Sprachpflegediskurse in Deutschland und Frankreich: Öffentlichkeit – Geschichte – Ideologie 9783110723915, 9783110718102, 9783110724059, 2021936408

This contrastive discourse linguistic study examines language planning in Germany and France as a public, historical and

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German Pages 712 [714] Year 2021

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Sprachpflegediskurse in Deutschland und Frankreich: Öffentlichkeit – Geschichte – Ideologie
 9783110723915, 9783110718102, 9783110724059, 2021936408

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Vera Neusius Sprachpflegediskurse in Deutschland und Frankreich

Beihefte zur Zeitschrift für romanische Philologie

Herausgegeben von Éva Buchi, Claudia Polzin-Haumann, Elton Prifti und Wolfgang Schweickard

Band 455

Vera Neusius

Sprachpflegediskurse in Deutschland und Frankreich Öffentlichkeit – Geschichte – Ideologie

Eingereicht als Dissertation zur Erlangung des Doktorgrades an der Philosophischen Fakultät der Universität des Saarlandes. Datum der Disputation: 26. Juni 2020. Dekan: Prof. Dr. Heinrich Schlange-Schöningen Gutachter: Prof. Dr. Claudia Polzin-Haumann Prof. Dr. Dres. h. c. Wolfgang Schweickard Prof. Dr. Dietmar Osthus

ISBN 978-3-11-071810-2 e-ISBN [PDF] 978-3-11-072391-5 e-ISBN [EPUB] 978-3-11-072405-9 ISSN 0084-5396 Library of Congress Control Number: 2021936408 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2021 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston Satz: Meta Systems Publishing & Printservices GmbH, Wustermark Druck und Bindung: CPI books GmbH, Leck www.degruyter.com

Vorwort Bei der vorliegenden Arbeit handelt es sich um die leicht gekürzte und in einzelnen Teilen aktualisierte Fassung meiner Dissertationsschrift, die im Sommersemester 2020 von der Philosophischen Fakultät der Universität des Saarlandes angenommen wurde. Die Dissertation entstand am Lehrstuhl für Romanische Sprachwissenschaft von Prof. Dr. Claudia Polzin-Haumann, die mich nach dem Staatsexamen zu meinem Promotionsvorhaben ermutigt hat. Als meine Doktormutter und Lehrerin verdanke ich ihr nicht nur die Heranführung an das Thema Sprachpflege mit dem Ziel, eine umfassende sprachvergleichende Bestandsaufnahme zu realisieren, sondern auch die professionelle, ideelle und persönliche Förderung an den unterschiedlichsten Stellen meines wissenschaftlichen Werdegangs. Für diese außergewöhnliche Unterstützung, den fachlichen Austausch und Rat sowie das Vertrauen in meine Person und meine Arbeit gebührt ihr mein aufrichtigster und herzlichster Dank. Prof. Dr. Dres. h. c. Wolfgang Schweickard danke ich nicht nur für die Erstellung des Zweitgutachtens, sondern auch für seine fachliche Begleitung und seine stets konstruktive Kritik an dieser Arbeit und anderen Forschungsbeiträgen. Meinen beiden Betreuern sowie Prof. Dr. Éva Buchi und Prof. Dr. Elton Prifti sei ebenfalls gedankt für die Aufnahme der Arbeit in die Reihe der Beihefte der Zeitschrift für romanische Philologie. Ganz herzlich bedanke ich mich in diesem Zusammenhang auch bei Dr. Ulrike Krauß, Dr. Christine Henschel und Monika Pfleghar für die freundliche und hilfsbereite Betreuung bei der Drucklegung des vorliegenden Bandes. Mein Dank gilt ferner den Mitgliedern meiner Prüfungskommission, insbesondere Prof. Dr. Dietmar Osthus für seine Bereitschaft, die Arbeit als externer Prüfer zu begutachten. Mein sehr persönlicher Dank gilt meinen lieben Kollegen und Freunden am Lehrstuhl, in der Saarbrücker Romanistik und Germanistik: Marco Agnetta, Peter Bach, Tim Christmann, Isabel Exner, Natascha Immesberger, Gina Jablonski, Fabienne Korb, Christina Reissner, Jürgen Stemler sowie Hannah Steurer, die mir als Korrekturleserin eine große Unterstützung war. Ihr alle habt mich nicht nur als Studienfreunde, Bürogenossen und Partner bei verschiedenen Projekten begleitet, sondern mir auch als hilfsbereite Vertraute und Freunde eine sehr schöne gemeinsame Zeit beschert, an die ich mich immer gerne zurückerinnern werde, und die für mich an vielen Stellen über die Grenzen des Berufsalltags hinausreicht. Meiner lieben Kollegin Kerstin Sterkel danke ich für ihre tatkräftige, verlässliche und selbstlose Unterstützung bei unzähligen Dingen, die weit mehr als viele Stunden der formalen Korrektur dieser Arbeit umfasst. https://doi.org/10.1515/9783110723915-201

VI

Vorwort

Julia Montemayor danke ich von Herzen für ihre berufliche und vor allem persönliche Freundschaft. Es war und ist für mich von unschätzbarem Wert zu wissen, dass ich mich immer auf Dich verlassen kann. Ich danke Dir sehr für deine Begleitung, deinen Rat, deinen positiven Geist und Zuspruch – und für die Korrektur etlicher Seiten dieser Arbeit. Ich freue mich sehr, dass wir diesen Weg auch in Zukunft gemeinsam gehen werden. Teresa Wenz danke ich für Ihre unersetzbare Freundschaft, die mich «von der ersten Stunde an» begleitet hat und immer präsent war, egal wie weit wir voneinander entfernt waren. Meinen Eltern Annerose und Michael Neusius gilt meine größte Dankbarkeit und tiefe Anerkennung. Mit Rückhalt, bedingungsloser Unterstützung und uneingeschränktem Verständnis für meine Arbeit und vieles andere habt Ihr mir immer ermöglicht, meinen eigenen Weg zu gehen und heute der Mensch zu sein, der ich bin. Meine innigste Verbundenheit gilt Moritz Mathieu, der diese Arbeit und mich stets mit Geduld, Zuversicht, Liebe und nicht zuletzt mit technischem Sachverstand begleitet hat. Meine Dankbarkeit für Dich und mein Dank an Dich lassen sich nicht in Worte fassen. Ihnen, meiner Familie, widme ich dieses Buch. Saarbrücken, im März 2021

Vera Neusius

Inhalt Vorwort

V

1

Einleitung

2 2.1 2.1.1 2.1.2 2.1.3

Metasprachdiskurse als öffentliche Systeme 7 9 Öffentlichkeit als Begriff und System 9 Zentrale begriffsgeschichtliche Entwicklungsphasen 20 Öffentlichkeit im postmassenmedialen Strukturwandel Funktionsbestimmungen und Modelle moderner 23 Öffentlichkeit 32 Intermediäre Öffentlichkeit: Ebenen und Akteure Digitale Öffentlichkeiten: Entgrenzung sozialer 40 Gegensätze? 46 Demokratisierung von Wissen im öffentlichen Diskurs Metasprachdiskurse als öffentliches Teil- und 61 Handlungssystem Digitaler Strukturwandel – Deutschland und Frankreich im 82 Vergleich 104 Zwischenfazit

2.1.4 2.2 2.2.1 2.2.2 2.2.3 2.3 3 3.1 3.2 3.2.1 3.2.2 3.2.3 3.2.4 3.2.5 3.2.6 3.3 3.3.1

1

107 Metasprachdiskurse als historische Systeme Sprechen über Sprache zwischen Deskription und 107 Bewertung 118 Deutschland 17. und 18. Jahrhundert: Sprachreflexion und Sprachkultur Exkurs: Sprachpflege, Sprachkulturtheorie und Sprache als 137 soziales Handeln Sprachpurismus als historische Dimension von 149 Sprachpflege 19. und 20. Jahrhundert: Sprachnationalismus und 156 Fremdwortjagd Sprachpflege nach 1945: Sprachberatung und 164 Reideologisierung 185 Der Verein Deutsche Sprache 213 Frankreich Frankreichs Metasprachdiskurs: «passion», «excellence», 213 «exception»?

120

VIII 3.3.2 3.3.3 3.3.4 3.3.5 3.3.6 3.3.7 3.3.8 3.3.9 3.4 4

4.1 4.1.1 4.1.2 4.1.3

4.1.4 4.2 4.2.1 4.2.1.1 4.2.1.2 4.2.1.3 4.2.2 4.3 4.3.1 4.3.1.1 4.3.1.2 4.3.1.3 4.3.2 4.3.2.1

Inhalt

Anfänge des französischen Metasprachdiskurses 218 16. Jahrhundert: Französischer Sprachdiskurs und romanischer Machtdiskurs 231 17. Jahrhundert: Standardisierung und Purifizierung 276 18. Jahrhundert: Universalität und Nationalsprachendiskurs 327 19. Jahrhundert: Sprachverfallsdiskurs 359 Exkurs: Laienlinguistik als diskursives Spannungsfeld 373 20. Jahrhundert bis heute: Sprachpflege als Sprachverteidigungsdiskurs 399 Der Verein Avenir de la Langue Française 428 Zwischenfazit 439 Metasprachdiskurse als ideologische Systeme: Vergleichende diskurslinguistische Analysen des öffentlichen Sprachpflegediskurses 443 in Deutschland und Frankreich Methode und Korpus 443 443 Handlungsorientierte diskurslinguistische Analyse Diskursives Handeln: Sprachliche Praktiken und soziale 454 Positionierungen Regime, Vektoren und Realisierungen metasprachlichen Handelns: Sprachideologien, Spracheinstellungen, 471 Sprachgebrauchsmuster 491 Korpus: Datenauswahl und Analysedesign Diskurssteuerung und metasprachliche Handlungsebenen – 504 Sprachpflegevereine als «ideology brokers» 504 Topische Strukturen 506 Sprachstatusbezogene Topoi 526 Sprachkorpusbezogene Topoi 533 Gegenstandsübergreifende Topoi 545 Metaphorische Konzepte Diskursrezeption und Diskursmodifikation in virtuellen Räumen – 560 Sprecherpositionierungen und Spracheinstellungen 562 Deutschland 562 Sprachstatusbezogene Topoi 589 Sprachkorpusbezogene Topoi 597 Metaphorische Konzepte 602 Frankreich 604 Sprachstatusbezogene Topoi

Inhalt

614 Sprachkorpusbezogene Topoi 618 Metaphorische Konzepte

4.3.2.2 4.3.2.3 5

Diskussion der Ergebnisse und Ausblick

623

635 6 Literaturverzeichnis 635 6.1 Korpus und konsultierte Primärdaten 635 6.1.1 Historische Daten 636 6.1.2 Aktuelle Daten 6.1.2.1 Sprachpflegevereine, -institutionen und -projekte 641 6.1.2.2 Zeitschriften 641 6.1.2.3 Soziale Netzwerke und Medienbeiträge 651 6.1.3 Offizielle Dokumente und Gesetzestexte 654 6.2 Forschungs- und Sekundärliteratur 695 6.3 Medienberichte und Statistiken Abbildungsverzeichnis Tabellenverzeichnis Sachindex

701

697 699

636

IX

1 Einleitung Die Fremdwörterjagd von einst ist heute passé – die Hetze gegen alles Fremde jedoch, das Schwadronieren vom Verlust der Identität ist zurück. (Göttert 2019)

«Nein, neu sei das Thema nun wirklich nicht gerade. Die Sorge um den Sprachverfall werde immer wieder einmal laut» (Spitzmüller 2005, 1). Mit diesen Worten leitet Spitzmüller (2005) in seine Arbeit zu Metasprachdiskursen ein. Heute, mehr als 15 Jahre später, ist die öffentliche Diskussion um Sprache ebenso wenig «neu» – aber sie bleibt aktuell und ist durch den gesellschaftlichen und medialen Wandel an neue Bedingungen geknüpft und neuen Dynamiken unterworfen. Auch in der romanistischen Linguistik stellen Metasprachdiskurse einen gut untersuchten Forschungsgegenstand dar (cf. zuletzt Dahmen et al. 2017). Insbesondere gilt dies für den Bereich der französischen Sprachpflege, die als «bewußtes, zielorientiertes Eingreifen in Sprechen und Sprache […] der gelenkten Herausbildung, Entwicklung und Bewahrung der Gemeinsprache [dient]», und zwar, so weiter Schmitt (1998b), «wie dies bereits die défenseurs des 16. und 17. Jahrhunderts, die sprachpolitisch engagierten Revolutionäre, zahlreiche Grammatiker und Autoren seit der Klassik, die Sprachskeptiker des fin-de-siècle, die Verteidiger der Kultur im 20. Jahrhundert oder auch die zeitgenössischen Sprachinstanzen und ihre Vertreter immer wieder betont haben» (1998b, 220).

Aktuelle Tendenzen von Sprachpflegediskursen sind fest in ihrer Historizität verwurzelt, und wie Göttert (2019) in seiner Realsatire zur Sprachreinigung im Deutschen unterstreicht, offenbart sich ihre Verankerung in der Geschichte vor allem in heute wieder zunehmend (aggressiven) nationalistischen Kontexten. Diese für den deutschen Metasprachdiskurs als «Wiederkehr» beschriebene Entwicklung steht einer in zahlreichen romanistischen Forschungsarbeiten nachgezeichneten Entstehungsgeschichte der französischen Sprachpflege gegenüber,1 die seit der Frühen Neuzeit kontinuierlich dafür eintritt, «die streng

1 Cf. im Überblick Schmitt (1996); Polzin-Haumann (2006). Zum 16. und 17. Jh. cf. Mayer (2013); Zollna (2013); zur Französischen Revolution cf. Balibar/Laporte (1974); Schlieben-Lange (1981; 1988; 1996); Bochmann (1993); zum 19. Jh. cf. Langenbacher-Liebgott (1983); Görtz (1990); zum 20. Jh. cf. Muller (1985). Für einen ausführlichen Forschungsstand cf. Kap. 3. https://doi.org/10.1515/9783110723915-001

2

1 Einleitung

fixierte Sprachnorm und ihre Entwicklung zu bewahren», wodurch «eine Modernisierung (aménagement) der Norm verzögert, ja verhindert [wird]» (Lebsanft 2002, 64). Diese «exception (méta-)linguistique française», die v. a. in einer strengen und gegenüber anderen Sprachen rücksichtslos geführten Sprachpolitik Ausdruck findet (cf. Schmitt 1990; 2000), stellt mit Blick auf die sprachhistorische Entstehung weniger eine «Ausnahme» denn eine diskursgeschichtliche Tradition dar. Vor diesem Hintergrund lässt sich auch erklären, dass nicht aktuelle Tendenzen der französischen, sondern der deutschen Sprachpflege Ausgangspunkt dieser Arbeit waren. Dort stellt der in den 1990er Jahren gegründete Verein Deutsche Sprache eine zunehmend einflussreiche Instanz der öffentlichen Sprachendiskussion dar (cf. z. B. Wirth 2010), dessen heutige Prominenz, sprachnationalistisches Programm und fremdwortpuristische Haltung (cf. Stukenbrock 2005b) zum Vergleich mit der französischen Sprachpflege angeregt haben, deren Diskurs einem sehr ähnlichen ideologischen Duktus folgt. Angesichts dieser Annahme sprachideologischer Konvergenzen zwischen beiden Metasprachdiskursen ist es Ziel der Arbeit, eine Bestandsaufnahme zu aktuellen Sprachpflegediskursen in Deutschland und Frankreich zu liefern. Die Heranführung an den Gegenstand «Sprachpflege» als Diskurs i. S. metasprachlicher Praktiken erfolgt dabei aus gesellschaftstheoretischer, historischer und diskurslinguistischer Perspektive. Dieser multiperspektivische Ansatz dient einer möglichst differenzierten Dokumentation und Reflexion von Sprachpflege als transnationalem und soziohistorischem Phänomen, «d[em] gerade in Zeiten rapider und weltweiter Veränderungen in den medialen Rahmenbedingungen der Kommunikation besondere Bedeutung und Aktualität zukommt» (PolzinHaumann/Schweickard 2017, 7). Die gewählte sprachvergleichende Perspektive versteht sich als Beitrag zu den «Desiderata, die in der romanistischen Sprachwissenschaft hinsichtlich diskurslinguistischer Fragestellungen bestehen» (Rocco/Schafroth 2019b, 20). Die in der germanistischen Forschungspraxis fest etablierte Diskurslinguistik als Theorie und Methode der Sprachwissenschaft (z. B. Busse/Teubert 2013; Spitzmüller/Warnke 2011; Warnke 2018a) wird erst in jüngster Zeit eingehender in Arbeiten der romanistischen Linguistik rezipiert. Dort zeichnet sich, neben sprachspezifischen Studien (cf. Castro Zambrano 2015; Pietrini 2018), mit Ansätzen zu einer epistemologischen Erweiterung der traditionellen Diskurstheorie «nach Foucault» (cf. Weiland 2020), mit einzelnen sprachvergleichenden Beiträgen (cf. z. B. Scholz/Angermuller 2013; Mast/Weiland 2017; Neusius 2017; Bubenhofer/Rossi 2019) sowie mit der Diskussion methodischer und forschungspraktischer Herausforderungen interlingualer Studien (cf. Böke et al. 2000; Rocco/Schafroth 2019a) ein zunehmendes Interesse am Ausbau einer romanisti-

1 Einleitung

3

schen Diskurslinguistik, auch mit interlingualer Schwerpunktsetzung, ab. Der Nutzen sprachvergleichender diskurslinguistischer Analysen ist mit Rocco/ Schafroth (2019b) wie folgt zu begründen: «Das Erkenntnispotenzial des Vergleiches wurde bereits mehrfach und im Rahmen verschiedener Disziplinen aufgezeigt. Besonders auch sprachwissenschaftliche Studien führen auf verschiedenen Wegen zu der Einsicht, dass intra- und interlingualer Vergleich vielfach zu theoretischer und empirischer Perspektiverweiterung beitragen kann, sei es auf phonetisch-phonologischer, morphosyntaktischer, lexikalischer oder auf textueller Ebene. Auf der Diskursebene muss Vergleichen insoweit als unverzichtbar angesehen werden, als es eine der Diskursanalyse immanente komplexitätsreduzierende Praktik bildet und als solches auch ein wesentliches Instrument der Dekonstruktion im Sinne der Infragestellung bestehender Ordnungen» (Rocco/Schafroth 2019b, 8).

Neben der oben bereits betonten historischen Dimension von Metasprachdiskursen ist Sprachpflege als öffentlicher Diskurs durch Phänomene des gesellschaftlichen Strukturwandels geprägt (cf. Schiewe 2004; Habermas 2015). Die aktuelle Transformation sozialer Strukturen und kommunikativer Prozesse ist dabei in Abhängigkeit von der zunehmenden Digitalisierung der Gesellschaft zu betrachten (cf. Marx/Schwarz-Friesel 2013). Mit der rapiden medialen Ausdifferenzierung von Diskursen potenzieren sich dementsprechend auch die Möglichkeiten der Kommunikation sowie der Partizipation an geteilten, auf Sprache bezogenen Wissensbeständen. Mit Blick auf die Öffentlichkeit von Metasprachdiskursen impliziert diese gesamtgesellschaftliche Dynamik zum einen die stärkere Teilhabe der sprachinteressierten Öffentlichkeit an sprach- und kommunikationsbezogenen Fragen im Allgemeinen, aber auch eine wachsende Skepsis gegenüber Sprachwandelphänomenen, die Sprache als Teil individueller oder kollektiver Identität in Frage stellen. Zum anderen bieten neue Angebote der medialen Kommunikation auch für Sprachpflege als ideologische Instanz innerhalb öffentlicher Metasprachdiskurse die Möglichkeit, über andere Kanäle mit einem großen Publikum in den Austausch zu treten und eigene Interessen gegenüber einer breiten Masse zu kommunizieren. Auf der Grundlage dieser theoretischen Einführung in die Fragestellung können drei Dimensionen von Metasprachdiskursen definiert werden (soziologisch – historisch – ideologisch), die in dieser Arbeit im Rahmen eines sprachvergleichenden diskursanalytischen Untersuchungsansatzes zu einer breit reflektierten, aber dennoch differenzierten Analyse deutscher und französischer Sprachpflege zusammengeführt werden. Diese drei Dimensionen legen die inhaltliche Gliederung der Arbeit fest, die im Folgenden anhand der zentralen Untersuchungsfragen skizziert wird: Anhand der Einordnung von Metasprachdiskursen als öffentlichen Systemen (cf. Kap. 2) wird «Sprachpflege» als gesellschaftliches Teilsystem respekti-

4

1 Einleitung

ve Domäne von Öffentlichkeit als Raum verschiedener gesellschaftlicher Diskurse beschrieben (cf. Etzioni 1968; Gerhards/Neidhardt 1990). Nach einer definitorischen Aufschlüsselung des Öffentlichkeitsbegriffs (cf. Kap. 2.1.1) und der Konturierung von Öffentlichkeit(en) im postmassenmedialen Strukturwandel (cf. Kap. 2.1.2), wird die Intermediarität des öffentlichen Diskurses als Merkmal moderner Wissensgesellschaften beschrieben (cf. Kap. 2.1.4). Eine Zusammenfassung soziologischer Ansätze (cf. Marx Ferree et al. 2002), die «Öffentlichkeit» auf der Grundlage normativer Diskursmodelle unterscheiden (cf. Kap. 2.1.3), dient als Grundlage, um Analogien zwischen der Struktur historischer und aktueller Öffentlichkeiten und der jeweiligen Stratifizierung von Metasprachdiskursen herauszuarbeiten. Der Blick auf die Entstehung und die Bestimmungsfaktoren «digitaler Öffentlichkeiten» (cf. Kap. 2.2) stellt die Weichen für die Diskussion gesellschaftlicher Strukturwandelphänomene, die auch für Metasprachdiskurse fundamental sind: Welche Akteure haben Zugang zu Metasprachdiskursen (cf. z. B. Gerhards/Schäfer 2010)? Welche Bedeutung haben unterschiedliche Typen metasprachlichen Wissens (cf. Wichter/Antos 2001)? Wie determinieren diese Typen metasprachlichen Wissens die Zuweisung bestimmter Positionen und Rollen innerhalb der Diskursgemeinschaft? Welche Implikationen haben Formen des digitalen Wissenstransfers auf die Aushandlung metasprachlicher Wissensbestände in realen und virtuellen Räumen (cf. Gerstenberg/Polzin-Haumann/Osthus 2012)? Werden bestimmte Diskursräume von bestimmten Akteuren des öffentlichen Metasprachdiskurses besetzt? Antworten auf diese Fragen werden anhand schlaglichtartiger Einblicke in digitale Domänen von Sprachpflege illustriert (cf. Kap. 2.2.2). Die Darstellung von sprachenbezogenen Diskursen als historischen Systemen (cf. Kap. 3) beabsichtigt eine ausführliche Rekonstruktion der sprachgeschichtlichen Etappen und Ereignisse, die zur Genese von Sprachpflege als einer dominant nationalistischen und puristischen Ausdrucksform von Metasprachdiskursen beigetragen haben. Nach einer kurzen terminologischen Übersicht über weitere Skopen von Metasprachdiskursen auf einem Kontinuum zwischen Beschreibung und Bewertung (cf. Kap. 3.1), die im Laufe der Arbeit weiter definitorisch abgegrenzt werden, werden in zwei aufeinanderfolgenden Kapiteln die sprachideologischen Leitlinien von Sprachpflege in Deutschland und Frankreich analysiert (cf. Kap. 3.2–3.3). Anhand ausgewählter Primärquellen aus dem Bereich der deutschen und französischen Sprachreflexionsgeschichte werden diskursive Leitlinien erarbeitet und Sprachgebrauchsmuster rekonstruiert (cf. Bubenhofer 2009), die in aktuellen sprachbezogenen Manifestationen aufgegriffen und moduliert werden. Ziel dieser diskursgeschichtlichen Zusammenschau ist es, das sprachideologische Fundament von Sprachpflege zu re-

1 Einleitung

5

konstruieren, um nachvollziehen zu können, anhand welcher historisch gewachsenen Denk- und Handlungsmuster Sprecher heute die eigene oder andere Sprache(n) bewerten. Bei dieser Rekonstruktion wird es auch darum gehen, die Verbindung von Öffentlichkeitsstruktur und Diskursarchitektur im Rückgriff auf normative Öffentlichkeitsmodelle zu belegen (cf. Kap. 2.1.3). Hierzu wurden beispielhaft mit dem siècle classique und der Französischen Revolution Epochen der französischen Sprachgeschichte fokussiert, in denen ein radikaler gesellschaftlicher Strukturwandel zu markanten Einschnitten in der Diskurs- und Mentalitätsgeschichte geführt hat. Im Rahmen von zwei Exkursen werden aus der Geschichte des deutschen und französischen Metasprachdiskurses heraus ergänzende theoretische Prämissen erarbeitet: Ein erster Exkurs zur Sprachkulturtheorie dient einer tiefergehenden definitorischen Abgrenzung von «Sprachpflege» und «Sprachkultur» (cf. Kap. 3.2.2), rezipiert und systematisiert aber auf der Basis des Modells sprachlicher Handlungsschemata nach Janich (2004) eine Einteilung (meta-)sprachlichen Handelns in eine kommunikative und nicht-kommunikative Ebene. Diese wird später im Rahmen des handlungsorientierten diskurslinguistischen Analyseansatzes adaptiert (cf. Kap. 4.1.1). Ein zweiter Exkurs reflektiert die Bedeutung und Position der Laienlinguistik (cf. Antos 1996; Preston 2003; Paveau 2008; Osthus 2015), die sich als spezifisches metasprachliches Paradigma aus der sukzessiven Entgrenzung des öffentlichen Diskurses herausgebildet hat. In diesem Zusammenhang wird der Status sog. sprachlicher «Laien» in Abgrenzung zur Linguistik und zur Sprachpflege kritisch in Frage gestellt und epistemologisch diskutiert (cf. Kap. 3.3.7). In Anknüpfung an diesen diskursgeschichtlichen Teil folgt abschließend die Analyse von Sprachpflege als ideologischem System (cf. Kap. 4), deren Ziel es ist, aktuelle Tendenzen der Sprachpflege anhand einer Analyse von Sprachideologien und Spracheinstellungen auf verschiedenen Diskursebenen zu konturieren (cf. Reisigl/Ziem 2014; Busch 2019; Soukup 2019; Kap. 4.1.3). Die Fokussierung auf Sprachideologien als eine fundamentale Motivation von Metasprachdiskursen neben sprachästhetischen Positionen der Sprecher und kulturellen Ambitionen sowie politischen Souveränitätsansprüchen von Sprachgemeinschaften (cf. Schweickard 2005, 180–186) gründet erstens in der theoretischen Grundannahme, dass sprachästhetische Haltungen der Sprecher ebenso wie ihre Sorge um den politischen und kulturellen Status der Sprache stets ideologisch regiert sind, und zweitens im methodischen Ansatz einer diskurslinguistisch fundierten, transtextuellen Sprachanalyse (Spitzmüller/Warnke 2011), die mit der sprachvergleichenden Studie angestrebt wird. Das methodische Vorgehen dieser Analyse beruht auf einer akteursbasierten Einteilung des Diskurses nach Diskurspositionen und Interaktionsrollen.

6

1 Einleitung

Dabei wird angenommen, dass Sprachpflege als sprachideologischer Diskurs einer sozialen Stratifizierung unterliegt, in der bestimmte Sprachpflegeorganisationen als Produzenten und die sprachinteressierte Öffentlichkeit als Rezipienten auftreten. Mit dieser akteurszentrierten Einteilung des Diskurses wird beabsichtigt, den Transfer metasprachlichen Wissens zwischen Produzenten und Rezipienten zu beschreiben. Darüber hinaus werden mediale Handlungskontexte und Kommunikationsformen berücksichtigt (Zeitschriften, Social Media-Netzwerke, Diskussionsforen), die bei der Konstitution und Festigung von Sprachideologien und der Artikulation von Spracheinstellungen ausschlaggebend erscheinen. «Sprachideologien» als Regime (cf. Kroskrity 2000) und «Spracheinstellungen» als Vektoren respektive Multiplikatoren von Sprachpflegediskursen stellen die zentralen Ansatzpunkte einer handlungsorientierten diskurslinguistischen Analyse dar (cf. Spieß 2011; 2018c; Kap. 4.1.1), in deren Zentrum das Erfassen von Sprachpflege als sprachlichem und sozialem Interaktionssystem steht. In diesem Interaktionssystem werden metasprachliche Manifestationen als Positionierungen der Sprecher zum Gegenstand Sprache und als Ausrichtungen an anderen sozialen Gruppen beschreibbar (cf. Silverstein 2003; Spitzmüller 2013; Spieß 2018a; 2018b; Kap. 4.1.2). Derartige Positionierungen drücken sich in diskursspezifischen Sprachgebrauchsmustern aus, die zum Teil bereits in den historischen Primärquellen beschrieben werden können (cf. Kap. 3). Ausgehend von einer sprachlichen Analyse topischer Strukturen, die als indexikalische Argumentationsmuster auf der transtextuellen Ebene des Diskurses figurieren, werden Metaphern und lexikalische Einheiten als spracheinstellungskonstitutive Elemente auf der intratextuellen Ebene von Diskursen interpretiert. Anhand dieser sprachlichen Analyse von Sprachpflege werden verschiedene Herangehensweisen an Metasprachdiskurse erprobt. Dabei soll die Integration qualitativer und quantitativer Datenanalysen im Rahmen eines Mixed Methods-Designs (cf. Tashakkori/Teddlie 2003; Kuckartz 2014; Kelle 2019) zu einer systematischen und anschaulichen Aufbereitung sprachvergleichender Diskursanalysen beitragen und zu einer tiefergehenden Auseinandersetzung mit den Methoden der empirischen Sozialforschung in angewandten linguistischen Forschungen anregen (cf. Kap. 4.1.4). Mit dem hier vertretenen multiperspektivischen Ansatz strebt die vorliegende Arbeit an, die Komplexität von Sprachpflegediskursen als transnationalem Phänomen aus ihrer Vergangenheit heraus zu erfassen, für die Gegenwart und mit kritischem Blick auf die Zukunft zu beschreiben und somit einen aktuellen Beitrag zu den Aufgaben einer vergleichenden Sprachwissenschaft zu leisten.

2 Metasprachdiskurse als öffentliche Systeme Das Gefühl des Sprachverfalls trügt nicht. Die Wissenschaftler fasziniert Veränderung, für den Normalbürger jedoch bedeutet sie einen Verlust. (Welt, 22. 03. 2013) Quel est donc ce peuple qui a honte de sa propre langue? (Le Monde, 25. 05. 2013)

Die als Einleitung zu diesem Kapitel aufgeführten Zitate waren 2013 – zu Beginn der Zusammenstellung des Korpus, das dieser Arbeit zugrunde gelegt wird – als Titelzeilen zweier Online-Artikel in den Tageszeitungen Welt und Le Monde zu lesen. Beide Zitate bestätigen zum einen den unter Sprachwissenschaftlern geteilten Eindruck, dass die Diskussion um Sprache(n) und ihre Sprecher in Deutschland und in Frankreich kein historisches Relikt ist, sondern einen hochaktuellen Teil des öffentlichen Diskurses in beiden Ländern einnimmt,1 wo sie einen gut untersuchten Forschungsgegenstand der romanistischen und germanistischen Forschung darstellt. Zum anderen zeigen diese Titel aber auch sehr anschaulich, dass der öffentliche Metasprachdiskurs von einer akteursbedingten und wahrnehmungsbezogenen Vielschichtigkeit geprägt ist, der ihm als Forschungsgegenstand eine hohe Komplexität verleiht: So sind in metasprachliche Diskussionen nicht nur unterschiedliche Akteure involviert (z. B. Wissenschaftler, Politiker, Laien), sondern diese Akteure treten auch mit unterschiedlichen Einstellungen, hinter diesen stehenden Denkmustern und Wertesystemen sowie darauf aufbauenden Wissensbeständen und Zielsetzungen an den Gegenstand «Sprache» heran. Bevor in den folgenden Kapiteln diese und andere für den sprachpflegerischen Diskurs relevanten Dimensionen im Einzelnen diskutiert und in ihrer historischen (cf. Kap. 3) wie auch aktuellen Dimension (cf. Kap. 4) beschrieben werden,2 sollen zunächst einige Überlegungen zu «Öffentlichkeit» als Begriff und System im Kontext des gesellschaftlichen Strukturwandels und des digita-

1 Cf. Eichinger et al. (2013, 5); Günther et al. (2012); Plewnia/Witt (2014); Dahmen et al. (2017). 2 Eine definitorische Einordnung und Abgrenzung von «Sprachpflege» mit Bezug zur Forschungsfrage dieser Arbeit folgt in Kap. 3.1. Zur ausführlichen Terminologisierung cf. Kap. 3.3.8. https://doi.org/10.1515/9783110723915-002

8

2 Metasprachdiskurse als öffentliche Systeme

len Kommunikationswandels angestellt werden. Dabei regen emotive Stellungnahmen zum Thema Sprache, wie das in der Welt beschworene «Gefühl des Sprachverfalls» oder die in Le Monde konstatierte «Scham vor der eigenen Sprache» zunächst zu einer Auseinandersetzung mit der Verbindung von Öffentlichkeit und gesellschaftlicher (Meta-)Kommunikation an. So besteht hinsichtlich der von den Germanisten Böke/Jung/Wengeler vor mehr als 20 Jahren gestellten Frage «Öffentlicher Sprachgebrauch – was ist das?» (1996, 9) für romanistische Forschungsarbeiten zur Sprachpflege als spezifischem Typ des öffentlichen Metasprachdiskurses m. E. weiterhin Klärungsbedarf. Dieser bezieht sich u. a. auf die Diskussion der Fragen, wo genau öffentlicher Sprachgebrauch beginnt und endet, ob derartige Grenzziehungen in digitalen Wissensgesellschaften überhaupt noch sinnige Kategorien darstellen und wie sich die Linguistik als öffentlicher Akteur im und zum öffentlichen Sprachgebrauch als bedeutendem sprachwissenschaftlichen Forschungsgegenstand positioniert. Dabei mag es einerseits «[…] an den wissenschaftsinternen Differenzierungsprozessen liegen, daß eine makrosoziologische Bestimmung der Struktur und Funktion von ‹Öffentlichkeit› bis heute ein Forschungsdesiderat darstellt» (Gerhards 1994, 77), andererseits erschwert der heutzutage schnelllebige Wandel digital kommunizierender Gesellschaften ganz grundsätzlich das Festsetzen einer stabilen und lange währenden Definition. Bereits aufgrund dieser allgemeinen Faktoren, ist «Öffentlichkeit selbst, die ja ein historisch gewachsenes, an spezifische soziale Bedingungen gekoppeltes und mit spezifischen sozialen Werten belegtes Phänomen ist […], schwer zu bestimmen» (Spitzmüller 2015, 320) und ein theoretischer Zuschnitt von «Öffentlichkeit» als Konzept der Metasprach- und Sprachreflexionsforschung (cf. Kap. 4.1.3) i. S. sprachlich handelnder und über Sprache sprechender Öffentlichkeit(en) birgt den Bedarf an weiteren theoretischen Prämissen. Vor diesem Hintergrund wird ein Schwerpunkt der Überlegungen zur historischen Entwicklung von Metasprachdiskursen in Deutschland und Frankreich die Frage fokussieren, wie sich Konzepte «metasprachlicher Öffentlichkeit» analog zum Wandel gesellschaftlicher Strukturen verändert haben (cf. Kap. 3.3.4–3.3.5). Hierbei wird grundsätzlich vorausgesetzt, dass «Öffentlichkeit» «[…] in unterschiedlichen Zusammenhängen gesellschaftlicher Kommunikation eine dauerhafte und bedeutsame Bezugsgröße [bildet]. Gesetzesvorhaben werden neben allem anderen auch daraufhin geprüft, ob sie von der Öffentlichkeit akzeptiert werden. Politiker sind darauf bedacht, sich in der Öffentlichkeit ein günstiges Image zu verschaffen. Parteien, Verbände und Unternehmen haben Öffentlichkeitsabteilungen ausgebildet, um sich der ‹öffentlichen Meinung› und diese den eigenen Interessen anzupassen. Soziale Bewegungen versuchen, Öffentlichkeit zu mobilisieren und damit auf ihre Belange aufmerk-

2.1 Öffentlichkeit als Begriff und System

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sam zu machen. […]. Die Öffentlichkeit für sich zu gewinnen, ist wohl ein wichtiges Ziel gesellschaftlichen […] Handelns» (Gerhards/Neidhardt 1990, 3).3

Vorab aber dienen die folgenden Überlegungen zunächst einer Darstellung der begriffsgeschichtlichen Entwicklung von «Öffentlichkeit» (cf. Kap. 2.1.1). Daran anschließend erfolgt eine Annäherung an die Bedeutung von «Öffentlichkeit» als sozialem Konzept, das «in der Topographie der Gesellschaft an zentraler Stelle im Vorhof zur Macht plaziert [sic] ist», wo «Akteure der Gesellschaft versuchen ihre Themen durchzusetzen und ihre Meinungen als verallgemeinerbare Meinungen zu plausibilisieren» (Gerhards/Neidhardt 1990, 11). Aus dieser Eigenschaft ergeben sich sowohl Strukturwandelphänomene als auch unterschiedliche (normative) Modelle sowie Ebenen von «moderner Öffentlichkeit», die im Überblick vorgestellt werden (cf. Kap. 2.1.2–2.1.4). Darauffolgende Überlegungen ergänzen diese Modelle um Aspekte und Entwicklungen der massenmedialen Kommunikation sowie der damit verbundenen Demokratisierung von Wissen im Diskurs (cf. Kap. 2.2.1) und schließen mit der Definition eines interdisziplinär informierten, diskurslinguistischen Ansatzes, der «metasprachliche Öffentlichkeit» als gesellschaftliches Teilsystem versteht, das in realen und virtuellen Kommunikationsräumen spezifische Inhalte und Zweckorientierungen in Form einer ihm eigenen sozialen und sprachideologischen Praxis in sich vereint (cf. Kap. 2.2.2). Gerahmt wird dieser theoretische Ansatz durch statistische Einblicke in die Entwicklung der Online-Kommunikation in Deutschland und Frankreich, die Anlass sind, um zentrale digitale Kommunikationsformen am Beispiel metasprachlicher Aktivitäten im Internet einführend zu exemplifizieren (cf. Kap. 2.2.3).

2.1 Öffentlichkeit als Begriff und System 2.1.1 Zentrale begriffsgeschichtliche Entwicklungsphasen Sowohl das Adjektiv «öffentlich» als auch das Substantiv «Öffentlichkeit» dienen als «[…] Beschreibungskategorien für bestimmte soziale und politische Strukturen, die sich ebenso für die Vergangenheit wie für die Gegenwart in je spezifischer Weise nachzeichnen lassen» (Hölscher 1979, 8–9). In diesem Sinne

3 Hervorhebungen im Original wurden sowohl in Zitaten als auch in Korpusbelegen vollständig übernommen und werden bis auf Stellen in Fettdruck im Folgenden nicht gekennzeichnet. Auf eigene Ergänzungen und Hervorhebungen wird verwiesen, ebenso auf entnommene Hervorhebungen.

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2 Metasprachdiskurse als öffentliche Systeme

bezeichnen sie im alltäglichen Sprachgebrauch ein gesellschaftliches Teilsystem, das in Abhängigkeit von den Kriterien Zugänglichkeit, Nutzbarkeit und Partizipation, die seine Strukturen bedingen, unterschiedlichen inhaltlichen und normativen Vorstellungen unterliegen kann (cf. Kap. 2.1.3): «1. für jeden hörbar und sichtbar; nicht geheim, 2. für die Allgemeinheit zugänglich, benutzbar, 3. die Gesellschaft allgemein, die Allgemeinheit betreffend, von ihr ausgehend, auf sie bezogen, 4. die Verwaltung eines Gemeinwesens betreffend; kommunal» (Duden online 2019a, s. v. öffentlich). «1. als Gesamtheit gesehener Bereich von Menschen, in dem etwas allgemein bekannt [geworden] und allen zugänglich ist, 2. das Öffentlichsein; das Zugelassensein für die Öffentlichkeit» (Duden online 2019b, s. v. Öffentlichkeit).

Ohne die begrifflichen Nuancen beider Termini hier genauer abgrenzen zu wollen, geht es im Kontext vorliegender Untersuchungen an erster Stelle darum, ein konzeptuelles Verständnis von «Öffentlichkeit als Raum der Diskurse» (Busse 1996, 347; cf. Kap. 2.2.2, Abb. 2) und als Forschungsgegenstand in der Perspektive seiner historischen Entwicklung zugrunde zu legen, wobei begriffsgeschichtliche Rekonstruktionen der diachronen Prägung des Wortes «Öffentlichkeit» mitgedacht werden sollen (cf. Schiewe 2004, 29). Dabei ist grundlegend mit Hauser/Opiłowski/Wyss (2019) anzunehmen, «[…] dass Öffentlichkeit stets Bestandteil sozialer Praktiken (gewesen) ist und dass sich die Praxis des Öffentlichen in der modernen Gesellschaft jeweils auch in Abhängigkeit von den medialen Bedingungen zeigt, denen sie unterliegt. Aus einer solchen, an den Praktiken interessierten Perspektive stellt sich die Frage, wie und mit welchen Folgen heute (d. h. unter den Bedingungen der Digitalisierung) Öffentlichkeit hergestellt wird und wie sich digitale und nicht-digitale Verfahrensweisen der Herstellung von Öffentlichkeit zueinander verhalten» (Hauser/Opiłowski/Wyss 2019, 7).

Habermas (2015) zufolge – dessen Gesellschaftstheorie und Konzept von «Öffentlichkeit» im deutschen Forschungsraum trotz beharrlicher Kritik neben den Arbeiten von Niklas Luhmann die Grundlage sozialwissenschatflicher Öffentlichkeitsforschung bilden (cf. Gerhards/Neidhardt 1990, 4; Kap. 2.1.2) – stellt der Niedergang des Typus der «bürgerlichen Öffentlichkeit» die geschichtliche Bedingung für die Entwicklung der modernen öffentlichen Kommunikation dar.4 Die Grundidee des «Öffentlichen» als Gegensatz zum «Privaten» hat ihren

4 Bei der im Folgenden zitierten Ausgabe handelt es sich um die 1990 erschienene, in Teilen revidierte und erweiterte Fassung von Strukturwandel und Öffentlichkeit. Auf die vom Autor in

2.1 Öffentlichkeit als Begriff und System

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Ursprung in den dichotomen gesellschaftlichen Kategorien der Antike: «Im ausgebildeten griechischen Stadtstaat ist die Sphäre der Polis, die den freien Bürgern gemeinsam ist (koine), streng von der Sphäre des Oikos getrennt, die jedem einzeln zu eigen ist (idia)» (Habermas 2015, 56). Dieses hellenistische Öffentlichkeitsmodell, das in römischer Zeit auf die res publica übertragen wird, verliert jedoch spätestens ab der Entstehung der mittelalterlichen Feudalgesellschaften sukzessive seine Funktionalität als soziale Organisationsform (cf. Habermas 2015, 57). Im deutschen Sprachraum änderte sich die seit spätestens dem 9. Jh. belegte Bedeutung von «öffentlich» als ʻbekanntʼ bzw. ʻoffensichtlichʼ im Laufe des 16. Jhs. hin zu einer finalen Konnotation des Begriffs und meint ʻeine Sache, die bekannt sein sollʼ.5 Darüber hinaus ergab sich während des 17. Jhs. zum einen die inhaltliche Erweiterung von «öffentlich» i. S. v. die «‹staatliche Herrschaft› und ‹die soziale Gemeinschaft betreffend›» (Schiewe 2004, 30), zum anderen bedingte der Einfluss des römischen Rechts den Bedeutungswandel von «öffentlich» als Übersetzung von lat. PUBLICUS in direkter Opposition zu privatus bzw. den privati (ʻPrivatleuteʼ).

dieser Auflage bestätigte Kritik an der eigenen Öffentlichkeitstheorie hinsichtlich ihrer «empirischen Defizite» (Habermas 2015, 13) sowie auf den ökonomischen Fokus der Ausführungen ist laut Schiewe (1989) mit Nachdruck hinzuweisen: «Habermas nimmt die Veränderungen der ökonomischen Basis als Ausgangspunkt und sucht den Nachweis zu erbringen, daß die sich gleichfalls verändernden Rechtsbeziehungen und Machtstrukturen ursächlich auf die Basis bezogen sind. Diese recht konventionelle materialistische Sichtweise kann jedoch nicht alle Ebenen des historischen Wandels von Öffentlichkeit deuten. Gerade die Bedingungen des Strukturwandels, die als eine Rückwirkung der Phänomene des ‹Überbaus› auf die ökonomische ‹Basis› zu beschreiben wären, bleiben in dieser ökonomistischen Öffentlichkeitsgeschichte unbeachtet. […] [E]ine Theorie, die vom Primat der ökonomischen Basis ausgeht und sie als alleinigen Fixpunkt der Analyse wählt, [kann] genau in dem Moment den nationalen Verhältnissen nicht mehr gerecht werden […] [,] in dem ein internationaler Austausch der Überbauphänomene auf breitem Raum möglich wird. Die von Habermas aufgestellten Kategorien des Strukturwandels der Öffentlichkeit sind folglich für England und Frankreich weitgehend nachvollziehbar, für Deutschland aber bleiben sie leer und unanschaulich» (1989, 175 f.). Dieser Kritik ist allgemein und im Besonderen mit Blick auf den national vergleichenden Charakter der vorliegenden Arbeit Beachtung zu schenken. Wie zu zeigen sein wird, scheinen nichtsdestotrotz grundlegende theoretische Überlegungen zum Öffentlichkeitsbegriff nach Habermas im Rahmen sprachreflexionsbezogener Arbeiten anwendbar und deshalb berechtigt. Weitere, zu dieser Theorie konträr oder komplementär erscheinende Theorien werden im Folgenden in Ansätzen berücksichtigt (cf. Kap. 2.1.2). 5 Die Substantivierung von «öffentlich» zu «Öffentlichkeit» kann erst für die zweite Hälfte des 18. Jhs. nachgewiesen werden, weshalb Schiewe die begriffsgeschichtliche Betrachtung des Adjektivs der des Substantivs voranstellt (cf. Schiewe 2004, 28–34).

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«Obwohl die ständische Ordnung nicht preisgegeben wurde, traten die Stände […] dem Fürsten überall dort als ‹privati› gegenüber, wo sie nicht Träger seiner obersten Gewalt waren. Selbst der Fürst war von dieser funktionalen Aufspaltung in publike und private Bereiche nicht ausgenommen, wo sein Privatvermögen vom Domänen- oder Staatsvermögen, der private Aufwand von dem seiner repräsentativen Pflichten als Fürst unterschieden werden musste. In gleichem Sinn trat […] der ‹Staatsklugheit› die ‹Privatklugkeit› als diejenige entgegen, die sich nicht in Erfüllung eines ‹öffentlichen Amtes›, eines ‹officium›, bzw. ‹munus publicum› geltend machte, dem ‹Staats-› das ‹Privatinteresse› und der ‹Staatsperson› die ‹Privatperson›» (Hölscher 1978, 425).

