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German Pages 220 [221] Year 2007
Tübinger Schriften zum Staats- und Verwaltungsrecht Band 76
Staatliches Liegenschaftsmanagement, Staatsverschuldung und Staatsvermögen Von Nils Schmid
asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin
NILS SCHMID
Staatliches Liegenschaftsmanagement, Staatsverschuldung und Staatsvermögen
Tübinger Schriften zum Staats- und Verwaltungsrecht Herausgegeben von Wo l f g a n g G r a f Vi t z t h u m in Gemeinschaft mit M a r t i n H e c k e l, K a r l - H e r m a n n K ä s t n e r Fe r d i n a n d K i r c h h o f, H a n s v o n M a n g o l d t M a r t i n N e t t e s h e i m, T h o m a s O p p e r m a n n G ü n t e r P ü t t n e r, B a r b a r a R e m m e r t Michael Ronellenf itsch sämtlich in Tübingen
Band 76
Staatliches Liegenschaftsmanagement, Staatsverschuldung und Staatsvermögen Von Nils Schmid
asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin
Die Juristische Fakultät der Eberhard-Karls-Universität Tübingen hat diese Arbeit im Sommersemester 2005 als Dissertation angenommen
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
D 21 Alle Rechte vorbehalten # 2007 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme: Klaus-Dieter Voigt, Berlin Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0935-6061 ISBN 978-3-428-12196-0 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier ∞ entsprechend ISO 9706 *
Internet: http://www.duncker-humblot.de
Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Sommersemester 2005 von der Juristischen Fakultät der Eberhard-Karls-Universität Tübingen als Dissertation angenommen. Ihre Erstellung hat mir manche Mühe, aber noch viel mehr Freude bereitet. Dass dies so war, habe ich zuvörderst meinem Doktorvater, Prof. Dr. Ferdinand Kirchhof, zu verdanken. Seine stets aufmerksame Begleitung, seine kritisch-anregende Würdigung des Werks und dessen erster Bruchstücke und nicht zuletzt seine Ermutigung zum wissenschaftlichen Arbeiten überhaupt haben mir und der Dissertation gut getan. Dafür danke ich von Herzen. Frau Prof. Dr. Barbara Remmert möchte ich für die zügige Erstellung des Zweitgutachtens und freundliche Hinweise danken. Schließlich gebührt auch Prof. Dr. Dr. h. c. Wolfgang Graf Vitzthum mein aufrichtiger Dank für die Unterstützung bei der Veröffentlichung der Arbeit in dieser Schriftenreihe. Gewidmet ist sie meiner lieben Tülay. Nürtingen, im April 2006
Nils Schmid
Inhaltsverzeichnis Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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1. Teil Von der Liegenschaftsverwaltung zum Liegenschaftsmanagement A. Grundlagen: Facility Management und Liegenschaftsmanagement . . . . . . . . . . I. Facility Management als Teil der Betriebswirtschaftslehre . . . . . . . . . . . . . II. Liegenschaftsmanagement als Teil von Verwaltungsreformprozessen . . . . III. Potentiale von Liegenschaftsmanagement . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Entwicklung und Bestandsaufnahme staatlichen Liegenschaftsmanagements in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Ausgangslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Schleswig-Holstein: Vorreiter mit Problemen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Vorgeschichte: „Enquêtekommission zur Verbesserung der Effizienz der öffentlichen Verwaltung“ 1994 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Das Schleswig-Holsteiner Modell: Gebäudemanagement SchleswigHolstein A. ö. R. (GMSH) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die zwei Dimensionen des „Kieler Immobiliengeschäfts“ . . . . . . . . . . 4. Verdeckte Kreditaufnahme durch das „Kieler Immobiliengeschäft“? . . 5. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Die Hauptrichtung der Reformbewegung: Landesbetriebe . . . . . . . . . . . . . . 1. Rheinland-Pfalz: Landesbetrieb „Liegenschafts- und Baubetreuung“ (LBB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Thüringen: Landesbetrieb „Thüringer Liegenschaftsmanagement“ (THÜLIMA) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Hessen: Landesbetrieb „Hessisches Immobilienmanagement“ (HI) . . 4. Sachsen: Staatsbetrieb „Sächsisches Immobilien- und Baumanagement“ (SIB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Baden-Württemberg: Zwei Landesbetriebe – je einer für Landesund Bundesbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Sachsen-Anhalt: Sondervermögen „Grundstock“ und Landesbetrieb „Liegenschafts- und Immobilienmanagement“ Sachsen-Anhalt (LIMSA) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Nordrhein-Westfalen: Landesbetrieb „Bau- und Liegenschaftsbetrieb“ (BLB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
16 16 16 20 23 25 26 28 29 32 34 35 36 37 37 38 39 40 41
42 44
8
Inhaltsverzeichnis 8. Mecklenburg-Vorpommern: Landesbetrieb „Betrieb für Bau und Liegenschaften“ (BBL) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
46
9. Niedersachsen: Sondervermögen „Landesliegenschaftsfonds Niedersachsen“ (LFN) ohne weitere rechtliche Veränderungen . . . . . . . . . . . .
47
10. Bund: Von der Bundesvermögensverwaltung mit NIMBUS zur BImA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
47
IV. Verschachtelte Gebilde mit privatrechtlichen Gesellschaftsformen . . . . . .
49
1. Bremen: „Sondervermögen Immobilien und Technik“ (SVIT) als Endpunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
50
2. Berlin: „Sondervermögen Immobilien des Landes Berlin“ als Drehund Angelpunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
52
Der Sprung ins Privatrecht: Bundeswehrstrukturreform . . . . . . . . . . . . . . . .
55
1. Scharpings Bundeswehrstrukturreform: GEBB als Ausgangspunkt . .
55
2. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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VI. Typologie der Liegenschaftsverwaltung in Bund und Ländern . . . . . . . . . .
57
C. Strukturfragen der Reorganisation: Rechtsform, Wirtschaftlichkeit und Eigentumszuordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
60
V.
I.
Wahl der Rechtsform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
60
1. Die Wahlfreiheit und die Liegenschaftsverwaltung . . . . . . . . . . . . . . . .
60
a) Die Lehre von der Wahlfreiheit der Verwaltung . . . . . . . . . . . . . . . .
60
b) Einordnung der Liegenschaftsverwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
61
c) Grenzen der Rechtsformwahl der Liegenschaftsverwaltung . . . . . .
63
aa) Formelle Privatisierung und Art. 87 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . .
63
bb) Der Sonderfall b. l. g. und Art. 87b GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
64
d) Materielle Privatisierung und „unvertretbare Staatsaufgaben“ . . . .
65
2. Die Rechtswirklichkeit der gewählten Rechtsform . . . . . . . . . . . . . . . . .
67
II. Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
69
III. Eigentumszuordnung und Eigentumsübertragung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
72
1. Die rechtliche Stellung des Staates als Grundstückseigentümer . . . . .
73
a) Staatliche Liegenschaften als öffentliche Sachen . . . . . . . . . . . . . . .
73
b) Öffentliches Sachenrecht und Eigentumsübertragung staatlicher Liegenschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
74
aa) Herrschende Meinung: Öffentlich-rechtliche Sachherrschaft kraft Widmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
74
bb) Bedenken gegen die herrschende Meinung . . . . . . . . . . . . . . . .
75
cc) Eigener Lösungsvorschlag für Liegenschaften im Verwaltungsgebrauch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
76
dd) Grenzen und Probleme dieses Lösungsansatzes . . . . . . . . . . . .
78
ee) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
89
2. Die Rechtswirklichkeit der Eigentumsübertragung . . . . . . . . . . . . . . . .
91
Inhaltsverzeichnis
9
2. Teil Staatliches Liegenschaftsmanagement im Nebenhaushalt als Herausforderung für die Haushaltsverfassung A. Das Problem Nebenhaushalt: Verfassungsregeln für die Budgetflucht . . . . . . . . I. Staatliches Liegenschaftswesen als Nebenhaushalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Vom Nebenhaushalt zum Schattenhaushalt – Zulässigkeit der Nebenhaushalte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Nebenhaushalte und die Einheit und Vollständigkeit des Haushalts . . a) Das Einheitsprinzip und seine Durchlöcherung . . . . . . . . . . . . . . . . b) Ein Gesetzesvorbehalt für Nebenhaushalte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Der haushaltsrechtliche Gesetzesvorbehalt für Nebenhaushalte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Kein organisationsrechtlicher Gesetzesvorbehalt für Nebenhaushalte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Ein Numerus Clausus von Rechtfertigungsgründen für Nebenhaushalte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Eine rote Linie für Nebenhaushalte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Der Befund im staatlichen Liegenschaftswesen mit Blick auf die Einheit des Budgets . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Nebenhaushalte und die Verfassungsregeln für die Staatsverschuldung . . . . . . I. Das Regelungskonzept des Art. 115 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Erste Annäherung: Einschränkungen aufgrund des Wortlauts der Norm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Konturierung I: Auslegung des Art. 115 Abs. 1 S. 1 GG . . . . . . . . . . . 3. Konturierung II: Auslegung des Art. 115 Abs. 1 S. 2 und Art. 115 Abs. 2 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Das Staatsschuldenregime der Landesverfassungen und seine Geltung für Nebenhaushalte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Der Befund im staatlichen Liegenschaftswesen mit Blick auf die Kreditaufnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Verdeckte Kreditaufnahme durch Sale-Lease-Back von Liegenschaften . . C. Möglichkeiten und Grenzen der Ertüchtigung der Haushaltsverfassung . . . . . . I. Staatsverschuldung als verfassungspolitische Herausforderung . . . . . . . . . . II. Eine vorläufige Bilanz der Haushaltsverfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Die Ertüchtigung der Haushaltsverfassung durch teleologische Auslegung und ihre Grenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Antwort 1: Erstreckung des Direktionsgehalts der Haushaltsverfassung auf Nebenhaushalte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Grenzen der teleologischen Auslegung der Haushaltsverfassung . . . . 3. Antwort 2: Wirtschaftliche Betrachtungsweise bei staatlicher Kreditaufnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
93 93 93 94 95 95 100 100 101 104 111 112 114 114 115 116 116 119 121 123 127 127 128 130 130 131 133
10
Inhaltsverzeichnis 4. Behelfsantwort: Begrenzungswirkung des Art. 109 Abs. 2 GG . . . . . 5. Die schwache Begrenzungswirkung des Art. 104 EGV . . . . . . . . . . . . 6. Publizität, Transparenz und Darlegungslast . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Entgrenzung und Neubegrenzung der Staatsverschuldung . . . . . . . . . . . . . .
D. Weitere Regeln der Haushaltsverfassung für das Liegenschaftsmanagement im Nebenhaushalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Liegenschaftsmanagement im Nebenhaushalt und gesamtwirtschaftliches Gleichgewicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Rechnungslegung und Rechnungsprüfung bei Liegenschaftsmanagement im Nebenhaushalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Rechnungslegung im Nebenhaushalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Rechnungsprüfung im Nebenhaushalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
139 141 143 146 147 147 148 148 150
3. Teil Eine Renaissance des Staatsvermögensrechts?
154
A. Staatliche Liegenschaften und Staatsvermögen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 I. Die Bedeutung staatlicher Liegenschaften für das Staatsvermögen . . . . . . 155 II. Die verborgene Dynamik des Liegenschaftsmanagements und der Hochschulreformen für das Staatsvermögen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 B. Sachstand und Aussagekraft des deutschen Staatsvermögensrechts . . . . . . . . . . I. Die Staatsvermögensordnung als Desiderat des deutschen Staatsrechts . . II. Die Vermögensrechnung des Staates . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Der Grundsatz der Vermögenserhaltung im deutschen Staatsvermögensrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die vermögenswirtschaftlichen Regelungen um §§ 63 bis 65 BHO/ LHO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Salva rerum substantia – die Pflicht zur Substanzerhaltung des Staatsvermögens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Die besondere Stellung des Grundvermögens im Staatsvermögensrecht . 1. Staatliches Grundvermögen im aktuellen Haushaltsrecht . . . . . . . . . . . 2. Staatliches Grundvermögen in der Geschichte des deutschen Haushaltsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Der Grundstock . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Zur Sonderstellung von Liegenschaften im deutschen Recht überhaupt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Sonderstellung von Liegenschaften im Zivilrecht . . . . . . . . . . b) Staatliche Liegenschaften als Gegenstand des Zivilrechts . . . . . . . c) Liegenschaften im Zivilrecht und im Staatsvermögensrecht . . . . . 5. Der Grundsatz der Werterhaltung und staatliches Grundvermögen – Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
160 160 161 169 169 170 174 174 175 177 180 181 181 182 182
Inhaltsverzeichnis
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C. Die Renaissance des Staatsvermögensrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 D. Die Ertüchtigung der Haushaltsverfassung durch diese Wiedergeburt des Staatsvermögenrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 E. Ausblick: Liegenschaften, Staatsvermögen – und am Ende der Verlust von staatlicher Souveränität? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Staatliches Grundvermögen und die Funktionsfähigkeit des Staates . . . . . II. Staatliches Grundvermögen und staatliche Souveränität: Der „vermögenslose“ Staat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Innere Souveränität und staatliches Grundvermögen . . . . . . . . . . . . . . . 2. Eigenstaatlichkeit und Grundvermögen in der deutschen Verfassungsgeschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Der föderale Vermögenskonflikt im Deutschen Kaiserreich und seine Lösung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Verfassungsrechtliche Ansprüche auf adäquate Vermögensausstattung im Bundesstaat? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . F.
186 187 190 191 192 193 194
Warum staatliches Grundvermögen für die staatliche Souveränität wichtig ist 196
Schlussfolgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217
Einführung In den letzten dreißig Jahren sind wir in Deutschland Zeugen eines starken Zuwachses der Staatsverschuldung geworden. Die öffentlichen Hände haben das Geld der Steuerzahler mit vollen Händen ausgegeben. Betrug der Schuldenstand des Landes Baden-Württemberg 1970 noch knapp 6 Mrd. DM, so wurde schon im Jahr 1980 die Marke von 20 Mrd. DM übersprungen. Zehn Jahre später hatten sich die Landesschulden auf über 40 Mrd. DM verdoppelt; Ende 2003 war mit über 35 Mrd. Euro (fast 70 Mrd. DM) und mit geplanten Nettokreditaufnahmen in Rekordhöhe für die Folgejahre die nächste Verdopplung in Sichtweite gelangt. In den anderen Ländern und im Bund waren ähnliche Tendenzen zu beobachten. Verschärft wird diese Entwicklung durch die versteckte Verschuldung in den Sozialversicherungssystemen und bei den Beamtenpensionen. Berechnungen für Baden-Württemberg1 gehen davon aus, dass die zukünftige Belastung mit Versorgungsausgaben für die Landesbeamten im Jahr 2001 einen Gegenwartswert von 110 Mrd. Euro entsprach – eine Summe, die dreimal höher liegt als die ausgewiesene Verschuldung des Landes. Aus nahe liegenden Gründen – als Stichwörter mögen die deutsche Einheit und die Finanzierung sozialstaatlicher Aufgaben genügen – trägt der Bund mit etwa zwei Dritteln die Hauptlast der Verschuldung, während der übrige Anteil im Wesentlichen den Ländern zuzurechnen ist, da aufgrund der haushaltsrechtlichen Vorgaben die Verschuldungsmöglichkeiten der Kommunen eng begrenzt sind. Zieht man die Personalausgaben und die darin verborgene Dynamik ansteigender Pensionskosten in Betracht, so wird deutlich, dass die strukturellen Haushalts- und Verschuldungsrisiken der Länder denen des Bundes kaum nachstehen. So ist der Bundeshaushalt über den Mechanismus des Bundeszuschusses wie in einem System kommunizierender Röhren mit den Kassen der Sozialversicherungszweige finanzpolitisch verbunden und auch über seine Gesetzgebungskompetenz für die Sozialversicherung nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG politisch verantwortlich, wenn es um die Bewältigung der Folgen des demographischen Wandels für den Sozialstaat geht. Dieser Herausforderung für den Bund stehen die Risiken des hohen Personalkostenanteils von über 40% für die Länderhaushalte gegenüber, die sich aus dem personalintensiven Aufgabenspektrum der Länder in den Bereichen Polizei/Justiz und Schule/Hochschule und dem in Art. 83 GG angelegten „Verwaltungsföderalismus“ ergeben, wobei letzterer für die Länder vor allem in der Finanzverwaltung personalwirksam wird. 1
Raffelhüschen/Besendorfer/Dang, S. 39.
14
Einführung
Entsprechend dem im Gegensatz zum Bund – dessen Personalausgaben bei etwa 10% des Gesamtvolumens liegen – überaus hohen Personalkosten werden in den Ländern die Pensionsausgaben bis 2030 steil ansteigen und damit schon aus diesem Grund die Belastung des Haushaltes erhöhen. Verschärfend für die Schuldenproblematik der Länder kommt hinzu, dass sie nicht über eigene Steuergesetzgebungskompetenzen verfügen und damit auf der Einnahmeseite nicht eigenständig und losgelöst vom Bund agieren können. Steuerpolitische Maßnahmen betreffen daher in der politischen Realität der Bundesrepublik Deutschland die Länder immer nur im Geleitzug des Bundes und damit reflexhaft; eigene steuerpolitische Vorstellungen, die über den Bundesrat nach Art. 76 Abs. 1 3. Var. GG möglich sind, haben allenfalls im Zuge von Vermittlungsverfahren Realisierungschancen – meist ausgehend von einem Steuergesetzvorschlag des Bundestags. Aus diesen Gründen sehen sich beide staatlichen Ebenen gleichermaßen gefordert, ihre Haushaltsnöte zu lindern. Neben den Lösungsansätzen, die auf Reduzierung bestimmter staatlicher Aufgaben und Ausgaben abzielen (z. B. durch Privatisierung, Subventionsabbau o. ä.), aus diesem Grund regelmäßig politisch und gesellschaftlich heftig umstritten sind und daher auch stark im Licht der Öffentlichkeit stehen, findet der aufmerksame Beobachter ein Bündel von Maßnahmen, die dazu dienen, die Effizienz der öffentlichen Aufgabenerledigung zu steigern. Dabei steht weniger das Ob als das Wie der staatlichen Aufgaben im Vordergrund der Überlegungen. Durch Einführung betriebswirtschaftlicher Methoden soll die Verwaltung bürgerfreundlicher und kostengünstiger werden. Selbstverständlich ist auch die Einführung dieser sog. Neuen Steuerungsinstrumente alles andere als neutral, sondern wirft eine Reihe von grundsätzlichen Fragen nach dem Selbstverständnis des Staates, dem Verhältnis von Exekutive und Legislative und der Art und Weise der inneren Verwaltungsführung auf. Doch zeigt die Erfahrung der letzten Jahre in Bund und Ländern, dass Übereinstimmung darin besteht, dass der Staat seine Aufgaben effizient wahrnehmen und dass aus diesem Grund die Verwaltung modernisiert werden sollte. In der Folge haben Bund und Länder in unterschiedlichem Umfang, aber mit gleichem Ziel betriebswirtschaftliche Elemente in ihr Verwaltungsgebaren eingeführt. Ein wichtiger Bestandteil solcher innerer Verwaltungsreformen ist die Neuordnung des Liegenschaftswesens; ist doch die Frage des kostenoptimalen Umgangs mit öffentlichem Grundvermögen und die günstige Unterbringung des öffentlichen Personalkörpers von hoher Bedeutung für die öffentlichen Haushalte. Diese Neuordnung betrifft ein in sich geschlossenes Aufgabenfeld und lässt sich daher sowohl rechtlich wie auch tatsächlich von der allgemeinen Einführung neuer Steuerungsmethoden in der öffentlichen Verwaltung abgrenzen. Daher ist sind Vorhaben auf diesem Gebiet in Bund und Ländern auch unabhängig vom Stand der Einführung betriebswirtschaftlicher Elemente in der Verwaltung allgemein umgesetzt worden.
Einführung
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Gleichzeitig sind die Auswirkungen dieser Neuordnung staatlicher Liegenschaftsverwaltung in rechtlicher und fiskalischer Sicht beträchtlich. Denn neben haushaltsrechtlichen Fragen, welche die Bildung von Nebenhaushalten und den damit verbundenen Risiken betreffen, ist insbesondere das Staatsvermögen von solchen Prozessen in hohem Maße berührt, da das Grundvermögen einen beträchtlichen Teil des Vermögens der öffentlichen Hände ausmacht. Vor diesem Hintergrund verfolgt diese Arbeit drei Zwecke. Erstens will sie anhand des überschaubaren und der Abgrenzung fähigen Beispiels der Liegenschaftsverwaltung die Einführung betriebswirtschaftlicher Elemente – hier aus jenem Teil der Betriebswirtschaftslehre, der mit dem Fachbegriff Facility Management bezeichnet wird – in die öffentliche Verwaltung konzeptionell nachvollziehen und in der konkreten Ausprägung auf Bundes- und Länderebene systematisierend darstellen. Zweitens sollen die wichtigsten haushaltsrechtlichen Probleme, die in diesem Prozess aufgetaucht sind, beleuchtet werden. Drittens wird die Neuordnung des öffentlichen Liegenschaftswesens zum Anlass genommen, die Aktualität und Notwendigkeit eines Staatsvermögensrechts zu bedenken. Die Untersuchung hat dabei Gesetzgebung und Literatur bis Ende 2004 berücksichtigt. „Die ganze Situation in der öffentlichen Finanzwirtschaft wäre eine andere, wenn wir in Bund und in den Ländern echte Vermögensbilanzen hätten. Dass wir zu diesen Vermögensbilanzen kommen müssen, ist selbstverständlich.“ Dies erklärte Alex Möller bei den Beratungen zur Verfassung des Landes BadenWürttemberg2 im Jahre 1952. Dieser weitsichtigen Äußerung liegt die Einsicht zugrunde, dass das Haushaltsverfassungsrecht dem Staatsvermögen eine zentrale Stellung einräumen muss, wenn es eine gedeihliche Entwicklung der Staatsfinanzen garantieren soll. Diese Einsicht am Beispiel jenes bedeutenden Teils des Staatsvermögens, das in den öffentlichen Liegenschaften verkörpert ist, illustrieren zu können, wäre ein erwünschtes Nebenprodukt dieser Arbeit.
2 Verfassungsgebende Landesversammlung BW, Protokoll der 27. Sitzung des Verfassungsausschusses, S. 6.
1. Teil
Von der Liegenschaftsverwaltung zum Liegenschaftsmanagement A. Grundlagen: Facility Management und Liegenschaftsmanagement Wie bringen wir unsere Mitarbeiter möglichst kostengünstig unter und bieten gleichzeitig angemessene Arbeitsbedingungen? Welche Gebäude und Grundstücke sind verzichtbar? Wie verwerten wir nicht mehr benötigte Immobilien? Bleiben wir im historisch wertvollen Innenstadtbau oder ziehen wir in den neuen Büromietkomplex auf der grünen Wiese? Wie können wir die Energiekosten in den Gebäuden senken? Brauchen wir eigene Hausmeister? Sollen wir Reinigungsdienstleistungen nach außen vergeben? – solche und viele weitere Fragen rund um die Immobilien stellen sich für ein Unternehmen genauso wie für den Staat. Flächenmanagement und Immobilienbewirtschaftung sind schon längere Zeit Gegenstand der Betriebswirtschaftslehre, die dieses Arbeitsfeld mit dem Fachbegriff „Facility Management“ belegt hat. Die öffentliche Verwaltung hat in den letzten Jahren die Grundgedanken des Facility Managements übernommen, um öffentliche Liegenschaften besser zu nutzen. I. Facility Management als Teil der Betriebswirtschaftslehre Wie es bei Anglizismen häufig zu beobachten ist, wird auch der Begriff Facility Management mitunter als Schlagwort benutzt. Zur Begriffsklärung können allgemein anerkannte Definitionen beitragen. Die German Facility Management Association (GEFMA) hat folgende Worte dafür gefunden: „Facility Management ist die Betrachtung, Analyse und Optimierung aller kostenrelevanten Vorgänge rund um ein Gebäude, ein anderes bauliches Objekt oder eine im Unternehmen erbrachte (Dienst-)Leistung, die nicht zum Kerngeschäft gehört.“3 Die Euro-FM-Definition, wie sie 1990 in Glasgow vereinbart wurde, nennt Facility Management den „ganzheitliche[n] strategische[n] Rahmen für koordinierte Programme, um Gebäude, ihre Systeme und Inhalte kontinuierlich bereitzustellen, 3
GEFMA, Richtlinie 100 (1996).
A. Grundlagen: Facility Management und Liegenschaftsmanagement
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funktionsfähig zu halten und an die wechselnden organisatorischen Bedürfnisse anzupassen“4. Diese notwendig allgemein gehaltenen Beschreibungen lassen zwei wichtige Gesichtpunkte erkennen, die dem Konzept von Facility Management zugrunde liegen. Zum einen knüpft es an die Flächen und Immobilien als Sachressourcen des Unternehmens an, strebt aber zum anderen eine umfassende Betrachtung an, die sich vom bloßen Gebäudeunterhalt oder der bloßen Nutzung des Gebäudes oder der Fläche abhebt. Dieser integrierte Ansatz wird in der Fachliteratur5 mit drei Wesensmerkmalen charakterisiert: Ganzheitlichkeit, Lebenszyklusbetrachtung und Transparenz. Die Ganzheitlichkeit zeichnet sich dadurch aus, dass kaufmännische und technische Aufgaben rund um die Immobilie integriert werden und dass die Interessen von Investor, Betreiber und Nutzer der Immobilie zusammengeführt werden6. So verschiedene Aspekte wie die technische Ausstattung bis hin zu den Informationstechnologien, die Renditeerwartung des Eigentümers, die Energiebilanz des Gebäudes, aber auch dessen Sicherheit, Reinigung und Unterhalt müssen dabei berücksichtigt werden. Der Lebenszyklus der Immobilie erfordert eine dynamische Betrachtung, wie sie in der Euro-FM-Definition, die von der „Anpassung an wechselnde Bedürfnisse“ spricht, sehr schön zum Ausdruck kommt7. Denn ein Blick, der sich auf die gegenwärtige Nutzung eines Gebäudes verengt, übersieht, dass dieses Gebäude von der Planung, dem Bau, der Nutzung bis hin zur Entsorgung Kosten verursacht und in jeder Phase seines Lebenszyklus optimal verwaltet werden muss. Gerade weil die Nutzungsphase den zeitlich und kostenmäßig bedeutendsten Lebensabschnitt ausmacht, ist der Flexibilität in der Nutzung großes Gewicht beizumessen. Ein Gebäude kann einem beträchtlichen Wandel der Funktionsansprüche unterliegen, und diesen Wandel gilt es betriebswirtschaftlich zu bewältigen. Die Transparenz schließlich zielt darauf ab, alle Informationen rund ums Gebäude aktuell und zugriffsbereit verfügbar zu halten – und zwar unabhängig davon, zu welchem Aspekt und in welcher Lebensphase des Gebäudes eine Auskunft angefordert wird. So ist beispielsweise der Übergang von Bauherr zum Nutzer oftmals Quelle von Informationsverlusten – ein Phänomen, das jedem Privatmann, der eine elektrische Leitung anbohrt, um an seinen vier Wänden ein Regal zu befestigen, sehr vertraut sein dürfte. Ähnliche Brüche im In4
Zit. nach Nävy, S. 2. Vgl. Nävy, S. 3 ff.; s. auch Pierschke in: Schulte/Schäfers, S. 280 f. 6 Genauso Kaemper, S. 7; Pfnür, S. 55 und Schneider, S. 8. 7 Entsprechend wird dieser Aspekt übereinstimmend betont, vgl. Kaemper, S. 7; Pfnür, S. 55, 57 f.; Murfeld, S. 319, 321; Staudt, S. 39; ausführlich dazu Pierschke in: Schulte/Schäfers, S. 280 ff. 5
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1. Teil: Liegenschaftsverwaltung und Liegenschaftsmanagement
formationsfluss können bei Nutzungsänderungen auftreten. Müssen umgekehrt bei jeder Abänderung im oder am Gebäude aufwendig Daten ermittelt werden, so entstehen unnötige Zusatzkosten. Im Kern handelt es sich hier um eine weitere spezifische Ausprägung des allgemein in der Betriebswirtschaftslehre verbreiteten Bemühens, möglichst umfassend informiert zu sein, wie es sich auch in Konzepten des Data Warehousing widerspiegelt. Letztlich versetzen Kostentransparenz und lückenlose Information ein Unternehmen in die Lage, umfassend Kontrolle über seine Immobilien und die durch sie verursachten Kosten auszuüben. Die Gründe für die Einführung des Facility Management in Unternehmen und für die allgemein erkannte Handlungsnotwendigkeit auf diesem Feld lassen sich in fünf Punkten bündeln: – Hohe Bedeutung von Immobilien für das Unternehmen8: Untersuchungen für die USA zeigen, dass Grundstücke und Gebäude mit einer Gewichtung von 10% bis 18% in die Gewinn- und Verlustrechnung einfließen. Betrachtet man die Unternehmensbilanz, so beruht ein Viertel bis die Hälfte der Aktiva auf Grundstücken und Gebäuden, sind doch Grundstück und Immobilien sowie deren Ausstattung bis hin zu den Maschinen regelmäßig die bedeutsamsten Posten. – Strategische Bedeutung von Sachanlagen für die Churn-Rate9: Neben Kapital, Arbeit und Technologie kommt den Sachanlagen des Unternehmens ein herausragender Stellenwert zu. Veränderungen im Unternehmen bedingen Anpassungen über den gesamten Lebenszyklus von Gebäuden hinweg. In – gewiss extremen, aber eine wichtige Zukunftstendenz andeutenden – Beispielfällen werden Gebäude bis zu 150 Mal während ihres Lebens umgeplant und umgebaut10. – Steigende Kosten für Gebäude11: Zunehmende Verdichtung, Umweltvorschriften und Energierestriktionen lassen die Kosten für Gebäude und ihre Nutzung anwachsen. Dabei ist in Deutschland und anderen hochindustrialisierten Staaten Knappheit von Grund und Boden, zumindest in den Ballungsräumen und an den herkömmlichen Industriestandorten, ein wichtiger Kostentreiber. – Zunehmende Komplexität der Informationen12: Der technische Fortschritt erhöht die Informationsmengen am und im Gebäude; die Abstimmung zwi-
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Vgl. Nävy, S. 43; ebenso Staudt, S. 79 und Pierschke in: Schulte/Schäfers, S. 294. Vgl. Nävy, S. 43 f. 10 Vgl. auch Schneider, S. 217. 11 Vgl. Schneider, S. 44. 12 Schneider, S. 44. 9
A. Grundlagen: Facility Management und Liegenschaftsmanagement
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schen Gebäude und Anlagen muss bei Planung und Errichtung einwandfrei funktionieren. – Möglichkeiten der EDV13: die enorm gewachsenen Einsatzmöglichkeiten bei gleichzeitig fallenden Preisen machen die modernen Informationstechnologien zu Ursache und Bedingung von Facility Management zugleich. Denn so ehrgeizige Ziele, wie sie oben mit den Stichwörtern Ganzheitlichkeit, Lebenszyklusbetrachtung und Transparenz als Kernelemente von Facility Management benannt worden sind, sind überhaupt nur zu erreichen, wenn die dabei gesammelten und bewegten Datenmengen technisch bewältigt werden können. Fachleute gehen von erheblichen Nutzenpotentialen durch Einführung von Facility Management aus. Quantifizierbaren Wirkungen wie Kosteneinsparungen in Heller und Pfennig stehen dabei nicht direkt messbare Effekte gegenüber, die sich qualitativ in einer verbesserten Gebäudebewirtschaftung niederschlagen. Als Beispiele seien erhöhte Informationsdichte, bessere Planungsabläufe und verringerte Fehlerhäufigkeit angeführt. Bezifferbare Vorteile lassen sich in Einsparungen bei der benötigten Fläche und in eingesparte Kosten zergliedern. Flächeneinsparungen sind durch einfachen Vergleich der genutzten Flächen vor und nach Einführung des Facility Managements zu ermitteln. Empirische Studien kommen dabei zu Einsparungen zwischen 10% und 30%14. Auch die allgemeinen Kosteneinsparungen über die bloße Verringerung der benötigten Flächen hinaus sind nach den Erfahrungen der Praxis in derselben Dimension anzusetzen15. Ein letzter für diese Untersuchung bedeutsamer Gesichtspunkt ist die Einbindung des Facility Managements im Unternehmen, da dies wichtige Rückschlüsse auf die organisatorische Stellung einer nach betriebswirtschaftlichen Methoden neu ausgerichteten Liegenschaftsverwaltung zulässt. Allgemein ist diese Organisationsfrage in einem Spannungsfeld anzusiedeln, das dadurch entsteht, dass Facility Management nicht zum Kerngeschäft des Unternehmens gehört, wie es in der anfangs zitierten GEFMA-Begriffsbestimmung anklingt, aber zugleich aufs engste mit dem Produktionsprozess selbst verknüpft ist und damit für den Unternehmenserfolg ausschlaggebend wirkt. In der Fachliteratur steht nicht die konkrete äußere Form der Organisation im Mittelpunkt, sondern die ganzheitliche Aufgabenwahrnehmung durch Aufgabenbündelung, die den Wesenskern des Facility Managements bildet und für die eine geeignete Form gefunden werden muss16.
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Vgl. Schneider, S. 44. Nävy, S. 58 f. m.w. N. Vgl. auch LT NRW HFA APr 13/97, S. 64, 66. Nävy, S. 59 m.w. N.
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1. Teil: Liegenschaftsverwaltung und Liegenschaftsmanagement
Dafür ist zum einen die organisatorische Anbindung an die Unternehmensführung wichtig, weil vielfältige Überlappungen mit dem Unternehmensgeschehen bestehen und die Informationszusammenführung Erfolgsvoraussetzung ist. Zum anderen muss die für Facility Management zuständige Stelle auch die notwendige Durchsetzungsmacht haben, um ihre Aufgaben im Unternehmen auch tatsächlich erfüllen zu können. Dies kann durch die bloße Anbindung an eine bestehende Abteilung erreicht werden; ein selbständiger Aufgabenbereich im Unternehmen kann geschaffen werden; oder diese Aufgaben wird organisatorisch verselbständigt, was bis hin zu einer Gründung eines Unternehmens für Facility Management (Outsourcing) oder zur Fremdvergabe nach außen gehen kann17. Oftmals wird eine Stabstelle bei der Geschäftsführung vorgeschlagen18. Abschließend kann festgehalten werden, dass der Erfolg von Facility Management mit der inhaltlichen Einführung dieses integrierten Konzeptes steht und fällt und nicht etwa mit der im Einzelfall gewählten Form, die von Unternehmen zu Unternehmen – oft auch in Abhängigkeit von seiner Größe – variieren kann. Eine mittelständische Firma mit wenigen Standorten und Gebäuden wird sich damit zufrieden geben, überhaupt Aspekte des Facility Managements in die Unternehmensführung einzubauen; ein Weltkonzern wird deutlich elaboriertere Formen anstreben. Aber auch unter den Großfirmen gibt es von internen Lösungen in Gestalt von Profit-Centern über die Ausgliederung unter dem Konzerndach bis hin zur Auslagerung an Dritte alle denkbaren Fälle auch in der Wirklichkeit19. II. Liegenschaftsmanagement als Teil von Verwaltungsreformprozessen Die Neuordnung des öffentlichen Liegenschaftswesens lässt sich konzeptionell in die Bemühungen der öffentlichen Hände um Staats- und Verwaltungsmodernisierung einbetten. Die Einführung betriebswirtschaftlicher Elemente in die öffentliche Verwaltung bezweckt Kosteneffizienz und -transparenz und soll den Bürgerservice verbessern, indem die Verwaltung – in dem durch die Gesetzesbindung nach Art. 20 Abs. 3 GG abgesteckten Rahmen – dem Bürger-Kunden gegenüber als Dienstleister auftritt. Gängige Mittel dazu sind der Übergang der Kameralistik zur doppelten Buchführung, die Einführung von Kosten-Leistungs-Rechnung und Produktbildung, die Gewährung dezentraler Budgetverantwortung mit Übertragbarkeit der Mittel und schließlich das Controlling20. 16 Nävy, S. 48 f.; Braun in: Braun u. a., S. 165 ff., Pfnür, S. 56 f.; Schneider, S. 241 ff.; Staudt, S. 79 ff. und Schäfers in: Schulte/Schäfers, S. 255 ff. (insbesondere S. 262). 17 Vgl. Nävy, S. 49 ff. 18 So Braun in: Braun u. a., S. 130, 167. 19 Vgl. die Beispiele bei Staudt, S. 81 ff.
A. Grundlagen: Facility Management und Liegenschaftsmanagement
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Dem gleichen Grundgedanken der Übertragung und Anpassung betriebswirtschaftlichen Gedankenguts folgt auch die Reform der Liegenschaftsverwaltung, wenn auch die Umsetzung in eigenständigen Projekten losgelöst von Vorhaben der Einführung neuer Steuerungsinstrumente oder -modelle läuft. So bezeichnet beispielsweise die Landesregierung Schleswig-Holstein ihre Reform als „ein[en] wichtige[n] Baustein zur Modernisierung der öffentlichen Verwaltung“21. Ebenso bewertet die Landesregierung Nordrhein-Westfalens ihre Neuordnung der Liegenschaftsverwaltung als „sehr bedeutende[n] Schritt unter der großen Überschrift der Verwaltungsmodernisierung in Nordrhein-Westfalen“22. Zentraler Anknüpfungspunkt für die Anwendung der Grundsätze des Facility Managements auf die öffentliche Liegenschaftsverwaltung ist die Gleichsetzung des Staates mit einem Konzern, der seine Aufgaben über verschiedene Betriebsteile an verschiedenen Orten wahrnimmt und dafür optimale räumliche Unterbringung und Flächenbewirtschaftung anstrebt. Dazu werden die Liegenschaften zentral gebündelt, um deren Verwaltung und Bewirtschaftung aus einer Hand zu gewährleisten. Wie wir gesehen haben, ist dies die Voraussetzung für den ganzheitlichen Ansatz des Facility Managements. Organisatorisch schlägt sich dies regelmäßig in der Schaffung einer eigenständigen Organisationseinheit nieder, die aus der staatlichen Bau- und Liegenschaftsverwaltung hervorgeht und auch verselbständigt werden kann. Auch wenn im Personalwesen das Beamtenrecht und der BAT, im Bauwesen verschiedene öffentlich-rechtliche Richtlinien und das öffentliche Vergaberecht Restriktionen auferlegen, so ist doch das Verwaltungs- oder besser Managementkonzept, auf dem diese Neuordnungen basieren, im Grunde dasselbe wie das Facility Management im Unternehmen der Privatwirtschaft. Denn genauso wie das Facility Management das Kerngeschäft im Unternehmen stärkt und optimiert, so fördert das Facility Management die Ziele der staatlichen Verwaltung – mit dem Unterschied, dass im ersten Fall das Kerngeschäft in der Produktion von Waschmitteln oder im Verkauf vom Lebensversicherungen besteht und im zweiten Fall in der Bereitstellung von öffentlichen Gütern und Dienstleistungen der Daseinsvorsorge, die letzten Endes politisch bestimmt werden. Sieht man von den rechtlichen und politischen Rahmenbedingungen ab, so geht in beiden Fällen die fachliche Aufgabenstellung dahin, durch einen ganzheitlichen Ansatz eine optimale Flächenbewirtschaftung und Gebäudenutzung zu erreichen. So liest sich denn die Zielrichtung der Neuorganisation der Liegenschaftsund Bauverwaltung in Schleswig-Holstein wie ein Lehrbuch des Facility Managements. Vom „modernen Konzerndienstleister“ ist da die Rede, der „die nicht 20 21 22
Vgl. Dahm, S. 30 ff. LT SH, Drs. 15/366 (neu), S. 1. Finanzminister Steinbrück, LT NRW, PlPr13/10, S. 678 (B).
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1. Teil: Liegenschaftsverwaltung und Liegenschaftsmanagement
zum Kerngeschäft des Landes gehörenden Aufgaben nach den Prinzipien eines kaufmännischen Unternehmens“ erfülle und „bisher von verschiedenen Stellen des Landes durchgeführte Tätigkeiten bündelt“. Facility Management wird dabei als „vielschichtige Aufgabe in betriebswirtschaftlichem Sinne“ verstanden, zu der „insbesondere das Wissen, was sich in einer Immobilie abspielt (ganzheitliche Betrachtung), die wirtschaftlich sinnvolle Abstimmung von verschiedenen Dienstleistungssegmenten, die Erhöhung der Kostentransparenz als Basis für Entscheidungen, die Erreichung höherer Effizienz durch Flexibilität im Handeln zählen“23. Auch im öffentlichen Bereich ermöglicht die dadurch geschaffene Kostentransparenz und die damit verbundenen umfassenden Informationsmöglichkeiten eine verbesserte Kontrolle der staatlichen Liegenschaften und ihrer Verwaltung. Dies erhöht die Steuerungsfähigkeit von Exekutive und Legislative – insbesondere das parlamentarische Budgetrecht sollte aus dieser Modernisierung gestärkt hervorgehen, da dem Haushalt aussagekräftigere Zahlen als zuvor zugrunde gelegt werden können. Der entscheidende Vorteil ist darin zu sehen, dass die realen Kosten einer Immobilie über ihren Lebenszyklus hinweg im Haushalt abgebildet werden können, also auch der Werteverzehr. Die Chance einer besseren Steuerung und Kontrolle wird aber nur dann ergriffen werden können, wenn die Datenmengen einerseits aufbereitet und damit notwendigerweise aggregiert werden, um gewisse Entwicklungslinien erkennen zu können, andererseits aber jederzeit der parlamentarische Zugriff auf Details möglich ist, wenn der politische Streit genau um ein solches Detail geführt wird (z. B. die Kosten eines bestimmten Neubaus). Das Ziel, „ein zentrales, betriebswirtschaftlich orientiertes Immobilienmanagement“ einzuführen“24, ist die griffige Kurzformel und der gemeinsame Nenner aller Neuordnungen des Liegenschaftswesens in Bund und Ländern. Jedoch besteht im öffentlichen Bereich ein strukturelles Hindernis für die einfache Übertragung des Konzepts vom Facility Management: es fehlen Marktpreise für Flächen und Gebäude und ihre Nutzungen durch die Verwaltung. So zahlt das Finanzamt keine Miete, wenn es eine staatseigene Liegenschaft benutzt. Daher ist die Einführung von Marktpreisen oder zumindest kalkulatorischen Mietpreisen und die Etablierung eines Vermieter-Mieter-Verhältnisses stets Teil der Neuordnung des öffentlichen Liegenschaftswesens. Die Vermieter- oder Eigentümerrolle kommt dabei der eigenständigen Liegenschaftsverwaltungsstelle zu. Hier ist zugleich die Schnittstelle zur Kosten-Leistungs-Rechnung als Bestandteil der Verwaltungsmodernisierung.
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LT SH, Drs. 15/366 (neu), S. 2 f. So der Gesetzentwurf der Landesregierung NRW, LT NRW, Drs. 13/189.
A. Grundlagen: Facility Management und Liegenschaftsmanagement
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Zwei zentrale Elemente prägen somit die Grundstruktur des Facility Managements in der öffentlichen Verwaltung: die Einrichtung einer zentralen Stelle zur Flächen- und Gebäudebewirtschaftung und die Einführung von Mieten für die Nutzung der öffentlichen Gebäude durch Verwaltungsteile25. Auch wenn auf der fachlichen Ebene die Aufgabenstellung identisch ist, so ist doch Facility Management im Unternehmen und die Übertragung des Konzepts auf die öffentliche Liegenschaftsverwaltung insofern strukturell voneinander zu unterscheiden, als es sich bei den öffentlichen Liegenschaften um an das Haushaltsrecht gebundene Teile des Staatsvermögens handelt und als die betroffenen Flächen und Gebäude der Erfüllung öffentlicher Aufgaben dienen. Der Staat ist kein Konzern, sein Handeln ist öffentlich-rechtlich durchwirkt. Zur Begriffsunterscheidung ist es deshalb gerechtfertigt, vom Facility Management eines Unternehmens das Liegenschaftsmanagement des Staates abzusetzen. Mit dieser Wortwahl, der Beibehaltung des im allgemeinen Sprachgebrauch seltenen Begriffs „Liegenschaften“, wird zum einen die Herkunft aus der Liegenschaftsverwaltung alter Prägung markiert26; zum anderen sprechen die offiziellen Bezeichnungen der reformierten Verwaltungseinheiten fast ausnahmslos von Liegenschafts-, höchstens von Gebäudemanagement. Zugleich setzt sich das Liegenschaftsmanagement als am Prinzip des Facility Managements orientierte und umfassende Reorganisation der öffentlichen Liegenschaftsverwaltung von bloßen und auf Einzelfälle bezogenen Betreiber- oder Leasing-Modellen ab, wie sie verschiedentlich für die Errichtung öffentlicher Bauten, insbesondere für die Unterbringung von Behörden, realisiert wurden. III. Potentiale von Liegenschaftsmanagement In Fachkreisen wird angenommen, dass ein beträchtlicher Markt für Facility Management in der öffentlichen Verwaltung besteht. Ausgehend von den Ausgaben der öffentlichen Hände für Bau, Unterhalt und Bewirtschaftung von Immobilien wird das Marktpotential auf mindestens 55 Mrd. A pro Jahr geschätzt27. Der hohe Sanierungsbedarf für öffentliche Immobilien hat dabei wichtige Impulse für die Modernisierung der Liegenschaftsverwaltungen gegeben. Nachdem 25 Vgl. auch die Organisationsuntersuchungen für Schleswig-Holstein, LT SH, Umdruck 14/1068, S. 47 u. 50 sowie LT SH, Umdruck 14/1069, S. 6. 26 Vgl. auch Schneider, S. 20. 27 Murfeld, S. 321 unter Verweis auf Staudt, S. 112, wobei perspektivische Berechnungen unter Beachtung der Betriebskosten in der Nutzungsphase von Gebäuden, die durch Facility Management beeinflussbar sind, zu deutlich höheren Werten führen, vgl. Staudt, S. 128 ff. Für Zahlen aus dem Bundeshaushalt vgl. BRH, Denkschrift 98, BTDrs. 14/29, S. 55.
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1. Teil: Liegenschaftsverwaltung und Liegenschaftsmanagement
die in den Aufbaujahren und in den Jahren der Bildungsexpansion errichteten Gebäude langsam in die Jahre gekommen sind, zeichnet sich immer deutlicher ab, dass die öffentlichen Haushalte nicht in der Lage sind, die anstehenden Erhaltungs- und Ersatzinvestitionen zu tätigen, und dass daraus ein „Sanierungsstau“ entsteht. So wurde im Jahr 2001 für Bremen ein aufgelaufener Sanierungsbedarf von etwa 750 Mio. DM festgestellt28. Allein für die Universitäten des Landes Baden-Württemberg ist ein Sanierungs- und Modernisierungsbedarf von rund 2,4 Mrd. Euro (Stand August 2004) vorhanden – bei Ausgaben für diesen Zweck in Höhe von 140 Mio. Euro im Jahr 200329. Noch drei weitere Hinweise auf das Potential für Facility Management im öffentlichen Bereich sollen erwähnt werden. So weisen die empirischen Zahlen der bayrischen Staatsbauverwaltung darauf hin, dass die Baufolgekosten (jährliche Betriebskosten in Prozent der Baukosten) bis zu 31% erreichen und damit höher liegen als in der Wirtschaft30. Und auch die mit den öffentlichen Liegenschaften betrauten Verwaltungskörper sind personell überbesetzt – oder zumindest waren sie es lange Zeit31. Schließlich ist auch im öffentlichen Bereich von einem Flächenüberhang auszugehen, der abgebaut werden könnte, um Einsparungen und Verkaufserlöse zu realisieren32. Dieses Potential für staatliches Liegenschaftsmanagement erklärt sich aus den zwei zentralen strukturellen Schwächen der bisher praktizierten Form von Liegenschaftsverwaltung33. Es fehlt erstens an aussagekräftigen Informationen über die Kosten der öffentlichen Liegenschaften; vor allem werden Wert und Bestand sowie Unterhaltskosten für Grundstücke und Immobilien nicht ausreichend erfasst34. Zweitens schränken rechtliche Festlegungen – etwa durch das Vergaberecht oder das öffentliche Dienstrecht – den Bewegungsspielraum der handelnden Personen in der Verwaltung ein35.
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Brem. Bürg., Drs. 15/898, S. 4. LT BW, Drs. 13/3495, S. 2. Vgl. auch LRH BW, Beratende Äußerung „Bauunterhaltung und Sanierungsbedarf der Universitätsgebäude“, LT BW, Drs. 13/3725. 30 Schneider, S. 381 und Staudt, S. 129. 31 Vgl. die Zahlen aus dem Jahr 1997 bei Gröpl, S. 498. Eingedenk des massiven Stellenabbaus in den Bau- und Liegenschaftsverwaltungen in den letzten Jahren ist diese Feststellung deutlich einzuschränken. 32 In Bremen wird dafür eine Größenordnung von 12% angegeben vgl. Brem. Bürg., Drs. 15/898, S. 4. 33 Dazu ausführlich aus betriebswirtschaftlicher Sicht Straßheimer in: Schulte/Schäfers, S. 868 ff. und aus juristischer Sicht Gröpl, S. 491 ff. Vgl. aus der Arbeit der Rechnungshöfe exemplarisch das „Schwerpunktthema Verwaltung und Nutzung von Liegenschaften durch den Bund“ des BRH, Denkschrift 98, BT-Drs. 14/29, S. 12 ff., 55 f., 89 f. 34 Straßheimer in: Schulte/Schäfers, S. 869 f.; Gröpl, S. 484 f., 491 ff. 35 Straßheimer in: Schulte/Schäfers, S. 868 f.; detailliert dazu Gröpl, S. 494 ff. 29
B. Staatliches Liegenschaftsmanagement in Deutschland
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Neben der Tendenz zur allgemeinen Verwaltungsmodernisierung ist also der zweifelsohne vorhandene und zudem sich verstärkende Problemdruck bei den öffentlichen Liegenschaften der zweite Einflussfaktor, der Politik und Verwaltung zum Handeln bestimmt. Da dieser Problemdruck sich aus der Sache selbst heraus ergeben hat, nämlich den Unzulänglichkeiten des bestehenden öffentlichen Liegenschaftswesens, ist sein Einfluss auf die Reformen der Liegenschaftsverwaltung direkter und wohl auch stärker als die allgemeinen Vorhaben zur Verwaltungsmodernisierung, wie sie mit dem Neuen Steuerungsmodell oder den Neuen Steuerungsinstrumenten angegangen wurden. Nicht zuletzt deshalb handelt es sich bei der Einführung von Formen des Liegenschaftsmanagements um eigenständige Projekte, die auch als solche einer isolierten Betrachtung zugänglich sind.
B. Entwicklung und Bestandsaufnahme staatlichen Liegenschaftsmanagements in Deutschland Landesbetrieb, Gesellschaft mit beschränkter Haftung, Anstalt öffentlichen Rechts, Sondervermögen – der Phänotyp der Neuorganisation in Bund und Ländern mag unterschiedlich, ja schillernd sein, im Genotyp sind die Grundzüge des neu geordneten staatlichen Liegenschaftsmanagements und die dadurch aufgeworfenen Rechtsfragen identisch. Dies nimmt nicht weiter wunder, gelten doch die Anforderungen und Problemlösungen nach dem Konzept des Facility Managements auf der einen Seite und die (haushalts)rechtlichen Möglichkeiten des Staates auf der anderen Seite überall im gleichen Maße. Die rechtliche Konstruktion und die Ausformung der jeweils gleich gelagerten, aber in der Akzentsetzung differierenden Rechtsfragen legen eine systematisierende Beschreibung nahe, um Entwicklung und aktuelle Lage des Liegenschaftsmanagements in Deutschland kennen zu lernen. Für die folgende Darstellung sind zwei Einschränkungen zu machen: Erstens wird die – durchaus bemerkenswerte und frühzeitige – Entwicklung kommunalen Facility Managements ausgeblendet, da die kommunal(haushalts)rechtlichen Rahmenbedingungen von denen der staatlichen Ebenen stark abweichen. So sind Bund und Länder in ihrer Haushaltspolitik rechtlich weniger gebunden, während kommunale Haushalte unter Rechtsaufsicht mit Genehmigungs- und Anzeigepflichten stehen36 und nur in begrenztem Maße in die Verschuldung gehen dürfen37. Zweitens wird auf Entwicklungen in Bund und Ländern nur insoweit eingegangen, als die Liegenschaftsverwaltung rechtlich und organisatorisch neu formiert worden ist. Bei rein fachlicher Betrachtung ist auch innerhalb der hergebrachten 36 Vgl. für alle §§ 81 Abs. 3, 83 Abs. 2, 86 Abs. 4, 87 Abs. 2, 4–6, 88, 89 Abs. 2, 92 Abs. 3, 95 Abs. 3 bw. GemO. 37 Vgl. für alle §§ 22 f. bw. GemHVO.
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1. Teil: Liegenschaftsverwaltung und Liegenschaftsmanagement
Verwaltungsstrukturen ein Facility Management des Staates möglich und zum Teil auch in die Praxis umgesetzt worden38 – allerdings sind dadurch keine einer kritischen Betrachtung würdigen Rechtsentwicklungen ausgelöst worden. I. Ausgangslage Das staatliche Liegenschaftswesen in Deutschland befasst sich mit der Verwaltung des Grundvermögens von Bund und Ländern. Dieses Grundvermögen wird nach traditionellen Regeln in das Staatsvermögen eingeordnet. Wie bei den Staatsschulden (siehe dazu unten 2. Teil B. IV.) wird auch beim Staatsvermögen die Labandsche Scheidung in Verwaltungsvermögen und Finanzvermögen bis heute weitergeführt39. Demnach dient das Verwaltungsvermögen unmittelbar spezifischen öffentlichen Zwecken, die durch rechtliche Bindungen (Widmung) gesichert werden und in verschiedene Kategorien eingeteilt werden können40. So wird zwischen dem internen und dem externen Gebrauch unterschieden; ersterer bezieht sich auf die reine Verwaltungstätigkeit, während der zweite von seiner Bestimmung her die Nutzung durch außen stehende Dritte vorsieht und in Gemein-, Sonder- und Anstaltsgebrauch unterteilt wird. Dagegen dient das Finanzvermögen nicht unmittelbar bestimmten öffentlichen Zwecken, sondern erhöht die Leistungsfähigkeit des Staates über die von ihm erbrachten Erträge41. Letztlich verschafft es also dem Staat Einnahmen, die mittelbar der Wahrnehmung seiner Aufgaben dienen. Wichtige Elemente des Finanzvermögens sind die staatlichen Unternehmensbeteiligungen, aber auch Forderungen aller Art. Staatliche Liegenschaften sind weit überwiegend dem Verwaltungsvermögen zuzuordnen, sind sie doch entweder im Verwaltungsgebrauch (so die Behördengebäude) oder aber im Gemeingebrauch (so vor allem die Verkehrsflächen), Sondergebrauch (z. B. die wirtschaftlich genutzten Gewässer) bzw. Anstaltsgebrauch (z. B. Kultur- und Bildungseinrichtungen). Staatliches Grundvermögen, das als Finanzvermögen fungiert, besteht – neben gewerblich oder privat vermieteten Immobilien – schwerpunktmäßig aus forst- und landwirtschaftlich genutzten Flächen. Ein Sonderfall staatlichen Finanzvermögens auf Bundesebene ist das Grundvermögen, das im Zuge der deutschen Einheit dem Bund zugeordnet wurde. Es wird in Gesellschaften privaten Rechts verwaltet, die im Bundeseigentum 38 So wurden z. B. in Baden-Württemberg 1996 die Staatl. Hochbau- und die Staatl. Liegenschaftsverwaltung zu einer einheitlichen Verwaltung zusammengelegt, um ein ganzheitliches Immobilienmanagement zu ermöglichen. 39 Dazu ausführlich Fleischmann, S. 34 ff.; Friauf, § 90, Rn. 28 ff. 40 Vgl. Friauf, § 90, Rn. 32 ff.; Papier, S. 17 ff. 41 Friauf, § 90, Rn. 36 ff.; Papier, S. 3 f.
B. Staatliches Liegenschaftsmanagement in Deutschland
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stehen. Sowohl die für Gewerbe- und Wohnimmobilien zuständige TLG Immobilien GmbH als auch die für die ehemals volkseigenen land- und forstwirtschaftlichen Grundstücke verantwortliche BVVG Bodenverwertungs- und -verwaltungs GmbH verfügen über beträchtliche Vermögenswerte in den neuen Bundesländern. Die Liegenschaften von Bund und Ländern werden herkömmlicherweise unmittelbar hoheitlich von staatlichen Behörden verwaltet42. Die Zuständigkeit für die Verwaltung staatlicher Liegenschaften richtet sich zunächst nach dem Bedarfsträger- bzw. Nutzerprinzip, d. h. die Behörde, die das Grundstück nutzt – regelmäßig in Erfüllung einer ihr zugewiesenen Aufgabe – verwaltet es auch. Diese Liegenschaften fallen in das Verwaltungsgrundvermögen (auch Ressortvermögen)43. Die übrigen Liegenschaften – und damit insbesondere die Grundstücke des Finanzvermögens – werden vom Finanzministerium des Bundes bzw. der Länder verwaltet und bilden das Allgemeine Grundvermögen44. Als landesrechtliche Besonderheit wird in vielen Ländern ein Sondervermögen (Grundstock) eingerichtet, in das Einnahmen und Ausgaben aus der Veräußerung und dem Erwerb von Grundstücken eingestellt werden. Aufgrund ihrer strukturellen Besonderheiten werden die Forst- und Agrarliegenschaften durch besondere Behörden verwaltet, die beim Bund als Teil des Finanzministeriums (Bundesforstämter) organisiert sind, in den Ländern dagegen bei den zuständigen Fachministerien ressortieren. Soweit es um die Errichtung und den Unterhalt von baulichen Anlagen auf staatlichen Grundstücken geht, kommt die Bauverwaltung ins Spiel. Neben spezialisierten Verwaltungen für Straßen- und Wasserbau, die regelmäßig den jeweiligen Fachministerien (typischerweise einem Verkehrs- bzw. Umweltministerium in unterschiedlicher Ressortabgrenzung) zugeteilt sind, sind (Hoch-)Bauverwaltungen eingerichtet worden, die eng mit der Liegenschaftsverwaltung zusammenarbeiten, wenn sie nicht sogar zu einer einheitlichen Verwaltung verschmolzen sind. Diese untersteht dann wiederum dem Finanzministerium. Kennzeichnend für die Ausgangslage des staatlichen Bau- und Liegenschaftswesens ist mithin das unmittelbar hoheitliche Handeln des Staates über die staatliche Liegenschafts- bzw. Vermögens- und (Hoch-)Bauverwaltung. Diese Behörden werden in den Ländern in der Regel als Abteilungen des Finanzministeriums mit nachgeordneten Ämtern in der Fläche geführt. Der Bund hat in Gestalt der Bundesvermögensverwaltung einen bundeseigenen Behördenaufbau 42
Vgl. zum Folgenden näher Gröpl, S. 482 ff. Vgl. Ziff. 2.1 VV-BHO zu § 64 für den Bund. 44 Vgl. Ziff. 2.2 VV-BHO zu § 64 für den Bund; z. T. abweichende Regelungen in den Ländern (z. B. in Baden-Württemberg Ziff. 1 VV-LHO zu § 64). 43
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1. Teil: Liegenschaftsverwaltung und Liegenschaftsmanagement
für die Verwaltung und Verwertung von Bundesvermögen und die Grundstücksund Raumbeschaffung für Bundeszwecke geschaffen, die über Bundesvermögensabteilungen in den Oberfinanzdirektionen bis hin zu örtlichen Behörden wie den Bundesvermögens- und Bundesforstämtern reicht. Dagegen nimmt er seine Bauaufgaben nur in Berlin selbst wahr und hat sie im übrigen durch Verwaltungsvereinbarungen den Landesbauverwaltungen anvertraut, die für ihn in Organleihe tätig werden und denen gegenüber er Weisungsbefugnisse ausübt. Damit ist zugleich das Feld der folgenden Untersuchung abgesteckt: Es geht um die Neuordnung der Liegenschafts- und Bauverwaltung. Nicht erfasst ist die Verwaltung jener staatlichen Liegenschaften, die als Grundstücke im Gemeinoder Sondergebrauch speziellen Anforderungen unterworfen sind. Damit sind insbesondere Verkehrsflächen und Gewässer, aber auch land- und forstwirtschaftliche Flächen von den Erörterungen der Rechtsprobleme des staatlichen Liegenschaftsmanagements ausgenommen. Für Sonderflächen wie Gewässer und Straßen stellt das Konzept des Facility Management keine Handlungsanweisungen bereit. Schließlich wird im folgenden Text stets nur von Liegenschaftswesen bzw. -verwaltung gesprochen und nicht von Liegenschafts- und Bauwesen/-verwaltung. Dies ist nicht nur der Kürze geschuldet, sondern knüpft an den Gedanken des staatlichen Liegenschaftsmanagements an, der im Grundlagenkapitel (siehe oben A.) entwickelt wurde, um die Übernahme von Grundsätzen des Facility Managements durch die öffentliche Hand zu beschreiben. II. Schleswig-Holstein: Vorreiter mit Problemen Die Neuordnung des Liegenschaftswesens in Schleswig-Holstein ist in mehrfacher Hinsicht bemerkenswert, ja einzigartig. Zunächst lässt sich ein Stück Ideengeschichte nachzeichnen, weil die Reform konzeptionell in ein Gesamtkonzept zur Modernisierung der öffentlichen Verwaltung eingebettet wurde. Weiterhin ist die gefundene Lösung Gegenstand heftiger politisch-parlamentarischer Auseinandersetzungen gewesen, die in einer Vorlage an das Bundesverfassungsgericht gipfelten und damit zum ersten Mal die Frage der Neuordnung der Liegenschaften ins Blickfeld der (rechtlich interessierten) Öffentlichkeit rückten. Gleichzeitig blieb die Konstruktion im hohen Norden – wiewohl sie eine Vorreiterrolle im Bundesvergleich einnahm – ein Solitär und hatte abschreckende Wirkung, was den Hauptstreitpunkt der verdeckten Kreditaufnahme anbelangt. Dies schränkte aber auch die Ausstrahlungswirkung der gewählten Organisationsform insgesamt erheblich ein.
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1. Vorgeschichte: „Enquêtekommission zur Verbesserung der Effizienz der öffentlichen Verwaltung“ 1994 In der Regel werden Reorganisationen in der Verwaltung durch Organisationsuntersuchungen externer Berater vorbereitet, die für die Exekutive erstellt werden und häufig gar nicht oder nur in Form eines Gesetzentwurfs in den parlamentarischen Raum gelangen. So geschah es auch bei den Reformen der Liegenschaftsverwaltungen. Eine seltene Ausnahme finden wir in Schleswig-Holstein, wo konzeptionelle Vorarbeiten im Zug einer Enquêtekommission schon im Jahre 1994 geleistet wurden45. Über das Vordenken hinaus war es der Enquêtekommission sogar beschieden, mit dem Sale-Lease-Back-Modell jenen Vorschlag anzudeuten, der später der Landesregierung zum Verhängnis werden sollte. Wahrlich eine Wirkungsmacht, die nicht jeder Empfehlung einer solchen Kommission zuteil wird! Die „Enquêtekommission zur Verbesserung der Effizienz der öffentlichen Verwaltung“, die im November 1994 ihren Abschlussbericht46 vorlegte, befasste sich mit Liegenschaftsmanagement nur am Rande, da ihr Augenmerk auf einem Gesamtkonzept zur Modernisierung der öffentlichen Verwaltung, dessen theoretischer Herleitung und Überleitung in allgemeine Handlungsanweisungen lag und sie sich in der konkretisierenden Anwendung auf drei ausgewählte Verwaltungsbereiche beschränkte. Aber sie formulierte grundlegende Aussagen zur Ausgestaltung der staatlichen Aufgabenwahrnehmung, die auf die Liegenschaftsverwaltung Bezug nehmen. a) Unter dem Gesichtspunkt der Aufgabenkritik finden sich folgende Empfehlungen: – „Aufgabenausgliederung durch organisatorische Verselbständigung [. . .] und zwar auch und gerade dort, wo öffentliche Verantwortung und öffentliche Bindung erhalten bleiben müssen.“ Als Grund wird angeführt: „Viele Teilaufgaben der öffentlichen Verwaltung lassen sich effektiver und effizienter in rechtlich und organisatorisch verselbständigten Formen erfüllen [. . .] und nicht im Rahmen hierarchischer Verwaltungsstrukturen, weil durch Teilverselbständigung Motivation, Eigenverantwortlichkeit, Kunden- und Bedarfsorientierung, Flexibilität, Wettbewerbsfähigkeit usw. zunehmen.“ Als Beispiele werden „Gebäudereinigung, [. . .], Bauunterhaltung usw. in Form von Eigenbetrieben oder Eigengesellschaften“ genannt47. 45 Gleichzeitig wurde die Neuordnung auch hier durch Organisationsuntersuchungen vorbereitet, die z. T. dem Parlament zur Verfügung gestellt wurden (vgl. LT SH, Umdrucke 14/1068, 14/1069, 14/1080). 46 Vgl. LT SH, Drs. 13/2270. 47 LT SH, Drs. 13/2270, S. 36 f.
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1. Teil: Liegenschaftsverwaltung und Liegenschaftsmanagement
– „Maßnahmen materieller Aufgabenprivatisierung“ seien „mit besonderer Sorgfalt zu prüfen“ bei bestimmten Dienstleistungen, die nur „Hilfsfunktion“ haben. „Denn diese ,Hilfsfunktionen‘ sichern nur die Erfüllung der eigentlichen Verwaltungsaufgaben, sind also nicht Selbstzweck. Ihre partielle Ausgliederung oder gar Privatisierung ändert also an der Präsenz- und Leistungsbreite des sozialen Rechtsstaats überhaupt nichts.“ Außerdem wird in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass „viele Aufgaben, die die Verwaltung zum Teil nur aufgrund historischer Entwicklung heute wahrnimmt, [. . .] ziel- und sachgerechter, effektiver und kostengünstiger durch Personen oder Betriebe des ,dritten‘ oder privaten Sektors erfüllt werden [können].“ Als Beispiele werden „sog. Servicefunktionen (z. B. [. . .], Gebäudereinigung, [. . .]) und der „Bereich der Vermögensverwaltung (Errichtung und Unterhaltung von Gebäuden, [. . .], Pflege von Liegenschaften und unbeweglichem Vermögen usw.)“ angeführt48. Bemerkenswert an diesen Empfehlungen zur Aufgabenkritik ist zweierlei: der nicht unbeträchtliche Raum, den Aspekte des Facility Managements als exemplarische Konkretisierung einnehmen, ohne dass dieser der Betriebswirtschaftslehre entlehnte Begriff auftaucht, und die Charakterisierung als „Hilfsfunktion“, die in der Sache die Abschichtung vom Kerngeschäft aufgreift, wie sie dem Facility Management zugrunde liegt und im vorangegangenen Abschnitt dargelegt worden ist. Analytisch ist damit die vom Staat her denkende Enquêtekommission auf dem gleichen Stand wie die vom Unternehmen her denkende Betriebswirtschaftslehre. b) Über die Aufgabenkritik hinausgehend entwickelt die Kommission ein Konzept zur Ableitung von Kernaufgaben des Staates49. Ihr Ausgangspunkt ist die Trennung von „Aufgabengewährleistungsverantwortung“, die der Staat trägt, und „Aufgabendurchführungsverantwortung“, die bei verwaltungsinternen oder –externen Anbietern liegt. Nach diesem Modell fungiert der Staat als „Auftraggeber“ und definiert Rahmenbedingungen, stellt die Finanzierung sicher und gibt Leistungsziele vor. Für die Staatsaufgaben ergibt sich dann ein dreigestuftes Konzept, in dem der Staat nach bestimmten Kriterien in drei „Verantwortungskategorien“ tätig wird: Aufgabengewährleistung, Finanzierungsverantwortung, Aufgabendurchführung. Ohne auf die Einzelheiten des differenzierenden Gedankengangs näher einzugehen, ist die hier besonders interessierende Einordnung der Liegenschaftsverwaltung in dieses Modell genauer zu erläutern. Anders als bei den vorgenannten Aussagen zur Aufgabenkritik handelt es sich um Ausführungen ohne empfehlenden Charakter und mit Beispielen. 48 49
LT SH, Drs. 13/2270, S. 37. Vgl. LT SH, Drs. 13/2270, S. 65 ff.
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Die wesentlichen Aspekte des Facility Managements, nämlich „Immobilien-/ Gebäudeverwaltung, Gebäudereinigung/-unterhaltung (incl. Werkstätten), Objektschutz und -bewachung, Planungsleistungen (Hoch-/Tief-/Städtebau etc.), Mietbau für Gebäude der öffentlichen Hand“, fallen in die Kategorie „Aufgabentransfer bei Erhalt staatlichen Einflusses“. In dieser Konstellation soll der Staat Vertragpartner bleiben, aber über Contracting-Out entweder in Form der Fremdvergabe Dienst- oder Vorleistungen nach außen vergeben oder im Wege der Submission Dritte beauftragen. Allein der Bereich Immobilienverwertung ist dem „Aufgabentransfer bei weitgehendem Verzicht auf staatlichen Einfluss“ in Form von „materieller Privatisierung/vollständige[m] Aufgabentransfer“ zugeordnet50. Für diesen letzten Bereich – und für ihn allein – folgt dann jene so schicksalsträchtige Empfehlung, die an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig lässt: „angesichts der Notwendigkeit zur Entlastung der öffentlichen Haushalte begrüßt die Enquêtekommission ausdrücklich [. . .] – die Erarbeitung von Maßnahmen zur Aktivierung des Immobilienvermögens, z. B. durch – Verkauf; – Verkauf bei anschließendem Leasing zur weiteren Nutzung (sog. SaleLease-Back zur Liquiditätsschöpfung); – sowie durch Überprüfung aller Möglichkeiten einer effektiven Raumnutzung“51. Der Abschlussbericht der Enquêtekommission bildet ein theoretisches Fundament für die Modernisierung der Verwaltung, da er losgelöst von einzelnen Verwaltungszweigen einen überwölbenden Kriterienkatalog für die Wahrnehmung von Staatsaufgaben vorlegt. Naturgemäß ist er keine Blaupause für die Reform der Liegenschaftsverwaltung – dies entsprach nicht der Aufgabenstellung. Doch sowohl in der theoretischen Herleitung als auch in der Einordnung von Beispielsfällen zeigt er die Bandbreite der Optionen zur Modernisierung der staatlichen Liegenschaftsverwaltung auf. Alle später bei den einzelnen Reformvorhaben letztlich gewählten Organisationsformen lassen sich nämlich als „Aufgabentransfer bei Erhalt staatlichen Einflusses“ charakterisieren – eine materielle Privatisierung fand nirgends statt und zeichnet sich auch nicht ab. Und schließlich ist ein wesentliches haushaltsrechtliches Problem in dem Vorschlag des Sale-Lease-Back-Verfahrens schon angelegt.
50 51
LT SH, Drs. 13/2270, S. 69. LT SH, Drs. 13/2270, S. 73 f.
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1. Teil: Liegenschaftsverwaltung und Liegenschaftsmanagement
2. Das Schleswig-Holsteiner Modell: Gebäudemanagement Schleswig-Holstein A. ö. R. (GMSH) Mit dem Gesetz zur Errichtung der Gebäudemanagement Schleswig-Holstein A. ö. R. (GMSHG)52 wurde zum 15. 6. 1999 die Liegenschaftsverwaltung in Schleswig-Holstein neu geordnet. Rechtsform Nach § 1 I GMSHG wurde eine rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts unter dem Namen Gebäudemanagement Schleswig-Holstein (GMSH) errichtet. Deren Träger sind nach § 2 Abs. 1 GMSHG das Land mit 75,1% und die Investitionsbank Schleswig-Holstein, Zentralbereich der Landesbank Schleswig-Holstein Girozentrale (IB) mit 24,9%, wobei die Anteile nicht im Gesetz festgeschrieben sind. Die IB ist nach § 1 Abs. 1 IBG eine organisatorisch und wirtschaftlich selbständige, nicht rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts der Landesbank. Weiter regelt § 2 GMSHG die Gewährträgerhaftung und die Anstaltslast. Im übrigen weist die GMSH mit Gewährträgerversammlung und Verwaltungsrat die üblichen Strukturmerkmale einer Anstalt auf (vgl. §§ 7–11 GMSHG), besitzt eine Geschäftsführung (§ 12 GMSHG) und wird nach wirtschaftlichen Grundsätzen mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns geführt, wobei die Gewinnerzielung nicht Hauptzweck ist (§ 5 GMSHG). Aufgabenumfang Nach § 3 Abs. 1, 2 GMSHG nimmt die GMSH Bauaufgaben des Landes (einschließlich der Hochschulkliniken) und des Bundes wahr und bewirtschaftet gemäß § 3 Abs. 3 GMSHG die Landesliegenschaften mit Ausnahme der Hochschulen und Justizvollzugsanstalten. Wie aus § 3 Abs. 4 GMSHG hervorgeht, wird die Anstalt dabei sowohl im Bereich des Landesbaus als auch im Bereich des Bundesbaus in Form der Organleihe tätig53. Nach § 3 Abs. 4 Nr. 1 GMSHG ist die GMSH für die Flächenkoordinierung und optimale Gebäudenutzung in der Landesverwaltung zuständig; sie „koordiniert und deckt den Bedarf des Landes [. . .] an Verwaltungsgebäuden und sonstigen Grundstücken und Gebäuden durch Anpachtung und Anmietung und anschließender mietweiser Überlassung zu marktüblichen Bedingungen.“ Auch kann sie nicht mehr benötigte Flächen an Dritte vermieten oder verpachten. Nach § 3 Abs. 4 Nr. 2
52 GVOBl. SH 99, S. 134 ff., vgl. auch die Änderungen im Jahr 2003 in GVOBl. SH 03, S. 206 ff. 53 Vgl. die Begründung des Gesetzentwurfs, LT SH, Drs. 14/1525, S. 6.
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GMSHG übernimmt sie zugleich die Funktion einer zentralen Beschaffungsstelle für die Landesverwaltung. Eigentum Eigentumsübertragungen an die GMSH finden nicht statt. Vielmehr bleibt das Eigentum beim Land selbst und wird schrittweise auf die IB übertragen, die einen Globalpachtvertrag mit der GMSH abschließt, welche wiederum die Liegenschaften zu Marktkonditionen an das Land weitervermietet (§ 3 Abs. 4 Nr. 1 GMSHG). Die GMSH fungiert also als Vermieter in dem für das Funktionieren des Facility Managements erforderlichen Vermieter-Mieter-Verhältnis. Von der Vermieterfunktion ist die Eigentumsfunktion getrennt, bleibt aber nicht beim Land, sondern geht an die IB über54. Ungeachtet des zivilrechtlichen Eigentumsübergangs an die IB verbleiben dem Land mittels Regelungen im Investitionsbankgesetz (IBG) und -vertrag (IBV) sowie im Sparkassengesetz umfangreiche Einwirkungs- und Kontrollrechte über die übertragenen Liegenschaften. Diese werden nämlich gemäß § 20 Abs. 1 IBG als „Zweckrücklage Liegenschaften“ im Eigenkapital der IB gesondert ausgewiesen. Die Erträge aus dieser Rücklage werden nach den Vorgaben des § 20 Abs. 2 IBG entsprechend dem Willen der Landesregierung oder nach § 20 Abs. 4 IBG entsprechend dem Beschluss des Liegenschaftsausschusses verwendet. Dieser Liegenschaftsausschuss besteht nach § 6 Abs. 5 IBG aus Vertretern des Landes, der Landesbank und der GMSH. Nach § 11a IBV entscheidet er auch über wesentliche Maßnahmen der Erhaltung, der Erneuerung, des Neubaus, des Erwerbs, der Veräußerung und der Verpachtung der übertragenen Liegenschaften. Nach § 20 Abs. 3 IBG kann das Land zudem einen Gewinnvoraus bis zur Höhe der Ertragsüberschüsse erhalten. Und über die Regelung des § 44 Abs. 3 SpkG ist die Zweckrücklage Liegenschaften zugunsten des Landes vor den anderen Gewährsträgern der Landesbank abgeschirmt. Schließlich kann die Landesregierung gemäß § 20 Abs. 5 IBG die Rückübertragung von einzelnen Liegenschaften verlangen. Auch wenn im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens die unmittelbaren Zugriffsmöglichkeiten des Landes abgeschwächt wurden – so wurde das Erfordernis einer Mehrheit von Landesvertretern im Liegenschaftsausschuss nicht Gesetz –, bleibt es doch dabei, dass zahlreiche öffentlich-rechtliche Bestimmungen die zivilrechtliche Übereignung aushöhlen und damit das übertragene Liegenschaftsvermögen zwar formal der IB zugeordnet, es zugleich aber über landes54 Die Aufgaben der IB wurden 2003 auf die neu gegründete „Liegenschaftsverwaltung Schleswig-Holstein“ A. ö. R. übertragen vgl. GVOBl. SH 03, S. 209 ff.
