Die spätmittelalterliche Ausgangslage und Voraussetzung für das frühneuzeitliche und humanistisch geprägte Frankfurt-Lob als Ausgangspunkt für den Frankfurt-Diskurs waren geprägt durch „politische Herrschaftsnähe ohne physische Vereinnahmung, kombiniert mit massiver Wirtschaftskraft“.700 Diese Feststellung von Thomas Eser für Nürnberg lässt sich angesichts der politischen, wirtschaftlichen und strukturellen Parallelen auch auf Frankfurt übertragen. Die Topoi, aus denen sich das frühneuzeitliche Frankfurt-Bild zusammensetzte, haben in der Frühen Neuzeit eine Entwicklung durchlaufen, indem sich das publizistische Stadtbild einerseits durch eine auffällige Konstanz in den rund 300 untersuchten Jahren auszeichnete, gleichzeitig aber auch einen signifikanten Wandel erfuhr, wie die folgende Analyse zeigen wird. Angesichts dieser scheinbar widersprüchlichen Parallelität von Kontinuität und inhaltlicher Variation und Veränderung widmen sich die folgenden Kapitel außerdem der Frage nach den Gründen und der Funktion des tradierten und sich verändernden Stadtbildes. Besonders herausragend war im Frankfurt-Bild die geographische Zentralität als Voraussetzung für die wirtschaftlichen, politischen und kulturellen Zentralortfunktionen.
1.1 Der „Central-Platz“ Frankfurt So war die geographische Zentralität eine wichtige Voraussetzung für Frankfurts kulturelle Zentralität, weshalb sie im publizistischen Stadtbild auch eine beson700 Eser, „Deutschlands Nabel“, S. 34. DOI 10.1515/9783110503326-003
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ders herausgehobene Stellung einnahm. Es gab kaum ein Städtelob oder eine Stadtbeschreibung in der kosmographischen Literatur, die nicht darauf einging. Dies liegt neben der tatsächlichen geographischen Verortung der Reichsstadt auch in der humanistischen Beschäftigung mit den Laudes urbium der Antike begründet, in denen die Kategorie des Situs eine große Rolle spielte, wie die literaturwissenschaftliche Forschung anhand zahlreicher Beispiele festgestellt hat.701 Deutliche Parallelen in den publizistischen Stadtbildern gibt es daher vor allem zu den Städten, die in Funktion und Bedeutung einer ähnlichen Kategorie angehörten wie Frankfurt, also Reichs-, Messe- und Handelsstädte. Nürnberg, Köln, Lübeck oder Speyer wurden – ähnlich wie Frankfurt – von den Humanisten stereotyp als Zentralorte, als Mitte Deutschlands und der Welt bezeichnet und an Kreuzungspunkten wichtiger Fern- und Handelsstraßen verortet. Die stereotype Ausprägung des Zentralitätsaspektes wird schon allein an der Vielzahl an Städten deutlich, die für sich beanspruchten, in der Mitte des Alten Reiches oder gar Europas zu liegen, was aber eher symbolisch gemeint war oder bezogen auf die jeweils lokale und überregionale verkehrstechnisch gute Anbindung.702 Ein Lob auf eine Stadt galt sogar als unvollständig, wenn es keine Angaben über die topographischen Verhältnisse und deren Vorzüge enthielt, weshalb die Beschreibung des Situs nach Ansicht des Städtelob-Experten Hartmut Kugler „als selbstverständlich und als unverzichtbar gelten“703 musste. Durch die Lektüre der antiken Stadtlobgedichte gewannen die humanistischen Autoren des späten 15. und 16. Jahrhunderts unter dem Einfluss des frühen deutschen RenaissanceHumanismus in der Tradition eines Leonardo Bruni und Enea Silvio Piccolomini offensichtlich die Überzeugung, dass die Geltung einer Stadt erst dann vollkommen zum Ausdruck komme, wenn man sie „als das Zentrum eines Landgebietes darstelle“.704 Die humanistische Tradition und gattungsspezifischen Eigenheiten des Städtelobs und der geographisch-topographischen Abhandlungen sowie der Apodemiken und Reiseanleitungen des 15. und 16. Jahrhunderts, die grundsätzlich 701 Schmid, Heilige Städte, alte Städte, Kaufmannsstädte, S. 141. 702 Siehe beispielsweise bei Helmut Neuhaus: Nürnberg in der Welt. Der Blick von außen auf die Reichsstadt an der Pegnitz in Spätmittelalter und Früher Neuzeit. In: Germanisches Nationalmuseum (Hrsg.): Anzeiger des Germanischen Nationalmuseums. Nürnberg 2002, S. 20–48, besonders S. 20–21; Franz Staab: Ein späthumanistisches Städtelob. Das Kapitel von „Spira“ in der „Harmonia Ecclesia Historica“ von 1576 des Wilhelm Eisengrein. In: Gesellschaft für Mittelrheinische Kirchengeschichte (Hrsg.): Palatia historica. Festschrift für Ludwig Anton Doll zum 75. Geburtstag. Mainz 1994, S. 361–397, hier S. 362, 380. 703 Kugler, Gelobtes Bamberg, S. 107; Hartmut Kugler: Stadt und Land im humanistischen Denken. Weinsheim 1983, S. 175. 704 Kugler, Gelobtes Bamberg, S. 107.
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die geographische Lage, Flüsse und Hügel beschrieben,705 führten dazu, dass die geographische Lage im publizistischen Bild der Reichsstadt Frankfurt einen großen Stellenwert einnahm und schließlich bis zum ausgehenden 18. Jahrhundert unter einer sich wandelnden inhaltlichen Fokussierung fortbestand.
1.1.1 Geographische Zentralität und gute Erreichbarkeit Als einer der wichtigsten Aspekte im Diskurs über Frankfurts geographische Verortung kristallisierte sich bei der Analyse die gute Erreichbarkeit der Reichsstadt heraus, wie sich beispielsweise im Städtelob von David Sigismund aus dem Jahr 1580 zeigt: „Moenia Teutonici tua sunt compendia Regni/ Omne tenes, quicquid Teutonis ora tenet.“706 Neben der stilisierten Form des Städtelobs mit seinen stereotypen Beschreibungen der geographischen Zentralität gingen die im 16. und 17. Jahrhundert erschienenen Kosmographien nicht nur auf den Zentralitätsaspekt, sondern auch auf die tatsächliche geographische Lage Frankfurts ein: „Diese deß Heiligen Römischen Reichs hochberümbte Statt“ liege zwischen dem Frankenland, Ober-Hessen und dem Rhein in dem Teil der Wetterau, der „die Drey-Eiche, oder Ayche“707 genannt wird, wie Martin Zeiller in der Topographia Hassiae (1655) schrieb. Sogar als „ocellus Germaniae“708 – als Perle und Augapfel Deutschlands – bezeichnete Philipp Andreas Oldenburger in den Thesauri Rerumpublicarum (1675) die Stadt Frankfurt und hob damit das städtische Ansehen als vorteilhaften Zentralort – sei es nun geographisch oder symbolisch – hervor. Neben den Stadtlobgedichten trugen somit auch die topographischen Beschreibungen zur Verbreitung des Bildes von Frankfurt in einer geographisch vorteilhaften und gut erreichbaren Lage bei, ebenso wie die Chronisten, die häufig eine Verortung der Lage Frankfurts in der regionalen Umgebung (Abb. 4) vornahmen, wie Johann Friedrich Faust von Aschaffenburg Anfang des 17. Jahrhunderts: „Franckfurt ligt in der Wetteraw an dem schiffreichen wasser Mayn gut.“709 705 Szende, „Innen“- und „Außensicht“, S. 258; Arnold, Städtelob und Stadtbeschreibung, S. 251. 706 Davidis Sigemundi Cassovii iter Germanicum & Sarmaticum. In: Nikolaus Reusner: Hodoeporicorum sive Itinerum totius ferè Orbis. Liber Septimus. Itinerum Saxonicum & Sarmaticorum. Basel 1580, S. 591–594, Frankfurt-Vers auf S. 593. Deutsche Übersetzung in: Kathrein/Krüger, Liebe zu Frankfurt, S 17: „Sie wird beschützt vom ganzen Reich/ Weil sie liegt in der Mitten gleich.“ 707 Martin Zeiller: Topographia Hassiae, Et Regionum Vicinarum: Das ist/ Beschreibung unnd eygentliche Abbildung der vornehmsten Stätte und Plätze in Hessen. Frankfurt a.M. 1655, S. 50, 54. 708 Oldenburger, Thesauri Rerumpublicarum, S. 1293. 709 Johann Friedrich Faust von Aschaffenburg: Der Statt Franckfurt und des Raths Sachen und Notabilia. Anfang 17. Jahrhundert. ISG: Chroniken S5/3, nicht fol. Aufschlussreich für den Verlauf
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Abb. 4: Gebietskarte von Frankfurt am Main. Kupferstich von Johan und Cornelis Blaeu, vor 1640.
Auch wenn viele Städte in der Frühen Neuzeit ihre geographische Lage priesen, war Frankfurt tatsächlich sehr zentral gelegen, wie eingangs im Kontextkapitel bereits dargestellt wurde.710 Durch die Präsenz des Zentralitäts-Topos in den Stadtlobgedichten, Kosmographien und Chroniken fand dieser auch Eingang in die Reiseliteratur, deren fester Bestandteil bis ins ausgehende 18. Jahrhundert häufig die topographischen Begebenheiten waren.711 1611 verortete bereits der Engländer Thomas Coryate Frankfurt gar „in the very meditullium or heart of all Germany“.712 Die günstige geographische Lage Frankfurts an den Hauptverkehrswegen prägte somit auch im 17. und 18. Jahrhundert das Bild Frankfurts, das den Reisenden durch die des Diskurses ist der Verweis Fausts von Aschaffenburg auf seine Informationsquelle, die Hessische Chronica von Wilhelm Dilich, Kassel 1606, S. 50. 710 Siehe Kapitel I.2.2 „Geographische Zentralität als Voraussetzung für kulturelle Zentralität“. 711 Hentschel, Die Reiseliteratur am Ausgang des 18. Jahrhunderts, S. 62. 712 Thomas Coryate: Crudities hastily gobled up in five Moneths Travells in France, Savoy, Italy, Rhetia commonly called the Grisons Country. London 1611, S. 161.
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Chroniken, Stadtbeschreibungen und Reiseführer vor Augen geführt wurde, indem die Reiseschriftsteller zumeist eine kurze – obligatorische – Verortung vornahmen: „Francfort que sa riviere divise en deux parties, est une des plus grandes de la Franconie, & se trouve située dans le diocese de Mayence.“713 In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts, insbesondere in den Lexikonartikeln, beschränkten sich die Informationen über Frankfurt zumeist auf eine kurze sachliche geographische Einordnung in den regionalen Raum, wie es bereits in den Kosmographien und geographischen Beschreibungen 200 Jahre zuvor geschah: „Franckfurt am Mayn, […] zum Ober-Rheinischen Crayß gehörig, 2 Meil. von Hanau, und 4 von Maynz, an den Fränkis. Gränzen in der Wetterau gelegen.“714 Sowohl die sachlich verfassten politisch-geographischen Gelehrtenschriften und Lexikon-Einträge als auch die empathisch-affektiv geprägten Epigramme und Reisebeschreibungen formten ein Bild von Frankfurt als einem geographischen Zentrum des Alten Reiches, das bis zum Ende des 18. Jahrhunderts tradiert wurde.
1.1.2 Wechselwirkung von geographischer und politischer Zentralität Die geographische Zentralität stand im Frankfurt-Bild in einer sehr engen Verbindung mit der politischen Zentralortfunktion. Schon Gunther de Pairis hob im 1187 verfassten Ligurinus die Bedeutung des Ortes aufgrund dessen politisch und geographisch prominenter Lage hervor: „Über den nächsten Träger der heiligen Krone beratend/ Kommen die edelsten Fürsten des ganzen Reiches zusammen/ An der Stätte, die weithin bekannt am strömenden Mainfluß.“715 500 Jahre später klingt das Frankfurt-Lob von Christoph Colerus (†1651) auffallend ähnlich: „Ein Stadt gelegen an dem Mayn/ Nicht weit da er fällt in den Rhein/ Die kan sich rühmen überall/ Daß sie sey aller Kayser Saal.“716 713 Remarques dʼun Voyageur sur la Hollande, lʼAllemagne, lʼItalie, lʼEspagne, le Portugal, lʼAfrique, le Bresil et quelques Isles de la Mediterranée. La Haye 1728, S. 121. 714 Johann Hübner (Hrsg.): Johann Hübners Neu-vermehrtes und verbessertes Reales StaatsZeitungs- und Conversations-Lexicon. Die allerneueste Auflage. Regensburg/Wien 1759, Sp. 421. 715 Lateinisches Original: „Acturi sacrae de successore Coronae/ Conveniunt Proceres totius viscera Regni/ Sede satis nota, rapido quae proxima Mogo/ Clara situ, populoque frequens.“ Vgl. Fritz Peter Knapp (Hrsg.): Der „Ligurinus“ des Gunther von Pairis. In Abbildung des Erstdrucks von 1507. Göppingen 1982, nicht pag. Deutsche Übersetzung aus Diehl, Frankfurt am Main im Spiegel, S. 207. 716 Christoph Colerus: Francofurtum ad Moenum (um 1630). Abgedruckt im lateinischen Original bei Nikolaus Reusner: Urbes Imperiales accessit Emporium francofordiense Henrici Ste-
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Den Diskurs über die Wechselwirkung zwischen geographischer und politischer Zentralität forcierten auch die Stadtchroniken und geographischen Beschreibungen aus dem 16. und 17. Jahrhundert, als zum Beispiel der Verfasser der Annales Reipublicae Francofurtensis (1571–1698) als scheinbar einfache Erklärung für die Bestimmung Frankfurts zur Kaiserwahlstadt die günstige Lage im Heiligen Römischen Reich anführte: „Zu der wahl [sei] kein gelegener ort im Römischen Reich zufinden gewesen“, wie man auch bei dem Trierer Rechtsgelehrten August Vischer717 nachlesen könne, den der Chronist auch zitiert: Sita est urbs in eo Germaniae loco, quo nullque commodior optari qveat, si eorum ab undique in eam commeandum est ratio habetur: […] dinarum tantam multitudinem hominum accire solet, eam veluti centrum in medio positam esse reperiemque. […] Francofurto, […] tanta est loci opportunitas, tanta est copia commerciorum, tanta illic frequentium commeantium ut qcqd usquam nascitur, illic commodius distrabatur.718
In dieser vom Chronisten aus der juristischen Gelehrtenliteratur übernommenen Passage heben besonders die Formulierungen „centrum in medio positam esse“ und „tanta est loci opportunitas“ die zentrale und vorteilhafte geographische Lage Frankfurts im Zentrum des Alten Reiches hervor. Im Anschluss an diese Beschreibung hat der Chronist einige bekannte Lobsprüche auf Frankfurt in seinen Text eingefügt, in denen die geographische Lage thematisiert und tradiert wird. Die gute Erreichbarkeit für die Kurfürsten übernahmen auch die Reisenden als Erklärung für die Bestimmung Frankfurts als Ort der Kaiserwahlen, wie der Engländer Stevens Sacheverell 1759 – hier in deutscher Übersetzung von Johann Philipp Cassell: „Diese Stadt sol im Mittelpunkte von Europa liegen, und aus dieser Ursache sol es auch gefügt seyn, die Kayser daselbst zu krönen, indem sie so bequem für die Churfürsten lieget, um bey dieser Gelegenheit daselbst zusammen zu kommen.“719 Die Gründe für Frankfurts Entwicklung zu einem der wich-
phani. Frankfurt a.M. 1651, S. 60–61: „Heic Mercatorum fanum clarissima fundo/ Qua Moenus Rheni trepidat miscerier vadis/ Et sua participant cordati nomina Franci./ Caesaribus sum nota domus templumque legendis.“ Deutsche Übersetzung in Diehl, Frankfurt am Main im Spiegel, S. 228–229. 717 Gemeint ist hier der Discursus Historico-Politico-Iuridicus De Electione Regis Et Imperatoris Romanorum, Eiusque Solemnitatibus Ad Aureæ Bullæ Caroli IV. Romani Imperatoris Leges Imperii Fundamentales ... ab Avgvsto Vischero Dresda-Misnico Ivre consulto. Köln/Luxemburg 1620 [erschienen 1626]. 718 Annales Reipublicae Francofurtensis. Verfasst: 1571–1698, Laufzeit: 744–1698. ISG: Chroniken S5/1, fol. 29v–30r. 719 Stevens Sacheverell (Schaverell): Vermischte Anmerkungen einer neulich gethanen siebenjährigen Reise durch Frankreich, Italien, Deutschland und Holland. Aus dem Englischen übersetzt von Johann Philipp Cassell, P.P. Gotha 1759, S. 452.
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tigsten reichspolitischen Zentren liegen demnach nicht nur in der Königsnähe, sondern auch in der zentralen, verkehrsgünstigen Lage der Stadt, die bei den Kaiserwahlen von allen Kurfürsten – insbesondere den vier rheinischen – verhältnismäßig bequem erreicht werden konnte.720 Der Historiker Lothar Gall spricht sogar von „eine[m] der natürlichen Zentren Deutschlands“721, das Frankfurt über viele Jahrhunderte hinweg war. Auch wenn die geographisch zentrale Lage zu einem weit verbreiteten Topos im Städtelob und den humanistisch geprägten Stadtbeschreibungen gehörte, konnten natürlich nicht alle Städte auf ihre Mittelpunktfunktion rekurrieren, besonders, wenn sie eher an den Grenzen des Reiches gelegen waren. Stattdessen fanden sich andere geographisch vorteilhafte Aspekte, wie beispielsweise das „glückliche Klima“, das Petrus Vincentius (Peter Vietz, 1519–1581) in seinem Lübecker Städtelob von 1552 hervorhebt: Wer sich von Krankheiten erholen wollte, die durch ungesunde Luft verursacht worden seien, der würde nach Lübeck reisen.722 Im 18. Jahrhundert kam eine historisierende Perspektive hinzu, als zum Beispiel Anton Kirchner die zentrale Lage mit dem historischen Glanz und der politischen Bedeutung Frankfurts für Teutschland gleichgesetzt hat: „So groß in deines Alterthumes Glanz/ Im guten, lieben deutschen Vaterlande/ Hoch strahlst du in der Städte edlem Kranz.“723 Im Laufe der Zeit sahen die Autoren außerdem nicht mehr die geographische Zentralität als Voraussetzung für die politische Bedeutung an, sondern umgekehrt die vorteilhafte politisch-nachbarschaftliche Verortung als günstig für Frankfurts weitere Entwicklung. So beschreibt der in Höchst bei Frankfurt geborene Jurist, Schriftsteller und Reisende Johann Kaspar Riesbeck (1754–1786) 1783 in seiner anonym veröffentlichten Reisebeschreibung die günstige (Ausgangs-)Lage Frankfurts gegenüber seinen Nachbarterritorien, weil es „mitten in dem beßten Theil von Deutschland [liege], dessen natürlicher Reichthum den Luxus begünstigt, und der in so unendlich kleine Herrschaften zerstückt ist, daß sie von Verboten fremder Waaren und Prachtgesetzen nichts zu beförchten hat“.724 Darüber hinaus habe die Stadt keinen „so mächtigen und über seinen und seiner Unterthanen Nutzen so aufgeklärten Nachbarn, wie Danzig, welches die nämliche Art von Gewerbe trieb, als sie“.725 720 Härter, Aachen – Frankfurt – Nürnberg – Regensburg, S. 179. 721 Frankfurter Historische Kommission, Frankfurt am Main, Vorwort, S. 8. Siehe auch Ernst Mack: Von der Steinzeit zur Stauferstadt. Die frühe Geschichte von Frankfurt am Main. Frankfurt a.M. 1994. 722 Hammel-Kiesow, Hansestädte im Städtelob der Frühen Neuzeit, S. 30. 723 Anton Kirchner: Hoch strahlst du. Abgedruckt in: Kathrein/Krüger, Liebe zu Frankfurt, S. 175. 724 [Johann Kaspar Riesbeck:] Briefe eines Reisenden Franzosen über Deutschland an seinen Bruder zu Paris. Bd. 2. Zürich 1783, S. 387. 725 Ebd., S. 387–388.
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1.1.3 Die Lage am Main: „Motor“ für Verkehr und Handel Es hat sich in den vorangegangenen Kapiteln bereits angedeutet, dass das Frankfurt-Bild sehr stark auf die geographische Lage am Main und gute Erreichbarkeit Frankfurts als Vorteil für die politische Bedeutung und natürlich für Wirtschaft und Handel726 abzielte: „Urbs vetus in dextra Moeni stat condita ripa“727, schreibt Anfang des 16. Jahrhunderts der Dichter Jakob Moltzer.728 „Intersecat hac urbem Moenus magnus & navigabilis“729, heißt es in den Deliciarum Germaniae von Gaspar Ens (1570–1650); nur zwei von zahlreichen Beispielen. Wie wichtig die Betonung der zentralen geographischen Lage im 16. Jahrhundert offenbar war, zeigt auch das Städtelob von David Chytraeus (1530–1600) auf die Handelsstadt Rostock. Er fühlte sich bemüßigt, ausgerechnet die fehlende angenehme Lage damit zu kompensieren, dass die wertvollen Verdienste städtischer Gemeinschaft (evangelische Lehre, Wissenschaft, wahre Frömmigkeit, Tugenden) ebenso wie die Schönheit der Mauern und Häuser viel kostbarer seien als die Vorteile eines Hafens, der Befestigungsanlagen und Reichtümer.730 Interessanterweise spielte der Hafen am Main – trotz seiner wichtigen wirtschaftlichen Bedeutung – im Frankfurt-Bild keine große Rolle. Während Maria Bogucka in der polnischen Reiseliteratur der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts ausführliche Beschreibungen von Danzigs Hafen als mächtigem Treffpunkt von Kaufleuten aus fernen Ländern und Einheimischen aus ganz Polen, als Raum vom „aktiven Verkaufs- und Kaufgeschehen“731, aber auch von den Speichern, Hafenanlagen und Schiffen ausmachen konnte, wurde das Geschehen am Frankfurter Hafen nur rudimentär beschrieben, etwa in den Chroniken, wenn die Schiffe wegen Hochwasser nicht beladen oder gelöscht werden konnten. Eine Erklärung hierfür mag darin liegen, dass der Hafen im Danziger Stadtbild die Funktion übernahm, die die Handelsmessen im Frankfurter Bild übernommen haben. 726 Siehe zur Bedeutung des Mains für die mittelalterliche Binnenschifffahrt und den Handel Ralf Molkenthin: Handeln, Reisen, Kriege führen. Binnenschifffahrt im frühen und hohen Mittelalter. In: Dieter Rebentisch/Evelyn Hils-Brockhoff (Hrsg.): Aufsätze zum Thema: Stadt am Fluß – Frankfurt und der Main (AFGK 70). Frankfurt a.M. 2004, S. 11–21. 727 Moltzers Verse auf Frankfurt haben Reusner (Urbes Imperiales, 1651, S. 57–58) und Wolfgang Albrecht Stromer von Reichenbach (Speculum Germaniae. Oder Ein kurtzer Geographischer Bericht von dem Gesammten Teutschland. Nürnberg 1676, S. 217) abgedruckt. Deutsche Übersetzung: „Am Mayn-Fluß liegt eine alte Stadt.“ Vgl. Diehl, Frankfurt am Main im Spiegel, S. 214. 728 Jacob Micyllus (Molsheim/Moltzer, 1503–1558) wirkte im höheren Schuldienst in Frankfurt am Main und hatte damit einen persönlichen Bezug zur Stadt. 729 Gaspar Ens: Deliciarum Germaniae, Tam Superioris Quam Inferioris, Index […]. Köln 1609, S. 138. 730 Hammel-Kiesow, Hansestädte im Städtelob der Frühen Neuzeit, S. 38. 731 Bogucka, Die Weichselstädte im Bild der polnischen Literatur, S. 74.
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Parallel zu den Stadtlobgedichten forcierten die Frankfurter Chronisten im 16. und 17. Jahrhundert den Topos der geographisch-wirtschaftlichen Zentralität, indem sie stereotyp von einem „bequemen Ort in Teutschland“ schrieben und die regionalen Vorteile nannten: „Viele benachbarte Örter bringen in Meß-Zeiten leichtlich eine solche grosse Menge Volcks zusammen, daß man wohl sagen kann, sie mache die Mitte von allen herumliegenden Örtern aus.“732 Den zeitgenössischen Äußerungen nach wurde Frankfurt besonders während der Handelsmessen zu einem Zentralort, denn die unmittelbare Verbindung des Mains zum Rhein spielte im Frankfurt-Bild für einen unkomplizierten Warentransport zwischen Frankfurt und den deutschen und europäischen Handelszentren eine große Rolle, wie schon der Humanist Ulrich von Hutten 1510 hervorhob: „Per mediam se Moenus agit, pontemque subintrat,/ Nec procul hinc Rheni vasta fluenta petit.“733 Deutliche Parallelen zum Frankfurt-Bild finden sich wiederum in Stadtbeschreibungen und Lobgedichten auf Danzig, die häufig die Lage der Stadt in der Nähe des Meeres und an der Weichsel beschreiben, die schiffbar gewesen sei, den Handel mit Polen ermöglicht und den Zugang zu lebenswichtigen Gütern gewährleistet habe, was der eigentliche Grund für den Reichtum Danzigs gewesen sei.734 Auch im Hamburger Städtelob nimmt die Elbe eine zentrale Stellung als Grund für die wirtschaftliche Stärke und den Reichtum der Stadt ein, beispielsweise in dem Lobspruch In laudem clarissimae urbis Hamburgae carmen (1537) von Johann Freder.735 Gleiches gilt auch für Warschau. Obwohl die polnischen Städte in Stadtlobgedichten (kaum vorhanden) und Reisebeschreibungen eher selten positiv beschrieben wurden, nahmen die Reisenden die schöne Lage der Stadt auf dem hohen Weichselufer lobend wahr.736 Einige Autoren verglichen Frankfurt und den Main mit europäischen ‚Hauptstädten‘ und Hauptflüssen und machten Frankfurt gar zu einer „Hauptstadt“ des Reiches und Europas, wie Johann Ludwig Gottfried (um 1584–1633): „Gallia Lugdunum miratur, at Itala tellus/ Rem Venetam, Hispanos operosa Sevillia jactat,/ Londinum Tamesis, speciosa Antwerpia Scaldem,/ Ast ego Teutonicas inter caput 732 Lersner, Der Weit-berühmten freyen Reichs-, Wahl- und Handels-Stadt Chronica, S. 7–8. 733 Ulrici Hutteni equestris ordinis poetae in Vuedegum Loetz/ Consulem Gripesualdensem in Pomerania et filium eius. Frankfurt/Oder 1510, S. 156. Frankfurt-Vers aus der siebten Elegie Ad Ludovicum Huttenum equitem auratum. Deutsche Übersetzung nach Gottlieb Christ in: Friedrich Mohnike: Ulrich Hutten’s Klagen gegen Wedeg Loetz und dessen Sohn Henning. Zwei Bücher. Greifswald 1816, S. 119. 734 Zeller, „Ich singe Dantzig dich“, S. 34, 39. 735 Hammel-Kiesow, Hansestädte im Städtelob der Frühen Neuzeit, S. 47. 736 Vgl. Bogucka, Die Weichselstädte im Bild der polnischen Literatur, S. 72. Hier handelt es sich um den Reisebericht von Jean Paul Mucante aus dem Jahr 1596.
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altius urbes/ Effero Francfurtum, qua pons tua, Moene, fluenta.“737 Gottfried stellte einen als Proömium dienenden Vergleich mit anderen Städten und Flüssen aus der Antike an, in dem das gelobte Frankfurt sämtliche Städte überbot. Christoph Petschke erwähnte 1657 die Reichsstadt in einem Atemzug mit Venedig, um Frankfurts strategisch vorteilhafte Lage innerhalb des europäischen Handelsnetzes zu betonen: So bringt es doch der Mayn/ dem Tagus738 selber weicht/ Dem seine Hand der Rhein/ der Flüsse Vatter/ reicht./ Wo ist der Vorzug nun/ ists daß Venedig lieget/ in Thetis739 grüner Schooß, nun mehr mit Rudern Pflüget?/ Wohl dem der nicht bewohnt des Nereus740 gläsern Hauß/ Der nicht die Morta741 hört durch einen jeden Sauß!742
Selbst die zentrale Lage der europäischen Handelsstadt Venedig könne nicht mit Frankfurt konkurrieren. Sie berge sogar mehr Nach- als Vorteile, weil Hochwasser, Unwetter und Stürme eine Gefahr darstellen würden. Für die historische Literaturforschung gehörte das Einreihen einer Stadt in den Rang antiker griechischer und großer bedeutender italienischer Städte zum humanistischen Verständnis insbesondere der lateinischen Literatur.743 Georg Greflinger beispielsweise verglich Danzig in seinem Epigramm Auff die berühmte Stadt Dantzigk (1646) mit bedeutenden Hauptstädten Europas: „Ist, wie man sagt, die Welt im großen Rom zu sehen, Sol auch Neapolis vor gantz Italien stehen, Vor Franckreich das Paris, so mag auch unser Preußen nur Dantzig und nicht mehr wie vormals Preußen heißen.“744
737 Johann Ludwig Gottfried: Lateinischer Vers um 1630. Diesen Vers hat Gottfried für die Vignette des Frankfurter Stadtplans von Matthäus Merian geschrieben: Große Vogelschau von Süden. Kupferstich von 1628, siehe Abb. 3. Deutsche Übersetzung: „Frankreich bewundert Lyon, Italien rühmt sein Venedig,/ Das Hispanische Volk ist stolz auf das tätige Sevilla,/ London rühmt sich der Themse, das schöne Antwerpen der Schelde –/ Ich aber preise höher als alle Stätte in Deutschland/ Frankfurt und seinen Strom, den Main.“ Vgl. Diehl, Frankfurt am Main im Spiegel, S. 225. 738 Span. Tajo/Port. Tejo; längster Fluss der iberischen Halbinsel. 739 Meeresnymphe aus der griechischen Mythologie. Sie war die schönste der zahlreichen Töchter des Nereus. 740 Meeresgott der griechischen Mythologie. 741 Morta ist der latinisierte Name der griechischen Schicksalsgöttin Moira in der römischen Mythologie, die in der Odyssee von Homer den Todestag voraussagt. 742 Christoph Petschke: O edles Franckfurt, 1657. Abgedruckt in: Kathrein/Krüger, Liebe zu Frankfurt, S. 29–30; Diehl, Frankfurt am Main im Spiegel, S. 229–230. 743 Ludwig, Die Darstellung südwestdeutscher Städte, S. 63. 744 Abgedruckt in Heinz Kindermann (Hrsg.): Danziger Barockdichtung. Leipzig 1939, S. 212. Außerdem hierzu: Zeller, „Ich singe Dantzig dich“, S. 31.
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In dem Stadtlob von Petrus Vincentius von 1552 war die Hansestadt Lübeck nicht nur Athen und Rom überlegen, sondern allen Städten auf dem Erdkreis.745 Der Humanist Cimbrius Erasmus Michaelius Laetus schrieb über Hamburg: „Und da der Ort günstige Gestade bietet, die für die benachbarten Reiche leicht zu erreichen sind, wird vieles importiert, vieles von hier auch exportiert, und der Handel wird in weit entfernte Gebiete getragen. […] Die Elbe ist die beständige Grundlage für ihren Erfolg.“746 So war die geographische Zentralität und vorteilhafte Lage an Handels- und Schifffahrtsstraßen als Bedingung für einen blühenden Handel nicht nur typisch für das Frankfurt-Bild. Sie fand sich regelmäßig in Lobgedichten insbesondere auf Handels- und Messestädte.
Abb. 5: Der Frankfurter Main-Hafen als wichtiger Handels- und Umschlagplatz. Kupferstich von Matthäus Merian d.Ä., 1646.
Die Frankfurter Stadtlobgedichte, Kosmographien und Chroniken entwarfen somit ein – interessanterweise zumeist von den Handelsmessen losgelöstes – Bild von Frankfurt als Handels-Knotenpunkt, dessen Lage am Main einen reichsweiten Handelsverkehr und Warenumschlag ermöglichte. Auf dem Fluss transportierten „die vornehmsten handelsstätt, Cöln, Straßburg, Speyer, Würtzburg, Bamberg und andere örter“ ihre Waren per Schiff von und nach Frankfurt, und 745 Hammel-Kiesow, Hansestädte im Städtelob der Frühen Neuzeit, S. 19. 746 Ludwig, Litterae Neolatinae, S. 133–134.
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zwar „alles in guter ordnung, auch ob schon etwan ein schiff außer seiner stell am Kran muß gelediget oder eingeladen werden, hatt es andoch so bald zu seiner stell wieder abzuweichen und sich in seiner ordnung finden zulaßen“747, wie die Stadtchroniken festhielten. Anknüpfend an das humanistisch geprägte Bild, blieb die Lage am Main bis in das 18. Jahrhundert hinein Bestandteil des Frankfurt-Bildes. Allerdings traten neben die Funktion als Haupthandels- und Transportweg weitere Aspekte, wie die Beschreibung des Flusses und des Wassers selbst. Nach Ansicht des Chronisten Johann Adolf Stock habe Frankfurt durch die Lage am Main einen „ansehnlichen und sonderbahren Vorzug“748, weil in ihm nicht nur Goldkörner und Perlen gefunden würden, sondern der Main „ein angenehmer und lieblicher Fluß“749 sei, auf dem die Schiffe und Boote gefahrlos trotz seiner Strömung sicher an ihr Ziel kämen. Johann Isaak Freiherr von Gerning beschrieb in einer im Neuen Teutschen Merkur veröffentlichten Stadtbeschreibung ganze 300 Jahre nach den ersten Stadtlobgedichten die „glückliche Lage“ Frankfurts als „Grenzpunkt zwischen Norden und Süden“ sowie als großen „Post- und Transito-Mittelpunkt von Europa“, was „noch lange den Wohlstand Frankfurts erhalten“750 werde, weil in Frankfurt „von allen Orten Teutschlandes und vielen angrentzenden Reichen und Ländern Käufer und Verkäuffer zusammen kommen“751 würden. Gleichwohl verschwiegen die Chronisten nicht die „zwo widrige[n] und böse[n] Eigenschaften“752 des Mains: Zum einen sei er in manchen Jahren zur Zeit der Herbstmesse an der Anlege- und Abladestelle so flach gewesen, dass es große Mühe bereitet habe, die Schiffe zu löschen und die Waren an Bord zu bringen. Zum anderen konnte es zur Ostermesse ein derart starkes Hochwasser geben, dass die „Kaufleuthe zu ihren Kräm zu schiff fahren“ mussten und das Handelsgeschäft erst in der letzten Messewoche verrichten konnten.753 Für das Jahr 1342 nimmt die Beschreibung eines besonders zerstörerischen Main-Hochwassers sogar eineinhalb Folio-Seiten in der Chronica Francofurtensis ein. Das Wasser habe Sachsenhausen komplett eingeschlossen und sei im Frankfurter 747 Maximilian Faust von Aschaffenburg: Frankfurter Chronik. Ca. 1624. ISG: Chroniken S5/12, fol. 54v. 748 Johann Adolf Stock: Kleine Franckfurther Chronick. Frankfurt a.M. 1719, S. 79. 749 Ebd., S. 80. 750 Johann Isaak Freiherr von Gerning: Skizze von Frankfurt am Mayn. Beschluß. In: Der neue Teutsche Merkur 3 (1799), S. 42–52, hier S. 49. 751 Curieuses und Reales Natur- Kunst- Berg- Gewerck- und Handlungs-Lexicon. Die vierte Auflage mit allem Fleiß verbessert. Leipzig 1722, Sp. 722. 752 Waldschmidt, Chronicon, Chroniken S5/66, fol. 37. 753 Ebd.
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Teil in sämtliche Straßen und Gassen gelaufen. „Das gemeine Volck ist geflohen, schreyend und weinend, meinend die Statt würde untergehen.“754 Problematisch wurde es offenbar auch am 27. März 1709, als das Geleit zur Oster- bzw. Frühjahrsmesse im tiefsten Schnee eingeholt werden musste. Die Läden und Messestände an Main und Römerberg seien bereits aufgestellt und die Waren ausgeladen worden, „als auf einmal der Main so schnell zu wachsem [sic] anfieng und durch die Thore weit in die Stadt eindrang“.755 Dies hatte zur dramatischen Folge, „daß vielen Kaufleuten ihre Waaren theils verdorben wurden, theils gänzlich zu Grund giengen, und sie hierdurch großen Schaden erlitten“.756 Um 1630 schrieb der Chronist Maximilian Faust von Aschaffenburg, dass der Main „der Statt zu underschiedlich vielen mahlen auch großen schaden gethan und dadurch ursach gegeben, daß die alten solche Jahrzeitten und Wassersschäden nicht allein in ihr gebett- und gültbücher eingeschrieben, sondern auch an etlichen gebeuw und in stein eingezeichnet haben“.757 Wiederholt war der Main zugefroren, das Wasser stand so tief, dass die Schiffe fast nicht über den Rhein gelangen konnten, oder die Mühlen mussten aufgrund des niedrigen Wasserpegels stillstehen.758 In den chronikalischen Aufzeichnungen eines Unbekannten über die Jahre 1672–1693 wurden sogar Zeitungs- und Zeitschriftenartikel eingeklebt, die den hohen Stellenwert des Mainflusses im literarischen Stadtbild widerspiegeln. Da runter befanden sich eine „Kurtze Erzehlung von der Grossen und undencklichen Ergiessung deß Mayn-Strohms, Welche am 17. Jan. dieses 1682. Jahrs am höchsten gestanden; Wobey mit angefügt, was in drey-biß vierhundert Jahren vor grosse Wasser-Fluthen auß dem Mayn entstanden, auch was sie theils vor Schäden gethan“.759 Die zentrale Bedeutung des Mains im alltäglichen Leben der Frankfurter Bürger sowie im tradierten Stadtbild wird aus der regelmäßigen Berichterstattung und Erfassung wetterbedingter Ereignisse offensichtlich. Zum Stadtbild gehörten somit auch die Gefahren und Probleme, die sich aus dem unmittelbaren Leben am Main ergaben.760
754 Adam Schile: Chronica Francofurtensis. Pars Prima. Laufzeit: 1034–1399. ISG: Chroniken S5/4, Eintrag zum Jahr 1342. 755 Philipp Jakob Döring: Vierzig Jahre von Frankfurt am Main. Nebst einer chronologischen Übersicht von 1700 bis 1833. Frankfurt a.M. 1834, S. 9. 756 Ebd. 757 Maximilian Faust von Aschaffenburg, Frankfurter Chronik, S5/12, fol. 54v. 758 Stock, Kleine Franckfurther Chronick, S. 64–65. 759 Aufzeichnungen eines Unbekannten über die Jahre 1672–1693. ISG: Chroniken S5/77. 760 Siehe hierzu ausführlich Claudia Schüßler: Hochwasser und Überschwemmungen. Leben mit dem Main. Eine Chronik. In: AFGK 70 (2004), S. 167–184.
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Es zeigt sich, dass das in der publizistischen Öffentlichkeit entworfene und tradierte Frankfurt-Bild trotz der vorherrschenden literarischen Konventionen keine reine Idealisierung und Verherrlichung war, denn die Stadtchroniken, aber auch Stadt- und Reisebeschreibungen setzten sich zum Teil kritisch mit den Eigenheiten und Besonderheiten Frankfurts und seiner Lage am Main auseinander. Es ist jedoch überraschend, dass sich nicht nur auswärtige Beobachter kritisch äußerten, sondern auch aus städtischer Perspektive differenzierte Stimmen das publizistische Frankfurt-Bild prägten, weil sie eine größtmögliche Ausführlichkeit und Objektivität anstrebten.
1.1.4 Die fruchtbare Lage: Ernährung und Versorgung Zum geographischen Frankfurt-Bild gehörte neben den politischen, verkehrstechnischen und ökonomischen Vorteilen die fruchtbare Lage der Stadt als Vo raussetzung für eine mühelose Versorgung mit Grundnahrungsmitteln. Tatsächlich spielten in Mittelalter und Früher Neuzeit etwa Fischfang – als erstes für Frankfurt bezeugtes Handwerk überhaupt – und Fischhandel unabhängig von den zwei Messen das gesamte Jahr hindurch eine große Rolle im Wirtschaftsleben der Stadt. Einerseits konnte mit dem Fischfang aus dem Main die Bevölkerung versorgt werden. Andererseits reichte dies nicht aus, um den gesamten Bedarf zu decken, weshalb der Main auch als Transport- und Einfuhrweg von konserviertem Seefisch eine große Bedeutung hatte, wie Michael Matthäus in seiner Untersuchung zur Fischerei in Frankfurt festgestellt hat.761 Im Frankfurt-Bild des 16. und 17. Jahrhunderts nahm die Versorgungsfunktion einen prominenten Platz ein. Der Dichter Petschke machte in seinem Lobspruch von 1657 die Versorgungs-Funktion, Fülle und Reichhaltigkeit an Nahrungsmitteln in Frankfurt durch eine Auflistung der Götterfiguren deutlich, die für die vegetative Fruchtbarkeit, das Getreide und die Reichhaltigkeit an Obst und Gemüse verantwortlich waren: „Den satten Überfluß/ die Cereß762 ihn [den Main, Anm. d. Verf.] bekräntzt/ Der Liber763 und Pomon764 auff seinem Tische gläntzt./
761 Michael Matthäus: Fischerei in Frankfurt. Der Fluß als Nahrungsreservat vom Mittelalter bis zum 17. Jahrhundert. In: Rebentisch/Hils-Brockhoff, Aufsätze zum Thema: Stadt am Fluß, S. 23–92, hier S. 84, 86. 762 Ceres: Römische Göttin des Ackerbaus, der Fruchtbarkeit und der Ehe. 763 Liber: Römischer Gott der vegetativen und animalischen Befruchtung. 764 Pomona: Römische Göttin des Obstsegens.
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Hiermit ist sonderlich der Franken Furt bereichet/ Daß ihm an Luft und Kost Elysium nur gleichet.“765 Dabei war es nicht untypisch für die humanistischen Lobsprüche, eine Stadt in ihrem ländlichen Umfeld zu zeigen,766 um auf die wirtschaftlichen Vorteile, die bevorzugte Lage in einer fruchtbaren Landschaft und die vorteilhafte Versorgungslage zu verweisen.767 Zu beachten ist an dieser Stelle die Anmerkung des Germanisten Hartmut Kugler, dass es im Städtelob nicht um die „Genauigkeit im wahrnehmbaren Detail“ geht, sondern um „literarische[…] Passformen“, die der Landschaft angeglichen werden,768 denn Ceres und Bacchus passen zwar durchaus ins Frankfurter Land, aber eben nicht nur dorthin. In den Laudationes anderer Städte findet man die Getreidegöttin und den Weingott ebenfalls. Für Kugler macht es den Eindruck, als hätten die humanistischen Lobredner „die beiden mediterranen Landgottheiten gern dort im Norden angesiedelt, wo es galt, das Umland einer Stadt als fruchtbar darzustellen“.769 Dadurch konnte sich der humanistische Ernährungs- und Wohlstandstopos im Stadtbild Frankfurts verankern. Auch der zeitweise in Frankfurt und Offenbach tätige Pfarrer und Autor Johann Ludwig Gottfried (1584–1633) zog im frühen 17. Jahrhundert eine Parallele zwischen der Fruchtbarkeit des Landes und dem Wohlstand der Frankfurter Bürger: „Fruchtbar ist mein Land und reich sind seine Bewohner.“770 Einige Jahrzehnte später verortete der nach Frankfurt gereiste Italiener Gabriello Galeazzo Cte di Comazzo Gualdo Priorato die Stadt in einer der schönsten, dicht bevölkerten und fruchtbarsten Gegend der Wetterau, umgeben von Weinbergen und Getreidefeldern.771 Die Ernährungsfunktion einer Stadt spielte für Frankfurt eine große Rolle, aber war nicht nur spezifisch für das Frankfurt-Bild. Sie gehörte zum üblichen Themenkanon des Städtelobs – insbesondere von Reichs- und Handelsstädten. 765 Petschke, O edles Franckfurt, 1657. 766 Wolfgang Schmitz (Hrsg.): Johann Haselberg, Eyn Lobspruch der keyserlichen freygstath Coellen von 1531. Köln 2006, S. 37. 767 Fouquet, Mit dem Blick des Fremden, S. 48. 768 Kugler, Gelobtes Bamberg, S. 104. 769 Ebd.; Kugler, Stadt und Land im humanistischen Denken, S. 172. 770 Diehl, Frankfurt am Main im Spiegel, S. 225. Im lateinischen Original: „Foecundus ager, populus cum divite censu.“ 771 „Sito della Città. Giace questa Città nel Paese chiamato la Verravia trà la Franconia, e lʼLandgraviato dʼHassia, una della più belle, e popolate regioni della Germania, in campagna aperta, e piana abbandantissima de grani, e dʼogni intorno coronata de piaccevoli monti, e collinette ripiene de vigne dʼarbori fruttiferi tempestate di casamenti, & alle falde delle medesime.“ Vgl. Galeazzo Gualdo Priorato: Relatione del Governo, e Stato delle Città imperiali di Norimberg, Augusta, Ulm, e Francfort. Köln 1668, S. 93–94.
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Als ein Beispiel von vielen ist das Preisgedicht auf Flensburg, Regiae Urbis Flensburgae Qualecundque Praeconium (zwischen 1587 und 1593)772, von Zacharias van Widing zu nennen. Darin schrieb er: „Denn Du bietest Nahrung und Wohnung allen, passend für Reiche, passend für Arme. Denn der Herr hat Dich durch allerlei Gaben gesegnet, durch eine Flotte, die Förde, den Hafen und die Bequemlichkeit der Lage. […] Ja, (Du verteilst) an etwas weiter Wohnende oder gar recht entfernt Gelegene […]: Unter ihnen liegst Du wie ein Centrum und bist von ihnen umgürtet wegen der Bequemlichkeit der Lage.“773 Die Lage Frankfurts und die Versorgungsmöglichkeiten spielten auch in den Chroniken des 17. Jahrhunderts eine Rolle, wobei erneut der Main ein facettenreiches und zentrales Element darstellte, habe er doch „ein sehr frisches, gesundes Waßer, so härter und tragbahrer alß der Rhein, welcher dagegen so viel leichtund matter ist“.774 Bekannt sei der Main außerdem laut Waldschmidt-Chronik „wegen seiner guten und vielen fische[…], daß er von etlich Moenus pisciferus oder piscopus, der fischbringende oder fischreiche Mayn genennet wird“.775 Im Sommer 1625 sei der Main sogar so fischreich gewesen, dass „nicht alle verkauffet werden“776 konnten. Aufgrund der fruchtbaren Frankfurter Erde könne die Stadt ihren Ernteüberfluss an Mainz und Hanau abgeben und einen ganz besonderen Wein produzieren. Was der Stadt ansonsten fehle, würden die vier berühmten Auen ersetzen, „alß da ist die Wetterau, welche den Speicher, das Ringau den Keller, das Gerau die Küchen mit Gemüß reichlich versorget“. Solle dann immer noch etwas fehlen, das „ersetzet der Mayngaw, da siehet man täglich die Menge des Brenn- und Bau-Holtzes, samt andern zum Bau dienlichen Materialien, nebst den Früchten“.777 Der Fruchtbarkeitstopos fand mit Hilfe der intertextuellen und kompilatorischen Schreibgewohnheiten des 16. und 17. Jahrhunderts auch Eingang in die
772 Deutsche Übersetzung: „Ein (wie beschaffen auch immer) Preislied auf die königliche Stadt Flensburg.“ 773 „Tu siquidem praebes alimenta habitacula cunctis, Commoda divitibus, commoda pauperibus. Omnigena siquidem Dominus te dote beavit Classe, freto, portu, commoditate situs. […] Distribuis iusto merces dein aere colonis Finitimis, tibi ceu proximitate sitis; Sede sitis tibi quin longinqua sive propinqua […]: In quibus es sita, ceu centrum, regionibus atque Cincta tibi atque istis commoditate loci.“ Abgedruckt in Hans-Jochen Ehrhardt: Lobpreis und Schimpf über Flensburg und seine Bürger im 16. Jahrhundert. In: Broder Schwensen (Hrsg.): Flensburg um 1600. Ausgewählte Beiträge. Flensburg 2006, S. 119–169, hier S. 156–157. 774 Waldschmidt, Chronicon, Chroniken S5/66, fol. 34. 775 Ebd. 776 Frankfurter Chronik von Maximilian Faust von Aschaffenburg, in der Abschrift Johann Maximilian zum Jungen (1624). Nach 1638. ISG: Chroniken S5/74, fol. 54r. 777 Lersner, Der Weit-berühmten freyen Reichs-Stadt Franckfurt am Mayn Chronica, S. 8.
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Reisebeschreibungen, die von Frankfurts Lage „in einem fruchtbaren Lande“778 berichteten, wie 1694 Prinz Wilhelm von Nassau-Dillenburg. Der Herr von Blainville beschrieb Frankfurt sogar wegen seiner vorteilhaften versorgungstechnischen Lage als „Hauptstadt“779 der Wetterau. Die gedruckten Chroniken und Reisebeschreibungen führten im 18. Jahrhundert das Bild von Frankfurt als in einer fruchtbaren Gegend gelegenen Stadt mit ihrer geographischen Einbindung zwischen Hanau, Mainz, Homburg, Darmstadt und Friedberg fort.780 Demgegenüber trat die politische Zentralitätsfunktion für das Alte Reich zunehmend in den Hintergrund. Johann Adolf Stock zum Beispiel setzte seinen Schwerpunkt auf die Fruchtbarkeit des Bodens und die lokalen Vorteile, von denen Frankfurt habe profitieren können, während er die zentrale Bedeutung auf Reichs- und europäischer Ebene nicht mehr ansprach. Die Stadt habe aber wohl „einen ziemlichen Umkreiß von schönen Gärten und herrlichen Weinbergen“, jedoch nur „eine kleine Landschaft und sehr wenige Dorffschaften“.781 Neben der historisch-politischen Zentralität als Begründung für Frankfurts Ansehen im Alten Reich spielte die Funktion der Ernährung und Versorgung der Bevölkerung aufgrund der guten Lage in einer reichhaltigen Natur eine zunehmende Rolle. Damit deutete sich ein Wandel im öffentlichen Bild Frankfurts an. Die zentrale Bedeutung der Stadt für (reichs-)politische Versammlungen rückte gegenüber menschlich-sozialen und individuellen Bedürfnissen sukzessive in den Hintergrund, wie sich im folgenden Kapitel noch deutlicher herausstellen wird.
1.1.5 Kulturelle Besonderheiten und Sehenswürdigkeiten Nachdem Frankfurts geographische Verortung im 16. und 17. Jahrhundert vorwiegend aus einer politischen, ökonomischen und pragmatischen (z.B. Ernährung, Versorgung) Perspektive betrachtet wurde, kam ab Mitte des 18. Jahrhunderts eine ästhetische Konnotation hinzu. Im Gegensatz beispielsweise zu den humanistischen Laudes auf Köln, die bereits im 16. Jahrhundert das ländliche Umfeld der Stadt als topische Frühlingslandschaft des locus amoenus, des Lustortes,
778 Prinz Wilhelm von Nassau-Dillenburg: Ausführliche Reisebeschreibung von ihm fleißig durchsehen und gemacht. Anno 1694. Herzogin Anna Amalia Bibliothek Weimar, Fol. 321, fol. 240. 779 Des Herrn von Blainville […] Reisebeschreibung durch Holland, Oberdeutschland und die Schweiz besonders aber durch Italien. Ersten Bandes erste Abtheilung. Lemgo 1764, S. 162. 780 Siehe z.B. Johann Adolf Stock: Kurzgefasste Franckfurter Chronic. Frankfurt a.M. 1753. 781 Ebd., S. 23.
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darstellten, sind für Frankfurt in dieser Zeit noch keine derartigen Beschreibungen überliefert.782 Das mag auch damit zusammenhängen, dass die für Frankfurt überwiegend vorhandenen volkssprachlichen Lobsprüche die Stadt nicht von außen wahrnahmen.783 Friedrich Andreas Walther (1727–1769) stellte erstmals in seinem 1748 erschienenen Lobgedicht auf Frankfurt einen romantisch anmutenden Bezug zur Herrlichkeit der Natur her: „Hier, wo der Mayn auf grünen Matten/ Die plauderhaften Wellen stillt/ Hier mahlt sich auf der Flut im Schatten/ Des alten Tyrus Ebenbild./ Hier sieht man Franckfurt sich bemühen/ Hier sieht man seine Grentzen blühen.“784 Bei dem Reisenden Chr. Wölfling schlängelte sich 1795 der Main „von Osten nach Westen […] in der Nähe der Stadt durch ein Gewimmel von Kähnen, Jachten und Schiffen“.785 An hellen Sommertagen könne man vom Turm des Bartholomäusstifts den Lauf des Stroms bis nach Kassel verfolgen „und seine Vermählung mit dem König der teutschen Ströme [Rhein, Anm. d. Verf.] in dämmernder Ferne wahrnehmen“.786 Das sich wandelnde Stadtbild und den Einbezug der schönen Frankfurter Gegend erklärt der Literaturwissenschaftler Paul Gerhard Schmidt wie folgt: Während im 16. und 17. Jahrhundert zahlreiche Fakten des städtischen Lebens wegfielen, wurden gleichzeitig die zum Maßstab angelegten Auswahlprinzipien zur Beschreibung der Städte umfangreicher und vielfältiger. Dazu gehörte auch der Einbezug des städtischen Umlands und bedeutender Persönlichkeiten einer Stadt.787 Sogar den Ernährungs-Topos untermalte der im vorangegangenen Absatz bereits erwähnte Verfasser Friedrich Andreas Walther mit einem romantisierten Bezug zur Natur, umschrieben mit zahlreichen harmonisierenden Adjektiven und Verben: „Ein Walt umhüllet Berg und Hügel/ Bald schwingt der West die sanften Flügel/ Ins Reich beladner Aehren hin:/ Bald sieht man durch die fette Wiesen/ Den großen Mayn-Strom wallend fließen/ Und bald den theuren Weinstock blühn.“788
782 Ursula Rautenberg: Stadtlob und Topographie. Johannes Haselbergs „Lobspruch der Stadt Köln“ von 1531. In: Jahrbuch des kölnischen Geschichtsvereins e.V. 65 (1994), S. 55–79, hier S. 62. 783 Kugler, Die Vorstellung der Stadt, S. 5, 188–227. 784 Die Vorzüge der Stadt Franckfurt erschienen 1748 als Privatdruck. Zitiert wird folgende Ausgabe (Faksimile): Friedrich Andreas Walther: Die Vorzüge der Stadt Franckfurt am Mayn (1748). Besungen von Friederich Andreas Walther. Eingeleitet von Moriz Sondheim. Frankfurt a.M. 1926, nicht pag. 785 Chr. Wölfling: Reise durch Thüringen, den Ober- und Niederrheinischen Kreis: nebst Bemerkungen über Staatsverfassung, öffentliche Anstalten, Gewerbe, Cultur und Sitten. Teil 1: Frankfurth. Dresden/Leipzig 1795, S. 7. 786 Ebd. 787 Schmidt, Mittelalterliches und humanistisches Städtelob, S. 123–124. 788 Walther, Die Vorzüge der Stadt Franckfurt.
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Die spezifischen Gegebenheiten vor Ort rückten im Frankfurt-Bild sukzessive in den Vordergrund, wie die herrlich anzusehende Natur auf dem Weg von Mainz nach Frankfurt, das in den Augen des Reisenden August Joseph Ludwig von Wackerbarth „wirklich majestätisch ausgebreitet daliegt, schon von aussen bezaubert, und durch seine grünen Weingärten den Fremdling unwiderstehlich anlokt“.789 Ein ähnlicher Perspektivwechsel ließ sich 1780 bei Johann Georg Sulzer ausmachen, der das städtische Vergnügen und Erscheinungsbild der Stadt beschrieb. Die Lage dieser Stadt sei „äußerst angenehm, und die vielen schönen Gärten790 und Landhäuser, womit sie ganz umgeben ist, vermehren die Annehmlichkeiten des Orts“.791 Als Begründung für Frankfurts außerordentliche Lage dienten den Stadtund Reisebeschreibungen seit etwa 1700 neben den ästhetischen Vorzügen auch Sehenswürdigkeiten und geographisch-geologische Besonderheiten, von denen Frankfurt umgeben war, wie der Feldberg, auf dem man „alte heydnische Monumenta“792 betrachten könne, das „Hochfürstliche Heßische Schloß Homburg, die Chur-Maynzische Festung Königstein, das alte Stamm-Hauß der Grafen von Cronburg, und nebst Falckenstein die alte berühmte Reichs-Stadt Friedberg“.793 Johann Bernhard Müller erwähnte 1747 die in einem kleinen Bezirk um Frankfurt herum gelegenen „Gesundheits-Brunnen und warme[n] Bäder“ in Wiesbaden, Schlangenbad oder Schwalbach.794 Schließlich nannte der Reisende Johann Heinrich Campe 1786 die geographisch zentrale Lage Frankfurts überhaupt nicht mehr, dafür aber den Blick vom Kirchturm und die Einbettung Frankfurts in seine Umgebung, geprägt durch „lachende Gärten, voll von Weingeländern und mit niedlichen Lusthäusern besäet“.795 789 [August Joseph Ludwig von Wackerbarth:] Rheinreise. Herausgegeben vom Freiherrn v. Wakkerbart. Halberstadt 1794, S. 79. 790 Auch die Gärten und Landhäuser spielten für sich genommen seit der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts und im 19. Jahrhundert eine bedeutende Rolle im Frankfurt-Bild, worauf aus Gründen des Umfangs hier nicht näher eingegangen werden kann. Ausführlich dazu siehe Ursula Kern: „Die schönsten Gärten und Landhäuser findet man an den beiden Main-Ufern …“. Bürgerlich-städtische Naturerfahrung und Lebenspraxis im Garten um 1800 in Frankfurt am Main. In: Rebentisch/Hils-Brockhoff, Aufsätze zum Thema: Stadt am Fluß, S. 147–166. 791 Johann Georg Sulzer: Tagebuch einer von Berlin nach den mittäglichen Ländern von Europa in den Jahren 1775 und 1776 gethanen Reise und Rückreise. Leipzig 1780, S. 17. 792 [Caspar Gottschling:] Kurtze Nachricht von der Stadt Franckfurt am Mayn. Frankfurt a.M. 1709, S. 8. 793 Ebd., S. 8–9. 794 Johann Bernhard Müller: Beschreibung des gegenwärtigen Zustandes der Freien ReichsWahl- und Handelstadt Franckfurt am Mayn. Frankfurt a.M. 1747, S. 15. 795 Johann Heinrich Campe: Sammlung interessanter und durchgängig zweckmäßig abgefaßter Reisebeschreibungen für die Jugend. Zweiter Teil. Wolfenbüttel 1786, S. 182.
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1.1.6 Zusammenfassung Die geographische Lage Frankfurts war ein besonders zentraler Bestandteil des Stadtbildes. Sie war geprägt durch eine untrennbare Wechselwirkung zwischen geographischer, politischer, wirtschaftlicher, aber auch kultureller Zentralität – ausgehend davon, dass die geographische Zentralität im Humanismus als ‚Qualitätsmerkmal‘ für Reichs- und Handelsstädte hervorgehoben wurde und dadurch Eingang in den Frankfurt-Diskurs fand, der bis in das ausgehende 18. Jahrhundert Bestand hatte. Doch während beispielsweise der sächsische Hofhistoriker Matthäus Dresser Nürnberg 1581 als „umbilicus Germaniae“796, als Nabel Deutschlands, beschrieb und damit ein „anthropomorphe[s] Sprachbild von der idealen Zentrumslage Nürnbergs“797 entwarf, standen im Frankfurt-Bild weniger die symbolische Zentralortfunktion im Vordergrund, sondern stärker die wirtschaftliche und politische Ebene sowie die verkehrstechnische Zentralität. Bis zum Ende der Frühen Neuzeit behielt der Topos von Frankfurts geographischer Zentralität Bestand, während sich das Bild von einem politisch und handelstechnisch zentral gelegenen Standort am Main zu einem wirtschaftlich bedeutsamen Ort in einer angenehmen Lage und sehenswerten Gegend wandelte. Dabei fiel es den Zeitgenossen offenbar schwer, von dem lange tradierten Topos abzuweichen, wie die teilweise wortwörtliche Kontinuität des ZentralitätsAspektes im Frankfurt-Bild verdeutlicht. Somit wurde trotz oder gerade wegen des politischen und wirtschaftlichen Wandels798, sozialer innerstädtischer Konflikte799 und der nachlassenden politischen Bedeutung des Kaisertums und der Institution des Heiligen Römischen Reiches gegenüber einer zunehmenden Ter-
796 Das Manuskript zu Dressers fragmentarischer Odyssee-Übersetzung befindet sich in der Universitäts- und Forschungsbibliothek Erfurt/Gotha: Forschungsbibliothek, Handschriften, B 486, Matthäus Dresser, Dez. 1581. 797 Ausführlich zum Zentralitäts-Topos in Nürnberg-Beschreibungen siehe Eser, „Deutschlands Nabel“, S. 27. Allerdings hat Dresser die Metapher von Nürnberg als „Nabel Deutschlands“ nicht selbst erfunden, sondern bediente sich an dem Nabelbild einer früheren Länderbeschreibung des humanistischen Germania-Lobes, den 1518 erschienenen Germaniae exegesos volumina duodecima von Franciscus Irenicus (Franz Friedlieb, um 1495–1559), das auch einen Vers über Frankfurt enthält. Letztlich reicht die Metapher vom „Nabel der Welt“ auf die antiken Mythen vom Omphalos (griech. Nabel) in Delphi zurück. Siehe hierzu Werner Müller: Die heilige Stadt. Roma quadrata, himmlisches Jerusalem und die Mythe vom Weltnabel. Stuttgart 1961. 798 Gemeint sind eine Schwerpunktverschiebung von Handelszentren und wirtschaftliche Einbrüche durch Kriegsereignisse insbesondere im Zuge des Dreißigjährigen Krieges ab 1631 bis zur zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts. Siehe Schindling, Wachstum und Wandel, S. 223–224. 799 Duchhardt, Frankfurt am Main im 18. Jahrhundert, S. 289–295.
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ritorialisierung800 das Bild von Frankfurts zentraler geographischen Lage in der gesamten Frühen Neuzeit stereotyp tradiert. Ein Grund hierfür war Frankfurts Stellung als Reichsstadt in der Frühen Neuzeit, die laut der Germanistin und Historikerin Ursula Paintner zwischen „lokaler Anbindung und reichsstädtischer Bedeutung oszilliert[e]“.801 So ging es nicht nur in den von Paintner untersuchten Frankfurt-Lobtexten, sondern auch in den hier analysierten Quellen zum Frankfurt-Diskurs sowohl darum, den Bewohnern der Stadt nach innen zu vermitteln, in welcher Form Frankfurt regional und überregional eingebunden war, als auch darum, nach außen den Anspruch reichsstädtischer Geltung überzeugend darzulegen. Parallel dazu verengte sich der Fokus in der Darstellung sukzessive von der europäischen und reichsweiten Bedeutung Frankfurts auf die regionale und lokale Ebene. Diese Entwicklung hatte zur Folge, dass Frankfurts politische Rolle nicht nur in dem im Auflösen begriffenen Reich, sondern auch im Stadtbild allmählich verblasste. Stattdessen rückte die Bedeutung der Stadt für ihre Bewohner, ihr Umland und die Nachbarschaft in den Mittelpunkt. Dies ist auf die Weiterentwicklung der literarischen Gattungen und einer sich verändernden Praxis des Reisens und Beschreibens zurückzuführen. Nicht mehr nur die einzelnen Stationen, sondern auch der Reiseweg zwischen den Zielen geriet verstärkt in den Blick des Betrachters.802 Damit trat die politische Mittelpunktfunktion im Frankfurt-Bild im Laufe des 18. Jahrhunderts hinter der Bedeutung als kulturell und wirtschaftlich bedeutsamer Ort mit individuellen Vorzügen für die Bewohner und Besucher zurück, die in Frankfurt offenbar auf eine schöne, fruchtbare Gegend und herrliche Natur samt Sehenswürdigkeiten stießen. Eine nur geringe Rolle spielten im publizistisch tradierten Frankfurt-Bild indes ordnungspolitische Aspekte, Kriminalfälle803 oder Probleme, die für den Magistrat, die Bevölkerung oder auswärtige Besucher im Zusammenhang mit dem Main auftreten konnten.804
800 Wolfgang Burgdorf: Finis Imperii. Das Alte Reich am Ende. Ein Ergebnis langfristiger Entwicklungen? In: Stephan Wendehorst/Siegrid Westphal (Hrsg.): Lesebuch Altes Reich. München 2006, S. 13–20, hier S. 15. 801 Paintner, Zwischen regionaler Verortung und Reichsperspektive, S. 372. 802 Bödeker, Reisebeschreibungen im historischen Diskurs, S. 276–298. 803 Siehe hierzu Inge Kaltwasser: Der Main im Strafenbuch und den Kriminalakten des 16. und 17. Jahrhunderts. In: Rebentisch/Hils-Brockhoff, Aufsätze zum Thema: Stadt am Fluß, S. 113–133. 804 Siehe zur frühneuzeitlichen Policeygesetzgebung Henrik Halbleib: Der geordnete Fluß. Der Rat, die Policey und der Main in der Frühen Neuzeit. In: Rebentisch/Hils-Brockhoff, Aufsätze zum Thema: Stadt am Fluß, S. 93–111.
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1.2 Schauplatz der Kaiserwahl und die Goldene Bulle Das Bild von Frankfurt als zentralem Ort des Alten Reiches war neben der geographisch herausragenden Lage besonders von der Funktion als politischer Versammlungs- und Austragungsort der Kaiserwahlen und Krönungen805 geprägt. In dem publizistischen Frankfurt-Diskurs der Frühen Neuzeit rekurrierten die Autoren bis zum Ende des Alten Reiches 1806 auf die mittelalterlichen Privilegierungen, die im frühneuzeitlichen Stadtbild eine zentrale Rolle einnahmen, sich aber auch sukzessive veränderten. Zu den Schauplätzen der Wahlen und Krönungen gehörten neben der Goldenen Bulle sozusagen als verschriftlichter Ort der Römer und das als „Dom“ bezeichnete St. Bartholomäusstift.
1.2.1 Ein bedeutendes Privileg Die Privilegierung Frankfurts in der Goldenen Bulle als Austragungsort der Kaiserwahlen machte die Stadt im Alten Reich berühmt. Schon zu Beginn des Untersuchungszeitraums nannten Hans Sachs und Johann Steinwert von Soest806 um das Jahr 1500 diesen Aspekt an zentraler Stelle ihrer Lobgedichte und würdigten die Bedeutung Frankfurts als Versammlungsstätte wichtiger Machtträger und Regenten: „Dy gulden bul dyn namen nent/ Fur allen Stetten wytt erkent/ Al fursten bischoff graven hern/ Du tzymlich helst in hohen eern.“807 Das Bild Frankfurts als zentraler Versammlungsort der Herrscher im Heiligen Römischen Reich dominierte auch 150 Jahre später die Lobgedichte: „Hie gantzen Reiches Cron von Teutschen Potentaten/ Hie Kaysers erster Thron wird herrlich hoch berathen.“808 Der anonyme Verfasser dieses Städtelobs betont die politische 805 Siehe hierzu ausführlich: Schindling/Ziegler, Die Kaiser der Neuzeit. 806 Johann Steinwert von Soest wurde am 23. November 1500 in Frankfurt als Stadtarzt angestellt. 1501 schrieb er das Lobgedicht auf die Stadt. Soest war in Frankfurt nicht nur als Arzt tätig, sondern brachte auch dichterische Werke und Instrumentalmusik hervor. Auch für die Frankfurter war Johann von Soest nicht in erster Linie der Arzt, sondern der Sänger. Seine Dichtung war geprägt durch gelehrte Bildung und die höfisch-romantisierende Kultur an Helden- und Ritterliedern. Siehe hierzu Walther Karl Zülch: Johann Steinwert von Soest. Der Sänger und Arzt, 1448–1506. Frankfurt a.M. 1920, S. 8. 807 Johann Steinwert von Soest: Eyn Spruchgedicht zu lob und eer der Statt Franckfortt. In: Frankfurtisches Archiv für ältere deutsche Literatur und Geschichte, hrsg. von Carl von Fichard. Frankfurt a.M. 1811, S. 77–83, hier S. 78. 808 Siehe auch für die folgenden Zitate dieses Absatzes: Lobgedicht eines Unbekannten auf die Stadt Frankfurt. Als Flugblatt in Frankfurt gedruckt, 1675. In: Ein Lobgedicht auf die Stadt Frankfurt a.M. aus dem Jahre 1675. Eingel. und mit Anmerkungen begleitet von Julius Ziehen. Frankfurt a.M. 1924, nicht pag.
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Bedeutung Frankfurts für das Reich und beschreibt die Stadt als „der teutschen Burg und Pfad“, in der „die neu Geburth des Adlers schön geschmücket“ werde. Er schreibt der Stadt eine Ehre zu, die sie gegenüber allen anderen im Reich hervorhebe und einzigartig mache. Er stellt Frankfurt sogar an die Spitze des Alten Reiches: „Sie ist das Licht der Welt, der Teutschen Cron und Sonne […]/ Hie höchste Stands-Person der Chur- und Fürsten Wahl/ Setzt in deß Kaysers Thron als Reiches ersten Sahl.“ Auf diese Weise erschien Frankfurt für die zeitgenössischen Leser als eine Art Geburtsstätte des Kaisertums und damit auch des Reiches, weil der Stadt von den zeitgenössischen Autoren, wie hier von Johann Rudolf Karst, eine enorme politische Zentralität und Bedeutung zugesprochen wurde: Franckfurt hochgeehrte Statt/ wann ich solte hier erzehlen/ Wie die Fürsten mit der Chur einen Keyser in dir wehlen/ Und wie mancher dapffrer Fürst in dir seine Keyser-Wahl/ Hat empfangen/ würd es seyn eine Ruhm- und Ehren-Zahl./ Dein gezierter Römer-Saal hat sich offt sehr hoch ergetzet/ Wann der Teutschen Fürsten-Pracht sich in ihm zu Tisch gesetzet.809
Karst untermauert die politische Bedeutung außerdem durch eine Aufzählung aller wichtigen Herrscheraufenthalte in der Geschichte Frankfurts. Die Erinnerung an vergangene, glorreiche Zeiten und die der Stadt zuteilgewordene Ehre durch in ihr verweilende Kaiser und Könige sowie durch die Einrichtung des Reichskammergerichts von Maximilian I. sollte die Bedeutung und Wahrnehmung Frankfurts als die politisch wichtige Stadt im Reich bewahren: Ja es hat das Braunfelß dieses auch vergessen nicht/ Daß der Maximilian da gesessen zu gericht./ Auch der Große Leopold (welcher noch für kurtzen Jahren/ Mit der stoltzen Fürsten-Zahl bey dir auß und eingefahren)/ Hat die güldne Keyser-Cron bey dir auff sein Haupt gesetzt/ Dich und auch das gantze Reich hoch-erfrewet und ergetzt.810
Ein Lobgedicht von David Sigismund (Büttner) aus der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts stellt die zentrale Funktion Frankfurts als „Geburtsort“ der römischen Kaiser in ähnlicher Weise heraus: „Die Romulische Kayser groß/ Kommen selbsten in ihren Schoß/ Zu empfangen auf hohem Thron/ Des Reiches Schwerd, Zepter und Kron.“811 809 Johann Rudolf Karst: Neugebundener Lorbeer-Krantz Der Welt-beruffenen Stadt Franckfurt am Mayn. In: Johann Rudolf Karstens Deutscher Dicht-Kunst Lust- und Schauplatz. Frankfurt a.M. 1667, S. 19–20. 810 Ebd., S. 20. 811 David Sigismund (Büttner, 1660–1719): Ich freu mich zu sehen die Stadt. Lateinisches Original: Davidis Sigemundi: Cassouij iter Germanicum & Sarmaticum. In: Nikolaus Reusner: Ho-
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Mit der Betonung der Kaiserwahl orientierten sich die Spruchdichter – wie Ursula Paintner für Hans Sachs nachgewiesen hat812 – an der Rolle Frankfurts innerhalb des Heiligen Römischen Reichs. Besonders im 16. und 17. Jahrhundert nahmen die Verfasser noch nicht so stark die spezifischen Interessen Frankfurts in den Blick, sondern das „große Ganze“813, die Bedeutung der Stadt für das Gefüge des Reichs. Paintner vermutet, dass deshalb im Frankfurt-Lob vor allem kaiserliche Privilegien als bemerkenswert verzeichnet wurden.814
Abb. 6: Krönung und Krönungsprozession von Leopold I. Kupferstich von Caspar Merian, 1658.
Dazu kommt aber noch ein weiterer wichtiger Aspekt: Vergleicht man den Frankfurt-Diskurs mit dem anderer Städte, handelte es sich bei der Funktion als Wahldoeporicorum sive Itinerum totius fere Orbis. Lib. VII. Opus Historicum, Ethicum, Physicum, Geographicum. Basel 1580, S. 581–598, hier S. 593. Im lateinischen Original lautet es: „Ad tua Romulei concurrunt tecta Monarcha/ Imperii summum cum diadema petunt./ Hic pia delecto sententia Caesare fertur: Quo tibi nil tribui maius honore potest.“ Abgedruckt in: Kathrein/Krüger, Liebe zu Frankfurt, S. 17; Diehl, Frankfurt am Main im Spiegel, S. 207–208. 812 Paintner, Zwischen regionaler Verortung und Reichsperspektive, S. 380. 813 Ebd., S. 383. 814 Ebd., S. 383–384.
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und Krönungsort nicht nur um eine stereotype Floskel, sondern tatsächlich um ein Alleinstellungsmerkmal Frankfurts, im Gegensatz beispielsweise zur geographischen Zentralität. Neben den aus Frankfurter Sicht verfassten, lobenden Darstellungen fielen andere Beschreibungen – zumeist aus der Außenperspektive der Reise- und geographischen Literatur – eher sachlich, kurz und knapp aus, wie bei dem reisenden Franzosen Henri de Rohan 1646: „Aussi cʼest la lieu de lʼelection & couronnement de lʼEmpereur.“815 Gleichwohl gehörte das Privileg der Kaiserwahl und Krönung zu jeder Beschreibung Frankfurts dazu. Die reichsrechtliche Stellung816 einer Stadt und ihre Bedeutung im Alten Reich – wie im Falle Frankfurts die Rolle als Wahl- und Krönungsort – spielte fast immer in den Stadtlobgedichten und frühen Stadtbeschreibungen des 16. Jahrhunderts eine Rolle. Ein Beispiel von vielen ist das Lübeck-Lob von Vincentius.817 Von den Lobgedichten und Stadtchroniken übertrug sich der Ruhm der Stadt Frankfurt, „den sie darvon hat, daß der Kaiser in derselben mit grossen solennitäten gekrönet wird, samt ihren schönen Privilegien, so sie von Zeiten zu Zeiten erhalten“818, auf die weit verbreiteten kosmographisch-geographischen Schriften und Reisebeschreibungen. Der Reisende Coryate stellte heraus, dass „there are two things which make this citie famous over all Europe. The one the election of the King of the Romanes, the other the two noble fayres kept heere twise a yeare.”819 In stereotyper Konstanz wurde auf die Berühmtheit und das Gewohnheitsrecht Frankfurts bis in das späte 18. Jahrhundert hinein rekurriert, wie in der 1752 erschienenen Neuen Europäischen Staats- und Reisegeographie, die Frankfurt als „Hauptstadt des ehemaligen ostfränkischen Reichs“ titulierte, wo „von ie her die Wahlen der deutschen Könige und Kaiser […] geschehen“820 seien.
815 Henri de Rohan: Voyage du Duc de Rohan, Faict en lʼAn 1600, en Italie, Allemaigne, Paysbas Uni, Angleterre, & Escosse. Amsterdam 1646, S. 12. 816 Siehe zum publizistischen Diskurs über Frankfurts Bedeutung als Reichsstadt: Marina Stalljohann-Schemme: „Diß ist der Kaysrin Stadt, die freye Franckenfurth“: Was wäre die Reichsstadt Frankfurt ohne das Mittelalter? Frühneuzeitliche Erinnerungen an den Beginn der reichsstädtischen Zeit. In: Helge Wittmann (Hrsg.): Tempi passati. Die Reichsstadt in der Erinnerung. Petersberg 2014, S. 27–56. 817 Siehe hierzu Hammel-Kiesow, Hansestädte im Städtelob der Frühen Neuzeit, S. 33. 818 Samuel Chappuzeau: Jetztlebendes Europa Oder Neue Historische und Politische Erzehlung. Dritter Theil, Begreiffend die Beschreibung einer Reyse in Teutschland in den Monaten April, May, Junio, Julio und Augusto deß Jahrs 1669. Frankfurt a.M. 1672, S. 452–453. 819 Coryate, Crudities hastily gobled up, S. 562. 820 Carl Gottlob Dietmann/Johann Gottfried Haymann (Hrsg.): Neue Europäische Staats- und Reisegeographie. Zweiter Band. Leipzig/Görlitz 1752, S. 692.
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Die Einträge zu Frankfurt am Main in den Reise-, Staats- und Zeitungslexika des 18. Jahrhunderts waren der literarischen Gattung entsprechend auf das Wesentliche beschränkt, verfestigten dadurch aber bis zum Ende des Untersuchungszeitraums das Bild von Frankfurt als berühmter Wahl- und Krönungsstadt.821 Eine 1803 in den Blättern für Polizei und Kultur erschienene Meldung illustrierte den großen Wert, den die Stadt bis zur Jahrhundertwende auf ihre Stellung als Wahl- und Krönungsstadt legte. Der anonym gebliebene Autor befürchtete neben dem allmählichen Niedergang der Messen infolge der Kriege und des Deputationshauptschlusses, dass der Stadt „auch die Kaiserwahl entzogen werden sollte“.822 Seine verzweifelte Reaktion auf das drohende Ende verdeutlicht den symbolischen Stellenwert der Kaiserwahlen und Krönungen für das Ansehen Frankfurts: „Wozu denn bauen wir neue Strassen? wozu vergrössern wir unsere Häuser so sehr?“823
1.2.2 Kaiserliche Liebe und göttliche Gnade Zunächst dominierten im 16. und frühen 17. Jahrhundert im Städtelob und der Stadtchronistik die kaiserliche Liebe und Zuneigung zur Stadt als Gründe für ihre Bestimmung als Austragungsort der Kaiserwahlen. Die Königswahl war schließlich eines der wichtigsten Privilegien, die Frankfurt zwischen 1219 und 1806 von Königen und Kaisern erhalten hatte. Hans Sachs hat mit seinem Lob von 1500 über die politische Sonderstellung Frankfurts eine Formulierung geschaffen, die sehr häufig in den geographischen Beschreibungen824 und Stadtchroniken der folgenden rund 250 Jahre aufgenommen wurde: „Kaiser Carol der drit825 [sic] auch hat/ Gros lieb und gunst zw dieser stat./ Von im wart pegabet dis-mal,/ Das man darin
821 „Sie ist berühmt, sowohl weil die römischen Kaiser und Könige gewöhnlich allda erwählt werden, als auch wegen der Handlung und ihrer jährlichen zwo Messen.“ Vgl. Wolfgang Jäger (Hrsg.): Geographisch-historisch-statistisches Zeitungs-Lexicon. T. 1: A–L. 2. Aufl. Nürnberg 1791, S. 443. 822 Ueber die Frankfurter Messen. In: Blätter für Polizei und Kultur 2 (1803), S. 1020–1022, hier S. 1022. 823 Ebd. 824 Zum Beispiel Sebastian Münster: Cosmographei oder beschreibung aller länder, herrschafften, fürnemsten stetten. Basel 1550, S. 1813: „Es hat auch Kaiser Carlen der vierd ein sunderlich liebe zu dißer stat gehapt, darumb er diß ort zu geeignet hat der wal deß Römischen Künigs und Keisers, und das bestetiget mit einer guldinen bullen, nemlich daß do zu sammen kommen sollen die sieben Churfürsten unn erwölen ein Künig.“ 825 Die fälschliche Nennung von Karl III. statt Karl IV. hängt vermutlich mit den Quellen von Hans Sachs zusammen, die er rezipiert und offenbar fehlerhaft übernommen hat.
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solt thun die wal.“826 Mit der besonderen Vorliebe Karls IV. dominierte im Stadtbild zwischen 1500 und 1640 eine unpolitische und stilisierte Erklärung für die Bestimmung Frankfurts zur Kaiserwahlstadt. Die Hervorhebung der kaiserlichen Gunst gegenüber einer Stadt war aber trotz der einzigartigen Funktion Frankfurts als Wahl- und Krönungsort keine Selten- oder Besonderheit, sondern ein unter dem Einfluss des Humanismus übernommenes, häufig genutztes Stilmittel aus der antiken Stadtlobtradition,827 um ein „Nahverhältnis zum Reichsoberhaupt“828 zu suggerieren, wie es der Historiker Heinz Duchhardt formuliert hat.
Abb. 7: Die Huldigung der Reichsstadt Frankfurt am 9. Januar 1712 an Kaiser Karl VI. Radierung, unbekannter Künstler, 1712.
826 Hans Sachs: Ain lobspruech der stat Franckfurt. In: Adelbert von Keller/Edmund Goetze (Hrsg.): Hans Sachs. 23. Bd. (Bibliothek des Literarischen Vereins in Stuttgart. CCVII.) Tübingen 1895, S. 400–401. 827 Paul Dräger: Nochmals – Ein antikes Städtelob auf Trier. Ausonius, Ordo urbium nobilium, und seine Dankrede an Gratian. In: Kurtrierisches Jahrbuch 45 (2005), S. 35–50, hier S. 38. 828 Duchhardt, Die Reichsstadt in der Frühen Neuzeit, S. 41.
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Frankfurts Funktion und Beziehung zum Kaiser als Aufbewahrungsort der Bulle und Wahl- und Krönungsstadt war zwar einzigartig und machte sie zu einem häufig besuchten und beschriebenen Ort, doch auch andere Städte betonten in ihren Beschreibungen den institutionellen Bezug zu Kaiser und Reich. So wurde beispielsweise Speyer als Veranstaltungsort wichtiger Reichstage nicht nur von zahlreichen hochgebildeten Besuchern und Delegierten besucht, sondern auch zum Gegenstand von Lobgedichten, die auf ihre politische Funktion abhoben.829 Im 16. Jahrhundert beschrieben die Autoren Speyer als die Stadt der Reichstage, des Reichskammergerichts und der Kaiser-Begräbnisse.830 Eine ähnliche Intention hatte Johannes Haselberg in seinem Lobspruch auf die Stadt Köln von 1531, dem er die Legende der Heiligen Drei Könige anfügte. Die Forschung sieht darin kaum künstlerische Überlegungen, sondern vielmehr ökonomische Gründe und Verkaufsinteressen. So vermutet Ursula Rautenberg, dass der legendarische Anhang eine „Reverenz an ein Publikum zu sein [scheint], das nach der traditionellen Stadtvorstellung, der ‚civitas sancta‘, verlangte, vor allem im Zusammenhang mit Reichsfreiheit, Königswahl und Huldigung der Könige durch die Könige im Dom“.831 Politische oder formale Gründe für die Ernennung Frankfurts zur Wahlstadt hatten demgegenüber im Städtelob des 17. Jahrhunderts noch keine Relevanz, wie der Lorbeer-Krantz der Welt-beruffenen Stadt Franckfurt am Mayn (1667) von Johann Rudolf Karst zeigt, der ganze 40 Zeilen auf das Lob der kaiserlichen Gunst und Gnade verwendet hat: Große Kayser haben dich offtermals so hoch erkennet Daß sie dich in ihre Gunst fest und Wurtzel-tieff gesenckt Und dem schönen Regiment Freyheit, Ehr und Recht geschenckt. […] Hatte nicht der grosse Karl, wie von Alters her bewust An dem schönen Franckenfurt eine grosse Liebes-Lust?832
Karst erweckt in seinem Lobspruch den Anschein, als wäre Karl der Große Frankfurt persönlich sehr gewogen gewesen und als wären die Kaiser durch die Wahl und Krönung im St. Bartholomäusstift und Römersaal praktisch aus dem Schoß der Stadt Frankfurt erwachsen. Es gibt heute keine überlieferte Beschreibung Frankfurts – wie kurz sie auch sein mag –, die nicht die Funktion als Wahl- und Krönungsstadt der römischdeutschen Kaiser hervorhebt. Rekurrierend auf das Städtelob und die Stadtchro829 Staab, Ein späthumanistisches Städtelob, S. 364. 830 Ebd., S. 372. 831 Rautenberg, Stadtlob und Topographie, S. 79. 832 Karst, Neugebundener Lorbeer-Krantz, S. 19–20.
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niken verwiesen die Autoren bis in das späte 17. Jahrhundert fast immer stereotyp auf das besondere Verhältnis der Kaiser zur Stadt. Johann Ludwig Gottfried beschrieb Frankfurt um 1630 sogar als „ein Liebling der kommenden Kaiser“.833 Der Entstehungshintergrund der Texte spielt dabei eine große Rolle. Den Autoren war daran gelegen, ihre Kaisertreue und den Ruhm der Stadt hervorzuheben – sei es, weil sie als Bittsteller gegenüber der Stadt bzw. dem Stadtrat auftraten, sei es, weil sie sich als Bürger der Stadt gut gegenüber dem Kaiser positionieren wollten, sei es, weil es sich aufgrund vorgegebener literarischer Prinzipien so gehörte. Die frühen Frankfurter Chroniken, wie die Acta aliquot (1583) von Johannes Latomus und ihre mehrfachen Abschriften, lancierten zumeist im Zusammenhang mit der Frühgeschichte Frankfurts das Bild von der ‚kaiserlichen Liebe‘ zur Stadt: „Bei Caroli Magni Zeiten, und anderen nachfolgenden Kayseren, ist sie als eine namhaffte Reichs-Statt bekannt gewesen, wie solches in dem alten Libro Traditionum deß Closters Lorschheimb befunden wird: dann die Römischen Kayser und Könige diese Statt sehr lieb und werth gehabt, das geben zu erkennen die grosse Versamblungen und Reichs-Täge, so sie jeweilen daselbst gehalten.“834 Außerdem betonten die Chronisten, dass sich in Frankfurt „viele Römische Kayßer und Könige […] vielfältig auff, und daselbst Hoff, auch öfftermahls große Versamblungen gehalten, und sonderliche liebe zu dießer Statt getragen“, weshalb sie sie „mit vielen herlichen Kayßl. und Königl. privilegiis versehen“ hätten.835 Weil die (Reichs-)Städte ihre alten Rechte weniger mit äußeren Machtmitteln als mit juristischer Argumentation und dem Verweis auf bereits bestehendes oder Gewohnheitsrecht verteidigten, war die Beschäftigung mit der Geschichte für sie politisch notwendig, weshalb die Historikerin Edith Ennen die spätmittelalterliche und frühneuzeitliche Stadtchronistik als praxisbezogen beschreibt.836 Dieser Praxisbezug drückte sich offenbar auch im Betonen der kaiserlichen Gunst aus,
833 Gottfried, Lateinischer Vers um 1630. 834 Abschrift der Acta aliquot und Übersetzung in der gedruckten Chronik von Gebhard Florian [Georg Fickwirth]: Chronica Der weitberühmbten freyen Reichs-Wahl- und Handel-Statt Franckfurt am Mayn. Oder Ordentliche Beschreibung der Statt Franckfurt Herkunnft und Auffnehmen. In Verlegung George Fickwirdts Buchhändlers daselbst Im Jahr 1664, S. 222. Im lateinischen Original von Latomus heißt es: „Ad hic Caroli Magni aetate computatam ex Fitulo Concilium sub eodem hic celebrato cognoscimus, licet admotum angustis limitit circum scripta fuerit, ut antique fossa indicant, plurimum famen splendoris, ab eodem divo Carolo accepit: utque sua praesentia saepius hanc invisere et de gravissimis rebque hic consultare voluerit.“ Vgl. Acta aliquot vetustiora in Civitate Francofurtensi […]. ISG: Chroniken S5/1, fol. 5r. 835 Geschriebene Franckforther Chronic. Von Einem guten Freunde der Statt Franckforth, nach seinem Vermögen beschrieben. Anno 1703. ISG: Chroniken S5/60, nicht fol. 836 Ennen, Geschichtsbewusstsein und Geschichtsschreibung, S. 26.
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um sich der Privilegien auch weiterhin zu versichern und diese gegenüber Konkurrenten zu behaupten. Außerdem konzentrierten sich die Frankfurter Chronisten anfangs besonders auf Ereignisse, die mit dem Kaiser und Herrscheraufenthalten in Frankfurt zusammenhingen.837 Deshalb kommt der oben genannten Passage über den Ursprung der Kaiserwahlen in Frankfurt eine wichtige Bedeutung zu, was ihre – teils wortwörtliche – Konstanz der darauffolgenden Jahrzehnte und Jahrhunderte in den handschriftlichen und publizistischen Quellen erklärt. Häufig bedienten sich die Chronisten auch der Lobgedichte und Epigramme auf Frankfurt, um die Besonderheiten der Stadt hervorzuheben und der kaiserlichen Gnade und würdevollen Stellung Frankfurts Nachdruck zu verleihen. Die sprachlichen Übereinstimmungen der chronikalischen Aufzeichnungen haben ebenso wie die Stadtlobgedichte und Kosmographien zur Herausbildung und Verbreitung der Vorstellung von Frankfurt als berühmter und „geliebter“ Kaiserwahlstadt beigetragen. In der gedruckten Frankfurter Chronistik des späten 17. und 18. Jahrhunderts spielte einerseits weiterhin der kaiserliche Bezug und die Einordnung der Stadt in den Kontext des Alten Reiches eine große Rolle, andererseits wurden die persönliche Gewogenheit und besondere Beziehung der Herrscher zu diesem Ort seltener erwähnt.838 Auch die Stadtbeschreibungen berichteten zwar, dass Frankfurt „viele ansehnliche Privilegien von den Deutschen Kaisern und Königen zu verschiedenen Zeiten erhalten, und denselbigen den größten Theil ihres heutigen Flors zu verdanken“839 habe, doch von der Formulierung einer besonderen kaiserlichen „Lieb und Ehr“ war nun nicht mehr zu lesen, genauso wenig in den historisch-geographischen Atlanten und Kosmographien.840 Wichtiger waren stattdessen die politischen und wirtschaftlichen Vorteile geworden, die Frankfurt aus den Privilegien ziehen konnte. In den Lexika spielte die kaiserliche Liebe und Gewogenheit gegenüber Frankfurt schließlich gar keine Rolle mehr. Lediglich die Benennung Frankfurts 837 Eine ähnliche Beobachtung machte Katalin Szende in der mittelalterlichen und frühneuzeitlichen ungarischen Geschichtsschreibung, in der die (Selbst-)Darstellung anderer sozialer Gruppen zunächst fast vollständig gefehlt habe und erst seit der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts gegenüber der National- bzw. Landesgeschichte nur teilweise lokale Ereignisse enthalten habe. Siehe Szende, „Innen“- und „Außensicht“, S. 256–257. 838 Zum Beispiel Stock, Kleine Franckfurther Chronick, S. 7. 839 Johann Heinrich Faber: Topographische, politische und historische Beschreibung der Reichsstadt Frankfurt am Main. Teil 2. Frankfurt a.M. 1789, S. 447. 840 Der Historisch-Politisch-Geographische Atlas der gantzen Welt. Oder grosses und vollständiges Geographisch- und Critisches Lexicon. Vierter Teil. Leipzig 1745 (Sp. 1813) stimmt fast wortwörtlich mit der Kleinen Franckfurter Chronick von Stock (1719, S. 7) überein.
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als „privilegirte freye Reichs- und Kayserliche Wahlstadt“841 ist noch zu finden. Aber selbst in der Zeitschriftenpublizistik des 18. Jahrhunderts klang das scheinbar seit Ewigkeiten bestehende Vorrecht weiterhin an: „Kaiser Friederich der erste, der Rothbart, wie ihn die Geschichte nennt, wurde schon in der Mitte des zwölften Jahrhunderts, also vor beinahe sechstehalb hundert Jahren, in dieser Stadt zum Kaiser erwählt.“842 Der anonyme Autor nimmt hier Bezug auf die breit rezipierte Chronik von Achilles August von Lersner, der zum Beweis des weit zurückreichenden Privilegs als erste in Frankfurt abgehaltene Wahl die von König Arnulph im Jahr 887 vor Christus angeführt hatte. Dieses bezweifelt der anonyme Autor jedoch, denn „das konnte wohl ein Kronikschreiber seiner Zeit, das ist, ein Mann, der sich um historische und diplomatische Beweise dessen, was er sagte, wenig bekümmerte, sondern zufrieden war, wenn er seine Kronik aus Traditionen, (Sagen) und Legenden, zusammen gehängt hatte sagen“. Doch im späten 18. Jahrhundert, „wo die strengere historische Kritik dergleichen Sagen aus unserer vaterländischen Geschichte verbannt hat“, und wo ausschließlich Belege durch Urkunden und Schriftsteller gelten würden, dürfe man „solcher Mährchen“ nicht mehr erwähnen. Deshalb sei Friedrich I. der erste Kaiser, von dessen Wahl der zeitgenössische Schriftsteller Bischof Otto von Friesingen im ersten Kapitel seiner Schrift – De gestia Friederici – die Stadt Frankfurt als die Wahlstadt angegeben habe. Die erste in Frankfurt abgehaltene Wahl war auch schon zuvor ein Streitpunkt im Frankfurt-Diskurs gewesen, der an dieser Stelle jedoch nicht weiter ausgeführt werden soll.843 Entscheidend für das Frankfurt-Bild war vielmehr, dass mit der Zeit immer seltener darüber geschrieben wurde, welcher Kaiser als Erster in Frankfurt gewählt wurde, sondern lediglich, dass die römisch-deutschen Kaiser in der Reichsstadt von den Kurfürsten gewählt wurden. Allerdings hat sich die Barbarossa-Variante im Diskurs letztlich durchgesetzt, wie beispielsweise in der 1673 von Nigrinus herausgegebenen Beschreibung des Frankenlandes.844
841 Carl Christian Schramm: Neues europäisches historisches Reise-Lexicon: worinnen die merckwürdigsten Länder und Städte […] beschrieben werden. Leipzig 1744, Sp. 516. 842 Siehe auch für die folgenden Zitate des folgenden Absatzes: Vertraute Briefe über verschiedene freie deutsche Reichs-Städte, am Rhein und in Franken, ihre Verfassung und die Sitten ihrer Einwohner. Erster Brief. Über Frankfurt am Mayn. In: Deutsches Magazin 12 (1796), S. 72– 112, hier S. 78–79. 843 Siehe zu den frühen Königswahlen in Frankfurt Orth, Frankfurt am Main im Früh- und Hochmittelalter, S. 21. 844 Christian Ernst Nigrinus: Kurtzer Entwurff und Vorstellung Des Preißwürdigen Franckenlandes. Nürnberg 1673, S. 28.
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1.2.3 Kaisertreue und Ergebenheit Bereits im Mittelalter gehörte das Postulat unerschütterlicher politischer Treue einer Stadt zu ihrem Kaiser zu den Grundelementen des Panegyrikus, d.h. der (festlichen) Lobrede.845 An diese Tradition anknüpfend, nahm die Treue zu Kaiser und Reich sowie die Einbindung Frankfurts in die Geschichte und Geschicke des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation im frühneuzeitlichen Stadtbild Frankfurts einen wichtigen Raum ein. Die untersuchten Quellen über das Frankfurter Stadtbild suggerierten nicht nur ein besonderes kaiserliches Wohlwollen gegenüber der Stadt, sondern auch umgekehrt ein spezielles Verhältnis Frankfurts zum Kaiser. Die bedingungslose Treue selbst in hoffnungslosen Situationen stellte beispielsweise das um 1550 anonym erschienene Gedicht Von der Belagerung der Stadt Frankfurt heraus: „Frankfurt mit den Genossen/ Warst du so gar verlorʼn/ Mit Feuer und Kugeln beschossen/ Allein du trägst entschlossen/ Die kaiserliche Kronʼ.“846 Die Kaisertreue war ein bedeutsames Anliegen der Verfasser im Zusammenhang mit dem Wahl- und Krönungsprivileg, denn Frankfurt war reichsfrei bzw. reichsunmittelbar; es hatte zwar eine eigene Administration und Gerichtsbarkeit, doch war es direkt dem Kaiser untertan und auf dessen Zuspruch und Anerkennung der Privilegien angewiesen.847 Vor diesem Hintergrund erwähnt Hans Sachs auch den Austritt Frankfurts aus dem protestantischen Verteidigungsbündnis des Schmalkaldischen Bundes und die anschließende „Versöhnung“ mit dem Kaiser: „Im 46 und fünffzehundert/ Hat Franckfurt sich wider ausgesundert/ Von dem protestirenden pund/ Sich mit dem kaiser vertragen kund.“848 Eine ähnliche Beobachtung hat Heinz-Dieter Heimann für das Stadtideal Kölns im frühneuzeitlichen Städtelob gemacht. So sei ab 1530 „neben die Sicherung einer mit der politischen Geschichte der Stadt traditionell verbundenen Stadtvorstellung […] in Ableitung obrigkeitlicher Fürsorge für das Wohl der Gemeinschaft“ zunehmend auch das konfessionell begründete „Bekenntnis zur Treue gegenüber Kaiser und Papst“849 getreten. Auch der Stadtlob-Autor Johann
845 David Vitali: „probitas et fatum“: Ein anonymes mittelalterliches Städtelob über Zürich. In: Martin H. Graf (Hrsg.): Strenarum lanx: Beiträge zur Philologie und Geschichte des Mittelalters und der Frühen Neuzeit. Festgabe für Peter Stotz zum 40-jährigen Jubiläum des Mittellateinischen Seminars der Universität Zürich. Zug 2003, S. 161–185, hier S. 181. 846 Von der Belagerung der Stadt Frankfurt. Ein Lied im Ton „Frisch auf in Gottes Namen“. Fliegendes Blatt, gedruckt in Frankfurt 1552. 847 Jahns, Frankfurt am Main im Zeitalter der Reformation, besonders S. 152–156. 848 Sachs, Ain lobspruech, S. 401. 849 Heimann, Stadtideal und Stadtpatriotismus, S. 21.
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Haselberg betonte in seinem Lobspruch der Keyserlichen freygstath Coellen von 1531 seine Kaisertreue.850 Im Frankfurt-Bild war die politische Treue gegenüber dem Kaiser besonders stark ausgeprägt, während der konfessionelle Aspekt eine untergeordnete Rolle spielte. Zumeist wurde, beispielsweise im Zuge der reformatorischen Entwicklung, nur eine pauschale Gottgläubigkeit der Stadt erwähnt.851 Im 17. Jahrhundert wurde der Topos von der kaisertreuen Ergebenheit Frankfurts in den Stadtbeschreibungen weitergetragen, um sich den Privilegien gegenüber dem Kaiser, den umliegenden territorialen Obrigkeiten und der Bevölkerung zu versichern.852 Der Dichter Friedrich Andreas Walther zum Beispiel thematisierte im 18. Jahrhundert in seinem Loblied die Wahl Franz I. und hob die Überzeugung der Bürger hervor, mit der sie treu hinter dem Kaiser stehen und für ein Gelingen der Wahl und Krönung sorgen würden: „Die frohen Jubel Lieder schallen/ Franciscus ist vor unserm Thor./ Der Bürger nimmt mit Lust die Waffen/ Dem großen Werke Schutz zu schaffen/ Das allen Völckern Heil gebiert:/ In dir, o Franckfurt! muß der Erden/ Die Majestät gesalbet werden/ Die Teutschlands güldnen Zepter führt.“853
1.2.4 Prozedere der Königswahlen und Kaiserkrönungen Ein fester Bestandteil des Frankfurt-Bildes war besonders am Beginn des Untersuchungszeitraums und im 17. Jahrhundert der zeremonielle Ablauf der Kaiserwahlen und Krönungen, bedingt durch die Formanforderungen an das Städtelob, bei dem die Veranschaulichung eines Rituals und „der Vollzug bestimmter in und von der Öffentlichkeit geforderter Handlungen und Einstellungen“854 gefragt war. Einige Frankfurter Lobgedichte und Chroniken beschrieben das Zeremoniell und die zu den Feierlichkeiten abgehaltenen Bräuche. Besonders die im städtischen Umfeld entstandenen Chroniken legten Wert darauf, das Prozedere zu beschreiben. Die Annales Reipublicae, die als Vorlage für die 1706 von August Achilles von Lersner im Druck erschienenen Chronica dienten, enthalten eine ausführliche Beschreibung der Abläufe im Vorfeld und 850 Glasner, Stadt-Bild-Sprache im 16. Jahrhundert, S. 241. 851 Siehe hierzu ausführlich Kapitel II.3.2.5 „Die drei Konfessionen: Kirchen, Macht und Geld“. 852 Z.B.: „Diese Stadt hat viel Herrligkeiten, und darunter ist eine, daß die Deutschen Keyser allda müssen erwehlet werden, welches durch die Güldene Bullen zu ewigen Zeiten ist bestättiget worden.“ Vgl. Matthäus Dresser: Von den Fürnembsten Städten deß Deutschlandes, Welcher ist der fünffte theil deß Buchs so genennet wird Isagoge Historica. Leipzig 1607, S. 202. 853 Walther, Die Vorzüge der Stadt Franckfurt am Mayn, nicht pag. 854 Siehe dazu Althoff, Formen und Funktionen öffentlicher Kommunikation, S. 7.
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während des Wahlprozederes, womit auf vielfältige Weise die Bedeutung der Stadt für das Kaisertum hervorgehoben wurde.855
Abb. 8: Das Krönungszeremoniell anlässlich der Krönung von König Matthias zum römischen Kaiser 1612. Radierung, unbekannter Künstler.
Das Zeremoniell und der Ablauf der Kaiserwahlen auf dem Frankfurter Römer fanden im 17. Jahrhundert ihren Weg aus den Chroniken und Krönungsdiarien in das kosmographisch-geographische Stadtbild: So „pfleget aber die erste Wahl von den Herrn Churfürsten anfangs auff dem Rathhauß, der Römer genant, fürgenommen zu werden“.856 Anschließend gelangte man in die „St. Bartholomäi Kirchen, oder den Thumb, in dessen Sacristey, so zwar zu einem solchen hohen Zweck zimlich eng ist“. Das anschließende Bankett sei auch „auff gedachtem Rathhauß, in dem Saal gehalten“ worden, vor dessen Platz man „den Ochsen brätet […]; Laufft auch zu solcher Zeit der Röhrkasten oder springende Brunnen, von roth- und weissem Wein.“ Während Zeiller in diesem Textauszug stereotyp den Ablauf der Wahlhandlung darstellt, wie es auch in vielen anderen Schriften 855 Stephanie Dzeja: Nicht weniger nütz- als ergötzlich. Frankfurter Stadtchronistik in der Frühen Neuzeit. In: AFGK 68 (2002), S. 275–307, hier S. 291. 856 Vgl. für dieses und die folgenden Zitate: Zeiller, Topographia Hassiae, S. 51.
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nachzulesen war, erschien mit dem Hinweis auf die Enge des Doms erstmals eine differenzierte und kritische Aussage über die Voraussetzungen und Umstände von Wahl und Krönung in der Reichsstadt.
Abb. 9: Festliches Bankett im Frankfurter Römer aus Anlass der Wahl Kaiser Karls VII. 1743. Kupferstich von F.M. Regensus.
Schließlich spielte der Ablauf der Kaiserwahlen und Krönungen im 18. Jahrhundert noch immer eine, wenn auch deutlich kleinere Rolle, wie anhand eines Eintrags aus dem 1722 erschienenen Realen Staats- Zeitungs- und ConversationsLexicon deutlich wird: Sie ist berühmt […] weil die Römischen Kayser und Könige gewöhnlich allda auf dem Rathhause, der Römer genannt, erwehlet werden. Wenn der Kayserliche Wahl-Tag angesetzet ist, so muß der Rath, die Bürgerschafft, und die Guarnison […] abschweren, daß sie alle […] beschützen, und vermöge der güldenen Bulla alle Fremden vor angehender Wahl aus der Stadt schaffen.857
857 Reales Staats- Zeitungs und Conversations-Lexicon: Hrsg. von Johann Hübner. Leipzig 1722, Sp. 695–696.
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Wichtig war den Autoren die Betonung der Verlässlichkeit und des unermüdlichen Einsatzes von Seiten der Bürgerschaft und der städtischen Regierung, um einen sicheren Ablauf der Wahlen und Krönungen zu garantieren. Der Chronist Johann Bernhard Müller beschrieb beispielsweise die zu seinen Lebzeiten abgehaltene Wahl Karls VII.858 und dessen Frau Maria Amalia sowie von Franz I., die „diesen alten Ruhm der Stadt so ungemein erhoben [hätten], ja herrlicher die Versammlung und der Pracht gewesen [sei], mit welchem diese wichtigste Wahlund Crönungs-Geschäffte vollzogen worden“859 seien. Das Ansehen der Stadt würde während der Kaiserwahlen zunehmen, weil zu dieser Zeit selbst der Papst und „fast alle Europäische[n] Könige und Mächte ihre Bottschaffter darzu nach Franckfurt geschicket“ hätten.860 Und Frankfurt sei in der Lage gewesen, all diese „Durchlauchtigten Herrschafften“ und „grossen Herren“ in zahlreichen vornehmen Gebäuden unterzubringen, und die Zeremonien und anschließenden Feierlichkeiten seien „mit der grösten und schönsten Ordnung“861 durchgeführt worden. Der zunehmende Aktualitätsbezug lässt sich mit einem von der Forschung beobachteten „Übergang vom Traditionsbewußtsein zum modernen Geschichtsbewußtsein und vom gelehrten zum gebildeten Interesse an der Geschichte“862 erklären. Gleichzeitig behielt die Rezeption, das Kompilieren und Wiederaufgreifen vorhandener Schriften besonders bei den geographischen Schriftstellern und Reisenden eine große Bedeutung, sodass die Beschreibung der Krönung Karls VI. durch den Grafen von Pöllnitz fast wortwörtlich mit der oben erwähnten Passage aus dem Historisch-Politisch-Geographischen Atlas übereinstimmt.863 Es zeigt sich an dieser Stelle deutlich die Geschlossenheit des publizistischen Diskurses über Frankfurt am Main, zu dem zwar stets neue Äußerungen hinzukamen und der dadurch eine gewisse Offenheit besaß, der sich jedoch stark an den vorliegenden Darstellungen orientierte.
858 Siehe ausführlich zu den außergewöhnlichen Bedingungen der Regentschaft Karls VII.: Elmar Gotthard: Die Kaiserwahl Karls VII. Ein Beitrag zur Reichsgeschichte während des Interreg nums 1740–1742. Frankfurt a.M. 1986. 859 Müller, Beschreibung des gegenwärtigen Zustandes, S. 255. 860 Ebd. 861 Ebd., S. 256. 862 Rudolf Vierhaus: Geschichtsschreibung als Literatur im 18. Jahrhundert. In: Karl Hammer/ Jürgen Voss (Hrsg.): Historische Forschung im 18. Jahrhundert: Organisation, Zielsetzung, Ergebnisse. Bonn 1976, S. 416–431, hier S. 420. 863 Baron Carl Ludwig Pöllnitz: Nachrichten des Baron Carl Ludwig von Pöllnitz, enthaltend was derselbe auf seinen Reisen besonders angemercket, nicht weniger die Eigenschafften dererjenigen Personen, woraus die vornehmste Höfe in Europa bestehen. Zweiter Teil. Frankfurt a.M. 1735, S. 45.
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Innerhalb dieses Diskurses wurden die Wahlen und Krönungen infolgedessen zu einem Ideal stilisiert. Die Verfasser blendeten alles aus, was das herrliche Bild trüben würde, wie die enormen Kosten, der Ausschluss der Bevölkerung von der eigentlichen Zeremonie sowie der Fremden aus der Stadt während der Kaiserwahl. Die Wirkung der publizistischen Quellen zielte vielmehr darauf ab, der Stadt einen Ruhm zuzusprechen, der die Zeiten zwischen den Kaiserwahlen überbrücken und die Attraktivität und Anziehungskraft Frankfurts durchgängig aufrechterhalten konnte. Die Historikerin Katalin Szende hat im Gegensatz dazu in ihrer Arbeit über ungarische Städte festgestellt, dass viele berühmte Städte in der Reiseliteratur kaum berücksichtigt wurden, obwohl sie viele Reisende empfangen hätten. Für Stuhlweißenburg etwa, wo die Krönungen und meisten Grablegungen der ungarischen Könige stattfanden, vermutet sie, dass die Stadt eben deshalb zu wenig Aufmerksamkeit bekam, da die Berichterstatter sich nur mit den Zeremonien und nicht mit dem normalen ‚zivilen‘ Leben der Stadt beschäftigt hätten.864 Auch für Frankfurt ist sehr viel Gelegenheitsliteratur anlässlich der Kaiserwahlen und Krönungen entstanden und die Funktion als Krönungsort spielte besonders im 16. und 17. Jahrhundert eine große Rolle im Stadtbild. Dennoch fand Frankfurt bereits in dieser Zeit in der Publizistik weit über diese Funktion hinaus als genuine Stadt mit individuellen Ausprägungen statt.
1.2.5 Wirtschaftliche Stärke und politische Zentralität Eine weitere, auf ökonomischen Aspekten basierende Erklärung für Frankfurts Bestimmung zur Wahlstadt findet sich erstmals in Christoph Petschkes O edles Franckfurt (1657). Der Autor führt, untermalt mit Metaphern und Gottesallegorien, den umfangreichen Handel und die unerschöpfliche Menge an Lebensmitteln auf, die Frankfurt in die Position als Ernährer aller Bürger Frankfurts und sogar des Reichs versetzt hätten. Aufgrund des Überflusses an Speisen, Getränken und Waren gleiche Frankfurt einem „Elysium“865, weshalb „der Carolus das Oberhaupt der Welt/ Von Sieben Häuptern hier zu wehlen angestellt“.866 Das Privileg der Kaiserwahlen wurde mit der Möglichkeit zur Versorgung der Menschen begründet und viele Lobgedichte des 17. Jahrhunderts sahen einen Zusammenhang zwischen Frankfurt als prosperierender Handels- und politisch bedeutsamer Wahlstadt. Tatsächlich sprach für die Wahl- und Versammlungsstadt Frank864 Szende, „Innen“- und „Außensicht“, S. 246. 865 Petschke, O edles Franckfurt, 1657. 866 Ebd.
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furt, dass sie keinerlei Probleme hatte, große Menschenmengen unterzubringen und zu versorgen. Und auch zu den Messen beherbergte die Stadt oftmals mehr Gäste, als sie selbst Einwohner hatte.867 Frankfurts Ruf als Wirtschaftszentrum war besonders im Stadtbild des 18. Jahrhunderts nur schwer von seiner Funktion als politischem Zentrum zu trennen, wie Andreas Meyers Reisebericht aus dem Jahr 1777 zeigt: „Diese [die Messen] und die Wahl, wie auch die Krönung eines römischen Königs, tragen durch den erstaunlichen Zusammenfluß von Menschen, und besonders von hohen Standespersonen, der Stadt viele Reichthümer ein, und man hat mir gesagt, daß bey der letztern Königskrönung wohl hundert und dreissig und mehr Dukaten, für ein einziges Fenster gezahlt worden sind.“868 Eine Erklärung für den engen Zusammenhang zwischen Wirtschafts- und politischem Zentrum ist besonders für die 70er- und 80er-Jahre des 18. Jahrhunderts die Tatsache, dass einerseits die Stadt unter den preußisch-österreichischen Bestrebungen, der zunehmenden Territorialisierung und den allmählich bröckelnden reichischen Strukturen um ihre politische Bedeutung als Wahl- und Krönungsstadt kämpfen musste.869 Andererseits stagnierte am Ende des 18. Jahrhunderts der Handel aufgrund der kriegerischen Ereignisse, sodass Frankfurt zunehmend der wachsenden Konkurrenz Leipzigs ausgesetzt war und generell an Bedeutung einbüßen musste. Allerdings kam es aufgrund eines ungebrochenen Wachstums im ständigen Speditions-, Kommissions- und sonstigen Handel der Frankfurter Handelsfirmen zu keiner ökonomischen Krise.870 Frankfurts Neuorientierung, die im 16. Jahrhundert von niederländischen Großkaufleuten, Unternehmern und Finanziers auf den Weg gebracht worden war, erwies sich als dauerhaft. In der Messestadt festigte sich im 18. Jahrhundert die alte Messetradition auf neuer Grundlage, womit die neuzeitliche Entwicklung in Gewerbe und Finanzwirtschaft auf dem Weg zu einem führenden Finanz- und Handelszen trum angebahnt wurde, das von dem Finanzgebaren der umliegenden Staaten, v.a. Hessen, profitieren konnte.871 Somit hatte die Stadt vor dem Hintergrund ihrer politischen Freiheiten als selbstverwaltete Reichsstadt vielerlei Gründe, ihr Ansehen weiter aufrechtzuerhalten und zu stabilisieren, was ihr aufgrund des Rezeptionsverhaltens vieler Reisender und Stadtbeschreiber auch gelang.
867 Schmieder, Frankfurt – das überregionale Wirtschaftszentrum, S. 63. 868 [Andreas Meyer:] Briefe eines jungen Reisenden durch Liefland, Kurland und Deutschland an seinen Freund Herrn Hofrath K…in Liefland. Zweiter Teil. Erlangen 1777, S. 61–62. 869 Siehe zur Niedergangs-Theorie der deutschen Städte in der Frühen Neuzeit Heinz Schilling/ Stefan Ehrenpreis: Die Stadt in der Frühen Neuzeit. 3. erw. Aufl. Berlin u.a. 2015, S. 1–2, 4, 21. 870 Roth, Stadt und Bürgertum, S. 53. 871 Schilling/Ehrenpreis, Die Stadt in der Frühen Neuzeit, S. 27–29.
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Zum anderen liegt die Vermutung nahe, dass der von der Forschung beschriebene wirtschaftliche und politische Rückgang872 von den Zeitgenossen nicht als solcher wahrgenommen oder zumindest nicht dargestellt wurde. Die Perspektive richtete sich schon längst stärker auf die jeweiligen Territorien und Städte, abgekoppelt von der Entwicklung und den Ereignissen auf Reichsebene. Dies wird auch daran deutlich, dass die Zeitgenossen des 18. Jahrhunderts sich selbst als Frankfurter „Nationalbürger“873 beschrieben.
1.2.6 Römer und Dom Anfang des 15. Jahrhunderts erwarb die Stadt die miteinander benachbarten Bürgerhäuser Zum Römer und Goldener Schwan, die sie zu einem Rathaus umbauen ließ. Darin wurden das Wahlzimmer und der Festsaal, in dem später die Festbankette anlässlich der Krönungen abgehalten wurden, im Obergeschoss eingerichtet.874 Regelmäßig wurden am Römer aus Anlass von Wahlen und Krönungen bauliche Verschönerungen und Renovierungen vorgenommen. Der Kaisersaal im Römer wurde zum Beispiel zur Wahl und Krönung von Kaiser Matthias 1612 architektonisch neu gestaltet und der Gerechtigkeitsbrunnen auf dem Römerberg vor der Fassade des Römers aufgestellt.875 Als herausgehobenes Bauwerk der Stadt gilt bis heute die Stiftskirche St. Bartholomäus (Dom), mit dessen Errichtung des Turms der Baumeister Madern Gerthener 1415 begann. Als Hallenkirche steht er in der Tradition deutscher Gotik mit dem 95 Meter hohen Westturm als schönstem Bauteil. Das Innere des Doms kommt nach den Restaurationen von 1994 dem spätgotischen Raumbild wohl am nächsten.876 Noch heute können Touristen im sogenannten Kaisersaal des Frankfurter Römers die bekannte „Kaisergalerie“, bestehend aus 52 Herrscherbildnissen, besichtigen.877 Allerdings entspricht das heutige, auf den Tourismus ausgerichtete Bild von Römer und Kaisersaal nicht dem damaligen Diskurs über Frankfurt, denn die Bildnisse haben im 16. und 17. Jahrhundert weder im literarisch-publizis872 Roth, Stadt und Bürgertum, S. 53. 873 Ebd., S. 65. 874 Siehe zur älteren Baugeschichte Wolff/Jung, Die Baudenkmäler in Frankfurt am Main, S. 131 ff. 875 Koch/Stahl, Wahl und Krönung in Frankfurt am Main, Bd. 2, S. 130–133. 876 Heinz Schomann: Vorwort. In: Andrea Hampel: Der Kaiserdom zu Frankfurt am Main. Ausgrabungen 1991–93. Nußloch 1994, S. 1–16. 877 Gerd Brüne: Die Kaisergalerie im Frankfurter Römer. The Emperors’ Gallery in the Frankfurt „Römer“. Ausstellungskatalog, hrsg. vom Museum Giersch. Frankfurt a.M. 2007.
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tischen noch künstlerischen878 Stadtbild eine Rolle gespielt. Dieses änderte sich erst im 18. Jahrhundert, als viele Autoren und Kompilatoren ergänzend zum Privileg der Kaiserwahl auch den Ort des Geschehens – Römer und Dom – beschrieben, die im Laufe der Zeit zu einer beliebten ‚Touristenattraktion‘ wurden und zum Pflichtprogramm der Stadtbeschreibungen gehörten. Allerdings bekamen die Besucher trotz der historischen Bedeutung ganz unterschiedliche Eindrücke, wie noch zu sehen sein wird. Besonders aus der ‚ausländischen‘ Perspektive bekam das Bild der herrschaftlichen und privilegierten Wahl- und Krönungsstadt bereits Mitte des 17. Jahrhunderts erste Risse. Der reisende Franzose Balthasar de Moncony (1611–1665) sah in dem Rathaus zwar „une maison particuliere“.879 Kaisersaal und Wahlzimmer seien jedoch „von schlechter consideration“ und die Gemälde der Kaisergalerie „gar elend gemahlet“, wie aus der deutschen Übersetzung von 1697 hervorgeht, die sich eng am französischen Original orientierte.880 Die Ernüchterung der aus den europäischen Nachbarländern angereisten Besucher lässt sich möglicherweise damit begründen, dass sie sich zuvor in den deutschen Reiseanleitungen und geographischen Beschreibungen informiert hatten, die das St. Bartholomäusstift und das Rathaus als Schauplätze der Kaiserwahlen besonders hervorhoben. Auch waren die Besucher besonders aus Frankreich durch die Residenzen und den Prunk in Paris und Versailles sicherlich viel umfangreicheren Pomp und Glanz gewöhnt, als sie in Frankfurt zu sehen bekamen. Auch wenn die Forschung erst für das frühe 18. Jahrhundert von einer kritischeren Sicht der Autoren auf die Städte ausgeht, gab es bereits im 16. Jahrhundert Anklänge von Kritik und individuell geprägten Darstellungen. So stellte auch der Spruchdichter Johann Haselberg 1531 tadelnd in seinem Lobspruch auf Köln fest, dass der Dom unvollendet sei: „Gottes tempel sol schoen gebawen sein/ Für christenleuth, nit fur die schwein,/ Mit aller christen hilff und steur;/ Gotz dinscht sol niemans sein tzu deur!“881 Allerdings zielte seine Kritik stärker auf die säumigen Bürger, die offenbar keine oder zu wenig Kirchensteuern zahlten, als auf das unfertige Gebäude selbst.
878 Brüne, Die Kaisergalerie, S. 19. Ausführlich dazu: Heinz Schomann: Kaiserkrönung. Wahl und Krönung in Frankfurt nach den Bildern der Festbücher. Dortmund 1982. 879 Balthasar de Moncony: Les Voyages en Allemagne, et le troisiéme quʼil a Fait en Italie: Enrichie de Figures en Taille douce. Paris 1695, S. 157. 880 Des Herrn de Monconys ungemeine und sehr curieuse Beschreibung seiner in Asien und das gelobte Land, nach Portugall, Spanien, Italien, in Engelland, die Niederlande und Teutschland gethanen Reisen. […] Anjetzo zum erstenmahl aus der Französischen in die Hochteutsche Sprache übersetzet von M. Christian Juncker. Leipzig/Augsburg 1697, S. 138, 145. 881 Abgedruckt in: Rautenberg, Stadtlob und Topographie, S. 74.
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Somit waren kritische und von der bisherigen Norm abweichende Darstellungen bereits in der Reiseliteratur des 17. Jahrhunderts durchaus möglich, auch wenn die Reiseliteraturforschung erst im ausgehenden 18. Jahrhundert verstärkt selbstreferentielle Reiseberichte ausmacht, in denen sich die Autoren nicht mehr rechtfertigten, wenn sie von dem alten Paradigma abwichen und über ihre persönlichen Gefühle auf Reisen schrieben.882 Interessanterweise konnten derart kritische oder zum Diskurs neu hinzugetretene Eindrücke ebenfalls zu stereotypen Beschreibungsmustern generieren, wie noch im Folgenden anhand unterschiedlicher Beispiele gezeigt wird. Gleichwohl kolportierten die Frankfurter Stadtbeschreibungen und Reiseberichte im 18. Jahrhundert ein positives und ausdifferenziertes Bild von Römer und Dom: Die dasige Kayserliche Wahlstube ist vorjetzo sehr prächtig, und schön renoviret, auch herrlich austapeziret. Zu diesem Zimmer gelanget man vermittelst einer besondern schmalen Stiege, welche […] nach denjenigen mit Steinen gepflasterten und mit vielen künstlichen Gemählden gezierten Saal führet, wo sich das neuerbaute treffliche mit einer gleichfalls schön gemahlten und mit sinnreichen Aufschrifften vergesellschaffteten Kupel versehene Rundel, und gerade der Thüre desselben Zimmers, über welcher eine artig angebrachte Uhr stehet.883
Die Beschreibungen der Kaisergemälde884 und der Inneneinrichtung gelangten seit den ersten Jahrzehnten des 18. Jahrhunderts verstärkt in den Fokus des Diskurses. Gleich als ersten Aspekt „unter denen, in Franckfurt zu sehenden, und von einem Fremden ja nicht ausser Acht zu lassenden, Merckwürdigkeiten“885 nannte Christoph Multzen in seiner 1749 erschienenen Stadtbeschreibung die Goldene Bulle und den Römer. Letzterer enthalte für die Königswahl ein „überaus prächtiges
882 Stewart, Die Reisebeschreibung und ihre Theorie im Deutschland des 18. Jahrhunderts, S. 114. 883 Historisch-Politisch-Geographischer Atlas der gantzen Welt, Sp. 1817. 884 Siehe hierzu ausführlich: Brüne, Die Kaisergalerie. 885 Wolffgang Christoph Multzen: Einige Besonders zu sehende Merckwürdigkeiten des Heil. Röm. Reichs Wahl- und Handels-Stadt Franckfurt am Mayn. Frankfurt a.M. 1749, S. 3.
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Abb. 10: Die repräsentative neue Treppe im Römer anlässlich der Wahl und Krönung von Karl VII. Kupferstich von Michael Rößler, 1742.
Zimmer“, das „mit gar grossen Kosten, von E. Hoch-Edlen Magistrat zurecht gemacht worden ist, indeme selbiges mit kostbaren Tapeten, und andern derglei-
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chen Meublen, versehen, und besonders die Decke mit vortrefflichen Gemählden gezieret“886 worden seien. Außerdem gebe es neben dem Vor-Saal den Großen Saal (Abb. 11), der „sehr groß, schön gemahlt, und sonsten gezieret“ und besonders sehenswert sei, weil „alle Kayser im Brustbilde von Conrado I. an, biß auf den jetzo glorwürdigst-regierenden Franciscum daselbst, in Ihrer Reyhe, gemahlt stehen“.887
Abb. 11: Der große Römersaal. Radierung von Joesph de Montalegre, 1711–1729.
Im Unterschied zu Frankfurt wurde in den Kölner Stadtbeschreibungen und Lobgedichten das Rathaus als politisches Zentrum, als „Zeichen reichsstädtischer Freiheit“ und „städtisches Machtzentrum“ betont, wie beispielsweise bei Johann Haselberg.888 Demgegenüber zeigte sich die Besonderheit und einzigartige Funktion Frankfurts im Unterschied zu anderen Reichsstädten als Ort der Kaiserwahlen und Krönungen, sodass es nicht nur darum ging, die Freiheit und politische Autonomie der Reichsstadt zu betonen, sondern auch darum, gleichzeitig einen 886 Ebd., S. 6. 887 Ebd., S. 8. 888 Rautenberg, Stadtlob und Topographie, S. 74.
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Bogen zum offiziellen Stadtoberhaupt – dem Kaiser – zu schlagen. Außerdem boten sich der Römer und das St. Bartholomäusstift sehr gut an, Reisende und Fremde in die Stadt zu locken. Auf der anderen Seite erwähnte auch Haselberg in seinem Köln-Lob „des Keysers haus“889, um die – wenn auch nur zeitweise – Anwesenheit des Kaisers in der Stadt zu betonen. Aber auch der im Alten Reich geführte Diskurs schlug ab dem frühen 18. Jahrhundert allmählich um. Maximilian Dufrêne, der das Tagebuch über die Reise des Erbprinzen Carl Friedrich zu Fürstenberg von Regensburg nach Köln, durch die Niederlande und Frankreich (1731–1732) verfasst hat, nimmt beispielsweise in seiner kurzen Beschreibung des St. Bartholomäusstifts das bereits aus den geographischen Beschreibungen, etwa bei Zeiller, bekannte Stereotyp der Enge auf: „Rechter Hand gehet man in die Sacristey, worinnen die Churfürsten das schon auf dem Römer vorgenommene Wahlgeschäft vollends zu Ende bringen, sie ist ziemlich eng, hat in der mitten einen Altar.“890
Abb. 12: Das St. Bartholomäusstift. Ausschnitt aus der „Stadtansicht von Südwesten“. Kupferstich von Matthäus Merian d.Ä., 1617.