Laut Habermas (2015) konstituiert sich dieses herrschaftsbezogene Verständnis der von ihm als repräsentativ bezeichneten «Öffentlichkeit» «[…] nicht als ein sozialer Bereich, als eine Sphäre der Öffentlichkeit», sondern «[…] vielmehr ist sie, wenn sich der Terminus darauf übertragen ließe, so etwas wie ein Statusmerkmal», das als Handlungsnorm «[…] an Attribute der Personen geknüpft [ist]: an Insignien (Abzeichen, Waffen), Habitus (Kleidung, Haartracht), Gestus (Grußform, Gebärde) und Rhetorik (Form der Anrede, förmliche Rede überhaupt)» (2015, 60–61). «Öffentlich» bezeichnet also im 17. Jh. nicht das für jede Person Zugängliche, sondern «dasjenige, was ‹als dem Staate zugehörig erschien›» (Schiewe 2004, 33). Ebenfalls nimmt das aus dem Lateinischen entlehnte und später substantivierte Neutrum publicum ab dem Mittelalter zwei Bedeutungen an und meint einerseits «Einrichtungen des Staates» und «Staatsangelegenheiten im Ganzen (‹publica›)» und andererseits «das Volk im Sinne eines ‹Staatspublikums›» (Schiewe 2004, 34–35). Zur selben Zeit findet sich bereits in den sprachpflegerischen Reflexionen Gottfried Willhelm Leibniz’ der Versuch einer inhaltlichen Abgrenzung der gesellschaftlichen Gruppe, die ab dem 18. Jh. als Publicum bezeichnet wird, jedoch vom Autor in seiner Ermahnung an die Teutsche noch nicht begrifflich erfasst wird und von Schiewe als «prospektive Charakterisierung des Publikums» (Schiewe 2004, 37) beschrieben wird: «Was man allhier vorzutragen gemeint, geht auf die Jugenderziehung nicht, es hat mit Schulen und Universitäten nichts zu schaffen. Und ob es zwar von der Gelehrsamkeit nicht entfernt, so geht es doch eben die allein nicht an, deren Profession ist, gelehrt geachtet zu werden, sondern alle diejenigen, die ihr Gemüt sowohl vermittelst guter Bücher als nützlicher Gesellschaft weiden wollen. Das sind nicht die, so da ihre angehenden Studien fortsetzen, sondern alle die, so diesfalls ihr Ziel erlangt und bei ihren Amts- und Berufsgeschäften sich nützlich erquicken wollen. […] Weil nun unter solchen Personen nicht nur gelehrte, sondern auch Hof- und Weltleute, ja selbst und zuvorderst das Frauenzimmer, und kürzlich alle diejenigen begriffen, so unter den gemeinen Mann nicht zu rechnen, so wird dienlich sein, allhier zu erklären, worin eigentlich der gemeine Mann von denen unterschieden ist […]. Von diesem Volk [scil. des gemeinen Mannes] sind alle diejenigen abzusondern, so ein mehr freies Leben führen, die eine Beliebung an Historien und Reisen haben, die bisweilen sich mit einem annehmlichen Buche erquicken, und

2.1 Öffentlichkeit als Begriff und System

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wenn in einer Gesellschaft ihnen ein gelehrter und beredter Mann aufstößt, solchen mit besonderer Begierde anhören» (Leibniz 1846, 8–9).6

Leibniz beschreibt in seinem Aufsatz die Anzeichen des gesellschaftlichen Strukturwandels, die Habermas später in der Veränderung ökonomischer Bedingungen und infolge dieser auch der kommunikativen Bedürfnisse begründet sieht. Letztere führen dabei dazu, dass «[d]ie Reduktion der repräsentativen Öffentlichkeit, die mit der Mediatisierung der ständischen Autoritäten durch die der Landesherren einhergeht, […] einer anderen Sphäre Raum [gibt], die mit dem Namen der Öffentlichkeit im modernen Sinne verknüpft ist: der Sphäre der öffentlichen Gewalt» (Habermas 2015, 74). Die Ausbildung dieser öffentlichen Gewalt im Sinne der Neuformierung einer staatlichen Gewalt wird weiter laut Habermas durch die politischen und sozialen Änderungen während der merkantilistischen Phase des Kapitalismus in Gang gesetzt (Habermas 2015, 76– 77). Diesen Vorgang einer gesellschaftsstrukturellen Umschichtung, durch die wirtschaftliche Interessen zum allgemeinen Interesse werden, fasst Arendt (1958) unter dem Etikett The rise of the social als gesamtgesellschaftliches Phänomen zusammen: «The emergence of society – the rise of housekeeping, its activities, problems, and organizational devices – from the shadowy interior of the household into the light of the public sphere, has not only blurred the old borderline between private and political, it has also changed almost beyond recognition the meaning of the two terms and their significance for the life of the individual and the citizen. […] society expects from each of its members a certain kind of behaviour, imposing innumerable and various rules, all of which tend to ‹normalize› its members, to make them behave, to exclude spontaneous action and outstanding achievement» (Arendt 1958, 38–40).

6 Es handelt sich um die posthum gedruckte Erstausgabe des Textes, der um 1682 entstanden ist. Dück/Plewnia (2016) weisen auf den generischen Charakter des Textes für das Etablieren des Deutschen als National- und Wissenschaftssprache hin sowie auf die starke Orientierung am Nachbarland Frankreich: «Es ist zu beachten, dass Leibniz in seinen beiden Kernschriften zur Forderung einer ‹teutschen› Sprache in den Wissenschaften, der ‹Ermahnung an die Teutsche› sowie den ‹Unvorgreifflichen Gedancken›, bevorzugt den Begriff ‹Nation› (und nicht etwa ‹Volk›) verwendet, wohl um in Anlehnung an die europäischen Nachbarländer einen konsolidierten Einheitsstaat zu fordern und zu fördern, dessen Entwicklung und Stabilisierung er eng an eine einheitliche Volkssprache knüpft, die von allen verwendet und verstanden werden soll. Dadurch hebt er die politische Dimension seiner Forderung nach einer ‹teutschen› Sprache in den Wissenschaften hervor und zeigt gleichzeitig deren Tragweite. Der Zustand der Sprache ist für Leibniz gleichsam Indikator für den Zustand einer Nation, was er am Beispiel von Frankreich ausführt» (Dück/Plewnia 2016, 333). Die Orientierung am französischen Vorbild meint aber nicht dessen Kopie, wie Leibniz (1846) in sprachpuristischer Haltung betont und wie es auch für spätere sprachnationalistische Texte kennzeichnend ist (cf. Kap. 3.2.4): «Besser ist ein Original von einem Teutschen, als eine Copey von einem Franzosen seyn» (1846, 22).

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2 Metasprachdiskurse als öffentliche Systeme

Das Aufbrechen von Grenzen in sozialen Räumen, das Arendt (1958) wie auch Habermas (2015) für den Gegensatz von «Privatheit» bzw. «Intimität» und «Öffentlichkeit» beschreiben, hat bedingt durch den gesellschaftlich-medialen Wandel bis zur heutigen Zeit zur Nivellierung weiterer Dichotomien geführt. Ein zentrales Gegensatzpaar, das unweigerlich mit den Konzepten «öffentlich» und «privat» verbunden ist, besteht in der Opposition von «Experten» und «Laien», begriffliche Kategorien die auch im Konzept der «bürgerlichen Öffentlichkeit» und, wie oben mit Leibniz gezeigt, in der Idee des gelehrten vs. gemeinen Mannes als bedeutungstragende Kriterien in Erscheinung treten. Bei Leibniz ist darüber hinaus die sprachpflegerische Intention des Autors von besonderem Interesse, zumal er die Verantwortung und Pflicht zur Verbesserung der deutschen Sprache einer bestimmten gesellschaftlichen Gruppe zuschreibt (cf. Kap. 3.2.1; 3.3.5). Ziel folgender Kapitel soll es somit auch sein, die konzeptuellen Grenzen zwischen «öffentlich» und «privat» sowie «Laie» und «Experte» – auch aus historischem Blickwinkel – offenzulegen und am Beispiel des öffentlichen Sprachendiskurses in Deutschland und Frankreich in einer metasprachlich-funktionalen Perspektive fassbar zu machen. Im 19. Jh. nimmt Joachim Heinrich Campe in seinem Verdeutschungswörterbuch (1813) das Lemma Publicum sowie weitere Vertreter desselben Wortfeldes auf und beschreibt mit ihm – wie bei Leibniz bereits vorgedacht – eben «[…] jene soziale Schicht, die an den neuen Geselligkeitsformen wie Theater, Konzert, Lesezirkel usw. teilnehmen konnte und wollte» (Schiewe 2004, 38):7 «Publicum. In einigen Fällen können wir das Gemeinwesen dafür sagen; z. B. der brave Mann sieht bei allen seinen Unternehmungen mehr auf den Vortheil des Gemeinwesens, als auf seinen eigenen. ‹Wir legen diese Schrift dem gelehrten gemeinen Wesen vor.› An-

7 Zitiert wird im Folgenden aus der zweiten, stark vermehrten Auflage. Das besondere Interesse an diesem Wörterbuch ergibt sich ferner sowohl aufgrund seiner begriffsgeschichtlichen Relevanz als auch hinsichtlich seines sprachpflegerischen Charakters und seiner starken bis in die gegenwärtige Anti-Anglizismen-Debatte hineinreichenden sprachideologischen Positionen, die Campe im Vorwort des Wörterbuches anhand von vier Regeln begründet: «1. Alle ausländische Wörter, die etwas nicht Denkbares, d. i. einen sich selbst widersprechenden […] Begriff in sich fassen, verdienen nicht durch Uebersetzung oder Nachbildung in unsere Sprache übertragen zu werden. […] 2. Alle schmutzige, unsittliche und pöbelhafte Ausdrücke fremder Sprachen müssen von der Verdeutschung gänzlich ausgeschlossen sein. […] 3. Alle diejenigen ausländischen Wörter verdienen von der Verdeutschung gleichfalls ausgeschlossen zu bleiben, die, ohne gerade unanständig, schmutzig oder pöbelhaft zu sein, doch das sittliche Zartgefühl abstumpfen, die Begriffe von Recht und Unrecht wankend machen oder in Verwirrung bringen können, indem sie unsittlichen und unerlaubten Dingen einen gleichgültigen, scherzhaften, oder gar gefälligen und angenehmen Anstich geben, z. B. Galanterie, […] fille de joie […] 4. Endlich gehören hierher alle diejenigen Wörter und Redensarten, wodurch Vorurtheile und Irrthümer des Verstandes, besonders solche, die ins Leben und Handeln des Menschen einflie-

2.1 Öffentlichkeit als Begriff und System

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halt. Krit. Bibliothek. In anderen können wir das Wort Welt oder Lesewelt dafür gebrauchen. Die Welt nahm an diesem Streite wenig Antheil. Er berief sich auf das Urteil der gesamten Lesewelt. − − durch Erzählen Wirst du der Lesewelt vielleicht dich mehr empfehlen. Bürde. In Scherz hat Wolke Vielkopf dafür gesagt. Kaiser Joseph nannte es (in einer Schrift über die einzuführende Steuer) das Allgemeine: ‹Der Landesfürst in einem monarchischen Staate hat über die Verwendung der öffentlichen Einkünfte […] dem Allgemeinen Rede und Antwort zu geben.› Zu unbestimmt. Zuweilen können wir das Wort Publicum durch den Gebrauch des Beiwortes öffentlich umgehen: ‹Was reine und schöne Empfindung für zwei gleichgestimmte Seelen ist, das wird durch Darlegung vor dem Publikum (durch öffentliche Darlegung) zur Empfindelei›. Oft kann man auch Leute, oft man dafür setzen; […] Auch die Leser, der Lesekreis und die Zuschauer passen oft dafür; […] Das Allgemeine, welches Kaiser Joseph für Publicum gebrauchte, brachte mich auf den Gedanken, die Allgemeinde dafür vorzuschlagen» (Campe 1813, 507, s. v. Publicum, Fettdruck im Original).

Die Worterklärung und die von Campe angeführten Beispiele illustrieren das Oszillieren des Publikumsbegriffs zwischen staatlicher (Anordnungen wie die Aufforderung zum Steuerzahlen werden an eine bestimmte Gruppe des Staates gerichtet) und literarischer Konnotation (Leser, Lesekreis und Zuschauer als bildungsorientierte Schicht der Gesellschaft) und unterstützen somit den von Habermas beschriebenen Übergang von der «repräsentativen» zur «bürgerlichen Öffentlichkeit» (2015, 69–85). Die darüber hinaus erwähnten, allgemeiner gehaltenen Bedeutungen ʻLeuteʼ, ʻmanʼ, und ʻöffentlichʼ bewegen sich nahe am scheinbar noch wenig gebräuchlichen Substantiv «Öffentlichkeit», das als Übersetzung für das Lehnwort Publicitaet aufgeführt wird: «Publicitaet, die Öffentlichkeit. Diese Verdeutschung, die ich ehemals schon versuchte, ist in der Jen. Liter. Zeitung gebilligt worden, und auch Rochow hat sie angenommen» (Campe 1813, 507, s. v. Publicitaet, Fettdruck im Original).

Schiewe (2004) zufolge belegt Campes Substitution von «Publicitaet» durch «Öffentlichkeit», dass Letztere als Begriff bereits im Sprachgebrauch kursierte, aber durch die nachweisliche Verwendung im Plural wohl primär «eine Eigenschaft von Sachen oder Sachverhalten» (2004, 60) beschrieb und somit keinen eigenen Begriff bildete. Der Erstbeleg und auch die Eigenschaftskonnotation finden sich bereits in der 1765 von Joseph v. Sonnenfels verfassten Schrift Grundsätze der Polizey. Der Autor spricht über die Zensur, die «[…] sich […] nicht nur auf Bücher, sondern auch auf Schauspiele, Lehrsätze, Zeitungen, alle öffentlichen, an das Volk gerichteten Reden, Bilder und Kupferstiche, und was

ßen können, fortgepflanzt und verbreitet werden; z. B. droit de convenance, Potte-dieu, Sacramentum […]» (Campe 1813, 19–20).

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2 Metasprachdiskurse als öffentliche Systeme

sonst immer eine Art von Oeffentlichkeit, wenn man so sagen darf, an sich hat [erstreckt]» (1787, 64, § 117; cf. Schiewe 2004, 44). Auch Adelung (1793–1801) nimmt etwas später in seinem Mundart-Wörterbuch dieselbe Erklärung vor, die bestätigt, dass das Substantiv «Öffentlichkeit» aus dem Adjektiv «öffentlich» hervorgegangen ist: «öffentlich, -er, -ste, adj. et adv. 1) Was vor allen Leuten, vor jedermann ist und geschiehet; im Gegensatze des geheim oder verborgen. […] 2) Zu jedermanns Gebrauche bestimmt. Ein öffentlicher Ort. […] 3) In engerm Verstande, eine große bürgerliche Gesellschaft betreffend. Ein öffentliches Amt. […]. Die Öffentlichkeit, plur. Inus. Die Eigenschaft einer Sache, da sie öffentlich ist, oder geschiehet, in allen Bedeutungen dieses Wortes» (1793–1801, s. v. öffentlich, Fettdruck im Original).

Begriffsgeschichtlich und v. a. für die in dieser Arbeit angestrebten soziolinguistischen Betrachtungen gewinnbringend scheint die zuvor bei Campe (1813) geschilderte Assoziation von «Publikum», «Publizität» und «öffentlicher Meinung», die sich laut Habermas vor folgendem entlehnungsgeschichtlichen Hintergrund konkretisieren lässt: «In England ist seit der Mitte des 17. Jahrhunderts von ‹public› die Rede, wofür bis dahin ‹world› oder ‹mankind› gebräuchlich war. Ebenso taucht im Französischen le public als Bezeichnung dessen auf, was, dem Grimmschen Wörterbuch zufolge, im 18. Jahrhundert als ‹Publikum› von Berlin aus auch in Deutschland sich einbürgerte; bis dahin sprach man von der Lesewelt oder auch einfach von der Welt […]. Adelung unterscheidet das Publikum, das sich um einen Redner oder Schauspieler herum am öffentlichen Orte als Menge versammelt, vom Lesepublikum; in beiden Fällen aber handelt es sich um ein ‹richtendes Publikum›. Was dem Urteil des Publikums unterbreitet wird, gewinnt ‹Publizität›. Ende des 17. Jahrhunderts wird engl. publicity aus frz. publicité entlehnt; in Deutschland taucht das Wort im 18. Jahrhundert auf. Die Kritik selber stellt sich in Gestalt der ‹öffentlichen Meinung› dar, ein der ‹opinion publique› in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts nachgebildetes Wort. In England entsteht ‹public opinion› etwa gleichzeitig; von general opinion ist allerdings schon lange vorher die Rede» (Habermas 2015, 84–85).

Der Publikumsbegriff nahm also ausgehend von seiner bislang politischen Bedeutung im 18. Jh. zunächst überwiegend den literarischen Bereich ein und wurde ‒ vergleichbar mit dem heutigen Öffentlichkeitsbegriff ‒ «[…] in Büchern und Zeitschriften zum Kunden und Freund erklärt, als Zeuge im Streit der Meinungen angerufen und vor allem als Richter anerkannt […], der über alle Streitfälle das letztgültige Urteil zu fällen allein in der Lage sei» (Hölscher 1978, 435). Diese Entwicklung wurde sowohl durch die ideologischen Einflüsse der Aufklärung und später des Liberalismus nach 1815 (cf. Schiewe 2004, 60–61) als auch v. a. durch das Aufkommen der Presse und die Revolution des Nachrichtenverkehrs und den damit einhergehenden soziokommunikativen Wandel

2.1 Öffentlichkeit als Begriff und System

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unterstützt (cf. Habermas 2015, 77–79). Die sich im Zuge dessen spezifizierende Begriffsprägung von «Publikum» als «neue Geselligkeitsform» (Schiewe 2004, 60), die einer bestimmten gesellschaftlichen Gruppe gebildeter und dadurch erst urteilsfähiger und berechtigter Personen vorbehalten ist, wird von Habermas als «literarische Öffentlichkeit» bezeichnet, die sich in einem historischen, normorientierten Prozess als Gegenstück zur «politischen Öffentlichkeit» herausgebildet hat: «Geschichtlich hat sich der polemische Anspruch dieser Art Rationalität [scil. Gesetzlichkeit durch die Setzung von Normen] gegen die Arkanpraxis der fürstlichen Autorität im Zusammenhang mit dem öffentlichen Räsonnement der Privatleute entwickelt. Wie die Arkana einer Aufrechterhaltung der auf voluntas gegründeten Herrschaft, so soll Publizität der Durchsetzung einer auf ratio gegründeten Gesetzgebung dienen. Schon Locke bindet das öffentlich bekanntgemachte Gesetz an einen common consent; und Montesquieu führt es schlechthin auf die raison humaine zurück; aber den Physiokraten ist es […] vorbehalten, das Gesetz explizit auf die in der öffentlichen Meinung sich aussprechende Vernunft zu beziehen. In der bürgerlichen Öffentlichkeit entfaltet sich ein politisches Bewusstsein, das […] schließlich auch sich selbst, nämlich öffentliche Meinung, als die einzig legitime Quelle dieser Gesetze zu behaupten lernt. […]. Die Kriterien der Generalität und Abstraktheit, die die Gesetzesnorm auszeichnen, mußten für die Privatleute, die sich im Kommunikationsprozess der literarischen Öffentlichkeit ihrer aus der Intimsphäre hervorgehenden Subjektivität versichern, eine eigentümliche Evidenz haben» (Habermas 2015, 118–119).

Wie bereits erwähnt wurde, ist dieser von Habermas primär auf die ökonomischen Verhältnisse des 18. Jhs. zurückgeführten Konstruktion der bürgerlichen Gesellschaft entgegenzuhalten, dass «[d]er Kern politischer Öffentlichkeit […] zunächst also nicht im ökonomischen Bereich zu suchen [ist]», da «weniger als über seinen Besitz […] das Bürgertum [sich] vor allem über seine Bildung [definiert]» (Schiewe 2004, 259). Dieser vom bildungsbürgerlichen Teil der Gesellschaft ausgehenden Institutionalisierung des Publikums schließt sich mit und nach der Französischen Revolution die erneute Forderung nach mehr politischer Mitbestimmung «als Gegengewicht zur staatlichen Herrschaft» (Schiewe 2004, 60) und somit der Übergang von der literarischen zur politischen Gesellschaft an, die sich bis zum 19. Jh. zur «öffentlichen Meinung» entwickelt «und umso mehr […] die uneingeschränkte Zugänglichkeit zu Literatur und Bildung [forderte]», die «letztlich die Forderung nach Publizität […] [bzw.] Öffentlichkeit‘ [war]» (Schiewe 2004, 44). Im 19. Jh. wird der positiv etablierte, liberale Öffentlichkeitsbegriff zunehmend von Vertretern des Idealismus und Kommunismus kritisiert und verliert seinen Charakter einer erstrebenswerten Gesellschaftsform. Hegel sieht in der von ihm konservativ ausgelegten «Öffentlichkeit» lediglich den Übergang vom Individu-

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2 Metasprachdiskurse als öffentliche Systeme

ellen ins Allgemeine, das weniger ein Garant für Freiheit als vielmehr eine sozialistische Notwendigkeit ist: «Aber das Prinzip der Besonderheit geht eben damit, daß es sich für sich zur Totalität entwickelt, in die Allgemeinheit über und hat allein in dieser seine Wahrheit und das Recht seiner positiven Wirklichkeit. Diese Einheit, die wegen der Selbständigkeit beider Prinzipien auf diesem Standpunkte der Entzweiung […] nicht die sittliche Identität ist, ist eben damit nicht als Freiheit, sondern als Notwendigkeit, daß das Besondere sich zur Form der Allgemeinheit erhebe, in dieser Form sein Bestehen suche und habe» (Hegel 2017, § 186/343).

Ausgehend von dieser idealistischen Grundkonzeption des Staates liefert Hegel ferner ein negativ besetztes Verständnis von «Volk» und folglich «Öffentlichkeit», wenn er festhält, dass «[…] die Vielen als Einzelne, was man gerne unter Volk versteht, […] wohl ein Zusammen [sind], aber nur als die Menge – eine formlose Masse, deren Bewegung und Tun eben damit nur elementarisch, vernunftlos, wild und fürchterlich wäre» (Hegel 2017, § 303/473). Diese die öffentliche Meinung missbilligende Auffassung wird in Deutschland durch die sich in den 1830er Jahren neu formierende Linke und die Einstellungen der Sozialisten zur «bürgerlichen Öffentlichkeit» weiter verschärft. Zwar liefert die marxistische Theorie keinen neuen Öffentlichkeitsbegriff, jedoch wird in ihr ein «[…] instrumentelles Verhältnis zur Öffentlichkeit ausgedrückt», das «[…] die Gesellschaftsordnung als «strukturierte[n] Raum» (Hölscher 1978, 462) der Klassenkämpfe betrachtet, in dem «[d]ie Kommunisten [es] verschmähen […] ihre Absichten zu verheimlichen» und nur im «gewaltsamen Umsturz aller bisherigen Gesellschaftsordnungen» (Marx/Engels 2016, 166) eine Möglichkeit zur Erfüllung ihrer politischen Ideale sehen. Im Zuge dieser gesellschaftlichen Prozesse des 19. Jhs. tritt also eine Erweiterung des Terminus «Öffentlichkeit» von einer abstrakten (ʻPublizitätʼ) hin zu einer konkret sozialen Bedeutung (ʻBevölkerungʼ) (cf. Hölscher 1978, 464) ein, die mit dem Aufkommen weiterer politisch-sozialer Handlungseinheiten «wie ‹Volk›, ‹Nation›, ‹Gesellschaft›, ‹Klasse›» etc. einhergeht (Hölscher 1979, 136). Diese für die folgenden Überlegungen markanteste begriffsgeschichtliche Entwicklungsstufe wird im 19. Jh. durch den Einfluss der Massenpresse (cf. Habermas 2015, 258; Schiewe 2004, 61 und 149–159) herbeigeführt und nimmt seitdem durch die weiterhin stetig wachsenden und sich ausdifferenzierenden Prozesse und Dynamiken der kommunikativen Globalisierung ständig neue Formen an. So wird mit Blick auf diese Zeit klar erkennbar, dass die Idee der «bürgerlichen Öffentlichkeit» nach Habermas ‒ die laut Busse (1996) auf der «(a) […] Autonomie des Individuums, (b) […] [der] Dialektik von Intimität und (c) […] [der] Tatsache, daß Meinungs- und Willensbildung nicht organisiert sind» (1996, 346) beruht ‒ in ihrer Idealform eines freien, rationalen, der Allge-

2.1 Öffentlichkeit als Begriff und System

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meinheit offenstehenden sowie eines politischer, wirtschaftlicher und sozialer Macht entbehrenden Raumes nur begrenzt realitätskonform ist. Durch die Dominanz zunächst schriftlicher Medien der Massenkommunikation und später auditiver und audiovisueller Kanäle wie Radio und Fernsehen wird die Menge der Privatleute in ihrer Rolle als bedeutender Kommunikator für die Konstitution öffentlicher Meinungsbildungsprozesse obsolet und es erfolgt eine Machtverlagerung vom Bürgertum auf die Massenmedien als zentrale Steuereinheit öffentlicher Diskurse. Dies hat zur Folge, dass «[…] private Erfahrungen […] nicht mehr ungefiltert in die Öffentlichkeit eingehen» (Busse 1996, 350) und die Richtung des Kommunikationsverlaufs nun von oben nach unten verläuft und dieser durch die Medien thematisch selektiert beim Publikum ankommt, das nun wiederum in einer mehr rezipierenden als produzierenden Rolle auftritt (cf. Busse 1996, 350–352).8 Dieses «Bedeutungselement ‹Beeinflussbarkeit›» (Schiewe 2004, 61), das sich laut Hölscher bereits im ausgehenden 19. Jh. konkret in «[der] Verbindung von manipulativer Beeinflussung und kritischer Teilhabe […] zum signifikanten Merkmale demokratischer Regierungssysteme» hervortut (1978, 465), potenziert sich im 20. Jh. durch die elektronischen Massenmedien und führt dazu, dass «[g]esellschaftliche Wirklichkeit […] zunehmend ihren Kontakt zu den unmittelbaren Erfahrungen des Einzelnen [verliert] bzw. […] ihrerseits [beginnt], diese nach ihren durch die Medien künstlich synthetisierten Modellen zu formen» (Busse 1996, 351). Diese Wirklichkeit mit ihren multifaktoriellen Abhängigkeiten wird gerade am Beispiel sprachnormativer Diskursräume sichtbar, die ausgehend von den unterschiedlichen und in sich differenzierten Akteursgruppen nicht nur sozial, sondern trotz des heutzutage bestehenden Zugangs zur Produktion und Rezeption digitaler Wissensbestände oft auch räumlich begrenzt sind. Bevor dieser

8 Ohne mit Habermas das Hineinwachsen der «literarischen Öffentlichkeit» in den Konsumbereich (cf. 2015) als gewichtigsten Faktor des Niedergangs der «bürgerlichen Öffentlichkeit» erörtern zu wollen, scheint folgender Ansatz bei der Betrachtung des gesellschaftlichen Übergangs vom «‹kulturräsonierenden zum kulturkonsumierenden Publikum›» (2015, 30) für die Nachvollziehbarkeit von Spracheinstellungen (cf. Kap. 4.1.3) hilfreich und in normativen metasprachlichen Kontexten erwähnenswert: «Die bürgerliche Kultur war nicht bloße Ideologie. Weil das Räsonnement der Privatleute in den Salons, Klubs und Lesegesellschaften dem Kreislauf von Produktion und Konsum […] nicht unmittelbar unterworfen war […], konnte sich hier die Idee, die dann zur Ideologie herabgesetzt wurde, überhaupt ausbilden – nämlich Humanität. […] Massenkultur erwirbt sich ihren zweifelhaften Namen eben dadurch, daß ihr erweiterter Umsatz durch Anpassung an die Entspannungs- und Unterhaltungsbedürfnisse von Verbrauchergruppen mit relativ niedrigem Bildungsstand erzielt wird, anstatt umgekehrt das erweiterte Publikum zu einer in ihrer Substanz unversehrten Kultur heranzubilden. […] Das ‹Volk› wird zur Kultur erzogen, nicht Kultur selbst zu einer der Masse herabgesetzt» (Habermas 2015, 248–254).

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2 Metasprachdiskurse als öffentliche Systeme

konkrete Fokus auf spezifische gesellschaftliche Teildiskurse, Diskursräume und in diesen wirkende Akteure vertieft wird (cf. Kap. 2.2.2), sollen zunächst mit Blick auf die in dieser Arbeit ausgewählten Diskursräume (cf. Kap. 3; 4) die Strukturen moderner und demokratisch bestimmter Formen öffentlicher Kommunikation, ihre Funktionen und Akteure im postmassenmedialen Zeitalter tiefergehend beschrieben werden.

2.1.2 Öffentlichkeit im postmassenmedialen Strukturwandel Die Darstellung der vielschichtigen begrifflichen Entwicklungen von «Öffentlichkeit» hat deutlich gemacht, dass der Einfluss zahlreicher soziohistorischer Faktoren die Verwendung des Begriffs und darauf aufbauende Definitionen unscharf macht. Dennoch dürfte aber Einigkeit hinsichtlich der Tatsache bestehen, dass «[…] moderne Öffentlichkeit […] ein relativ frei zugängliches Kommunikationsfeld [ist] in dem ‹Sprecher› mit bestimmten Thematisierungs- und Überzeugungstechniken versuchen, über die Vermittlung von ‹Kommunikateuren› bei einem ‹Publikum› Aufmerksamkeit und Zustimmung für bestimmte Themen und Meinungen zu finden» (Neidhardt 1994, 7).

Dabei besteht weiter mit Gerhards/Neidhardt (1990) Konsens darin, «daß dem Begriff Öffentlichkeit eine positive Ladung beigegeben ist», dass «[e]r […]eine Art ‹volonté general› [sic] [verkörpert] und […] eine elementar-demokratische Qualität assoziiert» (1990, 3); andererseits machen konstante gesellschaftliche Transformationsprozesse und Dynamiken der kommunikativen Praxis bei einer eindeutigen, allgemeingültigen und stabilen Definition von «Öffentlichkeit» Schwierigkeiten: «Die Bedeutungen, die dem Begriff im Alltagsverständnis zukommen, sind vieldeutig und schwanken zwischen verschiedenen Bedeutungskernen. Mal bezieht sich das Wort auf öffentliche Angelegenheiten und meint damit all die Dinge, die sich auf das politische System beziehen und vom Staat als Aufgaben wahrgenommen werden; mal steht Öffentlichkeit im Zusammenhang mit den Meinungen der Mehrheit der Bürger und geht dann über in den Begriff der öffentlichen Meinung; teils wird Öffentlichkeit mit massenmedialer Öffentlichkeit gleichgesetzt; teils bezeichnet man mit Öffentlichkeit all die Bereiche des gesellschaftlichen Lebens, die nicht privat und eben öffentlich, d. h. auch Fremden zugänglich, sind» (Gerhards/Neidhardt 1990, 3–4).

In den 1990er Jahren findet in den Sozialwissenschaften eine inhaltlich eher periphere Beschäftigung mit dem Öffentlichkeitskonzept statt (cf. Gerhards/ Neidhardt 1990, 3–4), und auch in der Soziolinguistik kursiert der Begriff v. a. als eingängiges Schlagwort in Publikationstiteln, die gesellschaftliche Sprach-

2.1 Öffentlichkeit als Begriff und System

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thematisierungen außerhalb der Sprachwissenschaft und klassischer Domänen wie der Sprachgesetzgebung oder der institutionalisierten Sprachpflege in den Blick nehmen (cf. z. B. Böke/Jung/Wengeler 1996; Mayer 2002; Polzin-Haumann/Osthus 2011a). Neben dem in erster Linie gewohnheitsmäßigen Gebrauch des Terminus liegt eine weitere mögliche Ursache für das «Ausbleiben einer Soziologie der Öffentlichkeit» (Gerhards/Neidhardt 1990, 4), wie es auch bei Habermas der Fall ist, «[…] in der Konfundierung empirischer und normativer Elemente des Konzeptes, so daß immer wieder ungewiß ist, ob das angesprochene Phänomen eine soziale Bestandsgröße oder doch aber eine Art regulativer Idee darstellt. […] [J]enseits von historischen Beispielen [findet man] nur spärliche und unverbindliche empirische Referenzen […]. Sein Begriff von Öffentlichkeit ist so bedeutungsvoll, daß man mit ihm kaum noch etwas wiedererkennen kann» (Gerhards/Neidhardt 1990, 5).

Einen zur Habermas’schen Theorie gegensätzlichen Ansatz und zugleich die Begründung für die Definitionsproblematik liefert Niklas Luhmann, der eine systemtheoretische Einordnung des Begriffs «öffentliche Meinung» ablehnt (cf. Peters, Be. 1994, 59): «Viele klassische Begriffe der politischen Theorie befinden sich heute in einer zwiespältigen Lage: Man kann sie weder einfach fallenlassen noch in ihrem ursprünglichen Bedeutungsgehalt ernst nehmen. Sie scheinen wichtige evolutionäre Errungenschaften der neuzeitlichen Gesellschaft und ihrer politischen Systeme zu bezeichnen; dies aber in einer Weise, die nicht mehr befriedigt – gleichsam zu direkt, zu kompakt, zu einfach. Die neueren wissenschaftlichen Strömungen der Systemtheorie […], die die wissenschaftliche Kapazität für die Bearbeitung komplexer Sachverhalte auszuweiten suchen, fließen am traditionellen Begriffsschatz vorbei. Disziplinen, die ihn zu bewahren trachten, laufen eben damit Gefahr, rückständig zu werden oder sich auf Hermeneutik und Gedankentheorie zu beschränken. Unter diesen Umständen ist die Rekonstruktion klassischer politischer Begriffe mit neuartigen Denkmitteln eine reizvolle Aufgabe» (Luhmann 2007, 9).

Die Herausforderung des Öffentlichkeitsbegriffs liegt – ebenso wie bei anderen terminologischen Dachkonzepten wie «Diskurs», «Ideologien» und «Einstellungen» – v. a. darin begründet, dass er aus sozialem Handeln heraus entsteht und in diesem Handeln konstante Veränderungen erfährt und infolgedessen, so Luhmann, auch als Lösungsansatz «eines akuten faktischen Problembewusstseins» (Luhmann 2007, 9) fungiert.9 In ähnlicher Weise argumentiert auch Kaufmann (2002), wenn sie sagt, dass «öffentliche Meinung» als intensionales und

9 Zu «Sprachideologien» und «Spracheinstellungen» als Bestimmungselemente sprachlichen Handelns cf. Kap. 4.1.3.

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2 Metasprachdiskurse als öffentliche Systeme

konnotatives Konzept schlecht anhand von greifbaren oder wahrnehmbaren Faktoren beschrieben werden kann: «L’opinion publique, comme la plupart des concepts socio-politiques […] ne représente pas un état de choses, un fait empirique que l’on pourrait conformément aux critères strictement nominalistes de l’existence, toucher du doigt ou voir de ses propres yeux. Elle présente une signification qui n’est pas déterminée par le lien vertical entre les mots et les choses qu’ils sont censés signifier, mais par les différenciations ‹horizontales› qui se tissent à l’intérieur même du système des conventions linguistiques, des règles sociales et des intérêts politiques qui a présidé à sa fixation» (2002, 51).

Darüber hinaus bestehe die entscheidende Herausforderung bei der Definition von opinion publique darin, die gegensätzlich gedeuteten Bedeutungsaspekte der individuellen, wertenden und privaten ʻMeinungʼ auf der einen und den Aspekt des Gemeinschaftlichen von ʻöffentlichʼ auf der anderen Seite zusammenzuführen, um die Spezifik der Wechselwirkung zwischen beiden Begriffsbestandteilen in den Vordergrund zu stellen: «Le sociologue se trouve ainsi confronté à une tâche plutôt inhabituelle: tout en montrant, contre les paradigmes individualistes, que toute opinion est publique, il doit précieusement maintenir la dimension d’oxymoron de l’opinion publique. Car un tel oxymoron, en soulignant les difficultés potentielles de l’ajustement entre les opinions individuelles et le jugement public, entre les Je hétérogènes des particuliers et le Nous relativement homogène de la communauté, met en exergue l’essence même du politique» (Kaufmann 2003, 285).

Da letztlich «[…] der Wissensstand über die Strukturen und Funktionen dieses Gebildes [scil. der Öffentlichkeit] dürftig [ist]» (Gerhards/Neidhardt 1990, 5), und damit gerade auch seine soziolinguistische Adaption im Kontext der Sprachpflege als diskursive Erscheinungsform von Metasprache (cf. Kap. 4) als nicht offenkundig erscheint, wird in dieser Arbeit mit Gerhards/Neidhardt eine deskriptiv-funktionale Definition von «Öffentlichkeit» für moderne Gesellschaften zugrunde gelegt, die makro- und historio-soziologische Komponenten berücksichtigt: «Zur Bestimmung dessen, was Öffentlichkeit ist, welche Funktionen ihr in modernen Gesellschaften zukommen, welche Strukturen sie aufweist und welche Forschungsfragen sich daraus ergeben, greifen wir im Ansatz auf das systemtheoretische Instrumentarium der Beschreibung der Gesellschaft zurück. […] Mag es bestimmte Formen von Öffentlichkeit schon immer gegeben haben, so sind die Ausdifferenzierungen eines spezifischen Systems Öffentlichkeit und seine zentrale Bedeutung für die Gesamtstruktur der Gesellschaft erst im Kontext der Entstehung moderner, funktional differenzierter Gesellschaften zu verstehen. Öffentlichkeit bildet ein intermediäres System, dessen politische [und andere] Funktion[en] in der Aufnahme (Input) und Verarbeitung (Throughput) bestimmter Themen und Meinungen sowie in der Vermittlung der aus dieser Verarbeitung entstehenden

2.1 Öffentlichkeit als Begriff und System

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öffentlichen Meinungen (Output) einerseits an die Bürger, andererseits an das politische [und andere] Systeme besteht» (Gerhards/Neidhardt 1990, 6, Ergänzungen VN).10

Zur besseren Nachvollziehbarkeit dieses Ansatzes wird in den beiden folgenden Unterkapiteln zunächst eine Zusammenschau der zentralen Funktionen von Öffentlichkeit sowie der Situierung dieser Funktionen in unterschiedlichen sozialbzw. kommunikationssoziologischen Modellen gegeben. Im Anschluss werden die wichtigsten Komponenten der Modelle näher im Kontext massenmedialer Kommunikationsstrukturen und daraus resultierender Prämissen für die Struktur öffentlicher Diskurse fokussiert. Auf der Grundlage dieser theoretischen und terminologischen Vorüberlegungen zu den Modellen «moderner Öffentlichkeit» bildet die Diskussion des Transferpotenzials sozialwissenschaftlicher (und z. T. gesellschaftskritischer) Ansätze auf Metasprachdiskurse als übergeordnetes Paradigma und Sprachpflege als ein darin abgrenzbares System den Abschluss dieses Kapitels und die Überleitung zu den sprachwissenschaftlichen Zielsetzungen dieser Arbeit.

2.1.3 Funktionsbestimmungen und Modelle moderner Öffentlichkeit Erst seit den 1990er Jahren beschäftigen sich sozialwissenschaftliche Forschungen in Deutschland wieder mit der politischen Bedeutung von «Öffentlichkeit» und «[…] diese Aufwertung geht nicht zufällig einher mit der Neubestimmung der Funktion der Massenmedien […]» (Martinsen 2009, 37).11 Wenn man vom

10 An späterer Stelle resümieren Gerhards/Neidhardt (1990): «Fassen wir die Merkmalsbestimmungen von Öffentlichkeit zusammen: Unter Öffentlichkeit wird ein Kommunikationssystem verstanden, das prinzipiell für alle Mitglieder einer Gesellschaft offen und auf Laienorientierung festgelegt ist. Diese Merkmale von Öffentlichkeit haben Effekte auf die Informationsbearbeitungsprozesse des Systems. Daß es sich um ein offenes Laiensystem handelt, daß also das Material von Öffentlichkeit allgemein verständliche Kommunikation ist, sichert die Publikumsnähe des Systems. Jeder kann potentiell teilnehmen und möglicherweise alles verstehen. Die Offenheit des Systems stellt besondere Ansprüche an die Informationsverarbeitung innerhalb des Systems und die Informationsverwendung» (1990, 21). Die Definition von «Öffentlichkeit» als offenes Laiensystem erscheint hier zu stark vereinfacht dargestellt, da zum einen das Publikum politischer Kommunikation und auch anderer Publika innerhalb der gesamten Öffentlichkeit wie beispielsweise die Sprachpflege nicht ausschließlich aus Laien bestehen und bei einer solchen Feststellung ohnehin zunächst genauer zu definieren wäre, wann eine Person in Abgrenzung zum Experten als Laie eingeordnet werden kann. Zur Diskussion der Dichotomie «Laie» vs. «Experte» cf. Kap. 3.3.7. 11 Eine umfassende vergleichende Darstellung der hier behandelten kommunikationswissenschaftlichen Aspekte aus Sicht der deutschen und französischen Fachtraditionen kann in dieser Arbeit nicht geleistet werden. Es sei jedoch mit Averbeck (2008) darauf hingewiesen, «[…]

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2 Metasprachdiskurse als öffentliche Systeme

System der «politischen Öffentlichkeit» ausgeht, das als ein integraler Bestandteil von Demokratie gesellschaftliche Ansprüche und Maßstäbe für eine bestimmte Regierungsform und Art der Machtausübung gewährleistet, so ist dieses System in seiner Funktion per se präskriptiv ausgerichtet (cf. Neidhart 1994, 8). «Öffentlichkeit ist somit nicht vorrangig ein beschreibbares, empirisches Phänomen, sondern ein normatives Postulat und damit ein anzustrebender Zustand» (Jarren/Donges 2006: 97).12 Dabei besteht ein reziprokes Verhältnis zwischen Öffentlichkeit und öffentlicher Meinungsbildung, da Letztere die Ansprüche an und Funktionen von «Öffentlichkeit» diskursiv bestimmt und zur Geltung bringt. In Anlehnung an die Theorie einer gesamtgesellschaftlichen Steuerung nach Etzioni (1968),13 die beabsichtigt, «[…] die Möglichkeit einer aktiven gesellschaftlichen Steuerung sozialen Wandels auszuloten und zu bestimmen», und in der «[…] Kontrolle einerseits als kybernetische Fähigkeit der Informations- und Wissensverarbeitung, andererseits als Macht [konzipiert wird]» (Degele 2014, 191–192; cf. Etzioni 1968, 135–154), unterscheidet Neidhardt

dass die gegenseitige Wahrnehmung deutscher und französischer Kommunikationswissenschaftler bis dato ohnehin marginal ist. […] Dabei ist Kommunikationstheorie so wenig national wie irgendeine andere Theorie, national sind wissenschafts- und wissenssoziologisch begründbare Einflüsse auf die Theoriebildung und in der Folge Ausprägungen derselben» (2008, 211). Als zentraler Unterschied aus wissenschaftstheoretischer Perspektive ist die eigene Einordnung der französischen Kommunikationswissenschaften als humanwissenschaftlich (sciences humaines) und der deutschen als sozialwissenschaftlich hervorzuheben, was dazu führt, dass die Kommunikationswissenschaft in Frankreich weniger empirisch und mehr theoretisch ausgeprägt ist als in Deutschland (cf. Averbeck 2008, 213). 12 Zitiert wird im Folgenden sowohl aus der ungekürzten zweiten Auflage (2006) als auch aus der jüngsten, neu strukturierten und überarbeiteten Ausgabe (2017). 13 Mit Degele (2014) soll hier die aktuelle Relevanz der modernen Öffentlichkeitstheorie nach Neidhardt (1994) in ihrem Rekurs auf Etzionis Grundlagentheorie zum makroskopischen Handeln sozialer Akteure nochmals explizit begründet werden: «[…] im Sinne des Modells makroskopischen Wandels wird die Veränderung kapitalistischer hin zu aktiven Gesellschaften nicht durch den Klassenkampf, sondern durch die dezentrale und plurale Interaktion organisierter Großgruppen vorangetrieben. Etzionis Theorie makroskopischer Handlungen ist in mindestens dreifacher Hinsicht aktuell. Erstens können Debatten um politische Steuerungsmöglichkeiten in modernen Gesellschaften an seine soziokybernetische Theorie der Steuerung und Kontrolle angeschlossen werden […]. Zweitens liefert Etzionis Theorie kollektiver Akteure einen Beitrag zu einer handlungstheoretischen Fundierung der Makrosoziologie […]. Drittens bauen aktuelle Entwürfe zu ‹Wissensgesellschaften› zumindest implizit auf Etzionis Überlegungen zu Wissen als gesamtgesellschaftlichem Steuerungsfaktor erster Güte auf» (2014, 191–192). Diese Fragen nach der Steuerung, nach den entscheidenden sozialen Domänen, den einflussnehmenden Akteuren und ihrer Rolle als sprachpflegerischem Kollektiv sowie nach Prozessen des Wissenstransfers in Bezug auf Sprache verdeutlichen die Analysen aktueller und historischer Metasprachdiskurse (cf. Kap. 3–4).

2.1 Öffentlichkeit als Begriff und System

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(1994) im Arenenmodell drei Prozessstufen der öffentlich-gesellschaftlichen Kommunikation: (A) die Sammlung (input), (B) die Verarbeitung (throughput) und (C) die Weitergabe (output) von Themen und Meinungen (cf. 1994, 8). An diese Stufen angepasst, definiert er drei normative Ansprüche, die er als «Transparenz-» (1.), «Validierungs-» (2.) und «Orientierungsfunktion» (3.) zusammenfasst: 1. 2.

3.