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1. Teil: Liegenschaftsverwaltung und Liegenschaftsmanagement
gesetzliche Organisationsvorschriften stark dem Willen des Landes unterstellt wird55. Genau in dieser Neuzuordnung des Eigentums im Zuge der Reform des Liegenschaftswesens liegt der entscheidende und spektakulärste Vorgang der Neuordnung. Die Bildung und Aufgabenstellung der GMSH allein ist zwar eine Verwaltungsinnovation, aber abgesehen von dem zeitlichen Vorsprung vor den meisten anderen Reformvorhaben in dem Bereich und der gewählten Rechtsform ist die Errichtung der GMSH nicht weiter hervorstechend. Sie war aber von Anfang an nur das eine – wenn man so will: konventionelle – Standbein eines Gesamtkonzepts zur Neuordnung der Landesliegenschaften. Das zweite – deutlich weniger konventionelle – Standbein, das im wahrsten Sinne des Wortes weit mehr ein Spielbein für haushaltspolitische Neuerungen war, stellt die Übertragung der Landesliegenschaften auf die IB dar – ein bundesweit einmaliger Vorgang, der als „Kieler Immobiliengeschäft“ – pejorativ auch „Kieler Immobiliendeal“ – Bekanntheit über die Kieler Förde hinaus erlangt hat. 3. Die zwei Dimensionen des „Kieler Immobiliengeschäfts“ Bei genauem Hinsehen lassen sich zwei Dimensionen dieses Immobiliengeschäftes unterscheiden. Diese zwei Dimensionen folgen aus den zwei Zwecken, die mit dem Vorgang verfolgt worden sind und jeweils für sich stehen können, in der Wirklichkeit Kieler Landespolitik aber verwoben waren. Zum einen vertrat die Landesregierung den Standpunkt, dass für den Erfolg und die Wirtschaftlichkeit der Neuordnung des Liegenschaftswesens die Eigentumsübertragung an die IB unerlässlich ist. Zum anderen trat neben diesen fachlichen Gesichtspunkt das Ziel kurzfristiger Haushaltsentlastung durch die Einnahmen aus dem Verkauf von Liegenschaften an die IB. Ob die Neuordnung nur in Kombination mit der Eigentumsübertragung an die IB oder auch ohne dieses Element sinnvoll ist, war Gegenstand eines heftigen, aber weitgehend unbeachteten Expertenstreits zwischen Landesrechnungshof und Landesregierung in Schleswig-Holstein, welcher wiederum in eine – hier nicht weiter interessierende – Auseinandersetzung um die Wirtschaftlichkeit des Gesamtvorhabens eingebettet war. Während der Rechnungshof mehrfach darauf hinwies, dass die erhofften Verbesserungen in der Gebäudebewirtschaftung auch ohne Eigentumsübertragung erzielt werden könnten, beharrte die Landesregierung darauf, dass die Kombination mit der Eigentumsübertragung nicht zuletzt aufgrund psychologischer Wirkungen vorteilhafter sei56. Bis zuletzt wurde die Alternative Neuordnung ohne Eigentumsübertragung nicht näher geprüft; die Effekte der Eigentumsübertragung auf das Gesamtvorhaben wurden 55 56
F. Kirchhof, DÖV 99, S. 247. Vgl. LT SH, Umdruck 14/1060, S. 8 ff. und Umdruck 14/1095, S. 2.
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nicht isoliert dargelegt, so dass die Regierung bis zum Schluss den Beweis dafür schuldig blieb, dass die Eigentumsübertragung sachlich unverzichtbarer Bestandteil der Neuordnung der Liegenschaftsverwaltung war. In dieser Situation rückte der zweite, in den Worten des Finanzministeriums „nicht alleinige – wenngleich als besonderer Effekt erwünschte – Zweck“57 des Immobiliengeschäfts stärker in den Mittelpunkt der Kontroverse, nämlich die Haushaltskonsolidierung mittels Liegenschaftsverkauf an die IB. 4. Verdeckte Kreditaufnahme durch das „Kieler Immobiliengeschäft“? Angesichts der anhaltend schwierigen Haushaltslage war es verständlich, dass der Aspekt Haushaltskonsolidierung durch Immobilienverkauf die eigentliche Neuordnung überlagerte. Im Haushaltsjahr 1998 wäre ohne die Einstellung von Verkaufserlösen aus dem Immobiliengeschäft die Kreditobergrenze gem. Art. 53 S. 2 LV SH überschritten worden, d. h. die Netto-Neuverschuldung des Landes wäre über den Investitionsausgaben gelegen. Konkret sah der Haushalt für das Jahr 1998 Einnahmen von 250 Mio. DM aus der Übertragung von Liegenschaften auf die IB vor. Noch vor dem GMSHG wurden daher die haushaltsrechtlichen Weichenstellungen für die Eigentumsübertragung von Liegenschaften an die IB geschaffen. Nach § 17 Abs. 6 Haushaltsbegleitgesetz 1998 wurde der Finanzminister ermächtigt, Liegenschaften des Landes zum Verkehrswert an die IB zu veräußern und die veräußerten Liegenschaften langfristig zu Marktpreisen zurückzumieten58. Gleichzeitig wurde mit Artikel 4 Haushaltsbegleitgesetz die LHO geändert. Insbesondere wurde die Vorschrift des § 63 Abs. 2 LHO aufgeweicht, welche die Veräußerung von Vermögensgegenständen an die Voraussetzung knüpft, dass sie für die staatliche Aufgabenerfüllung entbehrlich sind. Dies gilt nach § 63 Abs. 2 LHO n. F. nurmehr für „Vermögensgegenstände mit Ausnahme von bebauten und unbebauten Grundstücken“59. Ohne diese Änderung wäre das Immobiliengeschäft haushaltsrechtlich nicht zulässig gewesen, da die an die IB übertragenen Liegenschaften weiterhin für Landesbehörden benötigt wurden. Weiterhin wurde durch Streichung von § 63 Abs. 6 LHO der Grundstock abgeschafft. Schließlich sollte durch Einfügen eines neuen § 64a LHO die parlamentarische Kontrolle über die zukünftig in einem Zweckvermögen bei der IB befindlichen Landesliegenschaften gewahrt werden60. Im Verlauf der Gesetzesberatungen wurde dieser Vorschlag aber aufgegeben. 57 58 59
Zit. nach LT SH, Umdruck 14/934, S. 3. GVOBl. SH 98, S. 51. GVOBl. SH 98, S. 59.
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1. Teil: Liegenschaftsverwaltung und Liegenschaftsmanagement
Von Anfang an umstritten war, ob diese Operation nicht eine verdeckte Kreditaufnahme darstellt. Denn die IB sollte Liegenschaften zum Gesamtpreis von 1 Mrd. DM erwerben und musste zur Zahlung dieses Kaufpreises eine Fremdfinanzierung in gleicher Höhe in Anspruch nehmen. Daher sollte das Land einen Teil des Kaufpreises als Eigenkapitalhilfe an die IB zurückzahlen und in die „Zweckrücklage Liegenschaften“ bei der IB zurückführen, um der IB die Tilgung ihrer Kaufpreisschulden zu erleichtern. Denn im Ergebnis wurde dadurch der Fremdkapitalanteil an der Kaufpreisfinanzierung bei der IB um diesen Rückfluss verringert. Geplant war, dass etwa 300 Mio. DM an die IB zurückfließen sollten und dem Land die restliche Summe als allgemeine Haushaltsmittel verbleiben sollte, von der die besagten 250 Mio. DM für den Haushalt 1998 verwendet werden sollten. Prompt legte die Opposition Klage vor dem Bundesverfassungsgericht ein, dem nach Art. 44 Nr. 2 LV SH iVm. Art. 99 GG die Entscheidung in Normenkontrollverfahren, die schleswig-holsteinisches Landesrecht betreffen, zugewiesen ist. Hauptangriffspunkt war die Rüge des Verstoßes gegen die Kreditobergrenze, da eine verdeckte Kreditaufnahme vorliege, nämlich eine Umwegfinanzierung durch Kreditaufnahme der IB. Im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes erließ das Gericht im September 1998 eine einstweilige Anordnung, die dem Land auferlegte, die Einnahmen aus dem Liegenschaftsverkauf wie Einnahmen aus Kredit zu behandeln61. Der Schwerpunkt der Ausführungen liegt aber naturgemäß auf der Folgenabwägung, insbesondere wegen der Auswirkungen auf den laufenden Haushalt, während in der Sache selbst kein Urteil gefällt wurde, da nach diesem Beschluss das Verfahren in der Hauptsache für erledigt erklärt wurde62. Das Land legte daraufhin einen Nachtragshaushalt vor, in dem für das Jahr 1998 auf die Übertragung von Liegenschaften verzichtet wurde. In den Folgejahren wurden schrittweise Liegenschaften auf die IB übertragen; haushaltsrechtlich wurden diese Vorgänge aber immer gesondert verbucht und insbesondere nicht als Einnahmen zur Verringerung der Nettokreditaufnahme gewertet. 5. Fazit Die Entwicklung hin zum Liegenschaftsmanagement in Schleswig-Holstein wird durch zwei Sonderfaktoren geprägt. Erstens wirft sie mit dem Streit um die verdeckte Kreditaufnahme eine haushaltsrechtliche Kernfrage auf, die aber 60
Vgl. LT SH, Drs. 14/850 (Regierungsentwurf), Art. 4 Nr. 4 und Begründung,
S. 9. 61 62
BVerfGE 99, 57 ff. Dazu Fleischmann, S. 64.
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auf die spezifische Konstruktion des Sale-Lease-Back-Verfahrens zurückzuführen und insofern atypisch im Ländervergleich ist. Zugleich wirkte dies als Warnschuss für nachfolgende Neuordnungen in anderen Ländern, die von derart weitgehenden „Immobiliengeschäften“ Abstand hielten. Zweitens wird mit der Eigentumsübertragung ein wesentlicher haushaltsrechtlicher Aspekt berührt, ist doch ein beträchtlicher Anteil des Staatsvermögens betroffen. Auch hier hat sich Schleswig-Holstein mit dem zivilrechtlichen Eigentumswechsel relativ weit vorgewagt. III. Die Hauptrichtung der Reformbewegung: Landesbetriebe Als Hauptrichtung der Neuordnung des Liegenschaftswesens in den Ländern kristallisierte sich über die Jahre die Form des Landesbetriebs heraus – eine Lösung, die weder die Frage der Eigentumsübertragung noch die Frage der Kreditaufnahme in der Schärfe stellt, wie es die Neuordnung in Schleswig-Holstein getan hat. Etwa zeitgleich mit Schleswig-Holstein war Rheinland-Pfalz das erste Bundesland, das einen Landesbetrieb gründete, bevor andere folgten und dabei ergänzend Sondervermögen errichteten. 1. Rheinland-Pfalz: Landesbetrieb „Liegenschafts- und Baubetreuung“ (LBB) Mit Organisationsverfügung vom 6. 11. 199763 gründete die Landesregierung zum 1. 1. 1998 den Landesbetrieb „Liegenschafts- und Baubetreuung“. Für 1. 1. 1999 war eine GmbH & Co KG geplant, die aber nicht realisiert wurde. Rechtsform Als Rechtsform wurde der Landesbetrieb nach § 26 LHO gewählt, der von einer Geschäftsleitung geführt wird und der Dienst- und Fachaufsicht des Finanzministeriums untersteht. Dabei wurde ein Verwaltungsrat, der zur Hälfte aus Landtagsabgeordneten besteht, eingerichtet. Aufgabenumfang Der Landesbetrieb übernimmt die Funktionen der staatlichen Bauverwaltung und bewirtschaftet alle Liegenschaften des Landes mit Ausnahme der Verkehrs63 MinBl. RP 97, S. 502 ff., inzwischen abgelöst durch Neufassung in MinBl. RP 02, S. 479 ff.
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anlagen, der staatlichen Wälder und Gewässer, der Hochschulen und des Landtags. Dies umfasst die Verwaltung und Verwertung der Liegenschaften einschließlich des Neuerwerbs sowie Dienstleistungen der Gebäudebewirtschaftung und schließlich auch die Durchführung der Bauaufgaben des Bundes. Eigentum Das Eigentum bleibt beim Land; der Landesbetrieb ist wirtschaftlicher Eigentümer der Liegenschaften. § 64 Abs. 2 LHO bleibt unberührt. Fazit Rheinland-Pfalz war Vorreiter der Mainstream-Lösung Landesbetrieb und diente daher auch in anderen Ländern als Bezugspunkt bei der Neuordnung der Liegenschaftsverwaltung. Dies soll nicht darüber hinwegtäuschen, dass lange Zeit eine privatrechtliche Form diskutiert und dann v. a. aus Steuer- und damit im Ergebnis aus Wirtschaftlichkeitsgründen verworfen wurde. 2. Thüringen: Landesbetrieb „Thüringer Liegenschaftsmanagement“ (THÜLIMA) Durch Kabinettsbeschluss vom 14. 12. 199964 wurde in Thüringen mit Wirkung zum Jahresbeginn 2000 der Landesbetrieb „Thüringer Liegenschaftsmanagement“ (THÜLIMA) errichtet. Rechtsform Nach Ziff. 2 des Kabinettsbeschlusses und § 1 Abs. 1 der Betriebssatzung65 ist das THÜLIMA ein Landesbetrieb nach § 26 LHO, der dienst- und fachaufsichtlich dem Finanzministerium untersteht. Aufgabenumfang Nach § 2 Abs. 1 der Betriebssatzung verwaltet und bewirtschaftet der Landesbetrieb landeseigene und angemietete Liegenschaften, soweit sie ihm durch Verwaltungsvereinbarung übertragen werden. Dies betrifft insbesondere das Allgemeine Grundvermögen und die nicht spezialisierten Liegenschaften der Res64
Thür. StAnz 00, S. 278. Thür. StAnz 00, S. 1636, spätere Änderungen in Thür. StAnz 003, S. 307 und Thür. StAnz 04, S. 894. 65
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sortvermögen66. Gemäß § 2 Abs. 2 der Satzung wirkt das THÜLIMA mit den Staatsbauämtern bei Neubauten und Bauunterhalt zusammen und koordiniert den Bedarf des Landes an Verwaltungsgebäuden und sonstigen Liegenschaften; dazu gehört auch der Erwerb und die Veräußerung von Grundstücken. Weitere Dienstleistungsfunktionen rund um die Landesliegenschaften wie das Energievertragsmanagement sind ebenfalls beim Landesbetrieb zentral zusammengefasst worden (vgl. § 2 Abs. 3 der Betriebssatzung). Eigentum Ein zivilrechtlicher Eigentumsübergang der vom THÜLIMA verwalteten Liegenschaften ist nicht vorgesehen; die anfangs erwogene67 Möglichkeit, ein Sondervermögen einzurichten, wurde nicht weiter verfolgt. So bleibt es dabei, dass der Landesbetrieb das Grundvermögen des Landes erfasst und ein zentrales Unterbringungsverzeichnis führt (§ 2 Abs. 4 der Satzung). Fazit Thüringen liefert ein weiteres Beispiel für die schlichte Lösung des Landesbetriebs, führt aber anders als Rheinland-Pfalz Bauämter und Liegenschaftsverwaltung organisatorisch nicht zusammen. 3. Hessen: Landesbetrieb „Hessisches Immobilienmanagement“ (HI) Mit Wirkung zum 1. 10. 2000 hat auch das Land Hessen einen Landesbetrieb für das Liegenschaftswesen gegründet, das „Hessische Immobilienmanagement“ (HI)68. Rechtsform Wiederum liegt ein Fall eines Landesbetriebs nach § 26 LHO vor. Aufgabenumfang Das HI verwaltet und verwertet die Landesliegenschaften außer den Spezialliegenschaften wie Straßen-, Wasser- und Waldflächen. Für Baumaßnahmen ar66 67 68
Thür. LT, Drs. 3/1021, S. 7. Vgl. Thür. LT, Drs. 3/1021, S. 6. Vgl. die Satzung in StAnz Hess. 01, S. 679 f.
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beitet der Landesbetrieb mit der weiterhin existierenden Staatsbauverwaltung zusammen. Eigentum Das Eigentum an den Liegenschaften verbleibt beim Land. Fazit Hessen hat sich ebenfalls für den Landesbetrieb entschieden; die staatliche Bauverwaltung wird beibehalten. 4. Sachsen: Staatsbetrieb „Sächsisches Immobilien- und Baumanagement“ (SIB) Seit dem 1. 1. 2003 nimmt in Sachsen der mit Verwaltungsvorschrift vom 25. 9. 200269 errichtete Staatsbetrieb „Sächsisches Immobilien- und Baumanagement“ (SIB) die Aufgaben der Liegenschaftsverwaltung wahr. Rechtsform Auch in Sachsen wurde der Sache nach ein Landesbetrieb eingerichtet. Landesbetriebe in Sachsen führen nach § 26 LHO Sach. die Bezeichnung „Staatsbetrieb“. Aufgabenumfang Das SIB hat gemäß Ziff. 1 Abs. 2 VwV die Aufgabe der früheren Vermögens- und Hochbauverwaltung übernommen und übt insbesondere alle Eigentümerbefugnisse des Freistaats Sachsen wie Verwaltung, Bewirtschaftung und Verwertung über die Landesliegenschaften mit Ausnahme der Wald- und Straßenflächen aus (vgl. Ziff. 2 Abs. 1 VwV). Eigentum Das Eigentum an den Liegenschaften ist weiterhin beim Freistaat Sachsen.
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Sächs. Amtsbl. 02, S. 1980.
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Fazit Das SIB ist das jüngste Glied in der Kette der einfachen Landesbetriebe, die aufgrund schlichten Regierungshandelns errichtet worden sind und die sich in ihrer Struktur dementsprechend ähneln. Kennzeichnend ist die Übertragung wirtschaftlichen Eigentums an den Landesbetrieb. Ein markanter Unterschied zwischen den verschiedenen Landesbetrieben lässt sich daran festmachen, ob die Bauverwaltung in die Neuordnung einbezogen wird oder nicht. 5. Baden-Württemberg: Zwei Landesbetriebe – je einer für Landes- und Bundesbau Durch Verwaltungsvorschrift70 wurde die Staatliche Vermögens- und Hochbauverwaltung in Baden-Württemberg zum 1. 1. 2004 in je einen Betrieb für Landesaufgaben und einen Betrieb für Bundesaufgaben umgewandelt. Rechtsform Gewählt wurde die Rechtsform des Landesbetriebs nach § 26 LHO mit der Besonderheit, dass je ein Betrieb für Landesbau- und Bundesbauaufgaben gebildet wird. Begründet wird dies damit, dass im Bereich der Bundesaufgaben die Vermögensverwaltung nicht vom Land wahrgenommen wird, dass Weisungsstränge von Bundesministerien hinein in den Bereich Bundesbau bestehen, dass die Verwaltungsvorschriften des Bundes oft abweichen von denen des Landes und dass ein exakte Abrechnung gegenüber dem Bund ermöglicht wird71. Aufgabenumfang Der Betrieb „Land“ bewirtschaftet alle Landesliegenschaften einschließlich der Hochschulen mit Ausnahme von Forsten und Verkehrsanlagen. Die Etablierung eines Vermieter-Mieter-Verhältnisses mit am Markt orientierten Entgelten war zunächst nicht vorgesehen; die Nutzer sollten nur über die ortsüblichen Mieten informiert werden72. Mit dem Gesetz zur Reform der Staatlichen Vermögens- und Hochbauverwaltung Baden-Württemberg vom 200473 wurde dieser Betrieb „Land“ zum Landesbetrieb „Vermögen und Bau Baden-Württemberg“ weiterentwickelt. Aufga70 Abgedruckt in: Gemeins. Amtsbl. BW 04, S. 31. Vgl. dazu auch die Pressemitteilung des Finanzministeriums Nr. 145/2002. 71 Vgl. LT BW, Drs. 13/1509, S. 4. 72 Vgl. LT BW, Drs. 13/1509, S. 6. 73 GBl. BW 04, S. 891 ff.
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benstellung und Rechtsform des Landesbetriebs selbst wurden dadurch nicht verändert; der maßgebliche Grund für das Errichtungsgesetz ist in dem Umstand zu suchen, dass mit diesem neuen Landesbetrieb pilothaft eine neue Organisationsform der öffentlichen Verwaltung geschaffen werden sollte, die gleichberechtigt neben die bisher im LVG geregelten Gebilde treten und als besonderer Typ öffentlicher Verwaltung mit unternehmerischer Ausrichtung etabliert werden soll74. Der Betrieb „Bund“ übernimmt die Bauaufgaben des Bundes. Eigentum Das Eigentum der vom Betrieb „Land“ bzw. dem Landesbetrieb „Bau und Vermögen Baden-Württemberg“ verwalteten Liegenschaften verbleibt beim Land und wird auch nicht ins Betriebsvermögen eingebracht. Der Grundstock nach § 113 Abs. 2 LHO bleibt unberührt. Fazit Baden-Württemberg weist eine neue Variante des Modells Landesbetrieb auf: Einzige Besonderheit ist die Zweiteilung des Betriebs für Landes- und Bundesaufgaben, die jedoch eher formaler Natur ist, da alle Länder die Bundesaufgaben gesondert abrechnen und insoweit auch von den Landesaufgaben abschichten. Neu ist auch der Ansatz, den Landesbetrieb nicht mehr allein haushaltsrechtlich nach § 26 LHO zu betrachten, sondern ihn auch organisationsrechtlich gleichberechtigt neben den etablierten Formen öffentlicher Verwaltung wie Anstalt, Behörde etc. zu bewerten. 6. Sachsen-Anhalt: Sondervermögen „Grundstock“ und Landesbetrieb „Liegenschafts- und Immobilienmanagement Sachsen-Anhalt“ (LIMSA) Das Land Sachsen-Anhalt war bei der Reform der Liegenschaftsverwaltung unter den ersten Ländern, die überhaupt eine rechtlich-organisatorische Änderung vorgenommen haben. Schon mit Beginn des Jahres 1997 wurde per Gesetz75 das Sondervermögen „Grundstock des Landes Sachsen-Anhalt“ gebildet. Gleichzeitig gehörte es zu den letzten, die einen Landesbetrieb gegründet haben. Zum 1. 1. 2004 wurde durch Erlass vom 19. 12. 200376 das „Liegenschaftsund Immobilienmanagement Sachsen-Anhalt“ (LIMSA) eingerichtet. 74 75
Vgl. die Gesetzesbegründung LT BW, Drs. 13/3720, S. 10. GVBl. SA 96, S. 422 f. (GrundstockG).
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Rechtsform Der „Grundstock Sachsen-Anhalt“ ist nach § 1 GrundstockG ein nicht rechtsfähiges Sondervermögen des Landes, das aber im eigenen Namen handeln kann. Das LIMSA ist ein Landesbetrieb nach § 26 LHO. Aufgabenumfang Nach § 2 GrundstockG verfolgt das Sondervermögen den Zweck, die Liegenschaften des Landes einschließlich der für landwirtschaftliche und Naturschutzzwecke genutzten Flächen zu verwalten und zu verwerten. Ausgenommen bleiben verpachtete und von Landesbetrieben genutzte Grundstücke; Forstgrundstücke können durch Verordnung zugeführt werden. Bewirtschaftung und Verwertung geschieht unverändert durch das Finanzministerium (so § 3 GrundstockG), das aber gemäß § 4 GrundstockG der Sache nach wie ein Landesbetrieb nach § 26 Abs. 1 LHO handelt, also einen dem Haushaltsplan als Anlage beizufügenden Wirtschaftsplan aufstellt. § 6 GrundstockG a. F. ermächtigte das Sondervermögen zur Kreditaufnahme, da eine Zuführung von Haushaltsmitteln nicht vorgesehen war77. Zwar sollte nach der Vorstellung des Gesetzgebers das Sondervermögen nur in die Lage versetzt werden, die Kreditermächtigung des Landeshaushalts direkt in Anspruch nehmen zu können, und somit das Budgetrecht des Parlaments unberührt bleiben78. Doch wurde mit Wirkung zum Jahr 2003 diese Kreditermächtigung aufgehoben79. Der Landesbetrieb ist nach Ziff. 1 des Errichtungserlasses für die Bewirtschaftung aller Landesliegenschaften mit Ausnahme der Straßen-, Wasser- und Forstflächen zuständig. Nach § 3 der Betriebsordnung gehört dazu auch die Verwertung dieser Flächen. Insoweit übernimmt der Landesbetrieb LIMSA jene Aufgaben, die nach dem GrundstockG vom Finanzministerium formell in hoheitlicher Verwaltung, materiell aber schon nach den Regeln eines Landesbetriebs wahrgenommen wurden. Nicht erfasst sind die Aufgaben der Bauverwaltung. Eigentum Eigentümer der Liegenschaften ist unverändert das Land, da dem Sondervermögen „Grundstock“ keine zivilrechtliche Eigentümerstellung zugewiesen wur76 MinBl. SA 03, S. 938 ff. (vgl. auch die dort ebenfalls abgedruckte Betriebsordnung). 77 Vgl. die Gesetzesbegründung, LT SA, Drs. 2/2612, S. 36. 78 LT SA, Drs. 2/2612, S. 31. 79 GVBl. SA 03, S. 26.
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1. Teil: Liegenschaftsverwaltung und Liegenschaftsmanagement
de. Dieser Grundstock ist von der Gründung des Landesbetriebs unberührt geblieben. Der Landesbetrieb übernimmt gemäß Ziff. 1 des Errichtungserlasses die Eigentümerfunktion des Landes für die ihm zur Verwaltung übertragenen Flächen. Fazit Mit der Errichtung des Sondervermögens „Grundstock Sachsen-Anhalt“ hat das Land Sachsen-Anhalt sehr früh die rechtlichen Voraussetzungen für modernes Liegenschaftsmanagement geschaffen. Kernpunkt der Reorganisation war dabei nicht, wie der Name des Gesetzes vermuten ließe, die Regelung des Grundstocks. Die ihn unmittelbar berührenden Vorschriften zur Werterhaltung (§ 2 Abs. 1 S. 2 GrundstockG) und zu den Veräußerungsvoraussetzungen (§ 5 GrundstockG) waren durch Landesverfassung und LHO vorgeprägt80, sind also im Wesentlichen Wiederholungen. Entscheidend war vielmehr die Ausrichtung des neuen Sondervermögens auf eine kaufmännisch ausgerichtete Wirtschaftsweise und die Bündelung der Aufgaben der Liegenschaftsverwaltung81. Die Gründung des LIMSA hat dann das Liegenschaftswesen in Sachsen-Anhalt auch formell und in der Verwaltungsorganisation in einen Landesbetrieb übergeführt – um den Preis einiger noch zu bereinigender Schnittstellen zwischen Sondervermögen und LIMSA, die in der Praxis zu bewältigen sein werden. Rechtlich liegt das erste – und anfangs so nicht geplante – Beispiel der Kombination Landesbetrieb plus Sondervermögen vor, die in anderen Ländern bewusst (das heißt – anders als in Sachsen-Anhalt –: in einem Schritt und zur gleichen Zeit) gewählt wurde. 7. Nordrhein-Westfalen: Landesbetrieb „Bau- und Liegenschaftsbetrieb“ (BLB) Mit Gesetz vom 12. 12. 200082 wurde in Nordrhein-Westfalen der „Bau- und Liegenschaftsbetrieb“ (BLB) mit Wirkung zum 1. 1. 2001 gegründet. Rechtsform Der BLB ist der Sache83 und der gesetzgeberischen Intention84 nach ein Landesbetrieb nach § 26 LHO, auch wenn auf diese Vorschrift im BLBG selbst 80 Näher zu den das staatliche Grundvermögen betreffenden vermögenswirtschaftlichen Verfassungs- und Gesetzesnormen unten 3. Teil (unter A. IV.). 81 So auch der Leitgedanke der Gesetzesbegründung vgl. LT SA, Drs. 2/2612, S. 31, 33, 36. 82 Bau- und Liegenschaftsbetriebsgesetz (BLBG), GVOBl. NRW 00, S. 754 ff. 83 Vgl. § 7 Abs. 3 BLBG, der § 26 Abs. 2 LHO aufnimmt.
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nicht verwiesen wird. Dies ist darauf zurückzuführen, dass der Landesbetrieb gemäß § 1 Abs. 1 BLBG in Form eines teilrechtsfähigen Sondervermögens des Landes mit eigener Wirtschafts- und Rechnungsführung errichtet wird, der vom übrigen Vermögen des Landes getrennt zu halten ist. Diese partielle Rechtsfähigkeit kommt auch durch § 1 Abs. 2 BLBG zum Ausdruck, wonach der BLB im Rechtsverkehr unter eigenen Namen handeln, klagen und verklagt werden kann. Genauso wie in Rheinland-Pfalz ist ein Verwaltungsrat unter Einbeziehung von Parlamentariern vorgesehen. Hinzu kommt auf Betreiben der Regierungsfraktionen ein Unterausschuss „Landesbetriebe und Sondervermögen“ im Landtag. Aufgabenumfang Der BLB erfasst alle Landesliegenschaften einschließlich der Hochschulen, aber ohne Straßen, staatliche Forste und landwirtschaftlich genutzte Flächen und Gewässer. Laut § 2 Abs. 1 BLBG ist es seine Aufgabe, Grundstücke zu erwerben, zu bewirtschaften, zu entwickeln und zu verwerten. Eigentum Die von der Neuregelung betroffenen Liegenschaften werden nach § 2 Abs. 2, 3 BLBG i.V. m. § 6 Abs. 9 Haushaltsgesetz 2000 an den BLB abgegeben. Zivilrechtlicher Eigentümer bleibt aber das Land85. Der Grundstock wird dabei gemäß § 2 Abs. 3 S. 1 BLBG abweichend von § 61 Abs. 3 S. 1 LHO ohne Wertausgleich an den Landesbetrieb abgegeben; dieses Sondervermögen geht also im neu errichteten Sondervermögen BLB auf. Fazit Die Neuordnung des Liegenschaftswesens in Nordrhein-Westfalen beruht auf einer klaren und stringenten Gesetzesgrundlage, die sich in der Sache an Rheinland-Pfalz orientiert, aber zum ersten Mal den Landesbetrieb auf die Grundlage eines Sondervermögens stellt.
84 85
So ausdrücklich Finanzminister Steinbrück, LT NRW, PlPr 13/10, S. 675 (C). So ausdrücklich die Gesetzesbegründung, LT NRW, Drs. 13/189, S. 15.
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8. Mecklenburg-Vorpommern: Landesbetrieb „Betrieb für Bau und Liegenschaften“ (BBL) Mit Gesetz vom 17. 12. 200186 wurde in Mecklenburg-Vorpommern der „Betrieb für Bau und Liegenschaften“ (BBL) zum 1. 1. 2002 gegründet. Rechtsform Der BBL ist ausweislich des § 1 Abs. 1 BBLG ein teilrechtsfähiges Sondervermögen nach §§ 26 Abs. 2, 113 LHO, das gemäß § 1 Abs. 4 S. 1 BBLG vom übrigen Vermögen des Landes getrennt zu halten ist. § 1 Abs. 4 S. 2 u. 3 BBLG nehmen die Vorschriften für Landesbetriebe aus § 26 Abs. 1 LHO auf, so dass auch hier ein Landesbetrieb vorliegt. Die Teilrechtsfähigkeit des BBL wird in § 3 Abs. 1 BBLG dahingehend präzisiert, dass er unter seinem Namen im Rechtsverkehr handeln, klagen und verklagt werden kann. Aufgabenumfang Der BBL umfasst nach § 1 Abs. 1, 2 BBLG die Liegenschaften des Landes inklusive Hochschulen, aber ohne Straßen, forst- und landwirtschaftlich genutzte Flächen und den Landtag (sowie einer Opting-Out-Klausel für den Landesrechnungshof in § 2 Abs. 3 BBLG!). Er ist nach § 5 Abs. 1 BBLG vermögensverwaltend tätig, indem er die Liegenschaften des Landes bereitstellt und bewirtschaftet. Insbesondere werden das Portfoliomanagement einschließlich Verwertung und Vermietung von Grundstücken, der Bau und die Einführung eines Vermieter-Mieter-Verhältnisses mit Entrichtung von Entgelten aufgeführt. Gemäß § 5 Abs. 2 BBLG führt der BBL auch den Bundesbau in Organleihe aus. Eigentum Die von der Neuregelung betroffenen Liegenschaften werden laut § 2 Abs. 1 BBLG ohne Wertausgleich in das Sondervermögen BBL eingebracht. Der Grundstock wird aufgelöst (vgl. § 1 Abs. 1 S. 2 lit. a S. 2 BBLG) und sein Bestand in das neue Sondervermögen übergeführt (§ 1 Abs. 1 S. 2 lit. a S. 1 BBLG). Der Begriff Grundstock entfällt (vgl. § 64 Abs. 6 LHO n. F.).
86 Gesetz zur Modernisierung der Liegenschaftsverwaltung des Landes Mecklenburg-Vorpommern sowie des Staatlichen Hochbaus (im Folgenden: BBLG), GVOBl. MV 01, S. 600 ff.
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Fazit Der BBL lehnt sich deutlich erkennbar an den BLB in Nordrhein-Westfalen an, die Gesetze sind vom Regelungsgehalt her identisch. Allerdings fiel der Normkomplex in Mecklenburg-Vorpommern noch feiner ziseliert aus; so wurde nicht vergessen, das dem Fiskus des Landes aus § 928 Abs. 2 BGB zustehende Recht der Aneignung herrenloser Grundstücke dem neuen Sondervermögen zuzuweisen (vgl. § 5 Abs. 2 S. 2 BBLG mit den weiteren zivilrechtlichen Aneignungsrechten des Fiskus). Diese auf den ersten Blick erstaunliche Regelungsdichte ist aber zu relativieren, sind doch die Satzungen und Erlasse der Landesbetriebe ohne Sondervermögen oft ähnlich umfangreich – mit dem Unterschied, dass in Nordrhein-Westfalen und in Mecklenburg-Vorpommern die Landesbetriebe aufgrund Gesetzes errichtet wurden. 9. Niedersachsen: Sondervermögen „Landesliegenschaftsfonds Niedersachsen“ (LFN) ohne weitere rechtliche Veränderungen Einen Sonderfall stellt Niedersachsen dar, das zwar ein über den üblichen Regelungsgehalt eines Grundstocks hinausgehendes Sondervermögen errichtet hat, aber ansonsten die Liegenschaftsverwaltung unterhalb der Schwelle rechtlicher Veränderungen auf modernes Liegenschaftsmanagement ausrichtet87. Mit der Änderung von § 64 LHO im Jahre 200088 wurde aus dem Grundstock der „Landesliegenschaftsfonds Niedersachsen“ (LFN). Diese bloße Namensänderung wird durch zwei Neuerungen ergänzt, die die Besonderheit des von Niedersachsen eingeschlagenen Weges zur Reorganisation der Liegenschaftsverwaltung rechtstechnisch belegen. Zum einen wird in § 64 Abs. 2 S. 2 LHO n. F. das Vermieter-Mieter-Modell geregelt; zum anderen wird in § 64 Abs. 2 S. 3 LHO n. F. ein Verwertungsgebot für nicht zur Aufgabenerfüllung des Landes benötigte Liegenschaften aufgestellt. Letzteres ist bislang einmalig in Deutschland, hat aber vor allem politisch-deklaratorische Bedeutung, zumal § 63 Abs. 2 LHO unberührt bleiben soll89. 10. Bund: Von der Bundesvermögensverwaltung mit NIMBUS zur BImA Die Bundesvermögensverwaltung (BVV) verwaltet und verwertet alle Bundesliegenschaften, die nicht mehr benötigt werden und das Allgemeine Grundvermögen bilden. Zugleich verwaltet sie im Dienstbereich des BMF alle Dienst87 Vgl. dazu auch die Antragsbegründung LT Nds., Drs. 14/1654, S. 2 sowie die Erläuterung zu Kap. 1321 im Epl. 13 des HHPl. 04. 88 Nds. GVBl. 00, S. 143. 89 Zum Aussagegehalt von § 63 Abs. 2 BHO/LHO siehe unten 3. Teil A. III. 1.
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liegenschaften (also insbesondere jene der Zollverwaltung). In dieser Funktion hat sie seit der Einführung des Vermieter-Mieter-Modells im Jahre 2002 die Rolle des Vermieters inne, wobei sie es anstrebt, diese Aufgabe auch für die Dienstliegenschaften der anderen Ressorts zu übernehmen (sog. Einheitliches Liegenschaftsmanagement des Bundes). Im Rahmen des Projekts NIMBUS (Neuordnung des Immobilienmanagements des Bundes) hat der Bund Möglichkeiten zur Neuordnung seines Liegenschaftswesens untersucht. Zunächst wurde überlegt, einen Bundesbetrieb nach § 26 BHO für die Erledigung der liegenschaftsbezogenen Aufgaben zu bilden und im übrigen für die eher hoheitlichen Aufgaben die BVV in ihrem Aufbau zu straffen. Dieser Bundesbetrieb sollte dann die Kernbereiche staatlichen Liegenschaftsmanagements wie Gebäudebewirtschaftung und Portfoliomanagement einschließlich Verkauf übernehmen. Mit Abschluss von NIMBUS hat sich die Bundesregierung für die Errichtung einer Anstalt des öffentlichen Rechts entschieden, der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA). Rechtsform Nach § 1 Abs. 1 S. 1 des Gesetzes über die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImAG)90 wird die BImA als bundesunmittelbare rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts errichtet. Aufgabenumfang Nach § 1 Abs. 1 S. 2 BImAG erfüllt die BImA die ihr vom Bund übertragenen liegenschaftsbezogenen Aufgaben. In § 2 Abs. 1 BImAG wird präzisiert, dass es sich um die bisher von der BVV erledigten Aufgaben handelt, insbesondere um die Deckung des Grundstücks- und Raumbedarfs für Bundeszwecke und die Verwaltung und Verwertung von Grundstücken, die nicht für Verwaltungszwecke des Bundes oder zum Gemeingebrauch im Aufgabenbereich des Bundes bestimmt sind. Eigentum Der Gesetzentwurf91 sah in § 2 Abs. 2 BImAG eine Ermächtigung vor, die es dem Bund erlauben sollte, der BImA durch Rechtsverordnung das Eigentum an Grundstücken unentgeltlich zu übertragen oder ihr zumindest das wirtschaftliche 90 91
BGBl. I 04, S. 3235 ff. BT-Drs. 15/2720, S. 5.
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Eigentum in Gestalt eines ausschließlichen und unwiderruflichen Nutzungsrechts einzuräumen. Der Haushaltsausschuss des Bundestags änderte diese Bestimmung dahingehend ab, dass eine volle dingliche Übereignung der im Geschäftsbereich des BMF befindlichen Liegenschaften angeordnet wird92. Dies wurde mit steuerrechtlichen Notwendigkeiten begründet, da die Frage, inwiefern ein „Betrieb gewerblicher Art“ entsteht, großen Raum in den Gesetzesberatungen einnahm93. Fazit Die Überführung der BVV in die BImA ist neben der GMSH die weitestreichende Neuorganisation des Liegenschaftswesens im Rahmen des öffentlichen Rechts, da sie – vergleichbar der Rechtslage in Schleswig-Holstein – die Möglichkeit eröffnet, zivilrechtliches Eigentum an einen rechtlich völlig selbständigen Trabanten des Bundes zu übertragen, mithin staatliche Liegenschaften einem anderen Vermögensträger als dem Staat selbst zuzuordnen. Gleichzeitig verfehlt sie das Ziel eines einheitlichen Liegenschaftsmanagements des Bundes, weil zunächst schon im Verlaufe des Projekt NIMBUS die Konzernsicht aufgegeben wurde, also die Bundesunternehmen TLG und BVVG sowie GEBB94 nicht einbezogen werden, und dann auch die BImA nur für die schon jetzt im BMF verwalteten Liegenschaften zuständig werden soll und nicht auch für die Dienstliegenschaften der anderen Bundesressorts95. IV. Verschachtelte Gebilde mit privatrechtlichen Gesellschaftsformen Berlin und Bremen haben ihre Liegenschaftsverwaltung auf im Ländervergleich deutlich komplexere Art und Weise reformiert und dabei privatrechtliche Gesellschaftsformen in das „Gesamtkunstwerk“ eingebaut. Zugleich stützen sie sich stark auf die Elemente Landesbetrieb und Sondervermögen, die in den vorherigen Fällen zur Anwendung kamen. Somit nehmen die beiden Stadtstaaten eine Zwischenstellung zwischen der klar öffentlich-rechtlichen Formen ver92
BT-Drs. 15/4056, S. 6. Vgl. die Begründung zur Beschlussempfehlung des Haushaltsausschusses in BTDrs. 15/4066, S. 8. Zur steuerlichen Einordnung der Tätigkeit der BImA ausführlich BT, Haushaltsausschuss Prot. Nr. 15/46 (Öffentl. Anhörung), S. 20 ff. 94 Zuständig für die Bundeswehrliegenschaften, siehe dazu unten V. 95 Vgl. dazu die Stellungnahmen des BRH in BT, Haushaltsausschuss AusschussDrs. 15/1654 (1. Ergänzung), Anl. 1, S. 3 und Anl. 2, S. 13 ff. Siehe auch BT Haushaltsausschuss Prot. Nr. 15/46, S. 8, 11 f. § 2 Abs. 3 BImAG sieht aufgrund der Beschlussempfehlung des Haushaltsausschusses (vgl. BT-Drs. 15/4056, S. 7 und BT-Drs. 15/4066, S. 9 f.) immerhin vor, dass bis Ende 2010 schrittweise alle Dienstliegenschaften des Bundes an die BImA übergehen sollen. 93
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pflichteten Hauptrichtung der Reformen und Varianten der Privatisierung ein, die oftmals am Anfang diskutiert wurden, aber kaum zum Zuge kamen. Es ist gewiss kein Zufall, dass unter den Bundesländern ausgerechnet zwei Stadtstaaten sich am weitesten auf privatrechtliche Formen zu bewegt haben. Denn in den großen deutschen Städten, mit denen Berlin und Bremen eher vergleichbar sind als mit Flächenländern, ist es völlig normal geworden, öffentliche Aufgaben in Gesellschaften und Eigenbetriebe auszulagern, so dass Großstädte vielfältig verschachtelte Beteiligungsverhältnisse aufweisen. 1. Bremen: „Sondervermögen Immobilien und Technik“ (SVIT) als Endpunkt Bremen gehört zu den Bundesländern, die schon recht frühzeitig mit der Neuordnung ihres Liegenschaftswesens begonnen haben, sie aber erst 2001 zu einem Abschluss gebracht haben. Erster Schritt: Formale Trennung der Aufgaben Schon im Jahre 1997 hat Bremen die Aufgabenbereiche Grundstücksverwaltung, Bauen und Gebäudebewirtschaftung getrennt und jeweils eigenständigen Einheiten zugeordnet. Das Grundstücksamt wurde formell privatisiert und in die zu 100% landeseigene Gesellschaft für Bremer Immobilien GmbH umgewandelt. Für die Bauaufgaben zeichneten der Bremer Baubetrieb BBB und die 1999 gegründete Baumanagement Bremen GmbH (BMB) verantwortlich. Für die eigentliche Gebäudebewirtschaftung und -unterhaltung war ebenfalls die Gründung einer GmbH geplant, es blieb jedoch zunächst beim Eigenbetrieb Facility Management Bremen (FMB). Zweiter Schritt: Errichtung des „Sondervermögens Immobilien und Technik“ Mit Wirkung zum 1. 1. 2002 wurde per Gesetz das „Sondervermögen Immobilien und Technik des Landes Bremen“ (SVIT) eingerichtet96. Rechtsform Nach § 1 I SVITG handelt es sich um ein nicht rechtsfähiges Sondervermögen nach § 26 II LHO, das nach § 4 SVIT vom übrigen Landesvermögen getrennt zu halten ist und nach § 3 I SVIT unter seinem Namen im Rechtsverkehr 96 Vgl. GBl. Brem. 02, S. 7 f. Gleichzeitig wurde für die Stadtgemeinde Bremen ein gleich lautendes Ortsgesetz erlassen und das „Sondervermögen Immobilien und Technik der Stadtgemeinde Bremen“ errichtet (GBl. Brem. 01, S. 556 f.).
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handeln, klagen und verklagt werden kann. Unter dem Gesichtspunkt der Wirtschaftsführung handelt es sich in der Sache um einen Eigenbetrieb, der aber ohne Personal bleibt und formell daher keinen Eigenbetrieb darstellt97. Nach §§ 6, 7 SVITG wird ein Liegenschaftsausschuss gebildet, um die parlamentarische Kontrolle des Sondervermögens zu gewährleisten. Auf Betreiben der Regierungsfraktionen wurden die Aufgaben dieses Ausschusses deutlich ausgeweitet und umfassen jetzt auch Grundlinien der Geschäftsführung selbst (zum Beispiel Vermieter-Mieter-Verhältnis; Auftragsvergabe)98. Aufgabenumfang Nach § 1 Abs. 2 SVITG werden dem SVIT die Landesliegenschaften mit Ausnahme der im Gemeingebrauch stehenden Teile zugewiesen. Gemäß § 1 Abs. 3 SVITG gehören dem SVIT auch vom Senat zugewiesene mobile und stationäre Ausstattungsgegenstände. Damit sollen auch in der Beschaffung und Ausstattung z. B. bei der Polizei kaufmännische Gesichtspunkte wie Werteverzehr in Form von Abschreibungen zur Geltung gebracht werden99. Aufgabe des SVIT ist es laut § 2 Abs. 1 S. 1 SVITG, Landesliegenschaften und Ausstattungsgegenstände zu bewirtschaften, zu entwickeln und zu verwerten. Nach 5 Abs. 1 SVITG werden die Geschäfte des Sondervermögens von im Liegenschaftswesen tätigen Gesellschaften oder einem Eigenbetrieb besorgt, d. h. das SVIT verfügt über kein eigenes Personal100. Eigentum Die ins Sondervermögen übergeführten Liegenschaften und Gegenstände werden ihm zugewiesen, Eigentümer bleibt das Land. Es liegt also ein Fall des wirtschaftlichen Eigentums vor, auch wenn im Gesetz dazu keine Aussagen getroffen werden101. Die Organisation rund ums Sondervermögen Die Geschäftsführung für das Liegenschaftsvermögen des SVIT liegt bei der GBI, die das Immobilienmanagement des Landes steuert und als Eigentümervertreter über Anmietungen und Neubauten entscheidet und als Vermieter ge97
Vgl. den Gesetzentwurf, Brem. Bürg., Drs. 15/898, Gesetzesbegründung, S. 1. Vgl. Brem. Bürg., Drs. 15/1029. 99 Vgl. den Gesetzentwurf, Brem. Bürg., Drs. 15/898, Gesetzesbegründung, S. 5. 100 Vgl. Brem. Bürg., Drs. 15/898, Gesetzesbegründung, S. 6. 101 Vgl. aber Brem. Bürg., Drs. 15/898, Gesetzesbegründung, S. 1: „wirtschaftlich selbstständige, rechtlich aber unselbständige abgegrenzte Vermögensmassen“. 98
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genüber den Nutzern der Landesliegenschaften auftritt. Mit der Gebäudebewirtschaftung beauftragt die GBI den Gebäude- und Technikmanagement Bremen Eigenbetrieb GTMB, der zum Jahresbeginn 2002 gegründet wurde und der FMB GmbH angegliedert ist. Für Bauaufgaben werden BBB und BMB bei BMB zusammengefasst. Für den Bundesbau und weitere hoheitliche Aufgaben wie das Verdingungswesen wurde der Eigenbetrieb Projekt- und Servicebetrieb PSB gebildet. Fazit Bremen liefert das Grundmuster für die Lösung „Sondervermögen plus privatrechtliche Betriebsgesellschaft“, zeigt aber – auch mit Blick auf die Entwicklungsgeschichte –, wie kompliziert eine solches arbeitsteilige Struktur mit mehreren – zudem rechtlich unterschiedlich verfassten – Einheiten ist. 2. Berlin: „Sondervermögen Immobilien des Landes Berlin“ als Dreh- und Angelpunkt Mit Gesetz vom 4. 12. 2002102 wurde in Berlin das „Sondervermögen Immobilien des Landes Berlin“ (SILB) mit Wirkung zum 1. 1. 2003 errichtet. Um dieses Sondervermögen herum wurde das neue Liegenschaftsmanagement organisiert, das aus drei weiteren Elementen besteht: der Berliner Immobilienmanagement GmbH (BIM), dem Landesbetrieb für Gebäudebewirtschaftung und dem Liegenschaftsfonds Berlin GmbH & Co KG. „Sondervermögen Immobilien des Landes Berlin“ (SILB) Das SILB bildet die Grundlage des neuen Liegenschaftsmanagements in Berlin. Rechtsform Nach § 1 Abs. 1 SILBG ist das SILB ein nicht rechtsfähiges Sondervermögen nach § 26 Abs. 2 der LHO mit eigener Wirtschafts- und Rechnungsführung, das nach § 4 SILBG vom übrigen Landesvermögen getrennt zu halten ist. Im übrigen ist durch § 3 Abs. 1 S. 1 SILBG eine Teilnahme am Rechtsverkehr ausdrücklich ausgeschlossen.
102 Gesetz über die Errichtung eines Sondervermögens Immobilien des Landes Berlin (SILBG), GVOBl. Berl. 02, S. 357 ff.
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Aufgabenumfang Gemäß § 1 Abs. 2 SILBG werden dem SILB Grundstücke und Gebäude des Verwaltungsgrundvermögens des Landes zugewiesen (Startportfolio). Im Wesentlichen handelte es sich dabei um Bürodienstgebäude. Nach § 2 Abs.1 SILBG hat das SILB die Aufgabe, diese Liegenschaften an Dienststellen und Dritte zu vermieten und sie zu unterhalten und zu bewirtschaften. Die Geschäfte des SILB werden nach § 2 Abs. 2 SILBG von der BIM geführt, da es selbst über kein eigenes Personal verfügt. Eigentum Die ins Sondervermögen übergeführten Liegenschaften werden ihm nur zugewiesen, Eigentümer bleibt das Land. Es liegt also ein Fall des wirtschaftlichen Eigentums vor103. Berliner Immobilienmanagement GmbH (BIM) Ebenfalls mit Wirkung zum 1. 1. 2003 wurde die Berliner Immobilienmanagement GmbH (BIM) gegründet, die zu 100% dem Land gehört104. Ursprünglich war die Gründung einer Berliner Asset-Management GmbH & Co. KG (BeAM) geplant, die zunächst vollständig landeseigen sein sollte, aber bei der Komplementär-GmbH optional eine externe Minderheitsbeteiligung von bis zu 49% vorsah105. Die BIM führt, wie oben gesehen, die Geschäfte des SILB und ist zentral zuständig für das Liegenschaftsmanagement des Landes. Landesbetrieb für Gebäudebewirtschaftung Schließlich wurde mit Beginn des Jahres 2003 der Landesbetrieb für Gebäudebewirtschaftung gegründet, der die operativen Dienstleistungen der Gebäudebewirtschaftung durchführt. Ursprünglich sollte dieser Landesbetrieb nur das in diesen Bereichen tätige Personal zusammenfassen und dann privaten Dienstleistern bereitstellen, die unter Aufsicht und Kontrolle der BeAM (bzw. BIM) das operative Geschäft erledigen sollten106.
103 Vgl. die Gesetzesbegründung, Abgh Berl., Drs. 15/900, S. 3: „wirtschaftlich in begrenztem Umfang selbstständige [. . .] Vermögensmasse“. 104 Vgl. Abgh Berl., Drs. 15/907, Ziff. 1. 105 Vgl. Pressemitteilung des Finanzsenators v. 28. 5. 02. 106 Vgl. Pressemitteilung des Finanzsenators v. 28. 5. 02.
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Der Landesbetrieb mit dem ihm zugeordneten Personal führt jetzt diese Aufgaben selbst durch, steht aber unter der Aufsicht und Kontrolle der BIM, die alle Steuerungsaufgaben auf dem Feld des Liegenschaftsmanagements bündelt107. Liegenschaftsfonds Berlin GmbH & Co. KG Schon im Jahre 2000 wurde der Liegenschaftsfonds Berlin gegründet, der aus drei vollständig im Eigentum des Landes Berlin stehenden privatrechtlichen Gesellschaften besteht. Erstens der Liegenschaftsfonds Berlin GmbH & Co. KG, die Landesliegenschaften verwertet und treuhänderisch übernimmt, um sie zu verwalten. Zweitens der Liegenschaftsfonds Berlin Entwicklungsgesellschaft mbH & Co. KG, die wiederum Grundstücke des Landes und der vorgenannten Liegenschaftsfonds Berlin GmbH & Co. KG übernimmt, um sie zu verwalten, zu entwickeln und zu veräußern. Drittens der Liegenschaftsfonds Berlin Verwaltungsgesellschaft mbH, die Beteiligungen verwaltet und insbesondere die persönliche Haftung und die Geschäftsführung bei den beiden vorgenannten Gesellschaften übernommen hat. In die Liegenschaftsfonds Berlin GmbH & Co. KG wurden durch Beschluss des Abgeordnetenhauses sukzessive Grundstücke des Landes nach Maßgabe eines Grundstücksübertragungs- und Treuhandvertrages eingebracht; dies war jeweils mit einem zivilrechtlichen Eigentumsübergang verbunden. Aufgabe des Liegenschaftsfonds ist es, diese vom Land nicht mehr benötigten Grundstücke zu vermarkten. Er wirkt mit der BIM zusammen, indem er freie, vermarktbare Immobilien aus dem SILB zur Veräußerung erhält. Fazit Das Land Berlin hat – wie Bremen – eine komplexe, arbeitsteilige Struktur des Liegenschaftsmanagements gewählt, die zunächst auf einer Einteilung der Liegenschaften in betriebsnotwendige und nicht betriebsnotwendige beruht. Die Vermarktung der letzteren geschieht über den Liegenschaftsfonds, der auch Eigentum an ihnen erhält. Das für die Verwaltung notwendige Grundvermögen bleibt im direkten Landesbesitz, wird aber in ein Sondervermögen übergeführt. Dieses wiederum wird von der BIM verwaltet, die für die Gebäudebewirtschaftung den zu diesem Zweck gegründeten Landesbetrieb einschält. Das Sondervermögen ist sowohl im Gesetzestext (bis hinein in die Begründung) als auch in der Struktur dem bremischen Modell nachgebildet, das ebenfalls eine GmbH zur Führung der Geschäfte des Sondervermögens vorsieht. 107
Vgl. Abgh Berl., Drs. 15/907, Ziff. 3; Drs. 15/1031, Ziff. 1 b bb.
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V. Der Sprung ins Privatrecht: Bundeswehrstrukturreform Am Anfang schwirrte sie vielen im Kopf herum – die GmbH oder die GmbH & Co. KG als neue Organisationsform des staatlichen Liegenschaftswesens. Ob in Rheinland-Pfalz oder Berlin – im Ergebnis wurde diese Variante stets verworfen. Allein auf Bundesebene finden wir ein Beispiel für eine konsequent privatrechtliche Umwandlung, die konzeptionell sehr weitreichend angelegt war, aber in der Umsetzung zurückgestutzt wurde und noch nicht allzu weit gediehen ist. Dieser Ansatz verdient dennoch Aufmerksamkeit, da er mit den Liegenschaften der Bundeswehr einen nicht unerheblichen Teil des Grundvermögen des Bundes betrifft und im übrigen exemplarisch für GmbH-basierte Reformkonzepte stehen kann. 1. Scharpings Bundeswehrstrukturreform: GEBB als Ausgangspunkt Seit 1999 unterzieht sich die Bundeswehr einer Strukturreform mit dem Ziel, Rationalisierungspotentiale durch effizienten Ressourceneinsatz in den vier Verwaltungsbereichen Bekleidung, Flotte, Liegenschaften und IT zu erschließen. Dabei soll die Zusammenarbeit mit der Privatwirtschaft verstärkt werden, mit der zu diesem Zweck 15. 12. 1999 ein Rahmenvertrag abgeschlossen wurde. Diese Kooperation nimmt regelmäßig die Form von Public Private Partnership an, da eine materielle Privatisierung und das Outsourcing von Aufgaben aufgrund von mangelnder Vergleichbarkeit der Leistungsdaten und aufgrund von rechtlichen Rahmenbedingungen nur schwer möglich sind. Zu den letztgenannten gehört neben den Regeln der Tarifverträge der Umstand, dass nach Art. 87a GG die Einsatzbereitschaft und Funktionsfähigkeit der Streitkräfte sichergestellt sein muss. Die Letztverantwortung dafür trifft – bei allen denkbaren Reorganisationsmaßnahmen – stets den Bundesminister der Verteidigung im Rahmen seiner Ressortverantwortung. Zudem definiert Art. 87b Abs. 1 GG als staatsorganisationsrechtliche Vorgabe die Bundeswehrverwaltung als bundeseigene Verwaltung und weist ihr die Aufgaben des Personalwesens und der unmittelbaren Deckung des Sachbedarfs der Streitkräfte zu. Auch hier gilt, dass bei einer möglichen Neuorganisation die Kontrolle und Steuerung diese Bedarfsdeckungsprozesses in der Hoheit der Bundeswehrverwaltung bleiben muss. Wichtigster Schritt der Strukturreform war die Gründung der Gesellschaft für Entwicklung, Beschaffung und Betrieb mbH (GEBB) im Jahr 2000, die als zu 100% bundeseigene Gesellschaft die Bundeswehr von möglichst allen Aufgaben, die nicht militärische Kernaufgaben sind, entlasten soll. Der GEBB selbst kommt dabei die Funktion einer Dachgesellschaft für weitere – grundsätzlich für private Beteiligungen offene – Gesellschaften zu, welche die vier o. g. Geschäftsfelder bearbeiten sollen. Nur solange Tochter- bzw. Beteiligungsunter-
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1. Teil: Liegenschaftsverwaltung und Liegenschaftsmanagement
nehmen nicht gegründet werden, übernimmt die GEBB auch das operative Geschäft in dem betroffenen Geschäftsfeld. Bislang wurden für die Bereiche Fuhrpark und Bekleidung solche Gesellschaften gegründet. Das geplante Gebilde rund um die „Bundeswehr-Liegenschaftsgesellschaft“ (b. l. g.) Auch für das Geschäftsfeld Liegenschaften war zunächst die Gründung einer Bundeswehr-Liegenschaftsgesellschaft (b. l. g.)108 geplant, die zu 100% in Bundesbesitz sein sollte. Rechtsform Die b. l. g. sollte als GmbH & Co KG errichtet werden mit dem Bund, vertreten durch den Bundesverteidigungsminister, als Kommanditisten und einer Verwaltungs-GmbH, die zu 100% der GEBB gehört, als Komplementär. Auch die Möglichkeit der stillen Beteiligung durch Private war vorgesehen. Aufgabenumfang Die b. l. g. sollte die Liegenschaften der Bundeswehr im Sinne eines umfassenden Liegenschaftsmanagements bewirtschaften, verwalten und unterhalten sowie von den Nutzern Marktpreise verlangen. Zur Wahrnehmung dieser Dienstleistungsaufgaben war die Gründung einer Facility-Management-Gesellschaft (d.f.m.) und weiterer regional tätiger Dienstleistungsgesellschaften (d.b.d.) geplant. Diese sollten von Anfang unter Einbeziehung privater Dritter arbeiten (Minderheitsbeteiligung bei d.f.m., Mehrheitsbeteiligung bei d.b.d.). Eigentum Die betriebsnotwendigen Liegenschaften der Bundeswehr sollten der b. l. g. übertragen werden, wobei nur das wirtschaftliche Eigentum bei ihr liegen und das zivilrechtliche beim Bund verbleiben sollte. Dagegen war vorgesehen, dass die b. l. g. nicht mehr betriebsnotwendige Liegenschaften mit Entwicklungspotential zivilrechtlich an – für privates Kapital offene – Projektgesellschaften überträgt und die übrigen nicht mehr betriebsnotwendigen Liegenschaften klassisch über die Bundesvermögensverwaltung verwertet werden.
108
Vgl. zur geplanten b. l. g. insgesamt BT-Drs. 14/8988.
B. Staatliches Liegenschaftsmanagement in Deutschland
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2. Fazit Dieses Konzept wirft offensichtlich zahlreiche Schwierigkeiten auf; daher soll auf die Gründung der b. l. g. zunächst verzichtet werden und die Vermarktung nicht mehr benötigter Liegenschaften von der GEBB in Rücksprache mit der Bundesvermögensverwaltung selbst wahrgenommen werden, während die betriebsnotwendigen Liegenschaften weiterhin von der Bundeswehrverwaltung bewirtschaftet werden. Selbst bei Verwirklichung des Ursprungskonzepts wäre zwar der Sprung ins Privatrecht gewagt worden, aber in der Sache organisationsprivatisierte Staatsverwaltung herausgekommen. Das Ergebnis wäre eine umfassende Kontrolle des Bundes über die Bundeswehrliegenschaften mit Ausnahme der nicht mehr betriebsnotwendigen Liegenschaften mit Entwicklungspotential gewesen, die ggf. in die privat dominierten Entwicklungsgesellschaften eingebracht worden wären.
VI. Typologie der Liegenschaftsverwaltung in Bund und Ländern Die Bestandsaufnahme der Neuordnung der Liegenschaftsverwaltung in Bund und Ländern kann als Grundlage einer typisierenden Ordnung des Liegenschaftswesens in Deutschland mit folgenden Kategorien dienen:
Öffentlich-rechtlich organisiertes Liegenschaftswesen 1.
Die klassische Staatsverwaltung: Der Staat übt über seine Liegenschaftsund Baubehörden unmittelbare Staatsverwaltung aus. Diese wurde unter I) als Ausgangslage näher charakterisiert und ist geltende Rechtslage in jenen Ländern, die ihr Liegenschaftswesen zumindest rechtlich nicht verändert haben (z. B. Bayern und Niedersachsen).
2.
Der Staatsbetrieb (Bundes- oder Landesbetrieb nach § 26 BHO/LHO): Nach § 26 Abs. 1 BHO/LHO sind die staatseigenen Betriebe zwar wirtschaftlich selbständig, was vor allem durch die Verpflichtung, einen Wirtschaftsplan nach Maßgabe des § 26 Abs. 1 S. 1 BHO/LHO aufzustellen, unterstrichen wird. Rechtlich sind sie aber unselbständig, da ihnen keine eigene Rechtsfähigkeit zukommt. Daher sind sie als wirtschaftlich verselbständigte Teile der Staatsverwaltung zu bewerten. Dieser Typus wurde als Mainstream-Lösung identifiziert und findet sich in Reinkultur in Rheinland-Pfalz, Hessen, Thüringen, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Baden-Württemberg. Seine weite Verbreitung erklärt sich daraus,
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1. Teil: Liegenschaftsverwaltung und Liegenschaftsmanagement
dass er auch in Kombination mit einem Sondervermögen gemäß § 26 Abs. 2 BHO/LHO auftritt. Daher ist als Unterfall des Staatsbetriebs a) der qualifizierte Staatsbetrieb zu nennen. Mit diesem Begriff ist die Kombination aus Staatsbetrieb nach § 26 Abs. 1 BHO/LHO und teilrechtsfähigem Sondervermögen nach § 26 Abs. 2 BHO/LHO zu kennzeichnen. Neben die wirtschaftliche Selbständigkeit in der Liegenschaftsverwaltung tritt hier die rechtliche Selbständigkeit in Gestalt der Geschäfts- und Prozessfähigkeit. Dieses rechtliche Handeln im eigenen Namen macht die Teilrechtsfähigkeit des Sondervermögens aus und hebt diese Gruppe von Staatsbetrieben besonders hervor, weil sie nicht nur wirtschaftlich verselbständigte Staatsverwaltung darstellen, sondern auch rechtlich teilweise verselbständigt sind. Ein solcher Staatsbetrieb ist stärker aus der unmittelbaren Staatsverwaltung herausgelöst, weil er über den Status des Sondervermögens ein Maß an rechtlicher Eigenständigkeit erreicht, das ihm als bloßem Staatsbetrieb nicht zustünde. In diesem Übergangsstadium zur mittelbaren Staatsverwaltung steht das staatliche Liegenschaftsmanagement in Nordrhein-Westfalen und MecklenburgVorpommern. 3.
Die mittelbare Staatsverwaltung: Der Staat kann seine Verwaltungsaufgaben auch an rechtlich verselbständigte Einheiten abgeben, die aber im öffentlich-rechtlichen Raum verbleiben. Dann werden Körperschaften, Stiftungen oder Anstalten des öffentlichen Rechts errichtet. Allein Schleswig-Holstein und der Bund für die BVV haben bisher diesen Weg gewählt. Die öffentlich-rechtliche Einbindung wird bei dieser Rechtsform durch die Anstaltslast unterstrichen, die den Staat in Haftung für den durch ihn errichteten Verwaltungstrabanten nimmt. Privatrechtlich organisiertes Liegenschaftswesen In Anlehnung an die gängige Terminologie109 ist hier zwischen Organisations- und Aufgabenprivatisierung bzw. formeller und materieller Privatisierung des Liegenschaftswesens zu unterscheiden. Weitere Privatisierungsformen, insbesondere die später im Zusammenhang mit der Eigentumszuordnung von Liegenschaften relevante Vermögensprivatisierung, sind bei der hier vorzunehmenden Kategorisierung (noch) nicht von Belang, da das Bezugsobjekt möglicher Privatisierungsvorgänge hier stets die Aufgabe Lie-
109 Vgl. Schoch, DVBl. 94, S. 962 f.; Osterloh, VVDStRL 54 (95), S. 210; Bauer, VVDStRL 54 (95), S. 251 sowie Weiss, S. 29 und Battis, S. 58. Zur Terminologie und Typologie von Privatisierung ausführlich Kämmerer, S. 37 ff., der nach dem Bezugssubjekt und – objekt von Privatisierung differenziert. Dazu auch der Überblick bei Remmert, S. 189 ff.
B. Staatliches Liegenschaftsmanagement in Deutschland
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genschaftsmanagement, genauer die Rechtsmacht zur Wahrnehmung dieser Aufgabe, und weniger die Eigentumszuordnung der Liegenschaften selbst ist. Denn die Bestandsaufnahme hat zwar für die Wahrnehmung der Aufgabe beträchtliche Umformungen über die klassische Staatsverwaltung hinaus aufgelistet, aber bisher kaum Hinweise auf Eigentumsübertragungen an Private ergeben. 4.
Die organisationsprivatisierte Staatsverwaltung/formelle Privatisierung: Der Staat überträgt das Liegenschaftsmanagement an privatrechtlich organisierte und rechtlich eigenständige Einheiten. Diese juristischen Personen des Privatrechts sind aber regelmäßig eine GmbH, deren Alleingesellschafter der Staat ist110. Diese Form staatlichen Liegenschaftsmanagements finden wir in Berlin und Bremen. Diese formelle Privatisierung wird aber in doppelter Hinsicht abgeschwächt. Zunächst wird die privatrechtliche Betriebsgesellschaft auf Steuerungsfunktionen beschränkt und die Durchführung des Liegenschaftsmanagements einen Landes- bzw. Eigenbetrieb überantwortet, also nach wie vor in öffentlich-rechtlicher Form organisiert. In beiden Fällen wird zudem über die Errichtung von Sondervermögen die Gesamtheit oder ein Teil der öffentlichen Liegenschaften vom Landesvermögen rechtlich abgetrennt. Somit kommt hier als zusätzliches Konstruktionselement ein öffentlich-rechtliches Instrument zum Einsatz, das für Reformen innerhalb der Staatsverwaltung charakteristisch ist. Der stark formale Gehalt dieser Privatisierung wird dadurch noch deutlicher. Da bislang private Rechtsform und Landesbetrieb/Sondervermögen stets kombiniert auftreten, ist es angezeigt, diesen Typus enger mit der Formel „Formelle Privatisierung plus Staatsbetrieb und Sondervermögen“ zu katalogisieren.
5.
Die Aufgabenübertragung an private Dritte/materielle Privatisierung: Der Staat kann schließlich das Liegenschaftsmanagement an private Dritte übertragen und dem Wettbewerb am Markt überlassen. In diesem Fall entäußert sich der Staat seiner Rechtsmacht zur Wahrnehmung dieser Aufgabe zugunsten von Privatpersonen, ohne als Anteilseigner beteiligt zu bleiben111. Nach der Bestandsaufnahme ist klar geworden, dass diese Variante vorläufig nur idealtypisch in eine Typologie des Liegenschaftswesens in Deutschland aufgenommen werden darf. Für eine solche Abrundung spricht nicht etwa der schiere Drang nach Vollständigkeit oder gar ein unterdrückter Wunsch nach dieser Lösung, sondern ein empirischer und ein theoretischer Grund. Das Beispiel der Reform der Bundeswehrliegenschaftsverwaltung deutet an, dass eine zumindest teilweise materielle Privatisierung zu den
110 Mit Kämmerer, S. 41, 48, kann daher von „aufgabenbezogener Organisationsprivatisierung“ gesprochen werden. 111 Nach Kämmerer, S. 48, ist dies der Typus der „aufgabenbezogenen Popularprivatisierung“.
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1. Teil: Liegenschaftsverwaltung und Liegenschaftsmanagement
konkreten Denkmodellen gehört. Wichtiger ist aber die Überlegung, dass mit der materiellen Privatisierung gleichsam als Matrize, vor der die anderen weniger weitreichenden Reformen ablaufen, das Gegenbild zur Staatsverwaltung in den Blick genommen wird. Ein Gegenbild, das in den Reformdiskussionen regelmäßig als Option auftaucht und das in der Umsetzung dann gar nicht so fern liegt, wenn erst einmal formell privatisiert worden ist.
C. Strukturfragen der Reorganisation: Rechtsform, Wirtschaftlichkeit und Eigentumszuordnung Die vergleichende Untersuchung der Neuorganisation der Liegenschaftsverwaltung in Bund und Ländern lässt rasch einige zentrale Rechtsfragen ins Blickfeld rücken, an denen sich Gemeinsamkeiten und Unterschiede zeigen lassen. Die Strukturfragen der Reorganisation sollen hier beleuchtet werden. Sie lassen sich thematisch in zwei Themenkreisen bündeln. Zum einen ist nach der zulässigen Rechtsform und zum anderen nach der Eigentumszuordnung der Liegenschaften zu fragen. Die Entscheidungen darüber sind dabei stark von Wirtschaftlichkeitsüberlegungen bestimmt, denen auch haushaltsrechtlich ein Geltungsanspruch zugestanden wird. I. Wahl der Rechtsform 1. Die Wahlfreiheit und die Liegenschaftsverwaltung a) Die Lehre von der Wahlfreiheit der Verwaltung Am Anfang der Neuordnung stand stets die Wahl der Rechtsform. Wie frei der Staat bei der Rechtsformwahl für seine Verwaltungstätigkeit ist und wie weit ihm dabei die Tore zum Privatrecht offen stehen, hängt von der Art dieser Verwaltungstätigkeit ab. So besteht Einigkeit darüber, dass die Ordnungs- und Abgabenverwaltung, die auf staatlichen Zwang angewiesen ist, allein öffentlichrechtlich durchgeführt werden darf112. Für die anderen Bereiche der Verwaltungstätigkeit, vor allem die Leistungsverwaltung, gilt die Wahlfreiheit der Verwaltung, das heißt, die Verwaltung darf wahlweise in öffentlich-rechtlicher oder privatrechtlicher Rechtsform tätig werden. Dabei gilt dies für die Organisation und die Durchführung (also beispielsweise die rechtliche Ausprägung des Leistungsverhältnisses) der Verwaltungsaufgabe. Regelmäßig wird hier die Frage der
112 Ehlers in: Erichsen/Martens, § 2, Rn. 32; Maurer, § 3, Rn. 9; dazu schon BGHZ 38, 49 (50).
C. Rechtsform, Wirtschaftlichkeit und Eigentumszuordnung
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Grundrechtsbindung und die Abgrenzung und Zulässigkeit der erwerbswirtschaftlichen Betätigung des Staates diskutiert113. Auch wenn die Reichweite umstritten ist114, so ist doch grundsätzlich die Lehre von der Wahlfreiheit der Verwaltung allgemein anerkannt115. Schließlich ist ebenfalls unumstritten, dass der Staat im Alltag zahlreiche Verwaltungsgeschäfte in privatrechtlicher Form erledigt. Dies gilt für das gesamte staatliche Beschaffungswesen (vom berühmten Kauf der Büroklammer bis zum Erwerb von Fahrzeugen und Grundstücken). Da hier die Verwaltung rechtlich wie jedermann als Privatperson agiert, bedarf es keiner Herleitung über die Lehre von der Wahlfreiheit der Verwaltung, um diese Verwaltungstätigkeit in Privatrechtsform zu begründen. Vielmehr spricht man von fiskalischen Hilfsgeschäften116. b) Einordnung der Liegenschaftsverwaltung Das Tätigwerden der Verwaltung im Bau- und Liegenschaftswesen ist geradezu der Paradefall des fiskalischen Hilfsgeschäfts117. Zwar ist die traditionelle Fiskustheorie mit der Trennung des Staates in eine hoheitliche und eine privatrechtliche Rechtspersönlichkeit überholt118, doch hat der Staat als Fiskus immer noch seine Daseinsberechtigung, wenn er als Privatrechtssubjekt am Rechtsverkehr teilnimmt (so ist auch die Begrifflichkeit des BGB in §§ 45 Abs. 3, 46, 88, 89 Abs. 1, 928 Abs. 2, 981, 1936, 1942 Abs. 2 BGB zu verstehen)119. Dass der Staat zur Erhaltung seiner Funktionsfähigkeit – gleichsam als notwendige Voraussetzung zur Wahrnehmung seiner unmittelbaren Verwaltungsaufgaben – als Privatrechtssubjekt seinen eigenen Bedarf deckt und seinen Verwaltungskörper unterhält, indem er Material beschafft, Grundstücke kauft und Gebäude errichtet, ist trotz vielfältiger Untersuchungen über notwendige Staatsaufgaben und Grenzen der Privatisierung unbestritten geblieben120. So kreist die 113 Ausführlich Ehlers, S. 212 ff. Vgl. auch Wolff/Bachof/Stober, § 23, Rn. 20 ff., 32 f.; Ronellenfitsch, HbdStR III, § 84, Rn. 31 ff., Rüfner, HbdStR V, § 117, Rn. 39 ff. 114 Dazu umfassend Ehlers, S. 65 ff. Vgl. auch Wolff/Bachof/Stober, § 23, Rn. 4 ff. und den Überblick bei Ehlers in: Erichsen/Martens, § 2, Rn. 32 ff. 115 So auch die std. Rspr. vgl. BGHZ 37, 1 (27); 91, 84 (86); 115, 311 (313) und BVerwGE 13, 47 (54); E 92, 56 (61 ff.); E 92, 94 (229 ff.). 116 Vgl. nur Wolff/Bachof/Stober, § 23, Rn. 19 und Maurer, § 3, Rn. 7. Zur Grundrechtsbindung bei solchen Geschäften Wolff/Bachof/Stober, § 23, Rn. 20 f. m.w. N. 117 So explizit Loeser, § 9, Rn. 20. 118 Krüger, S. 324 ff.; Burmeister, DÖV 75, S. 701 ff.; Kempen, S. 77 ff. 119 Vgl. Wolff/Bachof/Stober, § 23, Rn. 17. Im Ergebnis ebenso Kämmerer, S. 35 f. 120 Bull, S. 99 ff.; Schoch, DVBl. 94, S. 962 ff.; Osterloh, VVDStRL 54 (95), S. 204 ff.; Bauer, VVDStRL 54 (95), S. 243 ff.; Di Fabio, JZ 99, S. 585 ff.; Ronellen-
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1. Teil: Liegenschaftsverwaltung und Liegenschaftsmanagement
Debatte über die Staatsaufgaben unter dem Grundgesetz stets um die Frage, aufgrund welcher grundrechtlicher oder sonstiger (z. B. sozialstaatlicher) Vorschriften und in welchen Grenzen der Staat des Grundgesetzes tätig werden darf. Fiskalische Hilfsgeschäfte kommen bei solchen Untersuchungen unbeschadet davon. So schreibt Bull lapidar: „Abgaben- und Bedarfsverwaltung können als Hilfsfunktionen vernachlässigt werden.“121 Genauso kommt Weiß in einer Abhandlung neueren Datums zu dem Schluss, dass die fiskalischen Hilfsgeschäfte von Überlegungen bezüglich der erwerbswirtschaftlichen Betätigung des Staates ausgenommen sind122. Für den Moment bleibt also als Befund festzuhalten, dass fiskalische Hilfsgeschäfte unbehelligt aller staatlicher Aufgabenkritik und Privatisierungsüberlegungen als staatliche Aufgabe angesehen werden. Ihre dogmatische Herleitung ergibt sich aus ihrer Einordnung als Hilfsfunktion für die Verwaltung; sie erfüllt mittelbar Zwecke der (sonstigen) Verwaltung. Letztlich finden sie ihre Berechtigung im Dasein des Staates selbst, da der Staat für die Erfüllung seiner – wie auch immer näher ausgeformten und begrenzten – Aufgaben einer Verwaltung bedarf und zum Unterhalt dieser Verwaltung Geschäfte tätigen muss, die ihrerseits Verwaltung sind. Prägnant dazu Weiß123: „Die Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit ist aus diesem Grund selbst eine Staatsaufgabe.“ Somit stellen die fiskalischen Hilfsgeschäfte eine unumstrittene Kategorie von Staatsaufgaben dar, während im übrigen die Offenheit und der Wandel von Staatsaufgaben betont wird124. Dies verwundert nicht, da fiskalische Hilfsgeschäfte als Annex zu anderen Staatsaufgaben anzusehen sind. Solange es überhaupt Staatsaufgaben gibt, wird es auch Aufgabe des Staates sein, zur Erfüllung dieser Staatsaufgaben tätig zu werden. Für die Einordnung der Liegenschaftsverwaltung ist schließlich ein weiterer Aspekt von Bedeutung. Fiskalische Hilfsgeschäfte zeichnen sich dadurch aus, dass der Staat als Privatrechtssubjekt handelt. Dies bedeutet, dass die Durchführung der Tätigkeit schon privatrechtlich ausgeformt ist, ja dass der Staat – ganz gleich, wie die handelnde Verwaltungseinheit organisiert ist – nach außen als Privatrechtssubjekt handelt. Eine Privatisierung der Verwaltungsorganisation ist für dieses privatrechtliche Handeln mithin gar nicht erforderlich. Daraus ergibt sich eine entscheidende Verschiebung der Fragestellung. Es kommt nämlich nicht darauf an, ob der Staat fiskalische Hilfsgeschäfte privatrechtlich erledigen darf. Dies ist schon durch sein Tätigwerden mittels fiskalischer Hilfsgeschäfte fitsch, DÖV 99, S. 708 ff.; Mayen, DÖV 01, S. 111 f.; Burgi, S. 41 ff.; Gramm, S. 190 ff.; Weiß, S. 97 ff. 121 Bull, S. 216. 122 Weiß, S. 246 u. 271. 123 Weiß, S. 39. Genauso Burgi, S. 46, und auch schon Wallerath, S. 175 ff. 124 Vgl. Weiß, S. 94; Gramm, S. 82 ff.; Kämmerer, S. 163 f. S. dazu auch Burgi, S. 48 ff. m.w. N.