889 Glasner, Stadt-Bild-Sprache im 16. Jahrhundert, S. 243. 890 Maximilian Dufrêne SJ: Tagebuch über des Erbprinzen Carl Friedrich zu Fürstenberg Reisen von Regensburg nach Cöln, durch die Niederlande und Frankreich in den Jahren 1731–1732, fol. 15v–16r. (Cgm 1281. Bayerische Staatsbibliothek).
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Sogar aus der Frankfurter Perspektive beschreibt 1719 der Frankfurter Chronist Johann Adolf Stock den Dom als zu klein und dunkel für eine so bedeutende Handlung wie die Kaiserwahl und Krönung,891 sodass die Analyse des Diskurses über das Frankfurter Rathaus und den Dom als Wahlort sehr deutlich die Kommunikationswege und Intertextualität der unterschiedlichen literarischen und publizistischen Textformen verdeutlicht. Dem Schriftsteller und Juristen Carl Gottlob Samuel Heun (1771–1854) ist zwar die historische Bedeutung des Ortes durchaus bewusst, doch kann er eine gewisse Enttäuschung über „dies merkwürdige Gebäude“ nicht verbergen. Mit Hilfe der Beschreibungen und Erklärungen der Reiseführerin gelingt es ihm immerhin, sich das prächtige Geschehen zumindest vorzustellen: Dessen ungeachtet blieb mir immer der Fleck, auf dem ich stand, interessant, und durch die lebhafte Erzählung der Frau, die uns herumführte, und die manchem Wahlbothschafter sein Ceremoniel lehren könnte, wurde ich mitten unter die Feyerlichkeiten gezaubert, bey denen nichts fehlte, als der Kayser und 50 000 Menschen.892
Der ehemalige Gesandtschaftssekretär der Generalstaaten am Spanischen Hof, Blainville, bezieht sich in seiner Beschreibung des Rathauses aus den 1760erJahren auf den Reisebericht des französischen Reiseschriftstellers Maximilien Misson von 1687/1688.893 Blainville stimmt mit Misson allerdings nicht überein: „Wir sahen aber weder die Tapete, noch die schwarz sammiten Armlehnstühle für die Churfürsten, welche doch Misson unter seinen Zierrathen nennet, sondern an deren Statt erblickten wir einen großen langen Tisch mit einem sehr schlechten grünen Tuche bedeckt, und ein Dutzend alte Stühle mit dergleichen Zeuge überzogen.“894 Möglicherweise hatte sich in den vergangenen 80 Jahren seit Missons Beschreibung der Samtbezug der Stühle abgenutzt oder er wurde ersetzt, was die unterschiedlichen Beschreibungen erklären würde. Eine andere Möglichkeit wäre, dass Misson seine Beschreibung aus einem älteren Text übernommen hatte, ohne selbst das Wahlzimmer gesehen zu haben. Blainvilles kri-
891 Stock, Kleine Franckfurther Chronick, S. 1, 9. 892 [Heinrich Clauren]: Carls [Carl Gottlob Samuel Heun] vaterlaendische Reisen in Briefen an Eduard. Leipzig 1793, S. 368. 893 Maximilien Misson war ein reformierter Franzose, der nach der Aufhebung des Edikts von Nantes nach England kam und Hofmeister und Reisebegleiter des Grafen von Arran, Enkels des Herzogs von Ormond, war. 894 Blainville: Des Herrn von Blainville […] Reisebeschreibung durch Holland, Oberdeutschland und die Schweiz besonders aber durch Italien aus des Verfassers eigener Handschrift in englischer Sprache zum erstenmal zum Druck befördert von Georg Turnbull und Wilhelm Guthrie, nunmehr in das Deutsche übersetzet. Ersten Bandes erste Abtheilung. Lemgo 1764, S. 154.
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tische Bezugnahme auf Misson wurde womöglich durch den von der Forschung in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts beobachteten Schritt zur subjektiven Authentizität der Texte ermöglicht, mit denen sie an Wahrhaftigkeit und literarischer Attraktivität gewinnen sollten.895 Folglich wurde das Frankfurt-Bild in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts als privilegierte Kaiserwahlstadt nicht mehr nur aus der auswärtigen, sondern auch aus der Reichsperspektive detaillierter, subjektiver und kritischer, wie das Beispiel des Reisenden Johann Friedrich Karl Grimm von 1775 zeigt. Er war sich der geschichtsträchtigen und politischen Bedeutung des Römers durchaus bewusst, aber „unter den öffentlichen Gebäuden ist das Rathhaus, das man den Römer nennt, das berühmteste und das schlechteste zugleich.“ Und ohne die mit Glasfenstern versehene Kuppel „würde man einander fast nicht erkennen können“.896 Der sächsische Historiker, Kunsthistoriker und Kunstsammler August Joseph Ludwig von Wackerbarth (1770–1850) konnte dem Saal in dem „ungeheuren alten Gebäude“ des Römers wenigstens noch einen praktischen Nutzen abgewinnen, weil man dort bei seiner Ankunft gerade ein Schulexamen abhielt: „Dies ist auch gewiss sehr weise; denn sonst würden die vier Wände zu gar nichts nüzzen.“897 Chr. Wölfling war 1792 sogar vom Baustil der Krönungskirche enttäuscht, weil sie „nicht in dem schönen Gothischen Style gebaut [sei], welchen wir an der zu Straßburg und einigen andern bewundern. Ich möchte beynahe sagen, ihr Styl ist der verhunzteste in dieser Gattung.“898 Parallel zu den Reisebeschreibungen nahmen die Lexika das zunehmend kritische Bild auf. Schramms Neues europäisches Reise-Lexicon von 1744 beschrieb die Wahlkapelle als „schmal, finster und ausser dem rothen Tuch, womit sie beym Altar zu Bequemlichkeit derer Herren Churfürsten und Gesandten bekleidet ist, ohne allen Zierrath“.899 Die verstärkte Aufmerksamkeit nicht nur für die Vorzüge und Besonderheiten einer Stadt, sondern auch für Missstände und Verfallserscheinungen war im 18. Jahrhundert nicht nur ein Phänomen, das Frankfurt allein betraf. Als geradezu penetrant beschrieb der Historiker Thomas Eser die Schilderung fremder Nürnberg-Besucher von ihrer Enttäuschung über die schlechten Zustände der Gegenwart, während die Heimatstadt Dürers doch einst in großer Blüte gestan-
895 Hentschel, Die Reiseliteratur am Ausgang des 18. Jahrhunderts, S. 70. 896 [Johann Friedrich Karl Grimm:] Bemerkungen eines Reisenden durch Deutschland, Frankreich, England und Holland in Briefen an seine Freunde. Erster Teil. Altenburg 1775, S. 37–38. 897 Wackerbarth, Rheinreise, S. 102–103. 898 Wölfling, Reise durch Thüringen, S. 8. 899 Schramm, Neues europäisches historisches Reise-Lexicon, Sp. 520.
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den hätte.900 Daraus ergeben sich wiederum deutliche Parallelen zwischen dem Stadtbild Nürnbergs und Frankfurts, was für die Übertragbarkeit der Ergebnisse der vorliegenden Studie auf andere Reichs- und Handelsstädte spricht: Die hochund spätmittelalterliche Vergangenheit diente als Maßstab für die Gegenwart, was zur Folge hatte, dass der Blick zurück auf eine verklärte mittelalterliche Vergangenheit zu einem negativen Bild in der Frühen Neuzeit führte, weil naturgemäß nur die positiven Aspekte wie Privilegien oder herausragende Persönlichkeiten der Vergangenheit Bestandteil des Stadtbildes wurden. Besonders seit dem 18. Jahrhundert gewann deshalb der kompensierende Charakter des FrankfurtBildes aufgrund einer nach wie vor dominierenden verklärten Vergangenheit im publizistischen Diskurs über Frankfurt und Nürnberg an Bedeutung. Seit dem ausgehenden 17. Jahrhundert und verstärkt am Übergang zum 18. Jahrhundert lässt sich ein deutlicher Wandel im Frankfurt-Bild als berühmte und prächtige Kaiserwahlstadt feststellen. Sie wurde zwar aufgrund ihrer Funktion ununterbrochen gerühmt, doch die tatsächlichen Umstände stimmten nicht mehr mit den Vorstellungen und dem in der literarischen Öffentlichkeit kolportierten Bild überein. In Johann Christian Ficks Taschenbuch für Reisende von 1795 waren der Römer und die Goldene Bulle schließlich nur noch zwei unter vielen Sehenswürdigkeiten. Die Funktion als Wahl- und Krönungsstadt der römischdeutschen Kaiser wurde gar nicht mehr erwähnt.901 Die Erklärung für Frankfurt als Ort der Kaiserwahl änderte sich von einer von den Kaisern geliebten, privilegierten und ruhmreichen Stadt zu einer sachlichen Erklärung mit dem Verweis auf die reichsrechtliche und gewohnheitsmäßige Bestimmung. Gleichwohl wies das Frankfurt-Bild in Bezug auf die Wahlen, Krönungen und die Goldene Bulle eine erstaunliche Konstanz auf, ermöglicht durch die im „barock-frühneuzeitlichen Wissenschaftsmodell verankerte ‚topischeʻ Beschreibung (Gemeinplatz-Topos)“, indem systematisch die gleichen Details angegeben wurden, wie besondere Bauwerke, Namen oder Geschehnisse.902 Die neben der individuellen und kritischen Beschreibung fortbestehenden Stereotype erklären sich nicht nur aus dem Betreiben von städtischer Seite, ein positives Bild von Frankfurt aufrechtzuerhalten, sondern auch durch die literarisch-gelehrte Praxis dieser Zeit, wie die Auseinandersetzung über die gelehrte Berichtsform verdeutlicht. Ein Gegner dieser Form, der österreichische Reiseschriftsteller Franz Kratter, sah 1791 den Fehler der Reisebeschreiber darin, dass sie das „hundertmal 900 Eser, „Deutschlands Nabel“, S. 44. 901 Johann Georg Christian Fick (Hrsg.): Taschenbuch für Reisende jeder Gattung durch Deutschland auf das Jahr 1795. Erlangen 1795, S. 61–62. 902 Thomas Pekar: Engelbert Kaempfer als Reisender der Frühen Neuzeit. In: Daphnis 26 (1997), S. 149–172, hier S. 164.
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gesagte noch einmal zu sagen“ wünschten, was notwendigerweise dazu geführt habe, dass so ein Text „nun freilich nicht aus der Hand“ gelegt werde, „ohne herzlich darüber zu gähnen“.903 Parallel dazu zeugen die individualisierten, teils bildhaft und sogar provokant formulierten Beschreibungen nicht nur von einem gewandelten Stadtbild Frankfurts, sondern auch von einer Reaktion auf den Wandel im Rezeptionsverhalten, „der immer stärker dazu führte, daß zunehmend Leser Literatur allein zur Befriedigung ihrer Unterhaltungsbedürfnisse konsumierten, […] ohne daß der aufklärerisch-emanzipatorische Anspruch, der die Literatur des 18. Jahrhunderts bestimmte, sogleich aufgegeben wurde“.904 Indem überlieferte und altbekannte Beschreibungen bis zum 18. Jahrhundert stereotyp tradiert wurden und gleichzeitig eine neue Ebene der eigenen Erfahrungen und kritischen Auseinandersetzung hinzukam, entstand ein ambivalentes Bild von Frankfurt als Kaiserwahlstadt und Aufbewahrungsort der Goldenen Bulle, geprägt durch eine historische Konstanz und äußerliche, zeitbedingte Defizite.
1.2.7 Goldene Bulle: Vom hoheitlichen Gesetzbuch zum einfachen „Pergamenten-Buch“ Zu dem im Wandel begriffenen Bild von Frankfurt als altehrwürdiger Wahlund Krönungsstadt gehörte auch die 1356 von Kaiser Karl IV. erlassene Goldene Bulle selbst. Als wichtigstes sogenanntes Grundgesetz des Heiligen Römischen Reiches905 bestimmte sie Frankfurt als den rechtmäßigen Ort für die Wahl der Könige durch die Kurfürsten und legte fest, dass eines der sieben Exemplare in Frankfurt aufbewahrt werden sollte. 906 Von der im 16. und 17. Jahrhundert zumeist stereotyp erwähnten und als berühmt und geschichtsträchtig beschriebenen Goldenen Bulle907 war wiederum 903 Franz Kratter: Bemerkungen, Reflexionen, Phantasien, Skizzen von Gemälden und Schilderungen auf meiner Reise durch einige Provinzen Oberdeutschlands. Brünn 1791, S. 2. 904 Hentschel, Die Reiseliteratur, S. 69. 905 Siehe Ausführlich zur Bedeutung und Rezeption der Goldenen Bulle: Ulrike Hohensee (Hrsg.): Die Goldene Bulle. Politik – Wahrnehmung – Rezeption. 2 Bde. Berlin 2009; Brockhoff/ Matthäus, Die Kaisermacher. 906 Lindner, Es war an der Zeit, S. 107–108. 907 Zum Beispiel: Georg Braun/Franz Hogenberg: Civitates Orbis Terrarum. Städte der Welt. Gesamtausgabe der kolorierten Tafeln 1572–1617. Herausgegeben von Stephan Füssel. Nach dem Original des Historischen Museums Frankfurt. Hong Kong u.a. 2009, S. 95: „Auch Kaiser Karl VI. [sic] hatte eine besondere Vorliebe für diese Stadt, daher hat er die Wahl der römischen Könige und Kaiser hierher verlegt und dies in der Goldenen Bulle bestätigt.“
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als Erstes ein ‚Ausländer‘, und zwar der englische Reisende Gilbert Burnet, Ende des 17. Jahrhunderts völlig enttäuscht. Sie war für ihn „only a great Parchment writ in High Dutch, without any Beauty answering to its Title: and since I could not have understood it, I was not at the pains of desiring to see it, for that is not obtained without difficulty“.908
Abb. 13: Die „Goldene Bulle“ Karls IV. Frankfurter Ausfertigung von 1366.
Damit zeichnete sich Ende des 17. Jahrhunderts zunächst aus der europäischen und ‚außerreichischen‘ Perspektive ein sehr deutlicher Wandel im Bild von der Goldenen Bulle ab, die in den Augen des englischen Reisenden nicht mehr war als ein unscheinbares Pergament ohne Verzierungen oder Schönheiten, ganz im Gegensatz dazu, wie es der vielversprechende Name zunächst suggerierte. Es gilt zu beachten, dass dieses Bild nicht aus der Frankfurter oder Reichsperspektive entworfen wurde, sondern von einem Fremden, dem die politische Bedeutung 908 Gilbert Burnet: Some Letters containing an Account of what seemed most remarkable in Switzerland, Italy, & c. S.l. 1687, S. 231.
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der Goldenen Bulle möglicherweise nicht bekannt oder für den sie zumindest nicht von Bedeutung war. Interessant ist in diesem Fall die wesentlich kürzere und neutral formulierte deutsche Übersetzung von 1693, die kaum noch mit den ursprünglichen Eindrücken von Burnet übereinstimmte: „In dem großen Archiv befindet sich das Original der goldenen Bulle, eine lange, auf Pergament in hochdeutscher Sprache geschriebene Verordnung.“909 Noch kritischer gestaltete sich im Verlauf des 18. Jahrhunderts das von den europäischen Reisenden entworfene Frankfurt-Bild. Der Engländer John Moore urteilte über eines der wichtigsten Reichsgrundgesetze in seiner Reisebeschreibung wahrlich vernichtend und deutete mit seiner Bemerkung möglicherweise bereits auf den Niedergang und die schwindende Bedeutung des Alten Reichs als Verfassungs- und Staatsgebilde hin. Ein Dukaten war für Moore „ein ziemlich hoher Preis für einen Blick auf eine alte Handschrift, die kaum Einer unter Hunderten lesen kann, und die noch weniger Leute verstehen können“.910 Als eine Anekdote fügte Moore bezüglich der Kosten für die Besichtigung hinzu: Ein Engländer, der für sein Geld mehr Zeitvertreib erwartet hatte, beschwerte sich hierüber, als über eine Uebertheuerung, laut: und antwortete einem Deutschen, den er von den theuren Preisen aller Dinge in England sprechen hörte: --‚Und doch ist in England nichts so theuer, als Euer goldener Bulle zu Frankfurt.‘911
Damit wurde die Goldene Bulle von dem berühmten Reichsgrundgesetz zu einem überteuerten, kaum sehenswerten und unverständlichen Pergament degradiert. Wie eine Entgegnung auf die Beschreibung Moores mutet der Reisebericht von Jacob Jonas Björnståhl aus dem Jahr 1782 an, dem zwar ebenfalls der schlechte Zustand der Goldenen Bulle als eine „sehr einfache Handschrift auf Pergamen [sic] in Quartformat“ aufgefallen war, diesen aber aufgrund der historischen Bedeutung relativierte: „Dennoch ist dies Buch, das ein so schlechtes Ansehen hat, die Grundlage des deutschen Staatsrechts.“912
909 Gilbert Burnet: Des berühmten Englischen Bischoffs zu Salisbury Gilberti Burnets […] gethane Reise. Anfänglich in Englisch- nachgehends Frantzösisch- ietzo aber in deutscher Sprache beschrieben. 3. Aufl. Leipzig 1693, S. 65. 910 John Moore: Abriß des gesellschaftlichen Lebens und der Sitten in Frankreich, der Schweiz und Deutschland. In Briefen entworfen von D. Moores. Nach der zweyten Englischen Ausgabe in 2 Bänden. Leipzig 1779, S. 216. 911 Ebd., S. 216–217. 912 Jacob Jonas Björnståhl: Briefe auf seinen ausländischen Reisen an den Königlichen Bi bliothekar C.C. Gjörwell in Stockholm. Aus dem Schwedischen übersetzt von Christian Heinrich Groskurd. Fünfter Band. Leipzig/Rostock 1782, S. 226.
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Erstaunlicherweise behielt der Topos von Frankfurts Ruhm parallel zur zunehmenden Kritik seine Position im Stadtbild inne. Gottlob Friedrich Krebel beschrieb Frankfurt in demselben Jahr als „eine schöne, große und feste freye Reichsstadt […], die die hohe Würde hat, daß daselbst […] im Archive das Original der berühmten güldnen Bulle“ aufbewahrt wird.913 So wurden Ende des 17. Jahrhunderts und in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts auch von Europäern Reiseberichte verfasst, die das positive und lobende Bild aus den deutschsprachigen Texten übernahmen.914 Ein Franzose beschrieb die Goldene Bulle 1728 als „cette fameuse Constitution, que fit faire à ce sujet lʼEmpereur Charles IV“.915 Während das Bild Frankfurts in fremdsprachigen Reiseberichten aus der Außenperspektive zunehmend distanzierter, kritischer und teils geringschätzig wurde, oft sogar Enttäuschung festzustellen war, blieb die Reichsperspektive in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts im Sinne einer von der Forschung als „traditionell antiquarisch“ beschriebenen „Vergangenheitsorientierung“916 noch weitgehend positiv geprägt. Einige Autoren verteidigten die Goldene Bulle sogar gegenüber den abschätzigen Bewertungen der ausländischen Reisenden, wie Georg von Fürst 1739: Diese Bulle ist nicht ein Ochse mit goldenen Hörnern, wie jener Engelländer917 sich eingebildet hat, und auch deswegen hieher gereiset ist. Es ist vielmehr das Original von dem berühmten Buche, welches die Grund-Gesetze des Römischen Reichs in sich fasset, und mit einer goldnen Bulle ist besiegelt worden.918
In dem Reisebericht des Erbprinzen Carl Friedrich zu Fürstenberg aus den 1730erJahren füllte die detaillierte Beschreibung der Goldenen Bulle sogar über eine Seite. Er nannte ihren vollständigen Namen und beschrieb die Inschriften sowie Umfang und Gestaltung des Reichsgrundgesetzes.919 Der Autor des HistorischPolitischen Atlasses orientierte sich bei seiner sehr ausführlichen Beschreibung 913 Gottlob Friedrich Krebel: Die vornehmsten Europäischen Reisen, wie solche durch Deutschland, die Schweiz, die Niederlande […] auf eine nützliche und bequeme Weise anzustellen sind. Teil 1, Neue verbesserte Auflage. Hamburg 1783, S. 291, 293. 914 Remarques Historiques et Critiques. Faites dans un Voyage dʼItalie en Hollande dans lʼAnnée 1704. Tome Second. Cologne chez Jaques le Sincere. M.DCCV, S. 45. 915 Remarques dʼun Voyageur, S. 122. 916 Bödeker, Reisebeschreibungen im historischen Diskurs, S. 282. 917 Vermutlich bezieht sich Georg von Fürst hier auf die wohl ironisch gemeinte Bezeichnung der Goldenen Bulle als überteuerter Goldener Bulle von John Moore. Vgl. Fußnote 635. 918 Georg von Fürst: Herrn Georgen von Fürst, eines berühmten Cavaliers aus Schlesien, Curieuse Reisen durch Europa: in welcher allerhand Merckwürdigkeiten zu finden. Sorau 1739, S. 377–378. 919 Dufrêne, Tagebuch über des Erbprinzen Carl Friedrich zu Fürstenberg Reisen, fol. 14r.
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exakt an früheren Darstellungen, was an der Beschreibung der 1642 und 1710 erfolgten Erneuerungen der Seidenfäden deutlich wird, „welche durch alle Blätter gezogen, und womit die güldene Bulle zusammen gefüget ist, Alters wegen dünne und unhaltbar geworden waren“.920 Selbst Aspekte, die aus heutiger Perspektive nur ein Detail zu sein scheinen, wurden von den Kompilatoren in aller Ausführlichkeit übernommen. Was für Frankfurt die Goldene Bulle war, waren für Nürnberg die Reichsinsignien Krone, Zepter und Apfel samt Reichsreliquien als wichtigste Symbole des Heiligen Römischen Reichs Deutscher Nation. Sie fungierten als Herrschaftsbestätigungen und wurden in einem Sakristeischrank in Nürnberg aufbewahrt. Nur zur jeweiligen Königskrönung brachte man sie nach Frankfurt.921 Auch wenn es hierzu noch keine detaillierten Untersuchungen gibt, ist davon auszugehen, dass die Reichsinsignien im publizistischen Nürnberg-Bild eine ähnliche Rolle gespielt haben dürften wie die Goldene Bulle für Frankfurt. So sieht der Historiker Thomas Eser eine wichtige Voraussetzung für Nürnbergs Entwicklung und Ansehen darin, dass sie eine „moderate, kontrollierte Nähe zum Königs- und Kaisertum durch Förderung möglichst zahlreicher Herrscheraufenthalte und Reichstage“ besaß und eben dadurch ausgezeichnet wurde, dass sie der Aufbewahrungsort der Reichsinsignien war.922 Diese stereotyp geprägten Beschreibungen wurden in erster Linie wohl von Personen tradiert, die sich die Goldene Bulle vor Ort nicht näher angeschaut und keinen persönlichen Eindruck gewonnen hatten, sondern sich auf Reiseführer oder Stadtbeschreibungen verließen. Zum anderen erklärt sich die Stereotypie in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts mit der Forderung der Reiseschriftsteller nach einer „deskriptive[n] Systematisierung und eine[r] präskriptiven Normenfestlegung […], die sich an der gelehrt-utilitaristischen Reisebeschreibung orientierte“.923 Diese sollte sich an Objektivität, Gegenstandsrelevanz und an einen klaren wissenschaftlichen Stil halten. So wurde einer persönlichen Beschreibung von den meisten Aufklärern nur ein geringer Erkenntniswert zugeschrieben und individuelle Erfahrung hatte für die gelehrte Kritik (noch) keine Relevanz.924 Gleichzeitig wurden seit den 90er-Jahren des 18. Jahrhunderts auch die subjektiven Erfahrungen allmählich akzeptiert, auch wenn sie noch längst nicht gleichberechtigt neben den gelehrten Reiseberichten ihren Platz fanden.925 920 Historisch-Politisch-Geographischer Atlas der gantzen Welt, Sp. 1819. 921 Eser, „Deutschlands Nabel“, S. 35. 922 Ebd., S. 37. 923 Hentschel, Die Reiseliteratur, S. 58. 924 Ebd. 925 Ebd., S. 58–59.
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1.2.8 Zusammenfassung Die Kaiserwahlen und -krönungen, der Römer, der Dom und die Goldene Bulle waren seit dem frühen 16. Jahrhundert zentrale Elemente des Stadtbildes, mit denen die Frankfurter sowie insbesondere fremde Besucher die Stadt identifizierten. So hoben die Verfasser in Stadtlobgedichten und den nachfolgenden Stadtbeschreibungen eine Besonderheit Frankfurts hervor, und zwar ihre Stellung im Reich, die sie zunächst vor allem mit architektonischen, symbolischen und historischen Elementen verknüpften,926 bevor sie nach und nach zugunsten aktueller Ereignisse in den Hintergrund traten. Nachdem im 16. und 17. Jahrhundert die Bedeutung Frankfurts als Wahl- und Krönungsstadt für das Reichsgefüge und die besondere Beziehung zwischen Kaisertum und Reichsstadt hervorgehoben wurde, kamen ab 1700 pragmatische Erklärungsansätze für die Bestimmung Frankfurts als Wahlort hinzu. Zudem entwickelte sich ein kritischer Blick auf die Goldene Bulle und die Schauplätze der Wahl- und Krönungszeremonie. Gründe hierfür sind zum einen ein tatsächlicher Verfall der Gebäude, aber auch eine nachlassende Bedeutung der Institution des Kaisertums in den politischen Umwälzungen Ende des 18. Jahrhunderts, als das Alte Reich gegenüber der sukzessiven Territorialisierung und dem sogenannten Dualismus zwischen Reich und Ständen sowie der Großmachtpolitik Preußens und Österreichs zu bröckeln begann.927 Infolgedessen wurde sowohl den Wahlen und Krönungen, den mittlerweile historischen Stätten für Wahl und Krönung als auch dem Reichsgrundgesetz immer weniger Bedeutung beigemessen. Gleichwohl soll und kann hier keine historiographische Kontroverse über einen vermeintlichen Dualismus von Kaiser (Österreich) und Reich (Summe der Reichsstände ohne den Kaiser, der auch Reichsstand war) geführt werden, denn das jeweilige Mit-, Neben- und Gegeneinander von Reich und Territorialstaaten wäre ein zu komplexer und bereits an anderer Stelle umfangreich behandelter Aspekt.928 Festzuhalten bleibt, dass sich große politische Umbrüche und mit den Napoleonischen Kriegen auch Auseinandersetzungen anbahnten, die die Struktur des Alten Reiches elementar betrafen und letztlich auflösten. Ein weiterer Grund für das veränderte Stadtbild ist die Enttäuschung bei Reisenden und Besuchern, die sich auf Grundlage bereits gelesener Frankfurt926 Siehe hierzu auch Paintner, Zwischen regionaler Verortung und Reichsperspektive, S. 380. 927 Burgdorf, Finis Imperii. Das Alte Reich am Ende, S. 13–20; Harm Klueting/Wolfgang Schmale (Hrsg.): Das Reich und seine Territorialstaaten im 17. und 18. Jahrhundert. Aspekte des Mit-, Neben- und Gegeneinander. Münster 2004. 928 Siehe hierzu u.a. Klueting/Schmale, Das Reich und seine Territorialstaaten; Joachim Bahlke: Landesherrschaft, Territorien und Staat in der Frühen Neuzeit. München 2012.
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Darstellungen und des vorhandenen Diskurses mit Rückbezug auf die mittelalterliche Privilegierung ein offensichtlich anderes Bild von Frankfurt gemacht hatten. Daher versuchte man aus städtischer Perspektive dieses Bild – im Sinne ‚touristischerʻ Anziehungspunkte – aufrechtzuerhalten. Somit war der Topos von der berühmten Kaiserwahlstadt und dem Aufbewahrungsort der Goldenen Bulle einerseits der Grund für ein zunehmend enttäuschtes, kritisches und negativ geprägtes Bild von Frankfurt. Andererseits fungierte er aber auch als Kompensation zum Bedeutungsverlust und im Hinblick auf die politischen Umwandlungen möglicherweise als Legitimation für Frankfurts Ansehen und Ruhm, zumal es weder eine Universität noch eine Residenz besaß.
1.3 „Franckfurt das Edel gewerbhauß“929: Versorgerin oder Ruin der „teutschen“ Wirtschaft? Die Frankfurter Handels- und Wechselmesse war ein Ereignis, das der Stadt in der Frühen Neuzeit zu europa- und weltweitem Ansehen verhalf und einen wichtigen Bestandteil im Stadtbild darstellte. Zeitgenössische Stadtbeschreibungen betonten, dass „dergleichen in Teutschland wol nicht ist zufinden“.930 Dabei unterlag das in der Frühen Neuzeit einerseits konstant in der Öffentlichkeit kommunizierte Bild von Frankfurt als Messe- und Handelsstadt andererseits einem beachtlichen inhaltlichen Wandel.
1.3.1 Warenhaus des Reiches Weil Frankfurt um 1500 außerhalb der Messezeiten noch überwiegend handwerklich-agrarisch und ackerbürgerlich geprägt war, war die Stadt auf ein erfolgreiches Messegeschäft angewiesen, von dem sie in den Monaten zwischen den Messen zehren konnte. Folglich bildeten die beiden jährlichen Handelsmessen den „Lebensnerv Frankfurts“931, weshalb es wohl nicht verwunderlich ist, dass
929 Sebastian Münster: Mappa Europae. Frankfurt a.M. 1536, nicht pag. 930 Abraham Saur: Theatrum Urbium. Warhafftige Contrafeytung und Summarische Beschreibung/ vast aller Vornehmen und namhafftigen Stätten/ Schlössern und Klöster. Frankfurt a.M. 1595, S. 166. 931 Jahns, Frankfurt am Main im Zeitalter der Reformation, S. 153. Siehe hierzu auch ausführlich Kapitel I.2.6 „Frankfurt als internationales Messe- und Handelszentrum“.
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im 15. und 16. Jahrhundert die Versorgungsfunktion des Handels und der Reichsmessen sowie die Warenvielfalt im Stadtbild Frankfurts eine große Rolle spielten. An dieser Stelle sei auch kurz darauf hingewiesen, dass der Ruf und das Ansehen einer „wohlorganisierten Handelsstadt“932 bereits in antiken Reisebeschreibungen des 3. und 2. Jahrhunderts vor Christus eine nicht unwichtige Rolle spielten, wie Klaus Fittschen für das antike Athen festgestellt hat. Die Mehrzahl der Frankfurter Stadtlobgedichte erzählte vom Ruhm und dem emsigen Treiben auf den Messen. Das unerschöpfliche Warenangebot und der Eindruck, dass es auf der Welt nichts gebe, was man nicht in Frankfurt bekommen könne, prägten das Städtelob, wie etwa 1501 bei Johann Steinwert von Soest: Von manchem menschen wol bekant/ In tutschem auch in welchem lant./ Umb sust du nyt dy cammer bist/ Des romschen richs zu aller frist/ Wasz mensch begertt in grosz und kleyn/ Fynd man by dir in der gemeyn. […] Wasz nymantz hott, vynd men by dyr/ Du bist dem romschen rich eyn tzyr/ Holtz wyngart bronnen wasser weyd/ Visch wylprett frucht hott dyn geleyd.933
Nach Soests Darstellung könne Frankfurt das gesamte Reich mit Nahrung, Waren und Gütern versorgen. Um 1500 legte auch Julius Caesar Scaliger (1484–1558) den Schwerpunkt in seinem Lobgedicht auf Frankfurt als Warenlieferanten: „Frankfurt die Stadt bringt viel Getreydt/ Hat viel Wein-Wachs und Schnabel-Weydt/ Man bringt dahin der Metalln viel/ Was nur Mars immer haben will/ Zum Krieg, Ceres in Friedens-Zeit/ Das findt man da ohn Unterscheidt.“934 Indem Scaliger die Götter Mars als Agrargottheit für das Gedeihen der Vegetation und Ceres als Göttin des Ackerbaus und der Fruchtbarkeit erwähnt, betont er die Fülle an Lebensmitteln, Kriegsgerät und Waffen, die in Frankfurt zu bekommen sei. Er entwirft ein Bild von Frankfurt als „Speisekammer“ und „Kornkammer“ des Reiches. Die Nennung von antiken Gottheiten zur Betonung spezifischer Eigenschaften ist ein Mittel, dessen sich die Autoren von Stadtlobgedichten häufig bedien-
932 Klaus Fittschen: Eine Stadt für Schaulustige und Müßiggänger. Athen im 3. und 2. Jh. v. Chr. In: Michael Wörrle/Paul Zanker (Hrsg.): Stadtbild und Bürgerbild im Hellenismus. München 1995, S. 55–77, hier S. 55. 933 Johann Steinwert von Soest, Eyn Spruchgedicht, S. 77. 934 Julius Caesar Scaliger: Francfordia (um 1510/20). In: Julii Caesaris Scaliger: Urbes. Ad Divam constantiam Rangoniam, S. 582–613. In: Julii Caesaris Scaligeri: Poemata in duas partes divisa. Sieben Bücher über die Dichtkunst. Pars 1. 1561, Frankfurt-Vers S. 606. Deutsche Übersetzung nach Maximilian Faust von Aschaffenburg in: Diehl, Frankfurt am Main im Spiegel, S. 211–212. Im lateinischen Original schreibt Scaliger: „Multa laboratis debet Francfordia sulcis/ Multa racemiferis vinea culta jugis./ Quid referam, quanta & quae convexêre metalla?/ Quae Mars bellipotens quae petit alma Ceres?”
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ten.935 Diese im Humanismus zentral dargestellte Funktion einer Stadt als Ernährerin und Versorgerin der Menschen lässt sich schon im antiken Stadtlobgedicht, etwa im Ordo urbium nobilium von Ausonius, feststellen, in dem er Toulouse als „Ernährerin“936 bezeichnete. Stärker auf die Warenmessen konzentriert und nicht nur allgemein auf den Handel bezogen, schildert Hans Sachs in seinem Lobvers den Trubel und das Treiben auf den Messen, wie die Menschen über die Waren und Preise feilschten und wie der Handel vonstattengehe. Rhetorisch verwendet er Aufzählungen, kurze Verse und Alliterationen, um eine Dynamik zu erzeugen, die das Tempo, die Eile und Hektik auf den Messen verdeutlichen sollen: Da ist den von der kaufflewt hauffen/ Ein stechen937, kawffen und verkawffen/ Ein rechen, zalen, schreibn und porgen/ Drey dag, die nacht of pis an morgen/ Ein lauffen, gen, schlauffen938 und faren/ Da ider sein war thuet pewaren/ Mit einschlagen, einpackn, aufladen.939
Für das Stadtbild waren aber nicht nur die Masse an Waren und der alltägliche Bedarf von Bedeutung, sondern auch die teuren und kostbaren Dinge, die dort ihre Besitzer wechselten, wie die folgenden Zeilen aus Johann Steinwert von Soests Lobgedicht von 1501 verdeutlichen: „Golt, Silber, perlyn, edelgestein/ Hastu myt hauffen ist nyt neu/ Auch Syden gwant und gulden stuck/ Als wasz da dynt tzu dem geschmuck.“940 In dem wohl berühmtesten Lobgedicht auf den Frankfurter Messehandel des protestantischen Buchdruckers, Humanisten und Philologen Henri Estienne941 (Henricus Stephanus, 1531–1598) Francofordiense Emporium942 von 1574 (Deutsche Übersetzung: Der Frankfurter Markt oder die Frankfurter Messe) hob der Ver-
935 Zeller, „Ich singe Dantzig dich“, S. 41. 936 Vgl. Dräger, Nochmals: Ein antikes Städtelob auf Trier, S. 46. Hier in der deutschen Übersetzung nach Dräger. 937 Drängeln. 938 Schleifen, schlüpfen. 939 Sachs, Ain lobspruech, S. 400. 940 Steinwert von Soest, Eyn spruchgedicht, S. 77. 941 Henri Estienne leitete unter dem Gelehrtennamen Henricus Stephanus seit 1559 eine Druckerei in Genf. Beruflich führte es ihn in den 60er- und 70er-Jahren immer wieder auf die Frankfurter Messe, der er 1574 diese Lobschrift widmete. 942 Henri Estienne: Francofordiense Emporium. Repr. d. Ausg. S.l. 1574. Frankfurt a.M. 1968. Eine weitere Ausgabe, die zur Analyse und für den Abgleich deutscher Zitate herangezogen wurde, wurde herausgegeben von Julius Ziehen (Hrsg.): Der Frankfurter Markt oder die Frankfurter Messe. Mit 13 Abbildungen und dem Marktschiff-Gedicht vom Jahre 1596 als Anhang. Von Henricus Stephanus. In deutscher Übersetzung. Frankfurt a.M. 1919.
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fasser auf die unendliche Menge und Warenvielfalt ab, sodass Frankfurt als ein bzw. das Warenhaus des Reiches erschien: Unser Frankfurt, das bietet so viel dir der prächtigsten Waren/ Daß du dir sagest: Die Stadt faßt das Erzeugnis der Welt./ […] So viel Sterne der Himmel, so viele Waren hat Frankfurt/ Und Mercurius selbst füllet den Markt seiner Stadt./ Wirst du von Dingen gelockt, die von fernher zu Markte gelangen.943
Dieses im Städtelob entstandene Bild haben die kosmographisch-geographischen Schriften im 17. Jahrhundert aufgenommen und tradiert. Ein sehr anschauliches Beispiel hierfür stammt aus dem 1676 von Wolfgang Albrecht Stromer von Reichenbach verfassten Speculum Germaniae, in dem er Frankfurt als das „kleine Teutschland“ bezeichnete, weil alles, was in Teutschland entweder die gütige Natur darreichet, oder der Teutschen scharffer Verstand zuweg richtet, allhier, als in einem kurtzen Begriff, die Handelschafft zusammen bringet, dahero dann sehr schön hievon, des Weltberümten Tichters Melissi bekante dimetri lauten: Urbs Atticorum olim velut/ Hellas, vicata est Helladis,/ Orbisq, Roma totius/ Quoddam quasi compendium;/ Formosa ceu Neapolis/ Italia dicta est Italia:/ Ut Gallia nunc Gallia/ Dici potest Lutetia:/ Sic Francofurtum Nundinas/ Propter frequentes, nomino/ Germaniam Germaniae.944
Reichenbachs Beschreibung ist außerdem ein besonders anschauliches und eindeutiges Beispiel für die Intertextualität und den Verlauf des Frankfurt-Diskurses, weil er das Lobgedicht Urbs Atticorum945 auf Frankfurt von Paul Melissus (eigentlich Schede, 1539–1602) zitierte. Regelmäßig finden sich eingefügte oder eigens dafür verfasste Lobverse in den kosmographischen Stadtbeschreibungen und Chroniken von Frankfurt des 17. und 18. Jahrhunderts. So führten einige Verfasser und Kompilatoren der handschriftlichen Chroniken neben den streng chronologisch aufgebauten Einträgen zur Vergabe der Messe-Privilegien auch Passagen aus den Stadtlobgedichten mit an, in denen Frankfurt als Messe- und Handelsstadt hervorgehoben wurde. In 943 Im lateinischen Original: „Tot tibi nostra dabit pulchras Francofordia merces/ Haec habet, ut dicas, quicquid in orbe fuit./ Gargara quot segetes, quot habet Methymna racemos/ Aequore quot pisces, fronde teguntur aves./ Quot coelum stellas, tot habet Francofordia merces/ Mercuriusque suo prostat in emporio./ Seu caperis nostram peregre advenientibus urbem/ Ante oculos veniet merx numerosa tuos/ Sive petis merces patrias, tibi mille placebunt:/ Cogeris voti nescius esse tui.” Vgl. Estienne, Francofordiense Emporium. 944 Reichenbach, Speculum Germaniae, S. 217–218. 945 Der Vers ist zeitgenössisch ebenfalls abgedruckt worden von Martin Zeiller in der Topographia Hassiae (1646), S. 51.
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den Annales Reipublica Francofurtensis (1571–1698) sind beispielsweise im vierten Teil, den Collectanea von der Statt Franckfurt, im Zusammenhang mit dem Frankfurter Markt (nundinas) die Lobsprüche von Henricus Stephanus und der oben bereits genannte Vers von Julius Caesar Scaliger angeführt.946 An anderer Stelle sind die weiteren Lobsprüche niedergeschrieben.947 Auch in den Acta aliquot finden sich die Epigrammata von Nikolaus Reusner, Jacobus Micyllus, Conrad Celtis, Hugo Favolius, David Sigismund, Petrus Lindenberg, Georg Fabricius, Paul Melissus Schede, Christoph Colerus und Johann Ludwig Gansius.948 Neben dem Waren- und Geldgeschäft bedeutender und erfolgreicher Kaufleute aus ganz Europa auf der größten Messe des Alten Reiches erwähnte der Italiener Gualdo Priorato in seiner Beschreibung Frankfurts von 1668 außerdem die Fixierung der Messetermine, an denen sich das Kauf- und Verkaufsverhalten orientierte. Der Gewinn und Erfolg, den die Händler auf den Frankfurter Messen einfahren würden, übersteige alles, was sie in der übrigen Zeit des Jahres erwirtschaften würden.949 Auch die Reisenden und Stadtbeschreiber des 18. Jahrhunderts berichteten konstant und stereotyp vom Ruhm Frankfurts als Handelsstadt, wie ein anonymer Reisebericht von 1743 verdeutlicht: „Francfort est […] fameuse par ses deux foires, & mérite quʼun voyageur y fasse quelque séjour.“950 Doch durch das gewohnheitsmäßige und weit verbreitete Rezipieren älterer Stadtlobgedichte, Reiseberichte und Stadtbeschreibungen kam es, dass die Autoren unabhängig von der tatsächlichen wirtschaftlichen Entwicklung Aspekte des Stadtbildes hervorhoben und lobten, als sie bereits an Bedeutung verloren hatten. Interessanterweise gab es dieses Phänomen auch schon in der Antike, etwa zur Zeit Herodots (5. Jh. v. Chr.) und Diodors (1. Jh. v. Chr.), die Dinge (Heiligtümer, Tempel, Bauwerke etc.) beschrieben, die sie gar nicht selbst gesehen hatten, da sie schon nicht mehr existierten. Damit haben sie laut Heinle ein Bild suggeriert, das nicht der Wirklichkeit entsprach.951 Allerdings muss man betonen, dass es sich bei 946 Annales Reipublicae Francofurtensis. Verfasst: 1571–1698, Laufzeit: 744–1698. ISG: Chro niken S5/1, fol. 29r. 947 Ebd., fol. 30v-33v. 948 Latomus, Acta aliquot, fol. 49r–52r. 949 „Le fiere […] sono le maggiori, e le più ricche, che si fanno non solo in Alemagna; mà nellʼEuropa. […] Vi concorrono i Principali negotianti dʼEuropa, e mercanti forastieri dʼogni gemere, i quali tengono botteghe espressamente per aprirle nel tempo delle dette fiere, nel quale si fà maggior esito de gli effetti, che vi si portano, che non si farebbe in tutto il remanente dellʼanno.” Vgl. Gualdo Priorato, Relatione del Governo, S. 101–102. 950 Voiage historique et politique de Suisse, dʼItalie, et dʼAllemagne. Dritter Teil. Frankfurt a.M. 1743, S. 225. 951 Heinle, Stadtbilder im Hellenismus, S. 63.
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den frühneuzeitlichen Stadtbeschreibungen sicherlich um überhöhte und idealisierte Texte, jedoch um keine utopischen Darstellungen952 handelte, wie es in den ersten Jahrhunderten vor Christus oftmals der Fall war.
1.3.2 Die Handelsmessen Die frühe Frankfurter Geschichtsschreibung des 17. Jahrhunderts hob die Messen (noch) nicht als zentrales Charakteristikum Frankfurts hervor, sondern erwähnte sie zumeist nur in Zusammenhang mit ihren Gründungsprivilegien, ebenso wie andere Ereignisse auch, zum Beispiel politische Versammlungen, Kaiserkrönungen und Unwetter. Allerdings klang im Städtelob und teilweise in den ausformulierten Passagen der Chroniken ihre Bedeutung als besonderes Privileg der Kaiser und Auszeichnung für Frankfurt an. Erstaunlicherweise stellten die Chronisten die Messen jedoch nicht in einen unmittelbaren Zusammenhang mit der ökonomischen Bedeutung Frankfurts.
Abb. 14: „Die Franckfurter Messe im Jahr 1696.“ Der Römerberg zur Messezeit. Druckgrafik, Zinkdruck.
952 Ebd.
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So hat Maximilian Faust von Aschaffenburg, der als einer der ersten seine Chronik von ca. 1624 thematisch gegliedert hat, einen frühen Hinweis auf das Bild von den Messen als zentrales gesellschaftliches Ereignis gegeben. Er hatte laut Inhaltsverzeichnis sogar ein eigenes Kapitel darüber geplant, „wie Frankenfurt zu einer Europeischen Meßstatt worden, auch von andern Märkten und Kirchweyhen der Statt“.953 Aber er war offenbar nicht mehr dazu gekommen, das Kapitel zu schreiben. Die Chronik ist unvollständig geblieben und auch andere vorgesehene Kapitel lassen sich nur noch über das Inhaltsverzeichnis nachweisen. Daneben traten in das Bild von Frankfurt als Messezentrum die traditionellen und kultischen Handlungen, die zu den Messezeiten gewohnheitsmäßig abgehalten und von Karst in seinem Lorbeer-Crantz von 1662 beschrieben wurden. Neben dem althergebrachten Einläuten der Messen mit Glockengeläut erwähnte er das bis in das späte 18. Jahrhundert kolportierte und von vielen anderen Quellengattungen aufgegriffene Pfeiffer-Gericht, das jährlich kurz vor der Herbstmesse abgehalten wurde.954 Die Beschreibungen der Messen wurden seit dem ausgehenden 17. Jahrhundert ausführlicher und detaillierter. Achilles August von Lersner verwendete in seiner gedruckten Chronica von 1706 ganze elf Seiten auf die „zwo berühmten Messen“. Er beschrieb detailliert die Termine, den Ablauf und das Einholen des Messegeleits.955 Anschließend stellte er die Rechtslage dar und führte chronologisch alle kaiserlichen Privilegien auf, die dazu geführt hatten, dass sich die Herbst- und Fastenmesse in Frankfurt dauerhaft etablieren konnten. Nachdem Lersner das PfeifferGericht erläutert und Henricus Stephanusʼ Lobgedicht aufgeführt hatte, stellte er eine Chronologie der Frankfurter Messen auf, beginnend mit den Jahren 1237 und 1165, in denen die Messe per Privileg von Mainz nach Frankfurt verlegt und die Messebesucher von Kaiser Friedrich I. Barbarossa unter seinen Schutz gestellt wurden. Dabei stand aus Perspektive der Stadtchronistik nicht so sehr der wirtschaftliche Aspekt im Vordergrund, sondern Frankfurts Berühmtheit und Bekanntheit, die es durch die kaiserliche Zuwendung und Privilegierung erfahren habe. Insgesamt 953 Frankfurter Chronik von Maximilian Faust von Aschaffenburg, S5/74, nicht fol. 954 Eine Definition des 18. Jahrhunderts erläutert die Funktion dieses Gerichts wie folgt: „Da dann zugleich die drey Städte, Worms, Nürnberg und Bamberg die Bestätigung ihrer Zoll- und anderer Freyheiten auf der Messe erhalten. Es hat seinen Nahmen von den Pfeifern, d.i. Musikanten, unter deren Begleitung die Abgeordneten der jetzt genannten Städte vor demselben erscheinen.“ Johann Georg Krünitz: Oekonomische Encyclopädie oder allgemeines System der Staats-, Stadt-, Haus- und Landwirthschaft. Bd. 109 (1808). 955 „Auf der Friedberger Warth empfänget der Warth-Mann gleichfals ein Geleit; allwo ein Geleits Schultheiß […] ankommet, welcher mit noch einem Diener […] das Geleit Namens Ihro Hochfürstl. Durchlaucht von Darmstadt auf führet, dieser kommet den Weg von Bergen.“ Vgl. Lersner, Der Weit-berühmten freyen Reichs-Stadt Franckfurt am Mayn Chronica, S. 425.
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betrachtet blieb die Stadtchronistik jedoch weitestgehend neutral, indem sie auch wirtschaftliche Einbrüche im Messehandel oder die Verschiebung von Messeterminen aufgrund von Krankheiten, Unwettern oder Kriegen erwähnte. Sehr selten liest man hingegen – weder in der Chronistik noch in den Reiseberichten – von den Messebesuchen und den dort getätigten Einkäufen. Die folgende Beschreibung aus dem späten 18. Jahrhundert eines anonym gebliebenen Reisenden ist somit auch nur eine Ausnahme geblieben: „Früh gieng ich auf der Messe herum und zu den frêres Jeannot, welche die besten französischen Kleiderwaaren en gros verkauften. Ich nahm daselbst ein ganzes Kleid von petit velours den Stab à 13 Fl. und eine reiche Weste à 38 Fl. aus; es kam in allem nur 172 Fl. Reichs-Geld.“956 Im Zentrum der Beschreibungen des Frankfurter Handels und des Reichtums standen bis in das frühe 18. Jahrhundert die Messeprivilegien der Kaiser, die der Stadt eine große Ehre erwiesen hätten. Dadurch hätten sie Frankfurts Bedeutung für die Reichsebene hervorgehoben. Dieser Umstand resultiert allerdings auch aus der intertextuellen Praxis der frühneuzeitlichen Autoren. Caspar Gottschling (1709) hat sich zum Beispiel in seiner Stadtbeschreibung auf die ‚offizielle‘ Überlieferung gestützt, d.h. auf Gesetzestexte, Privilegien und formale Schriften, ohne im Detail auf das Messeleben oder die Handelstätigkeiten in Frankfurt einzugehen.957
1.3.3 Reichtum, Ruhm und Ehre Der aus dem Handel resultierende Reichtum und das Ansehen Frankfurts standen in den Chroniken, Lobgedichten und Stadtbeschreibungen auf Frankfurt neben der Warenvielfalt zunächst an wichtigster Stelle. Bereits im Einleitungstext seiner Frankfurter Chronik erwähnte Gebhard Florian Mitte des 17. Jahrhunderts die herausgehobene Stellung Frankfurts als weit berühmbter Kauff- und Handelsstatt, wegen deren von den Röm. Kaysern und Königen hoch privilegirten zweyen Messen, so etliche hundert Jahr in Flor gewesen. […] Kan […] gar wol ein nobile Emporium des gantzen Europae genennet werden.958
956 Abgekürztes Tagebuch einer Reise von Aachen über Frankfurt a.M. und viel deutsche Höfe nach Thüringen. 1769–1770 (Aus der Handschrift). In: Johann Bernoulliʼs Sammlung kurzer Reisebeschreibungen und anderer zur Erweiterung der Länder- und Menschenkenntniß dienender Nachrichten. Jg. 1784. 16. Bd. Berlin 1785, S. 275–292, hier S. 283. 957 Gottschling, Kurtze Nachricht von der Stadt Franckfurt am Mayn, S. 82, über Messetermine, Privilegien und weitere Informationen S. 82–85. 958 Florian, Chronica Der weitberühmbten freyen Reichs- Wahl- und Handel-Statt Franckfurt am Mayn, S. 10–11.
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Damit war Frankfurt im öffentlichen Bild nicht nur die formal vom Kaiser bestimmte Messestadt, sondern eine durch die kaiserlichen Privilegien besonders angesehene Messe- und Handelsstadt. Der Literaturwissenschaftler Giu seppe Lombardi hat diese Beobachtung auch bei den humanistischen Beschreibungen Nürnbergs gemacht, die den aus dem Handel resultierenden Reichtum im Städtelob in den Vordergrund stellten, um die schnelle Entwicklung der Stadt hervorzuheben.959 Wohl als Vorbild beschrieb bereits Enea Silvio Piccolomini in seiner Landesbeschreibung Germania960 (1457/58) den Reichtum und Glanz ganz Deutschlands, weshalb Lombardi der Schrift Eneas eine beeinflussende und prägende Funktion auf die Stadtbeschreibungen des späten 15. und 16. Jahrhunderts zuschreibt. Die Verfasser handschriftlich überlieferter Reiseberichte über Frankfurt verwiesen hingegen auf die wirtschaftliche Bedeutung des für Frankfurt zentralen Handels, der erfolgreichen Frankfurter Messen und des daraus resultierenden Wohlstands der Kaufleute, wie 1694 der Prinz Wilhelm von Nassau-Dillenburg: „Es wohnen viel reiche Kaufleuthe da, die sowohl mit wechsel, als mit allerhand ausländischen waahren handeln, in der Oster- und Herbstmesse ist ein großer Zulauf von frembden Kaufleuten und große gesellschaft von den benachbarten und frembden Herren.“961 Das Bild von der berühmten Handels- und Messestadt wurde im Laufe des 17. Jahrhunderts zunehmend individueller, ausdifferenzierter und es durchschritt eine Entwicklung von einem formalen Privileg über die Bedeutung als ‚Warenhaus des Reiches‘ zu einer ganz besonderen Auszeichnung Frankfurts, die die Stadt europaweit bekannt und berühmt gemacht hat. Besonders die Reiseberichte führten diese Entwicklung weiter. Auf der Herbstmesse 1611 hatte der englische Reisende Coryate nicht nur die Gelegenheit, seine Landsleute zu treffen, sondern auch die Reichtümer und kostbaren Waren zu betrachten, „especially in one place called Under Den Roemer, where the Goldsmithes kept their shoppes, which made the most glorious shew that ever I saw in my life, especially some of the Citie of Norimberg“.962 Der Wohlstand, dem er dort begegnete, sei unbeschreiblich, „so great, that it was unpossible for a man to conceive it in his minde that hath not first seene it with his bodily eies“. Die kostbarste Ware, die er in Frankfurt gesehen habe, käme von den Goldschmieden und „was made by an Englishman one Thomas Sackfield a Dorsetshire man, once a servant of my father“. 959 Lombardi, Historia, Descriptio, Laudatio, S. 132. 960 Enea Silvio Piccolomini: De ritu, situ, moribus et conditione Germaniae descriptio. Leipzig 1458, erschienen 1496. 961 Prinz Wilhelm von Nassau-Dillenburg, Ausführliche Reisebeschreibung, fol. 240–241. 962 Siehe auch für die folgenden Zitate Coryate, Crudities hastily gobled up, S. 564.
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Deutlicher als es der in Frankfurt geborene und viel gereiste Schriftsteller, Gelehrte und Staatsmann Johann Michael von Loen (1694–1776) 1740 in seiner Stadtbeschreibung formulierte, konnte die Bedeutung des Handels wohl nicht zum Ausdruck gebracht werden: „Die Handlung ist die Seele dieser reichen Stadt; sie allein hält sie empor und giebt ihr einen Rang unter den vornehmsten Städten der Welt.“963 Zum Reichtum der Stadt würden „grosse und ehrwürdige Männer“ unter den Kaufleuten beitragen, „die als wahre Patrioten ihre erworbene [sic] Reichthümer zur Aufnahme der Stadt und zum besten ihrer Mitbürger, insonderheit der Armen, mit vielem Ruhm zu gebrauchen wissen“.964 Von Loen kam in seiner Beschreibung von der übergeordneten Ebene des Handels für die herausgehobene Stellung Frankfurts auf die Stadtebene und beschrieb das Leben und die luxuriösen Lebensumstände der Frankfurter Bürger als angemessen und loyal. 1747 erwähnte Johann Bernhard Müller in der Einleitung seiner Stadtbeschreibung „die daselbst blühende grosse Handlung“, die der Stadt eine „besondere Ehre“ verliehen habe.965 Müller richtete seinen Blick auf die Menschen in Frankfurt, auf ihr Handelsgeschäft und ihre Situierung. Der Handel sei Frankfurts „Seele, welche den gantzen Cörper belebet, und so vielen tausenden unserer Einwohner Nahrung, Unterhalt und Überfluß schencket; ohne dieselbe unserer Stadt ein wenig bedeutender Ort in der Welt seyn würde“.966 Die zahlreichen angesehenen Kaufleute, „die dazu den Verlag und den Wachsthum bishero so glücklich an die Hand gegeben“ hätten, seien die Grundfeste des „gantzen Staats“. Deshalb hat Müller auch alle Kaufleute und bekannten „Capitalisten“ namentlich aufgelistet, „welche eine starcke Handelschafft treiben“, ihren Handel mit „grossen und starcken Wechsel“ voranbringen und daher „Banquiers“ oder „Wechsel-Herrn“ genannt würden, „durch deren Correspondence man von hieraus, an alle Orten und Reiche von Europa Geld übermachen kann“.967 Der Fokus des Frankfurt-Bildes hat sich ansatzweise im 17. und verstärkt im 18. Jahrhundert von dem Lob auf die kaiserlichen Messeprivilegien und dem stereotypen Verweis auf die wirtschaftliche Bedeutung Frankfurts als europäische Messestadt auf die städtische Ebene verschoben. Doch erloschen ist der Topos von der berühmten freien Handelsstadt deshalb nicht, wie das Gedicht von Anton
963 Johann Michael von Loen: III. Brief. Beschreibung der Stadt Franckfurt. In: Johann Caspar Schneider (Hrsg.): Johann Michael von Loen. Gesammelte kleine Schriften (1749–1752). Reprint, Frankfurt a.M. 1972, S. 26. 964 Ebd. 965 Müller, Beschreibung des gegenwärtigen Zustandes, S. 3. 966 Ebd., S. 176. 967 Ebd., S. 177.
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Kirchner Hoch strahlst du um 1800 zeigt: „Die Freiheit schirmet deines Handels Blüthe/ Der Handel hält des Reichthums alten Bau.“968
1.3.4 Wirtschaftliche Prosperität und politische Zentralität Hans Sachs betonte 1501 in seinem Lobgedicht auf Frankfurt die Voraussetzung des Handels und der Messen für Frankfurts politisches Emporkommen: „Die stat hat drefflich zu-genumen/ Mit handlung, gwerben und reichtumen/ Die mit kaiserlicher freiheit/ Pegabet ist vor langer zeit/ das man helt zwaymal jarmes dar.“969 Die Verleihung des kaiserlichen Messeprivilegs und des Geleitschutzes hätten den Handel in Frankfurt erst ermöglicht und würden die Grundlage für Frankfurts Blüte darstellen. Indirekt lassen sich hieraus ein Verweis auf die Kaisertreue und ein Dank an die Kaiser herauslesen. Bezeichnend ist auch bei dem Chronisten Faust von Aschaffenburg die Pa rallele, die er in seiner Chronik von 1624 zwischen der Funktion Frankfurts als Wahlort der Kaiser und der Einrichtung einer Handelsmesse gezogen hat: „Als aber folgends die Statt zur Kayserlichen Wahl gebraucht, dahin auch eine Herbstmeß geleget, solche von Kayser Friderichen dem andern im jahr 1219 confirmiret, und uber dieselbe von Kayser Ludovico dem vierten, im jahr 1330 noch mitt einer fastenmeße begabet worden, hatt sie dadurch von tag zu tag ahn einwohnern […] zugenomen.“970 Umso erstaunlicher ist es, wie disparat Frankfurt rund 100 Jahre später in den 1780er-Jahren als Handelsstadt betrachtet wurde. Während der in Höchst bei Frankfurt geborene Schriftsteller und Jurist Johann Kaspar Riesbeck aus einer wirtschaftlichen Perspektive den Handel sehr kritisch beurteilte, hielt Johann Heinrich Campe Frankfurt in seiner Reisebeschreibung nach Hamburg „ohnstreitig [für] die wichtigste Handelsstadt in Deutschland; ein Vorzug, den dieser Ort nicht blos seiner ungemein vortheilhaften Lage, sondern vornemlich auch der Freiheit verdankt, deren er noch als Reichsstadt genießt.“971 Wäre allein die gute Lage ausreichend, um eine Stadt zu einem großen Handelsplatz zu machen, „so müßte Frankfurt von dem vier Meilen davon gelegenen Maynz bei weitem übertroffen werden, weil dieses zwei Ströme, den Rhein und Mayn, die allda zusammenfließen, Frankfurt hingegen nur blos den Mayn beherrscht; und was ist gleichwol Maynz gegen Frankfurt? Das, was Altona gegen Hamburg ist, und nicht 968 Kirchner, Hoch strahlst du, nicht pag. 969 Sachs, Ain lobspruech, S. 399. 970 Maximilian Faust von Aschaffenburg, Frankfurter Chronik, S5/12, fol. 19r. 971 Campe, Sammlung interessanter Reisebeschreibungen, S. 212.
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dieses einmal.“972 Doch Freiheit sei laut Campe die „Seele der Handlung“973, woraufhin er auf drei Seiten die berühmte Tabakfabrik von Bolongaro974 als „die beträchtlichste aller Fabriken“975 beschrieb. Johann Heinrich Gottlob Hermann bereiste etwa zur selben Zeit Frankfurt. Ihm war die Reisebeschreibung Campes bekannt und er hat sich auf sie bezogen. Er argumentierte, dass nicht nur die Lage und politische Freiheit für den Handel förderlich seien, wie Campe es dargestellt hätte.976 Der hauptsächliche Unterschied zwischen Mainz und Frankfurt liege nach Hermanns Auffassung auch nicht so sehr in der Lage an einem oder zwei Flüssen (Abb. 15), sondern „wohl am meisten in den Abgaben. Diese sind in Frankfurt so geringe, als vielleicht sonst an keinem andern Ort.“ Demzufolge entrichte ein Millionär zur jährlichen sogenannten Großen Schatzung „noch nicht den zwanzigtausensten Theil seines Vermögens“. Doch in Mainz würde jeder vor den Abgaben zittern, „die der jetzige Wahl- und Krönungsaufwand des Churfürsten nothwendig macht: In Frankfurt ist man sicher, auch nicht einen Kreuzer dazu, oder sonst ausserordentlich zu entrichten.“ Genauso wichtig sei laut Hermann, dass die Abgaben in Frankfurt sehr beständig und seit etwa 60 Jahren nicht mehr erhöht worden seien, und auch der Zoll sei äußerst gering. Hermann sah noch weitere Vorteile, die dem Handel in Frankfurt eine gute Ausgangslage verschaffen würden, wie die wenigen Feiertage der Protestanten, „die geringere Plage von den Mönchen und andern Geistlichen, […] die mehrere Achtung, welche Kaufleuten in Frankfurt wiederfährt, da sie selbst im Rathe sitzen, folglich diesen Freistaat mit regieren helfen“. Eine im Frankfurt-Diskurs der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts neu hinzugekommene Argumentationslinie ist der Verweis auf die formalen und steuerrechtlichen Vorzüge Frankfurts, vor allem in Bezug auf die finanziellen Freiheiten, die auf der politischen Unabhängigkeit Frankfurts basieren würden, weil es keinem Landesherrn unterstand, der seinen Hof finanzieren musste. Die Reichsfreiheit und politische Selbstverwaltung wurden als ein großer finanzieller Vorteil für die wirtschaftliche Situation und den prosperierenden Handel Frankfurts angeführt.
972 Ebd. 973 Ebd., S. 121. 974 Siehe zu der eingewanderten Handels- und Banquiersfamilie Bolongaro sowie zu deren Tabakfabrik als Beispiel für eine konsequente, aber kurzsichtige Wirtschaftspolitik des Frankfurter Rates: Duchhardt, Frankfurt am Main im 18. Jahrhundert, S. 292. 975 Campe, Sammlung interessanter Reisebeschreibungen, S. 212–213. 976 Siehe für diesen und den folgenden Absatz: Johann Heinrich Gottlob Hermann: Bemerkungen auf einer Reise von Gotha nach Mainz bei Gelegenheit der Kaiserkrönung Leopolds II. Frankfurt a.M./Leipzig 1791, S. 74–76.
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Abb. 15: Das Mainufer am Fahrtor. Tafelbild, 1757. Öl auf Leinwand (doubliert) von Friedrich Wilhelm Hirt.
Eine ähnliche Argumentationskette baute auch der Verfasser eines anonymen Schreibens im Deutschen Magazin von 1796 auf. Wenn man über Frankfurt und seine Einwohner ein richtiges Urteil fällen wolle, müsse man „immer von dem Gesichtspunkte ausgehn, in dem es zuerst als eine freie Reichsstadt, und dann als eine der beträchtlichsten Handelsstädte nicht allein in Deutschland, sondern in ganz Europa erscheint“.977 Dabei sei es nur natürlich, dass diese beiden Eigenschaften nicht allein auf Frankfurts innere und äußere Verfassung einen sehr großen Einfluss hätten, sondern dass sie auch den Charakter und die Sitten seiner Einwohner prägen würden.978 Damit sprach der Verfasser die Wechselwirkungen zwischen der Funktion Frankfurts als Handelszentrum und der inneren und äußeren Verfassung von Stadt und Einwohner an. In ihrer Bedeutung als Handelsstadt stünden nur wenige neben und einzig Hamburg noch über Frankfurt. Der Autor begab sich auf eine genuin städtische Frankfurter Ebene, auch wenn er grundsätzlich Parallelen zwischen den Reichs- und Handelsstädten sah, indem die Reichsfreiheit und 977 Vertraute Briefe über verschiedene freie deutsche Reichs-Städte, S. 74. 978 Ebd.
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Unabhängigkeit von einem Reichsfürsten oder Landesherrn die wirtschaftliche Prosperität befördert hätten.
1.3.5 Internationalität Ein weiterer Aspekt im Frankfurt-Bild war von Anfang an das internationale Publikum, das den Weg zu den Frankfurter Messen fand, die laut Sachs „paidsand werden pesucht durch gancz Deutschland/ Engeland und Ytalia/ Poland, Holand und Gallia/ Von kramern, hendlern und kauffhern/ Auf schiffen, wegen, schlittn und kerrn“.979 Die humanistisch geprägten Autoren verwendeten häufig das rhetorische Mittel der Amplificatio, eine Aufzählung derjenigen Länder, aus denen jeweils die Handelsleute und Waren kamen bzw. wohin sie gelangten, um die Weltläufigkeit der Stadt hervorzuheben. Auf die internationale Bedeutung, aber auch auf das bereits lange Bestehen der Frankfurter Messen zielte beispielsweise das Gedicht Ulrich von Huttens (1510) ab, der antike, indogermanische und frühmittelalterliche Nomadenvölker erwähnte, die bereits für den Handel nach Frankfurt gekommen seien: Zu ihr kommen der Scythe, der Daker, des Hämus Bewohner/ Thraker, und der gezeuget ward in der Grajer Gebiet/ Zu ihr Asias Sprößling, es kommt der Afrar auch zu ihr/ Gallier, Spanier kommt, Perser, Assyrer auch/ So nun eilet hinzu und drängt sich die Menge der Völker/ Denn es öffnet sich dort jeglicher Ware der Markt.980
Obwohl oder gerade weil Frankfurt bis weit ins 16. Jahrhundert hinein überwiegend handwerklich-agrarisch geprägt war und der wirtschaftliche Wohlstand der Stadt vom Florieren der Messe abhing,981 lobte von Hutten die Handelsmessen und deren Zulauf von Händlern aus der ganzen Welt, selbst aus dem entfernten Afrika und Asien. Umso mehr waren erfolgreiche Messen, ihr guter Ruf und ihr weiteres Bestehen für den Rat und die Bürger Frankfurts von enormer Bedeutung, was die zentrale Stellung der Messen im Stadtbild erklärt. 979 Sachs, Ain lobspruech, S. 399. 980 Ulrich von Hutten: Dort ist die Stadt. 1510. Deutsche Übersetzung nach Gottlieb Christian Friedrich Mohnike (Hrsg.): Klagen gegen Wedeg Loetz und dessen Sohn Henning. Greifswald 1816. Ein poetisches Frühwerk des Ulrich von Hutten von 1509, in einer kommentierten lateinisch-deutschen Ausgabe. Im lateinischen Original schreibt von Hutten: „Hanc Scytha cum Daco, Rhodopesque habitator et Haemi/ Hanc Maedo, et Grajae finibus ortus humi/ Hanc Asiae cognatus agit, venit Afer ad illam/ Gallus et Hispanus, Perses et Assyrius/ Undique tot gentes adeunt, populique frequentant/ Emporium omnigenis mercibus illa patet.“ 981 Jahns, Frankfurt, Reformation und Schmalkaldischer Bund, S. 17–18.
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Gleichwohl war die Internationalität kein Alleinstellungsmerkmal für Frankfurt. Auch im Städtelob auf die Handels- und Hansestadt Hamburg, wie beispielsweise in einem Text von Johann Freder aus dem Jahr 1573, erfolgte eine Aufzählung der mit Hamburg Handel treibenden Nationen.982 Außerdem würden der Frankfurter Stadtrat und das kaiserliche Privileg des Geleitschutzes bzw. Messegeleits den Fremden während der Messezeiten eine besondere Sicherheit bieten, ebenso wie die gerechte und schnelle Rechtsprechung in der Stadt, wie im Marckschiff betont wurde: „Eins solchen Schutzs die Frembden sich/ Zu den Meßzeiten sonderlich/ Haben zutrösten, als im Rechten/ Witwen und Waisen haben möchten.“983 Die gerechte Rechtsprechung sei sehr vorteilhaft für die Messegäste und Fremden, weil die Ordnungsmaßnahmen und Gesetze des Rates dafür sorgen würden, dass nicht überall Gesindel, Spieler, „Strassenrauber, Beutellschneider“ und „Fahrende Schuler“ auf den Straßen umherliefen, sondern besonders während der Messezeiten eine gesittete Ordnung herrsche.984 Zur Verbreitung des Rufs als internationale Handels- und Messestadt haben auch die Kosmographien und geographischen Beschreibungen beigetragen. Sebastian Münster etwa schrieb in seiner Cosmographei von 1556: „Es hatt die statt mitt der zeit fast sere zugenommen in reichtümmern und herlichkeit von wegen der zweien Jarmessen, so do gehalten werden, unnd auß gantzen Teutschland, auß Italia, Gallia, Poland unnd Engelland kauffleut do hin kommen unnd mitt inen bringen allerlei war.“985 Die Internationalität der Handelsmessen hob auch Hugo Favolius (1523/24–1585) Mitte des 16. Jahrhunderts in seinem Gedicht Die wohlberühmte Stadt Franckfurt hervor: „Zwo Messen hält sie jedes Jahr/ Eine so bald wird gewahr/ des Frühlings: So geht die ander an/ So bald der Sommer hat gethan/ Darauff versehen sich die Leut/ Aus aller Welt sehr weit und breit/ Mit Wahren so sie wöllen han/ Dan man da alles kriegen kann.“986 Favolius entwarf ein Bild Frankfurts als Warenumschlagplatz der Welt und Markt für exotische Kostbarkeiten und Luxuswaren, die ansonsten gewiss nicht überall zu bekom-
982 Ludwig, Litterae Neolatinae, S. 131. 983 Marx Mangold: Marckschiff/ oder Marckschiffer Gespräch/ Von der Franckfurter Meß. Darinn alles/ was in derselben Meß namhafftes und seltzames zusehen/ beschrieben ist/ durch Marx Mangold. S.l. 1596, nicht fol. 984 Ebd. 985 Münster, Cosmographei, S. 814. 986 Hugo Favolius: Die wohlberühmte Stadt Franckfurt. Lateinisches Original in: Hugo Favolius/Philipp Galleaus: Theatri orbis terrarum Enchiridion. Minoribus tabulis per Phillipum Galleaum exaratum. Antwerpen 1585. Deutsche Übersetzung aus Kathrein/Krüger, Liebe zu Frankfurt, S. 21 oder Diehl, Frankfurt am Main im Spiegel, S. 214.
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men waren. Es eilte zu den Messen „schier das ganze Europa“987, wie Botero dann im ausgehenden 16. Jahrhundert betonte. Viele Geographien und Topographien der Jahrhundertwende verwiesen auf das weite Einzugsgebiet der berühmten Frankfurter Messen, zu denen die Kaufleute aus der ganzen Welt kämen: Civitas haec nundinaria, & quasi commune, non modo Germaniae, sed totius Europae emporium est, certis siquidem anni temporibus, in Quadragesima nimirum, atque Septembri, negotiatores, huc ad celebrem mercatum, ex superiore & inferiore Germania, Italia, Gallia, Anglia, Polonia, Ostlandia, caeterisque Orbis partibus conueniunt, omnisque generis merces conferunt, quas partim par at a moneta, partim aliarum rerum commutationibus distrabunt, atque divendunt.988
Bis zum ausgehenden 18. Jahrhundert war das Frankfurt-Bild von der internationalen Bedeutung der Handelsmessen geprägt. Der Stadtbeschreiber Müller erwähnte beispielsweise die strategisch für den internationalen Handel wichtige Lage, weil die Stadt die ausländischen Waren „wegen der starcken Handlung und vortheilhaften Lage des Mayn-Flusses nicht weniger bequem und um billigen Preiß in grossen Uberfluß bekommen“989 könne.
1.3.6 Die Messe als Nachrichtenzentrum Neben dem Handelszentrum waren die Messen auch ein bedeutendes Nachrichtenzentrum.990 Doch nur einige (wenige) Zeitgenossen in der Frühen Neuzeit haben das bereits hervorgehoben und schriftlich festgehalten, wie beispielsweise Johann Steinwert von Soest: „Kostich gewyrckt fast mancherley/ Da in hastu ein grosz geschrey/ Deshalp al fursten suchen dich/ Des iars tzwo mesz im gantzen rich./ […] Von manchem Kauffmann wol bekent/ Gesellschaft gutt hostu in dyr.“991 Der Student und der Krämer in Mangolds Marckschiff unterhalten sich 1596 darüber, dass sich die Menschen nicht mehr für die Waren zu interessieren scheinen, sondern für etwas ganz anderes, was den Krämer auf eine neue Geschäftsidee bringe: „Ich solls forthin wol anders machen:/ Wil mir new Zeitung kauffen ein/ Dieweil die jetzt so angnemb seyn./ Kan sie selber tichten zu zeiten/ Obs 987 Joannis Botero (Hrsg.): Allgemeine Historische Weltbeschreibung. In vier Bücher abgetheilt: Im ersten wirdt Europa, Asia, Affrica […] beschriben. München 1612, S. 108. 988 Matthias Quad: Deliciae Germaniae sive totius Germaniae itinerarium: Complectens indicem verum omnium viarum, per quas commodissime ex urbibus. Coloniae Agrippinae, Excudebat Stephanus Hemmerdenus. S.l. 1600, S. 18. 989 Müller, Beschreibung des gegenwärtigen Zustandes, S. 15. 990 Siehe hierzu Kapitel I.2.6 „Frankfurt als internationales Messe- und Handelszentrum“. 991 Johann Steinwert von Soest, Eyn Spruchgedicht, S. 77.
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wahr, hat nicht vil zu bedeuten./ Betrogen seyn wil jetzt die Welt/ Kauffen Lügen umb gutes Gelt./ Je feister Lüg, je besser kauff.“992 Die Aussagen des Krämers geben indirekt ein Bild über die Bedürfnisse der Messebesucher wieder: Neben den Waren und Produkten rückten Neuigkeiten und die neuesten Nachrichten aus der ganzen Welt in den Fokus des Interesses der Messebesucher. Deshalb hat sich der Krämer überlegt, statt seiner Brillen „new Zeitung“ zu verkaufen, also die neuesten Nachrichten, die er sich zur Not auch selber ausdenken würde, denn der Wahrheitsgehalt scheine für die Käufer nur zweitrangig gewesen zu sein. Damit erhielt die Messe den Ruf eines Nachrichtenzentrums, zu dem die Menschen aus vielen Ländern kamen, um sich über den neuesten ‚Tratsch‘ auszutauschen: „Die Zeitung gelten uberal/ Einer hat was auß Portugal:/ Der ander auß Hispanien/ Auß Lothringen/ Italien/ […].“993 Daraufhin kam der Student erneut auf die Buchgasse zu sprechen, in der er all die Neuigkeiten und Nachrichten erfahren habe: „Ein hauffen Leuth stehen herumb/ Die lasen nuova novorum:/ Warhaffte newe Zeittungen/ Historische Beschreibungen.“994 Insgesamt betrachtet spielte die Funktion der Handels- und Buchmessen als bedeutendes Nachrichtenzentrum im Frankfurt-Bild erstaunlicherweise keine besonders herausgehobene Rolle. Gelegentlich wurde dies zwar thematisiert, wie die Beispiele verdeutlichen. Doch in Anbetracht der großen Bedeutung, wie sie sich in der Forschungsliteratur widerspiegelt, mag es ein wenig überraschen, dass Frankfurt im zeitgenössischen Diskurs nur selten als Nachrichtenzentrum auftrat. Es gilt zu vermuten, dass die Zeitgenossen keine Notwendigkeit darin sahen, sich zu ihren Nachrichtenquellen zu äußern. Die Kommunikations- und Nachrichtenfunktion war qualitativ und quantitativ möglicherweise nur schwer zu definieren und letztlich auch ‚nur‘ ein ‚Nebenprodukt‘ neben dem eigentlichen Handel und Geldgeschäft, weshalb es trotz der großen Bedeutung vielleicht nicht thematisiert wurde.
1.3.7 Der Finanzplatz: Geldwechsel und Bankgeschäfte Die sich im 16. Jahrhundert verbreitenden neuen Kredittechniken995 und der zunehmend bargeldlose Fernhandel waren für Frankfurt indes besonders wichtig, weil dort mit dem Geldwechsel die wohl „älteste Form des Bankgeschäfts“996 ent992 Mangold, Marckschiff, nicht fol. 993 Ebd. 994 Ebd. 995 Holtfrerich, Finanzplatz Frankfurt, S. 69–80. 996 Leoni Krämer: Zweimal im Jahr – zum Clearing nach Frankfurt. In: Koch/Stahl, Brücke zwischen den Völkern, Bd. 2, S. 159–166, hier S. 159.
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standen war. Trotz dieser großen Bedeutung wurden die Geldgeschäfte jedoch erst mit deutlicher Verzögerung ab der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts Gegenstand des Frankfurt-Diskurses, und zwar ausgehend von den Zeitungslexika. Neben dem Warenhandel wurde verstärkt das Geldgeschäft thematisiert, das bisher eine erstaunlich kleine Rolle gespielt hatte, weil es hinter dem Lob auf die Handelsmessen zurückstecken musste. Das Frankfurt-Bild hatte bis dato die Funktion, das florierende Messegeschäft und die internationale wirtschaftliche und politische Bedeutung Frankfurts zu kolportieren. Doch mit dem zunehmenden Rückgang des Messehandels und der aufkommenden Konkurrenz in Leipzig und anderen Handelsstädten wurde der Blick verstärkt auf das gerichtet, was in Frankfurt florierte: das Bank- und Kreditgeschäft, das am Ende des 18. Jahrhunderts in Frankfurt eine neue Qualität erreicht hatte.997 Hübners 1722 erschienenes Curieuses und Reales Natur-Kunst-Berg-Gewerckund Handlungs-Lexicon betrachtete Frankfurt sogar ausschließlich unter ökonomischen Gesichtspunkten.998 Der Artikel gab ausführlich Auskunft über den Messehandel sowie über Frankfurt als Ort des Geldwechsels, über die Wechselkurse, Messetermine, Zollerleichterungen während der Messezeiten und die unterschiedlichen Wechselformen zwischen Frankfurt und den anderen bedeutenden Handelsstädten.999 Damit zeigte sich besonders in den Lexikoneinträgen zu Frankfurt eine Schwerpunktverschiebung vom Güter- und Warenhandel zum Wechsel- und Geldgeschäft, was zum einen mit den tatsächlichen historischen Entwicklungen einherging, und zum anderen die Irritationen in der veränderten Wahrnehmung von Frankfurt als klassischer Messe- und Handelsstadt erklärt, wie im Folgenden noch deutlicher zu sehen sein wird. Schramms Neues europäisches Reise-Lexikon von 1744 enthält einen umfangreichen Artikel zu Frankfurt und behandelt in § 20 den Aspekt „Handlung, Messen“.1000 Darin wird konkret auf die unterschiedlichen, erfolgreichen Handelszweige eingegangen: „Durch den um dasige Gegend zu erbauenden Wein kan fast gantz Deutschland versorget werden, iedoch sind auch die andern Manufacturen, Wachs-Bleichen, Bücherhandel und unzehliche mehrere Commercia ansehnlich.“ Dennoch schreibt der Verfasser dieses Artikels den Messen, ebenso 997 Siehe hierzu Kapitel I.2.6 „Frankfurt als internationales Messe- und Handelszentrum“. 998 Johann Hübner (Hrsg.): Curieuses und Reales Natur- Kunst- Berg- Gewerck- und HandlungsLexicon, […] daß man dieses als einen andern Theil des Realen Staats- Conversations- und Zeitungs-Lexici mit grossem Vortheile gebrauchen kan. Frankfurt a.M. 1722, Sp. 722–724, hier Sp. 722. 999 Ebd., Sp. 722–723. 1000 Siehe auch für die folgenden Zitate Schramm, Neues europäisches historisches Reise-Lexicon, Sp. 526–527.
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wie „der Niederlage, Müntz- und Stapel-Gerechtigkeit“ eine besondere Stellung innerhalb des Frankfurter Handels zu. Die Mehrzahl der Beschreibungen des Messewesens und Handelsgeschäftes in den Lexikoneinträgen zu Frankfurt ähneln sich inhaltlich und auch sprachlich sehr. Sie sind geprägt vom Hinweis auf die berühmte Messe und die veränderten Messetermine und Wechselkurse im Hinblick auf einen praktischen Gebrauch der Lexika.1001 Ein anonym gebliebener Franzose erwähnte Mitte des 18. Jahrhunderts in seinem Reisebericht als einer der ersten Reisenden die Frankfurter Börse. Seiner Meinung nach sei Frankfurt von allen Handels- und Messestädten die offenste („franche“), und zwar aufgrund der Zollbefreiung und der geringen Steuern bzw. Steuerbefreiung. Er sprach den Frankfurter Bankiers sogar ein „véritable monopole“ zu, weshalb die Stadt zu einem Hauptwechsel-Ort Europas geworden sei: „Francfort a cours de change, sur toutes les places principales de lʼEurope; elle a Bourse & virement de Partie.“1002 Im Folgenden beschrieb er die Organisation der Börse und den Ablauf des Wechsel- und Börsenhandels, bemerkte jedoch auch das Fehlen eines „Consulat, comme on lʼa établi aux foires de Bolzano & dans toutes les foires dʼItalie“.1003 Dieses Fehlen zeige wohl, dass die Frankfurter Messen deutlich älter seien als die Messen anderer Städte.1004 Johann Heinrich Faber hat die Bedeutung des Frankfurter Handels in seiner umfassenden Frankfurt-Beschreibung von 1789 erläutert und dafür einen ganzen Abschnitt vorgesehen, der den Handelsstand, die „Handlung überhaupt“, vergleichende Längenmaße mit anderen Städten, den Wechselhandel, den Buchhandel sowie „Manufacturen, Fabriken und andere Handelszweige“ umfasst.1005 In Fabers Stadtbeschreibung findet sich eine selten derart ausführliche Darstellung des Frankfurter Handels in allen seinen Facetten, insbesondere über die innerstädtische Bedeutung des Handels für die Frankfurter Bürger sowie über den konkreten Ablauf der Geld- und Handelsgeschäfte. Die Beschreibung reicht weit über die Auflistung der Messeprivilegien und das bisher meist pauschal erfolgte Lob der berühmten und erfolgreichen Frankfurter Handelsmesse hinaus. 1001 „Sie ist berühmt […] wegen der Handlung, und ihrer jährlichen 2 Messen, deren die erste sonst 8 Tage nach Ostern auf Quasimodogeniti, und die andere entweder auf den Sonntag vor Mariae-Geburt […], oder auf den Sonntag nach Mariae-Geburt […] gehalten worden. Es ist aber damit vor etlichen Jahren dahin geändert worden, daß beyde, denjenigen Kaufleuten zum besten, welche auch die Leipziger Messe besuchen, nunmehro acht Tage eher gehalten werden.“ Vgl. Hübners Neu-vermehrtes und verbessertes Reales Staats- Zeitungs- und Conversations-Lexicon, S. 421. 1002 Voiage historique et politique, S. 230–231. 1003 Ebd., S. 231. 1004 Ebd. 1005 Faber, Topographische, politische und historische Beschreibung, Teil 2, S. 346–459.
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Vermutlich alles, was die zeitgenössischen Leser über den Ablauf der Messen interessieren könnte, konnten sie bei Faber nachlesen. Der Reisende Wölfling schrieb 1796, dass „der Geldumsatz, der durch die Messen, durch die Zahlungen ins Ausland und die zahlreichen in- und auswärtigen Particuliers veranlaßt wird, […] einen Geldhandel [belebe], den in Teutschland vielleicht nur der Hamburgische übertrift“.1006 Damit wurde der Geld- und Kredithandel im ausgehenden 18. Jahrhundert offenbar nicht nur in der historischen Entwicklung Frankfurts, sondern auch in der Wahrnehmung und im Bild Frankfurts wichtiger als der Waren- und Buchhandel. Zunehmend geriet das Geldgeschäft in den Blickpunkt. Wölfling erläuterte zum Beispiel auch ausführlich das angesehenste Comptoir der Brüder Bethmann. In Frankfurt bestünde der Großteil des Handels im „Commißionshandel“, doch könne Frankfurt im Grunde auch keinen anderen Handel treiben, „so lange Teutschland die überflüßigen Waaren der Holländer und Franzosen zu seinem Luxus bedarf, und so lange die Fabriken und Manufacturen hier zu Lande nicht so in die Höhe gebracht werden, daß sie mit den auswärtigen in Concurrenz kommen können“.1007 Schließlich hänge die wirtschaftliche Zukunft Frankfurts vom Ausgang des aktuellen Frankenkrieges ab, und „sollte Frankfurth während desselben keinen besondern Unfällen ausgesetzt seyn: so eröffnet er aller Wahrscheinlichkeit nach dem Commerz und dem Geldumsatz dieser Stadt einen Weg, auf welchem ihre Particuliers ungeheure Summen gewinnen können.“1008
1.3.8 Wirtschaftliche Konkurrenz und ökonomischer Niedergang Seit Mitte des 17. Jahrhunderts und verstärkt am Übergang zum 18. Jahrhundert hat sich der publizistische Diskurs über Frankfurt zunehmend auch mit den Nachteilen und der gegenwärtigen Entwicklung des allgemeinen Messehandels auseinandergesetzt. Ein frühes Beispiel hierfür ist erneut Mangolds Marckschiff von 1596. Es erzählt von dem schlechten Verdienst des Krämers auf der Messe, der mit dem Verlust des kaufmännischen Ansehens, zunehmenden Zöllen, Abgaben und Kosten sowie mit dem Finanzgebaren der Kaufleute zusammenhängen würde.1009 Christian Herold erwähnte in seinem Historischen und Politischen Tractat von 1683 über die Frankfurter und Leipziger Messen, dass beide Städte wegen der jährlichen Messen „von Tag zu Tag herrlicher und prächtiger werden: wiewohl es 1006 Wölfling, Reise durch Thüringen, S. 133–134. 1007 Ebd., S. 136. 1008 Ebd., S. 140. 1009 Mangold, Marckschiff, nicht pag.
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leider, umb diese Zeit, wegen des grundverderblichen verfluchten Kriegswesens, mit diesen beeden Stätten und dero Märkten itzmals schlecht bestellet ist.“1010 Zum ersten Mal erfolgt hier gegen Ende des 17. Jahrhunderts nicht nur ein pauschales Lob der Messen, sondern eine kritische Beurteilung der aktuellen politischen und wirtschaftlichen Umstände. Ein disparates Bild von Frankfurt als Messestadt entwarf der Verfasser der Remarques Historiques von 1705, der einerseits den blühenden Handel hervorhob, andererseits den allmählichen Rückgang der Messen erwähnte: „La Ville est extrémément marchande, à quoi contribuent principalement ses foires des plus célebres de toute lʼAllemagne, quʼils faillirent cependant à perdre il y a quelques années par lʼobstination.“1011 Noch deutlicher bemerkte Adam Ebert 1723 den allmählichen Bedeutungsrückgang der Frankfurter Messen, insbesondere gegenüber Leipzig und Frankfurt an der Oder.1012 Gleichzeitig habe man ihm versichert, „daß die Kaufmannschafft alhier grossen Platz erreichet wegen der vielen Waaren, die aus Franckreich anlangeten, und nachmahls weiter in Teutschland geschaffet würden“. Außerdem seien die Einkünfte der Stadt vergleichbar mit denen von Straßburg. Seit der Jahrhundertmitte zeigten sich die individuelle Prägung der Beschreibungen und die zunehmend kritischen Beurteilungen von Frankfurt als Messestadt, indem die Autoren diese Funktion hinterfragt und in den damaligen wirtschaftlichen Kontext eingeordnet haben. Ein französischer Reisender beschrieb Frankfurt 1743 zwar zunächst als „une des villes la plus commèrcante de lʼEurope“, das aufgrund seiner zwei Messen berühmt sei und „mérite, quʼun voyageur y fasse quelque séjour“.1013 Einige Absätze später nannte er Frankfurt sogar ein „Entrepot, de toutes les Marchandises dʼAllemagne, de France, de Hollande, dʼAngleterre & des Indes même, par le moyen de ses Foires, qui lui attirent des vendeurs & des acheteurs, de toutes les parties de lʼEurope“1014, obwohl die Stadt gegenüber Leipzig an Wirtschafts- und Handelskraft verloren habe. Doch teilte Frankfurt dieses Schicksal durchaus mit anderen Städten. So nahmen Stadtbeschreibungen von Danzig bereits im 16. Jahrhundert nicht nur den blühenden Handel und das emsige Treiben am Hafen wahr, sondern waren mitunter 1010 Christian Herold: Historischer und Politischer Tractat. Von Ursprung und Auffnehmen der Städte. Weißenfels 1683, S. 58. 1011 Remarques Historiques et Critiques. Faites dans un Voyage dʼItalie en Hollande dans lʼAnnee 1704. Tome Premier. A Cologne, chez Jaques le Sincere 1705, S. 45. 1012 Siehe auch für den restlichen Absatz Adam Ebert: Reise-Beschreibung, von Villa Franca der Kur-Brandenburg durch Deutschland, Holland und Braband, England, Frankreich. Auli Apronii Reise-Beschreibung […]. Villa Franca [i.e. Frankfurt a.M.] 1723, S. 522–523. 1013 Voiage historique et politique, S. 255. 1014 Ebd., S. 228.
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handelsfeindlich eingestellt. Der Verfasser einer Stadtbeschreibung, Sebastian Fabian Klonowic, beschrieb den Handel misstrauisch als eine unehrliche, auf Betrug beruhende Tätigkeit.1015 Nach Ansicht des Reisenden Blainville könne man in den 1760er-Jahren zwar nicht unbedingt von einem Rückgang des Handels sprechen, der in den letzten 20 oder 30 Jahren sogar zugenommen habe, was sich anhand neuer Läden, die täglich neu eröffneten, sowie anhand der von Händlern und Ständen gefüllten Straßen zeige. Doch in der übrigen Zeit des Jahres sei der Handel und besonders der Buchhandel „lange so groß nicht, denn von diesen leztern werden die meisten Laden (** Nur die Laden der ausserhalb Frankfurt! wohnenden Buchhändler werden geschlossen, nicht aber die Frankfurtischen.) geschlossen“.1016 Obwohl oder gerade weil sich Blainville so kritisch mit dem Messegeschehen auseinandergesetzt hat, ist es umso erstaunlicher, dass er am Ende seiner FrankfurtBeschreibung wiederum die allseits bekannten Topoi „Ursprung, Name, Lage, Reichthum, u.s.w. von Frankfurt“ ansprach, in deren Zusammenhang er stereotyp auch noch einmal auf die Messen verwiesen hat: „Ihr Handel und ihre Messen machen sie durch ganz Europa berühmt.“1017 Eine Erklärung für dieses Phänomen, das sich auch in vielen weiteren Reiseberichten findet, bietet die Praxis des zeitgenössischen Diskurses: Trotz eigener, individueller Erfahrungen griffen die Verfasser zusätzlich auf bereits bestehende, zu Topoi verfestigte Bilder und Beschreibungen zurück, die kommentar- und zusammenhangslos nebeneinandergestellt wurden. Doch verwundert das gleichzeitige Fortschreiben und Tradieren der üblicherweise positiv-lobenden Topoi und Stereotype nicht, denn eines der Charakteristika der Topographien und Kosmographien war die Übernahme und das Rekurrieren auf bereits vorhandenes Wissen. Dieses erklärt sich teils pragmatisch daraus, dass es den Kompilatoren und Herausgebern wohl kaum möglich war, über sämtliche Städte, Regionen und Länder des Alten Reiches, Europas oder gar der Welt zu recherchieren. Hilfreich waren dafür der Fundus an geographischer oder juristischer Literatur und Beschreibungen von städtischer Seite. Folglich wurden neben vereinzelten aktuellen Hinweisen und Darstellungen noch lange Zeit überkommene Vorstellungen tradiert, was zur Herausbildung von Topoi und Stereotypen führte. Somit konnte sich auch am Übergang zum 18. Jahrhundert der Topos von der berühmten Han-
1015 Bogucka, Die Weichselstädte im Bild der polnischen Literatur, S. 74. 1016 Blainville, Des Herrn von Blainville Reisebeschreibung, S. 143. 1017 Ebd., S. 163.
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delsstadt Frankfurt am Main aufrechterhalten1018 – unabhängig davon, dass Leipzig besonders im Buchhandel deutlich aufgeholt hatte. Die zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts brachte eine noch deutlichere Veränderung des Blickes auf die negativen Seiten von Frankfurt als Messe- und Handelszentrum, die an die handelsfeindliche Einstellung einiger Autoren von Danziger Stadtbeschreibungen aus dem 16. Jahrhundert erinnern.1019 Johann Kaspar Riesbeck hob zwar 1783 den Reichtum Frankfurts hervor, verurteilte ihn aber als „verschwenderischeste […] Pracht“.1020 Den Frankfurter Handel kritisierte er als „für Deutschland sehr verderblich“, denn die Ausfuhr deutscher Waren von Frankfurt ins Ausland betrage kaum ein Zwölftel der Einfuhr aus Frankreich, Holland, Italien und anderen Ländern. Deshalb beschrieb Riesbeck Frankfurt abwertend als den „Hauptkanal, wodurch das deutsche Reich sein Geld ausfliessen läßt“. Abgesehen von einigen Frankfurter und Hanauer Woll- und Tapetenmanufakturen sei der Frankfurter Handel nur mehr „ein träges Judenkommerz, welches wenige deutsche Hände nützlich beschäftigt, und gröstentheils auf der inländischen Verzehrung beruht“. Die größten dort ansässigen Kaufleute würden sich nicht einmal schämen, „Krämer zu seyn, und eine Menge Handelsleuthe von 40, 50 bis 60tausend Gulden Vermögen, machen Kommissionärs, anstatt daß sie, wenn sie mehr Thätigkeit und wahren Industriegeist hätten, ihr Geld mit mehr Vortheil zu Manufakturen anlegen könnten“. Obwohl der Verfasser der 1794 handschriftlich verfassten Bemerkungen auf meiner Reysen zwar während der Messe in Frankfurt war, erwähnte er diese nur beiläufig und in einem ganz anderen Zusammenhang: „Durch viele Mühen und lasten machte ich endlich doch eine retur Fuhre [für seine Weiterreise von Frankfurt nach Friedberg, Anm. d. Verf.] aus, da aber die Messe ist, so mußte ich dem Fuhrman mit meinen Gefehrten eben so viel zahlen als wenn wir miteinander einen […] grossen Wagen genommen hätten.“1021 Die zumeist auf stereotype Floskeln beschränkte oder kurze Beschreibung der prosperierenden Frankfurter Messen mag damit zusammenhängen, dass die reisenden politischen oder adeligen Funktionseliten entweder nicht zur Messezeit in Frankfurt weilten und deshalb keine persönlichen Eindrücke sammeln konnten oder stärker politisch1018 Zum Beispiel: „Franckfurt am Mayn, ist eine grosse, feste, und wegen der Handlung sehr berühmte Stadt; […] hat jährlich zwey sehr berühmte und Volckreiche Messen.“ Vgl. Johann Keilhacker: Des Curieusen Hoffmeisters, Geographisch- Historisch und Politischer Wissenschafften. Teil 1, 2. Aufl. Leipzig 1700, S. 1073. 1019 Siehe Fußnote 775. 1020 Siehe auch für die folgenden Zitate dieses Absatzes: Riesbeck, Briefe eines Reisenden Franzosen, S. 385–387. 1021 Miscelannia vom Jahr 1794. Bemerkungen auf meiner Reysen. Generallandesarchiv, Landesarchiv Baden-Württemberg Karlsruhe, GLA 65/11861, fol. 18.
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gesellschaftliche Belange in den Mittelpunkt ihrer Aufmerksamkeit rückten. Dennoch ist es erstaunlich, wie wenig Bedeutung den Handelsmessen schließlich beigemessen wurde, wenn sie nur noch als Ursache für überteuerte Fahrgelegenheiten angesehen wurden. Gleichzeitig ist der nachlassende Stellenwert der Messen im Frankfurt-Bild mit einem tatsächlichen Bedeutungsrückgang des Frankfurter Marktes und Tauschhandels zu erklären.1022 Daneben sind die Frankfurt-Darstellungen in den handschriftlichen Reiseberichten besonders stark von den persönlichen Interessen geprägt, weshalb zumeist ausschließlich in der Publizistik aufgeschnappte stereotype Wendungen über den Ruhm der Frankfurter Messen angeführt wurden, ohne dass sich die Verfasser näher mit ihnen auseinandergesetzt haben. Demgegenüber gab es aber auch Reiseberichte, insbesondere von Kaufleuten, die sich nachvollziehbarerweise fast ausschließlich mit den Messen und Wechselkursen befasst haben. Zunehmend prägten auch die politischen Umstände das Frankfurt-Bild. In den Augen des Reisenden Friedrich Philipp Wilmsen war die Messe 1796 nämlich nur mehr „zu einem großen Markte herabgesunken, und die Kaufmannsgesichter sahen sämtlich sehr langweilig und traurig aus“.1023 Statt der sonst so zahlreichen Kaufleute und Händler sei die Stadt nun gefüllt von österreichischen Truppen, die es sich in der Kriegspause gutgehen ließen und auf ihren nächsten Einsatz warteten. Zwei anonyme Meßstücke von 1799 beschrieben in Versform die Umstände und die Atmosphäre der Frankfurter Messen, die während der napoleonischen Kriegswirren sehr unter Einbußen im Handelsgeschäft zu leiden gehabt hätten. Doch schon der einleitende Vers des ersten Messegedichtes – „Die schlechte Messe/ ein Meßstück nach den Umständen der kläglichen Messe“ – verdeutlicht die Ironie, mit der der Verfasser aus der Perspektive eines Händlers über die Situation der Messen schrieb.1024 Der Verfasser richtete sich an alle Männer, die (mit ihm) unter den schlechten Zeiten zu leiden hätten: „Verkäufer kann man viele zählen/ Und Waare giebt es auch sehr viel/ Ganz gut! allein die Käufer fehlen/ Kein Mensch ist da, der kaufen will./ Sehr viele nehmen gar nichts ein/ Und trinken Wasser jetzt statt Wein.“1025 1022 Siehe zur historischen Entwicklung des Frankfurter Messewesens im 18. Jahrhundert Kapitel I.2.6 „Frankfurt als internationales Messe- und Handelszentrum“ und II.1.3.8 „Wirtschaftliche Konkurrenz und ökonomischer Niedergang“. 1023 [Friedrich Philipp Wilmsen:] Erzählungen von einer Reise durch einen großen Theil Deutschlands und der Schweiz im Jahre 1796. Berlin 1798, S. 374. 1024 Otto Ernst Sutter (Hrsg.): Zwei Meßstücke aus dem Jahre 1799. Neu an den Tag gegeben zur Frankfurter Internationalen Messe im Frühjahr 1924. Frankfurt a.M. 1924, nicht fol. 1025 Ebd.
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Das zweite Messegedicht mit dem Titel Die lustige Messe samt dem Kehraus soll sowohl eine Fortsetzung als auch ein Gegenstück zur schlechten Messe sein und wurde in der zweiten Herbstmesswoche 1799 „von einem lustigen Handelsmann aus Buxtehude, an seine liebe Frau“ verfasst, als die Engländer in Holland gelandet waren. Der Verfasser scheint den schlechten Verlauf der Messe mit viel Humor genommen zu haben: „Ein lustger Kaufmann bin ich ja/ Steht lustig, heisa, hopsasa./ Die schlechte Meß ist schon bekannt/ Bei Alt und Jung im ganzen Land./ Doch will ich, kommt kein Geld gleich ein/ Wie Papageno lustig seyn.“1026 Die Koalitionskriege gegen Napoleon und die politisch-militärischen Wirren der 1790er-Jahre hatten auch – zumindest zeitweilig – ihre Spuren im Frankfurter Wirtschaftsleben hinterlassen.1027 Johann Isaak von Gerning war in seiner 1799 veröffentlichten Skizze von Frankfurt am Mayn im Gegensatz dazu der Meinung, dass andere Reichsstädte zwar sanken, Frankfurt sich jedoch „auch unter den nahen Bedrängnissen des Kriegs, mit Hamburg immer in steigendem Flor erhalten“1028 habe. Die Stadt habe sich seit 20 Jahren „bey immerwährender Zunahme des Wohlstandes, der Handlung und des Luxus ungemein verschönert, und es sind in dieser Zeit […] wohl gegen 30 Pallastverwandte Häuser aufgeführt worden“.1029 Auch in seiner 1801 veröffentlichten Stadtbeschreibung in den Blättern für Polizei und Kultur schrieb von Gerning über den Frankfurter Handel, der größtenteils aus dem „Transit-, dann in Wechsel-, Kommissions- und Speditionsgeschäften“1030 bestehe. Außerdem werde der Weinhandel „nach dem ganzen Norden getrieben, und entschädigt gewissermassen für den Verlust des allgemeinen Buchhandels. Die glükliche Lage, der grosse Mittelpunkt der Transit- und Poststrassen von Europa zu sein, wird lange Frankfurts Wohlstand erhalten.“1031 Erstaunlich optimistisch blickte von Gerning in die Zukunft, als er auf die Entwicklung der beiden Messen zu sprechen kam, die sich „in friedlichen Zeiten […], auf deren jeder gegen 6 Mill. Gulden umgesezt wurden, wieder heben“ werden. Doch auch wenn die Messestadt bereits zwei Mal von den Franzosen heimgesucht und „um 6 bis 7 Mill. gebrandschazt [wurde], hat sich Frankfurt noch im Flor erhalten“. Hier zeigt sich ein deutlicher Bezug zur Aktualität, indem von Gerning zum einen auf die politischen und kriegerischen Auswirkungen auf den Handel 1026 Ebd. 1027 Klötzer, Frankfurt am Main von der Französischen Revolution, S. 310. 1028 Johann Isaak Freiherr von Gerning: Skizze von Frankfurt am Mayn. In: Der neue Teutsche Merkur 2 (1799), S. 237–254, hier S. 237. 1029 Ebd., S. 241–242. 1030 Johann Isaak Freiherr von Gerning: Frankfurt am Main. In: Blätter für Polizei und Kultur 1 (1801), S. 322–328. 1031 Siehe auch für den folgenden Absatz: Gerning, Skizze von Frankfurt am Mayn, S. 327–328.
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einging, und zum anderen die aus dem Handel resultierenden Veränderungen im Stadtbild lobend hervorhob. 1803 erschien der Bericht „Ueber die Frankfurter Messen“ in den Blättern für Polizei und Kultur, der ebenfalls über die negativen Auswirkungen des Krieges auf die Handelsmessen unterrichtete, als die Messen fast ganz ausfallen mussten.1032 Der Grund dafür waren „die grossen Heerhaufen, die in dem Winkel von Rhein und Main sich zusammendrängten, [die] aus diesen sonst so friedlichen Gegenden alles Verkehr, alle Geschäfte des Handels, dessen Künste unter dem Getöse der Waffen nicht gedeihen“, verscheucht hätten, und statt reich beladener Frachtwagen sähe man „nur das verderbenbringende Geschüz“. Auch die in Paris teuer erkaufte Neutralität habe Brandschatzungen und Plünderungen während der Messe nicht verhindern können: „Wer mochte so unsichern Mauern, so unsichern Verträgen seine Waaren und sein Geld anvertrauen?“ Folglich blieben Käufer und Verkäufer auf den Messen aus. Niemand hätte noch einen Grund, die Frankfurter Messen zu besuchen, denn „auswärtige Fabrikate sollen sie nicht kaufen; [und] Kunsterzeugnisse der Franzosen erhalten sie wohlfeiler im eigenen Lande“. Vor dem Hintergrund dieser „üblen Folgen“ würde auch der Deputationshauptschluss nicht darüber hinwegtrösten können, weil die Ursachen für die schlechte Lage der Messen noch immer bestünden, „und wahrscheinlich nie aufhören werden zu wirken“. Deshalb könne es passieren, „daß der Kaufmann, der trotz allen Kompendien der Publicisten einen Jahrmarkt von einer Messe nur durch die Zahl der Handelnden und die Lebhaftigkeit des Verkehrs unterscheidet, am Ende von einem Frankfurter Jahrmarkt reden wird“. Insgesamt fällt auf, dass besonders in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts das von ausländischen Reisenden entworfene Bild von der Frankfurter Handelsund Buchmesse differenzierter und negativer ausfiel, während die Beschreibungen der Reisenden aus dem Alten Reich und von Frankfurt nahestehenden Personen zunächst noch deutlich positiver formuliert waren. Allerdings konnte dieser Unterschied in der Wahrnehmung und Darstellung auch damit zusammenhängen, ob jemand vor Ort die Messen besucht hatte, selber Kaufmann war und etwas vom Handel verstand oder aus anderen Gründen die Stadt besuchte und nur formal und stereotyp auf die Berühmtheit der Messen verwies. Vereinzelt lassen sich neben den stereotypen Wendungen1033 auch Reiseberichte ausma1032 Siehe für diesen und den folgenden Absatz: Ueber die Frankfurter Messen, S. 1020–1022. 1033 Ein Beispiel hierfür ist der Reisebericht von Gottlob Friedrich Krebel: „Frankfurt am Mayn, eine schöne, große und feste freye Reichsstadt, die [die] des Jahrs zwo berühmte Messen, und die hohe Würde hat, daß daselbst die Kaiser- und römische Königswahlen vollbracht werden müssen.“ Vgl. Krebel, Die vornehmsten Europäischen Reisen, S. 291.
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chen, deren Verfasser offenbar außerhalb der Messezeit in Frankfurt weilten und sie gar nicht erwähnten.
1.3.9 Unterhaltung und Vergnügen Im 18. Jahrhundert trat neben das eigentliche Messegeschäft als internationaler Sammelpunkt das kulturelle Geschehen. Die Chronisten und Stadtbeschreiber nannten zusätzlich zu den Messeprivilegien, gut und schlecht laufenden Messen oder Patenten und Dekreten des Frankfurter Stadtrats auch Besonderheiten und unterhaltsame Geschichten, die sich im Umfeld der Messen abspielten. Lersner nannte in seiner Chronik von 1706 lebendige Elefanten und Pelikane, exotische Gewürze und riesengroße Menschen.1034 Für das Jahr 1698 dokumentierte Lersner, dass „in dieser Herbst-Meß die Sächsische [sic] Comödianten allhier“ aufgetreten seien und ihre Hütte auf dem Roß-Markt aufgeschlagen hätten. Sie fingen am 12. September an und spielten bis zum 15. Oktober.1035 Zwei Jahre später hätten auch die „Französischen Operisten“ dort angefangen zu spielen.1036 Über den Unterhaltungswert der Messen berichtete der Verfasser eines in Bernoullis Reisesammlung erschienenen Tagebuchs (1769/1770). Er schrieb von der „bloß zur Meßzeit sich hier aufhaltende[n] deutsche[n] Comedianten-Bande des Msr. Sebastiani von Manheim“.1037 Diese stellten jedoch eine „sehr schlechte Übersetzung von Ninette à la cour und les chasseurs & la laitiere vor[…]; die Musik und Arien waren aus dem Französischen beybehalten, und klangen sehr artig; auch waren die Vorstellungen gut genug“. Auch lernte der Reisende „in der Comedie einige fürstliche Personen kennen, deren in dieser Messe sehr viel allhier brillirten; wie überhaupt die Anzahl der Fremden sehr zunahm, so daß sie in meinem grossen Gasthofe kaum Platz hatten“. Außerdem „war zwar die ganze Meßzeit deutsche Comedie“, doch da der Reisende in Gesellschaften mehr Vergnügen fand, zog er diese dem Schauspiel vor. 1785 war der Reisende Campe der Überzeugung, dass die Anzahl der nach Frankfurt gereisten Menschen in diesem Jahr besonders groß und sogar noch größer gewesen sei, „als sie zur Zeit einer Kaiserkrönung zu seyn pflegt“.1038 Der Grund hierfür sei die deutschlandweit erste von Bergen bei Frankfurt aus von Herrn Blanchard unternommene Luftreise gewesen, denn „ein so neues und nie1034 Lersner, Der Weit-berühmten freyen Reichs-Stadt Franckfurt am Mayn Chronica, S. 430–431. 1035 Ebd., S. 432. 1036 Ebd. 1037 Siehe für diesen Absatz: Abgekürztes Tagebuch einer Reise, S. 278–279, 281–285. 1038 Siehe für diesen Absatz: Campe, Sammlung interessanter Reisebeschreibungen, S. 217–218.
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gesehenes Schauspiel“ zog eine große Menge von Neugierigen aus der Nähe und aus der Ferne an. Es habe in und um Frankfurt „kein Zimmerchen mehr für Geld“ gegeben und die Straßen seien überfüllt mit Schaulustigen gewesen, sodass Blanchard der Stadt Frankfurt und der umliegenden Gegend „ein paar Tonnen Goldes zugeführt habe“. Umso mehr verdross es den gebürtigen Hamburger Campe, dass seine Landsleute „einen ähnlichen Vortheil, den ihnen dieser Luftschiffer zuwenden wollte, […] ablehnten“. „Frankfurt wimmelte von Fremden, welche theils aus den Bädern zurück kehrten, theils durch die Messe und Blanchardʼs Luftfahrt herbey gelockt waren“,1039 bemerkte Heinrich August Ottoca Reichard 1786 in der Zeitschrift Literatur und Völkerkunde. Interessant ist auch Campes Bemerkung, dass diese Luftreise auf einem Sonntag stattfinden sollte, um das Messegeschäft nicht zu beeinträchtigen – auch wenn dafür der Gottesdienst ausfallen musste. Die Prioritäten schienen somit klar gesetzt. Der Engländer Adam Walker reiste Anfang der 90er-Jahre des 18. Jahrhunderts mit einem Freund und seinem Sohn durch Deutschland und kam gerade zur Messezeit in Frankfurt an.1040 Er stellte bei der Besichtigung der Kirchen fest, dass dort momentan keine Versammlungen wie an anderen Orten stattfanden, denn „ein jeder war mit der Messe beschäftigt“.1041 An Walkers Beschreibungen zeigt sich deutlich die Individualisierung und Ausdifferenzierung der Darstellung in den publizistischen Quellen des späten 18. Jahrhunderts. Das gesellschaftliche Vergnügen – allerdings immer in Verbindung mit finanziellen Interessen für die Stadt – stand an erster Stelle noch vor dem Handelsgeschäft und erst an dritter Stelle folgten Glaube und Religion. Trotz seiner in Kapitel II.1.3.8 beschriebenen harschen Kritik an den Handelspraktiken und der Rückständigkeit der Frankfurter Kaufleute versäumte es der Reisende Riesbeck 1789 nicht, die Handelsmessen auch positiv zu erwähnen. Allerdings kam es dabei zu einer veränderten Perspektive auf die Frankfurter Messen, denn es standen nun auch bei Riesbeck neben dem eigentlichen Handel das Vergnügen, die Unterhaltung, Sehenswürdigkeiten und der gesellschaftliche Austausch für die Messebesucher stärker im Vordergrund: „Das Getuemmel der Messen in einer so schön gelegenen Stadt, verbunden mit einer ganz uneinge-
1039 [Heinrich August Ottokar] Reichard: Reise von Basel bis Frankfurt am Mayn. Fragment aus dem Tagebuch der Reise des Raths und Bibliothekars R** zu ** im Sommer 1785. In: Literatur und Völkerkunde 8 (1786), S. 663–679, hier S. 678. 1040 Adam Walker: Bemerkungen auf einer Reise durch Flandern, Deutschland, Italien und Frankreich. Von A. Walker. Aus dem Englischen übersetzt und mit Anmerkungen begleitet von K.P. Moritz. Berlin 1791, S. 64. 1041 Ebd., S. 67.
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schränkten Freyheit der Lebensart [sei] ein reitzendes Schauspiel“1042 für die zahlreich über Frankfurt reisenden Standes- und fürstlichen Personen. Der gesamte deutsche Adel werde nämlich „durch zu machende Zahlungen und Käufe, durch die Nachbarschaft vieler fürstlicher Höfe und viele andre Reitze hieher gelokt“. Der Stadtrat habe der bislang als eher finster geltenden Stadt nun eine „gefälligere Miene“ gegeben. Er versuche, den Fremden während der Messe ihren Aufenthalt so angenehm wie möglich zu machen, etwa mit Schauspielen, Konzerten, einem Vauxhall, den schönsten Spazierplätzen, öffentlichen Tänzen und „Freudenmädchen in Überfluß“. Gleichzeitig seien der zunehmende Luxus und das Bestreben des Magistrats, den Fremden alle möglichen Formen von Vergnügungen zu verschaffen, „die vortreflichen Strassen, welche die Stadt mit ganz Deutschland verbinden, die unvergleichlichen Gasthäuser u.s.w.“ die Ursachen dafür, dass die Frankfurter Messe seit mehreren Jahren wieder zunehme, „da sie doch zuvor durch eine lange Periode immer abgenommen hatte“. Mittlerweile werde sie sogar von Parisern und Londonern besucht, die hier erstmals ihre Luxusartikel absetzten.1043
1.3.10 Zusammenfassung Die erfolgreichen Handelsmessen waren fester Bestandteil des Frankfurt-Bildes. Für die Autoren war es schlichtweg unmöglich, sie nicht zu erwähnen, auch wenn eigene oder andere Erfahrungen insbesondere im 18. Jahrhundert zu einer anderen Erkenntnis geführt haben. Zunächst dominierten die wirtschaftspolitische Bedeutung Frankfurts, das herausragende Privileg der Reichsmessen und die vorteilhafte Situation und Ernährungsfunktion Frankfurts das Stadtbild. Aus Frankfurter Sicht hatte dieses Bild eine wichtige Funktion, verlieh es der Stadt doch Ruhm und Ansehen, was wiederum Gäste und Reisende anlockte und die Stadt – besonders außerhalb der Messezeiten – interessant machte. Gleichzeitig führte ein Wandel auf der literarisch-publizistischen Ebene hin zu mehr Individualität und kritischer Freiheit für die Autoren1044 auch zu einem Wandel im Frankfurt-Bild, indem die Messen nicht mehr nur als ein berühmtes, von kaiserlicher Seite privilegiertes Ereignis angesehen wurden, was Frankfurt zu seinem Ruhm und Reichtum verholfen hatte, sondern als ein individuelles Geschehen, mit all seinen Vor- und Nachteilen für die Bewohner Frankfurts sowie 1042 Siehe auch für den folgenden Absatz: Riesbeck, Briefe eines Reisenden Franzosen, S. 388– 391. 1043 Ebd., S. 391. 1044 Siehe hierzu Kapitel I.1.3.5 „Reiseliteratur“.
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für die angereisten Kaufleute, Gäste und Schaulustige. Zunehmend wurde den Lesern ein konkreter Blick auf die einzelnen Waren und das rege Messetreiben gewährt, wobei nur noch am Rande und stereotyp erwähnt wurde, dass es sich um die berühmte Frankfurter Messe handelte. Es ist sehr auffällig, dass im Themenfeld ‚Wirtschaft‘ grundsätzlich der Schwerpunkt auf die Frankfurter Messen gelegt wurde – sowohl im positiven wie im negativen Sinn. Die Frankfurter Wirtschaftskraft und Produktion selbst spielte im Stadtbild hingegen eine untergeordnete Rolle und wurde erst seit den 70er-Jahren des 18. Jahrhunderts thematisiert, was wohl mit dem gleichen Phänomen erklärt werden kann, unter dem auch die Reichsstadt Nürnberg ‚litt‘. Dort wurde ebenso wie in Frankfurt aus Sicht des „konstanzfixierten Patriziats“1045 handwerklich und wirtschaftspolitisch am Altbewährten festgehalten, das jedoch häufig obsolet geworden war. Die jeweils patrizisch-oligarchisch gelenkte Handwerks- und Gewerbepolitik stützte sich auf das Handwerk als beinahe einzige Gewerbeform, während andernorts seit der Mitte des 17. Jahrhunderts mit dem Manufakturwesen größere, rentablere Produktionsformen etabliert werden konnten.1046 Damit einher ging das Festhalten an alten Produkten und überholten Produktionsverfahren. Umso erstaunlicher ist es, dass für Frankfurt die Rolle der zugezogenen Einwanderer als innovative Arbeitskräfte und ‚Motoren‘ im Bild des Frankfurter Wirtschafts- und Produktionslebens in den Quellen überhaupt nicht erwähnt wurde. Eine Erklärung, warum der wirtschaftliche Einfluss der zugezogenen Glaubensflüchtlinge im Frankfurt-Bild keine Rolle spielte, ist vermutlich die zeitgenössisch abneigende und feindselige Haltung gegenüber den reformierten Konkurrenten, sodass sie erst aus der heutigen Forschungsperspektive diese innovative Wirkung zugesprochen bekommen haben. Eine andere Erklärung könnte sein, dass ihr Wirken und ihr positiver Einfluss auf einen zu kurzen Zeitraum entfielen und keinen Eingang in den Frankfurt-Diskurs und das Stadtbild finden konnten.
1.4 „… und sind die zwey Städte mit einer schönen steinernen Brücken aneinander gehenckt“ Seit 1500 erwähnten die Beschreibungen von Frankfurt sehr häufig die Zweiteilung der Stadt in Frankfurt und Sachsenhausen – miteinander verbunden durch eine steinerne Brücke. Die Frankfurter Mainbrücke war das Bindeglied zwischen Ober- und Niederdeutschland und lange Zeit die einzige Möglichkeit, den Fluss 1045 Eser, „Deutschlands Nabel“, S. 45. 1046 Ebd.
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zu überqueren.1047 Beides – die Aufteilung in zwei Stadtteile und deren Verbindung durch die Mainbrücke – sind Elemente, die das frühneuzeitliche FrankfurtBild für lange Zeit geprägt haben.
1.4.1 Zwei Stadtteile – ein Gemeinwesen Nachhaltig prägte die Darstellung der durch den Fluss zweigeteilten Stadt und der beiden gleichzeitig miteinander verbundenen Stadtteile (Abb. 16) das Bild von Frankfurt am Main in den literarisch-publizistischen Quellen. Als Erstes entwarfen und tradierten die Beschreibungen der humanistisch geprägten Laudes urbium, wie Ulrich von Huttens Francophordium ad menum (1510), dieses Bild: „Per mediam se Moenus agit, pontemque subintrat.“1048 Ein weit verbreitetes Beispiel für das Frankfurt-Bild im 16. Jahrhundert ist der Lobspruch von Hans Sachs aus dem Jahr 1568, in dem er die Lage am Main und die typische Zweiteilung in Frankfurt und Sachsenhausen hervorhob: „Frankfurt, die alt herlich reichstat,/ Alhie ir contrafactur hat/ Sambt Sachsenhausen, dis stetlein klain,/ Darzwischen hinlaufet der Main.“1049 Ursula Paintner interpretiert die Erwähnung der Mainbrücke bei Hans Sachs ansatzweise als „Elemente städtischen Selbstbewußtseins“, die mit topographischen Details verknüpft würden, denn die Brücke symbolisiere die „Einigkeit zwischen Frankfurt und Sachsenhausen auch in einem metaphorischen Sinne“.1050 Doch die Trennung durch den Fluss und gleichzeitige Verbindung der Stadtteile mit einer Brücke war keine vereinzelte und individuelle Wahrnehmung weniger Stadtbeschreiber, sondern spezifisch für das Frankfurt-Bild der Frühen Neuzeit, wie die folgende Analyse zeigen wird. Somit war die Zweiteilung Frankfurts als Element des Stadtbildes nicht einmalig. In dem Städtelob Descriptio Bambergae schrieb Leonhard von Egloffstein (um 1450–1514), dass der Fluss die Stadt zwar teile, sie aber nicht trenne, weil ihre drei Stadtteile durch zwei Brücken miteinander verbunden seien.1051 Eine Untersuchung Giuseppe Lombardis zur Darstellung Nürnbergs in Reisebeschrei1047 Wolff/Jung, Die Baudenkmäler in Frankfurt am Main, S. 259 ff.; Bund, Frankfurt am Main im Spätmittelalter, S. 54. Siehe zur (Bau-)Geschichte der Mainbrücke ausführlicher Kapitel I.2.2 „Geographische Zentralität als Voraussetzung für kulturelle Zentralität“. 1048 Ulrich von Hutten: Ad Ludovicum Huttenum equitem auratum. In: Ulrici Hutteni eques tris ordinis poetae in Vedegum Loetz. Consulem Gripesualdensem in Pomerania, et filium eius. Frankfurt an der Oder 1510, S. 156. 1049 Sachs, Ain lobspruech der stat Franckfurt, S. 399. 1050 Paintner, Zwischen regionaler Verortung und Reichsperspektive, S. 378–379. 1051 Arnold, Städtelob und Stadtbeschreibung, S. 259–260.
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bungen und Stadtlobgedichten von 1991 unterstützt diese Feststellung: „La condizione geografica, la presenza del fiume che divide in due la città, sono elementi che, pienamente sviluppati in Bruni, ritroviamo nel testo di Enea Silvio abilmente condensati in forma lapidaria.“1052 Auch Reisende nach Warschau nahmen im 16. Jahrhundert entzückt die lange Brücke wahr, die die Warschauer Altstadt mit der Prager Vorstadt jenseits der Weichsel verband.1053
Abb. 16: Die Zweiteilung der Stadt. Vogelschauansicht von Frankfurt am Main. Kupferstich von Franz Hogenberg, um 1572.
Diese Ähnlichkeiten und Parallelen zu anderen Städten machen die Frage umso interessanter, warum die Zweiteilung einer Stadt durch eine Brücke so wichtig und konstant für das Stadtbild war. Dabei spielen wiederum die literarisch-pu blizistischen Gattungen, deren Formanforderungen und das Rezeptionsverhalten der frühneuzeitlichen Autoren eine große Rolle. Die Beschreibung Frankfurts als eine durch den Main geographisch geteilte, aber politisch vereinte Stadt zog sich nämlich in der gesamten Frühen Neuzeit 1052 Lombardi, Historia, Descriptio, Laudatio, S. 134–135. 1053 Bogucka, Die Weichselstädte im Bild der polnischen Literatur, S. 73.
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durch die literarischen Gattungen hindurch, wie Münsters Cosmographei (1640) veranschaulicht: „Es scheidet der Mein diße statt in zwei theil/ welche ein hübsche steine brugk widerumb zusammen fügt/ unnd werden beide stett regiert von einem rhat/ haben auch ein recht unnd gericht.“1054 Zudem wurde stereotyp die Größe der zwei Frankfurter ‚Stadtteile‘ beschrieben: „Die grosse heist Franckfurt/ von der Fahrt/ wie etliche wöllen […]. Die kleine Statt daselbst heist Sachsenhausen.“1055 Europaweit war das Bild Frankfurts durch seine (ungleiche) Zweiteilung geprägt, wie die Relationi Vniversali von Giovanni Botero (1540–1617) belegen: „Quindi volgendo a mano destra, si scuopre Francfort, sopra lʼ Meno, che la diuide in parti ineguali.“1056 Im Stadtbild des 16. und 17. Jahrhunderts erschien die Frankfurter Brücke besonders als Verbindung zwischen den beiden Stadtteilen Frankfurt und Sachsenhausen, als Bindeglied und zur Visualisierung des typischen Stadtbildes. Die Forschung sieht in der Beschreibung der räumlichen Größe und Zusammensetzung einer Stadt aus mehreren Teilstädten auch die Kennzeichnung ihres wirtschaftlichen Ranges,1057 was für Frankfurt so explizit nur selten deutlich gemacht wurde, aufgrund seiner Bedeutung für den Handel aber ohne weiteres zutraf. Ebenso, wie die Brücke zum Frankfurt-Bild wie selbstverständlich dazugehörte, konnte sie andernorts aber auch fehlen. Johann Haselberg nahm in seinem Lobspruch auf Köln von 1531 eine Stadtumrundung vor, konnte jedoch die Stadt nicht komplett zu Fuß durchqueren, da Deutz auf der anderen Rheinseite lag. Er nahm die Fähre und erwähnte mit großem Bedauern, dass der Heilige Bruno die Reste der alten Römerbrücke verwendet habe, um St. Pantaleon zu erbauen. Nach Ansicht der Forschung sei durch die Schleifung der Reste der römischen Rheinbrückenpfeiler im ottonischen Köln eine einmalige Chance im Städtebau vertan worden, die beiden Rheinseiten wieder miteinander zu verbinden, nachdem die Holzbrücke spätestens im 5. Jahrhundert zerstört worden war.1058 Herausgebildet zu einem Stereotyp, nahm in den Reisebeschreibungen des 17. und 18. Jahrhunderts die Zweiteilung der Stadt in Frankfurt und Sachsenhausen durch den Main – verbunden mit einer Brücke – einen festen Platz ein, wie in der Reisebeschreibung von Thomas Coryate aus dem Jahr 1611.1059 Indem Coryate
1054 Münster, Cosmographei, S. 814. 1055 Saur, Theatrum Urbium, S. 165–166. 1056 Giovanni Botero: Le Relationi universali di Giovanii Botero Benese: Divise in quattro Parti. Erster Teil. Venedig 1602, S. 83. 1057 Theuerkauf, Accipe Germanam pingentia, S. 95. 1058 Rautenberg, Stadtlob und Topographie, S. 66. 1059 Coryate, Crudities hastily gobled up, S. 562.