«Öffentlichkeit soll offen sein für alle gesellschaftlichen Gruppen sowie für alle Themen und Meinungen von kollektiver Bedeutung. […] Öffentlichkeitsakteure sollen mit den Themen und Meinungen anderer diskursiv umgehen und ihre eigenen Themen und Meinungen unter dem Druck der Argumente anderer gegebenenfalls revidieren. […] Öffentliche Kommunikation, die von Öffentlichkeitsakteuren diskursiv betrieben wird, erzeugt ‹öffentliche Meinungen›, die das Publikum als überzeugend wahrnehmen und akzeptieren kann» (Neidhardt 1994, 8–9; Jarren/Donges 2006, 98).14

In Abhängigkeit vom normativen Grad dieses dreistufigen Programms können in einem weiteren Schritt unterschiedliche Modelle «demokratischer Öffentlichkeit» unterschieden werden.15 Um sowohl inhaltlich an die Überlegungen zum Strukturwandel der Öffentlichkeit anzuschließen als auch den diskursiven Charakter öffentlicher Kommunikation mit Blick auf den diskursanalytischen Schwerpunkt dieser Arbeit und damit zusammenhängende Theorien (cf. Kap. 4) in den Vordergrund zu stellen, sollen zunächst die unterschiedlichen Öffentlichkeitsmodelle mit ihrem individuellen Diskursverständnis und ihren normativen Postulaten vergleichend dargestellt werden: Das Diskursmodell öffentlicher Meinungsbildung, mit dem Habermas (cf. Kap. 2.1.1) anfänglich noch einen kulturtheoretisch sehr kritischen Standpunkt verfolgte (cf. Jarren/Donges 2006, 100),16 ist als normativ anspruchsvolles Mo14 Zur Rolle von Massenmedien als Produzenten öffentlicher Meinung cf. Eilders (2008) und Kap. 2.2. 15 «Üblicherweise wird in der Politikwissenschaft unterschieden zwischen so genannten normativen und empirischen Theorien – diese Gegenüberstellung hat ihren begrenzten Nutzwert in einer vorläufigen Kategorisierung des Theorienspektrums. In diesem Sinne kann man zwei Klassen von Theoriebildung unterschieden, je nach dem Ort, von dem aus die Theoriebildung ihren Ausgang nimmt […]. Steht am Beginn eine Sollens-Regel, so spricht man von normativen Ansätzen […]. Demgegenüber nehmen empirische Theorien ihren Ausgangspunkt von der konkreten institutionellen Verfasstheit von Demokratien […]. Allerdings impliziert dies keineswegs die Möglichkeit einer strikten kategorialen Trennung: Normative Theorie muss immer auch auf Praxis rückbezogen werden […], genauso wie umgekehrt zu betonen ist, dass auf empirische Erfahrung rekurrierende Forschung stets auch theoriegeleitet erfolgt» (Martinsen 2009, 44). 16 Die Diskurstheorie wurde von Habermas im Zuge mehrerer Abhandlungen entwickelt. Dazu zählen u. a. die seit den 1980er Jahren entwickelte Theorie des kommunikativen Handelns (1981a und b), die Beiträge zur Diskurstheorie des Rechts (1992a) sowie jüngere Beiträge zur

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2 Metasprachdiskurse als öffentliche Systeme

dell einzuordnen (Neidhardt 1994, 9), da es «auf universalistische Annahmen eines Rationalisierungspotenzials sprachlicher Verständigung zurückgreift» (Martinsen 2009, 50). Der Explikation des Modells, das Habermas in Abgrenzung zu liberalen und republikanischen Theorien entwickelt hat, stellt Peters, Be. (1994) zunächst die Aufstellung dreier möglicher Bedeutungen von «öffentlich» bzw. «Öffentlichkeit» voran, die als Ergänzung bereits angeführter Definitionen sowie Interpretation weiterer Öffentlichkeitsmodelle im Kontext der «Struktur moderner Sozialordnungen» (1994, 42) sinnvoll erscheint: «In Kombination mit dem Gegenbegriff ‹privat› dient ‹öffentlich› der Abgrenzung und Bezeichnung von sozialen Handlungs- und Verantwortungsbereichen mit grundsätzlich verschiedenem normativen Charakter. In einer zweiten Begriffskonstellation wird ‹öffentlich› verbunden mit zwei Gegenbegriffen: ‹privat› und ‹geheim›; die entsprechenden Unterscheidungen dienen einer sozialen Grenzziehung im Bereich von Kommunikation und Wissen. Der dritte Sinn von ‹Öffentlichkeit› nimmt Elemente der ersten beiden Begriffsverwendungen auf und verknüpft sie mit zusätzlichen normativen Gehalten: Öffentlichkeit bezeichnet hier eine Art Kollektiv mit einer bestimmten Kommunikationsstruktur oder einer Sphäre kommunikativen Handelns mit bestimmten anspruchsvollen Merkmalen und Funktionen» (Peters, Be., 42–43).

Mit der letztgenannten Erscheinungsform von Öffentlichkeit wird dem Diskursmodell seine entscheidende «emphatische» Komponente attribuiert, d. h. es handelt sich um «Öffentlichkeit» in Form eines sozialen Kollektivs (Publikums), das auf der Grundlage einer auf Gleichheit und Reziprozität sowie Offenheit und adäquater Verarbeitungskapazität (Kompetenz) beruhenden kommunikativen Struktur praktische und für alle Beteiligten relevante Probleme in einem idealen Diskurs aushandelt, der durch rationale und evidente Argumentation zu Überzeugung führt (cf. Peters, Be. 1994, 45–49; Dubiel 1988, 120). Übertragen auf die Funktionen von Öffentlichkeit begründet Habermas (2015) die Transparenzfunktion durch den freien Zugang zum Diskurs, wenn er sagt: «Die bürgerliche Öffentlichkeit steht und fällt mit dem Prinzip des allgemeinen Zugangs. Eine Öffentlichkeit, von der angebbare Gruppen eo ipso ausgeschlossen wären, ist nicht etwa nur unvollständig, sie ist vielmehr gar keine Öffentlichkeit» (2015, 156). In der diskursiven Tradition impliziert Öffentlichkeit folglich einen hohen Anspruch an den gegenseitigen respektvollen Austausch: «In summary, the discursive tradition shares the value of popular inclusion […]. Inclusion of speakers from the periphery should contribute to an active dialogue between center

politischen Kommunikation in der Mediengesellschaft (2006). Zur ausführlichen Darstellung des deliberativen Paradigmas und seiner Herleitung cf. Habermas (1992b). Einen zusammenfassenden Überblick zum normativen Begriffsverständnis von «Öffentlichkeit» bei Habermas liefert Rhomberg (2008, 38).

2.1 Öffentlichkeit als Begriff und System

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and periphery and foster more deliberative speech: Deliberativeness is the core value of this perspective, and it involves recognizing, incorporating, and rebutting the arguments of others – dialogue and mutual respect – as well as justifying one’s own» (Marx Ferree et al. 2002, 306).

Diese Auffassung von diskursivem Handeln, das alle gesellschaftlichen Akteure einschließt, ist neben anderen Modellen für die Betrachtung jedweden Diskurses von Belang.17 Hinsichtlich metasprachlich-normativer Diskursformen, wie sie in der Sprachpflege zu Tage treten und die prinzipiell von einer geringeren gesellschaftlichen Reichweite und Relevanz zeugen als politische Diskurse – zahlreiche Verfahren und Ansätze der politischen Diskursanalyse bauen auf dem klassischen Diskursmodell auf (cf. z. B. Peters, Be. 1994, 45; Kerchner/ Schneider 2006, 9) –, stellt sich allerdings umso mehr die Frage nach dem Spektrum der am Diskurs beteiligten Akteure, wobei sich die periphere Situierung der Sprecher innerhalb dieses Spektrums, z. B. in der Opposition von «Laie» und «Experte», ausdrücken kann (cf. Kap. 3.3.7). Die Gegenposition zum normativen Diskursmodell liefern wie bereits erwähnt systemtheoretische Ansätze (cf. Rhomberg 2008, 41–47) und die darauf basierenden sog. Spiegelmodelle, begründet durch Niklas Luhmann: «In dieser Funktion der verdeckenden Offensichtlichkeit tritt die öffentliche Meinung an die Stelle dessen, was für ältere Gesellschaften Tradition bedeutet hatte. Sie erfüllt die gleiche Funktion: etwas zu bieten, woran man sich halten kann, und dies in einer Weise, die einem Vorwürfe erspart. […] Man kann sich diese Orientierung mit Hilfe der Metapher des Spiegels verdeutlichen. […] es geht um die Möglichkeit, zu beobachten, wie der Beobachter selbst und andere in der öffentlichen Meinung abgebildet werden. Im Spiegel sieht man jedenfalls nicht sich selbst, sondern nur das Gesicht, das man für den Spiegel aufsetzt und ihm zuwendet. Aber man sieht nicht nur das, sondern man sieht im Rückblick über die eigenen Schultern hinweg die anderen, die im gleichen Raum vor dem Spiegel agieren: andere Personen, andere Gruppen, andere politische Parteien, andere Versionen zum gleichen Thema. […] Was immer man sieht, es ist ein Ausschnitt, der durch die eigene Position und Bewegung bestimmt ist» (Luhmann 2005, 171–172).

Es handelt sich also bei Luhmann um eine konstruktivistische Auffassung der Realität, die nicht nur auf einer Metaebene durch wissenschaftliche Konzeptbildung sichtbar wird, sondern z. B. sehr konkret auch im Handeln von Akteuren im Kontext medialer Kommunikation in Erscheinung tritt: «[…] politische Akteure [benutzen] die Medien, um beabsichtigte Entscheidungen vorzubereiten, die Bürgerinnen und Bürger quasi einzustimmen, oder getroffene Entscheidungen so zu begründen» (Jarren/Donges 2006, 99). Somit kann vor einem normati-

17 Zum Diskursbegriff cf. ausführlich Kap. 4.1.1.

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2 Metasprachdiskurse als öffentliche Systeme

ven Hintergrund die Transparenzfunktion beim input noch als gegeben gelten, die Verarbeitung der Information im Diskurs (throughput) hingegen deutlich freier, weniger normativ geregelt sein und folglich opak bleiben: Es sind also Formen des spontanen Diskurses mitzudenken, der sich auf der sog. EncounterEbene (cf. Kap. 2.1.4) abspielt und der «[…] durch fließende Übergänge zwischen privater Kommunikation mit wechselseitig hoch selektiven Publikumsbezügen und öffentlicher Kommunikation gegenüber einem prinzipiell unbegrenzten Publikum [gekennzeichnet ist]» (Jarren/Donges 2006, 103): «Rather than dialogue and formal argumentation, constructionists particularly value narrative as a characteristic of content and style that challenges both the diffuse power relations of daily life and the concentrated power of disembodied formal political institutions by revealing the connection between them. Legitimating the language of the life world in discourse privileges the experiential knowledge of ordinary citizens and contributes to their empowerment. Finally, closure after a decision is deeply suspect since it can so easily suppress the diversity of expression that vitalizes democracy» (Marx Ferree et al. 2002, 315, Fettdruck im Original).

Im Vergleich zum deliberativen Diskursmodell, das Meinungs- und Entscheidungsbildungsprozesse auf den Modi Argumentieren und Verhandeln aufbaut und beansprucht, dass «[…] die Kommunikation mit und zwischen den Bürgern […] eine kontinuierliche Rückbindung der gesellschaftlichen Interessen an die politischen Institutionen gewährleiste[n][…] soll» (Martinsen 2009, 49–50), fordert das Spiegelmodell eine bewusste und obligatorische Ausweitung der Kommunikation auf Bürger bzw. Sprecher, die über praktisches Wissen (experiential knowledge), also Alltagswissen, verfügen sowie deren Stärkung (empowerment). Verfolgt wird bei letzterem Modell also ein gesellschaftskritischer Ansatz: «Writers in this tradition share a critical approach, questioning existing arrangements and categories to see if they conceal hidden inequalities. They are more pessimistic than discursive theorists about the possibility of separating oppressive power from speech» (Marx Ferree et al. 2002, 307). Diese Vorstellung von «Diskurs» und somit auch von «Öffentlichkeit» als gelenkter Konstruktion, die deskriptive und kritische Forschungsprogramme der Diskursanalyse begründet, geht auf Michel Foucault zurück, dessen diskurstheoretische Ansätze an späterer Stelle im Rahmen der Definition von «Diskursen» als sozialem Handeln ausführlicher resümiert werden (cf. Kap. 4.1.1): «[…] je suppose que dans toute société la production du discours est à la fois contrôlée, sélectionnée, organisée et redistribuée par un certain nombre de procédures qui ont pour rôle d’en conjurer les pouvoirs et les dangers, d’en maîtriser l’événement aléatoire, d’en esquiver la lourde, la redoutable matérialité» (Foucault 1971, 10–11).

2.1 Öffentlichkeit als Begriff und System

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Das aus dieser Kritik resultierende Öffentlichkeitsideal fordert die Aufhebung der Trennung von Privatem und Öffentlichem und somit den ständigen Einbezug «gewöhnlicher» Bürger (ordinary people) sowie die Ablehnung eines Expertentums bzw. einer Elite. Diese strukturelle Offenheit auf der Akteursebene bedingt u. a. auch die Befürwortung von Kommunikationsformen, die von den übrigen normativen Modellen abweichen (cf. Marx Ferree et al. 2002, 310): «Narrative is one preferred mode of the ‹non-expert› who can at least speak from her own experience in this form. More generally, if cultural norms of how discourse should be conducted differ by social location, then these norms have the potential to silence those who habitually use alternative modes. The issue here is not the inability of some groups to provide rational arguments for their beliefs, but that narrative and other preferred modes may be unfairly devalued and the ‹impartiality› of technical expert discourse may conceal an unacknowledged political agenda» (Marx Ferree et al. 2002, 310).

Ergänzend zu dieser Gegenüberstellung des diskursiven und systemtheoretischen Öffentlichkeitsmodells sollen abschließend drei weitere Konzepte Erwähnung finden, die abweichende Diskursentwürfe formulieren, Qualitäten von Öffentlichkeit beschreiben und Auskunft über die zur Realisierung des jeweiligen Ansatzes vorgesehenen Akteurskonstellationen und Kommunikationsmodi geben. Die folgende Tabelle, adaptiert und erweitert nach Marx Ferree et al. (2002, 316) dient einer überblicksartigen Darstellung aller normativen Diskursmodelle,18 die das Diskursmodell (discursive theory type) und das Spiegelmodell (constructionist theory type) um zwei weitere Öffentlichkeitsmodelle ergänzen (representative liberal und participatory liberal theory type). Die jeweils wichtigsten normativen Kriterien sind kursiv gesetzt: Tab. 1: Normative Öffentlichkeitsmodelle (adaptiert nach Marx Ferree et al. 2002). Theory types

Representative liberal

Criteria for good democratic public discourse Input

Throughput

Output

Who participates

In what sort of process

Elite dominance Expertise proportionality

Free marketplace Detachment of ideas Civility Transparency

How ideas should be presented

Outcome of relation between discourse and decision-making Closure

18 Zu einer ausführlicheren Darstellung politikwissenschaftlicher Kategorisierungsansätze von «Öffentlichkeit» als mediendemokratischem Konzept cf. Martinsen (2009).

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2 Metasprachdiskurse als öffentliche Systeme

Tab. 1 (fortgesetzt) Theory types

Criteria for good democratic public discourse Input

Throughput

Output

Participatory liberal

Popular inclusion Empowerment

Range of styles

Avoidance of imposed closure

Discursive

Popular inclusion Deliberative

Dialogue Mutual respect Civility

Avoidance of premature, nonconsensus-based closure

Constructionist

Popular inclusion Empowerment Recognition

Narrative creativity

Avoidance of exclusionary closure Expansion of political community

Das repräsentativ-liberale Öffentlichkeitsmodell hebt sich hinsichtlich der beteiligten Akteure durch seine explizite Forderung nach diskursiver Inklusion der Elite, 19 die sich aus einem proportional aufgefächerten Spektrum an Experten aus verschiedenen Bereichen – in politischer Perspektive aus verschiedenen Parteien – zusammensetzt, markant von den übrigen normativen Modellen ab.20 Die Medien dienen in diesem Konzept als komplementärer Hauptakteur der Stärkung eines insgesamt durch freien Wettbewerb entstehenden (free marketplace), aber formal distanzierten Expertendialogs, der jedoch für das Publikum sichtbar den Transparenzanspruch gewährleisten soll (cf. Marx Ferree et al. 2002, 317):

19 Der «Elite»-Begriff unterliegt verschiedenen Definitionsansätzen, die ausführlich in Peters, Bi. (1994) dargestellt sind. Eine grundlegende Frage besteht hinsichtlich der Unterscheidung oder einer möglichen Integration von «Elite» und «Prominenz» und welcher dieser Kategorien Politiker zuzuordnen sind. In sprachpflegerischen Argumentationen werden Politiker oftmals unter dem Begriff «Elite» mit pejorativer Wertung zusammengefasst (cf. Kap. 4.2): «Eine Trennung nach ‹celebrities› im Sinne von Unterhaltungsstars einerseits und Politikern andererseits – wie sie vor allem auch von der amerikanischen Literatur […] vorgenommen wird – kann […] nicht aufgehen. Der Unterschied zwischen Eliten und Prominenz läßt sich vielmehr an ihrer Entstehung verdeutlichen, nämlich am sozialen Umfeld, das dem jeweiligen Status einer Person bestimmt […]: Während Eliten von Fachkreisen oder Gremien ausgewählt werden, schreibt den Prominentenstatus eine breite Laienöffentlichkeit vor» (Peters, Bi. 1994, 192–193). 20 Zur ausführlichen Dokumentation und Diskussion dieses Ansatzes cf. Marx Ferree et al. (2002, 290–295).

2.1 Öffentlichkeit als Begriff und System

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«The media should encourage a dialogue among the informed, and most citizens are not well-informed enough to contribute. There are exceptions – citizens defined as ‹experts›, either on the political process in general, or on the substantive matter under discussion. This criterion of representative liberalism, expertise, emphasizes its value in informing the people’s representatives in making wise decisions, rather than informing the public. […] When it comes to evaluating the content of public discourse, the operant metaphor for representative liberalism is the free marketplace of ideas. On the how question, the prescribed form of communication is detachment – a rejection of the expression of emotion» (Marx Ferree et al., 292–293).

In diametraler Opposition zur repräsentativen Demokratietheorie steht an letzter Stelle das partizipatorische Paradigma, in dem «[…] der individuellen Selbstbestimmung der Status eines Höchstwerts zugewiesen [wird] – entsprechend fungiert Fremdbestimmung als der negativ konnotierte Gegenbegriff» (Martensen 2009, 51). Die normative Komponente dieses Modells liegt im Erreichen einer größtmöglichen ʻErmächtigungʼ (empowerment) des gesamten Volkes, sodass eine diastratisch maximale Öffentlichkeit die Kontrollfunktion bei gesellschaftlichen Fragen und Entscheidungen erfüllt (cf. Marx Ferree et al. 2002, 299). Dieser Vorstellung entsprechend ist es Ziel der Medien, ein möglichst diverses Spektrum an Informationen in verschiedenen Kommunikationsstilen zur Verfügung zu stellen, um eine aktive Beteiligung aller Akteure zu initiieren: «The goal is to establish structures of broadcasting in the public interest […] which optimize diversity in terms of information, viewpoints and forms of expression, and which foster full and active citizenship» (cf. Marx Ferree et al., 296). Allen Modellen gemeinsam ist die Position von Öffentlichkeit als intermediäres System, «das sowohl zwischen dem politischen System und den Bürgern, zwischen verschiedenen politischen Akteuren als auch zwischen dem politischen System und den Interessen anderer gesellschaftlicher Teilsysteme vermittelt» (Jarren/Donges 2006, 103). Jedoch variieren die Konstellation innerhalb dieses intermediären Systems wie auch die Intention und Funktion in Abhängigkeit von den veranschlagten normativen Kriterien, sodass in jeder Öffentlichkeitsform während des Vermittlungsprozesses öffentliche Meinung erzeugt wird, die sich in den Arenen unterschiedlicher Meinungsbildung mehr oder weniger durchzusetzen vermag, dabei aber stets eine metakommunikative Funktion erfüllt,21 in der ein Einstellungskollektiv sichtbar wird, das nicht als «statistisches Aggregat individueller Meinungen ermittel[t]» werden kann (Gerhards/ Neidhardt 1990, 12; cf. Kap. 4.1.3):

21 Wenn beim Informationsinput die Tendenz besteht, dass Öffentlichkeit ihre metakommunikative Funktion zur Beschäftigung mit sich selbst einsetzt, sprechen Gerhards/Neidhardt von «autistischer Öffentlichkeit» (1990, 13).

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2 Metasprachdiskurse als öffentliche Systeme

«Insofern ist Gesellschaft mehr als die Summe und das Zusammenspiel ausdifferenzierter Teilsysteme, mehr als ein System funktionalisierter Kommunikation. Sie ist auch immer diese Metakommunikation, in der die Akteure allgemeine Sinnfragen stellen, Frustrationen ausdrücken, Schuldsprüche stellen, Befürchtungen und Hoffnungen austauschen. Gesellschaft ist neben allem anderen ein kontinuierlich metakommunizierender Diskussionszusammenhang. Sie umfasst den Dauerkommentar zu sich selber. Und Öffentlichkeit ist das soziale Medium, das diesen Dauerkommentar teilweise aufnimmt und diffundiert» (Neidhardt 1989, 30–31).

Intermediarität und Reflexivität als Merkmale gesellschaftlicher Kommunikation und Bestimmungsstücke von «Öffentlichkeit» spiegeln sich in den Teilsystemen des öffentlichen Diskurses wider. Metasprachdiskurse repräsentieren ein solches Teilsystem von Öffentlichkeit, da sie verhandelnd und vermittelnd in Bezug auf den Gegenstand «Sprache» agieren, auf bestimmten normativen Vorstellungen beruhen und Einstellungen konstituieren. Das Sprechen über Sprache ist dabei grundsätzlich von einer doppelten Reflexivität gekennzeichnet, denn «[w]enn die Richtigkeit/Angemessenheit/der soziale Wert sprachlicher Formen diskutiert wird, wird somit auch die Richtigkeit/Angemessenheit/der soziale Wert der in den Handlungsmodellen ‹registrierten› Personen- und Handlungstypen diskutiert (und häufig primär dies)» (Spitzmüller 2019, 24; cf. Kap. 4.1.3). Um zunächst den Aushandlungscharakter von öffentlichen Diskursen als kommunikative Schnittstelle weiter zu definieren, dient das folgende Kapitel einer vertieften Darstellung der Ebenen und Akteure, die Intermediarität als zentrales Merkmal von «Öffentlichkeit» bestimmen.

2.1.4 Intermediäre Öffentlichkeit: Ebenen und Akteure Mit Verweis auf die von Habermas in den Vordergrund seiner Überlegungen zur Diskussionsfähigkeit der Kultur gestellte «prinzipielle […] Unabgeschlossenheit des Publikums» (2015, 98) geht Neidhardt davon aus, dass «[ö]ffentliche Kommunikation […] prinzipiell mit hohen Ungewißheiten und mit einer starken Wahrscheinlichkeit von Überraschungen statt[findet]» (1994, 10, cf. Gerhards/ Neidhardt 1990, 19). Dabei stellt sich die Frage, inwiefern sich die Unabgeschlossenheit und Ungewissheit von Diskursen durch die mediale Entgrenzung der Gesellschaft potenziert hat. Mit der folgenden Erweiterung diskurstheoretischer Ansätze um Aspekte der Massenmedienforschung wird diese Frage theoretisch fundiert. Die Einteilung von «Öffentlichkeit» in unterschiedliche Ebenen nach den Kriterien der Informationssammlung, -verarbeitung und -verwendung und führt zur Festlegung von drei unterschiedlichen Interaktionssystemen, die in das folgende inhaltlich vereinfachte Pyramidenschema nach Jarren/Donges (2006, 105) übertragen werden können:

2.1 Öffentlichkeit als Begriff und System

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Medienöffentlichkeit

Themenöffentlichkeit

Encounter

Abb. 1: Ebenen und Interaktionssysteme von Öffentlichkeit (eigene Darstellung nach Jarren/ Donges 2006, 105).

An unterster Stelle stehen einfache Diskurssysteme, die Formen strukturell und funktional nicht zugeordneter oder mehrdeutig zugeordneter Kommunikation aufweisen. Diese Interaktionssysteme werden von Luhmann als «Kommunikation au trottoir» (2004, 75) und von Goffman als Encounters (2013) bezeichnet (cf. auch Gerhards/Neidhardt 1990, 20; Jarren/Donges 2006, 103). Bei dieser Ebene geht es um alltagsweltliche Kommunikationssituationen, die sich spontan und öffentlich abspielen: «Die Encounter-Ebene ist meist räumlich, zeitlich und sozial beschränkt, und sie ist gekennzeichnet durch fließende Übergänge zwischen privater Kommunikation mit wechselseitig hoch selektiven Publikumsbezügen und öffentlicher Kommunikation gegenüber einem prinzipiell unbegrenzten Publikum» (Jarren/Donges 2006, 103). Auch wenn sich auf dieser Ebene ein gewisses Maß an Kontinuität durch gewohnheitsmäßige Kommunikationssituationen einspielt, ist dieser Öffentlichkeitstypus dennoch durch «[…] Zerbrechlichkeit und relative Strukturlosigkeit […]» (Gerhards/Neidhardt 1990, 20) geprägt. Dementsprechend gewährt der Encounter-Bereich auch eine hohe Offenheit für alle interessierten Akteure und bietet unbegrenztes Potenzial an Informationsinput, jedoch verhindert die Strukturlosigkeit einen synergetischen und somit übersichtlichen Kommunikationsfluss, der letztlich zu einer kondensierten und transparenten Ausbildung einer öffentlichen Meinung

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2 Metasprachdiskurse als öffentliche Systeme

führt. Nichtsdestotrotz kann allerdings gerade diese unbegrenzte und ungefilterte Diskursform Ausgangspunkt für kritische Gegenbewegungen und Autonomisierungsprozesse gegenüber elitären Systemebenen sein (cf. Gerhards/ Neidhardt 1990, 21). Übertragen auf Metasprache als Teildiskurs öffentlicher Kommunikation wird der Encounterebene – die in der sprachpolitischen Realität historisch bedingt in den meisten Fällen am unteren vertikalen Ende von top-down-Prozessen steht (cf. Kap. 3.3.4) und somit die Peripherie sprachen- und sprecherbezogener Meinungsbildung abbildet – in dieser Arbeit eine entscheidende Bedeutung zugeschrieben, da sie die Mehrheit der Gesellschaft und somit auch die Mehrheit der Sprecher umfasst. So wurde die Überlegung hinsichtlich der Rolle und des Einflusses der Encounterebene im metasprachlichen Diskurs bei der Korpuswahl durch die Aufnahme von Sprachmaterial aus massenmedialen Diskursarenen berücksichtigt, um auch Haltungen und Meinungen von Sprechern zu erfassen, die keiner offiziellen oder offiziösen Domäne von Sprachpflege angehören (cf. Kap. 4.3).22 Die zweite Ebene der Themenöffentlichkeit fasst den Bereich der öffentlichen und thematisch differenzierten Veranstaltungen zusammen. Die Spannweite zwischen spontanen Veranstaltungen und solchen von hohem Organisationsgrad bestimmt dabei die Konstellation zwischen Publikum und Leitungsrollen (cf. Gerhards/Neidhardt, 22; Jarren/Donges 2006, 104). Auch wenn die thematische Selektion von Veranstaltungen hinsichtlich des Inputs eine i. d. R. homogene Gruppe an Akteuren und Informationen zusammenbringt, was zur Ausbildung einer ebenso gearteten öffentlichen Meinung führt, trägt diese Ebene dennoch zu einer inhaltlichen Ausdifferenzierung des gesamtgesellschaftlichen Diskurses bei (cf. Gerhards/Neidhardt 1990, 23). Im Vergleich zur Encounter-Basis ist die Themen- und Versammlungsöffentlichkeit durch ihre thematische Strukturierung stabiler und steht durch ihre orga-

22 Die Orientierung am konzeptuellen Gegensatz einer Sprachpolitik ‹von oben› (top-down) und ‹von unten› (bottom-up) dient im Kontext des hier hergestellten Zusammenhangs zwischen Öffentlichkeitsmodellen und dem Metasprachdiskurs als öffentlichem Diskurs als erster Ansatzpunkt, um das Verhältnis von Metasprachdiskursen und Öffentlichkeit zu konturieren (cf. hierzu in historischer Perspektive Kap. 3.3.4–3.3.5). Eine definitorische Situierung sprachpflegerischer Aktivitäten und Prozesse im terminologisch übergeordneten Bereich einer Sprach(en)politik i. w. S. folgt in Kap. 3.3.8. Vorweg ist dennoch zu betonen, dass die vertikale Stratifizierung von Sprachpflege hier als Vereinfachung zu verstehen ist, um die Anwendung von öffentlichkeitstheoretischen Konzepten auf Metasprachdiskurses modellhaft nachvollziehbar zu machen. Eine definitorische und strukturelle Reduzierung von «Sprachpolitik» auf einen vertikalen Antagonismus kann der Komplexität sprachenbezogener Diskurse, v. a. massenmedialer Natur, nicht entsprechen.

2.1 Öffentlichkeit als Begriff und System

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nisierte meinungsbildende Struktur im Zentrum eines ebenenübergreifenden Interesses, «[…] weil sie von Journalisten systematisch beobachtet werden […] [und] [d]ie Themen […] zu Medienthemen werden [können]» (Jarren/Donges 2006, 104). Den Transfer auf den metasprachlichen Diskurs im Kontext der sprachpolitisch vereinfacht gedachten Dichotomie top-down vs. bottom-up fortführend, sind auf dieser Ebene u. a. die Tätigkeiten und die Vermittlung organisierter metasprachlicher Themen und Inhalte, z. B. durch die Arbeit sprachpflegerischer Vereine oder Organisationen, zu verorten, deren metasprachliche Äußerungen in dieser Arbeit einen entscheidenden Teil des Korpus stellen. An der Spitze öffentlicher Interaktionsprozesse steht die massenmediale Kommunikation, die sich maßgeblich von den anderen Ebenen unterscheidet. Mit Gerhards/Neidhardt (1990) stellen die klassischen Massenmedien als Konstante der öffentlichen Kommunikation eine besondere Kommunikationsarena dar, die durch die technologisch weiterentwickelte Infrastruktur und innovative Formen der Bereitstellung und Verarbeitung von Informationen jedoch in erster Linie den rezeptiven Bereich gesellschaftlicher Kommunikation abdeckt und beeinflussen kann, da diskursive Aushandlungen von Inhalten im dialogischen Sinne in der Modellspitze deutlich weniger präsent sind: «Die Ausdifferenzierung und Professionalisierung von Leistungsrollen in Form von Kommunikatoren erhöht die Chance einer breiten und kontinuierlichen Beeinflussung von öffentlicher Meinung in sozialer Hinsicht. Damit ist […] schließlich die Veränderung der Publikumsrolle verbunden. Das Publikum wird abstrakter (keine Präsenzöffentlichkeit), zudem viel größer in seinen Handlungsmöglichkeiten aber [sic] reduzierter: Die Gestaltungsformen des Publikums beschränken sich – sieht man von Leserbriefen oder Anrufen ab – auf das Ausschalten bzw. die Abbestellung der ‹veröffentlichten Meinung›» (Gerhards/Neidhardt 1990, 24).

Diese Vorstellung von «medialer Öffentlichkeit» muss für den gesamtgesellschaftlichen wie für den metasprachlichen Diskurs jedoch um aktuelle Entwicklungsaspekte der Internet-Technologie und der mehrdimensionalen Informationsverarbeitung erweitert werden. Das Web 2.0 und seine multimodale Informationsvermittlung, die entgegen der oben genannten Gestaltungsformen stetig neue und sich immer weiter verbreitende Formen der weltweiten Partizipation ermöglicht (cf. Marx/Schwarz-Friesel 2013, 1), bestätigt zwar die bereits von Gerhards/Neidhardt beschriebene, heutzutage verstärkte Ausdifferenzierung und Abstraktheit des Publikums, impliziert andererseits aber auch erweiterte Möglichkeiten kommunikativer Praxis und ihrer medialen Vermittlung, wodurch die Teilhabe des Publikums am Diskurs (deutlich) in Abhängigkeit von gesellschaftsspezifischen und/oder nationalen Regulativen ansteigen kann,

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2 Metasprachdiskurse als öffentliche Systeme

Leistungsrollen stärker hinterfragt und bisweilen gar durch das Publikum neu definiert werden können. Diese Einflussnahme des technologischen Wandels auf die Struktur von Diskursen, die im folgenden Unterkapitel eingehender beschrieben werden soll, stellt das dreiteilige Modell der Öffentlichkeit nach Jarren/Donges (2006) strukturell in Frage, denn durch die v. a. in den Sozialen Medien erhöhte Partizipation des Publikums wird den ursprünglichen Rezipientenrollen mehr aktive Diskursteilhabe zugesprochen, was dazu führt, dass die Interaktionsebenen sich funktionell stärker verzahnen und insgesamt durchlässiger werden. Die in der adaptierten Abbildung angedeuteten Trennlinien stehen hingegen für die Annahme von Selektionsstufen (cf. Abb. 1), d. h. «[v]on der Vielzahl der Themen, die auf der Encounter-Ebene verhandelt werden, gelangt nur ein Bruchteil auf die Ebene der Themen- oder Versammlungsöffentlichkeit. Die Bereitstellung und Herstellung von Themen in der Medienöffentlichkeit erfolgt von spezialisierten Personen (Journalistinnen und Journalisten), die dauerhaft und auf Basis spezifischer Berufsregeln arbeiten. In der Publizistik und Kommunikationswissenschaft sind auch die Interaktionen zwischen diesen Stufen von Interesse […]» (Jarren/Donges 2006, 104).

Da es heutzutage nachweislich so ist, dass die Selektion von Themen auf der Ebene der Medienöffentlichkeit nicht mehr ausschließlich von Experten, sondern von einem relativ breiter angelegten Publikum mitkonstituiert wird, gilt es aus kommunikationswissenschaftlicher und soziolinguistischer Perspektive mit Nachdruck auf die Bedeutung der Interaktion zwischen den Ebenen von Öffentlichkeit zu verweisen und mit Blick auf ihre intermediäre Funktion eine «prinzipielle Gleichrangigkeit» (Gerhards/Neidhardt 1990, 25) und gegenseitige Einflussnahme anzunehmen.23 Neben diesem strukturellen Einwand stellt u. a. ein 23 Die Erweiterung der aktiven und passiven Teilhabe des Publikums – sofern der Begriff des Publikums durch die gegebene, nicht immer begründete Partizipationskompetenz der Mehrheit der Bevölkerung wiederum in Frage zu stellen ist – führt in vielerlei Hinsicht zur Gewährleistung der praktischen Umsetzung demokratischer Grundprinzipien, ermöglicht aber auch eine Einschränkung von Transparenz (input), Validität (throughput) und Orientierung (output) durch die Anonymität von Akteuren im Internet sowie die Verschleierung und Verfälschung von deliberativen, nachvollziehbaren Argumentationsstrukturen und den Einsatz manipulativer kommunikativer Verfahren. Es sei in diesem Zusammenhang auch auf immer häufiger auftretende Phänomene wie sog. Fake News und Spear Phishing hingewiesen, gegen die sich die Leistungsgruppen der Medienöffentlichkeit zur Wehr setzen müssen, wie der folgende Auszug aus einem Beitrag von Seibert (2016) auf ARD online belegt: «Im Prinzip gibt es zwei Möglichkeiten, durch Meinungsmache den Bundestagswahlkampf von außen zu beeinflussen. Beide haben schicke englische Namen: Fake News und Spear Phishing. Auf Deutsch: Lügenmärchen und Datenklau. […] Methode eins, also das Erfinden von Nachrichten, macht gerade aktuell Schlagzeilen. Die Grünen-Politikerin Renate Künast wurde auf Facebook zitiert mit einem Kommentar über den Freiburger Mädchenmörder. Als Quelle wurde die ‹Süddeutsche Zeitung›

2.1 Öffentlichkeit als Begriff und System

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Artikel von Gerhards/Schäfer mit dem kritischen Titel Is the Internet a better public sphere? (2010) die diesen Aspekten übergeordnete Frage nach den konkreten Vorteilen neuer Diskursräume und den veränderten Bedingungen öffentlicher Diskurse: «Normative theorists of the public sphere, such as Jürgen Habermas, have been very critical of the ‹old› mass media, which were seen as unable to promote free and plural societal communication. The advent of the internet, in contrast, gave rise to hopes that it would make previously marginalized actors and arguments more visible to a broader public» (Gerhards/Schäfer 2010, 143).

Diese Frage kann aufgrund der hohen Dynamik und Unvorhersehbarkeit massenmedialer Prozesse, der Abhängigkeit einzelner gesellschaftlicher Diskurse von ihren jeweiligen nationalen Regierungsformen und dem damit verbundenen Demokratieverständnis nur ansatzweise beantwortet werden. Dennoch ist sie zur objektiven Betrachtung einzelner öffentlicher Diskursarenen wie der Sprachpflege in Deutschland und Frankreich zumindest als theoretische Komponente unerlässlich, um die Hintergründe und Bedingungsfaktoren metasprachlichen Handelns in seiner Interaktion und kommunikativen Auswirkung nachvollziehen zu können. Diese Überlegungen stehen wiederum in direktem Zusammenhang mit den Gesetzmäßigkeiten, die demokratische Diskursmodelle für die öffentliche Kommunikation festsetzen und mit der Frage, ob und auf welche Weise die Akteure sich zum einen beteiligen und zum anderen den Erwartungen ihres Publikums gerecht werden (Gerhards/Neidhardt 1990, 26), was letztlich einen akteurszentrierten Ansatz diskursanalytischer Untersuchungen öffentlicher Kommunikati-

angegeben. Weder Künast noch die Zeitung haben mit diesem Zitat irgendetwas zu tun. Trotzdem war es mehrere Tage bei Facebook nachzulesen, obwohl das Unternehmen darauf hingewiesen wurde, dass es sich um Fake News handelt. Deswegen geht Künast jetzt rechtlich gegen Facebook vor. Noch viel größere Wellen gab es im Fall Lisa – das angeblich vergewaltigte russische Mädchen in Berlin. Das führte sogar zu Spannungen zwischen dem russischen und dem deutschen Außenminister und zu Demonstrationen empörter Bürger in Berlin. Dies zeigt, wie schnell solche falschen Nachrichten Stimmung machen können. Der zweite Weg, solche Stimmungen im Wahlkampf zu manipulieren geht über Spear Phishing, also gezielten Datenklau. So geschehen bei einer Hackerattacke auf den Bundestag. Der Verfassungsschutz geht davon aus, dass diese Informationen jetzt gesichtet und bewertet werden. Und wenn es dann zum Beispiel irgendetwas Kompromittierendes in irgendeiner Mail gibt, wird dies gezielt im Wahlkampf veröffentlicht, um den jeweiligen Politiker zu diskreditieren. VerfassungsschutzChef Hans-Georg Maaßen glaubt, dass das eine reale Gefahr für Regierungsmitglieder, Parteien und Bundestagsabgeordnete ist. Seit Monaten verzeichnet seine Behörde einen eklatanten Anstieg solcher Cyberattacken, Tendenz weiter steigend. Und ähnlich wie in den USA vermuten auch die deutschen Sicherheitsbehörden die Russen hinter diesen Angriffen».

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2 Metasprachdiskurse als öffentliche Systeme

on ebenso erforderlich macht wie den Einbezug gesamtgesellschaftlicher und nationaler Rahmenbedingungen: «Auf den verschiedenen Ebenen der Öffentlichkeit, aber auch ebenenübergreifend, bilden sich themenspezifische Diskurse in Arenen, in denen interessierte Akteure mit ihren Darstellungen agieren: Parteien, Regierungen, Interessengruppen, soziale Bewegungen, Bürgerinitiativen, auch andere Gruppen und Personen. Sie alle versuchen, zu den von ihnen als wichtig bewerteten Themen die von ihnen als richtig gehaltenen Meinungen durchzusetzen und auf diese Weise politisch wirksam zu werden. Dies gelingt in dem Maße, in dem sie für ihre ‹message› ein Publikum engagieren und überzeugen können. Die Foren öffentlicher Kommunikation, die sich zu bestimmten Themen bilden und je nach Konjunkturverlauf der Themen mehr oder weniger lange existieren, bestehen aus Arena und Galerie, und der Erfolg der Arenaakteure wird letztlich auf der Galerie entschieden» (Gerhards/Neidhardt 1990, 26–27).

Der Erfolg der Akteure, ihre Anliegen und Überzeugungen diskursiv durchzusetzen, ist von weiteren Faktoren abhängig, die für den sprachpflegerischen Diskurs zu berücksichtigen sind: die Gunst des Publikums, der für Informationen im öffentlichen Kommunikationssystem verfügbare Platz («carrying capacity») sowie die Zugänglichkeit zu diesen Räumen, Konkurrenzkonstellationen, Ressourcen und Sponsoren, die Verfügbarkeit und Rolle diskursinterner Experten («operatives») sowie die zahlenmäßige Stärke der Akteure. Bei letztem Punkt ist weiterhin in sprachpolitischer bzw. sprachplanerischer Perspektive davon auszugehen, dass «[k]ollektive Akteure, die eine eigene Organisation aufgebaut und innerhalb dieser eine Öffentlichkeitsabteilung ausdifferenziert und professionalisiert haben, […] Öffentlichkeit im stärkeren Maße beeinflussen können als Gruppen, Initiativen oder einzelne Personen […]» (Gerhards/Neidhardt 1990, 28). Im Kontext der politischen Kommunikation in der Mediengesellschaft wird die Gruppe der Akteure in Sprecher, d. h. «Angehörige kollektiver oder korporativer Akteure», Vermittler bzw. Kommunikateure, d. h. Journalisten, und das Publikum als «Adressat der Äußerungen von Sprechern und Vermittlern» unterteilt, wobei «Öffentlichkeit» immer erst dann entsteht, wenn das Publikum als Adressat anwesend ist (Jarren/Donges 2006, 105–106). Die Ergänzung, dass die Sprecher wiederum in unterschiedlichen Rollen als Repräsentanten, Advokaten, Experten, Intellektuelle oder Kommentatoren auftreten, kann auf den metasprachlichen Diskurs nachvollziehbar übertragen werden (vgl. Jarren/Donges 2006, 106). Neben diesen in allen Diskursen wiedererkennbaren Rollen übernehmen die Akteure im sprachpflegerischen Austausch weitere diskursspezifische Rollen wie die des Sprachliebhabers, des Ratsuchenden, des Aktivisten, des Grammatikers, des Bewahrers, des Puristen etc. Die von Gerhards/Neidhardt (1990) vorgenommene Definition von «Publikum» als ein vorwiegend aus «Laien» konstituiertes Gebilde von sozial hetero-

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gener und schwach organisierter Struktur, das aus diesen Gründen keine Ziele formulieren und folglich nicht strategisch agieren kann (cf. 2006, 106), scheint, wie an konkreten Beispielen in dieser Arbeit diskutiert wird (cf. Kap. 3.3.7), für den Metasprachdiskurs nur schwer verallgemeinerbar zu sein. Dabei ist zum einen davon auszugehen, dass im Zeitalter einer zunehmend besser informierten Wissensgesellschaft die Zuschreibung und Vermittlung sprachen- und sprecherbezogenen Wissens die Tragfähigkeit des Laienbegriffs auf den Prüfstand stellt (cf. Kap. 3.3.7). Zum anderen erfolgen die Vermittlung von Wissen und die Aushandlung von Expertenrollen gerade im Rahmen sprachpflegerischer Diskurse oft auf der Grundlage von Kriterien, die nicht auf Wissensbeständen in Form von Kenntnissen der Sprecher beruhen, sondern auf Ideologien und Einstellungen (cf. Kap. 4.1.3). Der letzte Punkt wirft für die Sprachpflege entscheidende Fragen nach der oben beschriebenen carrying capacity auf, d. h. nach der zahlenmäßigen Stärke der Akteure und v. a. nach der Größe und Beschaffenheit des Publikums sowohl im Verhältnis zum gesamten Metasprachdiskurs und anderen gesellschaftlichen Diskursen als übergeordneten Bezugsgrößen als auch der sprachpflegerischen Diskursräume untereinander: In welcher Beziehung stehen sprachpflegerische Kommunikationsarenen in realen und virtuellen Räumen? Inwiefern überschneiden sich ihre Akteure? Werden gleiche Themen und Inhalte vermittelt? Werden diese Themen und Inhalte durch dieselben operatives vermittelt? Welche Verschiebungen der im Diskurs ausgehandelten Rollen ergeben sich durch Angebote der digitalen Kommunikation? Wie genau wirken sich die Möglichkeiten und Funktionsweisen der Neuen Medien und v. a. der internetbasierten Kommunikation auf die Struktur des sprachpflegerischen Diskurses aus? Vollzieht sich eine von der Sprachpflege als eigenständiger Domäne des Metasprachdiskurses ausgehende, endogene Neuverteilung der Expertenrollen und der an der Korporation beteiligten Akteure? Auf welche Weise manifestieren sich im gleichen Kontext exogene Einflüsse auf den Diskurs i. S. von außen neu hinzukommender Akteure und Themen? Werden durch die Innovationen im massenmedialen Bereich, d. h. durch neue Formen der sozialen Kommunikation, heterogenere und demokratischere Tendenzen des sprachpflegerischen Diskurses angeregt? Erlaubt die mediale Erweiterung des Diskurses Rückschlüsse auf die Konstitution und Präsenz des Publikums? Nimmt dieses Publikum selbst aktiv am Diskurs teil? Wie weit reicht «sprachpflegerische Öffentlichkeit», d. h. der Transfer von Wissen und Austausch zwischen Experten, Vermittlern und Publikum? Handelt es sich um eine latente, passive oder aktive Form von Öffentlichkeit?24 24 Auf der Grundlage aktiver Teilnahme unterscheidet Dahrendorf (1993) die «latente Öffentlichkeit» der Nichtteilnehmenden von der «passiven Öffentlichkeit», «[…] die als Publikum

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2 Metasprachdiskurse als öffentliche Systeme

2.2 Digitale Öffentlichkeiten: Entgrenzung sozialer Gegensätze? Dem Begriff und Konzept «Öffentlichkeit» wird im modernen technischen Zeitalter, dem sog. age of access (Schüller-Zwierlein 2013, o. S.) v. a. unter dem Einfluss der Digitalisierung eine neue Rolle zugeschrieben (cf. Hahn/Hohlfeld/ Knieper 2017, 11). Auch wenn die Veränderung von Gesellschaften sowie (massen-)medial bedingte Neuerungen öffentlicher Kommunikation keine Eigenheit des 21. Jhs. sind, sondern ein Charakteristikum verschiedener Epochen darstellen (cf. Burger/Luginbühl 2014, 234), so haben dennoch die Neuen Medien,25 die

und Wähler sporadisch im politischen Prozess in Erscheinung treten, aber deren Initiative nicht über eine Frage in der Wahlversammlung, allenfalls eine nominelle Mitgliedschaft in Organisationen hinausreicht.» Die «aktive Öffentlichkeit» hingegen bezieht sich auf die Gruppe «der regelmäßig und mit eigenen Vorstellungen am politischen Prozess Teilnehmenden, die Organisationen angehören, Ämter übernehmen und in ihren Reden die Nichtanteilnahme der anderen bedauert» (1993, 45). Das Beklagen über die Nichtbeteiligung anderer gesellschaftlicher Akteure tritt insbesondere in Beiträgen von Sprachpflegeorganisationen als zentrales topisches Muster sprachplanerischer Argumentation auf (cf. Kap. 4.2.1.1). 25 «Die Sammelbezeichnung ‹Neue Medien› für neuartige Möglichkeiten der Speicherung und/oder Übermittlung von Informationen ist insofern problematisch, als natürlich jede Epoche ihre eigenen ‹neuen Medien› hat. So galten etwa anfangs der 80-er Jahre des letzten Jahrhunderts der Videorekorder oder der Bildplattenspieler als ‹neue› Medien. [Mit dem u. a. im Folgenden gebrauchten Begriff «Neue Medien» sind] […] diejenigen Medien gemeint, die anfangs des 21. Jahrhunderts als solche bezeichnet werden; eine alternative Bezeichnung ist u. E. ‹digitale Medien› […]. Dabei handelt es sich in der Regel um Medien, welche Text, Grafik, Bild und Ton kombinieren können, Daten digital speichern bzw. übertragen, wobei die Übertragung über Datennetze läuft. Dazu gehören […] das Internet (verstanden als globaler Verbund, ein Netz von Computern), das Digitalfernsehen oder das Smartphone. […] Im Zusammenhang mit der Sprache der Massenmedien stellt sich [dann] zunächst einmal die Frage, welche der ‹Neuen Medien› als Massenmedien betrachtet werden können. […] Greifen wir beispielsweise das Medium Internet heraus, so zeigt sich, dass über das Internet zugängliche Kommunikationsformen ‒ wie World Wide Web-Seiten, E-Mail, Chat etc. ‒ unterschiedliche KommunikationsKonfigurationen aufweisen. Ausgehend von der [gängigen] Definition von Massenmedien […], wonach Massenmedien sich u. a. dadurch auszeichnen, dass sie Inhalte gleichzeitig einem anonymen, dispersen Publikum anbieten, können nicht alle der erwähnten Kommunikationsformen zu den Massenmedien gerechnet werden. Ob […] Individual- oder Massenkommunikation realisiert wird, hängt nicht vom Medium ab, sondern von der Auswahl einer Kommunikationsform in diesem Medium und der darin realisierten Textsorte» (Burger/Luginbühl 2014, 445– 446; Ergänzungen VN). Zur tiefergehenden terminologischen Auseinandersetzung mit dem Begriff «Medien» i. S. eines «Medien-Dispositivs» im Kontext digitaler Medien mit Rekurs auf die Diskurstheorie Foucaults cf. Holly/Jäger (2011), zum Medienwandel und zur Mediatisierung der Kommunikation durch und in Social Media cf. Dang-Anh/Einspänner/Thimm (2013). Zur Beschreibung im Korpus integrierter digitaler Kommunikationsformen cf. Kap. 4.1.4.