C. Rechtsform, Wirtschaftlichkeit und Eigentumszuordnung
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gegeben und durch die Definition dieser Art von Verwaltung vorgegeben. Es bleibt nur noch die Frage, inwiefern der Staat auch die Organisationsform seiner mittels fiskalischer Hilfsgeschäfte ausgeübten Verwaltungstätigkeit in privatrechtliche Formen überführen darf, diese Verwaltungstätigkeit also formell oder materiell privatisieren darf (vgl. oben bei der Typologie des Liegenschaftswesens). Bejahendenfalls dient dann das Privatrecht nicht nur als Handlungsform, sondern es tritt zudem auch als Organisationsform in Erscheinung125. c) Grenzen der Rechtsformwahl der Liegenschaftsverwaltung Grenzen für eine formelle oder materielle Privatisierung der Liegenschaftsverwaltung könnten sich aus dem Verfassungsrecht des Bundes und der Länder ergeben. Da die Landesverfassungen zur Verwaltung nur allgemeine Ausführungen machen (etwa in Gestalt eines Gesetzesvorbehalts) und für die Organisation der Liegenschaftsverwaltung keine Vorgaben enthalten, wird hier nur auf mögliche Privatisierungsverbote aufgrund des Grundgesetzes eingegangen. aa) Formelle Privatisierung und Art. 87 GG Das Grundgesetz trifft in Art. 87 ff. GG eine Reihe konkreter Vorkehrungen zur Bundesverwaltung. Insbesondere ist nach Art. 87 Abs. 1 S. 1 GG die Bundesfinanzverwaltung als bundeseigene Verwaltung mit eigenem Verwaltungsunterbau zu führen126. Da die Liegenschaftsverwaltung des Bundes nach §§ 1 Nr. 3, 4; 8 Abs. 2, 5; 16 FVG zur Bundesfinanzverwaltung zählt, könnte daraus gefolgert werden, dass sie nur als bundeseigene Verwaltung organisiert werden darf. Doch kann nicht allein die organisationsrechtliche Einordnung in die Bundesfinanzverwaltung aufgrund einfachen Gesetzes eine solch weitreichende Konsequenz begründen. Systematisch ist Art. 87 Abs. 1 S. 1 GG zusammen mit Art. 108 GG zu sehen, der die Verwaltung von Steuern und Abgaben zwischen Bund und Ländern näher regelt. Die Vermögens-, Bau- und Liegenschaftsverwaltung des Bundes findet dort keine Erwähnung und wird damit staatsorganisationsrechtlich nicht zwingend den Vorgaben der Verfassung für die Bundesfinanzverwaltung unterworfen. Sinn und Zweck der Verfassungsbestimmungen der Art. 87 Abs. 1 S. 1, 108 GG ist zudem, für die höchst grundrechtsrelevante Steuer- und Abgabenverwaltung den staatlichen Zugriff auch organisatorisch im hoheitlichen Bereich zu belassen. Für die fiskalischen Hilfsgeschäfte des Staates, wie sie durch die Liegenschaftsverwaltung durchgeführt werden, greift diese Ratio nicht127.
125 126
Vgl. dazu Kämmerer, S. 18. Näher dazu Gröpl, S. 504 ff.
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1. Teil: Liegenschaftsverwaltung und Liegenschaftsmanagement
Abschließend ist noch festzuhalten, dass auch das Demokratieprinzip des Grundgesetzes keine Sperre für die formelle Privatisierung darstellt. Zwar räumt die Organisationsprivatisierung durch die Schaffung einer eigenen Rechtspersönlichkeit dieser neuen Einheit eine gewisse Autonomie ein und stellt somit mehr als einen bloßen Kleiderwechsel dar128. Doch hat der Staat auf die organisationsprivatisierte Verwaltung regelmäßig über seine Eigentümerstellung und die Gesellschaftsverträge umfassende Einflussmöglichkeiten, die Gegenstand parlamentarischer Steuerung und Kontrolle sind129. Allerdings sind aufgrund privater Beteiligung an privatrechtlichen Gebilden Fälle denkbar, in denen dieses Substitut nicht ausreichen könnte130; eine solche Konstellation berührt dann aber die Eigentumszuordnung der organisationsprivatisierten Einheit und geht über die bloße Organisationsprivatisierung in eine (teilweise) Vermögensprivatisierung über, was im Liegenschaftswesen noch nicht geschehen ist. Die Liegenschaftsverwaltung des Bundes ist folglich der formellen Privatisierung zugänglich. bb) Der Sonderfall b. l. g. und Art. 87b GG Für die Bundeswehrliegenschaften sind die Verfassungsvorgaben für eine formelle Privatisierung strenger. Nach Art. 87b Abs. 1 S. 1 GG wird die Bundeswehrverwaltung als bundeseigene Verwaltung mit eigenem Verwaltungsunterbau geführt; und nach Art. 87b Abs. 1 S. 2 GG dient sie der unmittelbaren Deckung des Sachbedarfs der Bundeswehr, zu dem auch das Liegenschaftswesen zählt131. Dies schließt nicht aus, dass private Dritte diesen Bedarf beschaffen. Doch muss die Kontrolle und Steuerung dieser Bedarfdeckungsprozesses bei der Bundeswehrverwaltung bleiben. Allein die Bundeswehrverwaltung hat nach Art. 87b Abs. 1 S. 2 GG die verfassungsrechtliche Befugnis, zu diesem Zweck Verträge abzuschließen und deren Einhaltung zu überwachen. Daher wäre eine unmittelbare Anbindung der Bundeswehr an eine Bedarfsdeckungsorganisation, die ganz außerhalb der Bundeswehrverwaltung steht, nicht verfassungskonform132.
127 Zum gleichen Ergebnis kommt schon Dittmann, S. 152 (vgl. dort auch den Hinweis auf die Entstehungsgeschichte der Norm); ebenso Sachs in: Sachs, Art. 87, Rn. 30. Differenzierend Lerche in: Maunz/Dürig, Art. 87, Rn. 71, dem es vor allem um die Herleitung der Bundeskompetenz geht und der keine klare Aussage zur möglichen Privatisierung trifft. 128 Näher dazu Kämmerer, S. 228 ff. 129 Dazu umfassend Ehlers, S. 124 ff., Kämmerer, S. 191 ff. und Mayen, DÖV 01, S. 113 ff. 130 Vgl. zur Teilprivatisierung der Berliner Wasserbetriebe als Testfall für diese Frage Kämmerer, S. 194 f. 131 Gramm, DVBl. 03, S. 1370. 132 Vgl. dazu die Sicht der Bundesregierung in BT-Drs. 14/8988, S. 5.
C. Rechtsform, Wirtschaftlichkeit und Eigentumszuordnung
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Wie durch das Konzept der GEBB und der b. l. g. belegt, ist damit eine formelle Privatisierung nicht völlig unmöglich, sie muss aber unter dem Dach der weiter bestehenden Bundeswehrverwaltung geschehen. Eine komplette Überführung der Bundeswehrverwaltung oder der Bundeswehrliegenschaftsverwaltung als Teil dieser Bundeswehrverwaltung in eine private Rechtsform – sei sie auch zu 100% in Bundesbesitz und direkt an das Bundesverteidigungsministerium angebunden – ist hingegen de constitutione lata nicht zulässig – im Unterschied zu der allgemeinen Liegenschaftsverwaltung des Bundes und der Länder. Insofern enthält Art. 87b GG einen Vorrang zugunsten der öffentlichen Organisationsform und ein Verbot der Organisationsprivatisierung (und erst recht ein Verbot materieller Privatisierung)133. d) Materielle Privatisierung und „unvertretbare Staatsaufgaben“ Nachdem die formelle Privatisierung des staatlichen Liegenschaftswesens verfassungsrechtlich keine Probleme aufwirft, bleibt die Frage, ob es auch materiell privatisiert werden darf, ob also der Staat diesen Verwaltungsbereich ganz aus seinem Verantwortungsbereich entlassen und privaten Dritten überlassen darf. Dazu zwei Vorbemerkungen: erstens ist dies von der Frage der Eigentumszuordnung der staatlichen Liegenschaften und damit einer eventuellen Vermögensprivatisierung zu unterscheiden (siehe dazu unten III. und 3. Teil E.). Denn hier geht es um den Fortbestand der staatlichen Verwaltung im Sinne staatlicher Aufgabenwahrnehmung, nicht um den Fortbestand staatlichen Eigentums an Vermögenswerten wie Grundstücken oder Unternehmensbeteiligungen. Zweitens ist dies nicht mehr nur eine Frage der Rechtsformwahl, sondern greift den Gedanken der materiellen Privatisierung als Gegenbild und Idealtyp auf, wie er bei der Typologie des Liegenschaftswesens eingeführt worden ist. Der Staat hat bei fiskalischen Hilfsgeschäften rund um seine Liegenschaften schon im weiten Umfang Aufgaben an private Dritte übertragen: Verwaltungsgebäude werden von Putzdiensten gereinigt; sie werden von Bauunternehmern errichtet und privaten Ingenieurs- und Architekturbüros geplant usw. Eine materielle Privatisierung des Liegenschaftswesens geht aber qualitativ weiter als diese Einbindung privater Dritter in die Wahrnehmung von Verwaltungsaufgaben: sie bedeutet, dass der Staat diese Aufgaben völlig aufgibt und sie dem Markt überlässt. Zugespitzt lautet die hier zu behandelnde Frage: Kann und darf der Staat jene Verwaltungstätigkeit, die ihm sein sonstiges Verwaltungshandeln erst ermöglicht, privaten Dritten überantworten? Oder, die Formel von 133 Gramm, DVBl. 03, S. 1369 (zur rechtstaatlichen und demokratischen Funktion dieser Festlegung vgl. S. 1370 ff.).
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1. Teil: Liegenschaftsverwaltung und Liegenschaftsmanagement
Weiß134 aufgreifend: Kann und darf der Staat die Staatsaufgabe der Erhaltung der eigenen Funktionsfähigkeit an den Markt abgeben? Diese Fragen zu stellen heißt sie zu verneinen. Denn würde der Staat so handeln, würde er ein Stück seiner selbst aufgeben; er wäre zur eigenen Bedarfsdeckung auf private Dritte angewiesen; er würde letztlich seine Fähigkeit zu staatlichem Handeln überhaupt in die Hände privater Dritter geben, wäre also nicht mehr Herr seines Handelns. Zugegeben: Dieser Schluss ergibt sich schon allein aus der Definition der materiellen Privatisierung als einer völligen Aufgabenentäußerung des Staates, erscheint also auf den ersten Blick als ein Zirkelschluss. Ziel führend ist stattdessen ein Blick auf die Vorfrage, die der Frage nach der Zulässigkeit materieller Privatisierung voranzustellen ist. Und ungewollt ist dies auch in der – zunächst vor allem rhetorisch gedachten – Fragestellung soeben zum Ausdruck gekommen: Kann und darf die Staatsaufgabe an private Dritte abgegeben werden? Vor der Frage nach dem Dürfen steht die nach dem Können. Also ist zunächst zu klären, ob die in Frage stehende Staatsaufgabe überhaupt von Privaten wahrgenommen werden können. Denn das bislang erzielte Resultat – nämlich dass fiskalische Hilfsgeschäfte unumstritten, aber auch wenig hinterfragt Staatsaufgabe sind – legt die Vermutung nahe, dass die Struktur dieser Aufgabe ihre Wahrnehmung durch Private ausschließt. Burgi hat herausgearbeitet, dass Staatsaufgaben aus sich selbst heraus, also allein aufgrund ihrer Beschaffenheit und nicht etwa aufgrund rechtlicher (etwa kompetentieller) Zuweisung, eine vollständige Übernahme durch private Dritte unmöglich machen135. Er nennt sie – offenkundig in Anlehnung an die unvertretbaren Handlungen im Zivilrecht – „unvertretbare Staatsaufgaben“. Diese setzen voraus, dass „das die Aufgabe tragende Interesse in einer Weise auf den Aufgabenträger Staat bezogen ist, dass die betreffende Aufgabe nur von ihm wahrgenommen werden kann“. Unvertretbar ist also eine Aufgabe dann, wenn sie strukturell trägerbezogen ist. Diese Eigenschaft teilen sie mit den „instrumentalen Staatsaufgaben“, welche die notwendigen Instrumente zur Gemeinwohlverwirklichung bereitstellen, also indirekt den (sonstigen) Staatsaufgaben dienen136. Schon durch ihr Wesen als auf die Funktionsfähigkeit des Staates ausgerichtete Handlungen sind fiskalische Hilfsgeschäfte trägerbezogen und damit unvertretbare Staatsaufgaben. Nun mag man einwenden, dass die Herstellung von Büroklammern und Behördenbauten genauso gut von Privaten erledigt werden kann. Doch die Identität im äußeren Erscheinungsbild verstellt den Blick auf das strukturell Andersartige der unvertretbaren Staatsaufgabe: es handelt sich hier um die Bedarfsdeckung für den Staat zur Wahrnehmung seiner Aufgaben und 134 135 136
Weiß, S. 94. Vgl. zum Folgenden Burgi, S. 59 ff. Vgl. dazu Isensee, § 57, Rn. 154 f.
C. Rechtsform, Wirtschaftlichkeit und Eigentumszuordnung
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nicht für Private am Markt – das mit der Tätigkeit verfolgte Interesse ist strikt auf den Aufgabenträger Staat bezogen. Unvertretbare Staatsaufgaben sind nicht voll privatisierungsfähig, sind sie doch aufgrund ihres Trägerbezugs auf den Staat ausgerichtet und würden bei vollständiger Aufgabenprivatisierung als Staatsaufgabe wegfallen. Dies schließt weniger weit gehende Privatisierungsschritte aber nicht aus137. Für das Liegenschaftsmanagement des Staates bedeutet dies, dass zumindest eine staatliche (Rumpf-)Verwaltungsstelle aufrechterhalten werden muss, weil es auf andere Weise gar nicht möglich ist, die Trägerbezogenheit des Liegenschaftsmanagements zu gewährleisten. Selbst wenn also viele Aufgabenbereiche um die Liegenschaften an Private abgegeben werden, muss deren Aufgabenwahrnehmung auf den Aufgabenträger Staat bezogen bleiben und daher von einer staatlichen Stelle begleitet, gelenkt und kontrolliert werden. Für unsere Untersuchung ist aber Klarheit geschaffen: eine vollständige materielle Privatisierung der Liegenschaftsverwaltung ist nicht möglich. Da diese unvertretbare Staatsaufgabe gar nicht vollständig von Privaten wahrgenommen werden kann, stellt sich die Folgefrage nach der rechtlichen Zulässigkeit logisch erst gar nicht. Unterhalb der Schwelle einer vollständigen Privatisierung erlaubt das Konzept der unvertretbaren Staatsaufgabe aber keine klare Grenzziehung. Solange keine vollständige Aufgabenentäußerung des Staates beabsichtigt wird, ist folglich staatliches Liegenschaftsmanagement einer materiellen Privatisierung zugänglich. 2. Die Rechtswirklichkeit der gewählten Rechtsform Die Bestandsaufnahme hat gezeigt, dass die Bandbreite der tatsächlich für die Reorganisation der Liegenschaftsverwaltung gewählten Rechtsformen etwas schmaler ausfällt als die theoretisch diskutierbaren Denkmodelle. Im Kern war eine Entscheidung zwischen öffentlich-rechtlicher Form – mit dem Prototyp Landesbetrieb – oder privatrechtlicher Ausgestaltung – mit dem Prototyp GmbH & Co. KG – zu fällen. Dabei ist klar, dass die Ziele des Facility Managements grundsätzlich in beiden Formen erreichbar sind. Denn wie bei der einführenden Darstellung des Facility Managements dargelegt, ist es zweitrangig, wie die ausgegliederte zentrale Stelle für die Bewirtschaftung der Liegenschaften organisiert ist. Entscheidend sind vielmehr die Bündelung dieser Aufgabe, eine betriebswirtschaftliche Arbeitsweise und die Etablierung eines Mieter-Vermieter-Verhältnisses138. Dementsprechend hat sich auch die Enquêtekommission
137 Vgl. Burgi, S. 61. Zur funktionalen Privatisierung mittels Einschaltung Privater bei der Deckung öffentlichen Bedarfs vgl. S. 147 ff.; besonders zur Bautätigkeit s. S. 102 f.
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1. Teil: Liegenschaftsverwaltung und Liegenschaftsmanagement
Verwaltungsreform in Schleswig-Holstein nicht auf eine bestimmte Rechtsform festgelegt. Im anfänglichen Reformeifer wurde dies häufig übersehen. So behauptete der rheinland-pfälzische Finanzminister 1996139 geradezu apodiktisch: „Die [. . .] wirtschaftlichen Vorteile können in den Strukturen der öffentlichen Verwaltung und des öffentlichen Rechts nicht realisiert werden.“ So stand denn auch zu Beginn der Reformüberlegungen regelmäßig die GmbH & Co. KG zur Diskussion. In der Verwaltungspraxis der öffentlichen Hände ist diese Unternehmensform oftmals das Mittel der Wahl, weil sie die Anforderungen der § 65 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BHO/LHO bzw. § 103 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 bw GemO erfüllt, nach denen sich die öffentliche Hand nur mit beschränkter Haftung an privatrechtlichen Unternehmen beteiligen darf. Zugleich verheißt diese Form das Paradies der privatrechtlich verfassten Unternehmenswirtschaft, deren verführerische Früchte Befreiung vom öffentlichen Dienst- und Tarifrecht, Beteiligung von Privatkapital und betriebswirtschaftliches Management heißen140. Dennoch entschieden sich mit Ausnahme des Bundes bei der GEBB und der geplanten b. l. g. alle Länder für öffentlich-rechtliche Organisationsformen, auch wenn in Bremen und Berlin privatrechtliche Gesellschaften eingebaut wurden141. Was waren die Gründe dafür? In der Frühphase der Reformkonzeptionen waren Fragen des Vergabe- und Wettbewerbsrechts von Bedeutung142. Die beiden Kernprobleme liegen hier darin, wie weit die neue Liegenschaftsorganisation in Konkurrenz zu privaten Dritten tritt und dabei unzulässige staatliche Hilfe erhält und wie das öffentliche Vergaberecht in Anwendung kommt. Diese interessanten, aber nicht unmittelbar haushaltsrechtlichen Fragen können hier nicht weiter verfolgt werden143. Ausschlaggebend für die Rechtsformwahl waren letztlich aber Wirtschaftlichkeitsüberlegungen, die an die Auswahl der Rechtsform geknüpft waren und vor allem die steuerlichen Auswirkungen der beabsichtigten Reorganisation zum Gegenstand hatten. Da solche Gedankengänge über Art. 114 Abs. 2 S. 1 GG und § 7 Abs. 1 BHO/LHO haushaltsrechtliche Geltung beanspruchen und zu138 So auch der Gutachter der Landesreg. NRW, LT NRW, Ausschussprotokoll 13/ 97, S. 21 f. 139 Vgl. LT RP, Drs. 13/768. 140 Ausführlich und skeptisch dazu Ehlers, S. 298 ff. 141 In diesen letztgenannten Ländern wurden die Betriebsgesellschaften privaten Rechts aber auf bloße Steuerungsfunktionen beschränkt, so dass insbesondere die grundstücksbezogenen Steuerfragen vermieden werden konnten. 142 Vgl. die in der gemeinsamen Anhörung des Finanz- und Bauausschusses geäußerten Befürchtungen, LT NRW, Ausschussprotokoll 13/97, S. 9, 11, 13, 15 ff., 22 f., 37; genauso LT RP, Drs. 13/768 (Frage 32), Drs. 13/942, Drs. 13/838 (Fragen I. 6 u. 7), Drs. 13/4242; zur GEBB s. BT-Drs. 14/8988, S. 5 f. 143 Vgl. dazu ausführlich Gröpl, S. 504 u. S. 508 ff.
C. Rechtsform, Wirtschaftlichkeit und Eigentumszuordnung
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dem in der politischen Willensbildung oftmals das Pendel zugunsten von grundsätzlich öffentlich-rechtlichen Neugestaltungen ausschlagen ließen, soll ihnen etwas mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden. II. Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit Der Neuordnung des Liegenschaftswesens gingen umfangreiche Wirtschaftlichkeitsberechnungen, teilweise mit externer Beratung, voraus. Fragen des Steuerrechts144 und damit zusammenhängend des Bilanzrechts (Berücksichtigung von Abschreibungen) dominierten diese Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen. Schon eine Reorganisation innerhalb der Formen des öffentlichen Rechts lässt oftmals einen Betrieb gewerblicher Art entstehen, der nach § 1 Abs. 1 Nr. 6 iVm. § 4 KStG steuerpflichtig ist. Erst recht entstehen einkommen- bzw. körperschaftsteuerpflichtige Gebilde, wenn für privatrechtliche Rechtsformen optiert wird. Ähnliche Überlegungen sind für die Umsatzsteuer und die Gewerbesteuer anzustellen. Eigentumsübertragungen von staatlichen Liegenschaften an selbständige juristische Personen – beispielsweise als Einlage in eine GmbH – können zudem Grunderwerbsteuerpflichten nach § 1 Abs. 1, 2 GrEStG auslösen, die die Umstrukturierung insgesamt als unrentabel erscheinen lassen können. Gleichzeitig kann die Gründung einer GmbH & Co. KG zumindest diesen Nachteil vermeiden145. Schon diese Andeutungen dürften als Belege dafür ausreichen, dass die – zum Teil in derselben Rechtsform je nach Steuerart gegenläufigen – Auswirkungen der Rechtsformwahl nur schwer und bestenfalls im Einzelfall eindeutig zu bestimmen sind. Vor allem in Schleswig-Holstein gab dies Anlass zu einer heftigen Kontroverse zwischen Landesregierung und Landesrechnungshof, die geradezu lehrbuchmäßig die widerstreitenden Argumente offen legte146. Aufgabe ist hier nicht, zu entscheiden, welche Konstruktion wirtschaftlicher ist. Haushaltsrechtlich interessant ist die Frage, wie weit der Geltungsanspruch der Grundsätze der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit aus Art. 114 Abs. 2 S. 1 GG iVm. § 7 Abs. 1 BHO/LHO reicht. Auch bei der soeben genannten Auseinandersetzung in Schleswig-Holstein berief sich der Rechnungshof auf diese Grundsätze. 144 Vgl. z. B. LT RP, Drs. 13/343 (Antwort auf Frage 3), etwas anders Drs. 13/768 (Antwort auf Frage 13) sowie die Darstellung bei Gröpl, S. 512 ff. 145 Vgl. LT RP, Drs. 13/768 (Antwort auf Frage 12) und Drs. 13/791 (Antwort auf Frage 1): Die ursprünglich geplante GmbH & Co. KG sollte die zu übertragenden Grundstücke als Einlage erhalten, was nach § 5 Abs. 2 GrEStG steuerfrei ist. 146 Nachzulesen in LT SH, Umdrucke 14/941, 14/934, 14/1060, 14/1073, 14/1095, 14/1106, 14/1117, 14/1149, 14/1468, 14/2584, 14/2690, 14/2707, 14/2791.
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1. Teil: Liegenschaftsverwaltung und Liegenschaftsmanagement
Mit Art. 114 Abs. 2 S. 1 GG wird neben der Einrichtung der unabhängigen Rechnungsprüfung in Gestalt des Bundesrechnungshofs auch der Prüfungsmaßstab der Wirtschaftlichkeit verfassungsrechtlich normiert147. Das haushaltsrechtliche Prinzip der Wirtschaftlichkeit ist genießt mithin Verfassungsrang148. Nach h. M. bindet dieser Grundsatz nicht nur die (haushalts)vollziehende Verwaltung, sondern auch den Gesetzgeber, insbesondere den Haushaltsgesetzgeber149. Gerade die Reform der Liegenschaftsverwaltung zeigt, dass diese – nicht unumstrittene150 – Erweiterung des Adressatenkreises geboten ist. Wie die Bestandsaufnahme gezeigt hat, wurde derselbe Optimierungsvorgang mit unterschiedlich hohem legislativen Aufwand durchgeführt. Der Grundsachverhalt war dabei immer identisch: es ging um die Neuordnung des Liegenschaftswesens, ein Vorgang, der zunächst als Organisationsakt der Exekutive den Gesetzgeber nur am Rande berührt, nämlich durch geänderte Veranschlagung im Haushalt. Sobald aber ein Sondervermögen errichtet wird oder gar komplexe Strukturen wie in Schleswig-Holstein geschaffen werden, wird der Gesetzgeber damit befasst. Nun leuchtet aber ein, dass das Wirtschaftlichkeitsgebot für das auf einer bloßen Organisationsverfügung beruhende staatliche Liegenschaftsmanagement in Rheinland-Pfalz nicht schwerer wiegen darf als für das per Gesetz eingerichtete in Nordrhein-Westfalen oder das umfangreich legislativ ausgestaltete in Schleswig-Holstein. Dieses für Verwaltungsmodernisierung typische Beispiel belegt, dass Einschränkungen für die Reichweite des Wirtschaftlichkeitsprinzips nicht beim Normadressaten ansetzen dürfen. Vielmehr ist damit der Inhalt dieses Prinzips selbst angesprochen. So besteht Einigkeit darüber, dass ein schlichtes Übertragen betriebswirtschaftlicher Konzepte den verfassungsrechtlichen Gehalt des Art. 114 Abs. 2 S. 1 GG verfehlt151 und das Wirtschaftlichkeitsprinzip offen ist für Erwägungen des allgemeinen Nutzens bzw. für allgemeingesellschaftliche Zwecke152. Hinzu kommt, dass das Wirtschaftlichkeitsprinzip – wie im Wortlaut des § 7 BHO/LHO mit dem Verb „beachten“ ausgedrückt – keine absolute Geltung für sich in Anspruch zu nehmen vermag, sondern als Optimierungsgebot zu verstehen ist153. 147 Ähnliche – aber nicht immer so weit reichende – Vorschriften finden sich in den Landesverfassungen – vgl. Art. 83 Abs. 1 S. 1 bw. LV (nur „Wirtschaftsführung“ als Prüfungsgegenstand). 148 H. M. vgl. Gröpl in: BK, Art. 110, Rn. 140; Schwarz in: v. Mangoldt/Starck, Art. 114, Rn. 87; v. Arnim, S. 67 ff.; Grupp, DVBl 94, S. 146. Ähnlich v. Mutius/ Nawrath in: Heuer, Art. 114, Rn. 25. 149 So Gröpl in: BK, Art. 110, Rn. 140 m.w. N. Ebenso Fischer-Menshausen in: v. Münch/Kunig, Art. 110, Rn. 7. 150 Vgl. Siekmann in: Sachs, Art. 110, Rn. 67. 151 So in ausführlicher Darstellung Vogel/P. Kirchhof in: BK, Art. 114, Rn. 87 ff. 152 Vgl. v. Mutius/Nawrath in: Heuer, Art. 114, Rn. 27; v. Arnim, S. 89 ff.; Stern, S. 1251; Wendt in: Ipsen, S. 50 f.; Burgi, S. 241.
C. Rechtsform, Wirtschaftlichkeit und Eigentumszuordnung
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Ebenso ist auf dieser Auslegungsebene – also beim materiellen Gehalt der Norm und nicht beim Kreis ihrer Adressaten – dem Anliegen Rechnung zu tragen, dass bewusste gesetzgeberische Entscheidungen, vor allem bei Subventions- und Leistungsgesetzen, nicht durch den Verweis auf das Wirtschaftlichkeitsprinzip ausgehebelt werden dürfen. Daher gilt es für diese Gesetzentscheidungen nicht, sehr wohl aber für deren Durchführung (z. B. hinsichtlich des Grads des Erreichens des selbst gesetzten Ziels, des Verwaltungsaufwands etc.)154. Schließlich gilt für den Inhalt des Wirtschaftlichkeitsgebots, dass es als unbestimmter Rechtsbegriff seinem Inhalt nach ausfüllungsbedürftig und -fähig ist. Damit ist bei Überschreitung seiner Schranken zwar eine Rechtsverletzung zu bejahen, doch ist ein weiter Einschätzungsspielraum zuzugestehen155, so dass im Ergebnis Art. 114 Abs. 2 S. 1 GG wirtschaftlich vertretbare Entscheidungen verlangt156. Rechtlich gibt das Wirtschaftlichkeitsgebot folglich keine Handhabe, schon im Vorfeld geplante Reformen der Liegenschaftsverwaltung zu verhindern. Die präventive Wirkung beschränkt sich darauf, den Akteuren in Exekutive und Legislative eine Begründungs- und Darlegungslast für die präferierte Lösung aufzuerlegen. Diese „Vorwirkung der Rechnungskontrolle“ (P. Kirchhof)157 ist am Beispiel des „Kieler Immobiliengeschäfts“ augenfällig geworden. Wie auf anderen Feldern der Verwaltungsmodernisierung und Privatisierung wird aber erst im Nachhinein festgestellt werden, ob eine Änderung des staatlichen Liegenschaftswesens im Einzelfall wirtschaftlich sinnvoll war oder nicht. Sollte letzteres gelten, wird der zuständige Rechungshof minutiös erklären, weshalb die durchgeführte Reform nicht wirtschaftlich war; der Finanzausschuss des Parlaments wird davon mit Bedauern Kenntnis nehmen und dann der Regierung empfehlen, bei allfälligen zukünftigen Privatisierungen das Gebot der Wirtschaftlichkeit streng zu beachten – da capo al fine. Diese Folgenlosigkeit mag auf den ersten Blick enttäuschend sein – doch würde eine restriktivere Handhabung des Wirtschaftlichkeitsgebots oder gar eine gesetzliche Verschärfung den Handlungsspielraum und den Anreiz, überhaupt Veränderungen mit dem Ziel erhöhter Wirtschaftlichkeit anzupacken, zu stark einengen; die Originalität von Verwaltung würde darunter leiden158. Es 153 Vgl. v. Arnim, S. 36 f. Näher dazu Gröpl in: BK, Art. 110, Rn. 149 f., 156; s. auch Dommach in: Heuer, § 7 BHO, Rn. 7. 154 Fischer-Menshausen in: v. Münch/Kunig, Art. 114, Rn. 18; v. Mutius/Nawrath in: Heuer, Art. 114, Rn. 27. 155 Dommach in: Heuer, § 7 BHO, Rn. 6. Ähnlich Patzig, § 7 BHO, Rn. 5. 156 Stern, S. 439; Kisker, § 89, Rn. 113; Schwarz in: v. Mangoldt/Starck, Art. 114, Rn. 88. 157 P. Kirchhof, NVwZ 83, S. 515. 158 P. Kirchhof, NVwZ 83, S. 515.
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1. Teil: Liegenschaftsverwaltung und Liegenschaftsmanagement
liegt in der Natur der Sache, dass bei rechtlich und tatsächlich so komplexen Vorgängen wie den Modernisierungsversuchen in der Verwaltung Plan und Realität nicht immer in Einklang zu bringen sind. Wenn das Wirtschaftlichkeitsprinzip planlose Träumereien verhindert, hat es schon viel erreicht. Die Neuordnung des staatlichen Liegenschaftswesens in Deutschland zeigt, dass die zwei Kernpunkte des Wirtschaftlichkeitsprinzips in einem gewissen Spannungsverhältnis zueinander stehen: einerseits seine allgemeine verfassungsrechtliche Bedeutung, andererseits seine stark vom Einzelfall abhängige Anwendung. Auf der einen Seite genießt es Verfassungsrang – und spielte daher eine große Rolle bei allen Reformen der Liegenschaftsverwaltung. Es bindet nicht nur die vollziehende Gewalt, sondern auch den Gesetzgeber – dies war bedeutsam bei der Einführung des Liegenschaftsmanagements, das sich durch Rechtsetzung auf unterschiedlichen Normstufen vollzog. Auf der anderen Seite räumt es weite Ausgestaltungsmöglichkeiten ein; die wirtschaftlich vertretbaren Entscheidungen, die es verlangt, können von Einzelfall zu Einzelfall stark variieren. Das Wirtschaftlichkeitsgebot stellt somit keinen unmittelbar vollzugsfähig konkretisierten Handlungsmaßstab bereit159. Mit Ausnahme des „Kieler Immobiliengeschäfts“, dessen Wirtschaftlichkeit nicht überzeugend dargelegt werden konnte160, sind der Neuordnung des staatlichen Liegenschaftswesens wirtschaftlich vertretbaren Entscheidungen zugrunde gelegt worden. Diese Einzelfallabhängigkeit in der Anwendung führt zu einer letzten Schlussfolgerung: In der Frage nach der rechtlichen Organisation des Liegenschaftsmanagements verwehrt uns das Wirtschaftlichkeitsprinzip eine allgemeingültige Aussage zugunsten einer bestimmten Organisationsform, insbesondere versagt sie uns jeglichen Automatismus zugunsten einer privatrechtlichen Ausgestaltung. III. Eigentumszuordnung und Eigentumsübertragung Jenseits der Rechtsformwahl und der damit verbundenen Wirtschaftlichkeitsüberlegungen hat die Bestandsaufnahme eine weitere charakteristische Rechtsfrage aufgeworfen, die zum Unterscheidungszeichen für die möglichen Veränderungen im staatlichen Liegenschaftswesen taugt. Es ist die Frage nach dem Eigentümer der staatlichen Liegenschaften nach der Reform. Sowohl bei einer Neuordnung innerhalb öffentlich-rechtlicher Rechtsformen als auch bei einer Überführung in Privatrechtsformen ist es denkbar, dass die Liegenschaften einem neuen Eigentümer übertragen werden, also nicht mehr 159
P. Kirchhof, NVwZ 83, S. 515. Vgl. dazu die Stellungnahmen von F. Kirchhof, DÖV 99, S. 243 f.; Gröpl, DStZ 99, S. 122 und Fleischmann, S. 276 ff. 160
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unmittelbar im zivilrechtlichen Eigentum des Staates stehen, sondern zivilrechtlich einer anderen selbständigen Person öffentlichen oder privaten Rechts zum Eigentum zustehen. 1. Die rechtliche Stellung des Staates als Grundstückseigentümer a) Staatliche Liegenschaften als öffentliche Sachen Staatliche Liegenschaften sind wie andere zu Zwecken öffentlicher Verwaltung unmittelbar und dauerhaft bestimmte Sachen den öffentlichen Sachen zuzuordnen161. Nach der inzwischen unangefochtenen herrschenden Meinung hat der Staat als Privatrechtssubjekt (Fiskus) zivilrechtliches Eigentum an diesen Liegenschaften, wobei dieses Privateigentum öffentlich-rechtlich überlagert wird (sog. dualistische oder gemischtrechtliche Konzeption)162. Das deutsche Recht kennt mit wenigen landesrechtlichen Ausnahmen (§ 4 hambg. WegeG und §§ 1, 2 hambg. DeichordnungsG sowie § 4 bw. WG) kein eigenständiges öffentliches Eigentum, sondern schränkt die zivilrechtliche Verfügungsgewalt durch die öffentlich-rechtliche Zweckbestimmung ein, die einer Sache durch Widmung beigegeben wird. Je nach Zweckbestimmung können öffentlichen Sachen in unterschiedliche Kategorien eingeordnet werden. Für die staatlichen Liegenschaften gilt jedenfalls, dass sie zu der – jenseits aller sonstigen Eingruppierungsfragen allgemein anerkannten – Gruppe der öffentlichen Sachen im Verwaltungsgebrauch gehören163. Denn sie sind zur verwaltungsinternen Nutzung bestimmt. Die öffentlichen Sachen im Verwaltungsgebrauch werfen aufgrund ihrer Struktur selten die kniffligen Probleme des Widerstreits von zivilrechtlichem Eigentum und öffentlich-rechtlicher Widmung auf, wie sie im Recht der öffentlichen Sachen – z. B. im Straßenrecht – behandelt werden. Denn regelmäßig ist hier der Staat selbst Eigentümer, und beide Aspekte fallen gar nicht auseinander. Oder der Staat hat sich über Mietverträge zivilrechtliche Nutzungsbefugnisse gesichert, die parallel zum öffentlich-rechtlichen Nutzungszweck laufen.
161 Zur Definition der öffentlichen Sachen vgl. Wolff/Bachof/Stober, § 39, Rn. 5; Pappermann/Löhr/Andriske, S. 3; Papier, S. 17 („direkte Gemeinwohlfunktion“). 162 Vgl. dazu Friauf, § 90, Rn. 3; Papier, S. 9 ff.; Salzwedel in: Erichsen/Martens, § 45, Rn. 5; Stern, VVDStRL 21, S. 187 f.; Wolff/Bachof, § 57 I a (S. 493). 163 Papier, S. 34; genauso Salzwedel in: Erichsen/Martens, § 49, Rn. 2; Pappermann/Löhr/Andriske, S. 10; Wolff/Bachof, § 55 III a (S. 486); aus dem Zivilrecht vgl. Seiler in: Staudinger, Einl. Sachenrecht, Rn. 89.
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b) Öffentliches Sachenrecht und Eigentumsübertragung staatlicher Liegenschaften Aus der Charakterisierung des Rechts der öffentlichen Sachen ergibt sich dem ersten Anschein nach die Schlussfolgerung, dass unter diesem Gesichtspunkt keine absolute Sperre für zivilrechtliche Eigentumsübertragungen staatlicher Liegenschaften an andere selbständige Rechtspersonen existiert. Gerade weil die öffentlich-rechtliche Zweckbestimmung das zivilrechtliche Eigentum beschränkt, können diese Liegenschaften in das Eigentum auch von privaten Dritten übergeführt werden, ohne ihre Nutzung zum Verwaltungsgebrauch zu gefährden. Schon jetzt ziehen Bund und Länder Mietobjekte vor, wenn dies wirtschaftlicher ist als der Neubau oder Erwerb. Auch wenn alle Liegenschaften im Verwaltungsgebrauch übereignet werden und dann in Miete weiter benutzt werden (wie im „Kieler Immobiliengeschäft“), ändert sich daran nichts Grundlegendes. Man mag aber aus Gründen allgemeiner Rechtssicherheit bezweifeln, ob dies aus Sicht des Staates ein sinnvolles Vorgehen ist164. Diese Bewertung steht und fällt jedoch mit der Reichweite der durch Widmung begründeten öffentlich-rechtlichen Überlagerung zivilrechtlichen Eigentums. aa) Herrschende Meinung: Öffentlich-rechtliche Sachherrschaft kraft Widmung Die herrschende Auffassung knüpft bei Sachen im Verwaltungsgebrauch an die öffentlich-rechtliche Überlagerung des zivilrechtlichen Eigentums dieselben weitreichenden Folgen wie bei anderen öffentlichen Sachen, insbesondere bei Sachen in Gemeingebrauch. Demnach kommt der durch Widmung entstandenen öffentlich-rechtlichen Zweckbestimmung Vorrangwirkung vor anderen zivilrechtlichen Rechtspositionen zu; es wird eine öffentlich-rechtliche Sachherrschaft begründet, die andere zivilrechtliche Verwendungsmöglichkeiten nur im Rahmen der Widmung zulässt und insbesondere den gutgläubigen lastenfreien Erwerb nach § 936 BGB ausschließt165. Bei einer solchen Rechtslage wird jedenfalls ein Privatmann wenig Interesse haben, durch Widmung öffentlich-rechtlich überlagertes Eigentum an Liegenschaften zu erwerben, da eine andere Verwendung dadurch ausgeschlossen ist. 164 Vgl. zur Bewertung des Falls einer solchen Komplettveräußerung F. Kirchhof, DÖV 99, S. 245. 165 Wolff/Bachof, § 56 II b (S. 495 f.) und Salzwedel in: Erichsen/Martens, § 45, Rn. 8. Vgl. aus der Rspr. BayVerfGH, NJW 85, S. 478 (479); VGH BW, BWVP 86, S. 225 (226); BayVGH, BayVBl. 94, S. 441 (442).
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Nicht ohne Grund beruhen die bisher realisierten Anmietungen der öffentlichen Hand bei Privaten auf dem Umstand, dass aus der Interessenlage des privaten Vermieters heraus zivilrechtliches Rechtsverhältnis und die daraus erzielten ökonomischen Vorteile einerseits und öffentlich-rechtliche Nutzung und die daraus resultierenden Nachteile andererseits das Geschäft insgesamt rentabel erscheinen lassen, weil widmungskonform an die Verwaltung vermietet wird. Ist der Eigentümer darauf angewiesen, seinen Gewinn bei einem anderen Mieter als der Verwaltung zu erzielen, schlägt der ökonomische Nachteil der Beschränkung auf den Verwaltungsgebrauch durch (dies gilt übrigens selbst dann, wenn er an einen anderen Verwaltungsträger vermieten wollte, da die Widmung regelmäßig auf einen bestimmten Verwaltungsträger bezogen ist166). All dies spricht dafür, dass der „Totalausverkauf“ von staatlichen Liegenschaften unter diesen rechtlichen Voraussetzungen ein Gedankenexperiment bleiben wird. Allenfalls die Übertragung auf andere Rechtssubjekte des öffentlichen Rechts unter nichtmarktwirtschaftlichen Bedingungen und mit öffentlichrechtlichen Absicherungen wie in der Konstruktion, die dem „Kieler Immobiliengeschäft“ zugrunde liegt, erscheint realistisch. Eine solche Operation ist dann aber zumindest nach der herrschenden Auffassung und den damit einhergehenden restriktiven Vorgaben des öffentlichen Sachenrechts nicht unzulässig. Gleiches gilt für den (unwahrscheinlichen) Fall einer Veräußerung an Private, da aufgrund der nach der herrschenden Meinung der Widmung zuzuerkennenden Vorrangwirkung die Nutzung der Liegenschaften durch den Staat auch nach dem Übergang ins Eigentum privater Dritter gesichert ist. bb) Bedenken gegen die herrschende Meinung Eine solch weitreichende Rechtswirkung der Widmung von Sachen im Verwaltungsgebrauch stößt auf starke Bedenken. Diese speisen sich daraus, dass – anders als bei Sachen in Gemeingebrauch – der Widmung von Sachen im Verwaltungsgebrauch regelmäßig die gesetzliche Grundlage fehlt. Daher erscheint es zweifelhaft, aus dieser Widmung ohne Gesetz eine öffentlich-rechtliche Sachherrschaft folgen zu lassen, die den zivilrechtlichen Eigentümer in seinen durch Art. 14 GG garantierten Recht zur freien Verfügung über seine Sache beschränkt. Eine solche Einschränkung darf gemäß Art. 14 GG nur durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes geschehen. Eine „gesetzesfreie“ – um nicht zu sagen gesetzlose – Beschränkung durch bloßes, nach außen sichtbares Tätigwerden der Verwaltung reicht nicht aus167. Nach herrschender Meinung soll 166 Vgl. zum Gedanken einer solchen Zuordnungsfunktion der Widmung Axer, S. 201. Siehe auch Salzwedel in: Erichsen/Martens, § 45, Rn. 9. 167 Papier, S. 15 f.; Ehlers, NWVBl. 93, S. 329; Axer, S. 190 ff. (zudem ausführlich zu Art. 14 GG S. 156 ff.) und Fleischmann, S. 129 ff.
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aber genau diese formlose, faktische Ingebrauchnahme eine das Eigentumsrecht beschneidende öffentlich-rechtliche Sachherrschaft entstehen lassen. Auch der allgemeine Vorbehalt des Gesetzes aus Art. 20 Abs. 3 GG168 wird durch eine solche formlose Begründung einer öffentlich-rechtlichen Sachherrschaft verletzt169. Denn gemäß dem „sachenrechtlichen Gesetzmäßigkeitsprinzip“ ist es Aufgabe der Legislative, dingliche Rechte zu begründen und zu definieren. Für das Zivilrecht gilt dabei der Numerus clausus der Sachenrechte170, der Rechtssicherheit und Klarheit in der Vermögenszuordnung gewährleisten soll; zudem muss der Rechtsverkehr vor unbekannten und in der Tragweite nicht klar definierten dinglichen Rechten geschützt werden. Diese Gründe für den Numerus clausus privatrechtlicher dinglicher Rechte treffen uneingeschränkt auch auf mögliche öffentlich-rechtliche dingliche Rechte zu. Wer also eine öffentlich-rechtliche Sachherrschaft qua Widmung begründen will, muss dafür eine gesetzliche Grundlage schaffen. Eine freihändige Schöpfung dinglicher Rechte durch bloßes Verwaltungshandeln ist daher nicht mit dem Vorbehalt des Gesetzes vereinbar. cc) Eigener Lösungsvorschlag für Liegenschaften im Verwaltungsgebrauch Angesichts dieser Einwände kann der noch171 herrschenden – jedoch von der höchstrichterlichen Rechtsprechung nie geteilten172 – Auffassung über die Rechtswirkungen der Widmung bei öffentlichen Sachen im Verwaltungsgebrauch nicht gefolgt werden. Für Sachen im Gemeingebrauch ist die Widmung und ihre die zivilrechtlichen Rechtspositionen Privater überspielende Rechtswirkung gesetzlich geregelt (so etwa im Straßenrecht des Bundes und der Länder173). Diese Widmung setzt wiederum entweder die Zustimmung des Eigentümers voraus oder geht mit einer ausdrücklichen Regelung über die Entschädigung des privatrechtlich Berechtigten einher, wenn er der Widmung nicht zustimmt174. Damit wird den verfassungsrechtlichen Anforderungen von Art. 14 und 20 Abs. 3 GG Rechnung getragen. Bei Sachen im Verwaltungsgebrauch ist 168 Zur Herleitung und verfassungsmäßigen Verankerung dieses Prinzips BVerfGE 40, 237 (248 f.); ausführlich und differenzierend Herzog in: Maunz/Dürig, Art. 20, Rn. 76 ff. sowie Ossenbühl, § 62, Rn. 32 ff. 169 Vgl. dazu Papier, S. 15; Axer, S. 165 ff. und Fleischmann, S. 131 f. 170 Dazu Seiler in: Staudinger, Einl. Sachenrecht, Rn. 38. 171 Vgl. jetzt auch die Widerrede in Wolff/Bachof/Stober, § 77, Rn. 22. 172 Das Bundesverwaltungsgericht beharrt ebenfalls auf dem Erfordernis einer gesetzlichen Grundlage für jegliche Vorrangwirkung der Widmung vgl. BVerwG NJW 80, S. 2538 (2540) und BVerwG NJW 94, S. 144 (145). 173 Vgl. § 2 Abs. 3 FStrG sowie stellvertretend § 5 Abs. 8 bw. StrG. 174 Vgl. § 2 Abs. 2 FStrG sowie § 5 Abs. 1 bw. StrG.
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dies regelmäßig nicht der Fall. Eine öffentlich-rechtliche Sachherrschaft scheidet folglich für diese Kategorie von öffentlichen Sachen grundsätzlich aus. Der Vorschlag: Widmung von Liegenschaften durch Veranschlagung im Haushalt Allerdings könnte man speziell für Liegenschaften im Verwaltungsgebrauch eine gesetzliche Grundlage für die Vorrangwirkung der öffentlichen Zweckbestimmung darin finden, dass ihre Widmung auf die Veranschlagung im Haushaltsplan zurückgeführt werden kann, der durch das Haushaltsgesetz festgestellt wird (Art. 110 Abs. 2 S. 1 GG)175. Für den Erwerb bebauter wie unbebauter Liegenschaften existiert regelmäßig ein pauschaler Haushaltstitel176; für staatliche Neubauvorhaben gibt es sogar ein eigenes Kapitel, das die einzelnen Projekte auflistet und dem man entnehmen kann, wo und für welche Verwaltungszwecke (Gefängnis, Finanzamt etc.) ein staatliches Gebäude errichtet wird177. Für staatliche Liegenschaften – insbesondere staatliche Verwaltungsgebäude – ist also stets eine Verankerung im gesetzesförmig festgestellten Haushaltsplan zu finden; ihre öffentliche Zweckbestimmung lässt sich auf einen gesetzgeberischen Akt zurückführen. So wie der Gesetzgeber über die Veranschlagung von Mitteln im Haushaltsplan die Exekutive ermächtigt, die entsprechenden Ausgaben zu tätigen, legt der Gesetzgeber dem durch diese Ermächtigung ermöglichten Erwerb oder Bau von staatlichen Liegenschaften zugleich ihre öffentliche Zweckbestimmung bei. Diese Rechtswirkung der Mittelveranschlagung kann durch ein weiteres Argument gestützt werden: Wenn der Staat Mittel für den Erwerb von Grundstücken ausgibt, dann soll er dies nach § 63 Abs. 1 BHO/LHO nur dann tun, wenn er diese Grundstücke zur Erfüllung seiner Aufgaben benötigt178. Im Haushalt veranschlagte Mittel für staatliche Liegenschaften unterliegen also schon aus haushaltsrechtlichen Gründen einer öffentlichen Zweckbestimmung. Die Ermächtigung zu Ausgaben für Liegenschaften und deren öffentliche Zweckbestimmung sind somit nicht voneinander zu trennen; Ausgabenermächtigung und Widmung vollziehen sich uno actu. Die Veranschlagung von Mitteln für staatliche Liegenschaften im durch Gesetz festgestellten Haushaltsplan bewirkt also zugleich die Widmung der mit 175 Die Verfassungen der Länder kennen identische Vorschriften vgl. Art. 79 Abs. 2 S. 1 bw. LV. 176 Vgl. als Beispiel in Baden-Württemberg StHHPl. 04, Kap. 1209, Tit. 821 73 und 822 73. 177 Für Baden-Württemberg ist dies das Kap. 1208 des jeweiligen StHHPl. 178 Zur Verbindlichkeit dieser – insoweit Mussvorschriften gleichzusetzenden – Norm vgl. Patzig, § 63, Rn. 3 und Güntzel in: Heuer, § 63, Rn. 2.
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diesen Mitteln beschafften Liegenschaften. Es handelt sich mithin für jede aus diesen Mitteln finanzierte Liegenschaft um eine Widmung unmittelbar kraft Gesetzes – und nicht wie im Straßenrecht aufgrund eines Gesetzes, das die Voraussetzungen einer Widmung durch einen dinglichen Verwaltungsakt der zuständigen Behörde festlegt. Diese Widmung der Liegenschaft löst vor deren Indienststellung noch keine Rechtsfolgen aus; sie ist schwebend unwirksam179. Deshalb ist es unproblematisch, wenn die Widmung durch Haushaltsgesetz und die tatsächliche Benutzung zeitlich auseinander fallen. Auch steht einer Widmung durch Mittelveranschlagung im Haushalt nicht entgegen, dass die öffentliche Sache erst noch errichtet werden muss. Denn der Rechtsakt der Widmung setzt die Existenz der Sache nicht voraus; er wird aber erst nach Herstellung und Indienstnahme wirksam. Bei Fehlen der Sache ist jedoch zu fordern, dass zum Zeitpunkt der Widmung die noch herzustellende Sache bestimmbar ist. Als dinglicher Rechtsakt muss nämlich auch die Widmung dem Bestimmtheitsgebot des Sachenrechts genügen, dessen Schutzgedanke – die Sicherheit des Rechtsverkehrs – ungeschmälert auf öffentliche Sachen übertragbar ist180. Diese Voraussetzung ist zumindest für die Projekte des staatlichen Hochbaus ohne weiteres gegeben, da sie zum Zeitpunkt der Mittelveranschlagung baureif fertig geplant sind oder zumindest das Baugrundstück bekannt ist. Als Zwischenergebnis ist festzuhalten: Mit der Mittelveranschlagung für staatliche Liegenschaften im durch Haushaltsgesetz festgestellten Haushaltsplan wird den daraus beschafften Liegenschaften gleichzeitig eine öffentliche Zweckbestimmung beigegeben; sie erhalten eine Widmung unmittelbar aufgrund dieses Haushaltsgesetzes. Diese mit der Mittelveranschlagung direkt verknüpfte Rechtswirkung lässt sich zudem auf die Vorschrift des § 63 Abs. 1 BHO/LHO stützen, wonach der Staat nur Vermögensgegenstände erwerben soll, die er für die Erfüllung seiner Aufgaben benötigt. dd) Grenzen und Probleme dieses Lösungsansatzes Mit dem soeben dargestellten Lösungsvorschlag lässt sich die Widmung von Liegenschaften im Verwaltungsgebrauch auf eine gesetzliche Grundlage stellen. Dieser dogmatische Fortschritt stößt aber an Grenzen und auf Probleme. Drei Begrenzungen markieren seinen möglichen Anwendungsbereich, und eine entscheidende Rechtsfrage – nämlich die Schwierigkeit, einer Veranschlagung im Haushalt Außenrechtswirkung beizumessen – kann ebenfalls nur eingeschränkt positiv beantwortet werden. Zusammen genommen führen diese Beschränkungen des Lösungsansatzes zu seiner Bestätigung für den in der Praxis wichtigsten Teil von Liegenschaften in Verwaltungsgebrauch. 179 180
Papier in: Achterberg/Püttner, Rn. 711; Axer, S. 35. Vgl. Zippelius, DÖV 58, S. 841 f.; ihm folgend Axer, S. 34.
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Die drei Grenzen dieses Lösungsansatzes Erstens: Beschränkung auf im Haushalt individuell abgebildete Liegenschaften Die Rückführung der Widmung auf die Mittelveranschlagung im Haushalt hat nur soweit Bestand, wie die Beschaffung von Liegenschaften individualisierbar im Haushaltsplan ausgewiesen ist. Denn die allgemeinen Vorschriften zur Rechtswirkung der Widmung setzen, dem sachenrechtlichen Bestimmtheitsprinzip181 folgend, voraus, dass eine Widmung nicht ins Blaue hinein erfolgt, sondern im Fall des Fehlens der zu widmenden Sache diese zumindest bestimmbar ist. Dies ist bei Vorhaben des staatlichen Hochbaus der Fall, die eine bestimmte Größenordnung überschreiten und die daher einzeln im Haushalt ausgewiesen werden. Dies trifft außerdem auf einzeln im Haushalt veranschlagte Leasingobjekte zu, die ebenfalls ab einer bestimmten Größenordnung und als wirtschaftlichere Alternative zum staatlichen Hochbau eigens aufgelistet werden182. Die Beschaffung vieler anderer öffentlicher Sachen ist dagegen allenfalls pauschal veranschlagt, was nicht ausreicht. Ähnliches gilt für die Anmietung von Verwaltungsgebäuden, die nur in Ausnahmefällen individuell im Haushalt ausgewiesen wird. Die allgemeinen Haushaltstitel für Mieten und Pachten183 sind nicht bestimmt genug, um der Widmung dieser angemieteten Liegenschaften im Verwaltungsgebrauch eine gesetzliche Grundlage zu verschaffen. Dies gilt übrigens auch für die zahllosen Haushaltstitel für die Anschaffung von sonstigen (beweglichen) Sachen für den Verwaltungsgebrauch (z. B. Büromaterial). Daher ist die Vorgehensweise, über die Mittelveranschlagung im Haushalt zur Beschaffung von Gegenständen für die Verwaltung deren öffentliche Zweckbestimmung abzuleiten, auch nicht dazu geeignet, allgemein eine gesetzliche Basis für die Widmung öffentlicher Sachen zu schaffen, obwohl der Anwendungsbereich des § 63 Abs. 1 BHO/LHO über Grundstücke hinaus geht und daher unter diesem Gesichtspunkt nicht dagegen spräche, die öffentliche Zweckbestimmung allen nach Maßgabe dieser Vorschrift beschafften öffentlichen Sachen zuzuerkennen. Dem steht aber das sachenrechtliche Bestimmtheitsgebot entgegen.
181 Zu dessen Bedeutung für Rechtsklarheit und Rechtssicherheit vgl. aus der Zivilrechtsliteratur Seiler in: Staudinger, Einl. Sachenrecht, Rn. 54 sowie Baur/Stürner, § 4, Rn. 17 ff. 182 In Baden-Württemberg beispielsweise unter Kap. 1209, Tit. 518 11 des StHHPl. 04 veranschlagt. 183 Vgl. für Baden-Württemberg StHHPl. 04, Kap. 1209, Tit. 518 01.
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Zweitens: Im Wege der Rechtsnachfolge erworbene Liegenschaften nicht erfasst Eine weitere Einschränkung ergibt sich dann, wenn staatliche Liegenschaften im Verwaltungsgebrauch nicht durch Haushaltsmittel errichtet oder beschafft werden, sondern im Wege der Rechtsnachfolge erworben wurden. Der Bund und die heutigen Länder besitzen umfangreiches Liegenschaftsvermögen, das auf sie von Vorgängerstaaten übergegangen ist, nachdem Königs- und Fürstenhäuser abgedankt hatten. Auch die Säkularisierung von Kirchen- und Klostergütern führte zu einem Grundvermögenszuwachs bei den weltlichen Herrschaften in Deutschland, der ebenfalls bis heute in das Liegenschaftsvermögen von Bund und Ländern hineinreicht. Schließlich entstammen eine Reihe historischer Liegenschaften wie Schlösser und Gärten dem Kammergut von Fürstenfamilien. Für diese Gruppe historisch dem Staat zugewachsener Liegenschaften muss eine auf Haushaltsgesetz und § 63 BHO/LHO gestützte Argumentation ins Leere gehen. Für den Vermögensübergang als solchen lässt sich meistens eine rechtliche oder gesetzliche Grundlage finden (vgl. für die Rechtsnachfolge nach 1945 die Regelungen in Art. 134 f. GG). Diesem Vorgang zugleich eine öffentlich-rechtliche Zweckbestimmung zuzuordnen, würde aber zu weit gehen. Anders als bei den im Haushalt veranschlagten Liegenschaften sind dies keine auf individualisierbare Liegenschaften abzielende Vorgänge, sondern der Natur nach Fälle von staatlicher Gesamtrechtsnachfolge. Auch stand nicht die öffentliche Zweckbestimmung von Vermögensgegenständen im Vordergrund, sondern die Vermögenskontinuität des neu gegründeten Staatswesens. In einer zweiten Begrenzung wird daher diese Gruppe historisch dem Staat zugewachsener Liegenschaften aus dem Anwendungsbereich unseres Lösungsvorschlages ausgeschieden.
Drittens: Kein qualifizierter Gesetzesvorbehalt für Enteignungen nach Art. 14 Abs. 3 GG Schließlich greift der hier vorgestellte Lösungsansatz nicht, soweit ein qualifizierter Gesetzesvorbehalt nach Art. 14 Abs. 3 GG erforderlich ist. Mit der hier vertretenen Lösung erhält eine Widmung durch das Haushaltsgesetz zwar eine gesetzliche Grundlage; und damit kann der allgemeine Vorbehalt des Gesetzes aus Art. 20 Abs. 3 GG erfüllt werden. Gleiches gilt für den Gesetzesvorbehalt aus Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG, nicht aber für den qualifizierten Gesetzesvorbehalt des Art. 14 Abs. 3 S. 2 GG (sog. Junktim-Klausel). Es ist also zu klären, ob die Widmung von staatlichen Liegenschaften eine Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums nach Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG bewirkt oder eine Enteignung im Sinne von Art. 14 Abs. 3 GG darstellt und
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damit einem – in unserer dogmatischen Herleitung nicht auffindbaren – qualifizierten Gesetzesvorbehalt erfordern würde. Eine Enteignung im Sinne von Art. 14 Abs. 3 GG scheidet nicht schon deshalb aus, weil die Widmung Liegenschaften betrifft, die im Eigentum des Staates stehen. Zwar trifft dies solange zu, wie der Staat auf eigenem Grund für sich selbst Gebäude errichtet. Dann wird das Eigentum durch die Widmung eingeschränkt, da es sich aber nicht um das Eigentum Privater, sondern nur um das Privateigentum des Fiskus handelt, ist der Schutzbereich des Art. 14 GG gar nicht berührt; denn der Staat ist nicht Träger des Grundrechts aus Art. 14 GG184. Aber um diese Konstellation sachgerecht bewerten zu können, muss man ein Schritt weiter gehen. Die einmal bebauten staatlichen Liegenschaften können von privaten Dritten später nur mit der Belastung der Widmung erworben werden; ihr Eigentum an den Liegenschaften ist also von Anfang an eingeschränkt. Die Widmung wirkt also in den Schutzbereich des Art. 14 GG hinein. Eine unmittelbare eigentumsrechtliche Wirkung entfaltet die Widmung dagegen bei den vom Staat angemieteten Liegenschaften, die im Eigentum privater Dritter stehen, und in den schon genannten Modellen des Mietkaufs oder Leasings, in denen im Haushaltsplan für bestimmte Bauvorhaben des Staates Mittel dafür bereitgestellt werden, dass ein privater Investor eine Immobilie errichtet (und ggf. betreibt), um staatliche Behörden unterzubringen. In solchen Fällen bleibt die Liegenschaft im Eigentum Privater und fällt damit unverändert in den Schutzbereich des Grundrechts aus Art. 14 GG, der durch die Nutzungseinschränkung infolge Widmung berührt wird. Es steht damit außer Frage, dass durch die Widmung Art. 14 GG berührt ist, selbst wenn zunächst der Staat Eigentümer der Liegenschaft ist. Die eigentumsrechtliche Würdigung dieser Widmung richtet sich nach deren Qualität. Eine Inhalts- und Schrankenbestimmung liegt vor, wenn generell und abstrakt die Rechte und Pflichten des Eigentümers definiert werden185. Eine Enteignung richtet sich dagegen auf die vollständige oder partielle Entziehung konkreter subjektiver Rechtspositionen, die vom Grundrecht auf Eigentum erfasst sind186; für das Vorliegen einer Enteignung ist also im Unterschied zur Inhalts- und Schrankenbestimmung darauf abzustellen, ob konkret und individuell das Eigentum entzogen wird187. Auch wenn durch die Einbeziehung des partiellen 184 BVerfGE 61, 82 (109); s. auch schon BVerfGE 21, 362 (368 ff.). Ebenso etwa Papier in: Maunz/Dürig, Art. 14, Rn. 204; Depenheuer in: v. Mangoldt/Starck, Art. 14, Rn. 193. 185 BVerfGE 58, 300 (330); E 72, 66 (76). 186 BVerfGE 52, 1 (27); E 72, 66 (76). Diese Unterscheidung zwischen Inhalts- und Schrankenbestimmung einerseits und Enteignung andererseits ist allgemein anerkannt vgl. nur Bryde in: v. Münch/Kunig, Art. 14, Rn. 54 ff. oder Depenheuer in: v. Mangoldt/ Starck, Art. 14, Rn. 208 f. 187 Pieroth/Schlink, Rn. 923.
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Entzugs von Rechtspositionen in den Begriff der Enteignung im Einzelfall die Unterscheidung erschwert wird, so ist doch für die Widmung staatlicher Liegenschaften festzustellen, dass sie eine allgemeine und mit der Erschaffung bzw. Beschaffung der Liegenschaften einsetzende, also von Anfang bestehende Verpflichtung auf diese Liegenschaften legt, die nicht auf den Entzug konkreter subjektiver Rechtspositionen eines bestimmten oder auch nur bestimmbaren Personenkreises abzielt, sondern generell den Inhalt und die Schranken des Eigentums an diesen Liegenschaften bestimmt. In diesen Fällen ist zum Zeitpunkt der Widmung noch gar nicht klar, ob überhaupt und, wenn ja, an wen die staatliche Liegenschaft veräußert wird. Mithin liegt eine Inhalts- und Schrankenbestimmung nach Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG vor, wenn die Liegenschaften zum Zeitpunkt der Widmung im Eigentum des Staates sind und nicht einer konkreten privaten Person zugeordnet waren188. Für eine solche Eigentumsbestimmung ist der einfache und nicht weiter qualifizierte Gesetzesvorbehalt aus Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG zu beachten. Um ihn zu erfüllen, reicht jedes materielle Gesetz aus189. Weiterhin muss dem ebenfalls einfachen und an keine weiteren Voraussetzungen gebundenen allgemeinen Gesetzesvorbehalt aus Art. 20 Abs. 3 GG entsprochen werden. Der allgemeine Gesetzesvorbehalt verlangt die Rückführung staatlichen Handelns auf ein formelles Gesetz190. Beide Gesetzesvorbehalte werden mit der Widmung staatlicher Liegenschaften durch Mittelveranschlagung im gesetzesförmig festgestellten Haushaltsplan erfüllt. Anders muss aber das Urteil ausfallen, wenn zum Zeitpunkt der Widmung die Liegenschaft im Eigentum eines privaten Dritten steht. Dann wird dessen subjektive Rechtsposition konkret und individuell verkürzt, seine grundrechtlich geschützte Nutzungsfreiheit wird durch die Widmung eingeschränkt. Auch wenn der Private noch Eigentümer ist und ihm zivilrechtlich die Nutzungsüberlassung durch Mietzahlungen entgolten wird, so ist doch seine Rechtsposition weit hinter die eines Vermieters im privatrechtlichen Mieter-Vermieter-Verhältnis zurückgefallen. Er sieht sich mit einer die zivilrechtlichen Rechtsbeziehungen überlagernden öffentlich-rechtlichen Sachherrschaft konfrontiert, die ihm die freie Nutzung weiter einschränkt als der Mietvertrag. Ihm ist nur noch die Nutzung und Verfügung über die Liegenschaft im Rahmen der Widmung möglich. Zwar ist es anders als bei einem Straßengrundstück im Fall von Bürogebäuden etwas wahrscheinlicher, dass die Nutzung durch den Staat entbehrlich 188 So auch Fleischmann, S. 131. Vgl. auch Papier in: Maunz/Dürig, Art. 14, Rn. 405. 189 Papier in: Maunz/Dürig, Art. 14, Rn. 339; Sieckmann in: BerlK, Art. 14, Rn. 135; Jesch, S. 139 f.; vgl. aus der Rspr. BVerfGE 8, 71 (79); E 9, 338 (343); E 58, 137 (146). 190 Herzog in: Maunz/Dürig, Art. 20, Rn. 55; Ossenbühl, § 62, Rn. 11; Degenhardt, Rn. 280.
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wird (und sei es nur infolge Umzugs in ein kostengünstigeres Gebäude) und dann eine Entwidmung stattfindet. Dennoch ist das Eigentumsrecht nicht weit von einem „nudum ius“ entfernt. Aufgrund der Eingriffsintensität, die wegen der öffentlich-rechtlichen Sachherrschaft nahe an die komplette Entziehung des Eigentums heranreicht, und des konkret-individuellen Bezugs des Eingriffs durch die Widmung ist daher in solchen Fällen eine Enteignung im Sinne von Art. 14 Abs. 3 GG zu bejahen191. Mangels Entschädigungsregelung erfüllt die Veranschlagung im Haushalt aber nicht den qualifizierten Gesetzesvorbehalt des Art. 14 Abs. 3 S. 2 GG. Neben den schon durch die erste Grenzziehung ausgesonderten angemieteten Liegenschaften im Verwaltungsgebrauch scheiden damit durch diese dritte Grenzziehung insbesondere auch jene Liegenschaften, die durch Leasingmodelle vom Staat genutzt werden, trotz ihrer individuellen Bestimmbarkeit im Haushaltsplan aus dem Anwendungsbereich unseres Lösungsansatzes aus. Das Hauptproblem: Die Außenrechtswirkung einer Veranschlagung im Haushalt Nach diesen Einschränkungen bilden die im Eigentum des Staates stehenden Liegenschaften, die einzeln im Haushaltsplan zur Beschaffung bzw. Errichtung ausgewiesen sind, die einzige Gruppe von Liegenschaften im Verwaltungsgebrauch, für die der hier vorgestellte Lösungsvorschlag einer Widmung durch Veranschlagung im Haushalt greifen kann. In diesem Lösungsvorschlag übernehmen haushaltswirtschaftliche Regelungen die Anleitung für Verwaltungshandeln, eine haushaltsrechtliche Grundlage tritt an die Stelle einer verwaltungsrechtlichen. Denn die Widmung einer Sache ist ein verwaltungsrechtlicher Vorgang, aber die Widmung von Sachen im Verwaltungsgebrauch ist – anders als die Widmung von Sachen im Gemeingebrauch – nicht durch Verwaltungsrecht festgelegt. In Abhängigkeit vom Normierungsgrad von Sachverhalten aufgrund Verwaltungsrechts kann das Haushaltsrecht subsidiär einspringen, um mit seinen Festlegungen auch selbst die Tätigkeit der Verwaltung lenken192: „Je dichter das Verwaltungsrecht das Verwaltungshandeln regelt, desto mehr wird der Haushaltsplan zu einem bloßen Durchführungs- und Koordinationsinstrument; je mehr Handlungsspielräume das Verwaltungsrecht belässt oder einräumt, desto unmittelbarer lenkt und begrenzt das Haushaltsrecht staatliches Handeln.“ Diese subsidiäre Steuerung kann in bestimmten und begrenzten Fällen zu einem unmittelbaren Einfluss des Haushaltsrechts auf Verwaltungsentscheidungen und zu Wirkungen des Haushaltsrechts im Verwaltungsrechtsverhältnis füh191 192
Vgl. Ehlers, NWVBl. 93, S. 328; s. auch BVerwG NJW 80, S. 2538 (2540). P. Kirchhof, NVwZ 83, S. 505, ihm folgend Rodi, S. 522.
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ren193. Dazu zählen auch haushaltsrechtliche Handlungsaufträge, welche die Verwaltung anweisen, bestimmte Einrichtungen zu schaffen, und ihr dafür die entsprechenden Mittel bereitstellen194. Die Veranschlagung von Mitteln für die Beschaffung von Liegenschaften im Verwaltungsgebrauch lässt sich zwanglos in diese Kategorie einordnen. Damit übernimmt für diese Fallgruppe der Haushalt die Steuerung der Verwaltungsentscheidung, weist Mittel und Zweckbestimmung zu, tritt also an die Stelle von verwaltungsrechtlicher Lenkung. Mit diesen Überlegungen kann die subsidiäre, aber hier eingreifende Lenkung durch haushaltswirtschaftliche Regelungen an Stelle von Verwaltungsrecht begründet werden; ein verwaltungsrechtlicher Vorgang wie die Widmung kann also grundsätzlich über das Haushaltsrecht vorgenommen werden. Allerdings hat die Widmung Außenwirkung; die Steuerung der Verwaltungstätigkeit durch den Haushalt betrifft hier das Verhältnis Bürger-Staat. Ob der Veranschlagung im Haushaltsplan die – im Außenverhältnis zum Bürger relevante – Rechtswirkung einer Widmung zuerkannt werden kann, muss daher zum Abschluss geklärt werden. Dann erst kann der hier vorgestellte Lösungsvorschlag beurteilt werden. Trotz der Feststellung des Haushaltsplans durch das Haushaltsgesetz ist umstritten, ob und wie weit einer Mittelveranschlagung im Haushaltsplan Rechtswirkungen innewohnen. Der Grundsatzstreit über die Rechtsnatur von Haushaltsgesetz und Haushaltsplan und deren Qualifikation als nur formelles oder auch materielles Gesetz hat heute einer differenzierten Betrachtungsweise Platz gemacht; der Gesetzescharakter des Haushaltsplans sagt noch nichts darüber aus, welche Rechtswirkungen von ihm ausgehen und insbesondere welche Außenrechtswirkungen ihm zukommen195. Die rechtliche Verbindlichkeit des Haushaltsplans steht zwar insoweit völlig außer Frage, als er zu Ausgaben ermächtigt196. Dies betrifft jedoch nur das Binnenverhältnis von Legislative und Exekutive. Gleichzeitig besteht Einigkeit darüber, dass aus dem Haushaltsplan allein keine subjektiven Rechte und Pflichten entstehen (§ 3 Abs. 2 HGrG; § 3 Abs. 2 BHO/LHO)197.
193 Vgl. P. Kirchhof, NVwZ 83, S. 511 ff. (z. B. bei der Ausfüllung von Ermessensund Beurteilungsspielräumen). 194 P. Kirchhof, NVwZ 83, S. 513. 195 Mußgnug, S. 351; Heun, S. 164; vgl. im übrigen den Überblick bei Gröpl in: BK, Art. 110, Rn. 53 f. m.w. N. 196 Siehe nur Maunz in: Maunz/Dürig, Art. 110, Rn. 14 und Gröpl in: BK, Art. 110, Rn. 35 m.w. N. 197 Maunz in: Maunz/Dürig, Art. 110, Rn. 11 und Gröpl in: BK, Art. 110, Rn. 55.
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Eine Widmung von Liegenschaften im Verwaltungsgebrauch hat aber Außenrechtswirkung und bricht damit aus dem Binnenverhältnis von Parlament und Regierung aus, das durch den Ermächtigungscharakter des Haushaltsplans bestimmt ist. Denn die Widmung berührt Rechte privater Dritter und das Grundrecht auf Eigentum: sie ist in der hier zu betrachtenden Fallgruppe eine Inhaltsund Schrankenbestimmung des Eigentums (s. oben). Damit die Veranschlagung im Haushaltsplan als gesetzliche Grundlage der Widmung ausreicht, muss ihr eine Außenrechtswirkung zuerkannt werden dürfen. Für die Gewährung staatlicher Leistungen hat die Rechtsprechung anerkannt, dass die Veranschlagung im Haushaltsplan ausreicht, um dem allgemeinen Gesetzesvorbehalt aus Art. 20 Abs. 3 GG zu genügen, da einer solchen Veranschlagung eine parlamentarische Willensäußerung zugrunde liegt, in ihr also ein gesetzgeberischer Wille zum Ausdruck kommt198. Damit wird dem Haushaltsplan auch im Verhältnis zum Bürger Rechtswirkung beigemessen; eine Heranziehung des gesetzesförmig festgestellten Haushaltsplans als gesetzliche Grundlage für Handeln des Staates gegenüber dem Bürger ist also grundsätzlich möglich. Dies betrifft aber nur die Leistungsverwaltung, nicht jedoch die Eingriffsverwaltung, für die der allgemeine Gesetzesvorbehalt entwickelt wurde (mit der Formel vom „Eingriff in Freiheit und Eigentum“) und die durch Einschränkung der Freiheitsrechte – und nicht durch deren Erweiterung im Sinne des status positivus – charakterisiert ist199. Mit dem Schutzzweck des allgemeinen Gesetzesvorbehalts und auch der grundrechtlichen Gesetzesvorbehalte wäre es auch nicht zu vereinbaren, jegliche Veranschlagung im Haushaltsplan beispielsweise für die Erhebung von Steuern und Gebühren ausreichen zu lassen200. Aus den Gründen und Kriterien für die Außenwirkung des Haushaltsplans und für dessen Geltung als gesetzliche Grundlage staatlichen Handelns lassen sich aber drei Argumente dafür anführen, dass diese Wirkung zumindest für die Widmung jener eng umgrenzten Gruppe von staatlichen Liegenschaften im Verwaltungsgebrauch anerkannt werden sollte, die hier zur Diskussion steht: 1. Ausgangspunkt dieser Rechtswirkung einer Veranschlagung im Haushaltsplan ist die Feststellung, dass auch die Schaffung eines Titels im Haushaltsplan eine parlamentarische Willensäußerung ist, also für sich uneingeschränkte – und mit anderen Gesetzen prinzipiell vergleichbare – demokratische Legitimation in Anspruch nehmen darf201. 198
St. Rspr. seit BVerfGE 8, 155 (166 ff.) und BVerwGE 6, 282 (287 f.). Dazu BVerGE 8, 155 (166 f.) und Papier in: Maunz/Dürig, Art. 14, Rn. 59. 200 Zum strikten Gesetzesvorbehalt für die Auferlegung von Steuern Papier, in: Maunz/Dürig, Art. 14, Rn. 182, 340. 199
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Weiterhin ist das Haushaltsgesetzgebungsverfahren – ungeachtet der sich aus der Verfassung ergebenden Besonderheiten wie etwa dem Jährlichkeitsprinzip (Art. 110 Abs. 2 GG) und dem Beipackungsverbot (Art. 110 Abs. 4 S. 1 GG) – ein vollwertiges Gesetzgebungsverfahren202. Es erfüllt die wesentlichen Verfahrensanforderungen, die an die Gesetzgebung in der parlamentarischen Demokratie des Grundgesetzes gestellt werden: die Diskussion des Gesetzesentwurfes, die Öffentlichkeit dieser Beratungen und die Veröffentlichung des Ergebnisses, des Gesetzes203. Aber auch die mit dem förmlichen Gesetzgebungsverfahren verbundenen inhaltlichen Elemente findet man bei der Beratung des Haushalts ohne Abstriche wieder. Der öffentliche Austrag von Pro und Contra, die Darlegung widerstreitender Standpunkte, die Mobilisierung der öffentlichen Meinung und letztlich der Wählerschaft ist uneingeschränkt möglich und findet jedes Jahr von neuem statt204. So kann das Parlament seine Rolle als „Ausgleichsort der pluralistischen Interessen“ (Jesch) wahrnehmen und vor den Augen der Öffentlichkeit Wege zum Kompromiss konkurrierender Interessen aufzeigen205. 2. Begründete Zweifel an der Geltung des Haushaltsplans als gesetzlicher Grundlage ergeben sich jedoch dann, wenn die Veranschlagung wenig detailliert ausfällt, keine klare Zweckbestimmung erkennen lässt und für das Verwaltungshandeln keine Maßstäbe aufstellt. Dies sind Gesichtspunkte, die bei der Gewährung von Subventionen aufgrund Haushaltsplans zu Recht als Einschränkungen genannt werden206. Die Veranschlagung im Haushalt für den Erwerb bzw. Bau staatlicher Liegenschaften, die hier zu einer Widmung führen soll, ist aber so detailliert wie sonst kaum eine gesetzliche Regelung, da sie im Einzelfall die öffentliche Zweckbestimmung regelt. Sie fällt jedenfalls weitaus präziser aus als manche Bereitstellung von Haushaltsmitteln für Subventionen und bedarf – wiederum im Unterschied zu den meisten Subventionen aufgrund des Haushaltsplans – keiner weiteren Rechtsakte zu ihrer Umsetzung. Der Gesetzgeber selbst trifft die rechtlich maßgebliche Einzelfallentscheidung und delegiert nicht etwa die Ausfüllung einer nur allgemein gehaltenen Zweckbestimmung an die Verwaltung, die über Verwaltungsvorschriften Näheres regelt. Damit erfüllt die Widmung staatlicher Liegenschaften durch Veranschlagung im Haushalt ein höheres Maß an Detailgenauigkeit und an Konkretion der Zweckbestimmung, als bei der Gewährung von Subventionen mittels Haushaltsplan von der Rechtsprechung verlangt 201 BVerwGE 6, 282 (287), s. auch HessVGH ESVGH 14, 50 (63); Gröpl in: BK, Art. 110, Rn. 43; Heun, S. 280 f.; Rodi, S. 520. 202 Jesch, S. 172; Götz, S. 300; Rodi, S. 518 f. 203 Zu diesen Merkmalen Starck, S. 158 ff. 204 Kisker, NJW 77, S. 1315. 205 BVerfGE 70, 324 (355); Jesch, S. 172; Gröpl in: BK, Art. 110, Rn. 131. 206 Vgl. Ossenbühl, § 62, Rn. 21; s. auch schon Bachof, VVDStRL 12 (53), S. 63.