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die Anzahl der Pfeiler angab und auf die Bauweise der Brücke einging – „a faire bridge built all with stone, and supported with a dozen goodly stony pillers, each couple making a faire arch“1060 –, ist seine Beschreibung wegweisend für die zunehmende Differenziertheit im Bild von Frankfurt und seiner Brücke. Die Brücke habe in der öffentlichen Darstellung aber nicht nur politisch und architektonisch die zwei Stadtteile miteinander verbunden, sondern diente auch für „die communication […] der Stadt Franckfurt mit Sachsenhausen“1061, wie Maximilien Misson 1701 die gesellschaftliche Verbindung der zwei Stadtteile miteinander beschrieb. Schließlich hatte die Brücke als Verbindungsglied der zwei Stadtteile bis ins späte 18. Jahrhundert ihren festen Platz im Stadtbild Frankfurts behalten, wie Lexikon-Einträge zu Frankfurt belegen: „Über den Mayn gehet eine steinerne Brücke nach Sachsenhausen, welches […] zu der Stadt gehöret.“1062
1.4.2 Baugeschichte und Ereignisse Neben der Existenz der Brücke und charakteristischen Zweiteilung Frankfurts spielten die Baugeschichte sowie Ereignisse, die mit der Brücke und dem Fluss in Zusammenhang standen, besonders im 16. und 17. Jahrhundert eine große Rolle. In der frühneuzeitlichen Stadtchronistik nahm die Brücke „über de[m] Maynfluss […], so beyde Stätt zusammen füget“1063, schon sehr früh einen festen Platz ein und wurde in der frühneuzeitlichen Chronistik bereits vor ihrer Fertigstellung erwähnt: „Ao 1035 ist der Brück ubern Mayn zu bauen angefangen worden.“1064 Bedingt durch die Form chronikalisch abgefasster Schriften wurden die Brücke und der Main fast immer in Zusammenhang mit konkreten Ereignissen erwähnt: Am Abend des 1. Februar 1306 sei der Main so hoch angestiegen, „daß er die zwey Brückenthürm sampt etlichen Pfeilern an der Brücke hinweg gestossen“1065 habe. Außerdem sei „ein groß Volck von Mann und Frau, bey 500 Menschen uff der Brücken gestanden, und haben dem anbrechenden Eiß zuge1060 Ebd. 1061 Maximilien Misson: Maximilien Missons Reisen aus Holland durch Deutschland in Italien. Leipzig 1701, S. 62. 1062 Johann Hübner (Hrsg.): Reales Staats- und Zeitungslexicon. Leipzig 1704, Sp. 434. 1063 Maximilian Faust von Aschaffenburg, Frankfurter Chronik, Chroniken S5/12, fol. 22v. 1064 Schile, Chronica Francofurtensis. Pars Prima, S5/4, nicht fol. Eintrag zum Jahr 1034. 1065 Ebd., Eintrag zum Jahr 1306. Als Vorlage und Quelle zu diesem Ereignis dienten wohl frühe chronikalische Schriften, wie etwa die Annales Francofurtani (1306–1364), in denen es ähnlich heißt: „Nota quod anno domini MCCCVI in vigilia purificationis beate Marie virginis gloriose circa noctem due turres pontis et ipse pons Frankenfordensis pro majori parte, multis utriusque sexus hominibus desuper stantibus, propter nimiam glaciem et aquarum inundacionem cecide
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sehen, deren sind 10 ertruncken“.1066 Auch in der Geschriebenen Franckforther Chronick (1718) aus dem 18. Jahrhundert wurden derartige Ereignisse regelmäßig vermerkt: „Ao. 1718 d. 6. Februari ist der Eyß im Mayn angegangen, welcher nur zwey tage zugestanden, und mit solcher gewalt an die brücke deß ersten bogens gestoßen, daß nicht allein die Quatersteine auß dem grund gehoben, sondern auch gar die brücke einen riß bekommen.“1067 Demnach wurden für Frankfurt schon sehr früh und kontinuierlich Hochwasser, Wetterextreme und Ereignisse in Zusammenhang mit der Mainbrücke verzeichnet. Derartige Ereignisse fanden umfassend Eingang in die Chroniken des 16. und 17. Jahrhunderts. Auffällig ist auch der Umfang dieser „Wetter-Berichte“, die sich durch den gesamten Untersuchungszeitraum ziehen. Die frühzeitige und kontinuierliche Erwähnung der Mainbrücke und des Mains verdeutlicht deren zentrale Stellung nicht nur für die Zeitgenossen, sondern auch für das literarische Stadtbild, angefangen mit dem Bau der Brücke und punktuellen Ereignissen, die zumeist großen Einfluss auf das alltägliche Leben in Frankfurt hatten. Das thematisch angelegte Fragment einer Frankfurter Chronik (um 1612) enthält sogar ein eigenes Kapitel „Von der Brücken und Ihrer Mühlen“, das mit dem Bau und der Fertigstellung der ersten Brücke im Jahr 1035 beginnt und ihre Erneuerung und Ausbesserung mittels bedeutender Privilegien König Heinrichs im Jahr 12351068 mit verstärkten Pfeilern erwähnt. Außerdem beschreibt die Chronik ausführlich, wie die Brücke in den folgenden Jahrzehnten und Jahrhunderten teilweise aus Stein (zunächst die Pfeiler, 1276) errichtet und erneuert wurde und der Main sie 1305 und 1342 bei Hochwasser und durch Frost umgerissen und teils zerstört hatte. Weiterhin beschreibt der Chronist die darauffolgenden Baumaßnahmen an Brückenpfeilern, Bögen (1399 vollendet), den Kapellen (z.B. 1338 die Kapelle zu Ehren St. Catharinen) und Brückentürmen auf der Brücke.1069 Darüber hinaus zeichnete sich das Bild vom Main und der Mainbrücke in den gedruckten Chroniken des 18. Jahrhunderts durch zunehmenden Detailreichtum aus. Die Verfasser beschrieben häufig sehr genau, welchen Schaden Hochwasser oder Eisgang angerichtet hatten. Für den 20. Februar 1691 berichtete beispielsweise Stocks Kleine Franckfurther Chronick (1719): „Gienge auch der Mayn […] zu runt.“ Vgl. Annales Francofurtani. 1306–1364. Abgedruckt in: Richard Froning (Bearb.): Frankfurter Chroniken und annalistische Aufzeichnungen des Mittelalters. Frankfurt a.M. 1884, S. XLV. 1066 Schile, Chronica Francofurtensis, Pars Prima, Eintrag zum Jahr 1306. 1067 Geschriebene Franckforther Chronick. Anno Domini 1718, d. 4. April. ISG: Chroniken S5/86, nicht fol. 1068 Er verfügte, dass die Erträge aus der Frankfurter Münze und des Holzhandels zum Unterhalt der Brücke verwendet werden sollten. 1069 Fragment einer Frankfurter Chronik. Mit Zusätzen von Joh. Maximilian zum Jungen. O.J. (ca. 1612). ISG: Chroniken S5/25, fol. 5v.
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Nachts auf, das Eyß steckte sich unter dem 4ten Bogen so hoch, daß man nicht dadurch sehen können; An den Ufern lage das Eyß über Manns hoch.“1070 Doch nicht nur der Main, sondern auch die Brücke selbst konnte Schauplatz dramatischer Handlungen sein, wie ein Eintrag in der Döring-Chronik (um 1835) zum Jahr 1713 zeigt, als eine durch Frankfurt nach Frankreich reisende Gouvernante der Aufsicht ihres Begleiters heimlich entkommen, aus dem Gasthaus Zum Hirsch im Heinerhof geflohen und auf die Brücke gelaufen sei, wo sie sich in den Main gestürzt habe. Da sie jedoch einen Reifrock getragen habe, „konnte sie nicht sogleich untergehen und schwamm oben auf dem Main, wo die Fischer sie gewahrten, und mit einem Nachen abholten“1071, lebend aus dem Wasser retteten und zum Gasthof zurückführten. Das Bild von der Frankfurter Mainbrücke entwickelte sich ausgehend vom Städtelob und den chronikalischen Quellen von einem statischen Bauwerk und städtebaulichen Bestandteil der Stadt, das zumeist mit bestimmten Ereignissen in Zusammenhang gebracht wurde, zu einem individuellen Ort der Stadt. Die Brücke wurde im Frankfurt-Bild zu einem belebten Ort, an dem sich persönliche Geschichten abspielten und der für die Bevölkerung tagtäglich konkrete Funktionen und Bedeutungen hatte.
1.4.3 Historische und symbolische Bedeutung der Mainbrücke Neben ihrer Bedeutung als architektonische Besonderheit, Verbindungslinie, Verkehrsobjekt und Bauwerk besaß die Mainbrücke im frühen Stadtbild des 16. und 17. Jahrhunderts auch eine historisch-symbolische Konnotation. Ein Beispiel hierfür ist der Lobspruch von Johann Ludwig Gottfried (um 1630): „Ast ego Teutonicas inter caput altius urbes/ Effero Francfurtum, qua pons tua, Moene, fluenta/ Saxeus, urbis opus, quindeno fornice sternit,/ Saxonibus Francos clarissima nomina jungens.“1072 Gottfried hat die historische Dimension der Brücke hervorgehoben, indem sie die Franken und Sachsen – in Form von Frankfurt und Sachsenhausen – miteinander verbunden habe, die sich ursprünglich feindlich gegenübergestanden hätten. Es ging Gottfried nicht nur um das optische Stadtbild und die Zweiteilung der Stadt, sondern um die symbolische und historische 1070 Stock, Kleine Franckfurther Chronick, S. 60. 1071 Döring, Vierzig Jahre von Frankfurt am Main, S. 13. 1072 Gottfried, Lateinischer Vers um 1630. Deutsche Übersetzung: „Ich aber preise höher als alle Stätte in Deutschland/ Frankfurt und seinen Strom, den Main, darüber die Brücke,/ Steinern, ein Werk der Stadt, mit fünfzehnfältigem Bogen/ Sachsen und Franken vereint, berühmteste Namen verbindend.“ Vgl. Diehl, Frankfurt am Main im Spiegel, S. 225.
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Bedeutung der Brücke über den Main, die etwas verbinde, was zuvor unüberwindbar voneinander getrennt gewesen sei. Der Bau einer stabilen Brücke ist von den Stadtbeschreibern auch als Symbol für den Fleiß und die Arbeitskraft der Frankfurter bemüht worden, wie das Lobgedicht eines Unbekannten (Flugblatt, 1675) verdeutlicht: „Was Arbeit früh und spath hat nur die Furth der Francken/ Erfordert, biß die Brück mit tieffem Fundament/ Von starckem Stück zu Stück gebracht, vom End zum End.“1073 Schließlich spiegelte sich im Stadtbild auch die besondere historische Bedeutung wider, welche die Brücke als Rechtsraum eingenommen habe, indem sie „die uralte Freyheit“ besaß, „daß sich niemand weder bey Tag noch Nacht darauf schlagen darf, und so einer den andern blutig schlüge, ob es auch gleich nur mit der flachen Hand geschähe, so hat der Thäter die rechte Hand verlohren.“1074 Neben den chronologisch angelegten Aufzeichnungen erwähnten die thematisch gegliederten Frankfurter Chroniken in jeweils eigenen Kapiteln über „der Meyn Brücken beschreibung“1075 den fast in allen Quellen zitierten Spruch bzw. die Mahnung zur Brückenfreiheit im Sinne eines rechtlich geschützten Raums: „Wer dieser brücken freyheit bricht/ dem wird sein frevelhandt gericht.“1076
1.4.4 Die imposante Brücke – beeindruckende Architektur Neben der historisch-symbolischen Bedeutung wurde die Mainbrücke im 16. und 17. Jahrhundert nicht nur mit Hochwasser, Eisgang und persönlichen Tragödien in Zusammenhang gebracht, sondern europaweit als ein imposantes Bauwerk betrachtet. Der Italiener Giovanni Botero schrieb in seiner Stadtbeschreibung von dem „nobilissimo fiume Mayn“, über den „un ponte costrutto di grosse pietre quadrate da taglio, con 12 bellissimi archi fabricato nellʼ anno 1035“ gebaut worden sei, „per il quale si passa dalla Città nel Borgo chiamato di Saxenhausen“.1077 Die architektonische Bedeutung eines Brückenbauwerkes nahm nicht nur im Frankfurt-Bild einen prominenten Platz ein, sondern zeigte sich auch bei anderen Städten, die an einem Fluss liegen. Peter Wolf hat für Regensburg sogar festgestellt, dass die beiden wichtigsten profanen Bauwerke, die für die Stadtgeschichte und Stadtgestalt eine herausragende Bedeutung hätten, das Rathaus und die steinerne Brücke gewesen seien. Dabei werde die Brücke von den Chro1073 Lobgedicht eines Unbekannten auf die Stadt Frankfurt, 1675. 1074 Stock, Kurzgefasste Franckfurter Chronic, S. 7. 1075 Frankfurter Chronik von Maximilian Faust von Aschaffenburg, S5/74, fol. 34. 1076 Ebd., fol. 35. 1077 Gualdo Priorato, Relatione del Governo, S. 94.
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nisten weniger als ein aus ihrer Umgebung deutlich hervorstechendes Bauwerk dargestellt, sondern vielmehr als wichtiger Bestandteil eines „funktionalen Ensembles“.1078 In den Regensburger Chroniken und Lobgedichten bedürfe es daher nicht vieler rühmender Epitheta, denn allein durch die „relativ kommentarlose Darstellung ihrer architektonischen Wirklichkeit läßt sich die historische und aktuelle Bedeutung sinnfällig machen“.1079 Für Frankfurt am Main lässt sich Wolfs Einschätzung allerdings nicht teilen, weil den Brücken-Beschreibungen häufig Adjektive wie „berühmt“, „groß“ oder „ansehnlich“ hinzugefügt wurden. Gleichwohl geriet die Frankfurter Brücke damit zu einem Wahrzeichen der Stadt, das sowohl in funktionaler und praktischer Hinsicht als auch in seiner symbolischen Bedeutung kaum zu übertreffen war.
Abb. 17: Ansicht der Steinernen Brücke zwischen Frankfurt und Sachsenhausen. Kupferstich aus Salomon Kleiners „Florierendes Frankfurt“, 1738.
1078 Wolf, Bilder und Vorstellungen, S. 89–90. 1079 Ebd., S. 90.
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Durch die vom 13. bis 16. Jahrhundert vollzogenen Reparatur- und Baumaßnahmen sei die Brücke zu einem „solchen werckstück“ geworden, „wie es annoch vorhanden, und wegen der stärcke, höhe und breithe von den frembden mit lusten beschauet wird“.1080 Darüber hinaus sei sie „zu beyden Enden mit zween starcken 4 eckigten thürmen, drey der leztern nachher Sachsenhaußen zu in Ao. 1348 aufferbauet und vollendet, der andern ao. 1535 gemacht, und daran die kunstreiche Sonnen Uhr“1081 befestigt worden. Auch wurde die Brücke im 17. Jahrhundert fast in jedem Reisebericht als „schöne steinerne Maynbrucken“1082 beschrieben und wegen ihrer Größe und imposanten Erscheinungsform als „gar prächtig mit zwölf Bögen“1083 bestaunt. Doch Attribute, welche die Brücke als einen Triumph des Menschen über die Natur oder als eine verkehrstechnische Meisterleistung beschreiben, lassen sich für Frankfurt nicht feststellen. Mitte des 18. Jahrhunderts war die Brücke über den Fluss zwar noch immer ein fester Bestandteil des Stadtbildes, doch wurde sie im Laufe der Jahrzehnte längst nicht mehr in jedem Reisebericht erwähnt. Das mag auch damit zusammenhängen, dass sie zumeist nicht mehr zu den ersten optischen Auffälligkeiten gehörte, die den Reisenden beim Betreten Frankfurts ins Auge fielen. Parallel dazu entstanden weiterhin Berichte, die die Mainbrücke in ihrer Bauweise und wirtschaftlichen Funktionalität beschrieben, wie beispielsweise Johann Friedrich Karl Grimm 1775: Die Brücke habe „neun Schritte in der Breite, drey hundert und fünf und siebenzig Schritte in der Länge, und vierzehn Schwiebbogen. Unter der Brücke an dem nordöstlichen Ufer des Flusses landen hauptsächlich alle Schiffe, die von hier ab- und zugehen.“1084 Chr. Wölfling sah einen wesentlichen Vorzug der Brücke in eben dieser Wölbung ihrer Bögen, die so hoch seien, „daß die Schiffe mit stehenden Masten durchfahren können. Auch dienen ihnen die Pfeiler sehr bequem zum Anlegen.“1085 Das Bild von der Frankfurter Mainbrücke bekam als Bauwerk im 18. Jahrhundert eine neue Qualität. Sie wurde jetzt unabhängig von historisch – positiv wie negativ – wichtigen Ereignissen als bedeutsam angesehen, wobei ihre Bauweise 1080 Maximilian Faust von Aschaffenburg, Frankfurter Chronik, S5/12, fol. 22v. Die wortgleiche Beschreibung findet sich auch bei Waldschmidt, Chronicon, Chroniken S5/66, fol. 24. 1081 Ebd. 1082 Martin Zeiller: Itinerarium Germaniae Nov-Antiquae: Teutsches Reyßbuch durch Hoch und Nider Teutschland auch angräntzende, unnd benachbarte Königreich. Straßburg 1632, S. 319. 1083 Hans Geisenheimer: Ein italienischer Reisebericht über Frankfurt aus dem Jahre 1667. Nach einer unveröffentlichten Handschrift des Florentiner Staatsarchivs. In: Alt-Frankfurt. Vierteljahrschrift für seine Geschichte und Kunst Jg. 3/Heft 2 (1911), S. 49–51, hier S. 52. 1084 [Johann Friedrich Karl Grimm:] Bemerkungen eines Reisenden durch Deutschland, Frankreich, England und Holland in Briefen an seine Freunde. Dritter Teil. Altenburg 1775, S. 43. 1085 Wölfling, Reise durch Thüringen, S. 23.
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und bauliche Entwicklung detailliert beschrieben wurde. Johann Adolph Stock berichtete in seiner Chronik von 1753, dass die über den Mainstrom angelegte steinerne Brücke, von der im Oktober 1739 der Kreuzbogen eingestürzt war, „von Grund auf neu und sehr massiv wieder aufgebauet worden“ sei, eine Länge von 400 Schritten und 14 Schwibbögen „und an beyden Enden einen viereckichten Thurn [habe], deren Thoren des Nachts können zugeschlossen werden“.1086 Die Sonnenuhr an dem Brückenturm, an der man die Uhrzeit, Stellung der Planeten und Mondphasen ablesen könne, sei aufgrund der verblassten Farbe seit der letzten Renovierung 1677 nur noch schwer zu entziffern. In seiner Stadtbeschreibung aus der Mitte des 18. Jahrhunderts nahm Johann Bernhard Müller den Leser sogar mit über die Main-Brücke, denn „unter allen Thoren ist keine stärckere Ausund Einfurth, als über dieselbe“.1087 Neben ihrer Funktion als Hauptverkehrsweg in die Stadt hinein und aus der Stadt hinaus blickten die Autoren literarisch-publizistischer Beschreibungen aus einer optischen und städtebaulichen Perspektive auf die Brücke, die der Stadt in der Darstellung bei Müller „wegen ihrer gleichen Länge ein recht gutes Ansehen“ gegeben habe. „Die Aussicht davon ist mit Wahrheit die schönste und angenehmste zu nennen, und würde denen Augen ein noch grösseres Vergnügen geben, auch der Brücke selbsten zur ordentlicheren Zierde gereichen, wenn die daran an sich selbst wohl erbaute Brücken-Mühlen nicht vieles hieran verhinderten.“1088 1803 hieß es in Bezug auf die Funktionalität und den großen Nutzen der Brücke, dass sie „nicht leer von Fahrenden, Reitenden und Fußgängern [wurde], die theils der Stadt zuströhmten, theils sie wieder verließen“.1089 Schließlich verlor die Brücke im ausgehenden 18. Jahrhundert zwar ihr Alleinstellungsmerkmal, weil nun mehrere „Brücken an den Ausgängen der Stadt auf das Land zu“ gingen, die „mit doppelten Aufzügen versehen“ waren und von denen die Brücke an dem Bockenheimer-Tor „ganz neu Massiv und ansehnlich erbauet, auch mit einem Wachthaus und andern Verbesserungen versehen worden“ sei.1090 Andererseits hat sie im Stadtbild stets ihre besondere Rolle als Frankfurts erste ‚Alte Brücke‘ behalten. 1086 Stock, Kurzgefasste Franckfurter Chronic, S. 7. 1087 Müller, Beschreibung des gegenwärtigen Zustandes, S. 22. 1088 Ebd. 1089 [Johann Wilhelm] Ausfeld, Erzieher zu Schnepfenthal: Reisen der Zöglinge zu Schnepfenthal. Zweytes Bändchen. Schnepfenthal 1803, S. 234. 1090 Müller, Beschreibung des gegenwärtigen Zustandes, S. 25. Das Kapitel „11. Brücken“ (S. 50–52) aus der Topographischen, politischen und historischen Beschreibung der Reichsstadt Franckfurt (Teil 1, 1788) von Johann Heinrich Faber stimmt wortwörtlich mit der Beschreibung von Müller überein, sodass Faber vermutlich bei Müller abgeschrieben hat. Möglicherweise beziehen sie sich beide auch auf dieselbe Quelle.
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1.4.5 Schönheit und Vergnügen Die im vorangegangenen Kapitel bereits angeklungene schöne Aussicht von der Mainbrücke verweist auf eine umfassende Veränderung des publizistischen Bildes, das die Reisenden und Stadtbeschreiber im 18. Jahrhundert von der Brücke entwarfen. Zu den bereits genannten Aspekten trat eine ästhetische und romantische Sichtweise auf eine „reizende majestätische Ansicht des Flusses und der Brücke“1091 hinzu. Der Reisende Karl Sigmund Holzschuher beschrieb 1708 die „Main-Brücken, welche die Stadt Franckfurth und die gegenüber liegende Stadt Sachsenhaußen zusammen hänget“, von wo aus man „den schönsten Prospect von dem Fluß, der vielen ankommenden Schiffe und der Fortification“ habe.1092 In der Beschreibung der Stadt Franckfurt (1741) von Johann Michael von Loen formierte der Main „gegen den Aufgang von Seiten der Brücke ein rechtes Schaugerüste, wo sich die Stadt auf beyden Seiten in einem prächtigen Ansehen zeiget“.1093 Im späten 18. Jahrhundert hatte sich das Bild der Brücke mit ihrer imposanten Erscheinung und praktischen Funktionalität als Verbindung zwischen Frankfurt und Sachsenhausen in eine ästhetische Sehenswürdigkeit verwandelt. Adam Nikolaus Riedner reiste anlässlich der Kaiserkrönung Leopolds II. nach Frankfurt und besichtigte dort die Mainbrücke, durch deren hohen Bogen sich die entfernte Landschaft gegen Hanau im kleinen zeigte, und Sachsenhausen linker Hand, rechter Hand verschiedene Gärten, Gartenhäuser und eine herrliche Gegend, und unter uns den Main mit einer Menge Schiffen und Fähren an dessen beiden Ufern nebst dem Wein und Holzmarkt unter unsern Fenstern – welche Aussicht!1094
Außerdem sei die Brücke aus Anlass der Kaiserwahlen mit Laternen beleuchtet gewesen.1095 Ein Herr Ausfeld machte sich etwa zur selben Zeit mit einer Gesellschaft, in der er sich aufhielt, zu einem Spaziergang auf, „welcher hauptsächlich der Maynbrücke gelten sollte, von der man, so wie fast von allen etwas bedeutenden Brücken, eine angenehme Aussicht auf den Fluß und seine Ufer genießt“.1096
1091 Artistisch-topographische Beschreibung des Panorama’s der Stadt Frankfurt und der umliegenden Gegend. Gemalt von dem Maler Morgenstern. Frankfurt a.M. 1811, S. VII. 1092 Karl Sigmund Holzschuher: Reise i.d. Niederlande und nach England. Nürnberg 1708, fol. 188. Stadtbibliothek Nürnberg, Nor. H. 897 (2b). 1093 Loen, III. Brief. Beschreibung der Stadt Franckfurt, S. 17. 1094 Adam Nikolaus Riedner: Reise von München nach Franckfurt am Mayn, bei Gelegenheit der Kaiserkrönung Leopold II. Im Monat September und October 1790. Darin: Journal der Reise nach Frankfurt am Main, fol. 1–22, hier fol. 3. Germanisches Nationalmuseum Nürnberg, Hs. 126.161. 1095 Ebd., fol. 15. 1096 Ausfeld, Reisen der Zöglinge, S. 247.
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In der Mitte der Brücke waren Altane mit steinernen Bänken angebracht, von denen man die Aussicht am ungestörtesten genießen könne. Somit hätten sie eine ganze Weile auf der Brücke verweilt und sich die bebauten Ufer und das emsige Treiben auf dem Main angeschaut.1097 Zunehmend prägten Geschmack und persönliche Eindrücke das Bild von der Frankfurter Brücke – sowohl positiv als auch negativ. Ein anonymer Autor besuchte Frankfurt im April 1794 und im Gegensatz zu Herrn Ausfeld fand er an der „Brücke zu Franckfurth […] nichts besonderes zu bemerken“, abgesehen von ihrer Länge „von 800 Fus, ihre[r] Breite gegen 21 Fus, die Pfeiler in der Mitte haben gegen 25 Fus dicke und die Bögen haben ohngefehr 42“.1098 Es kam somit vor, dass im Stadtbild neben dem Wandel von der Funktionalität und äußeren Erscheinung zur Ästhetik ein gewisses Desinteresse und ein Bedeutungsverlust vorherrschten. Allerdings hatte dieser anonyme Autor ein besonderes Interesse für technische Neuheiten, wozu die Brücke offensichtlich nicht (mehr) gehörte. Möglicherweise hatte er schon deutlich größere, modernere und neuere Brücken gesehen. In den Zeitschriften der Aufklärung findet sich nur selten eine Bemerkung zur Brücke über den Main und zur Zweiteilung der Stadt durch den Fluss. Allerdings beziehen sich auch hier die wenigen Berichte auf die optische und kulturelle Funktion der Brücke. Freiherr von Gerning schrieb 1803, dass die Stadt durch das Niederreißen „der für Frankfurt so manches Unheil verschuldenden Wälle und durch Anlagen an der Mayn-Brücke“ verschönert worden sei, „wohin den Kindern Israel ihre Wohnungen auszudehnen erlaubt worden ist“.1099 Stärker als die Zeitschriften trugen die Lexika im 18. Jahrhundert zur Weiterschreibung des Frankfurt-Bildes mit seiner Mainbrücke bei. Erstaunlich ausführlich beschrieb 1744 Schramms Neues europäisches Reise-Lexicon die „aus vierzehen Schwibbögen bestehende und 400 Schuh lange sehr schöne steinerne Brücke“1100: „Auf dem höchsten Pfeiler derselben, wo die Schiffe durchpaßiren, siehet man ein großes eisernes Crucifix, an welchem der lincke Arm kürzer ist als der rechte, so man für das Wahrzeichen der Brücke hält: Zu beyden Enden aber stehet ein starcker viereckichter Thurm, welche beyde des Nachts geschlossen werden.“1101 Frankfurts Main-Brücke gab auch zu einer Zeit, als sie vermutlich
1097 Ebd., S. 248. 1098 Miscellania vom Jahr 1794. Bemerkungen auf meiner Reysen, fol. 16. Generallandesarchiv, Landesarchiv Baden-Württemberg Karlsruhe, GLA 65/11861. 1099 Johann Isaak Freiherr von Gerning: Blick auf Frankfurts Bürgerglück und Cultur. In: Der neue Teutsche Merkur 2 (1803), S. 68–73, hier S. 68. 1100 Schramm, Neues europäisches historisches Reise-Lexicon, Sp. 517. 1101 Ebd.
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aus architektonischer Sicht keine Besonderheit mehr war, noch häufig Anlass zu ihrer detaillierten Beschreibung. Im 18. Jahrhundert trat offensichtlich ihre Funktion als Vergnügungs- und Ausflugsort an die pragmatische (und banale) Aufgabe der Flussüberquerung.
1.4.6 „Neue“ Gefahren und unzureichende Bauweise Die Brücke eignete sich im ausgehenden 18. Jahrhundert aber offenbar nicht nur für Spaziergänge und das Genießen einer schönen Aussicht. Sie konnte sich auch negativ für die Stadt auswirken. 1791 lamentierte beispielsweise ein anonym gebliebener Autor in Bezug auf Frankfurts Sicherheit, Kriegswesen und Befestigung, dass die Stadt „zum noch größern Unglücke […] eine große steinerne Brücke über den Mayn [habe], welche an und für sich auch schon Armeen herbeilockt, und wegen welcher Kriegsheere die Stadt behaupten, und sie belagern lassen müssen, selbst wenn sie es sonst nicht thun würden“.1102 Wölfling schrieb 1795, dass einige Besucher der Frankfurter Brücke sogar die Ehre zuteilwerden ließen, „sie mit der Dresdner Elbbrücke zu vergleichen“.1103 Er selber hatte allerdings eine andere Meinung, denn der Frankfurter Brücke fehle alles, was sie für Spaziergänge angenehm gemacht hätte: „Sie ist weder so breit, noch ihr Pflaster so reinlich und bequem.“1104 Außerdem seien die Seitenwege für die Fußgänger schmal und „durch angebaute Mühlen unterbrochen“, die breiten Steine seien außerdem ausgelaufen und das „hohe Gemäuer, welches die Stelle des Geländers vertritt, kann eben auch nicht machen, daß der Spazierengehende freyer athmet“. Auch die nächtliche Beleuchtung der Brücke sei schlecht, und selbst wenn man dieses nicht berücksichtige, „so würde schon der Mangel an Ordnung auf den Seitenwegen das Vergnügen des Spazierganges stöhren; denn bald muß man den Entgegenkommenden, bald dem Tragkorbe einer Sachsenhäuserin aus dem Wege gehen“. Während man von der Dresdner Elbbrücke einen wunderschönen Ausblick auf die Alt- und Neustadt Dresdens genießen könne, blicke man „hier auf der einen Seite nach dem verrosteten Sachsenhausen, auf der andern nach einem alten baufälligen Thorthurme!“ Trotzdem verlor die Mainbrücke ihren zentralen Stellenwert im Stadtbild keineswegs, sodass sie – wenn auch seltener – ausführlich mit ihren Vor- und Nachteilen, Funktionen und in ihrer Bauweise beschrieben wurde.
1102 Etwas über Frankfurt. Aus der Brieftasche eines Reisenden. Frankfurt a.M. 1791, S. 18. 1103 Wölfling, Reise durch Thüringen, S. 22. 1104 Siehe auch die folgenden Zitate Ebd., S. 22–23.
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1.4.7 Zusammenfassung Die Mainbrücke und die Zweiteilung der Stadt durch den Main waren vom frühen 16. bis späten 18. Jahrhundert fester Bestandteil des Frankfurt-Bildes, weil dieser Topos in fast allen Darstellungen und Textsorten über Frankfurt tradiert wurde. Angefangen mit ihrer Erbauung und Entwicklung, stand die Brücke – zunächst als imposantes Bauwerk mit einer historisch-symbolischen Bedeutung, aber auch als Ort, an dem Gefahren entstehen konnten – im Fokus der öffentlichen Darstellung. Im ausgehenden 17. und besonders im 18. Jahrhundert rückte der architektonische und praktische Aspekt der Brücke gegenüber der ästhetischen Perspektive als gesellschaftlichem Treffpunkt in den Hintergrund. Diese neue Sichtweise wurde wiederum von einer erneuten Kritik im späten 18. Jahrhundert begleitet bzw. abgelöst, als neue architektonische Maßstäbe gesetzt wurden und die Brücke als unpraktisch und veraltet galt. Damit übernahm die Brücke einerseits die Funktion, Frankfurts Größe und wirtschaftliche Prosperität zu betonen. Andererseits spiegelte sich im Frankfurt-Bild auch ihre gesellschaftlich-kulturelle Bedeutung wider, die zwar einen Wandel durchlief, jedoch in der Frühen Neuzeit zu keiner Zeit an Bedeutung verloren hatte. Aufgrund der gleichermaßen positiven wie negativen Äußerungen über die Mainbrücke lässt sich ihre Konstanz im Stadtbild nur bedingt mit einer Kompensationsfunktion erklären. Stattdessen versuchten die Autoren der Chroniken, Stadtbeschreibungen und Reiseberichte, ein objektives und vollständiges Bild des Mains und der Mainbrücke wiederzugeben, indem sie zwar stereotyp auf die schöne Aussicht verwiesen, aber auch die negativen Aspekte bemerkten und teilweise sogar Verbesserungsvorschläge unterbreiteten.
1.5 Fazit: Historische Kontinuität und wandelbares Stadtbild Neben den traditionell eher städtischen Quellen wie den Stadtlobgedichten, Chroniken und Stadtbeschreibungen fungierten auch die aus einer vermeintlichen Außensicht auf die Stadt blickenden Reiseberichte, Lexikoneinträge und Zeitschriftenartikel als Mediatoren des Frankfurt-Bildes. Bei einer bestimmten Gruppe von Topoi zeigt sich das Phänomen, dass einerseits das im frühen 16. Jahrhundert unter dem Einfluss des Humanismus entwickelte Frankfurt-Bild stereotyp weitergetragen und bis in das späte 18. Jahrhundert kolportiert wurde, sich andererseits parallel dazu die Bildbestandteile der Stadt weiterentwickelt und modifiziert haben.
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Zu den Inhalten dieses modellierten und im Wandel begriffenen Stadtbildes gehören die geographische Lage Frankfurts, die Kaiserwahl und Krönung, die Handelsmessen sowie die Teilung der Stadt durch einen Fluss in zwei Teile, die wiederum durch eine Brücke miteinander verbunden waren. Diese Aspekte haben eine Gemeinsamkeit, und zwar ihre historische Kontinuität. Sowohl die geographische Lage Frankfurts, seine Funktion als Wahl- und Messestadt sowie die Lage am Fluss samt Brücke sind nun einmal historische Fakten, die sich während der Frühen Neuzeit nicht grundsätzlich geändert haben. Der Topos von der privilegierten freien Wahlstadt Frankfurt zog sich bis ins frühe 18. Jahrhundert hinein und ist auch noch in den wenigen in diesem Jahrhundert verfassten Kosmographien zu finden, wie z.B. in Johann Keilhackers Geographisch- Historisch- und Politischen Wissenschafften von 1700: „Franckfurt am Mayn […] ist mit grossen Freyheiten versehen.“1105 Dabei zeigen sich deutliche inhaltliche Parallelen in der Hervorhebung der Vorzüge von Nürnberg und Frankfurt, wie zum Beispiel bei Enea Silvio Piccolomini, der die drei wichtigsten Standortvorteile von Nürnberg zusammenfasste. Nürnberg sei „Aptissima imperatorum sedes, libera urbs, et in medio Germania sita“ – also „der geeignetste Aufenthaltsort für Kaiser, eine freie Stadt, und in Deutschlands Mitte gelegen“.1106 Sehr deutlich wird hier die Stereotypie und Austauschbarkeit der verwendeten Eigenschaften zur Hervorhebung Nürnbergs, an dessen Stelle auch Frankfurt hätte stehen können. Bei der Mehrzahl der frühen Stadtlobgedichte über Frankfurt zeigt sich ein spezifisches Merkmal, das auch in den mittelalterlichen Texten sehr verbreitet war. Deren Verfasser hoben zumeist neben dem allgemeinen Lob des Ruhmes der Stadt ausschließlich folgende Merkmale hervor: die günstige Lage an einem Gewässer, den florierenden Handel, die weitsichtige Finanzpolitik und das weise Regiment. Fast alle Merkmale passen auch auf Frankfurt. Doch stellt der Mediävist David Vitali zu den mittelalterlichen Beschreibungen fest: „Aber es ist eine ‚leere‘ Stadt, die hier vorgestellt wird. Von den Bewohnern und ihrer Eigenart ist nicht die Rede, das berufliche, politische und soziale Handeln waren wohl nicht erwähnenswert.“1107 Ähnlich ausgeprägt war auch zunächst das frühneuzeitliche Frankfurt-Bild zwischen 1500 und etwa 1650, in dem die Bewohner noch keine große Rolle spielten. Sie traten dann im 18. Jahrhundert umso deutlicher hervor und füllten die Stadt förmlich mit Leben, wie noch in Kapitel II.3 „Von einem
1105 Keilhacker, Des Curieusen Hoffmeisters Wissenschafften, S. 1073. 1106 Enea Silvio Piccolomini in seinem De Europa, verfasst um 1458, erstmals gedruckt in Basel 1551. Zit. nach Lombardi, Historia, Descriptio, Laudatio, S. 142. 1107 Vitali, „probitas et fatum“, S. 174.
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historischen Zentrum des Reiches zu einem Zentrum städtischer Kultur: Die Entwicklung neuer Topoi“ zu zeigen sein wird. Weil die Knappheit der Aussagen in den mittelalterlichen Beschreibungen etwas enttäuscht, betont Vitali die dafür mitverantwortliche Beziehung zur Quellengattung: „Die Auswahlkriterien, nach denen die Stadt beschrieben ist und sich um die Stichworte Wirtschaft, Kirche und Geschichte […] gruppieren lassen, entsprechen dem traditionellen Schema des Städtelobs, wie es das Mittelalter in Theorie und Praxis aus der Antike empfangen und weitergebildet hatte.“1108 Der Medävist Klaus Arnold geht allerdings davon aus, dass ein vermehrtes Interesse am Faktischen, das „insbesondere der städtischen Bevölkerung in ihren verschiedenen Aktivitäten Raum“1109 gibt, seit etwa 1200 Einzug in die Stadtbeschreibungen erhielt. Kugler wiederum sieht diese Entwicklung einer „Emanzipation der Stadtwahrnehmung“1110 erst seit dem späten 13. Jahrhundert. Allerdings betont Vitali mit Blick auf die langlebige Formentradition der Gattung des Städtelobs die grundsätzliche Problematik, das literarische Bild einer Stadt mit ihrer ‚realen‘ Gestalt ins Verhältnis zu setzen. Denn dazu müsse man wissen, worin aus der Sicht des Autors die ‚Wirklichkeit‘ eines bestimmten Ortes zu einer bestimmten Zeit besteht.1111 Vor diesem Versuch kann auch nur gewarnt werden, macht die ausführliche diachrone und synchrone Analyse des Frankfurt-Bildes doch deutlich, dass eine Gegenüberstellung zwar möglich ist, aber kaum Erkenntnisse (etwa zur Stadtgeschichte) bringt. Das frühneuzeitliche Stadtbild folgte seinen eigenen Gesetzen und hatte spezifische Funktionen zu erfüllen, die im Falle Frankfurts darin bestanden, seinen Ruf als altehrwürdige Wahl-, Krönungs- und Messestadt aufrechtzuerhalten. Denn im Hinblick auf Stereotypie sowie Akzentverschiebungen im Frankfurt-Bild dürfen die literarischen Konventionen der untersuchten Quellen, insbesondere des Städtelobs, folglich nicht vernachlässigt werden. Das Privileg unmittelbarer königlicher oder kaiserlicher Untertanenschaft und die Tatsache, dass keine territoriale Herrschaft, kein benachbarter Bischof oder Herzog Einfluss auf die politischen und sozialen Geschicke der Stadt nehmen sollte bzw. konnte, ist ein Aspekt, der sich genauso im Stadtlob auf Nürnberg1112 wiederfindet und dadurch zu einer gewissen stereotypen Wendung wohl für alle reichsunmittelbaren bzw. Reichsstädte gerierte. Auch die aus den kaiserlichen Privilegien resultierenden handels- und rechtspolitischen Vorteile, wie etwa Zoll1108 Ebd., S. 174–175. Siehe auch Kugler, Die Vorstellung der Stadt, S. 21–26. 1109 Arnold, Städtelob und Stadtbeschreibung, S. 250. 1110 Kugler, Die Vorstellung der Stadt, S. 148. 1111 Vitali, „probitas et fatum“, S. 175. 1112 Eser, „Deutschlands Nabel“, S. 31.
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freiheiten und ein hohes Maß an Selbstverwaltung, finden sich sowohl im Bild Frankfurts als auch Nürnbergs. Eine weitere Übereinstimmung zwischen diesen beiden Reichsstädten als Grundlage für ein ähnlich ausgeprägtes Stadtbild besteht darin, dass sich eigentlich in keiner der beiden Städte ein „typischer Impulsgeber für städtisches Wachstum finden“1113 lässt, denn sie waren beide weder Residenzstädte, Universitätsstädte noch Bischofssitze. Auch konnte weder Nürnberg noch Frankfurt auf eine antik-römische Gründungsgeschichte verweisen, wie etwa die Reichsstädte Augsburg, Basel oder Straßburg, wo das Bewusstsein als „Römerstadt“ vor allem für die städtischen Humanisten identitätsstiftend war.1114 Auch waren in beiden Städten die Bodenschätze und natürliche geologische Ressourcen eher begrenzt. Gleichzeitig sind diese Umstände mögliche Erklärungen für die Betonung der geographischen Zentralität ebenso wie für die kaiserliche Güte und Privilegierung der Stadt, die sie wiederum zu politisch und ökonomisch bedeutsamen Städten machte. Gleichwohl veränderten sich diese Fakten in ihrer Bedeutung und Bewertung innerhalb des publizistischen Bildes von Frankfurt, weil die Verfasser und Autoren der Frankfurt-Texte unter einem veränderten Blickwinkel auf die Stadt schauten, der zunehmend kritischer und persönlicher wurde und eine größere Distanz zur Verfassung und politischen Bedeutung des Alten Reiches einnahm. Bei den untersuchten Aspekten zeigt sich sehr deutlich, dass eine kritisch-individualisierte Sichtweise sukzessive in den Vordergrund trat und genuin städtische, gesellschaftliche und kulturelle Belange in den Fokus gerieten, während Frankfurts historisch-politische Stellung innerhalb des Reichsgefüges sukzessive dahinter verschwand. Insgesamt lag der Schwerpunkt im Frankfurt-Diskurs inhaltlich stark auf der wirtschaftlichen Zentralität, die noch deutlicher betont wurde als die politisch herausragende Bedeutung der Wahl-, Krönungs- und Versammlungsstadt. In seinem Stadtbild nahm Frankfurt immer stärker die Funktion als Schauplatz für Handelsmessen und Geldgeschäfte ein, während die politische Dimension seit dem späten 17. Jahrhundert allmählich abnahm. Allerdings war die Konnotierung des Stadtbildes letztlich immer auch abhängig von Textsorte und Schwerpunkt der Verfasser, wie anhand der Lexika sehr deutlich wird. Reise-Lexika legten ganz andere Schwerpunkte als eher wirtschaftlich orientierte Zeitungs- oder Postlexika. Eine Äußerung Johann Isaak von Gernings aus dem Jahr 1801 in den Blättern für Polizei und Kultur illustriert diese Schwerpunktverschiebung im Frank1113 Ebd. 1114 Ebd., S. 32.
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furt-Bild von der politisch bedeutsamen Wahlstadt zur geographisch zentralen Handelsstadt: „Wenn der Vorzug, die Wahl- und Krönungsstadt des römischen Kaisers zu sein, sie in den Augen des deutschen Publicisten auszeichnete; so verdiente ihre bürgerliche Verfassung und Verwaltung, und ihre günstige Lage zwischen dem Norden und Süden, als Gränzpunkt des Verkehrs, die Aufmerksamkeit des Statsforschers in nicht geringerem Grade.“1115 Dennoch löste das neue oder veränderte Bild die tradierten und teilweise überkommenen Ansichten von Frankfurt nicht ab, sondern blieb daneben bestehen. Diese Beobachtung lässt sich mit der Autorität schon bestehenden Wissens und der Praxis der Wissensvermittlung und des literarischen Diskurses durch die Lektüre älterer Texte erklären, auf die bis in das späte 18. Jahrhundert zurückgegriffen wurde. Durch die Praxis des Abschreibens, Rekurrierens auf ältere Quellen und des Übernehmens bestehender Wissensbestände – unabhängig von der literarischen Gattung – wurden außerdem die Grenzen zwischen einem vermeintlichen Fremd- und Eigenbild stark verwischt. Dass häufig Passagen aus den Stadtbeschreibungen in Reiseberichten Verwendung fanden, ist nicht weiter verwunderlich. Dass sie aber auch von ausländischen Reisenden rezipiert und übernommen wurden, überrascht schon mehr. Die Folge aus dem teilweise wortwörtlichen Übernehmen bestehender Beschreibungen ist eine im Laufe der Zeit zunehmende Diskrepanz zwischen einem stereotyp geprägten, auf der Vergangenheit basierenden Stadtbild und den individuellen Erfahrungen, wie anhand des Beispiels der geographischen Lage, der Kaiserwahlen oder der Frankfurter Messen deutlich gezeigt werden kann. Neue Erkenntnisse, Erfahrungen und Bilder von Frankfurt führten nicht automatisch dazu, dass die Topoi in der Publizistik verschwanden. Sie blieben aufgrund der vorherrschenden diskursiven Praxis1116 parallel dazu bestehen und prägten das Bild Frankfurts bis zum Ende des Alten Reiches. Diese Erkenntnis lässt sich mit einer kompensierenden und legitimierenden Funktion des Frankfurt-Bildes erklären. Das Bild sollte die nur temporäre Funktion sowie den Verlust an Bedeutung und Ansehen, den Frankfurt als politisch bedeutsamer Ort der Kaiserwahlen oder als Messestandort zunehmend erlitt, auffangen. Folglich konnte und sollte das Bild Frankfurts als zentraler Ort sowie berühmte und hoch angesehene Messe-, Wahl- und Krönungsstadt in der öffentli1115 Johann Isaak Freiherr von Gerning: Frankfurt am Main. In: Blätter für Polizei und Kultur 1 (1801), S. 322–328, hier S. 322. 1116 Ein besonderes Kennzeichen der barock-frühneuzeitlichen Wissenschaft ist der Vorrang eines vorausgehenden (Prä-)Textes, sodass in Tagebüchern, Reisebeschreibungen etc. immer wieder Bezug genommen wird auf andere Reisebeschreibungen. Siehe hierzu: Pekar, Engelbert Kaempfer als Reisender, S. 157.
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chen Wahrnehmung und Darstellung bis zum Ende der Frühen Neuzeit aufrechterhalten werden, obwohl der Frankfurt-Diskurs seit 1700 zunehmend kritischer wurde und keinesfalls auf eine Verherrlichung oder literarisch-publizistische Überhöhung der Stadt beschränkt war. Es lässt sich entlang des gesamten Diskurses ein Aspekt der historischen Gewohnheit ausmachen. So wurde Frankfurt schon immer als zentral gelegene Stadt, Kaiserwahl- und Handelsstadt wahrgenommen – zumindest haben dies die Quellen suggeriert – und die Autoren, Reisenden und Stadtbeschreiber haben es dementsprechend auch lange Zeit so kolportiert und tradiert. Andererseits erklärt sich die aus heutiger Sicht stereotype Niederschrift aus dem Geschichtsverständnis der Historiographen, indem die „Nachholung der vom Chronisten nicht erlebten zurückliegenden Geschichte durch Abschreiben [geschah]. Das abschreibende und kompilierende Überliefern galt der Zeit als legitime Form der Geschichtsschreibung.“1117 Aus diesem Grund sollte auch die These von Stephanie Dzeja relativiert oder zumindest neu betrachtet werden, dass die von Stadtbürgern formulierten Chroniken ein hervorragendes Zeugnis für die Wahrnehmung von Vergangenheit abgeben und Einblicke in die erlebte Gegenwart des jeweiligen Chronisten ermöglichen.1118 Denn neben der persönlichen Wahrnehmung und den Erlebnissen spielten bereits bestehende Wissensbestände und formale literarische Vorgaben eine größere Rolle, als die historische Forschung bislang angenommen hat.
1117 Ennen, Geschichtsbewusstsein und Geschichtsschreibung, S. 21. 1118 Dzeja, Nicht weniger nütz- als ergötzlich, S. 275.
2 Veränderte Stadt oder veränderte Perspektive? Verblassende Topoi 2.1 Entstehungsmythos und Namensgebung Der Kulturwissenschaftler Jan Assmann hat als eine Form der Erinnerung den Begriff des „kulturellen Gedächtnisses“1119 entwickelt, das die Vergegenwärtigung von Vergangenheit zumeist in Form von Gründungsmythen und Erzählungen einer Gemeinschaft umfasst und in der Regel sehr weit zurückliegende Ereignisse thematisiert. Die Formierung von Gründungserzählungen als „Mythen der Grundierung von Identität“1120 erfolgte besonders im Spätmittelalter und in der Frühen Neuzeit. Dabei sollte das sogenannte Herkommen eine Kontinuität zwischen dem Ursprung und der Gegenwart herstellen und auf diese Weise Legitimität stiften.1121 Ob der Gründungsmythos von Frankfurt fester Bestandteil des frühneuzeitlichen Selbstverständnisses und der städtischen Identität war oder ob die Entstehungsgeschichte und Namensgebung Frankfurts von den Chronisten und Stadtbeschreibern aufgrund der literarischen und historiographischen Konventionen und diskursiven Praktiken tradiert wurde, lässt sich heute nicht mehr mit Sicherheit eruieren. Es liegt jedoch ein Ineinanderwirken beider Phänomene nahe, weil die Gründungsgeschichte von Frankfurt im 16. und 17. Jahrhundert, ausgehend von den Chroniken und Stadtlobgedichten, zunächst fester Bestandteil des im publizistischen Diskurs tradierten Bildes von Frankfurt war. Im 17. und verstärkt im 18. Jahrhundert verlor sie dann insbesondere in der Reiseliteratur sukzessive an Bedeutung. Größtenteils übereinstimmend mit der Identitäts- und Erinnerungsforschung, die die Meinung vertritt, dass sich die Städte immer weniger mit ihrer eigenen Gründungsphase identifizierten, sollte für die Beurteilung dieser Feststellung den literarischen Textkonventionen und dem diskursiven Schreibund Rezeptionsverhalten stärker Rechnung getragen werden. Die Konventionen und das Rezeptionsverhalten lassen sich anhand der Diskursanalyse deutlich nachweisen – im Gegensatz zu der problematischen Untersuchung einer städtischen Identität, die sich letztlich in den Köpfen der Menschen und nicht in den Schriftquellen abspielte. 1119 Jan Assmann: Das kulturelle Gedächtnis. Schrift, Erinnerung und politische Identität in frühen Hochkulturen. 7. Aufl. München 2013, S. 48–56. 1120 Siehe hierzu ausführlich Klaus Graf: Ursprung und Herkommen. Funktionen vormoderner Gründungserzählungen. In: Klaus Graf (Hrsg.): Geschichtsbilder und Gründungsmythen. Würzburg 2001, S. 23–36. 1121 Ebd., S. 25. DOI 10.1515/9783110503326-004
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Zum ersten Mal schriftlich festgehalten wurden die Gründungssagen Frankfurts in der lateinischen Chronik des sächsischen Bischofs Thietmar von Merseburg (975–1018) aus dem Jahr 1017.1122 Als Sachse betonte er die Niederlage der Franken und berichtete, dass unter der Regierung Karls des Großen ein fränkisches Heer auf der Flucht vor den siegreichen Sachsen das Mainufer erreicht hätte. Eine Hirschkuh, die über die bis dahin unbekannte Furt den Fluss überquerte, habe den Flüchtenden den Weg zum rettenden Ufer gewiesen. So sei nach Überlieferung von Merseburg der Ort entstanden und habe seinen Namen erhalten.1123 Doch ist diese Erzählung wohl in den Bereich der Sagen einzuordnen und mit Vorsicht zu betrachten, denn man geht heute davon aus, dass es in der Gegend des heutigen Frankfurts oder Hessens keine Auseinandersetzungen zwischen den Franken und Sachsen gegeben hat.1124 Gleichwohl enthält die Sage womöglich eine glaubwürdige Information: Schon zu Thietmars Zeit hat der erst 1193 urkundlich bezeugte Ort Sachsenhausen am Südufer des Mains höchstwahrscheinlich seinen heutigen Namen getragen. So könnte zumindest die Sage um den historischen Kern entstanden sein, die besagt, dass die Namen der beiden ‚Stadtteile‘ auf die beiden Volksstämme der Franken und Sachsen verweisen, die zu Thietmars Zeit im deutschen Reich für das Königtum politisch maßgeblich waren. Mit Gewissheit lässt sich zumindest für Sachsenhausen wie für die meisten Ortsteile und Vororte Frankfurts sagen, dass sie in merowingischer Zeit fränkisch besiedelt waren.1125 Klaus Graf bezeichnet derartige Ursprungserzählungen auch als Ursprungsphantasien, wobei der Begriff Phantasie keinesfalls abwertend gemeint sei, sondern auf das kreative Spiel mit Erzählschemata und Erzählmotiven hinweisen soll, das von Historikern manchmal über die Suche nach der aktuellen politischen Tendenz, die inzwischen an die Stelle der zu Recht obsoleten Suche nach dem sogenannten historischen Kern getreten ist, etwas vergessen werde.1126 Der 1186/87 erschienene Ligurinus des Gunther von Pairis, ein dem Kaiser Friedrich I. Barbarossa gewidmetes Preisgedicht in Hexametern, erwähnte wohl erstmals die Sage von der Gründung Frankfurts durch die sagenhafte Furtüber-
1122 Thietmar von Merseburg: Chronicon. Chronik. Neu übertragen und erläutert von Werner Trillmich. Mit einem Nachtrag von Steffen Patzold. 8. Aufl. Darmstadt 2002. 1123 Ebd., S. 436–437. 1124 Orth, Frankfurt am Main im Früh- und Hochmittelalter, S. 12. Wissenschaftlich aufgearbeitet hat Barbara Dölemeyer den Gründungsmythos: Helenopolis – Frankfurt am Main in Mythos und Chronik. 1125 Orth, Frankfurt am Main im Früh- und Hochmittelalter, S. 12. 1126 Graf, Ursprung und Herkommen, S. 29.
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querung Karls des Großen.1127 Später diente das Gedicht den humanistischen Stadtlobdichtern und Verfassern kosmographischer Beschreibungen als Quelle. Die Gründungssagen überdauerten als Bestandteil des Frankfurt-Bildes die Jahrhunderte, fanden im Zuge der romantischen Geschichts(v)erklärung sogar Eingang in zahlreiche Sagen und Erzählungen, wie etwa Grimms Deutsche Sagen von 1816, und wurden zunehmend ausgeschmückt.1128 Im Frankfurt-Diskurs gerieten sie jedoch seit dem 17., spätestens aber ab dem frühen 18. Jahrhundert sukzessive in den Hintergrund, ohne jedoch vollständig zu verschwinden.
2.1.1 Historisch oder geographisch: Helenopolis oder „der Franken Furt“? Der Name und die Gründungsgeschichten von Frankfurt standen auf der literarisch-publizistischen Ebene seit Beginn der Überlieferung zumeist in direktem Zusammenhang mit der geographischen Lage an einer seichten und überquerbaren Stelle des Mains, wo zu Zeiten Karls des Großen die Franken im Kampf gegen die Sachsen angeblich eine Möglichkeit gefunden hätten, sich siegreich zu behaupten, und die Furt für die Franken die Rettung bedeutete. An diese Legende anknüpfend, rühmten die Stadtlobdichter, wie beispielsweise 1510 Ulrich von Hutten, die Erbauung und Namensherkunft Frankfurts: „Est urbs, in veteri Francorum condita bello/ Nunc quoque ab avorum nomine nomen habens.“1129 Mitte des 16. Jahrhunderts führte Hugo Favolius den Ruhm und Glanz der Stadt unmittelbar auf die Gründungsbegebenheiten Frankfurts zurück: „Clara situ, populoque; frequens Francfordia, dives/ Mercibus omnigenis, gazisque, opulenta superbis:/ Dicta Vadum quondam Francorum voce 1127 Darin heißt es: „… doch gar kunstlosen Namens: es nennt sie der deutsche Bewohner/ Franconefurt. Mir sei es erlaubt, mit lateinischen Lauten ‚Francorum vadum‘ sie zu nennen, da Carol der Kaiser/ Einst beim Kampf mit dem ungebändigten Volke der Sachsen/ Dort die breit sich ergießende Flut des reißenden Mainstroms/ Ohne Kenntnis der Furt überwunden und mitten durchs Flußbett/ Seine Scharen geführt, da keine Brücke vorhanden:/ daher trägt nun der Ort für alle Zukunft den Namen.“ Übersetzung aus Kathrein/Krüger, Liebe zu Frankfurt, S. 16. Im lateinischen Original heißt es: „Francorum dixisse vadum, quod Carolus illic/ Saxones indomita nimium feritate Rebelles/ Oppugnans rapidi latissima flumina Magi/ Ignoto fregisse vado, mediumque per amnem/ Transmigrasse suas neglecto ponte cohortes/ Creditur: inde locis mansurum nomen inhaesit.“ Vgl. Gunther de Pairis, Aus dem Ligurinus, 1187. 1128 Eine umfangreiche Sammlung von Frankfurter Sagen hat Helmut Bode zusammengestellt: Helmut Bode (Bearb.): Frankfurter Sagenschatz. Sagen und sagenhafte Geschichten, nach den Quellen und älteren Sammlungen sowie der Lersner’schen Chronik neu erzählt von Helmut Bode. Frankfurt a.M. 1978. 1129 Ulrich von Hutten, Dort ist die Stadt, 1510: „Dort ist die Stadt, erbaut im alten Kriege der Franken/ Auch der ahnliche Namʼ ist in dem Namen ihr noch.“
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Latinâ/ Quae semper studio & praeclaris dedita rebus/ Laudis amore fuit, virtutum laude beata.“1130 Offenbar gab es eine starke Wechselwirkung zwischen Stadtlobgedichten und den im 16. und frühen 17. Jahrhundert entstandenen Kosmographien. Sei es, dass sie sich gegenseitig rezipierten, sei es, dass sie sich auf dieselben Quellen bezogen. So schrieb Jacobus Schopperus in seiner Neuwen Chorographia von 1582: „Diese Uberfahrt deß Meyns besassen die Francken/ daher die Statt Franckfurt/ das ist/ der Francken furt heißt.“1131 Im 17. Jahrhundert wurde die Entstehung des Namens im Zusammenhang mit der Lage Frankfurts am Main weiter tradiert, etwa durch Christoph Colerus: „Heic Mercatorum fanum clarissima fundo/ qua Moenus Rheni trepidat miscerier undis/ Et sua participant cordati nomina Franci.“1132 Hans Sachs erwähnt in seinem Frankfurter lobspruech von 1568 zusätzlich eine angeblich noch ältere Namensgebung vor der Ankunft der Franken: „Wiewol im anfang diese stat/ Helenopolis den namen hat/ Pis die Francken haben pewant/ Ist sie Franckfurt worden genant.“1133 Obwohl die frühere Existenz und Herleitung des Namens Helenopolis daraufhin in vielen Kosmographien, Weltund Stadtbeschreibungen des 16. und 17. Jahrhunderts sogar teilweise noch des 18. Jahrhunderts erwähnt wurde, verwundert es, dass außer bei Hans Sachs in keinem Lobgedicht dieser Aspekt auftaucht. Möglicherweise erschien den Verfassern die Erklärung mit der örtlichen Lage an einer Furt oder auch das vermeintliche Aufeinandertreffen der Franken und Sachsen an diesem Ort am wahrscheinlichsten und am ehesten nachvollziehbar. Eine andere Erklärung wäre, dass trotz der Nennung bei Hans Sachs der Name wenig verbreitet war. Ein Erklärungsansatz der Forschung, warum der Ort Frankfurt vorher Helenopolis geheißen haben soll, findet sich in zwei Aufsätzen von Barbara Dölemeyer
1130 Favolius, Die wohlberühmte Stadt Franckfurt. Deutsche Übersetzung: „Die wohlberühmte Stadt Franckfurt/ Hieß vor Zeiten der Francken Furt./ Die ist durch Listigkeit und Thaten/ In solchen Ruhm und Preiß gerathen/ Daß sie billig wohl in der Welt/ Wird unter die herrlichst gezehlt.“ 1131 Jacobus Schopperus: Neuwe Chorographia und Histori Teutscher Nation. Das ist: Wahrhaffte eigentliche und kurtze Beschreibung/ der alten hochlöblichen Teutschen/ unserer Uranherren erster ankunfft herkommen […] dero Namens ursprung. Frankfurt a.M. 1582, S. 179. 1132 Christoph Colerus: Francofurtum ad Moenum. Mercatorum fanum fundo, 1651. Deutsche Übersetzung abgedruckt bei Diehl, Frankfurt am Main im Spiegel, S. 228–229: „Ein Stadt gelegen an dem Mayn/ Nicht weit da er fällt in den Rhein/ Die kan sich rühmen überall/ Daß sie sey aller Kayser Saal/ Und so sie betracht in Latein/ Ihrn Namen, trifft er sehr wohl ein/ Dann Francofurtum ad Moenum/ Und fanum fundo Mercatorum.“ 1133 Sachs, Ain lobspruech, S. 399.
Entstehungsmythos und Namensgebung
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über die Verwendung des Begriffs „Helenopolis“1134 in Bezug auf die Entstehungsgeschichte Frankfurts. Sie verweist zunächst darauf, dass selbst guten Kennern der Frankfurter Stadtgeschichte der Name „Helenopolis“ häufig unbekannt sei und dass sich nur wenige mit der Herkunft dieses Begriffs und dem Umfeld der Entstehung befasst hätten. Sie geht davon aus, dass der Name offenbar von Chronisten der Frühen Neuzeit erfunden wurde und dadurch in die Frankfurter Stadtgeschichtsschreibung gelangte. Die Ursprungssage wurde weitergetragen. Doch auch wenn der Name durchaus in Frage gestellt wurde, ist er bis in die zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts verwendet worden.1135 Wie sich für alle übrigen Sagen und Mythen um Frankfurts Gründung und Namensgebung feststellen lässt, sind auch die späteren Autoren zwar der Frage nach der Herkunft der Bezeichnung „Helenopolis“ nachgegangen. Sie vermuteten, dass sie schlicht erfunden war, doch das hinderte sie keinesfalls daran, die Legende fleißig fortzuschreiben. Dölemeyer geht davon aus, dass erstmals der Benediktinerabt, Humanist und Historiograph Johannes Trithemius (1462–1516) in seinen Schriften De origine gentis francorum und Compendium sive breviarium de origine gentis et regum Francorum1136 die phantastische Bezeichnung Frankfurts verwendet und wahrscheinlich sogar erfunden hat. Offenbar dienten seine Schriften als Quelle für alle späteren Chronisten in Bezug auf die Bezeichnung „Helenopolis“. Dort heißt es: „Franc qui fuit Dux Cisrhenanus apud Hogios, à Confluente usque ad ostium Moeni fluminis versus Orientem inter Moguntiacos & Saxones, Germanos, qui veterem urbem Helenopolim instaurans Franckenfurt nuncupavit.“1137 Franc, Sohn des Marcomir und Herzog der Hogier, stellte etwa 130 nach Christus angeblich die alte Stadt Helenopolis am Ufer des Mains wieder her und befahl, sie Frankfurt zu nennen. Mit dieser Abhandlung über die Geschichte der Franken von der Gründung bis zur Teilung des Frankenreiches habe sich Trithemius laut Dölemeyer in den Zusammenhang der „Fränkischen Trojasage“ der mittelalterlichen Chronisten eingereiht.1138 Trithemius beschrieb die Abstammungsreihe Trojaner – Skythen – Sigambrer – Franken – Habsburger. Die deutschen Humanisten hatten nämlich damit begon-
1134 Barbara Dölemeyer: Helenopolis – Phantastisches Frankfurt. In: AFGK 63 (1997), S. 151– 165; Dölemeyer, Helenopolis – Frankfurt am Main in Mythos und Chronik, S. 75–90. 1135 Ebd., S. 75. 1136 Johannes Trithemius: Opera Historica, quotquot hactenus reperiri potuerunt, omnia, I. Hrsg. von Marquard Freher. Frankfurt a.M. 1601 (ND Frankfurt a.M. 1966), II. Compendium sive breviarium primi voluminis chronicorum sive annalium, Ioannis Trithemii abbatis […] de origine gentis et regum Francorum. 1137 Trithemius, Compendium sive breviarium, II, S. 19, Zeile 24 ff. 1138 Dölemeyer, Helenopolis – Frankfurt am Main in Mythos und Chronik, S. 76.
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nen, „dem Romuniversalismus samt mittelalterlicher Translatio-Lehre den Germanenmythos entgegenzusetzen“.1139 Als Vertreter des Frühhumanismus ließ Trithemius die Franken zwar an die Trojaner anknüpfen, koppelte ihre Herkunft aber von jedem römischen Einfluss ab.1140 Dölemeyer vermutet, dass Trithemius vielmehr direkt an die Tradition der griechischen Antike anknüpfen und die römische Überleitung umgehen wollte. Die Umbenennung von Helenopolis zu Frankfurt habe durch den Hinweis auf die Position der Franken eine stärkere Betonung des germanischen Elements zur Folge gehabt.1141 Möglicherweise steckten Helena, die Mutter Konstantins des Großen, oder ein König Helenus dahinter. Es bleibt schließlich unklar, wie Trithemius ausgerechnet auf den Namen „Helenopolis“ kommt. Die von ihm herangezogenen mittelalterlichen Chroniken sprechen etwa von Franconfurde oder Vadum Francorum. Auch wenn sich spätere Chronisten und Kompilatoren von Kosmographien basierend auf dieser Sage Gedanken über den Namensgeber gemacht haben, wurde die Helenopolis-Bezeichnung ohne endgültige Klärung fortgeführt, wie etwa von Sebastian Münster, Franciscus Irenicus (Friedlieb aus Ettlingen) oder Henricus Stephanus. Erst Adrianus Romanus (1561–1615) hat in seinem 1608 erschienenen Parvum Theatrum urbium erstmals versucht, die sagenhafte Bezeichnung zu deuten. Er leitete den Namen Helenopolis von Helena, der Mutter Konstantins des Großen, ab, ohne jedoch eine Quelle oder Begründung hierfür anzugeben. Wahrscheinlich handelte es sich wiederum um eine freie Erfindung, wie Dölemeyer vermutet.1142 Erste Zweifel an dieser Sage gab es aber bereits in den Acta aliquot vetustiora (1583, 1664 gedruckt) des Chronisten und Dechanten des St. Bartholomäusstifts Johannes Latomus (1524–1598). Er vermutete, dass irgendein „griechelnder“ Autor Frankfurt diesen Namen Helenopolis völlig grundlos gegeben hätte. Der Chronist Johann Maximilian zum Jungen hingegen leitete in seinen Annales rei publicae Francofurtensis 172–16341143 (Manuskript von 1638) den Namen von Helenus ab, dem König Sigambriens (heute Helvetien), der die Stadt gegründet und mit seinem Namen versehen haben soll. Wieder andere Chronis1139 Ebd., S. 77. 1140 Siehe hierzu auch Jörn Garber: Trojaner – Römer – Franken – Deutsche. „Nationale“ Abstammungstheorien im Vorfeld der Nationalstaatsbildung. In: Klaus Garber (Hrsg.): Nation und Literatur im Europa der Frühen Neuzeit. Akten des I. Osnabrücker Kongresses zur Kulturgeschichte der Frühen Neuzeit. Tübingen 1989, S. 108–163. 1141 Dölemeyer, Helenopolis – Frankfurt am Main in Mythos und Chronik, S. 78. 1142 Ebd., S. 80. 1143 Frankfurter Chronik von Maximilian Faust von Aschaffenburg, in der Abschrift Johann Maximilian zum Jungen (1624). Nach 1638. ISG: Chroniken S5/74, fol. 39 ff.
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ten, Juristen und Stadtbeschreiber bezweifelten, dass Helena jemals in Frankfurt gewesen sei, gingen zum Teil kritisch auf die Entstehungs- und Namensgeschichten ein oder stellten die verschiedenen Versionen nebeneinander.1144 Im Laufe des 17. und im 18. Jahrhundert sollte die Verwendung des Begriffs „Helenopolis“ wohl nur mehr „ein Zeichen humanistischer Bildung“1145 sein, da der sagenhafte Ursprung und die Einbindung in Abstammungstraditionen nicht mehr bekannt war oder negiert wurde. Somit stammte die Bezeichnung „Helenopolis“ nach Ansicht von Dölemeyer offenbar von einem Autor, der nicht dem Umkreis Frankfurter Chronisten angehörte. Die Bezeichnung sei zwar in die Tradition der fränkischen Trojasage einzuordnen, tauchte erstmals aber viel später, d.h. im deutschen Frühhumanismus auf, als es darum ging, die fränkische Herkunft zwar aus der Antike, aber möglichst ohne Brücke über die Römer zu konstruieren. Dölemeyer bezeichnet dann auch die Fortschreibung durch die Frankfurter Stadt- bzw. Lokalchronisten und -geschichtsschreiber als ambivalent: Erst relativ spät seien die Texte kritisch hinterfragt worden, in denen die Herkunftssage fortgeschrieben wurde, bis sich die Bezeichnung im ausgehenden 17. und im 18. Jahrhundert sozusagen von ihrem Ursprung „emanzipiert“ habe und als „Ausweis bestimmter humanistischer Bildungsideale gebraucht“1146 worden sei. Somit blieb die phantastische Bezeichnung bis in die Neuzeit im Gedächtnis Frankfurts, teils unkritisch weitererzählt und rezipiert, teil kritisch beleuchtet, teils als Ausdruck gelehrter Bildung, „teils vielleicht auch nur, weil der Name ‚Helenopolis‘ so schön klingt“.1147 Die Stadtlobgedichte und Kosmographien, die sich auf mittelalterliche Chroniken und Überlieferungen bezogen, fungierten offenbar als Ausgangspunkt und ‚Verstärker‘ für die prominente Stellung des Entstehungsmythos und der Namensgebung im frühneuzeitlichen Frankfurt-Bild. Die Literaturwissenschaftlerin Rosmarie Zeller hat in ihren Forschungen zu Danziger Beschreibungen in Lobgedichten eine ähnliche Feststellung gemacht, dass alle Texte mit der Gründungslegende der Stadt begannen, die zugleich den Namen Danzig erklären sollte.1148 In den handschriftlichen und gedruckten Frankfurter Chroniken kursierte seit Mitte des 17. Jahrhunderts eine dritte Namensvariante und Ursprungssage. Ihr zufolge habe sich die „allererste Anlassung, daß etwas an diesem Ort solle erbauet 1144 Diese Beobachtung wird im Laufe dieses Kapitels noch deutlicher herausgestellt. Siehe hierzu Dölemeyer, Helenopolis – Frankfurt am Main in Mythos und Chronik, S. 84–85. 1145 Ebd., S. 89. 1146 Ebd., S. 90. 1147 Ebd. 1148 Zeller, „Ich singe Dantzig dich“, S. 37.
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gewesen seyn, sich bey Reusnero1149 [befunden], welcher beschreibet, daß die Statt Franckenfurt für uhralten Zeiten Teutoburgum geheissen habe: Welchem Nahmen nach, sie ihren Ursprung von den Landseinwohnenden Tuisconen oder Teutschen, erlanget hätte, davon jedoch keine Gewißheit erforschet werden mag“1150, wie der Chronist Johann Friedrich Faust von Aschaffenburg 1660 schrieb. Faust von Aschaffenburgs Darstellung zur Namensgeschichte von Frankfurt ist programmatisch und typisch für die Frankfurter Stadtchronistik, die sich aus überlieferten Texten, Darstellungen und Sagen bediente, ohne dass sich die Chronisten auf eine Variante festlegen konnten. So hatte Faust von Aschaffenburg auch die antiken Darstellungen von Tacitus über die frühesten Besiedelungen dieser geographischen Region sowie Darstellungen aus der Dilich-Chronik, der Speyerer Chronica Lehmanni und der Mainzer Chronica Serarii mit aufgeführt.1151 Außerdem führte Faust von Aschaffenburg in dem Kapitel „Des Nahmens Franckenfurt rechter Ursprung Anno 326“ als Beleg dafür, dass „von oben her den ganzen Mayn herab kein Ort gefunden wird, der gleichsam nur mit einem Wort, die Geschicht oder Ankunfft und Uberfuhrt der Francken so deutlich erzehlet, als der Nahm dieser Statt Franckenfurt“, die Schriften und Verse von Sebastian Franck, Sebastian Münster, Caspar Bruschius, Hugo Favolius, Petrus Lindebergius etc. mit an, die in ihren Stadtlobgedichten und Stadtbeschreibungen die Legende der Namensherkunft überlieferten. Ebenso stützte er sich auf die „alten Diplomata und Brieff der Statt“.1152 Als wichtiger Multiplikator für den Namens- und Ursprungsmythos Frankfurts fungierte Sebastian Münsters Cosmographia, die neben der ‚Furt-Geschichte‘ auch die Helenopolis-Variante anführte.1153 Münster listet alle ihm bekannten Gründungstheorien auf: Demnach stamme der Name Frankfurt möglicherweise auch „von Franco/ der ein son künigs Marcomiri ist gewesen/ unnd diße statt wider auffgericht hatt/ wie ettlich sagen“.1154 Weil die Entstehung Frankfurts nicht geklärt werden konnte, erwähnten die Kompilatoren und Autoren alle kursierenden Entstehungsmythen. Besonders ausführlich ging Martin Zeiller in der 1655 erschienenen Topographia Hassiae auf die Namensherkunft Frankfurts ein, führte sogar die bereits beschriebenen Theo rien als unwahrscheinlich und nicht zu belegende Möglichkeiten auf und wies
1149 Gemeint ist hier wohl die juristisch-historische Abhandlung über die Reichsstädte von Reusner, Urbes Imperiales. 1150 Faust von Aschaffenburg, Kurtze Verfassung, S. 5–6. 1151 Ebd., S. 5–8. 1152 Ebd., S. 36. 1153 Münster, Cosmographei, S. 813. 1154 Ebd., S. 814.
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sie zurück: Zur Begründung der Helenopolis-Theorie hätten „sie [Trithemius und dessen Anhänger, Anm. d. Verf.] keinen Grund, unnd Beweiß“.1155 Aber auch diejenigen hätten keine Herleitung oder Erklärung gebracht, die Frankfurt von Franco, Sohn des Marcomir, herleiten, noch diejenigen, die der Meinung seien, dass der Name unter Kaiser Karl dem Großen erstmals aufgekommen sei. Also könne man nicht so ohne weiteres davon ausgehen, dass der Stadt erst in dieser Zeit der Name Frankfurt gegeben worden sei. Auch deshalb nicht, weil lange zuvor die Franken in dieser Gegend gewohnt hätten, „von welchen nicht allein diese Statt, sondern auch viel andere Ort, als Franckenstein an dʼBergstrassen, Franckenstein in Döringen, Franckeneck […] und andere vielmehr […] also genannt worden“1156 seien. Auch wenn sich demnach keine eindeutig belegbaren Aussagen über den Anfang der Stadt Frankfurt machen ließen, wie Zeiller eingestand, so sei aus „den Historien“ ausreichend bekannt, dass die Stadt auch vor der Zeit Kaiser Karls des Großen und somit vor „nunmehr 900 Jahren berühmet gewesen“ sei, als Pipin, Französischer König und Vater Karls des Großen, eine Kapelle zu Ehren des Heiligen Salvator dieser Stadt gestiftet hätte, die im Jahr 794 während der von Karl dem Großen in Frankfurt gehaltenen Synode gegen den Ketzer Felicem „mit stattlichen Gütern und Gefällen vermehrt“1157 worden sei. Der Topos von Frankfurts Namensherkunft und seiner früheren Bezeichnung als Helenopolis verbreitete sich nicht nur durch die Kosmographien, sondern wurde auch von Reisenden aus dem Alten Reich und dem Ausland übernommen. Ein Beispiel hierfür ist der Engländer Thomas Coryate (*um 1577), der 1608 Frankfurt besuchte. Er hatte sich in seiner Reisebeschreibung Gedanken über den Namen Frankfurts gemacht und sogar eine Verbindung zur englischen Geschichte herstellen können: „The Citie was first called Helenopolis from Queene Helena an Englishwoman borne, and the Mother of Constantine the Great. But in processe of time the denomination was changed from Helenopolis to the present name Francofurtum.“1158 Interessant ist seine Bemerkung über die Herkunft der Kaiserin Helena aus England allemal, weil sie gar nicht aus England stammte bzw. keine geborene Engländerin war, sondern 248/250 in Drepanon – dem heutigen Karamürsel – in Bithynien am Bosporus geboren wurde. Barbara Dölemeyer deutet die Version von Coryate eher als einen Bezug auf den britischen Zweig der Trojanersage.1159 1155 Zeiller, Topographia Hassiae, S. 50. 1156 Ebd. 1157 Ebd. 1158 Thomas Coryate: Die Venedig- und Rheinfahrt A.D. 1608. Stuttgart ca. 1970, S. 308. 1159 Dölemeyer, Helenopolis – Frankfurt am Main in Mythos und Chronik, S. 80.
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Dass ausländische Reisende ihre Informationen über den Ursprung Frankfurts vor oder während ihrer Reise aus Reiseführern, Geographien und Stadtbeschreibungen bezogen haben, belegt der 1646 von Henri de Rohan verfasste Reisebericht, in dem er auf Sebastian Münsters Cosmographia verwies: „Toutesfois Munsterus dit quʼelle sʼest nommée autresfois Helenopolis, à cause (comme disent aucuns) de Helene mere de Constantin le grand & depuis appellée Franc fort, de Francus fils de Marcomir duc des Francons, qui la rebastit & nomma de son nom, apres quʼelle eust esté destruite par Charlemagne, lʼan 774.“1160 Auf diese Weise verbreiteten sich die Topoi über den Ursprung und die Namensgebung Frankfurts auch im europäischen Ausland und wurden auf dem Wege der Reiseberichte und Erzählungen im 17. Jahrhundert tradiert. Dabei spielte es im Grunde keine Rolle, welche Sage der Wahrheit entsprach. Es ging vielmehr darum, das bestehende Wissen und die überlieferten Erzählungen weiterzugeben. Schon die Geschichtsschreiber vor und im Humanismus, wie beispielsweise Johann Cochlaeus in seiner Brevis Germania Descriptio (1512), gingen mit Abstammungs- und Gründungslegenden nach modernem Verständnis unkritisch um, ebenso wie die Verfasser geographischer Kompendien wie Sebastian Münster oder eben Martin Zeiller.1161 Für die klassische Stadtgeschichte sind derartige Quellen daher problematisch, für das Nachvollziehen und Erklären eines öffentlich kursierenden Stadtbildes jedoch höchst interessant. Außerdem weist Wolfgang Schmid in einer Untersuchung zu bildlichen und textlichen Stadtbeschreibungen darauf hin, dass diese ursprünglich fiktional hergeleiteten Gründungsmythen im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit durchaus Fakten sein konnten. Die Zeitgenossen hielten sie für ‚echt‘ und sie nahmen bestimmte Funktionen wahr: Erinnerung nach ‚innen‘, um Gemeinschaft und Identifikation zu stiften und dem Lokalpatriotismus von Bürgern und Ratsherren zu schmeicheln; Repräsentation nach ‚außen‘, um benachbarten Städten und Territorien zu zeigen, „was für ein altes, frommes und gut regiertes Gemeinwesen sie vor sich hatten“.1162 Die Herleitung des Namens „Frankfurt am Main“ verlor im 17. Jahrhundert zwar nicht vollständig an Bedeutung, allerdings wurden die Beschreibungen über die Entstehung Frankfurts knapper und seltener. Während die Gründungsgeschichten im 16. Jahrhundert noch in fast allen Texten auftauchten, wurden sie im Laufe des 17. Jahrhunderts in den Kosmographien und geographischen Beschreibungen nicht mehr zwangsläufig aufgeführt und fanden im 18. Jahrhundert nur noch sporadisch und meist sehr kurz Erwähnung. 1160 Rohan, Voyage Du Duc De Rohan, S. 11–12. 1161 Schmid, Heilige Städte, alte Städte, Kaufmannsstädte, S. 147. 1162 Ebd., S. 151.
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So verwies Paul Hentzner 1629 kurz und knapp auf die frühere Bezeichnung: „Quidam Helenopolin aliquando dictum putant, ab Helena Imperatrice, Constantini magni matre.“1163 Eine kurze und eher simple Erklärung hatte Christian Ernst Nigrinus in seiner 1673 veröffentlichten Beschreibung des Frankenlandes: Frankfurt liege am Main und „wird von diesem Fluß genennet, zum Unterscheid eines andern Franckfurts, welches an der Oder liegt“.1164 Erst im Jahr 1727 erschien in der Reisebeschreibung des Franzosen Aubry de La Mottraye wieder ein Verweis auf den früheren Namen Frankfurts. La Mottraye berief sich auf die geographischen Beschreibungen und Kosmographien, aus denen er seine Informationen über die Stadt bezogen hatte: „Cette Ville, selon la plûpart des Géographes, est lʼHelenopolis des Anciens.“1165 Trotz der Kürze der Beschreibungen behielt die Namensgebung weiterhin eine gewisse Bedeutung. Die Konstanz im Stadtbild lässt sich anhand des analysierten Frankfurt-Diskurses auf die Informationsbeschaffung und das Rekurrieren auf vorhandenes Quellenmaterial zurückführen. Besonders interessant ist an der Tradierung der Frankfurter Entstehungstopoi, dass den Autoren die Unglaubwürdigkeit der Theorien zwar bewusst war, sie diese aber trotzdem aufgeführt und der Nachwelt weitergegeben haben. Offenbar bestand eine Art Pflicht oder das Bedürfnis, alle existierenden Varianten aufzuführen, um einerseits keine wichtigen Informationen auszulassen und andererseits die Autorität älteren Wissens nicht zu übergehen. Denn bedingt durch die literarische Gattung und das Vorgehen der Herausgeber von Kosmographien, Welt- und Stadtbeschreibungen war es üblich und aufgrund der Fülle des Materials wohl auch notwendig, auf frühere Schriften zu rekurrieren, Informationen aus vorangegangenen Büchern zu beziehen und ganze Textpassagen schlichtweg abzuschreiben. Ein offensichtliches Beispiel hierfür ist die Ausführliche und Grundrichtige Beschreibung Der Vier Welt-berühmten Ströme Mosel, Saar, Neckar und Mayn1166 von 1690. Der Verfasser hat die Passage über die Entstehungszusammenhänge der Stadt offenbar wortwörtlich aus Zeillers Topographia Hassiae übernommen, der selbst wiederum seine Informationen aus früheren Quellen geschöpft hatte. Leider war es zu der Zeit noch nicht zwingend üblich, auf die herangezogenen Quellen zu verweisen, sodass nur der direkte Vergleich der Texte Aufschluss 1163 Paul Hentzner: Itinerarium Germaniae, Gallia, Angliae, Italiae: Cum indice Locorum. Nürnberg 1629, S. 261. 1164 Nigrinus, Kurtzer Entwurff und Vorstellung Deß Preißwürdigen Franckenlandes, S. 28. 1165 Aubry de La Mottraye: Voyages du Sr. A. de La Motraye, en Europe, Asie, et Afrique, où lʼon Trouve une grande Varieté de Recherches geographiques, historiques, et politiques, sur lʼItalie, la Grece, la Turquie. T. 1. La Haye 1727, S. 198. 1166 Ausführliche und Grundrichtige Beschreibung Der Vier Welt-berühmten Ströme Mosel, Saar, Neckar und Mayn. Frankfurt a.M./Leipzig 1690, S. 734–735.
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darüber geben kann, woher die Autoren und Kompilatoren ihre Informationen bezogen haben. Dennoch ist diese literarische Praxis von großer Bedeutung, war sie doch ausschlaggebend dafür, dass sich Topoi und Stereotype entwickeln konnten und über Jahrzehnte und Jahrhunderte tradiert wurden. Ebenso nutzten Herausgeber ihre Informationen für unterschiedliche literarische Werke oder verwiesen auf früher erschienene Bücher, wie z.B. Zeillers Geographische, Historische und Genealogische Beschreibung der Zehen des H. Röm. Teutschen Reichs Kreyßen1167 von 1694, die eine ähnliche Beschreibung Frankfurts wie die Topographia Hassiae enthält. Hierin verweist Zeiller auf ergänzende Informationen in der besagten Topographia sowie auf weiterführende Literatur, z.B. auf Abraham Saurs StätteBuch (1658), das zusätzlich zur Entstehungs- und Namensgeschichte auch die unterschiedlichen, in der Vergangenheit geläufigen Namensvarianten Frankfurts erwähnt: „In alten Brieffen wird sie nit Francofordia, auch nicht Francofurtum, sondern mit Anhenckung deß Wörtleins Ad Franconefort, auff Fränkisch genannt, gleichsamb zur Franckenanefahrt.“1168 Bezeichnend für die nachlassende Bedeutung von Ursprung und Namensherkunft in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts ist die ausführliche Reisebeschreibung des Herrn von Blainville, der erst gegen Ende seines 19 Seiten umfassenden Frankfurt-Textes darauf zu sprechen kommt. Frankfurt sei „eine alte Stadt“, und „einige schreiben ihren Ursprung dem Marcomir, Herzog der Franken, Pharamunds Vater zu; andere einem seiner Vorfahren, Namens Francus, der hundert Jahre vor ihm gelebt, und sagen, es wäre in alten Zeiten Traiectum Francorum genennet worden“.1169 Doch alle diese Erklärungsansätze lassen sich laut Blainville nicht mit Gewissheit belegen. Es sei wahrscheinlicher, dass sie den Namen Helenopolis von Helena, der Mutter Kaiser Konstantins des Großen, bekommen habe.1170 Mit Blainvilles kompaktem Verweis auf die Ursprünge Frankfurts endet die Tradierung und Verankerung vom ‚sagenhaften‘ Entstehen Frankfurts im Frankfurt-Bild; zumindest aus der Außenperspektive von Reisenden und Geographen. Keine der 66 untersuchten Reisebeschreibungen aus der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts erwähnte auch nur in einem einzigen Satz den Ursprung Frankfurts, abgesehen von seltenen, pauschalen Verweisen auf Frankfurts hohes Alter. Damit verblasste das Bild von Frankfurt als altehrwürdige, von den Kaisern Pipin 1167 Martin Zeiller: Geographische, Historische und Genealogische Beschreibung der Zehen des H. Röm. Teutschen Reichs Kreyßen. Nürnberg 1694, S. 818–819. 1168 Saur/Authes, Stätte-Buch, S. 501. 1169 Blainville, Des Herrn von Blainville Reisebeschreibung, S. 162. 1170 Ebd.
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und Karl dem Großen verehrte Stadt. Auch die Herleitung des Namens war kaum noch von Interesse. Auch in den Stadtbeschreibungen verlor die ursprünglich zentrale Bedeutung von Namen und Ursprung ab Mitte des 18. Jahrhunderts ihren Stellenwert. Die Tendenz, dass der Ursprung Frankfurts nach und nach aus dem Stadtbild wich, setzte sich ebenfalls in den Frankfurter Stadtbeschreibungen durch, obwohl er nicht gänzlich aus ihr verschwand. So erscheint beispielsweise das Kapitel „Erbauung, Bezirk und Erweiterung der Stadt“1171 in Fabers Stadtbeschreibung von 1788 erst an fünfter Stelle, nach der geographischen Lage, Klima, Fruchtbarkeit und dem Main. Die Beschreibung orientierte sich an den der Stadt verliehenen Privilegien und Rechten, an neuen Bauten, Stadterweiterungen und Veränderungen im Stadtbild. Statt der zuvor gepriesenen kaiserlichen Ehre traten konkrete Bauprojekte und auf die Gegenwart des Verfassers bezogene Veränderungen in den Fokus. An Stelle der historisch bedeutsamen Sagen und Legenden um die Gründung Frankfurts sollten dem Leser die positive Entwicklung der Stadt bis in die Gegenwart hinein nahegebracht werden, wie sie zu einer prosperierenden und gut ausgebauten Handelsstadt herangewachsen sei. Es spiegelt sich also auch in der städtischen Perspektive wider, dass an die Stelle des Ursprungs, der Sage von der Furt-Überquerung und der privilegierten Vergangenheit die Fortschritte und Entwicklungen der Gegenwart traten. So verwies Faber in seinem Kapitel über die Gründung und den Ausbau Frankfurts auf die „übrigen Erweiterungen, Vergrösserungen und Verschönerungen der Stadt“.1172 Ein ähnliches Bild ergeben die Zeitschriften und Rezensionsorgane aus der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts, die über „Natürliche Besonderheiten von Frankfurt am Mayn“ berichteten. Hierzu zählten nicht mehr der Entstehungsmythos oder das ehrwürdige Alter, sondern das harte und bekömmliche Wasser sowie der gesunde Zustand von Frankfurt „wegen der Lage, Winde und Speisen“.1173 Im Laufe des 18. Jahrhunderts setzten sich die Autoren geographischer Kompendien nicht nur seltener, sondern auch kritischer mit den kursierenden Ursprungsmythen auseinander. Johann Adam Bernhard berichtete in den 1731 erschienenen Antiquitates Wetteraviae „vom Zustand der Wetterau zur Zeit derer
1171 Faber, Topographische, politische und historische Beschreibung, 1. Teil, S. 14. 1172 Ebd., S. 25. 1173 J[ohann] P[hilipp] Burggrave: Natürliche Besonderheiten von Frankfurt am Mayn. In: Hamburgisches Magazin, oder gesammlete Schriften, zum Unterricht und Vergnügen 11 (1753), S. 334–335, hier S. 334.
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Francken“1174 und kritisierte die bislang zumeist kommentarlos tradierte Ansicht des Trithemius: „Wenn dem Trithemio in den alten Geschichten mehr zu trauen wäre, so träffen wir noch vor denen Zeiten derer Alemannen und Francken Völcker mit dem Nahmen derer Hegier und Hogier in der Wetterau an.“ Allerdings habe schon Johann Peter von Ludewig in seiner Dissertation Germania Principe postcarolingia sub Conrado I. orientalium Francorum rege (Halle a.d. Saale 1710, S. 105) gezeigt, „daß Trithemius in alten Dingen gar offt irre“ und als „Urheber aller Confusionen und Verwirrungen in der Pfälzischen Historie“ beurteilt werde. Bernhard habe die von Trithemius aufgestellten Theorien nachrecherchiert und überprüft, „aber ohnerachtet ich mir alle Mühe gegeben, einige Spuren seiner Meynung bey denen Alten zu finden, so ist doch alles umsonst und vergeblich gewesen“.1175 Sowohl die handschriftlichen als auch gedruckten Chroniken des 18. Jahrhunderts basieren entweder auf früheren handschriftlichen Vorlagen, dem Städtelob, den kosmographischen Stadtbeschreibungen oder landesgeschichtlichen Chroniken, wie die Chronik von Johann Martin Waldschmidt (nach 1704) eindrücklich belegt. Waldschmidt bezog sich nicht nur auf die Darstellung von Reusner (Teutoburgum-Theorie), sondern auch auf die Theorien und Erklärungen aus der Hessischen Chronic (Artaunum-Theorie), der Chronik von Johannes Latomus (Frankfurt 390 n. Chr. erbaut), auf Sebastian Münsters Cosmographia (Helenopolis-These) sowie auf Hunibald, Crusius Gehweiler, den mittelalterlichen Chronisten Trithemius (Franken-Theorie) oder Conrad Celtis, sodass er schließlich acht verschiedene Erklärungsansätze auflistet: Den besten Ursprung aber endlich und zum achten, zu erzehlen, so ists unnöthig nachzuforschen, ob dießer orth umb Christi geburth erbauet geweßen oder nicht. Sinthemal alß Julio Cesare und andern alten Scribenten bekandt, daß damahlen die Einwohner dießer seiten des Rheins, nur in kleinen, von Lainen und Holz zusammen geflickten, und mit stroh bedeckten hüttlein gewohnet, welche so weit voneinander gelegen, daß jeder haußvatter feldes genug gehabt, sich mit den seinigen, und dem viehe davon zu ernehren.1176
Neben der Tendenz zur kompakten Darstellung der Frankfurter Entstehungsmythen und -theorien erläutert Waldschmidt ausführlich die Frühgeschichte mit dem offensichtlichen Ziel der Vollständigkeit des Wissens und aller Informationen über den Ursprung des Ortes und Namens Frankfurt. Aufgrund dieser Fülle an Informationen und Hinweisen erweckten die Chronisten Glaubwürdigkeit und 1174 Johann Adam Bernhard: Antiquitates Wetteraviae oder Alterthümer der Wetterau. Hanau 1731, S. 71–72. 1175 Ebd., S. 72. 1176 Waldschmidt, Chronicon, Chroniken S5/66, fol. 11.
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vermittelten ein Bild von einem altehrwürdigen, herrschaftlichen Frankfurt, das schon seit Christi Geburt ein königlich und kaiserlich erwählter Ort gewesen sei. Deutlich offensiver gingen die Stadtbeschreibungen seit dem frühen 18. Jahrhundert mit der Ungewissheit über die Anfänge Frankfurts um. Caspar Gottschling gab in seiner Beschreibung von 1709 zu bedenken, dass „die Scribenten […] bey Anführung ihres Ursprungs und Nahmens so unterschieden [seien], daß wir selbst nicht wissen, zu welcher Meynung wir uns wenden sollen“.1177 Er schrieb von „lauter Ungewißheit“ und „dergleichen ungegründeten Muthmassungen“. Gottschling stellte es dem Leser zwar frei, über wahr oder falsch zu urteilen, gab aber auch ein Votum ab. Ihm erschienen die Versionen am wahrscheinlichsten, „welche die Benennung der Stadt von der Uberfahrt der Francken über den Mayn herzuleiten sich bemühen“. Dass Gottschling seine Entscheidung sogar begründet, zeigt die nun verstärkte Intention der Autoren, einer realistischen Erklärung für die Ursprünge Frankfurts nahezukommen, statt pauschal das besonders hohe Alter in den Vordergrund zu stellen. Die Verfasser äußerten vermehrt Präferenzen, die sie rational zu erklären versuchten. Nach Gottschlings Meinung hätten die Franken an der seichten Furt eine vorteilhafte Stelle gefunden, zudem „über dieses keine Gegend in dem herumliegende[n] Lande dem Hertzog Genebaldo zu einer Wohnung besser anstand; zumahl da er über dem Mayn an denen Schwaben verdrüßl. Nachbarn gehabt hätte“, er außerdem zu weit von seinem König entfernt gewesen wäre und der Main ihm auch als natürlicher Schutz vor Feinden dienen konnte. Als Beleg führte Gottschling den häufig erwähnten Vers aus dem Ligurinus an.1178 Selbst die frühesten überlieferten Zeugnisse über die Entstehung Frankfurts hatten also noch im 18. Jahrhundert Einfluss auf das Stadtbild. Gleichzeitig setzte sich im publizistischen Diskurs zunehmend die Einsicht durch, dass Frankfurts Ursprung und Name mit der Lage an der Main-Furt und den Franken zusammenhängen musste, auch wenn sich der genaue Zeitpunkt und die konkreten Umstände nicht mehr klären ließen. Die Chronisten führten zwar weiterhin die verschiedenen kursierenden Varianten an, beurteilten mittlerweile aber kritisch deren (Un-)Wahrscheinlichkeit und äußerten ihre Skepsis: „Gleichwie nun solchergestalt der erste Erbauer dieser Stadt ungewis ist, also ist auch folglich die Zeit ihrer Erbauung zweifelhaft“1179, schrieb Johann Stock in seiner gedruckten Chronik von 1753. Das Verblassen der ausschweifenden und
1177 Siehe für diesen und den folgenden Absatz: Gottschling, Kurtze Nachricht von der Stadt Franckfurt am Mayn, S. 4–11. 1178 Ebd., S. 7; Gunther de Pairis, Aus dem „Ligurinus“, 1187. 1179 Stock, Kurzgefasste Franckfurter Chronic, S. 3.
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umfangreichen Franken- und Reichsbezüge zur Untermalung des hohen Alters fallen besonders seit dem 18. Jahrhundert auf.1180 Grundsätzlich hatten sich in den rund 300 betrachteten Jahren jedoch weder die Erzählungen über die Gründung Frankfurts noch dessen Namensherkunft geändert; es waren keine neuen Erkenntnisse hinzugekommen. Die Autoren und Chronisten hatten sich inhaltlich und sprachlich stark an den überlieferten Darstellungen der „alten Geschichtsschreiber“1181 orientiert. Dementsprechend konstruiert ist der Charakter der Erzählungen und Beschreibungen von Frankfurts Gründungsgeschichten: Es handelte sich um Versuche, ungewisse Nachrichten und Vermutungen so darzustellen und aufzubereiten, dass sie „im Gebäude der lateinisch-antiken Schriftüberlieferung untergebracht werden können“1182, wie Hartmut Kugler in seinen Untersuchungen über die Herkunftssagen der Franken, Sachsen und Bayern festgestellt hat. Auch handelte es sich zu Beginn der Überlieferung im Hochmittelalter um einen Prozess der Verschriftlichung, dem höchstwahrscheinlich keine mündliche Überlieferung vorausging und in dem das Umsetzen aus der Mündlichkeit in die Schriftlichkeit laut Kugler nur eine geringe Rolle gespielt haben dürfte. Vielmehr vermutet die Forschung eine intertextuelle Entstehung der Herkunftsgeschichten, „ein aus Versatzstücken antiker Texte montiertes Lektüreprodukt“.1183 Auch zeige die Mehrzahl und das Nebeneinander der Hypothesen – in diesem Fall über Frankfurts Entstehung – recht gut, wie eine isolierte, regional gebundene Herkunftssage mit „Strategien des Anschlusses an universalgeschichtliche Muster konfrontiert wurde“.1184 In einer ausführlichen Stadtbeschreibung, die 1796 im Deutschen Magazin erschien, beschränkte sich der anonyme Autor schließlich auf die Bemerkung, dass Frankfurt eine „sehr alte Reichsstadt“ sei. „Schon vor vielen Jahrhunderten war diese Stadt, als eine beträchtlich grosse und volkreiche Stadt in Deutschland bekannt“.1185 Einzig den Verweis auf Kaiser Friedrich I., „der Rothbart“, der Mitte des 12. Jahrhunderts in dieser Stadt zum Kaiser gewählt worden sei, setzte der Autor noch hinzu. Allen anderen Erklärungen und Erzählungen über die Ursprünge Frankfurts aus der Chronistik des 16. und 17. Jahrhunderts sprach er Autorität, Glaubwür1180 Zum Beispiel Waldschmidt, Chronicon, S5/66, fol. 6. 1181 Stock, Kurzgefasste Franckfurter Chronic, S. 4. 1182 Hartmut Kugler: Das Eigene aus der Fremde. Über Herkunftssagen der Franken, Sachsen und Bayern. In: Hartmut Kugler (Hrsg.): Interregionalität der deutschen Literatur im europäischen Mittelalter. Berlin/New York 1995, S. 175–193, hier S. 182. 1183 Ebd., S. 183. 1184 Ebd., S. 186. 1185 Vertraute Briefe über verschiedene freie deutsche Reichs-Städte, S. 78.
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digkeit und Wahrheitsgehalt weitgehend ab, was er mit der Arbeits- und Vorgehensweise der Chronisten und Historiker erklärt, die er kritisch und rational hinterfragt: Ein Chronist aus dieser Zeit sei „ein Mann [gewesen], der sich um historische und diplomatische Beweise dessen, was er sagte, wenig bekümmerte, sondern zufrieden war, wenn er seine Kronik aus Traditionen, (Sagen) und Legenden zusammen gehängt hatte“.1186 Mittlerweile, im ausgehenden 18. Jahrhundert, herrsche aber eine „strengere historische Kritik“1187 und eine Beweispflicht für geäußerte Begebenheiten, weshalb er über die Zeit, für die noch keine urkundlichen Quellen überliefert sind, auch keine Aussagen treffen möchte und könne. Die zunehmende Zurückhaltung bei der Nennung von Namensgebung und Gründungsmythos hing folglich nicht mit einer abnehmenden Identifikation oder Erinnerung an die überlieferten Erzählungen zusammen, sondern mit dem Voranschreiten der Aufklärung und einem deutlichen Wandel im Geschichtsbewusstsein und der Historiographie. Somit spielte der Ursprung Frankfurts zwar noch eine Rolle, doch letztlich könne dem Autor zufolge nur über das gesprochen werden, was sich historisch mit vertrauenswürdigen Quellen belegen lasse. Aus diesem Grund trat der Gründungsmythos von Frankfurt in den Hintergrund. Möglicherweise wollte man sich im 18. Jahrhundert auch (endlich) von der Gunst und Fürsprache der Kaiser emanzipieren, indem sie nicht mehr explizit als Grundlage für die Entstehung und das Emporkommen Frankfurts hervorgehoben wurden. Nachdem in den Reisebeschreibungen und Zeitschriftenartikeln das Bild von der sagenhaften und kaiserlich privilegierten Gründung fast vollkommen verschwunden war, fanden entsprechende Beschreibungen auch kaum noch Eingang in die Lexika, ausgenommen das Neue europäische Reiselexikon, das zumindest kurz die „Benennung“ Frankfurts erklärt.1188 Trotz der Unvereinbarkeit der Deutungsmöglichkeiten und Gründungstheorien kam es im literarisch-publizistischen Diskurs somit zu keiner grundsätzlichen Diskussion oder einer obrigkeitlich durchgesetzten Variante, wie die Forschung auch für andere Städte feststellen konnte.1189 Doch war dies nach Ansicht von Carla Meyer auch nicht nötig, weil die unterschiedlichen Erklärungsansätze doch zumindest in einer Aussage übereinstimmten,1190 nämlich in dem unglaublich hohen Alter der Stadt und dem Bezug zu Karl dem Großen. Dieser Feststel-
1186 Ebd., S. 79. 1187 Ebd. 1188 Schramm, Neues europäisches historisches Reise-Lexicon, Sp. 516–517. 1189 Meyer, Die Stadt als Thema, S. 455. 1190 Ebd.
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lung kann im Hinblick auf das Stadtbild von Frankfurt zugestimmt werden, wie das folgende Kapitel zeigt.
2.1.2 Altehrwürdig und von ungewissem Anfang Die frühen Überlieferungen zur Geschichte Frankfurts entstammen – wie bei vielen Städten im Mittelalter1191 – zumeist der Reichsgeschichtsschreibung bzw. Reichschronistik oder zufälligen Funden, und nur selten aus städtischen Frankfurter Quellen. Die Verfasser der Lobgedichte hoben stereotyp Frankfurts ‚biblisches Alter‘ hervor, indem sie die Gründung zu Christi Zeiten betonten und die Entstehung in der römischen Antike verorteten, wie ein anonymes Lobgedicht von 1675 verdeutlicht: Sehr alt ist diese Stadt zu Christi Zeit erbauet/ Artaun sie Nahmen hatt, als man mit Fleiß anschauet/ Von Römern dero Zeit gemachte Moniment/ Mit Kunst und Schrifft bereit, find ich ihr Fundament./ Zu Christi Zeit Geburth ward erster Grund gelegt/ Zu dieser Francken Furth, wer list und recht erweget/ Die alt Profan Geschicht und Grabesteinen Schrifft/ Der findet da Bericht vom ersten Grundes-Stifft.1192
Die vermeintliche Parallele zwischen der Geburt Christi und der Entstehung Frankfurts nutzte der anonyme Autor dieses Flugblattes, um Gott um den Schutz für die Stadt zu bitten: „O HErre JEsu Christ, weil diese Furth der Francken/ So alt ist als Du bist, ach laß sie nicht erkrancken/ Erhalte diese Stadt in Segen allezeit/ Biß sie komm Alters satt hin zu der Ewigkeit.“1193 Aufgrund der unsicheren Kenntnisse über den tatsächlichen Ursprung Frankfurts wurde dessen Gründung weit vor der Zeit Karls des Großen angesiedelt, und zwar um die Zeitenwende und Geburt von Jesus Christus – stellvertretend für das Christentum. Damit betonte der Verfasser in stereotyper Form, wie alt(ehrwürdig) und bedeutsam Frankfurt sei. Letztlich war der Verweis auf das hohe Alter integraler Bestandteil bereits in den antiken Schriften und in der mittelalterlichen Stadtbeschreibung, womit es nach Ansicht von David Vitali zum „rhetorischen Grundgerüst“1194 der literarischen Gattung des Städtelobs gehörte. So habe beispielsweise auch Trier um 1500 – wie Schmid formuliert hat – als „Krisensymptom […] die Flucht aus der
1191 Kraus, Civitas Regia, S. 26. 1192 Lobgedicht eines Unbekannten, 1675. 1193 Ebd. 1194 Vitali, „probitas et fatum“, S. 173.
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Gegenwart in die ruhmreiche Vergangenheit“1195 angeführt, um sich von anderen Städten abzuheben und seinen Stellenwert zu rechtfertigen. Trier sei nämlich bereits durch sein Alter eine ruhmreiche Stadt, sogar älter als Rom und über 2 000 Jahre vor Christus gegründet worden, wie etwa in der Brevis Germaniae Descriptio (1512) von Johannes Cochlaeus nachgelesen werden kann.1196 Der Frankfurter Chronist Johannes Latomus führte zur Untermauerung des hohen Alters und der seit Jahrhunderten währenden Berühmtheit des Ortes den bereits oben genannten Vers von Gunther de Pairis, den Ligurinus (1. Buch aus den Gestis Friderici I. Imperatoris), an, der Hinweise auf den Ursprung Frankfurts enthält.1197 Die kosmographisch-geographischen Beschreibungen übernahmen diese Erklärung, laut derer Frankfurt „albereit vor Caroli Magni zeit Franckfurt geheissen“1198 habe. Lersner verortet in seiner Chronik von 1706 den Beginn der Geschichte Frankfurts in der Antike mit „Marcomirus Antenoris Trojani Sohn aus Scythia“, der die Trojaner etwa 400 vor Christus bis an den Rhein geführt haben soll.1199 Von diesem stammen Helenus I. Diodorus und Helenus II. ab, der im Jahr 308 vor Christus lebte und angeblich die Stadt erbaut „und nach seinem Namen Helonopolis genant“ haben soll, die nach Ansicht von Reusner zuvor Teutoburgum hieß.1200 Es gebe laut Lersner etliche Scribenten, die bestätigen, „daß Franckfurt am Mayn nach Christi Geburt 390 allbereit erbauet gewesen seye, welche Zeit mit der Einkunfft der Francken, und gedachter Historia sehr nahe übereinkommet“.1201 Weil also weder die tatsächliche Stadtgründung noch die Namensherkunft gesichert überliefert waren, stellten die Historiographen in den meisten Stadtchroniken zu Beginn einleitend den Ursprung Frankfurts zusammengefasst und – im Gegensatz zu den Stadtlobgedichten – als offen und unbekannt dar, ehe sie beginnend mit den ersten überlieferten und belegbaren Jahreszahlen in unterschiedlicher Ausführlichkeit und Vollständigkeit die kursierenden Gründungsmythen und Entstehungstheorien auflisteten. Hans-Joachim Gehrke spricht bei städtischen Gründungsmythen auch von einer „intentionalen Geschichte“, die lange Zeit nicht in Frage gestellt, „sondern als feste Größe“ angenommen
1195 Schmid, Heilige Städte, alte Städte, Kaufmannsstädte, S. 145. 1196 Ebd., S. 145–146. 1197 Latomus, Acta Aliquot, S5/40, fol. 5v. 1198 Johann Frenzel: Synopsis geographica: Oder Kurtze und Eigentliche Beschreibung des gantzen Erdkreis. Dresden 1592, fol. 87v. 1199 Lersner, Der Weit-berühmten freyen Reichs-Stadt Franckfurt am Mayn Chronica, S. 3–6. 1200 Ebd., S. 3. 1201 Ebd., S. 4.
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wurde.1202 Ihr Entstehungshorizont sei jedoch regelmäßig in Vergessenheit geraten.1203 Wichtig war aber für alle Frankfurter Chronisten das hohe Alter und die darauf basierende Bedeutung Frankfurts: „Ob nun wol, wann und zu welcher Zeit diese Statt Franckfurt erbawet worden, man keine eigentliche Nachricht haben kan, so befindet sich doch, daß dieselbe albereits weit über 900 Jahr berühmbt gewesen.“1204 Die moderne Geschichtswissenschaft geht davon aus, dass Geschichten von Ursprung und Herkommen, die die jeweilige Gesellschaft in tiefster Vergangenheit verankert hat und wofür gemeinhin der Begriff Mythos gebraucht wird, für die Formierung und das Selbstverständnis einer Gesellschaft besonders wichtig sind.1205 Der Historiker Hartmut Kugler sieht es als seit jeher wirksamste und weit verbreitete Methode an, um die eigene Position mit Autorität zu versehen, den Nachweis eines hohen Alters und einer langen Tradition dieser Position zu erbringen1206 – wie etwa die Stellung und Funktion Frankfurts als kaiserlich privilegierte (Reichs-)Stadt. Die Geschichtsschreibung gab sich häufig nicht mit allgemeinen Begründungen zum Status der Herrschenden oder Regierenden zufrieden, sondern verschaffte ihnen oder einer Stadt eine glorreiche Abstammung.1207 Der Historiker František Graus weist darauf hin, dass innerhalb der Chronistik die historische Verankerung des Eigenlobs durch Hervorhebung der edlen Herkunft1208 oder durch die vorgebliche Zugehörigkeit zu einem auserwählten Volk auch im Spätmittelalter nicht eben neu war. Graus beurteilt jede „nostalgische Vergangenheitsidylle“ als weitgehend ahistorisch, denn gute Zeiten sind uninteressant und haben keine Geschichte, weshalb „Goldene Zeiten“ zumeist in die Vergangenheit transportiert und häufig an den ‚Anfang‘ gesetzt werden; sie historisch-chronologisch zu präzisieren sei immer eine undankbare Aufgabe,1209 was auch für den Ursprung und die Entstehung Frankfurts bislang noch nicht gelungen ist. Mit dem beginnenden 18. Jahrhundert verwiesen die Frankfurter Chronisten explizit auf die Ungewissheit über den tatsächlichen Ursprung: „Von deren ersten 1202 Hans-Joachim Gehrke: Geschichtsbilder und Gründungsmythen. Vorwort. In: Hans Joachim Gehrke (Hrsg.): Geschichtsbilder und Gründungsmythen. Würzburg 2001, S. 9–19, hier S. 10. 1203 Gehrke, Geschichtsbilder und Gründungsmythen. Vorwort, S. 10. 1204 Florian, Chronica, S. 11–12. 1205 Gehrke, Geschichtsbilder und Gründungsmythen. Vorwort, S. 11. 1206 Kugler, Das Eigene aus der Fremde, S. 180. 1207 Graus, Funktionen der spätmittelalterlichen Geschichtsschreibung, S. 32. 1208 Ebd., S. 44. 1209 Ebd., S. 51.
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anfang, und erbauung kann man so eigentlich keine nachricht haben.“1210 Ohne auf die fränkische Geschichte und das römisch-teutsche Kaisertum einzugehen – was möglicherweise auch mehr Arbeit und einen größeren Umfang bedeutet hätte – und um vermutlich einen möglichst altehrwürdigen Ursprung Frankfurts zu ‚kreieren‘, stellte der Verfasser der Geschriebenen Franckforther Chronic von 1703 fest, „daß sie schon vor mehr als 1 000 Jahr berühmbt gewesen, und eine auß den fürnehmbsten stätten des Heil. Röm. Reichs, ja fast mitten in demselben gelegen“1211 sei. Zusätzlich nannte der Chronist die wichtigsten Ereignisse der Frankfurter Stadtgeschichte, beginnend mit dem Konvent Karls des Großen im Jahr 753 und der Gründung des Salvator-Stifts (später St. Bartholomäus).1212 Vergleicht man diese Schrift mit den früheren Chroniken, fällt eine deutliche Übereinstimmung zu der auf Latein verfassten Chronik des Johannes Latomus1213 auf, an welcher sich der Chronist offenbar orientiert oder die er möglicherweise sogar nur übersetzt hat. Um dieses abschließend zu klären, müssten die Chroniken einer umfassenden Kollation unterzogen werden, was an dieser Stelle aufgrund des breiten Untersuchungszeitraums und der großen Fülle an Quellenmaterial nicht möglich ist. Grundsätzlich ist es unter den (Frankfurter) Chroniken gängige Praxis gewesen, dass sie sich auf frühere Vorlagen bezogen haben und sich eng an ihnen orientierten bzw. sie teilweise auch abgeschrieben haben. Dennoch haben die Chronisten je nach eigenem Kontext Schwerpunktverschiebungen, Kürzungen oder Ergänzungen vorgenommen. Allerdings war die Betonung des hohen Alters einer Stadt in der Frühen Neuzeit kein singuläres Phänomen und nicht nur typisch für Frankfurt, sondern weit verbreitet. Die Forschung spricht von der Funktion der „Entzeitlichung“1214 durch die erzählerische Ausgestaltung der Gründungsgeschichten. Es gehe nicht um eine Entwicklung aus kleinen Anfängen zu großer Blüte, sondern in den Städten sei häufig meist schon alles enthalten gewesen, was ihre Charakteristik und besondere Auszeichnung in der Gegenwart des Autors ausmache. Weitere Etappen der Stadtgeschichte seien zumeist nur noch benötigt worden, um die von Anfang an als unanfechtbar gekennzeichnete Treue der Einwohner zu ihrer Stadt, zum Reich und zum Reichsoberhaupt zu bekräftigen. Darüber hinaus könne die 1210 Geschriebene Franckforther Chronic, S5/60, nicht fol. 1211 Ebd. 1212 Ebd. Siehe zur Frühgeschichte Frankfurts u.a. Orth, Frankfurt am Main im Früh- und Hochmittelalter, S. 9–52; Wolf Erich Kellner: Das Reichsstift St. Bartholomäus zu Frankfurt am Main im Spätmittelalter. Studien zur Frankfurter Geschichte 1. Frankfurt a.M. 1962. 1213 Latomus, Acta aliquot, S5/40. Eine Abschrift hiervon sind die Frankfurter Chroniken und Collectaneen, eine Sammlung verschiedener Chroniken und Handschriften. ISG: Chroniken S5/10. 1214 Beispielsweise bei Meyer, Die Stadt als Thema, S. 456.
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Altersbehauptung ein gemeinsames Herkommen stiften und bekräftigen oder zur Behauptung gegen Konkurrenten herangezogen werden.1215 Ursprung, Stadtgründung und Name1216 gehörten fast grundsätzlich zum Herkommen einer jeden Stadt,1217 und das Alter galt als Index für Rang und Ehre, wie die Forschung betont.1218 Dazu zählt die sogenannte Anciennität als Argumentationsfigur und typisches Phänomen traditionaler, „also vorrangig nicht durch gesetzte Ordnungen, sondern durch Gewohnheitsrecht organisierter Gesellschaften“.1219 Peter Wolf erklärt die häufige Betonung der Städte als uralte, berühmte, kaiserliche und freie Reichsstädte basierend auf seiner Studie über Regensburg mit dem Anspruch, dass man sich an den Metropolen des Reichs messen lassen wollte und deshalb den Maßstab des unbestreitbar hohen Alters wählte, das der Stadt von vornherein Ehrwürdigkeit verleihen sollte.1220 Folgerichtig sei diese Form der Legitimation eine der „Grundkategorien abendländischen Geschichtsverständnisses“. Wenn also bereits die römische Geschichte bis in die Urzeiten verlängert wurde und Städte phantastische Gründungssagen entwickelten, um Konkurrenten zu übertrumpfen, folgten sie dabei immer demselben Gedanken: „Alter schafft Würde“. Auch folgerten die Verfasser von Chroniken und Stadtlobgedichten aus der besonderen Gunst der Städte bei Königen und Fürsten, dass die Stadt hoch angesehen, angenehm und beliebt gewesen sein müsse. Außerdem sei Alter immer ein ausschlaggebendes Argument gewesen, wenn es um Reputation und Rang ging, wie Schmid in seiner Untersuchung zu Stadt-Images festgestellt hat.1221 Schon lange vor den Humanisten hätten die Geschichtsschreiber der Städte, Bistümer und Dynastien versucht, ein hohes Alter und eine kontinuierliche Abstammung von bedeutenden Ahnen nachzuweisen. Schmid spricht hier von „Geschichte als Argument“1222, was nicht ungewöhnlich gewesen sei.
1215 Ebd., S. 457; Gehrke, Geschichtsbilder und Gründungsmythen. Vorwort, S. 12. 1216 Die humanistische Methode der philologisch-etymologischen Herleitung des Stadtnamens gehörte zum klassischen Stereotypenkanon des Städtelobs und humanistischer Stadtbeschreibungen, wie Konrad Celtisʼ Interpretation Nürnbergs als „Stadt der Noriker“ oder Meisterlins Lesart als „Stadt des Tiberius Nero“ verdeutlichen. Siehe Meyer, Die Stadt als Thema, S. 455. 1217 František Graus: Lebendige Vergangenheit. Überlieferung im Mittelalter und in den Vorstellungen vom Mittelalter. Köln/Wien 1975; Graf, Ursprung und Herkommen, S. 23–36. 1218 Meyer, Die Stadt als Thema, S. 458. 1219 Ebd., S. 454. 1220 Siehe für diesen Absatz Wolf, Bilder und Vorstellungen, S. 56–58. 1221 Schmid, Heilige Städte, alte Städte, Kaufmannsstädte, S. 146. 1222 Ebd.
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Eine vermeintliche Datierung der Stadtgründung in frühchristlicher Zeit oder die Ausdehnung der Stadtanfänge auf ein möglichst hohes Alter wurde nur dadurch möglich, dass die eigentliche Stadtgründung Frankfurts in Mittelalter und Früher Neuzeit nicht belegt war und keine gesicherten Informationen vorlagen. Daher trennte die gängige historiographische Tradition der Frühen Neuzeit sehr häufig die (sagenhafte und mythische) Frühgeschichte von der Darstellung späterer Zeiten, wie aus dem Aufbau der Stadtchroniken für Frankfurt deutlich wird, die überwiegend zunächst kurz in einem Fließtext die Gründungssagen und Frühgeschichte erzählen. Anschließend erfolgt ein Bruch in der Darstellung und es folgt eine jeweils unterschiedlich umfangreiche chronologische Auflistung von Ereignissen, die zumeist ab ca. 1500 beginnt.1223 Dabei entnahmen die Autoren der Kosmographien, Chroniken und Stadtbeschreibungen die überkommenen Darstellungen von der Entstehung Frankfurts aus antiken und mittelalterlichen Quellen, ohne eigenständige Vorstellungen von der Vorbevölkerung zu entwickeln. Doch in den Reiseberichten und Zeitschriften der Aufklärung spielte das hohe Alter von Frankfurt am Main kaum noch eine Rolle. Möglicherweise hing das damit zusammen, dass für das 17. Jahrhundert verhältnismäßig viele ausländische Reiseberichte überliefert sind. Weil Ursprung, Entstehung und Mythos in engem Zusammenhang mit einem wie auch immer ausgeprägten teutschen Bewusstsein oder zumindest mit den Vorstellungen einer mythenhaften Antike oder einer Verbindung zu Karl dem Großen und bedeutenden Herrschern standen, spielten der Gründungsmythos und der Ursprung Frankfurts in französischer, englischer oder italienischer Wahrnehmung keine große Rolle.
2.1.3 Frankfurt und das Reich Das Frankfurt-Bild diente ebenfalls dazu, die Stadt als Aufenthaltsort von Kaisern und Herrschern hervorzuheben und ihren Ruf als zentralen politischen Ort für das Heilige Römische Reich und Europa zu untermauern. So hingen das Bestehen und die Bedeutung Frankfurts nach Einschätzung von Elsbeth Orth bereits in karolingischer Zeit einerseits von den Herrscheraufenthalten, reichspolitischen Ereignissen und feierlichen Selbstdarstellungen des Königtums ab. Auch mit der königlichen villa und dem Stift, dem Mainhafen und dem Mainübergang hatte der Ort auf Dauer Funktionen bekommen, die seine Existenz gesichert haben. Doch seine besondere Bedeutung und seine geschichtliche, in schriftlichen
1223 Siehe hierzu ausführlich Kapitel I.1.3.2 „Stadtchronistik“.
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Quellen festgeschriebene Existenz verdankte Frankfurt noch im Hochmittelalter den Herrscheraufenthalten.1224 So befassten sich auch die Stadtlobgedichte mit der Einordnung Frankfurts in das Reichsgefüge. Dies zeigt sich besonders deutlich in dem Gedicht von Johannes Griblebius aus dem späten 16. Jahrhundert mit dem bezeichnenden Titel Der Stadt Franckfurt am Mayn Adler. Griblebius beschrieb eine enge Verbindung zwischen Frankfurt und dem Reichsadler, der symbolisch Tugend, Ehre, aber auch eine beschützende Funktion für das Reich eingenommen habe: „Das Römisch Reich ihn [den Adler, Anm. d. Verf.] billig führt/ Dieweil es recht, wie sichs gebührt/ Nach Tugend, und nach Dingen hoch/ Stets streben thut, dem Adler nach./ […] Damit schad, schand, unrath verhut.“1225 Ebenso wie das Reich strecke auch die Stadt Frankfurt ihr Haupt in Richtung des Reichsadlers, was bedeuten mag, dass die Stadt ihre hoch gesteckten ehrgeizigen Ziele verfolgt, um sich im Reich hervorzuheben. Dabei halfen ihr nach Ansicht des Autors ihre langjährige kaisertreue Einstellung: „Fast solchen Adler, im rothen Schild/ Schneeweißer Farb, des Reichs zustellt/ Der Stadt Frankfurt, gekrönt, der hoch/ Sein Haupt hebt, nachs Reichs Adlers/ […] Dem Reich, durch trew auch wohlbekandt.“1226 Eine herausgehobene Stellung in Teutschland sprach auch Nikolaus von Reusner der Stadt zu und verglich ihre zentrale Stellung und Bedeutung mit dem Hellas des antiken Griechenlands, das überall verehrt würde: „Wie Hellas war dem Griechenland/ Ein Ehr und überall bekannt/ Also auch Franckfurth die Stadt/ Den besten Ruhm in Teutschland hat.“1227 Auch schrieb ein anonymer Dichter 1675 von „der teutschen Burg und Pfad“.1228 Anton Kirchner schrieb noch um 1800 in seinem Gedicht Hoch strahlst du von dem „Alterthumes Glanz“.1229 Er verortete Frankfurt „im guten, lieben deutschen Vaterlande“.1230 Allerdings 1224 Orth, Frankfurt am Main im Früh- und Hochmittelalter, S. 23. 1225 M. Johannes Griblebius: Der Stadt Franckfurt am Mayn Adler. 1591. Deutsche Übersetzung bei Diehl, Frankfurt am Main im Spiegel, S. 223–224. Im Original lautet der Vers: „Fert merito: quia more Aquilae, super ardua tendit/ Et trahit inde togae, militiaeque decus/ Tale decus, quo, quae praesentia, queque futura/ Aspicit, expendit, prospicit et reputat.“ 1226 Griblebius, Der Stadt Franckfurt am Mayn Adler. Lateinisch: „Hunc prope, sed niveum, tibi Francofurdia, sacri/ In rubro Clypero, Caesaris aula dedit./ Unde suum, socio pro foedere, lucida, regni/ More Aquilae, auricomum tollit ad astra caput./ Et merito: quia more Deum, super aethera scandis/ Et petis a justo, jusque, piumque Deo.“ 1227 Nikolaus von Reusner: Den besten Ruhm. Deutsche Übersetzung nach Maximilian Faust von Aschaffenburg bei Kathrein/Krüger, Liebe zu Frankfurt, S. 23; Diehl, Frankfurt am Main im Spiegel, S. 216. Im lateinischen Original heißt es: „Francidos est geminae sic Francis, ut Helladis Hellas/ Urbs quondam populis Attica clara fuit.“ 1228 Lobgedicht eines Unbekannten, 1675. 1229 Kirchner, Hoch strahlst du. 1230 Ebd.
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ist Kirchners Darstellung für das 18. Jahrhundert zu einer Ausnahme geworden. Frankfurt wurde in dieser Zeit nur noch selten in den Kontext des Alten Reiches gestellt. Zuvor erwähnten die Frankfurter Stadtchroniken selbstverständlich alle in Frankfurt abgehaltenen Reichsversammlungen, wie den „Kaiser Hof“ der Sächsischen Fürsten 1168, den „Reichs-Tag“ von 1193, die Wahl Friedrichs II. zum „Römischen König“ 1212, das „Reichs-Convent“ von 1227 oder den Erlass des „Land-Friedens“ durch Kaiser Karl IV. 1368 – um hier nur eine kleine Auswahl der reichspolitisch bedeutsamen Ereignisse und Versammlungen in Frankfurt anzuführen.1231 Die handschriftlichen sowie gedruckten Chroniken argumentierten, dass sich viele römische Kaiser und Könige regelmäßig in der Stadt eingefunden und „daselbst Hof, auch oftmals grosse Versammlungen gehalten“ und Frankfurt mit vielen kaiserlichen und königlichen Freiheiten begnadigt hätten. Außerdem habe Kaiser Ludwig der Fromme, der diese Stadt sehr oft besuchte, einen „besondern Pallast, der jetzo der Saalhof genennet wird“, dort erbauen lassen, und sie zur „königlichen Hoffstadt im Frankenland“ gemacht. Frankfurt werde deshalb von den „alten Geschichtschreibern Villa Regio oder ein königliches Dorf oder Stadt“ genannt.1232 Zur Betonung nicht nur des hohen Alters der Stadt, sondern auch ihrer besonderen Beziehung zum fränkischen König- und Kaisertum führte Maximilian Faust von Aschaffenburg Frankfurts Funktion als „der Fränkischen Königen erbstatt“1233 an und erläuterte in diesem Zusammenhang ausführlich das königliche Erbrecht. Außerdem „gebens die umbständt der historien, daß dieses die erste und vornehmbste gefreyte Statt worden, darinnen die Carolinische Keyser und Könige ihre Palatia und Hoofhaltungen angestellet und darinnen sie ihre Reichsversamblungen halten können“, wie Faust von Aschaffenburg die historische Besonderheit Frankfurts betonte.1234 Somit führte Frankfurt nicht nur „der fränkischen Könige Farben“, sondern auch „des Reichs Adler“.1235 Die Chronisten erläuterten ausführlich vor dem Hintergrund der hochmittelalterlichen Vergangenheit die Stellung der Stadt Frankfurt im fränkischen Königreich und betonten, dass dieser und kein anderer Ort „die beste und Hertzogliche Residentz“ gewesen und „weit höher alß die anderen“ geachtet worden sei. Außerdem sei sie „dem königl. Stamm vorbehalten“ gewesen und schon bald zu König Ludwigs Zeiten „vor die vornembste Statt des Königreichs und principalis 1231 Stock, Kleine Franckfurther Chronick, S. 16 ff. 1232 Stock, Kurzgefasste Franckfurter Chronic, S. 4. 1233 Faust von Aschaffenburg, Frankfurter Chronik, S5/12, fol. 171r. 1234 Ebd., fol. 180v. 1235 Ebd., fol. 181r.