2.2 Digitale Öffentlichkeiten: Entgrenzung sozialer Gegensätze?

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sich unter dem Begriff der «digitalen Medien» zusammenfassen lassen, einen einschneidenden Umbruch in der öffentlichen Kommunikation markiert und das Entstehen einer Informationsgesellschaft initiiert, in der Diskurse als soziale Konstrukte unter neuen Bedingungen betrachtet werden müssen. Innovative technologische Angebote und die sich mit diesen modifizierenden Funktionalitäten der medialen Landschaft haben zu einer Veränderung der bisher bestehenden Öffentlichkeitsstruktur und ihrer kommunikativen Systeme geführt (cf. Kap. 2.1): «Medienvermittelte Kommunikation lässt sich nicht mehr alleine – wie noch vor dem Aufkommen der neuen Medien möglich – durch die Bestimmung von Text- oder Mediengattungen ex ante in private und öffentliche Kommunikation unterscheiden. Neben den weiterhin wichtigen publizistischen (Massen-)Medien bilden neue Kommunikationsplattformen die Möglichkeit ehemals distinkte Modi kommunikativen Handelns mittels einund desselben Mediums zu bewerkstelligen» (Adolf 2017, 51).

Die Auflösung der Grenzen zwischen Privatheit und Öffentlichkeit und anderer an diesen Antagonismus gebundener sozialer Gegensatzpaare wie z. B. «Laie» und «Experte» (cf. Kap. 3.3.7), die als Merkmale der «digitalen Revolution» moderne Gesellschaften strukturieren, erfordert eine Betrachtung der Ursachen, die in der größtenteils vertrauten, alltäglichen, heterogenen und z. T. unüberschaubaren «Interaktion von technischer Entwicklung, kommunikativer Praxis und deren sozio-kognitiver Dynamik» (Marx/Schwarz-Friesel 2013, 1) begründet liegen, aber nicht immer direkt sichtbar sind. In diesem Kontext ist eine aktuelle Beschreibung digitaler Öffentlichkeiten, ihrer sozialen Interaktionsmodi und geänderten Kommunikationsformen als Desiderat sprachwissenschaftlicher Forschung an der Schnittstelle zu anderen sozialwissenschaftlich orientierten Disziplinen zu verstehen, wobei die dahinterstehenden, oft umfangreichen Korpora neue theoretische und methodische Herangehensweisen erfordern. «Das Thema ‹Digitale Öffentlichkeit(en)› gibt vor allem einer jüngeren Generation von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern Gelegenheit, aktuelle Forschungsprojekte vorzustellen und innovative methodische Designs zu präsentieren, mit denen Triebkräfte des Medienwandels und Strukturen des Öffentlichkeitsumbruch beobachtet und analysiert werden können» (Hahn/Hohlfeld/Knieper 2017, 13).

Grundsätzlich gilt es dabei zu bedenken, dass sich der seit den 1990er Jahren voranschreitende Medienwandel in seiner Auswirkung auf Sprache und Sprachreflexion v. a. durch die Geschwindigkeit und Vielgestaltigkeit darin begriffener kommunikativer Prozesse und Praktiken von anderen gesellschaftlichen Um-

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2 Metasprachdiskurse als öffentliche Systeme

brüchen unterscheidet.26 So bemerkt weiter Neuberger (2017) im Vergleich zur Erfindung der klassischen Massenmedien des 20. Jhs.: «Presse und Rundfunk charakterisieren einseitige, einstufige und punktuelle Kommunikation – also nicht wechselseitige Kommunikation (Interaktion) und mehrstufige Kommunikation (Diffusion), die beide sequentiell verlaufen, d. h. die Teilnehmer beziehen sich in ihren Kommunikationsakten aufeinander, indem sie ihre Rückmeldungen zurückadressieren oder übernommene Mitteilungen in andere Richtungen weiterverbreiten. Wechselseitige und mehrstufige Kommunikation erfordern die Möglichkeit des flexiblen Wechsels zwischen der Kommunikator- und Rezipientenrolle. Den traditionellen Massenmedien fehlt bekanntlich der Rückkanal, über den sich das Publikum an der öffentlichen Kommunikation beteiligen könnte» (Neuberger 2015, 21).

Die für das vergangene Jh. dargestellten Implikationen des massenmedial bedingten Strukturwandels der Öffentlichkeit für die Kommunikationsbedingungen aller gesellschaftlichen Akteure (cf. Kap. 2.1.2) potenzieren sich heute in einer ständigen und kritischen Diskussion um die Konsequenzen, Herausforderungen und Chancen des kommunikativen Wandels. Dabei haben sich aus sozialer Perspektive sowohl positive Erwartungen, z. B. hinsichtlich zunehmender gesellschaftlicher Partizipation, als auch Bedenken über die z. B. unkontrollierbare Einflussnahme bestimmter Akteure oder einzelner Gruppen als grundlegende Komponenten einer gesamtgesellschaftlichen Diskussion über die Zukunft der Medien- und Kommunikationsgesellschaft herausgebildet: Längere Zeit vor der digitalen Revolution und den Reflexionen Habermas’ (cf. 2015) erweist sich die von Böckelmann (1975) kritisch formulierte Theorie über die Auswirkungen der Massenkommunikation und die damit einhergehende Infragestellung des bisherigen Öffentlichkeitskonzepts als eine aus heutiger Perspektive durchaus zutreffende Prognose: «Massenkommunikation ermöglicht die unbegrenzte Ausdehnung der Sphäre politischer Öffentlichkeit; zugleich werden Öffentlichkeit und öffentliche Meinung zu Schimären, die von professionellen Kommentatoren und Public-relations-Ingenieuren beschworen und in Szene gesetzt werden. Der naive Gebrauch von Leitbegriffen des sich emanzipierenden Bürgertums (‹Freiheit›, ‹Demokratie›, ‹Chancengleichheit›, ‹Vernunft›) gaukelt die Erfüllung einstiger Hoffnungen vor. […] Läßt sich das Öffentlichkeitsprinzip, das Insistieren auf einer bestimmten Form und einem bestimmten Raum genuin demokratischer Willensbildung und Kontrolle, vor all seinen bürgerlichen und nachbürgerlichen (Schein-)Verwirklichungen retten?» (Böckelmann 1975, 7).

26 Hierunter fallen (national-)politisch bedingte Umbrüche der Gesellschaft, die unmittelbare Konsequenzen für Sprache als Gegenstand gesellschaftlicher Neuerungsprozesse einschließen, wie z. B. die Französische Revolution (cf. hierzu Kap. 3.3.5).

2.2 Digitale Öffentlichkeiten: Entgrenzung sozialer Gegensätze?

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Den wertenden Tonfall des Autors außen vor lassend scheint seine Kernaussage dennoch gerade für eine zeitgenössische Definition von «digitalen Öffentlichkeiten» praktikabel: Es gibt nicht nur eine, sondern mehrere Öffentlichkeiten, für die zunächst angenommen werden muss, dass sie weder personell noch räumlich begrenzt sind, einer jeweils bestimmten funktionalen Ausrichtung unterliegen und demnach durch spezifische kommunikative Prozesse gekennzeichnet sind. Ob die «sprachpflegerische Öffentlichkeit» diese Charakteristika teilt und erkennbar widerspiegelt und ob dabei Differenzen in verschiedenen nationalen Kontexten bestehen, wird in dieser Arbeit für ausgewählte diskursive Bereiche der aktuellen Sprachpflege zu prüfen sein (cf. Kap. 4). Obwohl in Foucaults Arbeiten «Kommunikation» nie ausdrücklich als Reflexionsebene benannt wurde (cf. Lafleur 2015, § 1), liefert der in selbigen Arbeiten ausführlich behandelte Zusammenhang zwischen Diskurs, Kommunikation und Macht die Möglichkeit einer kritischen Situierung digitaler Kommunikation als soziolinguistischer und diskurslinguistischer Untersuchungsgegenstand. Dieser Zusammenhang ist sowohl allgemein für die Beschreibung gesellschaftlicher Diskurse im digitalen Zeitalter von Bedeutung als auch für die Untersuchung von Sprachpflegediskursen, die in ihrer mehrheitlich normorientierten Zielsetzung beabsichtigen, sprachliche Kontrollmechanismen einzurichten und metasprachliche Machtkonstellationen zu etablieren: «‹Le pouvoir, qu’est-ce que c’est? Le pouvoir, d’où vient-il?› La petite question toute plate et empirique: ‹Comment ça se passe?› […] De ce pouvoir [scil. qu’il s’agit d’analyser ici] il faut distinguer d’abord celui qu’on exerce sur les choses, et qui donne la capacité de les modifier, de les utiliser, de les consommer ou de les détruire – un pouvoir qui renvoie dans les aptitudes directement inscrites dans le corps ou médiatisées par des relais instrumentaux. Disons qu’il s’agit là de ‹capacité›. Ce qui caractérise en revanche le ‹pouvoir› qu’il s’agit dʼanalyser ici, c’est qu’il met en jeu des relations entre individus (ou entre groupes). […] Le terme de ‹pouvoir› désigne des relations entre ‹partenaires› (et par là je pense […] à un ensemble d’actions qui s’induisent et qui se répondent les unes les autres). Il faut distinguer aussi les relations de pouvoir des rapports de communication qui transmettent une information à travers une langue, un système de signes ou tout autre médium symbolique. Sans doute communiquer, c’est toujours une certaine manière d’agir sur l’autre ou les autres. Mais la production et la mise en circulation dʼéléments signifiants peuvent bien avoir pour objectif ou pour conséquences des effets de pouvoir, ceux-ci ne sont pas simplement un aspect de celles-là. Qu’elles passent ou non par des systèmes de communication, les relations de pouvoir ont leur spécificité. ‹Relations de pouvoir›, ‹rapports de communication›, ‹capacités objectives› ne doivent donc pas être confondus. Ce qui ne veut pas dire qu’il s’agisse de trois domaines séparés. […] Il s’agit de trois types de relations qui, de fait, sont toujours imbriquées les unes dans les autres, se donnant un appui réciproque et se servant mutuellement d’instrument. […] Les rapports de communication impliquent des activités finalisées […] et, sur le seul fait qu’ils modifient le champ informatif des partenaires, ils induisent des effets de pouvoir. […] Bien sûr, la coordination entre ces trois types de relations n’est ni uniforme ni constante. Il n’y a pas dans une

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société donnée un type général d’équilibre entre les activités finalisées, les systèmes de communication et les relations de pouvoir. Il y a plutôt diverses formes, divers lieux, diverses circonstances ou occasions où ces interrelations s’établissent sur un modèle spécifique» (Foucault 1994, 233–234).27

Die Übertragung dieser von Foucault Anfang der 1980er Jahre vorgenommenen Begriffsbestimmung von «Macht» auf den medialen Kontext unserer Zeit erweist sich als besonders gewinnbringend, wenn man die Chancen und Risiken digitaler Medien sowohl hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf die soziale Interaktion als auch sprachwissenschaftlich, d. h. hinsichtlich ihres Einflusses auf den Wandel von Kommunikationsformen und kommunikativen Gattungen betrachten möchte. Um zunächst bei der sozialen Interaktion zu bleiben, so kann gerade am Beispiel aktueller Ereignisse, die im Internet verbreitet und kommentiert werden, der von Foucault (1994) hervorgehobene Zusammenhang zwischen den miteinander verbundenen Komponenten relations de pouvoirs (ʻMachtverhältnisseʼ), rapports de communication (ʻkommunikative Beziehungenʼ) und capacités objectives (ʻobjektale Machtausübungʼ) verdeutlicht werden. Als entscheidendes Merkmal sich diskursiv herausbildender Machtverhältnisse, die vermehrt durch digitale Kommunikation instituiert werden, hat sich die Vielgestaltigkeit der Aussagen unterschiedlicher Akteursgruppen etabliert, durch die auf teils paradoxe Weise das gleichzeitige Auftreten positiver und negativer Effekte sozialer Interaktion im Internet gefördert werden. Diese individuelle und autonome Meinungsbildung, die über verschiedene Kanäle sichtbar gemacht werden kann, resultiert nicht nur aus den technisch-medialen Dispositiven, die Informationen zur Meinungsbildung zur Verfügung stellen, sondern auch aus einem anderen Informationsverständnis, das sich heute an die neuen Dynamiken sozialer und kommunikativer Partizipation und Interaktion angepasst hat. In diesem Zusammenhang erscheint eine Unterscheidung von Prozessen der Entstehung und Vermittlung von Wissen in Abhängigkeit von ihrer sozialen und kommunikativen Situierung in sog. communities of practice (cf. z. B. Wenger 1998; Wenger/McDermott/Snyder 2002; Hughes/Jewson/Unwin 2007) auch für Metasprachdiskurse gewinnbringend,28 da das Konzept der Handlungsgemein-

27 Zitiert nach der zweiten Edition des Textes (1994). Zur Erstpublikation unter dem Titel The subject and power cf. Dreyfus/Rabinow (1983, 208–226). 28 Das Konzept wird v. a. in der Lerntheorieforschung diskutiert, wo es traditionell kognitivistische und konstruktivistische Lernansätze um prozessorientierte und partizipatorische Faktoren des Lernens ergänzt: «[…] the concept of community of practice invites a focus on learning as a collective, relational and, in short, a social process. From the ‹standard› viewpoint on learning, the individual is conceived as separate from the world and as able to acquire (context-free) knowledge through instruction by a teacher» (Fuller 2007, 19). In soziolinguistischen

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schaft weder durch soziale noch durch institutionelle Grenzen fest gebunden ist. Eine Anwendung des Konzeptes auf den Bereich sprachbezogener Diskurse ermöglicht ein weites Verständnis von «Sprachpflege» als Raum metasprachlicher Praxis, der nach innen weitere Mikrosysteme (institutionelle und private Sprachpflege etc.), soziale Rollen sowie Formen sprachlichen Handelns sich vereint und sich nach außen mit anderen öffentlichen Teilsystemen überschneiden kann (cf. Kap. 2.1.2, Abb. 2). «COMMUNITIES OF PRACTICE are groups of people who share a concern, a set of problems, or a passion about a topic, and who deepen their knowledge and expertise in this area by interacting on an ongoing basis. […] These people don’t necessarily work together every day, but they meet because they find value in their interactions. […] However they accumulate knowledge, they become informally bound by the value that they find in learning together. […] Over time, they develop a unique perspective on their topic as well as a body of common knowledge, practices, and approaches. They also develop personal relationships and established ways of interacting. They may even develop a common sense of identity» (Wenger/McDermott/Snyder 2002, 4–5).

Zentrale Bestandteile dieser Definition werden im Laufe der folgenden Kapitel aufgegriffen, durch theoretische Ansätze soziolinguistischer Forschungen operationalisiert (cf. Kap. 3.2.2) und anschließend auf die diskurslinguistische Betrachtung von Metasprachdiskursen angewendet. Dabei dienen zunächst sprachhistorische Überlegungen zum Metasprachdiskurs in Deutschland und Frankreich einer vergleichenden Entstehungsdarstellung des body of commom knowledge sprachpflegerischer Akteursgemeinschaften, wobei puristischen Sprachideologien innerhalb dieser kollektiven Wissensbestände ein besonderer Stellenwert zukommt. In Bezug auf die soziale Ordnung von communities of practice verweist weiter Fuller (2007) auf die Bedeutung der in den Netzwerken bestehenden Machverhältnisse: «Unlike symbolic theories of community, network analysis focuses on the configuration of interdependent relationships between members […]. Network theories examine relationships, bonds and interdependences between people, groups and institutions. Opportunities and constraints are conceived as characteristics of these networks of linkages, not as the attributes of individual agents or free-floating cultural belief-systems. […] The concept of power is integral to network models of social relations. Power is conceived as an attribute or quality of network connections themselves, not as a separate force, capacity or thing commanded by individuals. […] The power of members is a product of their shifting positions within networks. […] It is a result of the organization of people and

Forschungsarbeiten zu Metasprachdiskursen wurde die Bedeutung von Netzwerken bisher z. B. im Kontext der Revitalisierung von Minderheitensprachen untersucht (cf. z. B. Sallabank 2010).

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things in networks of relations that some can dominate more effectively than others» (Fuller 2007, 72).

In Metasprachdiskursen sowie unter metasprachlich handelnden Einzelakteuren und Kollektiven wurde der Einfluss auf Sprache im Laufe sprachhistorischer Entwicklungen immer wieder neu verteilt. So nehmen einzelne herausragende Akteure der Sprachpflege, wie z. B. Vaugelas in Frankreich, bis heute Einfluss auf die Sprachendiskussion, indem ihre Werke über ihren Traditionswert hinaus für den sprachnormativen Diskurs identitätsstiftend bleiben. Ähnliches gilt auch für den dominanten Einfluss der staatlichen Sprachpflege in Frankreich, die seit dem 16. Jh. konstant ausgebaut wurde und auch von der medial veränderten Partizipation am Metasprachdiskurs in ihren Positionen und bisher verhältnismäßig unangetastet bleibt (cf. Kap. 3.3.3–3.3.4). Dennoch nehmen die internetbasierte Kommunikation und die Diversität ihrer Themen und Akteure heute maßgeblichen Einfluss auf historisch gewachsene Strukturen des Metasprachdiskurses, weshalb sie für diskursanalytische Untersuchungen von grundlegender Bedeutung sind: «On the one hand, media studies needs interactional sociolinguistics to open up to more reflective studies of media audiences. At the same time, interactional sociolinguistics needs media studies to enrich its understanding of the ever-increasing place of texts of the media in daily social interactions» (Scollon 2014, vii). Mit dem Ziel, die Einflussnahme der Digitalisierung und v. a. des Internets als digitales Medium par excellence auf den Ebenen öffentlicher gesellschaftlicher Kommunikation anhand konkreter Belege zu umrahmen, gibt der folgende statistische Vergleich einen Überblick über die Entwicklung und Nutzung digitaler Kommunikationsdomänen und -formen, die als virtuelle Räume der Sprachpflege von hoher Relevanz sind und aus diesem Grund im synchronen Teil des Korpus berücksichtigt wurden (cf. Kap. 4.1.4; 4.3).

2.2.1 Demokratisierung von Wissen im öffentlichen Diskurs Dass (Neue) Medien soziale Strukturen verändern und gesellschaftliche Profile differenzieren, wurde bereits eingehend diskutiert, ebenso der Zweifel normativer Gesellschaftstheoretiker wie Habermas am positiven Einfluss der Massenmedien auf soziale Strukturen zugunsten einer Demokratisierung der Kommunikation. Gleichzeitig wurde durch vorangehende Überlegungen deutlich, dass die mit Gerhards/Schäfer (2010) gestellte Frage Is the Internet a better public sphere? (2010, 143; cf. Kap. 2.1.4) in dieser Arbeit nicht verallgemeinernd beantwortet werden kann. Zum einen werden die hier angestellten theoretischen Überlegungen nur auf einen ausgewählten Bereich der Sprachpflege und somit nicht

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auf den gesellschaftlichen Diskurs insgesamt angewendet, zum anderen verfolgen die deskriptiv verorteten Ziele dieser Untersuchung nicht die Absicht, soziale Normen zu formulieren, sondern ihr primäres Ziel ist eine möglichst objektive Bestandsaufnahme der soziokommunikativen und -linguistischen Strukturen des Forschungsbereiches Metasprache und Öffentlichkeit. Es wird also in diesem Teilkapitel, auch aus forschungsökonomischen Gründen, nicht um eine sozialwissenschaftliche «Qualitätsprüfung» gesellschaftlicher Diskurse gehen, d. h. um die «Frage, wie eine ‹gute› Gesellschaft aussehen müsse, die menschliches Wohlergehen befördere» (Reisigl 2018, 188),29 sondern um die Klärung der Frage, wie Sprachpflege als Domäne von Metasprachdiskursen in Deutschland und Frankreich i. S. eines Teildiskurses übergeordneter nationaler Diskurse vor dem Hintergrund medial bedingter gesellschaftlicher Transformation sprachwissenschaftlich analysiert werden kann und wie eine solche linguistische Analyse um theoretische Erkenntnisse und Zugänge anderer Disziplinen ergänzt werden kann. Die in diesem Vorgehen implizierte Frage, ob das Internet für sprachenbezogene Diskussionen ein besseres oder demokratischeres Forum öffentlicher Meinungsbildung abgibt, kann ohnehin erst dann beantwortet werden, wenn Sprachpflege als historisch gewachsenes Konstrukt (cf. Kap. 3) unter Gesichtspunkten des digitalen Austauschs auf mögliche inhaltliche und funktionale Veränderungen hin untersucht wird und wenn Kenntnisse darüber erlangt werden können, ob sich dieser Diskurs durch die Partizipation bislang unbeteiligter Akteure infolge neuer medialer Prädispositionen verändert (hat). Diese Fragen begleiten den auf das metasprachliche Handeln von Sprachpflegern gelegten Fokus dieser Arbeit an einschlägigen Stellen, können aber keiner ausführlichen Untersuchung unterzogen werden. Nichtsdestotrotz erscheint es theoretisch unzureichend, sozialwissenschaftliche Interessen an gesellschaftlichen Diskursen – gerade im Kontext neuer, digitaler Kommunikationsparadigmen – gänzlich außen vor zu lassen. Um diese

29 Dieser Frage und der diskursgebundenen Untersuchung sozialer Probleme und Möglichkeiten ihrer Überwindung widmet sich die Kritische Diskursanalyse, die sich seit der Mitte der 1980er Jahre mit den Arbeiten Faircloughs (cf. z. B. 2003; 2010) etabliert hat und mehrere Paradigmen in sich vereint: zu soziokognitiven Ansätzen cf. z. B. v. Dijk (2017); zu soziosemiotischen und medialen Ansätzen z. B. v. Leeuwen (2008). Innerhalb des deutschen Sprachraums cf. z. B. Jäger (2015) und die Arbeiten des Duisburger Instituts für Sprach- und Sozialforschung und des dort angesiedelten Arbeitskreises «Diskurswerkstatt» (cf. DISS 2019). Weitere Schwerpunkte setzen die Oldenburger Kritische Diskursanalyse, insbesondere mit den Arbeiten Gloys zum Normenbegriff (z. B. Gloy 1998; 2004) sowie die Wiener Schule um Martin Reisigl und Ruth Wodak mit einem stark soziohistorischen Ansatz, z. B. bei der Analyse der Konstruktion nationaler Identität (cf. Wodak et al. 2016). Eine Zusammenschau dieser Ansätze hat Reisigl (2018) bereitgestellt.

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also als Teil soziolinguistischer Interpretationsarbeit vor einem möglichst präzisen theoretischen Hintergrund mitbetrachten zu können und um Ausblicke auf die Potenziale linguistischer Forschung in diesem Bereich zu geben, dienen die folgenden Überlegungen einer kurzen, interdisziplinär orientierten Zusammenfassung der wichtigsten Arbeiten, die Fragen der generellen und der medial bedingten Partizipation verschiedener Akteursgruppen am öffentlichen Wissenstransfer in Abgrenzung zu normativen Öffentlichkeitsmodellen kritisch und kontrovers diskutieren (cf. Gerhards/Schäfer 2010; Burgess 2014; Irwin 2014; Stilgoe/Lock/Wilsdon 2014).30 Diese überblicksartige Zusammenschau verfolgt das Ziel, zunächst die Reflexion über verschiedene Öffentlichkeitskonzepte kritisch abzuschließen (vgl. Kap. 2.1.3), um dann im nächsten Kapitel zu einer historischen Synthese der öffentlichen Sprachendiskussion in Deutschland und Frankreich überzugehen (cf. Kap. 3). Darüber hinaus entspricht die soziologische Perspektivierung von Öffentlichkeit im digitalen Raum nicht nur auf theoretischer Ebene einer interdisziplinäreren Kontextualisierung von Diskursen als «sprachwissenschaftlichem Objekt» (Busse/Teubert 2013), sondern diese enge Beziehung von Sprache und Gesellschaft auf der Objektebene impliziert auch die auf der Metaebene seit Jahrzehnten immer wieder auch strittig geführte Debatte darüber, welche Akteure sich mit welchem Hintergrundwissen zum Thema Sprache kritisch äußern (dürfen) und wie bzw. ob die wissenschaftliche Linguistik sich als Teil dieser öffentlichen Diskussion positioniert (cf. Polzin-Haumann/Osthus 2011a; Dieckmann 2012; Bär/Niehr 2013; Teubert 2014; Dahmen et al. 2017).31 Untrennbar mit dieser Debatte verbunden ist neben der oft polemisch diskutierten Frage nach der Zuständigkeit die dichotome Aufteilung der «metasprachlichen Öffentlichkeit» in «Experten» und «Laien» sowie die Reflexion über die Rolle, die Letzteren als Forschungsgegenstand und/oder Forschungsteilhabenden zugeschrieben werden soll – ein Vorgang, der letztlich durch unterschiedlich «offene» und mehr oder weniger demokratische Vorstellungen von Öffentlichkeit bedingt ist und der für die Sprachpflege des Deutschen und Französischen nochmals gesondert und in seiner historischen Genese betrachtet wird (vgl. Kap. 3). Um zunächst noch bei einer allgemeineren Reflexion des Verhältnisses von Wissenschaft und Öffentlichkeit zu bleiben, wird auf den von Thomas/Durant (1987) verfassten Artikel «Why should we promote the public understanding of science?» verwiesen. Dieser Beitrag liefert, noch ohne Bezug zu den Medien als

30 Cf. auch Irwin (2014); Wynne (1992, 2014). 31 Cf. hierzu auch ältere Publikationen, z. B. Schmich (1987); v. Polenz (1982); Neuland (1996); Brumme (1992); Lebsanft (1997); Wimmer (2000); Bär (2002); Gardt (2002); v. Polenz (2005) sowie Eichinger (2009).

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heute entscheidendem Faktor eines demokratischen Diskursmodells, ein deutliches Plädoyer für die Aufnahme und Ausweitung eines Dialogs zwischen Wissenschaft und Öffentlichkeit und somit einen Ansatzpunkt für die seitdem in den Sozialwissenschaften unter dem Begriff des sog. Public understanding of science (PUS) (cf. Irwin 2014; Stilgoe/Lock/Wilsdon 2014) und Public engagement with science (PES) (cf. Irwin 2014, 71) fortgeführten Überlegungen zur Funktion eines deliberativen Konzepts von Wissenschaft und daraus resultierenden Vorteilen für die gesamte Gesellschaft: «The public understanding of science is widely regarded as A Good Thing [sic]. Given that it is difficult to argue against the greater comprehension of almost anything by almost anybody, this is not particularly surprising. For the most part, however, such support as exists for the promotion of public understanding of science is largely tacit; certainly, it often escapes close examination. Yet such examination is the more necessary at a time when greater public awareness of matters scientific is being actively encouraged by Government agencies, leading representatives of the scientific community, and many others. What, exactly, do we mean by the public understanding of science; and why, exactly, should we be concerned to promote it? […] By public may be meant anyone and everyone from legislators and civil servants, at one end of the spectrum, to private individuals at the other. For present purposes, we shall take the public to be the people as a whole other than those acting in their professional capacity as expert representatives of the scientific community. (An alternative term for the public thus defined is ‹lay people›). […] Finally, there is the term science itself. While the root meaning of science is knowledge, this is clearly too broad a definition to be of much use. For our purposes, scientific knowledge is knowledge that is produced by and in some sense bears the seal of approval of the scientific community. (The scientific community, in turn, is simply that group of people who are recognized as the professional knowledge-producers in our culture.) This sociological definition has the great advantage that it presupposes nothing about the nature or the significance of science, [sic] other than that it is an authoritative or officially recognized form of knowledge. We are concerned here with scientific knowledge of all kinds, embracing not only what are generally termed the natural sciences but also the scientific aspects of medicine and technology. […] In many ways, the promotion of the public understanding of science is rather like the protection of the environment: both are eminently worthy causes which easily recommend themselves to many and varied supporters; but while it is difficult to imagine how anybody would wish explicitly to oppose them, it is almost equally difficult to achieve a consensus amongst their supporters about what, exactly, they entail and why, precisely, they are deserving of so much support» (Thomas/Durant 1987, 1–13).

Auch in soziolinguistischen Forschungsansätzen stellt diese auf Ausschluss beruhende Konzeptualisierung von «Öffentlichkeit», die PUS- und PES-Forschungsansätze zu überwinden suchen, eine immer stärker kritisierte, aber dennoch präsente Vorstellung dar, wenn es um die Definition des Selbstverständnisses der Linguistik als wissenschaftlicher Disziplin im Kontext öffentlicher Sprachreflexion geht. In Disziplinen, die nicht-wissenschaftlichen Wissensbe-

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ständen einen bedeutenden erkenntnistheoretischen Wert zuschreiben, so auch in der Laienlinguistik in ihren jeweils nationalen Forschungs- und Anwendungskontexten, hat sich die Auflösung des Gegensatzes von «Wissenschaft» und «Öffentlichkeit» respektive «Laienöffentlichkeit» zur Gretchenfrage entwickelt und stellt auf diese Weise den Ausgangspunkt für bisher vernachlässigte und teilweise auch ausdrücklich gemiedene wissenschaftstheoretische Überlegungen zum Verhältnis von Linguistik, Laienlinguistik und Sprachpflege dar, die an späterer Stelle noch kritisch zu diskutieren sind (cf. Kap. 3.3.7). Die von Thomas/Durant (1987) angestrebte Veränderung bestehender gesellschaftlicher Strukturen basiert auf einer am Vorbild der «scientific literacy» orientierten,32 informierten Öffentlichkeit: «The hope we have identified is that scientifically literate people may be both more active and more effective citizens; […] it may also be hoped that such people will find that the quality of their personal and working lives has been enriched» (Thomas/Durant 1987, 12). Durch die Valorisierung und den Ausbau wissenschaftlichen Grundwissens aller Bürger soll die gesellschaftliche Effizienz gesteigert werden und zur Demokratisierung der Gesellschaft im Inneren führen. Diese soll dann wiederum die Einflussnahme auf internationaler Ebene begünstigen. Diese Zielsetzung wird unter neun Faktoren zusammengefasst, die die Vorteile eines Aufbrechens öffentlicher Wissensstrukturen formulieren (cf. Thomas/Durant 1987, 2–8). Dabei ist die Frage, ob und wie einzelne Personen partizipieren, von der jeweils individuellen Bildung abhängig und kann demnach als Faktor schlecht antizipiert werden: «Here, however, it is less easy to generalize. Fairly obviously, individu-

32 Thomas/Durant (1987) beziehen sich bei der Definition der Voraussetzung für die von ihnen geforderte gesellschaftliche Diskursform des Public understandig of science auf das von Shen (1975) beschriebene Konzept der scientific literacy als «an acquaintance with science, technology and medicine, popularized to various degrees, on the part of the general public and special sectors of the public through information in the mass media and education in and out of schools» (1975, 45–46). Shen unterscheidet weiter zwischen drei Erscheinungformen von scientific literacy (cf. Shen 46–49), die wie folgt zusammengefasst werden können: «Practical scientific literacy – possession of the kind of scientific knowledge that can be used to help solve practical problems such as health and survival issues […] Civic scientific literacy – possession of scientific knowledge required to enable the citizen to become more aware of science and science – related issues so that he and his representatives would bring common sense to bear upon such issues and thus participate more fully in the democratic process of an increasingly technological society. […] Cultural scientific literacy – motivated by a desire to know something about science as a major human achievement….it is to science what art appreciation is to art» (Ogunkola 2013, 267). Thomas/Durant (1987) beziehen sich explizit auf die Normen des Begriffsmodells Civic scientific literacy, das zu verstehen als wissenschaftliche ‹Grundbildung› der Bürger, die Bewusstmachung wissenschaftlicher Kenntnisse und darauf aufbauende Partizipation an demokratischen Prozessen ermöglicht.

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als in the extent to which they gain intellectual and aesthetic satisfaction from great art or great literature; and presumably the same is also true science» (Thomas/Durant 1987, 12): a. Benefits to Science b. Benefits to National Economies c. Benefits to National Power and Influence d. Benefits to Individuals e. Benefits to Democratic Government f. Benefits to Society as a Whole g. Intellectuel Benefits h. Aesthetic Benefits i. Moral Benefits

Im Kontext der Demokratisierung «wissenschaftlicher Öffentlichkeit» durch den steigenden Wissenstransfer zwischen allen gesellschaftlichen Akteuren sollen im Rückblick auf die zuvor dargestellten Diskursmodelle und ihre funktionalen Komponenten (cf. Kap. 2.1.3) im Folgenden die Punkte (c.) Benefits to national power and influence, (e.) Benefits to democratic government und (f.) Benefits to society as a whole – in umgekehrter Reihenfolge, d. h. ausgehend von der Gesellschaft als sozialer Interaktionsgemeinschaft (f.), über ihre institutionell fundierte Demokratisierung (e.) hin zu ihrer Konzeption und ihrem Einfluss als politisches, sprachliches und kulturelles Kollektiv (c.) – erläutert werden. Diese Auswahl wird deshalb in den Vordergrund gestellt, weil angenommen werden kann, dass die benannten benefits (f.), (e.) und (c.) in ihren Erscheinungsformen als faktische und z. T. auch analysierbare Effekte eines gesellschaftlichen Strukturwandels hervortreten können, der auch bei Metasprachdiskursen beobachtet werden kann. Die Punkte (a.) Benefits to science und (b.) Benefits to national economies sollen nicht gesondert betrachtet werden, da sie unter den Faktoren (c.), (e.) und (f.) subsumiert werden können: So lassen sich beispielsweise positive Auswirkungen auf die Gesellschaft als Ganzes (f.) anhand unterschiedlicher Faktoren wie z. B. dem Bildungsstand der Bevölkerung, d. h. mittels der Anzahl und Art der Schul- und Hochschulabschlüsse und sich daran anschließender wissenschaftlicher Qualifikationen (a.) sowie an der Zahl der beruflichen Bildungsabschlüsse, an der Differenziertheit bestehender Berufsgruppen oder Angeboten im Bereich kultureller Bildung erfassen. Eine demokratische Regierungsform (e.) lässt sich, vereinfacht gesprochen, auf der Grundlage einer bestehenden Verfassung, anhand Prinzipien republikanischen Denkens, d. h. in Form bestehender Rechtsprechung und Gesetze, sowie anhand des Zuspruchs von Bürgerrechten bestimmen. Nationale Stärke und Einfluss können u. a. am wirtschaftlichen Fortschritt (cf. c.) durch statistische Indikatoren wie das Bruttoinlandsprodukt oder die Exportrate gemessen, anhand

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der Entscheidungsgewalt und interstaatlichen Anerkennung auf europäischer und internationaler Ebene eingeschätzt werden sowie mittels der Bedeutung einer Nation als Forschungsstandort und als wissenschaftliche Einflussgröße verglichen werden (a.). Dieser Einordnung als eben mehr oder minder dinghafte Vorteile einer erfolgreichen Etablierung des PUS- bzw. PES-Ansatzes ist kritisch hinzuzufügen, dass nicht alle Indikatoren gleichermaßen präzise oder gar zahlenmäßig erfasst werden können. Dieses Problem z. T. schwieriger oder nicht möglicher Messbarkeit erscheint weiterhin in Bezug auf alle benefits relevant, wenn es um das Erlangen einer kollektiven nationalen Geltung geht, die das übergeordnete Ziel einer gleichteiligen Partizipation am Wissensdiskurs darstellt. Dabei gilt allgemein, dass kollektive Identität als Geltungsbedingung für die Stärke einer nationalen Gemeinschaft jeglicher Form empirischer Belegbarkeit entbehrt (cf. Kleinen-von Königslow 2010, 69). Gleiches gilt wie bereits angedeutet auch für die zahlenmäßige Erfassung individueller Vorteile (cf. d. Benefits to individuals). Darüber hinaus ist gerade für eine diskurslinguistische Rezeption dieser Ansätze zu betonen, dass die Demokratisierung von Wissen nicht nur ein erkenntnistheoretisches Desiderat seitens der Wissenschaft darstellt, sondern v. a. auch einen Topos, der sich zum omnipräsenten Muster in der öffentlichen Meinungsbildung entwickelt hat: So wird dieses Thema nicht nur in den Medien immer wieder aufgegriffen, wenn z. B. die «Digitale Demokratisierung des Wissens» (NZZ, 19. 11. 2007) diskutiert oder im Kontext von Digitalisierung oder Open Access von der «offene[n] Wissenschaft und ihre[n] Freunden» (FAZ, 29. 03. 2014) gesprochen wird. Der Diskurs um verschiedene Positionen innerhalb der Wissensgesellschaft hat sich auch in der Sprachpflege seinen Weg gebahnt, wo sich die stereotypisierte Einteilung der «metasprachlichen Öffentlichkeit» in uninvolvierte Linguisten auf der einen und engagierte Sprachverteidiger auf der anderen Seite zum argumentativen Mittel der Selbstinszenierung und Abwertung anderer (Wissens-)Positionen in Bezug auf Sprache entwickelt hat. Dabei stellen das Wissen über Sprache und ihre Sprecher sowie die Frage, welche Akteure für die Formulierung und Verbreitung dieses Wissens qualifiziert und berechtigt sind, eines der grundlegenden Themen des sprachpflegerischen Diskurses dar, der häufig als Ort zur Kritik an den gesellschaftlichen Eliten und der Wissenschaft im Elfenbeinturm in Erscheinung tritt und somit zentrale Elemente hier angestellter Überlegungen zum Verhältnis von Wissenschaft und Öffentlichkeit widerspiegelt (cf. Kap. 3.2.6; 3.3.6–3.3.7). Die hier resümierten sozialwissenschaftlichen Reflexionen stellen theoretische Grundannahmen bereit, um die Rolle sprachbezogenen Wissens bei der diskursiven Partikularisierung von Metasprachdiskursen «soziologisch informiert» einzuordnen. Denn gerade durch die im Zuge

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der steigenden Bedeutung digitaler Medien und insbesondere des Internets angeregte und vermehrte Zirkulation von Kenntnissen zu den unterschiedlichsten, vormals auf den wissenschaftlichen Bereich beschränkten Themen, sind Diskurse heutzutage, zumindest aus technologischer Perspektive, prinzipiell nicht mehr auf bestimmte gesellschaftliche Gruppen beschränkt: «Many political scientists, media researchers and other scholars, as well as political activists, believe that this new medium [scil. the internet] has the potential to fundamentally change societal communication and that, in a nutshell, internet communication makes a better public sphere than have the old mass media […]. These hopes draw heavily on the participatory model’s understanding of ‹good› public debates […]. One expectation is that internet communication might include multiple actors, especially those from civil society who, with comparatively few resources, may not have had (as much) access to the old media. Furthermore, it is expected that alternative evaluations and interpretations will be presented online, and that the information available will be more differentiated on the internet. In the long run, the internet might democratize the public sphere and lead to strengthened political interest and participation among citizens […]. These hopes are based on the fact that the structure of internet communication is fundamentally different from that of the old media – one in which gatekeeping journalists and mass media institutions seem to play a less important role. Hence, senders may find it easier to present themselves and their issues online. Actors with fewer resources, such as small NGOs or individual citizens, may be able to present information online in a way that is significantly more cost-effective than getting into television, radio or print media […]. A PC and an internet connection are the only technical requirements, do not cost much to acquire and are, for many, already available at home» (Gerhards/Schäfer 2010, 145).

Um auf die Erläuterung der ausgewählten benefits des PUS-Konzepts zurückzukommen, so werden die (f.) Benefits to society as a whole von Thomas/Durant damit begründet, dass eine Verbesserung des Austauschs zwischen Wissenschaft und Öffentlichkeit die scharfe Trennung zwischen beiden Akteursgruppen aufzulösen vermöge (cf. 1987, 6–7). In ihrer Begründung verweisen die Autoren u. a. auf eine ähnliche Argumentation von Mead (1959), die bereits fast 30 Jahre vorher in einem kritischen Beitrag mit dem Titel Closing the gaps between scientists and the others ausgeführt wurde, und mit der deutlich wird, dass eine bildungsbedingte gesellschaftliche Teilung sich zu vollziehen beginnt: «Where once there was a continuum within which all educated people knew some science and, without being able to produce in a scientific field, were capable of appreciating scientific advances ‒ which was substantially the position of college graduates fifty years ago ‒ there is today hardly any sense of a continuum. The scientist or the schoolboy (it is almost always a boy) who is identified by teachers and fellow students as a future scientist is set apart by the very nature of his interests and is regarded by non-scientists as a person who has restricted himself by choice to the company of other scientists, unsuitable both as marriage partner and as friend. […] We are, in fact, in danger of developing ‒

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as other civilizations before us have developed ‒ special esoteric groups who can communicate only with each other and who can accept as neophytes and apprentices only those individuals whose intellectual abilities, temperamental bents, and motivations are like their own. A schismogenic process is under way that is self-perpetuating and self-aggravating» (Mead 1959, 139–140).

In dieser auch in späteren und v. a. sozialanthropologischen Forschungsbeiträgen (cf. z. B. Dupree 1961; Goldsmith 1986) beschriebenen Entwicklung liegt eine mögliche Ursache für die gesellschaftliche Grabenbildung in der Zersplitterung der kulturellen Öffentlichkeit, «the problem of divisions within cultures» (Thomas/Durant 1987, 6), woraus das folgende Argument zugunsten eines Einsatzes für eine «verständliche» Wissenschaft als Voraussetzung für eine intakte Nation abgeleitet wird: «Also operating at the level of relationships within society, but this time not concerned with specifically political processes, is the argument that the general health of a nation in which science is practised depends upon the effective integration of science into wider culture» (Thomas/ Durant 1987, 6). Dieses Argument wird in sprachideologischen Persuasionsstrategien der aktuellen Sprachpflege zweckentfremdet, indem der Aufruf zur Demokratisierung metasprachlichen Wissens innerhalb einer engagierten Zivilgesellschaft als Garant nationaler Stärke und Prestigefähigkeit propagiert wird.33 Wiederum mehr als 20 Jahre nach dem Artikel von Thomas/Durant (1987) diskutieren Gerhards/Schäfer (2010) die Demokratisierung von Wissen – nun vor dem Hintergrund der gesellschaftlichen Digitalisierung. Als neue Hürde zum weiterhin bestehenden endogenen kulturellen Schisma der Gesellschaft, das durch die Partizipation einer größeren Gruppe von Akteuren mittels massenmedialer Kanäle reduziert werden könnte, tritt nun der sog. digitale Graben als soziale Hürde medialer Informationsverteilung hinzu und stellt den demokratischen Wissenstransfer vor neue Herausforderungen: «When looking at these expectations, the question is whether internet communication is indeed ‹better› – when seen from the point of view of participatory theory – than communication in the old media. This question, although generally empirically accessible, has not yet been analysed sufficiently. Apart from theoretical debates about the internet’s status as part of the public sphere […], empirical research on the internet has thus far concentrated on user behaviour […], or on the ‹digital divide› between different user groups and different world regions […]» (Gerhards/Schäfer 2010, 145).

Dieser ʻdigitale Grabenʼ «[basiert] nicht nur auf nationalen bzw. kulturellen, sondern auf soziodemographischen Hintergründen» (Siever 2013, 8–9) und

33 Cf. hierzu die Selbstdarstellung ausgewählter Sprachpflegevereine als Bürgerbewegung bzw. Vertreter einer sprachlich-kulturellen Zivilgesellschaft (cf. Kap. 3.2.6; 3.3.9; 4).

2.2 Digitale Öffentlichkeiten: Entgrenzung sozialer Gegensätze?

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schafft grundlegend unterschiedliche Voraussetzungen zwischen Industrie- und Entwicklungsnationen, was die digitale Zugänglichkeit zu sozialen Wissensbeständen anbelangt. Noch deutlicher hebt Debatin (2010) in diesem Kontext hervor, dass die heutzutage existierenden Entwicklungsunterschiede zwischen den Ländern im Bereich des Internetzugangs ganz und gar nicht dem Bild globaler Vernetzung und gleichberechtigter Kommunikationsvoraussetzungen entsprechen: «Sociocultural access barriers, such as income, gender, age, education, and ethnic status still prevail worldwide despite countervailing trends in the industrialized countries. New media and the Internet do not just perpetuate social inequalities, they often multiply them. The already existing knowledge gap within and between nations is exacerbated by the digital divide between the connected ‹information rich› and excluded ‹information poor›. In reality, the global village is a gated community» (Debatin 2010, 323).