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wird207. Unter dem Gesichtspunkt der Klarheit und Detailliertheit der Zweckbestimmung spricht also nichts dagegen, für unsere Fallgruppe ausnahmsweise den Haushaltsplan als gesetzliche Grundlage auch für außenwirksame Regelungen ausreichen zu lassen208. Dieses Erfordernis der detaillierten Zweckbestimmung und der Stellenwert des Haushaltsgesetzgebungsverfahrens hängen eng miteinander zusammen: Nur wenn der Gesetzgeber selbst konkret den Zweck einer Mittelbereitstellung festlegt, kann dieser Willensäußerung des Parlaments eine über die bloße Ausgabeermächtigung hinausgehende Wirkung beigemessen werden, sie also als gesetzliche Grundlage für nach außen gerichtetes staatliches Handeln gewertet werden. 3. Schließlich sind die eigentumsrechtlichen Auswirkungen der hier zu bewertenden Widmung so begrenzt, dass sie mit der typischen Konstellation der Eingriffsverwaltung nicht mehr zu vergleichen sind. Bei den hier noch in Frage stehenden Liegenschaften handelt es sich um die Immobilien, die zum Zeitpunkt der Widmung im Eigentum des Staates stehen. Bei dieser Kategorie von Liegenschaften im Verwaltungsgebrauch ist unter dem Gesichtspunkt der Grundrechtsrelevanz eine bloße Inhalts- und Schrankenbestimmung festgestellt worden. Eine solche Inhalts- und Schrankenbestimmung ist aber nicht als Grundrechtseingriff zu qualifizieren; Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG gibt dem Gesetzgeber vielmehr ausdrücklich Gestaltungsspielraum, um das Eigentum – auch im Hinblick auf dessen Sozialbindung (Art. 14 Abs. 2 GG) – auszuformen; eine Beeinträchtigung des Eigentums durch eine Inhalts- und Schrankenbestimmung liegt daher regelmäßig nicht vor209. Übrigens bleibt auch die Leistungsverwaltung bei der Gewährung staatlicher Subventionen aufgrund Haushaltsplans nicht ohne Rückwirkungen auf grundrechtliche Positionen von Bürgern. Dies gilt für den Gleichheitssatz des Art. 3 GG, der bei der Abwicklung von Förderprogrammen zu beachten ist, aber auch für Freiheitsrechte Dritter (z. B. aus Art. 12 GG), die beeinträchtigt werden können, wenn sie nicht unterstützt werden, ihr Konkurrent jedoch in den Genuss staatlicher Hilfe kommt210. Aufgrund dieser Grundrechtsbezüge, die die Übergänge zwischen Eingriffs- und Leistungsverwal207 Vgl. etwa die Haushaltsveranschlagungen, die den Leitentscheidungen BVerwGE 6, 282 ff. und E 58, 45 ff. zugrunde lagen. 208 Vgl. Jesch, S. 186 u. S. 227, der bei detaillierter und konkreter Zweckbestimmung die Ermächtigung im Haushaltsplan ausreichen lässt. Ebenso Götz, S. 300; Rüfner, S. 225 und Rodi, S. 521. 209 Wieland in: Dreier, Art. 14, Rn. 66; Papier in: Maunz/Dürig, Art. 14, Rn. 347, 405; Bethge, VVDStRL 57 (98), S. 30, 50. Ebenso schon Weber in: Neumann/Nipperdey/Scheuner, S. 369. 210 Stern, JZ 60, S. 524. Vgl. aus der Rechtsprechung mit Blick auf Art. 4 GG BVerwGE 90, 112 (126).
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tung fließend erscheinen lassen, fordern Teile der Lehre, dass auch die leistende Verwaltung ihr Handeln auf eine gesetzliche Grundlage stellt, die über die Bereitstellung von Mitteln im Haushaltsplan hinausgeht211. Erkennt man aber die praktische Unmöglichkeit eines Totalvorbehalts des Gesetzes an212 und gesteht mit der herrschenden Meinung und der ständigen Rechtsprechung der Bereitstellung von Haushaltsmitteln zu, eine ausreichende gesetzliche Grundlage für staatliches Handeln auch bei Grundrechtsberührung zu liefern (so im Fall der Subventionen), so sollte dies auch für den eng umgrenzten Bereich der Widmung staatlicher Liegenschaften möglich sein, deren Grundrechtsrelevanz weitaus geringer ist und unterhalb der Eingriffsschwelle bleibt. Zum Schluss soll unterstrichen werden, dass der hier vorgestellte Lösungsansatz weit davon entfernt ist, das Machtgefüge zwischen Parlament und Regierung grundlegend zu verschieben, wie es befürchtet wird, wenn der Veranschlagung im Haushalt allgemein Außenrechtswirkung beigemessen werden sollte213. Vielmehr wird sachgerecht und auf eine bestimmte Problemlage bezogen eine Lösung gesucht, die das Interesse des Staates an der öffentlichen Zweckbestimmung seiner Liegenschaften und die Grundrechtsinteressen der Bürger abwägt und dann dafür die Außenrechtswirkung des Haushaltsplans ausnahmsweise zulässt. Eine Umstürzung der Rechtsverhältnisse zwischen den Verfassungsorganen rund um den Haushalt ist damit aber nicht verbunden; eine Ausdehnung dieser Lösung auf andere Sachverhalte ist mit den hier vorgebrachten Argumenten nicht möglich. Im Gegenteil ist die Lösung schon aus sich heraus wegen der dargelegten Begrenzungen nur eingeschränkt anwendbar. Einbettung in ein vollwertiges Gesetzgebungsverfahren, detaillierte und konkrete Zweckbestimmung, Fehlen einer Grundrechtsbeeinträchtigung, sachgerechte Lösung eines isolierten Rechtsproblems – dies sind die Eckpunkte eines Lösungsansatzes, der einer Mittelveranschlagung im Haushalt auf eine weit weniger verallgemeinerungsfähige Weise Außenrechtswirkung beimisst, als dies bei der Gewährung staatlicher Subventionen inzwischen anerkannt ist. Für den hier zu behandelnden Fall wurden insbesondere die zwei Standardargumente gegen eine solche Außenwirkung entkräftet: die fehlende Detailliertheit der Mittelveranschlagung und die grundrechtliche Eingriffswirkung des auf den Haushaltsplan zurückgeführten und deshalb gesetzliche Legitimation für sich beanspruchenden staatlichen Handelns.
211 212 213
Vgl. z. B. Maurer, § 6, Rn. 14. Siehe schon Stern, JZ 60, S. 525. Dazu nur Ossenbühl, § 62, Rn. 21. Stern, S. 1208.
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Abschließend soll noch einmal zur Dogmatik der gesetzlichen Grundlage für staatliche Leistungen zurückgekehrt werden. Die Gesichtspunkte, die dafür das Argumentationsgerüst bilden, passen genau für die Widmung staatlicher Liegenschaften durch Mittelveranschlagung im Haushalt. Ipsen hat diese Begründungskette zusammengefasst214, indem er zunächst „in der politisch gestaltenden und ermächtigenden Funktion der zweckgebundenen Mittelzuweisung durch das Parlament an die Exekutive“ den Ausgangspunkt für die gesetzliche Grundlage sieht. Diese parlamentarisch verursachte, in die Formen des Haushaltsrechts gegossene Mittelzuweisung entspricht „der Eigenart der Subventionierung“; diese Eigenart liegt nach Ipsen wiederum darin, „konkretisierte Staatszwecke zu erfüllen“. Die Eigenart der Widmung ist mit der einer Subvention strukturell gleichzusetzen. Auch durch die Widmung werden „konkretisierte Staatszwecke“ erfüllt: der gewidmeten Sache wird eine öffentliche Zweckbestimmung beigelegt; es wird in unseren Fall sogar ganz konkret die Verwendung der Sache als Finanzamt, Polizeidirektion, Berufsakademie etc. festgelegt. Das Merkmal der detaillierten und konkreten Regelung im Haushalt ist dabei von besonderer Bedeutung und hat daher in der bisherigen Betrachtung zu Recht großen Raum eingenommen. Fiele die Veranschlagung für staatliche Liegenschaften abstrakt aus, wäre nicht nur das sachenrechtliche Gebot der Spezialität verletzt, sondern die Übertragung der Rechtsgedanken aus der Argumentation zur Subvention würde scheitern. Bei der Widmung staatlicher Liegenschaften wie bei der Subvention werden also durch die Mittelveranschlagung im Haushalt „konkretisierte Staatszwecke“ erfüllt. Für die Frage nach der gesetzlichen Grundlage stellt Ipsen als Schlussfolgerung fest: „Das Etatrecht des Grundgesetzes liefert eben seine besondere Ausgestaltung des demokratischen und des Gesetzmäßigkeitsprinzips für den Subventionsbereich der Leistungsverwaltung, die sich als für ihre spezifische Strukturen geeignet und adäquat erweist.“ Für die Widmung von im Eigentum des Staates befindlichen Liegenschaften im Verwaltungsgebrauch ist diese Schlussfolgerung genauso zutreffend. Speziell für die Gruppe von staatlichen Liegenschaften im Verwaltungsgebrauch konnte diese spezifische Eignung dargelegt werden. ee) Ergebnis Für die Widmung von Liegenschaften im Verwaltungsgebrauch lässt sich eine gesetzliche Grundlage aus der Veranschlagung von Mitteln zu ihrer Errichtung und Beschaffung im durch Haushaltsgesetz festgestellten Haushaltsplan nach214
Ipsen, VVDStRL 25 (67), S. 292.
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1. Teil: Liegenschaftsverwaltung und Liegenschaftsmanagement
weisen. Mittelveranschlagung im Haushalt und öffentliche Zweckbestimmung sind untrennbar miteinander verwoben – eine Interpretation, die sich zusätzlich auf die Regelung in § 63 Abs. 1 BHO/LHO stützen kann. Diese gesetzliche Grundlage der Widmung erfasst aufgrund der soeben dargelegten Voraussetzungen für die Außenwirkung der Veranschlagung im Haushaltsplan, aufgrund des sachenrechtlichen Bestimmtheitsgebots und aufgrund des qualifizierten Gesetzesvorbehalts für Enteignungen in Art. 14 Abs. 3 S. 2 GG aber nur Liegenschaften, deren Errichtung oder Beschaffung im Haushaltsplan individuell vorgesehen ist und die zum Zeitpunkt der Widmung im Eigentum des Staates stehen. Nicht erfasst sind angemietete Liegenschaften und im Wege der Rechtsnachfolge erworbene staatliche Liegenschaften. Für die Vorrangwirkung der Widmung bei den Liegenschaften im Verwaltungsgebrauch ergibt sich somit folgendes Bild: Für vom Staat angemietete Liegenschaften im Verwaltungsgebrauch hat das Verdikt der fehlenden Vorrangwirkung mangels gesetzlichen Grundlage unverändert Gültigkeit; insoweit kommt eine öffentlich-rechtliche Sachherrschaft wegen Verstoßes gegen Art. 14 und 20 GG nicht in Betracht. Dagegen ist für Liegenschaften im Verwaltungsgebrauch, die im Eigentum des Staates stehen, eine ausreichende gesetzliche Grundlage für die Vorrangwirkung der Widmung und die damit verbundene Einschränkung zivilrechtlicher Positionen eines späteren privaten Erwerbers aufgezeigt worden (mit Ausnahme der historisch dem Staat durch Gesamtrechtsnachfolge zugewachsenen Liegenschaften). Die Konsequenz daraus fällt etwas überraschend aus. Zwar ist der hier aufgezeigte Lösungsansatz nicht geeignet, für Sachen oder auch nur allgemein für Liegenschaften im Verwaltungsgebrauch eine gesetzliche Grundlage für die Vorrangwirkung der Widmung zu liefern. Trotz aller Begrenzungen weist dieser Ansatz aber in der für die politische Praxis am Beispiel des „Kieler Immobiliengeschäfts“ besonders relevanten Fallkonstellation – nämlich der Veräußerung von im Eigentum des Staates stehenden und aufgrund individueller Mittelveranschlagung im Haushalt beschafften bzw. bebauten Liegenschaften – eine gesetzliche Grundlage für die Widmung nach. Werden solche Liegenschaften an Private veräußert215, so wird deren zivilrechtliche Eigentumsposition in rechtlich zulässiger Weise durch die öffentliche Sachherrschaft überlagert; eine Nutzung ist daher nur nach Maßgabe der Widmung möglich. Selbst einer Totalveräußerung solcher gesetzlich gewidmeten staatlichen Liegenschaften steht damit unter dem Gesichtspunkt des öffentlichen Sachenrechts nichts entgegen; die öffent-
215 Allerdings wäre im Fall des „Kieler Immobiliengeschäfts“ konkret zu prüfen, ob im Einzelfall jede von der Veräußerung betroffene Liegenschaft den genannten Anforderungen entspricht; es könnten nämlich auch dem Land Schleswig-Holstein historisch zugewachsene Immobilien darunter sein.
C. Rechtsform, Wirtschaftlichkeit und Eigentumszuordnung
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liche Zweckbestimmung dieser Liegenschaften wird aufgrund der Wirkung der Widmung nicht gemindert. 2. Die Rechtswirklichkeit der Eigentumsübertragung Ähnlich wie bei der Rechtsform gilt, dass aus den Grundsätzen des Facility Managements nicht zwingend abzuleiten ist, dass zum erfolgreichen Liegenschaftsmanagement die dafür zuständige zentrale Stelle Eigentümer der Liegenschaften ist. Die Frage der Eigentumszuordnung hat im Verlauf der Liegenschaftsverwaltungsreformen an Bedeutung verloren. In Schleswig-Holstein beharrte die Landesregierung bis zuletzt auf der Eigentumsübertragung als Schlüssel zur Wirtschaftlichkeit216. Bei späteren Reformen hörte sich das dann anders an. So sagte zum Beispiel der damalige Finanzminister Steinbrück (Nordrhein-Westfalen) zur Frage der Eigentumsübertragung217: „Dabei ist es [. . .] völlig sekundär, ob sie als Mieter tätig sind und dabei erzielte Verbesserungen [. . .] selber verwenden können, oder ob sie als Eigentümer zivilrechtlich in das Eigentum der Liegenschaften eingeführt sind.“ Dementsprechend ist bei den Landesbetrieben auf Eigentumsübertragungen entweder ganz verzichtet worden (so in RheinlandPfalz, wo der Landesbetrieb nur „wirtschaftlicher Eigentümer“ ist218, und Baden-Württemberg); oder es ist nur zum Zwecke der Bildung von Sondervermögen beim Landesbetrieb ohne Wertausgleich Eigentum zugewiesen worden, ohne dass ein zivilrechtlicher Eigentumsübergang stattgefunden hat219. Da ein Sondervermögen gem. § 26 Abs. 2 BHO/LHO eine rechtlich unselbständige Vermögensmasse ist, die neben dem Staat als Fiskus kein eigenständiges Privatrechtssubjekt bildet, sind diese Sondervermögen strukturell gar nicht dazu befähigt, eigenständig zivilrechtliches Eigentum an Liegenschaften zu erwerben. Dies gilt auch für die durch das Errichtungsgesetz zur Teilrechtsfähigkeit ertüchtigten Sondervermögen, da diese Teilrechtsfähigkeit wiederum in keinem der vorliegenden Fälle so weit geht, dass eine eigenständige zivilrechtliche Eigentümerstellung kreiert wird. Auch darf es so weit gar nie kommen, da ein Sondervermögen, das ein solches Maß an rechtlicher Eigenständigkeit erreichen würde, gar nicht mehr als Sondervermögen nach § 26 Abs. 2 BHO/LHO zu qualifizieren wäre. Diese Zurückhaltung ist mittelbar als Reaktion auf die umstrittene Liquiditätsschöpfung nach dem Sale-Lease-Back-Modell Schleswig-Holsteins zu be216
Vgl. nur LT SH, Umdruck 14/934. LT NRW, PlPr 13/16, S. 1375 (C). 218 Vgl. Organisationsverfügung Ziff. 3a, MinBl. RP 02, S. 479. 219 So ausdrücklich die Begründung zu § 2 Abs. 2 BLBG in NRW (vgl. LT NRW, Drs. 13/189, S. 15). 217
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1. Teil: Liegenschaftsverwaltung und Liegenschaftsmanagement
werten, auch wenn darauf nicht explizit eingegangen wird: Im Vordergrund der Gesetzesbegründungen steht jeweils das Abweichen von § 61 Abs. 3 LHO, um die Startposition des Sondervermögens durch Stärkung des Eigenkapitals betriebswirtschaftlich zu verbessern220 bzw. eine Kreditaufnahme gleich zu Beginn der Geschäftstätigkeit zu vermeiden („haushaltsneutraler“ Start)221. Allein Schleswig-Holstein hat umfangreiche Eigentumsübertragungen an die IB, also an eine öffentlich-rechtliche Anstalt, vorgenommen. Jüngst hat aber der Bund für den Übergang der BVV in die BImA ebenfalls diesen Weg gewählt. Davon zu unterscheiden ist die Fallgruppe der zivilrechtlichen Übereignung von nicht mehr benötigten Liegenschaften, die einer Verwertung oder Entwicklung zugeführt werden sollen und zu diesem Zweck an selbständige Personen des Privatrechts übertragen werden. In Berlin hat davon der Liegenschaftsfonds Berlin GmbH & Co. KG profitiert. Bei der Bundeswehr sollten ebenfalls nicht betriebsnotwendige Liegenschaften mit Entwicklungspotential auf Tochtergesellschaften der b. l. g. – mit privater Beteiligung – übertragen werden (dagegen sollte die b. l. g. die betriebsnotwendigen Liegenschaften nur als „wirtschaftlicher Eigentümer“ erhalten). Unter dem Blickwinkel der Eigentumsverhältnisse an den Liegenschaften ist somit festzuhalten, dass mit Ausnahme der Sale-Lease-Back-Operation in Schleswig-Holstein und der Errichtung der BImA keine umfassenden Eigentumsverschiebungen im Zuge der Neuordnung des Liegenschaftswesens stattgefunden haben.
220 So in NRW vgl. Begründung zu § 2 Abs. 3 BLBG (LT NRW, Drs. 13/189, S. 16). 221 So geschehen in Mecklenburg-Vorpommern (vgl. die Begründung zu § 2 BBLG, LT MV, Drs. 3/2264 (neu), S. 14).
2. Teil
Staatliches Liegenschaftsmanagement im Nebenhaushalt als Herausforderung für die Haushaltsverfassung Über die soeben behandelten und in ihrer Tragweite vergleichsweise überschaubaren Strukturfragen der Reorganisation hinaus wirft die Neuordnung des staatlichen Liegenschaftswesens weitreichende Fragen der Haushaltsverfassung auf. Hauptzweck der haushaltsrechtlichen Vorschriften des Grundgesetzes in Art. 110 ff. GG ist die parlamentarische Entscheidung und Kontrolle über das Finanzgebaren, genauer: das Ausgabeverhalten, der Exekutive222. Die Entstehungsgeschichte und Bestandsaufnahme der Neuordnung des Liegenschaftsmanagements geben genügend Anlass zu Wachsamkeit in solchen Fragen.
A. Das Problem Nebenhaushalt: Verfassungsregeln für die Budgetflucht I. Staatliches Liegenschaftswesen als Nebenhaushalt Alle in der Bestandsaufnahme festgehaltenen Lösungen zur Neuordnung des staatlichen Liegenschaftswesens werfen ungeachtet der konkret gewählten Rechtsform dasselbe strukturelle Problem auf: sie entkoppeln das Liegenschaftswesen ein Stück weit vom ordentlichen Staatshaushalt, indem sie eine zumindest wirtschaftlich eigenständige Einheit schaffen, deren Finanzgebaren im Unterschied zu dem der unmittelbaren staatlichen Verwaltung nicht mehr in vollem Umfang im Staatshaushalt abgebildet wird223. Kurz: es wird ein Nebenhaushalt geschaffen. Die Definition des Nebenhaushalts, wie sie mangels klarer gesetzlicher Normierungen und nach vielen Jahren nur kasuistisch geprägten Sprachgebrauchs in jüngerer Zeit von der Fachliteratur herausgearbeitet wurde, stellt darauf ab, dass staatliche Aufgaben und die Bewirtschaftung der dazu erforderlichen staatlichen 222 Badura, Abschn. I, Rn. 88; Maunz in: Maunz/Dürig, Art. 110, Rn. 5. Zur eng damit verknüpften Legitimationswirkung für staatliches Finanzgebaren vgl. Kilian, S. 541; zum Zusammenhang mit dem Demokratieprinzip vgl. BVerfGE 45, 1 (32) und Gröpl in: BK, Art. 110, Rn. 7, 27. 223 So wird bei Landesbetrieben nur die jährliche Zuführung in den Haushalt eingestellt.
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2. Teil: Staatliches Liegenschaftsmanagement im Nebenhaushalt
Mittel außerhalb des Staatshaushalts abgewickelt werden. Während Kilian von „mit eigener Finanz- und Haushaltshoheit ausgestattete[n] Institutionen“224 spricht, will Puhl möglichst umfassend die Erscheinungsformen der Budgetflucht erfassen und verzichtet auf das Merkmal einer institutionellen Verfestigung oder Absonderung225: „Nebenhaushalte des Bundes [. . .] bestehen in jeglicher Bewirtschaftung von Geld, die der Finanzwirtschaft des Bundes zuzurechnen ist, ohne vollständig im Bundeshaushalt veranschlagt oder durch verfassungsunmittelbare Notkompetenzen der Art. 111 und 112 GG gedeckt zu sein.“ Mit Blick auf die parlamentarische Kontrolle des staatlichen Ausgabegebarens ist in der Tat eine organisatorische Verselbständigung nicht erforderlich, um Ausgaben, die im Haushalt nicht auftauchen, als bedenklich erscheinen zu lassen. Die Neuordnung des staatlichen Liegenschaftswesens, wie sie hier dargestellt wurde, hat regelmäßig auch zu einer organisatorischen Veränderung geführt, die eine mindestens wirtschaftliche Eigenständigkeit institutionell abgesichert hat, sei es durch Gründung eines Landesbetriebs oder eines Sondervermögens, also durch rechtlich unselbständige Einheiten, sei es durch formelle Privatisierung oder Anstaltsgründung, also durch rechtlich selbständige Einheiten. Auch die engere, eine institutionelle Verfestigung fordernde Definition eines Nebenhaushalts ist dadurch erfüllt. Festzuhalten bleibt somit: Die Neuordnung des Liegenschaftswesens ging mit der Bildung von Nebenhaushalten einher. II. Vom Nebenhaushalt zum Schattenhaushalt – Zulässigkeit der Nebenhaushalte Damit diese Nebenhaushalte nicht zu verfassungsrechtlich unzulässigen Schattenhaushalten verkommen, müssen sie den Vorgaben der (Haushalts-)Verfassung entsprechen. Zunächst werden zwei Aspekte herausgegriffen, die in der Entstehungsgeschichte und in der Herausbildung der neuen Rechtsformen besonders bedeutsam waren. Zum einen soll auf den zentralen Maßstab für die Ausgliederung von Aufgaben aus dem ordentlichen Haushalt eingegangen werden: Nach Art. 110 Abs. 1 GG muss das Prinzip der Einheit und Vollständigkeit des Haushalts gewahrt werden. 224 Kilian, S. 275 und mit gleicher Stoßrichtung auf S. 287: „ein auf Dauer angelegtes, organisatorisch verfestigtes [. . .] Finanzgebaren“. 225 Puhl, S. 37, ihm folgend Gröpl in: BK, Art. 110, Rn. 97, und Höfling in: BK, Art. 115, Rn. 383. Selbstverständlich gilt diese Begriffsbestimmung in gleicher Weise für die Länder.
A. Verfassungsregeln für die Budgetflucht
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Zum anderen soll nach der Erfahrung mit dem „Kieler Immobiliengeschäft“, aber auch angesichts der im politischen Raum im Vorfeld der Änderungen immer wieder geäußerten Befürchtungen Art. 115 GG näher beleuchtet werden. Er stellt Regeln und Grenzen für die Kreditaufnahme bereit, die durch Nebenhaushalte unterlaufen werden können. 1. Nebenhaushalte und die Einheit und Vollständigkeit des Haushalts a) Das Einheitsprinzip und seine Durchlöcherung Art. 110 Abs. 1 S. 1 1. Hs. GG schreibt vor, dass alle Einnahmen und Ausgaben des Bundes in den Haushaltsplan einzustellen sind. Normen gleichen Inhalts kennen alle Landesverfassungen226; und § 11 Abs. 1 BHO/LHO greift diesen Regelungsgehalt ebenfalls auf. All diesen Bestimmungen liegt das Prinzip der Einheit und Vollständigkeit des Budgets zugrunde, das schon in den deutschen Vorläuferverfassungen verankert war. Dabei meint Einheit des Budgets, dass alle Haushaltsveranschlagungen einer Etatperiode in ein und demselben Budget durchzuführen sind und nicht auf verschiedene Haushaltspläne verteilt werden dürfen227. In einem sachlich sehr engen Zusammenhang damit verlangt der Grundsatz der Vollständigkeit des Budgets, dass „alle“ Einnahmen und Ausgaben ohne Ausnahme etatisiert werden und dass insbesondere keine Vorabsaldierung von Einnahmen und Ausgaben stattfindet, also die Einnahme- oder Ausgabeseite verkürzt abgebildet wird. Dieses – einfachgesetzlich in § 12 Abs. 1 S. 1 HGrG und § 15 Abs. 1 S. 1 BHO/LHO normierte – Bruttoprinzip, das eine Nettobudgetierung grundsätzlich verbietet, ist nach inzwischen wohl überwiegender Meinung verfassungsrechtlich garantierter Bestandteil des Vollständigkeitsprinzips228, weil dieses ansonsten nur allzu leicht unterlaufen werden könnte. Diese auf den ersten Blick eindeutige „Absage an Sonder-, Neben-, und Schattenhaushalte“229 wird schon im Verfassungstext selbst mit einer Ausnahme versehen: nach Art. 110 Abs. 1 S. 1 2. Hs. GG ist es für Bundesbetriebe und Sondervermögen ausreichend, die Zuführungen bzw. Ablieferung einzustellen. Wortgleiche verfassungsunmittelbare (also keine weitere einfachgesetzliche Ermächtigung erfordernde) Ausnahmebestimmungen finden sich auch in den meisten Landesverfassungen230. In Hessen existiert eine gesonderte Öffnungsklausel 226
Vgl. z. B. Art. 79 Abs. 1 S. 1 bw LV. Vgl. dazu schon Neumark, S. 194; im übrigen Puhl, S. 114 f. m.w. N. 228 Vgl. Gröpl in: BK, Art. 110, Rn. 111, m.w. N. und ausführlich Puhl, S. 248 ff. Anderer Auffassung mit Verweis auf Entstehungsgeschichte z. B. Maunz in: Maunz/ Dürig, Art. 110, Rn. 33. 229 So Patzig, § 11 BHO, Rn. 4. 230 Vgl. z. B. Art. 79 Abs. 1 S. 1 2. Hs. bw. LV. 227
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2. Teil: Staatliches Liegenschaftsmanagement im Nebenhaushalt
für „ertragswirtschaftliche Unternehmungen“ (Art. 88 hess. LV); in Berlin eröffnet Art. 85 Abs. 1 S. 2 2. Hs. LV mit seinem allgemein gehaltenen Wortlaut („in besonderen Ausnahmefällen“) die Ausnahmemöglichkeit für Landesbetriebe und Sondervermögen231. In beiden Fällen muss ein Gesetz dazu ermächtigen, was aufgrund der § 26 LHO unproblematisch gegeben ist. Dagegen fehlt es in Bayern, Bremen, Hamburg und im Saarland an jeglicher Regelung einer Ausnahmemöglichkeit in der Landesverfassung, so dass auf der Ebene des (vorrangigen) Landesverfassungsrechts keine Ausnahme von der Einheit des Budgets vorgesehen ist, obwohl jeweils § 26 Abs. 1 LHO einfachgesetzlich diese Ausnahme ermöglicht. Dieser problematische Normbefund ist rechtlich nicht einfach zu bewältigen. Der Versuch, diese Lage mit dem Hinweis auf § 15 RHO (jetzt § 26 BHO) zu bereinigen232, muss jedenfalls fehlschlagen. Zwar stünde § 26 BHO als einfaches Bundesgesetz in der Normenpyramide über Landesverfassungsrecht, doch gilt diese Vorschrift gemäß Art. 109 Abs. 1 GG (Grundsatz der Haushaltsautonomie von Bund und Ländern) nur für den Bund, nicht aber für die Länder. Auch für die Situation vor Einführung von BHO und LHO ergibt sich nichts anderes. Zwar galt damals die RHO (und galten damit die Ausnahmevorschriften der §§ 9, 9a, 9b und 15 RHO) als vorkonstitutionelle Norm für Bund und Länder gleichermaßen, aber wiederum aufgrund Art. 109 Abs. 1 GG jeweils gesondert für den Bund als weiter geltendes Bundesrecht und für die Länder als weiter geltendes Landesrecht233 (und gerade nicht als über Landesrecht stehendes Bundesrecht). Indessen greift § 18 HGrG die einschlägigen Verfassungsnormen des Bundes und der (meisten) Länder auf und eröffnet ausdrücklich die Möglichkeit, bei Bundes- und Landesbetrieben (Abs. 1) und bei Sondervermögen (Abs. 2) nur die Zulieferungen bzw. Abführungen zu veranschlagen. Anders als die Vorschriften in Teil II schafft diese im Teil I des HGrG angesiedelte Norm zwar kein unmittelbar für Bund und Länder geltendes Recht, sondern stellt nur Grundsätze für die Haushaltsgesetzgebung der beiden staatlichen Ebenen auf (§ 1 S. 1 HGrG). Gemäß § 1 S. 2 HGrG sind Bund und Länder aber verpflichtet, ihr Haushaltsrecht danach auszurichten, also auch eine Regelung mit dem Inhalt des § 18 HGrG zu treffen. Diesen Gesetzgebungsauftrag haben der Bund und alle Länder mit § 26 BHO/LHO erfüllt. Für die Vorschriften jener Landesverfassungen, die keinen Dispens kennen, hat § 18 HGrG aber noch eine darüber hinaus gehende Bedeutung: Hier ist der Anknüpfungspunkt im geschriebenen Recht, der auch in jenen Ländern über 231 232 233
Pfennig in: Pfennig/Neumann, Art. 85, Rn. 7. So für Bayern Schweiger in: Nawiasky, Art. 78, Rn. 3. Näher dazu Vogel/Wiebel in: BK, Art. 109, Rn. 147.
A. Verfassungsregeln für die Budgetflucht
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den Text der Landesverfassung hinaus die Dispensmöglichkeit eröffnet. Denn in seinen beiden Teilen hat das HGrG weitreichende Wirkungen auf das Landesrecht einschließlich des Landesverfassungsrechts. Für das – § 18 HGrG nicht umfassende – unmittelbar geltende Recht des Teils II des HGrG gilt, dass entgegenstehendes Landesrecht und Landesverfassungsrecht gemäß Art. 31 GG nichtig ist234. Für die Verpflichtung auf die Haushaltsgrundsätze des Teils I und damit auf eine Regelung nach § 18 HGrG gilt zunächst, dass Bund und Länder – mithin auch die Länder ohne konstitutionelle Dispensnorm – die Pflicht zur Anpassung ihres Haushaltsrechts haben. Entscheidend für unsere Frage ist dabei, dass diese Verpflichtung aufgrund Art. 31 GG auch gegen widersprechendes Landesverfassungsrecht gilt235; aufgrund der bundesrechtlichen Verpflichtung auf die Haushaltsgrundsätze kann also durch Landesgesetz ohne formelle Verfassungsänderung und allein aufgrund der Vorrangwirkung des Art. 31 GG einfaches Landeshaushaltsrecht geschaffen werden, das dem Landesverfassungsrecht entgegensteht. Genau dies ist in den Ländern ohne Dispensnorm in der Verfassung durch die Verabschiedung des § 26 LHO geschehen. Ohne auf die Rechtswirkung von § 18 HGrG einzugehen, wird in der Kommentierung der Landesverfassungsnormen der Dispens daher mit dem schlichten Verweis auf § 26 LHO begründet236. Anders als bei inhaltlich konträr stehendem Landesverfassungsrecht bleiben die Verfassungsvorschriften über die Einheit und Vollständigkeit des Budgets in den betroffenen Ländern in Kraft, da es hier nur um eine Ergänzung geht, die die Möglichkeit einräumt, Ausnahmen zu erlauben. Denn die Dispensvorschriften für Bundes- und Landesbetriebe sowie Sondervermögen eröffnen eine Verfassungsoption zur Ausnahme und stellen nicht etwa eine Verfassungsobligation zur Ausnahme auf: Bundes- bzw. Landesbetriebe sowie Sondervermögen können in ihrem Finanzgebaren auch voll umfänglich im Haushalt abgebildet werden, sie müssen es aber nicht237. § 18 HGrG ist folglich die rechtliche Grundlage dafür, dass über den Wortlaut der Landesverfassungsnormen hinaus in verfassungsmäßiger Weise in § 26 LHO ein Dispens für Landesbetriebe und Sondervermögen in jenen Ländern geschaffen wurde, die diese Ausnahme nicht von Verfassung wegen kennen. § 26 LHO allein wäre nicht ausreichend, da diese Vorschrift als einfaches Gesetz in der landesrechtlichen Normenpyramide im Rang unter dem Landesverfassungsrecht einzustufen ist. Es bedarf des Brückenschlags zum Bundesrecht aus § 18 HGrG, das nach landesrechtlicher Umsetzung wegen der Vorrang-
234 Piduch in: Piduch, Art. 109, Rn. 35; Rodi in: BK, Art. 109, Rn. 348 (m.w. N. einschl. der z. T. abweichenden Begründungen aus Art. 72 Abs. 1 bzw. 109 Abs. 3 GG). 235 So ausdrücklich Piduch in: Piduch, Art. 109, Rn. 35. 236 Vgl. für Bayern Meder, Art. 78, Rn. 3 und für Hamburg David, Art. 66, Rn. 15. 237 Puhl, S. 133, 139. Ebenso schon Vialon, S. 207.
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2. Teil: Staatliches Liegenschaftsmanagement im Nebenhaushalt
wirkung des Art. 31 GG auch entgegenstehendes Landesverfassungsrecht überwindet. Neben der ausdrücklichen Dispensregelung in § 18 HGrG und ihrer Einwirkung auf das Landesverfassungsrecht gibt es auch Hinweise dafür, dass der Dispens für Landesbetriebe und Sondervermögen aufgrund langjähriger Rechtspraxis und allgemeiner Rechtsauffassung zu Verfassungsgewohnheitsrecht geworden ist. Aus der Entstehungsgeschichte des Art. 110 GG geht nämlich hervor, dass eine ausdrückliche Ausnahmebestimmung im Verfassungstext für entbehrlich gehalten wurde238. Schließlich war in der Vorläufernorm des Art. 85 Abs. 1 WRV ebenfalls keine verfassungsrechtliche Ausnahmebestimmung enthalten, was die Geltung der vorgenannten einfachgesetzlichen Ausnahmen durch RHO keineswegs beeinträchtigte. Umgekehrt ist in der Landesverfassung von Bayern nach dem Zweiten Weltkrieg die Ausnahmebestimmung nach § 79 Abs. 1 der bayrischen Verfassung von 1919 entfallen, ohne dass sich dadurch an der Zulässigkeit der Ausnahmen für Landesbetriebe etwas geändert hätte239. All dies spricht dafür, dass das Prinzip der Einheit und Vollständigkeit des Haushalts in der deutschen Verfassungstradition seit dem Aufkommen der Nebenhaushalte240 Ausnahmen für diese einräumt, ohne dass dies einer verfassungsrechtlichen Ermächtigung bedarf. Auch ist kein Grundsatz ersichtlich, der Ausnahmen von verfassungsrechtlich verankerten Haushaltsgrundsätzen an eine explizite Ermächtigung in der Verfassung koppeln würde. Die Bund und Länder gleichermaßen verpflichtende Festschreibung der Ausnahmeregel in § 18 HGrG ist unter diesem Gesichtspunkt als Normierung von ungeschriebenen Verfassungsgewohnheitsrecht zu bewerten. Die Umsetzung in einfaches Haushaltsrecht und ihre insoweit Landesverfassungsrecht überspielende Rechtswirkung führt aber dazu, dass heute § 18 HGrG iVm. § 26 LHO alleiniger Rechtsgrund für die Verfassungsmäßigkeit der Ausnahmeregel auch in jenen Ländern ist, die in ihrer Landsverfassung keinen Dispens enthalten. Ein Rückgriff auf Verfassungsgewohnheitsrecht scheidet damit aus. Mithin sind trotz Fehlens einer ausdrücklichen Ausnahmeregelung auf Verfassungsebene in Bayern, Bremen, Hamburg und im Saarland dort Landesbetriebe und Sondervermögen in verfassungskonformer Weise vom Einheitsprinzip ausgenommen. Hinzu kommt eine gleichfalls im Normtext des Art. 110 Abs. 1 S. 1 GG angelegte Einschränkung, deren Folgen genauso weit reichen wie die der Aus238
Füßlein, JöR 51, S. 811. Vgl. Schweiger in: Nawiasky, Art. 78, Rn. 3. 240 Zu deren Geschichte ausführlich Kilian, S. 308 ff. (insbesondere zur Weimarer Zeit S. 325 ff.). 239
A. Verfassungsregeln für die Budgetflucht
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nahme für Bundesbetriebe. Denn nur die Einnahmen und Ausgaben „des Bundes“ fallen in seinen Anwendungsbereich; nach völlig herrschender Auffassung ist damit nur der Bund als Gebietskörperschaft mit den ihm zugeordneten unselbständigen Verwaltungseinheiten erfasst, nicht aber juristische Personen öffentlichen oder privaten Rechts, an denen der Bund beteiligt ist241. In parallel laufender Auslegung muss für die identisch strukturierten Bestimmungen der Länder die gleiche Einschränkung vorgenommen werden. Dafür ist der Wortlaut ins Feld zu führen, sprechen doch die Landesverfassungen stets von den Einnahmen und Ausgaben „des Landes“. Ebenso gebietet die systematisch-synoptische Interpretation dieser gleich lautenden Normen in Bund und Ländern, dass das Gebot der Einheit und Vollständigkeit des Budgets einheitlich gehandhabt wird. Überhaupt haben Bund und Länder angesichts strukturell gleich gelagerter Fragestellungen im Haushaltsrecht ein für deutsche Verhältnisse außerordentlich hohes Maß an Homogenität in der Rechtsetzung hergestellt – erst recht seit der Finanzreform 1969. Neben den Regelungen einfachen Rechts in HGrG und in BHO/LHO gilt diese „stark unitarisierende Wirkung“ (Gröpl) auch für die Normen des Haushaltsverfassungsrechts242. Das Prinzip der Vollständigkeit und Einheit wird folglich schon von Verfassung wegen merklich aufgeweicht: das Grundgesetz ist offen für Nebenhaushalte243. Harte materielle Schranken für die Ausgliederung von Nebenhaushalten vermag eine solche Verfassungslage kaum aufzustellen. Zwar ergibt sich aus dem Regel-Ausnahme-Charakter, in dem die Festschreibung des Einheitsprinzips des Art. 110 Abs. 1 S. 1 1. Hs. GG zu dessen zweiten Halbsatz steht, dass die vollständige Veranschlagung im Haushalt die verfassungsrechtliche Normallage darstellt244 und die Ausgliederung als Ausnahmetatbestand einer besonderen Rechtfertigung bedarf245. Gleichzeitig wird bei verfassungsrechtlich eingeräumten Ausnahmekompetenzen regelmäßig von einem weiten Einschätzungsund Beurteilungsspielraum ausgegangen, so dass allenfalls das Missbrauchsverbot als letzte Sperre eingreifen kann246. Diese allgemein gehaltenen Leitlinien für die Errichtung von Nebenhaushalten können nicht befriedigen. Zwei Ansatzpunkte für restriktivere Regeln bieten 241 Vgl. dazu ausführlich Puhl, S. 119 ff. sowie Hillgruber in: v. Mangoldt-Starck, Art. 110, Rn. 33 ff. 242 Vgl. Gröpl in: BK, Art. 110, Rn. 194. 243 So ausdrücklich Höfling/Rixen in: BK, Art. 115, Rn. 382. 244 So auch nachdrücklich BVerfGE 82, 159 (178 f.) und BVerfGE 91, 186 (201 f.). 245 Vgl. Puhl, S. 168, 173. Ebenso P. Kirchhof, HbdStR IV, § 88, Rn. 25; F. Kirchhof, VVDStRL 52 (93), S. 104 mit Rechtfertigungskategorien; Selmer in: FS Stern, S. 584; Kilian, S. 545 ff.; Wendt in: Ipsen, S. 43; Jahndorf, S. 77 ff.; Gröpl in: BK, Art. 110, Rn. 99 f.; Höfling/Rixen in: BK, Art. 115, Rn. 442 f.; Siekmann in: Sachs, Art. 110, Rn. 93. Derartige Rechtfertigungsanforderungen ablehnend Hillgruber in: v. Mangoldt/Starck, Art. 110, Rn. 40; Kämmerer, S. 361. 246 Vgl. Puhl S. 169 f. m.w. N. und S. 173 f.
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2. Teil: Staatliches Liegenschaftsmanagement im Nebenhaushalt
sich an: eine mit inhaltlichen Rechtfertigungskategorien angereicherte formale Einschränkung mittels Gesetzesvorbehalts und der Versuch, eine absolute Grenze zu ziehen, um die uferlose Ausweitung von Nebenhaushalten zu unterbinden, selbst wenn sie aufgrund eines Gesetzes und unter Beachtung aller Rechtfertigungsgründe gebildet werden. b) Ein Gesetzesvorbehalt für Nebenhaushalte aa) Der haushaltsrechtliche Gesetzesvorbehalt für Nebenhaushalte Nebenhaushalte durchbrechen die Einheit und Vollständigkeit des Budgets, die durch Art. 110 Abs. 1 S. 1 1. Hs. GG (und die entsprechenden Normen der Landesverfassungen) garantiert wird. Die Einheit und Vollständigkeit des Budgets ist direkt mit dem Haushaltsgesetzesvorbehalt gemäß Art. 110 Abs. 2 S. 1 GG247 verknüpft, denn sie wird im Haushaltsplan verwirklicht, der nach diesen Vorschriften nur als Gesetz festgestellt werden darf. Die Auslagerung staatlichen Finanzgebarens in Nebenhaushalte unterläuft das parlamentarische Budgetrecht, da nicht mehr alle Einnahmen und Ausgaben in diesem durch Gesetz beschlossenen Haushaltsplan enthalten sind. Daher folgt aus Art. 110 Abs. 2 S. 1 GG ein Gesetzesvorbehalt für Nebenhaushalte248. Andernfalls könnte dieser Haushaltsgesetzesvorbehalt durch die Ausgliederung von Teilen der staatlichen Finanzwirtschaft untergraben werden. Der Sinn und Zweck dieser Regelung – nämlich die Entscheidungsbefugnis der Legislative über das Ausgabeverhalten der Exekutive zu sichern – würde verfehlt, wenn die grundsätzlich zulässige Auslagerung von Teilen staatlichen Finanzgebarens in Nebenhaushalte allein durch Exekutivakt geschehen dürfte. Die Offenheit der Verfassung für Nebenhaushalte muss im Lichte der Funktion des Haushaltsgesetzesvorbehalts ausbalanciert werden. Diese Aussage geht weit über die überwiegend anerkannte Regel249 hinaus, dass Sondervermögen nur durch Gesetz gebildet werden dürfen. Diese Regel ist zwar durch die einschlägigen Verwaltungsvorschriften250 sogar zum Definitionsmerkmal des Sondervermögens erhoben worden, bleibt aber ohne nähere Begründung und ist daher hier nicht weiter zweckdienlich251.
247 Die Landesverfassungen enthalten identische Haushaltsgesetzesvorbehalte vgl. Art. 79 Abs. 2 S. 1 bw LV. 248 Puhl, S. 177; Kilian, S. 905; Hillgruber in: v. Mangoldt/Starck, Art. 110, Rn. 42, 77; Gröpl in: BK, Art. 110, Rn. 99. 249 Vgl. Piduch, § 26, Rn. 5, § 113, Rn. 1; Dommach in: Heuer, § 26, Rn. 3. Genauso Kilian, S. 631 f. 250 Vgl. statt aller Vorl.VV zu § 26 BHO, Ziff. 2.1. 251 Dazu kritisch Puhl, S. 127 und S. 176. Ähnlich Kilian, S. 630.
A. Verfassungsregeln für die Budgetflucht
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Nach der Einrichtung durch Gesetz ist auch für das laufende Geschehen im Nebenhaushalt eine parlamentarische Kontrolle durch Rückkopplung an den Staatshaushalt zu gewährleisten, indem das Finanzgebaren der Nebenhaushalte durch Wirtschaftspläne usw. dergestalt in den Staatshaushaltsplan eingebunden wird, dass die Auswirkungen dieses Handelns im Nebenhaushalt auf die Haushaltswirtschaft des Staates insgesamt transparent werden252. bb) Kein organisationsrechtlicher Gesetzesvorbehalt für Nebenhaushalte Ein Gesetzesvorbehalt für Nebenhaushalte aufgrund staatsorganisationsrechtlicher Regelungen ist hingegen hier nicht einschlägig. Zwar kennt das Grundgesetz an wenigen Stellen (so in Art. 87) eng gefasste Gesetzesvorbehalte für die Einrichtung von Bundesbehörden; und fast alle Länder kennen allgemein gefasste Gesetzesvorbehalte für die Organisation der Landesverwaltung253. Regelungsgegenstand ist stets die Organisationsgewalt; es wird die Frage beantwortet, wer – Regierung oder Parlament – die Kompetenz zur Bildung, Errichtung, Einrichtung, Änderung, Aufhebung und Abwicklung von Verwaltungseinheiten hat254. Diese Regeln zur Organisationsgewalt unterscheiden sich aber in Inhalt und Reichweite strukturell vom Haushaltsgesetzesvorbehalt. Der Haushaltsgesetzesvorbehalt bezieht sich auf das Finanzgebaren der Verwaltung, der organisationsrechtliche Gesetzesvorbehalt bezieht sich auf die Organisation, also die Struktur der Verwaltung. Die Errichtung von Nebenhaushalten geht nicht zwangsläufig mit einer organisatorischen Veränderung einher. Bei der Definition des Nebenhaushaltes wurde auf das Kriterium der organisatorischen Absonderung bewusst verzichtet, um alle unter dem Aspekt der Einheit und Vollständigkeit des Haushalts relevanten Erscheinungsformen der „Flucht aus dem Budget“ zu erfassen (siehe oben A. I.). Die Bildung von Nebenhaushalten, insbesondere von Bundes- bzw. Landesbetrieben und Sondervermögen, ist weder rechtsdogmatisch noch empirisch zwingend mit einer organisatorischen Absonderung verbunden255. Folglich unterliegt nicht jeder Nebenhaushalt dem organisationsrechtlichen Gesetzesvorbehalt; und nicht jede dem organisationsrechtlichen Gesetzesvorbehalt unterliegende Verwaltungsneuordnung hat die 252 Dazu Puhl, S. 210 ff. Genauso Gröpl in: BK, Art. 110, Rn. 99. Ablehnend Hillgruber in: v. Mangoldt/Starck, Art. 110, Rn. 43. 253 Vgl. z. B. Art. 70 Abs. 2 bw LV. 254 Burgi in: Erichen/Ehlers, § 52, Rn. 2; Kluth in: Wolff/Bachof/Stober, § 82, Rn. 8; Stern, S. 793 f.; grundlegend Böckenförde, S. 38 ff. Aus dem Landesrecht exemplarisch Elster in: Korte, S. 317. 255 Puhl, S. 79, 131 f., 140.
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2. Teil: Staatliches Liegenschaftsmanagement im Nebenhaushalt
Bildung eines für das Budgetrecht relevanten Nebenhaushalts zur Folge. Verwaltungsumformungen ändern in vielen Fällen nichts daran, dass das Finanzgebaren der veränderten Verwaltungseinheiten im Haushalt voll abgebildet wird. Bestes Beispiel für diese Divergenz von Organisationsrecht und Budgetrecht ist der Bundes- bzw. Landesbetrieb nach § 26 BHO/LHO, der oftmals in seiner Struktur die Verwaltung unverändert lässt. So wurde in vielen Ländern die Liegenschaftsverwaltung in Form von Abteilungen der Ministerien und Ämtern in einen Landesbetrieb mit Betriebsleitung und Dienststellen umgewandelt. Die einschneidende Veränderung liegt in der Anwendung der Regeln des § 26 BHO/LHO auf die Wirtschaftsführung, nicht in einer Änderung der Verwaltungsorganisation. Regelmäßig besteht daher für die bloße Einrichtung eines Landesbetriebs kein organisationsrechtlicher Gesetzesvorbehalt; folgerichtig sind viele der mit Liegenschaftsmanagement befassten Landesbetriebe auf untergesetzlicher Rechtsgrundlage errichtet worden. Umgekehrt liegt in der Schaffung eines neuen verwaltungsorganisatorischen Typus Landesbetrieb neben den anderen Formen von Verwaltung das innovative Element des baden-württembergischen Liegenschaftsmanagements (siehe oben Teil 1 A. III. 5.). Der bislang auf das Haushaltsrecht beschränkte Landesbetrieb wird damit zum ersten Mal organisationsrechtlich verortet. Budgetrecht und Organisationsrecht des Parlaments stellen sich damit als nicht immer deckungsgleiche Parallelkompetenzen dar. Zwar umfasst die Organisationsgewalt auch das Element der persönlichen und sächlichen Ausstattung der zu organisierenden Verwaltungseinheit256. Doch nur über das Budgetrecht werden die zur Ausübung der Organisationsgewalt erforderliche Ausgaben bewilligt, so dass Organisationsgewalt und Budgetrecht sich gegenseitig bedingen257, aufgrund der Vorgängigkeit der Ausgabebewilligung ist diese sogar als Vorbedingung für die Verwirklichung der angestrebten Organisationsregelungen anzusehen258. In der Reichweite der dem Parlament zugestandenen Entscheidungsmöglichkeiten lässt sich ein weiterer markanter Unterschied festmachen. Das parlamentarische Budgetrecht zielt auf die volle Entscheidungsgewalt der Legislative über das Finanzgebaren des Staates ab, begründet hierbei also einen umfassenden Vorrang des Parlaments, vermittelt durch den Haushaltsgesetzesvorbehalt. Weit weniger stark sind die Einflussmöglichkeiten der Volksvertretung auf die Organisationsgewalt, die auf Bundesebene nach Art. 86 GG grundsätzlich der Exekutive zugewiesen ist und nur in ausgewählten Fällen organisationsrechtli256 So die seit Böckenförde, S. 48 allgemein geteilte Definition (vgl. Nachweise in Fn. 254). 257 Böckenförde, S. 107 f., 302 ff.; Kluth in: Wolff/Bachof/Stober, § 82, Rn. 9, 18. Vgl. aus der Verfassungsrechtsprechung VerfGH NRW OVGE 45, 308 (316 f.). 258 Böckenförde, S. 303.
A. Verfassungsregeln für die Budgetflucht
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chen Gesetzesvorbehalten unterliegt (neben Art. 87 GG sind die – vor allem auch auf die Mitwirkung des Bundesrats abzielenden – Normen des Art. 87b und 108 Abs. 4 zu nennen). In den Ländern ist die Verfassungslage günstiger für die Parlamente, aber sie eröffnet nur partielle Zugriffsmöglichkeiten und enthält oft nur Gesetzgebungsaufträge259. Selbst wenn die Organisationsgewalt über die speziell normierten Gesetzesvorbehalte hinaus allgemein einem rechtsstaatlichen oder institutionellem Gesetzesvorbehalt unterworfen wird260, so bleibt es doch dabei: Insgesamt ist die Organisationsgewalt weit weniger einem Gesetzesvorbehalt unterworfen als die Haushaltsgewalt. Betrachtet man das Verfassungsrecht, so fällt auf, dass es die Fragen der Haushaltsverfassung und damit des parlamentarischen Budgetrechts und die Fragen der Verwaltung und damit des organisationsrechtlichen Gesetzesvorbehaltes klar trennt: mit wenigen Ausnahmen (z. B. in Bayern) sind ihnen jeweils verschiedene Abschnitte gewidmet. Verfassungsrechtlich geht es zwar in beiden Fällen um das Verhältnis Legislative-Exekutive, die Antwort fällt jedoch unterschiedlich aus. Dementsprechend wird bei der Kommentierung der Organisationsgewalt immer wieder die Eigenständigkeit jener Aussagen betont, die die Verfassung zum Budgetrecht des Parlaments bereitstellt261. Nebenhaushalte fordern die Haushaltsverfassung heraus, weil sie eine „Flucht aus dem Budget“ darstellen. Dies ist losgelöst von der Frage zu sehen, inwiefern sie organisationsrechtlich die Verfassung herausfordern. Die Natur der Herausforderung ist strukturell anders gelagert, weil Nebenhaushalte nicht automatisch eine organisationsrechtlich relevante Umorganisation bedeuten. Nebenhaushalte als ein Problem der Haushaltsverfassung müssen mit der Haushaltsverfassung bewältigt werden. Über die teleologische Auslegung des Haushaltsgesetzesvorbehalts wird dies erreicht: Das parlamentarische Budgetrecht darf nicht untergraben werden, indem Teile staatlichen Finanzgebarens über Nebenhaushalte abgeschottet werden. Der organisationsrechtliche Gesetzesvorbehalt ist dagegen strukturell ungeeignet, die Problematik der Nebenhaushalte zu lösen. Vielmehr birgt eine sich an der organisationsrechtlichen Zulässigkeit orientierte Behandlung der Nebenhaushalte die Gefahr in sich, von der organisationsrechtlichen Zulässigkeit einer Ausgliederung vorschnell auf deren Zulässigkeit nach den Regeln der Haushaltsverfassung zu schließen, also keine materiellen Schranken für Nebenhaushalte aufzustellen, beispielsweise auch auf die Notwendigkeit von besonderen Rechtfertigungsgründen zu verzichten262. Eine solche Maßstabsverschiebung 259
Kluth in: Wolff/Bachof/Stober, § 82, Rn. 53. Zur dogmatischen Herleitung des organisationsrechtlichen Gesetzesvorbehalts Böckenförde, S. 89 ff.; Kluth in: Wolff/Bachof/Stober, § 82, Rn. 20 ff.; Burgi in: Erichsen/Ehlers, § 52, Rn. 2. 261 Schmidt-Aßmannn in: FS Ipsen, S. 335; Feuchte, Art. 70, Rn. 10; ähnlich Braun, Art. 70 Rn. 1. 260
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2. Teil: Staatliches Liegenschaftsmanagement im Nebenhaushalt
vermag aber die durch Nebenhaushalte in das System des Haushaltsverfassungsrechts mit dem ihm eigenen (Schutz-)Zwecken gerissenen Lücken nicht zu schließen, sondern weitet sie aus, weil – wie wir gesehen haben – Reichweite und Inhalt der Organisationsgewalt der Exekutive noch mehr Spielräume lassen als die Budgetgewalt. Der folglich allein aus dem Haushaltsgesetzesvorbehalt im deutschen Verfassungsrecht herzuleitende Gesetzesvorbehalt für Nebenhaushalte stellt indessen nur eine formale Schranke für die „Flucht aus dem Budget“ auf. Sie sollte daher mit materiellen Rechtfertigungsgründen verstrebt werden. c) Ein Numerus Clausus von Rechtfertigungsgründen für Nebenhaushalte Der Satz, dass die Vollständigkeit des Haushalts die Regel und die Auslagerung in Nebenhaushalte die Ausnahme und daher besonderer Rechtfertigung bedürftig ist, ist allgemein anerkannt. Diese Feststellung ist auch in ihrer Aussagekraft allgemein und damit gering. Daher erscheint der Versuch lohnend, Rechtfertigungsgründe für Nebenhaushalte einzugrenzen. Zunächst ist ein Numerus Clausus von rechtfertigenden Tatbeständen zu bilden263. Hier ist erstens die Zuordnung eigener Finanzierungsquellen, insbesondere von Beiträgen oder Sonderabgaben, zu Nebenhaushalten zu nennen. Die Rechtfertigung beruht dann nicht auf der Eigenart der im Nebenhaushalt wahrgenommenen Aufgabe, sondern in der Zuweisung eigenständiger Finanzmittel und deren Zweckbindung. Zwei bedeutende Erscheinungsformen von Nebenhaushalten fallen in diese Kategorie264. Zum einen ist es die Sozialversicherung mit ihren verschiedenen Zweigen, die sich jeweils über Beiträge finanzieren. Zum anderen ist die Erhebung einer Sonderabgabe zu nennen, deren Zweckbindung haushaltsrechtlich abgesichert werden soll. Aus der Sonderabgaben-Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts geht hervor, dass die Haushaltsflüchtigkeit der Sonderabgabe zu deren typischem Erscheinungsbild gehört265. Manchmal wird daraus gefolgert, dass eine Veranschlagung im Nebenhaushalt sogar geboten sei, um die gruppennützige Verwendung zu garantieren266. Dies geht zu weit, da das 262 So die Auffassung von Grupp, DVBl. 94, S. 144 und Hillgruber in: v. Mangoldt/ Starck, Art. 110, Rn. 40. 263 Vgl. den Ansatz von F. Kirchhof, VVDStRL 52 (93), S. 104. 264 Ergänzend sei darauf hingewiesen, dass der ERP-Fonds in seiner ursprünglichen Form ebenfalls hier einzuordnen wäre. Heute ist er als Nebenhaushalt nicht mehr zu rechtfertigen vgl. F. Kirchhof, VVDStRL 52 (93), S. 105. 265 BVerfGE 82, 159 (179); E 91, 186 (202); E 93, 319 (348). S. auch Jachmann, StuW 97, S. 306.
A. Verfassungsregeln für die Budgetflucht
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vorhandene haushaltsrechtliche Instrumentarium auch bei Vollveranschlagung im Haushalt eine Zweckbindung gemäß § 7 S. 2 HGrG bzw. § 8 S. 2 BHO/ LHO ermöglicht267. Daher muss gelten: Sonderabgaben dürfen in die Bildung eines Nebenhaushalts münden, müssen es aber nicht. Zweitens ist die Autonomie öffentlich-rechtlicher Körperschaften, Anstalten und Stiftungen ein Rechtfertigungsgrund für Nebenhaushalte. Zwar wurde mit Hinweis auf den Wortlaut der jeweiligen Verfassungsnormen schon festgestellt, dass mit den Einnahmen und Ausgaben des „Bundes“ bzw. des „Landes“ nicht die Finanzwirtschaft der mittelbaren Staatsverwaltung, also der selbständigen juristischen Personen des öffentlichen Rechts, erfasst ist. Diese grammatikalische Auslegung allein kann aber diese Kategorie von Nebenhaushalten nicht materiell rechtfertigen. Sinn und Zweck des parlamentarischen Budgetrechts gebieten es vielmehr, den Grundsatz der Einheit und Vollständigkeit des Budgets auf das gesamte dem Bund bzw. Land zurechenbare Finanzgebaren auszuweiten, um die parlamentarische Verantwortung für die staatliche Haushaltswirtschaft in ihrer Gesamtheit und ungeachtet der Rechts- und Organisationsform zu sichern268. Dieser „Direktionsgehalt“ (Puhl) der Verfassungsbestimmungen über die Einheit und Vollständigkeit des Haushalts verlangt nach einer materiellen Begründung für die Errichtung von Nebenhaushalten mittels juristischer Personen öffentlichen Rechts. Zu Recht wird hier auf die Verleihung von Autonomie abgestellt269, also die bewusste Zuweisung von staatlichen Aufgaben durch den Gesetzgeber an rechtlich verselbständigte Einheiten, sei es die Zusammenfassung von Sachvermögen in Stiftungen zu Ausstellungszwecken oder die Wahrnehmung von Staatsaufgaben unter Selbstverwaltung in Körperschaften und Anstalten wie etwa Hochschulen, Kammern, Rundfunkanstalten und Landesbanken. Dritter und letzter Rechtfertigungsgrund ist die Notwendigkeit kaufmännischer Wirtschaftsführung, also der Leitgedanke für die Errichtung von Bundesbzw. Landesbetrieben nach § 26 BHO/LHO. Dieser Gedanke lässt sich auf alle Formen von Nebenhaushalten ausweiten, also insbesondere auch auf juristische Personen des Privatrechts, in die staatliches Finanzgebaren ausgelagert wird. In der konkreten Anwendung überschneiden sich die Geltungsbereiche dieser drei Rechtfertigungsgründe. So können zwei oder alle drei bei einem Nebenhaushalt zusammenfallen. Für die Sozialversicherungsträger könnte man alle drei Gründe geltend machen; für viele Selbstverwaltungsträger lässt sich auch die Notwendigkeit kaufmännischer Buchführung anführen.
266 267 268 269
So Piduch in: Piduch, Art. 110, Rn. 45. Gröpl in: BK, Art. 110, Rn. 96; Jahndorf, S. 82. Puhl, S. 159 ff., 228. Vgl. F. Kirchhof, VVDStRL 52 (93), S. 104, 159 m.w. N.
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2. Teil: Staatliches Liegenschaftsmanagement im Nebenhaushalt
Diese Bildung von Rechtfertigungskategorien schärft die Voraussetzungen für die Zulässigkeit von Nebenhaushalten, weil sie Rechtfertigungstatbestände ordnet und abschließend aufzählt. Insbesondere entfällt die salvatorische Klausel von der „exzeptionellen Konstellation“ (Höfling), die bei historisch einmaligen finanzpolitischen Herausforderungen Nebenhaushalte erlauben soll270. Nachdem der einzige Anwendungsfall für diese Klausel zumindest veranschlagungstechnisch abgewickelt wurde und kein neues Beispiel in Sicht ist, lässt sich eine solche Einschränkung auch leicht aufstellen. Die Bewährungsprobe dafür steht aus, wird aber dann besser bestanden werden können, wenn kein solches Hintertürchen für den Hauch der Geschichte geöffnet bleibt. Die Verfassungsregeln zur Staatsfinanzierung – insbesondere zur Erhebung von Steuern und Abgaben und zur Kreditaufnahme des Staates – reichen aus, um auch beispiellose Ereignisse unter Wahrung des parlamentarischen Haushaltsrechts und insbesondere des Prinzips der Einheit und Vollständigkeit des Budgets zu bewältigen. Daher soll hier ausdrücklich festgehalten werden, dass die – zweifelsohne außergewöhnliche – finanzpolitische Dimension der deutschen Einheit keine hinreichende Begründung für die Errichtung von Nebenhaushalten war. Die drei Rechtfertigungskategorien lassen dennoch der Exekutive zuviel Spielraum für Nebenhaushalte. Gründe, selbständige Einheiten mittelbarer Staatsverwaltung zu schaffen oder die kaufmännische Buchführung einzuführen, finden sich oft und schnell. So läuft man Gefahr, wieder bei dem alt hergebrachten und unscharfen Kriterium der besonderen Rechtfertigungsbedürftigkeit anzukommen und damit im Ergebnis Verwaltungspraktikabilität und haushaltswirtschaftliche Zweckmäßigkeit ausreichen zu lassen. Eine solche Schlussfolgerung könnte sich zwar auf das einfache Haushaltsrecht stützen, das in § 18 Abs. 1 S. 1 HGrG bzw. § 26 Abs. 1 S. 1 BHO/LHO für Bundes- bzw. Landesbetriebe und in § 65 Abs. 1 Nr. 1 BHO/LHO für Unternehmen in privater Rechtsform auf die Zweckmäßigkeit abstellt. Dennoch trägt dieses vage Kriterium dem Ausnahmecharakter von Nebenhaushalten nicht ausreichend Rechnung. Die Antwort liegt darin, die drei Rechtfertigungskategorien als notwendige, aber nicht ausreichende materielle Voraussetzungen für die Zulässigkeit von Nebenhaushalten anzusehen. Hinzu tritt als weitere materielle Voraussetzung über alle drei Kategorien von Nebenhaushalten hinweg das Erfordernis eines zwingenden haushaltswirtschaftlichen Grunds. Dieses Erfordernis beruht auf zwei Gedanken: einem systematischen Argument und einem teleologischen. Es lässt sich zunächst aus dem Regel-Ausnahme-Charakter von Vollveranschlagung im Haushalt und Auslagerung in Nebenhaushalt herleiten. Ein solches Regel-Ausnahme-Verhältnis findet sich nicht nur in Art. 110 GG mit sei270
Dazu Höfling, S. 331 f. mit Blick auf die deutsche Einheit 1990.
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ner Dispensnorm für Bundesbetriebe und Sondervermögen und den entsprechenden Bestimmungen der Landesverfassungen, wie es oben schon festgestellt worden ist. Das in diesen Vorschriften garantierte Haushaltsgesetzgebungsrecht des Parlaments duldet auch an anderer Stelle Lockerungen nur unter äußerst strengen Ausnahmebedingungen. So gibt es – jenseits der Nebenhaushalte – nur zwei Konstellationen von Ausgabebewilligungen, die in verfassungskonformer Weise am Parlament vorbei gehen dürfen: das Notbewilligungsrecht des Finanzministers nach Art. 112 GG271 und das Nothaushaltsrecht nach Art. 111 GG272. In beiden Fällen tritt der Ausnahmecharakter deutlich hervor; die Voraussetzungen sind sachlich und zeitlich sehr eng begrenzt273. In der Sache ist ein unausweichlicher haushaltswirtschaftlicher Zwang Voraussetzung für die Umgehung des Parlaments. In der Zeit sind beide Ausnahmen eng begrenzt und nicht auf Dauer angelegt. Überträgt man diese Maßstäbe auf die Nebenhaushalte als einen weiteren Fall der Ausnahme vom parlamentarischen Budgetrecht274, so stellt man zunächst fest, dass Nebenhaushalte regelmäßig auf Dauer angelegt sind, also keine zeitlichen Grenzen kennen. Umso bedeutsamer ist daher eine enge Fassung der sachlichen Voraussetzung für diese Ausnahme. Daraus folgt, dass für die Bildung von Nebenhaushalten als Ausnahmetatbestand eine besonders hohe Rechtfertigungshürde zu errichten ist, mithin ein zwingender haushaltswirtschaftlicher Grund vorliegen muss. Zudem spricht die Zweckbestimmung des parlamentarischen Budgetrechts ebenfalls für eine sehr restriktive Handhabung der Ausnahmemöglichkeit für Nebenhaushalte. Wer allgemein die bessere, effizientere, sachnähere etc. Aufgabenwahrnehmung durch Nebenhaushalte in Stellung gegen das parlamentarische Budgetrecht bringt, stellt dieses Recht in seinem Kern in Frage275. Wenn nur am ordentlichen Haushalt vorbei ein wirtschaftliches Haushaltsgebaren erreicht werden könnte, würden Wirtschaftlichkeitsgebot (Art. 114 Abs. 2 S. 1 GG) und Haushaltsbewilligungsrecht des Parlaments in Widerspruch zueinander geraten. Nun ist erstens dieser Widerspruch nicht zwangsläufig, denn in der finanzwirtschaftlichen Realität können häufig auch innerhalb des Haushaltsplans Aufgaben effizient wahrgenommen werden. Zweitens gebührt im Falle einer tatsächlichen Kollision beider Verfassungszwecke dem Budgetrecht der Vorrang. Dies 271 Die Verfassungen der meisten Länder enthalten identische Vorschriften, z. T. mit dem Erfordernis nachträglicher Genehmigung durch das Parlament (z. B. Art. 81 bw LV). Vgl. im übrigen Gröpl in: BK, Art. 112, Rn. 108 ff. mit Hinweis auf die Besonderheiten in Bremen, Hamburg und Bayern. 272 Mit Ausnahme von Bayern, Hamburg und Rheinland-Pfalz (die den Haushaltsplan des Vorjahres weiterführen) haben die Landesverfassungen identische Vorgaben (vgl. z. B. Art. 89 bw LV). 273 Dazu Maunz in: Maunz/Dürig, Art. 111, Rn. 2 f., 12 ff., Art. 112, Rn. 3, 17; Gröpl in: BK, Art. 112, Rn. 10 und Jahndorf, S. 78 f. 274 Vgl. Jahndorf, S. 79 f. 275 Dazu Jahndorf, S. 76.
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2. Teil: Staatliches Liegenschaftsmanagement im Nebenhaushalt
ergibt sich aus seiner überragenden Bedeutung und aus seinen – im Unterschied zum Wirtschaftlichkeitsgebot und dessen Unschärfe – eindeutigen Aussagen zu Gesetzesvorbehalt und Vollständigkeits- bzw. Einheitsprinzip. Diese verfassungsrechtliche Wertung darf nicht mit bloßen Wirtschaftlichkeitserwägungen überspielt werden276. Auch dieses teleologische Argument stützt die Auffassung, dass ausgehend vom Ausnahmecharakter der Nebenhaushalte eine hohe materielle Rechtfertigungsschwelle anzusetzen ist. Im Ergebnis bedarf es also – neben einer der drei Rechtfertigungskategorien – eines zwingenden haushaltswirtschaftlichen Grundes, um Nebenhaushalte verfassungsfest zu machen. Die Kombination aus drei abschließend aufgeführten Rechtfertigungskategorien und einer hohen zusätzlichen Rechtfertigungsschwelle ist das Gerüst der materiellen Anforderungen an Nebenhaushalte. Die Formel vom zwingenden haushaltswirtschaftlichen Grund mag als solche immer noch zu allgemein erscheinen. Ihre Stärke gewinnt sie in der Verknüpfung mit der Figur der Darlegungslast, die im Haushaltsverfassungsrecht für die Regeln zur staatlichen Kreditaufnahme entwickelt wurde (siehe unten C. II. 5.) und auf die Regeln zur Zulässigkeit von Nebenhaushalten ausgedehnt werden kann277. Da auch die Errichtung von Nebenhaushalten einem Regel-AusnahmeVerhältnis folgt, sind die Anforderungen an die Rechtfertigung der Ausnahme verfahrensmäßig über eine Darlegungslast des Gesetzgebers abzustützen. Denn das Haushaltsverfassungsrecht ist geprägt von Verfassungsbestimmungen, die Regeln für das staatliche Ausgabeverhalten aufstellen und zugleich über Ausnahmebestimmungen weite politische Entscheidungsspielräume eröffnen. Gemeinsames Kennzeichen dieser Ausnahmebestimmungen ist, dass sie das parlamentarische Budgetrecht gefährden, indem staatliches Finanzgebaren am Parlament vorbei oder (im Fall der Kreditaufnahme) unter Beschneidung zukünftiger Entscheidungsmöglichkeiten des Parlaments organisiert wird. Die Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers – die in der Realität der parlamentarischen Demokratie weitgehend von der die Haushaltsgesetzgebung initiierenden Exekutive ausgeübt wird – bedarf daher des Gegengewichts von Verfahrensregeln, die den Gesetzgeber bei Strafe verfassungsgerichtlicher Nichtigkeitserklärung dazu zwingen, seine Erwägungen für das Vorliegen eines Ausnahmetatbestands transparent und diskursfähig zu machen. Diese Pflicht zur Darlegung und zur Herstellung von Öffentlichkeit bei der Bildung von Nebenhaushalten lässt sich aber nicht nur allgemein aus dem Regel-Ausnahme-Charakter von Vorschriften der Haushaltsverfassung ableiten, sondern auch konkret aus dem Gesetzesvorbehalt, der für die Errichtung von 276
Jahndorf, S. 77. So auch Selmer in: FS Stern, S. 584 und Höfling/Rixen in: BK, Art. 115, Rn. 442. 277
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Nebenhaushalten gilt und soeben aus dem parlamentarischen Haushaltsbewilligungsrecht (Art. 110 GG) hergeleitet worden ist. Denn der Grundsatz der Budgetöffentlichkeit ist eng mit der gesetzesförmigen Feststellung des Haushalts verbunden; das förmliche Haushaltsgesetzgebungsverfahren garantiert öffentliche Aufmerksamkeit und Debatten, verlangt Rechtfertigungen und Alternativkonzepte, ja kann mitunter Warnsignale setzen278. Diese Publizitätsfunktion des Haushalts muss auch für das staatliche Finanzgebaren im Nebenhaushalt gelten und wird verfahrensmäßig durch die Darlegungslast abgesichert. Der hoch zu veranschlagende Gebrauchswert der Formel vom zwingenden haushaltswirtschaftlichen Grund in Verbindung mit der Darlegungslast des Gesetzgebers zeigt sich in ihrer Anwendung, also bei der Bewertung von Ausgliederungen. Sie erhöht den Begründungsaufwand bei der Bildung von Nebenhaushalten, indem sie den begründeten Nachweis dafür verlangt, dass im jeweiligen Einzelfall nur das Eröffnen des Nebenhaushalts das angestrebte und ebenfalls im jeweiligen Einzelfall eindeutig zu definierende haushaltswirtschaftliche Ziel verwirklichen kann. Allgemeine Wirtschaftlichkeitsüberlegungen oder das beliebte Argument der erhöhten Flexibilität reichen dazu nicht aus. So ist bei der Gründung eines Bundes- oder Landesbetriebs oder einer Anstalt zu fordern, dass mit der Ausgliederung eine Finanzplanung vorgelegt wird, die die Wirtschaftlichkeit anhand konkreter Messgrößen (z. B. des jährlichen Zuschussbedarfs) und anhand einzelner nur aufgrund der Ausgliederung möglicher Maßnahmen nachvollziehbar belegt. Beispielsweise hat der Landesrechnungshof Baden-Württemberg angemahnt, dass vor einer Entscheidung über Umwandlungen operative Ziele und geeignete Messgrößen für den Erfolg einer Umwandlung festgelegt werden279, und genau diese Messlatte an die Gründung des Landesbetriebs „Vermögen und Bau Baden-Württemberg“ angelegt280. Soll nur aufgrund verwaltungsorganisatorischer Beweggründe eine Verselbständigung vorgenommen werden, so sind diese Beweggründe – sei es die Erhöhung der Selbständigkeit in der Wahrnehmung einer bestimmten Aufgabe, sei es die Natur der Aufgabe, die eine Herausnahme aus der unmittelbaren Staatsverwaltung nahe legt – zu respektieren, rechtfertigen aber nicht die haushaltsmäßige Absonderung281. Vielmehr ist dann trotz Verwaltungsumbau die volle Abbildung im regulären Haushalt zwingend.
278
Maunz in: Maunz/Dürig, Art. 110, Rn. 46; Gröpl in: BK, Art. 110, Rn. 131. LT BW, Drs. 13/1748 (Landesbetrieb Vermessung); in die gleiche Richtung schon LT BW, Drs. 13/329, S. 3 i.V. m. LRH BW, Denkschrift 01, Nr. 13 (gescheiterte Privatisierung der Umweltmessung – Umeg). 280 Vgl. LT BW, Drs. 13/3787, S. 3. 281 Dies dürfte – neben vielen anderen – in Baden-Württemberg auf den Fall der 2004 neu errichteten Landesakademie für Fortbildung und Personalentwicklung an Schulen A. ö. R. zutreffen (vgl. LT BW, Drs. 13/2804, S. 21 f.). 279
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2. Teil: Staatliches Liegenschaftsmanagement im Nebenhaushalt
Neben der Darlegungslast erscheint eine Pflicht zur periodischen Überprüfung des zwingenden haushaltswirtschaftlichen Grundes als ein probates Mittel, um effektiv zu gewährleisten, dass ein Nebenhaushalt die Ausnahme bleibt282. Denn anders als bei den Nothaushaltskompetenzen nach Art. 111 f. GG fehlt beim Nebenhaushalt das Element der zeitlichen Beschränkung. Daher ist es zumindest als verfahrensmäßige Absicherung einzuführen. Für Sonderabgaben wird dies schon jetzt gefordert283. Diese Überprüfungspflicht ist hier aber als Konsequenz der Darlegungslast einzuordnen. Anders als die Darlegungslast bei der Staatsverschuldung, die jeweils neu auf einen punktuellen Tatbestand der Kreditaufnahme abzielt, hat die Darlegungslast bei Nebenhaushalten einen in der Regel dauerhaften Tatbestand als Bezugspunkt. Damit der Zweck der Darlegungslast nicht unterlaufen werden kann, ist daher zu fordern, dass der Nebenhaushalt auch auf Dauer den Anforderungen genügt und dass dies periodisch überprüft wird. Zweckmäßig erscheint ein Zeitraum von fünf Jahren; ergeben sich Anhaltspunkte für den Wegfall der Rechtfertigung, so muss der Darlegungslast schon vorher genügt werden können. Durch die Darlegungslast, die mit der Pflicht zur regelmäßigen Überprüfung auf der Zeitachse verlängert wird, hat das materielle Erfordernis des zwingenden haushaltswirtschaftlichen Grundes erheblich an Biss gewonnen. In einem Ausblick sei zudem die Prognose gewagt, dass mit der Zunahme an betriebswirtschaftlichen Elementen in der staatlichen Haushaltsführung selbst die materielle Rechtfertigung für Nebenhaushalte und die Erfüllung der Darlegungslast immer schwerer fallen wird, was wiederum die Überprüfung wichtiger werden lässt. Ein Absterben der Nebenhaushalte zu prophezeien mag übertrieben erscheinen; bei konsequenter Umsetzung der Haushaltsreformkonzepte ist dies aber deren logische Folge. Schließlich wird durch diese Konzeption die Zulässigkeit von Nebenhaushalten an formelle und materielle Regeln gebunden, die einer verfassungsgerichtlichen Prüfung weitaus besser zugänglich sind als die bislang gängigen allgemeinen Rechtfertigungsansätze. Während der Gesetzesvorbehalt unmittelbar einer gerichtlichen Überprüfung unterliegt, sind über die Darlegungslast auch die materiellen Anforderungen justitiabel. Ein unter Missachtung des Gesetzesvorbehalts eingerichteter Nebenhaushalt verstößt gegen Art. 110 Abs. 2 S. 1 GG bzw. die entsprechenden Landesverfassungsnormen, ein unter Missachtung der materiellen Anforderungen eingerichteter Nebenhaushalt verstößt gegen Art. 110 Abs. 1 S. 1 GG bzw. die gleich lautenden Vorschriften der Länder. Wird ein solcher Verstoß durch das zuständige Verfassungsgericht festgestellt, so ist eine
282
So Jahndorf, S. 80. Vgl. BVerfGE 55, 274 (275, 308) und E 82, 159 (181) und die – auch rechtsvergleichenden – Nachweise bei Jahndorf, S. 80. 283
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verfassungsgemäße Veranschlagung vorzunehmen, also der Nebenhaushalt in den ordentlichen Haushalt zu integrieren. d) Eine rote Linie für Nebenhaushalte Die hier vorgestellten formellen und materiellen Anforderungen an einen verfassungsgemäßen Nebenhaushalt bewirken, dass die Notwendigkeit einer absoluten Grenze für Nebenhaushalte abnimmt, da schon über die Rechtfertigungsvoraussetzungen ausgeschlossen wird, dass Nebenhaushalte aus reinen Zweckmäßigkeitsüberlegungen zugelassen werden können. Die Suche nach solchen unüberwindlichen Schranken führt außerdem zu kaum greifbaren und damit kaum handhabbaren Ergebnissen. Ein quantitativer Maßstab fällt oft ungenau aus. So wird davon gesprochen, dass Nebenhaushalte verfassungswidrig sind, wenn „die Summe der Ausgaben von Sondervermögen außer Verhältnis zur Höhe der Ausgaben im Bundeshaushalt“284 steht oder eine Erheblichkeitsschwelle überschritten wird285. Für Puhl hingegen ist weder die politische Tragweite der im Nebenhaushalt wahrgenommenen Aufgabe entscheidend, noch soll auf den einzelnen Nebenhaushalt abgestellt werden, indem etwa die zahlenmäßige Bedeutung der darin wahrgenommenen Aufgabe beachtet wird. Vielmehr wird seiner Ansicht nach die Koordinationsfunktion des Haushaltes durch Nebenhaushalte beeinträchtigt; das Finanzgebaren des Staates insgesamt kann nicht mehr überblickt werden – mit der Folge, dass die Steuerungsfähigkeit des Haushalts eingeschränkt wird. Deshalb soll eine Gesamtschau erforderlich sein; wegen der Vielfalt der Nebenhaushalte soll aber wiederum die Größenordnung der addierten Nebenhaushalte keinen tauglichen Maßstab liefern. So lässt sich eine allgemein und abstrakt geltende Regel nicht formulieren286. Angesichts der weit verbreiteten Skepsis gegenüber quantitativen Grenzen wird Ausflucht in der Formulierung von Missbrauchs- oder Willkürschranken gesucht287. Auch solche Begrenzungen sind aber nicht greifbar und laufen darauf hinaus, die allgemeine Kritik an Nebenhaushalten zu wiederholen. Mit den materiellen Rechtfertigungsanforderungen werden außerdem die meisten dieser Fälle schon vorher erfasst und ausgesiebt. Das Risiko, dass tatsächlich die jeweils für sich nach diesen Voraussetzungen zulässigen Nebenhaushalte in ihrer Gesamtwirkung quantitativ oder qualitativ die Haushaltsfunktionen beeinträchtigen könnten, wird damit schon minimiert. Indessen sollte auch eine auf restriktiven formellen und materiellen Anforderungen basierende Konzeption zur Abrundung nicht darauf verzichten, quasi als 284 285 286 287
Nebel in: Piduch, § 113 BHO, Rn. 1. Patzig, Art. 110, Rn. 6. Puhl, S. 172. Höfling, S. 333 und Puhl, S. 173.