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sedes regni orientalis Ludovici von Scoto und Regione gehalten und genennet worden“.1236 Maximilian Faust von Aschaffenburg nannte die zahlreichen „herrlichen Kayser- König- Chur-Fürsten und Stättage“, die „alhier in Frankenfurt ahngestellet“ wurden und auf denen „viel wichtige Reichssachen beratschlaget und verhandelt worden“ seien, die er allesamt aufgelistet und ausführlich benannt hat.1237 Das alles führte dazu, dass Frankfurt im Hochmittelalter das „vortrefliche haus des Reichs genant“ wurde, „Frankenvort Specialis Domus Imperii, wie dann solches Insigel biß auff diesen heutigen tag [1624, Zeitpunkt des Verfassens der Chronik von Maximilian Faust von Aschaffenburg; Anm. d. Verf.] noch also geführet und gebrauchet wirdt“. Damit ist Faust von Aschaffenburg mit seinem Lob auf die historische Bedeutung aufgrund des königlich-kaiserlichen Bezugs zu Frankfurt in seiner Chronik noch nicht am Ende angelangt, war dieser Umstand doch „eine herrliche freyheitt“, indem sich die Stadt „von uhruhralten zeitten hero ein sonderbares oder vortreffliches Haus des Röhmischen Reichs“ nannte und auf der ganzen Welt als ein „Reichsglied in so offentlichem Statt-Insigel bekennen dörffen“. Faust von Aschaffenburg geht davon aus, dass „vielleicht dergleichen bey andern stätten nicht wirdt zu befinden sein“.1238 Auf den folgenden Seiten beschreibt er dann auch den besonderen Bezug Frankfurts zum Alten Reich, indem es zum Reichsregiment gehörte, „des Reichs Cammer oder anlag statt“ gewesen sei sowie „auff dem Reichstag mitt volmacht der Stätt Goßlar, Mülhausen und Northausen“ betraut gewesen sei.1239 Die Chroniken verbanden die Reichsgeschichte eng mit der Geschichte Frankfurts, was an den Kapitelüberschriften deutlich wird: „die Römisch-Teutsche Kayser“, „Erbauung des fränckischen Schloß am Mayn und erster begriff der Statt Franckenfurt“ oder „Von Kayser- König- Chur-Fürsten Herrn- und Stätt Tagen, so zu Franckfurt in Geist- und weltlichen Sachen fürgegangen“.1240 Die Kosmographien gingen etwa bis Mitte des 17. Jahrhunderts ebenfalls ausführlich auf die Bedeutung Frankfurts für das politische Geschehen auf Reichs ebene ein. 1670 schrieb beispielsweise Samuel Chappuzeau, dass Frankfurt während der Wahlhandlungen „innerhalb seiner Ringmauren die vornehmste[n] Häupter deß Reichs, und hohe Staatsbedienten von allen hohen Häuptern der
1236 Frankfurter Chronik von Maximilian Faust von Aschaffenburg, in der Abschrift Johann Maximilian zum Jungen (1624). Nach 1638. ISG: Chroniken S5/74, fol. 24. 1237 Faust von Aschaffenburg, Frankfurter Chronik, S5/12, fol. 184v ff. 1238 Ebd., fol. 181v–182r. 1239 Ebd., fol. 183r–283r. 1240 Frankfurter Chronik von Maximilian Faust von Aschaffenburg (1624), in der Abschrift von Johann Maximilian zum Jungen 1638, ISG: Chroniken S5/74, fol. 27–31.
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Christenheit“ erfolgreich und standesgemäß beherbergen konnte. Und obwohl Frankfurt schon allein deshalb „ein kurtzer Begriff des gantzen Europa“ sei, weil sich dort zahlreiche Fürsten und „grosse Herren“ mit jeweils ganz unterschiedlichen Interessen einfinden würden, „so gehet doch alles in der Stadt in guter Ordnung her“.1241 Doch gleichzeitig wurden seit Mitte des 17. Jahrhunderts die mittelalterliche Geschichte, die Einordnung Frankfurts in das ostfränkische Reich und der Bezug zu den fränkischen Herzögen, Königen und später den römisch-deutschen Kaisern auf die wichtigsten Ereignisse beschränkt. Die Frühgeschichte und Einordnung Frankfurts in die reichischen Strukturen, insbesondere als Austragungsort von Hof- und Reichstagen sowie als Aufenthaltsort von Königen und Kaisern, reduzierte sich zumeist auf die Erwähnung der Kirchen- und Stiftsgründung durch Pipin und den weiteren Ausbau durch Karl den Großen, wobei positiv wertende Adjektive wie „herrlich begabet“ die besondere Ehre weiterhin stereotyp hervorhoben.1242 Eine anonyme Chronik aus der Mitte des 17. Jahrhunderts berichtete dementsprechend deutlich kürzer über die „erste Auskunfft und Erbauung der Statt Franckfurt“1243, erwähnte aber auch das große Concilium Karls des Großen aus dem Jahr 793 als eines der ersten überlieferten Daten für die Stadtgeschichte Frankfurts, ebenso wie die Privilegierungen durch Friedrich II. Der Chronist orientierte sich an dokumentierten Ereignissen und Privilegien und verzichtete größtenteils auf die Erwähnung der Gründungsmythen und Sagen. Die Acta Ecclesiastico-Politica Francofurtensia ad Moenum von 1654, die noch Einträge bis 1693 enthalten, beschreiben wohl aufgrund des Kirchenbezugs die Anfänge Frankfurts nur sehr knapp und stützen sich auf die Kirchengeschichte Frankfurts, ohne umfangreiche Bezüge zum Römischen Reich oder fränkischen Kaisertum herzustellen.1244 Die Chronik beginnt folgerichtig mit der Gründung des St. Bartholomäusstifts. Die erste in den Chroniken genannte Jahreszahl ist nach dem Konzil Karls des Großen von 793 auch erst das Jahr 1338, als Ludwig IV. der Bayer aufgrund von Auseinandersetzungen mit Papst Johannes XXII., der kein Interesse an einem starken Kaisertum hatte, in Frankfurt einen Reichstag abhielt.1245 1241 Chappuzeau, Jetztlebendes Europa, S. 453. 1242 Achilles Hupkar u.a.: Acta ecclesiastica-politica Francofurtensia ad Moenum 1654. Laufzeit: 794–1694, Nachträge von 1654–1694. ISG: Chroniken S5/87, nicht fol. 1243 Chronik der Stadt Frankfurt am Main. Mitte 17. Jahrhundert. ISG: Chroniken S5/115, nicht fol. 1244 Hupkar, Acta ecclesiastico-politica Francofurtensia ad Moenum, nicht fol. 1245 Siehe hierzu ausführlich Sebastian Krafzik: Licet iuris – Gefecht um die Macht zwischen Kaiser und Papst. In: Journal on European History of Law 2 (2011), S. 6–10; Heinrich Mitteis: Die
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Die Stadtbeschreibungen thematisierten seit Mitte des 18. Jahrhunderts zwar weiterhin den kaiserlichen Bezug, jedoch im Vergleich zu den Stadtchroniken deutlich neutraler formuliert: „Genebald der dritte hielte sein Hof-Laager in dieser Stadt, und vergrösserte das von seinem Vorfahren vermuthlich Genebald dem ersten errichtete Palatium, welches eben dasjenige ist, worinnen Carl der grosse bey seinen mehrmaligen Auffenthalt in Franckfurth residiret.“1246 Die Bedeutung des Hoch- und Spätmittelalters zusammenfassend hob Müller die Rolle Frankfurts im Heiligen Römischen Reich hervor, weil nämlich schon die „Annales der alten Francken“ bestätigen würden, wie angenehm für die Könige dieser Aufenthalt in Frankfurt gewesen sei, wie viele „Geschäffte“ sie dort vorgenommen hätten, und wie viele geist- und weltliche Zusammenkünfte in ihren Mauern stattgefunden hätten. Aus diesen Gründen und weil in Frankfurt „als der Haupt- und Residenz-Stadt des so berühmten orientalischen Fränckischen Reiches“ die Könige gewählt werden mussten, seien auch „Wachsthum, Ruhm und Glückseligkeit der Stadt mehr und mehr befördert worden“.1247 Infolge der zahlreichen Herrscheraufenthalte und deren immer wiederkehrender Erwähnung im publizistischen Diskurs ist Frankfurts Name über die Jahrhunderte des Mittelalters bis zum Ende der Frühen Neuzeit mit vielen bedeutsamen Ereignissen der Reichsgeschichte und dem Alten Reich verbunden geblieben. Gleichwohl lockerte sich die zunächst sehr starke Verbindung zwischen Frankfurt und dem Reich im Laufe des 18. Jahrhunderts zunehmends, insbesondere in den Reiseberichten, Lexikoneinträgen und Zeitschriftenartikeln zwischen 1700 und 1800. Vollständig gelöst hat sie sich jedoch nicht: So zog der Frankfurter Schriftsteller und Kunstsammler Johann Isaak von Gerning eine Pa rallele zwischen dem Untergang des Heiligen Römischen Reiches und dem Ende der Reichsstadt Frankfurt am Main 1806 bzw. zwischen Kaiser und Reichsstadt: „Mit dem 1 000jährigen Reiche, das Carl der Große gestiftet, sank auch die Stadt, die seiner daselbst angelegten villa Regia ihre weitere Gründung und erste Blüte zu danken hat.“1248
deutsche Königswahl. Ihre Rechtsgrundlagen bis zur Goldenen Bulle. 2. Aufl. Brünn u.a. 1944 (Sonderausgabe, 6., unveränderter reprografischer Nachdruck, Darmstadt 1987). 1246 Müller, Beschreibung des gegenwärtigen Zustandes, S. 10. 1247 Ebd., S. 12. 1248 Johann Isaak Freiherr von Gerning: Beiträge zur Culturgeschichte der vormaligen teutschen Reichsstädte. Frankfurt a.M. In: Der neue Teutsche Merkur 1 (1810), S. 175–188, hier S. 180.
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2.1.4 Frankfurt und Karl der Große Viele Städte galten als Ergebnis einer sagenhaften Gründung, wie etwa Köln, Mainz, Trier und Regensburg. Sie galten als eine „Stadt der Könige und Kaiser“.1249 Jede dieser Städte – ebenso wie Frankfurt – begründete ihren eigentlichen Rang mit der besonderen Erwählung als Stadt der Kaiser. Häufig war es Karl der Große, gelegentlich auch Kaiser Tiberius oder ein Nachfolger Karls des Großen, die als vermeintliche Gründer den Städten im Hochmittelalter ihre Bedeutung verliehen. Der große Stellenwert der Gründungssagen in Stadtchronistik und Städtelob sei nicht nur auf den Einfluss der antiken Literatur auf die humanistische Geschichtsschreibung und Topographie zurückzuführen, sondern liege auch darin begründet, dass schon das frühe Mittelalter die antike Literaturgattung der Laudes urbium in „ungebrochener Intensität“1250 weitergeführt habe, wie der Historiker Andreas Kraus hervorhebt. Diese Entwicklung hat die Forschung nicht nur für Italien und das damalige Gallien festgestellt, sondern auch für die literarische Tradition im Alten Reich, wie Lobpreise auf Aachen und das heilige Köln verdeutlichen. Auch das nach der glanzvollen ottonischen Zeit immer tiefer in den Schatten Kölns tretende Aachen gewann mit dem Karlskult der Barbarossa-Zeit ein neues Selbstwertgefühl, nachdem der Anspruch der lange vergessenen Hauptstadt des Reiches wieder erneuert wurde.1251 Besonders Entstehungslegenden um Karl den Großen, den eine Stadt gerne in ihrer Chronik stehen hatte, wurden aus reinen Prestigegründen im Mittelalter erfunden und bis in das 18. Jahrhundert kolportiert. Hiervon lässt sich auch Frankfurt nicht ausnehmen. So schrieb erstmals Hans Sachs in seinem Städtelob von 1568: „Nach dem auch Carolus Magnus/ sein sun, hat gstift mit uberflus/ Darzw vil güeter und zehenden/ Hernach dem stift aus milden henden.“1252 Aus angeblich milder Gnade und Unterstützung für die Bedürftigen habe der Sohn Karls des Großen an dem Ort des späteren Frankfurt ein Stift errichten lassen, das zum Emporstreben der Stadt beigetragen habe. Ein erster mit Jahreszahl belegbarer Aufenthalt Karls des Großen in Frankfurt bei einem von ihm einberufenen Konzil wurde gerne von der frühneuzeitlichen Historiographie aufgegriffen und fand auch bei Sachs Erwähnung: „753jar/ Ein concilium wart ghalten dar/ Von kaiser Carolo Mangno/ Darinnen wurt verthammet do/ Felicianus keczerey/ Cristi gotheit verleugnet 1249 Siehe für diesen und den folgenden Absatz Kraus, Civitas Regia. Das Bild Regensburgs, S. 4–6. 1250 Ebd., S. 5. 1251 Ebd., S. 6. 1252 Sachs, Ain lobspruech, S. 400.
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frey.“1253 Diesem Muster entsprechend, tradierten die Frankfurter Chroniken die Gründungsdarstellungen über Frankfurt aus den überlieferten Schriften, die versuchten, eine Verbindung zu Karl dem Großen herzustellen. Als Grundlage für viele folgende Chroniken dienten die Acta Aliquot (1525) von Johannes Latomus, der seine Aufzeichnungen mit der Gründung Frankfurts begann. Gleich zu Beginn erwähnt er den Chronisten Trithemius und die von ihm hergestellte Verbindung zu Karl dem Großen: „Ad suburbana certè urbis Moguntinae adhuc Caroli M. aetate computatam, ex Titulo Concilii, sub eodem hic celebrati, cognoscimus, licèt admodum angustis limitibus circumscriptafuerit.“1254 Das Fragment einer Frankfurter Chronik (1612), möglicherweise von Johann Friedrich Faust von Aschaffenburg angelegt, betont, dass alle mittelalterlichen fränkischen Herzöge und Könige von Genebald (326 n. Chr.) bis Pipin und Karl dem Großen (747/748–814) „besonders Erbherrn der Statt Franckfurtt geweßen [seien], dieselbige mehrentheils bewohnet, sodann sie ihren altensitz vor alters dis orths gehabt“ hätten.1255 Karl der Große sei nach Darstellung des Chronisten Maximilian Faust von Aschaffenburg die ‚Wohltat‘ für den Ort Frankfurt gewesen, weil Karl sich viel „herrlicher“ als seine Vorfahren verhalten habe und mit größerem „comitat“ als andere zuvor in seine „Palatia im Reich“ eingekehrt sei. Folglich hätte die Stadt an Einwohnern und Gebäuden deutlich zugenommen und sei verbessert worden, obwohl sich Karl noch bei seiner Ankunft mit dem „alten Schloß […] beholffen und keine enderungen in der Statt […] ahngefangen“1256 habe. Als aber das Kaisertum „ie länger ie höher bey der Statt erbherrn gestiegen“ und nach Karl dem Großen an Ludwig I. (der Fromme) übergegangen sei, hatte dieser das alte Schloss für „baufällig und gering“ erachtet. Es wurde ein neues kaiserliches Schloss „auch ahn dem Mayn, allernechst ahn der fahrt“ angefangen zu bauen und im Jahr 822 „auffgerichtet und sehr herrlich von großen gegossenen seulen“ fertiggestellt, und zwar „an dem ort der noch daher der saalhoff genennet wirdt“.1257 Als Verbreitungswege der Karls-Legende dienten auch die Kosmographien, wie zum Beispiel Martin Zeillers Topographia Hassiae (1655): Nachdem im Jahr 1253 Ebd. 1254 Latomus, Acta Aliquot, S5/1, fol. 5r. 1255 Fragment einer Frankfurter Chronik (ca. 1612), S5/25, fol. 117r. 1256 Faust von Aschaffenburg, Frankfurter Chronik, S5/12, fol. 117v. 1257 Ebd., fol. 118r. Die Staufer errichteten in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts als neue Königsburg den noch heute teilweise erhaltenen Saalhof. In der Frühen Neuzeit setzte die Suche nach der Pfalz ein, die Gelehrte und Wissenschaftler mangels sichtbarer baulicher Reste der karolingisch-ottonischen Anlage über Jahrhunderte mit dem Saalhof gleichsetzten, wie ebenfalls die Frankfurter Chronisten der Frühen Neuzeit. Siehe hierzu Orth, Frankfurt am Main im Frühund Hochmittelalter, S. 9–52.
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753 der Franken-König Pipin mit den Ständen seines Reichs ein Konvent in Frankfurt abgehalten habe, habe sich nach ihm sein Sohn Karl der Große „mehrer theils allhie befunden“ und im Jahr 794 eine Synode „vieler Bischoffen wider die Ketzerey Felicis unnd Elipandi gehalten“.1258 Möglicherweise erinnerte er sich nicht einmal mehr gerne an jenen Ort, an dem seine dritte Gemahlin Fastrada am 10. August 794 gestorben war – ein Ereignis, das viele chronikalische Quellen im 16. Jahrhundert und nachfolgend auch einige kosmographisch-geographische Schriften als bedeutend für Frankfurt erwähnen. Die angeblichen Verbindungen zu Karl dem Großen, dessen Aufenthaltsort sich zwischen 742 und 794 im (später so bezeichneten) Saalhof befunden haben soll, sowie zu dessen Vater Pipin und die Tatsache, dass Frankfurt schon vor dem großen Frankenkönig und römischen Kaiser bestanden haben musste, fanden ihren Weg auch in ausländische geographische bzw. Stadtbeschreibungen, etwa von Galeazzo Gualdo Priorato im Jahr 1668: „Dallʼ anno 742 al 794 si sà peró esser stata, qui la stanza di Carlo Magno Imperatore, lʼ habitazione del quale pur hoggidi si vede nella casa chiamata Salhoff. Il Rè Pipino Padre di Carlo Magno in compagnia dellʼImperatore sia antico il suo origine.”1259 Ein 1728 anonym erschienener französischer Reisebericht stützte sich in seiner Frankfurt-Beschreibung bezüglich des Ursprungs offensichtlich auf die im Alten Reich kursierenden Schriften, wie bei den ausländischen Reisenden überwiegend festzustellen ist: „On croit que cette ville tire son nom des François, qui en faisoient leur passage même avant le VI. Siècle, & que Charlemagne lʼaugmenta, après y avoir deffait les Saxons, sur les bords du Mein.”1260 Doch der Ort konnte historisch betrachtet nicht erst von Karl dem Großen als Pfalzort oder Herrschaftszentrum gegründet worden sein, denn nach Ansicht der Historikerin Orth stützen weder Sachbefunde noch schriftliche Quellen diese Vermutung.1261 Auch seien weitere Aufenthalte in Frankfurt bis zu seinem Tode nicht belegt.1262 Für die Rolle Karls des Großen innerhalb der Frankfurter Geschichte gilt zu bedenken, dass besonders im 12. Jahrhundert seine kultische Verehrung lanciert wurde mit dem Grundgedanken von einem heiligen König: Der König habe auf Erden und auch im Himmel eine höhere und einflussreiche Stellung. So verbreiteten sich über weite Gebiete des mittelalterlichen Reiches Legenden über
1258 Zeiller, Topographia Hassiae, S. 54. 1259 Gualdo Priorato, Relatione del Governo, S. 89–90. 1260 Remarques dʼun Voyageur, S. 122. 1261 Orth, Frankfurt am Main im Früh- und Hochmittelalter, S. 13. 1262 Otto Stamm: Zur karolingischen Königspfalz in Frankfurt am Main. Berlin 1955, S. 391 ff.
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die Gründung und Erbauung von Diözesen, Kathedralen, Abteien sowie einfachen Dorfkirchen und Kapellen durch Karl den Großen.1263 In diesem Kontext entstand auch in Frankfurt die Legende von der Gründung des Salvator-Stifts und späteren Bartholomäusstifts durch Karl den Großen.1264 Weil fast zeitgleich in einer Stiftsurkunde von 1223 von den Einnahmen des Neunten zu Tribur gesagt wurde, sie seien dem Stift durch Kaiser Karl übertragen worden, dieses in Wirklichkeit jedoch durch Karl III. den Dicken geschah, geht Hans-Joachim Jacobs davon aus, dass damals wohl Karl III. mit Karl dem Großen verwechselt wurde.1265 Carmen Schenk und Burkhard Kling haben daraufhin untersucht, in welcher Form sich die Herleitung der Namensgebung und Gründung von Stadt und Stift St. Bartholomäus durch Karl den Großen durch die Jahrhunderte bis in die Gegenwart hartnäckig aufrechterhalten hat – obwohl der Frankenherrscher persönlich nur ein Mal dort war und die historischen Fakten anderes belegen.1266 Laut Schenk und Kling nehme der Stolz auf einen mit Karl dem Großen verbundenen städtischen Ursprung beim Aufbau einer Tradition in der bildlichen Darstellung eine bestimmte Rolle ein.1267 Die Darstellung Karls als Stifter von St. Bartholomäus, Patron der Kirche und Heiliger, diente seit dem 14. Jahrhundert vor allem dazu, Ansprüche des Stiftes gegenüber der Stadt geltend zu machen und seinen hohen Rang zu unterstreichen. Im 15. Jahrhundert erlebte im gesamten Reich der Karlskult seinen Höhepunkt, wobei im Allgemeinen dessen geistliche Tugenden hervorgehoben wurden. Frankfurt fügte sich in diese Entwicklung ein und feiert seit dem 15. Jahrhundert neben dem 28. Januar als Natale (Geburtstag Karls des Großen) auch den 27. Juli als Translatio S. Karoli – die Übertragung seiner Gebeine.1268
1263 Jacobs, Das Bild Karls des Großen, S. 64. 1264 Das Stift besaß zwei etwa gleichlautende Urkunden Karls III. des Dicken aus dem Jahr 882. Diese sowie die Privilegienbestätigung Ottos II. von 977 waren vermutlich durch die Kanoniker im Jahre 1228 Heinrich (VII.), dem Sohn Kaiser Friedrichs II., vorgelegt worden, als sie sich die Schenkung des Dorfes Kelkheim bestätigen ließen. Die neue Bestätigung erwähnte nun erstmals Karl den Großen als Gründer des Stifts, bezog sich aber ausdrücklich auf das Jahr 880. Siehe Kellner, Das Reichsstift St. Bartholomäus zu Frankfurt am Main, S. 15–16. 1265 Jacobs, Das Bild Karls des Großen, S. 64; Kellner, Das Reichsstift St. Bartholomäus zu Frankfurt am Main, S. 15–16. 1266 Carmen Schenk/Burkhard Kling: Karl der Große und Frankfurt. Der Aufbau einer Tradition und die Bildwerke vom Spätmittelalter bis zum 19. Jahrhundert. In: Lieselotte E. Saurma-Jeltsch (Hrsg.): Karl der Große als vielberufener Vorfahr. Sein Bild in der Kunst der Fürsten, Kirchen und Städte. Sigmaringen 1994, S. 139–173. 1267 Schenk/Kling, Karl der Große und Frankfurt, S. 140. 1268 Robert Folz: Études sur le Culte liturgique de Charlemagne dans les Églises de l´Empire. Publications de la Faculté des Lettres de l´Université de Strasbourg, Fasc. 115, Paris 1951, S. 34.
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Parallel zu der Entwicklung einer sich verfestigenden ikonographischen Tradition im kirchlichen Zusammenhang, in der Karl der Große zusammen mit dem heiligen Bartholomäus dargestellt wird, versuchte die Stadt, sich in die Tradition des Karolingers zu stellen: Seit 1219 verwendet die Stadt ein Siegel, das die Halbfigur eines Königs als Motiv trägt, doch erst die Volksüberlieferung setzt später diese Gestalt im Stadtsiegel mit Karl dem Großen gleich.1269 Während besonders die Stadtchronistik, einige Stadtlobgedichte und Kosmographien des 16. und 17. Jahrhunderts eine enge Verbindung zwischen Frankfurt und Karl dem Großen betonen, verblasst dieser Eindruck ab der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts allmählich, bis er im 18. Jahrhundert kaum noch eine Rolle spielt. So findet sich in den Stadtbeschreibungen und Reiseberichten nur selten der Hinweis auf ein vermeintliches Wirken Karls des Großen in Frankfurt. Offenbar hatte die Aufklärung dazu geführt, die Frühgeschichte der Stadt stärker zu hinterfragen. In diesem Zusammenhang nahmen die Autoren Abstand davon, stereotyp auf vorhandene Beschreibungsmuster zu verweisen, deren Beweis nicht geführt werden konnte. Gleichwohl wurde Karl der Große niemals ganz vergessen. Über die Zeit des Alten Reiches hinaus hatte sich noch ein vager Hinweis auf die Entstehung Frankfurts in einer ungewissen Zeit unter ungewissen Umständen erhalten, in deren Zusammenhang sich die Erinnerung an Karl den Großen in das Bild von Frankfurt eingeprägt hatte. Laut der Allgemeinen Enzyklopädie der Wissenschaften und Künste sei zwar „der erste Ursprung der Stadt […] nicht nachzuweisen“, aber es sei genauso unstrittig, „daß Kaiser Karl der Große, als er auf seinen Kriegszügen in dortiger Gegend anlangte, an ihrer Stelle schon einen nicht unbedeutenden Ort fand“, dem er schließlich aufgrund der Furt seinen Namen gegeben habe.1270
2.1.5 Zusammenfassung Der weite Blick zurück auf die einstigen Herrscher, die Frankfurt vermeintlich zu seiner Entstehung verholfen hätten, und das Bild von der sagenhaften rettenden Überquerung der verborgenen Furt, von den Geschichten über die Namensgebung durch die Kaiserin Helena oder andere bedeutende Frankenkönige verblasste weitgehend seit Anfang des 18. Jahrhunderts, ohne jedoch vollständig zu verschwinden. Damit verloren diese Topoi sukzessive ihre Funktion zur Hervorhebung der Großartigkeit Frankfurts. Ein wichtiger Grund hierfür ist die Aufklä1269 Erwin Kleinstück: Gründer der Stadt. In: Frankfurt, lebendige Stadt 6/1 (1961), S. 10–15. 1270 Johann Gottfried Gruber (Hrsg.): Allgemeine Enzyklopädie der Wissenschaften und Künste in alphabetischer Folge. Erste Section A–G, 47. Teil, 1818–1889, S. 236.
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rung und das zunehmend kritische Hinterfragen nicht belegbarer Gründungssagen und -mythen. Somit hatten die Gründungslegenden und auch Karl der Große spätestens in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts als Referenz für Frankfurts politische Größe und reichsweise Bedeutung sozusagen ausgedient. Die veränderte Rezeption von dem einst sagenumwobenen und privilegierten Ursprung der Stadt Frankfurt unter kaiserlichem Schutz zeigt, dass sich das Bild Frankfurts zunehmend aus der Vergangenheit in die Gegenwart verschoben hat. Stattdessen interessierten verstärkt die gesellschaftlichen Belange, persönlichen Kontakte in Frankfurt oder das aktuelle politische Geschehen. Für die Vergangenheit Frankfurts und die historisch bedeutsamen Ereignisse in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts blieb somit kaum noch Raum. Besonders in den Reiseberichten wurde nur noch selten darüber geschrieben. Die Stadtbeschreibungen gingen zwar auf die Frühgeschichte und Ursprungslegende ein, aber zumeist in einer recht kurz gehaltenen stereotypen Form.
2.2 Schutz und Sicherheit nach innen und außen Eine starke und wehrhafte Stadt galt in Mittelalter und Früher Neuzeit als Sicherheit für die Einwohner, weshalb diese Eigenschaft den Städten in den Lobgedichten zugeschrieben wurde.1271 So beschrieben humanistische Stadtlobdichter zum Beispiel Lübeck „als eine dem Frieden und der Gerechtigkeit verpflichtete Handelsstadt, die allerdings auch in der Lage ist, der Gewalt äußerer Feinde effektiv zu begegnen“.1272 Demgegenüber hat die Literaturwissenschaft aber auch festgestellt, dass eine fehlende oder kaum beachtete Stadtbefestigung und Stadtmauer eine Eigenart vieler humanistischer Laudes urbium war und somit durch die literarische Gattungstradition bedingt wurde.1273 Das Interesse am Wehrcharakter, an den Schutz- und Abgrenzungsfunktionen der Stadtmauer sei im humanistischen Städtelob kaum vorhanden gewesen, womit sich eine Abkehr vom mittelalterlichen Verständnis abgezeichnet habe, nach dem die Stadt durch ihre Mauer erst als solche definiert und kenntlich gemacht worden war.1274
1271 Heinz Endermann: Dichtung im Dienst der Stadtpolitik. Rosenbergs Lied von der Eroberung der Wachsenburg. In: Martin Schubert/Jürgen Wolf/Annegret Haase (Hrsg.): Mittelalterliche Sprache und Literatur in Eisenach und Erfurt. Frankfurt a.M. 2008, S. 253–277, hier S. 265–272. 1272 Möbius, Das Gedächtnis der Reichsstadt, S. 108. 1273 Kugler, Gelobtes Bamberg, S. 100. 1274 Siehe zur Funktion und Bedeutung der mittelalterlichen Stadtbefestigung Wolfgang Seidenspinner: Die feste Stadt. Anmerkungen zu Funktion und Bedeutung der mittelalterlichen Stadtbefestigung und ihrer denkmalpflegerischen Bewertung. Mit einem aktuellen Beispiel:
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Laut Hartmut Kugler kam durch das frühneuzeitliche Hinwegsehen über Wall und Graben „eine andere Stadtkonzeption ins Blickfeld, eine Konzeption, in der Stadt und umliegendes Land zusammengehören“.1275 Die Akzentverlagerung im Stadtverständnis habe dazu geführt, dass die Städte nun weniger als Festungen aufgefasst wurden, sondern „mehr als ‚zentrale Orte‘ eines Landgebietes“.1276 Damit wurde zu einem gewissen Grad die antike Schwerpunktsetzung wiederhergestellt, die sich im Mittelalter verschoben hatte, als mit den Burgstädten des frühen und hohen Mittelalters die Mauer zum zentralen Moment der Stadtvorstellung wurde, während in der Antike die Stadtumwallung zwar regelmäßig wahrgenommen wurde, aber keinen besonders herausgehobenen Gesichtspunkt darstellte.1277 Allerdings scheint sich die Forschung hierüber nicht einig zu sein, denn eine gute Befestigung und Wehrhaftigkeit gehörten nach Ansicht von Hartmut Kugler nicht nur im Mittelalter, sondern auch in der Frühen Neuzeit praktisch zum ‚Aushängeschild‘ einer Stadt. Die Stadtbefestigung war seiner Feststellung nach ein äußeres Wahrzeichen einer Stadt, die „sozusagen das Rückgrat des stadtbürgerlichen Selbstverständnisses“1278 bildete. Die Stadtbefestigung als Symbol für die Wehrhaftigkeit einer Stadt bildete folglich in der Frühen Neuzeit einen Gemeinplatz von Stadtbeschreibungen. Weil im Mittelalter der kriegstechnische Gesichtspunkt infolge der veränderten Wahrnehmung und baulichen Verwirklichung der Stadt als Burg zunehmend in den Mittelpunkt rückte, hat sich „die Beschreibung der Befestigung zu einem selbständigen Topos“ entwickelt. Ohne Grund wurde auf die Erwähnung von Mauern, Türmen und Toren nicht verzichtet.1279 Johann Haselberg beschrieb beispielsweise in seinem Lobspruch der keyserlichen freygstath Coellen (1531) den Verteidigungswall als Zeichen der Wehrhaftigkeit. Er ging sehr präzise auf die Mauer mit ihren Bögen, Türmen und Wällen ein, womit das Gedicht für Historiographen einen bedeutenden Quellenwert bekam. Der Historiker Wolfgang Schmitz betont das stilistische Merkmal der Statistik zur Akzentuierung des imperialen Charakters und der Verteidigungsanlagen, wie es das Genre des volkssprachlichen Städtelobs geliebt habe.1280 Vor diesem literaturgeschichtlichen Hintergrund spielen auch der Sicherheitscharakter und die feste Anlage der Stadt Durlach. In: Denkmalpflege in Baden-Württemberg. Nachrichtenblatt des Landesdenkmalamtes 13/2 (1984), S. 64–75. 1275 Kugler, Gelobtes Bamberg, S. 101. 1276 Ebd., S. 102. 1277 Ebd. 1278 Kugler, Die Vorstellung der Stadt, S. 173. 1279 Ebd., S. 26–32, 38–57; Schmidt, Mittelalterliches und humanistisches Städtelob, S. 120. 1280 Wolfgang Schmitz (Hrsg.): Johann Haselberg, Eyn Lobspruch der keyserlichen freygstath Coellen von 1531. Köln 2006, S. 38.
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Frankfurt im Städtelob – und davon ausgehend im frühneuzeitlichen publizistischen Stadtbild – eine bedeutende Rolle, die jedoch im Laufe der Zeit verblasste.
2.2.1 Schutz und Sicherheit Abermals fungierte der Ligurinus aus dem 12. Jahrhundert als Ausgangspunkt für das frühneuzeitliche Stadtbild Frankfurts, indem er die vortreffliche Befestigung Frankfurts ansprach: „Clara situ […] murisque decora est.“1281 Bei der Analyse der Frankfurter Stadtlobgedichte fällt auf, dass es den Urhebern weniger um die gewaltigen Mauern und Bollwerke ging als um die Sicherheit und den Schutz, den Frankfurt den Menschen bieten könne: „Deshalp tzuflucht sucht men by dyr/ Fur allen in des richs ryvyr“1282, heißt es bei Johann Steinwert von Soest, der sich nach eigener Darstellung sicher in Frankfurt aufgehoben gefühlt habe, weil dort Frieden und Ruhe herrschen würden und die Stadt von Gräben sowie einer ordentlichen Mauer umgeben sei. Tag und Nacht würden die Wachmänner für Schutz von außen, aber auch für Frieden und Ordnung im Inneren der Stadt sorgen: „In frydden by dyr rughen mag/ By dir behutt by nacht und tag/ Das machen greben thorn und murn/ Dy mich und gantz gemeyn beschurn/.“1283 Ulrich von Hutten verwies – als ein weiteres Beispiel – in seinem Lobvers von 1510 auf die „hohe[n] Mauern“1284 und Frankfurts stolz aufragende Gebäude. Auch die Stadtchroniken vermittelten im 16. und 17. Jahrhundert anhand regelmäßiger Notizen über die Existenz und Bauetappen der Befestigungsanlagen das Bild von einem sicheren Frankfurt. Dazu gehörte zunächst die Errichtung der ersten stadtähnlichen ummauerten Anlage „umb das Jahr Christi 862“, als die Stadt „von dem Mayntzerthor an den Hirschgraben hinauß zur Bockenheimer, von dannen zur Bornheimer, und folgend zum Fischerfeldts thörlein erweitert, umbmauert, und mit auffgeworffenem Wall und ziemblichen gräben versehen“1285 worden sei. Achilles August von Lersner und Johann Adolph Stock datierten in ihren gedruckten Chroniken von 1706 bzw. 1719 eine erste Stadtum1281 Gunther de Pairis, Aus dem „Ligurinus“, 1187: „Hochberühmt durch Lage und Volk und trefflich befestigt.“ 1282 Steinwert von Soest, Eyn Spruchgedicht, S. 78. 1283 Ebd., S. 80–81. 1284 Ulrich von Hutten, Dort ist die Stadt. 1510. Im lateinischen Original heißt es: „Moenibus alta suis, domibusque exstructa superbis.“ 1285 Frankfurter Chronik von Maximilian Faust von Aschaffenburg, S5/74, fol. 29–30. Vermutlich eine weitere Abschrift (zumindest in Auszügen) dieser Passage oder eine stark an dieser Chronik orientierte Schrift ist das Chronicon der Weltberümbten freyen Reichs- Wahl- und Handel Statt von Johann Martin Waldschmidt (nach 1704), S5/66.
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mauerung samt Gräben und vier Toren bereits in das Jahr 838: „Anno 838 gab Ludovicus Pius diesem Ort die Stadt-Gerechtigkeit, wurde demnach mit einer Mauer und Graben umgeben.“1286 Außerdem habe Frankfurt zu dieser Zeit bereits vier Stadttore gehabt, „das eine stunde wo itzo das Mayntzer-Thörgen [steht]. Das andere, wo itzo die Müntz. Das dritte auf dem Garküchen-Platz. Das vierte, wo nun das Fischer-Thörgen“1287 sei. Ganz einig war man sich darüber offenbar nicht, denn Philipp Wilhelm Gercken nahm auf diese Datierung in seiner Historisch-Statistischen Beschreibung der freien Reichsstadt Frankfurt am Mayn 1788 kritisch Bezug und hielt dieses für „unerweißlich, indem es aus der Geschichte der mittleren Zeit bekannt ist, daß die Städte vor dem XI. und XII. Jahrhundert nicht mit Mauern umgeben sind. Ja die mehresten und selbst alle wichtige Städte haben erstlich im XIII. Jahrhunderte Mauern erhalten.“1288 Ein alternatives Datum für die erste Stadtummauerung oder Wallanlage Frankfurts nannte Gercken jedoch nicht. Zum Jungen berichtete in seiner Chronik (um 1638) von insgesamt drei Erweiterungs- und Erbauungs-Theorien der Stadt, laut derer zur Zeit Kaiser Friedrichs II. (1194–1250) der Ort samt Kirche und Burg „mit so viel wonheußern vermehret und umb bauet worden [sei], daß es ein länglicht stättlein den Mayn hinauff, biß an das Fischerfeld und hinab biß an das Meyntzer thörlein“ geworden ist, das „mit mauern und stattgräben“ umgeben worden sei.1289 Erwähnt wurden von den Chronisten außerdem die Gräben, die teilweise für die Gärten, teilweise für Armbrust- und Aybenschießen gebaut worden seien. Damit die seit neuestem erweiterte Stadt „in desto beßerer sicherheyt“ erhalten werden könne, habe sie der Kaiser mit einer Landwehr umgeben lassen.1290 Damit erwähnte der Chronist Johann Maximilian zum Jungen explizit die Gewährleistung der Sicherheit für die Einwohner, die der Stadt obliege. Die regelmäßigen Notizen über Veränderungen und Erweiterungen an der Stadtmauer und den Befestigungsanlagen in den Chroniken spiegeln die Bedeutung der Wehrhaftigkeit im Frankfurt-Bild zwischen 1500 und etwa 1750 wider, indem 1557 „alle Fuhrleut und Bürger vierzehen Tag Stein“ zur Mauer an der „Schau Mayn Pforten“ transportieren mussten, und „kein Maurer weichen“ durfte, bis alles fertig war.1291 1286 Stock, Kleine Franckfurther Chronick, S. 11. 1287 Ebd. 1288 Philipp Wilhelm Gercken: Historisch-Statistische Beschreibung der freien Reichsstadt Frankfurt am Mayn und der herum liegenden Gegend von Homburg, Darmstadt, Hanau, Aschaffenburg, Gelnhausen etc. Worms 1788, S. 12. 1289 Frankfurter Chronik von Maximilian Faust von Aschaffenburg, S5/74, fol. 27. 1290 Ebd., fol. 30. 1291 Lersner, Der Weit-berühmten freyen Reichs-Stadt Franckfurt am Mayn Chronica, S. 24.
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Ein knappes Jahrhundert später habe man während des Dreißigjährigen Krieges im Jahr 1628 angefangen, die Stadt besser zu befestigen, und am Friedberger Tor das erste Bollwerk erbaut. Außerdem werde auch die „Fortification noch continuirt“1292, wie es in der Chronik von Gehard Florian heißt. Und als man nicht genügend Tagelöhner und Arbeiter zusammenbekommen hatte, mussten aus jedem der städtischen Quartiere sechs Bürger ohne die Beisassen – was täglich sechzig Personen bedeutete – mit insgesamt 100 Personen arbeiten.1293 Als sich die Messe näherte, war der Arbeitermangel noch eklatanter. Als die Bauarbeiten an der „Fortification des Friedberger Thors“ innerhalb von acht Tagen nicht vorangegangen waren, hatte man laut Lersner-Chronik von jedem Bürger „ein Kopffstück erhoben und Taglöhner angenommen“.1294 Auch die häufigen Eintragungen zu den „Frey-Schiessen“ sollten sicherlich nicht nur den Wettkampf-, Fest- und Ereignischarakter hervorheben, sondern auch das Streben der Stadtregierung nach möglichst vielen treffsicheren Schützen. So habe sich laut Lersner „ein HochEdler und Hoch-Weiser Rath […] jederzeit einen Ruhm daraus gemacht, um gute Schützen zu haben“.1295 Die regelmäßigen Einträge verleiten zu der Annahme, dass die Stadtbefestigung und Verteidigung der Stadt elementare Bestandteile im Frankfurt-Bild waren. Außerdem wird der Zusammenhang zwischen konkreten Ereignissen oder Bedrohungen und der Erweiterung der Befestigungsanlagen als Reaktionshandlung in den Chroniken deutlich. Dabei konnte die Ausführlichkeit und Vollständigkeit der chronikalischen Darstellung von Chronik zu Chronik unterschiedlich ausfallen. Lersner hat beispielsweise für die Zeit zwischen 1627 und 1631 alle errichteten Bollwerke erwähnt, ebenso wie alle weiteren Bollwerke, Gräben und Schanzen des 17. Jahrhunderts.1296 So seien beispielsweise 1687 aufgrund heranrückender französischer Truppen und des nahen Kriegsschauplatzes bauliche Veränderungen der Verteidigungs- und Befestigungsanlagen vorgenommen worden, indem „alle Lust-Häuser, Gärten, Bäume und Mauerwerck um Franckfurth und Sachsenhausen auf 70 Ruthen abgerissen“ wurden, um sich „gegen die annahende Frantzösische Armee in guten Defensions-Stand zu setzen“.1297 Die chronikalischen Beschreibungen über die Stadtbefestigungen der Frankfurter Frühgeschichte hingen eng mit dem Bevölkerungswachstum und daraus 1292 Florian, Chronica, S. 119. 1293 Ebd. 1294 Lersner, Der Weit-berühmten freyen Reichs-Stadt Franckfurt am Mayn Chronica, S. 26. 1295 Ebd., S. 505. 1296 Ebd., S. 26, 28–29. 1297 Stock, Kleine Franckfurther Chronick, S. 59.
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notwendig gewordenen Stadtvergrößerungen zusammen, weil Stadtmauer, Wälle und Gräben erneuert und vergrößert werden mussten. Neben der Sicherheit der Wehranlagen betonten die Chronisten – mit einem gewissen Stolz – für die Frühzeit Frankfurts das stetige Anwachsen und die Vergrößerung der Stadt, wie beispielsweise bei Maximilian Faust von Aschaffenburg in seiner Frankfurter Chronik (1624): Nachdem Frankfurt 1330 das zweite Messeprivileg erhalten habe, habe die Stadt „dardurch von tag zu tag an Einwohnern dergestalt zugenommen“, dass die Menschen abermals vor den Ringmauern wohnen mussten, bis schließlich Kaiser Ludwig dem Frankfurter Magistrat 1333 ein Privileg erteilt habe, „die statt und vorgebeue in eine mauer einzufaßen, mit thürmen, wällen, und gräben zu befestigen.“ Diese Stadterweiterung geschah „mit mauern, die so dick, daß zwen gewapneter männer auff dem absatz neben einand herumb gehen können“, sowie mit weiten und tiefen Wassergräben, Wällen „und auch sehr vielen thürmen“.1298 1390 sei Sachsenhausen laut Auskunft der Frankfurter Chronistik ebenfalls mit einer Mauer umgeben worden.1299 Vermerkt wurde auch der Beginn des Mauerbaus um die Neustadt bei der Weißfrauenkirche1300, und dass 1343 „die vorstatt mit gräben umbfassen, und der alten Statt annectirt worden“1301 sei. An dem zunächst noch recht kleinen Örtchen Frankfurt sei damals mit der Vergrößerung begonnen worden. Man habe den Ort „mit schönen Gebäuen gezieret, mit Wällen, Pasteyen und Aussenwercken“1302 versehen. Die Stadt sei nach und nach „mit doppelten stattmauern und vielen thürmen und feinen wellen in und außwendig“1303 versehen sowie mit „waßer wohlerfüllten gräben befriedet“1304 worden. Zudem erfolgte in den ausformulierten Abschnitten zumeist eine allgemeine Einschätzung und Darstellung der zum Zeitpunkt des Verfassens vorhandenen Befestigungsanlage. Die Chronisten berichteten über die wichtigen Stationen in der Baugeschichte der Frankfurter Stadtbefestigung und machten trotz des chronistisch-sachlichen Schreibstils gelegentlich auch Bemerkungen über besonders große, bedeutende oder wehrhafte Anlagen. Die Chroniken verbreiteten durch ihre Ausführlichkeit sowie durch Bewertungen, Vergleiche oder Kommentare das Bild von einem 1298 Frankfurter Chronik von Maximilian Faust von Aschaffenburg, S5/74, fol. 30. 1299 Schile, Chronica Francofurtensis Pars Prima, S5/4, Eintrag zum Jahr 1390. 1300 „Eodem anno [1343] murus novi oppidi prope claustrum poenitentum inceptus est.“ Lautet es auch auf Latein in den Annales Reipublicae Francofurtensis (Laufzeit: 744–1698, verfasst: 1571–1698), ISG: Chroniken S5/1, fol. 11r. 1301 Schile, Chronica Francofurtensis Pars Prima, S5/4, Eintrag zum Jahr 1343. 1302 Florian, Chronica, S. 15. Wortwörtlich findet sich diese Beschreibung bereits in der handschriftlichen Geschriebenen Franckforther Chronic von 1703 (nicht fol., S5/60). 1303 Fragment einer Frankfurter Chronik, S5/25, fol. 3r. 1304 Ebd.
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sicheren Frankfurt zur Zeit seiner Entstehung und Vergrößerung im Hoch- und Spätmittelalter sowie am Beginn der Frühen Neuzeit, als man 1524 „ein Bollwerck gebaut“1305 habe. Frankfurt sei sogar die „Stadt mit denen vielen thürmen genennet worden“1306, eine Beschreibung, die ebenfalls immer mal wieder im Frankfurter Städtelob auftaucht. Die Frage, wer wen rezipiert hat, wird heute wohl nicht mehr zu klären sein. Mit Sicherheit ist jedoch davon auszugehen, dass Chronisten und Verfasser von Stadtlobgedichten einander rezipierten und Inhalte teilweise wortwörtlich übernommen haben. Sowohl die Chroniken als auch die Stadtlobgedichte vermittelten dem Leser, dass die Stadt in Kriegs- und Friedenszeiten ihre Einwohner vor allen Gefahren beschützen könne und sich auf Freund und Feind einstelle. Das Lobgedicht eines Unbekannten von 1675 macht dies besonders deutlich: Hier zwantzig Pforten seynd in gantzer Stadt und Mauren/ Uff das der Neid und Feind die Stadt nicht kan belauren/ So wird der Grab und Wall seyn aller Feinde Trutz/ Der Stücke Donner-Knall nächst Gott ein starker Schutz./ Zur Kriegs- und Friedeß-Zeit ist sie mit Wehr und Waffen/ Genug und bald bereit: Die Sach ist so beschaffen/ Es komm Freund oder Feind zu Liebe oder Leid/ Wers gut und böse meint, der findet hier Bescheid.1307
Ein weiteres Gegenbeispiel zur oben beschriebenen Abwehr- und Verteidigungshaltung Frankfurts ist das Gedicht von Christoph Petschke, der weniger die Wehrhaftigkeit der Stadt in den Mittelpunkt stellte als vielmehr ihr Drängen auf Frieden und Sicherheit: „O GOTT, du frommer GOTT, der du mit so viel Segen/ Die Stat beschützet hast […], zerbrich der Feinde Joch/ Daß sie auff dessen Halß in dunklen Kammern schnitzen/ Laß Fried und Sicherheit in ihren Mauern sitzen.“1308 Es ging Petschke offenbar weniger darum, die Feinde mit Waffen und Geschützen gewaltsam zu bekämpfen, sondern friedliche und gewaltfreie Lösungen zu finden. Zentral für die publizistisch-literarische Darstellung Frankfurts im 16. und frühen 17. Jahrhundert erweist sich damit die Schutzfunktion der Stadt als friedliebende Beschützerin ihrer Einwohner. Auch die gedruckten Reisebeschreibungen verwiesen auf den Schutz- und Sicherheitscharakter der Befestigungsanlagen für die Bürger und Einwohner Frankfurts. Cosimo Prie, der 1667 Cosimo III., Großherzog der Toskana, auf seiner Reise begleitete und diese schriftlich festhielt, bemerkte „gute, moderne Befestigungen […], angelegt vom Schwedenkönig Gustav Adolf und rasch fertiggestellet, 1305 Adam Schile: Chronica Francofurtensis. Pars Tertia. Laufzeit: 1500–1597. ISG: Chroniken S5/6, Eintrag zum Jahr 1524. 1306 Fragment einer Frankfurter Chronik, S5/25, fol. 3r–3v. 1307 Lobgedicht eines Unbekannten, 1675. 1308 Petschke, O edles Franckfurt, 1657.
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bestehend in elf Hauptbasteien nebst ihren Unterwällen, Gräben, Gegenwällen, Vorschanzen und Halbmonden, alles wohl angelegt, sodaß sie heute für eine der festesten Städte des Reiches gilt“.1309 Ein Beispiel dafür, dass die Schutzfunktion auch im 18. Jahrhundert zumindest in den Stadtbeschreibungen noch eine gewisse, wenn auch deutlich geringere Rolle spielte, ist Johann Bernhard Müllers Text von 1774. Er beschreibt die Stadterweiterung durch Ludwig den Deutschen (um 806–876 in Frankfurt), der Frankfurt „mit Mauren, Wäll und Gräben versehen“ habe, sowie die Aus- und Umbauten von 1333, als damit begonnen wurde, „alte Mauren, Thürne [sic] und Gräben niederzureissen, mithin die ganze Stadt in eine Gleichheit zu versetzen, und mit Wall, Gräben, Thor und Festungs-Wercker zu versehen“.1310 Ausführlich und jedes einzelne Ereignis wie Bau-Etappen und Erweiterungen der Stadt(-Befestigung) erwähnt die Stadtbeschreibung von Johann Heinrich Faber (1788) im chronologischen Teil. Sie enthält aber auch ein eigenes Kapitel über die „Vestungswerke“.1311 Die inhaltliche und sprachliche – teils wortwörtliche – Ähnlichkeit zu dem Kapitel „Von der Eintheilung und inneren Beschaffenheit der Stadt“ aus Müllers Stadtbeschreibung sticht geradezu ins Auge. Es ist davon auszugehen, dass Faber Müller entweder rezipiert und Inhalte von ihm übernommen hat oder beide dieselben Quellen benutzt haben. Die gute Befestigung und Wehrhaftigkeit Frankfurts dienten in einer 1796 anonym erschienenen Stadtbeschreibung sogar als Erklärung für das mittelalterliche Privileg der Königswahlen und Kaiserkrönungen: „Ohne Zweifel hatten die deutschen Fürsten diese Stadt darum zur Kaiser-Wahlstadt erkieset, weil sie grösser, volkreicher und besser befestiget war, als ihre benachbarten Schwestern.“1312 Der Autor verwendete über zwei Seiten darauf, die Geschichte und Entwicklung der Frankfurter Befestigung, ihre Wirksamkeit und Effizienz zu erörtern. Demnach galten die Stadt Frankfurt und ihre vorhandenen Befestigungswerke, „so unbedeutend sie auch in unsern Zeiten und im Verhältnisse mit der heutigen Taktik sind“, zu jener Zeit, als man noch kein Schießpulver kannte und die Kriegskunst noch nicht so stark entwickelt war, als es noch keine stehenden Soldaten gab und man während der sogenannten Fehdezeit nur mit einem eilig „zusammen geraften Haufen Krieger“ Krieg führte, als eine „sehr wohl befes1309 Geisenheimer, Ein italienischer Reisebericht über Frankfurt aus dem Jahre 1667, S. 51. Im Original heißt es: „Baluardi reali, con sua falsa braca, fossa, contrascarpa, rivellini e mezze lune.“ 1310 Müller, Beschreibung des gegenwärtigen Zustandes, S. 17. 1311 Faber, Topographische, politische und historische Beschreibung, Erster Teil, S. 44–45. 1312 Siehe für diesen und den folgenden Absatz: Vertraute Briefe über verschiedene freie deutsche Reichs-Städte, Erster Brief über Frankfurt am Mayn, S. 79–81.
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tigte Stadt“. Der Autor hatte auch die Frankfurter Stadtchronistik rezipiert und eine Passage aus der Lersner-Chronik zitiert, laut derer durch Graben und Mauer diese längliche Stadt „wider die Rüstzeug und Sturmbök, so damalen im Krieg gebräuchlich, bewahrt gewesen“ war. Der Autor betonte aber auch den Zusammenhang zwischen einer starken und effektiven Befestigungsanlage und dem Reichtum einer Stadt. So musste „eine Stadt, die im Stande war, so beträchtliche Festungs-Werke anzulegen, so starke Mauern in einem so weiten Umkreise zu bauen“ schon eine sehr „vermögende, eine wohlstehende Stadt seyn“. Um den Sicherheitsgedanken zu betonen, gehörten zum Frankfurt-Bild nicht nur feste Mauern und Bollwerke, sondern auch Notsituationen, Niederlagen und Rückschläge, die der Rat nach Ansicht der Chronisten und Stadtbeschreiber durch eine geschickte Friedens- und Verteidigungspolitik zu entschärfen verstand. Als zum Beispiel im Oktober 1688 die Franzosen Oberrad, Niederrad sowie südlich der Stadtmauern gelegene Höfe verwüsteten, hätten der Rat und die gesamte Bürgerschaft beschlossen, alle Lust-Häuser, Gärten, Bäume und das Mauerwerk um die gesamte Stadt und Sachsenhausen „auf siebenzig Ruthen einzureissen“, um „alles für ihre Freyheit zu wagen“, die Stadt besser verteidigen zu können bzw. „die Fortification in bessern Stand zu bringen“.1313 Den Verlust ihrer „Ergötzlichkeit und Gärten“ konnte die Bürgerschaft nach Aussage von Lersner wesentlich eher hinnehmen, „als in ihrer Ringmauer einem unerträglichen Feind eine allzukostbare und ihre Güter und Freyheit verschlingende Wohnung“ zu errichten.1314 Allerdings hat sich das Bild von der „berühmten Festung und Stadt Frankfurt“1315 nur sporadisch in die Reiseliteratur des 18. Jahrhunderts übertragen, womit zunehmend das Ansehen Frankfurts als Stadt mit einer politisch und gesellschaftlich stabilen Verfassung gemeint war. Übrig blieben allein die zahlreichen stereotypen und kurzen Beschreibungen von Frankfurt als einer „festen Stadt“.
2.2.2 Freiheit Weil Frankfurt weder geistliche noch weltliche Residenz war, konnte sich die Stadt – ebenso wie beispielsweise Nürnberg – „in kontrollierter Distanz zu expansionsbestrebten Territorialmächten entwickeln“1316, wie Eser für Nürnberg kons1313 Lersner, Der Weit-berühmten freyen Reichs-Stadt Franckfurt am Mayn Chronica, S. 409. 1314 Ebd. 1315 Georg Karo/Moritz Geyer (Hrsg.): Vor hundert Jahren. Elise von der Reckes Reisen durch Deutschland 1784–86 nach dem Tagebuche ihrer Begleiterin Sophie Becker. Stuttgart 1884, S. 165. 1316 Eser, „Deutschlands Nabel“, S. 33.
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tatiert hat. Im Gegensatz zu denjenigen Territorien, die Reichsfürsten unterstanden und deren obrigkeitlichem Verhalten und Gebaren ausgesetzt waren, musste Frankfurt kein Untertanenverhältnis eingehen. Allerdings blieben im publizistischen Stadtbild die Umstände und Gegebenheiten des Reichsstadt-Status außen vor, denn aus dieser Stellung konnten auch Nachteile entstehen, nicht zuletzt die Abhängigkeit von der Gunst und den Privilegien des Kaisers. Somit war Frankfurts Unabhängigkeit wohl nie ernsthaft gefährdet, auch wenn der Einfluss des Kaisers zumindest implizit immer präsent war und die kaiserlichen Kommissionen mehr als einmal innerstädtische Konflikte lösten.1317 Diese Freiheit Frankfurts war auch stereotyper Bestandteil des Stadtbildes und wurde erstmals von dem Humanisten Paul Schede (Melissus) angedeutet, der Frankfurt als die zentrale Stadt im Reich rühmte und aufgrund ihrer Freiheiten als eine Art Hauptstadt betrachtete. Dabei stützte Schede sein Lob durch einen Vergleich mit anderen bedeutenden Städten Europas wie Rom, Neapel oder Paris: „Urbs Atticorum olim velut/ Hellas, vocata est Helladis/ Orbisque Roma totius/ Quoddam quasi compendium/ Formosa ceu Neapolis/ Italia dicta est Italiae: Ut Galliae nunc Gallia/ Dici potest Lutetia:/ Sic Francofurtum Nundinas/ Propter frequentes, nomino/ Germaniam Germaniae.“1318 Schede hob Frankfurt gemeinsam mit dem antiken Rom und Hellas als „Weltstadt“ hervor. Auch Hans Sachs sprach in seinem Lobspruch die von den Kaisern verliehene Freiheit in Form zahlreicher Privilegien an: „Die mit kaiserlicher freiheit/ Pegabet ist vor langer zeit.“1319 Sachs richtete sich stark nach der Historiographie, schrieb überwiegend in chronikalischer Form und erinnerte an die bedeutendsten Ereignisse der Stadt. Dazu zählten auch wichtige, durch die jeweiligen Herrscher verliehene Privilegien an Frankfurt.1320 Während im 17. Jahrhundert der Freiheits-Aspekt keine große Rolle mehr spielte, tauchte er im 18. Jahrhundert noch einmal auf. Frankfurts politische Situierung als reichsunmittelbare Stadt habe nach Ansicht von Friedrich Andreas Walther zu dessen herausgehobener Position im Reichsverband beigetragen, 1317 Zum Beispiel den Fettmilch-Aufstand oder die Verfassungsstreitigkeiten im 18. Jahrhundert. Siehe hierzu Kapitel I.2.4 „Frankfurts gesellschaftspolitische Entwicklung in der Frühen Neuzeit“. 1318 Paul Schede (Melissus): Gleichwie Hellas/Urbs Atticorum (ca. 1570–1580). Deutsche Übersetzung: „Gleichwie Hellas im Griechenland/ Gantz Griechen ist worden genannt/ Gleichwie Rom die Welt praesentiert/ Und die gantz Welt genennet wird/ Gleich man Neapolin die Stadt/ Italien geheißet hat/ Und gleich wie jetzt in Gallia/ Gantz Frankreich ist Lutetia:/ Also Franckenfurth heut zu Tag/ Man dich ganz Teutschland nennen mag/ Von wegen deiner Herrlichkeit/ Der Messen und ander Freyheit.“ 1319 Sachs, Ain lobspruech, S. 399. 1320 Ebd., S. 400.
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wie sein Lobgedicht aus der Mitte des 18. Jahrhunderts verdeutlicht: „Die Freyheit heißt dich ewig dauren/ Durch sie erringest du den Preiß:/ Du kennst kein donnerndes Gebieten/ Kein Frevler pflanzt durch Mord und Wüten/ In deinem Schoose seinen Thron:/ Drum bleibt dein Wohl im Gleichgewichte.“1321 Aufgrund ihrer Entwicklung und bedeutenden Stellung im Reich sprach Walther der Stadt sogar eine Vorbildfunktion für andere Städte und Länder zu: „Und bist der Völcker Lehrerin.“1322 Aufgrund der Ämterverteilung und Kontrollinstanzen durch Bürgerausschuss, Schöffenrat und zwei Bürgermeister kannte auch Alois Wilhelm Schreiber 1791 „ausser Hamburg keine deutsche Stadt, in welcher so viele bürgerliche Freiheit anzutreffen wärʼ, als in Frankfurt“.1323 In diesen Darstellungen zeigt sich teils offensichtlich, teils latent die große Bedeutung der Freiheit, die Frankfurt aufrechterhalten wollte und die fest zum Stadtbild dazugehörte. Auch die Stadtbeschreibungen des 18. Jahrhunderts enthalten Kapitel über „Bündnisse und geführte Kriege“, die Hinweise auf das Streben nach Sicherheit und Frieden von Seiten Frankfurts geben und auf dessen sichere Position als autonome und selbstverwaltete Reichsstadt verweisen. So schreibt Faber, dass diese Freiheit Frankfurt ermögliche, „als einer vor sehr vielen andern jederzeit frey gebliebenen Stadt“, sich ihre Sicherheit durch Bündnisse mit „grossen Herren und andern Städten nach Gefallen zu verschaffen“.1324 In den Reiseberichten und Lexikon-Einträgen über Frankfurt aus dem 18. Jahrhundert spielt der Freiheitsgedanke keine große Rolle mehr. Er trat erst wieder um 1800 deutlicher hervor, als Frankfurt zeitweilig unter französischer Besatzung stand und die Napoleonischen Kriege sowie das verfassungsmäßige Ende des Alten Reiches die reichsrechtliche Stellung Frankfurts zu verändern und einzuschränken drohte.
2.2.3 Nachbarschaft und Freundschaft Johann Steinwert von Soest betonte 1501, dass das nachbarschaftliche Verhältnis und außenpolitische Gebaren der Handelsstadt durch Freundlichkeit geprägt sei und „getzenck und lydderlich[keiten]“ vermieden werden sollten, „dan frontschafft mag eyn stat alleyn/ Behalten und eyn gantz gemeyn/ War frontschafft trw nyt will bysten/ Dar mossen land und lutt vergen/ Das kraut trw frontschafft 1321 Walther, Die Vorzüge der Stadt Franckfurt am Mayn. 1322 Ebd. 1323 [Alois Wilhelm Schreiber:] Bemerkungen auf einer Reise von Strasburg bis an die Ostsee. Im Sommer 1791. Zweite Hälfte: von Frankfurt bis zur Ostsee. Leipzig 1794, S. 19. 1324 Faber, Topographische, politische und historische Beschreibung, Zweiter Teil, S. 440.
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seltsam ist/ Wer frontschafft hott zu dysser frist/ On tzwifel hott eyn starcken ruck/ In dysser tzyt myt grossem gluck.“1325 Ein friedlicher Umgang innerhalb der Stadt sowie mit anderen Städten und Landesherren – im Sinne eines diplomatischen Handelns – gehörte im frühen 16. Jahrhundert genauso zum Frankfurter Stadtbild wie eine militärische Wehrhaftigkeit und Stärke. Im Frankfurt-Bild kristallisierte sich zumindest für das 16. und 17. Jahrhundert an einigen Stellen ein Sicherheitsaspekt heraus, der ein sehr gutes Verhältnis zur Umgebung, zu den umliegenden Städten, Fürsten und Landesherren beinhaltete, wie Johann Rudolf Karst 1662 beschrieb. In seiner Darstellung scheint Frankfurt bei allen beliebt zu sein und „alle Nachbarn umb dich her sind von Hertzen dir gewogen/ Ja, du hast der Fürsten Gunst mit belieben angezogen“.1326 Der sehr ausführliche Eintrag in der Gebhard-Chronik zum Einzug des Schweden-Königs Gustav Adolf in Frankfurt im Jahr 1631 verdeutlicht nicht nur stereotyp, sondern auch konkret und anschaulich das Bemühen von städtischer Seite um eine neu trale, auf Frieden angelegte Einstellung und Politik des Stadtrates.1327 Im 18. Jahrhundert hatte eine auf Frieden und Freundschaft ausgelegte Einstellung Frankfurts zumindest im publizistischen Frankfurt-Bild allerdings keine große Relevanz mehr, obwohl die Stadt besonders in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts immer wieder militärische Angriffe, u.a. von den Franzosen, fürchten musste.1328
2.2.4 Wehrhaftigkeit – Ehre und Mut Neben Sicherheit und Friedenswahrung nach innen vermittelte das Stadtbild auch den Eindruck, dass sich Frankfurt für mögliche feindliche Angriffe wappnen sollte, um sich nach außen verteidigen und im Notfall auch angreifen zu können. Einer friedlichen Unschuld der Stadt stellten die Autoren ihre Tapferkeit und Standhaftigkeit gegenüber: „Die Stadt sie täten beschießen/ Des achten wir gar klein/ Man ließ sie’s wieder genießen/ Schenkt ihnen tapfer ein.“1329 Geduld sei eine Stärke Frankfurts, mit der es die Schmach eines militärischen Angriffs habe über sich ergehen lassen, kaisertreu geblieben sei und auf die Gnade Gottes hatte bauen können. In dem Gedicht eines unbekannten Verfassers geht es um den 1325 Steinwert von Soest, Eyn Spruchgedicht, S. 82–83. 1326 Karst, Neugebundener Lorbeer-Krantz, S. 17–27. 1327 Florian, Chronica, S. 122. 1328 Siehe hierzu Kapitel I.2.4 „Frankfurts gesellschaftspolitische Entwicklung in der Frühen Neuzeit“. 1329 Von der Belagerung der Stadt Frankfurt, 1552.
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Fürstenaufstand 1552, in dem sich die protestantischen Fürsten gegen Kaiser Karl V. gestellt hatten und die Stadt Frankfurt von den Truppen des sächsischen Kurfürsten Moritz belagert wurde. Drei Wochen lang konnte die Stadt erfolgreich verteidigt und die Belagerung abgewehrt werden. „Das evangelische Frankfurt, von kaiserlichen Truppen verteidigt, von evangelischen Fürsten belagert“, so formulierte Sigrid Jahns die „ganze Kompliziertheit der Lage, in der sich die Messestadt damals befand“.1330 Auch einen gewissen Stolz spricht der Verfasser dieses anonym gebliebenen Lobgedichts Frankfurt zu, weil es kaiserliche Reichsstadt geblieben sei, in der die Kaiser gewählt und gekrönt würden: „Es währt manch Nacht und Tagen/ Ist unsrer Sünden Schuld/ Dem Herren wollen wirʼs klagen/ Und warten mit Geduld./ Frankfurt mit den Genossen/ Warst du so gar verlorʼn/ Mit Feuer und Kugeln beschossen/ Allein du trägst entschlossen/ Die kaiserliche Kronʼ.“1331 Hans Sachs spricht in seinem Lobspruch von 1568 ebenfalls die erst wenige Jahre zuvor durchlittene Belagerung der Stadt von 1552 an und lobt den Mut, die Standhaftigkeit und Abwehrhaltung Frankfurts („die stat det dapfer gegen-wer/ Mit gschüecz der feinde grosem heer/ Etlich hern und adel erleget“), das mit Geduld und Entschlossenheit der Belagerung standgehalten habe.1332 Martinus Severus Venator betonte 1640 in seinem Lobgedicht besonders die stolze und wehrhafte Außenwirkung Frankfurts und Sachsenhausens: „Hier wie dort sind der Stadt Wehrkraft und Reichtümer gleich./ Stolz steht Frankfurt da, im Schmuck seiner ragenden Türme, Mauern und Waffen zugleich machen die Stätte berühmt./ Trefflich ist es gelegen, mit Wall und Graben befestigt/ Und keines Feindes Gewalt schreckt die gewappnete Stadt.“1333 Im Gegensatz zu der Mehrzahl an Lobschriften, die den Frieden und die Friedfertigkeit Frankfurts hervorhoben, erschien bei Severus die Stadt als hervorragend gerüstet und bewaffnet, furchtlos und für jeden Kampf bereit. Sie sei sogar furchteinflößend und abschreckend gegenüber dem Feind, „denn zahlreiche Geschütze, der Stimme des Donners vergleichbar/ Jagen den Feind in die Flucht, Schrecken verbreitend und Furcht“.1334 1330 Jahns, Frankfurt am Main im Zeitalter der Reformation, S. 198. 1331 Ebd. 1332 Sachs, Ain lobspruech, S. 401–402. 1333 Martinus Severus Venator, 1640. Die deutsche Übersetzung und das lateinische Original sind abgedruckt in Diehl, Frankfurt am Main im Spiegel, S. 225–228. Lateinisches Original: „Urbs utraque armis est opibusque potens./ Ostentat turres Francfordia nobilis altos/ Moenibus ac populis Urbs celebrata sat est. Est praeclara situ, fossis atque aggere multo/ Hostica nil saevi militis arma timet.“ 1334 Venator, 1640. Lateinisches Original: „Nam rupti tormenta sonos imitantia coeli/ Hostes propellunt, incutiuntque metum.“
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Über die sehr unruhigen Jahre 1448 und 1449, als Frankfurt „in großer fehde begriffen“1335 war, wurde auch in der Frankfurter Stadtchronistik über die Vorkehrungen der Stadt berichtet, die sie zur Verteidigung und Ausrüstung unternommen hatte, „wie dann viel Knechte angenommen, Korn, Salpeter, Schweffel, Kupffer und andere munition alhier und anderswo eingekaufft, auch zu Sachsenhaussen, uff dem Goltstein und zu Bonameß stark gebauet worden“.1336 Die Stadtchronistik betonte auch die Bedeutung einer guten Wehrhaftigkeit für die Posterität und ein angemessenes Ansehen Frankfurts aufgrund ihrer hervorgehobenen Stellung als Reichsstadt im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation.1337 Wenn auch eher selten, so wurde immerhin sporadisch darauf verwiesen, dass sich im Zeughaus „viel und mancherley Geschütze“1338 befinden würden. Doch bei genauerer Betrachtung erwähnte 1675 der anonyme Verfasser eines Flugblattes das umfangreiche Waffenarsenal der Stadt nicht als Symbol der Verteidigung, sondern als überflüssiges ‚Zeug‘: „Das Zeughauß daß ist zwar außwendig schön zusehen/ Inwendig aber gar gestecket voll versehen./ Zum großen überfluß mit Bomben und Canon/ Zum Sicht, Hieb oder Schuß, zur Stadt Munition.“1339 Auch die teilweise in den Lobschriften zitierten Verse über der Tür des Zeughauses betonen neben der Ausrüstung und Wehrhaftigkeit den Frieden als eigentliches Ziel der Stadt: „Viel besser ist ein gewisser Fried, Denn daß man hofft auf künfftigen Sieg“, „Felix haec urbs est, quae pacis tempore bellum, Ante oculos ponit & quae nocitura notat“ und „Glücklich ist die Stadt, wo man zur Friedenszeit/ Auch an den Krieg gedenckt, und sich darzu bereit“.1340 Auch die Stadtchronistik um 1800 hob weniger auf die Wehrhaftigkeit und militärische Stärke Frankfurts ab als vielmehr auf die Friedenspolitik des Magistrats und auf sein Verhandlungsgeschick, als die Stadt 1796 von den Franzosen unter General Kléber beschossen und „durch die ausserordentliche Bemühung des Magistrats gleich darauf capitulirt“1341 hatte. 1335 Gemeint ist eine Fehde zwischen Michel von Bickenbach und der Stadt um ein Lehen. Phi lipp der Junge von Frankenstein schloss sich aufgrund einer noch länger zurückliegenden Sache von Bickenbach an. 1336 Adam Schile: Chronica Francofurtensis Pars Secunda. ISG: Chroniken S5/5, Eintrag zum Jahr 1448. Fast wortwörtlich findet sich diese Beschreibung auch in Lersners gedruckter Chronica der weitberühmten freyen Reichs- Wahl und Handels-Stadt Frankfurth am Mayn. Zweiter Teil. Frankfurt a.M. 1734, S. 8. 1337 Ebd. 1338 Fürst, Herrn Georgen von Fürst Curieuse Reisen, S. 378. 1339 Lobgedicht eines Unbekannten, 1675. 1340 Ebd., S. 378–379. 1341 Philipp Jakob Döring: Neue Chronik von der freien Stadt Frankfurt am Main. Oder geschichtliche Erzählungen welche sich seit 1700 bis 1833 in Frankfurt zugetragen haben. Neue Auflage. Frankfurt a.M. um 1835, S. 69.
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Es bestand im Frankfurter Stadtbild offensichtlich ein enger Zusammenhang zwischen dem Streben nach Frieden, Sicherheit und Schutz im Inneren und der Wehrhaftigkeit und Verteidigung nach außen. Daneben wurden aber auch zahlreiche Texte verfasst, die die Wehrhaftigkeit und Verteidigung der Stadt gar nicht thematisierten. So trat der Wehrhaftigkeits-Topos auch nur gelegentlich in den Kosmographien auf, zumeist als kurze stereotype Floskel, wie das Beispiel der Civitates Orbis Terrarum (1572–1617) von Georg Braun und Franz Hogenberg zeigt. Frankfurt sei mit zur Verteidigung hervorragend geeigneten Bollwerken, Mauern, Wällen und Gräben umgeben.1342 Matthias Quad und Paul Hentzner erwähnten in fast wortwörtlicher Übereinstimmung Anfang des 17. Jahrhunderts stereotyp Frankfurts und Sachsenhausens gute Befestigung mit „starcken mauren unnd graben, pforten und thurne[n]“.1343 Die Verfasser handschriftlicher Reiseberichte gingen ebenfalls nur äußerst selten oder in stereotyper Form1344 auf die Wehrhaftigkeit der Stadt ein. Lediglich Maximilian Dufrêne SJ berichtete in seinem Reisetagebuch (1731/32) über die Reise des Herrn Carl Friedrich Erbprinz zu Fürstenberg 1731 von dem Frankfurter Zeughaus, „so an gewöhr, feuer Mörser, und anderen krieg nothwendigkeiten sehr wohl versehen“1345 sei. Im ausgehenden 17. und 18. Jahrhundert wurde die „feste Stadt“ Frankfurt nur noch selten erwähnt und die Beschreibungen erstarrten zu einer stereotypen Floskel. So firmierte Frankfurt in der Reiseliteratur und den Lexikoneinträgen stereotyp als „grosse und befestigte Reichs-Stadt“1346, „ziemlich feste freye Reichs-Stadt“1347, als „wohlbefestigte Reichs-Stadt“1348 oder: „Es sind beyde sehr
1342 Georg Braun/Franz Hogenberg (Hrsg.): Civitates Orbis Terrarum. Köln 1572–1618, S. 95. 1343 Matthias Quad: Teutscher Nation Herligkeitt: Ein außfuhrliche beschreibung des gegenwertigen, alten, und uhralten Standts Germaniae. Köln 1609, S. 170; Hentzner, Itinerarium Germaniae, S. 8. 1344 Zum Beispiel ein Görlitzer Adeliger in seiner Reisebeschreibung von ca. 1725: „Frankfurt am Mayn es ist eine große und feste Stadt.“ Vgl. Bericht eines Görlitzer Adligen über seine Reise nach den Niederlanden, Paris und Versailles. O.O. um 1725, fol. 50. SLUB: Mscr. Dresd. App. 2177. 1345 Dufrêne, Tagebuch über des Erbprinzen Carl Friedrich zu Fürstenberg Reisen, fol. 15r. 1346 Hübner, Reales Staats- und Zeitungs-Lexicon, Sp. 434. 1347 Denkwürdiger und nützlicher Antiquarius des Neckar- Mayn- Lahn- und Mosel-Stroms. 2. Bd. Frankfurt a.M. 1740, S. 316. 1348 Historisch-Politisch-Geographischer Atlas der ganzen Welt, Sp. 1812.
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wohl bevestiget und zierlich gebauet“.1349 Sachsenhausen erfuhr hin und wieder auch den Zusatz, dass es „absonderlich befestiget“1350 sei.
2.2.5 Veraltete Bauwerke: Gärten statt Mauern Mitte des 18. Jahrhunderts ließ die Betonung der Wehrhaftigkeit und Friedfertigkeit Frankfurts im Stadt-Bild nicht nur nach, sondern die Verteidigungsmöglichkeiten verloren auch an Ansehen. Der abnehmende Sicherheits- und Verteidigungsaspekt und die Kritik an unzweckmäßigen Wallanlagen gingen ab 1750 in den Stadtbeschreibungen, den Lexika sowie den Reiseberichten mit einem Fokusund Funktionswechsel einher. Die Wälle seien mittlerweile „durchgehends mit Linden besetzt, und also zu Spazieren gar bequem und annehmlich“.1351 Oben am Main umschlossen die Festungswerke das Fischerfeld, „welches zum Scheibenschiessen und andern Lustbarkeiten gebraucht“ wurde. Unterhalb des Mains, am anderen Ende der Befestigungswerke, „siehet man die dazwischen angelegte Baum- und Wandalleen, welche der Stadt zur Zierde und denen Spazierengehenden zum großen Vergnügen gereichen“.1352 Zwar erwähnte Müller in seiner Stadtbeschreibung von 1747 die Bastionsund Wallanlagen einerseits als besonders widerstandsfähig und stark, verwies andererseits aber auch auf ihre neue Funktionalität als Vergnügungs- und Freizeitzweck. Von dem Wall des Allerheiligen-Tores könne man etwa „den wegen seiner schönen Aussicht und Einrichtung angenehmsten Frohnischen Garten“1353 sehen. Komme man an das andere Ende „dieser Wercker“ unterhalb des Mains vor das Galgentor, könne man in den dazwischen angelegten angenehmsten Baum- und Wand-Alleen spazieren gehen, „welche der Stadt zur schönen Zierde gereichen, und den Einheimischen sowohl als Fremden wegen Verschiedenheiten der Gängen, der Aussicht und der Promenirenden ein abwechselndes durchgängig annehmliches Vergnügen geben“.1354 1764 bemerkte der Herr von Blainville, dass die an der Vorder- und Nebenseite der Bastionen eingefügten Schießlöcher „ganz unnützlich zu seyn“ scheinen, 1349 Christian Weise: Neu-vermehrte Teutsche Staats-Geographie: Worinnen Aller in Europa sich befindenden Potentaten und Republiquen samt dero zugehörigen Städten enthalten und vorgestellet werden. Frankfurt a.M./Leipzig 1693, S. 988. 1350 Johann Hübner (Hrsg.): Reales Staats- Zeitungs- und Conversationslexicon. 10. Aufl. Leipzig 1722, Sp. 695. 1351 Dietmann/Haymann, Neue Europäische Staats- und Reisegeographie, S. 656. 1352 Ebd. 1353 Müller, Beschreibung des gegenwärtigen Zustandes, S. 25. 1354 Ebd.
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weil es „unmöglich ist, das Eindringen des Wassers zu verhindern“.1355 Darüber hinaus beschrieb er die Vor- und Nachteile der Bauweise der Verteidigungsanlagen.1356 Friedrich Justinian von Günderrode verwies wiederum 1783 darauf, dass Frankfurt zwar „ziemlich stark befestiget, aber nicht hinlänglich mit Besatzung versehen“1357 sei. Im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts verschwanden die Festungswerke dann sukzessive aus dem topographischen wie literarischen Stadtbild Frankfurts, als Johann Friedrich Karl Grimm 1775 auf seiner Suche nach Pflanzen und Kräutern lediglich kurz erwähnte, dass auf den „alten Mauern der Festungswerke […] die Kresse“1358 wachse und blühe. Ein anonymer Autor kritisierte 1791 die Festungswälle und den Wassergraben aus einer gänzlich unmilitärischen Sicht, indem sie den „frischen Zug der Winde“ hemmen würden und die Stadt immer unter einer „dichten Dunstsäule“ liege.1359 Strategisch seien in Anbetracht der jetzigen großen, stehenden Heere der europäischen Mächte die Frankfurter Festungen „zu viel und zu wenig“ und die Reichsstadt werde sich auch wohl nie gegen ein Kriegsheer verteidigen wollen. Außerdem könnten durch die Schleifung der Bollwerke „weitläuftigere Wohnplätze“ geschaffen werden. Der Verfall und die „Ungesundheit der Stadt“ würden durch einen Mangel an Wohnraum verschlimmert. Die steigenden Hausmieten würden die Einwohner, besonders die nicht so wohlhabenden Berufsgruppen, aber auch Künstler und Handelsleute aus Frankfurt vertreiben.1360 Auch auf die Einwände seines vermutlich fiktiven Briefpartners bezüglich der anfallenden Kosten für die Schleifung der Wallanlagen hatte der Autor eine ausführliche Rechnung parat, die zugunsten neuer Investitionen ausfiel, etwa durch den Verkauf von Bauplätzen, durch Grundzinsen, wegfallende Kosten für Geschütze, Kanoniere und Wachposten. Dennoch müsse die Stadt – insbesondere in ihrer Funktion als Wahl- und Krönungsort – ihrem Schutzauftrag auch weiterhin nachkommen und für eine gute „Polizeyordnung und unverletzte Sicherheit alles Gesandschaftsgefolges gesorgt werden“.1361 Johann Heinrich Gottlob sah in seiner Reisebeschreibung von 1791 die Situation bezüglich der Stadtbefestigung ähnlich. Er vermutete, dass die „Wälle und Graben […] ungeheure Kosten verursacht haben [müssen], die nun unnütz 1355 Blainville, Des Herrn von Blainville Reisebeschreibung, S. 152. 1356 Ebd. 1357 [Friedrich Justinian von Günderrode:] Beschreibung einer Reise aus Teutschland durch einen Theil von Frankreich, England und Holland. Zweiter und letzter Teil. Breslau 1783, S. 312. 1358 Grimm, Bemerkungen eines Reisenden durch Deutschland, Dritter Teil, S. 558. 1359 Etwas über Frankfurt, S. 11. Siehe auch für die folgenden Zitate S. 11–37. 1360 Ebd., S. 28. 1361 Ebd., S. 37.
Schutz und Sicherheit nach innen und außen
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sind – denn, Gott bewahre, daß Frankfurt jemals mit seinen unermeßlichen Gütern als eine Festung angesehn oder behandelt würde!“1362 Umso mehr gefiel es ihm, dass man, wie bereits in Gotha, damit begonnen hatte, Gärten auf den Wällen und Außenwerken anzulegen. Außerdem würde es zur Gesundheit der Einwohner beitragen, wenn der stinkende Stadtgraben ganz zugeschüttet und in Gärten verwandelt werden könnte.1363 Zudem glaubte Chr. Wölfling 1795 – entgegen offenbar geäußerter Bedenken – nicht, „daß Frankfurth durch die Schleifung der Festungswerke in unsern Tagen um die Rechte einer Krönungsstadt kommen würde“.1364 Stattdessen würde diese „festungsmäßige Verfassung“ die Einwohner der schönsten Abendpromenaden berauben.1365
Abb. 18: „Prospect vor dem Schau-Main Thor.“ Garten- und Landhäuser des Unter- und Schaumainkais. Aquarell von Johann Caspar Zehender, um 1775.
In diesen Kanon der überflüssigen, stinkenden Stadtgräben und Festungswälle stimmte in Anbetracht der Friedenszeit 1799 Freiherr Johann Isaak von Gerning mit ein, der sich wünschte, dass „die dunstenden Stadtgräben und Wälle verschwinden, und angenehm-nützlichen Anlagen, Anpflanzungen, wie zu Aschaffenburg, Leipzig und andern Orten, Platz machen möchten“.1366 In einem weiteren Brief über „Frankfurts Bürgerglück und Cultur“ betrachtete von Gerning 1803 schließlich das „Niederreißen der für Frankfurt so manches Unheil schuldenden Wälle“1367 als eine Verschönerung der Stadt. Die Wehranlagen und Wälle wurden 1362 Hermann, Bemerkungen auf einer Reise von Gotha nach Mainz, S. 79. 1363 Ebd., S. 80. 1364 Wölfling, Reise durch Thüringen, S. 24. 1365 Ebd. 1366 Gerning, Skizze von Frankfurt am Mayn, S. 242–243. 1367 Gerning, Blick auf Frankfurts Bürgerglück und Cultur, S. 68.
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nicht mehr nur als überflüssig, hässlich, stinkend und gefährlich dargestellt, sondern ihr Verschwinden habe zu einer Verschönerung geführt und somit einen positiven Aspekt für die Stadt gehabt. Von einer Schutz- oder Sicherheitsfunktion ist am Ausgang des 18. Jahrhunderts schon lange keine Rede mehr in den publizistischen Quellen. Denn auch die Lexikon-Einträge um 1800 spiegeln die bedeutende Änderung sowohl im historisch-topographischen als auch im literarisch-publizistischen Stadtbild wider. So sei außerordentlich viel zur Verschönerung Frankfurts gemacht worden, indem „ihre alten Festungswerke in geschmackvolle englische Anlagen u. freundliche Straßen umgewandelt“1368 worden seien.
2.2.6 Zusammenfassung Das Stadtbild eines wehrhaften und sicheren Frankfurts durchlief eine interessante Entwicklung. Angefangen mit der Herausbildung einer Stadtummauerung im Mittelalter, auf die man in der Frühen Neuzeit sehr stolz war, ging es weiter mit dem Anwachsen der Stadt. Neue Mauern und Befestigungswerke waren für eine sichere Verteidigung notwendig. Das galt auch noch für das Frankfurt-Bild im 16. und 17. Jahrhundert. Während bis zur Mitte des 17. Jahrhunderts – die Erfahrungen des Dreißigjährigen Krieges haben hier sicherlich ihre Spuren hinterlassen – die reichsstädtische, politische und wirtschaftliche Freiheit noch durch Kriege, Kämpfe und Wehranlagen verteidigt werden sollte und die Stadt entsprechend dargestellt wurde, sollte dies später verstärkt durch wirtschaftliche und kulturelle Autonomie und Standhaftigkeit bzw. durch politisch-diplomatisches Verhalten erreicht werden. Damit ist der Studie von Möbius über das Gedächtnis der Reichsstadt zuzustimmen, dass es bei den Verfassern von Stadtbeschreibungen auch zu einer radikalen Abwehr von der Propagierung kriegerischer Taten und zu einer Betonung des Friedensgebotes kommen konnte.1369 Für Frankfurt zeigen sich beide Aspekte etwa gleichbedeutend nebeneinander – sowohl die verteidigende Stärke als auch die Friedenswahrung. Die Wall- und Verteidigungsanlagen verloren in puncto Sicherheit, Wehrhaftigkeit und Verteidigung zwar im – literarischen wie architektonischen – Stadtbild von Frankfurt deutlich an Bedeutung, bekamen dafür aber einen ästhetischen und gesellschaftlichen Mehrwert zugeschrieben. Im Laufe des 18. Jahrhunderts 1368 Benjamin Ritter: Geographisch-Statistisches Comptoir- und Zeitungs-Lexicon oder Beschreibung aller bekannten Länder, Meere, Städte. Zweite Ausgabe. Leipzig 1838, S. 358. 1369 Möbius, Das Gedächtnis der Reichsstadt, S. 108.
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mussten und sollten die Bollwerke wieder zurückgebaut werden. In dem publizistischen Diskurs entwickelte sich eine rege Diskussion darüber, dass die Gräben und Bollwerke keinerlei Funktion mehr hätten. An die Stelle von Sicherheit und Verteidigung traten insbesondere im ausgehenden Jahrhundert Lebensqualität, Ästhetik und ein gewisses Qualitätsempfinden. Frankfurt wurde in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts nicht mehr als gut befestigte Stadt oder Festung angesehen, sondern als eine offene bürgerliche Stadt, in der die Befestigungsanlagen und Wälle dem Freizeitvergnügen und gesellschaftlichen Versammlungsplätzen weichen sollten.
2.3 Von Tugenden, Gerechtigkeit und Frieden 2.3.1 Weiser Magistrat, tugendhafte Bürger, gerechte Verfassung Auf der einen Seite die außenpolitische Betrachtung als wehrhaft und sicher, spielte auf der anderen Seite auch die innenpolitische Prägung im FrankfurtBild zunächst eine große Rolle. Im Frankfurter Städtelob wurden ein weise und vorausschauend handelnder Stadtrat sowie tugendhafte und fleißige Bürger in stereotyper Weise hervorgehoben. Bedingt durch die Traditionslinien der literarischen Gattung des Städtelobs gehörten die Regierung, die Handlungsweise von Magistrat und Einwohnern zum Kanon und Frankfurter Stadtbild dazu. Vom Städtelob ausgehend, fand dieser Topos zunächst noch Eingang in die Stadtchronistik und kosmographisch-geographischen Stadtbeschreibungen, im 18. Jahrhundert jedoch nur noch vereinzelt in die Reiseliteratur. Die Stadt als Friedens- und Rechtsraum war ein Topos, dessen sich die Autoren von Stadtlobgedichten bereits im Hochmittelalter und besonders im Humanismus immer wieder bedienten. Als ein frühes Beispiel hat Klaus Arnold ein Lobgedicht auf Erfurt1370 aus dem späten 13. Jahrhundert untersucht und dabei festgestellt, dass die Bürger als „friedliebend“ und der Rat als „weise regierend“ dargestellt wurden.1371 Am Beginn des literarisch-publizistischen Diskurses über Frankfurts Tugenden stand vermutlich Johann Steinwert von Soests Städtelob aus dem Jahr 1501. Im Hinblick auf die innerstädtische Ordnung herrschten nach seiner Darstellung bezüglich Rechtsprechung und Politik klare und geordnete Verhältnisse in der Reichsstadt, unter denen jeder gut leben konnte: „Sy syn alsampt der eeren wert/ 1370 Christine Mundhenk (Hrsg.): Der ‚Occultus Erfordensis‘ des Nicolaus von Bibra. Kritische Edition mit Einführung, Kommentar und deutscher Übersetzung. Weimar 1997. 1371 Arnold, Städtelob und Stadtbeschreibung, S. 256.
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Das macht gelaub in yn bewert/ Ir ia ist ia, ir nen ist nen/ Keyn man kont anders ny versten/ Des glich dy iunckhern und [ins; handschriftliche Anmerkung am Rand] gemeyn/ Sich halten erbarlich und fyn.“1372 Zur Einhaltung des innerstädtischen Friedens und der öffentlichen Ordnung gehe das „regiment“ allen „bosheyt[en] straff rechtlich“ nach. Wichtig war es von Soest außerdem, den ehrlichen und rechtschaffenen Charakter der Stadt herauszustellen, den sie sich trotz ihres Reichtums bewahrt habe: „Dem nach erlich du sameln solt/ Wy ob stett silber vil und golt/ Und flye stoltz hoffart obermutt/ So blybstu wol by ern und gutt/ Dyn hoffnung stel alleyn zu gott.“1373 Die Stadt- und Ratsbediensteten bekleideten ihre Ämter überdies „on hoffart erlich […] stetlich nach aller billigheytt/ Hofflich in sytten fyn und schon“. Denn nicht nur auf die Wehrhaftigkeit in Kriegszeiten kam es in der Darstellung der Reichsstadt an, sondern auch auf ihre Friedfertigkeit und ihr Streben nach Friedenswahrung: „Du eerst und furderst alle tziit/ Den frydden suchstu ver und wytt.“1374 Ein weiteres (wesentlich kürzeres) Beispiel ist Johann Ludwig Gottfrieds (Gansiusʼ) Lobgedicht von etwa 1630: „Treu wird der Kaiser geliebt und des Rates Weitsicht bewundert.“1375 Schon im 4. Jahrhundert gaben Sittenhaftigkeit der Einwohner und Weisheit des Rates einer Stadt Anlass zu Lob und Ehre, wie das antike Lob auf die Stadt Bordeaux von Ausonius verdeutlicht: „Mein liebloses Schweigen verurteile ich schon lange, dass ich dich, o väterliche Stadt, […] durch die Sitten und Veranlagungen der Menschen und den Senat von Vornehmen, nicht unter den ersten Städten in Erinnerung bringe.“1376 Als typische Themen auch der frühneuzeitlichen, humanistisch geprägten Lobdichtung hat der Historiker Heinz Endermann beispielhaft für Erfurt, Nordhausen und Mühlhausen die Stärke der Städte, ihre Verbindung zum Rat, ihre Friedfertigkeit und Pflicht, für Sicherheit zu sorgen, herausgearbeitet.1377 Ein vorbildlich agierender Stadtrat mit einer weitsichtigen und gerechten Politik diente folglich im Städtelob und in frühneuzeitlichen Stadtbeschreibungen als weit verbreiteter Topos. Erneut kann auch Köln als Beispiel herangezogen werden. Hermann von dem Busche (1468–1534) setzte metaphorisch die berühmten griechischen und römischen Staatsmänner in seiner Flora in den Kölner Stadt-
1372 Steinwert von Soest, Eyn Spruchgedicht, S. 78–80. 1373 Ebd., S. 83. 1374 Ebd. 1375 Gottfried, Lateinischer Vers um 1630. Das lateinische Original lautet: „Sola ego Caesaribus quondam delecta crandis/ […]. Caesaribus servata fide, prudensque Senatus.“ 1376 Dräger, Nochmals: Ein antikes Städtelob, S. 49. 1377 Endermann, Dichtung im Dienst der Stadtpolitik, S. 265–272.
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rat, „deren Geschick und Tugendhaftigkeit vollendete Verwalter des Wohles der Stadt“1378 seien. Rolf Hammel-Kiesow hat festgestellt, dass das Bild der frommen und wohlregierten Gemeinde insbesondere in den Stadtbeschreibungen evangelischer Städte eine wichtige Rolle spielte.1379 So fand sich die Beschreibung der Regierung und innenpolitischen Struktur Frankfurts ab etwa 1600 auch in Kosmographien und geographischen Beschreibungen wieder. In den 1600 erschienenen Deliciae Germaniae sive totius Germaniae itinerarium wurde zum ersten Mal in den Kosmographien ein vortrefflicher Rat erwähnt, von dem Frankfurt regiert werde: „Utraque autem praestantißimi Senatus gubernaculis regitur.“1380 Der „hochweise Rhat“ wurde auch in dem von Eberhard Rudolph Roth kompilierten Memorabilia Europae (1682) gelobt. Er erläuterte außerdem die Zuständigkeiten des Reichsschultheißen und die Zusammensetzung des Rates: „Er bleibt allezeit, und werden alle Sachen von ihm außgemacht, und hat die hohe Jurisdiction […], und werden in den Rhat gelehrte Leuthe genommen, entweder auß dem Adel oder von den vornehmsten und ältesten Familien.“1381 Auch in den fremdsprachigen Beschreibungen des 17. Jahrhunderts wurden der Frankfurter Rat und dessen Politik positiv bewertet. Gualdo Priorato lobte zum Beispiel das umsichtige und kluge Handeln des Rates während des Dreißigjährigen Krieges, der es verstanden hätte, die Freiheiten der Bürger zu bewahren und die Stadt mit Hilfe eines modernen Festungsbaus zu verteidigen.1382 Außerdem führte der Italiener eine ausführliche Beschreibung der Senatszusammensetzung und die Amtsdauer und Aufgaben der Bürgermeister an, wie es sie erstaunlicherweise bis dato in deutschsprachigen Beschreibungen dieser literarischen Gattung noch nicht gegeben hatte: „Il Senato e composto di 43 persone divisi en trè ordini, ciò è 14 Patricii, 14 Cittadini, e 14 Artisti, che fanno 42 à quali aggionto il Sultz, ò sia Pretore, che rappresentando in alcuni giuditii lʼImperatore è la dignitá più cospicua.“1383 1378 Glasner, Stadt-Bild-Sprache im 16. Jahrhundert, S. 240. 1379 Hammel-Kiesow, Hansestädte im Städtelob, S. 19–55. 1380 Matthias Quad: Deliciae Germaniae sive totius Germaniae itinerarium: Complectens indicem verum omnium viarum, per quas commodissime ex urbibus. Coloniae Agrippinae, Excudebat Stephanus Hemmerdenus 1600, S. 18. 1381 Eberhard Rudolph Roth: Memorabilia Europae, Oder Denckwürdige Sachen, Welche ein Reisender von den fürnehmsten Städten Europae in acht zunehmen hat. Ulm 1682, S. 136. 1382 „Nel 1628 […] il Senato prudentemente reflettendo nella publica libertà quasi presago de gli auvenimenti, che seguirono poi ne gli anni sussequenti, deliberò di cinger la Cittá con forrtificationi reali, & alla moderna, e vi fú dato principio.“ Vgl. Gualdo Priorato, Relatione del Governo, S. 95. 1383 Ebd., S. 103–104.
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Die handschriftlichen Chroniken lieferten quantitativ betrachtet einen eher geringen Beitrag zum Bild von Frankfurt als Ort der Gerechtigkeit und des inneren Friedens, was wohl in erster Linie damit zusammenhängt, dass sich die chronologisch angelegten Schriften auf konkrete Ereignisse und Begebenheiten bezogen und selten Bewertungen vornahmen. Lobend erschien lediglich die regelmäßig auftauchende Benennung „eines hochedlen und hochweisen Raths hiesiger Löbl. Reichs-Stadt“1384 oder eines „E. Hoch Edlen und hoch weisen Magistrats“.1385 Dieser Titel darf jedoch nicht zwangsläufig als Lob gewertet werden, handelt es sich dabei vielmehr um die offizielle amtliche Bezeichnung. In einigen ausformulierten Chroniken allerdings wurde neben der formalen und sachlichen Erläuterung der Zusammensetzung des Stadtrates, der Bürgerausschüsse und innenpolitischen Zuständigkeiten auch inhaltlich vom „Regiment des Raths“1386 und der Zusammensetzung der Bürgerschaft berichtet, ebenso von den Zünften und von „der Gemeind“, bestehend aus „Teutschen und Welschen sehr starck, darunter viel vornemer, stattliche ansehenliche Doctores, gelährte, Historici, Kauffherrn und geringes standts, die der statt nit wenig frommen und nutzen bringen“.1387 Auffallend ist hier die Erwähnung des großen Anteils der Welschen, d.h. flämischer und wallonischer Migranten, an der Bevölkerung. Dieser für die Entwicklung Frankfurts wichtige Aspekt spiegelte sich darüber hinaus so gut wie gar nicht im Stadtbild wider. Damit erschöpft sich jedoch auch schon das in den Chroniken festgehaltene Bild von der Frankfurter Regierung. In den Einträgen zu Ratserlässen, Entscheidungen und Handlungen des Magistrats wurden zumeist keine Bewertungen vorgenommen, aus denen sich ein unmittelbares Bild über Gerechtigkeit und Frieden innerhalb der Stadt Frankfurt aus den Chroniken hätte ableiten lassen. Die gedruckten Frankfurter Chroniken waren ähnlich strukturiert. Sie nahmen neben der offiziellen Erwähnung eines „Erbar[en] Raht[es] der Statt“1388 und der strukturellen Darstellung der politischen Ämter nur selten eine direkte Bewertung der Gesellschaft und Bewohner vor. Erst im frühen 18. Jahrhundert schrieb Johann Adolf Stock „von einigen Vorzügen und Seltenheiten dieser Stadt“, wobei er sich auf einen Rundgang durch die Stadt begeben und „von ihrer 1384 Chronik eines nichtgenannten Verfassers über Ereignisse in Frankfurt am Main. 1766–1771. ISG: Chroniken S5/81, fol. 17r. 1385 Nicolaus Fritz: Kleine Frankfurter Hauschronik. 1678–1719. ISG: Chroniken S5/44, nicht fol. Eintrag zum 26.10.1705. 1386 Fragment einer Frankfurter Chronik, S5/25, fol. 8v. 1387 Ebd., fol. 9r. 1388 Hier beispielsweise anlässlich der Beschreibung von Wahl und Krönung Maximilians II. 1562, als „ein Erbar Raht der Statt Franckfurt mitten auff dem Mayn […] ein lustiges, hohes viereckets Hauß auffbauen“ ließ. Vgl. Faust von Aschaffenburg, Kurtze Verfassung, S. 363.
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Regiments-Form etwas“ schreiben sollte.1389 Doch war dieses nicht sein eigentliches Vorhaben, da er „nur eine Chronick, und zwar kleine Chronick versprochen [habe], auch dieses alles sothane Sachen, die einem jeden unter uns zur Gnüge bekannt, so ziehe meine Feder davon zurück“. Stattdessen wollte er „den Lauff und die Freyheit um die sonderbahre Vorzüge und Seltenheiten derselben“ beschreiben. Die Gerechtigkeit des Stadtrates und politische Struktur waren offenbar im öffentlichen Diskurs nicht mehr von besonderem Interesse. Die Stadtbeschreibungen des 18. Jahrhunderts lassen sich in Bezug auf Darstellung und Bewertung der städtischen Verfassung und innenpolitischen Zustände in zwei Kategorien einteilen, wobei quantitativ betrachtet Äußerungen hierzu eher selten waren: Die eine Gruppe erwähnte zwar recht ausführlich die „Regimentsverfassung der Stadt“ mit sämtlichen Ämtern, Kollegien und Zuständigkeiten, nahm jedoch keine Bewertung vor.1390 Die zweite Gruppe setzte sich kritischer mit diesem Aspekt auseinander, war im beginnenden 18. Jahrhundert jedoch noch eindeutig positiv gegenüber der städtischen Wahrung von Gerechtigkeit und Frieden eingestellt, was sich in stereotypen Äußerungen bemerkbar machte: „Gleichwie aber eine prächtige und wolgebaute Stadt zu ihrer besten Vollkommenheit gelanget, wenn sie mit guter Ordnung und weisem Regimente versehen ist: also müssen wir diese Glückseligkeit hauptsächlich der Stadt Franckfurt am Mayn zueignen.“1391 So konnte man laut Caspar Gottschling hören und lesen, dass in Frankfurt „Recht und Gerechtigkeit im Schwange“1392 gehen würden, insbesondere gegenüber Fremden. Generell würde in der Stadt „ein löbliches Regiment von der ordentlichen Obrigkeit geführet“. Die Gründe hierfür sah Gottschling aber eher in einer höheren Macht und in einem „sonderlichen Verhängnis der göttlichen Vorsorge“, die durch die Wahl der Römischen Kaiser „die Begierde einer rühmlichen Nachfolge in einem gerechten Regiment den Franckfurtern gleichsam eingepflanzet wird“. Vor diesem Hintergrund denke der Magistrat darüber nach, „wie er in Verwaltung seines ihm von Gott aufgelegten Amtes die schuldige Pflicht in acht nehmen möge“. Von den Stadtlobgedichten, Stadtbeschreibungen, Chroniken und kosmographischen Beschreibungen hatten es die Attribute tugendhaft, gerecht und friedliebend jedoch relativ schwer, in die Reiseberichte vorzudringen. Die Verfas1389 Siehe für diesen Absatz Stock, Kleine Franckfurther Chronick, S. 71. 1390 Ein ausführliches Beispiel ist die Stadtbeschreibung von Johann Heinrich Faber, Topographische, politische und historische Beschreibung, Zweiter Teil, S. 1–113. 1391 Siehe auch für den folgenden Absatz Gottschling, Kurze Nachricht von der Stadt Franckfurt am Mayn, S. 11–12. 1392 Ebd., S. 12.
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ser handschriftlicher Reiseberichte schrieben gar nichts zu den Themen Gerechtigkeit, Tugend und Frieden. Derartige Eigenschaften als Ergebnis einer weisen Politik des Frankfurter Rates und einer funktionierenden Verfassung kamen auch in den gedruckten Reiseberichten nur noch sporadisch vor; im 17. Jahrhundert gar nur noch eine einzige Äußerung: Nach Angabe von Samuel Chappuzeau ging „doch alles in der Stadt in guter Ordnung her, wegen der guten Anstalt deß Magistrats, welcher sich auff seine authorität, und auff die schöne privilegia gründet“.1393 Chappuzeau lobte den seinerzeit, um 1670, amtierenden Rat besonders, weil die Stadt niemals zuvor einen „vortrefflichern Magistrat“ gehabt habe als den jetzigen, und zwar aufgrund seiner „Tüchtigkeit“ und „grosse[n] Tugenden“. Deshalb sei Frankfurt „niemals mächtiger noch glückseliger gewesen“.1394 Ein derart positiver Eindruck von Frankfurts politischer Verfassung und Verwaltung wie bei Chappuzeau kam zwar auch in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts äußerst selten vor, jedoch überwog auch dann der positive Eindruck, dass das „Regiment“ in dieser Stadt „recht weißlich eingerichtet“ sei, wie Georg von Fürst in seiner 1739 handschriftlich verfassten Reisebeschreibung festhielt: „Daher höret man hier von keiner Uneinigkeit zwischen dem Rathe und der Bürgerschafft, wie es in andern Städten keine seltene Sache heißt.“1395 Die politische Verfasstheit der Stadt Frankfurt sei gerecht und ausgeglichen, sodass es innenpolitisch zu keinerlei Auseinandersetzungen komme. Nun war zwar zu diesem Zeitpunkt in Frankfurt die schwere verfassungspolitische Auseinandersetzung des Fettmilch-Aufstandes schon rund einhundert Jahre Vergangenheit, dennoch war das politische Tagesgeschehen des 18. Jahrhunderts nicht frei von innenpolitischen und verfassungsrechtlichen Auseinandersetzungen1396, sodass an dieser Stelle die Toposhaftigkeit eines gerecht und einträglich handelnden Stadtrates deutlich wird. Bei der Erwähnung des Rates wurden selten Mitglieder namentlich genannt, umso mehr aber ihr Regiment und die Sicherung der Privilegien gerühmt, sowie die Freiheit und Eintracht der Stadt. Dadurch formulierten die Verfasser ein städtisches Regierungsideal und betonten die Verfassungsordnung und den sozialen Frieden. Darüber hinaus wurden auch die Bewohner der Stadt sowie ihr Ruhm, ihre Leistungen und ihre Tatkraft gelobt, die die Grundlagen für die ökonomischen, sozialen und kulturellen Eigentümlichkeiten einer Stadt waren. Gleiches hat Heimann auch für das Kölner Stadtlob festgestellt.1397 1393 Chappuzeau, Jetztlebendes Europa, S. 453. 1394 Ebd., S. 454. 1395 Fürst, Herrn Georgen von Fürst Curieuse Reisen, S. 377. 1396 Siehe hierzu Kapitel I.2.4 „Frankfurts gesellschaftspolitische Entwicklung in der Frühen Neuzeit“. 1397 Heimann, Stadtideal und Stadtpatriotismus, S. 24.
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In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts spielte – abgesehen von der formalen Zusammensetzung des Magistrats und der offiziellen Ämter – eine auf Gerechtigkeit und Ausgleich zielende Verfasstheit im Frankfurt-Bild der Reiseberichte eine nur noch untergeordnete Rolle. Lediglich Blainvilles umfangreiche Reisebeschreibung enthält ein kurzes Kapitel über das „Stadtregiment“, das er als „weit geruhiger“ beschrieb, als es „in manchen großen Städten zu seyn pfleget, weil der Pöbel hier nicht so sehr als anderwerts zum Aufruhr geneigt ist“.1398 Grund für das friedliche Zusammenleben in der Stadt seien nicht nur der Magistrat und dessen gerechte Zusammensetzung, sondern auch die „Vorrechte und Reichsfreiheit, welche sie schon von Carl dem Großen erhalten“ habe. Diese „scheinen auf einen sicherern Fuß gesetzt zu seyn“, als es bei anderen Städten der Fall sei. Außerdem mache auch „kein einiger Fürst Anspruch auf sie“.1399 In der publizistischen Darstellung wurde somit ein Bild von Frankfurt vermittelt, das durch eine ausgeprägte politische Unabhängigkeit von Reichsfürsten, Landesherren und im Grunde auch von den Kaisern geprägt war, die der Stadt zwar zahlreiche Privilegien verliehen, ihr damit aber eine unabhängige, sichere, stabile und vor allem gerechte Verfassung gegeben hätten. Um die Gerechtigkeit innerhalb der Stadt zu bekräftigen, schrieb Friedrich Karl Grimm 1775, dass die Magistratsmitglieder auch nur ganz ‚normale‘ Bürger seien und ebenso einem Beruf oder Gewerbe nachgingen wie die übrigen Bürger auch: „Das Rathsglied zieht ein schwarz Kleid an, steckt den Degen an die Seite, geht auf den Römer an seine Geschäfte, kommt wieder nach Hause, kleidet sich um, und gerbt Felle gaar.“1400 Dadurch sei im politischen Bereich „alles gut und alles wohl verwaltet“.1401 Der Engländer John D. Moore bemerkte 1779 schon allein beim Anblick der Frankfurter Bürger, dass die Menschen offenbar in großer Freiheit leben und sich wirtschaftlich frei entwickeln könnten. „Der Aufzug, die Menge, die Sitten der Einwohner überhaupt“ würden deutlich zeigen, dass „kein kleiner Despot in ihren Mauern herrscht“, der die Bewohner zu Gunsten seiner eigenen Pracht und Macht arm mache und der auch nicht durch seinen Eigensinn „jede Handlung ihres Lebens, und jede Bewegung ihrer Leiber, unter dem Zwange hielte“.1402 Johann Isaak Freiherr von Gerning sprach um 1800 in seiner Skizze von Frankfurt am Mayn sogar von einer „wahrhaft republikanischen Einrichtung“.1403 1398 Blainville, Des Herrn von Blainville Reisebeschreibung, S. 163. 1399 Ebd. 1400 Grimm, Bemerkungen eines Reisenden durch Deutschland, Erster Teil, S. 49. 1401 Ebd. 1402 Moore, Abriß des gesellschaftlichen Lebens, S. 215. 1403 Gerning, Skizze von Frankfurt am Mayn, S. 237–238.
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Neben den positiven Charakteristika der Einwohner Frankfurts betonte Gerning den klugen und weise handelnden Magistrat – insbesondere in den Krisenzeiten der Französischen Revolutionskriege und der französischen Besatzung 1792.1404 Das Bild von Frankfurts Regierung in den Lexika des späten 18. Jahrhunderts gestaltete sich entsprechend formal und auf die verfassungsmäßige Struktur der Stadt begrenzt, d.h. die Zusammensetzung des Rates, Neubesetzung der Ratsleute im Todesfall, die Bürgermeister, das Wahlprozedere (Kugelung), Verfassungsänderungen und -neuerungen (z.B. 1726, Collegien und Ausschüsse), Rechte und Pflichten der Stadt, des Rates und der Bürger. Dabei wurde keine Bewertung über gute oder schlechte Politik oder gar Gerechtigkeit und Frieden vorgenommen.1405 Schließlich zeichnete um 1800 Frankfurt nicht mehr in erster Linie seine Funktion als Wahl- und Krönungsstadt des römischen Kaisers aus, sondern besonders die „bürgerliche Verfassung und Verwaltung“.1406 Im Laufe und vor allem zum Ausgang des 18. Jahrhunderts spielten die „innere Beschaffenheit der Stadt“1407 sowie die innere Sicherheit und Ordnung nur noch am Rande eine Rolle im Frankfurt-Bild. Im Historisch-Politisch-Geographischen Atlas von 1745 wurde zumindest als Symbol von Recht und Ordnung der Neubau der HauptWache (1671) auf dem Heumarkt erwähnt.1408 Wie gut die Frankfurter Verfassung sein müsse, könne man nach Meinung des Reisenden Wölfling daran ablesen, dass die Stadt mit Hessen und Mainz zwei mächtige Nachbarn habe, „die sie auf mancherley Art zu beeinträchtigen suchen“.1409 Ohne die Zustimmung des neu geschaffenen Bürger-Collegiums der „Ein und fünfziger“ könne „kein Buchstabe in den Gesetzen geändert werden“ und „ohne den Willen der Neuner hat der Rath kein Geld; ohne sie kann er weder Auflagen noch Schulden machen“. Im Frankfurt-Bild wurde suggeriert, dass Frankfurt eine stabile und wohlgeordnete Regierung habe und ein selbstverwaltetes Gemeinwesen unabhängig von landesherrlichem Einfluss sei. Vor dem Hintergrund der Aufklärung vermittelten auch die Berichte in den Zeitschriften zwar nur sehr selten, aber gleichwohl deutlich den Eindruck eines fortschrittlichen, gerechten und weise handelnden Rates sowie einer aufgeklärt-fortschrittlichen Verfassung Frankfurts samt Rechten und Pflichten für Regierung/Magistrat und Bevölkerung/Bürgerschaft. Damit blieb das Frankfurt-Bild zwar weiterhin neben dem Wirtschaftsaspekt durch die politische Bedeutung geprägt. Doch an die Stelle ihrer historischen und ‚reichisch-kai1404 Ebd., S. 238. 1405 Siehe z.B.: Historisch-Politisch-Geographischer Atlas der gantzen Welt, Sp. 1822–1823. 1406 Gerning, Frankfurt am Main, 1801, S. 322. 1407 Gercken, Historisch-Statistische Beschreibung, S. 112. 1408 Historisch-Politisch-Geographischer Atlas, Sp. 1827. 1409 Siehe auch für die folgenden Zitate Wölfling, Reise durch Thüringen, S. 111–118.
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serlichen‘ Einbindung trat die aktuelle politische Gesetzgebung und bürgerliche Verfasstheit der Reichsstadt als selbstverwaltetes „aristo-demokratisch[es]“1410 Gemeinwesen. In der Beschreibung und Außendarstellung Frankfurts war es im 16. und 17. Jahrhundert offenbar wichtig, auf den inneren, sozialen Frieden und einen funktionierenden Verfassungsorganismus der Stadt abzuheben. Diesen Eindruck belegt auch die Forschung, die in der Eintracht und Rechenschaft der Bewohner, in deren sozialem und politischem Verhalten (friedlich, devot, menschlich, sozial) das „Ideal einer organisierten, harmonischen Gesellschaftsverfassung“1411 sieht. Der Blick auf das Frankfurter Stadtbild verschob sich im Laufe der Zeit von der historischen Reichs- auf die gegenwartsbezogene Stadtebene. Einerseits rückte der stereotyp lobende Charakter zunehmend gegenüber einer chronologischen und faktischen Beschreibung der Frankfurter Gesellschaft und Politik in den Hintergrund. Andererseits lässt sich auch bei dem Topos einer weise und gerecht agierenden Stadtregierung eine gewisse Konstanz und Dauerhaftigkeit feststellen. Wenn auch in der Intensität zurückgegangen, so wurde doch auch in den Reise- und Stadtbeschreibungen des 18. Jahrhunderts gelegentlich auf das kluge Lenken und Taktieren des Magistrats hingewiesen: Als im ausgehenden 18. Jahrhundert nach Ansicht der Zeitgenossen die „goldnen Zeiten der teutschen Reichsstädte“ vorbei waren, weil sie nicht mehr im Stande gewesen seien, den Monarchen „Millionen vorzuschiessen“ und keine Armeen mehr hatten unterhalten können, hätte Frankfurt eine Ausnahme gebildet: „Sol sich eine Reichsstadt in unsern Zeiten noch aufrecht erhalten, so muß sie äußerst glückliche Lage zum Handel, und eine sehr gute Staatsverfassung haben. Beyde Vorzüge besitzt Frankfurth in hohem Grade.“1412
2.3.2 Die soziale und offene Stadt In engem Zusammenhang mit einem weise regierenden Rat und einer gerechten Verfassung stand das Charakteristikum einer sozial eingestellten Stadt. Johann Steinwert von Soests Gedicht von 1501 ist der älteste überlieferte bzw. bekannte Text, der die Gerechtigkeit des Frankfurter Rates und der Einwohner thematisierte. Er hob den Umgang mit Knechten und Untergebenen hervor, die stets mit einer guten Versorgung und gerechten Bezahlung haben rechnen können. Besonders in schlechten Zeiten habe die Regierung dafür gesorgt, dass jeder Einwoh1410 Gerning, Frankfurt am Main, S. 324. 1411 Heimann, Stadtideal und Stadtpatriotismus, S. 18. 1412 Wölfling, Reise durch Thüringen, S. 110.
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ner ausreichend zu essen und zu trinken bekam und alles gerecht verteilt wurde: „Der das durch rechnung dar tzu brecht/ Das brott gemeynlich wer offrecht.“1413 Von Soest wollte dem Leser offenbar vermitteln, dass Policey, Schultheißen und Schöffen gerecht handeln und urteilen würden, was insbesondere zu den Messeund Wahlzeiten wichtig war, sollten sich doch auch die Fremden sicher in der Stadt fühlen und durch ihren guten Ruf angelockt werden. So habe der „ratt der wysen alten“1414 stets nachsichtig und gerecht gehandelt. Frankfurt rühmte sich auch im 17. Jahrhundert damit, dass es sich aller Menschen annahm und ihnen eine gute Versorgung zukommen lasse – egal, ob arm oder reich. Wer fleißig arbeiten würde, hätte keine Mühe, sich ausreichend zu versorgen. Ebenso hatte sich die Stadt nach Darstellung von Severus eine gerechte Versorgung und Pflege aller – insbesondere der Bedürftigen und Kranken – auf die Fahnen geschrieben. Darüber hinaus habe sie Vertriebenen und Flüchtlingen ein neues Zuhause gegeben und die Heimatlosen helfend aufgenommen: „Ein Hospiz ist vorhanden, begabt mit reichlichen Mitteln/ Kranken und Greisen wird dort sorgsame Pflege zu teil./ Den Vertriebenen, die zu euch, ihr Bürger, geflüchtet/ Liehet ihr Hilfe – dafür lohnʼ euch der gnädige Gott!“1415 Severus stellte Frankfurt als eine mit offenen Armen aufnehmende und Barmherzigkeit und Gerechtigkeit spendende Stadt dar, die sich um jeden einzelnen ihrer Bewohner kümmere. Damit erschien die Stadt weltoffen, tolerant und gerecht. Die Motivation des Verfassers lag sicherlich darin, die Anziehungskraft der Stadt – insbesondere außerhalb der Messe- und Wahlzeiten – zu erhöhen und Frankfurt für Besucher und Neuankömmlinge attraktiv zu machen. Auch das Lobgedicht eines Unbekannten von 1675 hob das Hospital und die städtische Armen-Versorgung hervor, in welche die Stadt und besonders wohlhabende Patrizier sehr viel Geld und Barmherzigkeit investierten: „Ist nicht daß Hospital, von Alters so gegründet/ Gleich einem Herren-Sahl, sehr reich und wohl bepfründet?/ Den Armen insgemein ohn allen Unterscheid/ Sie seyn auch wer sie seyn, geschicht Barmherzigkeit.“1416 Während es zunächst erstaunen mag, dass zu den herausragenden Eigenschaften Frankfurts das Armen- und Krankenwesen sowie die Stiftungen zählten, ist es mit Blick auf die Darstellung und Wahrnehmung anderer Städte nicht mehr einzigartig und außergewöhnlich. Auch in Lobsprüchen auf Köln wurden die Ein1413 Steinwert von Soest, Eyn Spruchgedicht, S. 81. 1414 Ebd. 1415 Venator, 1640. Lateinische Fassung: „Assidue patiens quicunque laboris, habere/ Hic facili victum, si cupit, arte potest./ Est inibi Hospitium, de cuius divite censu/ Aegrotique senes dulce levamen habent./ Exilio pressis ad vos succurrite cives/ Et tribuet vobis praemia larga Deus.“ 1416 Lobgedicht eines Unbekannten, 1675.
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richtungen der öffentlichen Armenpflege mit Hinweis auf die große Leistungsfähigkeit und Spendenfreudigkeit der Kölner Bürger genannt. Allerdings blieb dabei die Kehrseite der Medaille nicht verdeckt, nämlich die Spendenbedürftigkeit des großstädtischen Armen- und Bettlerwesens.1417 Das Stiftungswesen1418 spielte in Frankfurt seit etwa dem 8. Jahrhundert eine bedeutende Rolle. Die Geschichte des Stiftungswesens und Mäzenatentums ist „ein unverwechselbarer Teil Frankfurter Stadtgeschichte“. Sie ist für den Historiker Hans-Otto Schembs der Ausdruck eines „liberalen und sozialen, eines weitschauenden und der Stadt stets neue Einrichtungen und wesentliche Anstöße gebenden Bürgergeistes“.1419 Als eine der frühesten Stiftungen können für die Kapelle der 794 erstmals erwähnten Pfalz Frankfurt königliche Stiftungen angenommen werden. Auch die erste „bürgerliche“ Stiftung in Frankfurt erfolgte in der Zeit Ludwigs des Deutschen. Als im 9. Jahrhundert nach dem Ende der Karolingerzeit die Pfalz Frankfurt politisch an Bedeutung verlor, ließ auch die Stiftungstätigkeit nach. Doch seit Mitte des 12. Jahrhunderts setzte mit einer neuen politischen und wirtschaftlichen Stellung Frankfurts in der Stauferzeit die Stiftungstätigkeit wieder ein und hielt für zunächst über dreieinhalb Jahrhunderte an.1420 Die Intentionen dieser Stiftungen meist reicher oder wohlhabender Kaufleute und Patrizier waren vielfältig. Dabei spielte laut Schembs vor allem Prestigedenken eine Rolle. Entscheidend sei aber auch die Hoffnung auf Belohnung in einer jenseitigen Welt gewesen. Doch die stärksten Impulse entstanden aus echter Frömmigkeit und christlicher Hilfsbereitschaft gegenüber Armen und Notleidenden. So entstanden im 12. Jahrhundert auch die ersten mildtätigen Stiftungen. Aus einer intensiven Stiftungstätigkeit erwuchsen im 14., 15. und noch im beginnenden 16. Jahrhundert Herbergen für Pilger und Durchreisende, weitere Gotteshäuser und der Umbau bzw. die Erweiterung bestehender Kirchen. Die Reformation wiederum habe gelehrt, dass Almosengeben nicht mit dem Gedanken auf Erlösung oder einer göttlichen Belohnung verbunden sei, sondern als Ausdruck der Liebe und des Glaubens. Große Stiftungen sind bei den Lutheranern in den ersten hundert Jahren nach der Reformation dementsprechend nicht zu verzeichnen.
1417 Glasner, Stadt-Bild-Sprache im 16. Jahrhundert, S. 244. 1418 Siehe hierzu ausführlich Bruno Müller: Stiftungen in Frankfurt am Main. Geschichte und Wirkung. Neubearb. und fortgesetzt von Hans-Otto Schembs. Frankfurt a.M. 2006. 1419 Hans-Otto Schembs: 1 200 Jahre bürgerlicher Gemeinsinn. Geschichte des Stiftungswesens in Frankfurt am Main. In: Stiftung & Sponsoring 2 (2010), S. 7–11, hier S. 7. 1420 Siehe auch für die folgenden drei Absätze Schembs, 1 200 Jahre bürgerlicher Gemeinsinn, S. 7–9.
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Das Zeitalter der Aufklärung führte wiederum zu einem neuen Verständnis des Stiftens seit Ende des 18. Jahrhunderts und bildete die Basis für die Blütezeit der Stiftungstätigkeit im 19. Jahrhundert. Die Stiftung des Arztes Johann Christian Senckenberg von 1763 zur Verbesserung der ärztlichen Ausbildung und zur medizinischen Versorgung der Bürger in einem Hospital gehörte wohl schon damals zu den am meisten bewunderten Einrichtungen in Frankfurt.1421 Besonders die Stiftungs- und Spendenbereitschaft im karitativen sowie im kulturellen Bereich sollten im Frankfurt-Bild – zumindest im Städtelob – die Großzügigkeit der Bürger und Bewohner herausstellen. Die soziale Fürsorge der Reichsstadt wurde vor allem als Wohltätigkeit der reichen Bürger sowie städtischobrigkeitlicher Institutionen dargestellt, weniger als Ausdruck religiöser Verantwortung. Aber schon bald ließ die Bedeutung dieses Aspektes im Frankfurt-Bild seit Mitte des 17. Jahrhunderts deutlich nach, was wohl auch mit der tatsächlichen Entwicklung und nachlassenden Bedeutung des Stiftungswesens unter dem Einfluss der Reformation zusammenhing. Das Wiederaufblühen von Stiftungen im 18. Jahrhundert spiegelte sich durchaus auch in der einen oder anderen Stadtbeschreibung wider, allerdings ohne dass ihnen eine allzu große Bedeutung beigemessen wurde oder die Stadt in besonderer Weise mit Stiftungen in Zusammenhang gebracht wurde. Das mag in Anbetracht der tatsächlichen aktiven Stiftertätigkeiten und Stiftungslandschaft Frankfurts erstaunen.
2.3.3 Verfassungsstreitigkeiten Wann sich zum ersten Mal ein „Wiederwill in dieser Stadt zwischen Rath und Burgerschafft um diese Zeit entsponnen“ hatte, wusste Johann Adam Bernhard in den Antiquitates Wetteraviae von 1731 nicht sicher zu sagen. Es müsse jedoch auf jeden Fall schon vor dem Jahr 1358 gewesen sein, als der Herr Ulrich als „Advocatus eine Richtung“ zwischen den beiden beteiligten Parteien Rat und Bürgerschaft getroffen habe, die im darauffolgenden Jahr von Kaiser Karl bestätigt worden sei.1422 Bereits im ausgehenden 17. Jahrhundert wurde die Darstellung des bis dato als friedlich und verträglich beschriebenen Verhältnisses zwischen Rat und Bürgerschaft um die Beschreibung des innerstädtischen Verfassungskonflikts, dem Fettmilch-Aufstand1423, ergänzt. Für dessen Beschreibung wurden beispielsweise 1421 Ebd. 1422 Bernhard, Antiquitates Wetteraviae, S. 273. 1423 Siehe zum historischen Kontext Kapitel I.2.4 „Frankfurts gesellschaftspolitische Entwicklung in der Frühen Neuzeit“.