Wenn man, wie in der obigen Reihenfolge festgesetzt, die Förderung verständlicher Wissenschaft als soziales Fundament und ihre Auswirkungen auf die gesamtgesellschaftlichen Strukturen (f. Benefits to society as a whole) als Ausgangspunkt und Grundvoraussetzung für die Schaffung weiterer benefits interpretiert, dann scheinen heutzutage – in Anbetracht der Chancen und Herausforderungen des digitalen Wandels – die Schaffung deliberativer Wissenstransfer -und Demokratiemodelle (cf. e. Benefits to democratic government) und die wiederum darauf beruhende Stärke eines gesellschaftlichen Kollektivs auf nationaler Ebene und sein Einfluss auf andere (c. Benefits to national power and influence) ungleichen Bedingungen unterstellt. Wo in manchen Entwicklungsländern eine gesellschaftliche Spaltung nicht nur auf den Ebenen von Bildung und Kultur, sondern auch auf ethnischer, sozialer, wirtschaftlicher oder politischer Ebene besteht, können in Industrieländern wie in Deutschland und Frankreich die erforderlichen Voraussetzungen für eine deliberative Gesellschaftsstruktur sowohl in der Theorie als auch in der Praxis in aller Regel als erfüllt gelten – auch wenn die Teilhabe gesellschaftlicher Akteure an den unterschiedlichen Typen von Wissen ungleich stark ausgeprägt ist.34 Nicht nur werden dabei die durch massenmediale Kommunikationstechniken resultierenden Teilhabemöglichkeiten weniger als benefits, sondern mehr als Selbstverständlichkeit wahrgenommen, sondern es bestehen auch neue Herausforderungen eines gerade im Internet z. T. ungefilterten, ideologisch gelenkten und pausenlosen Wissenstransfers, dem die Nutzer ausgesetzt sind.

34 Cf. den Beitrag von Montemayor/Neusius (2018) zur Relevanz der Digitalisierung für die Vitalität von Minderheitensprachen.

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2 Metasprachdiskurse als öffentliche Systeme

Der weiter von Thomas/Durant (1987) angeführte Vorteil der Entfaltung demokratischer Regierungsformen (e.) wird durch zwei Argumente begründet: zum einen mit der Befürwortung und Förderung der Ausübung demokratischer Rechte durch den einzelnen Bürger und damit, dass ein nicht unerheblicher Teil wissenschaftlicher Forschung durch öffentliche Gelder finanziert wird. Zum anderen mit der Aussicht, die demokratische Willensbildung und Entscheidungsfindung effizienter und inhaltlich besser zu gestalten zu können, wenn die Entscheidungsträger gut informiert werden: «In democratic societies, citizens possess the right to influence decisions that are taken on a wide variety of matters in which they have an interest. Fairly obviously, modern science is far more than a purely private pursuit: for one thing, a great deal of scientific research is funded from the public purse; and for another the results of this research exert a profound influence over many aspects of private and public life. […] The bridge from these preliminary points to our theme is now easily made. If science is to be controlled by the people, then the people had better know something about science. It is worth observing that two distinct benefits are at stake here. Greater public understanding of science may be thought to promote more democratic decision-making (by encouraging people to exercise their democratic rights), which may be regarded as good in and of itself; but in addition, it may be thought to promote more effective decision-making (by encouraging people to exercise their democratic rights wisely)» (Thomas/Durant 1987, 5–6).

Ausgehend von den positiven Auswirkungen «verständlicher» Wissenschaft ergeben sich auf übergeordneter, nationaler Ebene auch politische Vorteile hinsichtlich der Manifestation nationaler Stärke im internationalen Vergleich (c.): «Over and above any purely economic benefits, greater public understanding of science has been claimed to bring wider political benefits in its wake» (Thomas/ Durant 1987, 4). Mit dieser Aussage und durch den anschließenden Verweis der Autoren auf einen Beitrag Le Corbeillers (1959) wird allerdings deutlich, dass der Einsatz für das PUS-Programm auch machtgeleiteten Beweggründen folgt, die Ende der 1950er Jahre aus den politischen Spannungen des Kalten Krieges hervorgingen: «It is only very recently that our lack of interest in science has become a danger. […] we need many more scientists and engineers, because numerous industries make use of science at a very high level […]. Also we must export engineers to underdeveloped countries if we want to spread American influence; […] Europe is still groggy from two world wars, and in spite of its high scientific potential and local successes it is no longer spearheading the scientific advances of the world as it once did. Thus, we are more than ever dependent on our own strength. In order to maintain its position of leadership, our nation as a whole must understand the role of science in the present transformation of the world. Yet it is not unreasonable if we observe that such strains are normal in time of war, and that the Cold War is a war for all that. Our adversary has taken full advantage of the progress of science, not only at the interior front but also in his external propaganda, where he pre-

2.2 Digitale Öffentlichkeiten: Entgrenzung sozialer Gegensätze?

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sents himself to the world as the champion of science, the bourgeois countries as sunken in obscurantism» (Le Corbeiller 1959, 172–173).

Diese nationalistischen Motive, in deren Fokus die Bewahrung der politischen und wirtschaftlichen Stärke sowie des daran gebundenen Prestiges einer Nation steht, determinieren auch die Ziele historischer und aktueller Sprachpflege für die Sprachnation (cf. Kap. 3–4). Die Motive unterscheiden bzw. konkretisieren sich lediglich insofern, als es in der Sprachpflege nicht mehr um den allgemeinen Wissenstransfer, sondern um das Wissen über Sprache und Sprecher in seiner Relevanz für die nationale und kulturelle Ausnahme der Sprachgemeinschaft geht. Dabei «[…] ist die Bestimmung der Identität von Sprechergemeinschaften anhand ihrer Sprache seit Jahrhunderten fester Bestandteil der gelehrten und laienhaften Diskussion» (Gardt 2000a, 1) – auch i. S. eines Sprachnationalismus,35 wie er sowohl in der deutschen als auch in der französischen Geschichte in unterschiedlich ausgeprägten Formen belegt ist (cf. Schiewe 1998; Gardt 2000b; 2000c; Schmitt 2000). Die Ausführungen Le Corbeillers (1959) für die amerikanische Gesellschaft erscheinen noch heute nicht nur durch ihre mögliche Übertragbarkeit auf Sprachpflege als gesellschaftliches Teilsystem relevant, sondern auch durch den Verweis auf die Möglichkeiten des medialen Zugangs zu Wissen, der jedoch kein Garant für eine Vermittlung wissenschaftlicher Expertise unter gleichzeitiger Wahrung wissenschaftlicher Ansprüche und Gütekriterien sein muss: «There is growing concern about American education at the present moment. By ‹education› we usually mean the education of young people in the schools. But there is, of course, another wide area: adult education. This takes place principally through the press, the radio, and television, and, to a less extent, through books. The mayor problem in American education just now is how to make adults realize that they are living in an age of science. […] As a result of radio alone, the whole of mankind has all of a sudden become a single unit, welded by the existence of instantaneous communication. Illiterate masses who, all over the world, learn daily from the village radio what happens in Baghdad or in Little Rock care more for science, because of its technological consequences, than cultured opinion does in the world capitals. […] ‹Our own› problem is to bring the American public to realize what science is. Three main difficulties stand in the way. First, the nonscientist knows little or no science, as a rule, and finds nothing in the history of other

35 Zur begrifflichen Differenzierung von «Sprachnationalismus» sei mit Gardt (2000d) an dieser Stelle die folgende Definition vorweggenommen: «Sprachnationalismus ist keine Erscheinung, die in der historischen Wirklichkeit in einer einzigen, in ihren Kennzeichen eindeutig und einmalig bestimmbaren Form vorliegt. Der Ausdruck bezieht sich zunächst auf all jene Argumentationsformen des Nationalismus, deren Bezugspunkt die Sprache ist. Das inhaltliche und methodische Spektrum dieser Argumentationen ist breit, eine Binnendifferenzierung daher notwendig» (Gardt 2000d, 247. Zum «Sprachnationalismus» im Deutschen cf. Kap. 3.2.4).

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2 Metasprachdiskurse als öffentliche Systeme

cultures to help him conceive its present-day significance. Second, the scientist is usually a specialist in a narrow section of science, and he is much too excited by what is happening there to want to spend time explaining it to others. Finally, science is a difficult study. It is a severe taskmaster: it accepts nothing slipshod. One mistake in the algebra or the chemical analysis, and the answer comes out wrong. This very strictness is one reason why science is so powerful. It is also what makes science understandably unpopular in American high schools» (1959, 170–172).

Auch wenn Le Corbeiller (1959) und zahlreiche Wissenschaftler nach ihm bis heute den Zustand einer gesellschaftlichen Teilung in Wissenschaft und «NichtWissenschaft» in verschiedenen Bereichen erklären, Nachteile, neue Herausforderungen sowie damit einhergehende, die soziale Spaltung verstärkende Faktoren beschreiben und diesen ggf. entgegenwirken können, so kristallisieren sich aus den hier zusammengefassten Überlegungen für die Demokratisierung von Wissen die folgenden Komponenten als entscheidende, aber nur bedingt veränderbare Einflussgrößen erster und zweiter Instanz heraus: Als Einflussgrößen erster Instanz werden soziale Strukturmerkmale bezeichnet, die in der unweigerlich bestehenden Beziehung zwischen Wissen und Macht begründet liegen. Diese können sowohl als endogene Richtwerte einer Gesellschaft (Wer darf Wissen produzieren? Wer darf an diesem Wissen teilhaben? Wenn viele Akteure gleichberechtigt an der Produktion von Wissen teilhaben, hat es dann noch denselben Wert bzw. dieselbe Qualität? Wann und wie wird Wissen wissenschaftliche Erkenntnis? Von welchen Gütekriterien hängt wissenschaftliche Erkenntnis ab? Sind diese Kriterien normativ verbindlich oder variabel? Darf wissenschaftliche Erkenntnis ausschließlich vom Status eines einschlägig ausgebildeten fachlichen Experten abhängig gemacht werden?) als auch exogene Vergleichswerte zwischen Nationen in Erscheinung treten (Welche Nation verfügt über mehr, relevanteres und vielleicht auch einziges und besonderes Wissen und daraus resultierende Fähigkeiten in einer bestimmten Sache?). Für beide Teilinstanzen gilt, dass solange interner und externer Wettbewerb als prägende Faktoren einer Gesellschaftsstruktur wahrgenommen und akzeptiert werden, auch eine Motivation für die Interpretation und Anwendung von Wissen als Machtinstrument besteht. Wie mit dem Wandel der «Öffentlichkeit» zuvor belegt wurde (cf. Kap. 2.1), besteht dabei grundlegend die Option zur Modifikation wissensbasierter Gesellschaftsstrukturen durch eine Neuverteilung diskursiver Teilhabe, jedoch hängt diese sowohl von den Einstellungen der teilhabenden oder bestimmenden Akteure ab als auch von der Initiative, Wissensbestände diskursiv neu zu formieren und der Bereitschaft, aktiv an diesem Prozess teilzuhaben. Die zweite Einflussgröße sind die Medien als Zugangsmöglichkeit zu und Verteilungsinstanz von Wissen, die nicht nur eine Hilfsmittelfunktion für den

2.2 Digitale Öffentlichkeiten: Entgrenzung sozialer Gegensätze?

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Wissenstransfer zwischen gesellschaftlichen Akteuren erfüllen, sondern diese Vermittlungsprozesse als entscheidende Gewalt steuern. Die Medien als gesamtgesellschaftlich wirkende Institution überlagern heutzutage die o. g. Einflussgrößen der ersten Instanz, indem sie als taktgebende und selektive Domänen agieren, die «[…] sich quantitativ und qualitativ immer mehr ausgebreitet [haben]». Ebenso «haben sich neben den herkömmlichen Massenmedien neue Medienformen herausgebildet (Zielgruppenzeitschriften, Spartenkanäle, OnlineMedien)», «[d]ie Vermittlungsleistung und -geschwindigkeit von Informationen durch die Medien hat zugenommen, «ihre spezifischen Logiken durchdringen immer stärker und engmaschiger alle gesellschaftlichen Bereiche» und erlangen dadurch «gesellschaftliche Aufmerksamkeit und Anerkennung» (Jarren/Donges 2017, 10). So muss jede Wissensgesellschaft heute vor dem Hintergrund ihrer Konstitution als Mediengesellschaft betrachtet werden, durch die sich neue Kommunikationswege und -formen sowie soziale Strukturen herausbilden können: «Eine Mediengesellschaft ist eine Gesellschaft, die von Medialisierung durch und durch geprägt ist. Deren gesellschaftliches Gestaltungsvermögen gründet in der Ausdifferenzierung des Elements Medialität in Kommunikationsprozessen und der Emanzipation der Mediensysteme aus institutionellen Bindungen. […] Als Totalphänomen operiert Medialisierung auf dem Mikro-, Meso-, Makro- und Globallevel, durchwirkt also Interaktions-, Organisations- und Funktionssysteme, das Institutionengefüge wie die Lebenswelt und entgrenzt und durchmischt vormals definierte soziale Sphären und Konstellationen. Der hohen Eigenkomplexität von Medienkommunikation wegen sind Programme, sie zu steuern und in die Mediensysteme intentionsgerecht zu intervenieren, sehr erfolgsunsicher» (Saxer 2012, 127–128).

Ausgehend von einer Einordnung Deutschlands und Frankreichs als Mediengesellschaften widmen sich die folgenden Ausführungen einem konkreten Fallbeispiel aus der aktuellen französischen Sprachpolitik, bei dem es darum geht, die diskursiven Verflechtungen zwischen Sprache, Staat und digitaler Medienkommunikation zu veranschaulichen: Um die Relevanz online-medialer Kommunikationskanäle im metasprachlichen Diskurs zu verdeutlichen, werden dazu ausgewählte öffentliche Meldungen des französischen Präsidenten Emmanuel Macron und der Organisation Internationale de la Francophonie (OIF) auf Twitter betrachtet,36 die dort anlässlich aktueller sprachpolitischer Bestrebungen 36 Die heutige Organisation Internationale de la Francophonie geht auf die 1970 gegründete Agence de coopération culturelle et technique (ACCT) zurück. Ihre Funktion als institutioneller Ansprechpartner für alle Frankophonen und ihr Ziel, die Förderung der französischen Sprache und der Beziehungen zwischen den 84 Mitglied- und Beobachterstaaten, wurden 1997 auf dem Gipfeltreffen in Hanoi durch die Verabschiedung der Charte de la Francophonie beschlossen und 2005 in Antananarivo durch die Ministerkonferenz überarbeitet. Der alle zwei Jahre zu-

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2 Metasprachdiskurse als öffentliche Systeme

der französischen Regierung zur Förderung des Französischen in der Welt veröffentlicht wurden (cf. Kap. 2.2.2). Den Abschluss des ersten Kapitels bildet eine vergleichende Zusammenfassung der Nutzungsentwicklung digitaler Medien in Deutschland und Frankreich, mit dem Ziel, dem individuellen und gesellschaftlichen Einfluss internetbasierter Kommunikation konkrete zahlenmäßige Konturen zu verleihen. Diese statistischen Darstellungen dienen der Veranschaulichung aktueller medialer Rahmenbedingungen vor dem Hintergrund erörterter gesellschaftlicher Strukturwandeltheorien (cf. Kap. 2.1.3) sowie den hier angestellten Überlegungen zur diskursiven Demokratisierung von Wissen (cf. Kap. 2.2.1). Dabei sollen folgende Fragen berücksichtigt werden: Wie gehen einzelne soziale Gruppen mit digitalen Partizipationsformen der medialen Praxis um? Wie werden verschiedene mediale und technische Angebote angenommen und genutzt? Wie genau gestaltet sich die Teilhabe der Nutzer? Werden Informationen im Internet v. a. konsumiert, d. h. handelt es sich um einen unidirektionalen Wissenstransfer, der von wenigen gesteuert und von vielen rezipiert wird, oder motiviert die Möglichkeit zur digitalen Partizipation einen reziproken Informationsaustausch, d. h. auch einen Input derjenigen gesellschaftlichen Gruppen, die vormals in klassischen medialen Konstellationen überwiegend als Empfänger agierten? Zum anderen beabsichtigt die statistische Gegenüberstellung eine genauere Prüfung der Vergleichbarkeit Deutschlands und Frankreichs im Bereich einzelner digitaler Kommunikationsformen, die im Korpus dieser Arbeit berücksichtigt werden (cf. Kap. 4.1.4; 4.3). Dabei sei für alle folgenden Überlegungen nochmals betont, dass der Status bzw. der Grad gesellschaftlicher Partizipation im Kontext digitaler Medien insgesamt nur schwer zu bestimmen ist, über längere Zeit untersucht werden muss

sammentretende Sommet de la Francophonie, der sich aus den Staats- und Regierungschefs der Mitgliedstaaten zusammensetzt, trägt die höchste politische Entscheidungsgewalt. Das Amt des Generalsekretärs der Frankophonie, seit Januar 2019 besetzt mit Louise Mushikiwabo – ehemalige rwandesische Außenministerin der Ostafrikanischen Gemeinschaft – und in der Charta als «clé de voûte du dispositif institutionnel de la Francophonie» beschrieben (OIF 2019b), steht dem Conseil permanent de la Francophonie (CPF) vor, bekleidet einen Sitz in der Conférence ministérielle de la Francophonie (CMF), ernennt den Geschäftsführer der OIF und leitet sowie vertritt öffentlich die politischen Prozesse der Frankophonie auf internationaler Ebene. Die Amtsdauer des Generalsekretärs ist zunächst auf vier Jahre mit Möglichkeit zur Wiederwahl begrenzt. Die OIF verfolgt ihre im Rahmen einer sprachpflegerischen Mission formulierten Zielsetzungen «Promouvoir la langue française et la diversité culturelle et linguistique, promouvoir la paix, la démocratie et les droits de l’Homme, appuyer l’éducation, la formation, l’enseignement supérieur et la recherche, développer la coopération au service du développement durable» in Kooperation mit vier operativen Organen: der Agence universitaire de la Francophonie (AUF), TV5 Monde, der Association internationale des maires francophones (AIMF) und der Université Senghor d’Alexandrie (OIF 2019c).

2.2 Digitale Öffentlichkeiten: Entgrenzung sozialer Gegensätze?

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und prinzipiell vom jeweiligen Diskurstyp abhängig ist. Ebenso spielen, wie folgendes Beispiel illustriert (cf. Tab. 2–Tab. 3), die gewählte Kommunikationsform, die Frequenz der Meldungen zu einem Thema sowie Status, Bekanntheitsgrad und Popularität der am Diskurs beteiligten Akteure eine entscheidende Rolle.

2.2.2 Metasprachdiskurse als öffentliches Teil- und Handlungssystem Um die kontextuellen Implikationen metasprachlichen Handelns in digitalen Räumen in einem konkreten Kontext aufzuzeigen, wurde ein aktuelles Fallbeispiel aus dem sprachpolitischen Diskurs in Frankreich gewählt. Am 20. März 2018, dem offiziellen internationalen Tag der Frankophonie, veröffentlichten der französische Präsident Emmanuel Macron und die Organisation Internationale de la Francophonie (OIF) Meldungen über ihre jeweiligen Kanäle im Kurznachrichtendienst Twitter:37 Im März 2018 hat das französische Ministerium für auswärtige Angelegenheiten und internationale Entwicklung eine internationale Strategie für die französische Sprache und Mehrsprachigkeit in Form von 33 Maßnahmen bekanntgegeben und in diesem Rahmen den deutlichen Wunsch geäußert, die drei darin definierten Kernziele «apprendre, communiquer et créer en français» in Kooperation mit der OIF und weiteren Partnern zu erreichen: «La France souhaite concourir à la réalisation de cette stratégie avec l’Organisation Internationale de la Francophonie et l’ensemble des partenaires qui partagent son ambition pour la langue française et le plurilinguisme» (Dossier de presse 20. 03. 2018, 1). Den Auftakt der Strategie gab eine Rede des französichen

37 Der Kurznachrichtendienst Twitter zählt zu den sog. Microblogging-Plattformen: «Microblogging is a short form social media technology, involving the posting of small, typically episodic, messages aimed at internet-mediated audiences. These texts appear on social media services, such as Twitter and Weibo, as chronologically unfolding streams of posts associated with a user’s social profile. […] Users subscribe to the feeds of different accounts, and search posts in the public stream with native or third party applications» (Zappavigna 2017, 201). Die in den persönlichen Profilen der Benutzer erstellten und veröffentlichten Nachrichten dürfen eine Länge von 280 Zeichen nicht überschreiten (2017 wurde die Zahl von 140 erlaubten Zeichen verdoppelt, cf. ZDF heute, 07. 11. 2017), erscheinen in chronologisch umgekehrter Reihenfolge, können bei öffentlichen Profilen von allen, bei privaten Profilen von den Abonnenten, den sog. Followern gelesen werden und «[…] mithilfe von Hashtags thematisch kategorisiert werden» (Yazigi 2016, 93). Neben anderen (Tumblr, Google Buzz, Soup) hat sich Twitter als bekanntester und am meisten genutzter Microblog etabliert, nachdem er als eigentlich internes Kommunikationsmedium in Form einer webbasierten SMS von Firma Odeo in San Francisco gegründet wurde (cf. Yazigi 2016, 93–94).

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2 Metasprachdiskurse als öffentliche Systeme

Präsidenten (cf. Discours Macron 20. 03. 2018) zur Ankündigung einer Ambition pour la langue française et le plurilinguisme in der Académie française, mittels derer die französische Sprache zu einer der großen Weltsprachen der Zukunft («l’objectif de faire du français l’une des grandes langues-monde de demain») und zu einer Trumpfkarte in Zeiten der Globalisierung («et un atout dans la mondialisation») ausgebaut werden soll (Dossier de presse 20. 03. 2018, 2). Trotz des gleichen sprachpolitischen Auftrags der beiden Akteure im Rahmen der offiziell verkündeten «promotion de la langue française et du plurilinguisme dans le monde» unterscheiden sich die gesendeten Nachrichten sowohl quantitativ hinsichtlich der Reaktionsquote, als auch qualitativ, was die aktive oder passive Teilhabe der Nutzer an der Diskussion der Beiträge anbelangt:

Tab. 2: Une ambition pour la langue française (Twitter Emmanuel Macron). Datum

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20. 03. 2018a

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Cet après-midi à 16h, je 261 dévoilerai notre ambition internationale pour la langue française et le plurilinguisme. Nous allons sortir d’une vision défensive et adopter une nouvelle philosophie ouverte et riche de diversité pour notre langue ! En direct sur @Elysee.

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LIVE | Notre ambition pour la langue française et le plurilinguisme. #Francophonie

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De Yaoundé à Buenos Aires, de Nouméa à Oulan-Bator, le monde bruisse aujourd’hui de notre langue française.

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Des centaines de millions de femmes et d’hommes se confrontent au monde, le vivent et le racontent en français.

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2.2 Digitale Öffentlichkeiten: Entgrenzung sozialer Gegensätze?

Tab. 2 (fortgesetzt) Datum

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La France est un des pays, avec d’autres, qui parle et écrit en français.

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La langue française est la langue des combats pour l’émancipation.

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La langue française doit proposer, dans le respect du plurilinguisme, une nouvelle interprétation du monde.

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20. 03. 2018h

Merci à Leïla Slimani qui a  24 coordonné ces derniers mois toutes les voix qui souhaitaient s’exprimer sur la #Francophonie.

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Le professeur de français forge la mémoire, l’esprit. La grammaire et la littérature sont le terreau fertile où l’esprit s’enracine.

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20. 03. 2018j

Les 500 lycées français  52 dans le monde sont la colonne vertébrale de notre ambition éducative à l’étranger. Nous allons aussi accompagner le développement des sections bilingues dans les établissements de nos pays partenaires.

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La bataille pour promouvoir et diffuser le français comme langue de communication se joue en grande partie sur internet.

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20. 03. 2018l

Nous allons créer le premier incubateur de start-ups dédié à l’apprentissage des langues.

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Tab. 2 (fortgesetzt) Datum

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20. 03. 2018m

Le français se construit dans le plurilinguisme.

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20. 03. 2018n

Villers-Cotterêts est la ville  22 de naissance d’Alexandre Dumas. C’est la ville de l’édit de François 1er sur la langue française. Son château tombe en ruines.

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20. 03. 2018o

Nous allons le transformer  33 en laboratoire de la francophonie. Ce sera un lieu d’échanges, de création, d’écriture, de spectacle, de résidences d’artistes. Il apportera un élan nouveau à un territoire qui doit retrouver l’espoir et l’esprit de conquête.

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20. 03. 2018p

Le français doit être la langue qui invente et crée le monde de demain.

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21. 03. 2018q

Ces jeunes viennent de 173 pays différents mais ont tous un point commun : ils parlent (ou apprennent à parler) français. C’est à eux que revient la tâche de faire vivre notre langue !

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Tab. 3: Une ambition pour la langue française (Twitter OIF). Datum

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20. 03. 2018a

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Journée dela #Francophonie à 1 @OIFfrancophonie. Rencontre littéraire autour du #prix5continents #mon20mars

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20. 03. 2018b

ll y a 77 millions de «francophones du quotidien» en Europe #mon20mars

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Plus de 76 millions d’élèves et d’étudiants ont le français pour langue d’enseignement, dont 54 millions en Afrique subsaharienne et dans l’océan Indien #mon20mars https://t.co/GaeqQgfUMf

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En marge de la Journée internationale de la Francophonie, l’OIF a signé aujd’hui une convention de partenariat avec la #bibliotheque #numerique @YouScribe_fr pour favoriser l’accès à la lecture et promouvoir la langue française >> http://bit.ly/ 2ppcPYq #mon20mars

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#mon20mars : Vous voulez 1 participer à «La grande dictée de la Francophonie»! Rendezvous à 14h30 en direct sur la page facebook de l’OIF >> http://bit.ly/2HP6YSW. Bonne fête de la #Francophonie à toutes et à tous !

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20. 03. 2018f

C’est parti pour la dictée de la Francophonie en direct de l’ @OIFfrancophonie, sur le thème de l’oralité > https:// www.facebook.com/OIFfran cophonie/videos/1447490 605360870…

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Tab. 3 (fortgesetzt) Datum

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20. 03. 2018g

Près de 49 millions de personnes apprennent le français comme une langue étrangère (FLE) #mon20mars

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20. 03. 2018h

On compte plus d’1 millions d’élèves et étudiants de français dans chacun de ces pays : Algérie, Allemagne, Égypte, Espagne, États-Unis, Inde, Italie, Maroc, Nigéria, Roumanie, Syrie... #mon20mars

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20. 03. 2018i

Le français est la 3e langue 3 des affaires dans le monde et la 2e en Europe #mon20mars https://t.co/GaeqQgfUMf

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20. 03. 2018j

Les 84 États et gouvernements membres de l’OIF représentent 17% du PNB mondial et 20% des échanges commerciaux #mon20mars

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20. 03. 2018k

Les écrivaines francophones à l’honneur en ce moment à @OIFfrancophonie Table ronde avec : Nafissatou Dia Diouf (#Senegal), Fawzia Zouari (#Tunisie), Lise Gauvin (#Quebec), @sedefecer (#Turquie) & @MMonetteNY (#Quebec) #mon20mars

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20. 03. 2018l

Création numérique : performance à l’OIF de Boubacar Bablé Draba (#Mali), médaille d’argent des derniers Jeux de la #Francophonie #mon20mars https://t.co/ GaeqQgxwaP

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Die zahlenmäßigen Reaktionen, sowohl in Form direkter Kommentare der Twitternutzer als auch in Form von Zuspruch durch nonverbale Kommunikationsparameter wie die tabellarisch vermerkten Likes (ʻGefällt mir-Angabenʼ) erlauben die Interpretation,38 dass das Agendasetting der institutionalisierten Sprachpflege im öffentlichen Diskurs in entscheidender Weise von den sendenden Akteuren, ihren «sozialen Rollen» und ihrem eigenen «Systemhintergrund» abhängig ist (Jarren/Donges 2017, 196).39 Zwar nehmen der französische Staatspräsident und die OIF in ihrer Funktion als intergouvernementaler Staatenbund durch unterschiedliche politische Rollen und damit verbundenen Zuständigkei-

38 Die Verwendung von Social plugins als funktionales Element der Kommunikation in Sozialen Medien stellt ein komplexes Forschungsphänomen computervermittelter Kommunikation dar. Die Nutzung des sog. Like-Buttons und der damit verbundene Vorgang des «Getting ‹liked›» zählt zum Bereich der strategischen und multimodalen Online-Kommunikation. MaízArévalo (2017) schreibt dieser Technik vier pragmatische Funktionen zu: «More specifically, it [scil. the notion of ‹getting liked›] delves into the most widespread techniques, strategies and multimodal features which social media users apply to build up their positive face as well as defend and maintain their self-designed online identities. It also aims to identify research which recognises how users ratify, challenge, discuss or reject such online presentations and how other users respond to these reactions. […] [there is an] interplay of four main macrostrategies: self-presentation (also known as self-disclosure), social expressivity, implicitness and humour» (2017, 575; Ergänzungen VN). Imhof (2015) interpretiert die Nutzung sozialer Plugins darüber hinaus in ihrer Rolle innerhalb der Netzarchitektur und Kommunikationspraxen sozialer Netzwerke und der dahinterstehenden «‹Participatory Culture›», deren «zielgruppenorientiertes Marketing» er in den Vordergrund stellt (2015, 19). Hinsichtlich hier angestellter Überlegungen zur Öffentlichkeit digitaler Medien ergänzt Imhof (2015) weiter: «Es [scil. Zielgruppenorientiertes Marketing] funktioniert, weil Facebook & Co auf gemeinschaftlichen sozialen Beziehungen basieren. Gemeinschaften regulieren sich über die Reproduktion emotionaler Bildungen, In- und Outgroup-Differenzierungen, Gruppennormen […] und Selbstdarstellungen im Wettbewerb um Sozialkapital zwischen mehr oder weniger bekannten Mitgliedern. Dies bedeutet nichts anderes, als dass die Interaktionsnetze genauso wie Offline-Beziehungsnetze zu Homogenität bezüglich Herkunft, sozialem Status und Berufspositionen tendieren […]. Die Rede von ‹Mikro- oder Teilöffentlichkeiten› im Netz geht an diesem sozialen Faktum personalisierter Kommunikation, das sie von der unpersönlichen Kommunikation in der Öffentlichkeit der Kommunikationsmedien unterscheidet, vorbei. […] Entsprechend haben die Modi gemeinschaftlicher Kommunikation nicht mit einer ‹Worldwide Participatory Culture› zu tun, sondern mit der Reproduktion gemeinsam geteilter Lebenswelten und darin besonders mit Konsumkulturen, moralischen Einstellungen und emotionalen Bindungen. Zudem dient diese Kommunikation aufgrund der individuellen Einstiegsschnittstelle der Social Networks primär der Statusakkumulation von Ego innerhalb seiner Peergroup. Diese gemeinschaftliche, somit moralisch-emotional orientierte Kommunikation ist keine öffentliche Kommunikation, auch wenn sie öffentlich zugänglich ist, sie wird aber in ökonomischer Hinsicht privatisiert» (Imhof 2015, 18–19). 39 Zur Bedeutung sozialer Rollen für die diskursive Stratifizierung von Sprachpflege cf. Kap. 4.1.2.

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ten qua Amt verschiedene Rollen ein, jedoch belegen die in den Kommentaren formulierten Absichten kongruente Ziele beider Akteure im Bereich eines sprachplanerischen Interventionismus. Eine mögliche Erklärung auf der Grundlage theoretischer Überlegungen zur politischen Kommunikation in der Mediengesellschaft scheint hier für das soziolinguistische Verständnis und insbesondere auch für akteurszentrierte Interpretationsansätze diskurslinguistischer Untersuchungen (cf. Kap. 4.1.3) sinnvoll.40 Dabei kann die von Jarren/Donges als «Tauschverhältnis mit wechselseitiger Abhängigkeit» (2017, 191) bezeichnete Beziehung zwischen Politikern, Öffentlichkeitsarbeitern und Journalisten auf das vorliegende Beispiel französischer Sprachpolitik übertragen werden: Als Grundannahme wird vorausgesetzt, dass der sprachpolitische Diskurs und darin ablaufende Kommunikationsprozesse ein von Akteuren konstituiertes Handlungssystem abbilden, das aufgrund unterschiedlicher Positionen und Rollen der jeweiligen Akteure ein spezifisch strukturiertes Netzwerk formiert, das sprachideologische Inhalte und Regeln für sprachliches Handeln in diesem System vorgibt. Ziel dieses Netzwerkes ist es, Zustimmung und Legitimation hinsichtlich der internationalen Förderung des Französischen zu erlangen. Diese ideologische, transtextuelle Ebene des Handlungssystems schlägt sich auf der Aussagenebene in einem Konglomerat an sprachlichen Mustern nieder, das bei Foucault (1969) als «formation discursive» und in der auf Foucault aufbauenden Diskurslinguistik als «Formationssystem» (Spitzmüller/Warnke 2011, 69) beschrieben wird (cf. Kap. 4.1.3): «Première hypothèse […]: les énoncés différents dans leur forme, dispersés dans le temps, forment un ensemble s’ils se réfèrent à un seul et même objet […]. Seconde hypothèse pour définir, entre les énoncés, un groupe de relations: leur forme et leur type d’enchaînement. […] Ne pourrait-on pas établir des groupes d’énoncés, en déterminant le système, les concepts des systèmes permanents et cohérents qui s’y trouvent mis en jeu? Par ex-

40 Zur Veranschaulichung des interdisziplinären Zusammenhangs, den die theoretischen Vorüberlegungen dieser Arbeit zwischen Kommunikationswissenschaften als sozialwissenschaftlicher Disziplin, soziolinguistischen Ansätzen und diskurslinguistischen Theorien und Methoden zur Untersuchung sprachpolitischer Korpora etablieren möchten, kann hier die diskurslinguistische Definition von «Akteur» als zentrale sozialwissenschaftliche Kategorie aller drei Forschungsbereiche angeführt und für die gesamte Untersuchung dieser Arbeit geltend gemacht werden, wie Spitzmüller/Warnke (2011) erklären: «Im Mittelpunkt der handlungsorientierten Diskurslinguistik steht der ‹Akteur›. Wir greifen mit dieser Bezeichnung eine zentrale sozialwissenschaftliche Kategorie auf und ersetzen damit herkömmliche Bezeichnungen wie Sprecher/Sprecherin, Hörer/Hörerin, Sender/Empfänger usw. Der Akteur als Actor, als Handelnder, ist zunächst einmal nicht notwendigerweise eine personale Größe. Akteure können Individuen, Netzwerke von Individuen aber auch nicht-personale Handlungsinstanzen wie Institutionen, Parteien, Medien etc. sein» (Spitzmüller/Warnke 2011, 172).

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emple, l’analyse du langage et des faits grammaticaux ne repose-t-elle pas chez les classiques […] sur un nombre indéfini de concepts dont le contenu et l’usage étaient établis une fois pour toutes [sic]: On pourrait ainsi reconstituer l’architecture conceptuelle de la grammaire classique. […] Enfin, quatrième hypothèse pour regrouper les énoncés, décrire leur enchaînement et rendre compte des formes unitaires sous lesquelles ils se présentent: l’identité et la persistance des thèmes» (Foucault 1969, 48–53).

Bei einer Aufschlüsselung dieser vier Hypothesen am vorliegenden Beispiel ergibt sich folgender diskurslinguistischer Interpretationsansatz:41 Der gemeinsame Gegenstand der sprachideologischen Aussage bzw. Position einer «promotion de la langue française et du plurilinguisme» wird in den Äußerungen respektive im sprachlichen Handeln der Tweets vom 20. 03. 2018 als zeitgebundene Gestalt dieser Aussage sichtbar. Ein Beispiel für eine kleinste Form von Äußerungsgestalt ist der Hashtag #mon20mars (cf. Tab. 3), der als semiotisch kondensierter Index eine positive sprachideologisch Konnotation des gesamten Formationssystem ausdrückt.42 Weitere Äußerungsmuster liegen auf intratextueller Ebene in konvergenten inhaltlichen Konzepten, an deren Ähnlichkeit erkennbar wird, dass es sich um einen übergeordneten respektive transtextuellen, metasprachlichen Diskurs handelt, in dem das Französische als a. Weltsprache (cf. Twitter Emmanuel Macron 20. 03. 2018c; 20. 03. 2018g, 21. 03. 2018; Twitter OIF 20. 03. 2018b, 20. 03. 2018i), b. Bildungssprache (Schulsprache, Zweitsprache) (cf. Twitter Emmanuel Macron 20. 03. 2018j, 21. 03. 2018q; Twitter OIF 20. 03. 2018c, 20. 03. 2018g, 20. 03. 2018h), c. Sprache der Literatur und des Geistes i. S. des nationalen Ingeniums (cf. Twitter Emmanuel Macron 20. 03. 2018i, 20. 03. 2018o, 20. 03. 2018i; Twitter OIF 20. 03. 2018k) kategorisiert wird. So werden analog in beiden Teildiskursen, dem individuellpolitischen von Macron und dem institutionellen der OIF, gleiche inhaltliche Muster mit kleineren Abweichungen entfaltet, deren nachvollziehbare Verbindung von den Akteuren für die Öffentlichkeit auch durch das Referieren auf identitätsstiftende Bezugsgrößen wie die französische Sprache und Kultur als nationales Gut in seiner geographischen Verbreitung und historischen Tradition plausibel gemacht wird (cf. 20. 03. 2018n, 20. 03. 2018o). Was nun die Diskurse unterscheidet und zu Mikrodiskursen innerhalb des Sprachpflegediskurses macht (cf. Abb. 2), sind die Ziele der Akteure: «Generelles Ziel des Politikers ist der Erhalt bzw. der Erwerb der Macht für die Organisation, die er vertritt sowie [sic] für sich selbst» (Jarren/Donges 2017, 191). Im Falle der

41 Foucault (1969) unterscheidet in seiner Diskurstheorie zwischen Aussagen- (énoncés) und Äußerungsebene (performances verbales). Cf. hierzu erklärend Kap. 4.1.1. 42 Zur Bedeutung von Hashtags als sprachideologische Zeichen in multimodalen Kommunikationsräumen von Sprachpflegeorganisationen cf. Kap. 3.3.9.

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ausgewählten Äußerungen Macrons geht es neben inhaltlichen Zielen auch darum, Publicity für die eigene Person, die Arbeit und das Amt des Präsidenten zu machen, indem die Medienpräsenz durch die Wahl eines digitalen Kommunikationsmediums erhöht wird und die Aufmerksamkeit des Publikums durch sprachlichen Spannungsaufbau gezielt eingefordert wird (Twitter Emmanuel Macron 20. 03. 2018a: «Cet après-midi à 16h, je dévoilerai notre ambition internationale pour la langue française et le plurilinguisme. Nous allons sortir d’une vision défensive et adopter une nouvelle philosophie ouverte et riche de diversité pour notre langue!»): «Damit [scil. im Zuge dieser Einflussnahme und Medienpräsenz einer Person] entstehen hierarchische Kommunikationsstrukturen […]. Politiker verfolgen […] eine angebotsorientierte Kommunikationsstrategie. Sie formulieren und aggregieren politische Probleme, treffen damit Auswahlentscheidungen für Themen, mit denen sie sich öffentlich profilieren wollen und tragen diese Themen auf unterschiedlichsten Wegen an Journalisten heran. Die politischen Akteure sind vor allem daran interessiert, ihre Themen und Problemdeutungen möglichst optimal und zum richtigen Zeitpunkt dargestellt zu wissen. Deshalb bieten sie fortlaufend Themen an» (Jarren/Donges 2017, 191).

Welche Rolle und welche Ziele können der OIF zugeschrieben werden? Der Institution, deren ausschließlich sprachpolitische Leitziele und Interessen sich seit ihrer Gründung 1970 über Jahrzehnte entwickelt und gefestigt haben, kommt – in analoger Betrachtung zu Prozessen politischer Kommunikation – eher die Aufgabe eines Öffentlichkeitsarbeiters zu, der für das «Management der Interaktion zwischen Politikern und Öffentlichkeit» (Jarren/Donges 2017, 192) verantwortlich ist. Öffentlichkeitsarbeiten «[…] organisieren die Themenproduktion dauerhaft […]» und «[i]hnen obliegt es, Themensetzungs- und Deutungsbemühungen durch anhaltende Interaktion […]» (Jarren/Donges 2017, 192) zu steuern. Die Frage, wieso genau im gewählten Fallbeispiel die Nachrichten der OIF eine deutlich geringere öffentliche Publikumsresonanz in Form von Social Plugins oder Retweets erfahren,43 kann nicht mit Sicherheit beantwortet werden. Jedoch ist klar, dass die Rolle des jeweils sprachlich handelnden Akteurs ein maßgeblicher Faktor zur Differenzierung einzelner Teildiskurse innerhalb des sprachpflegerischen Diskurses in Frankreich ist. Macron in seiner Rolle als me-

43 «Durch einen Retweet können Nachrichten von anderen Nutzern weitergeleitet werden, wodurch Tweets [scil. auf Twitter gesendete Nachrichten] verbreitet werden können. Diese Weiterleitungsfunktion wird häufig durch die Abkürzung RT beschrieben» (Yazigi 2016, 99). O’Reilly/ Milstein (2013) ergänzen, dass «[s]ie [scil. Retweets] […] auch von Achtung [zeugen]. Wenn sie jemandes Meldung als Retweet weiterleiten, sagen sie eigentlich: Ich respektiere Dich und Deine Nachricht» (2013, 47). Zur sprachwissenschaftlichen Diskussion der Funktionen und Strukturen der Kommunikationsplattform Twitter cf. Moraldo (2009b); Zappavigna (2017).

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dienprominente Einzelperson und in Frankreich politisch mächtigste Person kommt genau aufgrund dieser Eigenschaften ein höheres öffentliches Interesse zu und weitere, hinter diesen Eigenschaften stehende Faktoren wie beispielsweise autoritätsbedingte Glaubwürdigkeit und Plausibilität spielen im metasprachlichen Kommunikationsprozess eine entscheidende Rolle, wie auch der argumentative Rekurs auf historische Autoritäten der Sprachpflege belegen kann (cf. Kap. 3). Ebenso entscheidend dürfte sein, dass der Nachrichtenwert der OIF-Tweets aufgrund der Kontinuität einschlägig sprachpolitischer Initiativen der Organisation und somit aufgrund eines fehlenden inhaltlichen «Überraschungseffekts» im Gegensatz zu dem der Äußerungen des Präsidenten ein geringerer ist.44 Zudem liegt es auf der Hand, dass eine offizielle Bekanntgabe des französischen Staatspräsidenten hoch im Nachrichtenkurs steht und ihr das Erstrecht der Veröffentlichung vorbehalten ist, sodass klare Absprachen darüber, über welche Kanäle welche politischen Akteure an diesem Tag Nachrichten zu diesem spezifischen Thema senden dürfen, interpretativ miteinzubeziehen sind. Das gewählte Beispiel aus dem Bereich der französischen Sprachpolitik illustriert darüber hinaus auch den sich vollziehenden medialen Wandel der politischen Kommunikation: «Die Produktion politischer Berichterstattung findet unter den Bedingungen der «Viel-Kanal-Öffentlichkeit» mit ihren unterschiedlichen Medientypen (Massen-, Zielgruppen- und Individualmedien) unter sich wandelnden Rahmenbedingungen statt» (Jarren/Donges 2006, 307). Diese Entwicklungen sind auch als kommunikative Nutzungsoptionen von Sprachpflege in Betracht zu ziehen. Vor diesem Hintergrund sollen im Rahmen des anschließenden Kapitels die Entwicklungen des digitalen Strukturwandels in Deutschland und Frankreich in aller Kürze zusammengefasst werden, um aktuelle mediale Strukturen und inhaltliche Tendenzen von Sprachpflege, die weiter unten sprachhistorisch erklärt und diskurslinguistisch analysiert werden (cf. Kap. 3–4), hinsichtlich der Komplexität ihres gesellschaftlichen Wirkungsbereichs zu erfassen. Zuvor erörterte sozialwissenschaftliche Ansätze zum Strukturwandel von Öffentlichkeit (cf. Kap. 2.1.2) werden im Verlauf der Arbeit an ausgewählten Stellen auf

44 Der Nachrichtenwert ergibt sich aus der Auswahl und Bewertung von Nachrichtenfaktoren, d. h. «[…] journalistische[n] Kriterien, mit denen zwischen berichtserstattenswerten und nicht nichtberichtserstattenswerten Ereignissen unterschieden wird. […] Journalisten treffen diese Entscheidungen auf Basis persönlicher und sozialer Werthaltungen, beruflicher Normen sowie organisatorischer Zwänge. Die wichtigste Grundlage der Auswahlentscheidung bilden Ereignismerkmale, die Nachrichtenfaktoren. Aus ihnen kann der Nachrichtenwert bestimmt werden» (Scherer 2002, 690). «Dazu zählen u. a.: Frequenz, Eindeutigkeit, Bedeutsamkeit, Konsonanz, Überraschung, Kontinuität, Bezug auf Eliten, Personalisierung und Negativismus» (Jarren/Donges 2006, 224).

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sprachwissenschaftliche Interpretationen angewendet. Um diese Verknüpfung diskurslinguistisch vergleichender Analysen von Sprachpflege in Geschichte (cf. Kap. 3) und Gegenwart (cf. Kap. 4) mit einem transdisziplinären theoretischen Rahmen definitorisch zusammenzuführen, wird «Sprachpflege» im Folgenden als spezifische Erscheinungsform metasprachlichen Handelns i. S. eines öffentlichen Teil- und Handlungssystems verstanden, das von bestimmten Akteuren sprachideologisch fundiert und mit anderen Akteuren diskursiv ausgehandelt wird und dabei Einstellungen zu Sprache(n) und Sprechern generiert. Das Konzept metasprachlicher Öffentlichkeit hat demnach einen polymorphen Funktionsbereich mit einer objektalen (in Bezug auf Sprache, Sprecher, Sprachgebrauch), lokalen respektive medialen (in Bezug auf reale und virtuelle Orte, an denen über Sprache, Sprecher, Sprachgebrauch gesprochen wird), akteurszentrierten (in Bezug auf Sprecher über Sprache, Sprecher, Sprachgebrauch) und diskursiven Komponente (in Bezug auf die kontextabhängige Gesamtheit des Sprechens über Sprache, Sprecher, Sprachgebrauch).