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2. Teil: Staatliches Liegenschaftsmanagement im Nebenhaushalt
Auffangtatbestand eine rote Linie zu ziehen, die auch von im jeweiligen Einzelfall zulässigen Nebenhaushalten unter keinen Umständen überschritten werden dürfen. Diese rote Linie wird dann überschritten, wenn der Staatshaushalt in seiner Gestaltungs- bzw. Programmfunktion durch Nebenhaushalte behindert wird. Der Haushalt als „Regierungsprogramm in Gesetzesform“288 gestaltet durch die Mittelbereitstellung die Erfüllung staatlicher Aufgaben und nimmt Einfluss auf die wirtschaftliche Entwicklung289. Wenn Nebenhaushalte überhand nehmen, kann diese Programm- und Steuerungsfunktion nicht mehr vom ordentlichen Haushalt geleistet werden. Mögliche Indikatoren, die diese Funktion abbilden, sind die Investitionen, die Personalausgaben und die Zuwendungen an Dritte (einschließlich der Kommunen im Falle der Länder). Denn die öffentlichen Investitionen beeinflussen die Konjunkturentwicklung, verkörpern also die gesamtwirtschaftliche Steuerungsfunktion des Haushalts. Die Personalausgaben haben einerseits teil an dieser Funktion, da sie den Konsum berühren. Andererseits sind sie kurzzeitig kaum zu verändern und bestimmen damit wesentlich die Struktur des Haushalts, folglich auch die Wahrnehmung der Gestaltungs- und Programmfunktion überhaupt. Die Zuwendungen an Dritte, Private oder Kommunen, stellen das politische Gestaltungsmittel par excellence im Haushalt dar, weil sie die Prioritäten in der Förderung gesellschaftlicher, wirtschaftlicher und kommunaler Aktivitäten setzen. Ausgehend von diesen Indikatoren bleibt zu klären, ab welchem Punkt Nebenhaushalte unzulässig werden. Eingedenk des Ausnahmecharakters von Nebenhaushalten muss es erstens ausreichen, dass einer dieser Indikatoren in den roten Bereich geht. Zweitens ist dieser rote Bereich jedenfalls dann erreicht, wenn die Ausnahme zur Regel wird, also mehr als die Hälfte der vom Indikator erfassten Ausgaben am Parlament vorbei bewilligt wird. Dies muss drittens auch dann gelten, wenn die von den Indikatoren erfassten Ausgabenblöcke kumuliert mehr als die Hälfte dieser Ausgaben ausmachen, also beispielsweise Personal- und Investitionsausgaben zusammengenommen zu mehr als 50% in Nebenhaushalten abgewickelt werden. 2. Der Befund im staatlichen Liegenschaftswesen mit Blick auf die Einheit des Budgets Soweit in den Ländern aufgrund eines Errichtungsgesetzes ein Sondervermögen gebildet und im gleichen Zug und mit Aufgabenbeschreibung in diesem Gesetz ein Landesbetrieb eingerichtet wurde, ist der oben beschriebene Geset288
Vgl. BVerfGE 79, 311 (329). Dazu BVerfGE 79, 311 (329) sowie Puhl, S. 5 ff. und Gröpl in: BK, Art. 110, Rn. 39 f. m.w. N. 289
A. Verfassungsregeln für die Budgetflucht
113
zesvorbehalt erfüllt; für die entstandenen Nebenhaushalte gibt es eine spezialgesetzliche Ermächtigungsgrundlage. Soweit Landesbetriebe ohne Sondervermögen mittels Organisationsverfügung ins Leben gerufen werden, kommt als gesetzliche Ermächtigung nur § 26 Abs. 1 BHO/LHO in Betracht. Damit ist dem formellen Erfordernis des Gesetzesvorbehalts Rechnung getragen290. Die materiellen Anforderungen, die soeben aufgestellt worden sind, werden dagegen nicht im vollen Umfang erfüllt. Zwar ist zumindest die Notwendigkeit kaufmännischer Wirtschaftsführung stets gegeben (im Fall der GMSH A. ö. R. und der BImA tritt noch der Gedanke der Autonomie hinzu). Die zwingenden haushaltswirtschaftlichen Gründe sind jeweils schwer nachweisbar, hier müsste der Gesetzgeber seiner Darlegungspflicht besser nachkommen, als aus den Gesetzgebungsmaterialien ersichtlich ist. Für Schleswig-Holstein dürfte diese Darlegung kaum gelingen, da die haushaltswirtschaftliche Notwendigkeit der Errichtung der GMSH trotz intensiver Auseinandersetzungen nie überzeugend beschrieben werden konnte und die Liquiditätsbeschaffung durch das Sale-LeaseBack nicht als zwingender haushaltswirtschaftlicher Grund gewertet werden kann – im Gegenteil (siehe dazu unten B. IV.). Da mit der Immobilienbewirtschaftung und der Durchführung von Bauinvestitionen ein nicht unerheblicher Teil staatlichen Wirkens angesprochen ist und dieser Bereich mit Blick auf die Koordinationsfunktion des Haushalts, insonderheit den wirtschaftspolitischen Auswirkungen staatlicher Investitionstätigkeit, eine wichtige Rolle spielt, könnte überdies befürchtet werden, dass das Liegenschaftsmanagement im Nebenhaushalt die rote Linie überschreitet, also die Programm- und Gestaltungsfunktion des Haushalts in verfassungswidriger Weise beschneidet. Doch machen die großen Investitionsvorhaben im staatlichen Hochbau, die auch nach der Ausgliederung der Landesbetriebe in einem gesonderten Kapitel im Haushaltsplan selbst veranschlagt werden291, regelmäßig den Löwenanteil der Investitionstätigkeit der staatlichen Bau- und Liegenschaftsverwaltungen aus. Haushaltstechnisch ausgegliedert und in den Nebenhaushalt des Landesbetriebs übertragen werden hingegen regelmäßig die Personalausgaben der Liegenschaftsverwaltung, so dass der durch den Landesbetrieb entstandene Nebenhaushalt von diesen Personalkosten dominiert wird, die wiederum im Verhältnis zu den Gesamtpersonalausgaben vernachlässigbar sind. So betragen in Baden-Württemberg die im Kapitel 1208 veranschlagten Ausgaben im staat290 Vgl. auch Puhl, S. 183 f. und Hillgruber in: v. Mangoldt/Starck, Art. 110, Rn. 77. 291 Nur in Mecklenburg-Vorpommern werden ab dem Haushalt 2004/05 die großen Baumaßnahmen dem Wirtschaftsplan des BBL als Anlage beigefügt, die bisherigen Titel des staatlichen Hochbaus bleiben aber in identischer Detailschärfe als Positionen erhalten und damit dem Zugriff des Haushaltsgesetzgebers unterworfen (vgl. HHPl. MV 04/05, Epl. 12, S. 131 ff.).
114
2. Teil: Staatliches Liegenschaftsmanagement im Nebenhaushalt
lichen Hochbau für 2004 insgesamt 444 Mio. Euro (davon 303 Mio. Euro an Investitionen). Die Ausgaben für die Landesbetriebe Bau Bund und Land (Kapitel 0614 und 0615) werden mit rund 144 Mio. Euro veranschlagt; die darin enthaltenen Investitionsausgaben in Höhe von 5,5 Mio. Euro nehmen sich aber im Verhältnis zum Hochbaukapitel geradezu kümmerlich aus. Für die Frage nach der Dimension des in die einschlägigen Landesbetriebe ausgelagerten staatlichen Finanzgebarens ergeben sich damit zwei Schlussfolgerungen. Erstens gilt in qualitativer Hinsicht, dass die für die Koordinierungsfunktion des Haushalts entscheidenden Ausgabeblöcke, nämlich die staatlichen Hochbauprogramme, unverändert voll umfänglich im Haushalt abgebildet werden. Zweitens ist in quantitativer Hinsicht festzustellen, dass im Blick auf den Gesamthaushalt das in Nebenhaushalte ausgelagerten Haushaltsgebaren des Staates die kritische Schwelle nicht überschritten hat.
B. Nebenhaushalte und die Verfassungsregeln für die Staatsverschuldung I. Das Regelungskonzept des Art. 115 GG Art. 115 Abs. 1 GG und die zumeist gleich lautenden Normen der Länderverfassungen292 warten als „staatsschuldenpolitisches Regelungskonzept“293 mit zwei normativen Vorgaben für den Umgang mit Staatskrediten auf. Zunächst stipuliert Art. 115 Abs. 1 S. 1 GG einen Gesetzesvorbehalt für die staatliche Kreditaufnahme, trifft also eine formale Vorgabe für die Staatsverschuldung. Damit wird das parlamentarische Budgetrecht für die Zukunft gesichert und das Vollständigkeitsgebot ergänzt294. Sodann stellt Art. 115 Abs. 1 S. 2 GG – einfachgesetzlich aufgenommen durch § 18 Abs. 1 BHO – eine materielle Schranke für die Staatsverschuldung auf, indem die Kreditaufnahme des Staates auf die Höhe der im Haushalt veranschlagten Investitionsausgaben begrenzt wird295. Welche Reichweite dieses Regelwerk für Nebenhaushalte hat, ist streitig. Zwar folgen die wesentlichen Argumentationslinien jenen zu Art. 110 Abs. 1 GG. Doch ist insbesondere die Reichweite der auch hier im Verfassungstext selbst, nämlich in Art. 115 Abs. 2 GG, verankerten Ausnahmemöglichkeit für 292
Vgl. Art. 84 bw. LV. So Puhl, S. 483. 294 Dazu Maunz in: Maunz/Dürig, Art. 115, Rn. 1; Höfling/Rixen in: BK, Art. 115, Rn. 109 f.; Friauf, § 91, Rn. 23 ff.; Puhl, S. 483 ff. 295 Dazu und zu der Funktionsschwäche dieses Junktims ausführlich Höfling, S. 185 ff. und Jahndorf, S. 162 ff.; s. auch Friauf, § 91, Rn. 40 ff. und F. Kirchhof, DVBl. 02, S. 1574 ff. 293
B. Verfassungsregeln für die Staatsverschuldung
115
Sondervermögen umstritten. Mit Blick auf die Landesverfassungen deutet sich in diesem Punkt schließlich an, dass eine gleich laufende Interpretation nicht zwingend sein könnte, da eine vergleichbare Ausnahmevorschrift nur in Hessen und Nordrhein-Westfalen existiert und die übrigen Landesverfassungen weder den Gesetzesvorbehalt für die Kreditaufnahme noch das Verschuldungslimit mit Einschränkungen versehen, dieses staatsschuldenpolitische Regime also strenger formulieren, als das Grundgesetz dies tut. 1. Erste Annäherung: Einschränkungen aufgrund des Wortlauts der Norm Genauso wie bei Art. 110 Abs. 1 GG werden für Art. 115 Abs. 1 GG zwei wesentliche Einschränkungen diskutiert: erstens die Beschränkung der Norm auf die Kreditaufnahme „des Bundes“ unter Ausschluss seiner rechtlich selbständigen Personen des öffentlichen oder privaten Rechts; zweitens die Nichtberücksichtigung von Sondervermögen nach Maßgabe des Art. 115 Abs. 2 GG. Schon der Wortlaut zeigt aber Abweichungen von Art. 110 Abs. 1 GG, die eine schlichte Übertragung des zu Art. 110 Abs. 1 S. 1GG erzielten Ergebnisses der grammatikalischen Auslegung verhindern. So ist in Art. 115 Abs. 2 GG nicht von Krediten „des Bundes“ die Rede, sondern immer nur von Krediten ohne Zurechnungsobjekt; und Art. 115 Abs. 2 GG setzt für eine etwaige Nichtgeltung der Regeln des Abs. 1 ein Gesetz voraus, räumt den Sondervermögen also nicht wie Art. 110 Abs. 1 S. 1 2. Hs. GG qua Verfassung diese Sonderstellung ein. Für den Geltungsbereich der formellen und materiellen Verschuldungsschranken des Art. 115 Abs. 1 GG lässt sich im ersten Zugriff also vorläufig zweierlei festhalten: – Einen Ausschluss der rechtlich selbständigen Personen des privaten oder öffentlichen Rechts im Eigentum des Bundes trägt der Wortlaut nicht. Systematische Aspekte wie die Folgerichtigkeit der Verfassung bei den sich ergänzenden Art. 110 und Art. 115 GG296 legen einen solchen Ausschluss zwar nahe – und davon wird häufig einfach auch ausgegangen297 –, für eine endgültige Festlegung sollte aber die teleologische Betrachtung abgewartet werden. – Sondervermögen des Bundes (und mit ihnen Bundesbetriebe298) unterliegen grundsätzlich den Kreditregeln des Art. 115 Abs. 1 GG, soweit nicht eine – nach Art. 115 Abs. 2 GG verfassungsrechtlich ausdrücklich zulässige – abweichende gesetzliche Regelung vorliegt299. 296
Zu diesem Gedanken Friauf, § 91, Rn. 24. Höfling, S. 49; Heuer in: Heuer, Art. 115, Rn. 3; Wendt in: v. Mangoldt/Starck, Art. 115, Rn. 70. 298 Vgl. Puhl, S. 499; Höfling/Rixen in: BK, Art. 115, Rn. 386. 297
116
2. Teil: Staatliches Liegenschaftsmanagement im Nebenhaushalt
Dieses im Vergleich zu Art. 110 Abs. 1 GG unklare Bild der Auslegung von Art. 115 GG verlangt nach Konturierung. 2. Konturierung I: Auslegung des Art. 115 Abs. 1 S. 1 GG Der Gesetzesvorbehalt in Art. 115 Abs. 1 GG ergänzt den Gesetzesvorbehalt des Art. 110 Abs. 1 S. 1 GG, ist also Ausfluss des parlamentarischen Haushaltsrechts und erfasst aufgrund seiner dadurch vorgegebenen Schutzrichtung das gesamte Finanzgebaren des Bundes, insbesondere auch die Kreditaufnahme durch rechtlich selbständige Nebenhaushalte300. Wie bei Art. 110 Abs. 1 S. 1 GG würde anderenfalls der Gesetzesvorbehalt ins Leere laufen; diese teleologische Auslegung ist lediglich die logische Fortsetzung der teleologischen Auslegung von Art. 110 Abs. 1 S. 1 GG. Erfasst ist nach dem vorher Gesagten selbstredend auch die Kreditaufnahme durch unselbständige Nebenhaushalte wie Sondervermögen301, für die jedoch die Dispensmöglichkeit des Art. 115 Abs. 2 GG greift302. 3. Konturierung II: Auslegung des Art. 115 Abs. 1 S. 2 und Art. 115 Abs. 2 GG Das Verschuldungslimit des Art. 115 Abs. 1 S. 2 GG ist in der Reichweite seiner Wirkung für rechtlich unselbständige wie auch rechtlich selbständige Trabanten des Bundes noch stärker umstritten. Das Kreditlimit und der Dispens für Sondervermögen in Abs. 2 Für Sondervermögen und Bundesbetriebe findet sich als allgemein anerkannter Ausgangspunkt die grundsätzliche Geltung des Art. 115 Abs. 1 S. 2 GG303. Gleichzeitig lässt Art. 115 Abs. 2 GG Ausnahmen zu und droht gerade im Hinblick auf die materielle Verschuldungsschranke des Art. 115 Abs. 1 S. 2 GG „eine offene Flanke der Staatsverschuldung“ (Selmer) zu bieten304 und der Regierung über eine Selbstentmachtung des Parlaments „freie Hand bei der 299 Selmer in: FS Stern, S. 574 (mit dem Hinweis auf den in dieselbe Richtung weisenden Willen des verfassungsändernden Gesetzgebers, S. 575); Maunz in: MaunzDürig, Art. 115, Rn. 52; Fischer-Menshausen in: v. Münch/Kunig, Art. 115, Rn. 17; Wendt in: v. Mangoldt/Starck, Art. 115, Rn. 68; Höfling/Rixen in: BK, Art. 115, Rn. 428; Heun in: Dreier, Art. 115, Rn. 32. 300 Puhl, S. 510 ff.; Höfling/Rixen in: BK, Art. 115, Rn. 118. 301 Ausführlich Puhl, S. 497 ff.; s. auch Höfling, S. 64. 302 Zur Anwendung dieser Freistellungsmöglichkeit vgl. Höfling, S. 67 ff.; Puhl, S. 499 ff. 303 Vgl. die Nachweise in Fn. 244. 304 Selmer in: FS Stern, S. 567.
B. Verfassungsregeln für die Staatsverschuldung
117
Schuldaufnahme“ (F. Kirchhof) zu gewähren305. Deshalb wird dogmatisch auf verschiedenen Stufen versucht, diese Gefahr zu bannen. Vereinzelt wird schon der Dispens des Art. 115 Abs. 2 GG gar nicht gewährt, also nur auf den (formellen) Gesetzesvorbehalt des Art. 115 Abs. S. 1 GG – und nicht auf das Kreditlimit – bezogen306. Mit dem Regel-Ausnahme-Charakter des Art. 115 GG, dessen zweiter Absatz ersichtlich eine Ausnahme von den Vorgaben des Art. 115 Abs. 1 GG insgesamt bezweckt, ist diese Dispensverweigerung nicht vereinbar307. Häufig wird eine gesetzliche Ermächtigung nach Art. 115 Abs. 2 GG als ausreichend angesehen, um die Geltung des Kreditlimits auszuschalten. Durch das bewusste Überwinden dieser Hürde der Gesetzesermächtigung verzichtet das Parlament nach dieser Auffassung auf die Ausübung des Budgetrechts für die von der Ermächtigung erfassten Sondervermögen und Bundesbetriebe und befreit damit diese Nebenhaushalte von den Kreditbegrenzungsregeln. Im Übrigen gilt nach dieser Meinung die Verschuldungshöchstgrenze nur für den Bundeshaushaltsplan, mithin nicht für die von der Ausnahme des Art. 110 Abs. 1 S. 1 2. Hs. GG erfassten Bundesbetriebe und Sondervermögen, deren Finanzgebaren nicht vollständig, sondern nur über Zuführungen bzw. Ablieferungen in diesem Bundeshaushaltsplan abgebildet wird308. Im Vordringen begriffen ist die Auffassung, die wie bei Art. 110 Abs. 1 GG die Ausnahmemöglichkeit für Sondervermögen teleologisch eingrenzt. In einem ersten Schritt wird aus dem Begriff des „Sondervermögens“ gefolgert, dass ein positiver Vermögensbestand vorhanden sein muss309 oder dass zumindest mit der Errichtung des Sondervermögens auch eine finanzielle Grundlage für die Erfüllung der ihm zugewiesenen Aufgabe bereitstellt310 (etwa in Gestalt einer Sonderabgabe). Da über das System kommunizierender Röhren von Zuführungen und Ablieferungen ein Sondervermögen aber ohne weiteres mit dem regulären Haushalt verbunden ist, erscheint es zweifelhaft, ob über 305
F. Kirchhof, VVDStRL 52 (93), S. 103. So Wendt in: v. Mangoldt/Starck, Art. 115, Rn. 68 und Heintzen in: v. MünchKunig, Art. 115, Rn. 20. 307 Gleiches gilt für die genau gegenläufige Meinung von Patzig, Art. 115, Rn. 32, der das Kreditlimit des Art. 115 Abs. 1 S. 2 GG nur für den Bundeshaushalt gelten lässt und insoweit ohne Rückgriff auf Art. 115 Abs. 2 GG auskommt. 308 Maunz in: Maunz/Dürig, Art. 115, Rn. 52; Piduch in: Piduch, Art. 115, Rn. 33 ff. (s. auch Nebel in: Piduch, § 113 BHO, Rn. 1); Heuer in: Heuer, Art. 115, Rn. 16. 309 So dezidiert Wendt in: v. Mangoldt/Starck, Art. 115, Rn. 69 und Siekmann in: Sachs, Art. 115, Rn. 56, ihnen folgend Heintzen in: v. Münch-Kunig, Art. 115, Rn. 21; ähnlich Höfling, S. 331. S. auch schon Vialon, DÖV 51, S. 115. 310 Selmer in: FS Stern, S. 581; jetzt dazu ausführlich Höfling/Rixen in: BK, Art. 115, Rn. 391 f. („Sondervermögenslast“ analog zur Anstaltslast). 306
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2. Teil: Staatliches Liegenschaftsmanagement im Nebenhaushalt
solche terminologische Eingrenzungen der „Ausbruch aus dem allgemeinen haushaltswirtschaftlichen Normensystem“ (Maunz) befriedigend bewältigt werden kann. Daher ist der zweite Interpretationsschritt entscheidend. Um Sinn und Zweck der materiellen Verschuldungsschranke des Art. 115 Abs. 1 S. 2 GG zu wahren, sind Umgehungsversuche durch Sondervermögen zu vermeiden. Argumentativ wird zum einen – analog der Gedankenführung zu Art. 110 Abs. 1 S. 1 GG – auf die besondere Rechtfertigungsbedürftigkeit von Sondervermögen311 und die Schranke des Missbrauchs von Ausnahmebestimmungen zurückgegriffen312. Zum anderen soll der völlige Leerlauf des Kreditlimits verhindert werden, indem der Dispens des Art. 115 Abs. 2 GG im Lichte der Begrenzungsfunktion des Art. 115 Abs. 1 S. 2 GG eng ausgelegt und materiell auf struktur- und aufgabenadäquate Verschuldungsspielräume begrenzt wird313. Verfahrensmäßig knüpft sich daran – auch hier eine Parallelüberlegung zur teleologischen Auslegung des Art. 110 Abs. 1 GG – die Pflicht für den Gesetzgeber, das ausgegliederte Finanzgebaren im Auge zu behalten, es also in Gesamtzusammenhang des staatlichen Finanzgebarens zu kontrollieren und ggf. einzuschreiten314. Im konkreten Anwendungsfall mögen unterschiedliche Auffassungen über den Gehalt dieser materiellen Begrenzung bestehen315; dem Sinn und Zweck des verfassungsrechtlichen Staatsschuldenregimes entspricht eine solche materiell einschränkende Handhabung des Dispenses jedenfalls am besten. Der Leitgedanke dieser materiell begrenzenden Auslegung des Art 115 Abs. 2 GG lässt sich auch auf selbständige Personen des öffentlichen oder privaten Rechts in Bundeshand übertragen. Durch die Ausgründung solcher Gebilde wird das Kreditlimit genauso umgangen wie durch unselbständige Nebenhaushalte. Aus teleologischen Gründen und zum Zweck der Gleichbehandlung mit Sondervermögen ist also das Kreditlimit mit aufgaben- und strukturadäquaten Modifikationen auch für diese selbständigen Nebenhaushalte anwendbar316.
311
Vgl. die Nachweise in Fn. 245. Zur Missbrauchsschranke speziell bei Art. 115 Abs. 1 S. 2 GG vgl. Höfling, S. 332 f.; Heun in: Dreier, Art. 115, Rn. 34; Siekmann in: Sachs, Art. 115, Rn. 55. 313 Puhl, S. 528 ff.; Selmer in: FS Stern, S. 582 ff.; Gröpl in: BK, Art. 110, Rn. 100; Höfling/Rixen in: BK, Art. 115, Rn. 441 f. 314 Puhl, S. 503 f.; Gröpl in: BK, Art. 110, Rn. 99; Höfling/Rixen in: BK, Art. 115, Rn. 444. 315 Vgl. für die einigungsbedingten Sondervermögen Selmer in: FS Stern, S. 584 f. einerseits und Höfling, S. 331 f. (und ihm folgend Puhl, S. 530) andererseits. 316 Puhl, S. 532 ff.; ähnlich Wendt in: v. Mangoldt/Starck, Art. 115, Rn. 70; Siekmann in: Sachs, Art. 115, Rn. 54, 59. Die wohl immer noch h. M. folgt dieser teleologischen Erweiterung des Art. 115 GG (mit Ausnahme der sog. privaten Finanzierungsgesellschaften) nicht vgl. Maunz in: Maunz/Dürig, Art. 115, Rn. 52; Heun in: Dreier, Art. 115, Rn. 36; Gröpl in: BK, Art. 110, Rn. 101. 312
B. Verfassungsregeln für die Staatsverschuldung
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II. Das Staatsschuldenregime der Landesverfassungen und seine Geltung für Nebenhaushalte Der Bestand an staatsschuldenregulierenden Normen in den Länderverfassungen legt eine strenger kreditlimitierende Interpretation dieser Verschuldungsregeln nahe317. Die viel diskutierte Ausnahmevorschrift des Art. 115 Abs. 2 GG hat nämlich keine Nachahmung in den Länderverfassungen gefunden. Nur in Nordrhein-Westfalen und in Hessen wird dem Gesetzgeber in einem eigens eingefügten Verfassungsartikel die Möglichkeit eingeräumt, „ertragswirtschaftliche Unternehmungen“ von wesentlichen Normen des Haushaltsverfassungsrechts, insbesondere auch von den Vorgaben zur Staatsverschuldung, auszunehmen (Art. 88 LV NRW und Art. 145 hess. LV). In den anderen Ländern schweigt sich der Verfassungstext über eventuelle Dispensmöglichkeiten aus. Der Begriff der „ertragswirtschaftlichen Unternehmungen“ umfasst nach überwiegender Meinung alle Unternehmungen, die auf Gewinnerzielung ausgerichtet sind – und zwar unabhängig von ihrer Rechtsform318. Es muss sich also nicht notwendigerweise um einen Landesbetrieb handeln; und umgekehrt reicht die bloße Errichtung eines Sondervermögens nicht aus, um Dispens zu gewähren. Für Nordrhein-Westfalen ist anerkannt, dass für den BLB die Ausnahmevorschrift einschlägig ist319. Das Schweigen der übrigen Landesverfassungen wird allgemein dahingehend ausgelegt, dass der Gesetzesvorbehalt und das Kredit-Investitions-Junktim der jeweiligen Landesverfassung uneingeschränkt auch für Sondervermögen und Landebetriebe gelten320. Es ist jedoch überlegenswert, ähnlich wie bei der in vier Landesverfassungen fehlenden Ausnahme für Landesbetriebe und Sondervermögen vom Einheitsprinzip auch für die staatsschuldenpolitischen Regeln eine ungeschriebene Aus317 Dies ist ein Beispiel dafür, dass auch jenseits der Grundrechte eine Auseinandersetzung mit Landesverfassungsrecht lohnend ist vgl. dazu programmatisch Graf Vitzthum, VVDStRL 46 (87), S. 35 ff. Weitere Beispiele s. unten C. III. 6. sowie 3. Teil B. III. 2. und B. IV. 3. 318 So für Art. 145 hess. LV Zinn/Stein, Art. 145, Ziff. 2. Für Art. 88 LV NRW str. (vgl. Nachweise bei Tettinger in: Löwer/Tettinger, Art. 88, Rn. 5); mit überzeugenden Argumenten der Entstehungsgeschichte, der Systematik der Haushaltsverfassung und des Zwecks der Vorschrift für die Gewinnerzielungsabsicht als alleiniges Kriterium Tettinger in: Löwer/Tettinger, Art. 88, Rn. 6 f.; ihm folgend Höfling/Rixen in: BK, Art. 115, Rn. 557. 319 Tettinger in: Löwer/Tettinger, Art. 88, Rn. 7; ihm folgend Höfling/Rixen in: BK, Art. 115, Rn. 557. 320 Höfling/Rixen in: BK, Art. 115, Rn. 490 (BW), 496 (Bay.), 505 (Berl.), 507 (Brdg.), 513 (Brem.), 523 (HH), 539 (MV), 541 (Nds.), 565 (RP), 570 (SL), 573 (Sach.), 578 (SA), 581 (SH), 585 (Thür.). Für Hessen vgl. Zinn/Stein, Art. 141, Ziff. 3a. Ausdrücklich in Bezug auf den Gesetzesvorbehalt bei Kreditaufnahme von Sondervermögen und Landesbetrieben Trzaskalik in: Grimm/Caesar, Art. 117, Rn. 7.
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2. Teil: Staatliches Liegenschaftsmanagement im Nebenhaushalt
nahme aufgrund gängiger Staatspraxis anzunehmen und durch erweiternde Auslegung die jeweiligen Landesverfassungen an Art. 115 Abs. 2 GG anzupassen. Aufgrund der weitgehenden Unitarisierung auch des Haushaltsverfassungsrechts seit 1969, die bei den Kreditregeln ebenfalls ihren Niederschlag gefunden hat, ist dies denkbar und wird für die Auslegung der Kreditregeln selbst ernsthaft erwogen, so in Hamburg, wo die Neufassung des Art. 115 Abs. 1 GG nicht im Text der Landesverfassung rezipiert wurde321. Die Argumente, die gegen eine darüber hinaus auch noch Art. 115 Abs. 2 GG erfassende Ausweitung sprechen, überwiegen aber deutlich. So ist zunächst darauf hinzuweisen, dass anders als bei der Einheit des Budgets nicht nur vier, sondern mit zwei Ausnahmen alle Länder bei den Kreditaufnahmevorschriften keine Dispensmöglichkeit für Sondervermögen und Landesbetriebe vorsehen. Die Annahme, bei der Dispensmöglichkeit könnte es sich um ein interföderales haushaltsverfassungsrechtliches Gewohnheitsrecht handeln, stößt hier an quantitative Grenzen. Auch eine am Verfassungstext vorbei modernisierend-unitarisierende Interpretation verliert ihren Charme, sobald sie nicht mehr einen vorhandenen – und vom Wortlaut her relativ offenen – Normtext im Lichte neuer Entwicklungen auslegt (wie es für die Kreditregeln erwogen wird), sondern ohne jeglichen Anhaltspunkt in der geschriebenen Verfassung operiert. Genau dies wäre aber der Fall, wenn die Dispensmöglichkeit des Art. 115 Abs. 2 GG in die Landesverfassungen hineingelesen würde322. Hinzu kommt, dass davon ausgegangen werden kann, dass das Fehlen einer solchen Ausnahmebestimmung nicht ein redaktionelles Versehen war. Bei der Übernahme des neu gefassten Art. 115 GG in Landesverfassungen stand die Frage des Dispenses zumindest unausgesprochen im Raum; in Rheinland-Pfalz wurde beispielsweise bewusst auf ihn verzichtet323. Schließlich sollte der hier vertretenen Auffassung, dass die Kreditregeln in teleologischer Auslegung auf die Nebenhaushalte anzuwenden sind, nicht ohne Not jenes kleines Stück festen Grunds unter den Füßen weggezogen werden, auf den sie sich als textlichen Anknüpfungspunkt stützen kann, nämlich das Fehlen der Dispensmöglichkeit in den meisten Landesverfassungen und damit die unbeschränkte Geltung der Kreditaufnahmevorschriften zumindest für unselbständige Nebenhaushalte der Länder. Genauso wie bei Art. 115 GG deutet sich bei den entsprechenden Normen der Landesverfassungen an, dass eine solche vom Sinn und Zweck des parlamentarischen Budgetrechts inspirierte Auslegung an Zuspruch gewinnt324.
321 322 323
Vgl. dazu Höfling/Rixen in: BK, Art. 115, Rn. 522. So auch Höfling/Rixen in: BK, Art. 115, Rn. 523. So Trzaskalik in: Grimm/Caesar, Art. 117, Rn. 7.
B. Verfassungsregeln für die Staatsverschuldung
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Im Ergebnis sind also die den Staatskredit regelnden Vorschriften der Landesverfassungen strikter als Art. 115 GG, da sie zumindest für Sondervermögen und Landesbetriebe keinen Dispens erlauben. III. Der Befund im staatlichen Liegenschaftswesen mit Blick auf die Kreditaufnahme Wenn auch nach dem Wortlaut der meisten Landesverfassungen und jedenfalls nach Sinn und Zweck der Kreditregeln die Nebenhaushalte sowohl vom Gesetzesvorbehalt für Kreditaufnahmen als auch vom Kredit-Investitions-Junktim erfasst sein sollten, folgt die Staatspraxis diesen strengen Vorgaben nur teilweise – dies gilt auch für die aufgrund Reorganisation der Liegenschaftsverwaltung geschaffenen Nebenhaushalte. Für den Typus „Qualifizierter Staatsbetrieb“, wie er in Nordrhein-Westfalen und Mecklenburg-Vorpommern eingeführt wurde, wurden die Kreditermächtigung und die Kreditbegrenzung auf Investitionen im jeweiligen Errichtungsgesetz geregelt325. Die Sondervorschrift des Art. 88 LV NRW wurde dafür also nicht in Anspruch genommen. Aussagen zu diesem Themenkreis treffen auch die Errichtungsgesetze für die Sondervermögen in Bremen und Berlin. Während in Bremen über § 113 LHO auf das Kreditlimit nach § 18 Abs. 1 LHO verwiesen wird326, hat Berlin durch § 3 Abs. 1 S. 2 SILBG eine Kreditaufnahme ausdrücklich ausgeschlossen327. Soweit nur Landesbetriebe eingerichtet worden sind, finden sich keine gesetzlichen Regeln. Dennoch hat der schon längere Zeit tätige LBB Rheinland-Pfalz ausweislich des Wirtschaftsplans eine Nettokreditaufnahme von 89 Mio. DM im Jahr 2000 und von fast 67 Mio. DM im Folgejahr zu verzeichnen. Bei den selbständigen Nebenhaushalten im staatlichen Liegenschaftswesen finden sich keinerlei gesetzliche Regelungen zur Kreditaufnahme. So wäre für die GMSH A. ö. R. als landesunmittelbare juristische Person des öffentlichen Rechts nach § 105 Abs. 1 LHO eine Bindung an die Vorschriften der LHO und insbesondere an das Kreditlimit des § 18 Abs. 1 LHO denkbar gewesen. Doch wurde durch § 13 GMSHG die Anwendung der LHO und insbesondere von 324 Vgl. Pfennig in: Pfennig/Neumann, Art. 87, Rn. 11, der zumindest den Gesetzesvorbehalt für Kredite auf selbständige juristische Personen ausdehnt. 325 § 10 BLBG (GVOBl. NRW 00, S. 755) mit Kreditermächtigung im jeweiligen Haushaltsgesetz (z. B. § 2a Abs. 1 HHG 02) und § 3 Abs. 2 BBLG i.V. m. jeweiligem Haushaltsgesetz (GVOBl. MV 01, S. 601). 326 Vgl. auch Brem Bürg., Drs. 15/898, S. 4 sowie S. 5 (Erl. zu § 1 SVITG) und S. 6 (Erl. zu § 3 SVITG). 327 GVOBl. Berl. 02, S. 357. Dies entspricht der Intention des Gesetzgebers vgl. Abgh Berl., Drs. 15/900, S. 3 und S. 4 (Erl. zu § 3 SILBG).
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2. Teil: Staatliches Liegenschaftsmanagement im Nebenhaushalt
§ 18 Abs. 1 LHO ausgeschlossen. Damit hat der Gesetzgeber bewusst von der Möglichkeit des § 105 Abs. 1a. E. LHO Gebrauch gemacht, da die Erfahrungen der Vergangenheit gezeigt hätten, dass die haushaltsrechtlichen Restriktionen bei einem betriebswirtschaftlich und unternehmerisch ausgerichteten Betrieb hemmend wirken328. Bei der von der Bundeswehr anvisierten privatrechtlichen Lösung soll nach Darstellung der Bundesregierung der GEBB selbst und auch der b. l. g. keine Kreditaufnahme erlaubt werden329. Dies ist aber eine politische Festlegung, wohingegen die gewählte Rechtsform (GmbH bzw. GmbH & Co. KG) selbstverständlich nach h. M. und geläufiger Staatspraxis eine Kreditaufnahme ohne Rückkopplung an die verfassungsrechtlichen Kreditaufnahmeregeln ermöglicht. Juristische Personen des privaten Rechts unterliegen ihren eigenen „Verschuldungsregeln“, die sich aus den Privatrechtsregime ergeben, dem sie unterliegen. So sind sie insbesondere insolvenzfähig (vgl. § 262 Abs. 1 Nr. 3 AktG, § 60 Abs. 1 Nr. 4 GmbHG). Diese Vorschriften bezwecken aber den Schutz der Gläubiger und können daher nicht von der Geltung der verfassungsrechtlichen Normen zur Staatsverschuldung dispensieren, die das Budgetrecht des Parlaments erhalten wollen. Im Fall des ausgegliederten staatlichen Liegenschaftsmanagements wird diese partielle „Flucht aus dem Haushalt“ aber eingehegt: So wurden und werden die staatlichen Hochbauinvestitionen gesondert veranschlagt und unterliegen damit unverändert der für die Kreditaufnahme im ordentlichen Haushalt geltenden Verfassungsbestimmungen. Wie schon bei der Einheit und Vollständigkeit des Budgets ist die Zulässigkeit von Durchbrechungen der Kreditaufnahme- und vor allem Kreditbegrenzungsregeln zumindest auch unter dem Gesichtspunkt der Relation des ausgegliederten Finanzgebarens zum Gesamthaushalt zu bewerten330. Wie oben festgestellt (siehe A. II. 2.), sind dabei keine besorgniserregenden Verhältnisse anzutreffen. Zwar könnte gerade durch diese gesonderte Veranschlagung jenes großen Investitionsanteils, der vom staatlichen Liegenschaftswesen umgesetzt wird, für das Kredit-Investitions-Junktim ein Nachteil befürchtet werden, weil ein Gleichlauf von Verschuldung und Investitionen im Nebenhaushalt selbst dadurch erschwert wird. Doch ist für solche Konstellationen eine kompensatorische Anbindung an den Haushalt geboten, die ein Mindermaß an Investitionen im Nebenhaushalt durch ein Übermaß an Investitionen im Staatshaushalt ausgleicht und damit dem Junktim im Gesamthaushaltsgebaren Geltung verschafft331. Umgekehrt könnte in Zukunft dem Grundsatz der 328
LT SH, Drs. 14/1525, S. 11 (Erl. zu § 13 GMSHG). BT-Drs. 14/8988, S. 7 (zu den ursprünglich geplanten Beteiligungsgesellschaften mit mehrheitlich privater Beteiligung vgl. S. 4). 330 Selmer in: FS Stern, S. 579 f., 584; ihm folgend Höfling/Rixen in: BK, Art. 115, Rn. 443. 331 Puhl, S. 530. 329
B. Verfassungsregeln für die Staatsverschuldung
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Geltung des Kreditlimits auch für Nebenhaushalte dann eine besondere Bedeutung zukommen, wenn vermehrt auch die Investitionen im Nebenhaushalt des Liegenschaftsmanagements erfolgen und dadurch die Verschuldungsgrenze angehoben wird. IV. Verdeckte Kreditaufnahme durch Sale-Lease-Back von Liegenschaften Bisher wurde dargestellt, wie die Neuorganisation der Liegenschaftserwaltung zu Nebenhaushalten geführt haben, und untersucht, welche Gefahren dadurch für das Budgetrecht des Parlaments und insbesondere für die Regeln zur Begrenzung der Staatsverschuldung entstehen könnten. Die Rechtswirklichkeit mag teilweise unbefriedigend sein, weil Sinn und Zweck der Kreditregeln für die neu geschaffenen Gebilde nicht ausreichend berücksichtigt wurden; die tatsächliche Verschuldung außerhalb des Haushalts hat aber bislang zumindest das Kredit-Investitions-Junktim nicht berührt. Dagegen hat das „Kieler Immobiliengeschäft“ neben der Neuorganisation des Liegenschaftswesens in Form der GMSH direkte Auswirkungen auf den Staatshaushalt gehabt, weil hier – bislang einzigartig in Deutschland – zudem Liegenschaften veräußert wurden, um Einnahmen für den Landeshaushalt zu gewinnen, der anderenfalls wegen Verstoßes gegen das Kredit-Investitions-Junktim verfassungswidrig gewesen wäre. Hier hatte sich nicht etwa die Gefahr der Kreditaufnahme durch einen im Zuge der Reform der Liegenschaftsverwaltung geschaffenen Nebenhaushalt (nämlich der GMSH) am Staatshaushalt vorbei aktualisiert, sondern es war der Verdacht einer verdeckten Kreditaufnahme des Landes mittels eines von ihm eingeschalteten Dritten (nämlich der IB) aufgekommen. Daher stellt sich die Frage nach der Zulässigkeit dieses Vorgangs im Lichte der Verfassungsregeln zur staatlichen Kreditaufnahme hier in besonders komplexer, aber auch im Vergleich zu den anderen Reorganisationen einzigartiger Weise. Zentraler Streitpunkt war dabei, ob die Veräußerung der Landesliegenschaften an die IB mit den daran gebundenen komplizierten rechtlichen Einflussmöglichkeiten des Landes332 eine Kreditaufnahme im haushaltsverfassungsrechtlichen Sinne darstellt. Zu dieser Frage wurden in gutachterlichen Stellungnahmen im Gesetzgebungsverfahren des Jahres 1997 zwei konträre Auffassungen vertreten, welche die beiden Hauptströmungen im Meinungsstreit zur Frage des verfassungsrechtlichen Kreditbegriffs abbilden. Somit berührt die Neuordnung des staatlichen Liegenschaftswesens die neben der Ausbildung von Nebenhaushalten zweite
332
Vgl. die Einzelheiten oben 1. Teil B. II. 2.
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2. Teil: Staatliches Liegenschaftsmanagement im Nebenhaushalt
zentrale Frage staatsschuldenrechtlicher Theorie und Praxis, nämlich die des Kreditbegriffs selbst. In seinem Gutachten für die Landesregierung hat Birk ausführlich dargelegt, weshalb das „Kieler Immobiliengeschäft“ keine unmittelbare Kreditaufnahme des Landes begründet333. Er stützt sich in einem ersten Schritt auf die hergebrachte Unterscheidung zwischen Finanzschulden und Verwaltungsschulden. Demnach sind Zahlungsverpflichtungen, die der Staat im Rahmen seiner Aufgabenerfüllung eingeht, Verwaltungsschulden. Diese stehen in unmittelbaren sachlichen Bezug zur Tätigkeit der Verwaltung. Typischer Fall sind Zahlungen als Teil von Austauschverträgen wie Miete oder Kauf. Hiervon sind Zahlungsverpflichtungen abzugrenzen, die der Staat eingeht, um sich Geld zu beschaffen, die also direkt der Einnahmenerzielung und nur indirekt der Verwirklichung von staatlichen Aufgaben dienen334. Traditionell gelten nur diese Finanzschulden als Kredit im Sinne des Haushaltsverfassungsrechts und unterliegen somit dem verfassungsrechtlichen Kreditlimit, nicht jedoch die Verwaltungsschulden335. Da das Liegenschaftsmodell neben der Übertragung von Liegenschaften im Gegenzug für das Land nur die Pflicht zur Miet- bzw. Pachtzinszahlung begründet und diese den Verwaltungsschulden zuzurechnen sind, findet nach Auffassung von Birk keine verfassungsrechtlich relevante Kreditaufnahme des Landes selbst statt336. In einem zweiten Schritt war jedoch zu klären, ob nicht die von der IB zu Zweck der Kaufpreisfinanzierung erforderliche Kreditaufnahme dem Land zuzurechnen ist. Denn in Abweichung vom formellen Rechtsträgerprinzip, das nur die Kreditaufnahme des Staates selbst als Rechtsträger für beachtlich erklärt, sind Umgehungstatbestände allgemein anerkannt, die eine Kreditaufnahme durch Dritte dann einem Kredit des Staates selbst gleich setzen, wenn dieser Dritte im Auftrag und für Rechnung des Staates handelt oder er zwar im eigenen Namen und auf eigene Rechnung agiert, aber der Staat maßgeblicher Eigentümer ist und den Finanzierungsaufwand trägt. Die erste Fallkonstellation ist jener eine erweiternde Auslegung rechtfertigende Umgehungstatbestand, der auch bei in der ansonsten dem hergebrachten Staatsschuldenbild verpflichteten 333
LT SH, Umdruck 14/1167, s. auch LT SH, APr Fin 14/54, S. 4 ff. Zu den historischen Wurzeln dieses auf Laband zurückgehenden Dualismus im deutschen Staatsschuldenrecht vgl. Höfling, S. 33 ff. 335 Maunz in: Maunz/Dürig, Art. 115, Rn. 10; Fischer-Menshausen in: v. Münch/ Kunig, Art. 115, Rn. 10; Heun in: Dreier, Art. 115, Rn. 11; Patzig, Art. 115, Rn. 10; Piduch in: Piduch, Art. 115, Rn. 14; Friauf, § 91, Rn. 26. Vgl. für die Landesverfassungen Braun, Art. 84, Rn. 6 und Feuchte, Art. 84, Rn. 8 für Baden-Württemberg sowie Zinn/Stein, Art. 141, Ziff. 1a für Hessen. 336 LT SH, Umdruck 14/1167, S. 16 f. 334
B. Verfassungsregeln für die Staatsverschuldung
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Literatur Zustimmung erfährt337. Hingegen bröckelt die Unterstützerbasis schon bei der zweiten Konstellation338, die aber von der Verfassungsrechtsprechung Zuspruch erfährt339. Nach Auffassung Birks liegt keiner dieser Umgehungstatbestände vor, sondern eine eigenständige Kreditaufnahme der – zudem (seiner Ansicht nach) vom Land nicht beherrschten – IB für den Eigentumserwerb340. Aufgrund der Konstruktion des Liegenschaftsmodells ist diesem Gutachten zufolge die IB auch wirtschaftlicher Eigentümer und nicht etwa bloßer Treuhänder, so dass auch insoweit die Kreditaufnahme nicht dem Land zuzurechnen ist341. Schließlich verneint Birk auch eine Verschleierung von Finanzschulden durch formal als Verwaltungsschulden deklarierte Geldbeschaffungsvorgänge, bei denen über langfristige Zahlungsziele das Ergebnis in wirtschaftlicher Betrachtung einer Kreditaufnahme gleichkommt, da wie bei einem Kredit die Zahlungsverpflichtung des Staates über einen längeren Zeitraum gestreckt wird. Hier könnte eine solche Zahlungsverpflichtung in Gestalt der für die Nutzung der übertragenen Liegenschaften anfallenden Mietzahlungen gegeben sein, welche als Leistungsverpflichtung des Landes im Austauschvertrag Miete/Pacht mit der IB entstanden sind und damit formal den Verwaltungsschulden zuzuordnen sind, wie wir im ersten Schritt gesehen haben. Mit Verweis auf das Urteil des Verfassungsgerichtshofs Rheinland- Pfalz zum sog. „Mogendorfer Modell“ der Straßenbaufinanzierung erhebt Birk den unmittelbaren Zusammenhang mit einem aktuellen und konkreten Finanzierungsbedarf des Staates zum entscheidenden Kriterium für das Vorliegen einer solchen Verschleierungsoperation342 – und einen solchen Zusammenhang sieht er beim „Kieler Immobiliengeschäft“ nicht343. 337 Maunz in: Maunz/Dürig, Art. 110, Rn. 29; Fischer-Menshausen in: v. Münch/ Kunig, Art. 110, Rn. 9; Heun in: Dreier, Art. 115, Rn. 11; Patzig, Art. 115, Rn. 11; Piduch in: Piduch, Art. 115, Rn. 14; Heuer in: Heuer, Art. 115, Rn. 6; Grupp, DVBl. 94, S. 145. Vgl. für Niedersachsen Neumann, Art. 71, Rn. 6 und für Sachsen-Anhalt Reich, Art. 99, Rn. 1. 338 Höfling; S. 51 f.; v. Arnim, Möglichkeiten, S. 81; Wendt in: Ipsen, S. 45; Puhl, S. 504 ff.; Siekmann in: Sachs, Art. 115, Rn. 54, 59; Heintzen in: v. Münch/Kunig, Art. 115, Rn. 8 und für Schleswig-Holstein v. Mutius in: v. Mutius/Wuttke/Hübner, Art. 53, Rn. 10. Ablehnend neben den in Fn. 129 Genannten insbesondere auch Trzaskalik in: Grimm/Caesar, Art. 116, Rn. 10, und Art. 117, Rn. 7. 339 VerfGH RP, AS 25, 387 (393) – „Mogendorfer Modell“. 340 LT SH, Umdruck 14/1167, S. 21. 341 LT SH, Umdruck 14/1167, S. 22 ff. 342 Vgl. VerfGH RP, AS 25, 387 (396). Im Kriterium und im Ergebnis gleicher Meinung schon Grupp, DVBl. 94, S. 145 und Höfling, DÖV 95, S. 146. 343 LT SH, Umdruck 14/1167, S. 38 ff. Weitergehend noch in LT SH, APr Fin 14/ 54, S. 7 f.: Birk erkennt nicht nur keinen konkreten Finanzierungsbedarf des Landes, sondern auch keine Finanzierungslast für die Zukunft, da aus Sicht des Landes Leistung (Erhalt des Kaufpreises) und Gegenleistung (Hingabe der Liegenschaften) ausgeglichen werden.
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2. Teil: Staatliches Liegenschaftsmanagement im Nebenhaushalt
Die in jüngerer Zeit im Vordringen begriffene Gegenmeinung, die wichtige Impulse durch die Stellungnahme von F. Kirchhof im Kieler Gesetzgebungsverfahren344 empfing, lehnt es ab, den haushaltsverfassungsrechtlichen Schuldenbegriff auf Finanzschulden einzuengen, da er sonst gestaltungsanfällig wäre345. Sie plädiert für einen wirtschaftlichen Kreditbegriff, wie er sich aus der Verfassung in Abgrenzung zum im deutschen Recht insgesamt uneinheitlichen Sprachgebrauch herausarbeiten lässt346 und wie er dem Schutzzweck des Kreditlimits in der Verfassung entspricht347. Damit werden auch Umgehungskonstruktionen erfasst, weil das Rechtssträgerprinzip durch die wirtschaftliche Betrachtungsweise korrigierend erweitert wird. Demnach ist eine Kreditaufnahme Dritter dem Staat dann zuzurechnen, wenn sich der Staat eine Geldquelle zum Zwecke des aktuellen Haushaltsausgleichs erschließt348. Innerhalb dieser ökonomisch inspirierten Auslegungsrichtung kommt es durchaus zu unterschiedlichen dogmatischen Akzentsetzungen, weil Sachverhalte entweder über die teleologisch ausdehnende Interpretation des Kreditbegriffs oder über die teleologisch ausdehnende Interpretation der Kreditaufnahme durch Dritte bewertet werden349. Der zugrunde liegende normative Leitgedanke ist aber in beiden Ansätzen identisch: der relativ offene Wortlaut der verfassungsrechtlichen Kreditregeln soll nach Sinn und Zweck ausgelegt werden. Im Fall des „Kieler Immobiliengeschäfts“ bejaht Kirchhof aufgrund der Vertragsgestaltung mit den weitreichenden Zugriffsrechten des Landes und des Verbleibens der Liegenschaften im öffentlichen Bereich eine Kreditaufnahme des Landes im wirtschaftlichen Sinne. Nach seiner Auffassung ist die vom Land zu zahlende Miete als versteckter Zins und die Eigentumsübertragung an die IB mit den gegenläufigen Zugriffsmöglichkeiten des Landes auf die übertragenen Grundstücke als verdeckte Grundschuldbestellung zu bewerten – mit der Folge, dass das Land die Einnahmen aus dem Liegenschaftsverkauf als Kredit behandeln muss350.
344
LT SH, APr Fin 14/54, S. 9 ff. bzw. F. Kirchhof, DÖV 99, S. 242 ff. Höfling, S. 42; Püttner in: FS Friauf, S. 738; Gröpl, DStZ 99, S. 120; Wendt in: v. Mangoldt/Starck, Art. 115, Rn. 19; Siekmann in: Sachs, Art. 115, Rn. 20, 22; Fleischmann, S. 250 f. 346 F. Kirchhof, DÖV 99, S. 246 f.; ihm folgend Gröpl, S. 527; Jahndorf, NVwZ 01, S. 624; Fleischmann, S. 232 ff. 347 Höfling, S. 44; F. Kirchhof, DÖV 99, S. 247; Jahndorf, NVwZ 01, S. 624; Fleischmann, S. 244. 348 Gröpl, DStZ 99, S. 120. Vgl. auch Puhl, S. 508 f. 349 Jahndorf, S. 327. 350 F. Kirchhof, DÖV 99, S. 248. Zum gleichen Ergebnis kommen ebenfalls in wirtschaftlicher Betrachtung und unter Beachtung des Normzwecks, aber mit z. T. im Detail abweichender Beweisführung Gröpl, DStZ 99, S. 121; Jahndorf, NVwZ 01, S. 625; Fleischmann, S. 252 ff.; Höfling/Rixen in: BK, Art. 115, Rn. 134 f.; Siekmann in: Sachs, Art. 115, Rn. 59. 345
C. Möglichkeiten und Grenzen der Haushaltsverfassung
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Im Ergebnis ist dieser wirtschaftlich-teleologischen Betrachtungsweise zu folgen (siehe unten C. III. 3.) und daher im Fall des „Kieler Immobiliengeschäfts“ eine Kreditaufnahme zu bejahen.
C. Möglichkeiten und Grenzen der Ertüchtigung der Haushaltsverfassung I. Staatsverschuldung als verfassungspolitische Herausforderung Die Staatsverschuldung in Deutschland in Bund und Ländern gibt Anlass zu großer Besorgnis. Dies weckt Zweifel an der Tauglichkeit der Haushaltsverfassung. Nun mag man darüber streiten, wie weit staatliche Kreditaufnahme gehen soll. So zeigt die Wirtschaftsgeschichte der Neuzeit, dass Staatsverschuldung die politische Macht des Staates nicht zwangsläufig negativ beeinflussen muss. England hatte im 18. und 19. Jahrhundert zahlenmäßig dramatische Verschuldungsquoten von bis zu 268% des BIP zu verzeichnen, während der historische Rivale Frankreich, aber auch Preußen weit darunter lagen351. Der englische Wirtschaftshistoriker Ferguson hat dargelegt, dass England ökonomisch wie politisch mit den Staatsfinanzen (und -krediten) erfolgreicher operieren konnte als die anderen europäischen Staaten, weil der institutionelle Rahmen besser dazu geeignet war352. Das parlamentarische Steuerbewilligungsrecht schaffte Einnahmequellen unter Beachtung der privaten Eigentumsrechte; eine mit Fachleuten besetzte Finanzverwaltung trieb bei vergleichsweise niedriger Steuerbelastung Steuern effektiv ein, eine staatlichen Zentralbank stabilisierte das Geldwesen; und auf einem hoch entwickelten Kapitalmarkt wurden auch dank der staatliche Verschuldung und zu ihrer Bewältigung ständig neue Finanzierungsinstrumente entwickelt und breit zur Anwendung gebracht. Auch existieren verschiedene ökonomische Auffassungen zum Phänomen Staatsverschuldung, die in Rechtswissenschaft und Verfassungsauslegung ihren Niederschlag finden353. Zu meinen, ausgerechnet der Text der Haushaltsverfassung könne diese Fragen letztverbindlich und eindeutig klären oder gar ein Werturteil über Staatsverschuldung als solche abgegeben, muss Illusion bleiben. Selbst wenn der verfassungsändernde Gesetzgeber eindeutigere und schärfere Regeln zur Kreditaufnahme verabschieden sollte, wird die Frage der Staatsverschuldung letztlich immer Gegenstand der Verfassungspolitik bleiben und daher 351
Vgl. Ferguson, S. 129 ff. Dazu umfassend Ferguson, S. 23 ff., 83 ff., 181 ff. 353 Dazu ausführlich Höfling, S. 3 ff., 158 ff. und 224 ff., s. auch Höfling/Rixen in: BK, Art. 115, Rn. 74 ff. und Heun in: Dreier, Art. 115, Rn. 7 ff. sowie Friauf, § 91, Rn. 8 ff. 352
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2. Teil: Staatliches Liegenschaftsmanagement im Nebenhaushalt
Spielraum für Politik eröffnen. Eindrücklicher Beleg dafür ist das anhaltende Finassieren um die europarechtlichen Vorgaben zur gesamtstaatlichen Verschuldung in Art. 104 EGV und den Stabilitäts- und Wachstumspakt. Die bestehende Haushaltsverfassung gibt also nicht aus diesem Grund Anlass zu Unzufriedenheit. Entscheidend sind zwei andere Gründe. Erstens ist der Verfassungsrahmen für die politischen Entscheidungen über die Staatsverschuldung ungenügend. Man mag über Sinn oder Unsinn von Staatsverschuldung streiten, aber dieser Streit sollte dann offen ausgetragen werden. Dies wird aber verhindert, wenn die Kreditbegrenzungsregeln der Verfassung umgangen werden oder das tatsächliche Ausmaß von Staatsverschuldung verschleiert wird. Zweitens muss bei politischen Entscheidungen über die Kreditaufnahme der Blick für die Gefahren von Staatsverschuldung für die Handlungsfähigkeit des Staates und der Wirtschaft geschärft werden. Denn auch wenn die Verfassung keine in jedem Anwendungsfall eindeutigen Regeln aufstellt, so ist sie doch der staatlichen Kreditaufnahme gegenüber nicht völlig indifferent, sondern reguliert sie und erkennt sie nur in den von ihr gesetzten Grenzen als normales und legitimes Instrument der Staatsfinanzierung an354. Schon aus der Tatsache, dass sie der Kreditfinanzierung Grenzen zieht, ergibt sich jedoch der Leitgedanke der schuldenbegrenzenden Interpretation der Kreditregeln355. Daraus folgt eine Akzentverschiebung bei der Frage nach der Wirksamkeit der Schuldenbegrenzung durch die Haushaltsverfassung. Im Vordergrund steht nicht mehr der Quantensprung durch eine Verfassungsänderung. Vielmehr geht es darum, die Haushaltsverfassung de constitutione lata daraufhin zu ertüchtigen, ihre schuldenbegrenzende Wirkung zu verbessern, indem strengere und klarere Regeln für die Staatsverschuldung herausgearbeitet werden. II. Eine vorläufige Bilanz der Haushaltsverfassung Die Überlegungen zu den Herausforderungen, die das staatliche Liegenschaftsmanagement an die Regeln der Haushaltsverfassung stellt, boten die Gelegenheit, an diesem Beispiel zentrale Funktionsschwächen dieser Haushaltsverfassung und Interpretationsmöglichkeiten zu ihrer Überwindung aufzuzeigen.
354 Höfling/Rixen in: BK, Art. 115, Rn. 63, s. auch Puhl, S. 473 und Friauf, § 91, Rn. 17. 355 Höfling/Rixen in: BK, Art. 115, Rn. 84 und Friauf, § 91, Rn. 20, 53.
C. Möglichkeiten und Grenzen der Haushaltsverfassung
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Erste Funktionsschwäche: Nebenhaushalte als Ausbruch aus der Haushaltsverfassung Die Ausgangslage in der Haushaltsverfassung von Bund und Ländern ist dadurch gekennzeichnet, dass einerseits klare Prinzipien aufgestellt werden und andererseits diese Prinzipien von Verfassung wegen durch Ausnahmen durchbrochen werden, die durch langjährige Haushaltspraxis gestützt werden. So stellen Art. 110 Abs. 1 S. 1 GG und Art. 115 Abs. 1 GG und die ihnen korrespondierenden Normen der Landesverfassungen als das parlamentarische Budgetrecht schützende Kernvorschriften der Haushaltsverfassung eindeutige Regeln auf, um die Einheit und Vollständigkeit des Budgets zu gewährleisten und die Kreditaufnahme an formelle und materielle Voraussetzungen zu knüpfen. Gleichzeitig öffnet die Verfassung selbst (im Bund durch Art. 110 Abs. 1 S. 1 2. Hs. und 115 Abs. 2 GG) diese Regeln für Ausnahmen, die für Nebenhaushalte gelten. Zweite Funktionsschwäche: Enge Bestimmung des Kreditbegriffs Die verfassungsrechtlichen Kreditregeln selbst leiden in ihrer Funktionstüchtigkeit daran, dass der Kreditbegriff überwiegend eng ausgelegt wird, indem an die Unterscheidung von Finanz- und Verwaltungsschulden angeknüpft wird. Die Geltung des formellen Rechtsträgerprinzips erschwert zudem die Erfassung von Umgehungstatbeständen. Dritte Funktionsschwäche: Mangelnde Stringenz des Investitionsbegriffs Innerhalb der Kreditregeln der Haushaltsverfassung weist schließlich der Investitionsbegriff, wie er für das Kredit-Investitions-Junktim in der Haushaltspraxis gehandhabt wird, offenkundige Schwächen auf. Diese werden hier nicht näher behandelt, weil sie für das staatliche Liegenschaftsmanagement nicht direkt relevant sind und weil hier zumindest im Grundsatz, wenn auch nicht im jeden Einzelpunkt in der Literatur weite Übereinstimmung darüber herrscht, wie dieser Investitionsbegriff entgegen der Praxis auszulegen ist und dadurch de constitutione lata diese Funktionsschwäche überwunden werden kann356.
356 Dazu ausführlich Höfling, S. 185 ff. und Jahndorf, S. 162 ff.; s. auch Friauf, § 91, Rn. 40 ff.; F. Kirchhof, DVBl. 02, S. 1574 ff.
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2. Teil: Staatliches Liegenschaftsmanagement im Nebenhaushalt
III. Die Ertüchtigung der Haushaltsverfassung durch teleologische Auslegung und ihre Grenzen Diese beiden verbleibenden zentralen Funktionsschwächen können durch an Sinn und Zweck der Normen ausgerichtete Auslegung überwunden werden, wie der Durchgang durch die von der Neuordnung des Liegenschaftswesens aufgeworfenen Probleme gezeigt hat. 1. Antwort 1: Erstreckung des Direktionsgehalts der Haushaltsverfassung auf Nebenhaushalte Die am Normzweck orientierte Auslegung von Art. 110 und 115 GG weist diesen Vorschriften einen Direktionsgehalt zu, der auf das gesamte dem Bund zuzurechnende Haushaltsgebaren ausstrahlt. Denn das in Art. 110 Abs. 1 S. 1 GG verankerte Prinzip der Einheit und Vollständigkeit des Budgets bezweckt die Garantie des parlamentarischen Haushaltsrechts und will die parlamentarisch verantworteten und kontrollierten Budgetfunktionen357 gewährleisten. Es kann nur dann seinen Zweck voll erfüllen, wenn es nicht durch Zersplitterung der staatlichen Finanzwirtschaft unterlaufen wird. Daher ist Art. 110 Abs. 1 GG eine materielle Verfassungsvorgabe zu entnehmen, die „dem Parlament eine Gesamt- und Letztverantwortung für das gesamte dem Bund zurechenbare Finanzgebaren zuweist“ (Puhl)358. Letztlich liegt der Gedanke eines solchen weit reichenden und die Nebenhaushalte regulierenden Direktionsgehaltes auch jenen Auffassungen zugrunde, die eine besondere Rechtfertigung für die Ausgliederung von Nebenhaushalten fordern bzw. Missbrauchsschranken errichten. Zumindest unausgesprochen wird dabei nämlich davon ausgegangen, dass eine solche Ausgliederung die Funktionstüchtigkeit der Vorgaben aus Art. 110 GG schwächt. Ansonsten könnte man sich mit dem Sachverhalt der Ausgliederung schlicht abfinden – gestützt durch den Hinweis auf die verfassungsunmittelbare Ausnahme für Sondervermögen und Staatsbetriebe. Zum gleichen Ergebnis führt das Argument, das darauf hinweist, dass mit der Entscheidung der organisatorischen Ausgliederung die haushaltsrechtliche Ausgliederung mit entschieden wird und deshalb keine weiteren Rechtfertigungen für Nebenhaushalte erforderlich sind359. Eine solche Herangehensweise erscheint aber zu positivistisch. Die Frage der Ausgliederung aus der unmittelbaren Staatsverwaltung ist säuberlich von der Problematik der Ausgliederung aus dem Staatshaushalt zu trennen. Genauso wenig wie die verwaltungs357 Dazu grundlegend Neumark, S. 15 ff. sowie zum aktuellen Diskussionsstand Puhl, S. 3 ff. und Gröpl in: BK, Art. 110, Rn. 37 ff. 358 Puhl, S. 160. Ausführlich zu diesem Direktionsgehalt des Art. 110 GG Puhl, S. 159 ff., S. 228. 359 So Hillgruber in: v. Mangoldt/Starck, Art. 110, Rn. 40; Kämmerer, S. 361.
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organisatorische Zulässigkeit einer Ausgliederung deren haushaltsverfassungsrechtliche Bewertung präjudiziert, vermag die Zulässigkeit von Nebenhaushalten nach bestimmten Kriterien Rückschlüsse auf die Rechtmäßigkeit von deren Ausgründung aus der Verwaltungsorganisation des Staates zu begründen. Die verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Verwaltungsorganisation und an den Staatshaushalt sind unterschiedlicher Natur und systematisch in unterschiedlichen Abschnitten der Verfassung anzutreffen (im Grundgesetz die Abschnitte VIII und X; eine vergleichbare Aufteilung trifft man auch in den Landesverfassungen an). Aus der Gegebenheit einer verfassungskonform vorgenommenen organisatorischen Ausgliederung die Schlussfolgerung zu ziehen, dadurch wäre auch die Verfassungsmäßigkeit im Lichte von Art. 110 Abs. 1 GG gegeben, greift daher zu kurz. Auch für Art. 115 GG greift die an Sinn und Zweck ausgerichtete Interpretation diese materielle Direktionskraft des Kreditbewilligungsrechts und vor allem der materiellen Kreditbegrenzung für Nebenhaushalte auf, um der Aushöhlung dieser Kreditregeln mittels außerbudgetärer Aktivitäten Einhalt zu gebieten360. Angesichts des schuldenbegrenzenden Leitgedankens der Kreditregeln und der Notwendigkeit, die Staatsverschuldung einzudämmen, ist eine solche teleologische Auslegung von Art. 115 GG besonders angezeigt. 2. Grenzen der teleologischen Auslegung der Haushaltsverfassung Diese ertüchtigende Auslegung der haushaltsverfassungsrechtlichen Vorgaben für Nebenhaushalte wird zum Teil noch durch die Berufung auf das Demokratieprinzip verstärkt361, das in der Diskussion über Verfassungsgrenzen der Staatsverschuldung herangezogen wurde. Demnach soll die Verleihung von Macht auf Zeit implizieren, dass die damit verbundene Möglichkeit, durch Schulden über die Handlungsmöglichkeiten zukünftiger, ebenfalls auf Zeit demokratisch legitimierter Machthaber zu entscheiden, materieller Grenzziehungen bedarf, die auf die Auslegung der Kreditregeln ausstrahlen362. Abgesehen davon, dass der konkrete Aussagegehalt eines solchen durch das Demokratieprinzip inspirierten Kreditlimits unklar geblieben ist, erscheint eine solche Verknüpfung von Kreditbegrenzung und Demokratieprinzip dogmatisch angreifbar. So hat das Bundesverfassungsgericht darauf hingewiesen, dass auch die Zukunftsvorsorge und die damit einhergehende inhaltliche Vorfestlegung 360 Ausführlich Puhl, S. 501 ff., 510 ff., 528 ff.; s. auch Höfling, S. 16 ff., 329 ff.; Selmer in: FS Stern, S. 579. 361 Vgl. Puhl, S. 162, 523. 362 Zum möglichen Spannungsverhältnis von Demokratieprinzip und Staatsverschuldung vgl. insbesondere Püttner, Staatsverschuldung, S. 11 f.; s. auch Mußgnug, VVDStRL 47 (89), S. 130; P. Kirchhof, § 88, Rn. 293.
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2. Teil: Staatliches Liegenschaftsmanagement im Nebenhaushalt
nachfolgender Verantwortungsträger zu den Aufgaben des demokratisch legitimierten (Haushalts-)Gesetzgebers gehört und insoweit das Demokratieprinzip im Kreditlimit des Art. 115 Abs. 2 S. 1 GG konkretisiert ist363. Weitergehende Begrenzungen sind dem Demokratieprinzip als solchem nicht zu entnehmen364. Für eine die Nebenhaushalte erfassende Auslegung der Art. 110 und 115 GG ist der Rückgriff auf das Demokratieprinzip auch gar nicht nötig und sollte daher unterbleiben. Anders als der umstrittene Rekurs auf das Demokratieprinzip bewegt diese Auslegung sich im Rahmen der allgemein anerkannten teleologischen Verfassungsinterpretation und beschränkt sich darauf, aus der Norm heraus deren Funktionsprogramm zur vollen Geltung zu bringen, richtet sich also nach dem Auslegungsprinzip der funktionellen Richtigkeit365. Dieser Gedanke wurde zwar in erster Linie entwickelt, um zu verhindern, dass eine von der Verfassung vorgegebene Funktionenteilung – vor allem die zwischen Gesetzgeber und Verfassungsgericht – durch Interpretation übergangen wird, doch trifft er genauso auf das in Art. 110 und 115 GG geschützte Haushaltsrecht des Parlaments zu, dessen Normprogramm im Licht der Funktion dieses Haushaltsrechts auszulegen ist. Dabei ist der Aspekt der Funktionenteilung zwischen Legislative und Exekutive durchaus präsent, geht es doch darum, „die schuldenniveaupolitische Gestaltungsprärogative des Parlaments“ (Höfling) zu wahren366. Die aus der teleologischen Auslegung der Art. 110 Abs. 1 S. 1 und Art. 115 GG entwickelten Maßstäbe reichen aus, Nebenhaushalte in das Normprogramm dieser Vorschriften einzubinden, erweitern deren Reichweite also in bedeutendem Umfang. Diese Lösung legt folgende Maßstäbe für Nebenhaushalte fest: (1) Nebenhaushalte sind als Ausnahme vom Prinzip der Einheit und Vollständigkeit des Budgets zulässig. (2) Die Errichtung von Nebenhaushalten steht unter dem Gesetzesvorbehalt des parlamentarischen Budgetbewilligungsrechts. (3) Die Bildung von Nebenhaushalten bedarf besonderer Rechtfertigung; diese kann nur in der Zuordnung eigener Finanzierungsquellen, der Verleihung von Autonomie oder der Notwendigkeit kaufmännischer Wirtschaftsführung bestehen und setzt zudem einen zwingenden haushaltswirtschaftlichen Grund voraus. (4) Den Gesetzgeber trifft eine Darlegungslast für die Bildung von Nebenhaushalten.
363
BVerfGE 79, 311 (343). Höfling, S. 95 ff.; insoweit zutreffend auch die Kritik Puhls durch Hillgruber in: v. Mangoldt/Starck, Art. 110, Rn. 41. 365 Dazu Hesse, Rn. 72; Starck, § 164, Rn. 19. 366 Höfling, S. 16 f. 364
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(5) Die Kreditaufnahme von Nebenhaushalten steht unter dem Gesetzesvorbehalt des parlamentarischen Kreditbewilligungsrechts. (6) Die Kreditaufnahme von Nebenhaushalten ist in das Kredit-InvestitionsJunktim des Gesamthaushalts einzufügen. (7) Nebenhaushalte sind verfahrensmäßig zu Legitimations-, Öffentlichkeitsund Koordinationszwecken an den Staatshaushalt anzubinden. Für das Problem der Nebenhaushalte ist somit eine befriedigende Lösung de constitutione lata gefunden. Der materielle Gehalt – insbesondere von Art. 115 Abs. 1 S. 2 GG – bleibt von dieser Lösung insofern unberührt, als die anderen Funktionsschwächen der Haushaltsverfassung – und diese betreffen die Kreditregeln des Art. 115 GG – dadurch nicht ausgebügelt werden können: trotz Einbeziehung der Nebenhaushalte in das Normprogramm der Art. 110 und 115 GG bleiben die anderen Funktionsschwächen des Staatsschuldenrechts unverändert bestehen, vor allem jene, die den Kreditbegriff betrifft. 3. Antwort 2: Wirtschaftliche Betrachtungsweise bei staatlicher Kreditaufnahme Angesichts einer zunehmenden Vielfalt von Finanzierungsformen des Staates ist der klassische Kreditbegriff der Haushaltsverfassung immer weniger dazu geeignet, Sinn und Zweck der verfassungsrechtlichen Kreditregeln für Bund und Länder zu erfüllen. Sowohl die Unterscheidung von Finanz- und Verwaltungsschulden als auch das formelle Rechtsträgerprinzip lassen zu viel Raum für kreative Buchführung. Vor allem die Verlagerung von Verpflichtungen auf eigenständige Rechtssubjekte öffentlichen oder privaten Rechts, die im Auftrag und für Rechnung des Staates Kredite aufnehmen, wurde durch erweiternde Auslegung zwar aufgefangen. Insoweit verfolgt schon jetzt die herrschende Meinung einen teleologischen Ansatz. Leasingfinanzierungen und Modelle privater Vorfinanzierung staatlicher Vorhaben unterlaufen jedoch die herkömmliche Beschränkung verfassungsrechtlich relevanter Kreditaufnahme auf Finanzschulden, indem sie dem Staat Geld im Gewand von Verwaltungsschulden verschaffen, und eröffnen zahllose Möglichkeiten, durch die der Staat sich über Dritte Geld beschafft, ohne dass ihm dies formell zuzurechnen wäre. Auch hier schafft eine am Sinn und Zweck der Kreditregeln ausgerichtete Verfassungsinterpretation Abhilfe, wie wir am Beispiel des „Kieler Immobiliengeschäfts“ sehen konnten. Um das parlamentarische Kreditbewilligungsrecht zu gewährleisten und die materielle Kreditbegrenzung durch die Bindung an die Investitionen durchzusetzen, ist auf eine wirtschaftliche Betrachtung der Geldbeschaffungsvorgänge abzustellen und der Kreditbegriff dementsprechend auszulegen. Gleiches gilt für die Kreditaufnahme Dritter: wenn sie dem Staat eine Geldquelle verschafft, ist sie ihm zuzurechnen. Hier überlappen sich übrigens
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die Problematik der Nebenhaushalte und das Problem des Kreditbegriffs, da Umgehungstatbestände in der Regel mit der Eröffnung von Nebenhaushalten verbunden sind. Auch hier ist für eine solche am Sinn und Zweck ausgerichtete Auslegung das Prinzip der funktionsrechtlichen Richtigkeit ins Felde zu führen367: die Verfassung darf mit ihrem Funktionsprogramm nicht schutzlos Umgehungsversuchen ausgeliefert sein. Jahndorf nennt daher mit Recht den wirtschaftlichen Kreditbegriff, wie er in der neueren Literatur entwickelt wurde, einen funktionalen Kreditbegriff368. Eine solche funktionale Auslegung des Kreditbegriffs kann durch ein systematisches Argument gestützt werden. Über die Kreditaufnahme hinaus unterstehen in den Verfassungen von Bund und Ländern stets auch die Übernahme von Bürgschaften, Garantien und sonstigen Gewährleistungen dem Bewilligungsvorbehalt des Parlaments. Dieser Erstreckung liegt der Gedanke zugrunde, dass Belastungen für die Zukunft, die nur durch Ermächtigung des Parlaments zugelassen werden können, umfassend erfasst werden sollen, indem selbst eine nur potentielle Neuverschuldung einbezogen wird369. Eine solche umfassende Berücksichtigung aller Maßnahmen, die zu Zukunftsbelastungen führen, muss auf die Auslegung des Kreditbegriffs in Art. 115 Abs. 1 GG insgesamt ausstrahlen, soll nicht das Ausmaß der Staatsverschuldung verschleiert werden370. Dieses Verständnis des Kreditbegriffs in der Haushaltsverfassung wird schließlich auch durch einfachgesetzliche Indizien unterstützt. So wird im kommunalen Haushaltsrecht regelmäßig angeordnet, dass „Zahlungsverpflichtungen, die wirtschaftlich einer Kreditaufnahme gleichkommen“, den gleichen Vorschriften zu unterwerfen sind wie die Kreditaufnahme selbst371. In der einschlägigen Kommentarliteratur wird dann unstreitig festgestellt, dass darunter der Abschluss von Leasingverträgen wie auch die Schuldübernahme und die Übernahme des Schuldendienstes für den Kredit eines Dritten fällt, um das zeitliche Auseinanderfallen von Leistung und Gegenleistung, das die Kreditähnlichkeit ausmacht, zu erfassen372. Hintergrund dieser Regelung ist die Gefahr der Umgehung der Kreditregeln des kommunalen Haushaltsrechts373 – also das identische Argument wie beim staatlichen Kreditlimit.