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in der Ausführlichen und Grundrichtigen Beschreibung der Vier Welt-berühmten Ströme Mosel, Saar, Neckar und Mayn (1690) fast zwanzig Seiten in Anspruch genommen. So habe sich im Jahr 1613 „nach und nach etwas Streits und Unwillens zwischen E.E. Raht und Burgerschaft zu Frankfurt am Mayn angesponnen“.1424 Nachdem man sich nicht einigen konnte, musste der Kaiser um Hilfe gebeten werden, der eine Kommission zwecks gütlicher Vereinbarung einsetzte, „aber doch mochten selbige den Handel so weit nicht stillen, daß es nicht hernach viel ärger würde, als es vorhin jemals gewesen“.1425 Im darauffolgenden Jahr 1614 kam es unter Vinzenz Fettmilch zu neuen Unruhen, weil die Bürger noch immer nicht ihre Forderungen erfüllt sahen. Nachdem die Anführer und radikalsten Köpfe dieser Bewegung sogar die Ratsleute im Römer gefangen hielten, schickte der Kaiser, „damit allem fernern Unheil beyzeiten begegnet werden möchte, den Bürgern ein Mandat zu, darinn er […] ernstlich befahl, daß die gedachten alten Raht wieder zu seiner Rahts-Stelle kommen, neben den vorgemeldten achtzehen Rahtsherren, sein Amt ungehindert administriren lassen, und sich ruhig und friedlich, bis solche Inquisition geschehen, verhalten sollten“. Nachdem der Rat wieder eingesetzt war, die politische Lage sich beruhigt hatte, die Juden in die Stadt zurückkehren konnten, den Rädelsführern der Prozess gemacht wurde und diese am 28. Februar 1616 exekutiert wurden, „ward den Bürgern und Innwohnern zu Frankfurt nicht eine geringe Furcht und Schrecken eingejagt, sich hinfüro für dergleichen Rebellion und Aufruhr zu hüten“. Diese sehr ausführliche Beschreibung des Fettmilch-Aufstandes darf jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass sehr viele Stadtbeschreibungen, Kosmographien und Reiseberichte diesen Konflikt nicht thematisiert haben. Im 18. Jahrhundert nahm die Kritik an der bis dahin zumeist hochgelobten Regierung im Frankfurt-Bild allerdings deutlich zu. 1747 kritisierte Johann Bernhard Müller in seiner Stadtbeschreibung, dass es in den vergangenen Jahren „nicht allemahl so gar richtig bey denen Raths und Ämter-Wahlen vorgegangen seyn“ soll. Viele seien beschuldigt worden, dass sie in erster Linie versucht hätten, nur ihre „nächste[n] Anverwandten in Rath zu bringen“. Andere hingegen hätten sich, um ihre „Raths- und Ämter-Stellen“ zu behalten, „des allgemeinen WeltSchlusses bedienet“ und daher die Ämter nicht jederzeit bestmöglich ausgeführt. Das hätte zu Beschwerden von Seiten der Bürgerschaft geführt und das Einsetzen einer Kaiserlichen Kommission zur Folge gehabt. Die Konsequenz daraus war eine Regulierung der Ratswahlen dahingehend, „daß die vornehmsten ansehnlichsten und tüchtigsten Männer aus der Burgerschafft“, darunter Gelehrte, vornehme Kaufleute, oder – wenn eine Stelle auf der dritten Bank ersetzt werden 1424 Ausführliche und Grundrichtige Beschreibung, S. 756. 1425 Siehe auch für die folgenden zwei Absätze: Ebd., S. 757–773.
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musste – „drey nach Innhalt des Bürger-Vertrags darzu qualificirte Männer“ zur Wahl vorgeschlagen wurden.1426 Anhand der ausführlichen Thematisierung der Verfassungskonflikte setzte sich Müller kritisch mit der innenpolitischen Verfasstheit und den lokalen Entscheidungsprozessen seiner Zeit auseinander. Gleichwohl bemühte er den Topos eines glücklichen Frankfurts mit einer gerechten Regierung, denn die Stadt habe es „einer besondern gütigen Vorsehung Gottes“ zu verdanken, dass das „Loos noch immer sehr glücklich ausgefallen“ sei und Frankfurt bisher im Rat beständig „solche vortrefflichen und rechtschaffenen Männer“ gehabt habe. Ihnen sei ausschließlich am „Wohlseyn unseres Vaterlandes“ gelegen. Deshalb könne sich die Stadt „recht glückseelig […] schätzen, daß durch Eines Hoch-Edlen Raths kluge Einrichtung im Regiment, weiseste Anstalten und beständige Sorgfalt vor das Wohl der gantzen Stadt, derselben Wohlfahrt nicht allein erhalten worden [seien], sondern auch mehr und mehr wächset und zunimmt“.1427 In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts nahm die kritische Perspektive im Vergleich zu den stereotyp positiven Äußerungen auch in der Reiseliteratur zu, was sicherlich damit zusammenhing, dass sich die Autoren (Reisende, Stadtschreiber etc.) ausführlich mit der Gegenwart und den aktuellen Begebenheiten und Entwicklungen auseinandersetzten, wie etwa Johann Kaspar Riesbeck, der unter einem Pseudonym über das ihm sehr gut bekannte Frankfurt berichtete, dessen Regierung „vermischt und sehr verwickelt“1428 sei. Damit meinte er den „Kampf zwischen der Aristokratie und Demokratie“, der in Frankfurt „heftiger als in irgend einer andern Republik unsers Zeitalters“ ausgeprägt sei. Es vergehe kaum ein Jahr, in dem die Bürgerschaft nicht gegen den Rat – oder umgekehrt – einen neuen Prozess anfange. Und weil diese bei den hohen Reichsgerichten einen sehr „trägen Gang“ hätten, würden sich die Prozesse der „Stadt Frankfurt gegen sich selbst“ nun schon auf einige Dutzende belaufen.1429 Hintergrund dieser vernichtenden Kritik an der Verfassung und dem politischen Geschehen in Frankfurt waren wohl die schwelenden Verfassungskonflikte zwischen Magistrat und Bürgerschaft.1430 Riesbeck stellte das stereotyp geprägte Bild von Frankfurt als Stadt mit einem auf Frieden, Gerechtigkeit und Ausgleich ausgelegten Stadtrat regelrecht auf den Kopf. Grund für seine energische Darstellung waren wohl auch die enormen Kosten, die der Stadt durch die Rechtsstreitigkeiten vor den Gerichten entstanden 1426 Müller, Beschreibung des gegenwärtigen Zustandes, S. 93. 1427 Ebd., S. 95. 1428 Riesbeck, Briefe eines Reisenden Franzosen, S. 393. 1429 Ebd., S. 393–394. 1430 Siehe hierzu Kapitel I.2.4 „Frankfurts gesellschaftspolitische Entwicklung in der Frühen Neuzeit“.
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waren. Demnach sei die „Rabulisterey und Zanksucht“ nirgendwo höher angestiegen als in Frankfurt. Die Stadt liege bereits mit allen benachbarten Fürsten, Grafen und Herren „zum Vortheil der Juristen zu Wien und Wetzlar im Streit, und diese Prozesse mit ihren Nachbarn haben sie in der besagten Periode jährlich wenigstens 20 000 Reichsthaler gekostet, so daß die Prozesse überhaupt in den gemeinen Ausgaben jährlich einen Artickel von 50 000 Thalern ausmachen“.1431 Bezüglich der Funktionalität, Verlässlichkeit und Gerechtigkeit der Frankfurter Regierung gingen die Meinungen in den Reiseberichten des 18. Jahrhunderts erstaunlich weit auseinander, wie die Einschätzung des Predigers Wilhelm Ludwig Steinbrenner von 1792 verdeutlicht, der sich nach zehn Jahren ohne Bemerkungen in den Reiseberichten zu der seiner Ansicht nach fortschrittlichen Frankfurter Verfasstheit positiv äußerte. Er beschrieb u.a. die „Ein und Fünfziger und Neuner“ als „vom Kayser ernannte Collegia, ohne deren Einwilligung der Magistrat in oeconomicis nichts vornehmen darf“.1432 Indem ihnen sämtliche Einnahmen und Ausgaben vorgelegt werden müssten und jedes Departement, das mit Geldsachen zu tun hat, einen oder zwei Assessoren in dem sich wöchentlich versammelnden „Pleno Collegii über alles Bericht erstatten müsse“, werde dem „Despotismus, der in einer andern angesehenen Reichsstadt thront, die Schranken auf ewig“ verschlossen.1433 Die Tatsache, dass die Collegia mit der Jurisdiktion nichts zu tun hätten, solange die kaiserlichen Privilegien nicht angetastet würden, die 51er als Landstände, Volksrepräsentanten sowie die 9er als Rechnungsrevisoren bezeichnet werden könnten und „beyde Collegia […] als Corpora unmittelbar unter dem Kayser“ stünden, sei „herrlich in einer Republik, wo ohne die Stiftskassen zu rechnen, noch über sechsmal hundert tausend Gulden Einnahme ist!“1434 Der Reisende Wölfling führte weniger wertend in seiner Reisebeschreibung sämtliche Neuerungen auf, die für einen Ausgleich zwischen Patriziat und Bürgertum sorgen sollten. Es durften beispielsweise von den adeligen Geschlechtern „keine Blutsverwandte[n] mehr zugleich im Rathe sitzen“, und es konnten „sogar gemeine Bürger aus den Zünften“ in den Rat gewählt werden, die „von jeder Zunft selbst vorgeschlagen“ werden sollten.1435
1431 Riesbeck, Briefe eines Reisenden Franzosen, S. 394. 1432 Wilhelm Ludwig Steinbrenner: Bemerkungen auf einer Reise durch einige teutsche, Schweizer- und französische Provinzen in Briefen an einen Freund von M. Wilhelm Ludwig Steinbrenner. Dritter Teil. Göttingen 1792, S. 406. 1433 Ebd., S. 406–407. 1434 Ebd., S. 407. 1435 Ebd., S. 118.
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Aus den Zeitschriften der Aufklärung geht außerdem hervor, dass die gegenwärtige Verfassung der Reichsstadt im ausgehenden 18. Jahrhundert zu einer Art Blockade führen könne, wenn die unterschiedlichen beteiligten Parteien zum Nachteil der anderen handeln würden und weil die republikanische Verfassung aufgrund des relativ großen Mitsprache- und Beteiligungsrechtes durchaus Spielraum für Klagen, Auseinandersetzungen und Misstrauen zwischen Magistrat und Bürgerschaft zulasse, womit die Ausführung der Gesetzesvorschläge eher erschwert statt vereinfacht würde. Ein anonymer Autor schrieb in seinen Vertrauten Briefen über verschiedene freie deutsche Reichs-Städte (1796) aus dem Deutschen Magazin, dass die „allermeisten“ seiner Zeitgenossen darin übereinstimmen würden, dass für die Entwicklung und den Charakter der Reichsstädte „immer der obrigkeitliche Körper, von welchem diese kleine[n] Freistaaten regiert werden, der Magis trat einen Theil, und die gemeine Bürgerschaft andern ausmachen“, weshalb beide Teile mit „grosser Sorgfalt und Aufmerksamkeit“ auf die Einhaltung ihrer Rechte achten würden. Das habe zur Folge, dass sie relativ häufig miteinander „in Hader“ geraten und mit einer Klage gegen die jeweils andere Seite „bei den höchsten Reichsgerichten“1436 auftreten würden. Diese verfassungsmäßige Struktur habe wiederum zur Folge, dass auch wenn Rat oder Bürgerschaft mit den „wohlgemeintesten und nützlichsten Vorschlägen“ aufträten, die Ausführung und Umsetzung derselben jedoch sehr oft der jeweils anderen Partei „sehr grossen Schwierigkeiten“ bereite, weil diese Gruppierung bei jedem Schritte, bei der geringsten Neuerung und letztlich bei jeder Gelegenheit „argwohnet, daß man ihm seine Rechte schmälern wolle, und aus blossem Misstrauen […] sich der Annehmung und Ausführung desselben aus allen Kräften widersezt“.1437 Dieses Problem sei aber nicht nur typisch für Frankfurt, sondern für alle deutschen Reichsstädte sowie für einige „ihnen gleichenden Europäischen Republiken“.1438 Johann Heinrich Liebeskind war zwar 1795 der Meinung, dass man die Bürger in Frankfurt „wirklich Bürger nennen“ könne, denn „sie genießen alle Rechte und Freiheiten, die nur immer in einer Staatsgesellschaft noch statt finden können“.1439 Allerdings habe er auch den Eindruck, dass oftmals zu viel Rücksicht auf ihre „pekuniarischen Vortheile“ genommen werde, wenn zum Beispiel kein „Musikus“, 1436 Vertraute Briefe über verschiedene freie deutsche Reichs-Städte, S. 74–75. 1437 Ebd., S. 75. 1438 Ebd., S. 76. 1439 [Johann Heinrich Liebeskind:] Rükerinnerungen von einer Reise durch einen Theil von Teutschland, Preußen, Kurland und Liefland, während des Aufenthalts der Franzosen in Mainz und der Unruhen in Polen. Straßburg 1795, S. 33.
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der nicht gleichzeitig auch das Bürgerrecht besitze, Musikunterricht geben dürfe, „weil die Bürgermusikanten oder Stadtmusikanten darunter leiden könnten“.1440 Die Verfassungsstreitigkeiten und Auseinandersetzungen zwischen Rat und Bürgerschaft lösten im Frankfurt-Diskurs des 18. Jahrhunderts das stereotype Bild eines wohlregierten, gerechten, friedlichen und weitgehend konfliktfreien Gemeinwesens im Frankfurt-Diskurs ab und prägten das zeitgenössische Bild nicht unwesentlich. Dieser Aspekt fällt umso deutlicher auf, als zuvor viele Jahrzehnte und Jahrhunderte lang auf die weise, gerechte und friedliebende Stadtregierung Frankfurts abgehoben wurde. Doch im Laufe des 18. Jahrhunderts verblasste dieser Eindruck, der hinter einer kritischen Auseinandersetzung mit den aktuellen politischen Begebenheiten zurücktrat.
2.3.4 Zusammenfassung Die Funktion des frühen Stadtbildes einer idealisierten, moralisch unantastbaren Einstellung von Regierung und Bevölkerung Frankfurts bestand darin, den Eindruck zu erwecken, dass weder Auseinandersetzungen noch Gesetzlosigkeiten überhaupt nur vorstellbar wären. Allerdings muss in Bezug auf Frankfurt dieser Aspekt insofern relativiert werden, als durchaus Belagerungen und Angriffe von außen beschrieben wurden. Daraufhin folgte aber in der Regel sofort das erfolgreiche, vorausschauende und auf Frieden abzielende Handeln des Magistrats und der Einwohner in derart gefährlichen Situationen. Umgekehrt spielten im Frankfurt-Bild des 16. und 17. Jahrhunderts innerstädtische Konflikte noch keine große Rolle. Auch Müßiggang, Faulheit, Unsittlichkeiten oder feindliche Übergriffe waren anhand der idealisierten Darstellung im 16. und frühen 17. Jahrhundert nicht vorstellbar. Daraus schlussfolgert Meyer anhand des Beispiels von Nürnberg, dass mit der als Ideal und Leitmodell für Vergangenheit und Zukunft präsentierten Stadt die Strategie der Idealisierung als eine weitere Form der „Entzeitlichung“ verstanden werden könne: „Indem das Städtelob in seiner Darstellung ständig zwischen der Ist-Beschreibung und dem normativen, überzeitlichen Leitbild oszilliert, ist es als Vorbild und Ansporn zu lesen, die darin implizit begriffenen Forderungen stets neu zu verwirklichen, das darin als erstrebenswert charakterisierte ‚Optimum‘ weiter zu erhalten.“1441 Die idealisierten Darstellungen dürften außerdem auf Bestandssicherung und Besitzstandswahrung abzielen.1442 1440 Ebd. 1441 Meyer, Die Stadt als Thema, S. 461. 1442 Ebd., S. 461–462.
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Anhand der Untersuchung des Frankfurt-Bildes kann dem Ziel der Bewahrung der bestehenden Ordnung zusätzlich die Funktion der Legitimierung und Begründung der gegenwärtigen Verfassung und Situation hinzugefügt werden. Thematisiert wurden im Frankfurt-Diskurs vor allem die Machtverhältnisse innerhalb der Stadt, also eine nach innen gerichtete und innenpolitische Sichtweise. Wichtig war aber auch die herausgehobene politische und wirtschaftliche Funktion und Stellung Frankfurts innerhalb des Reichsgefüges, also die nach außen gerichtete, außenpolitische Perspektive. Carla Meyer hat für Nürnberg um 1500 festgestellt, dass die Autoren der Stadtlobgedichte als „moralische Qualität […] den besonderen Fleiß, die Rechtschaffenheit und Frömmigkeit der Stadtbewohner“ rühmen und „als politisches Vorbild die wohlgesetzte Ordnung der Gemeinde“ anführen. Um die hervorragenden Leistungen der gesellschaftspolitischen Eliten und des Stadtrats zu betonen, sei im humanistisch geprägten Städtelob oftmals zum traditionellen Katalog der Herrschertugenden gegriffen worden, zu denen Attribute wie Weisheit und Gerechtigkeit, Fürsorge und Strenge gehörten, „durch die sich der Rat in den Augen der Autoren auszeichnet“.1443 Als Stilmittel dienten den Autoren häufig Superlative, Überbietungs- und Unsagbarkeitstopoi. Die Zeitgenossen haben die Beschreibungen höchstwahrscheinlich als durchaus kulturhistorisch zutreffend angesehen. Trotz der Stilisierung bestand die Intention der Autoren zumeist darin, die Stadtwirklichkeit wiederzugeben. Hartmut Kugler geht hingegen davon aus, dass die Verfasser in den Lobschriften die Städte nicht darstellten, wie sie waren, sondern wie sie sein sollten: „Einer Stadt, wie sie ist, stellt der Text die Stadt, wie sie sein soll, gegenüber. So verstanden, ist ein Städtelob immer beschreibend und normierend. Es liefert nicht einfach Beschönigungen einer unzureichenden Stadtwirklichkeit, sondern es liefert einen Entwurf.“1444 Laut Meyer sei das im Stadtlob präsentierte ‚Stadtmodell‘ aber nicht als ein Gegenbild zur Wirklichkeit zu verstehen, sondern eher im Sinne eines Leitbilds mit normativen Zügen, etwa wenn die Gewerbe- und Handelsverfassung oder das reibungslose Funktionieren eines Stadtorganismus gelobt werden, worin Meyer eine „normierende und sozialdisziplinierende Funktion“1445 sieht. Wie in diesem Fall nach innen, konnte auch die Idealisierung nach außen eine stabilisierende Wirkung verfolgen, indem zum Beispiel die Frankfurter Stadtordnung als ein vollkommenes Staatsgebilde und der Frankfurter Magistrat
1443 Ebd., S. 459. 1444 Kugler, Die Vorstellung der Stadt, S. 31. 1445 Meyer, Die Stadt als Thema, S. 461.
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zur idealen, weisen und wohlbedacht handelnden Regierung verklärt wurden, wodurch sie gleichzeitig „verabsolutiert und der Kritik entzogen“1446 wurden. Das Frankfurt-Bild entwickelte sich in Bezug auf die innenpolitische Struktur von einem pauschalen Lob des herrlichen und weise regierenden Stadtrates zu einer konkreten und ausführlichen Auseinandersetzung mit der Verfassungsstruktur, den Verwaltungs- und Regierungsorganen sowie deren Politik als Voraussetzung für ein friedliches und freiheitliches Frankfurt, wie das Kapitel „Frankfurths Freyheit, gesichert durch weise Gesetze“1447 in der Reisebeschreibung von Chr. Wölfling besonders deutlich macht. Die stereotype und stilisierte lobende Sichtweise ist im Laufe des 18. Jahrhunderts deutlich verblasst und überwiegend verschwunden. Stattdessen kam es zu einer Schwerpunktverschiebung, indem unter dem Einfluss der Aufklärung die tatsächlich schwelenden und als Problem anerkannten Verfassungsstreitigkeiten stärker in den Mittelpunkt rückten. Sie stehen in einem deutlichen Gegensatz zu dem bisher dominierenden Stadtbild von einem gut funktionierenden, weise regierten und erfolgreich bestehenden Frankfurt. Gleichwohl griff auch im 18. Jahrhundert in einigen wenigen Fällen der ein oder andere Autor auf die stereotype Floskel des weise und gerecht agierenden Magistrats und der tugendhaften Bürger zurück.
2.4 Fazit: Von der Vergangenheit in die Gegenwart Die literarisch-publizistische Darstellung Frankfurts und das darin tradierte Stadtbild waren im 16. und 17. Jahrhundert zu großen Teilen geprägt von der zentralen Bedeutung Frankfurts für das Reichsgefüge. Der historische Glanz und das hohe Alter, mit derer sich Frankfurt rühmte, beruhten auf früheren Herrscheraufenthalten und wichtigen Ereignissen mit kaiserlichem Bezug. Das Bild war stark auf die mittelalterliche Vergangenheit ausgerichtet, wie die zentrale Stellung des Entstehungsmythos, der Namensgebung, Wehranlagen und reichsstädtischer ‚freiheitlicher‘ Privilegien deutlich macht. Die Beschreibungen erweckten durch die regelmäßige Aufzählung bedeutender Herrscheraufenthalte den Eindruck, als habe die Gunst der Kaiser die Stadt seit jeher in besonderer Weise begünstigt und mit Privilegien versehen. Als eine Form der memorialen Strategie verweisen die Schriften stereotyp auf die Vergangenheit und die Ehre, die Frankfurt von den Herrschern zuteil geworden sei, 1446 Das gleiche Phänomen hat Carla Meyer in den Nürnberger Quellen um 1500 festgestellt. Siehe Meyer, Die Stadt als Thema, S. 461. 1447 Wölfling, Reise durch Thüringen, S. 110.
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gleichsam als ob diese Entwicklung ununterbrochen bis in die frühneuzeitliche Zeit fortgeschritten wäre. Tatsächlich musste die Stadt aber vor allem darauf hoffen und vertrauen, dass ihr die althergebrachten Privilegien bei jedem Herrscherwechsel aufs Neue garantiert wurden. Auch dies ist sicherlich ein Grund für die Tradierung des Stereotyps des kaiserlichen Wohlwollens. Dazu kam vermutlich das Bestreben, in der dezentral ausgeprägten Städtelandschaft des Alten Reiches mit vielen bedeutenden kulturellen Zentren einen herausgehobenen Stellenwert zu betonen und die führende Rolle als politisches und Wirtschaftszen trum zu behaupten. Die Autoren und Kompilatoren haben das Bild im Laufe der Zeit allerdings durchaus vervollständigt und um neue Aspekte aus ihrem Zeitgeschehen ergänzt. Diese wiederum wurden in der Folge in den stereotypen Fundus mit aufgenommen und fortan tradiert. Folglich verschob sich der Blick auf die Stadt seit dem späten 17. Jahrhundert sukzessive aus der Vergangenheit in die Gegenwart. Dies wird beispielsweise daran deutlich, dass die stereotyp-lobenden Beschreibungen des weise regierenden Magistrats und des tugendhaften bürgerlichen Kollektivs in den Hintergrund traten und stärker auf die aktuellen Verfassungsstreitigkeiten eingingen oder die Vor- und Nachteile der Befestigungsanlagen diskutiert wurden. Textform und literarische Gattung spielten hierbei eine wichtige Rolle: Während sich im Städtelob die Darstellungen auf die frühen Ereignisse um Karl den Großen, Pipin und die ersten bedeutenden Geschehnisse im Zuge der Stadtgründung konzentrierten, differenzierte sich das Bild spätestens seit Münsters Cosmographia und Zeillers Topographia deutlich aus, hatte dann unverändert bis zum Ende des 17. Jahrhunderts Bestand und formierte sich seit dem frühen 18. Jahrhundert in den Stadtbeschreibungen und Reiseberichten neu, während gleichzeitig die wichtigsten Aspekte bis zum Ende des Untersuchungszeitraums tradiert wurden und das Frankfurt-Bild – wenn auch unter geänderten Schwerpunktsetzungen und Perspektiven – prägten. Besonders auffällig ist in dieser Entwicklung das Verblassen der lobenden und stereotypen Elemente seit dem ausgehenden 17. Jahrhundert zugunsten einer unter dem Einfluss der Aufklärung verstärkt aufkommenden kritischen Auseinandersetzung mit den tradierten Bestandteilen des Frankfurt-Bildes. So spielten die sagenhafte Entstehung Frankfurts, der Bezug zu Karl dem Großen, die Namensgebung, das stereotype Lob einer weisen Regierung und guten policey sowie das hohe Alter im 18. Jahrhundert nur noch eine untergeordnete Rolle. Die diskursanalytische Untersuchung des Stadtbildes hat außerdem ergeben, dass eine typische Eigenart des Frankfurt-Bildes folglich darin bestand, dass einmal entwickelte Topoi zwar in ihrer Bedeutung verblassen oder sich inhaltlich verändern konnten, doch vollständig verschwunden sind sie bis zum Ende
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des Untersuchungszeitraums um 1800 nicht. Zumindest im Kern wiesen auch die verblassenden Topoi über 300 Jahre lang eine gewisse Kontinuität auf, während an die Stelle stereotyp lobpreisender Allgemeinplätze sukzessive das kritisch beäugte Zeitgeschehen trat, das wiederum zu stereotypen Beschreibungsmustern gerieren konnte. Es hat sich ein Kanon an historischen Ereignissen herausgebildet, die unabhängig von der literarisch-publizistischen Gattung bzw. gattungsübergreifend konstant wiederkehrend aufgeführt wurden, sodass es auch in dem Bereich der verblassenden Topoi zu einer stereotypen Beschreibung Frankfurts kam. Wie sich in diesem Kapitel schon latent angedeutet hat, führte eine dritte Entwicklungsstufe des Stadtbildes seit dem ausgehenden 17. und frühen 18. Jahrhundert unter dem Einfluss der Aufklärung zu sich neu herausbildenden Topoi und Stereotypen. Um diese neuen Bildbestandteile soll es im folgenden Kapitel gehen.
3 Von einem historischen Zentrum des Reiches zu einem Zentrum städtischer Kultur: Die Entwicklung neuer Topoi 3.1 Kulturelles Leben: „Athen aller Künste“ oder kulturelles Mittelmaß? Im publizistischen Frankfurt-Bild der Frühen Neuzeit spielten auch das kulturelle Leben und die Kulturproduktion eine Rolle. Die analysierten literarisch-publizistischen Quellen erwähnten und beschrieben bedeutende Persönlichkeiten, Orte der Künste und Bildung sowie architektonisch herausragende Bauwerke. Grundsätzlich folgte das kulturelle Leben im Frankfurt-Bild besonders im 16. und 17. Jahrhundert jedoch quantitativ hinter der wirtschaftlichen und reichspolitischen Bedeutung und nahm erst im Laufe des 17. und verstärkt im 18. Jahrhundert einen größeren Raum im Stadtbild ein. Der umfassende Bereich der Kultur war somit ein verhältnismäßig ‚neuer‘ Aspekt im Frankfurt-Bild, der sich basierend auf rudimentären Anfängen im 16. und 17. Jahrhundert verstärkt im 18. Jahrhundert herausgebildet hat.
3.1.1 Das visuelle Stadtbild Bereits für die klassische und hellenistische Zeit des ersten Jahrhunderts vor Christus bis zum 3. Jahrhundert nach Christus hat die Stadtlob-Forschung festgestellt, dass die städtische Architektur teilweise ein fester Bestandteil verschiedener Lobreden war, während andere Traktate weder Gebäude und Bauwerke noch überhaupt irgendwelche städtebaulichen Strukturen berücksichtigten.1448 Funktionalität und Zweckmäßigkeit von Gebäuden und Bauwerken haben zu dieser Zeit offenbar noch überhaupt keine Rolle gespielt. Allerdings weist die Historikerin Melanie Heinle darauf hin, dass Schönheit und Nützlichkeit im Verständnis der antiken Menschen eng miteinander verknüpft waren.1449 Eine zentrale Eigenschaft von als schön empfundenen Städten war in der Frühen Neuzeit unter anderem die Regelmäßigkeit der Bauwerke, Architektur und Gesamtanlage einer Stadt, wie aus der Lektüre von Reiseberichten verschiedener Städte deutlich wird. Frankfurt am Main war in Bezug auf den enger definierten 1448 Heinle, Stadtbilder im Hellenismus, S. 64. 1449 Ebd., S. 65. DOI 10.1515/9783110503326-005
Kulturelles Leben: „Athen aller Künste“ oder kulturelles Mittelmaß?
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Bereich der architektonischen Kulturproduktion im 16. und 17. Jahrhundert nur spärlich ausgebildet und überwiegend von den Bauten und dem „gotischen Stilempfinden der spätmittelalterlichen Stadt geprägt“.1450
3.1.1.1 Das Stadtbild als Bühne für reichspolitische Ereignisse Im frühen 16. Jahrhundert war das Bild von Frankfurt als einer prächtig gebauten Stadt dementsprechend allgemein und stereotyp gehalten, wenn es überhaupt erwähnt wurde, wie bei Johann Steinwert von Soest: „Kostlich gebawt myt gottes tzyr.“1451 Der Eindruck von einer architektonisch prächtigen Bauweise Frankfurts war im 16. Jahrhundert (noch) nicht sehr verbreitet, auch wenn dieser Aspekt grundsätzlich zum Repertoire humanistischer Stadtlobgedichte gehörte. Nützlichkeit und historische Funktion spielten hingegen im frühen FrankfurtBild eine verhältnismäßig große Rolle in Bezug auf das in der Publizistik tradierte architektonische Stadtbild. Georg Fabricius zum Beispiel stellte in seinem kurzen Lobspruch auf Frankfurt Mitte des 16. Jahrhunderts die Gelehrsamkeit in den Mittelpunkt, um die einfache Holzbauweise der städtischen Gebäude zu überspielen und aufzuwerten: „Ob sie schon von Holz gebaut/ Man doch viel vornehm Leuth drin schaut/ Die sich nach gelährten Männern sehen/ Gleichwie Mycill nach dem Camoenen1452.“1453 Fabricius erwähnt aber auch einzelne herausgehobene Bauwerke, darunter jedoch fast ausschließlich Gebäude, die bei der Kaiserwahl oder bei Herrscheraufenthalten eine wichtige Funktion hatten. In diesem Zusammenhang betont auch Soest die herrliche Ausstattung der Gebäude und den Wohlstand der Stadt: „Wie prächtig und herrlich, wie hochansehentlich/ Wie stattlich und zierlich wie groß und kostbarlich/ Deß Kaysers Logament der Braunfels, deß Pallastes/ Ein herrlich Ornament, deß Reiches höchsten Gastes. Wohl werth, deß Adlers-Nest, der Chur- und Fürsten-Sahl/ Geschmücket uff daß best bey höchster KaysersWahl.“1454 1450 Schindling, Wachstum und Wandel, S. 206. 1451 Steinwert von Soest, Ain lobspruech, S. 78. 1452 Die Camoenen (auch: Camönä, Carmentes) sind ursprünglich zwei altitalische Nymphen. In späterer Zeit bekamen die Musen den Namen Camönen, der häufig von den Dichtern alter und neuerer Zeit gebraucht wurde, sodass sich die eigentümliche Bedeutung fast ganz verlor. 1453 Georg Fabricius: Lobgedicht, 1547. Aus: Georg Fabricius (Georgio Fabricio oder Georg Goldschmidt): Iter Argentoratense ad Volfgangum Meurerum. In: Itinerum Georgii Fabricii Chemnicensis Liber unus. Cum locorum veteribus & recentibus appellationibus. Leipzig 1547, S. 39–45, (Zeilen zu Frankfurt auf S. 42–43). Deutsche Übersetzung bei Diehl, Frankfurt am Main im Spiegel, S. 214. 1454 Steinwert von Soest, Eyn Spruchgedicht, S. 80.
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In den Kosmographien des 16. Jahrhunderts beschränkt sich die Darstellung Frankfurts als ein kulturell bedeutsamer Ort überwiegend auf seine Funktion als Wahl- und Messestadt, wobei besonders die von den Kaisern im Mittelalter gestifteten Gebäude wie das St. Bartholomäusstift – ein „herrlich[…] tempel und stifft“1455 – hervorgehoben werden. Geschehnisse, bedeutende Persönlichkeiten oder gar kulturelle Errungenschaften, die nicht mit dem Kaisertum oder Frankfurts Stellung als Reichsstadt zusammenhingen, sondern genuin städtischer Natur waren, spielen in dieser Zeit noch so gut wie keine Rolle im Diskurs über Frankfurt am Main. Historisch oder architektonisch bedeutsame Bauwerke suchte dann auch der englische Reisende Thomas Coryate 1611 offenbar vergebens. Er entdeckte „no monuments of any note in this City“.1456 Zwar habe er sich das St. Bartholomäus stift angesehen, doch erst im Nachhinein sei ihm erklärt worden, was er dort hätte betrachten können: „I might have seene the monument of the foresaid Earle Gunterus, who was competitor with the said Charles the fourth for the Empire, and afterward King of the Romans. […] Here also died Ludovicus surnamed Germanicus for that he was King of Germanie.“ Coryate war auch im Dominikanerkloster gewesen, weil er gehört hatte, „that there were certaine monuments, and curious rarities to be seene amongst them, but they were so unsociable and precise, that they would not affoord accesse to any strangers at the time of the Mass“. Erstaunlicherweise finden sich diese enttäuschten Eindrücke in der deutschen Übersetzung von Coryates Reisebericht nicht mehr wieder. Die Übersetzung weicht deutlich vom Original ab und wurde von dem leider nicht überlieferten Übersetzer inhaltlich deutlich zum Positiven verändert: „Ich besuchte mehrere Kreuzgänge und entdeckte in dem, der zu der Kirche des heiligen Bartholomäus gehört, unter anderem eine Welt von ausgezeichneten Bildern, wunderbare Kuriositäten meist religiöser Art, bestimmt dazu, Buße und Betrachtung anzuregen.“1457 Bei der Analyse des Frankfurt-Diskurses fällt dieses Phänomen der ‚beschönigten‘ oder zumindest neutralisierten deutschen Übersetzungen mehrfach auf, ohne gleich von einer Regelmäßigkeit sprechen zu wollen. Hier würde sich eine tiefergehende Studie über die deutschen Übersetzungen fremdsprachiger Reiseberichte sicherlich lohnen.1458 Die Intention der Übersetzer bzw. Auftraggeber 1455 Münster, Cosmographei oder Beschreibung aller länder, S. 1814. 1456 Siehe für diesen Absatz Coryate, Crudities hastily gobled up, S. 566. 1457 Coryate, Die Venedig- und Rheinfahrt, S. 309. 1458 Wolfgang Schmid hat immerhin Unterschiede zwischen dem deutschen und lateinischen Trier-Beitrag in der Cosmographia von Sebastian Münster herausgefunden. Die lateinische Ausgabe stelle ein klassisches Produkt der gelehrten Welt des Humanismus dar, während die
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von Übersetzungen liegt indes nahe, denn der Stadt Frankfurt war wohl kaum daran gelegen, dass sich ein derart negativer Eindruck von ihr weiter verbreitete. Auch die unterschiedlichen Adressatenkreise – des Lateinischen mächtig oder nicht – spielten möglicherweise eine Rolle. In der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts beginnen die Verfasser der Stadtlobgedichte die kulturelle Bedeutung Frankfurts stärker hervorzuheben. Sie erwähnen die antike Stadtanlage und die Bauwerke aus der Entstehungszeit Frankfurts, wie ein anonymes Lobgedicht von 1675 verdeutlicht: „Von Römern dero Zeit gemachte Moniment/ Mit Kunst und Schrifft bereit, find ich ihr Fundament.“1459 Die Vielzahl und die Anlage der Märkte, Gebäude, Straßen und besonders das „herrlich schön gebauet[e]“1460 Rathaus auf dem Römerberg würden die Schönheit der Stadt widerspiegeln, die ihr nur „aus Gottes Gnad und Gab“1461 gegeben worden sei.
Abb. 19: Das Rathaus „Der Römer“ auf dem Römerberg. Kupferstich von Caspar Merian, 1658. deutschsprachige Version vieles vereinfacht und verkürzt darstellt. Siehe Schmid, Heilige Städte, alte Städte, Kaufmannsstädte, S. 152. 1459 Lobgedicht eines Unbekannten, 1675. 1460 Ebd. 1461 Ebd.
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Das Besondere an diesem Lobgedicht ist, dass zum ersten Mal eine für die Stadt Frankfurt spezifische Eigenheit angesprochen wird – abgesehen von den Reichsmessen und Kaiserwahlen, die nur punktuelle Ereignisse darstellten und reichsweit von Bedeutung waren. Doch der Römerberg gehörte zum spezifischen Stadtbild und war bzw. ist noch heute prägend für die Anlage und das topographische Bild der Stadt. Gleichwohl stand der Römer auch in engem Zusammenhang mit der Funktion Frankfurts als Ort der Kaiserwahlen, sodass im Stadtbild des 17. Jahrhunderts die Bedeutung Frankfurts für das Reich noch immer gegenüber der innerstädtischen Perspektive dominierte. Nach dem anonymen Lobgedicht von 1675 wurde die städtebauliche Anlage Frankfurts lange Zeit nicht erwähnt. Die kulturelle Bedeutung der Stadt stand nach wie vor fast immer in Zusammenhang mit den Handelsmessen, um Fremde und Reisende durch die Neuigkeiten, Seltenheiten und Sehenswürdigkeiten anzulocken. Erst Mitte des 18. Jahrhunderts schrieb Friedrich Andreas Walther in seinem Gedicht über die vollkommene und makellose Bauweise der gut gebauten Häuser und kostbaren Paläste: „Hier seh ich keine niedern Hütten/ Ich sehe einen Götter Ort:/ Bald schwinget sich der Türme Spitze/ Biß zu der fernsten Wolcke Sitze/ […] Womit sich Franckfurt ewig ziert.“1462 In Frankfurt würden sich die Baukünste und Spezialitäten vieler europäischer Länder vereinen. Die Gebäude seien aus kostbarem Material gebaut. Der Reichtum Frankfurts und der Fleiß der Bürger ermöglichten nach Darstellung von Walther gar den Ausbau Frankfurts zu einem „Götter Tempel“ und spiegelten sich in den Bauwerken wider: „Was in der Baukunst der Frantzose/ Was Rom, was Griechenland ersann/ Trifft man in Franckfurts reichem Schosse/ Unendlich schön im Wesen an./ Hier sieht man Holz und Marmor hauen.“1463 Die streng chronologisch angelegten Stadtchroniken des 16. und 17. Jahrhunderts beschränkten sich zumeist in der Dokumentation des Stadtbildes auf die Daten von Baubeginn und Grundsteinlegung sowie auf die erfolgreiche Vollendung von Bauarbeiten. Alle geistlichen Gebäude und sicherungstechnischen Bauwerke wurden möglichst vollständig genannt. Dazu gehörten Kirchen, Kapellen, Stifte und Klöster sowie Türme, Tore und Mauern. Die „Thürnen, deren umb die statt noch viel vorhanden seynd“1464, nahmen einen verhältnismäßig großen Raum in den ausformulierten chronikalischen Beschreibungen ein. Schließlich hatten die Türme nicht nur einen funktionalen Wert als Glocken- oder Wachtürme. Sie waren auch für das optische Stadtbild und die Wirkung der Stadt nach
1462 Walther, Die Vorzüge der Stadt Franckfurt am Mayn. 1463 Ebd. 1464 Waldschmidt, Chronicon, S5/66, fol. 23.
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außen von großer Bedeutung, weshalb sie im doppelten Sinne das Stadtbild prägten – sowohl das topographische als auch das literarische. „Das herrliche gebäu des Pfarrthurns“1465 der St. Bartholomäuskirche stand aufgrund seiner kirchlichen und baulichen Besonderheiten verständlicherweise im Mittelpunkt der Beschreibungen, angefangen zumeist mit dessen Neubau 1415, „der zwar noch viel höher hett sollen auffgeführet werden, wie der furhandene abriß und abbruch oben auff dem obersten gang beweiset, ist aber auß allerhand uhrsachen bey dieser höhe gelaßen, […] darauff man sich dann weit genug umbsehen und die Statt in Krieg- und feuwersnöthen verwarnen kann“.1466 In Bezug auf die Alarm- und Schutzfunktion des Turms für die Stadt wurde häufig die 1452 vom Rat angebrachte Glocke erwähnt, das „Gemperlein“, das nur „in eußersten nöthen geleuthet wirdt“.1467 Die heterogen ausgestaltete Stadthistoriographie Frankfurts umfasste neben Chroniken mit Aufzählungen von sakralen Bauten, weltlichen (politisch-historischen) Gebäuden sowie gemeinnützigen und funktionalen Einrichtungen auch Chroniken, die kaum Gebäude erwähnten und nur wenige Hinweise auf das topographische Stadtbild enthielten, abgesehen von den wichtigsten Kirchen, Mauern und Türmen. Auch gab es Chroniken, in denen die Gebäude in Zusammenhang mit Unglücksfällen genannt wurden, etwa wenn sie brannten oder eingestürzt waren.1468 Neben Neu- oder Umbauten gehörten somit auch Probleme beim Bau und negative Berichte zum Stadtbild, wie ein Eintrag zum Jahr 1628 belegt, als ein Neubau im Weidenhof errichtet wurde: Nachdem „die bögen alzu früh auß dem frisch auffgemauerten keller auß geschlagen [wurden], ist nachts darauff der keller mit sambt dem Neubau eingefallen“.1469 Das im 16. und 17. Jahrhundert von den Chronisten entworfene Stadtbild erweckt den Eindruck einer sehr gläubigen, gottgefälligen und sicheren Stadt. Dies war sicherlich auch die Intention der Chronisten, die in erster Linie eine funktionale Sichtweise auf die Stadt hatten. Der Bau weltlicher öffentlicher Gebäude oder gar von Privathäusern wurde hingegen gar nicht oder nur äußerst selten erwähnt. Allerdings beeinflusste die Herkunft der Chronisten die Darstellung der Gebäude, je nachdem, ob sie aus einem ratsnahen oder kirchlichen Umfeld stammten. Schriften aus dem kirchlichen Umfeld beinhalteten naturgemäß sämtliche belegbaren Daten über den Bau und die Weihe von Gotteshäusern, die den 1465 Ebd. 1466 Maximilian Faust von Aschaffenburg, Frankfurter Chronik, S5/12, fol. 21r. 1467 Ebd., fol. 21v. 1468 So zum Beispiel in den Frankfurter Chroniken und Collectaneen, S5/10, fol. 43r–46r. 1469 Geschriebene Franckforther Chronick, 1718, S5/86, nicht fol.
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Eindruck einer sehr gläubigen Stadt noch verstärkten, während die Chroniken aus dem städtischen Umfeld nur die wichtigsten Ereignisse erwähnten. Darüber hinaus enthielten die frühen Chroniken des 16. und 17. Jahrhunderts – ebenso wenig wie die Stadtbeschreibungen, Kosmographien und geographisch-historischen Schriften – keine individuellen Beschreibungen der Gebäude, nicht einmal ihre Bauweise oder Ausstattung wurde genannt, lediglich die Bauzeit und der Tag ihrer Einweihung. Im Frankfurt-Bild des 16. und überwiegend auch des 17. Jahrhunderts wurden die architektonischen Bauwerke und Sehenswürdigkeiten vordergründig nicht wegen ihres ästhetischen Werts erwähnt, sondern aufgrund ihrer historischen Bedeutung und als Zeugnisse für die geistliche Gnade, die der Stadt zuteilgeworden sei. Außerdem diente die Nennung des Frankfurter Rathauses und St. Bartholomäusstifts der Hervorhebung der aktuellen politischen Relevanz der Stadt innerhalb des Reichsgefüges und weniger kulturellen oder ästhetischen Interessen. Wichtige historische Bauten der Stadt wurden in den chronikalischen und kosmographischen Schriften des 16. und in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts fast ausschließlich in Zusammenhang mit dem Ursprung Frankfurts oder der politischen Bedeutung der Stadt erwähnt, wie die Beschreibung des St. Bartholomäusstifts in Münsters Cosmographia verdeutlicht: „Mann findt auch noch auß geschrifften daß Pipinus Keiser Carles vatter in dißer statt ein herrlichenn tempel unnd stifft gebawen hat in der ehre des seligmachers, der doch jetz sant Bartholomeus heißt.“1470 Das visuelle Stadtbild diente im Frankfurt-Bild dieser Zeit fast ausschließlich als Bühne für reichspolitisch bedeutsame Ereignisse. Darüber hinaus wurden in den kosmographischen Texten des 16. Jahrhunderts keine Gebäude oder Bauwerke der Stadt genannt und die städtische Ebene fand noch keinen Niederschlag im Frankfurt-Bild.
3.1.1.2 Von der politischen ‚Hülle‘ zum künstlerischen Wert Ein differenzierteres Bild von der städtebaulichen Anlage Frankfurts mit bedeutenden Bauten entwarfen die thematisch gegliederten Chroniken, die etwa seit Mitte des 17. Jahrhunderts nicht nur Baudaten nannten, sondern eigene Kapitel über die Frankfurter Bauten enthielten. Außerdem wurde das Stadtbild Frankfurts in diesen Chroniken erweitert, indem die Chronisten nun auch die Privathäuser beschrieben. Ein anschauliches Beispiel dafür ist die Frankfurter Chronik 1470 Münster, Cosmographei, S. 814. Fast wortgetreu findet sich diese Beschreibung auch bei Johannes Rauw: Cosmographia, das ist: ein schöne richtige und volkomliche Beschreibung deß göttlichen Geschöpffs, Himmels und der Erden. Frankfurt a.M. 1597, S. 395.
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(ca. 1624) von Maximilian Faust von Aschaffenburg, die einen eigenen Absatz über „die Wohnhäuser zu Franckenfurt“ enthält. Allerdings zeigt sich bei näherer Analyse, dass die detaillierte Beschreibung der Häuser weiterhin mit politischen und wirtschaftlichen Aspekten zusammenhängt. Denn die Privatgebäude wurden von den Chronisten nicht wegen ihrer architektonischen Besonderheiten oder Wirkung auf das Stadtbild betrachtet: „Die Wohnhäuser so täglich von wegen der keyserlichen wahltäg und jahrmessen sehr geziehret und von neuem mitt außgehauenen steinen und anderm ziehraht aufferbauet worden, kommen in sehr groses auffnehmen und teurung.“1471 Der Bau von Privathäusern wurde seit Mitte des 17. Jahrhunderts immer dann in den Chroniken festgehalten, wenn sie eine Besonderheit hatten, wie 1584 das „erste hauß auf dem Hirschgraben“1472, oder das topographische Stadtbild sichtbar veränderten, als beispielsweise 1589/90 „die Häußer vor der Bornheimer Pforten auff der lincken hand, da man hinauß gehet, erbauet“ und der kleine Gang, von dem noch ein Teil übrig war, „abgebrochen, und also die gaß erweitert“ worden war.1473 So berichteten die handschriftlichen Chroniken immer wieder über bauliche Veränderungen im Stadtgefüge, welche die Einwohner unmittelbar betrafen und das Stadtbild sichtbar veränderten, wie 1595, als „daß alte ruinirte hauß, der Schauß-Hahn genant, am Kornmarckt weg gerißen und der Platz der Statt überlaßen [wurde]. Darnach daß Hauß Zum großen Goldstein darauff gebauet worden.“1474 Darüber hinaus gehörten die öffentlichen Gebäude aufgrund ihrer herausragenden historischen oder politischen Funktionen – weniger wegen ihrer Bauweise – zum publizistischen Stadtbild: „Der Braunfels, darinnen die Röhmischen Kayser zu ihrer ankunft ihre residentz zuhalten pflegen, auch das heil. Reichs Cammergericht seinen anfang genommen; der Saalhooff, Nürnberger, Augspurger, Baselerhooff, und andern beste und berühmteste heuser, seindt von den alten Geschlechtern erbauwet, und werden von deren erben noch heutiges tages bewohnet und genossen.“1475 In Maximilian Faust von Aschaffenburgs Frankfurter Chronik von etwa 1624 wurde in dem Kapitel über „das alte und neuwe rahthaus“ sogar die gesamte Baugeschichte des Gebäudes beschrieben, das „für alters an dem ort gestanden, da seithero der pfarthurm hingebauwet worden“. Die Geschichte des Rathauses habe ursprünglich auf dem Samstagsberg im Jahr 1406 begonnen, als der Rat „ein hauß von einem alten Geschlechter, die Röhmer 1471 Maximilian Faust von Aschaffenburg, Frankfurter Chronik, S5/12, fol. 25r. 1472 Geschriebene Franckforther Chronick, S5/86, nicht fol. 1473 Ebd. 1474 Ebd. 1475 Maximilian Faust von Aschaffenburg, Frankfurter Chronik, S5/12, fol. 25v.
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genennet, sampt noch andere daran stoßende heuser […] zusammen kauft, und itziges Rahthauß darauß erbauwen lassen, welches dann den nahmen von dem grösten und ersten hauß erhalten und noch heutiges tages der Röhmer genennet wirdt“.1476 Somit gehörten erst seit Mitte des 17. Jahrhunderts die Stadttopographie und bedeutende Gebäude zum publizistischen Bild Frankfurts dazu, auch wenn zunächst ihre historische Bedeutung und weniger ihr kultureller Wert im Vordergrund stand. Konkreter wurden die Beschreibungen in Bezug auf die künstlerische Ausgestaltung der Kirchen in den 1680er-Jahren, beispielsweise in der Memorabilia Europae von Eberhard Rudolph Roth. Er erwähnte die Kirchen und Klöster und beschrieb den „Marmelsteinern Alter, und Canzel, auch [das] überauß schöne und künstliche Gemählde“ von St. Katharinen als „wohl sehens würdig“.1477 Zeiller führte in seiner Topographia Hassiae aus der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts alle wichtigen Gebäude wie Kirchen, Klöster und den Römer an, die es lohne, sich vor Ort anzuschauen und über die man zumindest kurz informiert werden sollte. In Klammern fügte er eine kurze Erklärung über ihre Besonderheiten und kunstvollen Einrichtungen hinzu.1478 Anschließend führte Zeiller die weltlichen Bauwerke und Sehenswürdigkeiten auf, die von Bedeutung gewesen seien: Von andern Sachen seyn zusehen die Bevestungen umb beyde Stätte; das obgedachte Rathhauß, oder der Römer; dz Zeughauß; die ansehenliche steinerne Brück uber den Mayn, darüber man von einer Statt in die andere füglich gehen, reiten und fahren kan. Im Hauß, der Saalhof genannt, seyn noch Anzeigungen deß alten Königlichen Schlosses, oder Saals, vorhanden.1479
Zeiller listete die Gebäude nicht nur aufgrund ihrer historischen Bedeutung und der Vergangenheit Frankfurts auf, wie es bislang geschah, sondern beschrieb auch ihren gegenwärtigen Zustand. Er ging auf die bauliche Entwicklung ein, die zu einer Veränderung im Stadtbild geführt habe. Abraham Saurs Beschreibung der „vornembste[n] Gebäw“1480 Frankfurts von 1658 und weitere kosmographische Schriften dieser Zeit ähneln der Darstellung von Zeiller – abgesehen von der differierenden Ausführlichkeit – sprachlich sehr. In weiten Teilen stimmen sie so offensichtlich miteinander überein, weshalb davon auszugehen ist, dass sich die Kompilatoren der kosmographischen Schrif1476 Ebd., fol. 20v. 1477 Roth, Memorabilia Europae, S. 136. 1478 Zeiller, Topographia Hassiae, S. 53–54. 1479 Ebd., S. 54. 1480 Saur/Authes, Stätte-Buch, S. 508.
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ten an denselben Vorlagen orientierten oder Passagen voneinander bzw. aus früheren Schriften übernommen haben. Es erstaunt hingegen, dass im Gegensatz zu den Chroniken und kosmographischen Schriften viele der Frankfurter Reisebeschreibungen aus dem 17. Jahrhundert die Gebäude der Stadt entweder gar nicht oder nur sehr knapp erwähnten, sodass sie offenbar auf den Bereich der im Frankfurter Umfeld verfassten Publizistik und Literaturproduktion beschränkt blieben. Es zeigt sich außerdem, dass die Praktikabilität und der Nutzen von Neu- und Umbauten dazu führten, dass diese Gebäude regelmäßig und möglichst vollständig in den Chroniken vermerkt wurden. Im 18. Jahrhundert erwähnten auch die gedruckten Frankfurter Chroniken die „fürnemsten Gebäude […] dieser Stadt“.1481 Dazu gehörten unter den weltlichen Gebäuden das Rathaus bzw. der Römer mit dem kaiserlichen Wahlzimmer oder das Haus zum Frauenstein bzw. das Große Braunfels, „in dessen unterstem Zimmer auf der Erden, die Kaufleute alle Mittage zusammen kommen, und ihre Börse halten“.1482 Zwar stand auch in diesen Stadtbeschreibungen der architektonische Wert nicht im Vordergrund, doch war der Blick für die kulturelle Bedeutung mittlerweile geweckt. Der Chronist Stock beschrieb den Dom nämlich nicht mehr nur im Zusammenhang mit der frühgeschichtlichen Entwicklung Frankfurts. Er erwähnte auch dessen „schöne grosse Orgel und die gar künstliche Uhr mit dem ewigen Calender und Astrolabio“, die man im Dom besichtigen könne und „welche von den Frembden als was besonders in Augenschein genommen“1483 worden sei. Darüber hinaus zählte die überwiegende Anzahl der gedruckten Stadtchroniken nur die wichtigsten weltlichen und geistlichen Gebäude auf. Immerhin enthielten sie nun zum Teil mit angefügte kurze Beschreibungen, ohne dass die Verfasser jedoch auf die soziokulturellen Bedeutungen eingegangen waren. Der Reisende Freschot beschrieb wiederum die Frankfurter Kirchen recht ausführlich, unter denen die katholischen keine Besonderheiten aufweisen würden, „non plus que celles qui servent aux Lutheriens, excepté celle de Ste. Catherine (car elles ont toutes appartenu aux Catholiques) qui est assez belle avec une voute de bois ornée de diverses peintures“.1484 Das Geographische Reise- Post- und Zeitungs-Lexicon von Teutschland (1756) wies im Gegensatz zu den meisten eher kurz gehaltenen Lexika-Einträgen immer1481 Stock, Kleine Franckfurther Chronick, S. 11. 1482 Ebd., S. 11–12. 1483 Ebd., S. 15–16. 1484 Casimir Freschot: Remarques historiques et critiques. Faites dans un Voyage dʼItalie en Hollande dans lʼAnnee 1704. Erster Teil. Köln 1705, S. 48–49.
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hin auf „verschiedene betrachtungs und sehenswürdige Dinge“1485 hin. An erster Stelle stand – wie üblich – die Domkirche zu St. Bartholomäus mit der Wahlkapelle, die künstliche Uhr mit dem immerwährenden Kalender, aber auch der Turm dieser katholischen Kirche, der ein evangelisches Geläut und einen evangelischen „Thürner“ habe. Erwähnt wurden einige weitere Kirchen, der Römer als Ort der Krönungsfeierlichkeiten, das Haus Frauenstein bzw. Braunfels, das Waisenhaus samt Zuchthaus, der Fürstlich Thurn und Taxische-Palast und das deutsche Haus bzw. Deutschordenshaus in Sachsenhausen.1486 Auffällig ist somit auch bei den lexikalischen Beschreibungen Frankfurts des 18. Jahrhunderts, dass überwiegend historisch, gesellschaftlich und wirtschaftlich bedeutsame oder geistliche Gebäude aufgeführt und demgegenüber kulturelle sowie Bildungseinrichtungen im engeren Sinne überhaupt nicht berücksichtigt wurden. In die Zeitschriften und Rezensionsorgane der Aufklärung gelangte im 18. Jahrhundert die Erwähnung von Privathäusern samt Funktion und teils auch der Bauweise. Allerdings handelte es sich dabei nicht um gewöhnliche Bürgerhäuser, sondern um die Anwesen und Stammsitze der Patrizierfamilien und adeligen Gesellschaften, wie zum Beispiel „das beträchtliche Gebäude, welches der erloschenen Familie von Cronstadt gehörte, das uralte Stammhaus der Familie von Stallburg, das dieselbe kürzlich der deutschen reformirten Gemeine [sic] zur Erbauung ihres Gotteshauses verkauft hat, an dem die äussere sowohl als die innere Gestalt und Bauart ein Alter von wenigstens drei Jahrhunderten sehr kenntlich verrieht“.1487 Gewisse bauliche Veränderungen wurden teilweise wohl aus dem Grund überhaupt nicht oder erst mit Verzögerung dargestellt, weil den Autoren diese gar nicht bewusst waren. So ist die Veränderung gegenüber dem Gewohnten (oder Unbekannten) oft erst aus einer gewissen zeitlichen oder räumlichen Distanz heraus möglich. Dabei handele es sich laut Heinle um einen allmählichen Prozess, denn für den heutigen Betrachter oder Historiker seien die Veränderungen jener Zeit viel leichter zu erkennen als für die Menschen, die zu der Zeit der Veränderungen lebten.1488 Das in der Publizistik tradierte Frankfurt-Bild war in Bezug auf die Architektur und äußere Erscheinungsweise bis ins späte 17. Jahrhundert vordergründig geprägt durch dessen historisch-politische Bedeutung, sprich Funktionalität. 1485 Christoph Ludwig Eber: Geographisches Reise- Post- und Zeitungs-Lexicon von Teutschland, oder gesammlete Nachrichten von denen in Teutschland liegenden Städten, Marktflecken. Jena 1756, S. 393. 1486 Ebd. 1487 Vertraute Briefe über verschiedene freie deutsche Reichs-Städte, S. 88. 1488 Heinle, Stadtbilder im Hellenismus, S. 66–67.
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Die Anordnung der Gebäude und Bauten zueinander oder eine Bewertung des Gesamtbildes der Stadt oder Einzelbeispiele herausgelöst aus ihrem urbanistischen Kontext spielten noch keine Rolle. Auch der Struktur der Stadt oder architektonischen Besonderheiten widmete man sich erst allmählich. Es bestand somit ein enger Zusammenhang zwischen der Funktionalität und der Stadtanlage, besonders in Bezug auf die Kirchen, Stadtmauern und Verteidigungsanlagen. Eine vermeintliche Schönheit der Stadt spielte erst ab Mitte des 17. Jahrhunderts eine erwähnenswerte Rolle im Stadtbild, wie das folgende Kapitel verdeutlicht.
3.1.1.3 Die schöne Stadt Wie sich im vorangegangenen Kapitel schon angedeutet hat, hatte sich der Blick auf den kulturellen und gesellschaftlichen Wert der Bauwerke seit der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts zunehmend geschärft. Neben die historisch-politische Bedeutung trat nun eine ästhetische und kulturelle Beurteilung, die sich insbesondere in den Reiseberichten fand. Deren Verfasser hatten wiederum kosmographische Schriften und Reiseführer rezipiert, wodurch sich dieses Bild multiplizieren und tradieren konnte. Einen ersten spezifischen Blick auf die städtebaulichen Besonderheiten richtete der Italiener Gualdo Priorato im Jahr 1668, als er auf die Zweiteilung der Stadt in la vecchia (Altstadt) und la nuova (Neustadt) einging. Außerdem beschrieb er die schönen und breiten Straßen, die großen und bequemen Cafés, die vielen geräumigen und großen Plätze, erwähnte aber auch den Römer – den er allerdings nur für den Platz und nicht für das Gebäude des Rathauses hielt. Er ging sogar auf die unterschiedlichen Plätze und das dortige Geschehen ein, etwa auf den Marienplatz, den Allerheiligenplatz und den Pferdemarkt.1489 Die weltlichen Gebäude beschrieb er ausführlicher als die Verfasser der bisherigen deutschsprachigen Stadtbeschreibungen, indem er auch die Schönheit der Patrizier- und Bürgerhäuser mit aufführte: „Non mancano moltʼaltre case grandi, e nobili benissimo addobate, così de Patricii come de Cittadini.”1490 Damit begann in der Mitte des 17. Jahrhunderts ein Wandel im Frankfurt-Bild, der sich insbesondere in den Reisebeschreibungen weiter fortgesetzt hat: weg von den 1489 „Le contrade sono belle, e spatiose. Le café grandi, e capaci dʼogni commoditá; mà in maggior parte conforme lʼuso dʼAlemagna de legni contessuti insieme. Molto sono le Piazze ample, e grandi. La Principale si chiama el Rumer, nel mezzo del quale è una bella fontana, & alla parte inferiore verso Occidente la casa publica del Senato. La Piazza santa Maria tien pur una vaga fontana nel mezzo. La Piazza del grano non è inferior adʼalcuna, e così lʼaltra dove si fá mercato de cavalli. Vi è ancora la Piazza dʼogni santi pur grande, e con una fontana dʼassai bella vesta.“ Vgl. Gualdo Priorato, Relatione del Governo, S. 97. 1490 Ebd., S. 101.
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stereotypen Beschreibungen – die dennoch keinesfalls an Bedeutung verloren haben – hin zu neuen Betrachtungsweisen, die einen veränderten Fokus und Interessensschwerpunkt hatten und die Gesellschaft, Bildung und Kultur mit in den Blick nahmen. Im Frankfurt-Bild des 17. Jahrhunderts gab man sich jedoch weiterhin bescheiden. So stellte Hermann Adolf Authes in seinem Lobgedicht von 1658 die Bescheidenheit der Stadt als besonderen Charakterzug heraus, obwohl er sie in ihrem Inneren als „schön und reich“ beschrieb. Damit meinte er jedoch in erster Linie die zahlreichen, mit kostbaren Schriften gefüllten Büchergewölbe – also einen geistigen Reichtum. Eine übergezogene und unnötige Prachtentfaltung nach außen sowie übertriebener Luxus gefielen dem Autor hingegen gar nicht. Authes stützte sich in der Beschreibung Frankfurts eher auf die vermeintlich wahren Tugenden wie Standhaftigkeit, Treue und Redlichkeit: Mein Pracht und Schönheit, Glantz und Zierd/ Von außen nicht verspüret wird./ Inwendig bin ich schön und reich/ Daß mirs nicht bald ein Stat thut gleich:/ In den Gewölbern steht mein Zier/ Die ich nicht an die Häuser schmier./ Ich haß unnützen Pracht und Schein/ Und red nicht anderst als ichs meyn/ Standhafft, Redlich, Trew von Gemüth/ Bey solchem Sinn mich Gott behüt.1491
Mit seiner Bescheidenheit wollte Authes möglicherweise die weit verbreitete Ansicht überspielen, dass Frankfurt architektonisch und städtebaulich kein sonderlich schönes oder auffallendes Bild abgab. Daher führte er die Schönheit und den Glanz Frankfurts nicht auf die Stadtgestalt oder auf ansehnliche Bauwerke zurück, sondern auf ihren ideellen und geistigen Wert: Bücher und Literatur sowie tugendhafte Charakterzüge machten den Reiz und die Anziehungskraft der Stadt aus. Daneben existierten zeitgleich weiterhin pauschal-stereotyp formulierte Beschreibungen, die selten Neuerungen enthielten. So liest man in Christian Weises Neu-vermehrter Teutschen Staats-Geographie (1693), dass „beyde [Frankfurt und Sachsenhausen, Anm. d. Verf.] sehr wohl bevestiget und zierlich gebauet“ seien und „daselbst unterschiedene rare und sehens-würdige Dinge“ wären, darunter besonders die „Raths- und Zeughäusser, die Stiffts-Kirche, die Dom-Kirche, worinnen der Römische Kayser gewehlet wird, das Teutsche Hauß, die neue Kirche S. Catharina, samt andern Kirchen und Clöstern“.1492 Im Verlauf des 18. Jahrhunderts beschrieben dann auch die Kosmographien und Geographien die kirchlichen Einrichtungen Frankfurts detaillierter und 1491 Hermann Adolf Authes: Inwendig bin ich schön und reich. 1658. Aus: Saur/Authes, StätteBuch, S. 509. 1492 Weise, Neu-vermehrte Teutsche Staats-Geographie, S. 988–989.
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mit Blick auf individuelle Aspekte, wodurch der Leser einen Eindruck von der Vielzahl an Sakralbauten mit einer offenbar prächtigen Ausstattung bekommen sollte: „Die St. Catharinen-Kirche […] ist im Jahr 1678 abgebrochen, und gantz neu, grösser und schöner, nebst einem ansehnlichen und zierlichen Thurn wieder aufgebauet worden. Sie hat keinen Pfeiler, jedoch eine schöne marmorne Cantzel, und eben dergleichen Altar. Das Gewölbe ist oben gantz bemahlet, und soll dieser Schönheit wegen in Deutschland gar wenig ihres gleichen haben.“1493 Ebenso ausführlich wurden auch die weltlichen Gebäude samt Ausstattung und Funktion beschrieben. Laut dem Denkwürdigen und nützlichen Antiquarius des Neckar- Mayn- Lahn- und Mosel-Stroms von 1740 sei nach dem Römer besonders „das Haus zum Frauenstein sehenswürdig, so sonst das große Braunfels genennet wird. In diesem pfleget der neuerwehlte Römische Kaiser zu wohnen. […] In den drey Zeughäusern dieser Stadt trift man viel schönes und mancherley Geschütz an.“1494 Anhand dieses Beispiels zeigt sich, dass das äußere Erscheinungsbild der Stadt gegenüber der historisch-politischen Bedeutung für das literarisch-publizistische Gesamtbild der Stadt wichtiger geworden war. So betonte beispielsweise Carl Gottlob Dietmanns Neue Europäische Staatsund Reisegeographie 1752 die Beschaffenheit und das Ansehen der Stadt, die mit „vielen schönen Pallästen, Marktplätzen und Brunnen“1495 prange. Auch nehme sich „der neuere Theil der Stadt, wegen seiner weiten und großen Strassen, magnifiquen Häusern, und schönen Gärten vortreflich aus“.1496 Der Chronist Johann Adolf Stock fügte seiner 1719 im Druck erschienenen und im ersten Teil chronologisch aufgebauten Chronik ein kleines Kapitel über die Besonderheiten Frankfurts an, zu denen „ein künstlich hangendes steinernes Gewölb [in der St. Leonhards-Kirche gehörte, Anm. d. Verf.], welches die anher reysende Mäurer als ein sonderlich Kunst-Stück begierig ansehen“.1497 Darin erschöpfte sich schon die Erwähnung kultureller, architektonisch und künstlerisch wertvoller Bauwerke. Die Chronisten und Stadtbeschreiber haben offenbar insgesamt gesehen keinen großen Wert auf kulturell bedeutsame Werke gelegt, sondern verwiesen stärker auf historisch-politisch bedeutsame Ereignisse, Neubauten und die städtebauliche Entwicklung der Stadt. Die Reisebeschreibungen – besonders die handschriftlichen – wurden teilweise etwas konkreter, denn die Reisenden besuchten nicht nur die Gottesdienste, sondern schauten sich auch das Inventar der Kirchen an, deren Kost1493 Historisch-Politisch-Geographischer Atlas der gantzen Welt, Sp. 1814. 1494 Denkwürdiger und nützlicher Antiquarius, S. 340. 1495 Dietmann/Haymann, Neue Europäische Staats- und Reisegeographie, S. 650. 1496 Ebd., S. 657. 1497 Stock, Kleine Franckfurther Chronick, S. 82.
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barkeiten somit in das Stadtbild von Frankfurt gelangten. So berichtete 1735 ein ungenannter Würzburger Bürger mit seinem Vater: Nach gehaltener Vesper betrachteten wir die zimmer in dem teutschen Haus welche sehr schön waren; unter anderen aber saheten wir drey grosse spiegel deren Größe wohl 14 schuhe hoch gewesen und 6 breit ohne die rahm mit welchen er umbgeben war; die zwey geringere aber 10 bis 11. Des andern tags besahe ich die übrige Kirchen und zwar erstens die Dominicaner Kirch worinnen ich eine sehr grosse Canzel von nusbaumen Holtz gesehen; sambt anderen schönen alteren, dann die Capuciner Kirch ebenfalls dessen altär alle von nussbaumen holz gewesen, eine Kirch warhaftig so schön als ich noch keine Capuciner Kirch gefunden; ahn den hohen altar observirte ich das er von ihro hochfürstlichen Gnaden Friderich Carl Graffen von Schönborn Bischoffen von Bamberg und Würtzburg in diese Kirch seye gestifftet worden.1498
Auch die Stadtbeschreibungen des 18. Jahrhunderts widmeten sich stärker der künstlerischen Ausstattung der Gebäude. Die „weit berühmte Dom-Kirche St. Bartholomaei“,1499 die bislang hauptsächlich aufgrund ihrer Funktion als Wahlort der römisch-deutschen Kaiser hervorgehoben wurde, erwähnte der Stadtbeschreiber Müller 1747 im Hinblick auf ihre architektonische Bauweise und Ausstattung: „Die Kirche ist ins Creutz gebauet, die Gewölbe sind fürtreflich, der Thurn welcher an der Spitze dieses grossen Gebäudes stehet, und der Pfarr-Thurn genennet wird, kan vor einen der schönsten und höhesten in Teutschland gehalten werden.“ Dieses Lob bekam das später als Dom bezeichnete Bauwerk sogar von Müller, obwohl es nicht einmal plangerecht fertiggestellt worden sei, denn „anstatt daß er hätte sollen nach und nach zugespitzet werden, so wurde man endlich über die lange Arbeit ungedultig, und setzte ein niedriges Gewölb in Form eines Doms darauf“. Zudem sei das Geläut des Turms laut Müllers Beschreibung „ungemein prächtig und eines der reichsten in Europa“. Auch erwähnte er die Ausstattung der Kirche mit Altären, Wandgemälden und anderen „Zierathen“. Der Wandel im Stadtbild Frankfurts durch eine stärker kulturell orientierte und architektonische Bewertung von Gebäuden zeigte sich auch in dem Bild, das Fremdsprachige von Frankfurt tradierten, als etwa einem reisenden Franzosen im Jahr 1743 auffiel, dass Frankfurt zwar keine besonders schöne Stadt sei, sie aber nach den mehrfachen Bränden und dadurch notwendig gewordenen Neu-
1498 Reisebericht eines ungenannten Würzburger Bürgers über die Reise mit seinem Vater, seinem Bruder Hermann zu Wasser und Lande über Frankfurt, Gießen, Fritzlar. 1735. Zeitgenössischer Titel: Ordentliche Reis Beschreibung so angefangen hat dienstags den 7.ten Juny 1735, fol. 2r. Staatsarchiv Würzburg: Historischer Verein Ms f. 1778. 1499 Siehe auch für die folgenden Zitate Müller, Beschreibung des gegenwärtigen Zustandes, S. 55–56.
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bauten verschönert worden sei.1500 Auch finde man nun in den Straßen „divèrses belles Figures, entre autres à la Maison où la Fabrique de Lohr a son Magazin, & qui est située à la place du Römer“.1501 Nach Ansicht des Reisenden Andreas Meyer war 1777 die Stadt selbst zwar „nicht zum besten gebauet“, doch würden sich „etliche Gegenden in derselben, durch ansehnliche Palläste und andere gute Gebäude, wie auch durch breite und regelmässig angelegte Strassen“ auszeichnen.1502 Er erinnere sich „des gräflich Schönbornischen, des gräflich Solmschen, des fürstlich Thurn und Taxischen, und verschiedener anderer fürstlicher so wohl, als gräflicher Palläste mehr, die der Stadt zur grossen Zierde gereichen, und beynahe alle sehenswerth sind“.1503 Meyer berichtete aber nicht nur von dem äußeren Stadtbild, sondern kannte offenbar auch viele Bürger- und Patrizierhäuser sowie Paläste von innen. Viele von ihnen hätten „feine Gemälde, kostbare Tapeten, Möbel[…] und andere Auszierungen, die den Zimmern ungemein viele Schönheiten ertheilen; ohne davon etwas zu erwähnen, daß die Mehresten nach der neuesten Bauart ausgeführt sind, und größtentheils prächtig ins Auge fallen“.1504 Bis in die Gelehrtenlexika des späteren 18. Jahrhunderts hatte sich schließlich das Bild von den vornehm ausgestatteten Palästen und Kirchen fortgetragen. Das von Wolfgang Jäger 1797 herausgegebene Zeitungslexikon erwähnte zum Beispiel „verschiedene kurfürstliche, fürstliche und gräfliche Palläste und Höfe“1505 sowie die vornehmsten katholischen und lutherischen Kirchen. Auch die Zeitschriften der Aufklärung griffen den in den Reiseberichten und Lexika deutlich hervortretenden Wandel im architektonisch-kulturellen Stadtbild Frankfurts zum Positiven auf. Johann Isaak Gerning konstatierte 1799, dass sich die Stadt seit 20 Jahren „bey immerwährender Zunahme des Wohlstandes, der Handlung und des Luxus ungemein verschönert [habe], und es sind in dieser Zeit (ausser einer Neustadt, an der Mayn-Brücke) wohl gegen 30 Pallastverwandte Häuser aufgeführt worden“.1506 Dazu zählte er neben den Patrizier- und Bürgerhäusern die Gasthöfe Zum Römischen Kaiser, Zum Schwan, das neue Rothe 1500 „Elle est fort ancienne, & si elle n’est pas des plus belles de l’Allemagne, elle s’embéllit tous les jours, par les malheurs que des incendies lui ont causez: On a été obligé de rébâtir des ruës entiéres.“ Vgl. Voiage historique et politique, S. 225. 1501 Ebd. 1502 [Andreas Meyer:] Briefe eines jungen Reisenden durch Liefland, Kurland und Deutschland an seinen Freund Herrn Hofrath K… in Liefland. Erster Teil. Erlangen 1777, S. 62. 1503 Ebd. 1504 Ebd., S. 62–63. 1505 Wolfgang Jäger (Hrsg.): Geographisch-Historisch-Statistisches Zeitungs-Lexicon. Erster Teil: A–L. Nürnberg 1782, S. 553. 1506 Gerning, Skizze von Frankfurt am Mayn, S. 241–242.
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Haus und den Hof von England.1507 An „neuen öffentlichen Gebäuden“ führte er die „teutsch- und französisch-reformirten thurm- und glockenlosen Kirchen oder Bethäuser“ auf und die „neue lutherische Hauptkirche, weiland zu den Barfüßern, soll eine Art von Rotonda vorstellen“.1508 In dem zweiten Teil seiner Skizze von Frankfurt am Mayn beschrieb Gerning ausführlich die Bauweise und Innenausstattung der Gebäude, wie den neuen „Stein- und Marmorreichen Palazzo“ des Herrn Alessina-Schweizer aus der französisch-reformierten Gemeinde, den „einige gute Gemälde“ zieren würden und der mit „Meubles aus dem Trianon“1509 ausgestattet sei. Der Blick im Frankfurt-Bild richtete sich somit nun nicht mehr ausschließlich auf die Historie und historisch-politische Bedeutung von Bauwerken, sondern auf deren künstlerische Ausgestaltung und Innenausstattung. Auch die Privatgebäude wurden zunehmend in den Fokus genommen. Deren Beurteilung konnte indes sehr unterschiedlich ausfallen, war jedoch überwiegend positiv und lobend. Gleichwohl gab es Stimmen – überwiegend Menschen, die Frankfurt eher ferner standen oder zuvor noch nie dort waren –, die der Frankfurter Architektur nichts Besonderes abgewinnen konnten, wie das folgende Kapitel zeigt.
3.1.1.4 Keine besondere Baukunst Während das vorangegangene Kapitel einen überwiegend positiven Eindruck von Frankfurts Bauweise und städtebaulicher Anlage widerspiegelt, war das Frankfurt-Bild damit noch nicht vollständig, war es im 18. Jahrhundert doch sehr disparat ausgeprägt. Mit der Ausdifferenzierung und offeneren Meinungsäußerung in Reiseberichten und Stadtbeschreibungen schauten die Zeitgenossen auch kritischer auf die Bauweise und Einrichtung der Frankfurter Häuser. Zwar folgten die Reisenden des 18. Jahrhunderts überwiegend den Hinweisen und tradierten Beschreibungsmustern aus der chronikalischen sowie kosmographisch-geographischen Publizistik, indem sie die historisch bedeutsamen und berühmtesten Gebäude der Stadt besichtigten und sich die Bibliotheken und Kunstsammlungen anschauten. Folglich rekurrierten sie auf ein Stadtbild, das sich zu großen Teilen im späten 17. und frühen 18. Jahrhundert herausgebildet hatte. Gleichzeitig kamen neue und kritische Eindrücke hinzu, insbesondere von denjenigen, die als Fremde die Stadt besuchten und keine persönlichen Bezüge oder Kontakte zu der Stadt hatten. 1507 Ebd. 1508 Ebd. 1509 Johann Isaak Freiherr von Gerning: Skizze von Frankfurt am Mayn. Fortsetzung. Julius, S. 254. In: Der neue Teutsche Merkur 2 (1799), S. 334–345, hier S. 335.
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Insgesamt und qualitativ betrachtet lieferte das in der Reiseliteratur entworfene Stadtbild nur selten Informationen über die Bauweise der Wohnhäuser und Gebäude, abgesehen von bedeutenden Häusern, die jedoch zumeist nicht in ihrer Bauweise, sondern in ihrer gesellschaftspolitischen oder wirtschaftlichen Funktion beschrieben wurden. In seinem Reisebericht von 1731 erklärte Samuel Gottlieb Voigt, warum das so war: Frankfurt ist eine der schönsten Städte im deutschen Reiche, sie ist zwar nur mittelmäßig gros, aber sehr volkreich, die Lage derselben ist unvergleichlich und die Gegend da herum ist eine der angenehmsten in der Welt, es ist nur schade, daß das inwendige der Stadt gröstentheils sehr übel gebauet ist, die meisten Häuser sind von Holtz und Laimen aufgeführet, die mehresten Häuser hängen von forne etliche Schue über, dergestalt, daß sie in den engen Gaßen oben fast zusammen stoßen.1510
Friedrich Justinian von Günderrode gewann 1783 einen ähnlichen Eindruck von Frankfurt. Es gebe „nicht viel Sehenswürdigkeiten in dieser Stadt, welche die Neugierde eines Fremden reizen könnten“.1511 Zu diesem Schluss kam von Günderrode, obwohl er vom St. Bartholomäusstift, vom Römer und Römerberg, von der Goldenen Bulle, von den adeligen Stiften, dem Senckenbergischen Stift, den „löbliche[n] und reiche[n] Spitälern“ und anderen Stiftungen, der Stadtbibliothek sowie den „beträchtliche[n] Sammlungen von Gemälden, Kupferstichen, Naturalien und dergleichen“ berichtete.1512 Beachtet werden muss bei der Analyse dieses Urteils sicherlich auch die Bemerkung Günderrodes, dass die Stadt für einen „Fremden“, der außer den genannten Aspekten nichts Interessantes in Frankfurt finden könne, die Stadt in gesellschaftlicher Hinsicht – vorausgesetzt man ist Teil dieser gehobenen adeligen bzw. patrizischen Gesellschaft – einige interessante Anknüpfungspunkte bieten könne. Mit dieser Einschätzung übereinstimmend, meinte auch der gelehrte Däne Frederik Sneedorff als jemand, der offenbar nicht in die Frankfurter Gesellschaft eingeführt war, dass Frankfurt für einen Reisenden „nichts merkwürdiges“ zu bieten habe, „außer die goldne Bulle und das rothe Haus, welches der beste Gasthof in Deutschland ist“.1513 Ein Görlitzer Adliger scheint Frankfurt
1510 Samuel Gottlieb Voigt: Historische Lebens- und Reisebeschreibung; welche von mir Samuel Gottlieb Voigten verrichtet und aufgezeichnet worden, vom Jahre 1731 bis 80. Anno 1780, fol. 16v. SLUB: Msc. Dresd. App. 295. 1511 Günderrode, Beschreibung einer Reise, S. 313. 1512 Ebd., S. 314–315. 1513 Frederik Sneedorff: Briefe eines reisenden Dänen; geschrieben im Jahr 1791 und 1792 während seiner Reise durch einen Theil Deutschlands, der Schweiz und Frankreichs. Aus dem Dänischen übersetzt [von Johann Friedrich Schuetze]. Züllichau 1793, S. 87.
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ähnlich in Erinnerung behalten zu haben und beschrieb Frankfurt als „eine große ziemliche feste, dabey aber übel gebaute Stadt am Mayne“.1514 Diesen Zustand haben aber in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts offenbar auch die Frankfurter selbst so gesehen. So war der Stadtbeschreiber Johann Bernhard Müller der Meinung, dass die Baukunst Frankfurts „eben nicht dasjenige [sei], was Fremde hier an unsern Häusern bewundern, wir wollen uns auch deßwegen mit ihnen in keinen Wortwechsel einlassen, sondern lieber uns selbst darinnen bescheiden, daß die Bauleute unserer meisten Häuser nicht die besten gewesen sind“.1515 Johann Friedrich Karl Grimm war 1775 besonders enttäuscht über den Römer: „Die berühmtesten Plätze in der Stadt, wie der, wo der Römer steht, sind just die unansehnlichsten und kleinsten.“1516 Damit erklärt sich wohl auch die zumeist sehr knappe Beschreibung der Wohnhäuser und öffentlichen Gebäude bzw. ihrer Funktion und weniger ihrer Ausstattung und Architektur. Ein Blick in die Stadtbeschreibungen anderer Städte zeigt hingegen, dass eine kritische Betrachtung und das Aufzeigen von Mängeln durchaus üblich war, wie beispielsweise für Wien die engen und finsteren Straßen, zu hohen Häuser und der von Gedränge und Gefahren geprägte Verkehr.1517 Der Frankfurter Stadtbeschreiber Müller führte die Rückständigkeit der Baukunst in Frankfurt darauf zurück, dass nicht etwa genug Leute vorhanden gewesen wären, die ihr Werk verstünden, sondern dass die Handwerker „zu viel den Meister spielen, und einem das bauen sehr verleiten dergestalt, daß wer nicht aus Noth bauet, selten sich den Kitzel stechen läst, aus Lust und zur Zierde ein Gebäude zu unternehmen“.1518 Deshalb mangele es in Frankfurt auch nicht an alten und „besonders neuen schönen regulmäßigen Pallästen, und Häusern“, die entweder aufgrund ihrer „dauerhafften Bau-Art“ oder wegen ihrer „prächtigen Errichtung nach der neuesten und besten Architecture, ihres herrlichen Ansehens wie auch inneren vortrefflichen Auszierungen und Kostbarkeiten halber, allerdiengs verdienen betrachtet zu werden“. Beispielsweise sei das Uffenbachʼsche Haus ein „Muster von der neuen Bau-Art und zeiget von dem feinen Geschmack seines Herrn Besitzers und Erbauers“. Doch auch die im ausgehenden 18. Jahrhundert hinzugekommenen detaillierten Beschreibungen von öffentlichen Bildungs- und Kultureinrichtungen mussten nicht zwangsläufig positiv ausfallen, sondern entwarfen ebenfalls ein 1514 Bericht eines Görlitzer Adligen, fol. 5. 1515 Müller, Beschreibung des gegenwärtigen Zustandes, S. 43. 1516 Grimm, Bemerkungen eines Reisenden durch Deutschland, Erster Teil, S. 37. 1517 Békési, Die aufgeräumte Stadt als Bild, S. 273. 1518 Siehe auch für die folgenden Zitate Müller, Beschreibung des gegenwärtigen Zustandes, S. 43–44.
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kritisches Bild der aktuellen Situation. Ein anonymer Autor hatte sich 1798 im Neuen Teutschen Merkur darüber beschwert, dass die „öffentlichen litterärischen Institute, Stadtbibliothek und Gymnasium, […] durch den Bau der Barfüßerkirche in Unordnung“ gebracht worden seien. Dabei sei die Stadtbibliothek „gar nicht unbeträchtlich“ gewesen, jedoch in „mehrern Fächern sehr unvollständig“.1519 Ein großer Flügel von dem „gemeinschaftlichen Gebäude“ der Stadtbibliothek sei abgebrochen worden, der Großteil der Bücher ein Stockwerk höher „in einem engen Raume zusammengepreßt, und die Schule nachher durch den nahen Bau über zehn Jahre lang beunruhigt“ worden.1520 Noch immer stehe das Schulgebäude „wie Rudera1521 eines verfallenen Klosters“1522 da. Während häufig die Kirchen, das Rathaus oder der Thurn- und Taxische Palast im Blickpunkt der Reisenden lagen, sah sich ein anonym gebliebener Reisender auch ein Schauspiel an, hielt jedoch „das Komedien Haus“ für „viel zu klein für Franckfurth“1523 – bezeichnend für das Bild Frankfurts als einen offenbar eher mittelmäßigen Kulturstandort. Doch auf seinem Rundgang durch die Stadt sah er auch immer wieder „schöne Gebäude“. Er beschrieb die an der Brücke liegenden Mühlen näher und betrachtete die Stadt eher aus den Augen eines Ingenieurs oder Technikers, denn „um zu erfahren, was weiter merkwürdiges in Franckfurth ist, gieng ich zu dem Hrn. Stadtbaumeister Hess, von welchem ich sehr freundschaftlich aufgenommen wurde, er sagte mir aber, daß man in Frankfurth garnichts hydraulisches u. mechanisches sehen könnte, was allenfalls zu sehen wäre sind blos bürgerliche Gebäude, welche aber nicht zu meinem Zweck gehören, über mathematische Gegenstände lies [sic] er sich nicht mit mir ein.“1524 Johann Peter Willebrand stellte 1769 fest, dass Frankfurt einerseits noch weitgehend „altväterisch, das ist, Gothisch“ geprägt, aber zum Teil auch mit „prächtigen Häusern gebauet“1525 sei. Die Häuser seien zum Großteil bemalt und das Zuchthaus, das deutsche Meister-Ordenshaus und der „prächtige fürstlich Taxi-
1519 [Anonym]: Von der Lahn, den 20. Jänner 1798. In: Der Neue Teutsche Merkur 1 (1798), S. 223–226, hier S. 224. 1520 Ebd. 1521 Schutthaufen, Trümmer. 1522 Anonym, Von der Lahn, den 20. Jänner 1798, S. 224. 1523 Miscellania, Bemerkungen auf meiner Reisen, fol. 15. 1524 Ebd., fol. 16. 1525 Johann Peter Willebrand: Historische Berichte und Practische Anmerkungen auf Reisen in Deutschland und andern Ländern. 2. Aufl. Leipzig 1769, S. 221.
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sche Pallast verdienen besehen zu werden“.1526 Außer diesen Gebäuden jedoch habe er „allhier nichts sonderliches merkwürdiges finden können“.1527 Der Reisende Meyer wollte seinen Lesern ausdrücklich nicht nur über die schönen Dinge Frankfurts berichten, sondern auch darüber, „was es eben so sehr verstellt; und dies ist die sogenannte Altstadt in Frankfurt, die wie alle alte[n] Städte in diesem Theil von Deutschland, von Herzen schlecht gebauet“1528 sei. Er habe fast keine einzige gerade Gasse in der Altstadt gesehen, die außerdem sehr eng seien und „wenigstens zu dieser Jahreszeit [Ende Januar, Anm. d. Verf.], wegen des beständigen Fahrens, so unbeschreiblich schmutzig, daß es Mühe kostet, zu Fuß fortzukommen“.1529 Auch die Kirchen kamen im ausgehenden 18. Jahrhundert bei den Reisenden nicht sonderlich gut weg. Für den Engländer Adam Walker waren die Kirchen 1791 „bei weitem die schlechtesten, die wir nur in irgend einer großen Stadt gesehen haben“.1530 Bei diesen unterschiedlichen Einschätzungen und Darstellungen spielten die individuellen Kenntnisse, Interessen und Motive der Reisenden eine große Rolle, ebenso ihr Wissenshorizont, vor dem sie auf Frankfurt blickten. Das disparate und teils völlig entgegengesetzte Bild von Frankfurt als einer ansehnlichen und schönen gegenüber einer unansehnlichen, schlecht gebauten und unauffälligen Stadt rührte wohl auch daher, dass viele Reisende mit einem ganz bestimmten Bild im Kopf, nämlich von einer berühmten und kaiserlich-privilegierten Stadt, den Ort Frankfurt besuchten. Dieses Bild – über Jahrzehnte und teils Jahrhunderte tradiert durch Beschreibungen und Darstellungen in Chroniken, kosmographischen und Stadtbeschreibungen – wurde jedoch enttäuscht, besonders wenn die Reisenden auch die Altstadt besichtigt haben.
3.1.1.5 Zusammenfassung In Bezug auf das visuelle Stadtbild und den Diskurs über die architektonische Anlage Frankfurts lassen sich zwei Beobachtungen anstellen: Zum einen differenzierte sich das Bild Frankfurts seit Mitte des 17. Jahrhunderts zunehmend aus. Die Beschreibungen gingen ausführlicher auf die unterschiedlichen geistlichen und weltlichen Gebäude und ihre Besonderheiten ein, die nun stärker in den Fokus rückten. Zugleich gingen die Beschreibungen weniger auf die historische 1526 Ebd., S. 222. 1527 Ebd. 1528 Meyer, Briefe eines jungen Reisenden, Erster Teil, S. 63–64. 1529 Ebd., S. 64. 1530 Walker, Bemerkungen auf einer Reise, S. 66.
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Vergangenheit ein, sondern bezogen sich häufiger auf die gegenwärtige Situation der Stadt. Dadurch bildeten sich neue Topoi und Stereotype heraus, indem von den Autoren der kosmographisch-geographischen Beschreibungen, Stadtbeschreibungen und teils auch Reiseberichte – mit kleinen Variationen – häufig die gleichen Beschreibungen übernommen und tradiert wurden, ohne Neuerungen oder Ergänzungen hinzuzufügen. Daher kommt es, dass sich von Frankfurt und seiner städtebaulichen Erscheinung – und bei vielen anderen Städten wie Köln oder Nürnberg wird es ähnlich gewesen sein – im 16. und 17. Jahrhundert nahezu ein und dasselbe Bild verbreitete, indem es in den publizistischen Texten mal mehr, mal weniger ausführlich fortgeschrieben wurde. Die Autoren wollten möglichst alles Wichtige aufnehmen und die Stadt positiv darstellen. Gleichzeitig führten die literarischen Eigenheiten der Topographien und Geographien dazu, dass die Aufzählung der wichtigsten städtischen (geistlichen und weltlichen) Gebäude praktisch ein ‚Muss‘ darstellte und in den Beschreibungen nicht fehlen durfte. Erst in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts gingen Stadtbeschreibungen und Reiseberichte auch auf architektonische Details und künstlerische Besonderheiten der weltlichen und geistlichen Gebäude ein. Folglich hat sich in diesem Zeitraum der Blick aus der Vergangenheit auf die politisch bedeutsamen Gebäude als funktionale Hülle für politische Veranstaltungen und Versammlungen in die Gegenwart gerichtet. Im Laufe des 18. Jahrhunderts entwickelte sich das Stadtbild Frankfurts als kulturelles Zentrum in zwei Richtungen: Einerseits wurden die historisch-politisch wertvollen Gebäude sowie die prächtigen Neubauten positiv erwähnt,1531 zum anderen hatte die Stadt darüber hinaus offenbar architektonisch und städtebaulich nicht viel Erwähnenswertes zu bieten. Damit trat die politische und historische Bedeutung Frankfurts in einen deutlichen Widerspruch zur architektonischen und künstlerischen Ausgestaltung, die sich eine so wohlhabende Stadt sicherlich hätte leisten können. Auch vergaßen viele Besucher offenbar, dass es sich bei Frankfurt nicht um eine permanente Residenzstadt handelte, sondern ‚nur‘ um den temporären Wahl- und Krönungsort der Könige und Kaiser. Vorrangig spiegelte das FrankfurtBild bezüglich der Bauweise und Infrastruktur somit eine Handelsstadt mit noch immer ackerbürgerlich und handwerklich geprägten Traditionen wider.
1531 Für August Joseph Ludwig von Wackerbarth zeigte sich Frankfurt schon aus der Ferne als „majestätisch“ vor ihm liegend und bezaubernd durch die grünen Weingärten, die den Fremden unwiderstehlich anlocken würden. Vgl. Wackerbarth, Rheinreise, S. 79.
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3.1.2 Gelehrsamkeit, Bildung und Wissenschaft Der Themenbereich „Gelehrsamkeit, Bildung und Wissenschaft“ trat ebenfalls erst im Laufe des 18. Jahrhunderts in erwähnenswertem Umfang auf. Das mag damit zusammenhängen, dass Frankfurt in der Frühen Neuzeit keine Universität besaß und das Bildungswesen eher spärlich ausgeprägt war.1532 Der frühneuzeitliche Frankfurt-Diskurs spiegelt diese Situation teilweise wider. Denn im 16. und 17. Jahrhundert spielten diese Aspekte zum einen noch keine große Rolle im Stadtbild, mit Ausnahme der Buchmessen als zentraler Treffpunkt für Gelehrte und Drehkreuz für die Wissensverbreitung durch Bücher und Nachrichtenmedien.1533 Erst im 18. Jahrhundert thematisierte der publizistische Frankfurt-Diskurs auch gelehrte Persönlichkeiten und Bildungsinstitutionen. Zuvor beschränkten sich zunächst die Stadtlobgedichte auf pauschal-stereotype Bemerkungen über gelehrte Bürger, als das Frankfurt-Bild noch die Stadt als ganzes bzw. überwiegend anonymes Kollektiv in den Blick nahm.
3.1.2.1 Gebildete und fleißige Bürger Bildung und Gelehrsamkeit sind Aspekte, die trotz einer durch Handel und Wirtschaft geprägten Stadtgesellschaft – wie es bei Frankfurt am Main der Fall war – stereotyp zum Programm humanistischer Lobgedichte gehörten. Doch ähnlich wie die Kultur und Literatur trat auch der Aspekt der Bildung erst zögerlich ab Mitte des 17. und vor allem im 18. Jahrhundert in das Frankfurt-Bild. Wie sich im folgenden Kapitel noch zeigen wird, war der Bildungsaspekt zunächst fast ausschließlich an die Buchmesse gekoppelt. Selbst die humanistischen Stadtlobgedichte auf Frankfurt bedienten sich nur selten und erst seit Mitte des 17. Jahrhunderts des klassischen Stereotyps eines gebildeten Bürgertums. Der in den Frankfurter Stadtlobgedichten zwar erst später als bei Nürnberg oder Köln, aber dennoch auftauchende Topos vom gelehrten Wesen und guter akademischer Ausbildung erklärt sich laut Finlator daraus, dass die Humanisten eine liberale Verfassung und Ausbildung als ein sehr hohes Gut ansahen, weshalb häufig die berühmten Gelehrten, Literaten und Wissenschaftler namentlich erwähnt wurden.1534
1532 Siehe hierzu ausführlich Kapitel I.2.8.1 „Bildung und Wissenschaft“. 1533 Siehe hierzu die Kapitel II.1.3.6 „Die Messe als Nachrichtenzentrum“ und II.3.1.2.2 „Die Buchmesse als Bücherschatz und Gelehrtenzentrum“. 1534 William Wallace Finlator: The City in Germanyʼs Literature of the 15. through 17. Centuries. Michigan 1984, S. 50.
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Erstmals hob Martinus Severus Venator in einem Lobgedicht von 1640 die Stadt Frankfurt als „Weihestätte der Musen und der Studien“ hervor. Dort habe er „von kundigen Rechtsgelehrten die Menge/ Gottesgelehrte auch, Ärzte und adligen Stamm“1535 getroffen. Für ihn war Frankfurt ein Ort der „heimischen Künste“ und im übertragenen Sinne der Sitz der Pallas, der griechischen Göttin der Klugheit und Weisheit. Er beschrieb zwar die Handelsmessen als Grund für Frankfurts Reichtum und Fülle, stellte aber keinen Zusammenhang zwischen Buchmesse und Gelehrtentum her. Das von Venator entworfene Bild von den gelehrten und gebildeten Einwohnern Frankfurts war somit eher stereotyp geprägt und folgte den im Humanismus entworfenen Strukturen des Städtelobs. Dennoch sprach er mit den kundigen Rechtsgelehrten und Ärzten zwei spezifische Berufsgruppen an, die im 17. Jahrhundert tatsächlich führend waren und Frankfurts Ansehen befördert haben.1536 Auch Friedrich Andreas Walther bemühte – 100 Jahre später – im Jahr 1748 zum einen die Stereotype der Bildung und Weisheit, die er mit dem Fleiß der Frankfurter begründete. Zum anderen seien Produktivität und Fleiß in Frankfurt aber auch besonders von Zugezogenen aus der Fremde gefördert worden: „Durchwässre nur der Weisheit Triften/ […] Du bist der Völcker Lehrerin:/ Man bringt den Fleiß der fremden Kinder/ Zum Wuchs der Wissenschaft, nicht minder/ In deinen Schoos mit Freuden hin.“1537 Rückblickend bezog sich Walther womöglich auf die Einführung neuer Techniken durch die seit 1557 und erneut ab 1685 eingewanderten sogenannten Welschen und hugenottischen Glaubensflüchtlinge.1538 Offenbar hatte man bereits im 18. Jahrhundert wahrgenommen, dass viele bedeutende und erfolgreiche Persönlichkeiten, die Frankfurts Entwicklung in der Vergangenheit entscheidend geprägt hatten, längst nicht immer geborene Frankfurter waren, sondern oftmals aus anderen Gegenden des Reiches oder Europas zugezogen bzw. eingewandert waren. Doch erwähnt wurden all diese Persönlichkeiten, insbesondere aus dem reformierten Umfeld, im Frankfurt-Diskurs des 17. Jahrhunderts zunächst gar nicht und im Laufe des 18. Jahrhunderts nur sporadisch. Das hängt zum einen damit zusammen, dass zunächst generell eher selten Einzelpersönlichkeiten erwähnt wurden. Zum anderen haben sich die Autoren möglicherweise schwergetan, ausgerechnet reformierte oder hugenottische Per1535 Venator, 1640. Im Original: „Francfurtum venio studiis Musisque sacratum./ Quo vix est toto pulchrior orbe locus./ Illic invenio Doctores jure peritos/ Theologos, Medicos Patritiosque viros.“ 1536 Hansert, Adel der Geburt und Adel des Geistes, S. 113–148; Skala, Vom neuen Athen zur literarischen Provinz, S. 200; Schindling, Wachstum und Wandel, S. 250. 1537 Walther, Die Vorzüge der Stadt Franckfurt am Mayn. 1538 Siehe hierzu ausführlich Kapitel I.2.5 „Gesellschaft und Religion“ sowie I.2.6. „Frankfurt als internationales Messe- und Handelszentrum“.
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sonen lobend zu erwähnen, um ihr Wirken in der überwiegend lutherisch geprägten Stadt herauszustellen. Dass sich die Gelehrsamkeit in Frankfurt bei weitem nicht nur auf die Universitäten beschränkt habe, betont Müller in seiner Stadtbeschreibung von 1747 und hebt die Frankfurter Gelehrten als eine gesellschaftliche Gruppe hervor, „welche unserer Stadt Ruhm und Ehre brachten, und unsere heutige vortreffliche Gelehrte sind es auch gegenwärtig, so dieselbe zieren und ansehnlich machen“.1539 Das Bild von Hamburg weist in diesem Zusammenhang eine deutliche Pa rallele zu Frankfurt auf. Der Stadtlobdichter Laetus hat die Hansestadt bezüglich ihrer Gelehrten und deren Förderung gelobt: „Und damit auch das Übrige [neben dem Handel und der Schifffahrt, Anm. d. Verf.] zum vollen Ruhm nicht fehle, belohnt sie die Gelehrten, pflegt und bekleidet sie mit hohen Ehren. Diese Stadt ist es, auf die der gefeierte Krantzius schon längst Lob und Ruhm häufte. […] Danach kam Epinus in diese Stadt und lehrte in ihr, ein durch vielfältige Gelehrsamkeit so gebildeter Mann.“1540 Mit dieser Auszeichnung der Hamburger Gelehrsamkeit sieht Walther Ludwig eine Ausweitung des zunächst der Hamburger Handelsschifffahrt und der damit zusammenhängenden Kriegstüchtigkeit gewidmeten Lobs zu einem „allgemeinen, das geistige und kulturelle Leben einbeziehenden Loblied auf die Stadt“.1541 Köln wurde – als ein weiteres Beispiel – im 16. Jahrhundert im Städtelob sogar mit dem antiken Athen gleichgesetzt, weil die Stadt in berühmten Gelehrten ihren „schönsten Schmuck und ihre größte Auszeichnung sähe“.1542 Allerdings beschränkte sich die Bedeutung Kölns als eine ‚gelehrte Stadt‘ nicht auf bestimmte Momente, wie die Buchmesse in Frankfurt, sondern bestünde allgemein in der Anziehungskraft der einzelnen Disziplinen (Theologie, Jurisprudenz, Rhetorik, Medizin, Astronomie etc.) auf wissensdurstige Fremde aus aller Welt.1543 Der seit der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts in der Reiseliteratur geführte Diskurs über das gelehrte Niveau der Frankfurter Bürger ergab zwar die Erkenntnis, dass man dort genauso viel lese wie in Mainz, aber die Leute seien „schüchterner im Urtheilen über Werke des Geistes“. Auch finde man laut dem Reisenden Schreiber in Frankfurt selbst in den Kaffeehäusern gelehrte Zeitungen, was in Mainz nicht der Fall sei, „und der Frankfurter macht sich viel aus politischen Blättern, um die man sich in Mainz vor der französischen Revolution wenig
1539 Müller, Beschreibung des gegenwärtigen Zustandes, S. 139. 1540 Ludwig, Litterae Neolatinae, S. 134. 1541 Ebd., S. 136. 1542 Glasner, Stadt-Bild-Sprache im 16. Jahrhundert, S. 240. 1543 Ebd.
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bekümmerte“.1544 Diesen Umstand führte Schreiber darauf zurück, dass Frankfurt eine Reichsstadt war, „wo auch der geringste Bürger bei den öffentlichen Angelegenheiten sein Wörtchen mitsprechen darf“.1545 Dieses Kapitel zeigt deutlich den Übergang im 18. Jahrhundert von einem pauschal-stereotypen Gelehrsamkeitstopos zu einer individuellen Betrachtung und Beurteilung der Frankfurter Bürger, ihrer Interessen und Bildungsstandards. Zumindest bis zum 18. Jahrhundert stand die Gelehrsamkeit zumeist in engem Zusammenhang mit der Buchmesse, wie folgendes Kapitel verdeutlicht.
3.1.2.2 Die Buchmesse als Bücherschatz und Gelehrtenzentrum Einen großen Beitrag zum Frankfurt-Bild als kulturelles Zentrum leisteten die Buchmessen. Im späten 16. und 17. Jahrhundert spielte die seit den 1570er-Jahren existierende Buchmesse zunächst gegenüber der allgemeinen Handelsmesse erstaunlicherweise eine untergeordnete Rolle. Allerdings existiert eine Vielzahl an Lobgedichten und Versen, die umfassend und ausschließlich die Buchmesse thematisiert haben und teils aus Anlass der Handels- und Buchmesse entstanden sind. Dazu gehören Schwankbücher1546 (z.B. das Rollwagenbüchlein) und Geschichten, die über das Messetreiben berichten oder zum Zeitvertreib auf dem Weg zur Messe gelesen wurden. Die Buchmesse als ein kulturelles Zentrum spielt demzufolge zunächst weniger im allgemeinen Frankfurt-Diskurs eine Rolle, als dass sie in einem eigenen Diskurs thematisiert wurde. Dieser gesonderte Diskurs ging überwiegend auf die Lobschrift über die Frankfurter Messe von Henricus Stephanus, Francofordiense Emporium1547 (1574), zurück. Fast alle ihm nachfolgenden Autoren verwiesen auf seine Schrift oder zitierten daraus. Als erster und einer der wenigen Spruchdichter auf Frankfurt erwähnt Hugo Favolius (um 1523–1585) Mitte des 16. Jahrhunderts, also kurz nach Beginn des Frankfurter Messebuchhandels, explizit die Buchmesse, deren breites Angebot sowie die daraus resultierende weltweite Berühmtheit er hervorhob: „So wird kein Buch wohl in der Welt/ Gedruckt, man find es da ums Geld/ Wodurch ihr wächst ein Nam sehr werth/ Auf weitem Meer und gantzer Erd.“1548 1544 Schreiber, Bemerkungen auf einer Reise, Zweite Hälfte, S. 15. 1545 Ebd. 1546 Siehe hierzu Johannes Klaus Kipf: Auf dem Weg zum Schwankbuch. Die Bedeutung Frankfurter Drucker und Verleger für die Ausbildung eines Buchtyps im 16. Jahrhundert. In: Seidel/ Toepfer, Frankfurt im Schnittpunkt der Diskurse, S. 195–220. 1547 Estienne, Francofordiense Emporium, 1574. 1548 Favolius, Die wohlberühmte Stadt Franckfurt. Deutsche Übersetzung aus Kathrein/Krüger, Liebe zu Frankfurt, S. 21; oder Diehl, Frankfurt am Main im Spiegel, S. 214. Lateinisches Original:
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Die Messe als Treff- und Anziehungspunkt der „freyen Künste“ für Gelehrte, Schriftsteller, Wissenschaftler und Dichter, aber auch für interessierte Fürsten und Regenten entwickelte sich zwar seit dem ausgehenden 16. Jahrhundert zu einem Aspekt im Diskurs über die Buchmessen, weniger jedoch im Diskurs über Frankfurt allgemein, der diesen Aspekt erst später aufgenommen hat. Der Reisende Coryate war dann im frühen 17. Jahrhundert mit seiner Erwähnung der Buchmesse auch zunächst eher die Ausnahme. Laut seiner Reisebeschreibung von 1611 ging er zur „Booksellers streete where I saw such infinite abundance of bookes, that I greatly admired it“.1549 Weder St. Pauls Churchyard in London, die Rue de Saint-Jacques in Paris noch die Mercerie in Venedig könnten so viel bieten, wie auf der Frankfurter Buchmesse präsentiert würde. Coryate erwähnte den Verkauf und auch den Druck der Bücher, der in den letzten Jahren einen derartigen Aufschwung erlebt habe, mit dem sich keine andere Stadt der Christenheit, nicht einmal Basel, messen könne.1550 Nachdem sich die Buchmesse im letzten Viertel des 16. Jahrhunderts zu einem „Hauptbüchermarkt Mitteleuropas“1551 entwickelt hatte und die Gesamtproduktion an Druckwerken bei etwa 200 geschätzten Millionen lag, erschien 1596 das Gedicht Marckschiff/ oder Marckschiffer Gespräch/ Von der Franckfurter Meß. Über den Verfasser Marx Mangold gibt es keine eindeutige Gewissheit. Die Forschung vermutet, dass es sich um den Frankfurter Pfarrer Konrad Lautenbach (auch Lauterbach) handelt, der unter dem Pseudonym Marx Mangold geschrieben hat. Gertrud Gelderblom hält sowohl die Fakten als auch den Abschnitt über das Buchangebot in dem Gedicht für zutreffend.1552 Das Gedicht enthält einen Dialog zwischen einem Studenten und einem Brillenverkäufer. Mangold diente Estiennes berühmte und unter dem Einfluss des Humanismus verfasste Schrift Francofordiense Emporium (1574) als Beweis für seine eigenen Ausführungen. In dem Marckschiff erscheint Frankfurt als „zenrale[r] europäische[r] Messeplatz für den Buchhandel“.1553 Das über mehrere Seiten reichende Gedicht erklärt, dass die Gelehrten ihre neuesten Werke und Texte mit nach Frankfurt gebracht hätten. Von dort aus würden sie von den ansässigen Buchführern und Druckern für die Allgemeinheit zugänglich gemacht „Nec minus, ad certos quantum patet area fines/ Librorum omne genus passim per compita prostant./ Plena laboratis habeas ut scrinia chartis/ Unde tibi dignum & mansurum condere nomen/ Et celebris possis praeconia quaerere famae.“ 1549 Coryate, Crudities hastily gobled up, S. 565. 1550 Ebd. 1551 Gertrud Gelderblom: Die Buchmesse in Frankfurt a. Main nach einer Darstellung aus dem Jahre 1596. In: Vjesnik bibliothekara 4 (1968), S. 76–97, hier S. 96. 1552 Gelderblom, Die Buchmesse in Frankfurt a. Main, S. 97. 1553 Ebd., S. 98.
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und verbreitet.1554 Als Voraussetzung für die Blüte der Frankfurter Buchhandelsmessen und für den Aufstieg Frankfurts zu einem kulturellen Zentrum lobt der Student die Erfindung des Buchdrucks als „Himlisches Werck“ und eine „Kunstreich Löblich Truckerey“. So würden mittlerweile acht Druckereien in Frankfurt dafür sorgen, dass der Stadt große Anerkennung zukomme, weil sie die bedeutendsten Druckwerke der Gelehrtenwelt in Umlauf bringen würde. Mangold bzw. der fiktive Student rühmt Frankfurt in dem MarckschifferGespräch als ein Zentrum des geistigen Lebens und zieht einen Vergleich mit der kulturellen und geistigen Produktion des antiken Athens, insbesondere in Bezug auf die Philosophen und Literaten. Dabei gehe es nicht nur um den Austausch der internationalen Gelehrten untereinander, sondern auch um Bildung. Durch den Kontakt auf den Messen könne viel dazugelernt werden. Er verleiht der Stadt sogar einen höheren Rang als den bedeutenden europäischen ‚kulturellen Zentren‘ Rom, Florenz und Venedig: Von freyen Künsten selbige Statt/ Also ein grossen Namen hatt. Franckfurt Athen nichts gibt bevorn, Daselbst hast all Griechisch Authorn:/ Also dass allda die Buchgass/ Jetzt billich ist, was Athen was./ Denn nicht allein von allen Enden/ Ihr Bücher schicken die Scribenten:/ Sonder kombt hin manch glerther Mann/ In die Mess in eigner Person. […] Als wann du hörtest in Athen/ Platonem oder Socraten./ Hie findst Geistliche und Juristen/ Medicos und Alchymisten/ Berümbte gwaltige Doctores/ Vornemer Schulen Professores/ Von Marpurg, Leipzig, Wittemberg/ Tübing, Basel, Heidelberg./ Wie auch von Louen in Holland/ Ochsenfurt in Engelland./ Badua in Italien/ Und von Cantabrigien.1555
In Anlehnung an Henricus Stephanus bezeichnet der Student die Frankfurter Buchmesse als „Franckfurt[er] Athen“, weil dort die griechischen Klassiker sowie die neueste Literatur von den Gelehrten persönlich gelesen und diskutiert würden. Mit der Heraushebung Frankfurts vor allen anderen bedeutenden Städten Europas verwendet der Autor eine typische rhetorische Form des antiken Städte- und Herrscherlobs. Sollte eine Person oder eine Sache gelobt werden, versuchten die Autoren sprachlich nachzuweisen, dass sie alles Ähnliche übertrifft. Zu diesem Zweck bedienten sich die Humanisten einer Sonderform des Vergleiches, die der Literaturwissenschaftler Ernst Curtius als „Überbietung“1556 bezeichnet hat. Ein Beispiel hierfür ist auch das Stadtlob von Peter Vietz auf Lübeck (1552), in dem er diese Überbietungsformel zur Darstellung der Überlegenheit verwendet hat, und zwar nicht nur gegenüber den unübertrefflichen Vorbildern Athen 1554 Siehe auch für die folgenden Zitate Mangold, Marckschiff, nicht pag. 1555 Mangold, Marckschiff, nicht pag. 1556 Curtius, Europäische Literatur, S. 171.
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und Rom, sondern auch gegenüber allen anderen Städten des Erdballs: „Tretet zurück, ihr römischen und ebenso ihr griechischen Städte, und auch ihr, die ihr irgendwo zwischen West und Ost liegt.“1557 Der kulturelle Aspekt der Messen bekam dann ab Mitte des 17. Jahrhunderts eine immer größere Bedeutung im Frankfurt-Diskurs. Christoph Petschke beschrieb die Frankfurter Messen als „der Kauffmannschafft Athen und hohe Schule“.1558 Das von Petschke gewählte Bild betont die Zentralität der Frankfurter Messen, denn auch das antike Athen war eine zentrale Anlaufstelle für Gelehrte von Rang und Namen. Laut Darstellung von Petschke sei Frankfurt als Treff- und Knotenpunkt des Handels weltweit berühmt und angesehen: „Weiß aber jemand nicht von deinem edlen Handel/ Den lehret aller Welt hierher gerichter Wandel/ […] Hier ist der Messen kern, was China machen läst/ was Phrygien gewebt, was nur Nord, Ost, Süd, West/ erfindet, bringt man dir, Mercurius Belieben.“1559 Abraham Saur erwähnte 1658 zum ersten Mal in den Kosmographien den Erfolg der Buchhandelsmessen: „Neben dieser Hochheit [Kaiserwahl, Anm. d. Verf.] hat Franckfurt die zwo ansehnliche, und in gantzem Teutschland vor nembste Jahrmessen oder Märcken […]: Es ist aber insonderheit der Buchhandel zu loben, der zu solcher Zeit in der Buchgassen allhie getrieben, und dardurch viel Geld ins Reich gebracht wirdt.“1560 Bislang erwähnten zwar alle kosmographisch-historischen Beschreibungen von Frankfurt die Frankfurter Messen, allerdings ausschließlich unter wirtschaftlichen Handelsaspekten. Eine enttäuschende Erfahrung machte im Gegensatz dazu der Franzose Balthasar de Moncony (1611–1665), als er feststellte, dass „les ruës en sont assez grandes, hors deux ou trois qui sont désertes, quand la foire nʼy est pas, & tous les magasins ou boutiques, sont fermez“.1561 Die Beschreibung der Frankfurter Messen war somit stark davon abhängig, ob die Reisenden während oder außerhalb der Messezeit Frankfurt besuchten, ob sie sich ihr eigenes Bild machten oder stereotyp die Berühmtheit der Messestadt anführten. Der Reisende Engländer Edward Brown erwähnte in seinem 1685 verfassten Bericht zwar im Detail, dass „man jährlich 2 Catalogos verfertigen“ würde, „der Bücher-Handel zur andern Zeit allhier [jedoch] nicht groß scheinet; dann als ich ausser der Meß-Zeit allda
1557 Im lateinischen Original: „Cedite Romanae simul urbes, cedite Graiae,/ Cedite, quas usquam vesper et ortus habent.“ Zitiert nach Freytag, Über das Stadtlob des Zachharias Orth, S. 29. 1558 Petschke, O edles Franckfurt, 1657. 1559 Ebd. 1560 Saur/Authes, Stätte-Buch, S. 506–507. 1561 Moncony, Les Voyages en Allemagne, S. 157. Seine Reiseberichte sind nach seinem Tod von seinem Sohn veröffentlicht worden.
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war, waren die Buchführersläden zugeschlossen, welches ein schlechtes Ansehen gab“.1562 Im späteren 17. Jahrhundert kam es somit allmählich zu einer Verschiebung im Bild Frankfurts als wichtiger Handelsplatz, indem immer häufiger auf die nur temporäre – auf die Messezeiten beschränkte – Bedeutung der Reichsstadt als Buchumschlagszentrum verwiesen wurde. Außerhalb dieser Zeiten machte die Stadt durch die geschlossenen Buchstände und Läden einen eher schlechten Eindruck. In dem allgemein über Frankfurt geführten Diskurs des frühen 18. Jahrhunderts in den Chroniken, Stadtbeschreibungen und Reiseberichten sprach der Politisch-historisch-juristische Traktat aus dem Jahr 1714 von Philipp Knipschild erstmals die Frankfurter Messen als Anziehungspunkt für Gelehrte und Bücherliebhaber an: „Suos enim hae typographos & bibliopolas in urbem illam eodem nundinarum tempore convocant, eosque secum, Poetas, Oratores, Historicos, Philosophos adducere jubent.“1563 Die besondere Betonung der kulturellen Anziehungskraft auf dem Gebiet der Bildung und Wissenschaft war hingegen erstmalig in dieser literarischen Gattung zu finden und gab den Messen eine neue Dimension im Frankfurt-Bild als einem kulturellen Zentrum. Auch Knipschild führte als seine Quelle die Schrift von Henricus Stephanus an, indem er – wie viele andere Zeitgenossen – Frankfurt als das gegenwärtige Athen aller Künste und Wissenschaften beschrieb: „Nisi quis illum, qui rei literariae destinatus est, vicum, quem typographi & bibliopolae incolunt, aliquis Francofordienses Athenas appellare malit.“1564 Bis Mitte des 18. Jahrhunderts veränderte sich das auf die Messen und den Buchhandel bezogene Bild nur wenig, entwickelte sich aber gleichzeitig mit der Betonung auf Gelehrsamkeit und die Schönen Wissenschaften stärker heraus und nahm immer mehr Platz in den Beschreibungen ein. Dies verdeutlicht ein Blick in die Neue Europäische Staats- und Reisegeographie (1752) von Carl Dietmann und Johann Gottfried Haymann, die aber auch nicht um die Schrift von Henricus Stephanus herumkamen. Aufgrund des „florisannten Buchhandels“ habe Stephanus in seinem Werk Emporium Francofordiense Frankfurt auch „Musaeum, u. auch Nundinantem Academiam, ingl. das frankfurtische Athen [genannt], und
1562 Edward Brown: Durch Niederland, Teutschland, Hungarn, Serbien, Bulgarien, Macedonien, Thessalien, Oesterreich, Steirmarck, Kärnthen, Carniolen, Friaul, etc. gethane gantz sonderbare Reisen. Nürnberg 1685, S. 56. 1563 Philipp Knipschild: Tractatus Politico-Historico-Iuridicus De Iuribus Et Privilegiis Civitatum Imperialium, Tam Generalibus, Quam Specialibus, et de Earundem Magistratuum Officio: Liber Tertius, Cap. XIV. de Francofurto. Straßburg 1714, S. 99. 1564 Ebd.
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es ist auch was gewöhnliches, daß man Frankfurt die Akademie oder Universität derer Buchhändler zu nennen pfleget, weil dieser Handlung Beflissene hierselbst sowol was rechts zu sehen bekommen, als auch profitiren können“.1565 Außerdem nahm Dietmann in seiner Reisegeographie eine Namensliste ansehnlicher Buchhändler und Buchdrucker mit auf, „und aller dieser meisten Herren ihre Buchläden besitzen nicht nur alle neuen Bücher und Schriften, sondern hegen auch von den besten in- und ausländischen Büchern einen solchen Vorrath, dergleichen man nicht leicht anderer Orten in so großer Menge zu sehen bekommt“.1566 Sogar Egenolff wird nun erstmals mit seinen Verdiensten im Bereich der Schriftgießerei hervorgehoben: „Dieses Egenolphi Officin ist durch eine beständige Reihe ansehnlicher Männer auf dessen Abkömmling, Hrn. Hofrath Luthern1567, als dermaligen Eigenthümern der hiesigen Schriftgießerey, fortgepflanzet worden […].“1568 Schließlich gelangte die Diskussion über die Frankfurter Buchmesse in die gedruckten Stadtchroniken. Der Chronist Stock erwähnte in seinen Chroniken von 1719 und 1753 unter den Besonderheiten der Stadt explizit den umfangreichen Buchhandel, der „diese Stadt vor allen andern Städten in Europa in ein sonderbares Ansehen gesetzet“ habe. Und es verwundert mittlerweile nicht mehr, dass auch Stock noch in der Mitte des 18. Jahrhunderts die Worte von Henricus Stephanus zitierte, der die Stadt als „Musaeum und nundinantem Academiam, wie auch das Frankfurtische Athen“1569 und „Totius Orbis Emporiorum Compendium; d.i. einen kurzen Inbegrif von allen Handelsstädten in der ganzen Welt“1570 beschrieben habe. Stock lobte die Buchmesse, obwohl sie ihren Zenit offensichtlich bereits überschritten habe: „Hat der ehemals hier im besten Flor gestandene Buchhandel dieser Stadt vor allen andern Städten in Europa ein Prärogativ und Vorzug gegeben, von welcher Handlung diese Stadt sonderlich berühmet.“1571 Damit wendet sich Stock stärker der aktuellen Entwicklung zu: „Viele Buch-Läden sind nun leider in Weinschencke[n] verwandelt, und obgleich von erwehnten Ländern die Buchhändler noch in hiesige Messen reysen, so kommen sie doch nicht allein seltener, sondern auch in geringerer Anzahl.“1572 1565 Dietmann/Haymann, Neue Europäische Staats- und Reisegeographie, S. 687. 1566 Ebd. 1567 Gemeint ist die „Egenolff-Luthersche Schriftgießerei“ von Johann Erasmus Luther (1642– 1683). 1568 Ebd., S. 688. 1569 Stock, Kurzgefasste Franckfurter Chronic, S. 29. 1570 Ebd. 1571 Stock, Kleine Franckfurther Chronick, S. 77–78. 1572 Ebd., S. 78.
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Somit gab es seit der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts nicht nur positive und lobende Stimmen über das zunächst als einzigartig beschriebene Frankfurter literarische und gelehrte Messeleben. In den 1750er-Jahren kamen verstärkt kritische Stimmen hinzu, die das Literaturangebot, die Frankfurter Druckproduktion und die kulturelle Bedeutung der Buchmessen hinterfragten – und zwar nicht nur fremde Reisende, sondern auch Autoren Frankfurter Herkunft. Im Hinblick auf den tatsächlichen Rückgang des Messebuchhandels seit 1700 kommen derartige kritische Stimmen mit fast 50 Jahren Verspätung jedoch erstaunlich spät in dem Diskurs zu Wort. Allerdings wird aus der Entwicklung des Frankfurt-Bildes auch deutlich, dass es immer einige Jahrzehnte dauern konnte, bis der Diskurs auf gewisse Änderungen und Entwicklungen reagiert hat. Da sich bestimmte Entwicklungen über einen breiteren Zeitraum hinziehen konnten und erst im Nachhinein deutlich wurden, ist es nicht verwunderlich, dass in dem publizistischen Diskurs gewisse Reaktionen und Änderungen erst zeitverzögert auftraten. Das lässt sich sicherlich auch für die Diskurse anderer Städte feststellen. Nichtsdestoweniger blieb das Bild von Frankfurt als berühmter Handels- und Messestadt weiter bestehen. Derlei stereotype Wendungen finden sich über den gesamten Untersuchungszeitraum des Diskurses bis in das späte 18. Jahrhundert hinein. So hat der Frankfurter Stadtbeschreiber Müller dem Buchhandel und Buchdruck 1747 sogar ein eigenes Kapitel gewidmet. Dieser sei „gleich von Anfang der Erfindung der Buchdruckerey allhier der stärckste gewesen“ und habe die Stadt gegenüber fast allen anderen Städten „in ein besonderes Ansehen gebracht“.1573 Über den Wasserweg strömten laut dem Städtelob-Verfasser Friedrich Andreas Walther auch 1748 noch die Fremden nach Frankfurt zur Messe, die in einem emsigen Treiben auf ‚Beutefang‘ nach seltenen Schätzen gingen.1574 Er lobte die bedeutsamen Schriften und Werke, die Frankfurt einzigartig machten: „Uralte Quelle großer Schriften/ O Franckfurt! sprich, was gleichet dir?“1575 Der Reisende Blainville fühlte sich im Gegensatz dazu während der Buchmesse von dem großen Andrang eher gestört, denn zu dieser Zeit herrsche dort „ein gewaltiger [sic] Lärmen und Gedränge“.1576 Alois Wilhelm Schreiber verwies noch 1793 darauf, dass Frankfurt „reich an Buchhändlern und Buchdruckerpressen“ sei, man aber der Wahrheit halber eingestehen müsse, „daß die hiesigen Pressen fast durchaus sehr weit hinter
1573 Müller, Beschreibung des gegenwärtigen Zustandes, S. 179. 1574 Walther, Die Vorzüge der Stadt Franckfurt am Mayn, nicht pag. 1575 Ebd. 1576 Blainville, Des Herrn von Blainville Reisebeschreibung, S. 143.
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denen des nördlichen Deutschlandes und der Schweiz zurück sind“.1577 Joseph Ludwig von Wackerbarth zieht in seinem 1794 erschienenen Reisebericht einen Vergleich zur Leipziger Messe, „die die Frankfurter übertrifft […] und hier die stärkste Büchermesse auf unserer ganzen Erdkugel ist“.1578 Er geht sogar so weit zu behaupten, dass es in Frankfurt gar keine Buchmesse mehr gebe: „Wer diese hier suchen wollte, der würde sich zu Tode suchen, und dennoch keinen Bücherhandel finden.“ Vor mehr als hundert Jahren habe der Buchhandel in Frankfurt noch sehr geblüht, „aber seitdem das österreichische Haus so viel Einfluss in Teutschlands Angelegenheiten“ bekommen habe und seitdem die Frankfurter Republik der Kaiserlichen Bücherkommission „die Pressfreiheit einzuschränken ohnmächtig erlaubt hat“, sei die Frankfurter Büchermesse „immer mehr und mehr gesunken, und jezt erblikt man auch nicht die geringste Spur mehr davon“. Bislang hatte sich die Kritik an der obrigkeitlichen Politik und Bücheraufsicht der Kaiserlichen Kommission in den literarischen Quellen gar nicht manifestiert. Erst jetzt „traute“ man sich, diese Umstände offen zu diskutieren und anzusprechen. Bereits seit dem 17. Jahrhundert gingen die Bücherkommissare immer strenger und rücksichtsloser gegen die Drucker vor, weil Titel und Adelsverleihungen bei ‚erfolgreicher‘ Kontrolle lockten. In der Folge blieben zunehmend mehr Aussteller der Frankfurter Messe fern, was für den liberaler regierten Konkurrenten Leipzig von Vorteil war.1579 Der Reisende Wackerbarth schrieb ganz offen der politischen Obrigkeit den Verfall der Frankfurter Buchmesse zu. Dennoch verlor auch bei ihm die stereotype Beschreibung der Handelsmessen nicht an Bedeutung, indem er wortwörtlich die Beschreibung von Riesbeck1580 übernommen hatte, ohne dieses jedoch kenntlich zu machen. In der Folge bemerkten auch andere Reisende, dass es zwar zu den Messezeiten nur so von Fremden auf den Straßen wimmele und manchmal in den berühmtesten Gasthöfen kein Zimmer mehr frei sei, der Buchhandel jedoch „seit einigen Jahren allda in Verfall gerathen [sei], und man giebt es der Bücher-Commißion schuld, welche die fremden Buchhandlungen abschrecken soll, dahin zu kommen“.1581 1577 [Alois Wilhelm Schreiber:] Bemerkungen auf einer Reise von Strasburg bis an die Ostsee. Im Sommer 1791. Erste Hälfte: bis Mainz. Leipzig 1793, S. 6–7. 1578 Siehe für diesen Absatz Wackerbarth, Rheinreise, S. 89–91. 1579 Niemeier, Funktionen der Frankfurter Buchmesse, S. 18; Tina Terrahe: Frankfurts Aufstieg zur Druckmetropole des 16. Jahrhunderts. Christian Egenolff, Sigmund Feyerabend und die Frankfurter Buchmesse. In: Seidel/Toepfer, Frankfurt im Schnittpunkt der Diskurse, S. 177–194, hier S. 193. 1580 Riesbeck, Briefe eines Reisenden Franzosen, S. 387–388. 1581 Reise durch das Hessische Gebiete und angränzende Länder, mit Wahrheit erzählet, und Anekdoten durchwebet. Freystadt 1780, S. 38–39.