Um das Verständnis von «metasprachlichen Diskursen» und «Sprachpflege» als gesellschaftliche Teilsysteme zu beschreiben, sei mit Gerhards/Neidhardt (1990) im Rückgriff auf die soziologische Systemtheorie Luhmanns (1977) der Aspekt funktionaler Differenzierung moderner Gesellschaften hinzugefügt:45 «Funktionale Differenzierung meint die Differenzierung einer Gesellschaft in verschiedenartige Teilsysteme, die jeweils eine andere Sinnorientierung und Struktur aufweisen und auf verschiedene Bezugsprobleme der Gesellschaft spezialisiert sind. […] sie sind autonom in dem Sinne, daß sich die Handlungen im System in erster Linie an den systemeigenen

45 «Functional differentiation selects communication processes around special functions to be fulfilled at the level of the society itself. Since all necessary functions have to be fulfilled and are interdependent, the society itself cannot give functional primacy to one of them; it has to use a second level of subsystem-building to institutionalize a primacy of specific functions for a special set of system/environment relations. Salient examples are the political function of providing for collectively binding decisions, the economic function of securing want satisfaction within enlarged time horizons, and the religious function of interpreting the incomprehensible. In these and in other cases, the differentiation begins very early as a differentiation of roles. It gains momentum only if at least two different roles organize their complementary expectations around a specific function-for example, clerics and laymen, politicians and the public, teachers and pupils. This also requires a differentiation of service-receiving roles. These roles are boundary roles in the sense that they have to transform non-political relevances into political ones (public), non-economic relevances into economic ones (customers), non-religious relevances into religious ones (laymen), and so on. Only if this condition can be fulfilled on a larger scale can functional communications become subsystems that orient their operations toward a specific common environment within the society. They may even resort to illogical dichotomizations (e.g., state versus society, church versus society, or economic interest versus social interest) to articulate their relations with an environment that includes all other subsystems» (Luhmann 1977, 35).

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Kriterien orientieren und nicht an der Rationalität anderer Systeme: Das, was Wissenschaft ist, entscheidet die Wissenschaft selbst […]. Die Ausdifferenzierung der spezifischen Sinnzusammenhänge kann auf unterschiedliche Weise stabilisiert werden. Ein Teil der Systeme hat einen eigenen Code entwickelt, der als Rahmen der Handlungsorientierung dient, andere haben als innere Struktur Organisationen herausgebildet, mit spezifischen Rollen – Leistungsrollen, die gleichsam die Sinnrationalität des jeweiligen Teilsystems vertreten» (cf. Gerhards/Neidhardt 1990, 7–8).

Sprachpflege als autonomes, historisch gewachsenes, in sich heterogenes System nationaler Prägung innerhalb eines überlagernden gesellschaftlichen Metasprachdiskurses, das je nach sprachideologischer Ausrichtung der sprachlich handelnden Akteursgruppen nochmals in Teildomänen bzw. Teildiskurse und Teilöffentlichkeiten unterteilt werden kann, erfüllt diese Kriterien. Darüber hinaus wird im Zuge der Digitalisierung eine funktionsgebundene Ausdifferenzierung von Sprachpflege als gesellschaftlichem Teilsystem angenommen, die jedoch anhand im Folgenden exemplarisch ausgewählter Datenmengen immer nur für Ausschnitte von «metasprachlicher Öffentlichkeit» betrachtet werden kann. Eine ähnliche Interpretationsvagheit ist für die damit verbundenen Grundsatzfragen zu konstatieren, d. h. ob und wie die Grenzen gesellschaftlicher Teilsysteme durch «digitale Öffentlichkeiten» auf ihren einzelnen Ebenen neu definiert werden, andere und/oder mehr Akteure an diesen teilhaben, neue Themen in den Diskurs aufgenommen werden und die kommunikative Partizipation durch moderne technische Möglichkeiten neu verteilt wird (cf. Kap. 2.2.3). Versteht man also «Öffentlichkeit» als diskursives System sprachlichen Handelns, d. h. «als ein spezifisches Kommunikationssystem, das sich gegenüber anderen Sozialsystemen abgrenzt», das «[…] sich auf der Basis des Austauschs von Informationen und Meinungen [konstituiert]» (Gerhards/Neidhardt 1990, 15) sowie fließende Grenzen und dementsprechend ein unabgeschlossenes Publikum hat, dann ist «Sprachpflege» ein Teil dieses Diskurssystems, das sich von anderen Systemen dadurch unterscheidet, dass sprachliches und metasprachliches Handeln eine Einheit bilden. Dabei kann für Sprachpflege als öffentliches Diskurssystem ebenso wie für andere öffentliche Systeme eine Strukturbildung angenommen werden, die sich wiederum im sprachlichen Handeln der Akteure und deren Positionierungsaktivitäten zum Gegenstand Sprache und gegenüber anderen Akteuren abbildet (cf. Kap. 4.1.2): «Wir gehen davon aus, daß öffentliche Kommunikationen sich im Rahmen öffentlichkeitsspezifischer Sinnorientierungen und auf allen Ebenen des Öffentlichkeitssystems nicht wahllos und zufällig vollziehen, sondern bestimmten mehr oder weniger stabilen sozialen Mustern folgen und insofern eine gewisse soziale Ordnung besitzen. Das gilt in mehrerlei Hinsicht. Jedes soziale System konstituiert sich mit Ordnungsversuchen auf mindestens

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drei Ebenen. Es müssen ständig Entscheidungen getroffen werden (1) darüber, wer und was dem System zugehören soll und was nicht, (2) darüber, wer (von denen, die dazugehören) was zu tun hat, und (3) darüber, wer wie viel gilt und was zu sagen hat. Auf diese Weise werden Grenzen zwischen System und Umwelt eingerichtet, Arbeitsteilung geregelt sowie Schichtung und Herrschaft etabliert» (Gerhards/Neidhardt 1990, 29).

Luhmanns funktionale Definition von «Politik» als Verhandlungs- und Bestimmungsinstanz kollektiv verbindlicher Entscheidungen (cf. 1977, 35) macht das politische Teilsystem sowohl zum Problemadressaten als auch zur Problemlöseinstanz, d. h. es verfügt als dirigierende und kompensierende soziale Größe über eine vergleichsweise einflussreiche und durchsetzungsstarke Position in der Gesellschaft, die es in seiner Wirkungsbreite deutlich von anderen Teilsystemen unterscheidet. Auf der Ebene eines gesamtgesellschaftlich geringeren Einflusses entspricht «Sprachpflege», ebenso wie andere Klassifikationen von Metasprachdiskursen (Sprachkultur, Sprachkritik und Sprachmanagement), derselben funktionalen Ausrichtung als entscheidungsorientierte Form von Sprachenpolitik i. w. S., d. h. als System der «[…] Steuerung bzw. Beeinflussung gesellschaftlicher Diskussionen mit dem Ziel die Deutungshoheit über sprachpolitische Realitäten, Wahrnehmungen, Wünsche, Ziele und Maßnahmen zu erlangen bzw. zu erhalten» (Marten 2016, 27, Fettdruck im Original).46 In diesem Verständnis ist «Sprachpflege» mit Lo Bianco (2005) nicht nur als Sprachplanung, sondern auch als Diskursplanung (discourse planning) zu verstehen, d. h. den handelnden Akteuren geht es nicht nur um die Steuerung von Sprache, sondern auch um die Steuerung des Sprechens über Sprache, wobei derartige persuasive und bisweilen auch propagandistische Absichten wiederum von Sprachideologien regiert werden, die Sprachpflege als Kommunikationssystem eine musterhafte Struktur verleihen:47 «Discourse has already been noted as the means for the negotiation and constitution of the problems, issues, and identities involved in the preceding domains of language planning. However, discourse is also planned to constitute new worlds via discursive practice. This kind of language planning is usually called rhetoric, propaganda, PC speech, or political talk, and it is ancient and universal. This type of discourse planning – namely,

46 Zur Unterscheidung von «Sprachpolitik» und «Sprachenpolitik» cf. u. a. Haarmann (1988, 1661); Ammon (2016, 638); Reutner (2015, 181). Die begriffliche Trennung wird im Folgenden nur dort angewendet, wo es klar erkennbar um «die Organisation des Verhältnisses verschiedener Sprachen zueinander» geht. «Sprachpolitik» wird in allen anderen Fällen als «Oberbegriff für alle Aktivitäten verwendet, die sich mit der (im weitesten Sinne) politischen Beschäftigung mit Sprache oder Sprachen auseinandersetzen» (Marten 2016, 16–17; Fettdruck im Original). 47 Zur begrifflichen Abgrenzung von «Sprachpflege» im deutschen und französischen Kontext cf. Kap. 3.2.1. Zu «Sprachideologien» als Regime von Metasprachdiskursen cf. Kap. 4.1.3.

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brainwashing – is characterized by little or no concern with linguistic form as an end in itself. Advertising, political language, and indeed all talk and writing with overt persuasive intention is examined within communication studies and more generally as part of attempts to uncover its connections with deception and the subverting of conscious individual action» (Lo Bianco 2005, 261).

Welche weiteren Faktoren strukturieren nun den Metasprachdiskurs als Teilsystem von Öffentlichkeit und wie unterscheidet sich dieses Teilsystem von anderen Systemen der öffentlichen Meinungsbildung wie z. B. der Politik? Ohne einen repräsentativen Vergleich anführen zu können, kann bis auf einige wenige Ausnahmen angenommen werden, dass der oben definierte Nachrichtenwert (cf. Scherer 2002, 690) von Meldungen zu sprachpflegerischen Initiativen, Themen und Entscheidungen grundsätzlich geringer ist als bei anderen tagesaktuellen Themen der allgemeinen politischen Berichterstattung, die wiederum sehr deutlich erkennbar von der Rolle des sich im Einzelfall äußernden Akteurs, der Brisanz des Themas und dem Grad seiner Kontroversität abhängt. So erreichen, um exemplarisch einen Kontrast zu den oben kommentierten Aussagen Emmanuel Macrons zum Status der französischen Sprache zu ziehen, ebenfalls außenpolitisch ausgerichtete Nachrichten international polarisierender politischer Akteure wie beispielsweise des ehemaligen US-amerikanischen Präsidenten Donald Trump auf Twitter Reaktionen in zigfacher Höhe. Der folgende Tweet Trumps am 28. 03. 2018 zum Beginn des Mauerbaus an der Südgrenze der USA erzielte 117.000 Likes, 32.000 Retweets und ebenso viele Kommentare: (1) Great briefing this afternoon on the start of the Southern Border WALL (Twitter Donald Trump, 28. 03. 2018).48 Ähnlich kontroverse und folglich öffentlich beachtete Beispiele liefert die deutsche Parteienlandschaft, wenn man z. B. die Reaktionszahlen einzelner Tweets von Politikern der Alternative für Deutschland (AfD) betrachtet: Unter einem Hashtag zum bevorstehenden Osterfest twitterte Alice Weidel: (2) Die Zukunftsaussichten für unser Land sind trübe, wenn nun bereits die kleinsten Zuwanderer ein Klima der Angst an unseren Schulen schaffen – hier muss zwingend gegengesteuert werden, um unsere Kinder und Lehrer zu schützen! #AfD #Ostern2018 #Ostern (Twitter Alice Weidel, 31. 03. 2018).

48 In allen nachfolgend aus dem Korpus und aus der konsultierten Primärliteratur zitierten Belegstellen (cf. Kap. 6.1) wurden Schreibung und Typographie des Originals übernommen.

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Diese Nachricht, ergänzt durch ein Foto der AfD-Politikerin und dem polemischen wie sprachlich aggressiven Slogan «Immer mehr Übergriffe durch Einwandererkinder! Der Hass auf Nichtmuslime kommt aus dem Elternhaus» (Twitter Alice Weidel, 31. 03. 2018) erhielt 1.850 Likes, wurde 740 Mal retweetet und durch 170 Kommentare beantwortet. Twitternachrichten der 1947 gegründeten Gesellschaft für deutsche Sprache (GfdS), gemäß eigener Satzung «[…] ein politisch unabhängiger Verein zur Pflege und Erforschung der deutschen Sprache» (GfdS 2019a) in überwiegend sprachberaterischer Tätigkeit, motivieren größtenteils – wie es auch für die OIF als vergleichbare Institution bereits nachgewiesen wurde – lediglich zu Reaktionen im einstelligen Bereich. Sprachratgeberfragen nach dem folgenden Muster wie z. B. Tweets zur Herkunft und Bedeutung von Redensarten erhalten unter zehn Likes, deutlich weniger Antworten (Retweets) und werden in den meisten Fällen überhaupt nicht kommentiert. (3) Was macht eigentlich der Hase, wenn er nicht an Ostern die Eier ausliefert? Manchmal liegt er im Pfeffer. Aber warum? (Twitter GfdS, 29. 03. 2018). Die Ursachen für die gesellschaftliche Dominanz politischer Fragen liegt deutlich auf der Hand und überrascht auch nicht: Politik regt als omnipräsentes öffentliches Tagesgeschäft konstant zu Diskussionen an, ist dabei i. d. R. mit inhaltlichen und personalen Kontroversen behaftet, agiert mit mal mehr und mal weniger emotionalen Argumenten und steht v. a. bei vielen Themen in direkter Verbindung mit dem Lebensalltag der Bürger, was Letztere zur Meinungsbildung und zu Reaktionen auf politische Aussagen und Entscheidungen bewegt. Auf diese Weise führt eine auf den ersten Blick unspektakuläre Meldung des französischen Präsidenten zum Pariser Stadtteil Saint-Denis, der in jüngster Vergangenheit v. a. mit negativen Konnotationen als «salafistisch-terroristische Szene» und «Rückzugsort der Pariser Attentäter» (ZEIT, 10. 12. 2015) in der Diskussion stand, zu einer überaus hohen Reaktionsquote mit über 5000 «Gefällt mir-Angaben», 1.600 Retweets und 463 Kommentaren auf Twitter an. Ebenso eine Gratulationsnachricht Macrons an den französischen Biathleten und Goldmedaillengewinner Martin Fourcade anlässlich seines Erfolgs bei den Olympischen Winterspielen 2018 in Pyeongchang, die 4.600 positive Rückmeldungen erhielt und über 900 Mal retweetet wurde: (4) Vous connaissez l’endroit, qui, en France, est le plus jeune, le plus cosmopolite, où on crée le plus d’entreprises, qui a un stade de niveau international, plusieurs aéroports internationaux ? C’est ça la Seine-Saint-Denis. Rencontre avec la génération #Paris2024 (Twitter Emmanuel Macron, 28. 02. 2018).

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(5) Au bout de l’effort et du suspense, @martinfkde nous fait vibrer et rêver une deuxième fois en offrant une nouvelle médaille d’or à la France. Une légende des Jeux Olympiques d’hiver et du #biathlon. #PyeongChang2018 @franceolympique (Twitter Emmanuel Macron, 18. 02. 2018). Metasprachdiskurse unter ihren verschiedenen, inhaltlich nuancierenden Etiketten wie «Sprachpolitik», «Sprachkritik», «Sprachpflege» oder «Sprachreflexion» verfügen zwar über ähnliche Merkmale, was kontroverse Inhalte und ideologisch-affektive Steuerungen des Diskurses anbelangt, haben aber einen insgesamt geringeren Stellenwert im öffentlichen Diskurs als andere Themen der öffentlichen Meinungsbildung, wobei die Sprachendiskussion in Frankreich historisch bedingt einen gesamtgesellschaftlich höheren Stellenwert hat als in Deutschland (cf. Kap. 3.3). Der politische Diskurs ist aber an dieser Stelle nicht nur eine diskursive Vergleichsebene, um den Einfluss und die Akzeptanz metasprachlicher Diskussionen in der Öffentlichkeit einzuordnen, sondern auch ein Beispiel, um zu zeigen, dass politische Akteure ihre Kommunikationsarenen auch zur Diskussion von Sprache in ihrer sozialen und identitätsbildenden Dimension nutzen, um Topoi nationaler Öffentlichkeit zu generieren. Ein Beispiel hierzu liefert ein Twitter-Kommentar der Jungen Union (JU Twitter, cf. 7), die ein Zitat des ehemaligen Bundesministers für Gesundheit, Hermann Gröhe, verwendet (cf. 6), um gegen den von der damaligen SPDGleichstellungsbeauftragten des Bundesfamilienministeriums, der Sprachwissenschaftlerin und Diplomübersetzerin Kristin Rose-Möhring, vorgebrachten Vorschlag zur geschlechtsneutralen Umformulierung der deutschen Nationalhymne zu argumentieren: (6) In meiner Muttersprache bleibt Deutschland mein Vaterland (Facebook Herrmann Gröhe, 04. 03. 2018)! (7) Die dritte Strophe des Deutschlandliedes steht für Stolz. Finger weg von unserer #Nationalhymne. Dichter schreiben die Texte, nicht Beamte (Twitter JU, 05. 03. 2018)! Auch verdeutlicht dieses Beispiel die weiter oben bereits erwähnte Schwierigkeit einer vereinfachten Darstellung von Öffentlichkeit i. S. einer Kommunikation zwischen einem Experten- und Laienpublikum als polar angeordnete Gruppen (cf. Kap. 2.1.1–2.1.3). Denn auch im vorliegenden Kontext bleibt unklar, welche Rolle (sozialdemokratische Politikerin, Sprachwissenschaftlerin, offizielle Gleichstellungsbeauftragte, Aktivistin für Frauenrechte) Kristin Rose-Möhring zum Vorbringen des Änderungsvorschlags des Liedtextes motiviert hat, wie diese Rollen interagieren und ihr sprachliches Handeln beeinflussen. Lediglich

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2 Metasprachdiskurse als öffentliche Systeme

die Rolle, in der das Anliegen geäußert wurde, ist eine eindeutig politische, jedoch gibt diese keinen Aufschluss darüber, ob andere Rollen nicht auch andere spracheinstellungs- und sprachideologiegebundene Aspekte (cf. Kap. 4.1.3) in den Kommunikationsprozess einbringen. Aus diesem Grund müssen gleichartige komplexe Konstellationen individueller Rollen für alle öffentlichen Akteure angenommen werden, auch wenn eine darunter bestimmte Rolle je nach Diskurs dominieren kann.49 Die Einordnung «metasprachlicher Öffentlichkeit» als Teilsystem sozialen Handelns und die daraus abgeleitete Definition von «Metasprachdiskursen» als autonome und selbstreflexive Systeme sprachlichen Handelns in Bezug auf Sprache münden in die abschließende Frage nach dem Bestehen von «Sinnrationalität» gesellschaftlicher Teilsysteme angesichts der Unabgeschlossenheit ihrer diskursiven Strukturen, die sich v. a. in digitalen Kommunikationsräumen manifestiert. Hierzu fassen Gerhards/Neidhardt (1990) zusammen: «Die Frage ist, wie sich bei relativer Offenheit des Systems ein stabiles Sinnmuster öffentlicher Kommunikationen entwickeln kann, wie die entstehende Komplexität reduziert werden kann, welche Sinnorientierung entsteht, die die Selektivität des Systems steuert. Die Sinnorientierung innerhalb des Systems ist wohl anders gelagert als Habermas idealtypisch voraussetzt: Es muß nicht Vernunft und es wird das nicht bessere Argument sein, die strukturbestimmend werden – mehr noch: das Kriterium ‹Vernunft› – wie immer gefaßt – verstellt in der Analyse wohl eher die eigentliche Leistung des Kommunikationssystems Öffentlichkeit» (Gerhards/Neidhardt 1990, 17).

Der erste Aspekt, der von den Autoren bei der Frage nach der Sinnrationalität von Teilsystemen in den Vordergrund gestellt wird, ist die Offenheit öffentlicher Systeme. Dieses Merkmal ist für die Beschreibung von Metasprachdiskursen besonders relevant, da es als Grund normativer Debatten darüber gelten kann, wie zugänglich die einzelnen metasprachlichen Teilsysteme sein dürfen und an welchen Stellen sie sich inhaltlich und argumentativ überschneiden bzw. entschieden voneinander in ihrem metasprachlichen Handeln abgrenzen. Um diese Frage nach der Offenheit des Systems und seiner Teilsysteme aus sprachwissenschaftlicher Perspektive aufzugreifen, wird auf Hoberg verwiesen, der in einer frühen Begriffsbestimmung den Kommunikationsbereich «Öffentlichkeit» als «[…] alles, was nicht Linguistik ist und was ‹Publizität› beanspruchen kann» (1997, 55) definiert.50 Angesichts des Strukturwandels von Gesellschaften und der Zunahme digitaler Kommunikationsprozesse hat sich diese hermetische Definition zunehmend aufgelöst und darüber hinaus scheint heute

49 Cf. hierzu auch die Diskussion der Dichotomie «Laie» vs. «Experte» in Kap. 3.3.7. 50 Für weitere Definitionen von «Öffentlichkeit» cf. Hoberg (2002) und Kap. 2; 3.1.

2.2 Digitale Öffentlichkeiten: Entgrenzung sozialer Gegensätze?

79

ein Verständnis von «Öffentlichkeit», in dem Linguistik als gänzlich isolierter Teil betrachtet wird, weder in theoretischer noch realitätsbezogener Hinsicht tragfähig. Denn die in der Definition nach Hoberg (1997) begriffene, dichotome Beziehung von Sprachwissenschaft und Öffentlichkeit «ist angesichts der medialen Präsenz der Wissenschaften (und auch der Linguistik) eine durchaus problematische Vorstellung» (Spitzmüller 2015, 320). Als solche wird sie v. a. in der germanistischen Linguistik im Zusammenhang mit der Frage nach der Realisierbarkeit eines gesellschaftlichen Wissenstransfers intensiv diskutiert (cf. auch Kap. 3.3.7): «Dass die Sprachwissenschaft in den letzten Jahren den Gegenstandsbereich ‹Wissenstransfer› für sich entdeckt hat, hat sicherlich auch damit zu tun, dass das Fach selbst an einem massiven Transferproblem zu leiden glaubt. Es will der Disziplin, so die mittlerweile zum Topos gewordene Klage, einfach nicht gelingen, ihre Erkenntnisse nach außen zu tragen, obwohl sich die Öffentlichkeit offensichtlich doch so stark für metasprachliche Fragen interessiere. Insbesondere bei den metasprachlichen Debatten, die über die Medien ausgetragen werden, fühlen sich die Fachvertreter zumeist nicht ernst genommen oder gar ausgegrenzt» (Spitzmüller 2009, 112–113).

Der zweite Aspekt, den Gerhards/Neidhardt (1990) hervorheben, ist die Frage, wie gesellschaftliche Systeme in Abhängigkeit von ihrer relativen Offenheit zusammenhalten und welche Auswirkungen die mit Blick auf die gesamtgesellschaftliche Kommunikation internen und externen Grenzen auf die Struktur des Diskurses haben. Welche Sprachideologien halten metasprachliche Diskurse in Zeiten digitaler Kommunikation und Wissensvermittlung zusammen? Wie erhält die sprachenbezogene Diskussion als umfassende und gleichzeitig offene Diskursform ihre Kohärenz? Wie lassen sich innerhalb dieser Kohärenz dennoch Abgrenzungen definieren, die eine Einteilung von Metasprachdiskursen in weitere Teildiskurse ermöglichen? Welche Funktionen kommen dabei der Rollenverteilung und Interaktion beteiligter Akteure zu? Wie werden Themen diskursiv verhandelt, gesetzt oder ausgeschlossen, wenn die öffentliche Sprachendiskussion nicht in allen Domänen dem Ideal folgt, dass «[…] alle Mitglieder einer Gesellschaft teilnehmen dürfen» (Gerhards/ Neidhardt 1990, 15)? Das Beispiel zur Änderung der deutschen Nationalhymne hat in diesem Zusammenhang deutlich gemacht, dass nicht alle Meinungen auf Akzeptanz stoßen und auch nicht alle Einstellungen kommunikabel sind. Welche (sprachlichen) Verfahren treten bei solchen Verhandlungsdiskursen in den Vordergrund? Handelt es sich um demokratische Prozesse, erfolgt ein argumentativer Rückgriff auf traditionelle Werte? Wie sind diskursprägende Einstellungen zu Sprache(n) und Sprechern determiniert (cf. Kap. 4.3)? Vor dem Hintergrund dieser Fragen wird die unten zusammengestellte Merkmalsübersicht zu den Funktionen «moderner Öffentlichkeit» (cf. Gerhards/

80

2 Metasprachdiskurse als öffentliche Systeme

Neidhardt 1990) auf Sprachpflege als Diskurssystem «metasprachlicher Öffentlichkeit» übertragen. Dieser definitorische Vergleich dient der abschließenden Kontextualisierung von «Metasprachdiskursen» als Schnittstelle sozial-, kommunikations- und medienwissenschaftlicher Ansätze in Ergänzung zu sprachhistorischen und diskurslinguistischen Forschungsinteressen, die im Zentrum dieser Arbeit stehen (cf. Kap. 3–4). Die folgende Abbildung (cf. Abb. 2) fasst hierzu die systemische Interpretation von «moderner Öffentlichkeit» unter besonderer Berücksichtigung der Offenheit gesellschaftlicher Kommunikationsprozesse im digitalen Kontext zusammen: 1. Sprachpflege ist in ihrem Ursprung problemorientiert. 2. Sprachpflege ist autonom, in dem Sinne, dass sich ihr Handeln an eigenen Kriterien orientiert. 3. Sprachpflege verfügt über einen eigenen Code, der als Orientierungsrahmen für intrasystematisches Handeln dient. 4. Die innere Organisation der Sprachpflege kann auf einer spezifischen Rollenverteilung basieren, die in der Komplementarität von «Leistungs- bzw. Expertenrollen» auf der einen und «Klientelrollen» bzw. des «jeweiligen Publikums» auf der anderen Seite sichtbar werden kann und in der sich ein spezifischer gesellschaftlicher Bedarf widerspiegelt. 5. Sprachpflege ist auf die Herstellung kollektiv verbindlicher Entscheidungen spezialisiert. 6. Sprachpflege kann zugleich «Problemadressat» (Input) und «Steuerungsakteur» (Output) sein.51 In Abb. 2 ist dieses funktionale Strukturverständnis von Sprachpflege als Mikrosystem innerhalb des Metasprachdiskurses als Makrosystem veranschaulicht. Der Metasprachdiskurs stellt wiederum einen Teildiskurs des öffentlichen Diskurses dar, der in die kommunikativen Bedingungen der modernen Medien-

51 In der politischen Theorie und Praxis legitimiert sich der problemlösungsorientierte Output der Steuerungsakteure durch den historisch gewachsenen, mehrheitlich anerkannten Demokratie-Anspruch der Gesamtgesellschaft und somit «[…] durch Bindung der Entscheidungsträger an die Meinungen und Wünsche der Bürger. Das politische System soll von ‹unten›, vom Bürger, kontrolliert werden. Die Interessen der Allgemeinheit sollen von der Politik wahrgenommen, operationalisiert und durchgesetzt werden» (Gerhards/Neidhardt 1990, 9). Wie die Akteure des sprachpflegerischen Teilsystems das «Kommunikationssystem Öffentlichkeit» und seine «intermediäre Funktion der Aufnahme, Verbreitung und Artikulation von Informationen, Meinungen und Interessen» (Gerhards/Neidhardt 1990, 9) nutzen und welcher Legitimationsansprüche sich dieses besondere gesellschaftliche Teilsystem bedient, klärt die sprachliche Analyse historischer und aktueller Positionen der Sprachpflege (cf. Kap. 3–4).

2.2 Digitale Öffentlichkeiten: Entgrenzung sozialer Gegensätze?

81

Mediengesellschaft

Öffentlicher Diskurs

Metasprachdiskurs

Politischer Diskurs

Abb. 2: Öffentlichkeit als Diskurssystem moderner Mediengesellschaften.

gesellschaft eingebettet ist.52 Das Modell ist für jede Gesellschaft in Abhängigkeit von den jeweils staatlich-nationalen Spezifika individuell anzupassen. Für Deutschland und Frankreich als europäische Industrienationen werden im Folgenden vergleichbare soziale Strukturen sowie kommunikative Domänen und Settings im Rahmen ähnlicher mediengesellschaftlicher Grundkonstellationen angenommen (cf. Kap. 2.2.3). Für die Interpretation des Modells entscheidend ist die oben getroffene Annahme einer in beiden Sprachgemeinschaften respektive Diskursgemeinschaften durch den gesellschaftlichen und insbesondere den medialen Strukturwandel bedingten Permeabilität von Diskursen, die im Vergleich zu vertikalen Gesellschafts- und Diskursstrukturen eine intra- und interdiskursive Kommunikation und Interaktion ermöglicht, aber nicht garantiert (cf. gestrichelte Linien).53 52 Ähnliche Kreismodelle zur Strukturierung von Metasprachdiskursen als Mikro- und Makrosysteme sozialer Praxis wurden auch von Spitzmüller (2005, 53) und Dorostkar/Flubacher (2010, 140) vorgeschlagen. 53 Zur Entstehung von «Diskursvertikalität» als historischem Phänomen der Sprachreflexion cf. insb. die Analysen zum siècle classique in Kap. 3.3.4.

82

2 Metasprachdiskurse als öffentliche Systeme

Dabei stellt sich für die folgenden Kapitel erstens die Frage, welche Themen und Akteure sukzessive durch die gesellschaftliche und mediale Entgrenzung des Metasprachdiskurses sprachhistorisch in Erscheinung treten und inwiefern diese zu einer Erweiterung und/oder Veränderung historisch verankerter Diskursstrukturen beigetragen haben (cf. Kap. 3). Die zweite, daran anschließende Forschungsfrage fokussiert auf den synchronen Vergleich von Sprachideologien und Spracheinstellungen im deutschen und französischen Sprachpflegediskurs, die aus der diskursgeschichtlichen Entwicklung hervorgegangen sind (cf. Kap. 4): Welche inhaltlichen und sprachlichen Gemeinsamkeiten und Unterschiede können in der Diskursstruktur aufgedeckt werden und inwiefern sind heute, im Zeitalter massenmedialer und transkultureller Kommunikation, historische und kulturspezifische Merkmale von Diskursen noch erkennbar (cf. Gerhards/Neidhardt 1990, 7; Hepp 2014, 63–80)? Die auf Sprachpflege als diskursives Mikrosystem übertragenen Funktionsmerkmale «moderner Öffentlichkeit» bilden hierbei einen sozialwissenschaftlichen Ausgangspunkt und Rahmen für eine sprachvergleichende Diskursanalyse, die im Folgenden auf die Beschreibung metasprachlichen Handelns in verschiedenen zeitlichen und medialen Räumen abzielt. Einige allgemeine Überlegungen zu den aktuellen Strukturen medialer Kommunikationskontexte stellt das folgende Kapitel bereit.

2.2.3 Digitaler Strukturwandel – Deutschland und Frankreich im Vergleich Um den aktuellen Status digitaler Medien,54 die Entwicklung ihrer gesellschaftlichen Nutzung und technischen Ausdifferenzierung zahlenmäßig zu umrahmen, sollen zum Abschluss dieses Kapitels in kontrastiver Perspektive ausgewählte statistische Angaben für Deutschland und Frankreich resümiert und an konkreten Beispielen aus Kommunikationsbereichen der Sprachpflege verdeutlicht werden.55 Da die Analyse dieser Arbeit sich im Bereich digitaler Medien

54 Die statistischen Berichte, auf denen dieses Kapitel größtenteils beruht, sind im Literaturverzeichnis als gesonderter Punkt der Forschungs- und Sekundärliteratur aufgeführt (cf. Kap. 6.3). 55 Allgemeine Bemerkung: Bei den folgenden statistischen Vergleichen Deutschlands und Frankreichs muss z. T. eine eingeschränkte Repräsentativität angenommen werden, da die genauen Parameter und Bedingungen der einzelnen Erhebungen nicht immer im Detail nachvollzogen werden können. So ist z. B. in den französischen Statistiken nicht immer offenkundig, ob Mehrfachnennungen durch die Probanden möglich waren (cf. Abb. 5). Die Gesamtzahl befragter Personen unterscheidet sich prinzipiell durch das erfasste Mindestalter, das in Deutschland 10 Jahre (cf. Tab. 4) und in Frankreich i. d. R. 15 Jahre (cf. Abb. 4; Tab. 5) beträgt.

2.2 Digitale Öffentlichkeiten: Entgrenzung sozialer Gegensätze?

83

ausschließlich mit Daten aus dem Internet befassen wird (cf. Kap. 4.1.4) werden etwaige Angaben zum Ausstattungsgrad privater Haushalte mit TV-Anschlüssen und Unterhaltungselektronik (DVD- oder Blu-ray-Gerät, MP3-Player, Spielkonsolen) an dieser Stelle ausgeschlossen und lediglich die Nutzung von PC und Internetanschlüssen betrachtet. Dabei werden für Deutschland zunächst überblicksartig die Zahlen des Jahresberichtes des Statistischen Bundesamtes für private Haushalte aus dem Jahr 2016 herangezogen, in dem Einkommen, Ausgaben und Ausstattung unterschiedlicher Haushaltsgruppen verglichen werden.56 Zur Ausstattung zählt dabei der Gebrauch traditioneller und neuer technischer Gebrauchsgüter (Behrends et al. 2016, 151–168). Hinsichtlich der Nutzung eines fest installierten und/oder portablen Internetanschlusses kann zunächst für Deutschland hervorgehoben werden, dass sich seit 2007 die Ausstattung mit mobilen Endgeräten parallel zur Zahl der Internetanschlüsse positiv steigend entwickelt hat (cf. Abb. 3). Abgesehen von der Anzahl stationärer PC geht aus der folgenden Graphik auch hervor, dass die Ausstattung privater Haushalte mit sog. Gütern der Informations- und Kommunikationstechnologie in Deutschland in den vergangenen zehn Jahren insgesamt deutlich zugenommen hat. Dabei lag im zeitlichen Rückblick Anfang 2015 «[e]ine große Dynamik in der Haushaltsausstattung mit PC. In 88% der privaten Haushalte stand Anfang 2015 mindestens ein PC, zehn Jahre zuvor war dies in 69% der Haushalte der Fall. Mit mobilen Computern (Laptop/Notebook, Netbook, Tablet) waren Anfang 2005 erst 17% der Haushalte ausgestattet, während in 63% der Haushalte stationäre Computer standen. Dieses Verhältnis hat sich Anfang 2015 zugunsten der mobilen Geräte verändert: Jetzt besaßen 74% der Haushalte mobile PC und nur noch 51% stationäre Computer» (Behrends et al. 2016, 161).

In einer weiteren Umfrage des Statistischen Bundeamtes für 2016, die nicht die privaten Haushalte als Datenerfassungsgrundlage wählt, wird angegeben, dass

Auch konnten die Zahlen nicht immer für denselben Untersuchungsgegenstand zusammengetragen werden (cf. Abb. 5; Tab. 5). 56 «Als Privathaushalt gelten Personen, die zusammen wohnen und wirtschaften, die in der Regel ihren Lebensunterhalt gemeinsam finanzieren beziehungsweise die Ausgaben für den Haushalt teilen. Zu einem Privathaushalt gehören auch die vorübergehend abwesenden Personen, zum Bespiel Berufspendler, Studierende, Auszubildende, Personen im Krankenhaus und Urlaub. Entscheidend ist, dass die Abwesenheit nur vorübergehend ist und die Person normalerweise im Haushalt wohnt und lebt beziehungsweise mit ihrem ersten Wohnsitz an der Adresse des Haushaltes gemeldet ist. Personen, die in einem Haushalt nur für sich selbst wirtschaften (Alleinlebende oder Wohngemeinschaften ohne gemeinsame Haushaltsführung) gelten als eigenständige Privathaushalte. Untermieter, Gäste und Hausangestellte gehören nicht zum Haushalt» (Behrends et al. 2016, 152).

84

2 Metasprachdiskurse als öffentliche Systeme

100 90 80 PC insgesamt

70

PC mobil (Laptop/Notebook, Netbook, Tablet)

60 50

PC stationär

40 Internetanschluss

30 20 10 0 2005 2006 2007 2009 2010 2011

2012 2014 2015

Abb. 3: Ausstattungsgrad privater Haushalte mit PC und Internetanschluss (Angaben in %, eigene Darstellung nach Behrends et al. 2016, 161).

81% der insgesamt umgerechnet 62 Millionen Internetnutzer in Deutschland Handys oder Smartphones verwenden, um ins Internet zu gehen. Dabei ergibt sich weiterhin in Bezug auf die Aktivitäten bei der mobilen Internetnutzung folgendes Bild: «62% der Internetnutzerinnen und -nutzer des ersten Quartals 2016 schauten online Videos von Sharing-Diensten wie z. B. YouTube. Etwa jeder Zweite (47%) hörte Musik über Internetradio oder Online-Streaming-Dienste und 39% sahen sich im Netz TV-Streams an (live oder zeitversetzt)» (Destatis PM 230 2016). Bei der Verwendung mobiler Endgeräte kann für Frankreich, wo seit 2007 ebenfalls ein deutlicher Anstieg in der Nutzung neuer technischer Geräte wie Smartphone, Notebook und Tablet verzeichnet wird, eine ähnliche Tendenz bestätigt werden: «L’internet mobile confirme sa percée. Dans leur grande majorité, les utilisateurs accèdent à la toile à partir de leur micro-ordinateur. Mais depuis quelques années, de nouveaux supports (smartphone, netbook, tablette, lecteur MP3, livre électronique, etc.) se sont développés et permettent d’accéder à Internet en dehors de chez soi ou de son lieu de travail. L’internet mobile […] s’est ainsi fortement développé durant ces cinq dernières années. Près de 40% des personnes l’utilisent en 2012 contre seulement 10% en 2007 […]» (Gombault 2013, 3).

Eine aktuelle und mit dem Ausstattungsgrad in Deutschland (cf. Abb. 3) vergleichbare Umfrage des Institut national de la statistique et des études économiques (INSEE) zu den Technologies de l’information et de la communication (TIC)

2.2 Digitale Öffentlichkeiten: Entgrenzung sozialer Gegensätze?

85

bestätigt diese Entwicklung in den französischen Haushalten für die Jahre 2008–2016:57 «En 2016, 79% des personnes résidant en France ont utilisé Internet au cours des trois derniers mois, contre seulement 63% en 2008. Les plus âgés rattrapent leur retard; 51% des 60 ans et plus sont utilisateurs contre 24% d’entre eux en 2008. Les pratiques se développent et se diversifient et, parmi elles, les achats et ventes en ligne sont de plus en plus prisés. Le développement accéléré de l’internet mobile accompagne ces évolutions: en 2016, plus d’une personne sur deux résidant en France a déjà navigué sur Internet en dehors de chez elle, via un ordinateur portable, un téléphone portable, une tablette ou un autre appareil mobile; elles n’étaient que 12% sept ans auparavant» (Mordier 2017, o. S.).

Wie bereits oben im Kontext privater Haushalte für Deutschland konstatiert, lässt sich somit im zeitlichen Rückblick auch eine konstant steigende Gesamtzahl der französischen Internetnutzer feststellen. Die folgende Graphik (cf. Abb. 4) illustriert dabei im Vergleich auch den rasanten Anstieg des mobilen Internets in Frankreich und hält fest, dass sich die Nutzung prozentual gesehen bereits in den Jahren 2007–2012 vervierfacht hatte und dann in den drei darauffolgenden Jahren erneut weiter angestiegen ist: 90 80 70

Connexion à Internet au cours des trois derniers mois

60 50

Connexion à l'Internet mobile au cours des trois derniers mois

40 30 20 10 0 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016

Abb. 4: Anzahl französischer Internetnutzer (Alter 15 Jahre und älter, Angaben in Prozent, eigene Darstellung nach Mordier 2017).

Im altersmäßigen Vergleich der Nutzer beider Länder – für Deutschland wurde in der zitierten Graphik des statistischen Bundesamtes das Alter der Haupteinkommensperson als Richtwert festgesetzt (cf. Abb. 3) – ergibt sich für die Al-

57 In der Umfrage wurden das metropolitane Frankreich und die Übersee-Départements (DOM) außer Mayotte erfasst (cf. Mordier 2017).

86

2 Metasprachdiskurse als öffentliche Systeme

tersklassen der 55–64-Jährigen (90,1%), der 65–69-Jährigen (ca. 85%) und selbst der 70–79-Jährigen (70,4%) (cf. Behrends 2016, 163) ein im Vergleich zu Frankreich höherer Wert:58 Auch wenn sich wie oben zitiert seit 2008 die Zahl der über 60 Jahre alten Franzosen mit Internetzugang ungefähr verdoppelt hat, so sind mit im Durchschnitt 51% insgesamt deutlich weniger Nutzer als im Nachbarland zu verzeichnen (cf. Mordier 2017). Eine nähere Betrachtung der für die mobile und stationäre Internetnutzung erfassten Aktivitäten der Nachbarländer zeigt in einem weiteren Schritt, dass 2015 in Deutschland von insgesamt ca. 60 Millionen Internetnutzern die größte Aktivitätsspanne im Bereich des Versands und Empfangs von E-Mails (90,6%), der Informationssuche über Waren und Dienstleistungen (89,2%) und des Lesens von Nachrichten und Zeitungen (69,3%) liegt (cf. Deckl 2016, 162): Tab. 4: Internetaktivitäten in Deutschland 2015 (Alter: 10 Jahre und älter, eigene Darstellung nach Deckl 2016, 162). Internetnutzer/ -innen insgesamt

Versand/ Empfang von E-Mails

Teilnahme an sozialen Netzwerken

Suche nach Informationen über Waren und Dienstleistungen

Lesen von Internet- Buchung NachBanking von Reiserichten/ dienstleisZeitungen tungen

in 1000

in %

insgesamt

59.795

90,6

64,3

89,2

96,3

53,8

62,8

10–24 Jahre

11.922

82,2

87,3

76,6

52,1

24,7

36,7

25–54 Jahre

31.915

94,2

69,9

94,5

77,0

67,9

69,9

55 und älter

15.958

90,0

35,9

88,1

66,9

47,0

67,9

Gleich dieser Verteilung für Deutschland (cf. Tab. 4) entfällt auch in Frankreich für den Erhebungszeitrum 2007–2012 die am häufigsten genannte Nutzungsaktivität mit 66% auf die Kategorie des Versands und Empfangs von E-Mails (cf. Abb. 5). Ein zentraler Unterschied in der Tätigkeitsgewichtung besteht aller-

58 «Als Haupteinkommensperson gilt grundsätzlich die Person ab 18 Jahren mit dem höchsten Beitrag zum Haushaltsnettoeinkommen» (Behrends et al. 2016, 163).

87

2.2 Digitale Öffentlichkeiten: Entgrenzung sozialer Gegensätze?

Envoyer ou recevoir des e-mails Accéder à son compte bancaire Rechercher des infromations sur la santé Acheter des biens ou services sur internet Organiser ses vacances Jouer ou télécharger des jeux, des images, de la vidéo, de la musique

2012 2007

Participation à des réseaux sociaux Lire ou télécharger des journaux ou magazines Vendre aux enchères Télécharger des logiciels (autre que jeux) Rechercher un emploi 0

10

20

30

40

50

60

70

80

Abb. 5: Internetaktivitäten in Frankreich 2007 und 2012 (Alter 15 Jahre und älter, Angaben in Prozent, eigene Darstellung nach Gombault 2013, 3).

dings im Bereich des Lesens von Zeitungen, dem die französischen Nutzer mit ca. 30% der Befragten einen deutlich geringeren Stellenwert zukommen lassen als in Deutschland (cf. Tab. 4: 96,3%): «Entre 2007 et 2012, la plupart des services disponibles sur Internet sont de plus en plus utilisés. La vente d’objets aux enchères (26% en 2012 contre 6% en 2007) et les achats de biens et services (39% en 2012 contre 23% en 2007) font partie des activités qui ont le plus progressé […]. La gestion des comptes bancaires sur la toile est également de plus en plus utilisée: près de la moitié de la population de 15 ans ou plus en 2012, contre moins du tiers en 2007. Mais l’activité la plus répandue reste les e-mails (2 personnes sur 3), dont la progression se poursuit ces cinq dernières années. À l’inverse, la création d’un site web ou de blog (6%) ou les jeux en réseaux (10%) restent peu pratiqués. Les usages d’Internet sont assez proches entre les hommes et les femmes. Les hommes font cependant plus de téléchargements alors que les femmes recherchent plus souvent des informations sur la santé. La communication via des messageries instantanées ou des forums de discussion est surtout pratiquée par les jeunes de moins de 30 ans, qui sont également très friands de téléchargements de logiciels ou de jeux en réseaux» (Gombault 2013, 2–3).

Bei einer genaueren Betrachtung einzelner Aktivitäten sind darüber hinaus auch deutliche altersbedingte Effekte zu beobachten. Vor dem Hintergrund der für den analytischen Teil dieser Arbeit getroffenen Korpuswahl, die sich auf Diskussionsforen und soziale Netzwerke beschränkt (cf. Kap. 4.1.4), fällt zunächst auf, dass die Nutzung sozialer Netzwerke in der Gesamtschau zurzeit sowohl in Deutschland (64,3%) und noch mehr in Frankreich (ca. 30%) einen

88

2 Metasprachdiskurse als öffentliche Systeme

geringeren Stellenwert einnimmt als andere Online-Tätigkeiten. Dabei stellt in Deutschland die jüngste Nutzergruppe der 10–24-Jährigen mit 87,3% den altersmäßig stärksten Anteil (cf. Tab. 4). Für Frankreich konnten für den Altersvergleich lediglich die Zahlen für die Nutzungsaktivitäten des mobilen Internets herangezogen werden (cf. Tab. 5). Diese belegen zum einen, dass ebenfalls die jüngste erfasste Altersgruppe der 15–29-Jährigen mit 70,9% am häufigsten soziale Netzwerke nutzt, zum anderen zeigt die folgende Übersicht auch, dass entgegen der oben angeführten Gesamtnutzungsübersicht (cf. Abb. 5), die Wahl der Online-Aktivitäten mit der Art des Internetzugangs (mobil vs. stationär) in Zusammenhang steht. So ist bei mobiler Internetnutzung die Teilnahme an sozialen Netzwerken im Durchschnitt die zweithäufigste Aktivität aller Altersklassen:

Tab. 5: Nutzungsaktivitäten des mobilen Internets in Frankreich (Angaben in Prozent, eigene Darstellung, gekürzt und adaptiert nach Gombault 2013, 4). Envoyer et recevoir des e-mails

Lire et télécharger des journaux ou des magazines

Lire ou télécharger des livres éléctroniques

Jouer ou télécharger des jeux, des images, de la vidéo ou de la musique

Utiliser un service de podcast pour recevoir automatiquement des fichiers audio ou vidéo

Participer à des réseaux sociaux via la création d’un profil et l’envoi de messages

Ensemble

69,0

30,8

5,6

39,5

 9,2

49,7

Homme

70,5

33,6

7,4

42,4

12,0

44,7

Femme

67,2

27,3

3,3

35,9

 5,8

55,9

15–29 ans

59,9

29,4

4,8

52,5

 9,5

70,9

30–44 ans

74,6

33,9

6,0

35,5

 9,9

41,7

45–59 ans

75,7

28,4

6,5

24,4

 8,4

26,5

60 ans ou plus

80,9

29,3

5,3

13,6

 4,7

12,3

Ebenfalls in Vorausschau auf die Korpusanalyse erwähnenswert ist die Tatsache, dass in den für beide Länder konsultierten Statistiken keine Angaben zur Nutzung von Chats und Diskussionsforen als gesonderten Kommunikationsfor-

2.2 Digitale Öffentlichkeiten: Entgrenzung sozialer Gegensätze?

89

men bzw. Nutzungsaktivitäten erfolgen. Aus einer Pilotstudie des Statistischen Bundesamtes zur Informationstechnologie in Haushalten aus dem Jahr 2004 geht hierzu die folgende Erklärung hervor, die ebenfalls mit dem Alter der Nutzer in Verbindung steht: «Insbesondere das Chatten und der Besuch von Foren sowie das Abspielen und Herunterladen von Spielen und Musik wird überwiegend von jüngeren Leuten betrieben: Unter den Internet-Nutzenden im Alter von 10 bis 24 Jahren taten dies immerhin 48% beziehungsweise 45%. Diese Altersgruppe, in der die meisten Schüler/-innen und Studierenden zu finden sind, weist mit 56% den höchsten Anteil der Nutzung des Internets für Schul- und Hochschulausbildung auf. Die Älteren ab 55 Jahre sind mit Blick auf diese Aktivität hingegen zu vernachlässigen» (Kahle/Schäfer/Timm 2004, 29).