367
Jahndorf, S. 288 f. (s. auch schon Jahndorf, NVwZ 01, S. 624). Jahndorf, S. 289. 369 Höfling/Rixen in: BK, Art. 115, Rn. 64. 370 Püttner in: FS Friauf, S. 739. 371 Vgl. stellvertretend § 87 Abs. 5 bw. GemO. 372 Vgl. für Bayern Bauer/Böhle/Masson, Art. 72, Rn. 2 und für Baden-Württemberg Katz in: Kunze/Bronner/Katz, § 87, Rn. 76 ff. 373 Katz in: Kunze/Bronner/Katz, § 87, Rn. 74. 368
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Auch im Stabilitäts- und Wachstumsgesetz wird der Kreis der relevanten Kreditaufnahme erweitert, indem in § 20 Abs. 3 StWG bei der Begrenzung der Kreditbeschaffung und in § 25 S. 1 StWG bei der Auskunftspflicht auf „Kreditaufnahmen Dritter, die wirtschaftlich einer [. . .] Kreditaufnahme gleichkommen“, abgestellt wird. Nach der Intention des Gesetzgebers und nach ihrem Normzweck sollen damit Finanzierungsformen wie die Auslagerung von Verpflichtungen in Finanzierungsgesellschaften oder der Abschluss von Leasingverträgen in den Regelungsbereich des StWG einbezogen werden, da die volkswirtschaftlichen Auswirkungen dieser Kreditaufnahme durch Dritte mit einer unmittelbaren Kreditaufnahme des Staates vergleichbar sind374. Nun ist es gewiss mit der Normenhierarchie nicht vereinbar, wollte man mit diesen Gesetzesnormen die Verfassungsnorm des Art. 115 Abs. 1 GG bestimmen. Als Interpretationshilfe kommt aber beiden Vorschriften gewichtige Indizwirkung zu. Der an der wirtschaftlichen Wirkung orientierte Kreditbegriffs des kommunalen Haushaltsrechts lässt sich vergleichsweise zwanglos ins staatliche Haushaltsrecht transponieren, da der Normzweck der Kreditregeln, nämlich die Begrenzung der Verschuldung, und das dazu gewählte Mittel, nämlich das Kredit-Investitions-Junktim, auf kommunaler Ebene und auf staatlicher Ebene identisch ist. Etwas anders steht es um den erweiterten Kreditbegriff im Stabilitäts- und Wachstumsgesetz. Sein Regelungszweck zielt weniger auf die öffentlichen Haushalte und ihre Verschuldungsgrenzen als solche ab, sondern betrifft die volkswirtschaftlichen Auswirkungen der staatlichen Haushaltswirtschaft. Dieses Gesetz fällt damit aus dem Rahmen des auf die innere Staatsorganisation bezogenen klassischen Haushaltsverfassungsrechts; es ist ja auch das Ausführungsgesetz zu Art. 109 Abs. 3 GG und nicht eine Regelung, die sich auf die Kreditregeln des Art. 115 GG bezöge. Eine einfache Übertragung des Kreditbegriffs des StWG auf die Kreditvorschriften der Verfassung scheidet aufgrund divergierender Normzwecke damit aus. Ausgehend von der Feststellung, dass das Recht der öffentlichen Finanzen einen relativ offenen Kreditbegriff hat375, liegt der Erkenntnisgewinn vielmehr darin, dass schon dem Gesetzgeber selbst der Gedanke eines wirtschaftlichen Kreditbegriffs im Regelungsbereich des Finanzund Haushaltsverfassungsrechts gekommen ist – durchaus in der prophetisch anmutenden Annahme, dass eine abschließende Fixierung nicht möglich ist, da sich bei der bestehenden Gestaltungsfreiheit die Formenvielfalt im voraus nicht erfassen lässt376. Die Indizwirkung dieser Regelung im StWG erhält durch die entstehungsgeschichtliche Nähe zu der Änderung der Kreditregeln in der Verfassung zusätzliches Gewicht, da beide Regelungen im Zuge der großen Finanz374 375 376
Möller, § 20, Rn. 9; Stern/Münch/Hansmeyer, § 19, Ziff. 5, § 25 Ziff. 2 b). Vgl. F. Kirchhof, DÖV 99, S. 246 f. Vgl. Möller, § 20, Rn. 9.
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reform 1969 verabschiedet wurden. Eine funktionale Ausfüllung des offenen Wortlauts des Kreditbegriffs in der Verfassung erscheint somit durchaus plausibel. Wie wir gesehen haben, hat sich auch die der traditionellen Auffassung verpflichtet fühlende herrschende Meinung einer erweiternden Auslegung zum Zwecke der Verhinderung von Umgehungsversuchen geöffnet. Damit hat auch sie anerkannt, dass die Kreditregeln einer an ihrer Funktionalität ausgerichteten Interpretation zugänglich sind. Diese aber auf bestimmte Fallkonstellationen oder Umgehungskonstrukte zu beschränken, wird der Funktion der Kreditregeln und dem Einfallsreichtum der Haushaltspolitiker und -techniker nicht gerecht. Vereinzelt wird indessen ein prinzipieller Einwand gegen jedwede teleologische Interpretation von Vorschriften der Finanzverfassung und damit auch des Kreditbegriffs erhoben, indem unter Verweis auf das Sonderabgaben-Urteil des Bundesverfassungsgerichts im 67. Band377 behauptet wird, die Haushaltsverfassung setze auf strikte Formenklarheit und lasse daher keinen Raum für erweiternde Interpretation378. Eine solche pauschale Aussage wird der Systematik und dem Zweck des Abschnittes X im Grundgesetz nicht gerecht. Denn dieser Abschnitt ist zweigeteilt379: In den Art. 104a bis 108 GG wird die bundesstaatliche Finanzverfassung im engeren Sinne geregelt; dagegen wird in den Art. 110 bis 115 GG das Haushaltswesen, also die Haushaltsverfassung im engeren Sinne geregelt. Art. 109 GG schließlich nimmt eine Scharnierfunktion ein, weil er sowohl Aspekte des Bund-Länder-Verhältnisses in Bezug auf die Finanzwirtschaft regelt (Abs. 1) als auch Vorgaben zur Haushaltswirtschaft allgemein macht (Abs. 2–4). Ein Gebot der Formenklarheit und ein Verbot von erweiternder Interpretation mag auf die Finanzverfassung im engeren Sinn zutreffen, geht es doch um klare Kompetenzabgrenzungen zwischen Bund und Ländern und um rechtsstaatliche Sicherungen gegenüber den von Steuern und Abgaben in seinen Grundrechten belasteten Bürger. So sind denn auch diese Grundsätze vom Bundesverfassungsgericht im Zusammenhang mit Sonderabgaben und deren Einfügung in die Zuständigkeitsordnung der Art. 70 ff. GG bzw. 104a ff. GG entwickelt worden und nicht etwa im Hinblick auf Fragestellungen der Haushaltsverfassung, die regelmäßig eine geklärte Zuständigkeit voraussetzen und der inneren Staatsorganisation des Bundes oder des Landes zugehören. Auch entfalten die Vorschriften der Haushaltsverfassung regelmäßig keine Außenwirkung. Hingegen ist die normative Stoßrichtung der Schuldenbegrenzung des Art. 115 GG allgemein anerkannt; eine teleologische Auslegung also wenn nicht nahe liegend, so doch keineswegs von vornherein auszuschließen. 377
Vgl. BVerfGE 67, 256 (286, 288 f.). Edinger, ZG 97, S. 254. 379 Vgl. Maunz in: Maunz/Dürig, Art. 104a, Rn. 1; Vogel, § 87, Rn. 4; Patzig, Vorbem. zu Art. 109, Ziff. 2–4. 378
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Sowohl ihre systematische Stellung im Abschnitt X als auch ihre Zweckbestimmung lassen somit die Vorschriften der Haushaltsverfassung und insbesondere die Kreditregeln in Art. 115 GG unberührt von einem die teleologische Interpretation untersagenden Gebot der Formenklarheit. Hinzu kommt, dass Methoden der „Kreditaufnahme ohne Krediteinnahmen“380 die politischen Kosten der Geldbeschaffung des Staates verringern, da eine Steuererhöhung zur Finanzierung von Vorhaben regelmäßig schwieriger durchsetzbar ist als eine Kreditaufnahme, zumal wenn diese gar nicht direkt im Haushalt auftaucht381. Nicht von der Hand zu weisen ist aber die Gefahr der Konturenlosigkeit des wirtschaftlichen Kreditbegriffs: Erweiterung könnte in Entgrenzung umschlagen. So stellt sich die Frage der allgemeinen Einbeziehung von Mietzahlungen in den wirtschaftlichen Kreditbegriff, wenn Leasingverpflichtungen aus dem Kreis der Verwaltungsschulden ausgeschieden werden, gleichzeitig der Übergang zu herkömmlichen Mietschulden aber fließend ist382. Die Herausforderung besteht also darin, dass klassische echte Verwaltungsschulden weiterhin nicht erfasst sein sollen und zugleich über den Kreditbegriff funktionsadäquat Sachverhalte eingefangen werden, die quer zur traditionellen Unterscheidung liegen bzw. einen Umgehungsversuch darstellen. In Anlehnung an die Regelung im österreichischen Haushaltsrecht sollte dabei der Fristigkeit der eingegangenen Verpflichtungen als Unterscheidungsmerkmal eine wichtige Bedeutung zukommen: langfristige Finanzierungen mögen der Form nach Verwaltungsschulden sein, sind aber stets als Finanzschulden zu bewerten383. Der zweite Schritt zur Ertüchtigung der Haushaltsverfassung ist also der wirtschaftlich-funktionale Kreditbegriff, wie er aus teleologischer Auslegung de constitutione lata ermittelt werden kann. Demnach liegt ein Kredit des Staates dann vor, wenn dem Staat Liquidität zufließt und zugleich eine Rückzahlungspflicht entsteht384 – ungeachtet der formellen Bezeichnung kommt es mithin auf die einem Kredit vergleichbare Wirkung an, die darin besteht, dass ein Gegenwartsbedürfnis befriedigt wird, ohne dass der Staat aktuell eigene Mittel aufbringen muss, und dass zugleich eine Finanzierungslast des Staates in der Zukunft begründet wird385. Neben dem schon dargestellten „Kieler Immobiliengeschäft“ vermag dieser wirtschaftlich-funktionale Kreditbegriff auch ähnlich gelagerte Herausforderun380 381 382 383 384 385
Höfling, S. 30. Vgl. Wendt in: Ipsen, S. 45; Grupp, DVBl. 94, S. 147. Vgl. Birk in: LT SH, APr Fin 14/54, S. 24 ff. mit Beispielen. Vgl. dazu ausführlich Höfling, S. 40 ff. F. Kirchhof, DÖV 99, S. 247. Vgl. dazu Jahndorf, S. 296 f.
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gen zu bestehen. So hat das Land Hessen inzwischen ebenfalls umfangreiche Einnahmen aus der Veräußerung von Landesimmobilien für die Haushaltsjahre 2004 und 2005 eingestellt386. Laut den Erläuterungen handelt es sich dabei um „Immobilien, die bei fortwährendem Unterbringungsbedarf ohne Rückkaufverpflichtung angemietet werden“ – dies ist nichts anderes als ein partielles SaleLease-Back von Landesliegenschaften, wie es auch dem „Kieler Immobiliengeschäft“ zu Grunde lag. Ähnlich wie in Schleswig-Holstein ist zu diesem Zweck in § 12 Abs. 1 des Haushaltsgesetzes 2005 die Vorschrift des § 63 Abs. 2 LHO dahingehend abgeändert worden, dass die Veräußerung von weiterhin benötigten Vermögensgegenständen erlaubt ist, wenn dies nachweislich wirtschaftlicher ist387. Die zwangsläufig anfallenden (Mehr-)Ausgaben für die Rückmietung werden dagegen nirgends veranschlagt. Die erste große Transaktion dieser Art betraf das Behördenzentrum Gutleutstraße in Frankfurt388, das für 270,5 Mio. Euro an die Tochtergesellschaft einer deutschen Großbank veräußert wurde. Der Mietvertrag sieht eine Laufzeit von 30 Jahren und eine Festlegung der Nutzung auf „Zwecke des Landes“ vor. Die Jahresmiete beträgt 16,2 Mio. Euro. Im Unterschied zum „Kieler Immobiliengeschäft“ verbleiben in Hessen die verkauften und zurückgemieteten Gebäude nicht im öffentlich-rechtlichen Bereich; es wird auch nicht ein umfangreiches Netz von rechtlichen Absicherungen zugunsten des Landes über das Sale-Lease-Back-Geschäft gelegt. Ein Nebenhaushalt, der gar noch Kredite aufnimmt, entsteht dabei nicht. Die in dieser Arbeit behandelten Probleme von Nebenhaushalten treten bei dieser Art von Vermögensveräußerung also nicht auf. Es bleibt aber ein klassisches staatsschuldenrechtliches Problem der verdeckten Kreditaufnahme zurück: Sind nicht die Mietzahlungen für die weiterhin benötigten Gebäude als Zinszahlungen zu bewerten, die Einnahmen aus dem Immobilienverkauf also einer Kreditaufnahme gleichzusetzen? Nach den Erörterungen zum wirtschaftlich-funktionalen Kreditbegriff der Haushaltsverfassung liegt die Antwort auf der Hand. Ein Kredit des Staates liegt dann vor, wenn dem Staat Geld zufließt und er zugleich eine Pflicht zur Rückzahlung eingeht – losgelöst von der Frage, ob formell ein Kredit gewährt wird. Auch wenn langfristige Finanzierungsvorgänge bei herkömmlicher Betrachtungsweise als Verwaltungsschulden deklariert werden – und Mieten sind das Paradebeispiel dafür –, sind sie aufgrund ihrer ökonomischen Wirkung wie Finanzschulden zu behandeln und stellen damit einen staatlichen Kredit im Sinne der Haushaltsverfassung dar. Die Einnahmen des Landes Hessen aus dem SaleLease-Back von Verwaltungsimmobilien sind also Einnahmen aus staatlicher Kreditaufnahme.
386 HHPl. Hess. 04, Kap. 1704, Titel 131 02 und HHPl. Hess. 05, Kap. 1701, Titel 131 02. 387 GVBl. Hess. 04, S. 542. 388 Vgl. Hess. LT, Drs. 16/3259.
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Zum Schluss dieser Bilanz der Haushaltsverfassung ist zu klären, inwiefern Art. 109 Abs. 2 GG zu Hilfe gerufen werden kann, um die Funktionsschwächen der Haushaltsverfassung abzumildern, ohne eine weit reichende und bislang noch nicht allgemein anerkannte teleologische Interpretation vorzunehmen. 4. Behelfsantwort: Begrenzungswirkung des Art. 109 Abs. 2 GG Sowohl für das Problem der Nebenhaushalte als auch für die Funktionsschwäche des Kreditbegriffs wird eine Lösung über Art. 109 Abs. 2 GG diskutiert. Allgemein anerkannt – und damit auch bei Gegnern einer teleologischen Ertüchtigung der Art. 110 und 115 GG zustimmungsfähig – ist, dass die Verpflichtung auf das gesamtwirtschaftliche Gleichgewicht auch das staatliche Finanzgebaren über Nebenhaushalte umspannt389. Denn sowohl die Entstehungsgeschichte als auch der Zweck dieser Norm zielen darauf ab, das öffentliche Ausgabeverhalten insgesamt – und damit unabhängig vom Rechtsträger – zur Beeinflussung der wirtschaftlichen Entwicklung einzusetzen390. Als „offene Zielvorgabe mit nur vager Direktionskraft“ (Höfling) hat diese Verfassungsbestimmung aber nur eingeschränkt materielle Aussagekraft391 und ihre kreditlimitierende Wirkung für Nebenhaushalte bleibt unklar392. Beim Versuch der Festlegung einer Grenze der Verschuldung von Nebenhaushalten über Art. 109 Abs. 2 GG wird als Näherungswert für diese Begrenzung wiederum auf das Kredit-Investitions-Junktim zurückgegriffen393. Dann ist es aber vorzugswürdig, in teleologischer Auslegung direkt aus Art. 115 Abs. 1 GG klare und einheitliche Regeln für die gesamte staatliche Haushaltswirtschaft zu ermitteln, anstatt faktisch das Kredit-Investitions-Junktim in Art. 109 Abs. 2 GG hineinlesen zu wollen. Immerhin stützt Art. 109 Abs. 2 GG die teleologische Auslegung des Kreditbegriffs, da unter den Begriff der Haushaltswirtschaft auch das Finanzgebaren des Staates zu subsumieren ist, soweit er Kredite im wirtschaftlichen Sinn aufnimmt394. 389 Ausführlich Puhl, S. 441 ff.; ihm folgend Rodi in: BK, Art. 109, Rn. 247 ff. Ebenso Höfling, S. 322; Jahndorf, S. 187; Maunz in: Maunz/Dürig, Art. 115, Rn. 52; Gröpl in: BK, Art. 110; Rn. 100 f.; Heun in: Dreier, Art. 115, Rn. 36; Siekmann in: Sachs, Art. 115, Rn. 57; Heintzen in: v. Münch/Kunig, Art. 115, Rn. 20. Vgl. auch BVerfGE 86, 148 (266 f.). 390 Dazu Puhl, S. 442 f., 450 ff. 391 Vgl. dazu umfassend Höfling, S. 246 ff. und Jahndorf, S. 187 ff. 392 Vgl. Höfling, S. 322; ebenso skeptisch Puhl, S. 513 f. 393 So verfährt Gröpl in: BK, Art. 110, Rn. 100 f. Die übrigen Autoren verharren bei der bloßen Feststellung, dass Art. 109 Abs. 2 GG auch für die Nebenhaushalte gilt, und treffen keine Aussage zur Begrenzung der Neuverschuldung für Nebenhaushalte. 394 Nach Piduch in: Piduch, Art. 115, Rn. 14 soll das StWG Anwendung finden.
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Auch wenn aus der Norm selbst keine konkreten Vorgaben für die jährliche Neuverschuldung erschlossen werden können, so sind doch Art. 109 Abs. 2 GG eigene Aussagen zur Staatsverschuldung und ihren Grenzen zu entnehmen, die aber in Inhalt und Zielrichtung von Art. 115 GG abweichen und daher dessen Regeln abrunden und abstützen können. Denn Art. 109 Abs. 2 GG entfaltet eine Begrenzungswirkung für die Haushaltwirtschaft des Staates allgemein (einschließlich seiner Nebenhaushalte), soweit er im „normativen Ergänzungszusammenhang“ (Höfling) zu Art. 115 Abs. 1 S. 2 GG steht395. So ist allgemein anerkannt, dass Art. 109 Abs. 2 GG im Nebeneinander zu Art. 115 Abs. 1 S. 2 1. Hs. GG steht und daher eigenständige Begrenzungswirkungen für die staatliche Kreditaufnahme entfaltet396. Am wichtigsten ist dabei, dass diese Norm für die gesamtwirtschaftliche Normallage auch ein Kreditlimit unterhalb der Summe der veranschlagten Investitionen begründen kann, um einen stetig wachsenden Schuldensockel unterhalb der Höchstgrenze des Art. 115 Abs. 1 S. 2 1. Hs. GG zu verhindern397. Die „Regulierungsfunktion des Art. 109 Abs. 2 GG schon vor und außerhalb der Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts“ (so das Bundesverfassungsgericht) weist dieser Verfassungsbestimmung eine wichtige dogmatische Aufgabe im System des deutschen Staatsschuldenrechts zu, bleibt aber über diesen grundsätzlichen Befund hinaus vage und setzt der praktischen Politik kaum harte materielle Grenzen: In der Normallage soll die durch das Kredit-Investitions-Junktim vorgegebene Verschuldungsobergrenze keinesfalls gewohnheitsmäßig in vollem Umfang ausgeschöpft werden; aufgehäufte Schulden sollen unter Beachtung gesamtwirtschaftlicher Erfordernisse zurückgeführt werden398. Soweit schließlich das parlamentarische Budget- und Kreditbewilligungsrecht aus Art. 110 Abs. 1 und Art. 115 Abs. 1 S. 1 GG betroffen ist, bleibt Art. 109 Abs. 2 GG stumm und liefert überhaupt keine Lösung für die Einbeziehung der Nebenhaushalte, da dieser Aspekt gar nicht zum Regelungskreis des Art. 109 Abs. 2 GG gehört. Die schuldenbegrenzende Wirkung des Art. 109 Abs. 2 GG entfaltet sich im Ergebnis in zwei Richtungen. Zum einen stützt sie die teleologische Auslegung des Art. 115 GG, was die Ausdehnung des Kreditlimits auf Nebenhaushalte betrifft. Ihre eigene Stärke erhält sie aber aus der über das Kreditlimit hinausgehenden Beschränkung der Staatsverschuldung in der Normallage, die über die durch Auslegung des Art. 115 GG erreichbaren Aussagen hinausgehen. Diese 395
Höfling, S. 153. Vgl. Rodi in: BK, Art. 109, Rn. 164. Für eine ausführliche Darstellung dieser Thematik ist auf Höfling, S. 150 ff. und Jahndorf, S. 187 ff. zu verweisen. 397 Grundlegend dazu BVerfGE 79, 311 (355). 398 Vgl. die Schlussfolgerungen bei Höfling, S. 268 f. und Jahndorf, S. 190 f. Ähnlich schon BVerfGE 79, 311 (355 f.). 396
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zusätzlichen Eingrenzungen staatlicher Kreditaufnahme sind ein willkommener Baustein zu ihrer Eindämmung, bleiben aber vage. Gerade weil Art. 115 Abs. 1 S. 2 1. Hs. und Art. 109 Abs. 2 GG nebeneinander stehen, ist die teleologisch ertüchtigende Auslegung von Art. 115 Abs. 1 GG erforderlich, um die kreditlimitierenden Regeln der Haushaltsverfassung zur vollen Blüte zu bringen. 5. Die schwache Begrenzungswirkung des Art. 104 EGV Seit dem Vertrag über die Gründung einer Europäischen Union aus dem Jahre 1992, der insbesondere die Europäische Wirtschafts- und Währungsunion verwirklichen sollte, haben europarechtliche Vorschriften zur Staatsverschuldung in Gestalt der sog. Maastricht-Kriterien die politische Diskussion maßgeblich beeinflusst. Mit Art. 104 Abs. 1 EGV, ergänzt durch Art. 121 EGV, sind die Mitgliedstaaten verpflichtet worden, übermäßige öffentliche Defizite zu vermeiden und eine auf Dauer tragbare Finanzlage der öffentlichen Hand sicherzustellen. Art. 104 Abs. 2 EGV benennt die beiden für diese Verpflichtung relevanten Kriterien: die Neuverschuldung und die Gesamtverschuldung, jeweils im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt. Im Protokoll Nr. 20 zum EG-Vertrag sind die Referenzwerte von 3% des BIP für das jährliche Defizit und 60% des BIP für den Gesamtschuldenstand festgelegt. Großen Raum nimmt die Regelung des Verfahrens zur Durchsetzung dieser Referenzwerte ein, das ebenfalls in Art. 104 EGV (Abs. 3 bis 13) ausgeformt ist. Konkretisiert wurden Maßstäbe und Verfahrensschritte im Europäischen Stabilitäts- und Wachstumspakt aus dem Jahr 1997. Diese europarechtlichen Vorgaben stellen andere Grenzen für die Staatsverschuldung auf als das deutsche nationale Haushaltsverfassungsrecht; in Abhängigkeit von der konkreten Situation wirkt das System der Referenzwerte mehr oder weniger kreditlimitierend als das Kredit-Investitionsjunktim399. Durch die Festlegung der Referenzwerte erscheint der materielle Gehalt der europarechtlichen Schuldenrestriktionen präziser und klarer regelgebunden als das Kreditlimit der deutschen Verfassungen; allerdings bleibt wegen der Ausnahmemöglichkeiten und des im Wesentlichen politisch gesteuerten Überprüfungs- und Sanktionsverfahrens dieser Zugewinn an Transparenz und Klarheit in der Kreditlimitierung in seinen praktischen Auswirkungen gering. Neben den Referenzwerten als Verschuldungsmaßstäbe weist das europäische Regelwerk zwei weitere inhaltliche Fortschritte auf, die schuldenbegrenzend wirken. Es stellt gemäß Art. 2 des Protokolls Nr. 20 zum EG-Vertrag auf die Verschuldung im gesamten staatlichen Sektor im Sinne des Europäischen Systems volkswirtschaftlicher Gesamtrechnungen (ESVG) ab und schließt daher 399
Vgl. Jahndorf, S. 239 f. m.w. N.
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Nebenhaushalte mit ein. Außerdem werden bei dem für die Referenzwerte entscheidenden Finanzierungsdefizit gemäß ESVG Erlöse aus der Veräußerung von Beteiligungen nicht defizitmindernd berücksichtigt, da es sich dabei nur um Umschichtungen innerhalb des staatlichen Sektors handelt, nicht aber der Vermögensbestand im staatlichen Sektor verändert wird. Eingedenk der von Bund und Ländern in den letzten Jahren massiv betriebenen Privatisierung zum Absenken der Nettokreditaufnahme im Sinne der nationalen Haushaltsverfassung ist dies ein wichtiger Ansatzpunkt, die öffentliche Verschuldung realistischer zu erfassen. Seine Grenzen findet er wiederum in der Logik des ESVG, das Grundstücke nicht auf Finanzkonten bucht und daher Erlöse aus deren Veräußerung nicht als bloße Umschichtung innerhalb des vorhandenen Vermögensbestandes begreift, sondern als Einnahme, die das öffentliche Defizit verringert400. Für den in dieser Untersuchung besonders interessierenden Fall von Immobilienveräußerungen geht also auch diese strengere europarechtliche Vorgabe ins Leere. Die rechtliche Bindungswirkung dieser das deutsche Haushaltsverfassungsrecht ergänzenden Vorgaben des Regelwerks von Maastricht und Amsterdam steht auf einem ganz anderen Blatt. Unzweifelhaft entfaltet Art. 104 EGV unmittelbare Bindungswirkung für die Mitgliedstaaten und stellt damit unabhängig von den nationalen Verschuldungsregeln eigenständige Vorgaben zur gesamtstaatlichen Verschuldung auf. Für Deutschland bedeutet dies, dass neben den Kreditregeln aus Art. 115 und 109 Abs. 2 GG die europarechtlichen Referenzwerte gelten. Im deutschen Bundesstaat ist nur der Bund unmittelbar rechtlich zur Einhaltung der EG-Vorgaben verpflichtet. Der Inhalt dieser Vorgaben betrifft aber die gesamtstaatliche Verschuldung, die der Bund nur zu einem Teil, nämlich hinsichtlich seines eigenen Defizits und des den Sozialversicherungsträgern zuzurechnenden Verschuldungsanteils, beeinflussen kann. Die Verschuldungsbeiträge von Ländern und Kommunen entziehen sich seiner direkten Verantwortung. Mangels innerstaatlicher Ausdifferenzierung ist das System der Referenzwerte nicht geeignet, die im nationalen Haushaltsverfassungsrecht vorgefundenen Kreditregeln für Bund und Länder zu präzisieren oder gar über ihre Schwächen hinweg zu ertüchtigen. Allenfalls bestärken sie die schuldenbegrenzende Interpretation des Art. 109 Abs. 2 GG. Das Vermeiden eines stetig anwachsenden Schuldensockels und die Begrenzung der gesamtstaatlichen Verschuldung durch die Referenzwerte sind gleichgerichtete Zwecke; in dieser Allgemeinheit können die europarechtlichen Vorgaben zwanglos in das nationale Verfassungsrecht hineingelesen werden; und es kann insoweit eine gemeinschaftskonforme Auslegung erreicht werden401. Zwar wurde verschiedentlich versucht, darüber hinaus unmittelbar aus dem EG-Recht konkrete Regeln zur 400 401
Vgl. zum Ganzen Jahndorf, S. 232 m.w. N. Vgl. Jahndorf, S. 240 ff. m.w. N.
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Festlegung von Verschuldungsquoten abzuleiten402, doch mangels Verfassungsänderung muss es bei der „prinzipiell impermeablen Parallelität von EG-Recht und nationalem (Verfassungs-)Recht in der normativen Mehrebenenstruktur des Staatsschuldenrechts“ (Höfling/Rixen) bleiben. Den europarechtlichen Verschuldungsvorgaben kommt eine nur vage Direktionskraft zu; sie stehen unverbunden neben den nationalen Verschuldungsregeln403. Die einzige nationale Umsetzung des EG-Rechts in deutsches Haushaltsrecht durch § 51a HGrG und § 4 Abs. 3 MaßstäbeG löst die Mehrebenenproblematik nicht, sondern nimmt nur die Länder in unscharfer und allgemeiner Weise in die sich aus EG-Recht ergebenden Verpflichtungen mit hinein. Die Formulierung der Ziele einer Rückführung der Nettoneuverschuldung und eines (materiell) ausgeglichenen Haushalts in § 51a Abs. 1 HGrG ist im geschriebenen Haushaltsrecht neu, nimmt aber im Kern nur die schuldenbegrenzende Auslegung von Art. 109 Abs. 2 GG auf. Die konkrete Umsetzung wird durch den allgemein gehaltenen Normtext nicht befördert. Eine Präzisierung nationaler Verschuldungsregeln für Bund und Länder ergibt sich folglich durch diese Anpassungen des nationalen Haushaltsrechts an die EG-Vorgaben nicht. Die Schützenhilfe des EG-Rechts zur Begrenzung der Staatsverschuldung fällt damit bescheiden aus. Der Festlegung zusätzlicher inhaltlicher Grenzen und der punktuell restriktiveren Definition des Defizits steht als großer Nachteil die mangelnde rechtliche Bindungskraft der EG-Vorgaben gegenüber. Die Herausforderung, die Ertüchtigung des nationalen Haushaltsverfassungsrechts vorzunehmen, bleibt daher unverändert bestehen. 6. Publizität, Transparenz und Darlegungslast Zum Schluss dieser Überlegungen ist darauf hinzuweisen, dass ein Programm der Ertüchtigung der Haushaltsverfassung in schuldenbegrenzender Absicht de constitutione lata neben einer teleologischen Interpretation der Kreditregeln auf verfahrensmäßige Mittel setzen muss. Weil Fragen der Staatsverschuldung immer Gegenstand politischer Auseinandersetzungen sein werden, werden die dazu getroffenen Regeln sich stets durch ein hohes Maß an Offenheit auszeichnen müssen. Umso wichtiger ist die Publizität und Transparenz der sich um diese Fragen rankenden Entscheidungen. Dem Gesetzesvorbehalt des Art. 115 GG und den entsprechenden Regelungen in den Ländern kommt daher auch die Funktion zu, die Publizität von staatlicher Kreditaufnahme zu gewährleisten, also Staatsverschuldung zu einer öffentlichen Angelegenheit zu machen404. 402
Vgl. die Darstellung bei Rodi in: BK, Art. 109, Rn. 593 ff. Höfling/Rixen in: BK, Art. 115, Rn. 453, 459, 461 f. Noch skeptischer F. Kirchhof, DVBl. 02, S. 1573. 404 Höfling, S. 17 ff. 403
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2. Teil: Staatliches Liegenschaftsmanagement im Nebenhaushalt
Denn in einer parlamentarischen Demokratie ist ein formelles Gesetzgebungsverfahren das Instrument, das dazu dient, Meinungsverschiedenheiten auszutragen und der Wählerschaft gegenüber offenzulegen. Wie schon bei der Zulässigkeit von Nebenhaushalten ist auch bei der Begrenzung von Staatsverschuldung das verfahrensmäßige Sicherungsmittel der Darlegungslast eine wichtige Ergänzung. In Rechtswissenschaft und Rechtspraxis ist die Figur der Darlegungslast für die staatliche Kreditaufnahme eingeführt und kann mit Gewinn auch für unsere Zwecke nutzbar gemacht werden. Bei der Anwendung des Art. 115 Abs. 1 S. 2. Hs. GG, also im Fall erhöhter Kreditaufnahme zur Abwehr einer Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts, steht nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts dem Haushaltsgesetzgeber ein Einschätzungs- und Beurteilungsspielraum zu, dessen Gegenstück jedoch die Darlegungslast im Haushaltsgesetzgebungsverfahren bildet. Für die Kreditaufnahme in der Störungslage müssen nachvollziehbare und vertretbare Argumente vorgetragen werden, welche die Geeignetheit der getroffenen Haushaltsentscheidungen zur Abwehr und Beseitigung der Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts begründen405. Hergeleitet hat das Bundesverfassungsgericht diese Darlegungslast zum einen aus dem Ausnahmecharakter des Art. 115 Abs. 1 S. 2 2. Hs. GG und zum anderen aus dem Grundsatz der Publizität des Haushalts406. In Urteilen der Landesverfassungsgerichte wurde diese Rechtsfigur aufgegriffen und konkretisiert407, zuletzt auch noch schärfer gefasst408, so dass die Darlegungslast mit ihren formellen Voraussetzungen zur Kreditaufnahme im Fall einer Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts den Kreditaufnahmeregeln der Verfassung etwas Biss verleihen kann409. Nun liegt es nahe, den Anwendungsbereich der Darlegungslast über den Störungsfall der Kreditaufnahme hinaus zu erweitern. Denn der Grundgedanke, dass die Unbestimmtheit der materiellrechtlichen Vorgaben zur Kreditaufnahme ein Stück weit ihren Ausgleich in verfahrensmäßigen Anforderungen findet410, trifft auf die Regeln zur staatlichen Kreditaufnahme insgesamt zu und lässt sich insbesondere für die Kreditaufnahme in der Normallage fruchtbar machen, für die das Bundesverfassungsgericht im selben Urteil aufgrund von Art. 109 Abs. 2 GG gefordert hat, dass auch in den weit häufiger vorkommenden Jahren ohne Störungen des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts ein stetiges Anwachsen 405 406 407 408 409 410
BVerfGE 79, S. 311 ff. Vgl. BVerfGE 79, 311 (344 f.). Nds. StGH, NVwZ 98, S. 1288 (1290 f.). Berl. VerfGH, NVwZ 04, S. 210 (213 ff.). So auch die Bewertung von Jahndorf, S. 207. So BVerfGE 79, 311 (345).
C. Möglichkeiten und Grenzen der Haushaltsverfassung
145
des Schuldensockels unterhalb der Höchstgrenze des Kredit-Investitions-Junktims zu verhindern ist411. Jenseits der Darlegungslast des Haushaltsgesetzgebers in der Störungslage nach Art. 115 Abs. 1 S. 2 2. Hs. GG hat Jahndorf daher aus Art. 109 Abs. 2 GG für die staatliche Kreditaufnahme in der Normallage eine Darlegungslast entwickelt, die in einem Stufenverhältnis zur besonders strengen Darlegungslast bei einer Kreditaufnahme zur Abwehr einer Störung steht412. Angesichts der relativen Offenheit der Verfassung für staatliche Kreditaufnahmen und der materiellen Schwäche der Schuldenbegrenzungsregeln ist die Rechtsfigur der Darlegungslast ein wichtiger Beitrag, über Verfahrensregeln diese Schwäche teilweise zu kompensieren. Anknüpfend an die Auslegung nach der funktionellen Richtigkeit, wie sie sich beim Nebenhaushalt und beim verfassungsrechtlichen Kreditbegriff bewährt hat (siehe oben III. 2. und 3.), ist diese formelle Anforderung ebenfalls als ein Beitrag zur Sicherung der Funktion der Kreditaufnahmeregeln der Verfassung einzustufen, die letztlich die Rolle des Parlaments als Haushaltsgesetzgeber schützt. Es ist kein Zufall, dass auch schon bei der haushaltsverfassungsrechtlichen Einhegung von Nebenhaushalten die Darlegungslast als verfahrensmäßige Absicherung eingeführt worden ist (siehe oben II. 1.). Im Haushaltsverfassungsrecht ist sowohl die Frage der Nebenhaushalte wie auch das Problem der Grenzen für die Staatsverschuldung nicht aus dem Normtext allein zu bewältigen, sondern nur in teleologischer Auslegung. In beiden Fällen hilft die verfahrensrechtliche Unterfütterung von Verfassungsbestimmungen durch die Darlegungslast, das Problembewusstsein in Parlament und Öffentlichkeit zu schärfen. Und nicht zuletzt verhilft die Darlegungslast haushaltsverfassungsrechtlichen Fragestellungen mit ihrem weiten Einschätzungs- und Prognosespielraum für den Gesetzgeber in vielen Fällen überhaupt erst zur Justiziabilität – auch hier schimmert wieder der Gedanke der Funktionalität der Verfassung durch, und zwar in Bezug auf die Verfassungsgerichtsbarkeit. Genauso wie die Funktion des Parlaments als schuldenniveaupolitischer Gestaltungs- und Entscheidungsinstanz geschützt werden muss, ist die Funktion des Verfassungsgerichts als Hüter auch der Haushaltsverfassung zu gewährleisten. Wenn aber Haushaltsfragen im Nebel politischer Beurteilungsspielräume verschwinden, hat das Verfassungsgericht keinen Ansatzpunkt für rechtliche Erwägungen. Mit der Darlegungslast bekommt es zumindest ein Stück Entscheidungsmacht über die Verfassungsmäßigkeit des staatlichen Finanzgebarens in die Hand. Zwar ist die verfassungsgerichtliche Kontrolle in Haushaltsfragen mangels Kläger oft nicht sehr ausgeprägt, da ein möglicher Antragsteller immer darauf hofft, selbst einmal Regierungsverantwor411 BVErfGE 79, 311 (355); zur Begrenzungswirkung von Art. 109 Abs. 2 GG siehe oben II. 4. 412 Zur dogmatischen Herleitung vgl. Jahndorf, S. 218 ff.
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2. Teil: Staatliches Liegenschaftsmanagement im Nebenhaushalt
tung tragen zu dürfen, und dann schnell in ähnlich knifflige Haushaltsfragen verwickelt sein könnte – jeder Kläger ist also ein potentieller Haushaltssünder. In den seltenen Fällen einer Gerichtsentscheidung sind die Verfassungsrichter aber wichtige Impulsgeber für die Fortentwicklung des Haushaltsrechts gewesen. IV. Entgrenzung und Neubegrenzung der Staatsverschuldung Diese vorläufige Bilanz der Haushaltsverfassung zeigt auf, dass die bestehenden Normen durchaus haushaltsflüchtiges Finanzgebaren und Staatsverschuldung einhegen können. Zwar hat Höfling zu Recht festgestellt, dass die Geschichte der staatlichen Kreditaufnahme auf eine „Entgrenzung“ der Staatsverschuldung hinausläuft413. Dieser Entwicklung ist aber ein Programm der ertüchtigenden Auslegung der Haushaltsverfassung in schuldenbegrenzender Absicht entgegenzustellen. De constitutione lata ist es mittels teleologischer Auslegung möglich, Nebenhaushalte in die Haushaltverfassung einzubinden und damit die Rechte des Parlaments aus Art. 110 Abs. 1 und Art. 115 Abs. 1 S.1 GG zu gewährleisten. Soweit die Haushaltsverfassung das Budgetrecht als Königsrecht des Parlaments und damit verbunden die Budgetfunktionen absichern soll, kann sie also ihre Aufgaben erfüllen. Auch die Begrenzungen der Haushaltsverfassung für die Kreditaufnahme des Staates (einschließlich seiner Nebenhaushalte) müssen nicht wirkungslos bleiben. Hier ist de constitutione lata mit Art. 115 Abs. 1 S. 2 1. Hs. und Art. 109 Abs. 2 GG ein schuldenbegrenzendes Instrumentarium vorhanden, das über eine am Sinn und Zweck der Normen orientierte Auslegung über die Funktionsschwächen der Haushaltsverfassung hinweg ertüchtigt werden kann. Schließlich können haushaltsverfassungsrechtliche Darlegungslasten für Nebenhaushalte und staatliche Kreditaufnahme Öffentlichkeit und Transparenz sichern und damit den materiellen Gehalt der bestehenden Haushaltsverfassung verstärken. Die beiden größten Herausforderungen, die das neue Liegenschaftsmanagement an die Haushaltsverfassung stellt, sind damit de constitutione lata bewältigt.
413
Höfling, S. 132, 143.
D. Weitere Regeln der Haushaltsverfassung
147
D. Weitere Regeln der Haushaltsverfassung für das Liegenschaftsmanagement im Nebenhaushalt Neben der Einheit und Vollständigkeit des Budgets und den Grenzen für die Staatsverschuldung berührt das neu geschaffene Liegenschaftsmanagement im Nebenhaushalt zwei weitere Vorschriften der Haushaltsverfassung: die Verpflichtung von Bund und Ländern auf das gesamtwirtschaftliche Gleichgewicht gemäß Art. 109 Abs. 2 GG und die Verpflichtung zur Rechnungslegung und Rechnungsprüfung nach Art. 114 GG414. I. Liegenschaftsmanagement im Nebenhaushalt und gesamtwirtschaftliches Gleichgewicht Die Verpflichtung der Nebenhaushalte von Bund und Ländern auf das gesamtwirtschaftliche Gleichgewicht aus Art. 109 GG Abs. 2 wurde schon bei der Darstellung der schuldenbegrenzenden Funktion dieser Vorschrift erläutert (siehe oben C. III. 4.). Demnach ist diese Verfassungsnorm in ihrer Reichweite auf Nebenhaushalte auszudehnen; mithin unterliegen auch die neu geschaffenen Formen von Liegenschaftsmanagement wie zuvor die staatlichen Behörden dem Gebot, den Erfordernissen des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts Rechnung zu tragen. Wie immer auch der genaue inhaltliche Gehalt des Art. 109 Abs. 2 GG eingeschätzt werden mag415 – das Liegenschaftsmanagement im Nebenhaushalt schmälert den verfassungsrechtlichen Geltungsanspruch dieser Vorschrift keineswegs. Angesichts der Bedeutung öffentlicher Hochbauinvestitionen für die Konjunkturentwicklung ist damit unverändert die Möglichkeit eröffnet, auch die Landesbetriebe oder Anstalten, die nunmehr für das Liegenschaftswesen zuständig sind, in die Pflicht zu nehmen, Bauvorhaben beschleunigt oder vermehrt anzugehen, um Wachstum und Beschäftigung zu stützen. Entscheidend dafür ist aber die Mittelbereitstellung, die regelmäßig über den regulären Haushalt abgewickelt wird und daher von der Errichtung der Nebenhaushalte unberührt geblieben ist (siehe oben A. II. 2.). Im Ergebnis war also die Neuordnung des Liegenschaftswesens von Bund und Ländern für Art. 109 Abs. 2 GG unschädlich.
414 415
Vgl. Puhl, S. 114. Dazu ausführlich Rodi in: BK, Art. 109, Rn. 172 ff. m.w. N.
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2. Teil: Staatliches Liegenschaftsmanagement im Nebenhaushalt
II. Rechnungslegung und Rechnungsprüfung bei Liegenschaftsmanagement im Nebenhaushalt Das Liegenschaftsmanagement im Nebenhaushalt fordert schließlich die Haushaltsverfassung noch in zwei Punkten heraus, die den Abschluss des Haushaltskreislaufs betreffen. Art. 114 GG und die im Wesentlichen regelungsgleichen Vorschriften der Länder416 sichern dabei das parlamentarische Budgetrecht ab, indem zwei Instrumente parlamentarischer Kontrolle über das Finanzgebaren der Exekutive vorgeschrieben werden: die Rechnungslegung (Abs. 1) und die Rechnungsprüfung (Abs. 2). Dadurch wird sichergestellt, dass nach der Feststellung des Haushalts durch das Parlament, die in Art. 110 GG garantiert wird, auch die Ausführung des Haushalts der nachträglichen Kontrolle durch das Parlament unterworfen ist. Auf diese Weise soll gewährleistet werden, dass auch die tatsächliche Verwendung der bewilligten Mittel den Festsetzungen im Haushaltsplan entspricht417. 1. Rechnungslegung im Nebenhaushalt Spiegelbildlich zur Durchlöcherung des Prinzips der Einheit und Vollständigkeit des Haushalts reißt die Errichtung von Nebenhaushalten auch Lücken in das von der Verfassung vorgegebene System der Rechnungslegung. Das Vollständigkeitsprinzip, das parallel zu Art. 110 Abs. 1 GG auch für die Rechnungslegung nach Art. 114 Abs. 1 GG gilt418, wird unterlaufen, da wiederum vom Verfassungstext nur die Rechnungslegung über „alle Einnahmen und Ausgaben des Bundes“ bzw. „des Landes“ verlangt wird. Es herrscht aber Konsens darüber, dass damit unmittelbar aus Art. 114 Abs. 1 GG für Bundes- bzw. Landesbetriebe, aber auch selbständige juristische Personen des öffentlichen oder privaten Rechts keine Pflicht zur vollen Einbeziehung in die Rechnungslegung folgt, Nebenhaushalte in verfassungskonformer Weise also gar nicht oder nur über die Zuführungen oder Ablieferungen in die Haushaltsrechnung des Staates aufzunehmen sind419. Parallel zum Direktionsgehalt des Art. 110 GG für das gesamte staatliche Finanzgebaren ist aber Art. 114 Abs. 1 GG der Grundsatz zu 416
Vgl. zum Beispiel Art. 83 Abs. 1 bw. LV. Zum Grundgedanken von Art. 114 vgl. Maunz in: Maunz/Dürig, Art. 114, Rn. 1; Vogel/P. Kirchhof in: BK, Art. 114, Rn. 5; Piduch in: Piduch, Art. 114, Rn. 1; v. Mutius/Nawrath in: Heuer, Art. 114, Rn. 1. Aus den Kommentierungen der Landesverfassungen vgl. Schweiger in: Nawiasky, Art. 80, Rn. 2; Zinn/Stein, Art. 144, Ziff. 2 und David, Art. 70, Rn. 2. 418 Maunz in: Maunz/Dürig, Art. 114, Rn. 12; Vogel/P. Kirchhof in: BK, Art. 114, Rn. 39; Piduch in: Piduch, Art. 114, Rn. 9. Für das Landesverfassungsrecht vgl. Braun, Art. 83, Rn. 3 und Tettinger in: Löwer/Tettinger, Art. 86, Rn. 1. 419 Dazu ausführlich Puhl, S. 285 ff.; s. auch Maunz in: Maunz/Dürig, Art. 114, Rn. 14; v. Mutius/Nawrath in: Heuer, Art. 114, Rn. 3. 417
D. Weitere Regeln der Haushaltsverfassung
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entnehmen, dass jegliches staatliches Finanzgebaren einschließlich der Nebenhaushalte grundsätzlich der Pflicht zur Rechnungslegung unterliegt, weil anderenfalls der Rechnungsprüfung die Grundlage entzogen wird und damit die Finanzkontrolle als Instrument demokratischer Legitimation und Kontrolle beeinträchtigt wird. Nur wenn das staatliche Ausgabeverhalten in all seinen Erscheinungsformen in der Haushaltsrechnung zwar nicht voll abgebildet, aber doch zumindest erfasst wird, kann die parlamentarische Kontrolle darüber wirksam sein, wie sie mit dem Instrumentarium der Rechnungsprüfung ermöglicht wird. Die Kontrollverdünnung durch Nebenhaushalte, wie sie im Verfassungstext angelegt ist, muss daher durch eine funktionsäquivalente Anbindung von Nebenhaushalten an die staatliche Haushaltsrechnung kompensiert werden420. Abgesehen von gesetzlichen Sonderregelungen für einzelne Nebenhaushalte und den Regeln des HGB für juristische Personen des privaten Rechts (§§ 264 ff. HGB) gewährleisten die Vorschriften des einfachen Haushaltsrechts zur Rechnungslegung von Bundes- bzw. Landesbetrieben und Sondervermögen (§§ 70 ff., insbesondere § 74 und § 87 sowie § 113 S. 1 BHO/LHO), aber auch von selbständigen juristischen Personen des öffentlichen Rechts (§§ 105, 109 BHO/LHO) eine umfassende gesonderte Rechnungslegung, die inhaltlich – mit Abstrichen bei der Publizität der Rechnungslegung – den verfassungsrechtlichen Anforderungen entspricht421. Hinzutreten muss aber die Einbindung in die staatliche Haushaltsrechnung, um den Gesamtüberblick über alle Teilrechnungen hinweg zu erlauben422. Für Bundes- bzw. Landesbetriebe und Sondervermögen ordnet § 85 Nr. 2 und 3 BHO/LHO dies an; für selbständige juristische Personen öffentlichen wie privaten Rechts fehlt eine solche Integrationsvorschrift. Deren Anbindung ist aber von Verfassung wegen ebenfalls geboten. Dazu reicht das bloße Übermitteln des Geschäftsberichts an das Parlament nicht aus; entscheidend ist die verbundene Darstellung aller Teilrechnungen in einer Gesamthaushaltsrechnung des Staates. Mit der Einführung von kaufmännischer Buchführung im staatlichen Rechnungswesen selbst wird eine solche Verbundrechnung in der absehbaren Zukunft erleichtert werden; genauso wie bei der – ebenfalls von Art. 114 Abs. 1 GG und in vielen Landesverfassungen geforderten – Vermögensbilanz des Staates (dazu ausführlich im 3. Teil B. II.) wird diese Entwicklung eine Art Konzernrechnung möglich machen und dann aufgrund angenäherter oder gar vereinheitlichter Rechnungsstile den Gesamtüberblick über die Jahresrechnung des Staates weitaus einfacher erscheinen lassen. Mit Ausnahme dieses letzten Defizits weist aber die Einbindung von Nebenhaushalten in die Verfassungspflicht zur Rechnungslegung keine verfassungsrechtlichen Probleme auf. 420 421 422
Dazu Puhl, S. 297 ff. Puhl, S. 300 ff. Vgl. Puhl, S. 308 ff.
150
2. Teil: Staatliches Liegenschaftsmanagement im Nebenhaushalt
Es überrascht daher nicht, wenn die neu geschaffenen Formen des Liegenschaftsmanagements in Bund und Ländern diesen verfassungsmäßigen Anforderungen an die Rechnungslegung entsprechen. Soweit Landesbetriebe und Sondervermögen eingerichtet wurden und dabei das Rechnungswesen überhaupt geregelt wurde423, wird meistens auf §§ 74, 87 LHO verwiesen, da die kaufmännische Buchführung zweckmäßig ist424. Vereinzelt wurde auch eine Rechnungslegung nach Handelsrecht ausdrücklich angeordnet425. Die Rechnungslegung der GMSH A. ö. R. folgt nach § 14 GMSHG der Norm des § 109 LHO, da § 13 GMSHG den Verweis aus § 105 LHO ausgeschlossen hat. Im Ergebnis führt somit auch das Liegenschaftsmanagement im Nebenhaushalt nicht zu einer verfassungswidrigen Beeinträchtigung der Rechnungslegung – vorausgesetzt, die Anbindung der Jahresrechnungen von GMSH A. ö. R. und BImA A. ö. R. an die staatliche Haushaltsrechnung wird analog § 85 Nr. 2, 3 BHO/LHO verwirklicht. 2. Rechnungsprüfung im Nebenhaushalt Die Schaffung von Nebenhaushalten für das staatliche Liegenschaftsmanagement birgt die Gefahr in sich, die in Art. 114 Abs. 2 S. 1 GG und den identisch ausgerichteten Verfassungsbestimmungen der Länder426 verankerten Kontrollmöglichkeiten des Rechnungshofs einzuschränken. Diese Normen garantieren eine verfassungsunmittelbare (originäre) Prüfungszuständigkeit des Rechnungshofs nur für die unmittelbare Staatsverwaltung einschließlich der Bundes-/Landesbetriebe und Sondervermögen427. Ihren gesetzlichen Niederschlag findet diese Rechnungsprüfung in § 42 Abs. 1 HGrG und in den auf diesem Gesetzgebungsauftrag aufbauenden §§ 88 Abs. 1, 113 S. 2 (bzw. 113 Abs. 1 S. 2) BHO/LHO. Dagegen wird allgemein angenommen, dass eine darüber hinaus gehende Prüfungszuständigkeit des Rechnungshofs für andere Nebenhaushalte, insbesondere für juristische Personen des öffentlichen oder privaten Rechts, nicht unmittelbar von Verfassung wegen zwingend ist, sondern sich nur als fakultative Zuständigkeit über den Gesetzgebungsauftrag des Art. 114 Abs. 2 S. 3 423 Angesichts der Vorschriften der LHO ist dies auch nicht notwendig, weshalb Baden-Württemberg keine zusätzliche Regelung getroffen hat. 424 So in Rheinland-Pfalz (Ziff. 1 Buchstabe e Organisationsverfügung), Mecklenburg-Vorpommern (§ 6 Abs. 4 BBLG), Sachsen (Ziff. 14b Satzung), Sachsen-Anhalt (§ 13 Betriebsordnung), Thüringen (§ 6 Abs. 6 Betriebssatzung) und Hessen (§ 7 Abs. 4 Satzung). Für Bremen vgl. § 8 Abs. 1 SVITG. 425 Dies ist der Fall in Berlin (§ 6 Abs. 1 SILBG), Nordrhein-Westfalen (§ 11 BLBG) und für die BImA (§ 8 Abs. 3 BImAG). 426 Vgl. stellvertretend für alle Art. 83 Abs. 2 S. 1 bw. LV. 427 Vogel/P. Kirchhof in: BK, Art. 114, Rn. 114; Piduch in: Piduch, Art. 114, Rn. 21; Nawrath in: Heuer, § 88, Rn. 3.
D. Weitere Regeln der Haushaltsverfassung
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GG herleiten lässt428. Dagegen gebietet der Grundsatz der Lückenlosigkeit und Vollständigkeit der Finanzkontrolle, dass auch die selbständigen Nebenhaushalte – insbesondere juristische Personen des öffentlichen und privaten Rechts – der Finanzkontrolle unterliegen, weil sonst durch die Ausgründung selbständiger staatlicher Trabanten die Verfassungspflicht zur Rechnungsprüfung unterlaufen werden könnte und die demokratische Legitimation und Kontrolle, wie sie durch unabhängige und sachkundige Einrichtungen der Finanzkontrolle ermöglicht wird, ausgehöhlt würde. Dadurch würde aber der unverzichtbare Schlussstein im Gebäude des in Art. 109 bis 115 GG und den entsprechenden Vorschriften der Landesverfassungen ausgeprägten parlamentarischen Budgetrechts herausgebrochen. Deshalb ergibt sich unmittelbar aus Art. 114 Abs. 2 GG die Pflicht, die Rechnungsprüfung in ihrem Kerngehalt auch auf rechtlich selbständige Nebenhaushalte auszudehnen429. Die Ausprägung der Finanzkontrolle über juristische Personen des öffentlichen und privaten Rechts im einfachen Haushaltsrecht steht damit nicht im Belieben des Gesetzgebers, sondern ist durch die Verfassung vorgegeben. Diese Regeln des Haushaltsrechts legen ein – insgesamt diese Verfassungsvorgaben erfüllendes430 – Netz von Prüfungsmöglichkeiten über rechtlich selbständige Nebenhaushalte. Insbesondere werden juristische Personen öffentlichen Rechts über § 55 Abs. 1 HGrG, § 111 BHO/LHO sowie über die Sondervorschriften für Sozialversicherungsträger, Gemeinden und Kommunalverbände, öffentlich-rechtliche Kreditinstitute (§ 112 Abs. 1 BHO/ LHO) und für öffentlich-rechtliche Unternehmen (§ 55 Abs. 2 HGrG, § 112 Abs. 2 BHO/LHO) im Grundsatz voll dem Prüfungsrecht des Rechnungshofs unterstellt. Problematisch erscheinen die Vorgaben für Nebenhaushalte, die juristische Personen des Privatrechts sind. Diese unterliegen im Regelfall nur der sog. Betätigungsprüfung nach §§ 53, 54 HGrG, § 92 BHO/LHO. Damit ist nicht die Wirtschaftsführung der juristischen Person selbst, sondern nur die staatliche Betätigung als Gesellschafter, also das Verhalten der die Beteiligung verwaltenden Behörden, der Finanzkontrolle zugänglich431. Diese Bresche kann über § 104 Abs. 1 BHO/LHO unter bestimmten Bedingungen geschlossen werden, indem das volle Prüfungsrecht hergestellt wird. Um eine verfassungsrechtlich nicht zulässige Kontrolllücke durch die Auslagerung staatlichen Finanzgebarens in Nebenhaushalte mit Privatrechtsform zu verhindern, ist § 104 Abs. 1 Nr. 2 BHO/LHO teleologisch auf all jene Konstellationen zu erweitern, in denen in privater Rechtsform Geld bewirtschaftet wird, das der staatlichen Finanz-
428 Vogel/P. Kirchhof in: BK, Art. 114, Rn. 129 ff.; Piduch in: Piduch, Art. 114, Rn. 22. Ebenso für das Landesverfassungsrecht Tettinger in: Löwer/Tettinger, Art. 86, Rn. 21. 429 Ausführlich Puhl, S. 347 ff. m.w. N.; in diese Richtung insbesondere schon Maunz in: Maunz/Dürig, Art. 114, Rn. 35. 430 Zu den Einzelheiten vgl. Puhl, S. 358 ff. 431 Vgl. Patzig, § 92, Rn. 1; Piduch in: Piduch, § 92, Rn. 1.
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2. Teil: Staatliches Liegenschaftsmanagement im Nebenhaushalt
wirtschaft zuzurechnen ist432. Diese verfassungskonforme Auslegung von § 104 BHO/LHO erlaubt die lückenlose Einbindung aller Formen von Nebenhaushalten in das Verfassungssystem staatlicher Finanzkontrolle. Da bislang nur Landesbetriebe und Sondervermögen sowie juristische Personen des öffentlichen Rechts für das Liegenschaftsmanagement im Nebenhaushalt errichtet wurden, stellt die Neuordnung des staatlichen Liegenschaftswesens die Rechnungsprüfung vor keine großen Probleme. Zwar wird häufig das Prüfungsrecht des Rechnungshofs eigens geregelt433, doch angesichts der klaren LHO-Regelung für Landesbetriebe und Sondervermögen ist es unschädlich, dass in den übrigen Fällen, in denen solche eingerichtet worden sind, keine eigene Rechtsgrundlage für die Rechnungsprüfung geschaffen wurde. In Berlin wurde zudem in § 7 SILBG für die das Sondervermögen verwaltende BIM GmbH das volle Prüfungsrecht des Rechnungshofs nach § 104 Abs. 1 Nr. 3 LHO sichergestellt und damit auch in dieser Hinsicht Verfassungskonformität hergestellt. Verfassungswidrig ist hingegen die Einschränkung der Rechte des Rechnungshofs auf § 53 HGrG in Nordrhein-Westfalen, wie sie in § 12 BLBG – entgegen der Empfehlung von Experten434 – vorgenommen wurde. Denn Landesbetriebe und Sondervermögen unterliegen nach Art. 86 Abs. 2 LV NRW iVm. §§ 88 Abs. 1, 113 S. 2 LHO uneingeschränkt der staatlichen Finanzkontrolle. Allenfalls die Ausnahme des Art. 88 LV NRW für „ertragswirtschaftliche Unternehmungen“ könnte eine Beschränkung rechtfertigen. Dafür spricht, dass die Rechte aus § 53 HGrG ebenfalls für „Unternehmen“, also nicht für jede privatrechtlich verselbständigte Staatstätigkeit gelten; die Öffnungsklausel des Art. 88 LV NRW und § 53 HGrG entsprechen sich folglich in ihrem Anwendungsbereich und stellen für ertragswirtschaftliche Unternehmen in Privatrechtsform eine in sich schlüssige Regelung der Rechnungsprüfung dar, eine entsprechende Anwendung auf das Sondervermögen BLB erscheint daher möglich. Doch darf die Öffnungsklausel des Art. 88 LV NRW nicht dazu verwendet werden, die parlamentarischen Kontrollmöglichkeiten, die über die Rechnungsprüfung ermöglicht werden, zu verwässern435. Sinn und Zweck der Finanzkontrolle nach Art. 86 LV NRW wiegen stärker als die Ausnahmeklausel des Art. 88 LV NRW, die der Eigenart ertragswirtschaftlicher Unternehmen Rechnung tragen will, also eine im Verhältnis zum parlamentarischen Budgetrecht nachrangiges 432 Vgl. die Definition des Nebenhaushalts (s. oben A. I.). Zur teleologischen Interpretation zum Zweck der Einbindung von juristischen Personen des Privatrechts im Einzelnen Puhl, S. 390 ff. 433 So mit Blick auf § 88 LHO in Rheinland-Pfalz (Ziff. 6 Organisationsverfügung), Hessen (§ 7 Abs. 6 Satzung), Thüringen (§ 6 Abs. 7 Betriebssatzung) und Mecklenburg-Vorpommern (§ 6 Abs. 5 BBLG) und mit Blick auf § 111 BHO bzw. § 111 LHO in § 9 BImAG und § 13 GMSHG. 434 Vgl. LT NRW, Vorlage 13/0274, S. 12 und LT NRW, APr 13/97, S. 28. 435 A. A. Tettinger in: Löwer/Tettinger, Art. 88, Rn. 11, 13.
D. Weitere Regeln der Haushaltsverfassung
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Ziel verfolgt. Für die ausnahmslose Geltung des vollen Prüfrechts bei Sondervermögen ist auch die Regelung in § 113 S. 2 LHO anzuführen, die – anders als die Verweisung auf andere Vorschriften des Haushaltsrechts für Sondervermögen in § 113 S. 1 LHO – ausdrücklich und ohne Ausnahmemöglichkeit das volle Prüfungsrecht anordnet. Damit unterstreicht das einfache Haushaltsrecht den uneingeschränkten Geltungsanspruch der Finanzkontrolle für Sondervermögen, den wir schon auf Verfassungsebene festgestellt haben. Es ist üblich, mit Art. 115 Abs. 1 S. 2 GG – ergänzt durch Art. 109 Abs. 2 GG – die Erörterung von Möglichkeiten zur Schuldenbegrenzung abzuschließen. In dem letzten Teil der Arbeit (3. Teil) wird ein Abschnitt der Haushaltsverfassung behandelt werden, der einen weiteren Beitrag zur Effektivierung der Schuldenbegrenzung durch die Verfassung leisten könnte, weil er die finanzielle Handlungsfähigkeit des Staates von einer etwas anderen Warte aus in den Blick nimmt. Zugleich wirft die in dieser Arbeit dargestellte Reform des staatlichen Liegenschaftswesens, die bisher ohne größere Schwierigkeiten in den Rahmen der Haushaltsverfassung einzubinden war, genau für diesen Bereich der Haushaltsverfassung besonders weit reichende Fragen auf. Es ist das Staatsvermögensrecht.
3. Teil
Eine Renaissance des Staatsvermögensrechts? Die bisherigen Erörterungen zur Neuordnung des staatlichen Liegenschaftsmanagements haben gezeigt, dass zwar beträchtliche Rechtsänderungen vorgenommen wurden, diese aber keineswegs systemsprengende Wirkungen auf die Haushaltsverfassung ausüben. Es konnte nachgewiesen werden, dass die Normen der Haushaltsverfassung der Herausforderung durch Nebenhaushalte gewachsen sind und dass selbst ein so singulärer Vorgang wie das „Kieler Immobiliengeschäft“ unter die Kreditregeln der Verfassung gebracht werden kann. Gleichzeitig hat die vorläufige Bilanz der Haushaltsverfassung aufgezeigt, dass Art. 115 GG als „Schlussstein im aufwändig verstrebten Gewölbe der Finanzverfassung“ (Höfling/Rixen) zwar ertüchtigt werden kann, die Problematik der Staatsverschuldung damit aber bei weitem nicht bewältigt werden kann. Diese Verfassungsbestimmung und ihre Pendants in den Landesverfassungen mögen zwar „den normativen Fluchtpunkt allen Nachdenkens über Ausmaß, Grund und Grenzen der Staatsverschuldung“436 bieten; an diesem Punkt schon einen Schlussstrich unter die Bilanz der Haushaltsverfassung von Bund und Ländern zum Thema Staatsverschuldung zu ziehen, könnte aber verfrüht sein. Eine häufig übersehene und wenig gepflegte Kreuzrippe im Gewölbe der Finanzverfassung könnte entstaubt und zu neuem Glanz gebracht werden, um das Bewusstsein um Schulden und Vermögen des Staates zu schärfen – die Vorschriften zur Vermögensrechnung des Staates, wie sie in Art. 114 Abs. 1 GG und in ähnlich lautenden Bestimmungen der Landesverfassungen anzutreffen sind. Angesichts der Bedeutung der staatlichen Liegenschaften für das Staatsvermögen und dem ihrer Neuordnung innewohnenden Potential zur Mobilisierung von Staatsvermögen ist es angemessen, die bestehenden Rechtsregeln zum Staatsvermögen auszumessen und auf ihre Aktualität nicht nur für die staatlichen Liegenschaften, sondern auch für die Haushaltsverfassung und die Frage der Staatsverschuldung hin zu prüfen.
436
Höfling/Rixen in: BK, Art. 115, Rn. 48.
A. Staatliche Liegenschaften und Staatsvermögen
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A. Staatliche Liegenschaften und Staatsvermögen I. Die Bedeutung staatlicher Liegenschaften für das Staatsvermögen Das Grundvermögen von Bund und Ländern macht heutzutage einen beträchtlichen Teil des Staatsvermögens aus, nachdem infolge von Privatisierung und Liberalisierung die staatlichen Unternehmen an Bedeutung verloren haben. Dagegen spielen die Einnahmen aus Grundvermögen wie auch aus erwerbwirtschaftlicher Tätigkeit überhaupt für die Finanzierung des Staates praktisch keine Rolle mehr437. Im Preußen Friedrichs des Großen brachten die Domänen fast die Hälfte aller Staatseinnahmen auf, und noch im Kaiserreich nach 1871 und in der Weimarer Republik erzielten Staatsunternehmen wie die Eisenbahn und die Post einen erheblichen Teil der Staatseinnahmen; vor dem Ersten Weltkrieg machte dies etwa die Hälfte jener Summe aus, die durch Steuern eingenommen wurde438. Inzwischen sind die Beiträge der staatlichen Erwerbswirtschaft zum laufenden Haushalt verschwindend gering (von einmaligen Sonderausschüttungen und Verkaufserlösen abgesehen). Hierin zeigt sich auf markante Art und Weise die Entwicklung hin zum Steuerstaat, die im 19. Jahrhundert beginnt und unter dem Grundgesetz ihren vorläufigen Abschluss findet439. Der fiskalische Zweck des Staatsvermögens und auch des Grundvermögens ist dadurch verloren gegangen; der Staat finanziert sich nicht mehr durch die Erträge seiner Domänen und Unternehmungen. Besonders für sein Grundvermögen gilt, dass es weit überwiegend im Verwaltungsgebrauch oder im Gemeingebrauch steht und selten erwerbswirtschaftlich als Finanzvermögen genutzt wird. Die zahlen- oder gar wertmäßige Bedeutung staatlichen Grundvermögens für das Staatsvermögen wird in der Praxis des Haushaltsrechts nicht in vollem Umfang abgebildet, da das Staatsvermögensrecht in Deutschland Schwächen aufweist (dazu ausführlich unter B.). Die Suche nach Zahlenmaterial über das Grundvermögen von Bund und Ländern gestaltet sich daher schwierig. Regelmäßig geben die Haushaltspläne des Bundes und der Länder keine Auskunft über den Wert der staatlichen Grundstücke. Während der Bund weder im Haushalt selbst noch in den jährlichen Finanzberichten sein Grundvermögen darstellt, sind den Haushaltsplänen der Länder regelmäßig Vermögensübersichten beigefügt, aus denen der zahlenmäßige Bestand an Liegenschaften und teilweise auch der vom tatsächlichen Wert weit entfernte Einheitswert von Grundstücken ersichtlich ist. So sind in Baden437
P. Kirchhof, § 88, Rn. 299. Duhmer, S. 21 f. Vgl. auch die Zahlen für die Länder bei Berlit, S. 41 f., 45 f. und 59 ff. 439 Vgl. P. Kirchhof, § 88, Rn. 298. 438
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3. Teil: Eine Renaissance des Staatsvermögensrechts?
Württemberg bebaute Grundstücke mit einer Gesamtfläche von über 3.000 ha (Einheitswert: 46,1 Mio. Euro) und unbebaute Grundstücke mit einer Gesamtfläche von knapp 800 ha (Einheitswert: 14,7 Mio. Euro) aufgeführt; hinzu kommt land- und forstwirtschaftlicher Grundbesitz von insgesamt fast 360.000 ha (Einheitswert: 88,4 Mio. Euro)440. Für die Liegenschaften des Bundes muss auf die Feststellungen des Bundesrechnungshofs zurückgegriffen werden, der zum Ende des Jahres 1997 einen Bestand an Grundstücken von fast 800.000 ha ermittelt hat, wovon 86.000 ha bebaut sind (darunter 100.000 Wohnungen)441. Ergänzt werden muss dies jedoch um die beträchtlichen Grundstückswerte, die einigungsbedingt in den bundeseigenen Gesellschaften TLG und BVVG verwaltet und verwertet werden. So verzeichnet die TLG für das Jahr 2003 Grundstücksvermögen im Wert von fast 1 Mrd. Euro442. Bei der BVVG sind Grundstücke mit einer Fläche von insgesamt über 1 Mio. ha im Bestand zu verzeichnen, die im Jahr 2003 in der Bilanz mit fast 2 Mrd. Euro zu Buche schlagen443. Neben diesen kaufmännisch bilanzierenden Bundesimmobiliengesellschaften gibt es weitere Ansätze zu einer an Verkehrswerten ausgerichteten Darstellung des staatlichen Grundvermögens. So ist der Wert der landeseigenen Gebäude in Niedersachsen mit 2,3 Mrd. Euro444 und in Baden-Württemberg mit 25 Mrd. Euro445 festgestellt worden; für die öffentlichen Hände insgesamt stellen Ederer/Schuller in ihrer Bilanz der „Deutschland AG“ eine Position von 700 Mrd. DM für Gebäude ein446. Die bislang aussagekräftigste Bewertung staatlichen Grundvermögens ist dem „Finanziellen Jahresbericht 1990“ für NordrheinWestfalen zu entnehmen, der das Grundstücks- und Gebäudevermögen des Landes auf 42,3 Mrd. DM taxiert447. II. Die verborgene Dynamik des Liegenschaftsmanagements und der Hochschulreformen für das Staatsvermögen Die Neuordnung der Liegenschaftsverwaltung hat in allen Fällen zu einer – unterschiedlich starken – organisatorischen Verselbständigung des Liegenschaftsmanagements geführt und ist zum Teil in eine Ausgliederung in Sonder440 Vermögensübersicht des Landes Baden-Württemberg, Vorheft zum StHHPl. 04, S. 147. 441 BRH, Denkschrift 98, BT-Drs. 14/29, S. 55. 442 TLG Geschäftsbericht 03, S. 84. 443 BVVG Geschäftsbericht 03, S. 12, 32. 444 LRH Nds., Denkschrift 02, LT Nds. Drs. 15/1050, S. 153. 445 LRH BW, Beratende Äußerung „Sanierungsbedarf“, LT BW, Drs. 13/3725, S. 2. 446 Ederer/Schuller, S. 30. 447 LT NRW, Vorlage 11/1241, S. 31. Ausführlich dazu unten B. II.
A. Staatliche Liegenschaften und Staatsvermögen
157
vermögen gemündet. Der Schritt zu einer noch weiter gehenden „Mobilisierung“ des Grundvermögens wie in Schleswig-Holstein liegt nach den ernüchternden Erfahrungen eher fern, ist rechtstechnisch aber durchaus möglich. In Schleswig-Holstein sind die Voraussetzungen auf einfachgesetzlicher Ebene unverändert geblieben, so dass sich das Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht zum „Kieler Immobiliengeschäft“ erledigt haben mag; die Versuche und Möglichkeiten, staatliche Liegenschaften und damit beträchtliche Teile des Staatsvermögens haushaltsmäßig zu mobilisieren, haben sich damit noch lange nicht erledigt448. Auch wenn eine Komplettveräußerung, wie sie in Schleswig-Holstein vorgesehen war, kaum Nachahmer finden dürfte, so sind doch schon jetzt einige Ansätze zur Auflösung des staatlichen Grundvermögens zu erkennen, die über die übliche Verwertung nicht mehr benötigter Liegenschaften hinaus gehen. Zunächst ist die Veräußerung von Liegenschaften im großen Stil zu nennen. Diese geht über die gewöhnliche Entnahme von Mitteln aus dem Grundstock oder Allgemeinen Grundvermögen zum Stopfen kleinerer Haushaltslöcher hinaus, da sie nunmehr als wesentlicher Beitrag zur Deckung von Haushaltslücken eingesetzt werden. Das „Kieler Immobiliengeschäft“ war unter diesem Blickwinkel nur die besonders auffällige Spitze eines Eisbergs und hat nach dem Stopp der geplanten Komplettveräußerung dazu geführt, dass über Jahre hinweg beträchtliche Summen aus Liegenschaftsverkäufen im Landeshaushalt veranschlagt wurden449. Auch in Baden-Württemberg wurde beispielsweise für 2004 ein Erlös von 70 Mio. Euro aus Grundstücksverkäufen in den Haushalt eingestellt450. Für den Doppelhaushalt 2005/06 soll dieser Betrag auf 120 Mio. Euro pro Jahr gesteigert werden451. Vorläufiger Höhepunkt dieser Entwicklung in den Ländern ist Hessen, das für 2004 einen Erlös von 145 Mio. Euro aus der Veräußerung von Dienstgebäuden eingeplant hat, der im Jahr 2005 auf 800 Mio. Euro ansteigen soll (siehe oben 2. Teil C. II. 3.). Auf Bundesebene sind die Einnahmen aus Grundstücksverkäufen schon seit längerer Zeit fester Bestandteil der Haushaltswirtschaft. Zwei große – und in den Ländern in dieser Form nicht vorliegende – Trends machen sich hier bemerkbar. Zum einen brachte die deutsche Einheit den Bund in den Besitz gro448
So zutreffend Fleischmann, S. 65. Unter dem Titel 131 03 sind im Kapitel 1111 der Haushaltspläne 2000 bis 2003 Einnahmen aus Liegenschaftsübertragungen an die IB von 250 Mio. DM, 200 Mio. DM, 25 Mio. Euro und 14 Mio. Euro veranschlagt. Ausweislich der mitgeteilten IstWerte wurden diese Summen auch tatsächlich realisiert. 450 Vgl. StHHPl. BW 04, Kap. 1209, Titel 356 01. Die Zahlen aus den Vorjahren sind deutlich niedriger: 11 Mio. Euro (Soll 2003), 6 Mio. Euro (Ist 2002) und 0 (Ist 2001). 451 Vgl. StHHPl. BW 05/06, Kap. 1209, Titel 356 01. 449
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3. Teil: Eine Renaissance des Staatsvermögensrechts?
ßer Flächen, die er nicht benötigte. Die Verwertung dieser Liegenschaften hat seit 1991 Jahr für Jahr einen Milliardenbetrag in die Kassen des Bundesfinanzministers gespült. Zum anderen hat sich der Bund in Schritten von den großen Immobilienbeständen getrennt, die er indirekt gehalten hat. Erinnert sei in diesem Zusammenhang an die Veräußerung der Eisenbahnerwohnungen 2001 und den Verkauf der Gagfah (Wohnungsgesellschaft der BfA) im Jahr 2004. Da Kommunen, Länder und Bund inzwischen seit Jahren versuchen, ihre Haushalte über Grundstücksverkäufe zu sanieren, machen sich Übersättigungstendenzen bemerkbar, die zurückgehende Verkaufserlöse befürchten lassen452. Setzt dieser Trend sich ungemindert fort, blutet auf lange Sicht der staatliche Vermögensbestand aus, zumal weitere wichtige Komponenten dieses Vermögens, die Staatsunternehmen, in den letzten Jahren ebenfalls zu großen Teilen veräußert wurden. Es zeichnet sich somit ab, dass nach der Mobilisierung von Unternehmensbeteiligungen, die neben ordnungspolitischen Gesichtspunkten immer auch handfeste fiskalische Ziele verfolgt hat, in Zukunft vermehrt auf Grundvermögen zurückgegriffen wird, um Haushaltsengpässen zu begegnen. Die neuen Formen staatlichen Liegenschaftsmanagements tragen zu dieser Entwicklung bei, indem sie das Instrumentarium zur Erzielung von Flächeneinsparungen bereitstellen und dadurch frei werdende Liegenschaften in den Verkehr bringen. Ein Stück weit ist diese Mobilisierung von Grundvermögen also die wenig kritikwürdige Folge der Verwaltungsmodernisierung. Es bleibt die Frage, wie weit die umfangreichen Verkäufe schon Ausdruck der Anwendung des Liegenschaftsmanagements sind oder in erster Linie haushaltspolitischer Not geschuldet sind, weil doch anzunehmen ist, dass nicht mehr benötigte Flächen nicht von heute auf morgen identifiziert werden können453. Wie dem auch sei, Tatsache ist: der Verwertungsdruck bei nicht unbedingt notwendigen oder nicht in der jetzigen Lage benötigten Grundstücken nimmt zu, zumal es viele Filetgrundstücke in staatlicher Hand gibt. Damit wird aber die Trennlinie zwischen Verwaltungsvermögen und Finanzvermögen fließend – beträchtliche Teile des Verwaltungsvermögens werden zu Finanzvermögen und damit fiskalische Manövriermasse. Eine zweite Entwicklungslinie zielt weniger auf die unmittelbar haushaltswirksame Mobilisierung von staatlichen Grundvermögen ab als auf seine Auflösung und Zersplitterung. Hier ist auf die vielfältigen Formen der Ausgliederung und Übertragung von Liegenschaften im Zuge der Einräumung von mehr Autonomie an bestimmte Verwaltungseinheiten zu verweisen. Um Anreize zu einem 452
Dazu BT, Haushaltsausschuss Prot. 15/46, S. 8 ff. In Baden-Württemberg sind umfangreiche Veräußerungen für 2004 angesetzt, obwohl die kaufmännische Buchführung im Landesbetrieb erst ab 2005 eingeführt wird. 453
A. Staatliche Liegenschaften und Staatsvermögen
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wirtschaftlicheren Einsatz öffentlicher Gelder zu setzen und um die Freiheit von Forschung und Lehre institutionell zu festigen, ist vor allem im Hochschulbereich durch umfassende Gesetzeswerke die Autonomie von Anstalten und Körperschaften ausgedehnt worden. Teilweise ging damit die Übertragung von Grundstücken einher. So gingen in Baden-Württemberg die Liegenschaften schenkungsweise an die neu errichteten Zentren für Psychiatrie A. ö. R. über454. Auch für die Reform der Hochschulen selbst wird erwogen, deren Autonomie durch eine Übertragung von Liegenschaften zu unterfüttern. Am weitesten geht in diesem Sinne das niedersächsische Hochschulreformgesetz aus dem Jahr 2001, das die Errichtung von Hochschulen in Trägerschaft von rechtsfähigen Stiftungen des öffentlichen Rechts vorsieht, die als Stiftungsvermögen unentgeltlich das für den Betrieb der Hochschule erforderliche Grundvermögen des Landes erhalten sollen455. Eine solche Stiftungslösung wird in der hochschulpolitischen Reformdiskussion bis heute immer wieder als nachahmenswürdiges Vorbild genannt. Abgesehen davon, dass man die Landeskompetenz zur Regelung des Eigentumsübergangs vom Land auf eine neue Hochschulstiftung bezweifeln kann456, eröffnet ein solches Vorgehen ganz neue Möglichkeiten einer „Privatisierung von Landesvermögen“, wie sie von Hochschulseite vereinzelt auch bei der Neuorganisation der Liegenschaftsverwaltung probiert worden ist, als in Nordrhein-Westfalen die Hochschulen „Landesvermögen nach Möglichkeit zum Nullpreis als zivilrechtliche Eigentümer unter ihre Fittiche bringen“ wollten457. In der Autonomie von Hochschulen und ihren Klinika liegt das langfristige wohl größte Potential zur Dynamisierung und Mobilisierung staatlichen Grundvermögens. So werden in Nordrhein-Westfalen etwa 60% der Landesliegenschaften von Hochschulen genutzt458; in Baden-Württemberg sind es immerhin 25% der landeseigenen Grundstückflächen459. Werden erst einmal Grundstücke an autonome Einheiten übertragen, so realisieren diese selbst eventuelle Veräußerungsgewinne und nicht der Staatshaushalt460. Neben diesen fiskalischen Auswirkungen sind darüber hinaus Einbußen bei der strategischen Steuerung der Ressource Fläche durch das zentrale staatliche Liegenschaftsmanagement zu befürchten. Zwar haben staatliche Vertreter Sitz und Stimme in den Aufsichtsgre454 Vgl. § 1 Abs. 2 des Gesetzes zur Errichtung der Zentren für Psychiatrie, GBl. BW 95, S. 511. 455 Vgl. § 55 Abs. 1 S. 5 Niedersächs. Hochschulgesetz, Nds. GVBl. 02, S. 302. 456 Zu Reichweite und Grenzen der insoweit einschlägigen Ausnahmebestimmung des § 126 EGBGB vgl. Ipsen, NdsVBl. 03, S. 5. 457 So der damalige Finanzminister Steinbrück, LT NRW, PlPr 13/16, S. 1375. 458 So jedenfalls der Sprecher der Kanzler der Universitäten in LT NRW, HFA APr 13/97, S. 56. 459 LT BW, Drs. 13/3004, S. 3. 460 Vgl. dazu LRH BW, Denkschrift 02, S. 184 f.