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Chr. Wölfling ging 1795 detailliert auf die Umstände des Buchhandels und vor allem des Buchdrucks und der Buchproduktion ein. Er war der Meinung, dass auch wenn in Frankfurt 13 Buchhandlungen existierten, der Buchhandel lange nicht mehr so wichtig sei, „als er es vor Zeiten war, ehe Leipzig der allgemeine Stapel des teutschen Buchhandels wurde“.1582 Als Erklärung fügte er an, dass „die hiesigen Buchhändler nicht genug raffiniren, und dieß macht, daß sie in der Regel kein so nutzbares Papier zu Markte bringen, wie die Sächsischen“. Gute Werke könnten in Frankfurt nicht mehr gedruckt werden, sondern nur noch in Göttingen und Leipzig, wo „wohlfeiler und besser gedruckt“ werde. Das Frankfurt-Bild in den Reiseberichten des ausgehenden 18. Jahrhunderts spiegelte somit fast nur noch die Erinnerung an vergangene erfolgreiche Zeiten des Buchhandels wider, der mittlerweile fast vollständig an Bedeutung verloren habe.
3.1.2.3 Schul- und Bildungswesen: Nur „gelehrter Staub“? Im Gegensatz zum Buchhandel spielte das Schul- und Bildungswesen im Frankfurt-Bild bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts fast gar keine Rolle. Die Chroniken aus dem kirchlichen Umfeld und auch kosmographische Stadtbeschreibungen enthielten zwar zahlreiche Einträge zu Kirchenbauten, Klöstern und Kapellen, erstaunlicherweise aber keine Hinweise auf Schulen und Bibliotheken. Dies überrascht umso mehr, da sich die Schulen und Bibliotheken zunächst ausschließlich in kirchlicher Trägerschaft befanden, aber auch nach der Reformation und Säkularisation sowie nach Einrichtung des städtischen Gymnasiums im ehemaligen Barfüßerkloster weder in den kirchlichen noch städtischen Chroniken erwähnt wurden. Entweder wurde das Bildungswesen als Teil kirchlicher Institutionen als alltäglich und dazugehörig erachtet, weshalb man es nicht eigens erwähnte, oder es war tatsächlich kaum ausgebildet und wurde deshalb in den Chroniken, Stadtbeschreibungen und selbst im Städtelob nicht genannt. Die zweite Vermutung trifft wohl am ehesten zu, denn das Frankfurter Bildungswesen der Frühen Neuzeit wurde erst wieder unter dem Einfluss der Reformation aktiviert, als 1537 Jakob Micyllus Schulleiter der jahrelang darniederliegenden Lateinschule wurde. Daher überrascht es kaum, dass weder das Städtelob noch die untersuchten Chroniken, Kosmographien und Stadtbeschreibungen im 16. und 17. Jahrhundert wenig bis gar nichts über Bildung und Wissenschaft berichteten, obwohl das Bildungswesen und speziell die Gymnasien und Philosophenschulen in der Antike bzw. im Hellenismus – als Vorbild für das
1582 Siehe für diesen Absatz Wölfling, Reise durch Thüringen, S. 132.
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humanistische Städtelob – eine große Rolle spielten.1583 Dies änderte sich erst zaghaft mit dem Jahr 1700, als Johann Keilhacker in Des Curieusen Hoffmeisters Geographisch-Historisch- und Politischer Wissenschafften von einem „gut[en] Gymnasium und berühmte[n] Bibliothec“1584 schrieb. Auch in der gedruckten Chronistik wurden Gelehrsamkeit und Bildung erst ab 1700 thematisiert. Besonders ausführlich beschrieb Achilles August von Lersner in seiner 1706 erschienenen Chronik das Schul- und Bildungswesen. Keine der folgenden Chroniken ging auch nur ansatzweise so ausführlich auf den Bildungsaspekt ein wie Lersner in den Kapiteln „Gymnasium oder Lateinische Schul“1585 und „Bibliotheca“. Er nannte jedoch überwiegend profane und formale Informationen, wie die Besoldung der Lehrer und das zu zahlende Schulgeld. Außerdem durchschritt Lersner die Geschichte des Frankfurter Schulwesens. Im Gegensatz zur Forschung, die von einem rudimentär ausgeprägten Bildungswesen ausgeht, vermitteln die fünf Folio-Seiten bei Lersner durch die Detailfülle und Ausführlichkeit einen ganz anderen Eindruck, was sicherlich auch Lersners Ziel gewesen war. Gemäß einer Chronik setzte Lersner den Schwerpunkt auf die historische Entwicklung und auf herausragende Ereignisse und Neuerungen im Schulwesen, das demnach 1521 begonnen habe: „Nachdeme allbereit A. 1521 Wilhelmus Nesenus Poeta, eine Lateinische Schul in seinem Hauß hatte angefangen, ware E.E. Magistrat darauff bedacht, wie man eine Lateinische Schul anrichten solte, worinnen gelehrte Leute zuerziehen seyn, darauff ist 1528 das Barfüsser Kloster, als ein bequämer Ort darzu beliebet worden; und Jacobus Micyllus zu einem Rector angenommen.“1586 Weitere Stationen der chronologisch angelegten Beschreibung des Frankfurter Schulwesens war der Neubau der Barfüßer-Schule 1542, eine neue Schulordnung von 1583, „einige Statuta und Ordnungen“1587 von 1607 sowie die Einrichtung einer fünften und sechsten Klasse samt neuer Schulordnung 1626.1588 Es äußerte sich auch kein Chronist so ausführlich über die Bibliotheca wie Lersner. Bevor er auf die 1484 von Ludwig von Marpurg, genannt zum Paradies initiierte städtische Bibliothecam publicam einging, erwähnte er die Anfänge des Frankfurter Bibliothekswesens und gelehrter geistlicher Büchersammlungen:
1583 Fittschen, Eine Stadt für Schaulustige und Müßiggänger, S. 5, 60. 1584 Keilhacker, Des Curieusen Hoffmeisters Politischer Wissenschafften, S. 1073. 1585 Lersner, Der Weit-berühmten freyen Reichs-Stadt Franckfurt am Mayn Chronica, S. 90–91. Siehe ebenfalls Lersner, Nachgehohlte, vermehrte, und continuirte Chronica, S. 107–108. 1586 Lersner, Der Weit-berühmten Freyen Reichs-Stadt Franckfurt am Mayn Chronica, S. 90. 1587 Ebd., S. 92. 1588 Ebd., S. 91.
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„Nachdeme allhier von undencklichen Jahren hero, die berühmte Stiffter und Clöster gewesen, als ist daran nicht zu zweiffelen, daß auch jeder Zeit berühmte und gelährte Männer sind gefunden worden, welche zu Gutem der Geistlichen, viele geschriebene Bücher gezeuget, und sich Bibliothecen zusammen gesammlet, wie dann noch heut zu Tag so wohl in dem St. Bartholomaei Stifft, als auch zu den Carmelitten und Predigern, Bibliothecen zu sehen seyn“1589, von denen er jedoch nicht weiter berichten wolle. Ausführlicher ging er auf die Anfänge der städtischen (Rats-)Bibliothek ein, die im Zuge der Reformation an einem festen Ort untergebracht worden sei, als die Stifte und Klöster nun ihre Bücher „als Eigenthum behalten“1590 hätten. Lersner erwähnte ihren Standort im Casten-Hofe nahe dem Lateinischen Gymnasium, ihre Vergrößerung durch Zukauf und Schenkungen sowie ihre Aufstellung bzw. Systematisierung, Nutzungsmöglichkeiten und den Bibliothekskatalog sowie dessen Inhalt. Darüber hinaus erwähnte Lersner die 34 Teutschen Schulen, „worinnen die Jugend im lesen, schreiben und rechnen geübet wird“, sowie den Umstand, dass die Stadt keinen Mangel an „derer von Weibern haltenden Neh-Spitzen-Strickenund dem weiblichen Geschlecht wohlanstehenden Schulen“1591 habe. Neben der Lersner-Chronik boten die übrigen gedruckten Stadtchroniken aus der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts ein eher sparsames Bild von Frankfurts Bildungs- und Gelehrtenwesen, wie beispielsweise die Chronik von Stock (1719) durch einen nur kurzen Verweis auf die Einrichtung des Gymnasiums bzw. der Lateinischen Schule am Barfüßerkloster 1542 sowie auf den Tod und die Beisetzung des „berühmte[n] Theologus Matthias Flacius Illyricus“1592 in Frankfurt im Jahr 1575. Doch auch die Reisenden entdeckten allmählich die Bildungseinrichtungen. Caspar Gottschling erwähnte 1709 in seinem Reisebericht „allerhand Bibliothequen […], wie dann noch heute zu Tage in dem St. Bartholomaei Stifft, zu den Carmelitern und Predigern eine grosse Anzahl Bücher stehet“, wobei Gottschling nur auf die Bibliothecam publicam näher eingehen wollte: „Den Anfang darzu hat D. Ludwig von Marburg, genant zum Paradeiß […] gar rühmlich gemacht; in dem er seine Bücher dem Magistrate zu einem Anfange einer völligen Bibliotheque verehrte.“1593 Eine inhaltliche Nähe zur Lersner-Chronik ist nicht zu übersehen. Es ist davon auszugehen, dass Gottschling für seine Beschreibung vermutlich Lersner rezipiert hatte. 1589 Ebd., S. 95. 1590 Ebd. 1591 Ebd., S. 92. 1592 Stock, Kleine Franckfurther Chronik, S. 39, 43. 1593 Gottschling, Kurtze Nachricht von der Stadt Franckfurt am Mayn, S. 47–65, S. 74.
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Mitte des 18. Jahrhunderts drängten die Bildungseinrichtungen zunehmend stärker in das publizistische Stadtbild, zunächst allerdings überwiegend durch reine Auflistungen der städtischen und kirchlichen Gebäude und ohne nähere Beschreibungen oder Bewertungen. Laut Anton Friedrich Büschings Neuer Erdbeschreibung habe „das lutherische Gymnasium von 7 Klassen […] sein Gebäude neben der BarfüßerKirche, u. bey demselben ist in dem so genannten Kastenhof der große Stadtbüchersaal“.1594 Darüber hinaus gewann der Bildungsaspekt im Frankfurt-Diskurs an Dynamik und wurde breiter diskutiert. Friedrich Andreas Walther sprach beispielsweise in seiner Lobschrift von 1748 die Schulen und die schulische Ausbildung in Frankfurt an.1595 Ähnlich positiv wie Lersner das Bildungswesen darstellte, lobte auch Walther die Erfahrung und Weisheit der Lehrer, die eine tugendhafte Ausbildung der Jugendlichen und Schüler fördern würden: „O Franckfurt! Die erfahrnen Lehrer/ Womit sich deine Schule schmückt/ Erheischen eine Schaar Verehrer/ Die in die ferne Zukunft blickt:/ Hier pflanzet man der flüchtgen Jugend/ Das ewige Gesetz der Tugend/ Durch Weisheitsvolle Lehrer ein.“1596 Doch da Gelehrsamkeit und Bildung ein klassisches stereotypes Element des Städtelobs war und Walther mit seiner Schrift dezidiert die Vorzüge Frankfurts hervorheben wollte, ist davon auszugehen, dass Walther sich dieses stereotypen Bildes von Tugend und Fleiß der Frankfurter Bürger und Kinder bediente. Damit diente die Beschreibung Walthers wohl vor allem zur Kompensation des quantitativ und qualitativ eher bescheiden ausgestatteten Bildungsstandorts und zur Aufwertung der kulturellen und handwerklichen Produkte, die in Frankfurt entstanden waren. Auf der anderen Seite besteht auch die Möglichkeit, dass die Zeitgenossen das Bildungswesen tatsächlich als gut ausgebildet wahrgenommen haben. In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts setzten sich die Reisenden und Verfasser von Stadtbeschreibungen deutlich ausführlicher mit den kulturellen und literarischen Begebenheiten Frankfurts auseinander, was sicherlich auch mit der zunehmenden Anzahl von Bildungsreisen zusammenhing. Der Aspekt der Bildung und Gelehrsamkeit bekam nun einen ganz anderen Stellenwert. Dazu kommt, dass zum Beispiel Jacob Jonas Björnståhl seine Reisebeschreibung von 1782 an den königlichen Bibliothekar C.C. Gjörwell in Stockholm adressiert hatte und sein Interesse ganz besonders der Stadtbibliothek galt: „Überhaupt finden sich daselbst eine Menge äthiopischer und ambarischer Handschriften 1594 Anton Friedrich Büsching: Neue Erdbeschreibung. Teil 3. Bd. 3, 1.–3. Aufl. Hamburg 1759, S. 2055. 1595 Walther, Die Vorzüge der Stadt Franckfurt am Mayn, nicht pag. 1596 Ebd.
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mit lateinischen Verdollmetschungen, wie auch dergleichen Grammatiken und Wörterbücher.“1597 Zudem enthalte die Bibliothek „eine vortreffliche Sammlung alles dessen, was in Beziehung auf den dreyßigjährigen Krieg gedruckt worden ist: eine für die schwedische Geschichte höchst wichtige Sammlung, die aus 115 starken Quartbänden besteht“.1598 Georg von Steitz erwähnte in seiner Chronik (1746–1788), dass am 13. November 1783 die „Collecte für ein Schul Hauß zu Bockenheim“1599 verwendet werden sollte. Das evangelische Schulwesen wurde von Dietmann gar als ansehnlich und in einer „guten Verfassung“ beschrieben und das Gymnasium an der Barfüßerkirche habe „iederzeit in einem guten Rufe gestanden“.1600 Dietmanns geographisches Nachschlagewerk, die Neue Europäische Staats- und Reisegeographie, nannte 1752 auch die zahlreichen Privatbibliotheken, Kunstkammern, Antiquitätenkabinette sowie „Malereyen u.d.g.“. So dürfte „eines der kostbarsten und raresten Gemählde- Münz- und Kunstkabinetter in dieser Stadt, des Freyherrn von Heckel seines seyn“, das besonders in Bezug auf die dort vorhandenen Gemälde „von großen Werthe, und nach dem feinsten Geschmack gesammelt ist“.1601 Eher kurz und bünding erwähnte – als ein weiteres Beispiel – das Taschenbuch für Reisende jeder Gattung 1795 unter den Sehenswürdigkeiten von Frankfurt mehrere „Bibliotheken und Naturalien-, Kupferstich- und Gemähldesammlungen“.1602 Auch die Stadtbeschreibungen aus der Mitte und dem späten 18. Jahrhundert, wie beispielsweise die von Johann Bernhard Müller (1747), enthielten ganze Kapitel über „Privat-Bibliothecken und Kunst-Cammern“. Müller hob besonders die gelehrten Brüder von Uffenbach hervor, „deren Bekantschafft und Umgang einem jeden Liebhaber der Gelehrsamkeit, nicht anders als angenehm seyn kan“1603, wie auch bereits Herr Kayßler in seiner Reisebeschreibung festgestellt hätte. Außerdem finde man nach Aussage von Müller bei dem Königlich Preußischen Hofrat von Loen „eine gute Bibliothek und Cabinet von Gemählden“.1604 Unter allen Privatbibliotheken habe wohl die des Herrn von Loen „sowohl wegen der Menge, als auch wegen Schönheit der Bücher und Bände, unstreitig den
1597 Björnståhl, Briefe auf seinen ausländischen Reisen, S. 221. 1598 Ebd., S. 222. 1599 Georg von Steitz: Ereignisse in Frankfurt 1746–1788. Aus dem Nachlass des Staatsraths Steitz. ISG: Chroniken S5/51, nicht fol. 1600 Dietmann/Haymann, Neue Europäische Staats- und Reisegeographie, S. 670. 1601 Ebd., S. 698. 1602 Fick, Taschenbuch für Reisende, S. 62. 1603 Siehe auch für die folgenden Zitate Müller, Beschreibung des gegenwärtigen Zustandes, S. 190–194. 1604 Ebd., S. 190–191.
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Vorzug“.1605 Eine sehr schöne Sammlung, „welche das Alterthum, die Historie und den Staat unserer Stadt angehen, besitzet nebst einer ansehnlichen Bibliotheck der Herr Burgermeister von Lersner“.1606 Interessanterweise werden hier einerseits von Loen und Lersner mit ihren Leistungen und Beiträgen für die Frankfurter Kulturproduktion als Bestandteil des gelehrten Lebens in Frankfurt erwähnt. Andererseits dienten ihre im Jahr 1750 verfasste Stadtbeschreibung bzw. 1709 (2. Teil 1734) erschienene Stadtchronik auch als Quelle für die vorliegende Arbeit über das Frankfurt-Bild als kulturelles Zentrum. Somit überschneiden bzw. begegnen sich hier die zwei Ebenen des Diskurses – Bestandteil des Stadtbildes und ausgewertete Quellen. Von Loen und Lersner waren nicht nur (passiver) Bestandteil und Gegenstand des Frankfurt-Bildes, sondern sie lieferten auch (aktiv) einen Beitrag zu diesem Bild. Das bedeutet, dass sie zunächst selber zum Frankfurt-Diskurs beigetragen haben, ehe sie – etwa um 1800 – selbst zum Gegenstand dieses Diskurses wurden. An dieser Stelle ist zeitlich gesehen der Endpunkt des Diskurses erreicht. Das ausgehende 18. Jahrhundert brachte aber nicht nur einen umfassenderen Diskurs über das Frankfurter Bildungswesen, sondern auch eine kritische Reflexion und Auseinandersetzung mit demselben. So konstatierte Chr. Wölfling in seinem Reisebericht von 1795, dass das Geld, das ein Geschäftsmann in die Wissenschaften und die „sittliche Bildung seiner Mitbürger“ investiere, „ihm nicht sogleich solche in die Augen glänzende Procente ab[werfe]; und zu einem höhern Enthusiasmus für Geistescultur lassen ihm weder das Ein mal Eins noch die Agio’s Zeit und Raum genug in seinem Kopfe“.1607 Der Gelehrte erlange bei einem Handelsmann nach Einschätzung von Wölfling nur selten Achtung, „wenn er nicht durch Titel, oder irgend einen andern Flitter, einiges Geräusch macht“. Wölfling kritisierte außerdem, dass alle Institutionen, welche „auf Geistescultur Bezug haben“, etwas vernachlässigt würden. Beispielsweise sei das Gymnasium, dessen Rektor durchaus ein hochgebildeter Mann in seinem Fach sei, in der gleichen Situation, „in welcher alle ähnlichen Anstalten schmachten, die nicht mit der Cultur und den Bedürfnissen des Zeitalters fortschreiten“. Alle Eltern, die für ihre Kinder eine qualifizierte wissenschaftliche Bildung wollten, schickten sie zu Hauslehrern oder in Erziehungsanstalten, während die Lehrer am Gymnasium auch noch schlecht bezahlt würden und die Volks- oder deutschen Schulen keinerlei Methode oder einem Lehrplan folgten, geschweige denn eine Revision zu befürchten hätten. Die Verantwortung hierfür trage laut Wölfling
1605 Ebd., S. 192. 1606 Ebd., S. 194. 1607 Siehe auch für die folgenden Zitate Wölfling, Reise durch Thüringen, S. 83–85.
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aber weniger die Schulleitung, sondern liege in der Verfassung und im Mangel an „hinlänglicher Aufklärung“ begründet. Der Diskurs über das gelehrte und kulturelle Frankfurt ließ also auch kritische Meinungen und unterschiedliche Interessen zu. Gerhard Anton von Halem interessierte 1790 die seiner Meinung nach „elend gestellte, unbeträchtliche Stadtbibliothek“ überhaupt nicht, dafür aber umso mehr das Senckenbergische Institut.1608 Auch nach Ansicht von Chr. Wölfling suche man in Frankfurt nach „brauchbaren und wohlgeordneten öffentlichen Bibliotheken“1609 vergebens. Zwar gebe es zwei Büchersammlungen, die Stadtbibliothek und die Bibliothek im Karmeliterkloster, wobei erstere jedoch schlecht untergebracht und unsortiert sei sowie lediglich „mit gelehrtem Staube prangt“.1610 Inhaltlich habe die Stadtbibliothek abgesehen von einer Vulgata aus dem Jahre 1462, einigen Klassikern und verschiedenen seltenen Werken der Diplomatik nicht viel zu bieten, was Wölfling jedoch nicht verwundert, gebe man jährlich schließlich nur 1 000 Gulden zu ihrer Unterhaltung aus. Allein im Staatsrecht sei die Bibliothek aufgrund von finanziellen und Bücherzuwendungen einigermaßen ausgestattet. Die Karmeliterbibliothek habe immerhin einen gutsortierten Katalog und einen fähigen Bibliothekar sowie ganz gute Einkünfte durch die Einnahmen des Klosters. Besonders in der Patristik und älteren Kirchengeschichte sei sie sehr gut aufgestellt und könne auch mit einigen sehr wertvollen Frühdrucken und seltenen Handschriften aufwarten.1611 Auch Gerning kritisierte 1799 die stiefmütterliche Behandlung des Schulwesens und forderte Schulen und Bildungseinrichtungen statt zusätzlicher Kirchen. Seiner Ansicht nach wäre es besser gewesen, man hätte bei der schon bestehenden geräumigen Katharinenkirche, „an ihre Stelle ein neues Gymnasien- und Bibliotheksgebäude errichtet“.1612 Grundsätzlich sei nach Auffassung von Gerning „in Fortschritten der Kultur, in der öffentlichen und Privat-Erziehung, wovon so vieles abhängt, […] noch manches zu wünschen übrig“. Die Ursachen hierfür lägen darin begründet, dass der verdienstreiche Senior Dr. Dr. Hufnagel „leider so viel mit Seelsorgsamkeiten zu thun [habe], daß er seinem eigenen Genius nicht gehörig nachhängen“ könne. Doch gebe er sein Bestes, weshalb das Gymnasium ihm einige Verbesserungen zu verdanken habe.
1608 Gerhard Anton von Halem: Blicke auf einen Theil Deutschlands, der Schweiz und Frankreichs bey einer Reise vom Jahre 1790. Hamburg 1791, S. 25. 1609 Wölfling, Reise durch Thüringen, S. 85. 1610 Ebd. 1611 Ebd., S. 86–87. 1612 Siehe auch für die folgenden Zitate Gerning, Skizze von Frankfurt am Mayn, 1799, S. 242, 248–249.
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Außerdem habe der Gelehrte Mosche nicht nur hervorragende theologische Abhandlungen verfasst, sondern auch gute und zweckmäßige Schulbücher, und „Lehr- und Lesebücher der für Bürgerschulen gehörigen Kenntnisse wird er folgen lassen“. Neben einer Verbesserung im Erziehungswesen und des Gymnasiums, das wieder „zum ‚Übungsort‘ des Wetteifers und Fleißes von Jünglingen“ werden müsse, gebe es in Frankfurt mittlerweile auch eine Schule „zur Bildung für junge Kaufleute“. Der Diskurs über gelehrte Einrichtungen und kulturelle Sammlungen beschränkte sich zwar überwiegend auf die Reiseliteratur und Zeitschriften der Aufklärung, doch im Bereich der Naturwissenschaften und Medizin trugen auch die Chroniken zu einer Ausdifferenzierung des Bildes bei. Ein Beispiel hierfür ist ein Eintrag in Lorenz Friedrich Fingers Chronik vom 21. März 1779 über eben jenes „Senkenbergische Bürgerspital“1613, das an diesem Tag durch Pfarrer Claus mit einer Einweihungs-Rede eröffnet worden sei und neben der Behandlung von Kranken auch das chirurgische und anatomische Wissen vorantreiben sollte.1614 Der Reisende Grimm lobte 1775 das Senckenbergische Institut gar als „ein sehr schönes, ganz modern gebautes länglich viereckichtes steinernes Gebäude, ein Stockwerk hoch“ zur medizinischen Versorgung „für unvermögende Frankfurter Bürger“.1615 Die breite Rezeption und ausführliche Beschreibung des Instituts lässt auf ein großes Ansehen dieser Einrichtung in der Öffentlichkeit schließen. Indem sich neben den Stadtbeschreibungen, die im Frankfurter Umfeld entstanden, auch die Reisenden zunehmend ausführlicher über die Frankfurter Literatur- und Kulturbestände informierten und sie in ihren Reiseberichten beschrieben, prägten die öffentlichen Bibliotheken und privaten Sammlungen immer stärker das Bild Frankfurts und erweckten den Eindruck von einem fortschrittlichen Gelehrtenzentrum. Gleichwohl gab es in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts eine durchaus kritische Diskussion über den Bildungsstandard und die Ausstattung und Qualität der Frankfurter Bildungseinrichtungen, die weit über bloße stereotype Äußerungen hinausgingen. Kritik an bestehenden Strukturen war damit möglich geworden. Das Bild von Frankfurts Bildungseinrichtungen vermittelte einerseits einen positiven Eindruck dieses Ortes des kulturellen Austauschs. Andererseits ließ der Diskurs über das gebildete Frankfurt auch kritische Meinungen, unterschiedliche Interessen und Verbesserungsvorschläge zu, was 1613 Lorenz Friedrich Finger: Chronik 1766–1782. Laufzeit: 1766–1782. ISG: Chroniken S5/62 fol. 26. 1614 Siehe hierzu ausführlich u.a. Thomas Bauer: Johann Christian Senckenberg: eine Frankfurter Biographie 1707–1772. Frankfurt a.M. 2007; Horst Naujoks/Gert Preiser (Hrsg.): 225 Jahre Dr. Senckenbergische Stiftung: 1763–1988. Hildesheim 1991. 1615 Grimm, Bemerkungen eines Reisenden, Dritter Teil, S. 40.
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letztlich zu einem disparaten und eher mittelmäßig ausgeprägten Bild vom Bildungsstandort Frankfurt führte.
3.1.2.4 Zusammenfassung Aus dem Diskurs in kosmographischen und lexikalischen Einträgen sowie in den Reiseberichten des späten 18. Jahrhunderts wird implizit deutlich, dass die Betonung der Gelehrsamkeit und der aus Frankfurt hervorgegangenen Gelehrten in erster Linie dazu diente, den fehlenden Universitätsstandort und das spärlich ausgebildete Bildungswesen Frankfurts zu kompensieren. Zwar versuchte ein bestimmter begrenzter Kreis von Autoren, in den gelehrten Journalen der Aufklärung das Bild von einem aktiven gelehrten Kulturzentrum Frankfurts zu verbreiten, doch die Rezeption und Diskussion über Frankfurt in der umfassenden Reiseliteratur verdeutlicht, dass der Eindruck von einem mittelmäßigen Gelehrtentum und einer begrenzten kulturellen Produktion dominierte. Die Gründe für den eher bescheidenen wissenschaftlichen Betrieb klangen in dem Diskurs teilweise bereits an und erklärten sich laut Chr. Wölfling 1795 mit dem ausgeprägten Handelsgeist und einer fehlenden Akzeptanz und Anerkennung wissenschaftlicher Leistungen in der Frankfurter Bevölkerung. Denn wenn „ein Kaufmann prächtige Spitäler etc. errichtet: so befriedigt er seinen Stolz; indem er seinem Reichthum noch bey der Nachwelt ein schimmerndes Denkmahl setzet; er entledigt sich der Armen, die ihn sonst überlaufen würden, und beruhigt zugleich seine orthodoxe Religiosität über manchen Gewissensscrupel, den ihm der Verkehr mit dem Irdischen zu gewissen Zeiten verursachen könnte“.1616 Wissenschaft und höhere Bildung waren in Frankfurt offenbar lange nicht so angesehen wie die Unterstützung Armer und Kranker und bedeuteten für einen Kaufmann keinen Mehrwert im Sinne eines finanziellen oder Ansehensgewinns. Diesen Eindruck vermittelte zumindest das Stadtbild: Geld, Gewinn und gesellschaftliches Ansehen (auch im Sinne von Almosen, Stiftungen und Spenden) standen offenbar in Frankfurt höher im Kurs als Bildung, wissenschaftliche Erkenntnisse und literarische Gedankenarbeit. Auch die (öffentlichen) Investitionen in den Kultur- und Bildungsbereich waren zum Leidwesen der Gelehrten und Gebildeten offenbar sehr gering. Das frühneuzeitliche Bild von einem literarischen und gebildeten Frankfurt hatte zwei Seiten: Zum einen wurden die öffentlichen und Privatbibliotheken, Büchersammlungen, Kollegien und Lesegesellschaften angeführt und teils lobend, teils kritisch diskutiert. Zum anderen wurde auf das Fehlen bedeutender Literaten hingewiesen, mit denen Frankfurt nur sehr bedingt aufwarten könne. 1616 Wölfling, Reise durch Thüringen, S. 82–83.
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Die Erklärung dafür sahen die Autoren im dominierenden Charakter Frankfurts als einer Handelsstadt mit einer äußerst pragmatischen Einstellung zu Geld, Wohlstand und rentablen Investitionen. Damit oszillierte das Bild Frankfurts als kulturelles Gelehrtenzentrum zwischen dem Versuch, möglichst alles Bedeutsame aufzuzeigen, was die Stadt zu bieten hatte, und der deutlichen Kritik an der Mittelmäßigkeit im Bereich der Gelehrsamkeit und Literatur.
3.1.3 Kunst und Kultur 3.1.3.1 Orte kulturellen Austauschs Mit der fortschreitenden Aufklärung entstanden in Frankfurt – abgesehen von Schulen und Bibliotheken – nicht nur neue Formen kultureller Einrichtungen als Orte des kulturellen und künstlerischen Austauschs, sondern sie gelangten auch in den publizistisch-literarischen Frankfurt-Diskurs. Neben dem Bildungswesen tradierten die Reiseberichte des 18. Jahrhunderts auch ein Bild über das gesellschaftliche und kulturelle Leben in Frankfurt. Etwa die Hälfte der reisenden Autoren listete ähnlich wie die Chroniken und Stadtbeschreibungen die interessantesten Institutionen in stereotyper Form auf, die andere Hälfte beschrieb aber auch ihre individuellen Erfahrungen über die Frankfurter Gelehrsamkeit. Zum Beispiel berichtete Karl Sigmund Holzschuher 1708 in seiner handschriftlichen Reisebeschreibung ausführlich von des „Herrn Salzwedels Cabinet“, in dem er ein historisch wertvolles Stück Gold betrachtet habe, ebenso wie „eine collectionem von Mineralien, Naturalien und anderen Seltenheiten“.1617 Auch die Münz- und Medaillensammlung hatte es dem Verfasser angetan, deren Inschriften er sogar wörtlich in seiner Beschreibung wiedergab. Eindrücke über die kulturellen Belange der Stadt vermittelten auch die Zeitschriften der Aufklärung, auch wenn sie überwiegend politische Nachrichten aus Frankfurt oder Rezensionen über Werke von Frankfurtern sowie Magistratsoder kaiserliche Verordnungen im Abdruck enthielten. Besonders interessant und ausführlich berichtete ein anonymer Artikel von 1789 im Journal von und für Deutschland über die neue Eßlinger Lesegesellschaft1618 zu Frankfurt am Main. Der Autor eines 1789 im Journal von und für Deutschland erschienenen Artikels über die Frankfurter Lesegesellschaften, die er auf einer Reise durch die Stadt kennengelernt hatte, betonte, dass es die neue Lesegesellschaft als erste der seit 1617 Holzschuher, Reise i. d. Niederlande und nach England, fol. 188. 1618 Der Frankfurter Buchhändler Friedrich Eßlinger hatte 1788 die Lesegesellschaft in seinem Privathaus gegründet, die 1792 schließlich selbstständig wurde.
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etwa 15 Jahren in Deutschland bestehenden Gesellschaften geschafft habe, in dieser Zeitschrift erwähnt zu werden. Dies führte er auf die Sonderrolle Frankfurts als zentral gelegene und vielbesuchte Messestadt zurück, die den Erfolg der Lesegesellschaft begründe: Allein da Frankfurt am Mayn sich dadurch vor vielen im Grunde wichtigen Städten auszeichnet, daß die jährlichen zwey Messen daselbst einen großen Zufluß von Fremden auf einige Wochen veranlassen; da sich eben daselbst die Reise-Ruten beynahe durch ganz Europa kreuzen; da die Bequemlichkeit der Frankfurter Gasthöfe manchen Reisenden bewegt hier einige Rasttage zu machen, das neuerrichtete Leseinstitut aber in diesem Falle mit zur angenehmen und nützlichen Unterhaltung solcher Gäste beyträgt: so verdient solches vielleicht eine Ausnahme.1619
Besonders lobte er ihre vorteilhafte Lage innerhalb der Stadt am oberen Ende des großen Kornmarktes in dem Eckhaus einer Kreuzstraße, die „von dem Buchhändler Eßlinger, einem jungen belebten und unternehmenden Mann, welcher zur ebenen Erde seinen Buchladen hat, in der ersten Etage, also eine Treppe hoch, angelegt worden“ sei. Allein diese Lage, die zwar nicht genau die Mitte, aber dennoch den „Communicationspunct der Stadt“ darstelle, sei für die Besuchszahlen des Instituts sehr förderlich, „weil sich niemand allzuweit von der Gegend seiner übrigen Verrichtungen entfernen darf“. Nach einer Beschreibung der mit Postkarten und Stadtplänen verzierten Wände und Einrichtung der drei Lesezimmer mit Tischen, Zeitschriften, Journalen und ausländischen Periodika beschrieb der Verfasser die Funktion der Eßlinger Lesegesellschaft zur Informationsgewinnung und als Kommunikationsort der neuesten Nachrichten. Außerdem könnten die Mitglieder der Lesegesellschaft die neu erschienene Literatur lesen, noch bevor sie die Zensur passiere, wie der Autor explizit hervorhob. Die Mitglieder könnten sogar Besucher umsonst mitbringen und vollkommen Fremde würden von Herrn Eßlinger mit Freude persönlich eingeführt, sodass es die Gesellschaft bereits zu einem sehr ansehnlichen Teilnehmerverzeichnis gebracht habe und die Mitgliederzahl weiter steigen werde.1620 Carl Gottlob Samuel Heun beschrieb die „Eslingerischen Leseinstitute“ 1793 sogar als „elegant und gemeinnützig“, die jedem von morgens bis abends offen stünden und in deren geschmackvoll möblierten Zimmern man eine „ansehnliche Gesellschaft [vorfinde], die von der tieffsten Stille umgeben, Zeitungen, Journale und alle mögliche inn- und ausländische fliegende Blätter und einzelne Broschüren“1621 lese. Gesellschaftlich betrachtet sei dieses Leseinstitut beson1619 Siehe auch für die folgenden Zitate: Von der neuen Lesegesellschaft zu Frankfurt am Mayn. In: Journal von und für Deutschland 9 (1789), S. 193–196, hier S. 193–195. 1620 Ebd., S. 195. 1621 Clauren, Carls vaterlaendische Reisen, S. 370.
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ders für Fremde von großem Interesse, „da sie hier die ersten und nützlichsten Bekanntschaften zu machen, die beste Gelegenheit haben“.1622 So lobten auch ausländische Reisende die Eßlinger Lesegesellschaft als eine besondere und fortschrittliche Einrichtung. Für die Engländerin Ann Radcliffe war das Cabinet Literaire „one of the luxuries of Franckfort, [… where] the best periodical publications of the Continent are received, and their titles immediately entered in a book, so that the reading is not disturbed by conversation with the librarian“.1623 Der Reisende von Halem fügte 1790 im Diskurs über die Eßlingersche litterarische Leseanstalt hinzu, dass dort „blos der Geist Nahrung erhält, ohne durch Toback und Wein angefacht zu werden“, und er bewundere „die herrschende Stille, und die Ordnung, so wie die Mannigfaltigkeit der Bücher“.1624 Derartige kulturell-gesellschaftliche Einrichtungen gelangten auch in den Frankfurt-Diskurs, der für die heutige Zeit zumindest einige Hinweise über sie überliefert hat. Aufschlussreich ist besonders die Passage aus Müllers Stadtbeschreibung über die verschiedenen Gelehrten und Kaufleute, die ihre „geschlossene[n] Versammlungen“ halten, „oder so genannt Caffe Collegia, wo sie theils täglich, theils wochentlich etlichemahl zusammen kommen“.1625 Ein zentraler Ort kultureller Zusammenkünfte waren wohl auch die öffentlichen „Caffee-Häußer“, die in Frankfurt „sehr wohl eingerichtet“ waren und von Fremden und Einheimischen besucht wurden. Dort treffe man laut Müller „den gantzen Tag über Leute, und weil man darinnen alle neue Zeitungen umsonst lesen kan“.1626 Nach Ansicht von Johann Kaspar Riesbeck, der 1783 unter einem Pseudonym eine Reisebeschreibung verfasst hatte, waren sie „eine vortrefliche Einrichtung“.1627 Die Collegien seien „besondere Gesellschaften von Leuthen eines und des nämlichen Standes, die sich auf gewisse Täge versammeln“.1628 Demnach gebe es Collegien1629 von Adligen, Künstlern je nach Spezialisierung und Kunstrichtung, von Buchhändlern, Ärzten und Juristen, „kurz, von allen Ständen“.1630 Mehr Unterhaltung als bei privaten Zusammenkünften der Wohlhabenden und Adeligen fand auch 1791 Johann Heinrich Gottlob Hermann in einem dieser 1622 Ebd., S. 371. 1623 Ann Radcliffe: A Journey made in the Summer of 1794, through Holland and the western Frontier of Germany, with a Return down the Rhine: to which are Added Observations during a Tour to the Latees of Lancashire, Westmoreland. London 1795, S. 233. 1624 Halem, Blicke auf einen Theil Deutschlands, S. 26. 1625 Müller, Beschreibung des gegenwärtigen Zustandes, S. 207. 1626 Ebd., S. 208. 1627 Riesbeck, Briefe eines Reisenden Franzosen, S. 393. 1628 Ebd. 1629 Es ist sowohl die Schreibweise Collegien als auch Kollegien überliefert. 1630 Riesbeck, Briefe eines Reisenden Franzosen, S. 393.
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Kollegien, in die er mit seinem um ihn sehr bemühten Hauswirt abends hingegangen sei. Es gebe mehrere dieser Versammlungen in Frankfurt. Sie seien „nicht sowohl Robinhoods Societies, (denn nur eine geschlossene Gesellschaft von Mitgliedern, die doch auch Fremde mit bringen können, nehmen Theil daran) als eigentliche Clubbs“, in denen jeder bei Kaffee, Tee, Bier oder Wein nach seinem persönlichen Gefallen Tabak rauchen, Karten und Billard spielen, sich unterhalten oder einfach zuhören könne.1631 Neben den vielen positiven Stimmen gab es aber auch Kritiker. Diese größeren Gesellschaften und Kollegien seien nach Ansicht von Alois Wilhelm Schreiber eben nicht besonders gut dafür geeignet, ein „günstiges Vorurtheil für den Geist und die Urbanität der hiesigen Einwohner zu erwecken“1632, weshalb Schreiber sie im Gegensatz zu Hermann kritisierte: Dort würde man nur zusammenkommen, „um zu rauchen, zu spielen, und sich mit den Neuigkeiten des Tags zu unterhalten“. Viel lieber seien ihm – auch hier ganz im Gegensatz zu Hermann – die Familienzirkel und „freundschaftliche[n] Kränzchen, die Freunde und gute Bekannte unter sich veranstalten, wohin aber der Zutritt schwerer zu erhalten ist“. Fremde würden die Vertrautheit und herrschende „Vertraulichkeit, Freiheit, Güte und [das] fröliche[…] Leben“ zumeist stören. Diese unterschiedlichen Ansichten waren sicherlich von der Anzahl und Intensität der jeweiligen Kontakte und Bekanntschaften der Autoren in der Stadt abhängig, denn wer weniger Anknüpfungspunkte hatte, fühlte sich in den offenen Kollegien wohler als in den Privatgesellschaften, wenn man denn überhaupt Zugang erlangte. Allerdings störte Hermann vor allem das Gebaren der adeligen und patrizischen Gesellschaft und dass es dort keine Gelegenheit gäbe, sich in Ruhe zu unterhalten. Somit spielte auch der Anspruch an den gelehrten Austausch bei der Beurteilung der Kollegien eine große Rolle. Zu dem Aspekt des gesellschaftlichen Umgangs fügte Riesbeck noch hinzu, dass es für einen Fremden überhaupt nicht schwer sei, in die Gesellschaft eingeführt zu werden, und der Vorteil, innerhalb einer Stunde mit den meisten „vorzüglichen Leuthen seines Standes in der Stadt bekannt zu werden, ist unschätzbar“.1633 Doch Gottlob Friedrich Krebel hatte einen vollkommen gegensätzlichen Eindruck von Frankfurt gewonnen. Zwar sah er an „Lustgärten, Promenaden“ keinen Mangel, doch müssten Fremde „gute Adressen an die hiesigen angesehenen Familien haben, wenn sie auf einen angenehmen Fuß in Frankfurt leben wollen“.1634 1631 Hermann, Bemerkungen auf einer Reise von Gotha nach Mainz, S. 93. 1632 Siehe auch für die folgenden Zitate Schreiber, Bemerkungen auf einer Reise, Erste Hälfte, S. 11. 1633 Riesbeck, Briefe eines Reisenden Franzosen, S. 393. 1634 Krebel, Die vornehmsten Europäischen Reisen, Teil 1, S. 295.
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Der sächsische Lehrer und Reiseschriftsteller Carl Gottlob Küttner kenne gar „kaum einen Ort von dem Umfange und der Wichtigkeit, der eine so gar geringe Unterhaltung einem Reisenden anböte, der hier keine Bekanntschaft hätte“.1635 Anschließend beschrieb er zwar dennoch private Kunstsammlungen, Gemälde- und Naturaliensammlungen, die ihn durchaus beeindruckten, ihm aber eben ausschließlich durch die Bekanntschaft mit den Eigentümern zugänglich waren.1636 An den anderen Abenden versammele sich laut dem Reisenden John Moore die adelige bzw. patrizische Gesellschaft „wechselweise in ihren jederseitigen Häusern, und bringt den Abend auf die nämliche Art zu“1637, während keine der bürgerlichen Familien hierzu eingeladen sei. Diese hätten ihre eigenen Zusammenkünfte und würden ihre Freunde und auch Fremde sehr gastfreundlich bewirten. Allerdings nehmen der hohe Adel und die Adeligen „von allen Stufen und jeder Nation“, deren Weg durch Frankfurt führt, Einladungen, „mit den bürgerlichen Familien zu speisen, mit Vergnügen an“ – zumindest was die Männer betreffe.1638 So würde zumindest ein Teil des Frankfurter Adels jede Gelegenheit ergreifen, um den „wesentlichen Unterschied anzuzeigen, der zwischen ihren Familien und den bürgerlichen“1639 herrsche. 1802 hatte Gerning – sozusagen als ‚Vorkämpfer‘ für das Ansehen Frankfurts als kulturelles Zentrum – erneut einen Artikel über Frankfurt am Main im Neuen Teutschen Merkur veröffentlicht, der ausschließlich das Kulturleben Frankfurts beschrieb. Darin wollte Gerning zeigen, dass in Frankfurt „bei allem Gegengewicht anderer Handelszweige, doch auch an Geistesnahrung gedacht“1640 werde. Dies werde an der Verschönerung und Erneuerung, die Frankfurt seit dem zehn Jahre dauernden Krieg durchschritten habe, sichtbar: Neben neuen Gebäuden (u.a. Bibliothek) sei Frankfurt zu einer regelrechten „Sammelstadt“1641 geworden mit zahlreichen Mineralien- und Naturaliensammlungen, Kunstkabinetten und -verlagen, Buchhändlern und sonstigen künstlerisch wertvollen Sammlungen. Genauso wichtig schien Gerning die Darstellung von Frankfurt als ein wiederaufblühendes Verlags- und Druckzentrum zu sein. Er nannte zahlreiche Autoren und
1635 [Carl Gottlob Küttner:] Reise durch Deutschland, Dänemark, Schweden, Norwegen und einen Theil von Italien, in den Jahren 1797, 1798, 1799. Vierter Teil. Leipzig 1801, S. 524. 1636 Ebd., S. 529. 1637 Moore, Abriß des gesellschaftlichen Lebens, S. 221. 1638 Ebd. 1639 Ebd., S. 226. 1640 Johann Isaak Freiherr von Gerning: Über Frankfurt am Main. In: Der neue Teutsche Merkur 1 (1802), S. 154–158, hier S. 155. 1641 Ebd., S. 154.
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Verleger mit ihren Neuerscheinungen und Neuauflagen sowie neue und geplante literarische Projekte wie Zeitschriften oder Journale.1642 Von Gerning kam 1799 sogar zu dem Schluss, dass die Stadt Frankfurt „von jeher ihren guten Beytrag in das Gesammtwesen des Wissens und der Künste geliefert“ habe.1643 Doch damit hatte er sich wohl auch selber bzw. seine Vorfahren loben wollen, denn in seiner Fortsetzung der Skizze von Frankfurt hob er die „Gerningische Schmetterling- und Insekten-Sammlung [hervor], die bis jetzt aus 160 Rahmen und etwa 50 000 Stücken“1644 bestehe. 45 Jahre lang habe der Besitzer fleißig gesammelt, wodurch die Sammlung „zur ersten und vielleicht letzten ihrer Art erhoben“ worden sei.1645 In den Lexikoneinträgen aus der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts spielten kulturelle Einrichtungen, Künstler und Gelehrte eine untergeordnete bis gar keine Rolle. Hier dominierte allein das Bild von Frankfurt als wohlhabende Handelsstadt und politisch bedeutsamer Wahl- und Krönungsort. Allerdings gab es einige wenige Ausnahmen, wie Schramms Neues europäisches Reiselexikon von 1744, das in inhaltliche Kapitel untergliedert war und kulturelle Aspekte mit aufgenommen hat. Für Frankfurt nannte es die Themen „Bibliothek“ und „Buchläden“. Die Ratsbibliothek sei ansehnlich und „durch verschiedene dazu gekommene Bücher-Vorräthe gar sehr vermehret worden“.1646 Über die Buchläden erfuhr der Leser, dass von den „häufig angelegten Buchläden“ in Frankfurt eine besondere Gasse, „die Buch-Gasse genannt, ihre Benennung erhalten“1647 habe. Als Quelle nannte das Lexikon den Denckwüdigen Antiquarius. Mit der Erwähnung kultureller und gelehrter Institutionen und Orte des kulturellen Austauschs hing häufig auch der Verweis auf handelnde Personen, d.h. Gelehrte, Kulturschaffende und herausragende ‚kluge Köpfe‘, zusammen, wie das folgende Kapitel zeigt.
3.1.3.2 Frankfurt – „Zeugemutter vieler hochberühmter Männer” Die zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts war eine Zeit, in der deutlich intensiver als zuvor Personen und Persönlichkeiten Gegenstand des Frankfurt-Diskurses waren. So unterstützte Dietmannns Neue Europäische Staats- und Reisegeographie von 1752 das Bild von dem vermeintlichen Gelehrtenzentrum Frank1642 Ebd., S. 154–155. 1643 Gerning, Skizze von Frankfurt, S. 251. 1644 Gerning, Skizze von Frankfurt, Fortsetzung, S. 335. 1645 Ebd. 1646 Schramm, Neues europäisches historisches Reise-Lexicon, Sp. 526. 1647 Ebd.
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furt. Denn die Stadt könne zu ihren großen Vorzügen rechnen, „daß nicht nur von ie her gelehrte und berühmte Männer in ihr gelebet, gelehret und ernähret worden“ seien und auch aktuell „auf eine herrliche Weise vorzuzeigen hat, und es darinne vielen Universitätsorten zuvor thut“. Vielmehr noch sei Frankfurt „die Zeugemutter vieler hochberühmter Männer in allen Theilen der Gelehrsamkeit geworden“.1648 Dazu würden zum Beispiel aus der Vergangenheit „die beyden Johannes de Franckfordia, und ferner ein Joh. Dieppurg de Franckfordia“ zählen. Und wer erinnere sich nicht „eines Joh. Fichards, eines Joh. Wolfg. Textors, eines Joh. Maximil. zum Jungen1649, eines Joh. Konr. von Uffenbach, eines Achillis Aug. von Lerßner, und vieler andern mehr, welche alle gelehrte Frankfurter1650, und durch ihren Ruhm und Schriften in der gelehrten Welt bekannt genug sind?“1651 An dieser Stelle beginnen sich mit der Nennung von Achilles August von Lersner und Johann Maximilian zum Jungen im Grunde zwei verschiedene Ebenen zu überschneiden, die des Frankfurt-Bildes und ihrer Beiträger bzw. Erzeuger selbst. Die Verfasser wichtiger Frankfurter Chroniken1652, deren Schriften Untersuchungsgegenstand des Diskurses sind, sind mittlerweile selbst zum Bestandteil des Frankfurt-Bildes geworden. Die Aufzählung und besondere Hervorhebung der aus Frankfurt stammenden Gelehrten zur Kompensation einer fehlenden Universität liegt hier nahe, zumal Dietmann bzw. der Verfasser des Frankfurt-Artikels es auch direkt angesprochen hat. Der Leser bekommt zumindest implizit den Eindruck, dass mehr oder weniger verzweifelt und angestrengt nach Gelehrten gesucht wurde, die man erwähnen konnte. Hinzu kommt, dass sowohl die geographischen Beschreibungen als auch Reiseberichte dafür offenbar in die Vergangenheit blicken mussten. Andererseits erwähnten sie Persönlichkeiten, die zwar aus Frankfurt stammten, jedoch mittlerweile in anderen Städten wirkten. Den Eindruck, dass die Gegenwart, d.h. das späte 18. Jahrhundert, im Unterschied zur Vergangenheit kaum gelehrte Männer zu bieten hätte, verstärkte der Reisende Alois Wilhelm Schreiber, der 1791 Frankfurt zwar als Vaterstadt Goethes, 1648 Dietmann/Haymann, Neue Europäische Staats- und Reisegeographie, S. 694. 1649 Siehe zu den bedeutenden Frankfurter Persönlichkeiten Kapitel I.2.8.3 „Personen“. 1650 Hans Körner: Frankfurter Patrizier: Historisch-genealogisches Handbuch der adeligen Ganerbschaft des Hauses Alten-Limpurg zu Frankfurt am Main. München 1971, S. 159–160; Klötzer, „Keine liebere Stadt“, S. 200–233. 1651 Dietmann/Haymann, Neue Europäische Staats- und Reisegeographie, S. 694–695. 1652 Am bekanntesten ist wohl das zweibändige Werk von Achilles August von Lersner: Der weitberühmten Freyen Reichs-, Wahl- und Handelsstadt Franckfurt am Mayn Chronica (1706/34), der bereits die Chronik von Johann Friedrich Faust von Aschaffenburg (1636–1674): Der Statt Franckfurt am Mayn Herkunft und Aufnahmen (1660) im Druck vorausging.
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Schlossers1653, Klingers1654 und des verstorbenen Wagners1655 beschrieb, während die Stadt „gegenwärtig wenige oder gar keinen Mann innerhalb ihrer Mauern [habe], den sie ihren ebengenannten ausgewanderten Söhnen an die Seite stellen könnte“.1656 Gleichwohl suchte er bemüht nach bedeutenden Personen. Johann Friedrich August Katzner1657 sei immerhin ein Schriftsteller zweiten Ranges und ein vorzüglicher historischer Schriftsteller und Schlosser.1658 Schreiber trug mit seinem Reisebericht nicht nur zum Frankfurt-Bild über die Gelehrtenwelt Frankfurts bei und entwarf selber eine Methapher, um die aktuelle Situation zu verdeutlichen: Die kulturellen ‚Produkte‘, die zu seiner Zeit in Frankfurt entstanden seien, verglich er mit einer „Feldblume, die in einem Gartenbeete unter Florens übrigen Kindern aufsproßten, wohin der Wind von ohngefähr einige Samenkörner verwehte“.1659 Um den Literaten zumindest etwas Gutes abzugewinnen, hob Schreiber ihren Seltenheitswert hervor, „wie man denn immer geneigt ist, sich an seltenen Spielen des Zufalls zu belustigen“.1660 Nicht nur aus der heutigen Perspektive, sondern offensichtlich auch nach Auffassung vieler Zeitgenossen durfte Johann Wolfgang von Goethe (1749–1832) nicht fehlen, wenn von der Kultur und Gelehrsamkeit Frankfurts gesprochen wurde. Goethe gilt bis in die Gegenwart als wohl bekanntestes Kind der Stadt.1661 Doch die Zeitgenossen im späten 18. Jahrhundert haben Goethes Genie und seine Bedeutung für das kulturelle Leben bereits erkannt und gewürdigt. Das zeigt beispielsweise die Reisebeschreibung von Johann Georg Sulzer, der bei seinem Frankfurt-Aufenthalt Goethes Besuch „genießen“ durfte. Dieser junge Gelehrte sei in seinen Augen „ein wahres Originalgenie von ungebundener Freyheit im Denken, sowohl über politische als gelehrte Angelegenheiten“.1662 Auch besitze Goethe eine scharfe Beurteilungskraft, eine „feurige Einbildungskraft und sehr lebhafte Empfindsamkeit“. Allerdings hinterfragte Sulzer Goethe auch kritisch, denn „seine Urtheile über Menschen, Sitten, Politik und Geschmack sind noch
1653 Philosophischer und politischer Schriftsteller, Staatsmann und Goethes Schwager Johann Georg Schlosser (1739–1799). 1654 Dichter und Dramatiker Friedrich Maximilian von Klinger (1752–1831). 1655 Gemeint ist vermutlich Goethes Jugenfreund und Schriftsteller Heinrich Leopold Wagner (1747–1779). 1656 Schreiber, Bemerkungen auf einer Reise, Erste Hälfte, S. 7. 1657 Johann Friedrich August Katzner (1732–1798) war ein Frankfurter Anwalt, Dichter und Schriftsteller. Er verfasste u.a. Rezensionen und Artikel für die Allgemeine Literatur-Zeitung. 1658 Schreiber, Bemerkungen auf einer Reise, Erste Hälfte, S. 7–8. 1659 Ebd., S. 10. 1660 Ebd. 1661 Heckmann, Goethe und Frankfurt, S. 39. 1662 Siehe auch für die folgenden Zitate Sulzer, Tagebuch, S. 17.
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nicht durch hinlängliche Erfahrung unterstützt“. Goethes menschlichen Umgang fand Sulzer jedoch angenehm und liebenswürdig. Elise von der Recke – begleitet von Sophie Becker – besuchte 1784 in Frankfurt Goethes Mutter Catharina Elisabeth Goethe, geb. Textor (1731–1808). Goethes Geburtshaus schien schon damals zu Lebzeiten Goethes zu einer Art ‚lebendigem Museum‘ für interessierte Besucher geworden zu sein. So konnte Elise von der Recke „den Ort seiner Geburt, das Zimmer, wo er als Knabe gespielt und als Mann gearbeitet hat […] sehen. Das Zimmer, wo ein Werther, Clavigo und Götz ans Licht getreten sind!“1663 Noch heute ist es interessierten Besuchern möglich, das Frankfurter Goethe-Haus in teilweise original erhaltener oder rekonstruierter Einrichtung zu besichtigen.1664 Während etwa die eine Hälfte der Reisenden, die Frankfurt vermutlich eher nahestand, von einer regen Bildungslandschaft Frankfurts ausging, vertrat die andere Hälfte die gegenteile Ansicht. Der Reisende Wölfling meinte 1795, dass aufgrund dieser eher bescheidenen Bildungs- und Kulturlandschaft der Leser (seiner Reisebeschreibung) von allein darauf schließen könne, „daß auch die Anzahl berühmter Gelehrten [sic] hier nicht groß seyn kann“.1665 Er begründete das mit politischen und gesellschaftlichen Voraussetzungen: Der „Staat“ suche sie nicht und das „Publicum“ schätze sie nicht. Auch Riesbeck nutzte seine unter einem Pseudonym veröffentlichte Reisebeschreibung für Gesellschaftskritik und erklärte, warum Frankfurt in der Wissenschaft und Gelehrsamkeit sowie im Handel nicht besser dastehe, als es eigentlich könnte: Allein das inquisitorische Ansehn der Geistlichkeit der hier herrschenden lutherischen Kirche steht der Freyheit des Geistes und der Verfeinerung des Publikums im Weg, und schadet auch der Handlung und Industrie ungemein viel, wie denn die Reformirten, die der reichste Theil der Einwohner sind, aller ihrer Bemühungen ungeachtet, die Dultung [sic] ihres öffentlichen Gottesdienstes in der Stadt noch nicht erhalten konnten.1666
Insgesamt betrachtet hatte die Beschreibung der Gelehrten, gesellschaftlicher Kontakte und Aktivitäten zur Folge, dass sich im 18. Jahrhundert zwar einerseits das Bild von Frankfurt als einem kulturellen Zentrum zu einer Stadt mit bedeutenden Persönlichkeiten aus Wissenschaft, Wirtschaft und Kultur (Musiker, Kunstsammler, Maler etc.) wandelte. Besonders aus dem Frankfurter Umfeld (z.B. Gerning) kamen viele lobende Stimmen. 1663 Karo/Geyer, Elise von der Reckes Reisen durch Deutschland, S. 166. 1664 Mehr Informationen unter: https://www.goethehaus-frankfurt.de/goethehaus (letzter Zugriff: 12.07.2015). 1665 Wölfling, Reise durch Thüringen, S. 88. 1666 Riesbeck, Briefe eines Reisenden Franzosen, S. 391.
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Andererseits fühlten sich auch viele Autoren dazu bemüßigt, eher angestrengt nach möglichst vielen bedeutenden Persönlichkeiten aus dem gelehrten und kulturellen Umfeld zu suchen, um überhaupt etwas zu diesem Thema schreiben zu können. Folglich dominierte besonders im ausgehenden 18. Jahrhundert eher das Bild von einem schwach ausgeprägten kulturellen und geistigen Zentrum. Durch diese Schwerpunktsetzung wird deutlich, dass die Frankfurter Bevölkerung in erster Linie als Kaufmannschaft wahrgenommen wurde, und erst in zweiter Linie bedeutende Persönlichkeiten auf kulturellem und gelehrtem Gebiet dazugehörten, die jedoch eher vereinzelt und als Einzelpersönlichkeiten hervortraten, ohne dass von einer größeren Gruppe oder Bevölkerungsschicht der Gelehrten gesprochen wurde. Gleichwohl war es den Autoren und Reisenden wichtig, bestimmte Personen und Gelehrte zumindest namentlich zu erwähnen, sodass sie durchaus von Bedeutung für das Stadtbild und dessen Wahrnehmung durch Außenstehende waren.
3.1.3.3 Kunst und Kultur als Randbemerkung Im Hinblick auf das Frankfurt-Bild und den Frankfurt-Diskurs spielten Kunst und Kultur im Frankfurter Städtelob, in der Stadtchronistik und in den Kosmographien des 16. und 17. Jahrhunderts keine große Rolle. Erstmals wurde in den 1600 erschienenen Deliciae Germaniae sive totius Germaniae itinerarium kurz beschrieben, dass „magni illius Alberti Dureri immortalitate dignissima manus, summo artificio delineavit“.1667 Das von Albrecht Dürer zwischen 1507 und 1511 geschaffene Altarbild der heiligen Jungfrau Maria1668 für das Frankfurter Dominikanerkloster wurde seitdem häufig erwähnt und war sehr bekannt. Es entwickelte sich zu einem Topos und dauerhaften Bestandteil des Frankfurt-Bildes, nachdem es in den folgenden Jahrzehnten und Jahrhunderten in den kosmographischen Schriften und Stadtbeschreibungen regelmäßig erwähnt wurde, etwa in Martin Zeillers Topographia Hassiae von 1655: Im Jahr 1260 sei der Bau des Predigerklosters begonnen worden, „in deme ein treffliches Kunststück 1667 Deliciae Germaniae sive totius Germaniae itinerarium, S. 19. 1668 Albrecht Dürer reiste zwischen 1507 und 1509 geschäftlich nach Frankfurt. 1507 erhielt er einen Auftrag des Frankfurter Kaufmanns Jakob Heller über die Gestaltung eines Altars für seine Grablege im Dominikanerkloster. Der wohlhabende Heller stiftete 1510 dem Dominikanerkloster den sogenannten Heller-Altar, ein gemeinsames Werk von Dürer und Mathias Grünewald. Siehe hierzu ausführlich Jochen Sander/Johann Schulz: „Wil ich noch etwaß machen das nit viel leut khönnen machen.“ Dürer und der Heller-Altar. In: Jochen Sander (Hrsg.): Dürer. Kunst – Künstler – Kontext. Ausstellungskatalog Städel Museum 2013–2014. München/London/New York 2013, S. 219–233; Bernhard Decker: Dürer und Grünewald. Der Frankfurter Heller-Altar. Rahmenbedingungen der Altarmalerei. Frankfurt a.M. 1996.
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von der Himmelfahrt der Jungfrauen Mariae, von den Kunstreichisten Mahlern, mit Verwunderung vor diesem besichtiget worden, so der hochberühmbte Albrecht Dürer gemahlet, die Mönche aber vor wenig Jahren anderwerts begeben, und eine Copey dagegen hingesetzt haben“.1669 Das Dürer-Gemälde besaß im Frankfurt-Bild allerdings ein deutliches Alleinstellungsmerkmal und war eher die Ausnahme und offenbar eine so große Besonderheit, dass es sich zu einem Topos entwickeln konnte. Im ausgehenden 17. Jahrhunderts notierten nur einige wenige Reisende weitere Beobachtungen über das kulturelle Umfeld und die künstlerische Produktion in Frankfurt. Der Franzose Balthasar de Moncony beispielsweise hat über seinen FrankfurtAufenthalt 1695 für diese Zeit ungewöhnlich ausführlich über Kunst berichtet.1670 Er hatte das Haus von Matthäus Merian besucht, den er für den „meilleur Peintre de l’Allemagne“ hielt. Er staunte über dessen wertvolle Arbeiten. Merian sei ein „disciple de Vandeic, qui travaille en histoires & portraits“.1671 Gemeinsam mit einem Herrn Marel Peintre und dem Bruder seines Wirts besuchte er auch Herrn Chelekens [Schelekens, Anm. d. Verf.], der diverse „tableaux & de très-beaux livres d’Estampes [besitze], entre autres un de toutes les œuvres de Israël Van Mocre“.1672 Außerdem betrachtete er dort „un autre livre des desseins d’un Martin d’Aschaffenburg, bien plus estimé insinîment qu’ Albert Dure, mais peu connû en France“.1673 Im 17. Jahrhundert beschrieb darüber hinaus nur noch Martin Zeiller 1632 in dem Itinerum Germaniae einen Besuch bei dem „berühmten Mahler Falckenberger“, bei dem „treffliche Kunststücke, unnd Conterfeht“ zu betrachten seien.1674 Nachdem in den geographischen Beschreibungen, den Chroniken und Reisebeschreibungen kein als Diskurs zu bezeichnender Gedankenaustausch über Kunst und Malerei in Frankfurt vorhanden war, befassten sich im 18. Jahrhundert der Kunst nahestehende Autoren in den Zeitschriften der Aufklärung mit diesem Thema. Der nur unter seinen Initialen K.W.H. bekannte Verfasser der Artistischen Bemerkungen auf einer Reise von Wien nach Frankfurt am Mayn, die 1782 in den Miscellaneen artistischen Inhalts erschienen sind, gab der kunstinteressierten Leserschaft zahlreiche Ratschläge über die gegenwärtige Kulturproduktion in der Reichsstadt: „Wer in Frankfurt das Angenehme seines Aufenthaltes dadurch vermehren will, daß er einen Theil desselben den Künsten widmet, dem werden Herrn Hüsgens
1669 Zeiller, Topographia Hassiae, S. 53–54. 1670 Müller, Beschreibung des gegenwärtigen Zustandes, S. 64. 1671 Moncony, Les Voyages en Allemagne, S. 159. 1672 Ebd., S. 164. 1673 Ebd. 1674 Zeiller, Itinerarium Germaniae Nov-Antiquae, S. 319.
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Nachrichten1675 gewiß nützlich und seine weitere Bekanntschaft um so angenehmer und interessanter seyn, da er die Wünsche der Kunstfreunde mit aller Bereitwilligkeit zu befriedigen sucht.“1676 Gleich mehrmals besuchte er mit Hüsgen das Kabinett von Herrn Ettling1677. Der Großteil von Ettlings Gemälden und Zeichnungen rühre von „Meisterhänden der Niederländischen Schule“ und sei sehr gut erhalten. Der Verfasser beschrieb in seiner künstlerischen Betrachtung Frankfurts noch weitere sehenswerte und kostbare Kunstsammlungen, wie die des Herrn Gogel1678 oder des Herrn Rat Ehrenreich1679. Doch obwohl der Verfasser voll des Lobes war und sein Bericht einen offenbar hochwertigen Kulturstandort Frankfurt suggerierte, fiel sein Fazit eher mittelmäßig aus: „Im Ganzen ist wohl weniger Kunstliebe und Kenntniß in Frankfurt, als man beym ersten Anblick denken sollte.“ Als Gründe nannte er unter anderem das künstlerische Unverständnis von erbenden Nachfahren: „Eben so wenig Trost findet man da, wo eine Kunstsammlung als bloßes Ameublement betrachtet wird.“ Mit seiner Einschätzung von einer mittelmäßigen Kunstlandschaft und eines fehlenden Gespürs für den künstlerischen Wert stand der Autor nicht allein da, wie die Analyse gezeigt hat. Vielmehr trug er zum allgemein verbreiteten Bild von Frankfurt als einem mit Kunstsammlungen und künstlerischem Geist nur mittelmäßig ausgestatteten kulturellen Zentrum bei. Eine Besonderheit, die anlässlich der Krönung Leopolds II. 1790 in Frankfurt zu bewundern war und im Museum für Künstler und Kunstliebhaber beschrieben wurde, waren die Illuminationen der Kurhäuser.1680 Doch außer diesem sehr umfangreichen anonymen Zeitschriftenartikel finden sich in den Quellen keine weiteren Beschreibungen dieses Schauspiels. Allerdings fiel die Beurteilung des Autors nicht gut aus, hätte man seiner Meinung nach für das viele Geld doch ganz andere Sachen machen können. Er kritisierte die Illuminationen als schlecht realisiert und als Geldverschwendung: „Was für schöne Denkmäler hätte man dem 1675 Gemeint sind wohl die Nachrichten von Franckfurter Künstlern und Kunst-Sachen, das Leben und die Werke aller dasigen Mahler, Bildhauer, Kupferstecher, Steinschneider betreff. nebst einem Anhange von allem, was in öffentlichen und privat Gebäuden von Kunst-Sachen merkwürdiges zu sehen ist. Frankfurt a.M. 1780 von H[einrich] S[ebastian] Hüsgen. 1676 Siehe auch für die folgenden Zitate K.W.H.: Artistische Bemerkungen auf einer Reise von Wien nach Frankfurt am Mayn in einem Schreiben an den Herausgeber dieser Miscellaneen. In: Miscellaneen artistischen Inhalts, hrsg. von Johann Georg Meusel. Heft II, Erfurt 1782, S. 292–294. 1677 Es handelt sich um den Kunstsammler Johann Friedrich Ettling (1712–1786). 1678 Gemeint ist hier der Kunstsammler Johann Noë Gogel (1715–1781). 1679 Gemeint ist der Kunstsammler, Mundarzt und kaiserliche Rat Johann Matthias Ehrenreich (um 1700/1704–1785). 1680 Beschreibung der Illuminationen, welche am 9. October 1790 zu Frankfurt am Krönungstage Leopold des 2ten von den geistlichen Kurfürsten, und den Repräsentanten der weltlichen veranstaltet worden sind. In: Museum für Künstler und Kunstliebhaber. 3. Bd., 13. St. (1791), S. 56–68.
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Geschmacke, für die an den Illuminationen verschwendete Summen aufstellen können?, hätten unsere Fürsten nur einigen Sinn für die Kunst.“1681 Doch erneut war es der Freiherr von Gerning, der 1799 offenbar dem weit verbreiteten Bild von der nur mäßigen kulturellen Bedeutung Frankfurts entgegenwirken wollte. Er führte in seiner Fortsetzung der Skizze von Frankfurt alle bedeutenden Sammler, Künstler und Kunstliebhaber Frankfurts sowie deren Sammlungen und Leistungen auf. Seine Auflistung war sehr umfassend, angefangen bei den „Städelischen, Schulzischen und andern Häusern“, die Christian Georg Schütz mit „herrlichen Landschaften und Architekturen ausgeschmückt“ habe, über den Kirchenmaler Morgenstern1682, den „Zeichen-Künstler und Gymnasien-Lehrer Hr. Lambert“, bis hin zu Gelehrten, Bibliothekaren und Teilnehmern von Abend- und Lesegesellschaften.1683 Gerning wollte offenbar seinen patriotischen Geist und die kulturelle Bedeutung Frankfurts in den Zeitschriften der Aufklärung offensiv nach außen vertreten, denn 1803 erschienen seine Blicke auf Frankfurts Bürgerglück und Cultur, in denen er die positiven Auswirkungen der Säkularisation auf den ‚Kulturstandort‘ Frankfurt darlegte.1684 Es ging ihm wohl auch darum, Frankfurts herausragende Stellung als Reichsstadt nach dem Ende des Alten Reiches zu manifestieren. Zwar formulierte er seine Aussagen zunächst allgemein für alle Reichsstädte, meinte aber wohl vor allem Frankfurt, wenn er betonte, dass die Reichsstädte nach den Revolutionskriegen weiterhin freie Städte bleiben sollten und dieser Umstand äußerst „schön und wohlthätig […] für Teutschlands Kultur und Betriebsamkeit“ sei. In kultureller Hinsicht bedeute die nach dem Ende des Alten Reiches durchgeführte Säkularisation 1803 für die Reichsstadt einen enormen Zugewinn, wie Gerning ausführlich betonte: Nicht nur vergrößere sich der Bestand der Stadtbibliothek um etwa 8 000 Bände, Drucke und Manuskripte, sondern es werde sogar ein größerer Neubau angestrebt. Auch dürfe Frankfurt durch die „in den geistlichen Stiftern und auf dem Römer oder Rathhause hie und da zerstreuten Gemälde, so wie durch künftige Vermächtnisse – was keine teutsche Freistadt noch besitzt – einst auch eine bedeutende Bildergallerie erhalten“. Schließlich würden auch die Museen und Kunstsammlungen durch die Veräußerung, Versteigerung und Neuerwerbung von Sammlungen profitieren, was Gerning als „patriotische Beiträge“ zu städtischen Einrichtungen wie Museen oder Bibliotheken deklarierte. 1681 Ebd., S. 57. 1682 Gemälde-Restaurator, Radierer und Kirchenmaler Johann Ludwig Ernst Morgenstern (1738–1819). 1683 Gerning, Skizze von Frankfurt, Fortsetzung, S. 335–342. 1684 Siehe auch für die folgenden Zitate Gerning, Blicke auf Frankfurts Bürgerglück und Cultur, S. 315–318.
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Gernings Versuch, Frankfurt als einen Ort darzustellen, den Kunstinteressierte und Gelehrte gewinnbringend besuchen können, folgte offensichtlich keinem Selbstzweck, sondern geschah mit Blick auf die bevorstehende politische Umwälzung durch den Reichsdeputationshauptschluss von 1803 und war ein Versuch, die politische Verfassung und Selbstständigkeit der Reichsstadt zu bewahren. Grundsätzlich verfolgten die Autoren – von denen sich insgesamt nur sehr wenige zu Kunst und Kultur äußerten – wohl das Ziel, möglichst alles Wichtige aufzunehmen und die Stadt als kulturelles Zentrum darzustellen. Diesen Eindruck gewinnt man insbesondere für das 17. Jahrhundert. Das erklärt auch die regelmäßige Erwähnung des Dürer-Bildes von der Himmelfahrt der Jungfrau Maria. Es erscheint aus heutiger Sicht und nach Auswertung der Quellen so, als ob die Stadt darüber hinaus im 17. und frühen 18. Jahrhundert kaum herausragende Kunst bieten konnte, weshalb das Dürer-Kunstwerk in den Beschreibungen nicht fehlen durfte. Erst in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts entwickelte sich ein Diskurs über kulturelle Sehenswürdigkeiten und Besonderheiten, der sich jedoch auf wenige besonders interessierte Reisende sowie auf gelehrte Autoren der Aufklärungszeitschriften beschränkte.
3.1.3.4 Kunst auf den Frankfurter Messen und Krönungen Aufgrund des eher schwach ausgeprägten Diskurses über Kunst und Kultur in der frühneuzeitlichen Reichsstadt bekamen die Leser und Nutzer von Stadtchroniken, Stadtlobgedichten und Stadtbeschreibungen letztlich ein FrankfurtBild vermittelt, das den Eindruck erweckte, als ob künstlerische Produktivität und kultureller Austausch im 16. und 17. Jahrhundert fast ausschließlich auf den Handels- und Buchmessen sowie im Umfeld der Kaiserkrönungen stattfanden. Während die Stadtlobgedichte Kunst und Kultur nach dem ‚klassischen‘ eng gefassten Verständnis gar nicht thematisierten, entstanden anlässlich der Messen und Krönungsfeierlichkeiten Gelegenheitsdichtungen wie zum Beispiel Krönungsdiarien, die in der vorliegenden Arbeit jedoch nicht analysiert werden sollen und einen eigenen Untersuchungsgegenstand darstellen.1685 Daneben entstanden seit Ende des 16. Jahrhunderts auch anlassunabhängige Texte, in denen Kunst und Kultur im Zusammenhang mit den Messen und Krönungen thematisiert wurden. Wenn auch eher ein Ereignis denn ein geogra1685 Hermann Meinert: Von Wahl und Krönung der deutschen Kaiser zu Frankfurt am Main. Mit dem Krönungsdiarium des Kaisers Matthias aus dem Jahre 1612. Frankfurt a.M. 1956; Bernhard A. Macek: Die Krönung Josephs II. zum Römischen König in Frankfurt am Main. Logistisches Meisterwerk, zeremonielle Glanzleistung und Kulturgüter für die Ewigkeit. 3. Aufl. Frankfurt a.M. 2014.
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phischer Ort, sind die Krönungen als Orte kultureller Produktion anzusehen.1686 Die Vielzahl an Zeremonien, Geselligkeiten und Festen dokumentiert neben dem politischen den hohen kulturellen, wirtschaftlichen und auch emotionalen Stellenwert von Wahl und Krönung für das Heilige Römische Reich Deutscher Nation und für die Reichsstadt Frankfurt.1687 Erneut gehört das Marckschiffer-Gespräch (1596) zu den frühen Publikationen, die das Frankfurt-Bild prägten. Der in dem Gedicht erwähnte Student berichtete von Künstlern und Kunsthandwerkern, die aus allen bedeutenden Großstädten zur Frankfurter Messe reisen würden. Verkauft würden dort künstlerische Produkte zur Malerei, Musik oder Bildhauerei, aber auch kunsthandwerkliche Arbeiten wie Uhrwerke und Schreibtische aus Ulm und Augsburg, kunstvoll gefertigte Braunschweiger Rüstungen oder Glas aus Venedig.1688 Die übrigen Textsorten hingegen spiegelten im 17. Jahrhundert nur selten Eindrücke des kulturellen Schaffens wider. Kunst und kulturelle Unterhaltung in den unterschiedlichsten Formen waren weitere Aspekte, die im ausgehenden 17. Jahrhundert in den Diskurs über die Buchmessen aufgenommen wurden, wie aus der Aufzählung aus einem Gedicht von Johann Albrecht Jormann von 1696 hervorgeht: Mann spielt Comödien und hatte gleich dabey/ Ein liebliche Music. […] Buchführer Mancherley, die kahmen auch herfür/ Notari, Procureurs und dann die Advocaten/ […] Die Pfarrer, Schreibers Leut, Studenten vielerley/ Schulmeister, Medici, Barbierer, Bader-Frey/ Philosophi und Würm/ Sternseher und Propheten/ Calendermacher und die grillische poeten/ Magisters ohne Zahl, auch einge von dem Staat/ Darunter einer stutzt, wie ein Licentiat.1689
Auf ihrem weiteren Weg durch die Frankfurter Messen kamen die Erzähler in Jormanns Gedicht bei den Kunsthändlern vorbei, die mit ihrem reichlichen Angebot auf potentielle Käufer warteten: „Die schönsten Kupfferstück, Land-Charten, Malereye/ Peruquen, Schreinerwerck.“1690 Neben Literatur, Wissenschaft und den neuesten Nachrichten gehörten somit auch das Kunsthandwerk im klassischen Sinne sowie besondere Handwerke wie 1686 Schindling, Wachstum und Wandel, S. 219. 1687 Hans-Otto Schembs: Volksbelustigungen bei Wahlen und Krönungen der deutschen Könige und Kaiser in Frankfurt am Main. In: Heidenreich/Kroll, Wahl und Krönung, S. 189–203, hier S. 189. 1688 Mangold, Marckschiff, nicht fol. 1689 [Johann Albrecht Jormann:] Warhaffter und Eigentlicher Schau-Platz der weit berühmten Franckfurter Meß, Allda dem geehrten Leser durch lustige Beschreibung der handel und Wandel, das gehen und stehen, das kauffen und lauffen, das sacken und packen […] gleichsam in einem Spiegel ausführlicher als ehemals vorgestellt wird durch einen der Curiositäten Liebhaber genau zusammen getragen und in dieses Papir gepackt. S.l. 1696, S. 8. 1690 Ebd., S. 11.
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Kalendermacher, Sternseher oder Propheten in den Diskurs über die Frankfurter Buchmesse. Sicherlich wird das Kunsthandwerk auch schon vor Erfindung des Buchdrucks und der Buchmessen auf der Frankfurter Messe vertreten gewesen sein, doch spielten sie erst jetzt im publizistisch-öffentlichen Diskurs eine Rolle. Nach eher gegenteiliger Aussage des Reisenden Riesbeck gebe es seiner Ansicht nach zunehmend mehr „Schauspiele, Konzerte, einen Vauxhall, die schönsten Spatzierplätze [und] öffentliche Tanzböden“1691, die vom Rat gefördert würden und insbesondere zu den Messezeiten die Besucher wieder zahlreicher in die Stadt locken sollten. Aus den Beschreibungen wird immer wieder deutlich, dass gerade die Messezeiten zu einem verstärkten kulturellen Leben Frankfurts führten, was zumindest öffentliche Veranstaltungen anbelangt. Somit erwähnte beispielsweise der Verfasser eines Abgekürzten Tagebuchs einer Reise, dass es während der gesamten Messezeit „deutsche Comedie“ gäbe, er aber in Gesellschaften mehr Vergnügen fand, die er dem Schauspiel deshalb vorzog.1692 Bezeichnend ist die Einschätzung, die der Stadtbeschreiber Müller vom kulturellen Leben Frankfurts vornahm: Besonders während der Messezeiten treffe man in Frankfurt auf „allerhand Schauspiele: als Comödien, Seil-Täntzer, Marionetten und dergleichen“, doch außerhalb der Messen würden diese Art von „Spectakel selten allhier erlaubet“.1693 Einen weiteren Beitrag zum Diskurs über das kulturelle Leben in Frankfurt lieferte C. H. Schmid 1791 in einem Verzeichniß einiger Speculationen, welche die letzte Kaiserwahl und Krönung zu Frankfurt am Mayn veranlaßte, das er im Journal von und für Deutschland veröffentlicht hatte. Es vermittelte ein Bild von einem regen Kulturleben anlässlich der Kaiserwahlen und Krönungen. Er berichtete von einer umfangreichen Literaturproduktion und -rezeption. Die Buchhändler würden „unaufhörlich alte und neue Schriften [verkaufen], welche vom Zwischenreich, Vicariat, ehemaligen Wahlgeschichten, und den Gebräuchen der Wahl und Krönung handelten“.1694 Gleich zu Beginn des Wahlkonvents hätten mehrere „Unternehmer öffentlicher Vergnügungen die Zeitumstände“ ausgenutzt: Es gab an drei Orten – im Rothen Haus und in den zwei Schauspielhäusern – mehrere Maskenbälle. Aus den von Schmid beschriebenen „übrigen Speculationen, in dieser Zeit etwas zu 1691 Riesbeck, Briefe eines Reisenden Franzosen, S. 388–389. 1692 Abgekürztes Tagebuch einer Reise, S. 278–279. 1693 Müller, Beschreibung des gegenwärtigen Zustandes, S. 209. 1694 Siehe auch für die folgenden Zitate C.H. Schmid: Verzeichniß einiger Speculationen, welche die letzte Kaiserwahl und Krönung zu Frankfurt am Mayn veranlaßte. In: Journal von und für Deutschland 8. Jg., 1. St. (1791), S. 51–57.
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gewinnen“, entstand der Eindruck einer umfassenden Kulturproduktion während der Krönungsfeierlichkeiten. Der Zug des neuerwählten Kaisers und der Prospect des Römerbergs seien in Kupfer gestochen worden, ebenso die Kleinodien und Reichsheiligtümer. Weiterhin seien zahlreiche Medaillen, Ringe, Krönungsbänder, Münzen, Kupferstiche, Gemälde und Schmuck, Kalender und Porzellan verkauft worden, die anlässlich von Wahl und Krönung sozusagen als Souvenirs angeboten und verkauft worden seien. All das beschrieb Schmid in einer Ausführlichkeit und Genauigkeit, dass der Leser einen sehr guten Eindruck von der Fülle und dem Umfang der zur Wahlund Krönungszeit entstandenen und verkauften kulturellen Produktion bekommen konnte. Allerdings beurteilte Schmid die Kulturproduktion mit gemischten Gefühlen, weil er in erster Linie den wirtschaftlichen Gewinn und das Profitdenken der Produzenten kritisiert hat. 1743 erwähnte ein französischer Reisender in seinem Bericht nicht nur das formale Prozedere der Kaiserwahlen, wie bisher überwiegend üblich, sondern auch das kulturelle Rahmenprogramm: „On a eû deux Comédies pendant l’Election, une Allemande & l’autre Françoise.“1695 Die französische Schauspieltruppe sei weder gut noch schlecht gewesen, weil sie zumindest einige gute Schauspieler gehabt habe, und „l’on voit dans son action trop d’étude: sa femme est assez jolie, & malgré ce qu’en dit l’auteur satirique“.1696 Der Besuch des Theaters in Frankfurt gab dem anonym gebliebenen Autor Gelegenheit, sich ausführlich über die Charakteristika des deutschen und französischen Theaters auszulassen. Die Deutschen würden in ihrer Bühnenkunst letztlich auch nichts anderes machen als die Franzosen, und zwar das griechische und römische Theater kopieren. Das gelänge ihnen jedoch nur äußerst schlecht und lange nicht so natürlich und überzeugend wie den Franzosen.1697 Als wichtige Erkenntnis bleibt festzuhalten, dass sich die Kaiserwahlen in der öffentlichen Frankfurt-Darstellung von einem in erster Linie politischen und symbolischen Ereignis zu einem zunehmend auch kulturell bedeutsamen und auch ökonomisch ertragreichen Erlebnis entwickelt haben. Auch die Messen waren im 18. Jahrhundert längst kein reines Wirtschaftsunternehmen mehr, sondern ein intensiv genutzter Ort zum Austausch von Kunst und Kultur.
1695 Voiage historique et politique, S. 235. 1696 Ebd. 1697 Ebd., S. 238.
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3.1.3.5 Klassische Kultur: Musik und Theater Zunächst gab es über musikalische oder künstlerische Besonderheiten in den Stadtlobgedichten, Chroniken und Stadtbeschreibungen vom 16. bis zur zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts offenbar nichts zu berichten. Für diese Zeit ist im Bereich der Musik und des Theaters historisch auch nur wenig belegt oder überliefert.1698 Immerhin nannte der Stadtschreiber und Registrator Adam Schile in seiner vermutlich zwischen 1635 und 1658 verfassten Chronica Franckofurtensis den 1340 begonnenen und drei Jahre später fertiggestellten Bau der „Orgel zu St. Bartholmes“.1699 Darüber hinaus gab es mehrere Vermerke zu diversen Orgelbauten in den Frankfurter Chroniken des 16. und 17. Jahrhunderts. Allerdings thematisierten die Chronisten die Orgeln eher als sakrale Bauwerke und besondere Bestandteile der Kirchenausstattung und weniger als musikalische Instrumente. Zumindest wurden keine Details zu Art und Bauweise der Orgeln genannt, ebenso wenig wie zur musikalischen Gestaltung der (alltäglichen) Gottesdienste. Seit etwa 1700 wurden dann ausschließlich Gelegenheits- oder Kirchenmusiken in den chronikalischen Schriften aus Anlass von Freuden- und Dankesfesten oder zu Ehren in der Stadt weilender Könige und Kaiser erwähnt. Einer der ersten Einträge mit Bezug zur Musik entstammte den Annalen (1694–1709) der Regis tratoren und Stadtschreiber Rasor, Schneider und Waldtschmidt und bezog sich auf das „Danck- und Freuden fest wegen des Röm. Königl. Beylagers“1700 im Jahr 1699. Im Rahmen dieser Feierlichkeiten habe „des Kayserl. Abgesandten Herren Graffen von Boienburg Excellenz in dem Wirthshauß zum großen Rothen hauß auff der Zeil, einen stattlichen Bal, Music und illumination gehalten“.1701 Ein weiterer Anlass für Dank- und Freudenfeste „mit folgenden Solennitäten“ war die Geburt des „erstgebohrnen Römischen Königl. Prinzen“1702, von der unter anderem die Kleine Frankfurter Hauschronik (1678–1719) von Nicolaus Fritz berichtete. Aus diesem Anlass sei auch „ein schöne Music gehalten worden“.1703 Detailliertere Informationen, als dass es sich um eine „Music unter Trompetten und Paucken Schall“1704 handelte, gaben die Chronisten allerdings nicht. Nach diversen Kanonenschüssen ertönte außerdem „eine herrliche Music auff der Niclas Kirchen […], bey welcher die Trompetten und Paucken abermahl mehr 1698 Siehe hierzu u.a. Fischer, Bürgerliches und Patrizisches Musikleben; Jungius, Telemanns Frankfurter Kantaten-Zyklen. Für weiterführende Literatur siehe Stalljohann, Frankfurt am Main, S. 572–574. 1699 Schile, Chronica Francofurtensis Pars Prima, S5/4, Eintrag zum Jahr 1340. 1700 Rasor/Schneider/Waldschmidt: Annalen 1694–1709. ISG: Chroniken S5/2, fol. 35. 1701 Ebd., fol. 36–37. 1702 Ebd., fol. 41. 1703 Fritz, Kleine Frankfurter Hauschronik, S5/44, fol. 62. 1704 Rasor/Schneider/Waldschmidt, Annalen 1694–1709. ISG: Chroniken S5/2 fol. 41.
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gehöret wurden“.1705 Ebenso wie es zur Geburt eines Prinzen Freudenmusik gab, berichteten die Chroniken auch über „Trauer-Music“1706, wie beispielsweise die chronikalischen Aufzeichnungen von Joh. Peter Heyl und Jost Henrich Sprückmann (1689–1812) zum Tod von Kaiser Karl VI. am 20. Oktober 1740.1707 Die Chronisten erwähnten außerdem Gelegenheitsmusiken anlässlich der Erbauung und Einweihung von Gebäuden, wie Johann Friedrich Walther in seiner Chronik (1719–1733 verfasst) über die Errichtung des Hoch-Gerichts vor der St. Gallen-Pforte bzw. vor dem Galgentor, für das am 20. Februar 1608 das Fundament gelegt worden und „bey dasiger zeit dero Ceremonien auffzug mit Trommeln und pfeiffen hinauß und herein in die stadt gezogen sei“.1708 Walther erinnerte an dieses Ereignis, als er einen Eintrag über einen Neubau bzw. Renovierungsarbeiten am 21. Mai 1720 verfasst hatte. Doch für nähere Erläuterungen der gespielten Stücke, zu Komponisten, musikalischen Ensembles, Instrumenten oder gar über die Art der gespielten Stücke war in den meisten Chroniken kein Raum. Sie beschränkten sich auf kurze Nennungen, was jedoch zum Teil auch ihren formalen Vorgaben bzw. Funktionen entsprach, da sie üblicherweise konkrete Ereignisse für die Nachwelt festhielten. Zwar gab es durchaus auch Chroniken, die über bestimmte Ereignisse ausführlicher berichteten. Musikereignisse gehörten jedoch nicht dazu. Außerdem ist davon auszugehen, dass die Chronisten aufgrund der üblichen zeremoniellen und traditionellen Handlungen zu Geburt, Tod, Trauer und Freude keine Notwendigkeit darin sahen, den zeremoniellen Ablauf näher zu beschreiben – im Gegensatz etwa zu den Krönungsdiarien, die ein detaillierteres Bild lieferten. Zudem fehlten den Chronisten möglicherweise die musikalischen Kenntnisse sowie überliefertes Material. Folglich gehörte Musik im 16. und 17. Jahrhundert und verstärkt seit dem frühen 18. Jahrhundert lediglich in Form traditioneller Gelegenheitsmusiken zum Frankfurt-Bild. Der Diskurs vermittelt den Eindruck einer rein funktionalen statt einer künstlerischen Bedeutung in der Öffentlichkeit gespielter Musik. Auch die thematisch statt chronologisch angelegten Chroniken enthielten keine Aufzeichnungen über Kunst oder Musik in Frankfurt. Erst im Verlauf des 18. Jahrhunderts gaben die Chroniken an einigen wenigen Stellen einen näheren Einblick in das musikalische Leben Frankfurts, allerdings noch immer bezogen auf die Gelegenheitsmusiken zu Kaiserkrönungen oder zum 1705 Ebd., fol. 42. 1706 Joh. Peter Heyl/Jost Sprückmann: Tagebücher. 1689–1812. ISG: Chroniken S5/16, fol. 24r. 1707 Ebd., fol. 24v. 1708 Johann Friedrich Walther: Aufzeichnungen angefangen 1719 (Stadtbrand) bis 1733. ISG: Chroniken S5/36, fol. 36.
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„Huldigungs-Actus“1709, wie zum Beispiel für Joseph II. im Jahr 1766. Bei den zahlreich aus diesem Anlass abgehaltenen Banketten und den gegenseitigen Gesandtenbesuchen gab es für die „Chur-Pfältzische Cammer“ erbetene „Virtuosen […], deren einer auf der Flute traversiere, und der andere auf der Violin sich ausnehmend hervorgethan [und] eine Music aufgeführet, dessen Schönheit durch die fürtreffliche u. entzückende Stimmen der beyden Mesdames Wendelin vergrößert wurde“.1710 Das Bild von Frankfurt als Ort der Musik und Kunst wurde somit durch Ereignisse mit Bezug auf den König oder Kaiser bzw. die Kaiserin und deren Familie geprägt, wie die Genesung der Kaiserin Maria Theresia nach einer ernsten Pocken-Krankheit1711 im Juli 1767 als weiteres Beispiel zeigt. Die oben genannte Chronik berichtet hierzu, dass „bey dem allgemeinen Jubel über die höchstbeglückte Wiedergenesung der großen, der besten Kayserin Königin Maria Theresia Majestät“ sich bei der „allhier zuerst wiedereröffneten Schaubühne unter Direction des Herrn Joseph von Kurt die lebhaftesten Regungen der Freude“ geäußert hätten, und zwar „in einem auf diese höchsterwünschte Wiedergenesung neuverfertigten Vorspiel in Versen, betitelt: Das in dem Gefilde der Freude frohlockende Teutschland“.1712 Der Verfasser gab sogar mit überschwänglichen Worten seine Meinung und Begeisterung zu dieser Vorstellung wieder, womit die Stadtchronistik eine neue Qualität bekam und über die reine Darstellung und Auflistung der Fakten hinaus – deren Auswahl und Umfang zumindest indirekte Aussagen zum Frankfurt-Bild abgaben – auch persönliche Meinungen und detaillierte, inhaltliche Beschreibungen enthielt. Nach dem Vorspiel sei das „bekannte schöne theatralische Stück, Graf von Essex, aufgeführet [worden], und nach Endigung des ganzen Schau-Spiels sahe man an einer der äussern Seite des Schau-Spiel-Hauses eine theatralische prächtige Triumph-Pforten erleuchtet“.1713 Aus diesen Aufzeichnungen ergibt sich ein elitäres Bild von Frankfurts kulturellem Leben, das sich einerseits in den erlesenen Kreisen abspielte, die Zugang zu Krönungsbanketten und gesellschaftlichen Ereignissen hatten. Andererseits ereignete sich gerade bei den Wahlen, Krönungen und Messen vieles auch im öffentlichen Bereich. Durch die häufige Erwähnung der „großen Menge an
1709 Chronik eines nichtgenannten Verfassers, S5/81, fol. 6. 1710 Ebd., fol. 7. 1711 Ihre Schwiegertochter Maria Josepha von Bayern (*1739), die Bayerische Prinzessin und Ehefrau Josephs II., starb zuvor am 28. Mai 1767 an dieser Krankheit. 1712 Chronik eines nichtgenannten Verfassers, S5/81, fol. 17. 1713 Ebd.
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Volckes“, die den Ereignissen beiwohnt, sollte sicherlich auch der Eindruck vermittelt werden, als sei Frankfurt eine kulturelle Stadt für jedermann. Auch die gedruckten Stadtchroniken erzeugten aufgrund der sehr seltenen Erwähnung ein Bild von einem begrenzten musikalischen Leben Frankfurts, was natürlich die jeweils vorgetragenen Musiken nicht schmälern soll. Es vermittelte den Eindruck, dass Musik im öffentlichen Raum ausschließlich durch Gelegenheitsmusiken sowie Musik zur Begleitung zeremonieller Handlungen geprägt war. Auch der Zeitraum, in dem die Chroniken über musikalische Ereignisse berichteten, war sehr eng gefasst und reichte von 1660 bis 1719. Die 1660 im Druck erschienene Kurtze Verfassung vieler denckwürdigen offenbahren Geschichten sampt alter kaiserlicher und teutschen Königen von Johann Friedrich Faust von Aschaffenburg trug wohl am meisten zu diesem Bild bei, da sie bezogen auf die Wahlen und Krönungen der römisch-deutschen Könige und Kaiser musikalische Darbietungen erwähnte.1714 Allerdings gab Faust von Aschaffenburg auch einen deutlich umfassenderen Eindruck vom zeremoniellen Ablauf und der gespielten Lieder.
Abb. 20: „Tanz zur Wahl undt Krönung Matthias I. in Frankfurt am Main 1612.“ Kupferstich, unbekannter Künstler. 1714 Faust von Aschaffenburg, Kurtze Verfassung, S. 339.
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Bei der Wahl von Kaiser Matthias im Jahr 1612 sei während der Zeremonie im St. Bartholomäusstift das Te Deum laudamus „durch des Stiffts Organisten, ganz prächtig und mit grossem Schalle angefangen worden, den andern Verß haben gesungen die Musicanten mit Zincken und Posaunen, den dritten Verß die Trompeter aller Churfürsten, sampt allen Heerpaucken, den vierdten Verß der Organist wiederumb, den fünfften die Musicanten, den sechsten die Trompeter und Heerpaucken, und also fort, so lang als das Te Deum laudamus gewehret“.1715 Bei der Krönung der Kaiserin Anna sei 1612 eine „liebliche Musik zu hören, und in summa alles aufs herrlichste und zierlichste angestellt gewesen“.1716 Anfang des 18. Jahrhunderts war das Bild ähnlich blass. Selbst Lersner berichtete in seiner umfassenden Chronik von 1706 nur an einer einzigen Stelle von einer „Trauer-Musica“1717 auf der Beerdigung eines ehemaligen Schultheißen. Auch die Chronik von Johann Adolph Stock (1719) erwähnte lediglich aus Anlass des Westfälischen Friedensschlusses in Münster und Osnabrück „ein DanckFest“, in dessen Rahmen „alle Glocken geläutet, die Stücke gelöset, des Morgens, Mittags und Abends eine Music mit Trompeten und Heer-Paucken auf dem Nicolaus-Thurn gehalten“1718 worden sei. Im Verlauf des 18. Jahrhunderts gaben schließlich auch die Reiseberichte hin und wieder Hinweise auf das musikalische Leben Frankfurts, was jedoch mit Blick auf den bislang eher spärlich ausgeprägten Diskurs und in Ermangelung an Informationen nicht weiter verwundert. Musikaufführungen gab es natürlich auch im Theater und Schauspiel, das erstmals in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts im Frankfurt-Bild auftrat. Eine anonyme Chronik mit der Lauf- und Entstehungszeit von 1766–1771 beschrieb, dass am 13. Oktober 1771 die Kurfürstin von Sachsen in Frankfurt eingetroffen sei. Am Abend gingen sie in die „Comödie, um daselbst dem so beliebten Singspiel, der Deserteur, welches von den Churpfältzischen deutschen Hofschauspielern unter der Direction des Herrn Marchand1719 aufgeführet worden, beyzuwohnen, worüber sie ihren Beyfall zu bezeugen geruhten“.1720 Mit dieser positiven Darstellung und zunehmenden Ausführlichkeit verfolgten die Chronisten sicherlich das Ziel, neben der Dokumentation von Ereignissen die Qualität und Überzeugungskraft des zu dieser Zeit noch jungen Frankfur-
1715 Ebd., S. 372. 1716 Ebd., S. 408. 1717 Lersner, Der weit-berühmten freyen Reichs- Wahl- und Handels-Stadt Chronica, S. 304. 1718 Stock, Kleine Franckfurther Chronick, S. 53. 1719 Vermutlich ist hier die Rede von dem Theaterdirektor, Schauspieler, Sänger und Arzt Theobald Marchand (1750–1802). 1720 Chronik eines nichtgenannten Verfassers, S5/81, fol. 32.
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ter Theater- und Schauspiellebens hervorzuheben, das sogar einem Kurfürsten und gar dem Kaiser gefallen habe. Es entwickelte sich zwar in den Chroniken und später in den Stadt- und Reisebeschreibungen ein nur zaghaftes, dennoch konkreter werdendes Bild heraus, das den Zugang zu gesellschaftlichen Veranstaltungen wie Theater- und Komödienaufführungen nur für gehobene Bevölkerungsschichten erkennen ließ bzw. nur dann erwähnt wurde, wenn herrschaftliche Persönlichkeiten involviert waren. 1795 zeigte sich Wölfling in seinem Reisebericht jedoch positiv davon beeindruckt, dass „vor kurzem […] die republikanische Strenge in den Geist und den Luxus des Zeitalters gefügt und ein stehendes Theater erlaubt“1721 habe. Bis dahin habe ausschlielich während der Messen, im Sommer und zu den Krönungen die Mainzer Gesellschaft „in dem hiesigen Schauspielhause“ gespielt. Abgesehen davon ließen sich die „zahlreichen Theaterliebhaber dieser Stadt nicht verdrüssen, bey einer wandernden Truppe in Offenbach Befriedigung für ihr Bedürfniß zu suchen“.
Abb. 21: „Ansicht des Komödienhauses zu Frankfurt am Main gegen Nordost.“ Kupferstich von Johann Daniel Frey und Johann Andreas Liebhardt, 1793.
1721 Siehe auch für die folgenden Zitate Wölfling, Reise durch Thüringen, S. 19.
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Allerdings würde nach Ansicht des Reisenden Schreiber ein Theaterstück, das in Mainz „den lebhaftesten Beifall“ bekäme, in Frankfurt „oft eben darum mit Kaltsinn aufgenommen“.1722 Der Grund dafür bestünde darin, dass die Frankfurter „mehr zu ernsthaften, trockenen Beschäftigungen aufgelegt“ seien. Auch hätten sie „weniger Witz als ihre Nachbarn am Zusammenflusse des Rheins und Mains, aber mehr ruhige Überlegung“.1723 Etwas aus der Reihe der untersuchten Reisebeschreibungen fällt der Reisebericht des Engländers Charles Burney, der 1772 ein Tagebuch einer musikalischen Reise1724 verfasst und die bereisten Städte aus der Perspektive eines Musikwissenschaftlers betrachtet hat. Er absolvierte von 1770 bis 1772 diese wissenschaftliche Reise, um Material für die Abfassung einer großen Geschichte der Musik von den Anfängen bis in die Gegenwart zu sammeln.1725 Nach einer ermüdenden Reise durch die Gebirge der Wetterau in Frankfurt angekommen, fand er dort „wirklich ein wenig von dieser [angeblich so starken] Anlage zur Musik“, welche er erwartet hatte. Obwohl er zunächst „weder einen großen Sänger noch Instrumentaristen antraf“, sei dennoch „in allen Teilen der Stadt Musik zu hören“ gewesen, „sie war denn auch, wie sie war“.1726 Burneys Ansicht nach war die Bartholomäuskirche zwar nicht mit sonderlich talentierten Sängern besetzt, es gab jedoch einen Mädchenchor, der mit den Priestern und Canonicis sang. Viele von ihnen seien „sogar lutherisch oder reformiert, obgleich der Gottesdienst römisch-katholisch war“. Diese Beobachtung ist sehr interessant, spiegelt sie doch das alltägliche Leben in Frankfurt der drei verschiedenen Konfessionen miteinander wider. In diesem Falle scheint es ein selbstverständliches konfessionelles Miteinander gegeben zu haben, das zwar bestimmt noch keine ökumenischen Bestrebungen implizierte, in dem die Konfession aber offenbar auch noch keine Rolle spielte. 1722 Schreiber, Bemerkungen auf einer Reise, Erste Hälfte, S. 14. 1723 Ebd., S. 14–15. 1724 Seine Reisetagebücher heißen im Original The Present State of Music in France and Italy, Or, The Journal of a Tour through those Countries, undertaken to collect Materials for A General History of Music sowie The Present State of Music in Germany, the Netherlands and United Provin ces (London 1771 und 1773). Die hier vorliegende zeitgenössische Übersetzung stammt von Christoph Daniel Ebeling (1741–1817), der zu den humanistisch gesinnten Kreisen Hamburgs gehörte, Professor am Gymnasium und städtischer Bibliothekar war. Siehe Charles Burney: Tagebuch einer musikalischen Reise durch Frankreich und Italien, durch Flandern, die Niederlande und am Rhein bis Wien, durch Böhmen, Sachsen, Brandenburg, Hamburg und Holland 1770–1772. Hrsg. von Eberhardt Klemm, 2. Aufl. Wilhelmshaven 1985 (Nachdr. d. Ausg. Hamburg 1772), S. 11. 1725 Wichtig ist zu berücksichtigen, dass in der deutschen Übersetzung Passagen des Tagebuchs weggelassen wurden, insbesondere solche, die nicht explizit auf die Musik bezogen waren. Siehe Burney, Tagebuch einer musikalischen Reise, S. 12. 1726 Siehe auch für die folgenden Zitate Ebd., S. 216–218.
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Auf der Suche nach Musik oder Musikern in der Stadt traf Burney eines Nachmittags auf der Straße auf eine Gruppe junger Schüler, die unter der Leitung eines Kaplans „Hymnen in drei oder vier Stimmen“ sangen. Ein weiterer musikalischer Ort war der Gasthof Zum Römischen Kaiser, in dem Burney übernachtete und in dem „eine Bande Gassenmusikanten nach Tische verschiedene vierstimmige Sinfonien […] ziemlich gut“ zum Besten gegeben habe. Alle diese Beobachtungen machte er an einem einzigen gewöhnlichen Wochentag, weshalb er davon ausging, dass dieses musikalische Leben in Frankfurt „etwas Gewöhnliches“ sei. Während der Engländer zwar viele positive Erfahrungen über das alltägliche Musizieren in Frankfurt sammelte, konnte ihn die allgemeine Musikalität in Frankfurt fachlich nicht beeindrucken. An der Kathedralkirche sei „ein ziemlich bejahrter Vicarius Organist“, und die Orgel sei „nicht schlecht vom Tone, aber wie die meisten andern, die ich auf meiner Reise gehört habe, erbärmlich verstimmt und so schwer zu spielen, daß man, wie bei den meisten Glockenspielen, zuweilen das Gewicht einer ganzen Hand nötig hat, um eine Taste niederzudrücken“. Doch das erste Instrument, das er bei seinem Aufenthalt in Frankfurt gehört habe, war die Orgel in der Dominikanerkirche, die er für „besser von Ton und besser gestimmt als die übrigen“ hielt. Gleichwohl sei sie nicht so gut wie die meisten, die er in England gehört habe.1727 Neben der lange Zeit dominierenden Kirchenmusik gelangte zunehmend die Straßenmusik als neues Element in das Frankfurt-Bild des 18. Jahrhunderts. Der Reisende Wackerbarth lobte beispielsweise in seiner Reisebeschreibung von 1794 die schöne Musik, „die man während den Mahlzeiten überall in Frankfurt antrifft, […] und schon dies allein schien dieser Stadt einen Reiz zu geben, den man an andern Orten Teutschlands vergebens suchen wird“.1728 Zwar handele es sich bei dieser Musik um weiter nichts „als eine Bettelei: unterdessen, glaube ich, war das gewiss eine von denen, welche man am liebsten befriedigt“.1729 Besonders die Reiseberichte und Stadtbeschreibungen aus der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts haben zu dem sich neu entwickelnden Bild eines musikalischen Frankfurt einen großen Beitrag geleistet. Müller hatte in seiner Schrift von 1747 sogar ein eigenes Kapitel über die „Music-Liebhaberey“ verfasst, die sehr ausgeprägt gewesen sei, insbesondere „seit dem der berühmte Herr Telemann“1730 in Frankfurt gewesen sei. Laut Darstellung von Müller gebe es in Frankfurt kaum eine angesehene Familie, in der die Kinder kein Instrument erlernten oder im Singen ausgebildet würden. 1727 Ebd., S. 218. 1728 Wackerbarth, Rheinreise, S. 87. 1729 Ebd. 1730 Müller, Beschreibung des gegenwärtigen Zustandes, S. 208.
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Die Zeitgenossen nahmen das Musikleben im Frankfurt des 18. Jahrhunderts offenbar anders wahr als die aktuelle Stadtgeschichtsforschung, die Frankfurt ein eher mäßig ausgeprägtes musikalisches Wirken attestiert.1731 Dem Engländer John Moore fiel entgegen der heutigen Forschungsmeinung eine große Bedeutung des Gesangs in der Bevölkerung Frankfurts auf. In seiner Reisebeschreibung berichtete er 1779 von einem Brauch: „Jeden Tag erscheinen zwey Frauenspersonen am Mittage auf den Zinnen des vornehmsten Kirchthurms, und blasen einige sehr feyerliche Lieder auf Posaunen.“1732 Dazu begleiten vier oder fünf Männer die Frauen mit Gesang. Deshalb und möglicherweise auch aufgrund der Rezeption von Stadtbeschreibungen wie die von Müller ging Moore davon aus, dass die Frankfurter eine „sehr große Lust am Singen geistlicher Lieder“ hätten und es eine Vielzahl an Männern und Jungen gebe, „deren ganzes Geschäft darin besteht“.1733 In manchen Familien würde sogar mehrmals wöchentlich vormittags vorgesungen, noch bevor der Hausherr und dessen Frau aufgestanden seien.1734 Im Laufe des ausgehenden 18. Jahrhunderts entwickelten sich auch das Theater und Schauspielhaus allmählich zu einem festen Programmpunkt für auswärtige Reisende, insbesondere der politischen und adeligen Eliten. Deshalb musste sich Johann Heinrich Gottlob Hermann in seiner Reisebeschreibung von 1791 schon fast entschuldigen, als er schon seit einigen Tagen in Frankfurt weilte und noch nicht die Zeit gehabt habe, „in die Comödie zu kommen, da es doch gewissermassen zur herrschenden Mode gehört, darnach sich zuerst zu erkundigen“.1735 In der nun folgenden Beschreibung seines Theaterbesuchs ging er entsprechend ins Detail und beurteilte die einzelnen Schauspieler in ihren Rollen: „Ifland spielte nur als Gast, und zwar Gemmingischen teutschen Hausvater, mit ungemeiner Würde […], aber seine Talente als Schauspieler übertreffen die körperlichen Vorzüge bei weitem“. Die übrigen Schauspieler spielten ihm jedoch „mit zu vieler Lebhaftigkeit, welche die natürlichen Gränzen bei weitem überschritt“. Das Orchester war gegenüber dem großen Publikum nur sehr schwach besetzt, ebenso wie die Beleuchtung des Schauspielhauses. Im Gegensatz dazu fand er die „Decoration der Bühne und die Kleidung der Personen […] artig und gut“. Der Reisende von Halem hingegen kritisierte das Frankfurter Schauspiel in seiner Reisebeschreibung von 1791 als „nicht vorzüglich“, doch sei das Orches1731 Siehe Kapitel I.2.8.2 „Musik und Theater“. 1732 Moore, Abriß des gesellschaftlichen Lebens, S. 217. 1733 Ebd. Gemeint sind hier vermutlich die Kurrentschüler. 1734 Moore, Abriß des gesellschaftlichen Lebens, S. 217. 1735 Siehe auch für die folgenden Zitate Hermann, Bemerkungen auf einer Reise von Gotha nach Mainz, S. 87–89.
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ter „durch die Maynzer Capelle vermehrt, ganz gut“.1736 Allerdings konnten auch hier die Meinungen und Ansichten der Reisenden und Stadtbeschreiber weit auseinandergehen, fand Wilhelm Ludwig Steinbrenner doch das Komödienhaus durchaus schön mit einem „noble[n] parterre, und drei Reihen Logen übereinander“.1737 Auch zählte Steinbrenner das Spiel und die Dekoration nicht zu den schlechtesten und die Aufführung von dem „Räuschchen, ein Lustspiel in vier Aufzügen von Brenner“, gefiel im sehr gut.1738 Zwiegespalten zeigte sich auch das Theater Frankfurts in den Augen von Ann Radcliffe, die das Gebäude als „a modern, but not an elegant building“ beschrieb, „standing in an area, that renders it convenient of access, and nearly in the middle of the city“.1739 Während einerseits die Schauspieler „very far beneath mediocrity“ seien, lobte sie das Orchester „for spirit and precision“.1740 Schließlich resümierte Radcliffe den Charakter des Frankfurter Kulturlebens sehr eingängig, seien doch das Cabinet Literaire und das Theater „the only permanent places of public amusement at Franckfort, which is, however, in want of no more, the inhabitants accustomed to pass much of their time in friendly parties, at heir houses”.1741 Private Zusammenkünfte und feierliche Anlässe würden demnach aufgrund des eher rudimentär ausgeprägten Theater- und Bühnenlebens in Frankfurt deutlich im Vordergrund stehen. Das Bild von einer noch sehr jungen Theaterlandschaft Frankfurts war folglich grundsätzlich recht positiv ausgeprägt und zeichnete sich durch teils gute Schauspieler und Aufführungen aus. Im Vergleich zu anderen Bühnen war der Eindruck jedoch eher bescheiden und das Theater sparsam, noch im Aufbau begriffen und gerade so ausreichend – eine Einrichtung, mit der Frankfurt bei einigen Besuchern punkten konnte, bei anderen eher enttäuschte. Die Reise- und Stadtbeschreibungen vermittelten insgesamt ein Bild von einem musikbeflissenen Frankfurt, um möglicherweise die Mittelmäßigkeit zu überspielen. Auch hatten sie vermutlich das Bedürfnis, etwas zum Theaterleben zu schreiben, weil es sich gehörte, am kulturellen Leben teilzunehmen bzw. weil die Reisenden das Theaterwesen nun einmal für berichtenswert hielten. Immerhin war die Welt der Dichter und Theater – Tragödie und Komödie – auch schon in antiken Reiseberichten ausführlich beschrieben und überschwänglich gelobt
1736 Halem, Blicke auf einen Theil Deutschlands, S. 26. 1737 Wilhelm Ludwig Steinbrenner: Bemerkungen auf einer Reise durch einige teutsche, Schweizer- und französische Provinzen in Briefen an einen Freund. Erster Teil. Göttingen 1791, S. 21. 1738 Ebd. 1739 Radcliffe, A Journey made in the Summer of 1794, S. 233. 1740 Ebd. 1741 Ebd., S. 234.
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worden, womit die alltäglichen Unannehmlichkeiten und Gefahren hinter den „Bildungsgenuß“1742 zurücktraten. Im Frankfurt-Bild hingegen wurde zumindest der Eindruck vermittelt, als würden Musik und Gesang zum alltäglichen Tagesablauf dazugehören, gleichzeitig aber auch etwas Besonderes bedeuten und einen hohen Stellenwert in der Gesellschaft genießen. Ganz so eindeutig war der Diskurs jedoch nicht: Trotz der Aktivitäten im musikalischen Bereich berichteten die Autoren von einem zwar umfangreichen, aber ziemlich gewöhnlichen Musikleben, ohne außergewöhnliche Talente oder eine besonders anspruchsvolle Musikkultur zu erwähnen. Das musikalische Frankfurt-Bild bekam dadurch einen disparaten Charakter: Einerseits gehörte die Musik zum alltäglichen Leben selbstverständlich dazu, doch war die Umsetzung und instrumentale Ausstattung eher mittelmäßig. Musik spielte im Frankfurter Alltag einerseits eine große und bedeutende Rolle, während sie auf professioneller Ebene nur mittelmäßig gut war und längst nicht mit der Theaterwelt anderer Städte mithalten konnte. Außerdem gilt bei der Bewertung des Frankfurt-Bildes zu berücksichtigen, dass zwar fast alle Stadtbeschreibungen, aber nur etwa jede vierte oder fünfte Reisebeschreibung über Musik berichtete. Die gesellschaftliche und persönliche Ebene der Verfasser trat damit deutlich in den Vordergrund des Frankfurt-Bildes, während spezifische Eigenheiten der Stadt gleichbedeutend daneben standen oder sogar in den Hintergrund geraten konnten. Zu berücksichtigten ist bei der Analyse des Frankfurt-Bildes auch der Umstand, dass Geschmack und Vorlieben sehr unterschiedlich ausfallen konnten und besonders im Bereich der Musik und des Schauspiels zum Tragen kamen. So lässt sich nicht unbedingt von der Bewertung eines einzelnen Reisenden auf das tatsächliche künstlerische und musikalische Leben rückschließen. Auch spielte das jeweilige musikalische Wissen eine große Rolle.
3.1.3.6 Künstlerisches Mittelmaß im 18. Jahrhundert Die vorangegangenen Kapitel weisen schon darauf hin, dass sich das FrankfurtBild im Bereich der Kunst und kulturellen Produktion im Laufe des 18. Jahrhunderts zwar immer deutlicher ausprägte, aber nur in einem gewissen Mittelmaß bewegte. So schrieb der schon mehrfach zitierte Müller in seiner Stadtbeschreibung von 1747 den Frankfurter Künstlern seiner Gegenwart eine gewisse „Dürfftigkeit“1743 zu, die er sich eigentlich nicht erklären könne, denn Frankfurt besitze doch „eben diejenige Vortheile, als viele andere, in welchen Künstler
1742 Siehe hierzu Fittschen, Eine Stadt für Schaulustige und Müßiggänger, S. 63–69. 1743 Müller, Beschreibung des gegenwärtigen Zustandes, S. 197.
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Ruhm und Nahrung finden“.1744 Obwohl Frankfurt in der Vergangenheit einen Adam Elsheimer1745, Theodor de Bry und die Merian-Familie sowie im Bereich der Malerei und Kupferstichproduktion Personen wie Sandrart1746 und Roof habe aufweisen können, finde sich aktuell „kaum noch ein Lippold1747 und Juncker1748 in der Abbildungs-Kunst, [oder ein] Herr Kühn, ein geschickter Silber-Arbeiter in der Migniatur“.1749 Es gebe zwar auch unter den heutigen Malern und Kupferstechern geschickte Leute, „doch ihre Bekantschafft erstrecket sich ausser unserer Stadt nicht weit“. Man müsse wohl den Ruhm bedeutender Künstler anderen großen Höfen und Städten überlassen, wie Hamburg, Leipzig, Augsburg, Dresden und Nürnberg. Aus dieser Äußerung lässt sich sehr eindrücklich ablesen, wie sehr Müller einerseits versuchte, die künstlerisch und kulturell bedeutsamen Personen, Werke und Kulturprodukte hervorzuheben, er andererseits aber offen zugeben musste, dass Frankfurt im Vergleich zu anderen bedeutenden Reichsstädten und Residenzen nur ‚kulturelles Mittelmaß‘ war, wobei er die Gründe dafür nicht kannte. Allerdings konnte Müller schließlich doch noch einen in der ‚Kunstszene‘ ebenbürtigen Künstler nennen, und zwar einen Herrn Blon1750, „ein Franckfurter“, der zwar nach London gegangen sei, aber „zum rühmlichen Exempel statt vieler andern dienen“ könne. Doch den wichtigsten Ausgleich zu Frankfurts fehlenden Künstlern hätten die „allhier seithero angelegte[n] Fabriquen, wie ingleichen die grosse Menge der Handwercks-Leute [geschaffen], worunter
1744 Ebd. 1745 Elsheimer (getauft 1578 in Frankfurt am Main, gestorben 1610) war ein bedeutender Maler des 17. Jahrhunderts. 1746 Joachim von Sandrart (1606–1688), berühmter Maler und Kupferstecher. 1747 Gemeint ist vermutlich der Porträtmaler Franz Lippold (1688–1768). Er war offenbar der beste Porträtmaler seiner Zeit in Frankfurt. Seine Bildnisse zeichneten sich durch große Ähnlichkeit und lebensfrische Färbung aus. Er hat zahlreiche angesehene Männer in Frankfurt gemalt, deren Bilder sich im Stadtarchiv befinden. Siehe Wilhelm Stricker: „Lippold, Franz“. In: ADB (1883), Onlineausgabe: http://www.deutschebiographie.de/pnd123325633.html?anchor=adb. Siehe auch Philipp Friedrich Gwinner: Kunst und Künstler in Frankfurt am Main vom 13. Jahrhundert bis zur Eröffnung des Städelʼschen Kunstinstituts. Frankfurt a.M. 1865, S. 258. 1748 Gemeint ist hier vermutlich der Genre- und Blumenmaler Justus Juncker (1703–1767). 1749 Siehe auch für die folgenden Zitate Müller, Beschreibung des gegenwärtigen Zustandes, S. 197–201. Eine sehr ähnliche Beschreibung wie die von Müller findet sich ebenfalls in der Topographischen, politischen und historischen Beschreibung der Reichsstadt Franckfurt am Main (2 Teile, 1788/1789) von Johann Heinrich Faber. Wie auch zu anderen Themengebieten, scheint Faber die Beschreibung von Müller sehr gründlich rezipiert oder größtenteils dieselben Quellen benutzt zu haben. 1750 Die Rede ist vermutlich von dem Maler und Kupferstecher Jakob Christoph Le Blon (1667– 1741).
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viele geschickte angetroffen werden, welche der Stadt nicht wenig Nutzen und Nahrung verschaffen“. Deshalb gebe es für Müller auch keine besseren Einwohner für ein Land als solche, „die sich wacker regen und arbeiten, mithin durch Fleiß und Kunst alles in Bewegung setzen“.1751 Der Frankfurt-Diskurs im 18. Jahrhundert zielte offensichtlich auf die vorrangige Bedeutung Frankfurts als Messe- und Handelsstadt, die ihr als eher mittelmäßig angesehenes kulturelles Ansehen kompensieren sollte. Als Beleg für diese Einschätzung nannte Müller die „kostbaren“ Seidenfabriken der Herren Firnhaber. Sie seien „ohnstrittig die schönste[n] und vorzüglichste[n] unter allen: […] Alle Arten von den herrlichsten und besten Seiden-Zeugen werden darinnen verfertiget, und damit ein starcker Handel, so gar biß nach Petersburg und in andere weit entfernte Lande getrieben.“1752 Kulturell und wirtschaftlich von besonderer Bedeutung sei neben den Tabakfabriken auch die Porzellanherstellung. Das von Müller entworfene Bild nahmen die in der Folge erschienenen Stadtbeschreibungen teils wortwörtlich mit auf, wie beispielsweise Dietmanns und Haymanns Europäische Reisegeographie von 1752: „In Ansehung geschickter und weitberühmter Künstler scheinet Frankfurt ietzo einigermaßen dürftig zu seyn, in Absicht auf den Aufenthalt derselben alhier, und auf denen Renommee in auswärtigen Provinzen.“1753 Fast wortwörtlich übernahmen die Herausgeber der Geographien offenbar Informationen aus den Stadtbeschreibungen. Auch stimmen die Angaben über die Malerei und Abbildungskunst weitgehend überein. So konstatierten auch Dietmann und Haymann: „Was Frankfurt an Künstlern abzugehen scheinet, das wird durch die hiesigen angelegten Fabriquen, und eine Menge geschickter Handwerker reichlich ersetzet.“1754 Zwar räumte auch der Stadtbeschreiber Faber 1788 vielen Residenzen und Reichsstädten eine Überlegenheit gegenüber Frankfurt ein. Er war jedoch auch darauf bedacht, alle erwähnenswerten Persönlichkeiten, Künstler, Gemälde und Kunstprodukte aufzulisten (S. 369–435), denn es habe in Frankfurt jederzeit „einzelne geschickte Künstler gegeben, welche sich bald in diesem bald in jenem Fache der Kunst vorzüglich ausgezeichnet haben“.1755 In der Vergangenheit, besonders im 16. und 17. Jahrhundert, habe Frankfurt nach öffentlicher und größtenteils einmütiger Darstellung der Zeitgenossen des 18. Jahrhunderts wesentlich mehr Künstler und künstlerische Produkte hervorgebracht – was jedoch aus den in dieser Arbeit untersuchten Quellen (Chro1751 Müller, Beschreibung des gegenwärtigen Zustandes, S. 201. 1752 Ebd. 1753 Dietmann/Haymann, Neue Europäische Staats- und Reisegeographie, S. 688. 1754 Ebd., S. 689. 1755 Faber, Topographische, politische und historische Beschreibung, Erster Teil, S. 370.
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niken, geographische und Reiseliteratur) nicht hervorgeht. Die Frage bleibt, woher Müller und seine Kollegen sowie die Reisenden diesen Eindruck gewonnen haben, zumal sich kulturelle Produktivität und künstlerische Qualität nicht wirklich messen lassen. Es lässt sich nur vermuten, dass sich die Autoren entweder rein quantitativ an der Anzahl der Gelehrten und produzierten Kunst- und Handwerkserzeugnisse orientierten. Oder es handelt sich um den persönlichen Eindruck einiger weniger Personen, die sich in diesem Bereich auskannten oder zumindest eine Meinung gebildet hatten. Der relativ überschaubare Diskurs in den Stadtbeschreibungen, gedruckten Chroniken und Reiseberichten führte in der Folge zu einer breiten Rezeption und Verbreitung eines Frankfurt-Bildes als eines nur mittelmäßig ausgeprägten Kulturstandorts. Die Ähnlichkeit vieler Beschreibungen und Aufzählungen der Bibliotheken, Kunstsammlungen und gelehrten Persönlichkeiten lässt auf eine kompensierende Funktion schließen, um die aktuelle, eher als rudimentär ausgeprägt empfundene und angeblich gegenüber den vergangenen zwei Jahrhunderten im Niedergang begriffene Kunst- und Gelehrtenwelt positiver erscheinen zu lassen. Doch bemerkenswert war die Ehrlichkeit, mit der die Stadtbeschreiber Frankfurts Schwächen einräumten und anderen Städten den Vortritt in Sachen Kunst und Kultur gewährten.
3.1.3.7 Zusammenfassung Nach einem eher zögerlich begonnenen Diskurs über Frankfurt als Ort des künstlerischen Wirkens gewann er seit Mitte des 18. Jahrhunderts an Dynamik. Der Grund für diese Entwicklung wird einerseits darin gelegen haben, dass es zuvor in Frankfurt kein oder ein kaum ausgeprägtes musikalisches und künstlerisches Leben gegeben hat. Zumindest für das erst im späten 18. Jahrhundert gegründete Theater trifft das zu.1756 Auch wenn es zu dem Thema „Kunst und Kultur“ noch reichlich Forschungsbedarf gibt, vermittelt der Frankfurt-Beitrag im Handbuch Kultureller Zentren der Frühen Neuzeit einen Eindruck davon, dass in Frankfurt durchaus ein Kunstgewerbe vorhanden war.1757 Andererseits gehörten Kunst und Kultur im 16. und frühen 17. Jahrhundert offenbar noch nicht zu den Eigenschaften, die den Städten sowohl im Städtelob 1756 Elisabeth Mentzel: Geschichte der Schauspielkunst in Frankfurt am Main. Von ihren Anfängen bis zur Eröffnung des städtischen Komödienhauses. Ein Beitrag zur deutschen Kultur- und Theatergeschichte. Leipzig 1975 (ND der Ausg. Frankfurt a.M. 1882); Greve, Mozart und Frankfurt am Main, S. 27–40. Siehe als Überblick und für weiterführende Literatur Stalljohann, Frankfurt am Main, S. 558–559. 1757 Ebd., S. 553–577.