Einige Jahre später wird diese Gewichtung in einer ähnlichen Erhebung zum Einsatz von Computer und Internet in privaten Haushalten in Deutschland von Czajka/Jechová (2012) hinsichtlich der allgemeinen Nutzerverteilung und des Alters unter Einbezug der sozialen Stellung der Probanden nochmals bestätigt (cf. Tab. 6): «Die erfragten Tätigkeiten sprachen offensichtlich vor allem die jüngere Generation an. Die Analyse nach der sozialen Stellung zeigt, dass Schüler/-innen und Studierende mit Abstand am häufigsten diverse Tätigkeiten im Internet ausüben. Während bei der Nutzung von Suchmaschinen oder dem E-Mailen alle Gruppen hohe Anteile aufwiesen, nutzten vier von fünf der Schüler/-innen und Studierenden Diskussionsforen (82%) und jede(r) zweite hatte schon Unterhaltungsinhalte auf Webseiten hochgeladen (54%)» (Czajka/Jechová 2012, 423).

Tab. 6: Tätigkeitsverteilung bei der Internetnutzung in Deutschland (2011, eigene und gekürzte Darstellung nach Czajka/Jechová 2012, 422). Personen insgesamt (ab 16 Jahren)

Erwerbstätige59

Arbeitslose

Schüler und Studierende

Rentner und andere nichterwerbstätige Personen60

erfasste Personen (Anzahl)

16.716

 9.859

 883

1.803

 4.172

hochgerechnete

53.928

35.785

2.909

4.382

10.852

59 «Einschließlich mithelfender Familienangehöriger» (Czajka/Jechová 2012, 422). 60 «Hausfrau/-mann, Grundwehrdienstleistender, Zivildienstleistender, Person im freiwilligen sozialen Jahr» (Czajka/Jechová 2012, 422).

90

2 Metasprachdiskurse als öffentliche Systeme

Tab. 6 (fortgesetzt) Personen insgesamt (ab 16 Jahren)

Erwerbstätige59

Arbeitslose

Schüler und Studierende

Rentner und andere nichterwerbstätige Personen60

Nutzung*61 einer Suchmaschine

   95

   96

  91

  99

   89

E-Mail mit Anhang versendet

   83

   86

  75

  93

   73

Chatrooms, Newsgroups oder andere Foren

   36

   36

  41

  82

   16

Website erstellt

   10

   11

 (12)

  18

    5

Textdateien, Spiele, Bilder, Filme oder Musik auf Webseiten hochgeladen

   35

   37

  36

  54

   23

Personen (1000)

Diese Ergebnisse werden durch die statistischen Befunde der ARD/ZDF-Onlinestudie (Busemann/Gscheidle 2009, 2012) bestätigt,62 jedoch auch hinsichtlich innovativer Einflüsse des medialen Wandels relativiert. So geht z. B. aus der Onlinestudie 2009 hervor, dass in Deutschland 25% der Online-Nutzer ab 14 Jahren an Gesprächsforen bzw. Newsgroups teilnehmen oder chatten, darunter die 14–19-Jährigen als stärkste Alters- und Nutzergruppe mit 76% (cf. Busemann/Gscheidle 2009, 357). Das Wahrnehmen dieser Angebotsformen begrün-

61 *Angaben ab hier in %. 62 Die Online-Studie wird seit 1997 jährlich von der ARD durchgeführt. Ein Jahr darauf stieß das ZDF dazu. Nach eigenen Angaben der Rundfunkanstalten, verfolgt die Umfrage das primäre Ziel, «[…] jährlich aktualisierte Daten zur Internetnutzung in Deutschland [zu] erh[e]ben und [zu] publizier[en]. Damit ist die ARD/ZDF-Onlinestudie eine der ältesten kontinuierlichen Bevölkerungsstudien zur Internetnutzung überhaupt» (Koch/Frees 2017, 434).

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den weiter Busemann/Gscheidle (2009) mit dem Potenzial für die Nutzung von Web 2.0-Angeboten, das v. a. bei jungen Menschen vorhanden ist: «Die besondere Rolle, die der Kommunikationsaspekt beim Surfen im Netz einnimmt, wird deutlich beim Blick auf die Verteilung der im Internet verbrachten Zeit. 39 Prozent des Onlinezeitbudgets wenden Deutschlands Onliner für Kommunikatives auf, das heißt für Mailen, Chatten, Bloggen und vieles mehr […]. Bei den Teenagern liegt der Kommunikationsanteil mit 46 Prozent noch höher und weit vor anderen – nicht gänzlich trennscharfen – Onlineaktivitäten wie Spielen, Shoppen, Informationsbeschaffung oder Unterhaltung im Netz. Kommunikation ist damit eine zentrale Säule des Onlinemediums. Beim Web 2.0 geht es um Partizipation, Vernetzung und Austausch – darum, sich auf speziellen Plattformen aktiv einzubringen und eigene Inhalte beizusteuern. Diese Beisteuerung wird als ‹user-generated› bezeichnet. Getragen wird die Web-2.0-Idee von den Teenagern und Twens mit 20 Prozent sehr hohem Teilnahmeinteresse, während sich der Großteil der Onliner weiterhin zurückhaltend gegenüber dem Bereitstellen eigener Inhalte im Netz zeigt. Unter den 30- bis 49-Jährigen bezeichnet sich gerade einmal jeder Zehnte als sehr interessiert daran, jenseits der Altersgrenze von 50 Jahren geht die Bereitschaft noch weiter zurück» (Busemann/Gscheidle 2009, 357).

Dass die Einstellungen der Nutzer durch die schnelllebigen Entwicklungen des digitalen Fortschritts ständig neuen technisch-medialen Einflüssen ausgesetzt sind und sich folglich an diese neuen Angebote adaptieren, belegt eine Folgestudie aus dem Jahr 2012, die zwar erneut bestätigt, dass sich mit dem Web 2.0 die Habitualisierung der sog. Social Communitys verfestigt hat, sich gleichzeitig jedoch durch den Börseneinstieg des Unternehmens Facebook im Mai 2012 eine Verschiebung der Nutzung sozialer Gruppen zugunsten des gleichnamigen sozialen Netzwerkes eingestellt hat: «Wie bereits die Ergebnisse der ARD/ZDF-Onlinestudie 2011 sowie die Ergebnisse einer Ende des letzten Jahres vom ZDF mit dem Marktforschungsinstitut Phaydon durchgeführten Studie zur Communitynutzung in Deutschland zeigten, heißt ‹Communitys nutzen› inzwischen in erster Linie ‹Facebook nutzen›. Facebook ist mit insgesamt 19,77 Millionen Nutzern unter den Onlinern ab 14 Jahren, das sind 81 Prozent aller Communitynutzer […], die mit deutlichem Abstand am meisten genutzte Community. […] Die Ergebnisse einer qualitativen Studie des ZDF zur Nutzung von Communitys […] bestätigen dieses Bild: Facebook gilt als Community, die nahezu alle Lebensbereiche, Personen- und Altersgruppen anspricht, und wird – auch aufgrund der internationalen Präsenz – als ‹Tor zur Welt› wahrgenommen […]» (Busemann/Gscheidle 2012, 380).

Bis heute hat Facebook in Deutschland diese Stellung als bedeutendste Plattform im Rahmen bestehender Social Media-Angebote ausgebaut: «Seit vielen Jahren ist Facebook die bekannteste und meist genutzte Netzwerkplattform, die nach eigenen Angaben allein in Deutschland etwa 30 Millionen aktive Nutzer hat. Weltweit wurde im Juni 2017 gar die Marke von zwei Milliarden Nutzern überschritten.

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Daneben existieren weitere, allerdings weniger stark verbreitete Netzwerkplattformen wie Google+ oder die auf berufliche Kontaktpflege spezialisierten Angebote XING und LinkedIn» (Schmidt 2018, 12).

Hinsichtlich der Merkmale und Funktionen des Netzwerkes weist Wiesinger (2016) darauf hin, dass Facebook nicht nur ein beliebter Kommunikationsraum für Privatpersonen ist, die das soziale Netzwerk «hauptsächlich zur digitalen Selbstdarstellung und zum wechselseitigen Austausch» nutzen, sondern dass es einen einflussreichen Multiplikator für die «[…] Bewerbung von Medienmarken und d[ie] Verbreitung ihrer Inhalte dar[stellt]». «Im Vordergrund steht das Motiv, redaktionelle Inhalte im Netzwerk zu bewerben, nach Möglichkeit weiterzuverarbeiten und die Nutzer(innen) für die Rezeption der Beiträge auf ihrer eigenen Website zu motivieren» (2016, 277–278). Auf diese crossmediale Werbe-, Rezeptions-, und Partizipationsfunktion greifen Sprachpflegeakteure ebenso zurück wie Akteure des elektronischen Warenhandels (E-Commerce), der Medien (Tageszeitungen, Fernseh- und Radiosender), politische Akteure oder Privatpersonen. Was die bewertende oder beschreibende Präsentation sprachenbezogener Themen im Internet anbelangt, so ist für die Strukturvarianz von Online-Metasprachdiskursen entscheidend, dass das Web, über soziale Netzwerkcommunitys wie Facebook hinaus, zahlreiche Möglichkeiten zur produktiven und rezeptiven Teilhabe an metasprachlichen Informationen, Fragen oder Diskussionen in unterschiedlichen virtuellen Räumen zur Verfügung stellt: Zu diesen Räumen zählen auch übergeordnete mediale Kanäle wie Online-Tageszeitungen, die in unregelmäßigen Abständen Glossen, Gast- oder Einzelbeiträge zum Thema Sprache veröffentlichen. Viele solcher Beiträge, die oft in den Kulturteilen von Onlinezeitungen erscheinen, geben eine kritische Einschätzung zum allgemeinen Sprachzustand und kommentieren diesen nicht selten auf polemische Weise. Das Spracheinstellungsspektrum sprachurteilender Journalisten in Deutschland reicht dabei von Untergangsprognosen wie Das Deutsche schafft sich ab (Welt, 24. 12. 2010) oder Nicht nur der Genitiv stirbt (ZEIT, 07. 04. 2016) bis hin zur Kritik an den Deutschen als «Völkchen von Apokalyptikern», die «auch in der Sprache […] neuerdings ständig das Ende vor Augen [haben]» (ZEIT, 24. 10. 2011). Diese Art der überblicksartigen Bereitstellung und Vermittlung affektiv-wertender Wissensbestände, die z. T. einer markanten sprachideologischen Prägung unterliegen, ist nicht nur für die mediale Konstruktion von Spracheinstellungen (cf. Kap. 4.1.3) entscheidend, sondern auch für die gesamte Konstitution des metasprachlichen Wissenstransfers in virtuellen Kommunikationsarenen, für den sich, wie Spitzmüller (2009) es formuliert, ganz deutlich eine Zweitei-

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lung metasprachlichen Wissens «diesseits und jenseits der Linguistik» abzeichnet: «Wie kommt es also, dass linguistisches Wissen in der medialen Öffentlichkeit zwar zur Kenntnis genommen, aber nicht akzeptiert wird? Meine Antwort darauf ist: Weil es dort mit einem anderen ‹Wissen› kollidiert, zu dem es weitgehend inkompatibel ist, da die Bedingungen des alltagsweltlichen Wissens sich grundlegend von den Bedingungen des wissenschaftlichen Wissens unterscheiden. Das lässt sich in Form der folgenden zwei Thesen konkretisieren: 1. Es gibt ein alltagsweltliches metasprachliches Wissen, das in sich kohärent ist. Dieses Wissen unterscheidet sich in wesentlichen Punkten vom sprachwissenschaftlichen Wissen, weswegen sprachwissenschaftliche Erklärungsansätze nicht einfach in die Alltagswelt ‹transferiert› werden können. 2. Alltagsweltliche Sprachreflexion ist, im Gegensatz zur wissenschaftlichen, konsequent an die persönliche Lebenswelt der Diskursteilnehmer angebunden. Das führt dazu, dass bspw. im Anglizismendiskurs Probleme diskutiert werden, die die Lebenswelt und nur bedingt sprachliche Phänomene im engeren Sinn betreffen» (Spitzmüller 2009, 117).

Diese Einschätzung bestätigt sich bei der Lektüre der oben zitierten Presseartikel, in denen seltener auf die Linguistik als aktiv involviertem Akteur der Sprachpflege Bezug genommen wird als auf Vertreter der öffentlich-puristischen Sprachpflege (cf. Kap. 3.2.5). So schreibt die Welt weiter unter dem Titel Das Deutsche schafft sich ab: «Aber, und das wird gerne übersehen, die deutsche Sprache ist bedroht. Kleine, zunächst unscheinbare Worte aus fernen Gegenden haben sich nachhaltig in den Alltagsgebrauch eingeschlichen und zersetzen das Deutsche von innen. Die Zeitung Deutsche Sprachwelt bemüht sich seit langer Zeit, dieser Gefahr Einhalt zu gebieten» (Welt, 24. 12. 2010). In Frankreich erfolgen ähnliche Urteilsbekundungen oft als Einträge in sog. Web-Logs (kurz Blogs), wo in regelmäßigen Abständen Beiträge zu einem bestimmten sprachbezogenen Thema verfasst werden und dann in chronologischer Reihenfolge auf einer gesonderten Website erscheinen (cf. Misoch 2006, 52). «Jeden einzelnen Beitrag kann man zudem kommentieren und verlinken. Dadurch können sich sowohl innerhalb eines Blogbeitrags als auch zwischen Blogs jeweils eigene Konversationen und Geflechte von wechselseitigen Verweisen entwickeln, die in ihrer Gesamtheit die ‹Blogosphäre› ausmachen» (Schmidt 2019, 1015). Vielgenutzte Blogs sind dabei oft in die Struktur größerer OnlineTageszeitungen integriert. Bekanntestes französisches Beispiel ist der sprachkritische Blog «Langue sauce piquante» auf Le Monde.fr, in dem die Le MondeKorrektoren Martine Rousseau und Olivier Houdart ein strikt normatives Sprachverständnis artikulieren, das sich auch gegen Lehnwörter aus dem Englischen richtet (cf. Parlez-vous freelançais?, Blog Rousseau/Houdart, 31. 07. 2019). Darüber hinaus wird unter der Mailadresse [email protected] die Möglichkeit zur Sprachberatung angeboten.

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Neben der vergleichsweise hohen kommunikativen Dynamik zeichnen sich solche Blogs als digitale Kommunikationsform v. a. durch ein spezifisches Nutzerprofil aus und können aus diesem Grund für akteurszentrierte diskurslinguistische Untersuchungen gewinnbringend sein. So stellen Zerfaß/Bogosyan (2007) im Ergebnisbericht einer Umfrage der Universität Leipzig in Kooperation mit der Suchmaschine Ask.com zum Thema «Informationssuche im Internet – Blogs als neues Recherchetool» fest: «Blognutzer sind an neuem, schnellerem, hintergründigem Wissen interessiert», d. h. «sie sind mehrheitlich ‹investigative Multiplikatoren› – Konsumenten, die mehr wissen wollen, Informationen aktiv weitergeben und gut vernetzt sind» (Zerfaß/Bogosyan 2007, 7). Die Blogger selbst hingegen möchten ihre eigene Meinung äußern, aufklären, das Publikum beeinflussen oder Kritik üben, d. h. sie nutzen die Kommunikationsform in unterschiedlicher Funktion zur Selbstdarstellung, als Informationssuchende und Social Networker (cf. Zerfaß/Bogosyan, 8) und entwickeln damit eigene Meinungen und Einstellungen in Bezug auf ein bestimmtes Thema. Neben solchen Kommunikationsformen, die an Medien mit einer hohen Reichweite wie Tageszeitungen gekoppelt sind, besteht eine Vielzahl an privaten Kommunikationsplattformen, die sich denselben oder ähnlichen Themen widmen. Dabei werden Sprach- und Kommunikationsprobleme in unterschiedlichen Ansätzen aufbereitet, wobei pädagogische Ziele oft im Zentrum der metasprachlichen Auseinandersetzung stehen. So werden sprachliche Zweifelsfälle wie im Blog La langue française beim sprachinteressierten Publikum in Rätselform zur Abstimmung gebracht («Jʼai mit ou jʼai mis?», cf. Blog Le Roux, 31. 07. 2019) oder im Blog de Mamiehiou – La langue française telle quʼon lʼaime (cf. Blog de Mamiehiou, 26. 09. 2018) wird zur Wortschatzarbeit in Quizform angeregt («Trouvez les mots qui commencent par N»). Der Grad an persönlicher Informationspreisgabe der Blogger fällt dabei sehr unterschiedlich aus und mit der Frage nach der individuellen Involviertheit sind i. d. R. auch die kommunikative Form und die Art des Sprechens über Sprache eng verbunden: Sowohl der Blog La langue française als auch der Blog de Mamiehiou geben über die Identität der Blogger keine tiefergehende Auskunft. Der Betreiber von La langue française, Nicolas Le Roux, beschreibt sich als Sciences Po-Absolventen und «passionné par la langue française», im Blog de Mamiehiou liefern lediglich ein Kinderbild, der anonyme Verweis auf eine Tochter und die gefühlsbetonte sprachliche Aufbereitung der Inhalte («La langue française telle qu’on l’aime») Auskunft über eine sehr persönliche und emotive Haltung zum Gegenstand Sprache, der einen Kontext der familiären Nähe und Verbundenheit suggeriert. Die kognitive Aufbereitung von Informationen über Sprache tritt in diesen Beispielen gewollt hinter individuelle und emotionsbasierte Urteile der Blogger zurück: «J’aime trop les mots pour les garder par-devers moi – au fond de mon

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cœur et de mon esprit. Ils débordent de mes pensées en contes drolatiques, avec des quiz et des digressions sur la langue» (Le Blog de Mamiehiou, 26. 09. 2018). Neben diesen Publikationsorganen der computervermittelten Kommunikation stellen auch große Video-Portale wie YouTube eine Nische für die öffentliche Aufbereitung von metasprachlichen Werturteilen und Diskussionen einzelner privater Nutzer dar. Diese bewegen sich z. T. an der ideologischen Peripherie der Sprachendiskussion, was wiederum nicht heißt, dass sprachideologische Aussagen, die auf extremen normativen, sprach- oder kulturpatriotischen Positionierungen wie Sprachpurismus oder Sprachnationalismus beruhen, nicht ebenso in stark frequentierten Netzwerkplattformen auftreten (cf. Kap. 3.2.5–3.2.6; 4.3). Ganz im Gegenteil zeigen die im Verlauf der Arbeit eingehend zu betrachtenden metasprachlichen Aktivitäten ausgewählter Organisationen wie des Vereins Deutsche Sprache (cf. Kap. 3.2.6) oder Avenir de la Langue Française (cf. Kap. 3.3.9), dass eine sprachideologische Radikalisierung nicht nur in Frankreich, sondern auch in Deutschland unter Rückgriff auf nationalhistorische Argumentationsleitlinien durchaus auch in der breiteren öffentlichen Sprachendiskussion «salonfähig» geworden ist und nicht mehr nur ein Nischenphänomen virtueller Diskussionsräume darstellt. Ein Beispiel für eine eher nischenhafte Repräsentanz sprachnationalistischer Werturteile liefert das nachfolgend in Auszügen transkribierte Videointerview Deutsche Sprache – deutsches Denken – deutsche Identität, das in YouTube als ausgestrahlte Sendung des Online-TV-Angebots Quer-denken.tv zur Verfügung gestellt wurde. Verantwortlicher der Inhalte ist – laut Impressum der zu den YouTube-Videoinhalten verlinkten Homepage –63 der in Großbritannien ansässige Medienwissenschaftler Michael Friedrich Vogt. Zur Diskussion als Gast eingeladen ist der ehemalige Lufthansa-Pilot Peter Haisenko. Beide Redner bewegen sich öffentlich in der Nähe rechtspopulistischer und nationalrevolutionärer Kreise: Vogt ist Mitglied der Burschenschaft Danubia, die Mecklenburg als «rechtsextreme Kaderschmiede für den Hochschulbereich» (1998, 324) bezeichnet. Einschlägige Rechtsextremismusvorwürfe gegen Vogt haben zur Entlassung des Honorarprofessors an der Universität Leipzig geführt (cf. Spiegel, 12. 11. 2007). Peter Haisenko betreibt als Publizist die Internetpräsenz Anderwelt Online, wo nebst polemischen Beiträgen zu aktuellen Themen der öffentlichen Sprachendiskussion wie z. B. zur geschlechtergerechten Sprache als Qual der Verhunzung (cf. Anderwelt Online, 10. 01. 2019) auch zu einem liberaleren Umgang mit den politischen Positionen der rechtspopulistischen AfD aufgefordert wird (cf. Anderwelt Online, 14. 11. 2018).

63 Cf. https://quer-denken.tv/ [letzter Zugriff: 13. 11. 2019].

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Das Interview Deutsche Sprache – deutsches Denken – deutsche Identität wurde mit 912 Likes und 70 negativen Reaktionen (Dislikes) bewertet (Stand: 13. 11. 2019), was zwar eine zahlenmäßig für YouTube-Verhältnisse geringe Reichweite indiziert, aber dennoch auch einen deutlich überwiegenden positiven Zuspruch zu den Inhalten des Beitrags.64 (8) Vogt: Habt ihr euch mal Gedanken darüber gemacht, welche Rolle bei dem Denken die eigene Sprache spielt? Und welche Auswirkungen das hat, in welcher Sprache jemand denkt? Ein spannendes Thema und darum geht es im folgenden Gespräch, liebe Zuschauer, ein herzliches Willkommen. Peter, warum ist das wichtig, warum gibt es diesen Zusammenhang zwischen dem Denken und der Sprache? Haisenko: Nun, die Sprache bestimmt unser Sein. Das ist mal eine ganz wichtige Sache. Und ich habe mir schon Fragen gestellt, was macht es eigentlich aus, ein Deutscher zu sein? Und das kommt nicht von irgendwo her, weil mein Vater kommt ja aus Russland und ich selbst bin in München geboren, mit der deutschen Sprache aufgewachsen, also ich habe von meinem Vater leider nicht die russische Sprache gelernt, das kam erst später. Und wenn man jetzt DIE Deutschen betrachtet, genetisch, dann muss man feststellen, DEN Deutschen gibt es nicht, genetisch gesehen, weil dieser Ort in der Mitte Europas hat natürlich über die Jahrtausende bewirkt, dass da immer andere [Zögern] Rassen durchgezogen sind, also den Rassenbegriff, ich will den hier jetzt nicht strapazieren, aber es sind halt mal, ob es die Hunnen waren oder die Türken oder sonst jemand, also wir haben ein genetisches Gemisch in Deutschland, das weltweit eigentlich kaum übertroffen wird. Was macht es dann aus, Deutscher zu sein? Und ich bin zu dem Schluss gekommen, Deutscher ist nur, wer in der deutschen Sprache denkt. Das ist ein ganz ganz wichtiger Punkt. […] und das Englische ist eine sehr sehr einfach aufgebaute Sprache. Kommen wir noch auf eine andere Geschichte, z. B. das Englische kennt verschiedene Begriffe, die es im Deutschen gibt, nicht. Es gibt im Englischen keinen Begriff für ‹satt›, also kein Wort und auch keines das mit dem Deutschen ‹zufrieden› korrespondiert. Es gibt zwar ähnliche Umschreibungen usw., aber dieser Zustand der Zufriedenheit ist in der englischen Sprache nicht beinhaltet, der wird nur um-

64 Der Text wurde gemäß den Regeln für eine einfache Transkription erstellt, d. h. es wurde wörtlich transkribiert, Wortschleifungen werden zugunsten einer Annäherung an das Schriftdeutsche ausgelassen, Betonungen sind durch Großschreibung gekennzeichnet und Verständnissignale wurden nicht notiert. Auslassungen im Interview sind in eckigen Klammern aufgeführt, ebenso wie nonverbale Äußerungen. Satzabbrüche wurden geglättet.

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schrieben. Und da muss man sich an dieser Stelle dann schon überlegen, was macht das mit den Menschen? […] Also diese deutsche Sprache ist etwas so Wichtiges, ja und es ist ja so: Wenn ein Kind aufwächst, dann lernt es eine Sprache und je komplexer diese Sprache ist, desto komplexer werden die Synapsenverbindungen, die sich im Kopf bilden, damit es diese Sprache beherrschen kann. Das heißt andersherum betrachtet, je einfacher die Sprache ist, mit der ein Kind aufwächst, desto weniger komplexe Synapsenverbindungen bilden sich im Gehirn. […] aber es ist so, dass der angelsächsische Bereich seit eben auch etwa 100 Jahren die deutsche Sprache beKÄMPFT. Was hier kaum bekannt ist, ist, dass in den 30er Jahren in den USA es weite Bereiche gab, wo das Deutschsprechen verboten worden ist. Was nach dem Zweiten Weltkrieg gewesen ist, dass man die deutschen Ostgebiete in den Potsdamer Verträgen von dem deutschen Element gereinigt sehen wollte. Das haben die Engländer gelernt, damals an Südtirol, das wir an Italien gegeben haben, dann haben sie auch in den 30er Jahren dort in Italien das Deutschsprechen verboten, in Südtirol. Haben aber festgestellt, das funktioniert nicht wirklich […] Sie haben jedenfalls festgestellt, wenn sie die deutsche Sprache nicht aus diesem Bereich entfernen, dann bleibt das Deutsch; und auch Südtirol ist bis heute deutsch. Und deswegen haben sie gesagt, wenn wir diese alten ehemaligen Ostgebiete tatsächlich ENTdeutschen wollen, dann müssen wir die deutsche Sprache dort rausnehmen. Vogt: Und ihre Träger. Logischerweise. Haisenko: […] und das war natürlich auch für die Engländer eine Sache, die wollten das verhindern, dass sich die deutsche Sprache ausbreitet, weil die deutsche Sprache, also sagen wir es nochmal andersherum: Es ist eigentlich ein Wunder, dass es die deutsche Sprache überhaupt noch gibt, weil wir sind ja eben eine SprachINSEL inmitten Europas […] aber trotzdem man hätte nun auch denken können, dass dieses Deutsche von den Ländern rundherum praktisch langsam [Zögern] Vogt: absorbiert wird. Haisenko: Genau, und dann das Deutsche verschwindet. Das Gegenteil ist die Wahrheit und ich denke, das ist eben auch einer der Punkte, dass die deutsche Sprache durch ihre Komplexität so dominant ist, weil sie eben gute Gedanken hervorbringt. Ich will jetzt nicht sagen, ‹Am deutschen Wesen soll die Welt genesen›, […] aber es geht schon darum, dass wir eben als Deutschland als Land der Dichter und Denker [...], da sollten wir uns immer daran erinnern. Und warum war das so? Weil es eben diese deutsche Sprache gibt, weil diese deutsche Sprache die komplexesten Gedanken überhaupt erst ermöglicht, die in anderen Sprachen nicht sind. Das Türkische

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zum Beispiel oder Arabische, das sind blumige Sprachen, die Dinge umschreiben […] (YouTube Quer-Denken.tv, 18. 06. 2017). Es ist eindeutig, dass es sich bei diesen metasprachlichen Äußerungen weniger um Sprachpflege als vielmehr um eine Darbietung rassenpopulistischer Überzeugungen am Beispiel der deutschen Sprache handelt. Die Auszüge, die hier sprachlich nicht tiefergehend analysiert werden sollen, geben einen Einblick in die Zusammenhänge zwischen Sprachdenken und rassentheoretischer Sprachideologie, die in dieser Arbeit nicht ausführlich untersucht werden können, aber an einigen Stellen, insbesondere für die Darstellung des sprachpflegerischen Netzwerkes als wichtige Domäne des Metasprachdiskurses, zu erwähnen sind. Bei einer intensiven Beschäftigung mit einzelnen sprachpflegerischen Akteuren tauchen immer wieder persönliche und/oder argumentative Bezüge zum nationalideologischen und rechtsextremen politischen Diskurs auf, die für die Bestandsaufnahme der deutschen Sprachpflege von Bedeutung sind (cf. Kap. 3.2.5). Gerade angesichts des sich in Europa radikalisierenden politischen Diskurses zugunsten einer Rückbesinnung auf nationale Wertesysteme, stellt die Sprachpflege einen einflussreichen Schnittstellenbereich dar und Kommunikationsplattformen als Multiplikationsinstrumente für extreme soziale Positionen ein wichtiges Handlungssystem öffentlicher Meinungsbildung, dessen strukturelle Durchdringung als Desiderat konstanter soziolinguistischer Forschung gelten kann. An letzter Stelle dieses Überblicks über metasprachliche Aktivitäten im Internet steht ein vergleichender Einblick in die Präsenz sprachpflegerischer Vereine in den führenden sozialen Netzwerkplattformen Facebook und Twitter. Sowohl der Verein Deutsche Sprache (VDS) als auch der Verein Avenir de la Langue Française (ALF) sind seit 2011 und seit 2013 mit eigenen Beiträgen auf Facebook aktiv. Das Aktivitätenprofil beider Sprachpflegeakteure unterscheidet sich jedoch grundlegend, v. a. was die zahlenmäßige Konstitution der Social Community anbelangt: Das feste Publikum des Vereins Deutsche Sprache (VDS) ist mit 22.879 Abonnements, d. h. virtuellen «Freundschaftsbekundungen», neunmal so groß wie das des ALF (Stand: 01. 08. 2019). Dementsprechend sind an die 23.000 Personen immer über den News Feed des VDS sowie durch Updates aktiv oder passiv in die Online-Aktivitäten des Vereins involviert, indem die Nutzer die Nachrichten und Veröffentlichungen des Vereins nur lesen, teilen, kommentieren oder bewerten können. Die Reichweite des VDS kann folglich durch die hohe Zahl an Multiplikatoren innerhalb der sprachpflegerischen Öffentlichkeit als bedeutend eingeschätzt werden. Darüber hinaus dient die Verlinkung zu einem eigenen YouTube-Kanal einer zusätzlichen Verbreitung der Informationsarbeit des Vereins. Der Kanal bietet eine Sammlung verschiedener

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Bewegtbildausschnitte zu Konferenzen, Kulturveranstaltungen, Interviews und Podiumsveranstaltungen, die der VDS organisiert. Zudem bieten die Videoformate die Möglichkeit zur virtuellen Begegnung mit den zentralen Akteuren des Vereins, wie z. B. dem Vereinsvorsitzenden Walter Krämer (cf. Kap. 3.2.6). Darüber hinaus zeichnet sich im zahlenmäßigen Vergleich der Abonnentenzahlen eine markante dynamische Entwicklung der deutschen Nutzerteilhabe an Facebook als sprachpflegerischer community of practice ab: Im August 2019 waren 22.879 Abonnenten auf der Facebook-Seite des VDS eingeschrieben. Mitte November 2019 sind mit 25.497 bereits mehr als 2500 Teilnehmer hinzugekommen. Die aktive und passive Partizipation an der Facebook-Seite des ALF stagniert hingegen bei einer kaum veränderten Zahl von 2477 Abonnenten (Stand: 14. 11. 2019) im Vergleich zu einer Zahl von 2481 im August.65 Was also die Sprachpflege in virtuellen Räumen anbelangt, sind für die deutsche und die französische Diskursgemeinschaft grundlegende Differenzen anzunehmen, was die Präsenz und Verteilung des Diskurses auf mediale Domänen, Kommunikationsräume und -formen anbelangt. Diese Unterschiede schlagen sich auch in der Konstitution des Online-Korpus nieder, das als Grundlage der diskurslinguistischen Analysen herangezogen wird (cf. Kap. 4.1.4). Ein inhaltlicher Unterschied besteht darüber hinaus in der auf den Netzwerkplattformen Facebook und Twitter betriebenen Öffentlichkeitsarbeit der Vereine. Dabei ist zunächst allgemein zu bemerken, dass trotz des rasanten Nutzungsanstiegs von Online-Communitys auch eine Nutzungssättigung in diesem Bereich eingetreten ist, die Tippelt/Kupferschmitt (2015) mit der Verlagerung zu neuen Online-Diensten wie z. B. zur Fotocommunity Instagram oder zum Instant-Messaging-Dienst WhatsApp erklären, die beide zum Facebook-Konzern gehören (cf. Tippelt/Kupferschmitt 2015, 442).66 Bei dieser Entwicklung ist auch eine diametrale Verschiebung der Nutzungsfrequenz innerhalb der Altersklassen zu bemerken (cf. Tab. 7):

65 Cf. hierzu auch den Vergleich mit anderen Sprachpflegeorganisationen in Kap. 3.3.9. 66 Tippelt/Kupferschmitt (2015) führen diese Entwicklung u. a. auf die Datenschutz-Debatte um Facebook zurück: «Je mehr sich öffentliche Debatten vom ‹freien› Internet in ‹Walled Gardens› wie Facebook verlagern, desto mehr wird über die Konsequenzen debattiert. Neben der Kritik daran, dass das US-amerikanische Unternehmen die Meinungsfreiheit anders definiert als deutsche Behörden und in Deutschland strafbewehrte Äußerungen nicht löscht, wurde auch der Datenschutz thematisiert. Das aufsehenerregende Urteil des Europäischen Gerichtshofs im Oktober 2015 zur Ungültigkeit des ‹Safe Harbor›-Abkommens mit den USA hing direkt mit einer Beschwerde eines österreichischen Nutzers über die Datenschutzpraxis bei Facebook zusammen. […] In der Geschlossenheit des Ökosystems Facebook wird von manchen Kommentatoren schließlich auch eine Gefahr für die Meinungsfreiheit gesehen, da sich Medienunternehmen und gerade Nachrichtenanbieter mit der direkten Verbreitung ihrer Medieninhalte (‹Instant Articles›) in stärkere Abhängigkeit zu Facebook begeben» (2015, 442).

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«In der Fortschreibung wird deutlich, dass die Nutzung von sozialen Netzwerken und Communitys wie Facebook seit 2013 nicht mehr steigt und aktuell sogar leicht rückläufig ist. Gaben 2014 noch 46 Prozent der Onliner an, zumindest selten Communitys zu nutzen, sind es 2015 nur noch 43 Prozent […]. Die mindestens wöchentliche Nutzung ist zwischen 2014 und 2015 von 39 Prozent auf 34 Prozent gefallen, auch die tägliche Nutzung ist von 25 Prozent auf 22 Prozent zurückgegangen. Dieser Rückgang zeigt sich vor allem bei den 14- bis 29-Jährigen, während die Werte bei 30- bis 59-Jährigen im Wesentlichen konstant sind und sich bei ab 60-Jährigen zumindest der Kreis der Gelegenheitsnutzer noch vergrößert hat. Leicht zugenommen hat hingegen die Nutzerschaft von Fotocommunitys wie Instagram, die nun von 15 Prozent der Befragten zumindest selten verwendet werden […]» (Tippelt/Kupferschmitt 2015, 443).

Tab. 7: Nutzung von Social Media-Anwendungen (2015, eigene und abgeänderte Darstellung nach Tippelt/Kupferschmitt 2015, 443). InstantMessagingDienste wie WhatsApp

Onlinecommunitys wie Facebook

Fotocommunitys

Twitter

mindestens selten

ab 14*67 14–29 30–49 ab 50

59 85 67 32

43 73 44 22

15 33  9  8

 7 13  6  3

mindestens einmal pro Woche

ab 14 14–29 30–49 ab 50

54 83 61 26

34 61 34 16

 9 26  3  4

 4  9  4  1

täglich

ab 14 14–29 30–49 ab 50

43 72 48 18

22 46 23  6

 5 16  2  0

 1  3  2  0

Dieser verstärkte Übergang der privaten Kommunikation ins Instant Messaging setzt sich auch im Folgejahr 2016 fort. Zudem steigen in diesem Jahr sowohl die Zahl der Onlinenutzer um weitere ca. 2 Millionen auf insgesamt 58 Millionen an als auch die tägliche Nutzungsdauer des Internets auf rund zwei Stunden. Die Altersgruppe der 14–29-jährigen verbringt gar rund vier Stunden am Tag mit Online-Aktivitäten (cf. ARD/ZDF-Kern-Ergebnisse 2016, 3). Diese Zahlen erfahren binnen eines Jahres nochmals einen markanten Zuwachs: 2017

67 *Angaben dieser Spalte in Jahren. Übrige Angaben in Prozent.

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zählt die Statistik insgesamt 62,4 Millionen deutschsprachige Internetnutzer, was einem Anteil von 90% entspricht.68 Bei einer genaueren Betrachtung der Nutzungsaktivitäten wurde ermittelt, dass «[e]ine dreiviertel Stunde täglich […] mit Mediennutzung online verbracht [wird]; die meiste Onlinezeit auf Individualkommunikation [entfällt]» und «[d]ie sozialen Medien stagnieren, während Streamingdienste zulegen» (Koch/Frees 2017, 434). Dieser Entwicklung ist weiter mit Schröter (2016) hinzuzufügen, dass vor einem kommunikationstheoretischen Hintergrund der sprachliche Kontext der Online-Kommunikation durch die Option, mehrere Aktivitätsangebote parallel anzuwenden, funktional nochmals eigene Spezifika aufweisen kann: «Charakteristisch für das Medium Internet sind die unterschiedlichsten Funktionsfelder, im Web nur einen Mausklick, eine Wischbewegung oder ein Kommando in der akustischen Spracheingabe voneinander entfernt. Onlineanwendungen lassen sich in fünf große Basisfunktionen einteilen: Kommunikation bzw. Interaktion, Informationssuche, Mediennutzung, Spielen sowie Transaktion. Diese stehen in keiner starren Hierarchie zueinander. Die Nutzer selbst priorisieren und kombinieren sie zeit- und ortssouverän, das heißt additiv, komplementär oder kontrastiv» (Schröter 2016, 438).

Diese crossmediale Struktur von Kommunikationsinhalten, die über die Verlinkung verschiedener digitaler Kanäle erfolgt, wird auch von deutschen und französischen Sprachpflegeorganisationen genutzt, wobei sich hinsichtlich der textund bildgebundenen Präsentationsformen erneut deutliche Unterschiede manifestieren: Die Bildwahl in der Kopfleiste der Facebook-Startseite des VDS ist in marketingtechnischer Perspektive für Sprachpflege keineswegs arbiträr (cf. VDS FB, Stand: 01. 08. 2019). Gezeigt werden die Fotographien dreier bekannter Mitglieder des VDS, Hape Kerkeling, Dieter Hallervorden und Jürgen von der Lippe, die als Personen des öffentlichen Lebens eine direkte Verknüpfung zum lebensweltlichen Alltag der Nutzer herstellen und dadurch sowohl Vertrautheit suggerieren als auch bestimmte emotive Wissensbestände beim Nutzer aktivieren.

68 In den Ergänzungen zur Studie wird einschränkend darauf hingewiesen, dass «[d]er deutliche Anstieg um 4,4 Millionen resp. 6 Prozentpunkte gegenüber dem Vorjahr […] zu einem Teil auf die geänderte Abfrage zurückzuführen [ist]» (ARD/ZDF-Kernergebnisse 2017, 2). Die methodischen Änderungen bei der Fragebogenkonzeption erklären Koch/Frees mit dem Umstand «[…], dass ein Vergleich von Fernseh-, Radio- und Tageszeitungsnutzung mit der Internetnutzung nicht (mehr) ohne Weiteres möglich und sinnvoll ist. Mediennutzung findet auch über das Internet als Verbreitungsweg und Content-Plattform statt. Daher enthält die neukonzipierte Studienreihe MiP [scil. Studienreihe Medien und ihr Publikum] eine Abfrage der Mediennutzung in den drei Feldern Bewegtbild (Video), Audio und Text, wobei jeweils klassische und onlinebasierte Nutzungsformen ausdifferenziert werden» (Koch/Frees 2017, 434).

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Zum einen sind alle drei Schauspieler aus dem Entertainmentbereich bekannt und gelten als beliebte Akteure in diesem Bereich. Ihre Gesichter sind mit Witz und Humor verbunden und platzieren das Thema Sprache somit in einem unverfänglichen, losgelösten und heiteren Kontext. Zum anderen impliziert die Konnotation der Fotos auch eine persuasive Funktion: Nicht nur sind alle drei Personen beim Publikum beliebt, sie sind auch anerkannt, d. h. ihr Urteil ist für den digitalen Nutzer von Bedeutung. Man könnte hier argumentationsanalytisch von einem AUTORITÄTSTOPOS in Bildform sprechen, der die folgende Konklusion beim Nutzer präsupponieren kann: Hape Kerkeling ist ein netter Kerl, seine Filme und Bücher sind erfolgreich. Wenn er Mitglied des VDS ist, dann hat der Verein bestimmt gute Absichten.69 Die Bilder werden persuasiv eingesetzt, um die Besucher der Facebook-Seite anzuregen, in den Inhalten des Netzwerkes zu stöbern, sich an den Diskussionen zu beteiligen und um sie als potenzielle Vereinsmitglieder zu werben. Im Vergleich zum französischen Pendant ALF steht beim VDS deutlich die Suggestion eines Gemeinschaftsgefühls im Vordergrund, das beim ALF durch die sehr nüchterne Seitengestaltung und fehlendes Bildmaterial kaum evoziert wird (cf. ALF FB, Stand: 01. 08. 2019). Ausgehend von der Präsentation bekannter öffentlicher Personen des deutschen Kulturraums überführt der VDS das positive Bild der deutschen Sprachgemeinschaft in einen multimodal realisierten TOPOS KOLLEKTIVER SPRACHIDENTITÄT. Eine dazu häufig verwendete Kommunikationsform sind die sog. Internet-Memes, die als Medium zur humoristischen Aufbereitung kultureller Eigenheiten über das Internet verbreitet werden (cf. Davison 2012, 122). Aufgrund ihrer Eigenschaft, alltägliche Anwendungskontexte der Nutzer mit pragmatischen Redeabsichten auf sprachlicher Ebene persuasiv zu verknüpfen, stellen Memes in online-medialen Kanälen der Sprachpflege eine beliebte Anwendung dar: «Solche auch in sonstigen Bereichen des alltäglichen Lebens geläufigen Mittel der Kommunikation erlauben einen direkten emotionalen Zugang zu den Sprechern, die sich durch ein direkt greifbares Identifikationsmoment mit dem Gegenstand Sprache vertraut fühlen und sich im Vergleich zu ‹distanzierteren› sprachpolitischen Maßnahmen auch ermutigt oder in der Lage sehen, auf den vermittelten Inhalt zu antworten und zu ihm Stellung zu beziehen. Diese sprecherzentrierten Funktionsmechanismen, die direkt auf affektive Komponenten von Sprechereinstellungen abzielen, bieten im Vergleich zu einer häufig distanzsprachlich agierenden, ‹klassischen› Sprachpolitik im engeren und weiteren Sinne durchaus effizientere Anknüpfungspunkte an die Identität, mit ihr verbundene Werturteile und Mentalitäten der Sprecher […]» (Montemayor/Neusius 2018, 199).

69 Zur Toposanalyse als Zugang diskurslinguistischer Analysen cf. Kap. 4.1.3.

2.2 Digitale Öffentlichkeiten: Entgrenzung sozialer Gegensätze?

103

So wird beispielsweise in einem Meme-Beitrag des VDS auf Twitter (cf. Twitter VDS, 24. 07. 2019) eine Standbildaufnahme aus dem amerikanischen Filmdrama Finding Neverland (2014) mit einer fiktiven Dialogsequenz untertitelt. Auf die Frage «How can I say ‹togetherness› in German» antwortet Johnny Depp als einer der Protagonisten im Film mit dem Hochwertwort: Zusammengehörigkeitsgefühl. Die mit dem Meme geschaffene Text-Bild-Kombination impliziert auf propositionaler Ebene die strategische Aufwertung der deutschen Sprache als eine im Vergleich zum Englischen ausdrucksstarke Sprache. Auf lexikalischer Ebene dient die Wahl des Substantivs Zusammengehörigkeitsgefühl nicht nur als illustratives Beispielargument für den Wortreichtum der deutschen Sprache, sondern auch als Implikatur des für die Deutschen typischen Gemeinschaftsgefühls als Zeichen einer kollektiven Identität auf sprachlicher und kultureller Ebene. Was die Gestalt «sprachpflegerischer Öffentlichkeiten» im digitalen Zeitalter unter direkter Bezugnahme auf die hier angesprochenen Kommunikationsformen (Soziale Netzwerke, Blogs, Videokanäle) anbelangt, so ist als wichtigste Instanz für die digitale Sprachpflege die Ebene der privaten Nutzer zu betonen. Diesbezüglich hebt Schmidt (2018) hervor, dass es nicht nur eine «massenmediale Öffentlichkeit» gibt, sondern dass private Nutzer in öffentlichen Diskurssystemen «individuelle Öffentlichkeiten» generieren, die als zentrale Urteilsinstanz über kommunikativ geteilte Inhalte sowohl den Diskurs aktiv strukturieren als auch durch ihre Partizipation eine Unterscheidung von Öffentlichkeit und Privatheit und somit auch von Privatsphäre zunehmend unmöglich machen: «Aber mit dem Aufkommen von Weblogs in der Mitte der 2000er Jahre, kurz darauf von YouTube, Facebook und Twitter, sind Kommunikationsräume im Internet entstanden, die eine andere Logik der Auswahl und Aufbereitung von Informationen unterstützen. Die erste Antwort auf die Ausgangsfrage ‹Warum machen das die Menschen?› ist also tatsächlich recht banal: ‹Weil sie es können›. Etwas weniger banal ausgedrückt: Die sozialen Medien machen es möglich, dass sich ihre Nutzerinnen und Nutzer eigene persönliche Öffentlichkeiten schaffen, die in […] wesentlichen Merkmalen von journalistisch-publizistischen Öffentlichkeiten der Massenmedien abweichen: […] In persönlichen Öffentlichkeiten gelten andere Auswahlkriterien, denn in ihnen wird vorrangig nach persönlicher Relevanz entschieden, ob eine Information gebloggt, getwittert oder auf Facebook eingestellt wird. Ob ein Gedanke, ein Foto, ein Erlebnis oder eine Meinung mitteilenswert ist, entscheiden die Nutzer jeweils individuell» (Schmidt 2018, 28).