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3. Teil: Eine Renaissance des Staatsvermögensrechts?
mien, denen die neu kreierten selbständigen Einheiten unterstehen; je nach gesetzlicher Ausgestaltung dominieren sie sogar das Aufsichtsorgan. Doch steht bei deren Tätigkeit weniger das Vermögensinteresse des Landes als die fachliche Steuerung im Vordergrund – das Staatsvermögen hat dabei keine Stimme. Hinzu kommt, dass zumindest in den Hochschulen immer mehr dazu übergegangen wird, externen und Hochschulvertretern die Mehrheit in den Aufsichtsgremien zu überlassen, die staatlichen Repräsentanten verlieren somit an Kontroll- und Lenkungsmöglichkeiten im Alltagsgeschäft der Hochschulen. Sosehr aus fachlicher Sicht die Bewegung hin zu selbständiger Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben im Zusammenwirken mit (auch privaten) Dritten begrüßt werden mag – es zeichnet sich schon jetzt ab, dass dabei das staatliche Vermögensinteresse unter die Räder kommt. Insgesamt zeichnet sich ein Prozess der Auflösung staatlichen Grundvermögens ab, der die Frage nach der Aussagekraft und Steuerungsfähigkeit des Staatsvermögensrechts besonders akut aufwirft.
B. Sachstand und Aussagekraft des deutschen Staatsvermögensrechts I. Die Staatsvermögensordnung als Desiderat des deutschen Staatsrechts Das Grundgesetz kennt keine umfassende Staatsvermögensverfassung, während es das Haushaltsrecht und die Kreditaufnahme des Staates ausführlich regelt. Schon in der Weimarer Reichsverfassung bestand ein ähnliches Ungleichgewicht. Eine allgemeine Staatsvermögensordnung, welche die Vorschriften über Erwerb und Veräußerung sowie Bewirtschaftung und Rechnungslegung des Staatsvermögens zusammenfasst, besteht bis heute nicht461. In der Verfassung sind neben der Vorschrift über die Vermögensrechnung in Art. 114 Abs. 1 GG nur Einzelregelungen aufzufinden, die sich mit der Vermögensnachfolge nach dem Zweiten Weltkrieg und der deutschen Einheit beschäftigen (Art. 87, 89, 90 und 134, 135, 135a GG)462. Diese werden ergänzt durch Vorschriften des Einigungsvertrages (insbesondere Art. 21 und 22, welche das DDR-Vermögen zuordnen). Auf der Ebene einfachen Rechts trifft man einerseits auf einige Konkretisierungen zur Vermögensrechnung in Teil IV und V (insbesondere §§ 73, 86) von BHO/LHO, andererseits auf einen in sich geschlossenen Normkomplex zur
461 462
Vgl. Stern, S. 1257 und Friauf, § 90, Rn. 16. Ausführlich dazu Friauf, § 90, Rn. 18 ff.
B. Sachstand und Aussagekraft des deutschen Staatsvermögensrechts
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staatlichen Vermögenswirtschaft zum Abschluss des Teils III (§§ 63 ff.), in beiden Fällen ergänzt durch Vorschriften des HGrG (§ 35 bzw. §§ 53 f.). Abschließend ist die landesrechtliche Besonderheit des Grundstocks zu erwähnen, die wiederum am Ende der jeweiligen LHO (§ 113), teilweise aber auch schon bei § 64 LHO geregelt ist. Eine kaum nennenswerte verfassungsrechtliche Verankerung und disparate Regelungen im einfachen Haushaltsrecht – der Überblick über den Normbestand des deutschen Staatsvermögensrechts lässt die gern zitierte Aussagen Vialons über die „Verkümmerung“ des deutschen Staatsvermögensrechts unverändert aktuell erscheinen463: „Die Vermögenswirtschaft der öffentlichen Hand in Deutschland liegt im Argen. Dies bezieht sich weniger auf ihren finanzwirtschaftlichen Zustand oder gar ihren inneren Charakter als auf das Fehlen ausreichender materieller und formeller Vorschriften.“ Diese Feststellungen müssen nur in einem Punkt korrigiert werden: Inzwischen hat sich auch der finanzwirtschaftliche Zustand des Staatsvermögens deutlich verschlechtert – nicht zuletzt aufgrund der von Vialon beklagten lückenhaften Aussagekraft und Regelungswirkung des Staatsvermögensrechts. Aufgabe der folgenden Abschnitte ist es, die Aussagen des deutschen Staatsvermögensrechts auf ihren Regelungsgehalt zu untersuchen, indem zunächst der Sachstand vom Verfassungsrecht her wie auch im Lichte des einfachen Haushaltsrechts dargestellt wird, um sodann Schlussfolgerungen für das Staatsvermögensrecht zu ziehen. Drei Regelungskomplexe sind damit angesprochen: erstens die Vermögensrechnung des Staates nach Art. 114 Abs. 1 GG und ähnliche Vorschriften der Landesverfassungen, zweitens die vermögenswirtschaftlichen Vorschriften um §§ 63 bis 65 BHO/LHO und drittens die Vorschriften zu Grundstücken und Grundstock. In den beiden letztgenannten Normbereichen tritt der Gedanke der Werterhaltung des Staatesvermögens zu Tage, dessen Reichweite es abzumessen gilt. II. Die Vermögensrechnung des Staates Die Vermögensrechung des Staates ist ein in der Rechtswissenschaft wenig beachteter und in der Staatspraxis kaum relevanter Bereich des Haushaltsverfassungsrechts. Für den Bund regelt Art. 114 Abs. 1 GG die Pflicht zur „Vermögensrechnung“, die neben die Vorlage der Haushaltsrechnung tritt. Mit Ausnahme von Bayern, Hessen und Bremen kennen auch die Verfassungen der Länder Regeln zur Bestandsaufnahme des Staatsvermögens, begnügen sich aber zumeist damit, eine Übersicht oder einen Nachweis zu verlangen. Allerdings wird davon ausge463
Vialon, S. 697; vgl. auch Patzig, vor § 63, Rn. 3.
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3. Teil: Eine Renaissance des Staatsvermögensrechts?
gangen, dass auch Art. 114 Abs. 1 GG keine voll ausgebaute Vermögensbuchführung mit Bewertung verlangt; grundsätzlich soll von Verfassung wegen auch hier ein Nachweis über das Vermögen ausreichen464. So wird über die Auslegung des Art. 114 Abs. 1 GG und unter Verwischung der Begriffsunterschiede in den Verfassungstexten von Bund und Ländern faktisch eine vereinheitlichende Bestimmung des Inhalts und Umfangs der Rechnungslegung über das Staatsvermögen im deutschen Bundesstaat erreicht. Folgerichtig eröffnen sowohl § 35 HGrG als auch § 73 BHO/LHO die Wahl zwischen einer Vermögensbuchführung und einem anderen Nachweis des Vermögens. Die Konkretisierung dieser Vorschriften in § 86 BHO/LHO fällt dagegen unterschiedlich aus. Während § 86 BHO eine Vermögensrechnung anordnet, beschränkt sich § 86 LHO regelmäßig auf einen Vermögensnachweis. Der Unterschied besteht darin, dass eine Vermögensrechnung eine förmliche Vermögensbuchführung voraussetzt, die Vermögensgegenstände zumindest in Teilen bewertet und im übrigen zahlenmäßig in einer bestimmten Ordnung aufbereitet465. Dem Erfordernis eines bloßen Vermögensnachweises wird hingegen schon mit einem Bestandsverzeichnis Genüge getan. Obwohl verfassungsrechtlich die Rechnungslegung über das Vermögen einerseits und der Nachweis oder die Übersicht über das Vermögen andererseits als gleichwertig angesehen werden, wird damit auf der Ebene einfachen Haushaltsrechts die Vermögensbuchführung im Sinne einer stärker formalisierten Vermögensrechnung von den Anforderungen her oberhalb eines bloßen Nachweises angesiedelt, die Nivellierung durch Verfassungsauslegung also im einfachen Haushaltsrecht wieder zurückgenommen. Zur Begründung wird dann doch auch auf die Pflicht des Bundes zur Rechnungslegung aus Art. 114 GG verwiesen466. Eine solche widersprüchliche Einschätzung der Reichweite von Art. 114 GG lässt sich nur dadurch erklären, dass die Auslegung stark vom Ergebnis her unternommen wird, also darauf Rücksicht nimmt, wie die gewachsene Tradition der Rechtsanwendung diese Vorschrift in die Tat umsetzt. In der Praxis bleibt nämlich selbst die förmliche Vermögensbuchführung des Bundes gemäß Art. 114 Abs. 1 GG iVm. § 86 BHO weit hinter dem Aussagegehalt zurück, den man etwa einer kaufmännisch errichteten Bilanz entnehmen kann. So ist das gesamte bewegliche und unbewegliche Sachvermögen aus der Vermögensrechnung des Bundes ausgeschieden worden, wird also weder wertmäßig erfasst noch in die jährliche Darstellung des Bundesvermögens im Finanzbericht des Bundes überhaupt aufgenommen. Vielmehr bleiben die Vermö464 Leimich, S. 240 ff.; Maunz in: Maunz/Dürig, Art. 114, Rn. 13; Vogel/P. Kirchhof in: BK, Art. 114, Rn. 45; Piduch in: Piduch, Art. 114, Rn. 11. 465 Piduch in: Piduch, § 73, Rn. 1; § 86, Rn. 2; in die gleiche Richtung geht schon Vialon, S. 229; etwas anders die Unterscheidung bei Leimich, S. 242. 466 So Piduch in: Piduch, § 73, Rn. 1 und § 86, Rn. 2.
B. Sachstand und Aussagekraft des deutschen Staatsvermögensrechts
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gensklassen 0 und 1 unbesetzt467, und das Sachvermögen wird in gesonderten Bestandsverzeichnissen geführt468. Damit geht das gesamte staatliche Grundvermögen nicht in die Vermögensrechnung ein – und zwar unabhängig davon, ob es dem Verwaltungs- oder Finanzvermögen zuzurechnen ist. Weiterhin nicht erfasst werden Vermögensrechte, die dem Verwaltungsvermögen angehören, sowie kassen- bzw. haushaltsmäßig abzuwickelnde Geldbestände469. Spiegelbildliche Lücken sind bei der Schuldenbuchführung und weitere Defizite beim Nachweis von Verpflichtungen und Forderungen zu erkennen470. Im Kern deckt damit die Vermögensrechnung des Bundes allenfalls dessen Finanzvermögen ohne möglicherweise darunter fallende Liegenschaften ab471. Es dürfte klar geworden sein, dass die Vermögensrechnung des Staates bei weitem nicht die durch den Verfassungstext des Art. 114 Abs. 1 GG geweckten Erwartungen erfüllt – von einer vollständigen Vermögensbuchführung des Staates kann im Bund – und noch weniger in den Ländern – nicht gesprochen werden. Dieses Fazit wird allgemein geteilt472. Ob dies auch ein begrüßenswerter Zustand ist, steht auf einem anderen Blatt. Die Kommentarliteratur hält die jetzige Handhabung der Vermögensrechnung in Bund und Ländern, für angemessen. Ihre Argumente473 lassen sich in zwei Kategorien bündeln. Zum einen wird aus Gründen der Praktikabilität auf eine umfassende Bewertung des Staatsvermögens verzichtet, weil das Verwaltungsvermögen und insbesondere das Grundvermögen des Staates aufgrund von strukturellen Besonderheiten in der Nutzung (z. B. Straßen in Gemeingebrauch) zum Teil überhaupt nicht, zum Teil nur mit übermäßigem Aufwand in Verkehrswerte gefasst werden kann. Zum anderen wird auf die prinzipielle Unvergleichbarkeit von Staat und Unternehmen bestanden, denn anders als ein Unternehmer ist der Staat nicht darauf angewiesen, in einer Bilanz seine Leistungsfähigkeit und Kreditwürdigkeit darzulegen. Er ist nicht am Markt tätig, um sein Vermögen zu mehren, sondern setzt sein Vermögen ein, um seine Aufgaben wahrzunehmen474. 467
Schuy/Raack in: Heuer, § 73, Rn. 3. Vgl. Schuy/Raack in: Heuer, § 73, Rn. 4. 469 Vgl. Schuy/Raack in: Heuer, § 73, Rn. 1 und Gröpl, S. 397 f. 470 Näher dazu Gröpl, S. 398 ff. 471 Finanzbericht 2003, S. 316 ff. 472 Puhl, S. 313 f.; Gröpl, S. 396. 473 Maunz in: Maunz/Dürig, Art. 114, Rn. 13; Vogel/P.Kirchhof in: BK, Art. 114, Rn. 44 ff.; Piduch in: Piduch, Art. 114, Rn. 10 f.; Patzig, § 86, Rn. 1 und Schuy/ Raack in: Heuer, § 86, Rn. 1. Ebenso die einschlägigen Kommentierungen der Landesverfassungen vgl. für Baden-Württemberg Braun, Art. 83, Rn. 3 und Feuchte, Art. 83, Rn. 5 sowie für Berlin Pfennig in: Pfennig, Art. 94, Rn. 4. 474 So prägnant Friauf, § 90, Rn. 1. 468
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3. Teil: Eine Renaissance des Staatsvermögensrechts?
Kurzum: Der Aufwand durch eine vollständige Vermögensbuchführung stünde in keinem Verhältnis zum möglichen – und zudem durch den strukturellen Unterschied von Staat und Unternehmen von vornherein begrenzten – Erkenntnisgewinn und Nutzen für die Kontrolle des Haushaltsgebarens der Regierung durch Parlament und Rechnungshof. Diese Geringschätzung der Vermögensrechnung ging in der Vergangenheit sogar so weit, dass ihre Abschaffung gefordert wurde475. Auch die Entstehungsgeschichte der entsprechenden Grundgesetznorm erlaubt keine eindeutigen Rückschlüsse auf die Bewertung einer staatlichen Vermögensrechnung. Einerseits hat Leimich herausgearbeitet, dass die Einfügung einer Pflicht zur Rechnungslegung über das Staatsvermögen auf einer Fehlinformation an den Parlamentarischen Rat durch den Rechnungshof der Britischen Zone beruht476. In seiner endgültigen Stellungnahme war dieser irrtümlicherweise davon ausgegangen, dass die damaligen Länderverfassungen eine solche Vermögensrechnung verlangten. Dagegen hatte der vorbereitende interne Vermerk des Rechnungshofs die Vorbildfunktion der Länderverfassungen korrekt beschrieben: Sie betraf nämlich nicht die Vermögensrechnung, sondern die Mitwirkung des Parlaments bei Vermögensveräußerungen. Ansonsten unterblieb im Parlamentarischen Rat eine vertiefte Auseinandersetzung in der Sache selbst, weshalb Leimich von einem „verfassungsschöpferischen Redaktionsversehen“ spricht. Andererseits waren aber mit dieser neuen – und über die bisherige nationale Verfassungslage hinausreichenden – Vorschrift große Hoffnungen auf ein besseres Verständnis der wirtschaftlichen Zusammenhänge und der finanziellen Lage des Bundeshaushaltes sowie erweiterter Möglichkeiten der Finanzkontrolle verbunden477. Der Staat als Treuhänder des Staatsvermögens sollte dieses umfassend und geordnet darstellen, Auskunft und Rechenschaft darüber abgeben und dadurch die Kontrolle darüber ermöglichen478. Ein neues – und bis heute aktuelles – Motiv für die Vermögensrechnung trat in der Nachkriegszeit schon früh hinzu: eine – in der Art eines Konzernabschlusses alle staatlichen Betätigungsfelder zusammenfassende – Vermögensrechnung sollte auch Aufschluss darüber geben, wie stark sich der Staat wirtschaftlich betätigt479. Schon damals mischte sich in die Zuversicht eine gehörige Portion Skepsis über die praktischen Möglichkeiten einer voll ausgebauten Vermögensbuchführung und ihre Anwendbarkeit auf die öffentliche Haushaltswirtschaft, doch wurde die Vermögensrech475
So dezidiert Piduch, DÖV 73, S. 230; ähnlich LRH Nds., LT Nds., Drs. 9/2600,
S. 30. 476 477 478 479
Leimich, DÖV 67, S. 748 ff. und ausführlich Leimich, S. 49 ff. Vgl. die Nachweise bei Puhl, S. 315. Helmert, DÖH 54, S. 145. Duhmer, S. 7 ff., 27 ff., 49 ff.; Vialon, S. 697.
B. Sachstand und Aussagekraft des deutschen Staatsvermögensrechts
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nung prinzipiell als wichtiger Bestandteil des öffentlichen Rechnungswesens und der staatlichen Vermögenswirtschaft begrüßt480. Ein wichtiger Baustein zur Ausführung der Pflicht zur Vermögensrechnung war dabei der Entwurf der Buchführungs- und Rechnungslegungsordnung für das Vermögen des Bundes (VBRO), der als Erlass des Bundesfinanzministeriums im Jahr 1953 veröffentlicht wurde481 und umfangreiche Vorgaben zum Nachweis von Vermögen und Schulden des Bundes enthält. Mangels Weiterentwicklung gilt dieser Entwurf immer noch und zeigt durch seine bloße Existenz an, dass eine umfassende Vermögensbuchführung der öffentlichen Hand grundsätzlich möglich ist. Darüber hinaus zeigt er Regelungsmöglichkeiten zu zentralen Fragen der Vermögensrechnung wie der Bewertung (§§ 9 ff. VBRO) und dem Werteverzehr (§§ 18 ff. VBRO) auf, die bis heute in der Diskussion sind. Schon damals wurde in der Fachliteratur auf die Notwendigkeit der Einbeziehung der Sachen in Gemeingebrauch in die Vermögensrechnung hingewiesen, weil sonst der Unterhaltungsaufwand nicht zutreffend erfasst wird482. Auch die Berücksichtigung von Abschreibungen wurde eingefordert483. Allerdings hat die Durchschlagskraft der VBRO von Anfang an unter Praktikabilitätsproblemen und grundsätzlichen Einwänden gelitten, die – wie wir in der Praxis der Vermögensrechnung gesehen haben – bis heute fortdauern. Im Vorfeld der Haushaltsreform von 1969 wurde das öffentliche Vermögensund Schuldenrecht als jener Teil des öffentlichen Finanzrechts identifiziert, der gar nicht oder nur unvollständig geregelt ist484. Der Regierungsentwurf zur Haushaltsrechtsreform selbst griff dieses Anliegen auf und setzte auf eine EDVgestützte integrierte Haushalts- und Vermögensbuchführung485. Das Bonmot vom „verfassungsschöpferischen Redaktionsversehen“ verfehlt aber nicht nur wesentliche Aspekte der Wirkungsgeschichte der Grundgesetznorm über die Vermögensrechnung nach 1949. Es wird auch nicht den intensiven Bemühungen um die Ausgestaltung einer staatlichen Vermögensrechnung gerecht, die schon in der Weimarer Zeit angestellt wurden und an die unter der Geltung des Grundgesetzes angeknüpft werden konnte. Strube hat die Grundzüge der Diskussion um ein umfassendes Staatsvermögensrecht unter der Reichsverfassung von 1919 dargestellt, die wesentliche Impulse vom kommunalen Haushaltsrecht empfing486. Wesentliche Gesichtspunkte waren damals der Zusammenhang zwischen Haushaltswirtschaft und öffentli480 Vgl. die Bewertung durch Vialon, S. 70, 72, 117 f. und 845 ff. und Neumark, in: Gerloff/Neumark, S. 601 f. 481 MinBlFin 53, S. 166 ff. 482 Helmert/König, S. 12 ff. 483 Helmert/König, S. 20 f. Skeptisch dazu Vialon, S. 118. 484 Dazu Hettlage in: Schäfer, S. 81. 485 Vgl. Puhl, S. 316.
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3. Teil: Eine Renaissance des Staatsvermögensrechts?
chem Vermögen, die Bewertungsprobleme, die Hoffnung auf verbesserte Kontrollmöglichkeiten und auf Kosten-Nutzen-Analysen sowie die Ermittlung eines Reinvermögens zur Beurteilung der Kreditwürdigkeit des Staates – all diese Fragestellungen beherrschen bis heute die Bewertung der Vermögensrechnung in der Kommentarliteratur; und schon damals setzten die Kritik und die Ablehnung der Vermögensrechnung an genau den Punkten an, die bis heute die Kommentierung der Vermögensrechnung in Deutschland beherrschen. Insbesondere das Argument der strukturellen Unterschiede zwischen der kaufmännischen Buchführung des Unternehmers und dem öffentlichen Rechnungswesen des Staates zieht sich wie ein roter Faden durch die Abhandlungen zur Vermögensrechnung nach dem Zweiten Weltkrieg487 und beweist seine Wirkungsmacht bis heute in den einschlägigen Kommentaren. In jüngerer Zeit ist die Vermögensrechnung als ein Teil der Defizite des Haushaltsverfassungsrechts wieder stärker in den Blickpunkt des Interesses gerückt und hat in der Literatur vorsichtige Unterstützung erfahren. So will Puhl die jetzige Praxis der Vermögensrechnung nicht statisch, sondern dynamisch als insbesondere mit EDV-Unterstützung ausbaufähige Zielprojektion betrachtet wissen und fordert eine gesetzlich geregelte Vollvermögensrechnung zumindest für jene Teile des Haushaltes, die der Vermögenserhaltung bzw. -mehrung dienen488. Auch Gröpl will sich mit dem gegenwärtigen Zustand nicht zufrieden geben und fordert eine im Vergleich zur jetzigen Handhabung wesentlich ausgebaute Teilvermögensrechnung, die zumindest die verwertbaren Vermögensgegenstände bewertet489. Schließlich spricht sich auch Pünder für eine Vermögensbilanz als Teil eines modernisierten Haushaltsrechts aus, auch wenn er seine konkreten Reformvorschläge auf das Gemeindehaushaltsrecht beschränkt490. Heute lassen sich in der Tat die praktischen und staatstheoretischen Vorbehalte gegenüber eine vollwertigen Vermögensrechnung und damit auch die Rechtfertigungsgründe der bisherigen Staatspraxis nicht mehr aufrechterhalten. Nach den Kommunen führen auch Bund und Länder betriebswirtschaftliche Elemente in die öffentliche Verwaltung ein. Wie wir gesehen haben, ist auch die Neuorganisation der Liegenschaftsverwaltung ein Element dieser Verwaltungsmodernisierung. 486 Zum Folgenden Strube, S. 190 ff. Vgl. auch die detaillierte Darstellung bei Leimich, S. 30 ff. 487 Vgl. Kleinmann, DÖV 58, 804 ff.; Leimich, S. 181 ff. und 186 ff.; Oettle, S. 338 ff. 488 Puhl, S. 327 ff. 489 Gröpl, S. 434 f. 490 Pünder, S. 551 ff. Anlage und Anspruch dieser Arbeit machen deutlich, dass es dem Autor um die Modernisierung des Haushaltsrechts allgemein geht, die „am Beispiel der Kommunalverwaltung“ (so der Untertitel) dargestellt wird.
B. Sachstand und Aussagekraft des deutschen Staatsvermögensrechts
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Diese Neue Steuerung umfasst auch ein an der kaufmännischen Buchführung orientiertes öffentliches Rechnungswesen. Nachdem seit den 80er Jahren im anglo-amerikanischen Bereich sowie in der Schweiz und Schweden, aber auch in anderen europäischen Staaten das Rechnungswesen modernisiert worden ist, sind auch in Deutschland Konzepte zur Weiterentwicklung des öffentlichen Rechnungswesen entstanden, die eine voll ausgebaute Vermögensrechnung des Staates einschließen491. Die vorliegende Arbeit ist nicht der Raum für eine vertiefende Betrachtung der Herleitung dieser Rechnungskonzepte. Es sei nur darauf hingewiesen, dass der Gegensatz von Doppik und Kameralistik insofern oberflächlich ist, als grundsätzlich beide Rechnungsstile in der Lage sind, identische Rechnungsinhalte abzubilden, wenn denn die Darstellung bestimmter Inhalte angestrebt wird. Dementsprechend können Informationslücken in beiden Rechungsstilen entstehen; die pauschale Kritik an der Kameralistik ist also an die gegenwärtig vorherrschende Praxis der Kameralistik zu richten492. Die Diskussion über die Modernisierung des öffentlichen Rechnungswesens hat inzwischen herausarbeiten können, dass die finanzwirtschaftlichen Gründe für eine Vermögensrechnung bei weitem überwiegen. So besteht Einigkeit darüber, dass das herkömmliche öffentliche Rechnungswesen schwere Schwächen aufweist, da es die finanzielle Lage und insbesondere die Vermögensbelastungen für die öffentlichen Hände strukturell unterschätzt493. Es berücksichtigt nicht den Werteverzehr, da es keine Abschreibungen kennt. So wird die Abnutzung des Sachvermögens an Straßen und Immobilien nur unvollständig abgebildet. Gleiches gilt für Zukunftsbelastungen wie etwa die Versorgungsausgaben des öffentlichen Dienstes, die mangels Rückstellungen vernachlässigt werden. Folglich können mit einer solchen Buchführung Kosten nicht hinreichend erfasst werden, und die Wirtschaftlichkeit staatlichen Handelns bleibt auf der Strecke494. Aber auch die auf Erwägungen der Praktikabilität beruhenden Einwände gegen die Vermögensrechnung sind nicht stichhaltig. Zwar bestehen zweifellos Bewertungsschwierigkeiten bei nur sehr eingeschränkt oder überhaupt nicht marktfähigen Liegenschaften wie Schlössern und Gärten, aber schon bei Spezialliegenschaften oder Grundvermögen in Gemeingebrauch wie Straßen und Brücken ist eine Bewertung zu den Anschaffungs- oder Herstellungskosten 491 Vgl. beispielsweise Mülhaupt, S. 318 ff.; Lüder in: Lüder, S. 165 ff. Zusammenfassend dazu Pünder, S. 393 ff. 492 Ausführlich zu diesem Thema Gröpl, S. 380 ff.; in die gleiche Richtung geht Schauer in: Lüder, S. 34 ff.; s. auch schon Oettle, S. 332 ff. So überrascht es auch nicht, dass Mühlhaupt sein ausgefeiltes Konzept für das öffentliche Rechnungswesen allein auf Basis der Kameralistik zu erarbeiten vermag (vgl. Mülhaupt, S. 27 ff.). 493 Vgl. dazu Lüder, DÖV 89, S. 1007; F. Kirchhof, DÖV 97, S. 751 f.; Gröpl, S. 403 f. sowie Pünder, S. 177 ff. 494 Näheres dazu beispielsweise bei Gröpl, S. 404 f.
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3. Teil: Eine Renaissance des Staatsvermögensrechts?
machbar und sinnvoll495. Außerdem wird die öffentliche Infrastruktur zunehmend mittels privater Finanzierungsmodelle errichtet. Selbst wenn einige Bewertungsfragen offen bleiben sollten, so rechtfertigt dies noch nicht den völligen Verzicht auf eine Vermögensbuchführung unter Einbeziehung des Grundvermögens496. Wem dies noch zu theoretisch erscheint, der sollte sich von der Praxis des öffentlichen Rechnungswesens in Deutschland überzeugen lassen, die bewiesen hat, dass eine Vermögensrechnung mit umfassenden Informationsgehalt in die Tat umgesetzt werden kann. Auch hier sind zuerst Beispiele im kommunalen Bereich anzuführen. Pilotvorhaben wie jene in Wiesloch haben demonstriert, dass ein an kaufmännischen Grundsätzen orientiertes öffentliches Rechnungswesen funktioniert, so dass inzwischen bei den Novellierungen des kommunalen Haushaltsrechts sich nur noch die Frage stellt, ob ganz auf die Doppik umgestellt wird oder die Erweiterte Kameralistik als Option eingeräumt wird497 – die voll ausgebaute Vermögensrechnung als Teil einer umfassenden Haushaltsrechnung wird nicht mehr angezweifelt498. Ähnliches gilt für die Hochschulen, die wie die Kommunen zu jenen Teilen der öffentlichen Verwaltung gehören, in denen die Einführung von Elementen des kaufmännischen Rechnungswesens Gegenstand reger und fortgeschrittener Diskussionen ist499. Noch bedeutsamer war die Vorlage eines „Finanziellen Jahresberichts für das Land Nordrhein-Westfalen“ für das Jahr 1990500, der bewiesen hat, dass auch für ein großes Flächenland eine vollwertige Vermögensrechnung realisiert werden kann, und der als Prototyp einer staatlichen Vermögensrechnung konzipiert war. Dabei handelte es sich um eine wissenschaftlich begleitete Pilotstudie, die zusammen mit dem Landesrechnungshof erstellt wurde. Neben der Ergebnisund Finanzierungsrechnung sieht dieser Jahresbericht als dritte Säule eine Vermögensrechnung vor501. Bei der Konsolidierung von Kernhaushalt und organisatorisch bzw. haushaltswirtschaftlich verselbständigten Einheiten einerseits502 und der Bewertung der verschiedenen Vermögenspositionen andererseits503 konnte mit dieser Form der Rechnungslegung nachgewiesen werden, dass zwei große Problembereiche der Vermögensrechnung lösbar sind. Stellt man in Rechnung, dass die Landesregierung an der Erstellung des Berichts nicht beteiligt 495 Näher dazu Lüder, Neues Rechnungswesen, S. 40 f. Vgl. auch die Darstellung und Diskussion verschiedener Bewertungsmöglichkeiten bei Lüder, Valuation, S. 13 ff. 496 So zutreffend Lüder, Valuation, S. 13. 497 Pünder, S. 332 ff. m.w. N. Vgl. auch Reif, BWGZ 04, S. 226 ff. 498 Pünder, S. 386 ff. und Reif, BWGZ 04, S. 229. 499 Vgl. exemplarisch Küpper, S. 224 ff. 500 LT NRW, Vorlage 11/1241. 501 Ausführlich zur Struktur Hinzmann, S. 59 ff. 502 Hinzmann, S. 53 ff. und 112 ff. 503 Hinzmann, S. 41 ff. und 117 ff.
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war und daher nicht alle vorhandenen Daten zur Verfügung standen504, so mag man ermessen, welch großen Ertrag ein von der Landesregierung mit vollem Informationszugriff erarbeiteter Bericht in Aussicht stellt. Ein letzter Gesichtspunkt ist für den Erfolg der Vermögensrechnung in der finanzwirtschaftlichen Praxis fast genauso wichtig wie der Beweis ihrer Durchführbarkeit: die Form der Darstellung und die Art der Erläuterungen. Eine umfassende und verständliche Erklärung der öffentlichen Rechnungslegung ist unverzichtbar und macht diese erst zu einem funktionstauglichen Instrument von Haushaltswirtschaft und Haushaltspolitik505. Als Schlussfolgerung ist festzuhalten: Die Vermögensrechnung ist rehabilitiert und notwendiger Bestandteil zeitgemäßer Haushaltswirtschaft und Rechnungslegung. III. Der Grundsatz der Vermögenserhaltung im deutschen Staatsvermögensrecht Das Prinzip der Vermögenserhaltung findet sich in den vermögenswirtschaftlichen Vorschriften des Haushaltsrechts und erlangt besondere Bedeutung im Zusammenhang mit dem staatlichen Grundvermögen. Seine rechtliche Verankerung und Tragweite soll nun dargestellt werden. 1. Die vermögenswirtschaftlichen Regelungen um §§ 63 bis 65 BHO/LHO Die Vorschriften in BHO/LHO zur Vermögenswirtschaft im engeren Sinne, also zum Erwerb und zur Veräußerung sowie zur Verwaltung staatlichen Vermögens, bilden den einzigen Ansatz zu einer Ordnung des Staatsvermögens in Deutschland, weil hier seit der Haushaltsreform zumindest im einfachen Recht die grundlegenden Vorschriften zu diesem Thema aus einem Guss ausgeprägt worden sind506. Kernbestimmung ist § 63 BHO/LHO, der den Erwerb und die Veräußerung von Vermögensgegenständen durch den Staat regelt und für Grundstücksgeschäfte von § 64 BHO/LHO ergänzt wird. Für Unternehmensbeteiligungen gelten die Regeln des § 65 BHO/LHO. Abgerundet wird dieser vermögenswirtschaftliche Normkomplex durch Vorschriften zu Rechten des Rechnungshofs in §§ 66, 67 BHO/LHO und §§ 53, 54 HGrG sowie Zuständigkeitsregeln in §§ 68, 69 BHO/LHO. 504 505 506
Vgl. Hinzmann, S. 85 f. Lüder, DÖV 89, S. 1011 und ausführlich Hinzmann, S. 72 ff. und 240 ff. Vgl. Patzig, vor § 63, Rn. 4.
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Unumstritten sind die vermögenswirtschaftlichen Grundsätze507, die sich aus §§ 63–65 BHO/LHO ergeben: – Vermögensgegenstände sind nur zu erwerben, wenn sie für die Erfüllung der Staatsaufgaben erforderlich sind bzw. nur zu veräußern, wenn sie dazu nicht mehr erforderlich sind. Dabei ist die Bildung von Staatsvermögen kein Selbstzweck, etwa zur Einnahmeerzielung für den Staat durch geschicktes Vermögensmanagement508. Ebenso sollen Vorratskäufe und das kostspielige Vorhalten nicht (mehr) benötigter Vermögensgegenstände verhindert werden509. – Die Kompetenz zur Verfügung ist grundsätzlich der Exekutive zugewiesen; als Ausnahme von dieser Regel sehen §§ 64 f. BHO/LHO vor, dass Grundstücke und Unternehmensbeteiligungen von besonderer Bedeutung nur mit Zustimmung des Parlaments veräußert werden dürfen510. – Vermögensänderungen müssen dem Grundsatz der wertmäßigen – nicht bestandsmäßigen – Erhaltung des Staatsvermögens genügen511. Das Prinzip der Vermögenserhaltung steht zunächst für sich selbst als allgemeiner Grundsatz staatlicher Vermögenswirtschaft, ist aber dann auch im Zusammenhang mit dem Zustimmungsvorbehalt des Parlaments für bestimmte Vermögensveräußerungen zu betrachten. 2. Salva rerum substantia – die Pflicht zur Substanzerhaltung des Staatsvermögens Dass das Staatsvermögen in seiner Substanz zu erhalten ist, war immer schon ein wichtiger Aspekt des Staatsvermögensrechts. So weist Leimich darauf hin, dass ein „gewohnheitsmäßiges, allgemeingültiges Gebot der Vermögenserhaltung“ von alters her anerkannt ist512; und Vialon rechnet den Grundsatz der Substanzerhaltung zu den „tragenden Prinzipien“ des Staatsvermögensrechts513, welcher „der öffentlichen Finanzwirtschaft immanent ist“514. Vialon spricht dabei an einer Stelle auch vom „Grundsatz salva rerum substantia“515; unausgesprochen knüpft er mit der Wahl dieses Begriffs konzeptionell an das römische Recht des Nießbrauchs an, das nach den Digesten des Justinian516 die Substanz507 508 509 510 511 512 513 514 515 516
Vgl. Gatzer in: Piduch, § 63, Rn. 2. Gatzer in: Piduch, § 63, Rn. 1. Güntzel in: Heuer, § 63, Rn. 2 f. Friauf, § 90, Rn. 52. Gatzer in: Piduch, § 63 BHO, Rn. 2; s. auch Güntzel in: Heuer, § 64, Rn. 1. Leimich, S. 133. Vialon, DÖV 51, S. 115. Vialon, S. 552. Vgl. Vialon, DÖV 51, S. 115. Dig. 7, tit. 1 s. 1.
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erhaltung des Nießbrauchgegenstandes als Kennzeichen des Rechtsinstituts des Nießbrauchs herausstellt: „Usus fructus est ius alienis rebus utendi fruendi salva rerum substantia.“ Im Zivilrecht ist bis heute die Substanzerhaltung ein Charakteristikum des Nießbrauchs geblieben (vgl. § 1040 BGB) und zählt zu den unabdingbaren Grundsätzen des Nießbrauchrechts517. Das Staatsvermögen im Nießbrauch der Volksvertreter und der vom Volk gewählten Regierung – eine frühe und schöne Beschreibung des Gedankens finanzwirtschaftlicher Nachhaltigkeit! Auch wurde schon vor dem Zweiten Weltkrieg in der Diskussion über die Notwendigkeit einer Vermögensrechnung des Staates das Ziel der Vermögenserhaltung betont518: die Vermögensrechnung ist nicht zuletzt auch ein Instrument, um die Einhaltung des Prinzips der Vermögenserhaltung zu kontrollieren519. Der Grundsatz der Vermögenserhaltung ist bei heutiger Rechtslage ein Gebot des Rechts und nicht nur der politisch-praktischen Vernunft. Zur Zeit der Geltung der RHO war die Vermögenswirtschaft des Staates kaum geregelt; eine rechtliche Verankerung des Prinzips der Vermögenserhaltung fehlte. Dennoch hat Vialon, wie wir gesehen haben, die Substanzerhaltung des Staatsvermögens als Grundsatz des Staatsvermögensrechts bezeichnet und den Rechtscharakter auch dadurch betont, dass er auf die römische Rechtstradition des Nießbrauchs zurückgriff. Diese unzureichende Regelungssituation hat sich mit den Vorschriften in §§ 63 ff. BHO/LHO deutlich gebessert. In ihnen werden vermögenswirtschaftliche Grundsätze aufgestellt, zu ihnen gehört das Gebot der Substanzerhaltung520. Durch die einzelnen Bestimmungen in §§ 63 ff. BHO/LHO werden diese Grundsätze in rechtlich verbindliche Form gebracht. Auch wenn sie selbst nicht direkt positivrechtlich umgesetzt werden, so finden sie doch ihren Niederschlag in diesen Normen. Dadurch werden diese vermögenswirtschaftlichen Grundsätze, allen voran das Prinzip der Vermögenserhaltung, zu einem Gebot des Rechts. Rechtlich abgesichert ist der Grundsatz der Vermögenserhaltung in §§ 63 bis 65 BHO/LHO durch zwei Instrumente: die Regel, Vermögensgegenstände nur zum vollen Wert zu veräußern, und den (ministeriellen und vor allem parlamentarischen) Zustimmungsvorbehalten für Vermögensveräußerungen. Der Bestimmung in § 63 Abs. 3 BHO/LHO, wonach eine Veräußerung von Staatsvermögen zum vollen Wert zu erfolgen hat, liegt der Gedanke zugrunde, dass der Staat grundsätzlich nichts verschenken darf und eine Ausnahme von 517 518 519 520
Frank in: Staudinger, vor §§ 1030 ff., Rn. 13. Strube, S. 193. Vgl. auch Vialon, S. 697. So ausdrücklich Gatzer in: Piduch, § 63, Rn. 2.
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dieser Regel begründungs- und legitimationsbedürftig ist521. In dieser Vorschrift wird besonders deutlich, dass der Grundsatz der Vermögenserhaltung nicht auf Bestandsschutz, sondern auf den Erhalt der wertmäßigen Substanz des Staatsvermögens angelegt ist. Auf diese Weise wird verhindert, dass dieses vermögenswirtschaftliche Prinzip als Veräußerungshindernis wirkt, wenn bestimmte Bestandteile (etwa Unternehmen) des Staatsvermögens entbehrlich geworden sind522. Die zweite Absicherung dieses Prinzips ist in der Verankerung parlamentarischer Zustimmungsvorbehalte für die Veräußerung von Staatsvermögen zu finden (in Ergänzung zu den Zustimmungsvorbehalten des Finanzministers in §§ 63 Abs. 4, 64 Abs. 1, 65 Abs. 2 S. 1 und Abs. 3 S. 2 BHO/LHO). Verfassungsgeschichtlich steht hier der Aspekt der parlamentarischen Kontrolle über das Staatsvermögen im Vordergrund, also der bis in die Zeit der Weimarer Verfassung das Staatsvermögensrecht dominierende Streit darüber, wem die Verfügungsbefugnis über das Vermögen des Staates zusteht: der Legislative oder der Exekutive523. Im Kern geht es darum, wie weit das parlamentarische Budgetrecht reicht. Wie wir gesehen haben (siehe oben 2. Teil B. I. 1.), bezieht das Kreditbewilligungsrecht des Parlaments seine Berechtigung daraus, dass die Volksvertretung auch über die Belastung zukünftiger Haushalte entscheiden soll. Das parlamentarische Haushaltsrecht wird also dadurch gesichert, dass es sozusagen „in die Zukunft verlängert“ wird. Der Gegenstand des Budgetrechts bleibt aber insofern identisch, als es um Einnahmen und Ausgaben im klassischen (kameralistisch geprägten) Haushaltssystem geht. Bei der Verfügungsbefugnis über das Staatsvermögen hingegen geht es um eine Verbreiterung der parlamentarischen Einflussnahme auf die Bestandsgröße Staatsvermögen, die als solche im Staatshaushalt nicht direkt erscheint, aber die Handlungsfähigkeit des Staates maßgeblich bestimmt. Die jetzige – bei weitem nicht mehr so heftig umstrittene – Rechtslage beschränkt die parlamentarische Entscheidungsbefugnis auf besonders bedeutsame Teile des Staatsvermögens und mag daher aus parlamentarischer Sicht unbefriedigend erscheinen524. Hier interessiert aber nicht, ob Laband oder Anschütz die besseren Argumente für sich hat, sondern der Zusammenhang zwischen dem Gedanken der Vermögenserhaltung und der parlamentarischen Beteiligung bei Verfügungen über das Staatsvermögen. Die Veräußerung von Eigentum hat finanzwirtschaft521 Patzig, § 63, Rn. 5; Gatzer in: Piduch, § 63, Rn. 7. Vgl. auch BVerfGE 12, 354 (364) zum VW-Privatisierungsgesetz. 522 Vialon, S. 698. 523 Friauf, § 91, Rn. 51; ausführlich dazu Tatarin-Tarnheyden, S. 420 ff. m.w. N. 524 So noch Vialon, S. 697. In der neueren Literatur wird die aktuelle Rechtslage aber nicht in Frage gestellt.
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lich eine mit der Verfügung über Geldmittel vergleichbare Tragweite, und daher stellen die vermögenswirtschaftlichen Regelungen im Haushaltsrecht die durch Veräußerung von Vermögen eintretende Substanzminderung regelmäßig unter den Genehmigungsvorbehalt entweder des Haushaltsplans oder des Parlaments selbst525. Auf diese Weise dient die Beteiligung der Legislative dem Grundsatz der Vermögenserhaltung. Bemerkenswert ist, dass in einigen Landesverfassungen ein allgemeiner Parlamentsvorbehalt für die Veräußerung von Staatsvermögen enthalten ist (Art. 72 Abs. 3 LV Hamburg, Art. 66 LV Mecklenburg-Vorpommern, Art. 63 LV Niedersachsen und Art. 92 LV Sachsen-Anhalt). Im Vordergrund steht hier jeweils ebenfalls die parlamentarische Kontrolle über das Staatsvermögen, was nach einem Blick in die (Landes-)Verfassungsgeschichte nicht weiter überrascht526. Neben diesem demokratischen Aspekt besteht der Normzweck aber stets auch in der Absicherung des Prinzips der Vermögenserhaltung527. Im deutschen Reich nach 1918 kannte eine Reihe norddeutscher Länder solche qua Verfassung eingeräumten Parlamentsvorbehalte (zum verfassungsgeschichtlichen Hintergrund siehe unten IV. 3.)528. In etwas abgewandelter – wenn man so will: modernerer – Form hat die Berliner Landesverfassung dem Gedanken der Substanzerhaltung Rechnung getragen. In ihrem Art. 93 Abs. 1 sagt sie, dass Eigenbetriebe und einzelne Anlagen von bleibendem Wert nur durch Parlamentsbeschluss in juristische Personen umgewandelt werden dürfen. Sinn und Zweck dieser Vorschrift besteht darin, die parlamentarische Aufsicht und Kontrolle über das Vermögen des Landes zu gewährleisten529. Hinter dieser Absicherung steckt folglich neben dem Bedürfnis parlamentarischer Einflussnahme auf verselbständigte Einheiten offenkundig auch die Befürchtung, das Land könnte sich allzu leichtfertig seiner Vermögenswerte entäußern. Zugleich stellt Art. 93 Abs. 2 LV Berlin eine Modifikation des verfassungsrechtlich gewährleisteten Parlamentsvorbehalts bei Vermögensveräußerungen bereit, indem ausdrücklich eine gesetzliche Regelung dafür verlangt wird. In der Praxis staatlicher Vermögenswirtschaft ändert sich selbstverständlich durch den Umstand, dass vermögenswirtschaftliche Regeln in der Verfassung stehen, überhaupt nichts. Vielmehr verfahren alle Länder und der Bund nach 525
Vialon, S. 697 f. Vgl. David, Art. 72, Rn. 50 f.; Neumann, Art. 63, Rn. 2. 527 Für Niedersachsen: Korte, S. 277; Berenskötter in: Korte, S. 652 und Neumann, Art. 63, Rn. 3. Für Mecklenburg-Vorpommern: Thiele in: Thiele/Pirsch/Wedemeyer, Art. 66, Rn. 1. David, Art. 72, Rn. 51 verweist zumindest auf den Zusammenhang zwischen der Preisgabe von Staatsvermögen und der Sicherung des Budgetrechts. 528 Vgl. die Nachweise bei Tatarin-Tarnheyden, S. 434. 529 Pfennig in: Pfennig, Art. 93, Rn. 1. 526
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den in §§ 63 ff. BHO vorgeprägten Regeln. Es sollte aber erkennbar geworden sein, dass der Gedanke der Vermögenserhaltung für die staatliche Finanzwirtschaft von Bedeutung ist und sich diese Bedeutung auch anhand von Rechtsquellen belegen lässt. IV. Die besondere Stellung des Grundvermögens im Staatsvermögensrecht Staatliche Liegenschaften nehmen im Staatsvermögensrecht eine besondere Stellung ein. Dies zeigt sich sowohl in den vermögenswirtschaftlichen Vorschriften als auch in der Einrichtung des Grundstocks. Unter dem Blickwinkel des Prinzips der Vermögenserhaltung ist daher eine nähere Betrachtung der Liegenschaften angezeigt. Hinzu kommt, dass dieser Teil des Staatsvermögens und des Staatsvermögensrechts durch die hier untersuchte Neuorganisation der Liegenschaftsverwaltung betroffen ist. Auch aus dieser Perspektive ist also ein genauerer Blick auf das Grundvermögen im Staatsvermögensrecht angebracht. 1. Staatliches Grundvermögen im aktuellen Haushaltsrecht Im einfachen Haushaltsrecht von Bund und Ländern wird den Grundstücken ein eigener Paragraph, nämlich § 64 BHO/LHO, gewidmet. Schon dieser Umstand demonstriert die besondere Bedeutung von Grundstücken im Haushaltsrecht allgemein530. Sinn und Zweck der einzelnen Bestimmungen dieser Norm ist die Werterhaltung des Immobilienvermögens, soweit es der Erfüllung öffentlicher Aufgaben dient531. Daher verstärkt § 64 Abs. 3 BHO/LHO die Vorschrift des § 63 Abs. 3 BHO/LHO und verlangt eine Wertermittlung, um die Erzielung des vollen Werts im Fall von Grundstücksgeschäften sicherzustellen532. Zudem fordert § 64 Abs. 2 BHO/LHO die Zustimmung des Parlaments, wenn Grundstücke von erheblicher Bedeutung veräußert werden. Noch klarer tritt der Grundsatz der Werterhaltung des Grundvermögens in den Fällen hervor, in denen die Landesverfassungen eine parlamentarische Zustimmung zur Veräußerung staatlichen Grundvermögens vorschreiben. Nach 1945 sind solche Bestimmungen in Bayern (Art. 81), Baden (Art. 104) und Württemberg-Hohenzollern (Art. 82 Abs. 2) verfassungsrechtlich verankert worden. In diesen Verfassungsnormen wird der Gedanke der wertmäßigen Substanz530 531 532
Güntzel in: Heuer, § 64, Rn. 1; ähnlich Patzig, § 64, Rn. 1. Güntzel in: Heuer, § 64, Rn. 1. Güntzel in: Heuer, § 64, Rn. 4.
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erhaltung und des Parlamentsvorbehalts unmittelbar miteinander verbunden, indem ein Grundstockvermögen eingerichtet und festgelegt wird, dass der Erlös aus Veränderungen dieses Grundstocks nur für Erwerbungen zu dessen Gunsten verwendet werden darf. Zudem kommt im Wortlaut des badischen und bayerischen Verfassungsartikels der Grundsatz der wertmäßigen und nicht bestandsmäßigen Erhaltung des Grundvermögens geradezu mustergültig zum Ausdruck, ist doch in beiden Fällen vom „Wertbestand“ die Rede. Ähnliche Absicherungen zur Erhaltung des staatlichen Grundvermögens sind in den nach dem Ersten Weltkrieg verabschiedeten Verfassungen vieler deutscher Länder zu finden533. Über ihren Regelungsgehalt hinaus belegt diese verfassungsrechtliche Parallelität von Parlamentsvorbehalt und Werterhaltungsprinzip, dass dieser Parlamentsvorbehalt neben seiner verfassungsgeschichtlich herausragenden Rolle als Recht des Parlaments im Widerstreit zur Exekutive stets auch der Absicherung des Grundsatzes der wertmäßigen Vermögenserhaltung gedient hat. Parlamentsvorbehalt und Werterhaltungsprinzip sind also staatsrechtlich aufeinander bezogen. 2. Staatliches Grundvermögen in der Geschichte des deutschen Haushaltsrechts Dem staatlichen Grundvermögen wird von Alters her in der staatlichen Finanzwirtschaft in Deutschland eine große Bedeutung beigemessen534. Dies lässt sich anhand der legislatorischen Traditionslinien von der Gründung des Deutschen Kaiserreichs bis zu den die staatliche Vermögenswirtschaft lenkenden Vorgängernormen der BHO in der RHO belegen. Ausgangspunkt der gesetzlichen Regelungen zum Staatsvermögen und insbesondere zum staatlichen Grundbesitz ist das Reichseigentumsgesetz von 1873, das in seinem Entwurf die Lösung einer ganz anderen Rechtsfrage, nämlich die Verteilung des Staatsvermögens im neu austarierten föderalen System des Deutschen Reichs, bezweckte (dazu unten E. II. 2.). Diese Geburt des deutschen Staatsvermögensrechts aus dem föderalen Vermögenskonflikt soll in groben Zügen nachgezeichnet werden. Die Auseinandersetzung um das Reichseigentumsgesetz legte den Keim für die besondere Stellung von Grundvermögen im deutschen Haushaltsrecht. Denn auf Veranlassung des Reichstags wurden drei Bestimmungen in das Gesetz aufgenommen, die mit der Verteilung des Staatsvermögens nichts zu tun hatten und folglich auch im Entwurf nicht vorgesehen waren535, sondern erst durch die 533 534
Vgl. die Nachweise bei Tatarin-Tarnheyden, S. 434 f. Vgl. auch die Bemerkung von Vialon, S. 551.
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Kommissionsarbeit eingefügt wurden536. Der neu geschaffene § 10 schrieb die Veranschlagung von Einnahmen aus der Veräußerung von Grundstücken und Gegenständen des Reichs im Haushalt vor; der ebenfalls neu hinzugefügte § 11 garantierte die Beteiligung von Reichstag und Bundesrat bei der Verwendung von Erlösen aus Grundstücksverkäufen537. Schließlich führte der neue § 12 eine Pflicht zur Information des Reichstags über den Grundbesitz des Reichs und die darin vorgenommenen Veränderungen ein. Diese Normen wurden insbesondere mit dem Ziel der Stärkung der parlamentarischen Kontrolle über die Einnahmen aus Grundstücksgeschäften und über das Grundvermögen des Reichs eingefügt538. Die durch das Reichseigentumsgesetz begonnene Linie fand ihre Fortsetzung in Reichshaushaltsordnung von 1922539, die in ihrer Formulierung und Begründung explizit diese Regelungen aufgriff. So wurde in § 9 Nr. 1 RHO der Grundsatz der Vollständigkeit ausdrücklich auf die Einnahmen aus Vermögensgegenständen des Reichs bezogen und in der Begründung auf den sinngleichen § 10 Reichseigentumsgesetz verwiesen540. Und in § 29 Abs. 2 RHO wurde § 11 Reichseigentumsgesetz übernommen, jedoch verschärft um eine Zweckbindung der Einnahmen aus Grundstücksveräußerungen, die nicht für laufende Ausgaben verwendet werden, sondern zur Verringerung des Kreditbedarfs und damit zur Erhaltung des Reichsvermögens dienen sollten541. Neben der Wahrung des parlamentarischen Budgetrechts tritt in der zeitgenössischen Beurteilung dieser Norm die besondere Bedeutung des staatlichen Grundbesitzes für das Staatsvermögen in den Vordergrund542. Gleichzeitig hat die RHO über das Reichseigentumsgesetz hinaus gehende Regeln zum Staatsvermögen und zum staatlichen Grundbesitz getroffen, die ebenfalls auf Bedürfnisse des Parlaments und der Substanzerhaltung eingehen. Zum einen stellte § 47 Abs. 1 RHO das Gebot der Veräußerung zum vollen Wert auf, das nach dem Willen des Gesetzgebers543 und nach der Kommentierung in der einschlägigen Literatur der damaligen Zeit544 eine Schädigung des 535 Vgl. die Gesetzesvorlage in Aktenstück Nr. 6 zu den Verhandlungen des RT 1873, S. 17 ff. 536 Vgl. den Kommissionsbeschluss in Aktenstück Nr. 51 zu den Verhandlungen des RT 1873, S. 330 ff. 537 S. RGBl. 1873, S. 115. 538 Vgl. RT PlPr 1873, S. 367 ff. 539 RGBl. 1923/II, S. 17 ff. 540 RT 1. Wahlperiode 1920–22, Aktenstück 4510, S. 23. 541 Vgl. die Begründung zum RHO-Entwurf, RT 1. Wahlperiode 1920–22, Aktenstück 4510, S. 31. 542 Schulze/Wagner, S. 434. 543 Vgl. die Begründung zum RHO-Entwurf, RT 1. Wahlperiode 1920–22, Aktenstück 4510, S. 36. 544 Schulze/Wagner, S. 540.
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Reichsvermögens verhindern sollte. Zum anderen wurde in § 47 Abs. 2 RHO der Parlamentsvorbehalt für die Veräußerung von Grundstücken erstmalig geregelt. Damit wurde dem Budgetrecht des Parlaments Rechnung getragen; schließlich war es der Haushaltsausschuss des Reichstags, der diese Vorschrift dem Regierungsentwurf beifügte545. Motiv dieser Regelung war aber wiederum die Auffassung, dass das Grundvermögen „den wertvollsten und nicht ohne zwingende Gründe zu veräußernden Teil des Reichsvermögens“ darstellt546. Zu guter Letzt führt § 82 RHO bewusst die ebenfalls schon 1873 fixierte Pflicht zur Führung eines Verzeichnisses über den Grundbesitz des Reiches fort547, welche der Kontrolle über die Wirtschaftlichkeit der Veränderungen im Grundvermögen dienen sollte548. Aufbauend auf dem Reichseigentumsgesetz entfaltet die Reichshaushaltsordnung von 1922 damit das Panorama des Staatsvermögensrechts, wie es sich in seinen Grundzügen bis heute nicht wesentlich verändert hat. Das Gebot der Veräußerung zum vollen Wert und der Parlamentsvorbehalt wurden bei der Durchsicht des aktuellen Staatsvermögensrechts als wesentliche Bestimmungen identifiziert, die vor dem Hintergrund des Gebots der Substanzerhaltung zu sehen sind. Auch die Vermögensrechnung hat eine Gesetzgebungstradition, die ihren Ursprung im Reichseigentumsgesetz nimmt. Noch stärker als in den aktuellen Regelungen tritt in dieser rechtshistorischen Betrachtung die herausragende Stellung des staatlichen Grundvermögens hervor. So hat die Pflicht zur Vermögensrechnung aus Art. 114 Abs. 1 GG ihre Vorläufer in Bestimmungen, die jeweils eine Mitteilung über Bestand und Veränderungen im staatlichen Grundvermögen verlangen. 3. Der Grundstock Eine Vielzahl von Landeshaushaltsordnungen ordnet in § 64549 oder in einem zweiten Absatz von § 113550 die Einrichtung eines Grundstocks als Sondervermögen an. In Schleswig-Holstein ist im Zuge der Neuordnung des Liegenschaftswesens der Grundstock entfallen; in Mecklenburg-Vorpommern ist an seine Stelle das neue Sondervermögen BBL getreten, während in Nordrhein-
545
Vgl. RT 1. Wahlperiode 1920–22, Aktenstück 5377, S. 5850. Schulze/Wagner, S. 544. 547 Vgl. die Begründung zum RHO-Entwurf, RT 1. Wahlperiode 1920–22, Aktenstück 4510, S. 44. 548 Schulze/Wagner, S. 712. 549 Dies ist der Fall in Berlin, Hamburg, Niedersachsen, im Saarland und in Sachsen-Anhalt. 550 So in Baden-Württemberg, Bayern, Brandenburg und Sachsen. 546
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3. Teil: Eine Renaissance des Staatsvermögensrechts?
Westfalen der (nicht in der LHO geregelte) Grundstock in das Sondervermögen BLB übergegangen ist. Die Funktion des Grundstocks besteht darin, dass er als vom Haushaltsplan getrenntes und in ihm nachrichtlich vermerktes, aber nicht in seinen einzelnen Veranschlagungen nachgewiesenes Geldkonto die Einnahmen und Ausgaben aus dem Erwerb und der Veräußerung von Grundstücken (in manchen Ländern auch von anderen besonderen Vermögensgegenständen wie Unternehmensanteilen) zusammenführt551. Die Einrichtung des Grundstocks ist als besonders offenkundiger Ausdruck des Werterhaltungsgrundsatzes zu bewerten552. Wie soeben ausgeführt wurde, ist sein Vorhandensein ein Element des staatrechtlichen Arrangements zur Absicherung dieses Prinzips. In Bayern ist er noch heute über Art. 81 LV verfassungsrechtlich garantiert und hat einen außerordentlichen großen Umfang, da er weit über das Grundvermögen hinaus all das Vermögen umfasst, das nicht als Kassenbestand, Rücklage oder Einnahme im Haushalt unmittelbar zur Verwendung für Staatszwecke bestimmt ist. Folglich ist sowohl das Verwaltungs- wie auch das Finanzvermögen des Freistaates Grundstocksvermögen im Sinne der Landesverfassung553. Damit dirigiert Art. 81 LV mit seinen Kautelen die Vermögenswirtschaft Bayerns, wie im Fall Maxhütte im Jahr 1955 augenfällig wurde, als diese Norm über die Verwendung des Erlöses aus der Veräußerung von Unternehmensanteilen entschied554. Bis in die Gegenwart hinein sorgt diese Vorschrift für einen wertbewahrenden Umgang mit Staatsvermögen: Die Verwendung der Erlöse aus Unternehmensbeteiligungen (insbesondere Versicherungskammer, VIAG, Eon) in der sog. „Offensive Zukunft Bayern“ steht ebenfalls unter dem Vorbehalt des Art. 81 LV555. Doch ist auch Bayern nicht frei von Sünde. Im ehrgeizigen Bestreben, bis 2006 einen Haushalt ohne Neuverschuldung vorzulegen, wird die Landesregierung ermächtigt, für das Jahr 2006 eine bis 2012 rückzahlbare Ablieferung aus dem Grundstock in Höhe von bis zu 450 Mio. Euro einzustellen556.
551 Vgl. stellvertretend VV-LHO Baden-Württemberg zu § 113 Ziff. 2.1 und 2.2. Zu der Rechtsnatur des Grundstocks und seinem Verhältnis zum Haushalt vgl. Freudling, BayVBl. 55, S. 102. 552 Vialon, S. 699; Patzig, § 64, Rn. 15; Güntzel in: Heuer, § 64, Rn. 6. Siehe auch VV-LHO Baden-Württemberg zu § 113 Ziff. 2.8. 553 Schweiger in: Nawiasky, Art. 81, Rn. 3; Meder, Art. 81, Rn. 2. 554 Vgl. BayVerfGH 7, 86 ff. 555 Vgl. StHHPl. Bay. 05/06, Epl. 13, Erläuterungen zu Kap. 1307, 1308, 1312, 1314. 556 Art. 9 HHG Bay. 05/06.
B. Sachstand und Aussagekraft des deutschen Staatsvermögensrechts
179
Heute wird der Grundstock zum Teil als traditionsbehaftete und überflüssige Einrichtung gesehen557. Zweifelsohne ist diese Einrichtung unter verfassungsgeschichtlichen Bedingungen entstanden, die überholt sind. So sind im Zeitalter der konstitutionellen Monarchie der Grundstock und das dadurch abgesicherte Werterhaltungsgebot als finanzwirtschaftliche Ergänzung zum Steuerbewilligungsrecht des Parlaments zu erklären558. Der König sollte die Einkünfte aus dem Staatsgut ausschöpfen und absichern, bevor er mit Steuerwünschen vor die Volksvertretung trat. Ein leichtfertiger Umgang mit dem Staatsvermögen hätte das Parlament zu unnötigen Steuerbewilligungen gezwungen – mit der Folge wachsenden Unmuts bei den Steuerpflichtigen. Die unverminderte Aktualität des Grundstocks in der parlamentarischen Demokratie des Grundgesetzes ergibt sich aber aus dem Gedanken der Werterhaltung, auf den er sich gründet und der als vermögenswirtschaftliche Rechtsregel Anerkennung und Zustimmung verdient559. Nicht verschwiegen werden soll, dass sich die ungebrochene Staatspraxis der Grundstocksvermögen auch aus anderen Quellen speist, nämlich Gründen der Zweckmäßigkeit, insbesondere der Beweglichkeit in Vermögensangelegenheiten560. Denn Vermögensverschiebungen, die über den Grundstock abgewickelt werden, bedürfen keiner Ermächtigung im Haushalt. Will die Regierung kurzfristig eine Immobilie erwerben, muss sie keine Ausgabebewilligung des Parlaments einholen, sondern kann über die Geldmittel im Grundstock diesen Erwerb bezahlen, wobei Millionenbeträge umgesetzt werden561. Dieser Sachverhalt hat aber eine über den schieren Pragmatismus hinausgehende staatsrechtliche Tragweite. Der Grundsatz der Werterhaltung, wie er im Grundstock institutionalisiert wird, kompensiert eine Lücke im parlamentarischen Budgetrecht: Die freie Hand der Exekutive bei Vermögensverfügungen wird gebändigt durch das Gebot der Werterhaltung im Grundstock. Hinzu kommt zwar die Mitwirkung des Parlaments über den Zustimmungsvorbehalt bei einer Veräußerung, der auch bei über den Grundstock abgewickelten Geschäften greift. Da aber gewöhnlich beim Erwerb von Vermögensgegenständen dem Staat Ausgaben entstehen und nicht bei der Veräußerung, kann dieser Parlamentsvorbehalt die Lücke im parlamentarischen Ausgabeermächtigungsrecht nicht füllen, die durch die Verfügungsbefugnis der Exekutive über das Staatsvermögen im allgemeinen und durch die Einrichtung des Grundstocks 557
Güntzel in: Heuer, § 64, Rn. 6. Dazu Freudling, BayVBl. 55, S. 102 f. 559 Vialon, S. 552; s. auch Freudling, BayVBl. 55, S. 103. 560 Vialon, S. 553; Patzig, § 113, Rn.15. 561 So hat beispielsweise Baden-Württemberg im Jahr 2003 über den Grundstock ein Gebäude für die Landesvertretung in Brüssel für einen zweistelligen Millionenbetrag erworben. 558
180
3. Teil: Eine Renaissance des Staatsvermögensrechts?
im Besonderen gerissen wird. Denn die Schutzrichtung des parlamentarischen Budgetrechts und die des Parlamentsvorbehalts bei Veräußerungen von Staatsvermögen unterscheiden sich grundlegend. Das Haushaltsrechts des Parlaments bezweckt die Kontrolle der Volksvertretung über das Ausgabeverhalten der Exekutive, indem Ausgabeermächtigungen erteilt werden, setzt also bei den Ausgaben an. Der Zustimmungsvorbehalt des Parlaments bei der Veräußerung von Staatsvermögen zielt auf die wertmäßige Vermögenserhaltung ab und setzt bei der Preisgabe von Vermögenswerten an, die im kameralen Haushalt typischerweise nicht zu Ausgaben führt, sondern zu Einnahmen. Aufgrund dieses strukturellen Unterschieds stehen Ausgabebewilligungsrecht und Zustimmungsvorbehalt bei Veräußerungen ohne direkten Bezug nebeneinander. Durch das Prinzip der Substanzerhaltung wird die im Vergleich zu den Staatsausgaben weniger entwickelte parlamentarische Entscheidungsbefugnis über das Staatsvermögen abgemildert – durch eine materielle Regel und nicht durch parlamentarische Beteiligungsrechte. Erst ein Abweichen von dieser Regel bedarf wiederum der parlamentarischen Ermächtigung. Hier schimmert der schon erwähnte verfassungsgeschichtliche Hintergrund durch: Anders als der Kampf um das Budgetrecht wurde der Streit um die Verfügungsbefugnis über das Staatsvermögen nicht eindeutig zugunsten des Parlaments entschieden. Neben seinem finanzwirtschaftlich sinnvollen materiellen Gehalt kann man daher dem Werterhaltungsgebot auch eine – seinem materiellen Gehalt in Rang und aktueller Bedeutung nachstehende – Funktion als Surrogat von Parlamentsrechten zubilligen. Dort, wo bei den Ausgaben im Haushalt das Parlament mit seinem Budgetrecht zupacken kann, muss beim Staatsvermögen das Gebot der Werterhaltung Platzhalter spielen, damit nicht über finanzwirtschaftliche Rückwirkungen einer Verschleuderung von Staatsvermögen das Budgetrecht des Parlaments ausgehöhlt wird. Dies zeigt – über den Grundstock und seine Funktion als Sicherung des Werterhaltungsgebots hinaus –, dass dieses Werterhaltungsgebot ein unverzichtbarer Bestandteil des Staatsvermögensrechts mit eigenständiger Bedeutung ist. 4. Zur Sonderstellung von Liegenschaften im deutschen Recht überhaupt Die Sonderstellung des Grundvermögens im Staatsvermögensrecht entspricht darüber hinaus der eigens ausgestalteten Behandlung von Liegenschaften im deutschen Recht allgemein, wie sie im Zivilrecht augenfällig wird.
B. Sachstand und Aussagekraft des deutschen Staatsvermögensrechts
181
a) Die Sonderstellung von Liegenschaften im Zivilrecht Die herausgehobene Stellung von Liegenschaften im Zivilrecht wird durch zwei Normen belegt. Gemäß § 311b BGB (§ 313 BGB a. F.) bedarf ein Kaufvertrag über Grundstücke notarieller Beurkundung. Und § 925 BGB sieht die Auflassung als Sonderfall eines dinglichen Rechtsgeschäfts mit speziellen Formvorschriften vor. Das besondere Formerfordernis bei Grundstücksgeschäften erfüllt in beiden Normen gleich gerichtete Schutzzwecke. Bei § 311b BGB steht die Warnfunktion und der Schutz vor Übereilung im Vordergrund562. Galt dieser Gedanke ursprünglich vorrangig für den Veräußerer, dessen einzige Vermögensgrundlage oftmals der Grundbesitz war, so ist inzwischen der Schutz des Erwerbers vor übermäßiger Vermögensbeanspruchung durch den Grundstückskauf hinzugetreten563. Die gleiche Funktion wird der Formvorschrift in § 925 BGB zugewiesen, wobei das öffentliche Interesse, nämlich die Klarheit der Grundstücksverhältnisse mittels Grundbuch, als zusätzlicher Normzweck hinzukommt und dieser Ordnungsfunktion des Grundbuchs besonderes Gewicht zugemessen wird564. Die Ratio565 dieser Sondernormen für Liegenschaften ist in dem Umstand zu suchen, dass Grundstücke als Existenzgrundlage und Basis für Wohnung und Unterbringung dienen und die Grundlage überhaupt für Zusammenleben und Zusammenkommen bilden; entsprechend schwer fällt den Menschen daher auch die Trennung von Haus und Grund. Darüber hinaus liefern Liegenschaften die Basis für Vermögen und den Ausgangspunkt für Vermögensbildung. Ökonomischer Hintergrund für diese Feststellungen ist die Tatsache, dass es sich bei Grund und Boden um ein knappes Gut handelt, das nicht beliebig vermehrt werden kann. Diese große wirtschaftliche Bedeutung führt zu einer besonderen Regelung des Eigentumswechsels und erfordert Klarheit über die Rechtsverhältnisse566. b) Staatliche Liegenschaften als Gegenstand des Zivilrechts Staatliche Liegenschaften sind als öffentliche Sachen in das System des Zivilrechts eingeordnet. Wie schon ausgeführt, besteht an ihnen in der Regel zivilrechtliches Eigentum bei öffentlich-rechtlicher Nutzung entsprechend ihrer Widmung, also kein eigenständiges öffentliches Eigentum, sondern eine Ein562
Vgl. Kanzleiter in: MüKo, § 311b, Rn. 1 m.w. N. Kanzleiter in: MüKo, § 311b, Rn. 2. 564 Pfeifer in: Staudinger, § 925, Rn. 75; Kanzleiter in: MüKo, § 925, Rn. 1; Baur/ Stürner, § 21, Rn. 2. 565 Baur/Stürner, § 2, Rn. 15. 566 Bassenge in: Palandt, vor § 873, Rn. 7. 563
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3. Teil: Eine Renaissance des Staatsvermögensrechts?
schränkung der zivilrechtlichen Verfügungsgewalt durch eine Art Dienstbarkeit567. Insbesondere unterliegen staatliche Grundstücke denselben zivilrechtlichen Regeln bei der Übereignung: Auch bei Übereignung unter juristischen Personen des öffentlichen Rechts gilt § 925 BGB568 – mit Ausnahme der in ihren Voraussetzungen eng gefassten Fälle des Art. 126 EGBGB. c) Liegenschaften im Zivilrecht und im Staatsvermögensrecht Zieht man einen Vergleich zwischen der Rolle von Liegenschaften im Zivilrecht wie im Haushaltsrecht, so kommt man zu einem bemerkenswerten Ergebnis. In beiden Fällen sind Grundstücke besonderen Regeln unterworfen. Sie sollen nicht leichtfertig veräußert werden und werden als herausragender Bestandteil des Vermögens anerkannt und entsprechend geschützt. Dabei kommt in beiden Fällen der gleiche Grundgedanke zur Anwendung: Das Grundvermögen als wesentliche Existenz- und Vermögensgrundlage ist zu schützen. Beim Staat besteht diese Existenz wesentlich in der Wahrnehmung von Staatsaufgaben, die durch die staatlichen Liegenschaften überhaupt erst ermöglicht wird. Verkürzt ausgedrückt: So wie es bei Privaten die Landwirtschaft oder die Warenproduktion ist, denen die Grundstücke dienen, liefern staatliche Liegenschaften die Basis für das Tätigwerden des Staates, für Verwaltung. Selbst der Zweck von Liegenschaften, dem Menschen Wohnung und Unterbringung zu sein, hat seine Parallele: Der Staat muss seine Bediensteten unterbringen, damit diese die Staatsaufgaben nicht an der freien Luft oder in Privatgemächern erledigen müssen. 5. Der Grundsatz der Werterhaltung und staatliches Grundvermögen – Zusammenfassung Der Grundsatz der wertmäßigen Vermögenserhaltung ist eine staatsrechtlich anerkannte Regel des deutschen Staatsvermögensrechts. Dieser Werterhaltungsgedanke wird besonders akzentuiert bei dem staatlichen Grundvermögen. Das deutsche Staatsvermögensrecht kennt zwei besonders bedeutsame Instrumente, um dem Gedanken der Werterhaltung Geltung zu verschaffen: Der Zustimmungsvorbehalt des Parlaments zu Veräußerungen dient neben anderen Zwecken auch der Absicherung des Vermögenserhaltungsprinzips. Umgekehrt erlaubt die parlamentarische Zustimmung in abstrakt-genereller Form (als
567 568
Dazu oben 1. Teil C. III. Pfeifer in: Staudinger, § 925, Rn. 30.
C. Die Renaissance des Staatsvermögensrechts
183
Gesetz in Gestalt der BHO/LHO) oder im konkreten Einzelfall ein Abweichen von diesem Prinzip. Die Einrichtung von Grundstocksvermögen gibt dem Werterhaltungsprinzip eine feste institutionelle Form. Diese herausgehobene Stellung von Liegenschaften im Staatsvermögensrecht entspricht – auch von den Beweggründen her – dem besonderen Schutz, den Grundstückseigentum im deutschen Recht allgemein genießt, was sich anhand des Zivilrechts nachweisen lässt.
C. Die Renaissance des Staatsvermögensrechts Diese Darstellung wichtiger Grundzüge des deutschen Staatsvermögensrechts hat gezeigt, dass die Aussagekraft dieses allzu oft übersehenen Teils des Haushaltsrechts überraschend stark ist, wenn die vorhandenen, aber verschütteten und dem Vergessen anheim gefallenen Elemente wieder ans Tageslicht befördert und ernst genommen werden. Die Verfassungspflicht zur Vermögensrechnung aus Art. 114 GG stellt ein wichtiges zusätzliches Informations- und Kontrollinstrument für die öffentliche Haushaltswirtschaft bereit, das nur darauf wartet, dass seine heutigen Möglichkeiten ausgeschöpft werden. Es konnte gezeigt werden, dass staatstheoretische und praktische Einwände gegen dieses Instrument überholt sind. De constitutione lata steht damit dem Bund und den Ländern eine wichtige Bereicherung des haushaltsrechtlichen Instrumentariums zur Verfügung. Der Grundsatz der Werterhaltung des Staatsvermögens ist ebenfalls staatsrechtlich anerkannt. Er bietet eine zentrale Regel für die staatliche Vermögenswirtschaft an, ist aber durch die Konzentration auf den Wertbestand und durch Ausnahmeregeln, die parlamentarisch abgesichert sind, flexibel genug, den Wandel von Staatsaufgaben zu begleiten. Vermögensrechnung und Werterhaltungsgebot stehen dabei in einem sachlichen Zusammenhang: Nur wer Kenntnis über seine Vermögensverhältnisse hat, ist in der Lage, das Gebot der Substanzerhaltung (und seine Ausnahmen) überhaupt als Regel in ihrer Haushaltsentscheidungen leitenden Kraft anzuwenden und diesem Gebot mehr als bloße Lippenbekenntnisse zu schenken. Vialon hat dies schon 1959 klarsichtig formuliert569: „Den Veranschlagungsstellen wie den parlamentarischen Körperschaften ist mangels ausreichender Unterlagen längst das Gefühl für ein sinnvolles Verhältnis zwischen vermögensvermehrenden, vermögenserhaltenden und vermögensmindernden Ausgaben verloren gegangen [. . .].“ 569
Vialon, S. 697.
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3. Teil: Eine Renaissance des Staatsvermögensrechts?
D. Die Ertüchtigung der Haushaltsverfassung durch diese Wiedergeburt des Staatsvermögensrechts Diese neu gewonnene Vitalität des Staatsvermögensrechts kann einen wichtigen Beitrag zu unserem Vorhaben der Ertüchtigung der Haushaltsverfassung leisten. Die Vermögensrechnung und das Rechtsgebot der Vermögenserhaltung ergänzen einander. Zwar enthält die Vermögensrechnung anders als das Werterhaltungsgebot keine materielle Regelung, sie stellt aber Politik, Verwaltung und Öffentlichkeit ein wichtiges Instrument zur Bewertung von öffentlicher Finanzwirtschaft bereit. Sie zur Entfaltung zu bringen, bedarf keiner Verfassungsänderung; insoweit fügt sich die Vermögensrechnung zwanglos in das bewusst bescheiden gehaltene Konzept einer Ertüchtigung der Haushaltsverfassung de constitutione lata ein. Das Prinzip der wertmäßigen Vermögenserhaltung erfährt durch die Vermögensrechung den wohl entscheidenden Durchbruch: Erst durch die Vermögensrechnung wird diese Regel operationalisiert. Zugleich bleiben der materielle Gehalt dieser Regel und vor allem ihre Ausnahmen, wie sie in der BHO/LHO niedergelegt sind, unverändert. Denn eine Verschärfung dieser Regel – etwa eine uneingeschränkte Pflicht des Staates zur wertmäßigen Erhaltung seines Vermögens – geben das Grundgesetz oder die Landesverfassungen auch in teleologischer Interpretation nicht her570; hier könnte allenfalls eine – in ihrem Sinn und ihrer Umsetzbarkeit äußerst zweifelhafte – Verfassungsänderung Abhilfe schaffen. Genauso wie bei den Kreditbegrenzungsregeln sollen aber Überlegungen de constitutione ferenda in dieser Arbeit unterbleiben. Die Ertüchtigung der Haushaltsverfassung findet somit ihre Vollendung im Staatsvermögensrecht: insbesondere in der Vermögensrechnung, welche die Kreditaufnahmeregeln ergänzt, aber auch im Gebot der Werterhaltung. Anders als die alljährliche Gegenüberstellung von Einnahmen und Ausgaben im Haushalt kann eine Vermögensrechnung Aussagen über die langfristige Leistungsfähigkeit des Staates machen. Das Beispiel der Verfügung über das Staatsvermögen mag zur Illustration dienen: Die Veräußerung von Unternehmensbeteiligungen oder auch von Grundstücken ist nichts anderes als das „Flüssigmachen“ von positiven Vermögenswerten. Wird das Geld nicht zur Neuanlage von Vermögenswerten oder zur Verringerung negativer Vermögenswerte (Schuldentilgung) eingesetzt, sondern für laufende Ausgaben, so verringert sich das Staatsvermögen. Die Einnahmesituation im Haushalt jedoch spiegelt dies nicht wieder, sie ist durch den Veräußerungserlös einmalig verbessert worden.