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als auch in den Stadtbeschreibungen und damit im öffentlich-publizistischen Diskurs zugeschrieben wurden. Es hatte offenbar noch keinen besonderen Wert, als ein künstlerisch produktiver Ort wahrgenommen zu werden. Dieses mag insbesondere für Frankfurt so gewesen sein, das viel stärker von seiner politischen und wirtschaftlichen Bedeutung profitieren konnte. Diesen Eindruck verstärkt die Erkenntnis, dass die Gelehrten- und Zeitungslexika des 18. Jahrhunderts nur wenige Hinweise über das kulturelle und musikalische Leben Frankfurts enthielten. Den Eindruck einer in Frankfurt nur mittelmäßig ausgeprägten künstlerischen Produktion und Teilhabe an Musik, Kunst und Kultur vermittelten besonders seit Mitte des 18. Jahrhunderts die Stadtbeschreibungen und der in der Reiseliteratur geführte Diskurs. Doch sollte bei der Interpretation berücksichtigt werden, dass sich insbesondere das Frankfurter Theaterwesen noch im Aufbau und in der Entwicklung befand. Das private Musik- und Theaterleben trat zwar seit Mitte des 18. Jahrhunderts stärker in das Blickfeld der Öffentlichkeit und wurde in Stadtbeschreibungen, wenigen Chroniken und in der Reiseliteratur diskutiert, doch blieb dabei dessen noch recht junge Geschichte unberücksichtigt. Abgesehen von der Erwähnung herausragender Buchdrucker und Schriftgießer wie Christian Egenolff1758 spielten handwerklich-künstlerische Genres, wie zum Beispiel die Malerei1759, im Frankfurt-Bild überhaupt keine Rolle. Als Erklärung für das disparate Bild von Frankfurts Kulturleben dienen die Kompensation und die Intention des Ausgleichs. Denn als überwiegend noch ackerbürgerlich geprägte Handels- und Kaufmannsstadt war das kulturelle Leben weniger – oder zumindest anders – ausgeprägt als etwa an Höfen und in Universitätsstädten. Gleichwohl brachte Frankfurt bedeutende Persönlichkeiten, Kunstwerke und kulturelle Produktivität hervor, die sicherlich zu Recht hervorgerhoben wurden. Ein direkter, quantitativer Vergleich zu anderen Städten ist für die vorliegende Fragestellung allerdings weder sinnvoll noch durchführbar; spielt doch bei dem Thema „Kultur“ immer auch das persönliche Empfinden und ein jeweils eigener Geschmack eine große Rolle.
1758 Siehe Kapitel II.3.1.2.2 „Die Buchmesse als Bücherschatz und Gelehrtenzentrum“ in dieser Arbeit. 1759 Hier wäre zum Beispiel an die frühe Stilllebenmalerei in Frankfurt zu denken, der Jochen Sander eine erstaunliche Rolle zuschreibt. Diese war auch beeinflusst von einem großen Zustrom flämischer Künstler im letzten Drittel des 16. Jahrhunderts. Siehe Jochen Sander: Die frühe Stilllebenmalerei am Main. Die flämischen Emigranten, Georg Flegel und Sebastian Stoskopff. In: Freigang/Dauss/Brockhoff, Das ‚neue‘ Frankfurt, S. 22–34, hier S. 23.
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3.2 Die Stadt erhält ein Gesicht: Die Bewohner Frankfurts 3.2.1 Die Frankfurter wohlgeratene Gesellschaft – ein anonymes Kollektiv Für den Mediävisten Heinz-Dieter Heimann wird die Wahrnehmung einer Stadt nicht nur allein von dem Idealbild bestimmt, sondern auch von der „Erfassung des Geflechtes sozialer, rechtlicher Beziehungen eines Gemeinwesens“.1760 Auch im Frankfurt-Bild spielen diese Interdependenzen eine große Rolle. Das gilt ebenso für die im Städtelob und den darauffolgenden Stadtbeschreibungen unterstrichene politische Bedeutung der Stadt innerhalb des Reichsgefüges und des Geschehens auf Reichsebene, das Heimann für Köln seit der wachsenden Bedeutung auf den Reichstagen Ende des 14. Jahrhunderts festgestellt hat.1761 Die Charakteristika der Frankfurter Einwohner wurden von den Autoren literarisch-publizistischer Zeugnisse des 16. und frühen 17. Jahrhunderts noch nicht thematisiert. Stattdessen standen die Eigenschaften der Stadt im Vordergrund, während die Bevölkerung als ein abstraktes Kollektiv erschien. Als Ausgangspunkt des Diskurses über die Frankfurter Bevölkerung fungierte erneut das Städtelob, das vereinzelt eine ‚wohlgeratene‘ Bevölkerung lobte. Ein frühes Beispiel ist Johann Steinwert von Soests Spruchgedicht von 1501. Er schrieb nicht nur von einer „frontlichen und frydsamen“, „erbaren“ und „guten“1762 Frankfurter Gesellschaft – stereotype, weit verbreitete Adjektive in der Gattung des Städtelobs –, sondern interessanterweise auch von ihrer wohlerzogenen und ehrbaren Geselligkeit: „Gesellschaft gutt hostu in dyr/ In tzucht und eern by wyn und byr/ Auch alles das da nott mag syn/ Eym menschen hastu schon und fyn.“ Erstaunlich ist aus heutiger Sicht Soests Erwähnung der Frankfurter Frauen, deren Ansehen als züchtig, tugendhaft, ehrbar und fromm in der ganzen Welt verbreitet sei: „Wy tzuchtig auch dy frawen syn/ Dar tzu dy iunckfrawn in gemeyn/ Holtselig erbar dar tzu from/ In tughend sy folfurn den rom.“ Mit seiner Beschreibung führte von Soest entsprechend dem Wertekanon des Städtelobs eine ganze Liste von Eigenschaften an, die sich auf Tugend, Ehre und Fleiß bezogen. Die Menge der lobenden Adjektive spricht dafür, dass Soest ein vollkommenes und perfektes Bild Frankfurts darstellen und keine Eigenschaften vergessen wollte. Er betonte außerdem, dass die Frankfurter ihren ehrlichen und gradlinigen Charakter schon seit langer Zeit hätten und ihn auch weiterhin behalten würden, trotz ihres Geldes und Reichtums.
1760 Heimann, Stadtideal und Stadtpatriotismus, S. 18. 1761 Ebd., S. 20. 1762 Siehe auch für den folgenden Absatz Soest, Eyn Spruchgedicht, S. 77–80.
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Auf den sogar weltweit verbreitet guten Ruf der Bewohner Frankfurts spielte Ulrich von Hutten wenige Jahre später an. Er schrieb von „der Bewohnenden Ruhm; Zu ihr kommen der Scythe, der Daker, des Hämus Bewohner,/ Thraker, und der gezeuget ward in der Grajer Gebiet“.1763 Die Bekanntheit Frankfurts und seiner Bewohner habe eine starke Anziehungskraft auf die Menschen auch sehr weit entfernter Gebiete ausgeübt, was laut Hutten mit dem florierenden Welthandel zusammenhänge. Georg Fabricius hingegen hob in seinem 1547 erschienenen Lobgedicht besonders auf den Gemeinplatz der Gelehrsamkeit ab: „Man doch viel vornehm Leuth drin schaut/ Die sich nach gelährten Männern sehen/ Gleichwie Mycill nach den Camoenen.“1764 Die Beschreibung von gelehrten und vornehmen Bewohnern konnte aber wohl auf jede Bevölkerung jeder beliebigen Stadt angewendet werden. Die namentliche Erwähnung des Gymnasiallehrers Jacob Micyllus war hingegen eine spezifisch auf Frankfurt bezogene Ausnahme in dem ansonsten eher stereotyp die Bevölkerung der Stadt rühmenden Städtelob, wie rund 100 Jahre später Johann Ludwig Gottfried: „Fruchtbar ist mein Land und reich sind seine Bewohner/ Kaisertreu war ich stets, und weise meine Regierung.“1765 Reichtum und Kaisertreue waren neben den allgemeinen Tugenden der Bewohner die am häufigsten genannten Aspekte im Frankfurter Städtelob. Während im Städtelob den in Frankfurt lebenden Menschen offensichtlich stereotyp geprägte Tugenden zugesprochen wurden, gab es in den Kosmographien des 16. Jahrhunderts noch keinen Platz für Gesellschafts- oder Personenbeschreibungen, ausgenommen von Königen und Kaisern. Eine Erklärung hierfür liegt unter anderem in der Struktur der literarischen Gattungen. Das Städtelob sollte möglichst alle positiven Aspekte einer Stadt hervorheben, wozu auch ihre Bewohner gehörten. Die kosmographisch-geographischen Beschreibungen hingegen thematisierten zumeist äußere, formale Aspekte sowie historische Ereignisse in einer Stadt. Außerdem waren die Stadtbeschreibungen in diesen Schriften zumindest bis zum Ende des 16. Jahrhunderts, abgesehen von einigen Ausnahmen, kurz und bündig formuliert, sodass die Einwohner im Gegensatz zu Ursprung, Namensgebung, geographischer Lage, Wirtschaft und bedeutenden historischen Ereignissen noch nicht zum öffentlichen Frankfurt-Bild gehörten.
1763 Hutten, Dort ist die Stadt. 1510. Im Original: „Multum etiam populi laude superba sui;/ Hanc Scytha cum Daco, Rhodopesque habitator et Haemi,/ Hanc Maedo, et Grajae finibus ortus humi.“ 1764 Fabricius, Lobgedicht. 1547. Im Original: „Sed claris speciosa uiris: huc saepe Camoenas/ In sua tecta trahit facunda uoce Micyllus.“ Vgl. Fabricius, Itinerum Georgii Fabricii, S. 42. 1765 Gottfried, Lateinischer Vers um 1630. Im lateinischen Original heißt es: „Et foecundus ager, populus cum divite censu/ Caesaribus servata fides, prudensque Senatus.“
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In den größtenteils streng chronologisch gehaltenen handschriftlich überlieferten Chroniken des 16. und 17. Jahrhunderts wurden zwar Einzelpersönlichkeiten und Einzelschicksale – mal mit, mal ohne Namen oder Berufsbezeichnung – genannt, wenn sie in Unglücksfälle oder Verbrechen wie Diebstahl, Mord oder Körperverletzung involviert waren. Doch über die Einwohnerschaft Frankfurts finden sich sehr wenige Aufzeichnungen. Die Charakteristik der Einwohner gehörte noch nicht zu den für Frankfurt relevanten, memorierungswürdigen Gesichtspunkten. Allerdings enthielt erstmals das thematisch angelegte Fragment einer Frankfurter Chronik (ca. 1612), das mit Zusätzen von Johann Maximilian zum Jungen versehen wurde, einen Abschnitt mit dem Titel „Einwohner“, der den Zeitraum von den Anfängen der Stadt bis etwa 1545 umfasste. Nach Darstellung des Chronisten herrsche über den Ursprung der Bewohner noch Unklarheit, obwohl „etliche mutmaßen wollen, daß es […] gute alte Teutsche geweßen [seien], weilen davon nichts gewißes zu schließen, sondern vielmehr wahr, daß die Francken darinnen gewohnet, wie wir auch dießelbige alß fundatores dießer Statt halten und setzen, alß ist auch dahero zu achten, daß sie eine gute Franckische sprach geführt, und gebraucht haben“.1766 Die Sprache spielte bei dem Chronisten offensichtlich eine wichtige Rolle, um Hinweise über den Ursprung der Frankfurter Bevölkerung zu bekommen, denn „dießes volck, wie es gut Fränckisch oder Niederländisch, wie auß alten Schriften zusehen, geredet, also ist es auch ein gut aufrichtiges teutsches volck allein geblieben, und findet man nit, daß iemals einiger auß einer anderen Nation in die Bürgerschafft sich zu […] begeben, der nit sobald mit der Kleidung auch die sprach der einwohnenden Bürgern conformirt, und in leben sitten, unnd eingezogenen wandel ihnen sich zugesellet“.1767 Obwohl man sich gegen äußere Einflüsse des „Frantzosisch, Churwelsch und flemmisch“ auf die ‚fränkische‘ Sprache gewehrt hätte, stellte der Chronist zur Entwicklung fest, dass um 1545 „bald kein underschied [mehr] unter einen Teutschen und Niederländischen zuerkennen“1768 gewesen sei. Indirekt entwarf der Chronist bezüglich Sprachherkunft und -entwicklung ein geradliniges, durch Treue und Aufrichtigkeit gegenüber den eigenen Bürgern geprägtes Bild von Frankfurt. Weil die Chronik von zum Jungen mit dem Kapitel über die Frankfurter Bürger jedoch eine Ausnahme und deren Rezeption sicherlich auf ratsnahe Kreise beschränkt war, ist nur schwer abzuschätzen, ob es sich dabei um ein weit verbreitetes Bild handelte. 1766 Fragment einer Frankfurter Chronik, S5/25, fol. 4r. 1767 Ebd. 1768 Ebd.
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Denn auch in der gedruckten Chronistik wurde die Frankfurter Bevölkerung zunächst nicht thematisiert. Erst in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts fanden die Charakteristika der Frankfurter Einwohnerschaft zögerlich Eingang in die historisch-geographischen Beschreibungen. Als Erstes beschrieb Martin Zeiller in der Topographia Hassiae die Gesellschaftsstruktur der Stadt – ein Aspekt, der Mitte des 17. Jahrhunderts in dieser detaillierten Form neu hinzukam und sich von einem stereotypen Lob der Bürger zu einer mit Fakten angereicherten Beschreibung entwickelt hatte. Laut Zeillers Beschreibung seien die Bürger „in drey Ordnungen abgetheilet“. Zur ersten Gruppe gehörten die Geschlechter „im alten Limpurg, welches Hauß an den Römer, oder das Rathhauß, zur rechten Hand stosset“. Zur zweiten Ordnung zählten „die jenige[n], so den Geschlechtern am nechsten, als die keine Handwerck, sondern Handlungen treiben, oder von ihren Väterlichen Renten, und Einkommen leben, und ihr Zusammenkunfft im Frawenstein haben, welches Hauß auff der lincken seyten deß besagten Römers ligt“. Die übrigen Bürger hätten zwar „ihre gewisse Zünfften“, doch ihr Zunft-Recht sei ihnen am 28. Februar 1616 per Dekret des Kaiserlichen Kommissars, des Kurfürsten von Mainz und Landgrafen von Hessen-Darmstadt, entzogen und sie „von dem Rath Gesetz und Ordnung zu nehmen angewiesen worden“.1769 Viele der in den darauffolgenden Jahrzehnten entstandenen geographisch-historischen Beschreibungen haben diesen Passus wortwörtlich oder mit nur kleinen Änderungen übernommen, wie beispielsweise Abraham Saurs Stätte-Buch1770 oder das 1671 erschienene Viatorium Germaniae1771 von Thomas Hirschmann. In der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts verstärkte sich der Blick auf die Einwohner Frankfurts in den geographischen und Reisebeschreibungen. Schon deutlich ausführlicher setzte sich beispielweise der Italiener Galleazzo Gualdo Priorato 1668 mit den individuellen Eigenschaften der Frankfurter auseinander. Er erwähnte nicht nur die Bevölkerungsstruktur, sondern schrieb den unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen Eigenschaften zu. Sowohl die Patrizier als auch die Bürger bezeichnete er als „assai civili, e cortesi, & havendo occasione per i loro trafichi, che tengono in diverse parti d’Europa di viaggiare, e nel concorso grande de forastieri nelle fiere di pratticar le natione straniere, quindi è che conoscono le maniere di trattarsi con ogn’uno, e fanno render sodisfatti tutti quelli, che negotiano con essi“.1772 Priorato 1769 Zeiller, Topographia Hassiae, S. 53. 1770 Saur/Authes, Stätte-Buch, S. 507. 1771 [Thomas Hirschmann:] Viatorium Germaniae, Galliae, ac Italiae Oder Nutzliche Anweisung Durch Teutschland, Franckreich und Italien zu Reysen: worinnen die vornehmsten Städte kürtzlich beschrieben werden, samt einem Wegweiser. Frankfurt a.M. 1671, S. 246–247. 1772 Gualdo Priorato, Relatione del Governo, S. 101.
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hebt hier auf die Höflichkeit und das freundliche sowie fachmännische Gebaren der Frankfurter Handelsleute im Umgang mit anderen Händlern weltweit ab. Aufgrund ihrer Aktivitäten im Handel kämen sie sehr weit herum, kannten sich überall gut aus und jeder, der mit ihnen zu tun habe, sei sehr zufrieden. Darüber hinaus erschienen zunächst nur vereinzelt Äußerungen, die sich auf Charakteristika und Eigenschaften der Bewohner insgesamt oder auf eine bestimmte gesellschaftliche Gruppierung Frankfurts bezogen. Erst das 18. Jahrhundert brachte eine Weiterentwicklung in der öffentlichen Darstellung der Frankfurter Bevölkerung. Zwar beschrieb Lersner in seiner 1709 erschienenen Chronik die adeligen Geschlechter des Hauses Alten-Limpurg sehr ausführlich. Allerdings ging es weniger um den Charakter der Menschen, sondern um formale Aspekte wie Ursprung und Entstehung, Geschichte, Besitztümer, gesellschaftliche und politische Aktivitäten des Patrizier-Geschlechts sowie um herausgehobene Persönlichkeiten und ihre politischen Rechte und Privilegien („Praerogativen [und] Dignitäten, die Jura Ecclesiastica“).1773 Selbst ein Frankfurter Patrizier, richtete Lersner den Schwerpunkt auf die Beschreibung jener Gesellschaft der Alten-Limpurger, der er selber angehörte. Über die anderen Bevölkerungsgruppen war indes bei ihm nicht viel zu erfahren. Immerhin wurde die Gruppe der Alten-Limpurger1774 in der Stadtbeschreibung von Johann Bernhard Müller Mitte des 18. Jahrhunderts für ihre „Tapferkeit, und für das gemeine Vaterland tragenden Eyfer rühmlich“1775 hervorgehoben. Die Frankfurter reformierten Geistlichen seien „sehr geschickte, fromme und gelehrte Prediger, welche den Abgang der ohnlängst verstorbenen sehr beliebt gewesenen Lehrer, Herr Goddrel und Herr Rückersfeld1776, über alle maßen wohl ersetzen“.1777 Außerdem führte Müller die „vornehmste Catholische Geistlichkeit“ an, zu der viele Gelehrte und „wackere Lehrer und Prediger“1778 gehören würden. Daneben wurden bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts weiterhin Lobsprüche verfasst, die pauschal auf die Tugenden, die erfolgreichen Lehrer und vor allem auf den Fleiß der Frankfurter Bürger anspielten, wie zum Beispiel Friedrich Andreas Walther 1748: „Der Bürger heißt durch sein Bemühen/ Das gantze Heer der Künste blühen/ Das je ein Sterblicher erfand:/ Man lohnt die Arbeit nach Verdienste/ Sein Haus erwächst bey dem Gewinste/ Durch ihn bereichert sich das 1773 Lersner, Der weit-berühmten freyen Reichs- Wahl- und Handels-Stadt Chronica, S. 294. 1774 Siehe zur Gesellschaft der Alten-Limpurger Hansert, Geburtsaristokratie in Frankfurt am Main, S. 88–132, 135–147, 235–248. 1775 Müller, Beschreibung des gegenwärtigen Zustandes, S. 111. 1776 Möglicherweise ist hier die Rede von dem reformierten Prediger Heinrich Nicolaus Rückers feld(er). 1777 Ebd., S. 131. 1778 Ebd., S. 132.
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Land.“1779 Strebsamkeit und Fleiß der Frankfurter Bürger sowie ein vorbildhafter Charakter hätten zur Förderung der Künste, der wirtschaftlichen Gewinne, aber auch zum Fortschritt und zur Weiterentwicklung der Stadt beigetragen. Die zunächst nur pauschal und stereotyp formulierten Beschreibungen und Lobsprüche auf die Frankfurter Bevölkerung wurden im Laufe der Zeit ab Mitte des 17. Jahrhunderts zwar konkreter auf genuin Frankfurter Eigenschaften zugeschnitten. Doch noch stand die Bevölkerung als Kollektiv im Mittelpunkt des Diskurses. Dieses änderte sich erst im Laufe des 18. Jahrhunderts, wie das folgende Kapitel aufzeigt.
3.2.2 Vom Allgemeinlob zur Personifizierung Zu den im 16. und 17. Jahrhundert im Frankfurt-Bild dominierenden Allgemeinplätzen Fleiß, Tugend, Reichtum und Kaisertreue und der Bevölkerung als kollektiver Gruppe kamen ab 1650 individuelle Eigenschaften und die Erwähnung konkreter Personen hinzu. Damit rückte das Individuum in den Chroniken und besonders in der Reiseliteratur und den Stadtbeschreibungen stärker in den Fokus. Das Bild von den Bewohnern Frankfurts hat sich zunehmend individualisiert und stärker einzelne Personen oder Berufsgruppen in den Blick genommen. Der Neugebundene Lorbeer-Krantz der Welt-beruffenen Stadt Franckfurt am Mayn von Johann Rudolf Karst lobte 1667 zum Beispiel die gesellschaftspolitische Leistung von Ratsleuten, Schöffen und Richtern: Lieblich stund es dazumahl, herrlich war es anzusehen/ Deiner Schöffen edle Rey an dem blancken Himmel gehen/ Der bejahrten Richter Zier, Herrn Stallburgern oben an/ Und Herrn Bendern1780 andrer Seiths, welcher ist der Musen-Mann./ Herr Steinmeyer gieng hierauff mit herrn Seyffart dem Gelehrten./ Herr Uffsteiner folgte nach mit Herrn Steffan dem Geehrten./ Drauff Herr Lerßner und Herr Mohr diesen schönen Himmel-Pracht/ Leopoldens Sonnen-Schirm in der Ordnung zugemacht.1781
Karst nannte diese Personen insbesondere aufgrund ihres Beitrags zu den Vorbereitungen und der gelungenen Durchführung der Wahl und Krönung von Leopold I. im Juli und August 1658.
1779 Walther, Die Vorzüge der Stadt Franckfurt am Mayn, nicht pag. 1780 Gemeint ist Christoph Bender von Bienenthal (1603–1666) aus einer Frankfurter Patrizierfamilie. Er war Jurist, seit 1636 Ratsherr, 1639 Schöffe, Älterer Bürgermeister und Gerichtsschultheiß. 1661 wurde er kaiserlicher Rat. Siehe Dölemeyer, Frankfurter Juristen, S. 15. 1781 Karst, Neugebundener Lorbeer-Krantz, S. 20–21.
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Die Entwicklung in den Kosmographien verlief sehr ähnlich. Zwar ging Eberhard Rudolph Roth 1682 in seinen Memorabilia Europae nicht näher auf die Bewohner Frankfurts ein, aber er erwähnte herausragende Persönlichkeiten namentlich. Unter den Geistlichen sei „insonderheit der Zeit Herr D. Späner wegen seines Eyfers und Pietaet, wie auch Herr Sondershausen1782 berühmt“.1783 Damit lösten konkrete Personen und deren Leistungen die stereotypen Pauschalisierungen allmählich ab. Neu war an Roths Beschreibung auch, dass er mit dem Pietisten Spener einen Geistlichen hervorhob, statt wie eher zu erwarten, Persönlichkeiten aus der städtischen Politik zu erwähnen. Im 17. Jahrhundert hatte zwar der Blick auf das Individuum das pauschale Lob einer fleißigen, ehrwürdigen und treuen Frankfurter Gesellschaft abgelöst. Allerdings rückten dafür Einzelleistungen und politische, gesellschaftliche oder religiöse Ämter und deren erfolgreiche Erfüllung in den Fokus. Menschliche bzw. persönliche Eigenschaften und Charakteristika wurden nicht oder nur selten genannt. In den gedruckten Reiseberichten traten die Frankfurter Einwohner etwa Mitte des 17. Jahrhunderts in den Fokus der Verfasser, wobei ihre Erwähnung vom Grund der Reise und den Intentionen der Reisenden abhängig war und sich überwiegend auf die Nennung persönlicher Kontakte und Einzelpersonen beschränkte. Als Beispiel kann der italienische Reisemarschall Cosimo Prie dienen, der 1667 den Toskanischen Großherzog Cosimo III. auf seiner Reise begleitete. Sie besuchten die Handelsstadt, um dort finanzielle Wechselgeschäfte zu erledigen. Bei dieser Gelegenheit wurden sie in das Haus der Brüder Peter und David de Neufville geführt, die zu den reichsten Kaufleuten zählten und bei denen sie die „allerliebenswüdigste[n] Artigkeiten“1784 erfahren hätten. Auch in den handschriftlichen Reiseberichten erwähnten die Verfasser häufig Frankfurter Personen namentlich, die zu ihren persönlichen Kontakten gehörten und auf den Reisen besucht wurden. Georg Christoph Kress von Kressenstein hatte sich 1711 anlässlich der Kaiserwahl in Frankfurt aufgehalten. Seine Reisebeschreibung enthält sehr viele Einträge zu seinem Tagesablauf, mit wem er gegessen oder wann er mit wem spazieren gegangen war: „Den 30. dito [Juli] speiseten wir zu Mittag im Hauß [Gasthaus zum Roten Mann, Anm. d. Verf.] bey einer großen Compagnie von allerhand Cavaliers. Nachmittag fuhren wir zu H. D. d’Orville1785 […], so uns gar höflich empfing.“1786 1782 Gemeint ist der Prediger Johann Conrad Sondershausen (1632–1704). 1783 Roth, Memorabilia Europae, S. 137. 1784 Geisenheimer, Ein italienischer Reisebericht über Frankfurt, S. 52. 1785 Gemeint ist hier vermutlich ein Mitglied der vermögenden calvinistischen Familie d’Orville. 1786 Georg Christoph Kress von Kressenstein: Friedrich Kress von Kressenstein Kopie des Reisetagebuchs des Georg Christoph Kress von Kressenstein. 1711, fol. 18. Germanisches Nationalmu-
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Samuel Gottlieb Voigt beschrieb in seiner Historischen Lebens- und Reisebeschreibung 1731 seine Frankfurter Unterkunft und Gastgeber für diese Zeit erstaunlich detailliert. Er habe in der Buchbinder-Herberge gewohnt, dem Gasthof Ritter, und Arbeit habe er bei Herrn Joust Heinrich Wieganden gefunden: „Dieser liebe Mann, war ein fürchterlicher Arbeiter, dieses muß man ihm zum Ruhm nach sagen, dabey auch ein guter Christ.“1787 Ebenfalls, und offenbar mit etwas Ironie, beschrieb er Wiegands Frau, „welche man die Madame Sägebockin titulirte, weil ihr Vater ein Holtzhacker war, war sonst keine häßliche Person, sie hatte den Fehler, welchen fast alle Weiber an sich haben, daß sie dem Gesinde nicht gerne zu eßen geben, auch an sich“.1788 Die Frankfurter Frauen im Allgemeinen seien hingegen berühmt „von wegen ihrer Reinlichkeit“, und es „giebet auch noch ziemlich schönes Frauenzimmer alda“.1789 Der Baron Carl Ludwig von Pöllnitz berichtete in seiner Reisebeschreibung von 1735 über das „gemeine Volck“. Es seien nur wenig Städte in „Teutschland“ zu finden, in denen „das gemeine Volck ungeschliffener, als in dieser Stadt“1790 sei. Das „Weibs-Volck“ kritisierte er als „über die massen affectirt“ und dessen Sprache als „unerträglich“.1791 Bei derartigen Beschreibungen spielten sicherlich auch der persönliche Geschmack, die persönliche Einstellung und individuelle Erfahrungen der Reisenden und Autoren eine besonders große Rolle. Es kann also nicht von Einzelberichten auf die tatsächlichen Charakteristika der Frankfurter geschlossen werden; was jedoch auch nicht das Ziel dieser Arbeit ist. Viel wichtiger ist es, dass seit der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts dieser Aspekt Bestandteil des Frankfurt-Diskurses wurde. In der Reiseliteratur des 18. Jahrhunderts gehörte die Reflexion gesellschaftlicher Strukturen mittlerweile regelmäßig dazu, auch wenn sich nicht alle Autoren in gleichem Maße diesem Thema widmeten. Diese Feststellung konnte auch York Lohse in seiner Studie über das Bild der kolonialen Metropole Mexiko im 18. Jahrhundert machen.1792 Im Mexiko- wie im Frankfurt-Bild nahmen die Autoren eine Gewichtung aus ihrem jeweiligen Blickwinkel heraus vor, indem sie manche Aspekte gar nicht berücksichtigten, andere Gesichtspunkte hingegen in besonders großem Umfang.1793 seum Nürnberg, Kress-Archiv, Rep. Kraftshof, Nr. 179. 1787 Voigt, Historische Lebens- und Reisebeschreibung, fol. 16r. 1788 Ebd. 1789 Ebd., fol. 16v. 1790 Pöllnitz, Nachrichten des Baron Carl Ludwig von Pöllnitz, S. 44. 1791 Ebd. 1792 York Lohse: Mexiko-Stadt im 18. Jahrhundert. Das Bild einer kolonialen Metropole aus zeitgenössischer Perspektive. Frankfurt a.M. 2005, S. 362. 1793 Ebd.
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Ab den 1730er-Jahren hatte das Bild von der Frankfurter Gesellschaft in den literarisch-publizistischen Quellen sozusagen die dritte Entwicklungsstufe erreicht: von einer pauschalen und ausschließlich positiven Stereotypisierung über die Nennung konkreter Einzelpersönlichkeiten und deren Eigenschaften und Verdienste hin zu einer individuellen Charakterisierung der gesamten Bevölkerung bzw. einzelner Bevölkerungsgruppen mit bestimmten Charaktereigenschaften und Merkmalen. Es erstaunt, wie unterschiedlich die Frankfurter und Sachsenhäuser Bewohner dargestellt und beurteilt wurden.
3.2.2.1 Die Frankfurter: International Die zunehmende Differenzierung führte dazu, dass das in der Publizistik tradierte Bild sogar zwischen Frankfurter und Sachsenhäuser Einwohnern mit je eigenen, teils sehr ungleichen Charakteristika unterschied. Ob die Verfasser aus eigenen Erfahrungen und basierend auf persönlichen Erlebnissen berichteten oder ihre Informationen aus anderen Texten bzw. vom Hörensagen bezogen hatten, ist häufig nicht überliefert und nur schwer zu rekonstruieren. Der einzige Anhaltspunkt sind zumeist wortwörtliche Übereinstimmungen in den Texten. Teilweise reagierten die Reiseschriftsteller auch auf Aussagen in bereits erschienenen Berichten und stimmten ihnen zu oder vertraten eine andere Ansicht. Aus den Lexikoneinträgen zu Frankfurt konnten die Autoren allerdings, abgesehen von formalen Angaben wie Bevölkerungszahl, Konfession, Rechte und Pflichten der Einwohner Frankfurts, keine charakterlichen Eigenschaften entnehmen. Die Untersuchung der Frankfurt-Beschreibungen des 18. Jahrhunderts ergibt ein Bild von einer sehr international, heterogen und ‚bunt gemischten‘ Frankfurter Gesellschaft. Der Reisende Voigt schrieb 1731 beispielsweise von „allerhand Menschen und Völckern“, die dort „unter einander wohnen“ würden. Außerdem werde in Frankfurt viel Französisch gesprochen, „es giebt Italiener, Savoyarden, Tyroler, insonderlich viele Niederländer, diese sind meistens reformirter Religion“.1794 Johann Bernhard Müller schrieb 1747 den Frankfurter Bewohnern einen Charakter zu, der über stereotype Allgemeinplätze weit hinausreichte. Der Grund für die spezifische Ausprägung der Einwohner liege laut Müller in der Frankfurter Besonderheit begründet, dass „allhier ein Zusammenfluß von verschiedenen Nationen [stattfinde], welche folglich die Art zu leben, auch unter den Franckfurtern selbst sehr unterschieden machen“. Denn es sei der „alte Stamm der Francken […] allhier mit Sachsen, Schweitzern, Brabändern, Holländern, Frantzosen, Italiänern, Juden und andern sehr vermischet worden“.1795 1794 Voigt, Historische Lebens- und Reisebeschreibung, fol. 16v–17r. 1795 Müller, Beschreibung des gegenwärtigen Zustandes, S. 203.
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Diese Darstellung lässt vermuten, dass Müller die oben genannte und zitierte Chronik, Fragment einer Frankfurter Chronik1796, gekannt hat, auch wenn er eine ganz andere Einstellung vertrat: „Ein beständiger Zufluss von Fremden“ würde sich positiv auf die Entwicklung und Außendarstellung Frankfurts auswirken, denn „viele dieser Vornehmen und Reichen belustigen sich zur Sommers-Zeit auf ihren meist nahe um die Stadt gelegenen anmuthigen Land-Gütern und Höfen“.1797
Abb. 22: Blick in die Stadt hinein: Geschäftiges Treiben auf dem Römerberg. Kupferstich von Salomon Kleiner, 1738.
Eine im öffentlichen Diskurs wahrgenommene und diskutierte Auswirkung der internationalen Ausprägung Frankfurts war der Frankfurter Sprachgebrauch bzw. Frankfurter Dialekt, den Wölfling 1795 in seiner Reisebeschreibung als eine „Mischung von Oberhessischer, Fränkischer und Rheinländischer Mundart“1798 1796 Fragment einer Frankfurter Chronik, S5/25, fol. 4r. 1797 Müller, Beschreibung des gegenwärtigen Zustandes, S. 208. 1798 Siehe auch für die folgenden Zitate Wölfling, Reise durch Thüringen, S. 150–151.
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beschrieb, die allerdings besser klinge als jede einzelne von ihnen. Außerdem bediene sich der Frankfurter einer Menge Wörter und Redensarten, die im „Hochteutschen“ unbekannt seien, und „das Wörtchen eben wird gerade so häufig eingeschaltet, wie bey den Schwaben das halt“. In Frankfurt nutze man auch sehr häufig französische Wörter und selbst unter den einfachsten Leuten sprächen viele das Französische „fertig und regelmäßig; wozu ohne Zweifel die Nähe von Frankreich und der Verkehr mit Straßburg das Meiste beyträgt“. Auch der Reisende Schreiber hatte den Eindruck, dass die Frankfurter den Besuch fremder Menschen gewöhnt seien, ganz anders als im benachbarten Mainz, wo „jeder Fremde die neugierigen Blicke müßiger Gaffer auf sich zieht“, man in Frankfurt jedoch „ganz unbemerkt unter dem beschäftigten Menschengewühle“1799 wandeln könne. Interessanterweise stellte der Reisende John Moore 1779 fest, dass sich die Frankfurter Gesellschaft keineswegs als eine homogene Gruppe betrachte, sondern sehr wohl – insbesondere von Seiten des Adels bzw. Patriziats – auf die jeweiligen Privilegien und Rechte pochen würde. So würden zumindest einige aus dem Patriziat „jede Gelegenheit [ergreifen], den wesentlichen Unterschied anzuzeigen, der zwischen ihren Familien und den bürgerlichen“ herrsche. Das Bürgertum hätte zwar einige „Vorzüge“ und „durch Handlung oder irgend ein anderes eben so niedriges Gewerbe große Reichthümer erworben“, die es ihm ermöglichten, „mit einer ihrem Stand nicht geziemenden Pracht zu leben“.1800 Der Hof- und Stadtvikar zu Karlsruhe, Christoph Friedrich Rinck, hatte im Gegensatz zu dem bislang überwiegend positiv ausgeprägten Bild 1784 keinen sehr guten Eindruck von den Frankfurtern gewonnen. Er attestierte den Bürgern einen „elende[n] steife[n] Ton“. Man höre „nicht leicht ein vernünftiges Wort, ein jeder sizt [im Wirtshaus, Anm. d. Verf.] auf seinem Fleck steif und stum und trinkt seinen Wein, gibt sich dabei ein Ansehen, wie ein Bürgermeister“.1801 Vereinzelt äußerten sich die Reisenden auch über die Frankfurter Frauen – als ob sie eine eigene Bevölkerungsgruppe darstellten bzw. als ob sich alle anderen grundsätzlichen Beschreibungen der Frankfurter nur auf die Männer beziehen würden. Adam Walker fiel 1791 bei seinem Aufenthalt während der Frankfurter Messe die große Menge „besonders von Weibern“1802 auf, „und in der That scheint
1799 Schreiber, Bemerkungen auf einer Reise, Erste Hälfte, S. 3. 1800 Moore, Abriß des gesellschaftlichen Lebens, S. 226. 1801 Christoph Friedrich Rinck: Hof- und Stadtvikarius zu Karlsruhe, Studienreise 1783/84, unternommen im Auftrage des Markgrafen Karl Friedrich von Baden. Nach dem Tagebuche des Verfassers herausgegeben von Dr. Moritz Geyer, Professor am Friedrichsgymnasium zu Altenburg. Altenburg 1897, S. 223–224. 1802 Walker, Bemerkungen auf einer Reise, S. 64.
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dieß Geschlecht in dieser Landschaft in jedem nützlichen Dinge geschickter zu seyn, als in irgend einer Landschaft“, die er je gesehen habe. So würden die Frauen auch auf den Feldern und Landstraßen arbeiten, sie „fahren mit Karren und Wagen, und sogar habe ich einige pflügen sehen“.1803 Die Engländerin Ann Radcliffe hatte die Frankfurter 1795 mit der Englischen bzw. Londoner Bevölkerung verglichen. Erstere sei zwar „very distinct, as to manners and information, from the other Germans“, aber gleichzeitig doch „so far like to those of our own commercial cities“.1804 Die prägende Eigenschaft der Frankfurter Mentalität sei auch „the plenty and peacefulness of the city“, was der Stadt in politischen und militärischen Auseinandersetzungen geholfen habe, etwa gegen die Franzosen während der Napoleonischen Kriege. Das alltägliche Verhalten der Frankfurter und ihre Gewohnheiten, Bräuche, „topics of conversation and even dress, differ very slightly from those of London, in similar ranks“. Die Frankfurter freiheitliche Gesellschaftsordnung sowie der Frankfurter Handel – „freedom and commerce“ – würden einer „mental and physical desolation“ entgegenwirken, die sonst überall im Lande dominiere, wie Radcliffe darlegt. Auch fiel Ann Radcliffe sehr positiv auf, dass durch den Gebrauch beider Sprachen – Deutsch und Englisch – eine stärkere Verbindung zwischen entfernt gelegenen Orten geschaffen werden könne, und besonders die Engländer seien froh darüber, „to see existing and increasing [the use of English, Anm. d. Verf.], to the advantage of England, at Franckfort“. In den Zeitschriften der Aufklärung beteiligten sich die Autoren nur sporadisch an dem Diskurs über die Charaktereigenschaften der Einwohner Frankfurts. Ein anonymer Autor wies, ähnlich wie Ann Radcliffe, 1796 im Deutschen Magazin darauf hin, dass die beiden wichtigsten Eigenschaften Frankfurts – eine selbstverwaltete Reichs- und bedeutende Handelsstadt – „nicht allein auf seine [Frankfurts, Anm. d. Verf.] innerliche und äusserliche Verfassung einen sehr grossen Einfluss haben, sondern daß sie auch den Karakter und die Sitten seiner Einwohner stempeln“ würden.1805 An dieser Bemerkung ist besonders interessant, dass der Autor die Charakteristika auf die politische Verfasstheit der Stadt zurückführte. Daraus wird deutlich, dass sich im 18. Jahrhundert der Zusammenhang zwischen der politischen Verfasstheit als freie Reichs- und Handelsstadt und dem Charakter der Einwohner wie ein roter Faden durch das Bild von der Bevölkerung Frankfurts zog. Historisch bedingt seien die Frankfurter Bürger – ursprünglich zugezogene Adelige, 1803 Ebd., S. 65. 1804 Siehe auch für die folgenden Zitate Radcliffe, A Journey Made in the Summer of 1794, S. 225–226, 228, 231–232. 1805 Vertraute Briefe über verschiedene freie deutsche Reichs-Städte, S. 74.
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die nun zum Stadtadel bzw. Patriziat gehörten – nach Ansicht des Autors zum einen geprägt durch ihren Reichtum und Wohlstand, zum anderen durch ihre Tapferkeit.1806
3.2.2.2 Die Sachsenhäuser: kein feiner Charakter, aber fleißig Ganz anders als die Frankfurter wurden die Sachsenhäuser Bürger beschrieben. Dem südlich vom Main gelegenen Sachsenhausen schreibt die heutige Stadtgeschichtsschreibung einen dörflichen Charakter zu. Es war forstwirtschaftlich und ackerbürgerlich geprägt. Die Gewerbe der Sattler, Seiler, Pflugmacher sowie Grob- und Hufschmiede waren besonders stark vertreten. Außerdem lebten dort Förster, Säger, Besenbinder und Korbmacher.1807 Während die Neustadt ähnlich strukturiert war, setzten die (Wein-)Gärtner und Hirten stärker auf den agrarischen Sektor und betrieben häufig landwirtschaftliche Höfe. In der Altstadt wiederum konzentrierten sich der Handel und das Gewerbe sowie die wichtigen öffentlichen und kirchlichen Gebäude wie Rathaus, Stadtwaage, Stifte, Zunfthäuser, Klöster, Geschäfts- und Wohnhäuser.1808 Der in der Publizistik geführte Diskurs vermittelte den Eindruck, als existierten in der Frühen Neuzeit zwei völlig unterschiedlich und klar voneinander unterscheidbare Gesellschaftsgruppen zweier unterschiedlicher Städte bzw. Stadtteile. Ein Großteil der Beschreibungen erweckt den Eindruck, als wären die Frankfurter die zivilisierten und fortschrittlichen ‚Hauptstädter‘, während die Sachsenhäuser als ackerbürgerlich, einfältig und ungebildet, aber immerhin fleißig und aufrichtig beschrieben wurden. In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts hatte sich ein überwiegend negatives Bild von den Sachsenhäusern entwickelt, das sich in den Stadtbeschreibungen andeutete und in der Reiseliteratur rezipiert und tradiert wurde. Offenbar spielten Beruf und gesellschaftlicher Stand eine große Rolle bei der Beurteilung der Sachsenhäuser Charaktereigenschaften. Der Reisende Andreas Meyer betonte 1777, dass in der „Vorstadt“ Sachsenhausen überwiegend Schiffer, Gärtner und Tagelöhner wohnten und man sich leicht vorstellen könne, wie die Lebensart dieser Leute geschaffen sein müsse: „Ja sie weichen so gar von den ersten Grundregeln der Höflichkeit so sehr ab, daß man im ganzen oberrheinischen Kreise denienigen, der in einer groben und bäurischen Aufführung, eine Art von Ehre sucht, zu fragen pflegt, ob er etwan ein Sachsenhäuser wäre?“1809 1806 Ebd., S. 92–93. 1807 Bund, Frankfurt am Main im Spätmittelalter, S. 117. 1808 Ebd., S. 113 ff. 1809 Meyer, Briefe eines jungen Reisenden, Erster Teil, S. 73.
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Johann Heinrich Campe bezeichnete die Sachsenhäuser 1786 aufgrund ihrer Eigentümlichkeiten, eigenen Mundart, Lebensart und Sitten sogar als eine „fremde Nation“1810: „Sowie die Juden unter den Christen, die Hallischen Halloren unter den Obersachsen ihren eigenthümlichen Character zu behaupten wissen, eben so haben auch die Sachsenhäuser, ohngeachtet sie neben und unter Frankfurtern leben, ihr Unterscheidendes bisher immer zu erhalten gewußt.“ Sie seien „grob, unbändig, jähzornig, widerspenstig und aufrührerisch gegen ihre Obrigkeit, unbiegsam, tückisch, rachsüchtig und grausam bei der mindesten Beleidigung, welche ihnen widerfährt“. Campe ging sogar so weit, dass er die Mainbrücke, „wodurch die rohen Sachsenhäuser von den gesitteten Frankfurtern abgesondert“ würden, als besten Standort in Deutschland ansah, „um über die Vortheile und Nachtheile der Sittenverfeinerung auf der einen, und der altdeutschen Roheit auf der andern Seite aus eigenen Beobachtungen und Erfahrungen“ zu urteilen. Allerdings war das Bild von den Sachsenhäusern – ebenso wie bei den Frankfurtern – nicht ausschließlich negativ geprägt. Man konnte ihnen auch durchaus positive Eigenschaften abgewinnen. Chr. Wölfling relativierte 1795 das negativ geprägte Bild von den Sachsenhäusern und betonte ihren Fleiß und wirtschaftlichen Beitrag, denn selbst ihre so verrufenen „Gemüseweiber“ seien ihm zehn Mal lieber als die Fischweiber oder die Damen von der Halle in Paris. Die Sitten des „Pöbels“ seien nun einmal nirgends die feinsten, zumal in den Städten Süddeutschlands.1811 Selbst der eben erwähnte Campe schrieb ihnen trotz seiner Kritik Eigenschaften wie „Freimüthigkeit, eine Offenherzigkeit, eine Gradheit, einen Muth und eine Stärke des Leibes und der Seele [zu], welche man in solcher Allgemeinheit unter gesitteten und verfeinerten Menschen vergebens sucht“.1812 Ihre Lebensart und Umgangsformen seien „herrliche Überbleibsel wahrer und unverderbter Menschheit“.1813 Auch Philipp Wilhelm Gercken sah 1788 in den Sachsenhäusern trotz der kursierenden Vorbehalte und Vorurteile „brave, arbeitsame Leute, so die besten Gemüße um Frankfurt ziehen, womit nicht allein die Stadt hinreichend und im Ueberflusse versehen“, sondern auch sehr viel exportiert werden könne. Weil man in Mainz und den übrigen benachbarten Städten wenig Gemüse anbauen würde, würde der Gemüseanbau und -handel in Sachsenhausen der
1810 Siehe auch für die folgenden Zitate Campe, Sammlung interessanter Reisebeschreibungen, S. 205–206. 1811 Wölfling, Reise durch Thüringen, S. 41. 1812 Campe, Sammlung interessanter Reisebeschreibungen, S. 206. 1813 Ebd., S. 207.
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Stadt Frankfurt sehr viel Geld einbringen, was ihn zu einem sehr wichtigen Handelszweig mache.1814 Die Sachsenhäuser seien einfach und bescheiden und ihre Ausgaben deutlich geringer als die der Frankfurter. Deshalb würden die Sachsenhäuser auch früher heiraten als die Frankfurter, die finanziell zunächst sicherstellen wollten, ihren Familien einen gewissen Lebensstandard finanzieren zu können, und die zunächst an die Versorgung der Hinterbliebenen im Falle eines Todes oder Unfalles dachten.1815 Auch Herr Wölfling fühlte sich offenbar dazu veranlasst, das Bild der Sachsenhäuser ‚gerade zu rücken‘, schließlich seien die Schmiede und Schiffer anderer Städte und selbst in Frankfurt genauso „gute treuherzige Leute, denen ihre gesunden Einfälle recht naiv lassen, und die von andern nicht gerne zu viel vertragen“.1816 Überdies stellte Wölfling klar, dass sich keinesfalls alle Sachsenhäuser von der Gärtnerei oder anderen „groben Gewerben“ ernähren würden, schließlich bräuchte Frankfurt keine 14 000 Gärtner. Auch sei die Gärtnerei kein unansehnlicher Nahrungszweig und in der Vergangenheit „trieben die hiesigen Gärtner mit ihren Producten einen großen Handel nach Darmstadt, Maynz und andern Orten“.1817 Somit ergab sich von den Sachsenhäuser Bewohnern ein zwar einfaches, schlichtes, ja fast naives, rohes und sittenloses Bild, das jedoch durch ihren Fleiß, ihren nützlichen Sachverstand im Gemüseanbau und -handel sowie durch ihre Ehrlichkeit und Treue relativiert wurde. Insgesamt betrachtet dominierten besonders in den Stadtbeschreibungen stereotype Darstellungsmuster der Frankfurter und Sachsenhäuser, die geprägt waren von Tugenden, Fleiß, Wohlstand, Treue und Aufrichtigkeit gegenüber der städtischen Obrigkeit bzw. Derbheit, groben Verhaltensmustern, Fleiß und Ehrlichkeit der Sachsenhäuser Bürger. Damit erweisen sich die bereits im Städtelob aufgeworfenen Topoi als erstaunlich konstant und resistent gegenüber Veränderungen und Entwicklungen, wobei allgemein die Charakteristika und Eigenschaften der Frankfurter Bürger erst im 18. Jahrhundert in das Stadtbild Eingang fanden. Bedeutende Veränderungen erfuhr das Bild des Frankfurters bis zur Jahrhundertwende allerdings kaum, war den Frankfurtern doch sicherlich sehr daran gelegen, als fleißig, arbeitsam, wohlhabend, ehrlich und treu gegenüber 1814 Gercken, Historisch-Statistische Beschreibung der freien Reichsstadt Frankfurt am Mayn, S. 19. 1815 Faber, Topographische, politische und historische Beschreibung, 1. Teil, S. 530. 1816 Wölfling, Reise durch Thüringen, S. 42. 1817 Ebd.
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der Obrigkeit bzw. Regierung zu erscheinen. Die Sachsenhäuser mussten allerdings wohl damit leben, dass ihre Fremdwahrnehmung durch ihre derbe Sprache und Verhaltensweise geprägt war, auch wenn hin und wieder Autoren für sie eintraten, um vielleicht auch das Gesamtbild des Frankfurter und Sachsenhäuser Bürgers in positiver Erinnerung zu bewahren.
3.2.3 Gastfreundschaft und Offenheit Als Stadt mit viel auswärtigem Publikums- und Reiseverkehr besonders während der international besuchten Messen und Kaiserwahlen wurde als ein weiterer Topos ab etwa 1600 die Gastfreundschaft und Offenheit Frankfurts gegenüber Fremden kolportiert. Ausgehend von den Gedichten und Geschichten über die Messen, wie Marx Mangolds Marckschiffer-Gespräch (1596), entwickelte sich die Gastfreundschaft zu einem stereotypen Charakteristikum. Der Student in dem Marckschiffer-Gespräch betonte, dass es in Frankfurt nie an Unterkünften und Herbergen für Gäste gemangelt habe. Sie könnten sich in der Stadt wie zu Hause fühlen statt als Fremde: „Wer her kombt uber hundert Meil/ Soll nicht meinen/ daß er sey auß/ In der Frembd, sonder seim eigen Hauß:/ Vergessen daß er ist ein Gast.“1818 Modern gesprochen zeigte sich der Topos des Dienstleistungscharakters und der Gastlichkeit auch in moderaten Preisen, über die sich niemand beklagen könne.1819 Die Betonung der Gastfreundschaft im Bild von den Frankfurtern mag nicht so sehr überraschen, war dieser Aspekt doch eine zunächst besonders von Kaufleuten geschätzte Eigenschaft der bereisten Städte, die aber auch von anderen Reisenden, die auf sie angewiesen waren, häufig erwähnt wurde. Gastfreundschaft wurde nach Ansicht des Historikers und Philologen Gerhard Theuerkauf mit Ehrbarkeit und Güte assoziiert und war vielen Gelehrten zugleich ein „Inbegriff der Humanität“.1820 Folglich war die Gastfreundschaft gegenüber Fremden trotz der großen internationalen Einwohner- und Besucherzahlen nicht nur ein Frankfurter Spezifikum, sondern ein beliebtes Motiv des Lobgedichts auf deutsche Städte. Hartmut Freytag vermutet gar einen Zusammenhang zwischen der Beliebtheit des Motivs bei deutschen Humanisten und dem Umstand, dass bereits Tacitus diese Tugend der Germanen rühmte.1821 So wurden im 16. Jahrhundert beispielsweise im Städ1818 Mangold, Marckschiff, nicht fol. 1819 Ebd. 1820 Theuerkauf, Accipe Germanam pingentia, S. 98. 1821 Ebd., S. 30.
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telob auf Köln, ebenfalls eine vielbesuchte Handels-, aber auch Pilgerstadt, die zahlreichen Gasthäuser erwähnt, wie etwa von Johann Haselberg (1531).1822 Mit der Gastfreundschaft gebrauchte auch Petrus Vincentius in seinem Stadtlob auf Lübeck 1552 ein beliebtes Motiv der Zeit.1823 Gleichwohl spielte die Gastfreundschaft im Frankfurt-Bild erst ab dem 17. und besonders im 18. Jahrhundert eine größere Rolle. Auf den Lobschriften und Stadtbeschreibungen basierend, wurden schließlich bis in das ausgehende 18. Jahrhundert die außergewöhnlich große Gastfreundschaft sowie die vornehmen und günstigen Gasthöfe und Wirtshäuser Frankfurts tradiert. Der Stadtbeschreiber Müller zum Beispiel habe 1747 von allen Seiten sagen hören, dass man in Frankfurt sehr gut bewirtet werde: Die „hiesigen Gast-Häuser [seien] sehr wohl eingerichtet, welches für die viele hier durch reisende und sich hier aufhaltende Fremde, keine geringe Annehmlichkeit ist“.1824 Friedrich Andreas Walther betonte in seinem Loblied von 1748 sogar, dass Frankfurts Entwicklung unter anderem durch den Beitrag Hinzugezogener gefördert worden sei und sich viele Auswärtige darum bemühen würden, sich in Frankfurt niederzulassen: „Sein güldner Sitz wird je und immer/ Auch fremder Kinder Lust Spiel seyn./ Schaut, wie die Völcker sich bemühen/ In diese Grentzen einzuziehen.“1825 Vermutlich bezog er sich auf die zugezogenen Glaubensflüchtlinge (Calvinisten und Hugenotten) aus Frankreich, Flandern, Belgien und den Niederlanden, die im protestantischen Frankfurt eine Bleibe fanden. Die Aufnahme Fremder in Frankfurts Stadtmauern – wenn auch nicht als anerkannte Bürger – hätte laut Andreas Walther die Regierung sehr leicht und unkompliziert vollzogen: „Hier, wo kein Zwang und strenger Wille/ Den Mut des Fremdlings niederschlägt.“1826 Eine gewisse Verherrlichung der tatsächlichen Begebenheiten und einen Gegensatz zwischen Realität und Stadtbild muss man an dieser Stelle jedoch deutlich feststellen. Sicherlich hat sich Frankfurt gegenüber den geflüchteten bzw. zugezogenen Reformierten und Hugenotten als für die Zeit relativ großzügig erwiesen und auch Katholiken konnten nach der Reformation weiter in der Stadt leben. Doch spielten besonders wirtschaftliche Interessen die ausschlaggebende Rolle, weniger der Gedanke an Gleichberechtigung und Toleranz gegenüber fremden Konfessionen oder Herkunftsländern. So besaßen die Zugezogenen – wie oben dargestellt1827 – größtenteils kein Bürgerrecht und waren von jeglicher 1822 Schmid, Heilige Städte, alte Städte, Kaufmannsstädte, S. 122. 1823 Freytag, Das Stadtlob des Petrus Vincentius, S. 28. 1824 Müller, Beschreibung des gegenwärtigen Zustandes, S. 232. 1825 Walther, Die Vorzüge der Stadt Frankfurt am Mayn, 1748. 1826 Ebd. 1827 Siehe Kapitel I.2.5 „Gesellschaft und Religion“.
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politischen Teilhabe ausgeschlossen. Die Katholiken und Reformierten durften zudem lange Zeit ihren Glauben nicht öffentlich ausüben. Der Reisende Christian Gottlieb Schmidt zeigte sich 1786 nach seinen zahlreichen Besuchen bei Standespersonen in Patrizierkreisen von ihrer Gastfreundschaft angetan. In keiner Stadt habe er „so viel Politeße Urbanität und Hospitalität angetroffen als hier“.1828 Doch gegenüber den zahlreichen Berichten, die auf die guten Gasthöfe und Gastfreundschaft verwiesen, gab es auch einige wenige relativierende Stimmen. Gottlob Friedrich Krebel bemerkte etwa in seiner Reiseanleitung von 1783, dass es zwar an Lustgärten und Promenaden in Frankfurt keinesfalls mangele, „doch müssen Fremde gute Addressen an die hiesigen angesehenen Familien haben, wenn sie auf einen angenehmen Fuß in Frankfurt leben wollen“.1829 Dennoch wurden Offenheit, Höflichkeit und Gastfreundschaft den Gastgebern – ob adelig oder bürgerlich – fast immer zugeschrieben. Sie gehörten fest zum Bild der Frankfurter. Das Lob der Gasthäuser und der überaus großen Gastfreundschaft kann zwar spezifisch für Frankfurt angesehen werden, aber abgesehen von den oben genannten formalen bzw. literarischen Traditionen haben die Reisenden diese Attribute vermutlich auch der Form halber und aus Höflichkeit und Dankbarkeit für die Beherbergung in ihren Reiseberichten erwähnt. Als internationale Handels-, Messe- und Krönungsstadt war es aber durchaus ein Charakteristikum Frankfurts, dass es häufig Fremde beherbergen musste. Ein verhältnismäßig großer Anteil an internationalen Besuchern und Zugezogenen war nichts Außergewöhnliches.1830 Somit ist es nur nachvollziehbar, dass sich die Stadt entsprechend offen darstellte und in der Öffentlichkeit als weltoffen und zugänglich wahrgenommen wurde und wahrgenommen werden wollte.
3.2.4 Luxus und Überschwang Frankfurts Funktion als Handelsstadt und Finanzplatz brachte neben Offenheit und Gastfreundschaft auch Wohlstand und Reichtum in die Stadt, was sich auch im Stadtbild widergespiegelt hat.1831 Allerdings vermittelt der Frankfurt-Diskurs ab 1750 eine Diskrepanz zwischen geschäftstüchtigem Handelsgeist und wohlverdien-
1828 Christian Gottlieb Schmidt: Von der Schweiz. Journal meiner Reise vom 5. Julius 1786 bis den 7. August 1787, S. 287. 1829 Krebel, Die vornehmsten Europäischen Reisen, Teil 1, S. 241. 1830 Siehe hierzu Karpf, Eine Stadt und ihre Einwanderer. 1831 Siehe hierzu die Kapitel II.1.1.3 „Die Lage am Main: „Motor“ für Verkehr und Handel“, II.1.1.4 „Die fruchtbare Lage: Ernährung und Versorgung“ und II.1.2.5 „Wirtschaftliche Stärke und politische Zentralität“.
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tem Besitz einerseits und einem ausufernden, verschwenderischen Lebenswandel andererseits. In der Neuen Europäischen Staats- und Reisegeographie (1752) listet Carl Gottlob Dietmann beispielsweise die „fürnehmsten Kauf- und Handelsherren“1832 auf, zu denen Alpher, de Bary, Behagel, Wuppermann, Ziegler und Zwirlein gehörten. Unter diesen Bankiers und Großkaufleuten seien viele bekannte Kapitalisten. Viele von ihnen machten „ihren Handel einzig mit großen und starken Wechseln, und sind angesehene und berühmte Banquiers, durch deren Correspondenz man von hieraus an alle Orte und Reiche von Europa Geld übermachen kann“.1833 Doch der Stadtbeschreiber Faber kritisierte bezugnehmend auf die LersnerChronik 1788 in dem Kapitel „Sitten und Gebräuche […] der Einwohner“ den luxuriösen und feudalen Lebenswandel und das ausschweifende Leben in Frankfurt: „Das Wohlleben, dessen Heerführer die Lustbarkeit, Vergnügung, Pracht und Mode sind, macht den Luxus noch nicht aus, so lang die Quelle desselben, solang der Rathgeber desselben der Ueberfluß ist.“1834 Auch August Joseph Ludwig von Wackerbarth störte der finanzielle und seiner Meinung nach verschwenderische Lebenswandel der Kaufleute: „Die Möblierung der Häuser, die Gärten, die Equipagen, die Kleidungen, der Schmuk der Männer, der Luxus der Frauen, kurz, alles übersteigt das Bürgerliche, und gränzt nahe an die verschwenderischeste Pracht.“1835 So glaube man gar an Festtagen in Frankfurt „die ehemaligen Pairs von Frankreich, die Grandes von Spanien und die Lords von Grossbritannien zu sehen, unterdessen es Kaufleute sind“.1836 Das Gebaren der Patrizier und reichen Handelsleute brachte Wackerbarth sogar so weit, sie als hochmütige und „stolze Freireichsstädter“ zu beschreiben. Somit folgte den Frankfurtern in der Publizistik des späten 18. Jahrhunderts nicht nur der Ruf fleißiger und erfolgreicher Handelsleute. Offensichtlich gab es im späten 18. Jahrhundert eine öffentliche Auseinandersetzung bzw. einen Diskurs darüber, wie sehr der Luxus in Frankfurt vorherrsche und ob von verdientem Wohlstand oder verschwenderischer Pracht die Rede sein müsse. Denn nicht alle Reisenden schlossen sich dieser Meinung an: „So übel berüchtigt auch der gesellschaftliche Ton in Frankfurt ist, und so sehr man den Kaufleuten vorwirft, daß Geld, Geld ihre einzigen Götter seyen, so wird man doch bald geneigt, dieses harte Urtheil zu mildern, wenn man erst selbst in die hiesigen gesellschaftlichen Zirkel Zutritt gefunden hat“1837, wie Alois Wilhelm Schreiber 1793 revidierend
1832 Dietmann/Haymann, Neue Europäische Staats- und Reisegeographie, S. 686. 1833 Ebd., S. 686–687. 1834 Faber, Topographische, politische und historische Beschreibung, 2. Teil, S. 527–528. 1835 Wackerbarth, Rheinreise, S. 93. 1836 Ebd., S. 94. 1837 Schreiber, Bemerkungen auf einer Reise, Erste Hälfte, S. 11.
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feststellte. Auch gehe der Luxus bei den Kaufleuten „nicht so sehr ins Glänzende wie bei dem Adel, aber er ist bei jener Klasse solider“.1838 Letztlich sah der Reisende Wölfling in den Frankfurter Bürgern „mehr den Charakter des Wohlstandes als des Sittenverderbnisses“.1839 Dazu gehörte auch eine gewisse Bescheidenheit in der Außendarstellung. Dementsprechend war Wölfling überzeugt davon, dass der Bürger einer sächsischen Handelsstadt, „die sich in Ansehung ihres Flors mit Frankfurth messen könnte, […] in Kleidern und Möbeln noch einmal so viel Aufwand machen [würde], als der hiesige Bürger“.1840 Auch nach Ansicht von Johann Friedrich Karl Grimm 1775 sehe man „Pracht und Reichthum“1841 nicht auf der Straße herumlaufen, obschon die Einrichtungen der Häuser den Eindruck von Reichtum erwecken würden. Besonders unter den ausländischen Reisenden kursierte das Bild vom Frankfurter als erfolgreichem und wohlhabendem Handelsmann, wie in einem anonymen französischen Reisebericht von 1782 deutlich wird: „L’on y trouve très bonne Societé, celle des Negociants reformés surtout me plaisoit en tout tems le plus.“1842 Wie zu Beginn dieses Kapitels in Zusammenhang mit der Offenheit Frankfurts schon anklang, spielte die mehrkonfessionelle Prägung Frankfurts nicht nur in der historischen Entwicklung der Stadt, sondern auch im Frankfurt-Bild insbesondere seit dem 18. Jahrhundert eine immer größere Rolle. Dies wird im folgenden Kapitel erläutert.
3.2.5 Die drei Konfessionen: Kirchen, Macht und Geld In den Stadtlobgedichten und Kosmographien des 16. Jahrhunderts haben Religion und Konfession erstaunlicherweise noch überhaupt keine Rolle in den Beschreibungen Frankfurts gespielt, die sehr auf die Vergangenheit und Gründung der Stadt bezogen waren. Das konfessionelle Zeitalter hatte hier offenbar keinen oder kaum Einfluss genommen. Das änderte sich erst in der Mitte des 17. Jahrhunderts zunehmend. Zuvor nahm der Glaube an Gott zunächst eine stereotype Form ohne spezifischen Bezug zu Frankfurt an und kam einem Allgemeinplatz gleich. Gott habe die Stadt beschützt und ihre Einwohner seien mit Gottes Segen bedacht worden. Ein
1838 Ebd., S. 12. 1839 Wölfling, Reise durch Thüringen, S. 143. 1840 Ebd. 1841 Grimm, Bemerkungen eines Reisenden, Dritter Teil, S. 47. 1842 Les Amusemens des Eaux de l’Allemagne: Avec quelques Remarques sur la Constitution. S.l. 1782, S. 5–6.
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Beispiel von vielen ist der Vers von Julius Caesar Scaliger: „Die Seel find auch da ihren Schatz, weil Gottes Wort da hat gut Platz.“1843 Doch abgesehen von den Konflikten und Auseinandersetzungen, die im Zuge der Reformation in Frankfurt entstanden waren und auch in den Frankfurter Chroniken angesprochen wurden, spiegelte die Publizistik erst ab Mitte des 18. Jahrhunderts das alltägliche Zusammenleben der drei Konfessionen in Frankfurt wider und bewertete die besondere konfessionelle Situation in der Reichsstadt. Erst im Laufe des 17. und verstärkt im 18. Jahrhundert nahmen Religion und Konfession innerhalb des Stadtbildes spezifisch auf Frankfurt zugeschnittene Züge an. Gleichzeitig war der Glaube eine Konstante im Frankfurt-Bild, auch wenn er im 16. und 17. Jahrhundert nur sporadisch erwähnt wurde, wie 1667 von Johann Rudolf Karst1844, der das Frankfurt-Bild in Bezug auf Glaube und Religion etwas ausdifferenzierte und auch die Ausübung und das Praktizieren des christlichen Glaubens erwähnte. Doch auch in der Mitte des 18. Jahrhunderts thematisierte das Städtelob mit keinem Wort die spezifische Frankfurter mehrkonfessionelle Struktur der Stadt. Stattdessen wurde der eine, feste Glaube als „reine Lehre“ hervorgehoben, wie 1748 bei Friedrich Andreas Walther: „Beglückte Stadt! wo reine Lehre/ Der frommen Bürger Richtschnur ist/ Wo man des Höchsten Dienst und Ehre/ Nach seiner wahren Vorschrift misst./ O Franckfurt! wer erreicht dein Glücke/ Da sich das heiligste Geschicke/ So treuen Lehrern übergibt?/ Der Himmel heisst dein Wohlergehen/ Auf ewig festen Pfeilern stehen.“1845 Karl Sigmund Holzschuher schrieb 1708 während seines Reiseaufenthaltes über Frankfurt, dass „die Evangelischen und Catholiquen ihr freyes Exercitium religionis“ hätten, doch sei vor kurzem beschlossen worden, „daß kein Catholic mehr zum Bürgerrecht soll gelaßen werden, und daß man die […] Catholische Bürger so alle laßen absterben. Es werde auch kein Catholic zur Raths-dignität admittiret“.1846 Damit wird die bedeutende Rolle des konfessionellen Lebens und der Rechte und Pflichten der jeweiligen Konfessionszugehörigen für das Stadtbild sehr deutlich, die sowohl von reisenden Adeligen als auch Gelehrten und Kaufleuten erwähnt wurden. Diese Feststellung erklärt sich auch mit der Besonderheit und Seltenheit der konfessionell heterogenen Bevölkerung Frankfurts. 1843 Julius Caesar Scaliger: Vers auf Frankfurt. Aus: Diehl, Frankfurt am Main im Spiegel alter Reisebeschreibungen, S. 212. Im Lateinischen Original heißt es: „Hic animi aeternae sed cumulantur opes.“ Vgl. Diehl, Frankfurt am Main im Spiegel alter Reisebeschreibungen, S. 211. 1844 Karst, Neugebundener Lorbeer-Krantz, S. 22: „In dir schallet seine [Jesus Christus, Anm. d. Verf.] Stimm, herrlich wird in dir gelehret/ Gottes schöne Wunderwerck werden rein in dir erkläret.“ 1845 Walther, Die Vorzüge der Stadt Franckfurt am Mayn, nicht pag. 1846 Holzschuher, Reise i.d. Niederlande und nach England, fol. 187.
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Dass sich die Aufspaltung der Frankfurter Bevölkerung in drei konfessionelle ‚Lager‘ schließlich nicht nur zu einer stereotypen Beschreibung, sondern regelrecht zu einem Sprichwort entwickelt hatte, das auch über die Reichsgrenzen hinaus bekannt war, zeigt der in französischer Sprache abgefasste Reisebericht von Otto Manderup Rantzau von 1740: „Il y a un proverbe a Franckfurth: die Catholischen die Kirchen, die Lutherischen den Rath und die Reformierten das Geldt.“1847 Schließlich hielt sich dieser Topos von der dreigeteilten konfessionellen Gesellschaft bis zum Ende des Untersuchungszeitraums, auch wenn er durchaus hinterfragt bzw. den aktuellen Gegebenheiten ‚angeglichen‘ wurde, wie der Reisebericht von Jacob Jonas Björnståhl aus dem Jahr 1782 verdeutlicht: „Das alte Sprichwort, daß zu Frankfurt die Lutheraner die Regierung, die Katholiken die Kirchen, und die Reformierten den Reichthum inne haben, trifft noch heutiges Tages ein.“1848 Die Streitigkeiten insbesondere über die Auslegung des Abendmahls und die Weigerung der Reformierten, sich dem Luthertum anzuschließen, legte besonders Walther in seiner Chronik ausführlich dar. Angefangen mit der Thronbesteigung der englischen Königin Maria I. Tudor 1554, in deren Folge die zuvor dorthin geflohenen reformierten Flamen nach Frankfurt kamen, gab er eine detaillierte Beschreibung über die Aufnahme der Glaubensflüchtlinge von Seiten des Rats ab, der davon ausging, dass die Neuankömmlinge den lutherischen Glauben annehmen würden. Etwa acht Folio-Seiten füllte Walther mit der Erläuterung der Auseinandersetzungen bis zum Jahr 1608 und dem Brand der kleinen reformierten Kirche, die immer wieder zu Beschwerden und Eingaben führten, weil der Magistrat auf die uneingeschränkte Anerkennung der lutherischen Religion pochte, die Reformierten aber an ihrem Glauben festhielten und sich die „flämischen oder niederländischen Prediger“ als „trotzig gegen den herrn bürger Meister erzeiget“ hätten. Als Konsequenz daraus sei im Jahr 1594 „d. 30. Januari ihre versammlung durch einen Raths bedienten abgestelt und zu geschloßen worden […], alßo [ist] letztlich auch die heimlich oder selbst angemaste frantzösische predigt ihnen, weilen sie nunmehro den evangelisch frantzösischen prediger hören würden, verbotten und entzogen“1849 worden. Die konfessionelle Struktur der Stadt Frankfurt gehörte auch deshalb zu ihrem in der Öffentlichkeit tradierten Bild dazu, weil selbst die insgesamt meist 1847 Otto Manderup Rantzau: Reisetagebuch in französischer Sprache 1739–1741, fol. 233. SLUB, Sign. Mscr. Dresd. App. 1656, [Manuskript/Entwurf]. 1848 Björnståhl, Briefe auf seinen ausländischen Reisen, S. 221. 1849 Walther, Aufzeichnungen angefangen 1719, nicht pag.
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knapp gehaltenen Lexikoneinträge zu Frankfurt im 18. Jahrhundert – stereotyp – auf diese verweisen. Ein prägnantes Beispiel hierfür ist das Reale Staats- und Zeitungs-Lexicon von Johann Hübner aus dem Jahr 1704: „Der Rath und die Bürgerschafft ist der Lutherischen Religion zugethan. Jedoch haben die RömischCatholische [sic] auch daselbst ihre Religions-Übung, wie nicht weniger die Juden.“1850 Die 22. Auflage dieses Lexikons aus dem Jahr 1722 ist in diesem Punkt noch ergänzt worden, indem auch die Reformierten mit ihrem Gottesdienst in Bockenheim und die Judengasse sowie deren zwei Brände von 1711 und 1719 – also ganz aktuell – erwähnt wurden.1851 Darüber hinaus trugen auch die Lexika zur Stabilisierung des Bildes von den politisch dominierenden Lutheranern, den schönsten und zahlreichen katholischen Kirchen und reichen Reformierten bei, wie beispielsweise das GeographischHistorisch-Statistische Zeitungs-Lexicon von Wolfgang Jäger in der Auflage von 1782: „Die meisten Einwohner der Stadt bekennen sich zur evangelischlutherischen Religion, aus welcher auch der Rath ist. Die Katholiken haben die vornehmsten Kirchen […]. Die Reformierten, die sehr zahlreich und wohlhabend in Frankfurt sind, halten sich zu dem Gottesdienste in dem hanauischen Flecken Bockenheim.“1852 Erstmals wirklich diskutiert und reflektiert wird das Zusammenleben zwischen Lutheranern, Katholiken und Reformierten in dem Reisebericht des Franzosen Casimir Freschot von 1705, der die zwei Religionen – Lutheraner und Katholiken – sogar als miteinander vermischt oder untereinander gemischt („melées“) beschrieb, „qui s’allient avec des marriages continuels“.1853 Erstaunlich ist auch die Bemerkung von Freschot, die allen bisherigen Beschreibungen widersprach, dass nämlich „les Religieux Catholiques ont pleine liberté de marcher par la Ville avec les habits de leur Ordre; y ont leurs Cloîtres & leurs Eglises ouvertes; & à proportion des Eglises le nombre des habitans Catholiques doit être plus grand que celui des Lutheriens, puis que ceux-ci n’en ont que sept & les autres neuf“.1854 Nach Ansicht von Freschot besäßen die Katholiken durchaus eine freie Religionsausübung und anhand der Anzahl ihrer Kirchen schloss er daraus, dass es von ihnen viel mehr in Frankfurt geben müsse als gemeinhin gedacht. Wie Freschot zu dieser Ansicht gelangte, ist ungewiss, doch schien er die Situation der Katholiken in der Reichsstadt möglichst vorteilhaft darstellen zu wollen, statt ihre verminderten Rechte gegenüber den Lutheranern anzupran1850 Hübner, Reales Staats- und Zeitungs-Lexicon, Sp. 434. 1851 Hübner, Reales Staats-, Zeitungs- und Conversations-Lexicon, Sp. 696. 1852 Jäger, Geographisch-Historisch-Statistisches Zeitungs-Lexicon, S. 553. 1853 Casimir Freschot: Remarques historiques et critiques, Faites dans un Voyage d’Italie en Hollande dans l’Année 1704. Zweiter Teil. Köln 1705, S. 46. 1854 Ebd., S. 50.
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gern, wie man vielleicht aus heutiger Perspektive erwarten würde. Als er eher zufällig einen katholischen Buchhändler nach kontroverser Literatur über die zwei Konfessionen fragte, antwortete dieser ihm sehr brüsk, „que ces sortes de livres étoient bannis de sa boutique, & de celles die bien d’autres Libraires, qui ne vouloient, comme lui, rien avoir, qui servît à fermer de la jalousie, & de la haine entre les deux Religion, qui vivoient en parfaite amitié à Francfort“.1855 Man wolle also in Frankfurt nichts über Differenzen zwischen den Konfessionen wissen. Stattdessen wurde das Verhältnis von Lutheranern und Katholiken nach außen als unproblematisch und sogar freundschaftlich dargestellt. Eine kritische Diskussion darüber wurde von der Obrigkeit offensichtlich von Anfang an möglichst unterbunden, wie der Reisebericht von Freschot dem Leser suggerierte. Doch es gab noch immer andere Stimmen, die es als „befremden“ empfanden, „daß die Katholiken nicht allein eine sehr freye Religionsübung, und dabey die Hauptkirche oder den Dom inne haben; sondern daß sie sich auch auf gewiße Art sehr ausdehnen“, obwohl doch der Stadtrat rein lutherisch sei.1856 Der Verfasser dieser Reisebeschreibung von 1777, Andreas Meyer, sah zwar durchaus die eingeschränkten Möglichkeiten ihrer Glaubensausübung aufgrund verbotener Prozessionen und des Verbots, die Monstranz öffentlich auf der Straße zu tragen, aber sie hätten immerhin „fast mehrere Kirchen als die Lutheraner, und dabey eine Menge Klöster und was dem anhängig ist“.1857 Im Gegensatz dazu hätten es die Reformierten in Frankfurt lange nicht so gut wie die Katholiken, obwohl man ihnen allein „um ihrer Reichthümer willen schon mehrere Vorzüge einräumen sollte“.1858 Erstaunlich ist auch die folgende Äußerung Campes, die zaghaft in Richtung religiöser Toleranz und Anerkennung anderer Glaubensrichtungen zielte, auch wenn sie noch immer voll Vorbehalte gegenüber der anderen Religion bzw. Konfession war und noch keine gleichwertige Anerkennung bedeutete. Campe wollte seine jungen Leser daran erinnern, daß es unverständig und lieblos gehandelt seyn würde, wenn wir unsere catholischen Brüder deswegen, daß sie das Unglück haben, minder aufgeklärt als wir zu seyn, belachen oder verspotten wolten. […] Laßt uns das Licht der bessern Erkenntniß, welches die gütige Vorsehung uns vor so vielen Millionen unserer Zeitgenossen so vorzüglich leuchten läßt, mit Freude und Dankbarkeit gebrauchen, […] aber laßt uns nie so unbillig und grausam seyn, jemanden zu verspotten oder gar zu hassen und zu verfolgen, weil ihm Vorurtheile ankleben, die man uns nie eingeflößt hat und von denen also frei zu seyn uns auch zu keinem Verdienste angerechnet werden kann.1859 1855 Ebd. 1856 Meyer, Briefe eines jungen Reisenden, Erster Teil, S. 69–70. 1857 Ebd., S. 70. 1858 Ebd., S. 71. 1859 Campe, Sammlung interessanter Reisebeschreibungen, S. 189.
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Genauso unverständlich war für Campe, warum die deutsch-reformierte und die französisch-reformierte Gemeinde ihren Gottesdienst nicht innerhalb Frankfurts abhalten durften; eine Begründung hierfür müssten die Leser schon in Frankfurt selbst suchen, fügte er wohl mit ironischem Unterton hinzu.1860 Aufgrund der Ausdifferenzierung und Individualisierung der Reisebeschreibungen im Zeitalter der Aufklärung entwickelte sich auch das Frankfurt-Bild entsprechend detailliert und personalisierter heraus. Dies zeigt sich auch sehr deutlich an der Konfession, indem insbesondere ihre kultische sowie kulturelle Seite zunehmend in den Vordergrund rückt. Der Reisebericht von Johann Heinrich Campe – einem Lutheraner – ist hierfür ein eindrückliches Beispiel, weil er nicht nur die konfessionelle Struktur der Stadt sowie die Rechte und Pflichten der jeweiligen Konfessionszugehörigen beschreibt, sondern auch sehr detailliert den Ablauf der Gottesdienste und die Ausschmückungen sowohl der evangelischen als auch der katholischen Kirchen. Über den katholischen Gottesdienst beispielsweise berichtet er seinen überwiegend jungen Lesern: „Alles, was man hier sieht und hört, ist weit sinnlicher, prachtvoller und ceremonienreicher, als was man in protestantischen Kirchen wahrzunehmen gewohnt ist.“1861 Dazu beschreibt er den aufwändig verzierten Hochaltar und den Chor sowie das Ornat der Priester, denn diese seien „nicht, wie unsere Geistlichen, schwarz, sondern ungemein prächtig und mannigfaltig gekleidet, indem sie bald in Sammt und Seide, mit Gold und Silber reich durchwirkt, bald ganz weiß, bald in dieser bald in jener Farbe erscheinen“.1862 Aufgrund des vielen Aufstehens, Hinsetzens, Hinein- und Hinausgehens gleicht für Campe die katholische Kirche einem „Bienenstocke, wo beständig aus und eingegangen wird. Hier drängt sich einer rauschend durch, als wenn’s ins Schauspielhaus gälte; dort liegen Dutzende auf den Knien und beten mit der bußfertigsten und frömmsten Miene ihren Rosenkranz ab, und einen Augenblick nachher sieht man sie lachen und schäkern als wenn sie in der lustigsten Gesellschaft wären; da spazieren andere längst den Seitenwänden hin, um die schönen Gemählde zu besehn.“1863 Die Perspektive aus dem europäischen Ausland wiederum nahm die konfessionelle Situation in Frankfurt als geradezu tolerant wahr, was sicherlich damit zusammenhing, dass etwa Frankreich oder Italien rein katholisch waren und grundsätzlich keine anderen Konfessionen zuließen. Im Vergleich dazu war die Situation in Frankfurt regelrecht durch Toleranz und Offenheit geprägt. Der Ita1860 Ebd., S. 190. 1861 Ebd., S. 184. 1862 Ebd., S. 184–185. 1863 Ebd., S. 186–187.
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liener Luigi Malaspina di Sannazaro glaubte 1786 in Frankfurt eine „tolleranza di Religione“1864 vorgefunden zu haben, die mit der politischen Verfassung der Stadt den Handel zum Blühen bringe und der Stadt großen Reichtum beschere. Schließlich hielt sich der Topos von der dreigeteilten konfessionellen Gesellschaft bis zum Ende des Untersuchungszeitraums, auch wenn er durchaus hinterfragt bzw. den aktuellen Gegebenheiten ‚angeglichen‘ wurde, wie der Reisebericht von Jacob Jonas Björnståhl aus dem Jahr 1782 verdeutlicht: „Das alte Sprichwort, daß zu Frankfurt die Lutheraner die Regierung, die Katholiken die Kirchen, und die Reformierten den Reichthum inne haben, trifft noch heutiges Tages ein.“1865 Gleichzeitig habe man ihm aber versichert, „daß die letztern gegenwärtig nicht mehr so vermögend, als ehedem, sind: ihr Handel hat ser abgenommen; doch findet man noch verschiedne ungemein begüterte Häuser unter ihnen.“1866 Ebenso gebe es auch durchaus katholische Wohlhabende, etwa das römisch-katholische Handlungshaus Bolongari und Gravenna, das „außerordentlich reich“ sei und außerdem ein weiteres „Comtoir“ in Amsterdam besitze.1867 Einerseits wird aus der Analyse des Diskurses über die Religion in Frankfurt deutlich, dass zunächst die Kürze der Beschreibungen und die wortwörtliche Rezeption innerhalb des Diskurses zu einem stereotyp geprägten und weit verbreiteten Bild von Frankfurt als mehrkonfessioneller Stadt unter lutherischer Regierung führte. Andererseits gab es zunehmend umfangreichere Beschreibungen, die über ein stereotypes Bild von der konfessionellen Dreispaltung der Stadt hinausgingen und die Lebens- und rechtlichen Umstände der Konfessionsangehörigen näher und mit aktuellem Bezug beschrieben. Wichtig ist jedoch vor allem die Feststellung, dass es seit der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts keine Beschreibung von Frankfurt gab, die nicht auf die konfessionelle Struktur Frankfurts einging, die somit seit den stereotypen Anfängen um 1500 im Laufe des 17. und 18. Jahrhunderts zu einem festen Bestandteil des Frankfurt-Bildes geworden war. Grundsätzlich stand auch eher die politische Sphäre im Zentrum des Diskurses und weniger der Glaubensbereich oder Glaubensinhalte – zumindest in den rein chronologischen Aufzeichnungen. Wie die handschriftlichen und ausformulierten Passagen der Chroniken, aber auch zunehmend der Stadt- und Reisebeschreibungen des 18. Jahrhunderts verdeutlichen, hatte die Auswirkung der Mehrkonfessionalität eine große Rolle für das Leben in der Stadt gespielt und auch einen bedeutenden Anteil im Bild von der Stadt Frankfurt eingenommen. 1864 Luigi Malaspina di Sannazaro: Relazione di una Scorsa per varie Provincie d’Europa del M. M**** a Madama G** in Parigi. Pavia 1786, S. 175. 1865 Björnståhl, Briefe auf seinen ausländischen Reisen, S. 221. 1866 Ebd. 1867 Ebd.
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Dabei dominierten im 17. und frühen 18. Jahrhundert vor allem die Auseinandersetzungen in den Jahren der Reformation und Glaubenskonflikte aus der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts, die Streitigkeiten um die Auslegung des Abendmahls, um die geistlichen Güter und vor allem die rechtliche Situation sowohl der Katholiken als auch der Reformierten in Frankfurt. Auch die Ereignisse während des Dreißigjährigen Krieges – insbesondere die Einnahme der Stadt durch Gustav Adolf im Jahr 1631 und die anschließenden Bestrebungen nach einer friedlichen Lösung1868 – spielen eine wichtige Rolle, doch stehen neben dem Verweis darauf, dass man den Schwedenkönig zum Schutze der lutherischen Religion in die Stadt gelassen habe, die konfessionellen Aspekte hinter den (macht-)politischen und wirtschaftlichen zurück. Gleichwohl lassen sich bei den Chroniken zwei Arten von Beschreibungen feststellen: neutrale Darstellung der Ereignisse einerseits und andererseits eine durchaus deutliche Parteinahme für die Konfession des Autors. Während in den Kosmographien des 16. Jahrhunderts die Religion oder Konfession noch überhaupt keine Rolle in den Beschreibungen Frankfurts spielt, die sehr auf die Vergangenheit und Gründung der Stadt bezogen sind, ändert sich dies in der Mitte des 17. Jahrhunderts zunehmend. Die Religion bzw. Konfession spielte für das Bild Frankfurts in der Mitte des 18. Jahrhunderts nunmehr eine ganz wichtige Rolle, als der unterschiedliche rechtliche und gesellschaftliche Status zwischen den Konfessionsangehörigen offen kritisiert wurde. Nicht der ‚richtige‘ Glaube stand mehr im Zentrum der Beschreibung, sondern der Mensch und das Individuum, denen eine gerechte Behandlung widerfahren sollte. Der Herr von Blainville nimmt hierin mit seiner aufgeklärten Einstellung von Gerechtigkeit und Gleichheit vielleicht eine Vorreiterrolle ein und seine Kritik verweist auf eine neue Ebene der kritischen und individuellen Meinungsäußerung im Genre der Reisebeschreibung. Die individuelle Ebene der Bewohner Frankfurts rückt damit immer weiter in den Vordergrund, indem nicht mehr nur pauschal und stereotyp auf die konfessionelle Struktur Frankfurts verwiesen wird, obwohl auch dieser Absatz in Blainvilles Reisebeschreibung nicht fehlte.
3.2.6 Die Juden und die Judengasse Die Frankfurter Judengasse wurde von der Einrichtung bis zum Ende ihres Bestehens regelmäßig beschrieben und gezeichnet. Über kaum ein anderes jüdisches
1868 Siehe zu diesen Ereignissen den sehr ausführlichen Eintrag in der Chronik von Gebhard Florian, Chronica, S. 122–139.
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Gemeinwesen sind so viele kulturhistorische Quellen überliefert.1869 Seit dem 17. Jahrhundert war die Judengasse für Reisende zu einer Art „schauerlichen Sehenswürdigkeit“1870 geworden, geprägt durch die enge Bebauung und die vielen dort lebenden Menschen. So nahm sie denn auch etwa seit Mitte des 17. Jahrhunderts einen zentralen Stellenwert im Frankfurt-Bild ein. Die Juden und ihre Judengasse waren seit dieser Zeit einerseits spezifisch für das frühneuzeitliche Frankfurt-Bild, gehörten andererseits aber auch zum Beschreibungskanon anderer Städte mit bedeutenden jüdischen Ansiedlungen, wie etwa Wien. In Frankfurt war seit den 1660erJahren ein Besuch des Ghettos häufig Bestandteil eines Pflichtprogramms, wie etwa bei Johann Sebastian Müller oder Edward Brown, die in die Frankfurter Synagogen oder Häuser gingen und sich die jüdischen Bräuche und Glaubensinhalte erklären ließen.1871 Zudem steht besonders die Frage im Mittelpunkt, wie sich die Juden und die Judengasse in das Frankfurt-Bild als ein kulturelles Zentrum der Frühen Neuzeit einfügten, da sie einen zunehmend wichtigen Stellenwert im Bild von der Stadt Frankfurt am Main einnahmen. Während die Judengasse erst zu Beginn des 17. Jahrhunderts in den Blickpunkt von Stadtbeschreibungen, gedruckten Chroniken und Reisebeschreibungen geriet, wurden die Juden selbst schon früher erwähnt, und zwar im Kontext von Gedichten und Flugschriften anlässlich der Frankfurter Handelsmessen. Im klassischen Städtelob allerdings gehörten die Juden oder die Judengasse nicht zu den beschriebenen Topoi. In Mangolds Marckschiff, oder Marckschiffer Gespräch von der Franckfurter Meß (1596) ist das von den Juden entworfene Bild (noch) erstaunlich positiv, vergleicht man es mit den folgenden Beschreibungen und überwiegend stereotypnegativ geprägten Erwähnungen in den Reiseberichten und Stadtdarstellungen. In dem Marckschiffer-Gespräch erklärt ein Student einem Krämer in einem fiktiven Dialog: „Also daß die Juden/ sag ich/ Der Messe seyn gar nicht schädlich;/ Sonder vil mehr gut/ und auch nutz/ Mit Geld wechseln/ darumb sie schutz/ Haben von den Franckfurter Herrn./ Man kann ihr gleichsam nicht entpern.“1872 Deutlich wird hier der Bezug zwischen der obrigkeitlichen Duldung der Juden und ihrer für die Stadt wirtschaftlichen Bedeutsamkeit, besonders im Bereich des Geldwechsels und Geldgeschäfts.
1869 Ries, Die Mitte des Netzes, S. 118–119. 1870 Schlick, Was Johann Wolfgang Goethe hätte sehen können, S. 53 ff. 1871 Tersch, Die Kategorisierung des Blicks, S. 119. 1872 Mangold, Marckschiff, nicht pag.
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Die Juden scheinen nach Ansicht des Autors ihr Geschäft sehr gut verstanden zu haben, weshalb er die Einstellung und Weitsichtigkeit des Rates gegenüber den Juden unterstützte und befürwortete: „Durch dieser Herrn vorsichtigkeit/ Geschieht also/ daß diese Leuth/ Die sonsten seyn der Christen Feind/ Werden derselben besten Freund.“1873 Die handschriftliche frühe Stadtchronistik aus dem 16. und 17. Jahrhundert thematisierte die jüdische Bevölkerung und die Judengasse nur marginal oder gar nicht, sodass sie aus der Frankfurt-Perspektive zunächst noch ausgeblendet wurden. Im Verlauf des späten 17. und 18. Jahrhunderts wurden dann zumindest die wichtigsten historischen Ereignisse kurz erwähnt, bei denen die Juden involviert waren, wie die Privilegierung der Juden (im Reich) durch Kaiser Friedrich II. von 1236, der sie zu seinen Kammerknechten erklärte, die sogenannte Judenschlacht von 1241 in Frankfurt,1874 die Vernichtung der jüdischen Gemeinde 1349, besonders der Fettmilch-Auftand und die Vertreibung der Juden von 1614 sowie die Brände in der Judengasse 1711 und 1721. Zum Jahr 1462 findet sich in der Chronik von Adam Schile sogar ein Eintrag zur Errichtung der Judengasse, was sonst nur sehr selten vorkam: „Eodem Ao. [1462] Seind die Juden auß geheiß des Raths uff Joannis Baptisti in Ihre Newe Häußer uff den wallgraben gezogen.“1875 Über diese herausstechenden Ereignisse hinaus finden sich kaum Erwähnungen in den Chroniken von den Juden oder der Judengasse von Frankfurt. Häufig wurde auch nicht über alle diese Ereignisse berichtet, sondern nur auszugsweise und in unterschiedlichem Umfang. Allerdings ist auch auffällig, wie häufig Juden wegen angeblichen Diebstahls, Betrug und Falschmünzerei angeklagt und verurteilt wurden, was zum negativen, stereotypen Bild des Juden beigetragen hat, zumal keine Gegenüberstellung von christlichen verurteilten Verbrechern erfolgte, die es genauso gegeben hat. Ein sehr wichtiges Ereignis, das die Juden betraf, war der Fettmilch-Aufstand im Umfeld der Bürgerunruhen in den Jahren 1612 bis 1616. In den chronikalischen Aufzeichnungen bei Zeiller wird in diesem Zusammenhang auch erstmals auf die Judengasse verwiesen:
1873 Ebd. 1874 Einige wenige Sätze hierzu finden sich zum Beispiel in der anonymen Chronik: Chronik der Stadt Frankfurt am Main. Mitte 17. Jahrhundert. ISG: Chroniken S5/115, nicht fol. Ausführlicher beschreibt Adam Schile die Vertreibung und den Mord an den Frankfurter Juden, allerdings unter dem Jahr 1240: Chronica Francofurtensis Pars Prima. Laufzeit: 1034–1399. ISG: Chroniken S5/4, nicht fol. 1875 Adam Schile: Chronica Francofurtensis Pars Secunda. Laufzeit: 1400–1499. ISG: Chroniken S5/5, nicht fol.
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In den Jahren 1612, 13, 14 und 15 hat es zwischen E.E. Rath unnd der Burgerschafft zu Franckfurt Widerwillen unnd Unruhe gegeben: Darüber auch die Juden (deren es allhie sehr viel gibt, die ihre eygene verschlossene Gasse haben, unnd welcher Synagog, so sie die Schul nennen, die Frembden zum theil zu besichtigen pflegen) aus der Statt gejagt.1876
Diese kurze Bemerkung über die Judengasse, die große Anzahl an Juden und deren Synagoge, die auch von Fremden besichtigt werde, wurde durch die umfangreiche Rezeption und Übernahme in anderen Schriften und Reiseberichten zu einem Topos generiert, der sich hartnäckig im Bild von den Frankfurter Juden und ihrer Judengasse gehalten hat. An den Schilderungen fällt auf, dass sie entsprechend einer Chronik neutral und ohne Bewertungen verfasst wurden und nur die äußeren Umstände und Geschehnisse widergaben, nicht aber Ursachen oder Hintergründe des Ereignisses ansprachen. Demnach ist in der Stadtchronistik zunächst auch von keinen Vorurteilen oder Missbilligungen gegenüber den Juden die Rede, sondern lediglich von einer ungerechten Gewalttat und von einem städtischen Aufruhr, der schließlich durch kaiserliches Einschreiten beendet wurde und den ‚gerechten‘ Zustand wiederherstellte. Wortwörtlich finden sich diese Beschreibungen auch in anderen, ausführlichen geographischen Beschreibungen wieder, die eine chronikalische Beschreibung der Geschichte Frankfurts enthalten.1877 Die gedruckten Reisebeschreibungen enthalten seit dem späten 17. Jahrhundert – zumeist kurze, neutrale – Bemerkungen über die Judengasse bzw. über die Juden selbst, häufig im Zusammenhang mit dem Frankfurter Handel, denn „nachdem dieser Ort ein sonderbarer Handel-Platz ist, so ist kein Wunder, daß so viel Juden alldar sind“1878, wie Edward Brown 1685 schrieb. Ab 1700 wurden die Juden und die Judengasse häufiger erwähnt und auch stärker als unehrliche Wucherer kritisiert. In Johann Albrecht Jormanns Gedicht Warhaffter und eigentlicher Schau-Platz der weit berühmten Franckfurter Meß (1696) ging der Erzähler mit einem Begleiter in die Judengasse hinein, wo sie angeblich sofort von Händlern umzingelt, zum Kaufen animiert und zum Geldwechseln bedrängt worden seien: „Da kahm ein Schwarm und rief, was wolt ihr kauffen ein, Habt ihr zu wexelen, Reichsthaler und Ducouten; Wir sagten schert euch fort, ihr abgefaimte Schouten. Man trauet euch doch nicht, es gibet ja der
1876 Zeiller, Topographia Hassiae, S. 57. 1877 Zu nennen sind hier beispielsweise: Saur/Authes, Stätte-Buch, 1658, S. 511, 518 oder die Ausführliche und Grundrichtige Beschreibung der vier welt-berühmten Ströme Mosel, Saar, Neckar und Mayn. Frankfurt a.M./Leipzig 1690, S. 743. 1878 Brown, Durch Niederland, Teutschland, S. 57.
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Christ, Mehr Ribbis als der Jud, der du ein jauffert […] bist.“1879 Neben den bekannten stereotypen Vorurteilen der Hinterhältigkeit, Wucherei und dem fehlenden Vertrauen wurden die Juden von den Besuchern als hartnäckig, schmutzig und mit Läusen bedeckt beschrieben.1880 Doch die antijüdischen und diffamierenden Äußerungen gingen noch sehr viel weiter und bezogen sich längst nicht mehr nur auf den vermeintlich unehrlichen und betrügerischen Handel der Juden. So war in Jormanns Schrift von einem „Mensch[en] verachten Volcks, bekannten Servituts, Ein rechter Christen Fein, ein Egel dieses Bluts“ die Rede, „der doch nicht anders ist als Aussatz von der Erden“.1881 Eine schlimmere Beschimpfung und Demütigung konnte man sich kaum vorstellen und ein weit verbreiteter Antijudaismus – wobei hier auch der Begriff des Antisemitismus bereits passen würde – zeigte sich so deutlich, wie irgend möglich. Auch wenn die Beschimpfungen konkret auf die Bewohner der Frankfurter Judengasse zielten, waren sie doch pauschal gegen alle Juden gerichtet, ohne auf die konkreten Lebensumstände und -gewohnheiten in Frankfurt einzugehen. Hierfür waren die zumeist anlässlich der Frankfurter Messen verfassten Reime und Gedichte anscheinend nicht der richtige Ort und die Sicht in die Judengasse hinein (noch) wenig von Interesse, weder für Autor noch Leser. Seit dem frühen 18. Jahrhundert spielten dann jedoch im Frankfurt-Diskurs das Leben in der Judengasse, die Lebensumstände und die rechtliche Situation eine größere Rolle, wodurch die Judengasse zu einer Art ‚Touristenattraktion‘ wurde. Die Judengasse entwickelte sich seit dem ausgehenden 17. Jahrhundert förmlich zu einer „Sehenswürdigkeit, zum Ziel für Reisende“.1882 Spätestens seit Ende des 17. Jahrhunderts ging das Interesse an Juden und dem Judentum in anthropologischer Hinsicht nicht mehr nur von den „christlichen Hebraisten“ aus, sondern auch Laien interessierten sich immer stärker für die Lebensweise und Gebräuche der Juden.1883 Somit wurde die Frankfurter Judengasse zu einem Anschauungsobjekt, „zumal es sich hier um eine der größten legalen jüdischen Ansiedlungen im Reich handelte“.1884 Neben dem allgemein anwachsenden Interesse am jüdischen Leben und der jüdischen Kultur lässt sich diese Beobachtung auch mit dem veränderten Blick 1879 Jormann, Warhaffter und Eigentlicher Schau-Platz der weit berühmten Franckfurter Meß, S. 10. 1880 Ebd. 1881 Ebd., S. 10–11. 1882 Schlick, Was Johann Wolfgang Goethe hätte sehen können, S. 53. 1883 Mordechai Breuer/Michael Graetz: Tradition und Aufklärung 1600–1780. In: Michael Mayer/Michael Brenner (Hrsg.): Deutsch-Jüdische Geschichte in der Neuzeit. 4. Bde., Bd. 1. München 1996, S. 157. 1884 Schlick, Was Johann Wolfgang Goethe hätte sehen können, S. 53.
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auf die Städte erklären: Seit dem 17. und besonders verstärkt im 18. Jahrhundert richtete sich das Interesse nicht mehr so sehr auf die historisch bedeutsame Vergangenheit der Reichsstadt. Ein aktueller Bezug trat immer klarer hervor. Demzufolge gerieten die Menschen innerhalb der Stadt sowie soziale, gesellschaftliche und kulturelle Aspekte verstärkt in den Blickpunkt, nachdem die Judengasse bis dahin fast komplett ausgeblendet worden war. Mitte des 17. Jahrhunderts hieß es noch neutral und weitgehend wertfrei in der von den Merianʼschen Erben herausgegebenen Topographia Hassiae, dass „die Juden […], deren es allhie sehr viel gibt, ihre eygene verschlossene Gasse haben unnd welcher Synagog, so sie die Schul nennen, die Fremden zum theil zu besichtigen pflegen“.1885 Erst die Frankfurter gedruckte Stadtchronistik berichtete seit dem frühen 18. Jahrhundert ausführlicher von der Frankfurter Judengemeinde. Allmählich wurden nicht mehr nur historische, zumeist negative oder schreckliche Ereignisse erwähnt, sondern auch auf die Lebensumstände und das Wirken der Judengemeinde in der Reichsstadt eingegangen. Im Kapitel „Von den Jüdischen Gewohnheiten“ beschrieb der Chronist Lersner 1706 ausführlich die Selbstverwaltung und die interne Struktur der jüdischen Gemeinde. Genauso erläuterte er das jüdische Laubhütten- und Osterfest, ging auf die Gebräuche anlässlich von Hochzeiten ein und beschrieb die Gewohnheiten „bey ihren Kindbettern“, denn „wann ein Sohn gebohren wird, und die Zeit der Beschneidung herbey kommt, so werden Freytag zu Abends vor dem Haus, wo das Knäblein innen liegt, in einer Latern Lichter angesteckt, dann kommen nach dem Essen die gute Freunde zu der Kindbetterin, und wünschen ihr Glück“.1886 Mit derart detaillierten Beschreibungen vom jüdischen Alltag beschränkte sich das Bild von den Frankfurter Juden und der Judengasse nun nicht mehr nur auf dramatische Ereignisse wie Brände, Verbrechen, Zerstörung und Vertreibung, sondern die Juden traten als eine eigene Bevölkerungsgruppe und Bestandteil der Einwohner Frankfurts mit ihren genuinen Eigenschaften in den Vordergrund, was jedoch nicht bedeutet, dass sie als gleichberechtigte oder gern gesehene Bevölkerungsgruppe dazugehörten. Dadurch entwickelte sich in der Stadtchronistik ein disparates Bild mit zwei Seiten: auf der einen Seite der wuchernde, betrügende und stehlende Jude, der unter bedrückenden Bedingungen und Abgaben in der Judengasse hausen musste; auf der anderen Seite der Jude als Teil einer religiösen Gemeinschaft mit eigenen Gebräuchen, Sitten und Gesellschaftsstrukturen als Bestandteil der Stadt Frankfurt am Main.
1885 Matthäus Merian/Martin Zeiller: Topographia Hassiae et Regionum Vicinarum. Frankfurt a.M. 1655, S. 57. 1886 Lersner, Der weit-berühmten freyen Reichs- Wahl- und Handels-Stadt Chronica, S. 565.
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In diesem Zusammenhang hat bereits Gabriela Schlick im Jahr 2000 auf der Basis gedruckter Reisebeschreibungen eine deutliche Verschiebung der Inte ressen an der Judengasse auf Seiten der Reisenden und Beobachter festgestellt: Während es zunächst lediglich die markanten Besonderheiten waren, die die Touristen später als sehenswert beschrieben, verdichteten sich mit zunehmendem aufklärerischen Anspruch die Aussagen über die Judengasse in der Reiseliteratur. Schließlich fiel der Blick der Fremden auch auf die Bewohner der Gasse, auf ihre Kleidung, ihre religiösen Gewohnheiten und ihre geschäftlichen und beruflichen Belange. Häufig erwähnten sie auch das Juden diffamierende Schandbild am Sachsenhäuser Brückenturm, das als einzige Beobachtung aus dem Frankfurter jüdischen Leben bereits in früheren Beschreibungen erwähnt wurde.1887 Beim Eintritt und bei der Besichtigung der Judengasse stand den interessierten Reisenden zumeist ein Bewohner der Gasse zur Verfügung, der sie gegen Bezahlung durch die Straße führte. Die Besucher betraten dann häufig nicht nur die Gasse, sondern auch die Synagoge und zuweilen sogar die Wohnhäuser, um sich neugierig umzusehen. In seinem handschriftlich verfassten Reisebericht Reise in die Niederlande und nach England (1708) widmete Karl Sigmund Holzschuher der Judengasse sogar einen eigenen Abschnitt in seiner Beschreibung von Frankfurt am Main. Darin erwähnt er die überfüllten Zustände sowie die Gründe für die Abneigung der christlichen Kaufleute gegenüber den Juden: „Sie ist dergestalt angefüllet, daß manches hauß 4 biß 5 stockwerck hoch ist, und wohl 10 und mehr haußhalten in sich faßet. Weilen dieße viele Juden ihren negoty großen abbruch thun, es sind ihnen die Franckfurter Kaufleute gar nicht günstig und wünschten sehr von ihnen befreyet zu seyn.“1888 Ob es tatsächlich so war oder der Erbprinz Carl Friedrich zu Fürstenberg bei seiner Ankunft in Frankfurt 1731 lediglich das Stereotyp der aufdringlichen, schachernden Juden bemühte, muss offen bleiben, wenn er in seinem handschriftlich überlieferten Reisetagebuch schreibt: „Um 12 uhr geschahe die ankunft in Franckfurth, wobey das ungestüme Judengeschmeiss sich eingefunden hat.“1889 Beim Vergleich der Reiseberichte fällt auf, dass die Verfasser sich nicht immer unbedingt selbst von der Lebensweise und dem Zustand der Judengasse ins Bild gesetzt hatten, sondern vorhandene Informationen und stereotype Beschreibungen in recht kurzer Form übernommen haben. Die meisten Beschreibungen aus der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts sind sich sehr ähnlich, etwa von Johann Michael und Johann Georg Herwarth, kurfürstliche Kommerz-, Regierungs- und Kammerräte zu München, von 1739. Sie erwähnen in ihrer Beschreibung, dass 1887 Schlick, Was Johann Wolfgang Goethe hätte sehen können, S. 53–54. 1888 Holzschuher, Reise i.d. Niederlande und nach England, S. 187. 1889 Dufrêne, Tagebuch über des Erbprinzen Carl Friedrich zu Fürstenberg Reisen, fol. 13v.
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etwa 2 000 Juden in Frankfurt in einer „à parte[n] gassen“1890 wohnen, die jeden Abend verschlossen werde. Ihre Beschreibung war erstaunlich detailliert und sie bezogen sich auf die unterschiedlichen Gebräuche der jüdischen Kultur und Religion. So gebe es in der Judengasse vier Synagogen und ober der thür ainer Synagog sieht man einen stern von marmorstein gemacht, wan ein iunger Jud will heyrathen, so gehet er dort hin, und trinckht ein glas wein aus, springt hernach in die höhe, und stießt mit dem rechten fuß bemelten stern an, wan er dieß kann thun, so ist er mannbahr, und darf heyrathen, die Hochzeiterin muss sich 13 täg vor der copulation in einen Keller, worin ein eiskalter brunn, ganz nackhent ausziehen, hierin steigen, und sich rainigen, welches fyr Zeit ihres Lebens alle 13 tag, hernach zwar in einem warmen wasser thun muss.1891
Neben den religiösen und kulturellen Bräuchen nahmen jedoch Not und Elend den größeren Teil im Diskurs über die Judengasse ein. Denn seit Mitte des 18. Jahrhunderts richtete sich der Blick nicht mehr nur auf die Juden als Personen und als Bevölkerungs- bzw. religiöse Gruppe, sondern auch in die Judengasse hinein, indem die Lebensumstände in Frankfurt detailliert als „düster und überdies jederzeit feucht und unflätig“1892 beschrieben wurden. Seit Mitte des 18. Jahrhunderts erfuhren die Beschreibungen der Judengasse eine deutliche Veränderung, als nicht mehr stereotyp die aus der Chronistik bekannten Ereignisse angeführt oder ausschließlich ihre große Anzahl und die Existenz der verschließbaren Judengasse erwähnt wurden. Zunehmend kamen individuelle, spezielle und der Aktualität angepasste Informationen hinzu, die sachlich-neutral, aber auch wertend und immer häufiger mit Abneigung und Ekel gegenüber den Lebensumständen der Juden in ihrer Gasse ausfielen. Die Judengasse als ein „elendiger Ort“ hat sich in der Folge zu einem festen Bestandteil des Frankfurt-Bildes entwickelt, als Samuel Gottlieb Voigt im Juni 1731 berichtete, dass „das quartier, welches man ihnen geräumet hat, […] ein Auslager voller Schmutz und Dreck [sei], sie leben in diesen sumpfigten Winckeln wie das Ungeziefer in Unflat, es wimmelt und grabelt alles darinnen mit Gebrächlichen Figuren“.1893 Die elenden Lebensumstände sowie die prekären hygienischen 1890 Johann Michael Herwarth/Johann Georg Herwarth: Il Viaggio in pratica felice oder glücklicher Spaziergang durch Teutschland, Holland, Frankreich und Welschland, gemacht von Joh. Michael, churfürstl. Kommerz- u. Regierungs-Rath, und Joh. Georg, churfürstl. Kammer- u. Hofrath zu München, von Herwarth, des Reichsgrafen zu Hollenberg [lies: Hohenberg], v. 27. Juni 1738–12. Juli 1739, München, 20. August 1739, fol. 10v. Bayerische Staatsbibliothek München, Handschriftenabteilung, Cgm 6772. 1891 Ebd., fol. 11r. 1892 Müller, Beschreibung des gegenwärtigen Zustandes, S. 21, 24, 266–273. 1893 Voigt, Historische Lebens- und Reisebeschreibung, fol. 17r.
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und Platzverhältnisse scheinen Voigt besonders negativ beeindruckt und in ihm ein gewisses Maß an Mitleid geweckt zu haben. Gleichwohl wurde der Zustand zumeist nur beschrieben und dargestellt, ohne ihn zu hinterfragen oder gar eine Änderung dieser Umstände in Betracht zu ziehen – als gehöre es zum Erscheinungsbild Frankfurts wie selbstverständlich dazu. 1740 brandmarkte der Frankfurter Patrizier und Schriftsteller Johann Michael von Loen, ein Großonkel Johann Wolfgang Goethes, die Gasse als „ein Ausläger voller Schmutz und Unreinigkeit“, in dessen „sumpfigen Winkeln“ die Juden lebten „wie das Ungeziefer im Unflat“. Feuer hätte „diesen kothigen Aufenthalt schon zweymal zu reinigen gesucht, und durch seine Flammen in Schutt und Asche verkehrt“.1894 Allerdings klang bei Loen zumindest angedeutet ein gewisses Verständnis von Ungerechtigkeit gegenüber den Juden an, denn der Brand und die Zerstörung der Judengasse hätten letztlich nur dazu gedient, „ihre Häuser desto schneller wieder aufzubauen und den Raum in der Luft zu suchen, den man ihnen auf der Erde nicht vergönnet“.1895
Abb. 23: „Brandstätte der Judengasse in Frankfurt a.M. am 16. Juli 1796.“ Kupferstich von Georg Joseph Cöntgen.
1894 Loen, III. Brief. Beschreibung der Stadt Franckfurt, S. 24–25. 1895 Ebd., S. 25.
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Dennoch war seine Einstellung gegenüber den Juden geprägt von Ablehnung, Abscheu und Verachtung und er verbreitete ebenso wie viele seiner Zeitgenossen die Vorurteile der vermeintlichen Vermehrungsfreudigkeit sowie die Unterstellung von Betrug und Durchtriebenheit zum Nahrungserwerb. Die Forschung geht davon aus, dass von Loen eine für den Großteil der Frankfurter Bürgerschaft typische Haltung einnahm und deshalb solche Schriften wohl auch verbreitet wurden, um das Verhalten von Rat und Bürgerkollegien gegenüber der jüdischen Bevölkerung zu legitimieren, „zumal die Lebensumstände in der Gasse so kurz nach ihrer Wiedererrichtung kaum schon wieder die Brisanz erreicht haben konnten, die sie zuvor und auch später wieder hatten“.1896 So stellte denn auch die Historikerin Gabriela Schlick fest, dass die Besichtigung von Gasse, Synagoge und Häusern sowie die Teilnahme am Gottesdienst nur in ganz seltenen Fällen dazu beitrug, wie vielleicht erhofft oder erwartet, das Verständnis der Reisenden für die der christlichen Mehrheit fremde Lebenswelt der Juden zu verbessern: „Das Stereotyp vom schmutzigen, schlecht riechenden, ungepflegten und unentwegt schachernden Juden im Gegensatz zum sauberen, ordentlichen, einem anständigen Beruf nachgehenden Christen war so tief in das Bewußtsein der christlichen Reisenden eingedrungen, daß sie auf dessen Wiedergabe in ihren Beschreibungen nicht verzichteten.“1897 Dementsprechend wurden die in der Gasse gewonnenen Eindrücke von Schmutz, Gestank und Enge unhinterfragt als Bestätigung ihrer Vorurteile gewertet, während den Besuchern (noch) nicht in den Sinn kam, die Ursachen für diese erbärmlichen Umstände zu suchen. Eine Begründung hierfür ist sicherlich auch die Tatsache, dass viele Reisende vor ihrem Besuch bereits sowohl über die Frankfurter Judengasse als auch über jüdisches Leben und Gebräuche gelesen oder gehört hatten. Die ausschließlich nichtjüdische Literatur dazu war zwar bereits sehr vielfältig, jedoch geprägt von althergebrachten Vorurteilen und einer einseitigen Perspektive.1898 Das Elend in der Judengasse wird in der Reisebeschreibung von Johann Friedrich Karl Grimm aus dem Jahr 1775 sogar noch deutlicher, wenn er von einer „dichte[n] Wolke übelriechender Dämpfe“1899 über der Gasse berichtet. Ihn würde es deshalb auch nicht wundern, wenn eine ansteckende Krankheit nach der anderen „in diesen ekelhaften Straßen wütete“. Der Anblick der Frankfurter Juden erzeugte bei Grimm die feste Überzeugung, dass die Juden alle krank sein müssten, weil die meisten, auch die jüngeren unter ihnen, wie „herumwandelnde 1896 Schlick, Was Johann Wolfgang Goethe hätte sehen können, S. 58–59. 1897 Ebd., S. 54. 1898 Ebd., S. 55. 1899 Grimm, Bemerkungen eines Reisenden, Dritter Teil, S. 44.
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Todte“ aussähen. Es sei gar nicht nötig, sie durch besondere Kleidung von den Christen zu unterscheiden, denn „ihr todtenblasses Angesicht zeichnet sie auf eine betrübte Art von allen andern Einwohnern aus“.1900 Auch die Notsituation der Juden in einer Zwickmühle zwischen der Möglichkeit, sich in Frankfurt niederzulassen, jedoch unter sehr widrigen Verhältnissen zu leben, und das Verhältnis zwischen Christen und Juden spielte zunehmend im Diskurs des 18. Jahrhunderts eine Rolle. So schrieb Müller 1747 fast schon erklärend bzw. entschuldigend, dass die Juden „offtmahls die Noth dringet, dem ohngeachtet doch die meisten dabey sehr elend leben müssen“.1901 Interessanterweise erläuterte Müller als einer der Ersten die wirtschaftlichen Verbindungen zwischen der jüdischen und christlichen Bevölkerung, die einerseits nicht gutgeheißen werden, andererseits aber doch notwendig seien: „Jedermann klagt, daß sie von ihnen betrogen würden, und alles handelt doch mit Juden.“1902 Zumindest auf der wirtschaftlichen Ebene erweist sich das Bild vom Verhältnis zwischen Juden und Christen in Frankfurt einerseits als konfliktiv und von einer Abwehrhaltung geprägt, andererseits aber auch als ein Abhängigkeitsverhältnis, weil man weder miteinander noch ohne einander wirklich zurechtzukommen schien. Somit waren die Juden bzw. die Judengasse ein wichtiger Bestandteil des Frankfurt-Bildes als kulturelles Zentrum, denn gerade im wirtschaftlichen Bereich, aber auch auf der kulturellen Ebene, spielten die Juden eine bedeutsame Rolle: als Geldgeber, Financiers und Geldwechsler einerseits, als kulturell ‚fremde‘ Gruppe, mit deren Riten und Bräuchen es sich auseinanderzusetzen galt, andererseits. Infolgedessen spielten die Juden auch als Teil und Mitglieder der Bevölkerung im Frankfurt-Bild eine zunehmende Rolle. Schließlich wendete sich das Bild von den Frankfurter Juden sogar in eine positive Richtung. Die Reisenden kamen verstärkt auf soziale und gesellschaftliche Gesichtspunkte des Zusammenlebens von Juden und Christen zu sprechen. Dieser Aspekt wurde zuvor im FrankfurtDiskurs kaum berücksichtigt, abgesehen davon, dass die Christen viel Wert auf das getrennte Wohnen von Juden und Christen gelegt haben. Die Judenschulen kommen beispielsweise bei dem Reisenden Blainville 1764 genauso schlecht weg wie die jüdischen Frauen, weil Erstere eher das Ansehen einer „Küche, als eines Tempels“ hätten, „so schwarz und räuchrich sind ihre Wände, und so stinkend ist ihr Geruch“.1903 Dennoch waren Blainville und seine Begleiter neugierig genug, ihre Nasen hineinzustecken, wie er schreibt, und einen 1900 Ebd., S. 45. 1901 Müller, Beschreibung des gegenwärtigen Zustandes, S. 268. 1902 Ebd. 1903 Des Herrn von Blainville Reisebeschreibung, S. 150.
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Gottesdienst mitzuerleben. Neben der Kleidung und Ehrerbietung des Rabbiners und seiner Frau erwähnte Blainville, dass junge Mädchen nicht zur Schule gehen dürften, ehe sie nicht förmlich verheiratet seien.1904 Bezeichnend für das Mitte des 18. Jahrhunderts herrschende Bild von den Frankfurter Juden ist auch das Erstaunen seitens der christlichen Besucher darüber, dass es offenbar durchaus schöne und wohlhabende Personen unter ihnen zu geben schien. Das Bild bzw. der Diskurs über die Frankfurter Juden und Judengasse oszillierte im Laufe des 18. Jahrhunderts zwischen Verachtung, Abscheu und Mitleid. In welchem Ausmaß sich die Rezeption der überlieferten Beschreibungen, die Erzählungen Dritter sowie die eigenen Vorurteile und erlangten subjektiven Eindrücke miteinander verweben konnten, zeigt der 1777 erschienene Reisebericht des Fürstlich Brandenburgischen Hofrats Andreas Meyer. Dieser zog bei seiner Beschreibung offenbar sowohl die Ausführungen Blainvilles von 1705 als auch die des Herrn von Loen von 1740 heran. Vermischt mit seinen eigenen Eindrücken erweist sich seine Beschreibung als einerseits bemitleidend, aber auch von oben herab und ohne den eigentlichen Gedanken, dass gegen die herrschenden Umstände in der Judengasse konkret etwas getan werden müsse. Bei keinen Äußerungen über den erbärmlichen, bemitleidenswerten oder sogar ungerechten Zustand in der Judengasse spielte dies mit hinein. Der von Meyer beschriebene Zustand wurde vielmehr als gegeben und nicht zu ändern hingenommen. Die Bewohner, Häuser, Zimmer und Betten seien „eine wahre Abbildung des Elendes“, weshalb es Meyer große Überwindung gekostet habe, „aus blosser Neugierde eine Art Menschen in ihren Nestern aufzusuchen, die […] wie das Ungeziefer in ihren stinkenden Behältnissen herumkriechen“1905 würden. Stellt man sich nun die Frage, warum er dann überhaupt seinen Ekel überwinden und seiner Neugierde nachgehen musste, lässt sich zwischen den Zeilen herauslesen, dass die Frankfurter Judenschaft augenscheinlich über die Stadtgrenzen hinaus ein Gesprächsthema war. Grund dafür waren aber nicht nur die entsetzlichen Lebensumstände, sondern wohl auch die im Gegensatz dazu stehenden erfolgreichen überregionalen Handelsbeziehungen einiger weniger herausragender Persönlichkeiten. Es ist auch nicht auszuschließen, dass Meyer auf seinen Reisen Bekanntschaft mit aus Frankfurt stammenden Hoffaktoren gemacht hatte. Die Juden seien laut Meyer für Frankfurt nämlich genau das, was sie für die ganze Welt darstellen, „wo der Handel das Hauptgeschäfte der Einwohner ausmacht“.1906 Sie seien „die Werkzeuge, durch welche die entlegensten Völker1904 Ebd. 1905 Meyer, Briefe eines jungen Reisenden, Erster Teil, S. 65. 1906 Ebd., S. 66.
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schaften mit den Frankfurtern ihr Gewerbe treiben“, weshalb man sie am besten „mit den Pflöcken und Nägeln an einem grossen Gebäude vergleichen“ könne, welche, „ob sie gleich an sich selbst von geringem Werthe sind, dennoch höchst nöthig sind, den ganzen Bau zusammen zu halten“.1907 Das Bild, das Meyer von den Juden entwarf, ist sehr disparat, erkannte er doch zum einen ihre Bedeutung für den Handel und die Gesellschaft an, während er sie gleichzeitig als Menschen zweiter Klasse herabwürdigte. Ein gewisses Mitgefühl und Verständnis für die jüdische Bevölkerung Frankfurts lässt sich demgegenüber aus John Moores Beschreibung von 1779 herauslesen, der die Wohnbedingungen und das Einschließen über Nacht als „traurige Beschwerlichkeiten“ für die Juden bezeichnete, die „wie eine Heerde Viehes“1908 eingesperrt würden. Das disparate Bild der Frankfurter Juden und damit auch in gewisser Weise von Frankfurt als Ort kultureller Zentralität wurde durch die Gegenüberstellung von Arm und Reich komplettiert: So wohnten die Juden aus Sicht der Reisenden einerseits in einem „stinkenden Loch“, in dem andererseits jedoch Leute wohnen sollten, „die Tonnen Goldes in Vermögen haben“1909, wie Johann Heinrich Gottlob Hermann 1791 verwundert festgestellt hat. Der Russe Nikolai Michailowitsch Karamsin wurde in demselben Jahr auf seiner Reise durch Frankfurt sogar persönlich mit einem Juden bekannt, der ein „verständiger und gebildeter Mann“ gewesen sei. Der Jude habe ihn sehr höflich aufgenommen und er verbrachte bei ihm und seiner aus Frankreich stammenden Frau einige sehr heitere Stunden; „aber was mußte nicht meine Nase während dieser Zeit leiden!“1910 Insgesamt ist Karamsins Eindruck geprägt von Traurigkeit und Mitleid mit den Juden. Es tue ihm weh, „diese Unglücklichen zu sehen, die so gedrückt unter allen Menschen leben!“1911 Die Kritik an den herrschenden Zuständen und das Hinterfragen nahm seit den 1780er-Jahren – unter dem Eindruck der Aufklärung und Französischen Revolution – immer weiter zu. Über die bedrückende Enge in dem verschlossenen „Judenkerker“, wie Johann Heinrich Campe die Judengasse 1786 nannte, war Campe zutiefst erschüttert: „Das Steinpflaster war mit Kindern bedeckt; die Treppen, Schwellen und Dielen konnten vor Menschen kaum gesehen werden.“1912 Bei dem Aufklärer Campe lassen sich erste Tendenzen des Hinter-
1907 Ebd. 1908 Moore, Abriß des gesellschaftlichen Lebens, S. 218–219. 1909 Hermann, Bemerkungen auf einer Reise von Gotha nach Mainz, S. 83. 1910 Nikolai Michailowitsch Karamsin: Briefe eines russischen Reisenden. Berlin 1977, S. 184. 1911 Ebd. 1912 Siehe für die Zitate in diesem und folgendem Absatz Campe, Sammlung interessanter und durchgängig zweckmäßig abgefaßter Reisebeschreibungen, S. 191–192.
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fragens und Kritisierens der Zustände ausmachen. Er fragte sich, „was in aller Welt […] doch wol die Ursache seyn [mochte], warum diese Leute an denjenigen Tagen, an welchen die Christen sich am meisten den Vergnügungen überlassen, auf eine so harte Weise behandelt werden?“ Er hat sich nicht nur selbst, sondern wohl auch seinen Reisebegleitern und einheimischen Frankfurtern diese Frage gestellt, die ihm darauf antworteten, dass die Juden „ein so zudringliches und unbeschreiblich unbescheidenes Geschlecht“ seien, dass, wenn sie die Freiheit hätten, an feierlichen Tagen auszugehen, „die Christen auf das Vergnügen der Promenade an solchen Tagen gänzlich Verzicht thun müßten, weil diese Leute ihnen überall haufenweise den Weg versperren würden“. Campe glaubte zunächst an einen Scherz, doch immer, wenn er diese Frage stellte, erhielt er dieselbe Antwort. Er wünschte sich sehr, eine andere Begründung dafür zu bekommen, „die sich mit den Begriffen, die ich mir von der Weisheit und Menschenfreundlichkeit des Frankfurter Magistrats aus anderweitigen Anstalten abgezogen habe, besser reimen ließe“. Reisende aus dem Ausland nahmen die bedrückenden Zustände in der Judengasse ähnlich wahr und auch bei ihnen vollzog sich ein Wandel hin zum kritischen Hinterfragen. Der Italiener Luigi Malaspina di Sannazaro fragte sich 1786, warum man die Juden wegsperrte. Er vermutete, dass die Obrigkeit versuchte zu verhindern, dass die vermeintlich schädlichen und gefährlichen Riten und Gewohnheiten der Juden von den Christen rezipiert und übernommen werden könnten. Es schien ihm aber, dass wenn die Juden – im Gegenteil – dazu gezwungen wären, mit der restlichen Bevölkerung gemischt zu leben, sie weniger stark in ihrer internen Organisation wären.1913 Die anderen „nazioni“ könnten durch das Zusammenleben lernen, die Juden nicht mehr als heterogen und vollkommen anders zu betrachten, „ma come uomini simili a noi, a cui dobbiamo cercare d’esser utili, obbligando così essi pure ad esser tali verso di noi“.1914 Dieser Gleichheitsgedanke und der Aufruf zur gegenseitigen Annäherung und zum Verstehen der anderen Kultur bzw. Religion war für diesen Zeitpunkt noch sehr neu und aus der heutigen Perspektive außerordentlich aufgeklärt und ‚fortschrittlich‘. Allerdings führte diese gewandelte Einstellung gegenüber der jüdischen Bevölkerung noch lange nicht dazu, dass sich auch das in den literarischen Quellen kolportierte Bild veränderte. Vielmehr liefen beide Wahrnehmungsebenen – eine tradierte und seit längerem bestehende sowie eine neue und aufgeklärte – innerhalb des Diskurses parallel nebeneinander her. Dieses Phänomen wurde verstärkt durch die nach wie vor gängige Praxis des Abschreibens, Übernehmens und Tradierens fast wortwörtlicher Passagen. 1913 Sannazaro, Relazione di una Scorza, S. 178–179. 1914 Ebd., S. 179.