570
Vgl. auch P. Kirchhof, § 88, Rn. 305.
D. Die Ertüchtigung der Haushaltsverfassung
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Trotzdem kann man fragen: Dient nicht das Kreditlimit mit der Beschränkung der Verschuldung auf die Investitionen, also die neu geschaffenen Vermögenswerte, genau diesem Zweck der Erhaltung des Staatsvermögens? Und reicht nicht einfach die Aufdeckung ausgelagerter oder verdeckter Staatsschulden (etwa von Pensionsverpflichtungen) aus? Oder das – schon gängige – Ausweisen von Zinsbelastungsquoten? Eine einfache Antwort wäre: Dies alles gibt es bisher schon, und es hat nicht gefruchtet. Darin steckt gewiss ein Körnchen Wahrheit, doch zur Begründung reicht dies nicht aus. Die Vermögensrechnung hat vielmehr den Vorteil, dass sie nicht Einzelantworten liefert wie die genannten isolierten Rechengrößen, sondern systematisch die Finanzierungssituation des Staates ausleuchtet, indem sie Informationen liefert, die im herkömmlichen Haushaltskreislauf nicht erscheinen (wie etwa Abschreibungen). Sie stellt zwar keine neue materielle Verschuldungsschranke auf, reichert aber die funktionsschwache Kreditbeschränkung der Verfassung an. Ein finanzieller Jahresbericht, der umfassend Einblick in die Haushaltslage gewährt, schafft Transparenz, gibt Anlass zur öffentlichen Debatte, erzwingt Rechtfertigung und Verantwortung für politisches Handeln. Eine Kernaussage des „Finanziellen Jahresberichts für Nordhein-Westfalen“ war, dass die Schulden schneller gestiegen sind als das Vermögen571 – der schlichte Gedanke, dass Schulden die zukünftige Leistungskraft des Staates stärken, wird dadurch in (nicht nur gefühlten, sondern sachlich nachvollziehbaren) Zweifel gezogen. Es dürfte außer Frage stehen, dass solche Auskünfte für die haushaltspolitische Debatte von Belang sind. Die soeben zitierte Aussage lässt einen weiteren Aspekt der Neuordnung des öffentlichen Rechnungswesens aufblitzen: seine Lebensnähe. Die Orientierung am kaufmännischen Rechnungswesen holt den öffentlichen Haushalt aus dem geheimnisvollen Elfenbeinturm der Kameralistik heraus und kleidet ihn in eine Sprache, die in ihren Grundzügen wesentlich mehr Bürgerinnen und Bürger (und Politikern) vertraut ist. Um das ökonomische Verständnis der meisten Menschen soll es nach Umfragen zwar auch nicht zum Besten stehen, und gewiefte Bilanztechniker können ihre Jahresabschlüsse mindestens genauso geschickt frisieren wie die Haushaltsexperten der öffentlichen Verwaltung. Dennoch macht es einen Unterschied aus, ob diese Rechnungslegung in einer von vornherein dem Alltagsverständnis abgewandten Art und Weise geschieht oder nicht – die Vermittlungskluft ist im zweiten Fall geringer. Schließlich bleibt es auch in einer an der Doppik ausgerichteten staatlichen Rechnungslegung dabei, dass der Staat nicht einem Unternehmer gleichzusetzen ist. Am Nutzen einer solchen Rechnungslegung ändert dies aber gar nichts: Die ökonomische Funktion von Staatshaushalt und Staatsvermögen mag eine andere sein als die eines Kaufmanns, Aussagen zur staatlichen Vermögensentwicklung 571
LT NRW, Vorlage 11/1241, S. 10 f. Dazu Bücker-Wetterau, DÖV 95, S. 150.
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3. Teil: Eine Renaissance des Staatsvermögensrechts?
und zur finanzwirtschaftlichen Nachhaltigkeit staatlichen Handelns sind aber wichtige Informationen für die politische Willensbildung im Staat. Gerade wer den Staat nicht mit einem Unternehmer gleichsetzt, wird die Informationen der Staatsvermögensrechnung mit Gewinn lesen und einordnen können572.
E. Ausblick: Liegenschaften, Staatsvermögen – und am Ende der Verlust von staatlicher Souveränität? Ein Blick zum Ausgangspunkt unserer Überlegungen, nämlich der Neuordnung des staatlichen Liegenschaftswesens, zeigt schnell, dass die Mechanismen, die der Werterhaltung des Grundvermögens dienen, durch die Veränderungen in der Liegenschaftsverwaltung kaum tangiert sind. Die als Ausdruck des Vermögenserhaltungsprinzips identifizierten Regeln der §§ 63, 64 BHO/LHO gelten unverändert fort. Die Folgen für den Grundstock reichen etwas weiter, sofern Sondervermögen eingerichtet werden. Die Überführung von Liegenschaften in ein teilrechtsfähiges Sondervermögen ändert an der Stellung als Sondervermögen nichts, unterlegt es aber mit den Liegenschaften als Vermögensgegenstand, während es bisher nur das Saldo von Zahlungsströmen darstellte. Für den Haushaltsgesetzgeber verändert sich dadurch der Informationsgehalt. Bisher stellte sich der Grundstock als jeweils aktueller Stand der Saldierung von Einnahmen und Ausgaben aus den Grundstücksgeschäften des Landes dar; nunmehr wird eine negative oder positive Zuführung des Landesbetriebes in Abhängigkeit von dessen wirtschaftlichem Erfolg insgesamt direkt in den Haushalt eingestellt. An der Geltung des staatsvermögensrechtlichen Grundsatzes der Vermögenserhaltung ändert sich dadurch aber nichts. Es besteht folglich kein unmittelbarer Anlass zu Besorgnis. Ähnlich wie bei den Regeln zur Kreditaufnahme haben die bisherigen Formen staatlichen Liegenschaftsmanagements den Geltungsanspruch des Staatsvermögensrechts in keinem Punkt unterlaufen. Bei der Betrachtung des Zusammenhangs von staatlichen Liegenschaften und Staatsvermögensrecht bleibt dennoch Unbehagen zurück. Es speist sich aus zwei Quellen: aus dem konkreten Szenario des „Kieler Immobiliengeschäfts“ und aus eher abstrakten Erwägungen über das staatliche Grundvermögen und die Funktionsfähigkeit des Staates. Hier ist ein Merkmal des „Kieler Immobiliengeschäfts“ in die Analyse einzubeziehen, das bislang hier nicht näher besprochen worden ist, doch – neben der Vollumfänglichkeit der geplanten Liegenschaftsveräußerung – zur Einzigartig572
So schon Neumark, in: Gerloff/Neumark, S. 602 und Helmert, DÖH 54, S. 149.
E. Ausblick: Staatsvermögen und staatliche Souveränität
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keit dieses Vorgangs beiträgt. Es handelt sich um die bundesweit einmalige Abschaffung des Erfordernisses der Verzichtbarkeit in § 63 Abs. 2 LHO Schleswig-Holstein für die Veräußerung von unbebauten und bebauten Grundstücken573, inzwischen gefolgt von der Lockerung des § 63 Abs. 2 LHO in Hessen (Veräußerung weiterhin benötigter Vermögensgegenstände gegen Wirtschaftlichkeitsnachweis). Überall sonst gilt im deutschen Haushaltsrecht der in § 63 Abs. 2 BHO/LHO niedergelegte Grundsatz, dass staatliche Vermögensgegenstände nur veräußert werden dürfen, wenn sie zur Erfüllung staatlicher Aufgaben „in absehbarer Zeit nicht benötigt werden“. Um die Sale-Lease-Back-Transaktion rechtlich zu ermöglichen, wurden in Schleswig-Holstein und Hessen nunmehr Grundstücke von dieser Regel ausgenommen574. Diese Regel stellt ein Verbot der Veräußerung „aufgabengebundener Grundstücke“ (Gröpl) auf; ihre Aufhebung durch den Landesgesetzgeber in Schleswig-Holstein und Hessen eröffnet aber weite Spielräume zur Veräußerung von staatlichem Grundvermögen. Und einer solchen Entgrenzung der Veräußerungsbefugnis wohnt das Potential zur Sprengung des Systems der staatlichen Vermögenswirtschaft inne, wie es oben beschrieben worden ist. Die Abänderung des § 63 Abs. 2 BHO/LHO, wie sie in Schleswig-Holstein und Hessen beschlossen worden ist, mag als solche verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden sein, da die Vorschriften zur staatlichen Vermögenswirtschaft in §§ 63 ff. BHO/LHO als „fakultatives interföderales Gemeingut“ (Gröpl) zwar Bund und Ländern gemeinsam sind, jedoch nicht als vorrangige Haushaltsgrundsätze im HGrG eigenständig normiert sind und damit auch nicht an der unmittelbaren Bindungswirkung aus Art. 109 Abs. 3 GG teilhaben575. Im Lichte der besonderen Bedeutung der Liegenschaften für das Staatsvermögen und deren Anerkennung in den Normen des deutschen Staatsvermögensrechts kann diese Feststellung nicht befriedigen. I. Staatliches Grundvermögen und die Funktionsfähigkeit des Staates Anknüpfend an den Gedanken der unvertretbaren Staatsaufgabe (siehe oben 1. Teil C. I.), drängt sich angesichts dieser Sonderstellung des Grundvermögens die Frage auf, ob jene Teile des Staatsvermögens, die den Staat erst in die Lage versetzen, seine Aufgaben wahrzunehmen, genauso wenig privaten Dritten übertragen werden können (mithin eine Vermögensprivatisierung insoweit ausgeschlossen ist), wie die unvertretbaren Staatsaufgaben privaten Dritten überlassen werden können (mithin eine materielle Privatisierung insoweit ausgeschlossen 573 574 575
Vgl. Art. 4 Nr. 5 HBG, GVOBl. SH 98, S. 59. Dazu oben 1. Teil II. 2. Gröpl, S. 525 f.; Fleischmann, S. 189 ff.
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3. Teil: Eine Renaissance des Staatsvermögensrechts?
ist). Zu klären ist also, ob es neben unvertretbaren Staatsaufgaben auch unvertretbares Staatsvermögen gibt. In Betracht für einen solchen Schutzzaun kommt allerdings nur das Verwaltungsvermögen, da es anders als das Finanzvermögen unmittelbaren Verwaltungszwecken dient. Genau dieses war von der geplanten Totalveräußerung der staatlichen Liegenschaften in Schleswig-Holstein betroffen. Die Anerkennung unvertretbarer Staatsaufgaben sichert die Funktionsfähigkeit des Staates ab, indem sie das Tätigwerden des Staates überhaupt erst erlauben. Der Aspekt der Funktionsfähigkeit des Staates ist im deutschen Staatsvermögensrecht ebenfalls präsent, besonders augenfällig in der schon besprochenen Vorschrift des § 63 Abs. 2 BHO/LHO: Soweit der Staat Vermögen zur Erfüllung seiner Aufgaben braucht, soll er es behalten. Die Notwendigkeit des Staatsvermögens steht folglich in einem engen Zusammenhang mit dem Schutzgut der Funktionsfähigkeit des Staates. Das Staatsvermögen bezieht seine Existenzberechtigung gerade daraus, dass es diesem Zweck dient. Die Funktionsfähigkeit des Staates ist nicht nur gleichsam eine praktische Selbstverständlichkeit, sondern auch verfassungsrechtlich geschützt, da das Volk im Sinne des Demokratieprinzips nur dann Staatsgewalt über die von ihm legitimierte Exekutive ausüben kann, wenn diese Exekutive funktionsfähig ist, also eine Regierung und Verwaltung eingesetzt und einsatzfähig ist576. Allgemein ist diese Funktionsnotwendigkeit des Staatsvermögens anerkannt; staatliches Handeln ohne Sach- und Finanzausstattung ist nicht denkbar577. Übrigens ist hier das Verbindungswort „und“ entscheidend: Eine Beschränkung der Funktionsnotwendigkeit des Staatsvermögens auf eine bloße Finanzausstattung ist ebenso wenig denkbar. Ein Staat ohne Behörden und Einrichtungen, der nur als Drehscheibe für eingenommene und wieder verausgabte Geldmittel der Bürger besteht, ist weder staatstheoretisch noch staatspraktisch relevant. Halten wir also zunächst fest: Staatsvermögen sichert das verfassungsrechtliche Schutzgut der Funktionsfähigkeit des Staates ab. Weit weniger eindeutig wird die Aussagekraft des Gedankens der Funktionsnotwendigkeit des Staatsvermögens, wenn er als Schranke für die Veräußerung des Staatsvermögens zu Rate gezogen werden soll. Es stellt sich nämlich die Frage, ob Teile des Staatsvermögens so untrennbar mit der Funktionsfähigkeit des Staates verbunden sind, dass ihre Veräußerung unmöglich ist. Aufgrund der herausragenden Stellung von Liegenschaften im deutschen Recht im allgemeinen und im Staatsvermögensrecht im Besonderen könnten die Liegenschaften des Verwaltungsvermögens solches unvertretbares Staatsvermögen darstellen.
576 577
Fleischmann, S. 106. Vgl. Friauf, § 90, Rn. 1.
E. Ausblick: Staatsvermögen und staatliche Souveränität
189
Für den Fall des „Kieler Immobiliengeschäfts“ wurde dies ausführlich erörtert und verneint, da selbst bei einer Komplettveräußerung öffentlich-rechtliche (per Widmung) und privatrechtliche Sicherungen eingebaut werden können, die die Funktionsfähigkeit des Staates auch in angemieteten Verwaltungsimmobilien gewährleisten können578. Ein bloßes Besitzrecht zur Garantie kontinuierlicher Nutzung mag brüchig erscheinen579; doch eines dürfte klar geworden sein: Funktionsfähigkeit des Staates und Funktionsnotwendigkeit des Staatsvermögens laufen zwar parallel, bedingen einander aber nicht zwingend, wenn man die Dinge auf die Spitze treibt, also die Komplettveräußerung des Verwaltungsvermögens unterstellt. Eine schlichte Akzessorietät des staatlichen Vermögens zur staatlichen Aufgabenerfüllung existiert nicht. Selbst für unvertretbare Staatsaufgaben wie die Liegenschaftsverwaltung ist nicht zwingend staatliches Grundvermögen zur Unterbringung etwa der Liegenschaftsbehörden erforderlich; eine unvertretbare Staatsaufgabe kann auch in angemieteten Räumen wahrgenommen werden. Hier zeigt sich ein Strukturunterschied zwischen der unvertretbaren Staatsaufgabe und dem Staatsvermögen. Die unvertretbare Staatsaufgabe und das Staatsvermögen haben zwar gemeinsam, dass ihnen Hilfsfunktion für die Wahrnehmung primärer Staatsaufgaben zukommt. Aber die Kategorie der unvertretbaren Staatsaufgaben steht dogmatisch auf einer Ebene mit den primären Staatsaufgaben: beide werden auf der Ebene der Staatsaufgaben abgehandelt. Die unvertretbare Staatsaufgabe zeichnet sich dabei dadurch aus, dass sie aus ihrer Struktur heraus keinen Spielraum für eine Aufgabenwahrnehmung durch private Dritte lässt: Nur der Staat selbst kann seine Funktionsfähigkeit organisieren. Das Staatsvermögen steht hingegen in seiner – ebenfalls instrumentalen – Zuordnung zu den Staatsaufgaben nicht auf gleicher Ebene mit diesen, sondern darunter: Staatsvermögen dient der Erfüllung von Staatsaufgaben – ganz gleich, welcher Natur diese Staatsaufgaben sind. Verfassungsrechtlich geschützt ist die Funktionsfähigkeit des Staates entsprechend seiner – zum Teil durch die Verfassung vorgeprägten, zum Teil im demokratischen Willensbildungsprozess definierten – Staatsaufgaben. Wenn Staatsaufgaben ohne Staatsvermögen oder zumindest ohne staatliches Grundvermögen wahrgenommen werden können, insoweit also die Funktionsfähigkeit des Staates gesichert ist, so vermag auch die – davon unberührte – große Bedeutung des Staatsvermögens und vor allem des staatlichen Grundvermögens daran nichts zu ändern. Ihre Auswirkungen sind dann auf das Haushaltsverfassungsrecht beschränkt. 578 Fleischmann, S. 111 ff. Vgl. auch Gröpl, S. 526, der allenfalls finanzwirtschaftliche Probleme sieht. Wesentlicher skeptischer und die Frage offen lassend F. Kirchhof, DÖV 95, S. 245. 579 So F. Kirchhof, DÖV 95, S. 245.
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3. Teil: Eine Renaissance des Staatsvermögensrechts?
Umgekehrt haben wir gesehen, dass das deutsche Staatsvermögensrecht Flexibilität zeigt, indem das Gebot der Vermögenserhaltung wertmäßig definiert wird und – unter Parlamentsvorbehalt stehende – Ausnahmemöglichkeiten eingeräumt werden. Die Anerkennung der Bedeutung von Liegenschaften ist somit gepaart mit Beweglichkeit in der Zusammensetzung und Veränderung dieses Teils des Staatsvermögens. Diese Beweglichkeit gilt auch in der Zuordnung von Staatsvermögen zu Staatsaufgaben allgemein. Solange auf der Ebene der Staatsaufgaben verfassungsrechtlich „nichts anbrennt“, die Funktionsfähigkeit also garantiert ist, kann auf der Ebene des Staatsvermögens – unter Beachtung des Prinzips der wertmäßigen Substanzerhaltung und der Ausnahmevorschriften dazu – frei verfügt werden. Eine „natürliche Grenze“ der Privatisierung von Liegenschaftsvermögen, wie sie noch Vialon postulierte580, ist damit zumindest unter dem Gesichtspunkt der Funktionsfähigkeit des Staates nicht erkennbar. Unvertretbares – und damit unveräußerliches – Staatsvermögen existiert also nicht. II. Staatliches Grundvermögen und staatliche Souveränität: Der „vermögenslose“ Staat Trotz dieser verfassungsrechtlich klaren Aussagen erscheint die Vision eines Staates ohne Grundvermögen kaum vereinbar mit dem Bild des Staates und seiner Handlungsfähigkeit, das man gemeinhin vor sich hat, wenn man vom modernen Staat spricht. Kämmerer hat schon zu Beginn der Reformen der Liegenschaftsverwaltungen die Befürchtung geäußert, dass die rechtliche Trennung von Staat und Staatsvermögen der Souveränität des Staates „abträglich“ sein könnte, und gleichzeitig darauf hingewiesen, dass die Verfassung keine Maßstäbe zur Beurteilung eines solchen „vermögenslosen Staates“ an die Hand gibt581. Zwar verfolgt er den Zusammenhang zwischen Staatsvermögen und Souveränität dann nicht weiter, sondern befasst sich allgemein mit den Auswirkungen von Privatisierung auf die staatliche Souveränität582 und bietet eine differenzierte Antwort auf die Frage, ob im Ergebnis ein „starker“ oder „schwacher“ Staat entsteht: Privatisierung könnte auch die Durchsetzungsmacht des Staates durch Konzentration auf bestimmte Aufgaben stärken und zeigt letztlich an, dass der Staat und das Verständnis vom Staat sich den Anforderungen der Zeit anpasst583. Dennoch bietet diese Sicht einen guten Ausgangspunkt für weitere Überlegungen zum Verhältnis von Staat und staatlichem Grundvermögen. Mit dem 580 581 582 583
Vialon, S. 699. Kämmerer, S. 418 f. Kämmerer, S. 525 ff. Kämmerer, S. 540 ff.
E. Ausblick: Staatsvermögen und staatliche Souveränität
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Begriff der Souveränität wird das Unwohlsein über den Staat ohne Grundvermögen treffend in der staatsrechtlichen Nomenklatur verankert. Zugleich bietet er Anknüpfungspunkte in der deutschen Verfassungsgeschichte. 1. Innere Souveränität und staatliches Grundvermögen Der heutige Begriff von Souveränität unterscheidet zwei Komponenten. Während mit der äußeren Souveränität die Unabhängigkeit nach außen gemeint ist, wird als innere Souveränität die höchste Gewalt nach innen bezeichnet, die aber nicht schrankenlos gilt, sondern rechtlich eingehegt ist. Demnach ist die innere Souveränität die höchste, über allen anderen stehende Gewalt von Rechts wegen584. Die Unschärfe und historische Wandlungsfähigkeit des Souveränitätsbegriffs, der sich nie allein in verfassungsrechtliche Kategorien fassen ließ und noch heute politische Dimensionen hat, erschwert für den Verfassungsjuristen ihren Gebrauch585. Für den Zusammenhang zwischen Staat und Staatsvermögen ermöglicht dies eine Betrachtungsweise, die die Rückwirkungen des „vermögenslosen“ Staates auf die Staatlichkeit aufdeckt, ohne in das Schema von Verfassungswidrigkeit/Verfassungsmäßigkeit einer Komplettveräußerung von staatlichem Grundvermögen zu fallen. Denn die innere Souveränität stellt auch auf die faktische Durchsetzungsmacht des Staates ab, also darauf, ob eine verfassungsmäßig etablierte und nach Recht und Verfassung handelnde Staatsgewalt in der Lage ist, der von Rechts wegen höchsten Gewalt Geltung in der Wirklichkeit staatlicher Tätigkeit zu verschaffen586. Oft genannte587 Anzeichen von Mängeln einer in diesem Sinne verstandenen inneren Souveränität sind das Bröckeln des Gewaltmonopols und der Einfluss mächtiger Interessengruppen – kontroverse Diskussionen, die hier nicht weiter ausgeführt werden können. Diese Reihe möglicher (innerer) Souveränitätsverluste des Staates ist nun um die Denkfigur des „vermögenslosen“ Staates zu ergänzen – der Staat, der infolge des Verlusts direkten rechtlichen Zugriffs auf von ihm benötigtes Grundvermögen nur noch eingeschränkt in der Lage ist, seinen Geltungsanspruch (rechtlich gebundener) höchster Gewalt faktisch durchzusetzen. Genauso wie bei den anderen Bedrohungen innerer Souveränität des Staates ist nicht die verfassungsrechtliche Beurteilung entscheidend, sondern die Auswirkung auf die tatsächliche Ausübung von Staatsgewalt im Sinne des „Zu-Höchst-Seins“. Was 584
Randelzhofer, § 17, Rn. 23 m.w. N. Vgl. dazu Randelzhofer, § 17, Rn. 1 ff. 586 Randelzhofer, § 17, Rn. 39. Vgl. aus der Allgemeinen Staatslehre beispielhaft Krüger, S. 851 ff. („Souveränität als Eigenschaft der Staatsgewalt“) und Herzog, S. 180 ff. („faktische Durchschlagskraft“). 587 Vgl. nur Randelzhofer, § 17, Rn. 40 f. Zum Gewaltmonopol und dessen Auflockerung durch Privatisierungstendenzen ausführlich Kämmerer, S. 166 ff. und S. 388 ff. 585
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3. Teil: Eine Renaissance des Staatsvermögensrechts?
in der verfassungsrechtlichen Bewertung unter dem Gesichtspunkt der Funktionsfähigkeit des Staates noch zulässig ist, kann unter diesem Blickwinkel schon weniger akzeptabel erscheinen. Hier geht es nun nicht darum, die Komplettveräußerung des staatlichen Grundvermögens als Anfang vom Ende staatlicher Souveränität zu verdammen. Das Ziel der Erörterung dieser Sachverhalts im Lichte des Souveränitätsbegriffs besteht viel mehr darin, Problembewusstsein dafür zu schaffen, dass ein solcher Vorgang dazu angetan ist, die Souveränität des Staates zu beeinträchtigen – ihr also ähnlich „abträglich“ (Kämmerer) sein kann wie das Zerbröseln des staatlichen Gewaltmonopols infolge anderer Privatisierungsvorgänge (Stichwörter wie private Sicherheitsdienste und privat betriebene Gefängnisse mögen genügen). 2. Eigenstaatlichkeit und Grundvermögen in der deutschen Verfassungsgeschichte In der aktuellen Diskussion mag das staatliche Grundvermögen als Ausdruck staatlicher Souveränität keine Rolle spielen – in der Geschichte des modernen deutschen Bundesstaates lässt sich die Wirkungsmacht dieses Gedankens durchaus nachweisen. In der verfassungsrechtlichen Normallage eines Bundesstaates mit einer gefestigten Kompetenzverteilung zwischen Zentral- und Gliedstaaten spielt die Frage der Zuordnung des Staatsvermögens keine Rolle, da mit der Aufgabenverteilung auch die Aufteilung des Staatsvermögens zur Wahrnehmung dieser Aufgaben abgeschlossen ist (nach welchen Regeln oder unter welchen Umständen auch immer dies geschehen ist). In geschichtlichen Umbruchssituationen dagegen wird mit einer Neugestaltung des Bund-Länder-Verhältnisses immer auch die Vermögensfrage virulent588. Folgerichtig ist in der jüngeren deutschen Geschichte der föderale Vermögenskonflikt zu solchen Zeitpunkten staatlicher Umgestaltung aufgebrochen: um 1871 mit der Reichsgründung und der Ausdehnung der Reichsverwaltung auf das Post- und Telegraphenwesen und vor allem das Militärwesen589; 1919 mit der Weimarer Reichsverfassung, die die Unitarisierung im Bundesstaat verstärkte und eine Verreichlichung insbesondere der Eisenbahnen erlaubte590; nach 1933, als das sog. „Neuaufbaugesetz“ die Länder dem NS-Einheitsstaat unterordnete591; nach 1945, als die deutsche Staatlichkeit neu geordnet und mit Art. 134 GG das Reichsvermögen den Vermögensträgern Bund und Ländern zugeordnet werden musste; und schließlich 1989/90 mit der 588
Berlit, S. 25. Siehe auch Richter, S. 274. Dazu Mußgnug/Hufeld in: BK, Art. 134, Rn. 17 ff. Ausführlich Berlit, S. 33 ff. 590 Vgl. Mußgnug/Hufeld in: BK, Art. 134, Rn. 23 ff. Ausführlich Berlit, S. 46 ff. 591 Näher zu den Folgen für die Staatsvermögen der Länder Mußgnug/Hufeld in: BK, Art. 134, Rn. 28 ff. 589
E. Ausblick: Staatsvermögen und staatliche Souveränität
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deutschen Einheit und der Frage nach der Grundausstattung der neuen Bundesländer, die im Zentralstaat DDR keine Kontinuität im Staatsvermögen bewahren konnten. So war also im Verhältnis des Reichs zu seinen Gliedstaaten seit der Reichsgründung 1871 die Frage der Zuordnung von Staatsvermögen, insbesondere von staatlichem Grundvermögen, und deren Auswirkungen auf die Staatlichkeit der Länder immer wieder Gegenstand von politischen Auseinandersetzungen, die Spuren in Gestalt von Verfassungsnormen und Gesetzesregeln zum Staatsvermögensrecht hinterlassen haben. Für unsere Frage nach dem Zusammenhang von Staatsvermögen und Souveränität sind dabei zwei Wendepunkte der deutschen Geschichte von hervorgehobenem Interesse: erstens der föderale Vermögenskonflikt nach Errichtung des Kaiserreichs und dessen bis heute nachwirkende Lösung und zweitens die Diskussion um Verfassungsansprüche der neuen Bundesländer auf aufgabengerechte Vermögensausstattung nach 1990. a) Der föderale Vermögenskonflikt im Deutschen Kaiserreich und seine Lösung Die Errichtung des Deutschen Reiches gab Anlass zu einer heftigen Auseinandersetzung über jene Teile des Verwaltungsvermögens der Länder, die dem Reich zur Wahrnehmung der von ihm nach der Reichsverfassung von 1871 übernommenen Verwaltungsaufgaben übertragen werden sollten. Diese Kontroverse sollte auch Nachhall in der staatsrechtlichen Literatur über die Verfassung des Deutschen Kaiserreichs finden. Im „Gesetz über die Rechtsverhältnisse der zum dienstlichen Gebrauche einer Reichsverwaltung bestimmten Gegenstände“ (Reichseigentumsgesetz) vom 25. Mai 1873592 wurde genau festgelegt, welche beweglichen und unbeweglichen Sachen in das Eigentum des Reichs übergehen sollten. Der Streit entzündete sich vor allem an der Zuordnung des Grundvermögens und der Militärliegenschaften, vor allem der zur damaligen Zeit wichtigen und im Bau sehr teuren Festungen, und daran, wie weit es nach der Gründung des Reichs überhaupt noch einer rechtlichen Regelung dieser Frage bedürfe593. Der Grundsatz, dass das zur Reichsverwaltung notwendige Verwaltungsgrundvermögen dem Reich zusteht (§ 1), wurde im Reichseigentumsgesetz durch ein Rückfallrecht abgemildert (§ 6), wonach nicht mehr zur Reichsverwaltung benötigte Grundstücke wieder an die jeweiligen Länder zurückfallen; für Militärliegenschaften sollte dies schon dann gelten, wenn sie nicht mehr für Verteidigungszwecke gebraucht werden (§ 7)594. 592
RGBl. 1873, S. 113 ff. Vgl. die Redebeiträge in RT PlPr 1873, S. 22 ff., 359 f. sowie die Darstellung bei Laband, S. 355 ff. und Zorn, S. 701 ff. 593
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3. Teil: Eine Renaissance des Staatsvermögensrechts?
Für den föderalen Vermögenskonflikt sollte dieses Gesetz die bis heute in ihren Grundzügen geltende und akzeptierte Lösung bringen. Sie zeichnet sich durch zwei Elemente aus: die Aufgabenakzessorietät der Vermögensverteilung und das Prinzip der historischen Restitution595. Einerseits soll die Vermögenszuordnung der Aufgabenzuweisung der Verfassung folgen (dies kommt in § 1 Reichseigentumsgesetz zum Ausdruck); das Reich und später der Bund sollen in der Lage sein, über das zur Erfüllung seiner Aufgaben notwendige Staatsvermögen zu verfügen596. Andererseits ist die Vermögensverteilung historisch gewachsen, und wenn der das Akzessorietätsprinzip tragende Bedarf entfällt, entfällt auch die Berechtigung der Vermögenszuteilung, und ältere Vermögenszuteilungen verlangen ihr Recht. Damit steht das historische Prinzip als Negativform des Akzessorietätsprinzips diesem gegenüber597; es verwirklicht sich in den Heimfallrechten der Länder (wie sie in § 6 Reichseigentumsgesetz verankert wurden). Diese sind bis heute Bestandteil der föderalen Vermögensordnung (vgl. Art. 134 Abs. 2 GG), sie wurden vom Verfassungsgeber des Grundgesetzes bewusst fortgeschrieben598, stehen aber unter dem Bedarfsvorbehalt des Bundes (vgl. Art. 134 Abs. 3 GG)599 und sind in ihrer Reichweite eingeschränkt600. Übrigens waren im Gegensatz zu seiner grundsätzlichen Bedeutung die faktischen Auswirkungen des Reichseigentumsgesetzes gering: Weniger als 10% des Grundvermögens des Reichs im Jahre 1914 waren aufgrund dieses Gesetzes übergegangen (zum allergrößten Teil Militärliegenschaften); ansonsten kam es wegen der immer noch eng beschränkten Verwaltungszuständigkeit des Reichs nur selten zum Aufbau durchgegliederter Reichsbehörden, für die Verwaltungsgrundvermögen der Länder notwendig gewesen wäre601. b) Verfassungsrechtliche Ansprüche auf adäquate Vermögensausstattung im Bundesstaat? Während die Regelung des föderalen Vermögenskonflikts im Jahr 1873 bis heute tragfähige Prinzipien hervorbrachte, entzündete sich an der Vermögens594 Ausführlich zu den Bestimmungen des Reichseigentumsgesetzes Laband, S. 358 ff. 595 Mußgnug/Hufeld in: BK, Art. 134, Rn. 8. 596 Vgl. dazu auch Berlit, S. 43 sowie für den Bund unter der Geltung des GG Mußgnug/Hufeld in: BK, Art. 134, Rn. 35 f. 597 Mußgnug/Hufeld in: BK, Art. 134, Rn. 37. 598 Zur Konzeption der Heimfallrechte unter dem Grundgesetz Mußgnug/Hufeld in: BK, Art. 134, Rn. 38, 97 f. Siehe auch Berlit, S. 116 ff., 126 ff. 599 Dazu Mußgnug/Hufeld in: BK, Art. 134, Rn. 65. 600 Ausführlich zur aktuellen Rechtslage Mußgnug/Hufeld in: BK, Art. 134, Rn. 91 ff. 601 Näher dazu Berlit, S. 44 f.
E. Ausblick: Staatsvermögen und staatliche Souveränität
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verteilung zwischen Bund und neuen Bundesländern im Zuge der deutschen Einheit 1990 eine verfassungsrechtliche Auseinandersetzung, bei der es darum ging, ob die neuen Bundesländer aus dem Grundgesetz einen Anspruch auf eine Vermögensgrundausstattung bzw. eine aufgabengerechte Vermögensausstattung ableiten können. Das Bundesverfassungsgericht vertrat dazu in den sog. „VEAG“-Beschlüssen die Auffassung, dass das Grundgesetz grundsätzlich nicht die Vermögensausstattung von Bund und Ländern regelt, sondern über die Finanzverfassung die finanzwirtschaftliche Handlungsfähigkeit von Bund und Ländern nach Maßgabe der ihnen von der Verfassung zugeschriebenen Aufgaben gewährleistet602. In der Literatur hingegen wurden aus der Verfassung Rechtsansprüche der neuen Bundesländer auf eine „Mindestausstattung“ an Staatsvermögen (Berlit)603 oder eine „aufgabengerechte Vermögensausstattung“ (Richter)604 abgeleitet. Als Grundlage eines solchen Anspruchs wurde dabei das Bundesstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG betrachtet. Dieses soll nach Meinung von Berlit als Gebot föderaler Gleichheit eine Vermögensgrundausstattung der ostdeutschen Länder sichern, die ihre Autonomie in der Wahrnehmung von Staatsaufgaben garantiert605. Verstärkt durch das Prinzip der Eigenstaatlichkeit gewährleistet das in diesem Sinne interpretierte Bundesstaatsprinzip ein verfassungsfestes Minimum an Staatsvermögen, das Spielräume für Wirtschaftsförderung und Infrastrukturaufbau einschließt606. Ähnlich argumentiert Richter607: Das Prinzip einer aufgabengerechten Vermögensausstattung sieht sie als Ausprägung des Bundesstaatsprinzips an, unterstützt durch Art. 30 GG, der als Folge der grundsätzlichen Aufgabenzuständigkeit der Länder ihnen auch das Vermögen grundsätzlich zuordnet, und durch das Konnexitätsprinzip in Art. 104a GG, der neben der Verbindung von Aufgaben- und Ausgabenverantwortung auch die Vermögensverteilung lenkt. Darüber hinaus stellt sie einen Zusammenhang zu den anerkannten Grundsätzen der Finanzverfassung her, nach denen Bund und Länder finanziell in die Lage versetzt werden sollen, ihre Aufgaben zu erfüllen und dabei ihre Eigenverantwortlichkeit aufrecht zu erhalten, und überträgt diese Grundgedanken auf die Vermögensausstattung608. Denn das, was Ländern an Vermögensausstattung
602
BVerfGE 95, 243 ff. und BVerfGE 95, S. 250 ff. Berlit, S. 184. 604 Richter, S. 275. 605 Berlit, S. 306. 606 So Berlit, S. 315. 607 Richter, S. 278. 608 Richter, S. 276 f., 279. Vgl. zum Thema Staatsvermögen und Finanzverfassung auch Berlit, S. 26 ff. 603
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3. Teil: Eine Renaissance des Staatsvermögensrechts?
abgeht, muss über den Finanzausgleich abgefedert werden, der als nur subsidiäres Instrument gilt, weshalb die aufgabengerechte Vermögensausstattung vorrangig gewährleistet sein muss609. Folgerichtig mündet diese Auffassung in die Forderung nach einem Vermögensausgleich analog dem Finanzausgleich, der einmalig die aus Anlass der deutschen Einheit entstandenen Ungleichgewichte in der Vermögensausstattung glätten soll610. Für die Zwecke dieser Untersuchung kann dahin gestellt bleiben, ob solche verfassungsrechtlichen Ansprüche bestehen. Je weiter der Einigungsvertrag zurückliegt, dessen Interpretation zugunsten der neuen Bundesländer durch diese Konstruktionen bezweckt wurde611, desto weniger bedeutsam wird diese spezielle verfassungsrechtliche Frage. Diese Aktualisierung des föderalen Vermögenskonflikts durch die deutsche Vereinigung hat indessen dazu geführt, dass in der deutschen staatsrechtlichen Literatur die Wechselwirkungen von Staatsvermögen, insbesondere Grundvermögen, und Eigenstaatlichkeit der Länder aufgegriffen worden sind. Für unsere Spurensuche zum Thema Staatsvermögen und Souveränität sind darin – jenseits der Frage harter verfassungsrechtlicher Ansprüche auf eine bestimmte Vermögensausstattung – wichtige Argumente aufzufinden. Auch über diesen Anlass des Jahres 1990 hinaus gibt es Hinweise zu dieser Spurensuche. All diese Indizien sollen nun zusammengestellt werden.
F. Warum staatliches Grundvermögen für die staatliche Souveränität wichtig ist Der Umstand, dass es überhaupt einen föderalen Vermögenskonflikt in Deutschland gab, belegt, wie eng politische Macht – als Staatsgewalt und Verwaltungsmacht – mit Vermögensmacht zusammenhängt612. Die Auseinandersetzung um das Staatsvermögen stellt immer auch ein Stück weit die Machtfrage im Bundesstaat – historisch stand dabei nach der Regelung der Vermögenszuordnung im Reichseigentumsgesetz die Bewahrung der Eigenstaatlichkeit der Länder im Vordergrund, da vor allem ab 1919 Unitarisierungsschübe auch die Vermögensverteilung prägten. Fundamental ist zunächst: Eigenes Staatsvermögen stellt eine unabdingbare Voraussetzung für die Gestaltungsfähigkeiten eines Landes dar. Es schafft erst die tatsächlichen Voraussetzungen für die Wahrnehmung eigenständiger Landesbefugnisse613. 609 610 611 612
Richter, S. 277. Richter, S. 304 ff. Vgl. Berlit, S. 290 ff. und Richter, S. 282 ff. Mußgnug/Hufeld in: BK, Art. 134, Rn. 34, 36.
F. Warum staatliches Grundvermögen für die Souveränität wichtig ist
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Im Einzelnen gilt sodann: Der Grad der Ausstattung mit Verwaltungsvermögen kann erhebliche Folgen für den Haushalt haben; ein Land mit wenig Verwaltungsvermögen muss – bei gleicher Aufgabenfülle wie andere Länder – das fehlende Vermögen durch Anschaffung oder Anmietung ausgleichen. Das Ausmaß des Finanzvermögens wiederum beeinflusst die Steuerungs- und Handlungsfähigkeit von Landespolitik, dies gilt besonders für die Wirtschaftsförderung, da hier die Länder kaum rechtliche Spielräume haben und zudem rechtliche Rahmenbedingungen nur indirekt und oftmals nur längerfristig wirken können. Daher kommt der Intervention über Subventionen für Wohnungsbau oder Wirtschaftsförderung große Bedeutung zu614. Der Spielraum dafür wird – mangels eigenständiger Steuerhoheit der Länder – auch über das Volumen des Finanzvermögens eines Landes bestimmt (z. B. Landesförderbanken). Als Fazit ist mithin festzuhalten: Mit der Verfügung über Staatsvermögen entscheidet sich auch das Ausmaß an eigenständiger Gestaltungsmacht und Planungsmöglichkeiten im Bundesstaat615. Redet man nun vom Staatsvermögen und seiner Bedeutung für die Eigenstaatlichkeit der Länder, so ist darunter aber in erster Linie das staatliche Grundvermögen zu verstehen. Dies erscheint so selbstverständlich, dass es selten ausgesprochen wird. Doch wenn von der Bedeutung eigenen Staatsvermögens für die tatsächliche Wahrnehmung eigenständiger Landesbefugnisse gesprochen, werden regelmäßig vor allem Grundstücke und Gebäude genannt616. Der Gebrauchswert des Verwaltungsgrundvermögens und damit dessen Tauglichkeit zur Unterstützung des Staates bei seiner Aufgabenwahrnehmung wird in der Tat entscheidend durch die Anzahl und Qualität staatlicher Liegenschaften bestimmt. Besonders anschaulich ist das Beispiel der Hochschulen, die eine Kernaufgabe der Länder darstellen und die in den neuen Bundesländern in den Jahren nach 1990 umfassend ausgebaut bzw. modernisiert worden sind. In Zukunft könnte das Grundvermögen als wesentlicher Bestandteil des Staatsvermögens der Länder zunehmende Bedeutung für deren Kreditwürdigkeit gewinnen. Zwar werden alle Länder aufgrund der Unterstützung im Finanzausgleich und aufgrund der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Einstandspflicht bei extremer Haushaltsnotlage617 immer noch mit einem einheitlichen Rating (Triple A) versehen618. Angesichts sich stetig verschlechternder Haushaltszahlen und neu anstehender Verfassungsgerichtsentscheidungen
613 614 615 616 617
Berlit, S. 20 f. Berlit, S. 28. Vgl. Berlit, S. 28 f. Berlit, S. 20 f. und Richter, S. 305. BVerfGE 86, 148 (258 ff.).
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zur extremen Haushaltsnotlage mit ungewissem Ausgang ist aber davon auszugehen, dass die Kreditwürdigkeit eines Bundeslandes am Markt in den nächsten Jahren stärker individuell bewertet werden wird. Damit dürfte aber die jeweilige Vermögensposition eines Landes als ein Bewertungsfaktor neben anderen an Gewicht gewinnen, auch wenn die Finanzierung der öffentlichen Hand nicht direkt mit der eines Privatmannes vergleichbar ist. Überhaupt gilt – völlig losgelöst von akuten Vermögenskonflikten im Bundesstaat – das Grundvermögen zu Recht als Basis für die Eigenstaatlichkeit der Länder und findet auch aus diesem Grund die detaillierte Regelung im deutschen Staatsvermögensrecht, wie sie dargestellt worden ist. Das Gebot der Substanzerhaltung für staatliches Grundeigentum hat damit gerade für die Länder existenzwahrenden Charakter619. Der Bestand an staatlichem Grundvermögen und der uneingeschränkte Zugriff darauf ist also ausweislich der Geschichte des föderalen Vermögenskonflikts und dessen Niederschlag im deutschen Staatsrecht ein wesentliches Element innerer Souveränität. Dies gilt speziell für die deutschen Länder und ihre autonome Staatsqualität620. Mit dem Begriff der Souveränität wird zugleich am besten die rechtliche Bedeutung des staatlichen Grundvermögens erfasst, wie sie sich aus dem deutschen Staatsvermögensrecht in seinem Normbestand und seiner geschichtlichen Entwicklung ergibt. Ein darüber hinaus reichender stärkerer verfassungsrechtlicher Schutz des staatlichen Grundvermögens – etwa in Form eines Veräußerungsverbots – lässt sich nicht begründen (siehe oben I.). Eine bemerkenswerte These zur Unveräußerlichkeit von Staatsvermögen soll aber nicht unerwähnt bleiben. Jenseits des Falls einer Komplettveräußerung staatlicher Liegenschaften hat Krüger aus prinzipiellen Erwägungen ein Verbot der Veräußerung von Staatsvermögen überhaupt postuliert. Er hätte das Staatsvermögen am liebsten dem privatrechtlichen Rechtsverkehr entzogen und ein öffentlich-rechtlich strukturiertes Sonderrecht für die „sächlichen Staatsmittel“ geschaffen, das dem Sonderstatus für das Staatspersonal, dem Beamtenstatus, geähnelt hätte621. Da er selbst konzedierte, dass dies aus der geltenden Rechtslage nicht ableitbar ist, schwenkte er von der verfassungsrechtlichen Argumentation um zu einer verfassungspolitischen Forderung, die er politökonomisch begründete. Aufgrund des Parteienwettbewerbs um Wählerstimmen müssten 618 Vgl. Fitch Ratings, Germany Special Report „German Laender: Budgetary Weakness, but Solid Support“ (Okt. 03). Eine erste Differenzierung nimmt dagegen schon Standard & Poor’s vor, die allerdings nicht alle Länder einstufen. 619 Tatarin-Tarnheyden, S. 435. Ähnlich für das Kaiserreich Berlit, S. 45. 620 Dazu BVerfGE 1, 14 (34) und Graf Vitzthum, VVDStRL 46 (87), S. 24 ff. m.w. N. 621 Vgl. Krüger, S. 330 f.
F. Warum staatliches Grundvermögen für die Souveränität wichtig ist
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„Wahlgeschenke aus dem vorhandenen Staatsvermögen in den Raum der verbotenen Praktiken verbannt werden“, und daher sollte die Veräußerung von Staatsvermögen untersagt werden622. Schon aus praktischen Gründen muss eine solchen Forderung jeglicher Realisierungschance entbehren, und so blieb sie ein markant in der Landschaft der deutschen Staatslehre stehender Solitär. Wie gesagt, ist dieses Ansinnen de constitutione lata nicht haltbar. Aber diese Arbeit sollte gezeigt haben, dass an verfassungsgeschichtliche Traditionen im Bundesstaat angeknüpft werden kann, um das Bewusstsein dafür zu stärken, dass staatliches Grundvermögen Basis für Souveränität ist.
622
Krüger, S. 332.
Schlussfolgerungen I.
Die klassisch-hoheitlichen Liegenschaftsverwaltungen in Bund und Ländern befinden sich in einem Prozess der Hinwendung zu betriebswirtschaftlich inspirierten Handlungsformen. 1. Sie orientieren sich dabei an den Methoden des Facility Managements, die in der Betriebswirtschaftslehre entwickelt worden sind, um Flächen und Immobilien als wichtige Sachressource von Unternehmen optimal zu nutzen. Facility Management verfolgt drei Prinzipien: – Integration von kaufmännischen und technischen Aufgaben rund um die Immobilie; – Betrachtung des gesamten Lebenszyklus eines Gebäudes vom Bau über die Nutzung bis zum Abriss; – Transparenz mittels Verfügbarkeit aller immobilienbezogenen Informationen. Zentraler Ansatzpunkt für das Funktionieren von Facility Management ist die Aufgabenbündelung, um eine ganzheitliche Aufgabenwahrnehmung zu ermöglichen. 2. Liegenschaftsmanagement bezeichnet die Übertragung der Grundgedanken des Facility Managements auf das staatliche Liegenschaftswesen. Einem Unternehmen vergleichbar, ist auch der Staat bestrebt, vorhandene Flächen und Gebäude optimal zu nutzen und Rationalisierungspotentiale zu erschließen. Diese sind in erheblicher Größenordnung zu veranschlagen. Liegenschaftsmanagement ist somit wesentlicher Bestandteil moderner öffentlicher Verwaltung. 3. Die mit der Einführung von Formen des Liegenschaftsmanagement verbundenen Änderungen sind als Teil von Verwaltungsreformprozessen zu verstehen, die auf die Einführung von betriebswirtschaftlichen Elementen in der öffentlichen Verwaltung abzielen; insofern gehören sie der breiten Welle von Neuen Steuerungsmodellen an, die seit Ende der achtziger Jahre des 20. Jahrhunderts die Diskussion und Praxis von Verwaltungsreform in den deutschen Amtsstuben bestimmen. Die Implementierung von Liegenschaftsmanagement geschieht aber in gesonderten Umbauprojekten, die losgelöst von der allgemeinen Verwaltungsmodernisierung in den Behörden von Bund und Land sind.
Schlussfolgerungen
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4. Die Bestandsaufnahme der Modernisierung im Liegenschaftswesen von Bund und Ländern zeigt bei aller Vielfalt in der Erscheinungsform, dass öffentlich-rechtliche Organisationsformen, die haushaltsrechtliche und organisatorische Flexibilität erlauben, dominieren und das staatliche Eigentum an den Liegenschaften in der Regel aufrecht erhalten bleibt. Als Mainstream-Lösung hat sich bislang der Landesbetrieb nach § 26 LHO herauskristallisiert. Die Typologie der Liegenschaftsverwaltung weist aber auch Konstrukte mit Elementen formeller Privatisierung auf und ermöglicht insgesamt eine zunächst deskriptive Einordnung der Liegenschaftsverwaltung in Bund und Ländern in die Kategorien der Privatisierung, wie sie auch für andere Bereiche staatlichen Handelns gebräuchlich sind. Zugleich hat die Entwicklung der Reform in Schleswig-Holstein mit dem Sale-Lease-Back der Gesamtheit von Landesliegenschaften weitreichende Fragen des Haushaltsverfassungsrechts aufgeworfen und insbesondere das Risiko verdeckter Kreditaufnahme vor Augen geführt. 5. Die wichtigen Strukturfragen der Reorganisation betreffen die Wahl der Rechtsform und die Wirtschaftlichkeit als Maßstab für den Umbau im Liegenschaftswesen sowie die Eigentumszuordnung der Liegenschaften. a) Für die Rechtsformwahl ist zunächst die Einstufung der Liegenschaftsverwaltung als Paradefall des fiskalischen Hilfsgeschäfts von Bedeutung. Damit ist ohne Rückgriff auf die Lehre von der Wahlfreiheit der Verwaltung der Weg zu privatrechtlichen Handlungs- und Organisationsformen eröffnet. aa) Ungeachtet der empirischen Dominanz öffentlich-rechtlicher Organisationsformen begegnet aus verfassungsrechtlicher Sicht eine formelle Privatisierung des staatlichen Liegenschaftswesens keinem Hindernis – mit Ausnahme der in Art. 87b GG ausdrücklich der Bundesverwaltung zugewiesenen Bundeswehrverwaltung. Dagegen stellen weder Art. 87 GG noch staatsorganisationsrechtliche Bestimmungen der Landesverfassungen eine Schranke für formelle Privatisierungen auf. bb) Dagegen ist die Liegenschaftsverwaltung einer materiellen Privatisierung nicht zugänglich. Dies ergibt sich aus ihrer Natur als unvertretbare Staatsaufgabe. Die Liegenschaftsverwaltung spielt in der Diskussion über die Einordnung von Staatsaufgaben zwar bislang kaum eine Rolle. Denn sie ist eine Hilfsfunktion der Staatstätigkeit, trägt also zur Funktionsfähigkeit des Staates überhaupt bei und wird daher als Staatsaufgabe nicht weiter in Frage gestellt. Für die Möglichkeit materieller Privatisierung hat diese Einordnung aber eine entscheidende Konsequenz. Denn eine
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Schlussfolgerungen
Aufgabe, die erst die Wahrnehmung sonstiger Staatsaufgaben ermöglicht, kann gar nicht privaten Dritten übertragen werden – eine solche Aufgabe, deren Interesse strukturell auf den Aufgabenträger Staat bezogen ist und nur von ihm wahrgenommen werden kann, ist eine unvertretbare Staatsaufgabe. Jenseits des rechtlichen Dürfens kann eine solche Staatsaufgabe gar nicht materiell privatisiert werden. b) Das Gebot der Wirtschaftlichkeit genießt Verfassungsrang und bindet auch den (Haushalts-)Gesetzgeber. In den Vorbereitungen zur Neuordnung der Liegenschaftsverwaltungen wurden umfangreiche und zum Teil äußerst kontroverse Wirtschaftlichkeitsüberlegungen angestellt. Angesichts der Formenvielfalt und der steuerlichen Gestaltungsmöglichkeiten und eingedenk des weiten Einschätzungsspielraums, den das Wirtschaftlichkeitsgebot lässt, ist eine Aussage ex ante darüber, welche Rechtsform die wirtschaftlichste ist, nur schwer möglich. Diese Feststellung deckt zugleich die praktischen Grenzen des Wirtschaftlichkeitsgebots auf, das häufig erst ex post zu einer eindeutigen Beurteilung führen kann. c) Die staatlichen Liegenschaften, die Gegenstand des Liegenschaftsmanagements sind, sind öffentliche Sachen, an denen der Staat als Privatrechtssubjekt zivilrechtliches Eigentum hat, das öffentlichrechtlich überlagert wird. Nach herrschender Meinung soll diese öffentlich-rechtliche Zweckbestimmung auch bei zivilrechtlicher Eigentumsübertragung an Dritte aufrechterhalten bleiben. Eine solche Vorrangwirkung der Widmung bedarf jedoch wegen Art. 14 und 20 GG einer gesetzlichen Grundlage, die für öffentliche Sachen im Verwaltungsgebrauch regelmäßig nicht vorhanden ist. Für die Widmung von Liegenschaften im Verwaltungsgebrauch lässt sich indessen eine gesetzliche Grundlage aus der Veranschlagung von Mitteln zu ihrer Errichtung und Beschaffung im durch Haushaltsgesetz festgestellten Haushaltsplan nachweisen, weil Mittelveranschlagung im Haushalt und öffentliche Zweckbestimmung untrennbar miteinander verwoben sind. Diese gesetzliche Grundlage der Widmung erfasst aufgrund der engen Voraussetzungen für die Außenwirkung der Veranschlagung im Haushaltsplan, aufgrund des sachenrechtlichen Bestimmtheitsgebots und aufgrund des qualifizierten Gesetzesvorbehalts für Enteignungen in Art. 14 Abs. 3 S. 2 GG aber nur Liegenschaften, deren Errichtung oder Beschaffung im Haushaltsplan individuell vorgesehen ist und die zum Zeitpunkt der Widmung im Eigentum des Staates stehen.
Schlussfolgerungen
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Nicht erfasst sind angemietete Liegenschaften und im Wege der Rechtsnachfolge erworbene staatliche Liegenschaften. Das Eigentum an Landesliegenschaften wird auch nach der Reform der Liegenschaftsverwaltung regelmäßig direkt hoheitlich vom Staat gehalten. Ausnahmen bestehen für nicht mehr benötigte Flächen, die für die Vermarktung bestimmt sind. Nur in Schleswig-Holstein wurde der umfassende Eigentumswechsel zu einem Kern- und Streitpunkt des Liegenschaftsmanagements; im Bund wird für das Allgemeine Grundvermögen ebenfalls eine Übereignung an die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA) folgen. II. Die neuen Formen des Liegenschaftsmanagements haben zur Bildung von Nebenhaushalten geführt, da in allen Fällen eine zumindest wirtschaftlich eigenständige Einheit geschaffen wurde, deren Finanzgebaren nicht in vollem Umfang im Staatshaushalt abgebildet wird. 1. Sowohl im Hinblick auf Art. 110 GG (Einheit und Vollständigkeit des Budgets) als auch mit Blick auf Art. 115 GG (Regeln zur Kreditaufnahme) stellen diese Nebenhaushalte eine Herausforderung dar, die mit den klassischen Topoi „Flucht aus dem Budget“ und „Schattenverschuldung“ zu benennen sind . Dies gilt in herausragender Weise für die Vorgehensweise beim „Kieler Immobiliengeschäft“, deren Sale-LeaseBack-Konstruktion den Verdacht auf eine verdeckte Kreditaufnahme nahe legt. a) Die verfassungsrechtliche Zulässigkeit der Errichtung von Nebenhaushalten muss sich am Prinzip der Einheit und Vollständigkeit des Budgets messen lassen. Dieses verlangt, dass alle Einnahmen und Ausgaben ohne Ausnahme in einem Haushaltsplan – und nicht etwa auf verschiedene verteilt – veranschlagt werden. b) Die verfassungsrechtliche Zulässigkeit von Nebenhaushalten ist sodann an den Verfassungsbestimmungen zur Staatsverschuldung zu messen. Die Verfassungsregeln zur staatlichen Kreditaufnahme legen einerseits formal fest, dass jegliche Kreditaufnahme unter dem Vorbehalt des Parlaments steht, und begrenzen mit dem Kredit-Investitions-Junktim die Staatsverschuldung materiell. Diese Bestimmungen der Haushaltsverfassung dienen dem Zweck, die parlamentarische Kontrolle über das Finanzgebaren des Staates zu sichern, und garantieren damit das parlamentarische Budgetbewilligungsrecht. c) Da das Grundgesetz und die meisten Landesverfassungen in ihrem Normtext für Nebenhaushalte Abweichungen von diesen Regeln zulassen, sind in teleologischer Auslegung Maßstäbe für einen verfas-
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Schlussfolgerungen
sungskonformen Nebenhaushalt zu ermitteln. Denn zur Bewahrung des parlamentarischen Haushaltsrechts vor den Risiken einer Zersplitterung und Zerfaserung des Haushalts in nicht direkt parlamentarisch angebundene Schattenhaushalte ist die Erstreckung des Direktionsgehalts der Haushaltsverfassung auf Nebenhaushalte notwendig. Folgende Eckpunkte gewährleisten die Verfassungsmäßigkeit von Nebenhaushalten: (1) Nebenhaushalte sind als Ausnahme vom Prinzip der Einheit und Vollständigkeit des Budgets zulässig. (2) Die Errichtung von Nebenhaushalten steht unter dem Gesetzesvorbehalt des parlamentarischen Budgetbewilligungsrechts. (3) Die Bildung von Nebenhaushalten bedarf besonderer Rechtfertigung: diese kann nur in der Zuordnung eigener Finanzierungsquellen, der Verleihung von Autonomie oder der Notwendigkeit kaufmännischer Wirtschaftsführung bestehen und setzt zudem einen zwingenden haushaltswirtschaftlichen Grund voraus. (4) Den Gesetzgeber trifft eine Darlegungslast für die Bildung von Nebenhaushalten. (5) Die Kreditaufnahme von Nebenhaushalten steht unter dem Gesetzesvorbehalt des parlamentarischen Kreditbewilligungsrechts. (6) Die Kreditaufnahme von Nebenhaushalten ist in das Kredit-Investitions-Junktim des Gesamthaushalts einzufügen. (7) Nebenhaushalte sind verfahrensmäßig zu Legitimations-, Öffentlichkeits- und Koordinationszwecken an den Staatshaushalt anzubinden. d) Der Befund im staatlichen Liegenschaftswesen gibt wenig Anlass zur Besorgnis. Die gesetzliche Ermächtigung zur Errichtung der Nebenhaushalte für das Liegenschaftsmanagement ist stets – im Zweifel über § 26 LHO – vorhanden. Teilweise fehlt es aber an der gesetzlichen Ermächtigung zur Kreditaufnahme; dies trifft vor allem auf die rechtlich selbständigen Nebenhaushalte zu. Ein Aufhäufen von Schattenschulden ist also zu befürchten. Da regelmäßig die Hochbauinvestitionen unverändert im Staatshaushalt ausgewiesen sind, ist in einer Staatshaushalt und Nebenhaushalt überwölbenden (kompensatorischen) Betrachtung aber das Kredit-Investitions-Junktim in seiner Regelungskraft nicht beeinträchtigt. 2. Wesentlich gravierendere Probleme hat das „Kieler Immobiliengeschäft“ aufgeworfen. Die juristischen Auseinandersetzungen um dessen Bewertung haben gezeigt, dass der Normzweck des Kreditlimits der Haushalts-
Schlussfolgerungen
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verfassung ebenfalls nur über eine teleologische Auslegung gewährleistet werden kann: indem ein wirtschaftlicher Kreditbegriff zur Anwendung kommt. Die herkömmliche Unterscheidung von Finanz- und Verwaltungsschulden und das Festhalten am formellen Rechtsträgerprinzip lassen zuviel Platz für das Verbergen von Kreditaufnahme mittels Vertragsgestaltung und für das Auslagern von Verpflichtungen auf staatliche Trabanten. Nach dem wirtschaftlichen oder funktionalen Kreditbegriff gelten Geldbeschaffungsvorgänge des Staates dann als Schulden, wenn dem Staat Liquidität zufließt und zugleich eine Rückzahlungspflicht entsteht, also der Staat ohne Aufwendung eigener Mittel ein Bedürfnis in der Gegenwart befriedigt und ihm gleichzeitig eine Finanzierungslast für die Zukunft auferlegt wird. Daher sind Einnahmen aus der Veräußerung von staatlichen Liegenschaften mit der sofortigen Rückmiete dieser Liegenschaften (SaleLease-Back von Dienstgebäuden) als Krediteinnahmen zu bewerten. 3. Die Erstreckung des Direktionsgehalts der Haushaltsverfassung auf Nebenhaushalte und der wirtschaftlich-funktionale Kreditbegriff bilden zwei Kernpunkte eines Programms zur Ertüchtigung der Haushaltsverfassung de constitutione lata in schuldenbegrenzender Absicht. Ergänzt werden diese zwei inhaltlichen Vorgaben durch eine verfahrensmäßige Absicherung der Regeln zur Staatsverschuldung mittels der Figur der Darlegungslast. Der weite Beurteilungsspielraum des Gesetzgebers in der Haushaltsverfassung wird durch die Darlegungslast ausbalanciert, die dem Gesetzgeber auferlegt wird, wenn er die Kreditregeln in Normallage und Störungslage anwendet. Da die Haushaltsverfassung keine Festlegung auf ein genau umrissenes schuldenpolitisches Konzept enthält und Fragen der Staatsverschuldung immer auch politische Fragen sind, stellt die Figur der Darlegungslast Mindestanforderungen an das Haushaltsgesetzgebungsverfahren, um Publizität und Transparenz in Sachen Staatsverschuldung herzustellen. Nur so wird der Wahlbürger und Steuerzahler in die Lage versetzt, Verantwortlichkeiten zu erkennen und den politisch Handelnden Rechenschaft für ihr Tun abzuverlangen. 4. Dagegen gibt Art. 109 Abs. 2 GG keine verfassungsrechtliche Handhabe gegen Auswüchse der Budgetflucht und enthält für die Frage der Staatsverschuldung nur das Postulat bereit, ein stetiges Anwachsen des Schuldenberges zu vermeiden, ohne klare Anweisungen zur Umsetzung dieses allgemein gehaltenen Zieles an die Hand zu geben. Auch die europarechtlichen Begrenzungen gesamtstaatlicher Kreditaufnahme entfalten keine klaren kreditlimitierenden Wirkungen für die Haushalte von Bund und Ländern.
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III. Das Staatsvermögensrecht bildet einen zu Unrecht kaum beachteten Teil des deutschen Haushaltsrechts. Die ungenügende Abbildung von vermögenswirtschaftlichen Vorgängen schwächt die Effektivität des deutschen Haushaltsrechts insgesamt. Es gibt aber in Haushaltsverfassung und einfachem Haushaltsrecht verschüttete Grundlagen für ein Staatsvermögensrecht, die, einmal freigelegt, die Haushaltsverfassung stärken können. Die wichtigsten Elemente des Staatsvermögensrechts lassen sich wie folgt zusammenfassen: 1. Die Vermögensrechnung ist wesentlicher Bestandteil zeitgemäßer Haushaltswirtschaft und Rechnungslegung. Die Verfassungspflicht zur Vermögensrechnung aus Art. 114 GG stellt ein wichtiges zusätzliches Informations- und Kontrollinstrument für die öffentliche Haushaltswirtschaft bereit. Staatstheoretische und praktische Einwände gegen dieses Instrument sind nicht haltbar. 2. Der Grundsatz der wertmäßigen Vermögenserhaltung ist eine staatsrechtlich anerkannte Regel des deutschen Staatsvermögensrechts. Er bietet eine zentrale Rechtsregel für die staatliche Vermögenswirtschaft an, ist aber durch die Konzentration auf den Wertbestand und durch Ausnahmeregeln, die parlamentarisch abgesichert sind, flexibel genug, den Wandel von Staatsaufgaben zu begleiten. 3. Vermögensrechnung und Werterhaltungsgebot stehen dabei in einem sachlichen Zusammenhang: Nur wer Kenntnis über seine Vermögensverhältnisse hat, ist in der Lage, das Gebot der Substanzerhaltung (und seine Ausnahmen) überhaupt als Regel in ihrer Haushaltsentscheidungen leitenden Kraft anzuwenden. 4. Der Werterhaltungsgedanke wird besonders akzentuiert bei dem staatlichen Grundvermögen. Das deutsche Staatsvermögensrecht kennt zwei besonders bedeutsame Instrumente, um dem Gedanken der Werterhaltung für das Grundvermögen Geltung zu verschaffen: a) Der Zustimmungsvorbehalt des Parlaments zu Veräußerungen dient neben anderen Zwecken auch der Absicherung des Vermögenserhaltungsprinzips. Umgekehrt erlaubt die parlamentarische Zustimmung in abstrakt-genereller Form (als Gesetz in Gestalt der BHO/LHO) oder im konkreten Einzelfall ein Abweichen von diesem Prinzip. b) Die Einrichtung von Grundstocksvermögen gibt dem Werterhaltungsprinzip eine feste institutionelle Form. Diese herausgehobene Stellung von Liegenschaften im Staatsvermögensrecht entspricht – auch von den Beweggründen her – dem besonderen
Schlussfolgerungen
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Schutz, den Grundstückseigentum im deutschen Recht allgemein genießt, was sich anhand des Zivilrechts nachweisen lässt. 5. Vermögensrechnung und Gebot der Werterhaltung vollenden das Programm der Ertüchtigung der Haushaltsverfassung in schuldenbegrenzender Absicht. Auch sie ergeben sich de constitutione lata, ergänzen also zwanglos die teleologisch interpretierten bestehenden Normen der Haushaltsverfassung, welche die Zulässigkeit von Nebenhaushalten und die staatliche Kreditaufnahme regeln. IV. Die vermögenswirtschaftlichen Regeln des einfachen Haushaltsrechts sind durch die Neuordnung des staatlichen Liegenschaftswesens nicht in ihrer Wirksamkeit geschmälert worden. Einzige Ausnahme ist die bewusste Aufhebung des Verbots, für die staatliche Aufgabenerfüllung notwendige Grundstücke zu veräußern, im Zusammenhang mit dem „Kieler Immobiliengeschäft“, inzwischen gefolgt durch eine ähnliche Lockerung in Hessen. Diese Entgrenzung der Veräußerungsbefugnis und die besondere Bedeutung des staatlichen Grundvermögens werfen die Frage auf, ob die Verfügungsbefugnis des Gesetzgebers über das Staatsvermögen und insbesondere das staatliche Grundvermögen schrankenlos ist. 1. Das verfassungsrechtlich anerkannte Schutzgut der Funktionsfähigkeit des Staates bildet keine absolute Veräußerungsschranke, da es zwar unvertretbare Staatsaufgaben gibt, nicht aber unvertretbares – und damit unveräußerliches – Staatsvermögen. 2. Hingegen vermag der Begriff der (inneren) Souveränität gute Anhaltspunkte für die Einschätzung eines „vermögenslosen Staates“ zu liefern. Die Unschärfe dieses Begriffs, der über die rein verfassungsrechtliche Dimension hinaus maßgeblich die faktische Durchsetzungsmacht einer nach Recht und Verfassung handelnden Staatsgewalt erfasst, erlaubt es, die Bedeutung von Staatsvermögen und insbesondere Grundvermögen für die Staatlichkeit und Staatsgewalt darzustellen, und so das Problembewusstsein zu schärfen. a) In der deutschen Verfassungsgeschichte wurde in historischen Umbruchssituationen der Zusammenhang von Eigenstaatlichkeit und Grundvermögen immer wieder betont. Der föderale Vermögenskonflikt nach Gründung des Deutschen Kaiserreichs führte über das Reichseigentumsgesetz von 1873 zu der bis heute gültigen Vermögensverteilung im Bundesstaat nach dem Prinzip der Aufgabenakzessorietät, verbunden mit dem Grundsatz der historischen Restitution. Nach der deutschen Einheit 1990 wurde der föderale Vermögenskonflikt wieder virulent, als ein Verfassungsanspruch der neuen Bundesländer auf adäquate Vermögensausstattung diskutiert wurde.
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Schlussfolgerungen
b) Der föderale Vermögenskonflikt belegt, wie wichtig Staatsvermögen für die eigenständige Gestaltungsmacht und damit für Eigenstaatlichkeit ist. Dies gilt in erhöhtem Maße für staatliches Grundvermögen, weil die Möglichkeiten eigenverantwortlicher Aufgabenwahrnehmung entscheidend von der Quantität und Qualität staatlicher Liegenschaften abhängen. V. Für die Ertüchtigung der Haushaltsverfassung in schuldenbegrenzender Absicht kommt dem – allzu oft unterschätzten – Landesverfassungsrecht große Bedeutung zu. 1. Bei den Verfassungsregeln für die staatliche Kreditaufnahme ist ein Dispens für Sondervermögen nur in wenigen Ländern vorgesehen; das Landesverfassungsrecht ist hier also strenger als das Grundgesetz und bietet einen guten Anknüpfungspunkt für die Erstreckung des Direktionsgehalts der Haushaltsverfassung auf Nebenhaushalte. 2. Noch wertvoller ist der Beitrag der verfassungsrechtlichen und einfachrechtlichen Landesnormen zum Staatsvermögensrecht. Der Gedanke der Vermögenserhaltung, die besondere Wertschätzung staatlichen Grundvermögens und die Einrichtung des Grundstocks besitzen teilweise Verfassungsrang bzw. lassen sich in der Landesverfassungsgeschichte zurückverfolgen oder sind zumindest im einfachen Recht besonders ausgeprägt. Die Bewahrung der Eigenstaatlichkeit im Bundesstaat wird auch über die Existenz staatlichen Grundvermögens vermittelt und verteidigt. In Zeiten hoher Staatsverschuldung und vielfältiger Versuchungen, Grundvermögen zu mobilisieren, ist ein Anknüpfen an solche landesverfassungsrechtliche Traditionslinien dringend geboten.
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Sachverzeichnis Bruttoprinzip 95 Bundesanstalt für Immobilienaufgaben BImA 47 f., 91, 150, 203 Bundesfinanzverwaltung 63 Bundesstaatsprinzip 195 Bundesvermögensverwaltung 27, 47, 57 Bundeswehrliegenschaften 56 f., 64, 92 BVVG 27, 49, 157 Darlegungslast 108 f., 143 ff. – Einrichtung von Nebenhaushalten 110, 113, 132, 204 – Kreditaufnahme 144 f., 205 – Wirtschaftlichkeitsprinzip 71 Demokratieprinzip 64, 131 f., 188 Doppik siehe kaufmännische Buchführung Eigentumsübertragung von Liegenschaften 33 ff., 72 ff., 90 ff., 203 Einheit und Vollständigkeit des Haushalts 95 ff., 114, 132, 148, 204 – Dispens für Landesbetriebe und Sondervermögen 95 ff. Facility Management 16 ff., 28, 30 f., 67, 90, 200 Finanzkontrolle siehe Rechnungslegung bzw. Rechnungsprüfung Finanzschulden 124 ff. Finanzvermögen 26, 158, 163, 178, 197, 205 Fiskalisches Hilfsgeschäft 61 f., 201 Funktionsfähigkeit des Staates 61 f., 186, 187 ff., 201, 207
Gebäudemanagement Schleswig-Holstein 32 ff., 150 GEBB 49, 55 ff. Gesetzesvorbehalt 63, 85, 143 – Kreditaufnahme 116, 133 – Nebenhaushalt 100 ff., 132 – Widmung 75, 81 ff., 90, 202 Grundstock 27, 161, 177 ff., 183, 206 – Grundstock Sachsen-Anhalt 42 f. Haushaltsgesetz 77, 84 Haushaltsplan 77 ff., 84, 86 f., 173, 178 Investitionsausgaben 112 ff., 114, 121 f., 129, 204 Kameralistik 167, 185 Kaufmännische Buchführung 105, 149 f., 166 ff., 185 Kreditaufnahme 114 ff., 127 f., 133 ff., 204 f. – verdeckte 35 f., 123 ff. Landesbetrieb 37, 57, 94, 187, 201 – Dispens vom Prinzip der Einheit und Vollständigkeit des Haushalts 95 ff. – Landesbetrieb „Bau- und Liegenschaftsbetrieb“ Nordrhein-Westfalen BLB 44 f., 152 – Landesbetrieb „Betrieb für Bau und Liegenschaften“ Mecklenburg-Vorpommern BBL 46 f. – Landesbetrieb „Hessisches Immobilienmanagement“ HI 39 f. – Landesbetrieb „Liegenschafts- und Baubetreuung“ Rheinland-Pfalz LBB 37 f.
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Sachverzeichnis
– Landesbetrieb „Liegenschafts- und Immobilienmanagement Sachsen-Anhalt“ LIMSA 42 ff. – Landesbetrieb „Thüringer Liegenschaftsmanagement“ THÜLIMA 38 f. – Landesbetrieb „Vermögen und Bau Baden-Württemberg“ 41 f. – Staatsbetrieb „Sächsisches Immobilienund Baumanagement“ SIB 40 f. Liegenschaftsmanagement 23, 28, 58, 93, 147, 158, 200 – Bestandsaufnahme 25 ff., 57 ff. – und Wirtschaftlichkeitsgebot 72 Liegenschaftsverwaltung, staatliche 26 f., 57 – Strukturfragen 60 ff. – Typologie 57 ff., 201 Mogendorfer Modell 125 Nebenhaushalt 93 ff., 129, 147, 203 ff. – gesamtwirtschaftliches Gleichgewicht 139 ff., 147, 205 – Maastricht-Kriterien 141 ff., 205 – Rechtfertigung 104 ff., 132, 204 – Staatsverschuldung 116 ff. NIMBUS 48 Öffentliche Sachen 73
– materielle 30 f., 59, 64 ff., 187, 201 – Vermögensprivatisierung 58, 158 f., 187 Rechnungslegung 148 ff., 162, 169, 206 Rechnungsprüfung 70 f., 150 ff., 164 Reichseigentumsgesetz 175 f., 193 f. Sale-Lease-Back 29, 31, 37, 91 f., 113, 123 ff., 138, 187, 203, 205 Sanierungsbedarf 23 f. Sonderabgabe 104, 110, 136 Sondervermögen 27, 42 ff., 58, 91, 94, 186 – Dispens vom Prinzip der Einheit und Vollständigkeit des Haushalts 95 ff. – Dispens von Kreditaufnahmeregeln 116 ff. – „Sondervermögen Immobilien des Landes Berlin“ 52 ff. – „Sondervermögen Immobilien und Technik“ Bremen 50 f. – Sondervermögen „Landesliegenschaftsfonds Niedersachsen“ LFN 47 Souveränität 190 ff., 196, 198, 207 Staatsaufgaben 61 f. – unvertretbare 65 ff., 187 f., 202, 207 Staatsmodernisierung 20 f., siehe auch Verwaltungsmodernisierung Steuerbewilligungsrecht 179 Subvention 86 ff. TLG Immobilien GmbH 27, 49, 157
Parlamentarisches Budgetrecht 103, 107, 114, 116, 122, 130, 146, 148, 172, 177, 204 Parlamentsvorbehalt – bei Veräußerung von staatlichem Grundvermögen 174 f., 177, 180, 182, 206 – bei Veräußerung von Staatsvermögen 172 f. Privatisierung 30 f., 58 f., 190, 192, 201 – formelle 59, 94, 201
Verfassungsgewohnheitsrecht 98 Vermögenserhaltung 170 ff., 176, 178 ff., 182 ff., 186, 190, 206 „Vermögensloser“ Staat 190 ff., 207 Vermögensrechnung 149, 161 ff., 177, 183 f., 206 Vermögensübersicht 155 Verwaltungsgebrauch 26, 73 f., 89, 155 Verwaltungsmodernisierung 20 f., 25, 200
Sachverzeichnis Verwaltungsschulden 124 f., 137, 205 Verwaltungsvermögen 26, 158, 163, 178, 197
Widmung 26, 73 f., 76 f., 89, 202
Wahlfreiheit der Verwaltung 60, 201 Werterhaltung siehe Vermögenserhaltung
– Darlegungslast 71
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Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit 69 ff., 97, 202 – Verfassungsgebot 69 f., 202
SUMMARY Introducing new facility management methods and re-organizing state and federal agencies accordingly has been part of modernizing public administration in Germany since the 1990s. This raises various constitutional issues treated in this book. The first part gives a brief survey of how the state and federal real estate management agencies have been reformed since the mid-1990s, mostly leading to a “Landesbetrieb” (a public sector agency with a certain degree of managerial independence). The second part concentrates on state and federal constitutional norms regulating budgeting and borrowing. Financing public needs through off-budget funds, as created by the new structures of real estate management on the state and federal level, violates Art. 110 and 115 of the Constitution, which aim at comprehensive parliamentary control over public expenses and borrowing. The last section discusses the nucleus of public property law that can be found in the German Constitution. Particular emphasis is put on state constitutional law since real estate owned by the Länder underpins their sovereignty. Full-fledged public accounting rules and the principle of maintaining public property are important checks to overborrowing and to selling off public assets.
RÉSUMÉ La réorganisation de la gestion des biens-fonds de l’Etat fait partie de la modernisation de l’administration publique des Länder et de l’Etat fédéral en Allemagne. La première partie du livre retrace les grandes lignes de ce processus et établit un schéma de l’évolution des administrations concernées tant au niveau des Länder qu’au niveau fédéral, la structure la plus répandue étant le »Landesbetrieb« (entité de droit public dotée d’une certaine autonomie gestionnaire). La seconde partie reprend les questions de droit constitutionnel posées par ces réformes administratives. Sont notamment traités les défis lancés par des activités extrabudgétaires échappant aux règles de la Loi fondamentale et aux normes correspondantes des Länder sur le budget et l’endettement public et nécessitant l’application étendue de ces règles pour limiter l’endettement de l’Etat de manière efficace. Enfin, la dernière partie est consacrée aux biens de l’Etat, surtout à ses biens-fonds, et les (rares) normes régissant la gestion de ceux-ci. Puisant dans la tradition constitutionnelle des Länder et l’article 114 de la Loi fondamentale, nous démontrons l’importance d’un véritable bilan de l’Etat, allant au-delà de la présentation classique des comptes publics, et du principe de maintien (en valeur) du bien public, la liquidation des biens-fonds de l’Etat risquant de remettre en question la souveraineté de l’Etat.