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Ein Beispiel hierfür ist der Reisende August Joseph Ludwig von Wackerbarth, dessen Begegnung 1794 mit den vermeintlich aufdringlichen Juden, gegen die man sich nur mit einem Stock wehren könne, fast wortgetreu zur Beschreibung von Johann Kaspar Riesbeck ist. Wackerbarth tut sogar so, als hätte er diese Situation selber erlebt: „Duzzendweis fallen sie die Fremden an, und suchen ihnen ihre Waaren mit Gewalt aufzudrängen. Ohne Hülfe meines dikken Stoks wäre ich nicht von ihnen losgekommen, und sie liefen mir demungeachtet einige hundert Schritte […] nach.“1915 Damit erklärt sich das disparate Bild von den Juden im späten 18. Jahrhundert: Neben aufklärerischen Gedanken, der Kritik an ihren menschenunwürdigen Lebensumständen und der herrschenden Ungerechtigkeit blieb das Bild des armen, dreckigen, stinkenden und vor allem wuchernden Juden hartnäckig bestehen, weil manche Autoren, offensichtlich ohne sich eigene Eindrücke zu verschaffen oder eigene Gedanken zu machen, frühere Beschreibungen tradierten. Ein letzter Aspekt im Frankfurt-Bild ist schließlich das Ende der Judengasse und Getthoisierung der Frankfurter Juden. Um die Jahrhundertwende waren die Reiseberichte aus Frankfurt häufig geprägt von den Folgen der Revolutionskriege und dem Durchmarsch der Franzosen. So erinnerten Friedrich Philipp Wilmsen 1796 die „traurigen Ruinen der Judengasse sehr lebhaft an die neuesten Kriegsbegebenheiten“1916, mit denen er die Besetzung Frankfurts durch den Österreichischen General von Wartensleben meinte. Dieses Bombardement richtete schwere Schäden in der Judengasse an, sodass die Beschießung für die Frankfurter Juden de facto das Ende des seit über 300 Jahren bestehenden Ghettozwangs bedeutete. Davon berichteten sehr zeitnah die 1803 erschienenen Reisen der Zöglinge zu Schnepfenthal. Unter dem Eindruck der aktuellen Geschehnisse und der niedergebrannten Judengasse denke man vernünftiger als noch bis vor wenigen Jahren, „und [man] hat die Lage dieser Leute bey weitem erträglicher gemacht“. Laut dem Verfasser könnte man dieses Ereignis „eben so wohl ein Glück, als ein Unglück nennen: denn da die Juden, deren Wohnungen bey dieser Gelegenheit zu Grunde gegangen waren, Erlaubniß erhielten, sich in einem andern, freyer liegenden Orte wieder anzubauen: so wurde ihre äußere Lage dadurch unstreitig ansehnlich verbessert“.1917 Da die Juden nun in der Stadt verteilt wohnten, sei ihre Wohnsituation erheblich verbessert worden, denn „wie eng sie auch wohnen, so ist doch ihr Wohnplatz 1915 Wackerbarth, Rheinreise, S. 100–101. 1916 Wilmsen, Erzählungen von einer Reise, S. 374. 1917 Johann Wilhelm Ausfeld: Reisen der Zöglinge zu Schnepfenthal. Zweytes Bändchen. Schnepfenthal 1803, S. 250.
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nicht mehr, wie ehemals, ein Bereinigungspunkt für Noth und Elend“1918, stellte 1801 der dänische Gesandte und Legationsrat von Eggers fest. Seit dem Brand und der Zerstörung der Judengasse sei manches besser geworden, doch es fehle laut Eggers noch sehr viel daran, „daß die Juden das nicht als Menschen sind, was sie seyn könnten“. Schuld daran sei größtenteils „ihre bürgerliche Lage“, was besonders in solchen Städten auffalle, wo sie zu beachtlichem Reichtum und einem gewissen Ansehen gelangen könnten, wie in Frankfurt. Hier würden „neben einigen sehr reichen eine Schaar von armen [wohnen], welche vielleicht nur durch ihre Glaubensgenossen von dem Hungertode gerettet werde[…]“. Allerdings könnten ihre wohlhabenden Glaubensbrüder ihnen nicht ausreichend „nützliche Arbeit und Thätigkeit“ geben, um sie aus ihrem Elend zu befreien. Vielmehr seien sie auf gewisse Weise zu den „armseligen, oft betrügerischen Nahrungszweigen gezwungen, wodurch sie sich der Verachtung und dem Haß der Menge immer mehr Preis geben“.1919 Schließlich „solle man es also beinahe für eine gute Folge des Bombardements halten, daß diese Gasse zerstört ward; denn daß sie gerade so wieder aufgebauet werde, als Judenkerker – das kann ich doch am Ende des achtzehnten Jahrhunderts nicht für möglich halten“.1920 Doch eine wirkliche Auseinandersetzung mit dem Judentum fand bis in das ausgehende 18. Jahrhundert in keiner der literarischen Textsorten statt. Es bleibt zumeist bei den oberflächlichen Beschreibungen, Schuldzuweisungen und ersten, ansatzweisen Erklärungsversuchen für diese Zustände, ohne dass reale Veränderungen gefordert wurden. Die Untersuchung des Bildes von den Juden und der Judengasse vermittelt dennoch einen Eindruck davon, welche ökonomisch bedeutsame Rolle und Funktion die Juden offensichtlich im Frankfurter Leben einnahmen, obwohl sie unter erbärmlichen Zuständen leben mussten, die zunehmend als unmenschlich angesehen wurden. Insgesamt spielten im Frankfurt-Bild deutlich weniger theologisch und religiös begründete Aversionen und Diffamierungen eine Rolle. Viel stärker traten Stereotype und Wahrnehmungsmuster auf, die im Bereich des Handels und Wuchers angesiedelt waren und sich auf die Rolle der Juden im Wirtschaftsleben Frankfurts bezogen. Die Hartnäckigkeit und weite Verbreitung des Topos von Frankfurt als „ökonomischer Judenhochburg“ ist aus dem Gesamtbild von Frankfurt als kulturellem Zentrum nicht wegzudenken, wobei sich die negative Konnotierung von 1918 Christian Ulrich Detlev von Eggers: Bemerkungen auf einer Reise durch das südliche Deutschland, den Elsaß und die Schweiz in den Jahren 1798 und 1799. Kopenhagen 1801, S. 59. 1919 Ebd. 1920 Ebd., S. 60.
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Ekel, Abneigung und Hass im ausgehenden 18. Jahrhundert zu Mitleid, Mitgefühl, Unverständnis und sogar Forderungen nach einer Änderung der Verhältnisse gewandelt hat.
3.2.7 Zusammenfassung Ausgehend von einem stereotypen Allgemeinlob auf die Frankfurter Gesellschaft als klassischem Bestandteil des Städtelobs, traten individuelle Betrachtungen der Einwohner und ihrer Eigenschaften und Charaktere erst im Laufe des 17. und verstärkt seit dem 18. Jahrhundert auf. Zuvor waren die Frankfurter ein anonymes Kollektiv, dem überwiegend positive Eigenschaften wie Fleiß, Gerechtigkeit und Redlichkeit zugeschrieben wurden. Der spezifische Charakter der Einwohner war somit ein verhältnismäßig neuer Topos, der sich sukzessive entwickelte. Zunächst wurde in Frankfurter und Sachsenhäuser unterschieden. Später entwickelte sich im 18. Jahrhundert ein sehr umfangreicher Diskurs über die jeweiligen Eigenschaften und Spezifika, die offenbar sehr unterschiedlich wahrgenommen wurden, wie die vergangenen Kapitel deutlich gezeigt haben. Dabei war das Bild geprägt durch gegensätzliche Meinungen, die im Laufe des 18. Jahrhunderts kontrovers innerhalb des Diskurses diskutiert wurden. Allerdings muss bei der Auswertung beachtet werden, dass insbesondere bei der Beurteilung von Menschen und ihren Eigenschaften der persönliche Eindruck und bereits gemachte Erfahrungen sowie der Grad an Bekanntschaften eine große Rolle gespielt haben müssen. Damit bekam die Frankfurter (inklusive Sachsenhäuser) Gesellschaft spezifische Züge, die mal positiv, mal negativ bewertet wurden. Sehr deutlich wird besonders bei diesem Bestandteil des Frankfurt-Bildes die Dynamik und Lebendigkeit des Diskurses. Häufig haben sich Verfasser von Reiseberichten auf frühere Beschreibungen bezogen und ihnen entweder zugestimmt oder widersprochen. Gleichwohl konnte es (nach wie vor) auch vorkommen, dass bestimmte Beschreibungsmuster unhinterfragt rezipiert wurden. Zudem macht dieser Aspekt des Frankfurt-Bildes deutlich, dass sich der Blick nicht mehr nur von außen auf die Stadt, sondern immer stärker in die Stadt hinein gerichtet und damit immer weiter herausdifferenziert hat.
Fazit: Differenzierung und Individualisierung. Von der Reichs- auf die Stadtebene
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3.3 Fazit: Differenzierung und Individualisierung. Von der Reichs- auf die Stadtebene Innerhalb des Frankfurt-Diskurses hat sich das Bild der Stadt Frankfurt seit dem ausgehenden 17. und besonders im Laufe des 18. Jahrhunderts deutlich individualisiert und herausdifferenziert. Während zunächst die Aspekte der kulturellen Zentralität, der Kulturproduktion, der Kulturschaffenden und Eigenschaften der Einwohner kaum eine Rolle gespielt haben oder höchstens als kollektive Topoi und Stereotype erwähnt wurden, rückten sie immer stärker in das Blickfeld des Diskurses. Das hatte zur Folge, dass sich im 18. Jahrhundert der Blick von der Stadt als Bestandteil des Reichsgefüges gelöst und verstärkt in die Stadt hinein gerichtet hat. Es lassen sich verstärkt stadtspezifische und individuelle Aspekte ausmachen, die weniger Bedeutung für die Reichsebene als für die Stadtebene hatten. Individuelle Betrachtungsweisen richteten sich auf bestimmte Personen, Kunstwerke oder Bestandteile des künstlerischen Schaffens in Frankfurt. Dabei kam es auch zu kontroversen Meinungen und Diskussionen, weil das Wahrgenommene und Beschriebene nun auch kritisch hinterfragt wurde. Das schließt jedoch die Tatsache nicht aus, dass bereits vorhandene Beschreibungen und Texte weiterhin rezipiert und verbreitet wurden. Mal haben Reiseschriftsteller und Stadtbeschreiber kritisch darauf reagiert, mal Aspekte unhinterfragt übernommen und tradiert. Doch ist es zu kurz gegriffen, die Texte nur von der Situation seiner Verfasser her erklären zu wollen. Die Interpretation wird schlüssiger und aussagekräftiger, wenn von unterschiedlichen Funktionen und Intentionen der Texte ausgegangen wird. Etwa, um sich beim Stadtrat in Erinnerung zu bringen und um eine Anstellung zu ersuchen. Teilweise wurde besonders in den Stadtlobgedichten die Lokalpolitik instrumentalisiert, bestand das Ziel doch häufig aus lokalem, Frankfurt-spezifischem Interesse. Andere Texte nehmen hingegen weniger die spezifischen Interessen der einzelnen Stadt als vielmehr das ‚große Ganze‘, die Bedeutung der Stadt für das Gefüge des Reichs, in den Blick. Dementsprechend erwähnen sie vorwiegend die kaiserlichen Privilegien und aktuelle Position im Reich als bemerkenswert. Während sich die einen Texte nach außen an ein nicht frankfurterisches Publikum richteten, zielten andere nach innen und sprachen die Frankfurter an.1921 Exemplarisch für den fortschreitenden Wandel im Frankfurt-Bild von einer altehrwürdigen Wahl- und Krönungsstadt zu einem aktuellen kulturellen Zentrum ist eine in den 1790er-Jahren gemachte Bemerkung von Gerning über die Sehens1921 Paintner, Zwischen regionaler Verortung und Reichsperspektive, S. 383–384.
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würdigkeiten der Stadt: „Frankfurt hat ausser dem Römer, der goldenen Bulle und ähnlichen Alterthümern noch mehr als eine Sehenswürdigkeit für Gelehrte und Künstler, wie davon seine Stadtbibliothek, nebst schäzbaren Handschriften und Münzen, die Sammlung Dürerischer Kupfer- und Holzstiche, die Gerningsche Schmetterlingssamlung und mehrere Beispiele sich nennen lassen.“1922 Diese Aussage unterstreicht zum einen den Wandel des Frankfurt-Bildes von der historisch bedeutsamen, altehrwürdigen und für das Alte Reich zentralen Wahl- und Krönungsstadt zu einem mit Gärten, Bibliotheken, Kunstsammlungen und gesellschaftlichen Kreisen ausgestatteten, herausgelöst aus den Strukturen des Alten Reiches bestehenden kulturellen Zentrum. Zum anderen geht dieser Wandel einher mit einem tatsächlichen Wandel der Stadt Frankfurt, die neben ihrer historisch-politischen und wirtschaftlichen Bedeutung nun versucht, auf der gesellschaftlichen und kulturellen Ebene ansprechend zu sein. Ein gewisses Pflichtprogramm, bestehend aus St. Bartholomäuskirche/Dom, Römer mit Kaisersaal und Wahlstube sowie der Karmeliterkirche mit dem DürerGemälde gehörte jedoch bis zum Ende des Untersuchungszeitraums bei fast allen Reisenden dazu, sodass sich das Frankfurt-Bild besonders aus diesen Attributen zusammensetzte: einst reichspolitisch bedeutsam, mehr und mehr abgekoppelt von der Reichsebene und dem Kaiser, konfessionell vermengt und zunehmend darum bemüht, auch auf dem Gebiet der Kunst und Gelehrsamkeit gegenüber bzw. neben der Funktion als Handelszentrum eine wichtige Rolle einzunehmen. An dieser Stelle muss erneut das Stichwort „Kompensation“ fallen, denn die sich verändernden politischen und wirtschaftlichen Bedingungen führten auch zu einem sich verändernden Stadt-Bild von Frankfurt am Main.
1922 Gerning, Frankfurt am Main, S. 322–323.
III Fazit: Von einem historischen zu einem kulturellen Zentrum
Über Frankfurt wurde viel geschrieben. Wie wohl für die meisten Städte des Alten Reichs zutreffend, gab es in der Epoche der Frühen Neuzeit auch über die Besonderheiten und Eigenarten der Reichsstadt Frankfurt einen rege geführten Diskurs. Anhand einer Vielzahl von Quellen zeichnet diese Arbeit den Frankfurtspezifischen Diskurs nach und verfolgt den Anspruch, die Stadt am Main als (herausragendes) Beispiel für die Generierung und Tradierung von Stadtbildern kultureller Zentren der Frühen Neuzeit zu beleuchten. Die synchrone und diachrone historische Diskursanalse von Stadtlobgedichten, Chroniken, kosmographisch-geographischen Schriften, Stadtbeschreibungen, Reiseberichten, Lexikon-Einträgen und Zeitschriftenartikeln über den Zeitraum von 1500 bis 1800 hat starke Tendenzen des gegenseitigen Rezipierens und Tradierens in den jeweiligen sowie zwischen den unterschiedlichen Textsorten ergeben. Auf dieser Grundlage kann von einem – mehr oder weniger – geschlossenen Diskurs gesprochen werden. Es hat sich herausgestellt, dass bereits bestehende Wissensbestände und formale literarische Vorgaben neben der persönlichen Wahrnehmung und den Erlebnissen eine größere Rolle spielten, als die historische Forschung bislang angenommen hat. Die in dieser Arbeit herausgearbeiteten und untersuchten Bestandteile des Stadtbildes sind nicht aufgrund der überlieferten Stadtgeschichte entwickelt worden – gemäß der Frage: Welche Aspekte haben wohl vor dem Hintergrund bestimmter historischer Strukturen oder Ereignisse in Frankfurt eine große Bedeutung? Sie sind stattdessen das Ergebnis einer quantitativen Quellenanalyse. Im Vorfeld sind keine künstlichen Untersuchungsschwerpunkte festgelegt worden, um keinen Einfluss auf die Analyse des Stadtbildes zu nehmen. Trotzdem musste eine Auswahl der quantitativ und qualitativ bedeutsamsten BildBestandteile getroffen werden, um das Quellenmaterial zielführend analysieren zu können. Demzufolge erhebt die Arbeit zwar Anspruch auf ein möglichst umfassendes Frankfurt-Bild, eine Vollständigkeit ist aber nicht möglich. Die Analyse des in der Publizistik tradierten Bildes von Frankfurt am Main hat schließlich zu drei wichtigen Erkenntnissen geführt: Erstens sind viele der Bilder und Bildbestandteile von Frankfurt so alt wie das Genre des Städtelobs und der humanistischen Stadtbeschreibung. Die historische Erforschung der Stereotypen hat aber auch ergeben, dass natürlich im Laufe der Zeit neue Topoi und Stereotypen hinzukamen (Kapitel II.3), während andere verblassten (Kapitel II.2) oder trotz ihrer bemerkenswerten Kontinuität anders betrachtet wurden und sich inhaltlich veränderten (Kapitel II.1). Die Stereotypen wurden seit dem frühen 16. Jahrhundert – und teilweise schon länger – beharrlich überliefert und tradiert. Der Diskurs war geprägt durch eine kontinuierliche intertextuelle Fortschreibung von Topoi und Stereotypen, die unter anderem in den untersuchten literarisch-publizistischen Formen DOI 10.1515/9783110503326-006
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begründet liegt. Letztere orientierten sich an relativ starren rhetorischen und stilistischen Vorgaben und waren durch feste inhaltliche Punkte charakterisiert, die es von den Autoren praktisch ‚abzuarbeiten‘ galt. Infolgedessen hat sich im frühen 16. Jahrhundert eine Vielzahl an stereotypen Mustern herausgebildet. Einmal entwickelt, konnten diese Stereotypen sich zwar verändern, zeitweise auch verblassen oder durch neue ergänzt werden, doch vollständig verschwunden sind sie nie. Zu den kontinuierlichen Topoi gehören die geographische Zentralität (situs), Frankfurt als Stätte der Königswahl, Kaiserkrönung, Aufbewahrungsort der Goldenen Bulle, als Messe- und Wirtschaftszentrum sowie die Zweiteilung der Stadt durch den Main und Verbindung der Stadtteile mittels einer imposanten Mainbrücke. Verblasst sind hingegen im Laufe des 18. Jahrhunderts der Entstehungsmythos und die Namensgebung sowie das Bild von einer wehrhaften und sicheren, gleichzeitig aber auch freien, friedlichen und gerechten Stadt. Gleichwohl tauchten diese Aspekte latent und gelegentlich auch zum Ende des Untersuchungszeitraums auf. Neu hinzugekommen sind Bildbestandteile, die vor allem das kulturelle Leben Frankfurts im engeren Sinne betreffen (das architektonische Stadtbild, Gelehrsamkeit, Bildung und Wissenschaft, Kunst und Kultur) sowie die Charakterzüge der Bewohner und die polykonfessionelle bzw. religiöse Ausprägung der Einwohnerschaft näher charakterisieren. Es ist erstaunlich, wie konstant und langlebig gewisse Topoi das Bild Frankfurts prägten, insbesondere bezogen auf die rühmliche Erinnerung an Frankfurts Entstehung und Aufstieg im Spätmittelalter, wovon die Stadt letztlich bis zum Ende des Alten Reiches zehren und profitieren konnte. So konnte sich ein weit verbreitetes und verhältnismäßig fest umrissenes Bild der Stadt entwickeln, auch wenn das Argument wirtschaftlicher Zentralität im Verlauf der Frühen Neuzeit den Aspekt politischer Zentralität überlagerte. Die tradierten Topoi bzw. Stereotype wurden nicht vollständig verdrängt, sondern blieben bestehen, da ältere Wissensbestände als Autorität galten und teils wortwörtlich übernommen sowie in den verschiedenen Gattungen tradiert wurden. Diese Erkenntnis ist für die Analyse eines Stadtbildes ganz wesentlich und verweist auf den frühneuzeitlichen Umgang mit Wissensbeständen und der Organisation des Wissens, die dem Prinzip der Kompilation folgte. In einer Studie über die heutige massenmediale Kommunikation in der Dresdner Lokalpresse und Literatur hat die Soziologin Gabriela Christmann herausgearbeitet, dass der Katalog der Dresden-Topoi im frühen 17. Jahrhundert mit der Thematisierung von geschichtlichen Ereignissen und Bauwerken seinen Anfang nahm und im Zuge der Stadtentwicklung sukzessive um weitere Topoi erweitert wurde. Nur wenige
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Topoi seien (zeitweise) in Vergessenheit geraten, während sich die meisten über die Jahrhunderte hinweg konstant erhalten hätten.1923 Der Frankfurt-Diskurs offenbart den Versuch, ein mittelalterlich-privilegiertes Bild als geliebte und geehrte Stadt der Kaiser aufrechtzuerhalten, nachdem sich Bild und Wahrnehmung im Laufe der Frühen Neuzeit voneinander entfernten. Für Frankfurt reichte die Betonung der besonderen – reichsstädtischen – Historie sowie der wirtschaftspolitischen Funktion spätestens im 18. Jahrhundert nicht mehr aus, als wirtschaftlich gesehen neben Leipzig auch andere Städte und Messeorte aufholten und politisch betrachtet das Kaisertum sowie die Institution des Heiligen Römischen Reichs zu bröckeln begannen. Hinzu kam für Frankfurt das Problem, dass es nur phasenweise während der Wahlen und Kaiserkrönungen sowie zur Messezeit ins Zentrum reichs- und europaweiter Bedeutung rückte. Die meiste Zeit musste – und konnte – Frankfurt auf seinen Ruf und das in der Öffentlichkeit kursierende Bild als wirtschaftspolitisches Zentrum vertrauen. Frankfurt-Besucher hinterfragten jedoch zunehmend die Ausstattung von Dom und Römer als noch zeitgemäß für die Königswahlen und Kaiserkrönungen. Oder sie stellten fest, dass außerhalb der Messezeiten in Frankfurt nicht mehr viel ‚los‘ war. Daraus resultierend wurde zur Kompensation eines im Verfall begriffenen, ehemals prächtigen Frankfurts in der publizistischen Öffentlichkeit ein Bild der Reichsstadt fortgeschrieben und aufrechterhalten, das sich konsequent auf die Bedeutung Frankfurts im Hoch- und Spätmittelalter bezog. Durch die Stereotypie des Stadtbildes unterschied sich das Stadtbild im 16. und 17. Jahrhundert kaum von dem anderer Reichs- und Handelsstädte. Als zentrale Erkenntnis weist die diskursive Praxis für das 18. Jahrhundert eine kompensierende Funktion des Frankfurt-Bildes als berühmte Wahlstadt auf, die den tatsächlichen Verlust an Bedeutung und Ansehen, den Frankfurt als Ort der Kaiserwahlen erlitt, auffangen und aufrechterhalten sollte und letztlich auch konnte. Exemplarisch dafür ist ein Plädoyer des Frankfurter Schriftstellers und Sammlers Johann Isaak von Gerning mit dem er um 1800 offensichtlich versucht hat, den Verlust der politischen Reichsfreiheit zu kompensieren: „Möchte man auch die Reichsstädte Mumien nennen, die durch Luxus und Sittenverderb, den Gefährten von Handel und Überflusse, sich selbst einbalsamirten; sie haben doch immer, wenn auch mit ihrem eigenen Nutzen, zur Bildung und Civilisierung Europa’s ihr Gutes beigetragen.“1924 Ich möchte aber auch die umgekehrte These wagen: Das stetige Rühmen der mittelalterlichen Vergangenheit hatte umgekehrt zur Folge, dass das gegenwärtige (d.h. frühneuzeitliche) Frankfurt implizit stets das Attribut der „Mittel1923 Christmann, Dresdens Glanz, S. 348. 1924 Gerning, Beiträge zur Culturgeschichte, S. 186.
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mäßigkeit“ verliehen bekam, von der zahlreiche Zeitgenossen nach Lektüre der publizistischen Quellen – teilweise enttäuscht – ausgehen mussten. Das bedeutet, dass der Rückbezug auf die Vergangenheit der mittelalterlichen kaiserlichen Privilegien und die Verherrlichung des Aufstiegs zur Wahl-, Krönungs- und Handelsstadt, aber auch das gleichzeitige Vernachlässigen und Ausblenden der Gegenwart den Bedeutungsverlust im Ansehen der frühneuzeitlichen Stadt erst forciert und hervorgerufen haben. Auch gehörte es sich offenbar nicht, negative Aspekte des Mittelalters zu erwähnen, was die Idealisierung dieser Zeit noch verstärkt hat. Negative Eindrücke wurden fast vollständig ausgeblendet. Die zweite wichtige Erkenntnis bezieht sich auf das Verhältnis von Fremdund Eigenbild zueinander. Ursprünglich sollten in dieser Studie beide Ebenen getrennt voneinander untersucht und einander gegenübergestellt werden. Doch die diachrone und synchrone Diskursanalyse des Frankfurt-Bildes hat gezeigt, dass durch die Praxis des Rekurrierens auf ältere Quellen und durch den Umgang mit bereits vorhandenem Wissen die Grenzen zwischen Fremd- und Eigenbild so stark verwischten, dass eine klare Trennung nicht mehr möglich ist. So sind die Stadtlobgedichte zwar häufig von ‚Fremdenʻ verfasst worden, sollten aber möglichst die Perspektive der Stadt wiedergeben. Interessanterweise fanden sich die Epigramme in der Folgezeit nicht nur in den Chroniken städtischer Provenienz wieder, die noch am ehesten die Innensicht widerspiegelten, sondern auch in topographisch-geographischen Beschreibungen und Reiseberichten, die eher die Fremd- bzw. Außenperspektive einnahmen. Die Diskursanalyse offenbart eine deutliche Übereinstimmung, gegenseitige Reaktion und Wechselwirkung zwischen den Stadtbeschreibungen, Reiseberichten und Lexikoneinträgen über Frankfurt am Main. Offenbar haben sich die Reisenden auf Lexika und Reisebeschreibungen bezogen, während die Herausgeber der Lexika die Reiseberichte als Quellen für ihre Beiträge genutzt haben. Die Rezeption verlief quer durch die Textsorten, sodass keine klare Grenze zwischen der Fremd- und Eigenperspektive auf Frankfurt gezogen werden kann, ohne Gefahr zu laufen, jemandem Meinungen und Ansichten zuzuschreiben, die letztlich aus einer nicht hinterfragten Rezeption resultierten. Das gilt offenbar bis heute: Indem offizielle Image-Strategien bzw. die Außendarstellung von städtischer Seite und private Äußerungen eng ineinandergreifen, lässt sich auch nach Einschätzung von Martina Nußbaumer unter ihnen keine idealtypische Unterscheidung zwischen Fremd- und Eigenbild vornehmen.1925
1925 Martina Nußbaumer: Integration des Partikularen. Vielfachcodierbarkeit als Erfolgsgrundlage der ‚Musikstadt Wien‘-Erzählung. In: Sommer/Gräser/Prutsch, Imaging Vienna, S. 71–86, hier S. 81.
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Die dritte Erkenntnis bezieht sich auf die Verschiebung des Stadtbildes von der Reichs- auf die Stadtebene sowie der zeitlichen Beschreibungsebene aus der Vergangenheit in die Gegenwart. Die Parameter des Frankfurt-Bildes haben sich durch das Verblassen bestimmter Topoi und das Entstehen neuer Stereotype von der reichischen Vergangenheit in die städtische Gegenwart verschoben, während gleichzeitig die mittelalterliche Vergangenheit immer wieder als Legitimation herangezogen wurde. Es bestand sozusagen ein tradierter „Kern“ in Form von Topoi und Stereotypen, der je nach Kontext des Autors und der publizistischen Textsorte im Laufe der Zeit variieren konnte. Seit der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts suchten die Chronisten, Stadtbeschreiber und Reisenden stärker nach spezifischen Eigenheiten Frankfurts und führten nach Möglichkeit alle Besonderheiten im kulturellen Bereich an, die Frankfurt bieten konnte. Es kam zu einer verstärkten Besinnung auf gegenwärtige und individuelle Stärken. Eine Erklärung für diese Entwicklung kann neben einem quantitativ und qualitativ veränderten Umfang an kultureller Produktion und Partizipation breiterer Bevölkerungsgruppen sowie neuer gesellschaftlicher und kultureller Institutionen die Feststellung von Gräser sein, dass neue Bilder und Topoi häufig durch die Erschöpfung älterer Images oder als Reaktion auf ein „identitätspolitisches Vakuum“1926 entstanden sind. So verloren die Gründungsmythen und kaiserlichen Privilegien im Stadtbild allmählich an Bedeutung. Die Betrachter blickten nicht mehr von außen auf die Stadt, sondern in die Stadt hinein und begaben sich auf eine genuin städtische, gesellschaftliche Ebene. Die älteren Topoi gerieten allerdings nicht in Vergessenheit, sondern existierten gleichberechtigt neben den neuen Bildbestandteilen fort. Das Stadtbild oszillierte zwischen der Tradition als Kompensation und einer kritischen Individualität. Helmut Neuhaus erklärt das Festhalten an bestimmten historischen Zuschreibungen und Werthaltungen damit, dass die Stadt im Laufe des 18. Jahrhunderts zum „Spiegel für den Zustand jener ausgreifenden frühmodernen Staatlichkeit [wurde], zu der sie gehörte“.1927 Das gelte auch für Reichsstädte, bezogen auf den Zustand des Heiligen Römischen Reichs Deutscher Nation und sein deutliches Defizit „an zeitgemäßer Staatlichkeit oder traditionsverhafteter Andersartigkeit“.1928 Deutlich werde dies am Beispiel Frankfurt am Main
1926 Gräser, Kleines Resümee, S. 192. 1927 Helmut Neuhaus: Der Einbruch der Neuzeit in die mittelalterliche Stadt. In: Lehmann/Liebau, Stadt-Ansichten, S. 125–143, hier S. 141. 1928 Ebd.
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als Wahl- und Krönungsstadt römischer Könige und Kaiser und als Gefängnis Karls VII. (1697–1745) in den frühen 1740er-Jahren.1929 Frankfurt stand seit dem ausgehenden 17. Jahrhundert nicht mehr als politisches und wirtschaftliches Zentrum des Alten Reiches im Mittelpunkt, sondern die Kommune mit ihrer gesellschaftlichen und kulturellen Bedeutung, abgekoppelt vom Reichsgefüge. Die Stadt verlor dabei nicht ihre (Dar-)Stellung als Wirtschafts- und politisches Zentrum, sondern gewann einen Ruf als „kulturelles Zentrum“ dazu; worüber im Diskurs sehr kontrovers diskutiert wurde (siehe Kapitel II.3). So lässt sich anhand des Diskurses und des disparat geprägten Stadtbildes keine Bewertung oder Einordnung über eine stark oder schwach ausgeprägte kulturelle Landschaft Frankfurts vornehmen. Dafür gingen die zeitgenössischen Eindrücke zu stark auseinander und reichten vom Lob Franfurts als „Zeugemutter vieler hochberühmter Männer”1930 bis zu der Einschätzung, dass „wohl weniger Kunstliebe und Kenntniß in Frankfurt [seien], als man beym ersten Anblick denken sollte“.1931 Diese Entwicklung hing nicht nur mit der im Wandel begriffenen Kulturlandschaft zusammen, sondern auch mit dem Versuch, der Stadt jenseits von Messe und Kaiserwahl und ohne Hof und Universität ein kulturell bedeutsames und attraktives Ansehen zu verleihen. Eine weitere Ursache sind die Konventionen der untersuchten literarischen Textsorten sowie die jeweiligen Kenntnisse und Interessen der Autoren. So hat auch Monika Langer in ihrer Studie zur Reiseliteratur des 18. Jahrhunderts festgestellt, dass sich der „Blick auf das Land zum Blick auf den Menschen in der Region“1932 verschoben hat. Es entwickelte sich eine Pluralität und ein Wandel von Wahrnehmungs- und Darstellungsweisen1933 heraus, der für das Frankfurt-Bild im 18. Jahrhundert zu verorten ist. Die disparate Ausprägung des Frankfurt-Bildes war somit auch davon beeinflusst, auf welche literarischen Vorlagen sich die reisenden Schreiber bezogen: auf fremde, kritische Reiseberichte oder eher auf städtische Quellen, wie zumeist positiv geprägte Stadtbeschreibungen und Reiseführer. Es bestanden parallel zueinander ein „Toposbewusstsein einerseits und gesellschaftliches Selbstverständnis andererseits“1934, wie Glasner ähnlich für die Stadt-Bild-Sprache im 16. Jahrhundert festgestellt hat.
1929 Ebd. 1930 Dietmann/Haymann, Neue Europäische Staats- und Reisegeographie, S. 694. 1931 K.W.H., Artistische Bemerkungen, S. 292. 1932 Monika Langer: Der „Viaggio sul Reno“ des Aurelio deʼ Giorgi Bertola. Eine Diskursreise durch das 18. Jahrhundert. Trier 2007, S. 221. 1933 Glasner, Stadt-Bild-Sprache im 16. Jahrhundert, S. 249. 1934 Ebd., S. 124.
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Insgesamt konnten sich im Frankfurt-Bild die überwiegend im Humanismus entstandenen Topoi hartnäckig im Stadtbild halten und erst sukzessive mit sich wandelnden literarischen Textsorten unter dem Einfluss der Aufklärung eine Ausdifferenzierung erfahren. Damit entwickelte sich aus der altehrwürdigen, zweigeteilten, kaisertreuen, hochgepriesenen Messe-, Wahl- und Krönungsstadt im Verlauf des frühneuzeitlichen Diskurses ein kulturell durchaus aktives internationales Finanz- und Bankenzentrum mit individuellen Stärken und Schwächen. Letztlich schaffte es das Stadtbild in seinem Kern, rund 300 Jahre zu überdauern – und damit eine ganze Epoche.
IV Anhang
Abbildungsverzeichnis Abb. 1: „Stadtansicht von Frankfurt am Main aus der Vogelschau von Südwesten.“ Kupferstich, um 1632. Exemplar: Institut für Stadtgeschichte Frankfurt am Main, S13–76, unbekannter Künstler. Abb. 2: „Die Stat Fra[n]ckfurt.“ Stadtansicht von Frankfurt am Main. Kolorierter Holzschnitt von MH (Monogrammist), um 1550. Exemplar: SLUB Dresden/Deutsche Fotothek. Signatur/ Inventar-Nr.: SLUB/KS A9467. Abb. 3: Vogelschaubild von Frankfurt am Main. „Francofurti Ad Moenum Urbis Imperialis Electioni Rom. Regum Atq[ue] Imperatorum Consecratae, Emporiique Tam Germaniae Quam Totius Europae Celeberrimi Accurata Delineatio.“ Kupferstich von Matthäus Merian d.Ä., um 1628. Exemplar: SLUB Dresden/Deutsche Fotothek. Signatur/Inventar-Nr.: SLUB/KS A9469. Abb. 4: Gebietskarte von Frankfurt am Main, vor 1640. „Novam Hanc Territorii Francofurtensis Tabulam.“ Kupferstich von Joan und Cornelis Blaeu. Exemplar: SLUB Dresden/Deutsche Fotothek. Signatur/Inventar-Nr.: SLUB/KS A9449. Abb. 5: Der Frankfurter Main-Hafen als wichtiger Handels- und Umschlagplatz. „Frankfurt am Main, Stadtansicht 1646.“ Kupferstich von Matthäus Merian d.Ä. Exemplar: SLUB Dresden/ Deutsche Fotothek/Regine Richter. Signatur/Inventar-Nr.: Hist.Rhen.inf.10.m. Abb. 6: Erklärung und Krönung sowie Krönungsprozession von Kaiser Leopold I. Ausschnitt aus dem Flugblatt: „Eigentliche Abbildung der Kayserlichen Wahl und Crönungs Actus.“ Kupferstich von Caspar Merian, 1658. Exemplar: SLUB Dresden/Deutsche Fotothek/Regine Richter. Signatur/Inventar-Nr.: in B 1980b,4. Abb. 7: Die Huldigung der Reichsstadt Frankfurt am 9. Januar 1712 an Kaiser Karl VI. Radierung, unbekannter Künstler, 1712. Exemplar: Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel: graph-c-175b. Abb. 8: Die Krönung von König Matthias zum römischen Kaiser zu Frankfurt am Main 1612. Radierung, unbekannter Künstler, 1612. Exemplar: Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel: graph-c-175c. Abb. 9: Festliches Bankett im Frankfurter Römer aus Anlass der Wahl Kaiser Karls VII. 1743: „Kostbares Tractament.“ Kupferstich. In: Vollständiges Diarium Von den Merckwürdigsten Begebenheiten, Die sich vor, in und nach der Höchst-beglückten Wahl und Crönung Des Allerdurchlauchtigsten, Großmächtigsten und Unüberwindlichsten Fürsten und Herrn, Herrn Carls des VII. Erwehlten Römischen Kaysers, ... Im gantzen Heil. Röm. Reich, Und sonderlich in dieser Freyen Reichs- und Wahl-Stadt Franckfurt am Mayn zugetragen. Bd. 2. Frankfurt a.M. 1743, S. 73. Exemplar: Institut für Stadtgeschichte Frankfurt am Main, 4° Wahl 7, Bd. 2, F.M. Regensus. Abb. 10: Die repräsentative neue Treppe im Römer anlässlich der Wahl und Krönung von Karl VII. „Innwendiger Prospect der Neuen Stiege im Römer.“ Kupferstich. In: Vollständiges Diarium Von den Merckwürdigsten Begebenheiten, die sich vor, in und nach der Höchst-beglückten Wahl und Krönung Carls des VII. Im gantzen Heil. Röm. Reich, Und sonderlich in dieser Freyen Reichs- und Wahl-Stadt Franckfurt am Mayn zugetragen. Frankfurt a.M. 1742, S. 19. Exemplar: Institut für Stadtgeschichte Frankfurt am Main, 4° Wahl 7, Bd. 1, Michael Rößler. Abb. 11: Der große Römersaal. Banquett Kaiser Karls VI. 1711 anlässlich der Kaiserkrönung. Radierung von Joesph de Montalegre, 1711–1729. Exemplar: Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel: graph-a1-1790. DOI 10.1515/9783110503326-007
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Abbildungsverzeichnis
Abb. 12: Das St. Bartholomäusstift. Ausschnitt aus der „Stadtansicht von Südwesten“. Kupferstich, 1617. Exemplar: Institut für Stadtgeschichte Frankfurt am Main, S7a/1998–36, von Matthäus Merian d.Ä. Abb. 13: Die „Goldene Bulle“ Kaiser Karls IV. Exemplar: Institut für Stadtgeschichte Frankfurt am Main. Abb. 14: Nachdruck der Titelvignette „Die Frankfurter Messe im Jahr 1696“ mit dem Römerberg zur Messezeit. Druckgrafik, Frankfurt am Main 1696. Zinkdruck. Eexemplar: Historisches Museum Frankfurt, C02314, Foto: Horst Ziegenfusz. Abb. 15: Das Mainufer am Fahrtor. Tafelbild. Öl auf Leinwand (doubliert) von Friedrich Wilhelm Hirt, 1757. Exemplar: Historisches Museum Frankfurt, B1528, Foto: Horst Ziegenfusz. Abb. 16: Die Zweiteilung der Stadt. Vogelschauansicht von Frankfurt am Main. „Civitas Francofordiana Ad Moe[num].“ Kupferstich von Franz Hogenberg, um 1572. Exemplar: SLUB Dresden/Deutsche Fotothek. Signatur/Inventar-Nr.: SLUB/KS A9468. Abb. 17: Ansicht der Steinernen Brücke zwischen Frankfurt und Sachsenhausen. Kupferstich aus Salomon Kleiners „Florierendes Frankfurt“, 1738. Exemplar: Historisches Museum Frankfurt, C 1261, Foto: Horst Ziegenfusz. Abb. 18: „Prospect vor dem Schau-Main Thor.“ Garten- und Landhäuser des Unter- und Schaumainkais. Aquarell, um 1775. Exemplar: Institut für Stadtgeschichte Frankfurt am Main, S7a/1998–114, Johann Caspar Zehender. Abb. 19: Das Rathaus „Der Römer“ auf dem Römerberg. „Curia Francofurtensis ad Moenum cum Foro Piscario. Römer, oder Rathhauß zu Franckfurt am Mayn. Sambt dem Platz der Römerberg genant.“ Kupferstich. Aus dem Krönungsdiarium Leopolds I. von 1658. Exemplar: Institut für Stadtgeschichte Frankfurt am Main, S13–1055, Caspar Merian. Abb. 20: Tanz zur Wahl und Krönung von Matthias I. in Frankfurt am Main 1612. „Ein dantz der Konigin zuehren zuhalten thut sich nicht beschwern Ihr, Majestat, Sie beid allein dantzn, Ihn volgen die fueresten fein.“ Kupferstich, unbekannter Künstler, ca. 1612. Exemplar: SLUB Dresden/Deutsche Fotothek. Alte Inventar-Nr.: Hist.Germ.C.8. Abb. 21: Ansicht des Komödienhauses zu Frankfurt am Main gegen Nordost. Kupferstich von Johann Daniel Frey und Johann Andreas Liebhardt, 1793. Historisches Museum Frankfurt, C02960, Foto: Horst Ziegenfusz. Abb. 22: „Der Römerberg.“ Blick in die Stadt hinein: Geschäftiges Treiben auf dem Römerberg. Kupferstich von Salomon Kleiner, 1738. Exemplar: SLUB Dresden/Deutsche Fotothek. Abb. 23: „Brandstätte der Judengasse in Frankfurt a.M. am 16. Juli 1796.“ Kupferstich. Exemplar: Institut für Stadtgeschichte Frankfurt am Main, S13–705, Georg Joseph Cöntgen.
Abkürzungsverzeichnis ADB AFGK AKG GG GWU HAB HJb HZ IASL ISG NDB NF. SLUB VSWG ZGO
Allgemeine Deutsche Biographie Archiv für Frankfurts Geschichte und Kunst Archiv für Kulturgeschichte Geschichte und Gesellschaft Geschichte in Wissenschaft und Unterricht Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel Historisches Jahrbuch Historische Zeitschrift Internationales Archiv für Sozialgeschichte der deutschen Literatur Institut für Stadtgeschichte Frankfurt am Main Neue Deutsche Biographie Neue Folge Sächsische Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek Dresden Vierteljahrschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte Zeitschrift für die Geschichte des Oberrheins
DOI 10.1515/9783110503326-008
Quellenverzeichnis Verzeichnis handschriftlicher Quellen Chroniken Annales Francofurtani. 1306–1364. Abgedruckt in: Froning, Richard (Bearb.): Frankfurter Chroniken und annalistische Aufzeichnungen des Mittelalters. Frankfurt a.M. 1884. Annales Reipublicae Francofurtensis. Verfasst: 1571–1698, Laufzeit: 744–1698. ISG: Chroniken S5/1. Anonyme Aufzeichnungen eines Unbekannten über die Jahre 1695–1700. Band 1. ISG: Chroniken S5/77. Anonyme Aufzeichnungen eines Unbekannten über die Jahre 1672–1693. Band 2. ISG: Chroniken S5/78 (Vgl. S5/77). Aschaffenburg, Johann Friedrich Faust von: Der Statt Franckfurt und des Raths Sachen und Notabilia. Anfang 17. Jahrhundert. ISG: Chroniken S5/3. Authaeus, Philipp Ludwig: Kollektaneen zur Frankfurter und Reichsgeschichte bis gegen 1700. O.J. Laufzeit: 794–1617. ISG: Chroniken S5/7. Chronik der Stadt Frankfurt am Main. Mitte 17. Jahrhundert. ISG: Chroniken S5/115. Chronik eines nichtgenannten Verfassers über Ereignisse in Frankfurt am Main. 1766–1771. ISG: Chroniken S5/81. Collectanea von der Statt Franckfurth 794-1612. Anonym. Laufzeit: 794–1612. Verfasst ca. 1625. ISG: Chroniken S5/76. Deutsche Frankfurter Chronik. Anonym. Laufzeit: 794–1628. Verfasst: ca. 1628. ISG: Chroniken S5/97. Engelhardt, Johann Anton: Aufzeichnungen über die Ereignisse der Jahre 1792–1811. Laufzeit: 1792–1811. ISG: Chroniken S5/68. Faust von Aschaffenburg, Johann Friedrich: Der Statt Franckfurt und des Raths Sachen und Notabilia. Laufzeit: 1400–1700. O.J. Etwa 14. bis 17. Jahrhundert. ISG: Chroniken S5/3. Finger, Lorenz Friedrich: Chronik 1766–1782. Laufzeit: 1766–1782. ISG: Chroniken S5/62. Fragment einer Frankfurter Chronik. Mit Zusätzen von Johann Maximilian zum Jungen. O.J. (ca. 1612). ISG: Chroniken S5/25. Frankfurter Chronik von Maximilian Faust von Aschaffenburg, in der Abschrift Johann Maximilian zum Jungen (1624). Nach 1638. ISG: Chroniken S5/74. Frankfurter Chronik 753–1705. Anonym. Mit Nachträgen bis 1788. Laufzeit: 753–1788. ISG: Chroniken S5/63. Frankfurter Chroniken und Collectaneen, eine Sammlung verschiedener Chroniken und Handschriften. ISG: Chroniken S5/10. Frankfurter Chronik. Anonym. Abschrift einer Frankfurter Chronik von 1744 durch einen Herrn Uffenbach. Universitätsbibliothek Frankfurt am Main: Ms. germ. 4° 63. Fritz, Nicolaus: Kleine Frankfurter Hauschronik. 1678–1719. ISG: Chroniken S5/44. Geschriebene Franckforther Chronic. Von Einem guten Freunde der Statt Franckforth, nach seinem Vermögen beschrieben. Anno 1703. ISG: Chroniken S5/60. Geschriebene Franckforther Chronick. Anno Domini 1718, d. 4. April. ISG: Chroniken S5/86. Heyl, Joh. Peter/Sprückmann, Jost: Tagebücher. 1689–1812. ISG: Chroniken S5/16. DOI 10.1515/9783110503326-009
Verzeichnis handschriftlicher Quellen
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Hupkar, Achilles u.a.: Acta ecclesiastica-politica Francofurtensia 1654. Laufzeit: 794–1694, Nachträge von 1654–1694. ISG: Chroniken S5/87. Jungen, Hans Heinrich zum: Kurze Notizen zur Stadtgeschichte 774–1586. Laufzeit: 774–1641. ISG: Chroniken S5/70. Kollektaneen zur Frankfurter Geschichte (14.–16. Jh.) aus Beständen des Stadtarchivs durch einen Unbekannten (Registrator Palthenius). Laufzeit: 1625–1632. ISG: Chroniken S5/14 (Vgl. S5/13 und S5/15). Latomus, Johannes: Acta aliquot vetustiora in civitate Francofurtensi ab aetate Pipini parvi Francorum regis usque ad tumultum rusticum id est annum Christi 1525. Laufzeit: 753–1525. ISG: Chroniken S5/40. Latomus, Johannes: Acta aliquot vetustiora in civitate Francofurtensi ab aetate Pipini parvi Francorum regis usque ad tumultum rusticum id est annum Christi 1525 tumultuarie collecta per me Jo(hannes) Latomum Francofurtensem, decanum sancti Bartholomaei ibidem. Laufzeit: 753–1525. Datierung: 1583. ISG: Chroniken S5/31. Latomus, Johannes: Chronicon Francofurtanum et Moguntinum. Laufzeit: 1368–1631. O.J. (bis 17. Jahrhundert). ISG: Chroniken S5/11. Mangon, Abraham: Kollektaneen. 18. Jahrhundert. ISG: Chroniken S5/17. Maximilian Faust von Aschaffenburg: Frankfurter Chronik. Ca. 1624. ISG: Chroniken S5/12. Rasor/Schneider/Waldschmidt: Annalen 1694–1709. ISG: Chroniken S5/2. Sagittarius, Kaspar: Historia Franckenfurtensis. Laufzeit: 794–1664. (Vgl. S5/49). ISG: Chroniken S5/30. Sagittarius, Kaspar: Historia Franckenfurtensis. Laufzeit: 794–1664. (Vgl. S5/30). ISG: Chroniken S5/49. Schile, Adam: Chronica Franckofurtensis. Pars Prima. Laufzeit: 1034–1399. Verfasst ca. 1635–1658. ISG: Chroniken S5/4. Schile, Adam: Chronica Franckofurtensis. Pars Secunda. Laufzeit: 1400–1499. Verfasst ca. 1635–1658. ISG: Chroniken S5/5. Schile, Adam: Chronica Franckofurtensis. Pars Tertia. Laufzeit: 1500–1597. Verfasst ca. 1635–1658. ISG: Chroniken S5/6. Steitz, Georg von: Aufzeichnungen über kleine Begebenheiten in der Stadt (Frankfurt) 1751–1799. Laufzeit: 1751–1799. ISG: Chroniken S5/50. Steitz, Georg von: Ereignisse in Frankfurt 1746–1788. Aus dem Nachlass des Staatsraths Steitz. ISG: Chroniken S5/51. Waldschmidt, Johann Martin: Chronicon der Weltberühmbten freyen Reichs- Wahl- und Handel Statt Franckfurt am Mayn. Zusammen gebracht von [Johann Martin Waldschmidt]. O.J. Nach 1704. ISG: Chroniken S5/66. Walther, Johann Friedrich: Aufzeichnungen angefangen 1719 (Stadtbrand) bis 1733. ISG: Chroniken S5/36.
Reiseberichte Bartels, Johann Heinrich: Briefe an die Eltern und Schwestern 1780–1790. Staatsarchiv Hamburg: 622-1 Fam. Bartels III d 1. Bericht eines Görlitzer Adligen über seine Reise nach den Niederlanden, Paris und Versailles. O.O. um 1725. SLUB: Mscr. Dresd. App. 2177.
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Quellenverzeichnis
Dufrêne, Maximilian SJ: Tagebuch über des Erbprinzen Carl Friedrich zu Fürstenberg Reisen von Regensburg nach Cöln, durch die Niederlande und Frankreich in den Jahren 1731–1732. Titel: Tägliche Bemerkung über die von Ihro Durchlaucht Herrn Carl Friederich Erb Prinzen zu Fürstenberg im Jahre 1731 von Regenspurg bis Cölln gemachte Reise. Bayerische Staatsbibliothek: Cgm 1281, fol. 15v–16r. Friedrich V. Landgraf von Hessen-Homburg: Relation du temps que j’ai passé à Frankfort durant le couronnement depuis le 21. Mars jusqu’au 14 avril. In: Beschreibungen der Reisen Landgraf V. eigenhändig. Hessisches Staatsarchiv Darmstadt: D 11, Nr. 99/2. Geheimsekretär Heidenbeckers Reise von Lübeck nach Danzig, 1646. Dessen Reise nach Holland 1662. Forschungsbibliothek Gotha: Chart. A 291. Geisenheimer, Hans: Ein italienischer Reisebericht über Frankfurt aus dem Jahre 1667. Nach einer unveröffentlichten Handschrift des Florentiner Staatsarchivs. In: Alt-Frankfurt. Vierteljahrschrift für seine Geschichte und Kunst Jg. 3/Heft 2 (1911), S. 49–53. Herwarth, Johann Michael/Herwarth, Johann Georg: Il Viaggio in pratica felice oder glücklicher Spaziergang durch Teutschland, Holland, Frankreich und Welschland, gemacht von Joh. Michael, churfürstl. Kommerz- u. Regierungs-Rath, und Joh. Georg, churfürstl. Kammer- u. Hofrath zu München, von Herwarth, des Reichsgrafen zu Hollenberg [lies: Hohenberg], v. 27. Juni 1738–12. Juli 1739, München, 20. August 1739, fol. 10v. Bayerische Staatsbibliothek München, Handschriftenabteilung, Cgm 6772. Herzog Carl Eugen von Württemberg Tagbücher seiner Rayßen […] in den Jahren 1783–1791. Hrsg. von Robert Uhland. Tübingen 1968. Holzschuher, Karl Sigmund: Reise in die Niederlande und nach England. Nürnberg 1708. Stadtbibliothek Nürnberg: Nor. H. 897 (2b). Hügel, Johann Aloys Joseph Reichsfreiherr von: Tagebuchauszüge Alois von Hügel’s und Briefe: Tage-Buch meiner Reiße nach Augsburg, Ellwangen, und Dillingen 1782 und nach Frankfurt 1790. Bundesarchiv Außenstelle, Frankfurt am Main: N 1757, Bd. 12, Nachlass Hügel (ehemals: FN 8). Ketelhodt, Friedrich Wilhelm von: Reisejournal meines Sohnes Friedrich Wilhelm von Ketelhodt. 1776-1815. Original: 1786. Reise Journal meines Sohnes Friedrich Wilhelms. Thüringisches Staatsarchiv Rudolstadt: Freiherrlich von Ketelhodtsches Familienarchiv, Nr. A 75. Kress von Kressenstein, Georg Christoph: Friedrich Kress von Kressenstein Kopie des Reisetagebuchs des Georg Christoph Kress von Kressenstein. 1711. Germanisches Nationalmuseum Nürnberg: Kress-Archiv, Rep. Kraftshof, Nr. 179. Miscellania vom Jahr 1794. Bemerkungen auf meiner Reysen. Generallandesarchiv, Landesarchiv Baden-Württemberg Karlsruhe: GLA 65/11861. Peter Friedrich Ludwig Prinz von Holstein-Gottorp: Bemerkungen und Notizen des Prinzen Peter Friedrich Ludwig über seine Reisen, insbesondere in Italien, nach Rußland, durch England, nach Kopenhagen, in Frankreich. 1769–1778. Niedersächsisches Staatsarchiv Oldenburg: Bestand 6 – D, Nr. 7. Peter Friedrich Wilhelm von Oldenburg: Eigenhändiges Tagebuch des Prinzen Peter Friedrich Wilhelm, über seine Reisen im südlichen Deutschland und in Holland, in den Jahren 1770 und 1771. Original-Titel: Voiage d’Eutin a Strasbourg dans lʼannée 1770. Niedersächsisches Staatsarchiv Oldenburg: Bestand 6 – C, Nr. 4. Prinz Wilhelms von Nassau-Dillenburg: Ausführliche Reisebeschreibung von ihm fleißig durchsehen und gemacht. Anno 1694. Herzogin Anna Amalia Bibliothek Weimar: Fol. 321. Rantzau, Otto Manderup: Reisetagebuch in französischer Sprache 1739–1741. SLUB: Mscr. Dresd. App. 1656 [Manuskript/Entwurf].
Verzeichnis gedruckter Quellen
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Reisebericht eines ungenannten Würzburger Bürgers über die Reise mit seinem Vater, seinem Bruder Hermann […] zu Wasser und Lande über Frankfurt, Gießen, Fritzlar […]. 1735. Zeitgenössischer Titel: Ordentliche Reis Beschreibung so angefangen hat dienstags den 7.ten Juny 1735. Staatsarchiv Würzburg: Historischer Verein Ms f. 1778, fol. 2r. Reisen des Churfürsten Johann Georg III. zu Sachsen und seiner Söhne Johann Georg IV. u. Friedrich August I. 1683. Forschungsbibliothek Gotha: Chart. B. 628. Riedner, Adam Nikolaus: Reise von München nach Franckfurt am Mayn, bei Gelegenheit der Kaiserkrönung Leopold II. Im Monat September und October 1790. Darin: Journal der Reise nach Frankfurt am Main, fol. 1–22. Germanisches Nationalmuseum Nürnberg: Hs. 126.161. Ritzig, Esaia Immanuel: Reise beider durchlauchtigsten Prinzen von Sachsen-Gotha Herrn Friedrichs Erb-Prinzen und Herrn Johann Wilhelms, Herzogen zu Sachsen durch Holland, England, Braband, Flandern, Seeland und Nordholland. 1692–1693. Forschungsbibliothek Gotha: Chart. A 545. Bericht über Frankfurt auf fol. 8r–10v. Schneider, Thomas Franz (Hrsg. und Komm.): ‚Jähriger Rayß Beschreibung‘. Eine Europareise in den Jahren 1661 und 1662, ausgeführt von vier Solothurner Patriziern. Basel 1997. [Steitz, Christian Friedrich:] Reisebeschreibung eines [unbekannten] Frankfurter Kaufmanns 1779, April 12.–September 7. Freies Deutsches Hochstift, Frankfurter Goethe-Museum Frankfurt am Main: Hs. 13454. Tagebuchartige Aufzeichnungen von Sekretärshand über eine Reise des Hzg. Ludwig Rudolf von Braunschweig-Lüneburg aus Frankfurt/Main und Nürnberg (Nov.-Dez. 1732). Staatsarchiv Wolfenbüttel: 2 Alt, Nr. 3634. Tagebuch einer Reise angefangen den 25. Junius 1782. Sächsisches Staatsarchiv Leipzig: Akte: RG Rötha Nr. 3923. Voigt, Samuel Gottlieb: Historische Lebens- und Reisebeschreibung; welche von mir Samuel Gottlieb Voigten verrichtet und aufgezeichnet worden, vom Jahre 1731 bis 80. Anno 1780. SLUB: Msc. Dresd. App. 295. Zickwolff, Philipp Christian: TagBuch meiner Reiße. Franckfurth am Mayn Anno 1784. Universitätsbibliothek Frankfurt am Main: Ffm F 314.
Verzeichnis gedruckter Quellen Stadtlobgedichte Authes, Hermann Adolf: Inwendig bin ich schön und reich. 1658. Aus: Saur, Abraham/Authes, Hermann Adolf: Stätte-Buch: Oder Außführliche Beschreibung der fürnehmsten Stätte, Plätz, Vestungen, meistens in Europa, auch theils in andern Theilen der gantzen Welt. Franckfurt a.M. 1658, S. 509. Celtis, Conrad: Ad Henricum Euticum Franckfordensem Physicum./ An Heinrich Euticus, den Frankfurter Physicus. In: Celtis, Conrad: Oden, Epoden, Jahrhundertlied. Libri Odarum quattuor, cum Epodo et Saeculari Carmine (1513). Übersetzt und hrsg. von Eckart Schäfer. Tübingen 2008, S. 254 (lat.)–255 (dt.). Celtis, Conrad: Libri Odarum quatuor, cum Epodo, & Saeculari Carmine. Straßburg 1513. Darin: Ad Henricum euticum Franckfordensem Physicum. Odarum I. III, XVI, fol. H1b–L8b.
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Quellenverzeichnis
Colerus, Christoph: Francofurtum ad Moenum. Mercatorum fanum fundo, 1651. Deutsche Übersetzung: Diehl, Frankfurt am Main im Spiegel, S. 228–229. Estienne, Henri: Francofordiense Emporium. Repr. d. Ausg. S.l. 1574. Frankfurt a.M. 1968. Fabricius, Georg: Lobgedicht, 1547. Aus: Fabricius, Georg (Georgio Fabricio oder Georg Goldschmidt): Iter Argentoratense ad Volfgangum Meurerum. In: Itinerum Georgii Fabricii Chemnicensis Liber unus. Cum locorum veteribus & recentibus appellationibus. Leipzig 1547, S. 39–45, (Frankfurt-Verse auf S. 42–43). Deutsche Übersetzung: Diehl, Frankfurt am Main im Spiegel, S. 214. Favolius, Hugo: Die wohlberühmte Stadt Franckfurt. Lateinisches Original in: Favolius, Hugo/ Galleaus, Philipp: Theatri orbis terrarum Enchiridion. Minoribus tabulis per Phillipum Galleaum exaratum. Antwerpen 1585. Deutsche Übersetzung aus: Kathrein/Krüger, Liebe zu Frankfurt, S. 21 und Diehl, Frankfurt am Main im Spiegel, S. 214. Der Vers wurde zeitgenössisch abgedruckt u.a. bei Saur/Authes, Stätte-Buch, 1658, S. 504–505 und Reusner, Urbes Imperiales, 1651, S. 58. Gottfried, Johann Ludwig (Johannes Ludovicus Gansius): Lateinischer Vers um 1630. Zeitgenössisch abgedruckt in: Zeiller, Topographia Hassiae, 1655, S. 58 und Saur/Authes, Stätte-Buch, 1658, S. 503. Abdruck und deutsche Übersetzung in Diehl, Frankfurt am Main im Spiegel, S. 224–225. Griblebius, M. Johannes [Griebleben, Johann]: Der Stadt Franckfurt am Mayn Adler. In: Insignia quorundam nobilium ordinis equestris Francici Latinogermanica, suis olim domesticis discipulis scripta = Beschreibung der Wapen etlicher vom Adel in Fränckischer Ritterschafft, was derselbigen Helm, Schild und Farbe anbelanget. Frankfurt a.M. 1591. Gunther de Pairis: Aus dem „Ligurinus“. 1187. In: Knapp, Fritz-Peter (Hrsg.): Der „Ligurinus“ des Gunther von Pairis. In Abbildung des Erstdrucks von 1507. Göppingen 1982. Deutsche Übersetzung bei Kathrein/Krüger, Liebe zu Frankfurt, S. 16 und Diehl, Frankfurt am Main im Spiegel, S. 207. Hutten, Ulrich von: Ad Ludovicum Huttenum equitem auratum. In: Ulrici Hutteni equestris ordinis poetae in Vuedegum Loetz, Consulem Gripesualdensem in Pomerania/ et filium eius Henningum Utr: Juris doctore[m] Querelarũ libri duo pro insigni quadam iniuria sibi ab illis facta. Frankfurt/Oder 1510, fol. 154v–156v. Hutten, Ulrich von: Dort ist die Stadt. In: Siebente Elegie. An Ludwig Hutten, den Ritter, 1510. Deutsche Übersetzung nach Gottlieb Christian Friedrich Mohnike (Hrsg.): Klagen gegen Wedeg Loetz und dessen Sohn Henning. Zwei Bücher. Greifswald 1816, S. 118–121. Irenicus, Franciscus: Francofordia. In: Germaniae Exegesis. 1518. Liber Undecimus de civitatibus eius, fol. CCv–CCXVv, hier fol. CCXIIr. Jormann, Johann Albrecht: Warhaffter und Eigentlicher Schau-Platz Der Weit berühmten Franckfurter Meß. Durch einen der Curiositäten Liebhaber genau zusammen getragen und in dieses Papier gepackt. S.l. 1696. In: Jormann, Johann Albrecht: Frankfurter Meßgedicht. Festgabe des Frankfurter Meßamtes. Dritte Veröffentlichung. Mit einem Vorwort von Professor Dr. Rudolf Jung. Faksimile Frankfurt a.M. 1922. Karst, Johann Rudolf: Neugebundener Lorbeer-Krantz Der Welt-beruffenen Stadt Franckfurt am Mayn. In: Johann Rudolf Karstens Deutscher Dicht-Kunst Lust- und Schauplatz. Frankfurt a.M. 1667, S. 17–27. Kelchner, Ernst: Sechs Gedichte über die Frankfurter Messe. In: Mittheilungen des Vereins für Geschichte und Alterthumskunde in Frankfurt a.M. 6 (1881), S. 317–396.
Verzeichnis gedruckter Quellen
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Kirchner, Anton (1779–1834): Hoch strahlst du. Abgedruckt in Kathrein/Krüger, Liebe zu Frankfurt, S. 175. Lobgedicht eines Unbekannten auf die Stadt Frankfurt. Als Flugblatt in Frankfurt gedruckt, 1675. In: Ein Lobgedicht auf die Stadt Frankfurt a.M. aus dem Jahre 1675. Eingel. und mit Anmerkungen begleitet von Julius Ziehen. Frankfurt a.M. 1924. Mangold, Marx: Marckschiff/ oder Marckschiffer Gespräch/ Von der Franckfurter Meß. Darinn alles/ was in derselben Meß namhafftes und seltzames zusehen/ beschrieben ist/ durch Marx Mangold. S.l. 1596. Abgedruckt u.a. in: Ziehen, Julius (Hrsg.): Der Frankfurter Markt oder die Frankfurter Messe von Henricus Stephanus. Mit 13 Abbildungen und dem Marktschiff-Gedicht vom Jahre 1596 im Anhang. Frankfurt a.M. 1919. Micyllus, Jacobus [Jakob Moltzer]: Am Main-Fluß. Um 1530. Zeitgenössisch im lateinischen Original abgedruckt bei: Reusner, Urbes Imperiales, 1651, S. 57–58 und Stromer von Reichenbach, Speculum Germaniae, 1676, S. 217. Deutsche Übersetzung (nach Maximilian Faust von Aschaffenburg) bei Kathrein/Krüger, Liebe zu Frankfurt, S. 20 und Diehl, Frankfurt am Main im Spiegel, S. 214. Mohnike, Friedrich: Ulrich Hutten’s Klagen gegen Wedeg Loetz und dessen Sohn Henning. Zwei Bücher. Greifswald 1816. Petschke, Christoph: O edles Franckfurt, 1657. Abgedruckt in: Kathrein/Krüger, Liebe zu Frankfurt, S. 29–30. Reusner, Nicolai (1545–1602): In Francofurtum Urbem Imperii Epigrammata. In: Nicolai Reusneri Jurisconsulti: Urbes Imperiales. Accessit Emporium Francofordiense Henrici Stephani. Frankfurt a.M. 1651, S. 56–57. Reusner, Nicolai (Hrsg.): Nicolai Reusneri Jurisconsulti: Urbes Imperiales. Accessit Emporium Francofordiense Henrici Stephani. Frankfurt a.M. 1651. Reusner, Nikolaus von: Den besten Ruhm. Deutsche Übersetzung nach Maximilian Faust von Aschaffenburg bei Kathrein/Krüger, Liebe zu Frankfurt, S. 23; Diehl, Frankfurt am Main im Spiegel, S. 216. Sachs, Hans: Ain lobspruech der stat Franckfurt. 1568. In: Keller, Adelbert von/Goetze, Edmund (Hrsg.): Hans Sachs. 23. Bd. (Bibliothek des Literarischen Vereins in Stuttgart. CCVII.) Tübingen 1895. Scaliger, Iulius Caesar (1484–1558): Francfordia (um 1510/20). In: Julii Caesaris Scaliger: Urbes. Ad Divam constantiam Rangoniam, S. 582–613. In: Julii Caesaris Scaligeri: Poemata in duas partes divisa. Sieben Bücher über die Dichtkunst. Pars 1. 1561, Frankfurt-Vers S. 606. Deutsche Übersetzung nach Maximilian Faust von Aschaffenburg in: Diehl, Frankfurt am Main im Spiegel, S. 211–212. Schede, Paul (Melissus): Gleichwie Hellas. Original ist auf Latein verfasst: Urbs Atticorum, ca. 1570–1580. Abgedruckt u.a. bei Saur/Authes, Stätte-Buch, 1658, S. 503; Reusner, Urbes Imperiales, 1651, S. 59–60; Vechner, Universae Germaniae breviarium, 1673, S. 91–92; Oldenburger, Thesauri Rerumpublicarum, 1675, S. 1296; Stromer von Reichenbach, Speculum Germaniae, 1676, S. 218. Deutsche Übersetzung bei Kathrein/ Krüger, Liebe zu Frankfurt, S. 23. Schmitz, Wolfgang (Hrsg.): Johann Haselbergs Eyn Lobspruch der keyserlichen freygstath Coellen von 1531. Köln 2006. Schöffer, Peter d.J.: Ein Frankfurter Messeflugblatt um 1516. Hrsg. von Josef Benzing. Sonderdruck aus dem AFGK 53 (1973), S. 41–48. Schroender, Georg: Urbs ego Mercurio sacra sum. Dem Merkur bin ich geweiht. 1584. Deutsche Übersetzung: Diehl, Frankfurt am Main im Spiegel, S. 223.
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Quellenverzeichnis
Sigismund, David (Büttner, 1660–1719): Ich freu mich zu sehen die Stadt. Lateinisches Original: Davidis Sigemundi: Cassouij iter Germanicum & Sarmaticum. In: Reusner, Nikolaus: Hodoeporicorum sive Itinerum totius fere Orbis. Lib. VII. Opus Historicum, Ethicum, Physicum, Geographicum. Basel 1580, S. 581–598, hier S. 593. Deutsche Übersetzung nach Maximilian Faust von Aschaffenburg in: Kathrein/Krüger, Liebe zu Frankfurt, S. 17; Diehl, Frankfurt am Main im Spiegel, S. 207–208. Soest, Johann Steinwert von: Eyn Spruchgedicht zu lob und eer der Statt Franckfortt. 1501. In: Frankfurtisches Archiv für ältere deutsche Literatur und Geschichte, hrsg. von Carl von Fichard. Frankfurt a.M. 1811, S. 77–83. Stephanus, Henricus (Estienne, Henri): Der Frankfurter Markt oder die Frankfurter Messe (1574). Im Auftrage der Städtischen Historischen Kommission in deutscher Übersetzung herausgegeben von Julius Ziehen. Mit 13 Abbildungen und dem Marktschiff-Gedicht vom Jahre 1596 im Anhang. Frankfurt a.M. 1919. Sutter, Otto Ernst (Hrsg.): Zwei Meßstücke aus dem Jahre 1799. Neu an den Tag gegeben zur Frankfurter Internationalen Messe im Frühjahr 1924. Frankfurt a.M. 1924. Teutonius, Adrianus: Ausführliche Beschreibung der weitberühmten Ansehnlichen Franckfurter Meß. S.l. 1688. Venator, Martinus Severus, 1640. Die deutsche Übersetzung und das lateinische Original sind abgedruckt in Diehl, Frankfurt am Main im Spiegel, S. 225–228. Von der Belagerung der Stadt Frankfurt. Fliegendes Blatt. Gedruckt in Frankfurt am Main 1552. Ein Lied im Ton: Frisch auf in Gottes Namen. In: Arnim, Achim von/Brentano, Clemens (Bearb.): Des Knaben Wunderhorn: Alte deutsche Lieder. 2. Band – Kapitel 145. Heidelberg/Frankfurt a.M. 1806. Walther, Friedrich Andreas: Die Vorzüge der Stadt Franckfurt am Mayn (1748). Besungen von Friederich Andreas Walther. Eingeleitet von Moriz Sondheim. Frankfurt a.M. 1926, nicht pag. Ziehen, Julius (Hrsg.): Der Frankfurter Markt oder die Frankfurter Messe. Mit 13 Abbildungen und dem Marktschiff-Gedicht vom Jahre 1596 als Anhang. Von Henricus Stephanus. In deutscher Übersetzung. Frankfurt a.M. 1919.
Chroniken Authaeus, Philipp Ludwig: Chronicon Francofordiense breve ex antiquissimis & novissimis Scriptoribus & historicis collectum. Frankfurt a.M. 1674. Dilich, Wilhelm: Hessische Chronica. Kassel 1605. Dilich, Wilhelm: Hessische Chronica. 4. Aufl. Frankfurt a.M. 1617. Discursus Historico-Politico-Iuridicus De Electione Regis Et Imperatoris Romanorum, Eiusque Solemnitatibus Ad Aureæ Bullæ Caroli IV. Romani Imperatoris Leges Imperii Fundamentales [...] ab Avgvsto Vischero Dresda-Misnico Ivre consulto. Köln/Luxemburg 1620 [erschienen 1626]. Döring, Philipp Jakob: Vierzig Jahre von Frankfurt am Main […]. Nebst einer chronologischen Übersicht von 1700 bis 1833. Frankfurt a.M. 1834. Döring, Philipp Jakob: Neue Chronik von der freien Stadt Frankfurt am Main. Oder geschichtliche Erzählungen welche sich seit 1700 bis 1833 in Frankfurt zugetragen haben. Neue Auflage. Frankfurt a.M. um 1835.
Verzeichnis gedruckter Quellen
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Personenregister Alessina-Schweizer, Herr 318 Alpher, Familie 394 Alt, Georg 45 Andreae, Johannes 94 Anna, Kaiserin 365 Aristoteles 25 Arnim, Achim von 442 Arnulph, König 157 Aschaffenburg, Johann Friedrich Faust von, d.Ä. 40 Aschaffenburg, Johann Friedrich Faust von, d.J. 40 f., 122, 129 f., 236, 258, 284, 350, 364, 436, 443 Aschaffenburg, Martin von 354 Aschaffenburg, Maximilian Faust von 30 f., 40, 138 f., 142, 181, 186, 190, 213, 216, 218, 234, 252–254, 258, 264 f., 267, 307, 309, 436 f., 441 f. Aubry, Johannes 93 Ausfeld, Johann Wilhelm 219, 220, 221, 416, 447 Ausonius 153, 182, 282, 459 Authaeus, Philipp Ludwig 436, 442 Authes, Hermann Adolf 3, 31, 240, 310, 314, 330, 379, 405, 439, 440, 441, 446 Baden, Markgraf Karl Friedrich von 386, 450 Baggesen, Jens 447 Bartels, Johann Heinrich 437 Bary, de, Familie 394 Bassée, Nikolaus 93, 456 Becker, Sophie 270, 352, 449 Behagel, Familie 394 Behaghel, Eberhard 123 Behaghel, Philipp Jakob 123 Berckenmeyer, Paul Ludolph 443 Berlichingen, Götz von 352 Bernhard, Johann Adam 241, 242, 292, 443 Bernoulli, Johann 187, 206, 447 Bethmann, Brüder 199 Bethmann, Simon Moritz von 100, 461 Bibra, Nicolaus von 281, 472 Bickenbach, Michel von 275 Bienenthal, Christoph Bender von 381 Biondo, Flavio 45, 458
Birghden, Johann von den 105 Birken, Sigmund von 447 Björnståhl, Jacob Jonas 176, 338 f., 397, 401, 447 Blaeu, Cornelis 130, 433 Blaeu, Johan 130, 433 Blainville, Gesandtschaftssekretär 143, 171, 201, 240, 277 f., 287, 333, 402, 412 f., 447 Blanchard, Jean-Pierre 69, 206, 207 Blon, Jakob Christoph le 372 Boienburg, Graf von 361 Bolongari und Gravenna; Handlungshaus 401 Bolongaro, Franz Maria 107, 191 Bolongaro, Jakob Philipp 107, 191 Bolongaro, Josef Maria Markus 107, 191 Botero, Giovanni (Joannis) 195, 212, 216, 443, 444 Braun, Georg 48 f., 174, 276, 444 Brentano, Clemens 442 Brier, Daniel de 103, 470 Brown, Edward 330 f., 403, 405, 447 Bruni, Leonardo 26, 128, 211, 455 Bruschius, Caspar 236 Bry, Johann Theodor de, d.J. 94, 457 Bry, Theodor de, d.Ä. 93, 372 Burggrave, Johann Philipp 241, 452 Burkhard, Johann Gottlieb 447 Burnet, Gilbert 175, 176, 447, 448 Burney, Charles 367, 368, 448 Busche, Hermann von dem 282 Büsching, Anton Friedrich 49 f., 338, 444, 464 Campe, Johann Heinrich 145, 190 f., 206 f., 389, 399 f., 414, 415, 448, 472 Carl Eugen von Württemberg, Herzog 438 Cassell, Johann Philipp 132, 451 Celtis, Conrad 31, 46, 184, 242, 250, 439, 471 Chappuzeau, Samuel 151, 254 f., 286, 448 Chytraeus, David 28, 134, 444 Clauren, Heinrich 171, 345, 448 Claus, Pfarrer 342 Clavigo 352
Personenregister
Cochlaeus, Johann 238, 247, 444 Colerus (Moleri), Christoph 31, 131, 184, 232, 440 Comineus 115 Cöntgen, Georg Joseph 410, 434 Coryate, Thomas 130, 151, 188, 212, 237, 304, 328, 448 Cosimo III., Großherzog der Toskana 268, 382 Coulon, Louis 448 Cronburg, Grafen von 145 Cronstadt, Familie 312 Dalberg, Karl Theodor von 95, 98, 108 Diebel, Elias 9, 461 Dielhelm, Johann Hermann 444 Dieppurg de Franckfordia, Joh. 350 Diesterweg, Albrecht 123 Dietmann, Carl Gottlob 151, 277, 315, 331, 332, 339, 349, 350, 373, 394, 428, 444 Dilich, Wilhelm 130, 236, 442 Diodor 184 Döring, Philipp Jakob 139, 215, 275, 442 Drais von Sauerbronn, Karl Wilhelm Ludwig Friedrich 448 Dresser, Matthäus 146, 159, 444 Dufrêne, Maximilian SJ 170, 177, 276, 408, 438 Dürer, Albrecht 45, 172, 353, 354, 357, 420, 458, 475 Ebeling, Christoph Daniel 367 Eber, Christoph Ludwig 312, 444 Ebert, Adam 200, 448 Egenolff (Egenolph), Christian 105, 332, 334, 375, 463, 478–480 Eggers, Christian Ulrich Detlev von 417, 448 Egloffstein, Leonhard von 210 Ehrenreich, Johann Matthias 355 Ehrlich, Johann Gottlieb 71, 452 Elsheimer, Adam 372 Engelhardt, Johann Anton 436 Ens, Gaspar 134, 444 Erhardi, Laurentius 120 Eßlinger, Friedrich 117, 344–346 Estienne, Henri/Stephanus, Henricus 31, 131 f., 182–184, 186, 234, 327–329, 331 f., 440–442 Ettling, Johann Friedrich 355
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Faber, Johann Heinrich 156, 198 f., 219, 241, 269, 272, 285, 372 f., 390, 394, 452 Fabricius, Georg/Goldschmidt, Georg 30 f., 184, 303, 377, 440 Falckenberger; Maler 354 Fastrada 259 Favolius, Hugo 31, 184, 194, 231 f., 236, 327, 440 Fettmilch, Vinzenz 84 f., 88 f., 97, 103, 271, 286, 292 f., 404, 459 Feyerabend, Sigismund/Sigmund 93, 105, 334, 455, 480 Fichard, Johann 82, 350, 443 Fick, Johann Georg Christian 173, 339, 448 Finger, Lorenz Friedrich 342, 436 Firnhaber; Seidenfabrikanten 373 Flegel, Georg 375, 475 Florian, Gebhard/Fickwirth, Georg 39, 41, 155, 187, 248, 266 f., 273, 402, 443 Foucault, Michel 16 f., 458, 461 Franc, Herzog der Hogier 233 Franck, Sebastian 47, 236 Franckfordia, Johannes de 350 Frankenstein, Philipp der Junge von 275 Franz I., Kaiser 159, 162 Franz II., Kaiser 107 Franz, Johann Michael 49, 444 Freder, Johann 135, 194 Freschot, Casimir 311, 398, 399, 448 Frey, Jacob 31 Frey, Johann Daniel 366, 434 Friedrich August I. 439 Friedrich Carl Graf von Schönborn, Bischof von Bamberg und Würzburg 316 f. Friedrich I. Barbarossa, Kaiser 78, 157, 186, 230, 244 Friedrich II., Kaiser 78, 100, 253, 255, 260, 265, 404 Friedrich III. von der Pfalz, Kurfürst 92 Friedrich III., Kaiser 96 Friedrich V. Landgraf von HessenHomburg 438 Friedrich, Erb-Prinz von Sachsen-Gotha 439 Fries, Johann Heinrich Hermann 101, 453 Friesingen, Bischof Otto von 157 Fritz, Nicolaus 284, 361, 436 Froissart 115
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Personenregister
Fromme, Ludwig I. der 73, 253, 258 Fürst, Georg von 177, 275, 286, 448 Fürstenberg, Carl Friedrich Erbprinz zu 170, 177, 276, 408, 438 Gaguinus, Robert 115 Galleaus, Philipp 194, 440 Gehweiler, Crusius 242 Genebald I., Herzog 243, 258 Genebald III., Herzog 256 Gercken, Philipp Wilhelm 265, 288, 389 f., 448, 453 Gerning, Johann Isaak Freiherr von 70, 138, 204, 221, 226 f., 256, 279, 287–289, 317 f, 341, 348 f., 352, 356 f., 419 f., 425, 453 Gerthener, Madern 108, 165, 461 Gjörwell, C.C. 176, 338, 447 Goddrel, Herr 380 Goethe, Catharina Elisabeth, geb. Textor 352 Goethe, Johann Wolfgang von 74, 98, 110, 114, 116, 124, 350, 351, 352, 403, 406, 408, 410, 411, 439, 454, 462, 464, 472, 476 Gogel, Johann Noë 355 Gottfried (Gansius), Johann Ludwig 31, 135 f., 141, 155, 184, 215, 282, 377, 440 Gottschling, Caspar 145, 187, 243, 285, 337, 453 Grasser, Johann Jakob 444 Gratian 153, 459 Gravenna; Handlungshaus 401 Greflinger, Georg 136 Griblebius, M. Johannes (Griebleben, Johann) 31, 252, 440 Grimm, Johann Friedrich Karl 172, 218, 278, 287, 320, 342, 395, 411, 448 f. Grimm, Jacob und Wilhelm 63, 231 Groskurd, Christian Heinrich 176, 447 Gruber, Johann Gottfried 261, 444 Grünewald, Mathias 353, 458 Gualdo Priorato, Gabriello Galeazzo Cte di Comazzo 141, 184, 216, 259, 283, 313, 379, 444 Günderrode, Friedrich Justinian von 278, 319, 449 Gustav II. Adolf 86, 87, 268, 273, 402 Gutenberg, Johannes 94, 113, 471
Halem, Gerhard Anton von 341, 346, 369 f., 449 Hammond, William 54, 457 Haselberg, Johann(es) 141, 144, 154, 159, 166, 169, 170, 212, 263, 392, 441, 474, 477 Haymann, Johann Gottfried 151, 277, 315, 331, 332, 339, 350, 373, 394, 428, 444 Heckel, Freiherr von 339 Heidenbecker, Geheimsekretär 438 Heinrich VII., König 76, 260 Heinrich, König 78, 214 Heinzmann, Johann Georg 449 Helena, Kaiserin 234 f., 237, 239 f., 261 Helenus I. Diodorus 234, 257 Helenus II. 257 Heller, Jakob 353, 458, 475 Henkis, Konrad 113 Hensler, P.G. 453 Hentzner, Paul 239, 276, 444 Herbst, Johann Andreas 120, 121 Herder, Johann Gottfried 116 Hermann, Johann Heinrich Gottlob 191, 279, 282, 346 f., 369, 414, 449 Herodot 184 Herold, Christian 199 f., 444 Herwarth, Johann Georg 408 f., 438 Herwarth, Johann Michael 408 f., 438 Heß, Jonas Ludwig von 449 Hess, Stadtbaumeister 321 Heun, Carl Gottlob Samuel 171, 345, 448 Heyl, Joh. Peter 362, 436 Hirschmann, Thomas 379, 444 Hirt, Friedrich Wilhelm 192, 434 Hogenberg, Franz 48, 49, 174, 211, 276, 434, 444 Holzhausen, Hamman von 84, 114 f., 470 Holzschuher, Karl Sigmund 220, 344, 396, 408, 438 Hübner, Johann 61, 62, 131, 161, 197 f., 213, 276 f., 398, 445 Hufnagel, Dr. Dr. 341 Hügel, Johann Aloys Joseph Reichsfreiherr von 438 Hunibald 242 Hupkar, Achilles 255, 437 Hüsgen, Heinrich Sebastian 354 f., 453
Personenregister
Hutten, Ulrich von 31, 135, 193, 210, 231, 264, 377, 440 f. Illyricus, Matthias Flacius 337 Irenicus, Franciscus(Friedlieb aus Ettlingen, Franz Friedlieb) 31, 146, 234, 440 Jäger, Wolfgang 152, 317, 398, 445 Johann Georg III. zu Sachsen, Kurfürst 439 Johann Georg IV. 439 Johann Wilhelm, Herzog von Sachsen 439 Johannes XXII., Papst 255 Jormann, Johann Albrecht 31, 358, 405 f., 440 Joseph II., Kaiser 357, 363, 470 Juncker, Christian 166, 445, 450 Juncker, Justus 372 Jungen, Hans Heinrich zum 437 Jungen, Johann Maximilian zum 40, 112, 122, 142, 214, 234, 254, 265, 350, 378, 436, 479 Kaempfer, Engelbert 173, 227, 473 Karamsin (Karamzin), Nikolai Michailowitsch 414, 449 Karl der Große IX, 42, 72 f., 78, 154, 230 f., 237, 241, 245 f., 249, 251, 255, 257–262, 300, 465, 476 Karl Friedrich von Baden, Markgraf 386, 450 Karl III. der Dicke, Kaiser 152, 260 Karl IV., Kaiser 79 f., 152 f., 174 f., 253, 292, 434, 469, 472 Karl V., Kaiser 274 Karl VI., Kaiser 153, 162, 174, 362, 433 Karl VII., Kaiser (Karl Albrecht von Bayern) 88, 161 f., 168, 428, 433, 462, 467, 474 Karst, Johann Rudolf 31, 149, 154, 186, 273, 381, 396, 440 Katzner, Johann Friedrich August 351 Kayßler (Keyßler), Johann Georg 339 Keilhacker, Johann 202, 224, 336, 445 Kelchner, Ernst 31, 440 Kellner, Familie 122 Ketelhodt, Friedrich Wilhelm von 438 Kirchner, Anton 31, 133, 190, 252 f., 441 Klebe, Friedrich Albrecht 449 Kléber, Jean-Baptiste 275 Kleiner, Salomon 217, 385, 434 Klinger, Friedrich Maximilian von 351
485
Klonowic, Sebastian Fabian 9, 201, 456 Knipschild, Philipp 331, 445 Koberger, Anton 45 Konrad III., König 78 Konstantin der Große 234, 240 Kratter, Franz 173 f., 449 Krebel, Gottlob Friedrich 177, 205, 347, 393, 449 Krebs, Johann Benjamin 94 Krebs, Johann Jakob 94 Kressenstein, Friedrich Kress von 382, 438 Kressenstein, Georg Christoph Kress von 382, 438 Kriegk, Georg Ludwig 87, 104, 468 Krünitz, Johann Georg 44, 46, 63, 186, 445, 454, 474 Kühn; Silberschmied 372 Kurt, Joseph von 363 Küttner, Carl Gottlob 348, 449 Laetus, Cimbrius Erasmus Michaelius 137, 326, 484 Lambert; Gymnasiallehrer 356 Latellius 115 Latomus, Johann(es) 39, 43, 155, 184, 234, 242, 247, 249, 258, 437, 462 Lautenbach (Lauterbach), Konrad Peter 328 Lehmann, Peter Ambrosius 449 Lentulus, Cyriacus 445 Leopold I., Kaiser 119, 149 f., 381, 433 f., 473 Leopold II., Kaiser 191, 220, 355, 439, 448 f., 452 Leopold, Erbprinz 119 Lerner, Franz 40, 74, 101, 469 Lersner, Achilles August von 30, 39, 40, 41, 122, 135, 142, 157, 159, 186, 206, 231, 247, 264, 265, 266, 270, 275, 336, 337, 338, 340, 350, 365, 380, 394, 407, 443, 465 Liebeskind, Johann Heinrich 296, 449 Liebhardt, Johann Andreas 366, 434 Lindenberg, Petrus 184, 236 Lippold, Franz 372, 479 Loen, Johann Michael von 189, 220, 339, 340, 410, 411, 413, 453 Loetz, Henning 135, 193, 210, 440 f. Loetz, Wedeg 135, 193, 210, 440 f. Ludewig, Johann Peter von 242
486
Personenregister
Ludwig der Deutsche, König 253, 267, 269, 291, 440 Ludwig der Fromme, Kaiser 73, 253, 258 Ludwig IV. der Bayer, Kaiser 76, 79, 255 Ludwig Rudolf von Braunschweig-Lüneburg, Herzog 439 Ludwig XIV., König 81, 87, 104 Luther, Johann Erasmus 332 Luther, Martin 91, 92, 114 Rantzau, Otto Manderup 397, 438 Magini, Giovanni Antonio 446 Mandeville, Lord 54, 457 Mangold, Marx 31, 194, 195, 196, 199, 328, 329, 358, 391, 403, 441 Mangon, Abraham 437 Marburg zum Paradies, Familie 122 Marburg zum Paradies, Ludwig von 112, 337 Marchand, Theobald 365 Marcomir, König 233, 236–238, 240, 247 Maria Amalia, Kaiserin 162 Maria I. Tudor, Königin 397 Maria Josepha von Bayern, Prinzessin 363 Maria Theresia, Kaiserin 363 Maria, Jungfrau 213, 353 f., 357 Marne, Claude de 93 Marperger, Johann Jakob 61, 445 Matthias I., Kaiser 86, 160, 165, 357, 364 f., 434, 470 Maximilian I. 149 Maximilian II. 81, 284 May, Karl 19, 481 Maynard, Banaster 54, 457 Mehl, Philipp Jakob 120 Meiners, Christoph 449 Meisner, Daniel 445 Melanchthon, Philipp 37 Menander 26 Mercator 45, 47, 132, 232, 440, 458, 463 Merck, Johann Heinrich 116 Merian, Caspar 49, 150, 305, 407, 433, 434 Merian, Matthäus d.Ä. 49, 94, 109, 110, 136, 137, 170, 354, 407, 433, 434, 445, 477 Merian, Matthäus d.J. 49, 94, 407, 472 Merseburg, Thietmar von 230, 443 Merula, Paulus 48 Meusel, Johann Georg 355, 447, 449
Meyer, Andreas 164, 317, 322, 388, 399, 413 f., 449 Micyllus, Jacobus (Jakob Moltzer) 31, 111, 134, 184, 303, 335 f., 377, 441 Misson, Maximilien 171, 172, 213, 450 Mocre, Israël van 354 Mohr, Herr 381 Moncony, Balthasar de 166, 330, 354, 450 Montagu, Robert 54, 457 Montalegre, Joseph de 169, 433 Moore, John D. 176, 177, 287, 348, 369, 386, 414, 450 Morgenstern, Johann Ludwig Ernst 220, 356, 452 Moritz von Sachsen, Kurfürst 274 Mosche, Herr 342 Moser, Friedrich Karl von 116 Mottraye, Aubry de La 239, 450 Mozart, Wolfgang Amadeus 121, 122, 374, 463 Mucante, Jean Paul 135 Müller, Johann Bernhard 145, 162, 189, 195, 219, 256, 269, 277, 293 f., 316, 320, 326, 333, 339, 346, 354, 359, 368 f., 371–374, 380, 384 f., 392, 403, 409, 412, 453 Multzen, Wolfgang Christoph 167, 453 Münster, Sebastian 18, 46–49, 152, 180, 194, 212, 234, 236, 238, 242, 300, 304, 308, 445, 458, 463, 470, 481 Napoleon Bonaparte, Kaiser 90, 98, 179, 203 f., 272, 387 Nassau-Dillenburg, Prinz Wilhelm von 143, 188, 438 Navarre, P. 445 Neiner, Johann Valentin 56, 454 Nesen, Wilhelm 336 Neufville, David de 382 Neufville, Peter de 382 Nigrinus, Christian Ernst 157, 239, 445 Nigrinus, Franz 445 Oldenburg, Peter Friedrich Wilhelm von 438 Oldenburger, Philipp Andreas 3, 129, 441, 445 Orville, H.D. d’ 382 Otto II., Kaiser 260 Pairis, Gunther de 131, 230 f., 243, 247, 264, 440
Personenregister
Palthenius, Registrator 437 Paradies, Ludwig von Marburg (Marpurg) zum 112, 122, 336 Paradies, Siegfried zum 80 Pauli, Johannes 31 Pausanias 25 Peintre, Marel 354 Peter Friedrich Ludwig Prinz von HolsteinGottorp 438 Peterweil, Baldemar von 75, 452 Petschke, Christoph 31, 136, 140 f., 163, 268, 330, 441 Pharamund 240 Piccolomini, Enea Silvio 128, 188, 224, 445 f. Pip(p)in der Jüngere, König 39, 237, 240, 255, 258 f., 300, 308, 437 Pius II., Papst 96 Pöllnitz, Baron Carl Ludwig von 162, 383, 450 Prie, Cosimo 268, 382 Prüm, Regino von 72, 443 Ptolemäus, Claudius 47, 446 Quad, Matthias 195, 276, 283, 446 Radcliffe, Ann 346, 370, 387, 450 Rasor, Herr 361, 437 Rauw, Johannes 48, 308, 446 Rebenack, Caroline 450 Rebmann, Andreas Georg Friedrich von 450 Recke, Elise von der 270, 352, 449 Regensus, F.M. 161, 433 Reichard, Heinrich August Ottoca 207, 450 Reichenbach, Wolfgang Albrecht Stromer von 134, 183, 441, 446 Reuchlin, Johannes 113 Reusner, Nikolaus (Nicolai) von 31, 129, 131, 134, 149, 236, 242, 247, 252, 440–442, 444, 446 Riedner, Adam Nikolaus 220, 439 Riesbeck, Johann Kaspar 133, 190, 202, 207 f., 294 f., 334, 346 f., 352, 359, 416, 450 Rinck, Christoph Friedrich 386, 450 Rithaymer, Georg 446 Ritter, Benjamin 280, 446 Ritzig, Esaia Immanuel 439 Rohan, Henri de 151, 238, 451 Romanus, Adrianus 234 Roof, Herr 372
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Rößler, Michael 168, 433 Rötel, Caspar 94 Roth, Eberhard Rudolph 283, 310, 382, 446 Rückersfeld(er), Heinrich Nicolaus 380 Sacheverell (Schaverell), Stevens 132, 451 Sachs, Hans 30 f., 148, 150, 152 f., 158, 182, 190, 193, 210, 232, 257, 271, 274, 441 Sackfield, Thomas 188 Sagittarius, Kaspar 437 Salzmann, Christian Gotthilf 451 Salzwedel, Herr 344 Sander, Heinrich 451 Sandrart, Joachim von 372 Sannazaro, Luigi Malaspina di 401, 415, 451 Saur, Abraham 3, 18, 180, 212, 240, 310, 314, 330, 379, 405, 439–441, 445 f. Scaliger, Julius Caesar 31, 181, 184, 396, 441 Schede (Melissus), Paul 3, 31, 183 f., 271, 441 Schelekens, Herr 354 Schile, Adam 139, 213, 214, 267, 268, 275, 361, 404, 437 Schiller, Friedrich 121 Schlosser, Johann Georg 116 f., 351, 460 Schmid, C.H. 359 f., 454 Schmidt, Christian Gottlieb 393, 451 Schneider, Herr 361, 437 Schober, Johann 120 Schöffer, Peter d.J. 31, 113, 441 Schönborn, Friedrich Carl Graf von 316 f. Schönemann, Lili 124 Schopperus, Jacobus 232, 446 Schramm, Carl Christian 157, 172, 197, 221, 245, 349, 446 Schreiber, Alois Wilhelm 272, 327, 333 f., 347, 350 f., 367, 386, 394, 451 Schroender, Georg 31, 441 Schuetze, Johann Friedrich 319, 451 Schultze, Gottfried 446 Schütz, Christian Georg 356 Schwarzkopf, Familie von 118 Senckenberg, Johann Christian VI, 44, 59, 68, 117, 120, 292, 319, 341 f., 454 Seyffart, Herr 381 Sigismund (Büttner), David 31, 129, 149, 184, 442 Sneedorff, Frederik 319, 451
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Personenregister
Soest, Johann Steinwert von 30 f., 148, 181 f., 195, 264, 272 f., 281 f., 289 f., 303, 376, 442, 481 Sondershausen, Johann Conrad 382 Spener, Philipp Jacob 120, 123, 382, 472, 480 Sprückmann, Jost Henrich 362, 436 Stahlburg (Stallburg), Familie von 312 Stallburg(er), Herr 381 Steffan, Herr 381 Steinbrenner, Wilhelm Ludwig 295, 370, 451 Steinmeyer, Herr 381 Steitz, Christian Friedrich 439 Steitz, Georg von 339, 437 Stock, Johann Adolf 138 f., 143, 156, 171, 214–216, 219, 243 f., 253, 264–266, 284 f., 311, 315, 332, 337, 365, 443 Stolberg, Maria Salome von 122 Stolberg-Stolberg, Friedrich Leopold zu 451 Stoskopff, Sebastian 375, 475 Strabo 25 Stridbeck, Johann 446 Stumpf, Johannes 46 Sturm, Johann(es) 111 Sturm, Leonhard Christoph 446 Sulzer, Johann Georg 145, 351 f., 451 Telemann, Georg Philipp 118–121, 361, 368, 458, 461, 465 f. Teutonius, Adrianus 31, 442 Textor, Johann Wolfgang 350 Thurn und Taxis, Familie 312, 317, 321 Tiberius Claudius Nero, Senator 250 Tiberius, Kaiser 257 Tobler, Johannes 451 Trithemius, Johannes 233 f., 237, 242, 258, 443 Tromsdorff, Johann Samuel 446 Tschudi, Aegidius 46 Turler, Hieronymus 55 Uffenbach, Johann Friedrich von 116, 119, 122 f., 339 Uffenbach, Johann Konrad von 350 Uffenbach, Zacharias Konrad von 116, 339, 461 Vechner, David 3, 441, 446 Venator, Martinus Severus 31, 274, 290, 325, 442
Vincentius, Petrus (Vietz, Peter) 9, 28, 133, 137, 151, 329, 392, 461 Vischer, August 132, 442 Voigt, Samuel Gottlieb 319, 383, 384, 409, 410, 439 Wackerbarth, August Joseph Ludwig von 145, 172, 323, 334, 368, 394, 416, 451 Wagener, Samuel Christoph 451 Wagner, Heinrich Leopold 351 Waldschmidt, Johann Martin 40, 112, 138, 142, 218, 242, 244, 264, 306, 361, 437 Walker, Adam 207, 322, 386, 451 f. Walther, Johann Friedrich 31, 144, 159, 271 f., 306, 325 f., 333, 338, 362, 380 f., 392, 396 f., 437, 442 Wartensleben, General von 416 Weber, Friedrich August 452 Wechel, Andreas 93, 115 Weise, Christian 61, 277, 314, 446 Wendelin, Mesdames 363 Werther 352 Wickram, Jörg 31 Widing, Zacharias van 142 Wiegand, Frau 383 Wiegand, Joust Heinrich 383 Willebrand, Johann Peter 321, 452 Wilmsen, Friedrich Philipp 203, 416, 452 Wölfling, Chr. 144, 172, 199, 218, 222, 279, 288 f., 295, 299, 335, 340 f., 343, 352, 366, 385, 389 f., 395, 452 Wuppermann, Familie 394 Wust, Balthasar Christoph 94 Zedler, Johann Heinrich 62 f., 65, 446 Zehender, Johann Caspar 279, 434 Zeiller, Martin 18, 129, 160, 170, 183, 218, 236–240, 258 f., 300, 310, 353 f., 379, 404 f., 407, 440, 445–447 Zickwolff, Philipp Christian 439 Ziegler, Familie 394 Zimmermann, Eberhard August Wilhelm von 447 Zincken, Georg Heinrich 447 Zunner, Johann David d.J. 94, 123 Zwirlein, Familie 394
Ortsregister Aachen 75, 133, 187, 257, 447, 463 Afrika 193, 131, 239, 450 Aldershot 47, 470 Altenburg 172, 218, 386, 448–450 Altes Reich 3, 6, 44, 48, 75, 80 f., 88, 91, 96, 98 f., 101, 107, 115, 128, 131, 132 f., 135, 143, 147–149, 156, 179–181, 183 f., 188, 201, 225–227, 253, 257, 261, 269, 272, 300, 302, 325, 356, 420, 424, 428, 463 Amerika 101, 106 Amsterdam 54, 93, 151, 401, 451, 458, 473, 476 Antwerpen 75, 90, 92, 101, 136, 194, 440, 456, 461, 465 Aschaffenburg 111, 265, 279, 453 Asien 49, 101, 166, 193, 195, 444, 450 Athen IX, 105, 113, 115 f., 137, 181, 302, 325 f., 329–332, 461, 478 Atlantik 101 Augsburg 67, 81, 92 f., 99, 111, 114, 166, 226, 309, 358, 372, 438, 446, 450, 479 Austerlitz 107 Bamberg 26 f., 100, 128, 137, 141, 186, 210, 262 f., 316, 468 Basel 46 f., 82, 94, 113, 124, 129, 150, 152, 207, 224, 226, 309, 328 f., 439, 442, 444–450, 458, 472 Bayern 79, 88, 99, 244, 363, 448, 464, 468, 476 Belgien 106, 392 Bergen 186, 206 Berlin 3, 6, 8 f., 13, 21 f., 33, 49, 54, 59, 63, 66, 80, 93, 98, 145, 164, 174, 187, 203, 207, 244, 259, 414, 447, 449–452, 456, 462–464, 466, 468 f., 472, 474–477, 479–481 Bern 8, 20, 25, 79, 458, 471–473 Bielefeld 5, 16, 70, 454, 458, 473, 477 Bithynien 237 Böblingen 49, 457 Bochum 45, 458, 463 Bockenheim 93, 219, 294, 339, 398 Böhmen 106, 367, 448 Bonn 58, 111, 162, 476, 479 f.
Boppard 46, 477 Bordeaux 282 Bornheim 79, 264, 309 Bosporus 237 Boston 54, 59, 63, 93, 463, 470, 472, 474, 479 Brabant 101, 200, 384, 439, 448 Brandenburg 200, 367, 413, 447 f. Brasilien 131, 450 Braunschweig 67, 75, 358, 439, 445, 451 Bremen 15, 105, 474 Breslau 15, 278, 446, 449, 474 Brünn 174, 256, 449, 471 Brüssel 8, 477 Bulgarien 331 Buxtehude 204 Cambridge 53, 96, 464, 470 Cannanore (heute Kannur) 450 Champagne 100 f. Chicago 26, 455, 463 Dänemark 319, 348, 449, 451 Danzig 9, 27, 57, 133–136, 200, 202, 235, 438, 456 f., 461, 465 f., 468, 475, 481 Darmstadt 7, 26, 33, 47, 56, 143, 186, 230, 256, 265, 379, 390, 438, 443 f., 453, 468 f., 471, 476, 481 Deutschland (Teutschland) VIII, 3, 7, 10, 20, 47, 49, 54, 58, 64, 72, 74, 76, 77, 81, 104, 118 f., 121 f., 127–129, 132–136, 138, 143, 146, 151, 159, 164, 166 f., 171–174, 176–178, 180, 183, 188, 190, 192–194, 197, 199 f., 202–204, 206–209, 213, 215, 218, 221, 224 f., 232, 236, 240, 244, 249, 251 f., 254, 256, 270 f., 276–278, 284, 287, 289, 295 f., 311 f., 314–319, 320–322, 330 f., 334 f., 337, 341, 344–346, 348, 352, 356, 359, 363 f., 368–370, 378 f., 383, 386, 389, 405, 409, 417, 438, 443 f., 446– 455, 458, 460, 470, 476, 477, 479 Dillingen 438 Dorsetshire 188 Dortmund 166, 477 Dreieich 129
490
Ortsregister
Drepanon 237 Dresden 10, 144, 222, 247, 372, 424 f., 433 f., 444, 452, 458 Dublin 447 Duisburg 17, 45, 458, 463, 465 Durlach 263, 478 Eisenach 262, 460 Ellwangen 438 Elsass 33, 106, 123, 417, 448, 466 England 91, 106, 122, 130, 132, 151, 166, 171 f., 176 f., 193 f., 200, 204, 207, 218, 220, 237, 278, 287, 318, 322, 329 f., 344, 346, 367, 368 f., 387, 396, 408, 438 f., 447–450 Erfurt 74, 75, 95, 146, 262, 281 f., 355, 447, 449, 451, 460, 469, 472 Erlangen 164, 173, 317, 448 f. Essen 54, 84, 457 Europa 3, 6–9, 18, 20, 25, 32, 45, 47–49, 54, 56–59, 63 f., 75, 77 f., 83, 93, 96, 100–103, 106, 113–115, 128, 132, 135 f., 138, 143, 145, 147, 151, 157, 162, 166, 172, 175, 176 f., 180, 184, 187–189, 192, 197 f., 201, 204 f., 212, 216, 221, 224, 234, 238, 244 f., 251, 255, 271, 277 f., 283, 286, 296, 306, 310, 315 f., 325, 328 f., 331 f., 339, 345, 347, 349 f., 373, 379, 382, 393 f., 400 f., 425, 428, 433, 439, 443–446, 448–451, 455–466, 468–474, 479 f. Eutin 50, 59, 64, 438 Falkenstein 145 Flandern 101, 102, 207, 367, 392, 439, 448, 452 Flensburg 142, 460, 478 Florenz 10, 26, 218, 329, 438 Franken/-land/-reich IX, 39, 72, 73, 129, 141, 151, 157, 231, 233, 239, 244 f., 253, 255, 480 Frankeneck 237 Frankenstein 237 Frankenthal 92 Frankfurt an der Oder 135, 200, 210, 440 Frankreich 7, 56, 65, 87, 106, 122, 130, 132, 136, 166, 170, 172, 176, 200, 202, 207, 215, 218, 271, 276, 278, 306, 319, 341, 354, 367, 378 f., 384, 386, 392, 394,
397, 400, 409, 414, 438, 444, 447–452, 459, 471 Freiburg 49, 455 Friedberg 143, 145, 196, 202, 266 Fritzlar 316, 439 Genua 101 Gelnhausen 265, 453 Gießen 75, 111, 316, 439, 477 Glashütten im Taunus 459 Göppingen 26, 131, 440, 457, 468, 474 Görlitz 3, 151, 276, 319 f., 437, 444, 446 Gotha 50, 59, 64, 132, 146, 191, 279, 347, 369, 414, 438, 439, 448 f., 451 f. Göttingen 5, 25, 32 f., 36, 45, 47, 58, 64 f., 67, 74, 84, 94, 295, 335, 370, 451, 456, 458–460, 462, 464, 466, 471 f., 475–477 Gottorf 93, 479 Greifswald 135, 193, 440 f., 478 Griechenland 252, 271, 306 Großbritannien 394 Gudensberg-Gleichen 78, 469 Gütersloh 91, 476 Halberstadt 145, 451 Halle an der Saale 76, 252 Hamburg 9, 15, 26, 61, 66, 68, 70 f., 99, 101, 118, 121, 135, 137, 177, 190, 192, 194, 199, 204, 207, 241, 272, 326, 338, 341, 367, 372, 437, 443 f., 446, 448 f., 452, 457 f., 474, 477 Hanau 93, 111, 131, 142 f., 202, 220, 242, 265, 398, 443, 453 Hannover 8, 33, 72, 443, 459 f., 468 Heidelberg 15, 69, 329, 442, 456, 480 Heiliges Römisches Reich (Deutscher Nation) 3, 27, 44, 74, 80–82, 88, 97, 101, 110, 115, 129, 132 f., 135, 146, 148, 150, 158, 174, 177 f., 181, 225, 240, 249, 251 f., 255–257, 259, 275, 325, 358, 425, 427, 443, 447, 453, 455, 463, 470, 472–474, 476 Helvetien 234 Herborn 111, 445 Hessen 7, 32, 74, 84, 95, 107, 129 f., 145, 164, 230, 242, 288, 334, 438, 442, 450 f., 447, 462, 469, 473, 475 Hessen-Darmstadt 379 Hessen-Homburg 438
Ortsregister
Hessen-Nassau 95, 469 Hildesheim 26, 120, 342, 458, 466, 472 Höchst 107, 133, 190 Holland 74, 106, 115, 122, 131 f., 143, 171 f., 177, 199 f., 202, 204, 213, 218, 278, 311, 329, 346, 367, 384, 398, 409, 438 f., 447–451 Homburg 143, 145, 265, 453 Hong Kong 174 Island 18, 57, 481 Italien 9, 22, 25, 32, 45 f., 101, 107, 119, 123, 131 f., 136, 141, 143, 151, 166, 171, 177, 183 f., 193–196, 198, 200, 202, 207, 213, 216, 218, 239, 251, 257, 269, 271, 283, 311, 313, 329, 348, 367, 379, 382, 384, 398, 400, 415, 438, 444, 447–452, 458, 465, 469, 472 Jena 66, 124, 312, 444, 445 Kallmünz 24, 468 Karamürsel 237 Karlsruhe 117, 202, 221, 386, 438, 450, 460 Kassel 32, 120, 130, 144, 442, 444, 462, 465 Kelkheim 260 Köln 3, 5, 8, 11, 15, 26, 28, 33, 38, 40, 48, 66, 75, 79, 93, 99 f., 128, 132, 134, 137, 141, 143, 144, 154, 158 f., 166, 169, 170, 177, 195, 200, 212, 250, 257, 263, 276, 282 f., 286, 290 f., 311, 323 f., 326, 376, 392, 398, 438, 441–444, 446, 448, 455, 457–467, 470 f., 474, 476 f., 479, 481 Königsberg 67, 451 Königstein (Taunus) 85, 145, 467 Konstanz 65, 479 Kopenhagen 417, 438, 448 Krakau 77, 460 Kur-Brandenburg 200, 448 Kurland 164, 296, 317, 449 Kurmainz 107, 145, Kurpfalz 363 La Haye 131, 239, 450 Lancashire 346, 450 Leipzig 33, 47, 61 f., 66 f., 71, 106, 115, 121, 136, 138, 144 f., 151, 156 f., 159, 161, 164, 166, 171, 176, 188, 191, 197, 198–200, 202, 213, 239, 272, 277, 279, 280, 303, 321, 329, 334 f., 348, 372, 374, 405, 425,
491
439 f., 443–453, 456, 463, 465 f., 470, 480 Lemgo 143, 171, 447 Liefland 164, 296, 317, 449 Linz 9, 10, 75, 461, 469, 472, 480 Lissabon 101 London 8, 15 f., 25, 54, 64, 100 f., 130, 136, 208, 328, 346, 353, 367, 372, 387, 447 f., 450 f., 456–458, 461 f., 471 f., 474 f., 477 Lothringen 106, 196 Louen 329 Lübeck 9, 28, 33, 99, 128, 133, 137, 151, 262, 329, 392, 438, 461, 464, 466, 471 Lüttich 93 Luxemburg 132, 442 Lyon 113, 136 Maastricht 75, 82 Mainz 47, 75, 79, 81 f., 94, 108, 111, 113, 119, 128, 131, 142 f., 145, 186, 190 f., 236, 257, 279, 288, 296, 326, 334, 347, 366 f., 369 f., 379, 386, 389 f., 414, 448 f., 451, 461, 471, 479 Mannheim 46, 477 Marburg 84, 329, 473 Mayen 106, 455 Mexiko 383, 469 Mühlhausen 282, 254 München 6, 8, 15, 24 f., 33 f., 45 f., 49, 53, 61, 64 f., 68, 77, 79, 81 f., 86, 99, 101, 121 f., 147, 179, 181, 195, 220, 229, 350, 353, 406, 408, 409, 438 f., 444, 455–464, 466, 468–478, 480 f. Münster 10, 18, 74, 82, 122, 179, 365, 457 f., 467, 469 Nantes 171 Nassau 87 Nassau-Dillenburg 143, 188, 438, 469 Neapel 52, 271, 471 Neustadt an der Aisch 57, 82, 464, 480 New Castle 100, 461, 472 New York 54, 85, 93, 244, 353, 456, 466, 468, 470, 475, 476, 481, Niederdeutschland 76, 122, 209 Niederlande 12, 91–95, 101, 103, 164, 166, 170, 177, 220, 276, 344, 355, 367, 378, 384, 392, 396 f., 405, 408, 437 f., 448, 449, 450, 451, 460, 465, 470, 476
492
Ortsregister
Niederrad 270 Niederrhein 72, 101, 144, 270, 452 Niederrheinischer Kreis 144, 452 Niedersachsen V, 47, 438, 459, 477 Nieuwkoop 47, 463 Nordhausen 282, 254 Nordsee 101 Norwegen 348, 449 Nowgorod 101 Nürnberg 9 f., 25, 29, 31, 43, 45 f., 67, 75, 77, 79, 90, 99 f., 102, 111, 114, 127 f., 133 f., 141, 146, 152, 157, 172 f., 178, 186, 188, 209 f., 220, 224–226, 239 f., 250, 270, 297–299, 309, 317, 323 f., 331, 372, 383, 438 f., 444–447, 460, 463–465, 468 f., 471–474, 477, 479 Nußloch 110, 165, 477 Oberdeutschland 76, 100 f., 143, 171, 174, 209, 447, 449 Oberhessen 75, 129, 385, 477 Oberrad 270 Oberrhein 22, 46, 74, 459, 472 Oberrheinischer Kreis 82, 131, 144, 388, 448, 452, 455, 477, 479 Offenbach 141, 366 Oldenburg 18, 438, 463 Opladen 11, 20, 458, 467 Osnabrück 122, 234, 365, 462 Österreich 9, 81, 164, 173, 179, 203, 334, 416, 464, 476 Ostfildern 8, 9, 34, 39, 54, 90, 455, 459, 471, 474, 479 Ostfranken 73, 75, 151, 255 Ostfränkisches Reich 73, 151, 255 Oströmisches Reich 72 Ostsee 272, 334, 451, 466 Oxford (Ochsenfurt) 329 Paderborn 55, 74, 479 Padua (Badua) 329 Paris 44, 54, 113, 115, 133, 136, 166, 205, 208, 260, 271, 276, 328, 389, 401, 437, 443, 445, 448, 450, 451, 456, 457, 458, 461 Petersberg 151, 479 Polen 11, 60, 134, 135, 193, 194, 201, 211, 296, 449, 457, 467 Prag 121, 211, 450, 473
Preußen 3, 107, 136, 164, 179, 296, 339, 449, 456, 467, 475, 480 Regensburg 23 f., 75, 81, 131, 133, 170, 216 f., 250, 257, 438, 445, 463, 468, 481 Rheinland 47, 385 Rom 44, 54, 76, 79 f., 82 f., 85, 107, 115, 132, 136 f., 140, 146, 149–152, 154 f., 157, 160 f., 164, 173 f., 183, 187, 205, 212, 226 f., 234 f., 246 f., 249 f., 253–255, 259, 271, 282, 285, 288, 304–306, 314–317, 329 f., 357, 360 f., 364, 367 f., 398, 401, 428, 433, 442, 456, 462, 470, 480 Rostock 134, 176, 447 Russland 101, 414, 438, 449 Sachsen 55, 73, 115, 146, 172, 206, 230, 253, 274, 335, 348, 365, 367, 384, 395, 439, 448, 468 Sachsen-Gotha 439 Sachsenhausen 75–77, 138, 209 f., 212 f., 215–218, 220, 222, 230, 266 f., 270, 274–277, 312, 314, 384, 388–391, 408, 418, 434 Santiago de Compostela 76 Savoyen 130, 384, 458 Schlangenbad 145 Schwalbach 145 Schweden 9, 86 f., 104 f., 176, 268, 273, 339, 348, 402, 447, 449, 469, 474 Schweiz 8, 33, 106, 143, 171, 176 f., 184, 203, 295, 319, 334, 341, 370, 384, 393, 417, 447–452, 466, 474 Seeland 439 Serbien 331 Sevilla 135, 136 Sigmaringen 7, 27, 36, 72, 73, 77, 117, 260, 455, 458, 459, 461, 462, 464, 465, 466, 467, 470, 471, 473, 476, 477 Soest 42, 460, 467 Sorau 177, 448 Spanien 82, 87, 131, 135, 136, 166, 171, 193, 196, 394, 448, 450, 479 Spanische Niederlande 91, 103 Speyer 75, 81, 128, 137, 154, 236, 478 Straßburg 46, 75, 90, 94, 99, 111, 113 f., 137, 172, 200, 218, 226, 260, 296, 331, 386, 438 f., 445, 447, 449, 453, 461, 471
Ortsregister
Stuhlweißenburg 163 Stuttgart 3, 7, 28, 33, 47, 54, 146, 153, 237, 270, 441, 448–450, 455 f., 458, 472 f., 475, 480 Südwestdeutschland 27, 33, 37, 74, 90, 136, 466, 470, 477 Taunus 74, 85, 459, 467 Thorn 8, 458, 463, 465, 469, 474, 475 Thüringen 144, 172, 187, 199, 218, 222, 279, 288 f., 299, 335, 340 f., 343, 352, 366, 385, 389 f., 395, 438, 447, 452 Tirol 106, 384 Tönning 19, 468 Toulouse 182 Trier 18, 44, 82, 94, 132, 153, 182, 246 f., 257, 304, 428, 454, 459, 469, 481 Troja 233–235, 237, 247, 462 Tübingen 13, 15, 22 f., 25, 106, 123 f., 153, 234, 329, 438 f., 441, 455, 461 f., 465, 469, 472–474, 476, 480 f. Ulm 33, 141, 283, 358, 444, 446, 473 Ungarn 11, 45, 101, 156, 163, 331, 447, 469, 480 Vaduz 22, 469 Valenciennes 93 Vatikan 44, 462, 480 Venedig 113, 135 f., 212, 237, 304, 328 f., 358, 443, 446, 448 Vereinigte Provinzen 367 Versailles 166, 276, 437
493
Warschau 135, 211 Washington 44, 462, 480 Weimar 3, 5, 26, 38, 40, 48, 66, 124, 143, 281, 438, 455, 458–461, 463, 465, 471 f., 476–479, 481 Weinsheim 128, 468 Weißenfels 200, 444 Welschland (I, F) 409, 438 Wesel 75 Westmoreland 346, 450 Wetterau 100, 129, 131, 141–143, 241 f., 292, 367, 443 f. Wetzlar 81, 295 Wien 3–6, 8–11, 26, 33, 38, 40, 46, 48, 53, 56 f., 66, 75, 98, 105, 121, 131, 250, 295, 320, 354 f., 367, 403, 426, 445, 447–450, 454–456, 458–463, 465–467, 470–473, 475–481 Wiesbaden 10, 16, 66, 75, 88, 108, 113, 145, 458, 461, 466 f., 472, 475, 481 Wilhelmshaven 367, 448 Wittenberg 28, 94, 444 Wolfenbüttel V, 50, 57, 59, 64, 112, 145, 433, 439, 448, 460, 463, 470, 474 Worms 79, 100, 186, 265, 453, 455 Würzburg 13, 137, 229, 248, 316, 439, 462, 468, 469, 472 Züllichau 319, 451 Zürich 8, 32, 46, 67, 133, 158, 450, 451, 452, 474, 476, 477, 480
bibliothek altes Reich - baR herausgegeben von Anette Baumann, Stephan Wendehorst und Siegrid Westphal Als ein innovatives, langfristig angelegtes Forum für Veröffentlichungen zur Geschichte des Alten Reichs setzt sich die „bibliothek altes Reich - baR“ folgende Ziele:
–– Anregung zur inhaltlichen und methodischen Neuausrichtung der Erforschung des Alten Reichs
–– Bündelung der Forschungsdiskussion –– Popularisierung von Fachwissen –– Institutionelle Unabhängigkeit
Inhaltliche und methodische Neuausrichtung
An erster Stelle ist die Gründung der Reihe „bibliothek altes Reich - baR“ als Impuls für die interdisziplinäre Behandlung der Reichsgeschichte und deren Verknüpfung mit neuen methodischen Ansätzen konzipiert. Innovative methodische Ansätze, etwa aus der Anthropologie, der Geschlechtergeschichte, den Kulturwissenschaften oder der Kommunikationsforschung, wurden in den letzten Jahren zwar mit Gewinn für die Untersuchung verschiedenster Teilaspekte der Geschichte des Alten Reichs genutzt, aber vergleichsweise selten auf das Alte Reich als einen einheitlichen Herrschafts-, Rechts-, Sozial- und Kulturraum bezogen. Die Reihe „bibliothek altes Reich - baR“ ist daher als Forum für Veröffentlichungen gedacht, deren Gegenstand bei unterschiedlichsten methodischen Zugängen und thematischen Schwerpunktsetzungen das Alte Reich als Gesamtzusammenhang ist bzw. auf dieses bezogen bleibt.
Bündelung der Forschung
Durch die ausschließlich auf die Geschichte des Alten Reichs ausgerichtete Reihe soll das Gewicht des Alten Reichs in der historischen Forschung gestärkt werden. Ein zentrales Anliegen ist die Zusammenführung von Forschungsergebnissen aus unterschiedlichen historischen Sub- und Nachbardisziplinen wie zum Beispiel der Kunstgeschichte, der Kirchengeschichte, der Wirtschaftsgeschichte, der Geschichte der Juden, der Landes- und der Rechtsgeschichte sowie den Politik-, Literatur- und Kulturwissenschaften.
Popularisierung von Fachwissen
Die „bibliothek altes Reich - baR“ sieht es auch als ihre Aufgabe an, einen Beitrag zur Wissenspopularisierung zu leisten. Ziel ist es, kurze Wege zwischen wissenschaftlicher Innovation und deren Vermittlung herzustellen. Neben primär an das engere Fachpublikum adressierten Monographien, Sammelbänden und Quelleneditionen publiziert die Reihe „bibliothek altes Reich baR“ als zweites Standbein auch Bände, die in Anlehnung an das angelsächsische textbook der Systematisierung und Popularisierung vorhandener Wissensbestände dienen. Den Studierenden soll ein möglichst rascher und unmittelbarer Zugang zu Forschungsstand und Forschungskontroversen ermöglicht werden.
Institutionelle Unabhängigkeit Zur wissenschaftsorganisatorischen Positionierung der Reihe: Die „bibliothek altes Reich - baR“ versteht sich als ein grundsätzlich institutionsunabhängiges Unternehmen. Unabhängigkeit strebt die „bibliothek altes Reich - baR“ auch in personeller Hinsicht an. Über die Annahme von Manuskripten entscheiden die Herausgeber nicht alleine, sondern auf der Grundlage eines transparenten, nachvollziehbaren peer-review Verfahrens, das in der deutschen Wissenschaft vielfach eingefordert wird. Band 1: Lesebuch Altes Reich Herausgegeben von Stephan Wendehorst und Siegrid Westphal 2006. VIII, 283 S. 19 Abb. mit einem ausführlichen Glossar. ISBN 978-3-486-57909-3
Band 6: Siegrid Westphal, Inken Schmidt-Voges, Anette Baumann Venus und Vulcanus Ehen und ihre Konflikte in der Frühen Neuzeit 2011. 276 S. ISBN 978-3-486-57912-3
Band 2: Wolfgang Burgdorf Ein Weltbild verliert seine Welt Der Untergang des Alten Reiches und die Generation 1806 2. Aufl. 2008. VIII, 390 S. ISBN 978-3-486-58747-0
Band 7: Kaiser und Reich in der jüdischen Lokalgeschichte Herausgegeben von Stefan Ehrenpreis, Andreas Gotzmann und Stephan Wendehorst 2013. 321 S. ISBN 978-3-486-70251-4
Band 3: Die Reichsstadt Frankfurt als Rechts- und Gerichtslandschaft im Römisch-Deutschen Reich Herausgegeben von Anja Amend, Anette Baumann, Stephan Wendehorst und Steffen Wunderlich 2007. 303 S. ISBN 978-3-486-57910-9
Band 8: Pax perpetua Neuere Forschungen zum Frieden in der Frühen Neuzeit Herausgegeben von Inken Schmidt-Voges, Siegrid Westphal, Volker Arnke und Tobias Bartke 2010. 392 S. 2 Abb., ISBN 978-3-486-59820-9
Band 4: Ralf-Peter Fuchs Ein ,Medium zum Frieden‘ Die Normaljahrsregel und die Beendigung des Dreißigjährigen Krieges 2010. X. 427 S. ISBN 978-3-486-58789-0
Band 9: Alexander Jendorff Der Tod des Tyrannen Geschichte und Rezeption der Causa Barthold von Wintzingerode 2012. VIII. 287 S. ISBN 978-3-486-70709-0
Band 5: Die Anatomie frühneuzeitlicher Imperien Herrschaftsmanagement jenseits von Staat und Nation Herausgegeben von Stephan Wendehorst 2015. 492 S. ISBN 978-3-486-57911-6
Band 10: Thomas Lau Unruhige Städte Die Stadt, das Reich und die Reichsstadt (1648-1806) 2012.156 S. ISBN 978-3-486-70757-1
Band 11: Die höchsten Reichsgerichte als mediales Ereignis Herausgegeben von Anja Amend-Traut, Anette Baumann, Stephan Wendehorst und Steffen Wunderlich 2012. 231 S. ISBN 978-3-486-71025-0
Band 17: Alexander Denzler, Ellen Franke, Britta Schneider (Hrsg.) Prozessakten, Parteien, Partikularinteressen Höchstgerichtsbarkeit in der Mitte Europas vom 15. bis 19. Jahrhundert 2015. ISBN 978-3-11-035981-7
Band 12: Hendrikje Carius Recht durch Eigentum Frauen vor dem Jenaer Hofgericht (1648-1806) 2012. 353 S. 2 Abb., ISBN 978-3-486-71618-4
Band 18: Inken Schmidt-Voges Mikropolitiken des Friedens Semantiken und Praktiken des Hausfriedens im 18. Jahrhundert 2015. 365 S. ISBN 978-3-11-040216-2
Band 13: Stefanie Freyer Der Weimarer Hof um 1800 Eine Sozialgeschichte jenseits des Mythos 2013. 575 S., 10 Abb., ISBN 978-3-486-72502-5
Band 19: Frank Kleinehagenbrock Das Reich der Konfessionsparteien Konfession als Argument in politischen und gesellschaftlichen Konflikten nach dem Westfälischen Frieden 2017. ISBN 978-3-11-045043-9
Band 14: Dagmar Freist Glaube - Liebe - Zwietracht Konfessionell gemischte Ehen in Deutschland in der Frühen Neuzeit 2015. ISBN 978-3-486-74969-4 Band 15: Anette Baumann, Alexander Jendorff (Hrsg.) Adel, Recht und Gerichtsbarkeit im frühneuzeitlichen Europa 2014. 432 S. ISBN 978-3-486-77840-3 Band 16: André Griemert Jüdische Klagen gegen Reichsadelige Prozesse am Reichshofrat in den Herrschaftsjahren Rudolfs II. und Franz I. Stephan 2014. 517 S. ISBN 978-3-11-035267-2
Band 20: Anette Baumann, Joachim Kemper (Hrsg.) Speyer als Hauptstadt des Reiches Politik und Justiz zwischen Reich und Territorium im 16. und 17. Jahrhundert 2016. ISBN 978-3-11-049981-0 Band 21: Marina Stalljohann-Schemme Stadt und Stadtbild in der Frühen Neuzeit Frankfurt am Main als kulturelles Zentrum im publizistischen Diskurs 2016. ISBN 978-3-11-050145-2