Vor diesem Hintergrund wird die vereinsorganisierte Sprachpflege in den beschriebenen Kommunikationsarenen des Internets als diskurssteuernder medialer Akteur eingestuft (cf. Kap. 4.2), ebenso wie die individuellen Nutzer auf der Encounter-Ebene des digitalen Sprachpflegdiskurses neben ihrer Funktion als Rezipienten unterschiedliche Rollen einnehmen können, in denen sie als Multi-

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2 Metasprachdiskurse als öffentliche Systeme

plikatoren der von Sprachpflegern gesetzten metasprachlichen Themen, Sprachideologien und Spracheinstellungen (cf. Kap. 4.1.3) oder als Vertreter von Gegenargumentationen in Erscheinung treten können (cf. Kap. 4.3).

2.3 Zwischenfazit Metasprachdiskurse sind komplexe soziale Phänomene. Innerhalb der sozialen Topographie, die sie konstituieren, stellt «Öffentlichkeit» eine zentrale begriffliche und theoretische Bezugsgröße dar. Dabei kann «Öffentlichkeit» als Raum unterschiedlicher gesellschaftlicher Diskurse und zugleich als Menge seiner sozialen und kommunikativen Praktiken verstanden werden. In diesem kommunikativen Beziehungsgefüge stellt das Sprechen über Sprache in sozialen Gemeinschaften, Domänen, Akteursgruppen und Netzwerken ein eigenes System dar, das als «metasprachliche Öffentlichkeit» beschrieben werden kann. Sprachpflege als Teil dieser «metasprachlichen Öffentlichkeit» stellt im gesellschaftlichen Diskurs ein spezifisches Diskurssystem mit individuellen Praktiken sprachlichen und gesellschaftlichen Handelns dar und beruht auf einer bestimmten Verteilung sozialer Rollen und Positionen sowie auf eigenen normativen Vorstellungen, die wiederum an gesellschaftliche Strukturen und Öffentlichkeitsmodelle gebunden sind. Die Beziehung zwischen einerseits strukturellen Veränderungen innerhalb des Wandels von Gesellschaften und andererseits der Herausbildung und Funktionalisierung öffentlicher Diskurse ist für bestimmte soziale Teilsysteme bereits gut untersucht («politische Öffentlichkeit», «bürgerliche Öffentlichkeit», «literarische Öffentlichkeit»). Terminologische Bezugsgrößen aus dem Bereich sozialwissenschaftlicher Basistheorien, die Öffentlichkeit als diskursives Phänomen zwischen gesellschaftlichen Strukturen und sozialem Handeln beschreiben (Systemtheorie, Diskursmodelle, öffentliche Meinung, Ebenen, Akteure und Rollen), stellen ein präzises Werkzeug zur Verfügung, um «Sprachpflege» als öffentliches Teil- und Handlungssystem einzuordnen, definitorisch zu schärfen und für diskurslinguistische Analysen nutzbar zu machen. Dieses sozialwissenschaftliche Begriffsfundament legt eine Betrachtung von Metasprachdiskursen und Sprachpflege als intermediäre und reflexive Systeme nahe, in denen sprachliches und soziales Handeln unweigerlich miteinander verbunden sind. Diese Verbindung erhält gerade im postmassenmedialen und digitalen Strukturwandel eine neue Bedeutung und diskursive Dimension: Öffentliche Systeme werden zunehmend entgrenzt und Themen, Partizipationsmöglichkeiten sowie Macht werden in den einzelnen Diskursen neu verhandelt und verteilt. Dabei steht die Demokratisierung kommunikativer Strukturen

2.3 Zwischenfazit

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nicht selten im Gegensatz zu gefestigten Rollenverteilungen, die durch eine diskursive Vertikalität gekennzeichnet sind (z. B. Laie vs. Experte, Wissenschaft vs. Öffentlichkeit) und die auch und gerade für Metasprachdiskurse charakteristisch sind. Der Blick auf medienwissenschaftliche Entwicklungen unterstreicht die Dynamik, mit der gesellschaftliche Diskurse durch die digitale Permanenz onlinemedialer Räume, Nischen und Kommunikationsformen weiter ausdifferenziert werden. «Sprachpflege» als historisch gewachsenes metasprachliches Diskurssystem, das sich im Spannungsfeld zwischen Beschreibung und Bewertung sprachlicher Phänomene formiert, gilt es nun mit Blick auf sein sprachgeschichtliches Fundament und seine Anpassung an aktuelle Bedingungen sprachlicher und sozialer Interaktion weiterführend zu untersuchen.

3 Metasprachdiskurse als historische Systeme Denn nichts hat einen ihm von Natur aus zukommenden Namen, sondern alles hat seinen Namen nach Brauch und Gewohnheit derer, die diesen Namen gebräuchlich gemacht haben, und derer, die ihn gebrauchen. (Platon, Kratylos)1

3.1 Sprechen über Sprache zwischen Deskription und Bewertung Der hier zitierte platonische Dialog zwischen Sokrates, Hermogenes und Kratylos über die Frage der Richtigkeit von Namen und Bezeichnungen wird als Zeugnis der bewussten Beschäftigung mit der Bedeutung des Sprechens über Sprache in seiner darstellenden Funktion und somit als Beginn der Sprachphilosophie und Sprachwissenschaft i. S. «[…] sprachkritischer Reflexionen innerhalb der europäischen Geistesgeschichte […]» (Schiewe 1998, 13; cf. Dieckmann 2012, 122; Mell 2015, 439–440) betrachtet. Diese Form der dialogisch inszenierten, philosophierenden Metasprache als Werkzeug des Erkenntnisgewinns erfährt mit dem Organon-Modell im Rahmen der Sprachtheorie Bühlers (1999) und dessen Erweiterung durch Jakobson (2016) seine wissenschaftliche Theoretisierung, die wiederum «[…] als ein Ausgangspunkt für die Begründung der Möglichkeit von Sprachkritik [oder anderen Form metasprachlichen Handelns, Ergänzung VN] genommen werden kann» (Schiewe 1998, 13). Die Ergänzung des Sprachfunktionsmodells um die metasprachliche Komponente und ihre verschiedenen Funktionen wird von Jakobson (2016) wie folgt dargestellt und begründet: «In der modernen Logik hat man die Unterscheidung zwischen zwei Sprachebenen gemacht, ‹Objektsprache›, die von Objekten spricht und ‹Metasprache›, die von der Sprache redet. Aber Metasprache ist nicht nur ein notwendiges, von Logikern und Linguisten gebrauchtes wissenschaftliches Werkzeug; sie spielt auch eine wichtige Rolle in unserer Alltagssprache» (Jakobson 2016, 91–92).

Bereits bei Jakobson werden somit also die funktionalen Facetten von «Metasprache» (Erklärung, Bewertung, Beschreibung, Kommentierung etc.) durch die Gegenüberstellung von Wissenschaft und Alltag greifbar gemacht und somit

1 Zit. nach der übersetzten und kommentierten Ausgabe von Krapinger (2014, 9). https://doi.org/10.1515/9783110723915-003

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3 Metasprachdiskurse als historische Systeme

wird deutlich, dass je nach Forschungsgegenstand, Forschungsansatz und epistemologischem Kontext der Fokus auf einer anderen Erscheinungsform von metasprachlichen Aktivitäten und ihren spezifischen Absichten liegt. Hinsichtlich des Gebrauchs und der konkreten Realisierung betonen Jaworski/Coupland/ Galasiński (2004) für soziolinguistische Forschungsinteressen die Bedeutung von «Metasprache» außerhalb ihrer selbstreferentiellen Funktion und als Produkt von öffentlichem Bewusstsein, das auch laienhafte Repräsentationen einschließt.2 «However, the metalinguistic function of language is not merely a self-serving capacity of language and an interesting ‹design feature›. How people represent language and communication processes is, at one level, important data for understanding how social groups value and orient to language and communication (varieties, processes, effects). This approach includes the study of folk beliefs about language, language attitudes and language awareness […]. Metalinguistic representations may enter public consciousness and come to constitute structured understandings, perhaps even ‹common sense› understandings – of how language works, what it is usually like, what certain ways of speaking connote and imply, what they ought to be like. That is, metalanguage can work at an ideological level, and influence people’s actions and priorities in a wide range of ways, some clearly visible and others much less so. When we approach language use as discourse and social practice, we naturally view language as form of social interaction. But it is in the interplay between usage and social evaluation that much of the social ‹work› of language – including pressures towards social integration and division, and the policing of social boundaries generally – is done. This is one of the reasons why metalanguage matters to sociolinguistics» (Jaworski/Coupland/Galasiński 2004, 3).

Diese Bedeutung von Metasprache stellt den Grundstein zahlreicher sprachwissenschaftlicher Arbeiten zu Metasprachdiskursen unterschiedlicher Etikettierung wie «Sprachpflege», «Sprachkritik», «Sprachkultur» oder «Sprachreflexion» dar (cf. Kap. 2.2.2). In diesen stellen Einordnungs- und Interpretationsversuche des Sprechens über Sprache in seiner Ausrichtung zwischen politischen, ideologischen, normativen, ästhetischen oder anderen Motivation(en) den Ausgangspunkt linguistischer Forschungsinteressen dar. Dabei liefert zunächst die Unterteilung von «Metasprache» in eine deskriptive und normative Äußerungsrichtung eine prinzipiell hilfreiche Kategorisierung, die jedoch in Abhängigkeit vom konkreten Äußerungskontext stets einer präziseren Klassifikation bedarf. Dass in den Fokus der vorliegenden Untersuchung von Metasprachdiskursen der Terminus «Sprachpflege» gestellt wurde, der hier als Forschungsgegenstand bewertende und normative Äußerungen zu Sprache umfasst, geht zum einen auf seine Verwendung i. w. S. als «Tätigkeit mit dem Ziel, Sprechen und

2 Zur selbstreferentiellen Funktion von Metasprachdiskursen cf. Kap. 4.1.2–4.1.3.

3.1 Sprechen über Sprache zwischen Deskription und Bewertung

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Sprache zu verbessern, als Kultivierung von Rede und Sprache» (Lebsanft 1997, 93) zurück als zum anderen auf seine lange Zeit belastete Bedeutung i. e. S. als konservative und nationalideologische Positionierung zu und Eingriffe in Sprache und Sprechen. In letzter Bedeutung tritt «Sprachpflege» als Tätigkeit m. E. nicht nur in deutschen und französischen Metasprachdiskursen zur Zeit wieder bzw. immer noch virulent in Erscheinung, sondern auch die Urheber von Sprachpflege, d. h. die institutionellen und nicht-institutionellen Akteure in Metasprachdiskursen, deren Aktivitäten im Folgenden beschrieben werden, klassifizieren sich selbst als Vertreter einer vermeintlich zukunftsgerichteten Sprachpflege, die in erster Linie als Sprachverteidigung gegen fremdsprachige Spracheinflüsse zu verstehen ist und somit einer klar puristischen Zielsetzung unterliegt.3 Dabei steht der Wortgebrauch von «Sprachpflege» je nach Fachkultur in terminologischer Nähe zu anderen Bezeichnungformen und Begriffsvarianten metasprachlicher Diskurse, die oft unterschiedlichen Interpretationen und Verwendungen unterliegen. Dies zeigt die folgende definitorische Zusammenschau von Roth (1998), der «Sprachpflege» getrennt von «Sprachreinigung» und «Sprachkritik» betrachtet: «Das Wort Sprachpflege wird synonym bzw. in semantischer Nähe verwendet zu Sprachkritik (in der Variante ‹Beurteilung der Leistungsfähigkeit, der Mittel, auch der Mängel von Sprache und Sprachverwendung›), zu Sprachkultur (iSv. ‹Maß und Niveau normgerechten Sprachgebrauchs in grammatischer und stilistischer Hinsicht›) und zu Sprachlenkung (iSv. ‹planvolle Formung der überregionalen Standardsprache; gezielte Beeinflussung des allgemeinen Sprachgebrauchs›). ― Sprachpflege wird abgegrenzt von Sprachpolitik (iSv. ‹staatliche Maßnahmen…›), von puristischer, d. h. übertriebener (und z. T. nationalistischer), vor allem gegen Fremdwörter gerichteter Sprachreinigung sowie von den noch deutlicher negativ umschriebenen Tätigkeiten der Sprachmanipulation und der Sprachregelung (letzteres iSv. ‹weisungsorientierte, einengende Festlegung von Benennungen oder Darstellungen von Sachverhalten›) […]» (1998, 383).

In ähnlicher Weise unterliegt auch der Terminus «Sprachkritik», nicht nur als Forschungsgegenstand, sondern auch als Aufgabe der Linguistik, seit den 1980er Jahren einer inhaltlichen Neuorientierung, als «der Blick in die eigene Geschichte» und «die Schaffung des Bewusstseins dafür, daß herausragende Sprachkritiker wesentlichen Einfluss genommen haben auf den Gang der Sprachentwicklung und des Denkens über Sprache» (Schiewe 1998, 250–251), revalorisiert wurden. Vor dem Hintergrund dieser Definitionsvielfalt wird klar, dass die Beschreibung metasprachlichen Handelns nicht nur an den ideologi-

3 Zur weiteren terminologischen Abgrenzung cf. als Überblick Bär (2002) sowie Kap. 3.3.8.

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3 Metasprachdiskurse als historische Systeme

schen Positionen seiner Urheber festgemacht wird, sondern auch an die ideologischen Positionen der Forschenden gebunden ist. Diese Positionen wirken als Kräfte in einem diskursiven Spannungsfeld zwischen Wissenschaft und Öffentlichkeit, das in seiner historischen Konstitution bis in heutige Tendenzen metasprachlicher Diskurse hineinwirkt: «Nach langer Zeit der Reserviertheit und Abschätzigkeit scheint das Wörtchen Sprachkritik von Sprachwissenschaftlern mit mehr Respekt gebraucht zu werden. Und damit nicht genug: das sprachkritische Geschäft selbst scheint auf dem besten Weg, sich das Prädikat wissenschaftlich zu verdienen, zumal Sprachwissenschaftler sich vermehrt mit Beispielen praktischer Sprachkritik, meist zu einzelnen Erscheinungen des öffentlichen Sprachgebrauchs, zu Wort melden, eine Beteiligung an Diskussionen über Fragen der Sprachpraxis nicht nur für wissenschaftslegitim, sondern darüber hinaus als moralischer Auftrag begriffen wird. […] Sprachkritik handelt mit Werten. Wer Sprachkritik übt, gibt Bewertungen ab. Und Bewertungen abzugeben – bedeutet das nicht immer Parteinahme, Einmischung in die Probleme und Vorlieben einzelner Sprecher oder Entscheidungen fällen für diese oder jene Weltanschauung? […] Dann hätte sich die Wissenschaft abgekehrt von der Suche nach der Wahrheit und sich unter dem Deckmantel der Wissenschaftlichkeit ein Richteramt in Streitfällen angemaßt. Oder aber der Begriff von der wertfreien Wissenschaft ist auf den Kopf gestellt, und wir sehen nunmehr eine politische Einrichtung, eine neue Opposition vor uns. Jedenfalls […] befinden wir uns auf gefährlichem Terrain […]. Andererseits […] macht die Fähigkeit, Sprache zu bewerten, einen Teil der Sprachkompetenz aus, und zwar nicht nur als grammatische Bewertungskompetenz im Sinne Chomskys, sondern als – weitgefächerte – kommunikative Bewertungskompetenz. Akzeptiert man diese sprachtheoretische Begründung der Sprachkritik, muß man eingestehen, daß beim Verzicht auf Behandlung von Bewertungen wesentliche Elemente von Sprache ausgespart bleiben. Ohne Berücksichtigung von Wörtern wie richtig, falsch oder gut können beispielsweise Sprachwandel und Sprachgeschichte nicht erklärt werden. Den Vorgang der Sprachbewertung zu untersuchen und zu beschreiben, heißt freilich noch nicht, selbst Sprachbewertungen von sich zu geben. Dieses Unternehmen wäre also problemlos mit dem wertabstinenten Standpunkt zu vereinigen» (Schmich 1987, 5–7).

Die von Schmich (1987) angesprochene Reserviertheit der Sprachwissenschaft gegenüber «Sprachkritik» resultiert v. a. aus dem im deutschen Forschungsraum nach 1945 entstehenden Streit zwischen einzelnen Vertretern sprachkritischer Arbeiten und sprachtheoretischen Ansätzen der strukturalistischen Sprachwissenschaft, die «[…] in den sechziger Jahren die sich auf moralische und kulturelle Werte berufende Sprachkritik mit einem neuen Begriff von Sprache und einem neuen methodischen Instrumentarium konfrontiert. Daraus erwuchs eine Auseinandersetzung, in deren Folge die Sprachkritik erheblich abgewertet wurde, während die Sprachwissenschaft den Elfenbeinturm realitätsferner, aber theoretisch abgesicherter Wissenschaftlichkeit bezog» (Schiewe 1998, 250).

3.1 Sprechen über Sprache zwischen Deskription und Bewertung

111

Die Möglichkeit, dass, wie Schiewe weiter ausführt, diese Konfrontation und gleichzeitige Entzweiung «[…] durchaus auch eine produktive Entwicklung [hätte] nehmen können» (Schiewe 1998, 250) erfährt erst in jüngerer Zeit auf beiden Seiten, der Öffentlichkeit und der Linguistik, erste Realisierungsansätze. So fassen Spitzmüller et al. (2002) aktuelle Tendenzen des «Streitfall[s] Sprache» in ihrem Sammelband zusammen und liefern Lösungsansätze in Form einer versöhnenden Frage nach der Möglichkeit einer «Sprachkritik als angewandte[r] Sprachwissenschaft»: «Sprache wird im öffentlichen Diskurs (und nicht nur dort) oft genug zum Streitfall. Darin offenbart sich nicht zuletzt die starke emotionale Bindung der Sprecher an ihr Medium und der hohe Stellenwert, der der Bewertung sprachlicher Phänomene, insbesondere des Sprachwandels, im Alltag zukommt. Wie kann und soll die Linguistik auf solche ‹Streitfälle› reagieren? Sollte sie reagieren? Kann sie überhaupt reagieren? Hat sie Methoden zur Hand, mit denen sie sich in öffentliche Diskussionen zum Thema Sprache einmischen kann? Denn wenn sie dies tut, wird sie nicht umhin kommen, zu werten. Bewertet sie aber sprachliche Phänomene, betreibt sie Sprachkritik. Ist dies aber mit dem linguistischen Wissenschaftsbegriff vereinbar?» (Spitzmüller et al. 2002, Vorwort).

Die Grundlinien der in beiden Zitaten aufgezeigten wissenschaftlichen Teilhabe an der Sprachendiskussion determinieren das Forschungsfeld Metasprache in zweierlei Hinsicht: Erstens in Bezug auf die Frage, wer nun für Sprachenfragen überhaupt zuständig sein kann und darf (cf. Abb. 2) und zweitens mit Hoberg (2002) in Bezug auf die Frage, ob die Öffentlichkeit Sprachwissenschaft überhaupt braucht: «Das Interesse der Öffentlichkeit und besonders der Medien an Sprachfragen ist groß, sehr groß sogar, das Interesse der Sprachwissenschaftler am Interesse der Öffentlichkeit äußerst gering. Die Öffentlichkeit ist über dieses Desinteresse keineswegs betrübt oder verärgert, denn sie interessiert sich kaum für die Arbeit der Sprachwissenschaft» (2002, 19).

Die Haltung seitens der Sprachwissenschaft zeichnet sich auch als Tendenz einer älteren Umfrage von Antos/Tietz/Weber (1999) unter 1.500 Sprachwissenschaftlern ab, deren Rücklauf von nur ca. 17% keine Ergebnisse lieferte, die für die Germanistik oder andere Fächer wie die Romanistik (damals) repräsentativ wären. Auch weisen die Autoren hinsichtlich einer umfassenden Problematisierung der Stichprobe auf die statische Altersstruktur der Probanden hin: Diese wird von der Kategorie männlicher Professoren im Alter über 50 Jahre dominiert, wodurch die Verallgemeinerung der Ergebnisse maßgeblich erschwert wird, v. a., da durch das Fehlen «der jüngeren Generation von WissenschaftlerInnen» (Antos/Tietz/Weber 1999, 107) die potenzielle Zahl an Befürwortern einer öffentlichkeitszugewandten Fachkultur vermutlich stark eingeschränkt ist.

112

3 Metasprachdiskurse als historische Systeme

Allerdings zeigen die Ergebnisse der Umfrage einen Trend auf, der für aktuelle Bestandsaufnahmen des Austausches zwischen Wissenschaft und Öffentlichkeit noch relevant erscheint, da auch aktuell weder aus der Perspektive der Germanistik und noch weniger aus der Romanistik wahrnehmbare Anzeichen für einen umfassenden Dialog mit der Öffentlichkeit erkennbar wären. Diesen aufgrund fehlender, beidseitiger Initiativen unveränderten Status quo und seine Ursachen fassen Antos/Tietz/Weber (1999) in einem Befund aus acht Punkten zusammen, der hier in Auszügen wiedergegeben wird: «1. Ja, es [scil. die Frage Linguistik in der Öffentlichkeit?] ist ein Thema, offenbar sogar ein neuralgisches Thema. Das zeigen nicht nur die Antworten, sondern beinahe drastischer noch die zum Teil emotionalen Kommentare, Vorschläge, Unterstellungen, die […] weit über den Rahmen des Fragebogens hinausgehen. 2. Es wird überwiegend ein starkes Mißverhältnis zwischen den Möglichkeiten der Linguistik einerseits und ihrer tatsächlichen Wahrnehmung in der Öffentlichkeit andererseits empfunden. 3. Es gibt ferner eine ‹Wahrnehmungs-Schere› zwischen der Zuschreibung der eigenen öffentlichen Wirksamkeit und einer Öffentlichwirksamkeit von Kolleginnen und Kollegen. 4. Linguistinnen und Linguisten scheinen sich in einer nicht zu vernachlässigenden Anzahl kaum von eigenen Standpunkten zu lösen und ihre Disziplin mit den Augen externer Betrachter beurteilen zu wollen oder zu können. Ausdruck dafür ist die oft unverhohlene Kritik an Laien und deren Umgang mit Problemen der Sprachthematisierung als auch die Kritik an konkurrierenden Strömungen der eigenen Zunft. 5. Das bedeutet nicht, daß LinguistInnen nicht auch selbst Kritik an der eigenen Zunft üben: Auf die Frage, was den Transfer von Forschungsergebnissen behindert und in welcher Weise hier Abhilfe zu schaffen ist, werden in ¾ aller Antworten Forderungen nach ‹Popularisierung›, mehr ‹Verständlichkeit› oder stärkerem ‹Praxisbezug› erhoben. 6. Trotz zahlreicher Kommentare gibt es keine Erklärungsversuche dafür, warum die Öffentlichkeit anderes an Sprache und Kommunikation interessiert und thematisiert als die Linguistik» (1999, 119).

Unter den Umfrageergebnissen sollen drei Punkte als besonders entscheidend für die Konstitution von Metasprachdiskursen und die Beziehung metasprachlicher Akteure untereinander hervorgehoben werden: Die Sprachwissenschaft oder zumindest einige ihrer Vertreter befürworten die Popularisierung wissenschaftlicher Erkenntnisse zugunsten eines erfolgreichen Dialogs mit der Öffentlichkeit, der sich in den vergangenen Jahren vermehrt in der linguistischen Forschungspraxis, und dort insbesondere in Disziplinen wie der Angewandten Linguistik oder in einzelnen Paradigmen wie der Laienlinguistik, manifestiert. In diesen Ansätzen werden Sprachthematisierungen der Öffentlichkeit, auch wenn sie mit einbezogen werden, oft als laienhaft beschrieben – eine Einschätzung, die selten der komplexen Realität entspricht. Eine grundlegende Problematik der Beziehung zwischen Öffentlichkeit und Linguistik als diskursive Vertreter des Sprechens über Sprache besteht also weiterhin darin, dass sie aus wissenschaftlicher Perspektive in Theorie und Praxis nicht nur vertikal, sondern auch unidirektional gedacht wird:

3.1 Sprechen über Sprache zwischen Deskription und Bewertung

113

Wissenschaft

Popularisierung Wissenstransfer

Laienöffentlichkeit

Abb. 6: Diskursvertikalität zwischen Experten- und Laienöffentlichkeit.

So wird zwar von der Popularisierung des Expertenwissens gesprochen, jedoch vergleichsweise seltener von einem bottom-up-Transfer oder einer «Verwissenschaftlichung» von sprachlichen Erfahrungswerten außerhalb der institutionalisierten Wissenschaft (cf. Kap. 2.2.1). Diese Diskursvertikalität wird ferner dadurch verfestigt, dass metasprachliche Diskurse außerhalb der Sprachwissenschaft traditionell an erster Stelle als linguistische Untersuchungsgegenstände und erst an zweiter Stelle als Grundlage für einen Dialog mit den Sprechern erachtet werden.4 Neben inhaltlichen und ideologischen Aspekten ist es folglich auch die Fachtradition, die Sprachwissenschaftler auf der einen Seite und Sprachkritiker, Sprachpfleger, Sprachliebhaber, Sprachästheten etc. auf der anderen Seite zu beiderseits im Bewusstsein verankerten, ungleichen Akteuren eines übergeordneten Metasprachdiskurses gemacht hat. Ebenso ist aber auch von einem sprachwissenschaftlichen Standpunkt aus begründbar, dass Aktivitäten der Sprachpflege in ihrer puristischen Ausrichtung zu einer entschiedenen Wahrung eines (auch vertikalen) Abstands ermutigen und Transferprozesse, die über eine Dialogbereitschaft hinausgehen, aus besagten ideologischen und anderen Gründen für die Linguistik nur schwer vorstellbar sind (cf. hierzu ausführlich Kap. 3.3.7). Auch wenn die Frage nach der Möglichkeit und den besten Wegen eines Dialogs zwischen Wissenschaft und Öffentlichkeit in dieser Arbeit nicht beantwortet werden kann, ist die Abkehr von Definitionen, die «Wissenschaft» als «Expertenöffentlichkeit» und die «nicht-wissenschaftliche Öffentlichkeit» als «Laienöffentlichkeit» in diskursiver Vertikalität anordnen, alleine aufgrund des oben beschriebenen gesellschaftlichen Strukturwandels, nicht mehr zutreffend

4 Zur Definition des Begriffs cf. Kap. 3.3.4; 4.1.1.

114

3 Metasprachdiskurse als historische Systeme

(cf. Kap. 2.1.3; 2.2). So kann ein z. B. von Hoberg vertretenes Verständnis von «Öffentlichkeit» als Menge «[…] alle[r] Menschen […], die aus linguistischer Sicht ‹Laien› sind und sich öffentlich – über die Medien oder in Meinungsumfragen – artikulieren» (2002, 22), es kaum leisten, die Konstitution und Konturen von Öffentlichkeit im digitalen Zeitalter möglichst realitätskonform abzubilden. Denn zu wenig wissen die Forschenden bis dato über die Wissensbestände und Einstellungen der Mehrheit öffentlich metasprachlich agierender Personen, als dass sie diese anhand bestimmter Merkmale zu einer «nicht-linguistischen Öffentlichkeit» verallgemeinern könnten. Abb. 7 stellt die Auflösung dieser Diskursvertikalität als Ausschnitt des Modells von Öffentlichkeit als Diskurssystem moderner Mediengesellschaften dar (cf. Abb. 2): Dieser Ausschnitt fokussiert ausschließlich auf den Bereich des Metasprachdiskurses, in dem verschiedene Mikrosysteme (Sprachwissenschaft, Sprachkritik, Sprachpflege) als autonome, aber ebenfalls durchlässige Teilsysteme «metasprachlicher Öffentlichkeit» bestehen. Die doppelseitigen Pfeile stehen für das gegenseitige Ausrichten der Akteure untereinander durch ihre Positionierungen zu Sprache(n) und Sprechern (cf. Kap. 4.1.2). In diesem Verständnis ist «Öffentlichkeit», im Blickwinkel der gesellschaftlichen Sprachendiskussion, als Raum und nicht als Akteur zu verstehen. Nur eine solche Perspektivierung erlaubt es einerseits, die institutionalisierte Sprachwissenschaft als Teil von Öffentlichkeit zu interpretieren und andererseits alle weiteren Akteure, die in anderen öffentlichen Domänen am metasprachlichen Diskurs teilhaben, aus ihrem eigenen sprachlichen Handeln heraus zu definieren und nicht als Kontrapunkt zum wissenschaftlichen Diskurs. Was abschließend den Aspekt der Wertfreiheit von Wissenschaft anbelangt, ist grundsätzlich der Meinung Schmichs (1987) zuzustimmen, dass das Untersuchen von Bewertungen nicht eo ipso das Äußern von Bewertungen durch den Untersuchenden implizieren muss. Sprachwissenschaftliche Untersuchungen sind ebenso wenig verpflichtet, Bewertungen vorzunehmen wie die Sprachpflege oder Sprachkritik es sind, das Gegenteil zu tun. Dabei muss jedoch prinzipiell bedacht werden, dass Werte und Urteile stets ein Bestandteil von Einstellungen zu Sprache(n) und Sprechern sind, die als Vektoren im Hintergrund sprachbezogenen Sprechens und Handelns wirken (cf. Kap. 3.2.2; 4.1.3). Die Linguistik ist selbstverständlich kein wertefreier Teildiskurs – im Gegenteil: Sie urteilt über andere metasprachliche Akteure wie diese über die Sprachwissenschaft urteilen. Entscheidend sollte dabei sein, dass abgrenzende Positionierungen der Akteure, sowohl seitens der Sprachwissenschaft als auch der Sprachpflege, einer beiderseits möglichst sachverhaltsorientierten Auseinandersetzung mit dem Gegenüber und seinem metasprachlichen Wissen folgen (cf. Kap. 3.3.7). Erst auf dieser Grundlage wären Metasprachdiskurse als demokratische Diskursmo-

3.1 Sprechen über Sprache zwischen Deskription und Bewertung

115

Öffentlichkeit

Metasprachdiskurs

Diskursdomäne

Abb. 7: «Metasprachliche Öffentlichkeit» als multireziproker Diskursraum.

delle überhaupt im Ansatz denkbar (cf. Kap. 2.1.3). Konkrete programmatische Ansätze hierzu wurden in der Germanistik z. B. von Wimmer (1982) mit dem Konzept einer linguistisch begründeten Sprachkritik entworfen, deren Ziele und Methoden in die Nähe der Sprachreflexion im Sprachunterricht gerückt werden: «In der Tat ist das oberste Ziel der Sprachkritik von einem ähnlichen Allgemeinheitsgrad wie das bekannte Richtziel ‹Reflexion über Sprache› für einen Teil des Sprachunterrichts. Hier wie dort geht es nicht um bestimmte parteiliche Einstellungen zu bestimmten Formen des Sprachgebrauchs, sondern um die Kultivierung eines umsichtigen, undogmatischen und toleranten Umgangs mit Sprache, dessen Notwendigkeit nicht aus bestimmten gesellschaftspolitischen Vorstellungen hergeleitet zu werden braucht, weil er seine Basis in der Selbstreflexivität der natürlichen Sprache selbst hat. Insbesondere wird mit dem obersten Ziel der Sprachkritik nicht angestrebt, für oder gegen bestimmte Normierungen und Normierungstendenzen bezüglich des alltäglichen Sprachgebrauchs Stellung zu beziehen, was nicht ausschließt, daß eine Sprachkritik als Sprachnormenkritik Hilfen für die Normenauseinandersetzungen bietet» (Wimmer 1982, 301).

Diese und ähnliche aus den 1980er und 1990er Jahren stammenden Initiativen für eine mit den Worten v. Polenz «[…] bessere, politisch ‹eingreifende› Sprachkritik aufgrund einer pragmatisch orientierten Sprachwissenschaft […],5 bei de-

5 Cf. z. B. Heringer (1982a); Wimmer (1982; 1984; 1991; 1994; 2006); Holly (1983); Sanders (1996).

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3 Metasprachdiskurse als historische Systeme

nen Begriffe wie ‹offene Sprachkultur›, ‹Sprachkultivierung im Vollzug› und ‹kommunikative Ethik› eine Rolle spielen» (2000, 335),6 können laut Roth (2004) heute als gescheiterte Ansätze einer wissenschaftlich fundierten Sprachkritik gelten: «Wer sich heute als Sprachwissenschaftler mit den Möglichkeiten (politischer) Sprachkritik beschäftigt, betritt ein nahezu verlassenes Feld. Diejenigen, die es einmal sehr intensiv betrieben haben […], haben es vor einigen Jahren geräumt und seitdem brachliegen lassen. Dieser gemeinsame Rückzug von dem Versuch, eine ‹linguistische› bzw. ‹wissenschaftliche› Sprachkritik zu begründen, mag verschiedene Gründe gehabt haben. Möglicherweise kamen den daran beteiligten Wissenschaftlern mit dem Jahr 1990 neue Akzente im öffentlichen Interesse in die Quere, die auch das Augenmerk der politischen Linguistik weglenkten von den grundsätzlichen Fragen politischer Sprache und Kommunikation, hin auf die speziellen sprachlichen Verhältnisse im innerdeutschen Einigungsprozess. Hinzu kam die immer schnellere Entwicklung im Bereich der alten und neuen Medien, deren Aufarbeitung […] zu Recht größeren Raum einnahm. Daneben aber […] sorgte auch die methodische Konzeption dieser ‹linguistischen Sprachkritik› selbst dafür, dass ihre Autoren sie weitgehend aufgaben […]» (Roth 2004, 7).

Die romanistische Linguistik äußert sich zu einer möglichen Rolle und damit verbundenen Aufgaben außerhalb bzw. ergänzend zur Deskription von Sprache vergleichsweise zurückhaltender. Dabei scheint es fast so, als ob der in vielen romanischen Ländern besonders ausgeprägte öffentliche normative Sprachendiskurs als Untersuchungsgegenstand zu einer besonderen Vorsicht und Zurückhaltung der Forschenden i. S. einer bewusst deskriptiven Verortung ihrer Arbeiten anregt.7 Ausgehend von der grundlegenden Differenzierung metasprachlicher Diskurse in bewertende und beschreibende Typen innerhalb eines heute horizontal zu denkenden Raums metasprachlicher Diskurse widmen sich die folgenden Kapitel einer historisch-vergleichenden Reflexion des Verhältnisses zwischen Sprachwissenschaft und Öffentlichkeit in Deutschland und Frankreich unter besonderer Berücksichtigung sprachpflegerischer Tendenzen. Dieser diachrone

6 In diese Diskussion fallen auch Beiträge, die Sprachnormen gänzlich bzw. als nicht tragfähige Bewertungsgrundlage von Sprachkultur ablehnen. Diese Ablehnung liegt z. B. bei Heringer (1982b) in der Ablehnung von Normen an sich und in einem starken Misstrauen gegenüber den Medien als Sprachnormeninstanz begründet: «Auf die Frage, ob wir für Presse, Hörfunk und Fernsehen sprachliche Normen formulieren und durchsetzen sollten, antworte ich mit einem glatten Nein. Was mich schreckt an diesen Institutionen, ist, daß sie mir Sachen erzählen, die nicht stimmen und die ich nicht überprüfen kann. Die Medien machen tatsächlich die Sprache und sie machen eine genormte, eine vereinheitlichte Sprache. Die Medien machen tatsächlich eine Welt, eine sterile, nette, vereinheitlichte Welt» (1982, 94). 7 Cf. hierzu Kap. 3.3.7.

3.1 Sprechen über Sprache zwischen Deskription und Bewertung

117

Überblick gibt zum einen Anlass, um an ausgewählten sprachhistorischen Beispielen die Genese von Sprachpflege als Diskurssystem in seinen unterschiedlichen strukturellen und räumlichen Gestaltformen inhaltlich zu erfassen und terminologisch zu nuancieren. Dabei sollen in diskurslinguistischer Perspektive auf der Grundlage ausgewählter Belege aus dem Bereich des historischen Metasprachdiskurses kontextspezifische sprachliche Muster von Metasprache ermittelt werden, die das sprachliche Handeln von Sprachpflege typisieren. Zum anderen werden im Rahmen von zwei Exkursen ausgewählte theoretische Konzepte und epistemologische Diskussionen an konkreten sprachhistorischen Kontexten illustriert. Diese Konzepte werden an späterer Stelle als Ankerpunkte auf die synchrone Korpusanalyse bezogen (cf. Kap. 4.2–4.3). Der erste Exkurs (cf. Kap. 3.2.2) diskutiert die Bedeutung des auf die Prager Schule zurückgehenden Sprachkulturkonzepts unter besonderer Berücksichtigung des methodischen Potenzials, das die darin begriffene Definition von Sprache als sozialem Handeln sowie Sprachideologien als Regime und Spracheinstellungen als Vektoren metasprachlichen Handelns bei einer Adaption auf diskursanalytische Ansätze bietet (cf. Kap. 4.1.1). Diesem Verständnis von Sprache als Handeln folgt die historische Untersuchung des vorliegenden Kapitels in kontrastiver Perspektive auf die Diskursräume Deutschland und Frankreich, wobei der Beschreibung von Strukturen ‹metasprachlicher Öffentlichkeiten› ein besonderer Stellenwert zukommt. Der zweite Exkurs fasst kritische Überlegungen zum Zusammenhang verschiedener Positionen metasprachlichen Handelns zusammen und geht dabei auf die sprachideologische Spannung zwischen beschreibenden und bewertenden Metasprachdiskursen sowie zwischen Linguistik und Sprachpflege als Vertreter dieser antagonistischen Positionen der öffentlichen Sprachendiskussion ein. Besondere Bedeutung kommt in diesem Zusammenhang dem Paradigma der Laienlinguistik zu, das als eigene Domäne metasprachlicher Positionierungen in diesem Spannungsfeld angesiedelt wird (cf. Kap. 3.3.7). Ziel dabei ist es zu zeigen, dass nicht-wissenschaftliche Sprachbetrachtungen gerade im digitalen Zeitalter sowohl als Domäne der öffentlichen Sprachendiskussion und als Teilsystem gesellschaftlicher Sprachreflexion zu berücksichtigen sind als auch gleichzeitig in ihrer terminologischen Kategorisierung als laienhafte Manifestationen nicht zu verallgemeinern. Diesen Wissensbeständen, die sich sowohl außerhalb der berufsständigen Linguistik als auch außerhalb der institutionalisierten Sprachpflege bewegen, kommt eine entscheidende Bedeutung bei der Konstitution von Spracheinstellungen zu. Letztere werden im Rahmen dieser Arbeit als Schnittstelle von Metasprachdiskursen definiert, die sowohl die Bereiche der Sprachbewertung und Sprachbeschreibung verbindet (cf. Kap. 3.3.7) als auch die transtextuelle und intratextuelle Ebene von Diskursen (cf. Kap. 4.1.3). Dabei wird nicht zu ermitteln oder zu messen beabsichtigt,

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3 Metasprachdiskurse als historische Systeme

durch welche Kriterien sich Einstellungen sprachlicher Laien von Experteneinstellungen unterscheiden, sondern es soll gezeigt werden, wie soziale Gruppen in Sprachenfragen aufgrund historisch gewachsener, sprachideologischer Regime in ihren Positionierungen zu Sprache(n) und Sprechern zusammen- oder auseinanderrücken können.

3.2 Deutschland Brauchen wir die Linguistik wirklich?[…] Die Antwort darauf ist brutal: Das hängt von der Linguistik ab – nicht zuletzt, welche Forschungs- und Anwendungsfelder sie besetzt, welche sie verteidigt bzw. welche sie sich von benachbarten Disziplinen nehmen lässt! (Antos 2003, 473)

In einem Beitrag zum Verhältnis von Sprachwissenschaft und Öffentlichkeit illustriert Trabold (2009), seit 1994 Leiterin des Bereichs Öffentlichkeitsarbeit und Dokumentation am Institut für Deutsche Sprache (IDS) in Mannheim, anhand eines aus der eigenen Praxis gewählten Beispiels das bis heute fortbestehende, problematische Verhältnis zwischen Sprachwissenschaft und Öffentlichkeit: «Als ich in der Vorankündigung der Sendung von Sabine Christiansen zum Thema: ‹Man spricht Deutsch – aber wir?› (ARD, 29. 07. 2001, 21.45h) feststellte, dass keine Sprachwissenschaftler eingeladen waren, rief ich die zuständige Redakteurin an und bot an, dass wir vom IDS eine fernsehtaugliche Person in die Runde schicken. Die Redakteurin ließ mich wissen, dass das Institut für Deutsche Sprache zwar bekannt, aber nicht populär sei. Mit dem beteiligten Rhetorikprofessor Walter Jens – so die Redakteurin – habe man eine populäre Person aus dem Bereich Sprache eingeladen. Meine Einwände, dass Walter Jens kein Sprachwissenschaftler sei und nicht unbedingt etwas zu Tendenzen der Gegenwartssprache, zur damals aktuellen Rechtschreibreform und zu Anglizismen sagen könne, ließ sie nicht gelten» (2009, 539).

Dieser Bericht verdeutlicht, dass das Interesse der Öffentlichkeit und der Medien an der Auseinandersetzung mit Sprachfragen groß, das Interesse an einer Diskussion dieser Fragen mit der Sprachwissenschaft wohl aber gering ist.8 So

8 Zu den Gründen der geringen Relevanz der Sprachwissenschaft im gesellschaftlichen Kontext, die mir für die romanistische Linguistik gerade heute relevant zu sein scheint, bemerkt bereits Trabold (1993): «Somit ist die ungenügende Präsenz der Sprachwissenschaft in der Öffentlichkeit auch eine Folge der selbstauferlegten Abstinenz der Forschenden. Das ist m. E. ein paradoxer Zustand, denn ‹gesellschaftliches Geschehen› wird ja durch Sprache erst ermöglicht, Sprache schafft gesellschaftliche Realität, Sprache ist der zentrale und elementare Bestandteil des Menschseins schlechthin. […] Würde man das Relevanzkriterium zum zentralen Kriterium wissenschaftlicher Tätigkeit erheben, so müßte die Sprachwissenschaft mit ihrer Be-

3.2 Deutschland

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besteht bei manchen der Eindruck, dass die Frage Braucht die Öffentlichkeit die Sprachwissenschaft? (Hoberg 2002, 20) von Linguisten zwar bejaht wird, von der sprachinteressierten Öffentlichkeit jedoch nicht den gleichen Zuspruch erfährt. Eine genau gegensätzliche Einschätzung gibt Bär (2002), wenn er sagt, dass «[…] es zwar derzeit noch [so scheint…], als ob eher die Gesellschaft mit der Linguistik reden wolle als umgekehrt […]. Doch gibt es […] Anzeichen dafür, dass eine Rückbesinnung auf die Frage nach der gesellschaftlichen Relevanz des Faches wieder auf die Tagesordnung […] zurückfindet» (2002, 223). Die beide Positionen vereinende Feststellung einer zwischen Öffentlichkeit und Sprachwissenschaft entstandenen, gegenseitigen Skepsis (cf. Spitzmüller 2005, 7) und die mit ihr bis heute einhergehende Absonderung der Linguistik als wissenschaftlicher Disziplin sieht Schiewe (2003) in einer diachronen Zusammenschau der gesellschaftlichen Beschäftigung mit Sprache v. a. in der Trennung von Sprachwissenschaft und Sprachkritik im 19. Jh. begründet: «Das 19. Jahrhundert ist gekennzeichnet von einer Trennung zwischen Sprachwissenschaft und Sprachkritik. Man könnte von einer Funktionsteilung sprechen: Die Sprachwissenschaft hat die Aufgabe der Deskription, die Sprachkritik die der Wertung übernommen. Diese Trennung existiert bis heute. […] Blickt man vom 18. Jahrhundert her auf diese Entwicklung, dann ergibt sich für das Verhältnis von Sprachkritik und Sprachwissenschaft folgender Befund: Nicht die Sprachkritik hat sich oder wurde aus der Sprachwissenschaft ausgegliedert, vielmehr war es die Sprachwissenschaft, die sich als eine nun vorrangig historisch beschreibende und erklärende Disziplin aus dem vormaligen Verbund ausgliederte und für sich sowohl vom Objektbereich als auch von der Methode her ein neues Feld erschloss. Die nun vorhandene Trennung wird besonders an den Institutionen deutlich. An den Universitäten wurde eine nationalsprachliche Philologie etabliert, dort wurde Sprachwissenschaft […] als eine akademische Disziplin betrieben. Die Sprachkritik siedelte sich im öffentlichen, nicht-akademischen Bereich an. Sie hatte ihren Ort vor allem in den Sprachvereinen und wurde insbesondere von Lehrern und Einzelpersonen aus dem Bildungsbürgertum betrieben. So wie die Sprachwissenschaft auf Wertungen verzichtete, verzichtete die Sprachkritik auf Deskription. Die Klammer zwischen beiden Formen des Umgangs mit Sprache bildete allerdings ein gemeinsamer Sprachbegriff: Sprache, verstanden als selbstständiger Organismus» (Schiewe 2003, 407–408).9

deutung für die Gesellschaft und ihrer Bedeutung für den einzelnen, mit an erster Stelle der Wissenschaften stehen, da sie ‹etwas› erforscht, das alle haben und mit ‹dem› alle täglich umgehen. Die Relevanz einer Wissenschaft wird aber heute eher nach dem Kriterium der Nützlichkeit im technologisch weiterverwertbaren Sinne definiert, daher steht das Fach Computerlinguistik zur Zeit höher im Kurs als die herkömmlichen linguistischen Bereiche. Wissenschaftliche Forschung ist (auch) in der heutigen Zeit nicht wertfrei, da das Kriterium der (technologischen) Weiterverwertbarkeit das Forschen dominiert bzw. überhaupt erst ermöglicht» (Trabold 1993, 20–21). 9 Zur metaphorischen Darstellung von SPRACHE ALS ORGANISMUS cf. Kap. 4.2.2; 4.3.1.3; 4.3.2.3.

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3 Metasprachdiskurse als historische Systeme

3.2.1 17. und 18. Jahrhundert: Sprachreflexion und Sprachkultur Vor der von Schiewe (2003) beschriebenen Spaltung der Sprachreflexion waren die Tätigkeiten des Beschreibens und Bewertens von Sprache untrennbar miteinander verbunden und gerade das aufklärerische Sprachverständnis sah sich ganz selbstverständlich in der Pflicht, das menschliche Denken durch die Orientierung an bestimmten sprachlichen Idealen zu perfektionieren. Solch sprachkritische Ansätze, die, wie Cherubim/Walsdorf (2005) festhalten, den Begriff «Kritik» in seiner positiven Bedeutungskomponente als Ausgangspunkt für Vernunft und Fortschritt (cf. 2005, 15–16) interpretieren, stellen den Beginn der traditionellen deutschen Sprachgesellschaften dar, als deren Gründungsfiguren v. a. Leibniz, Gottsched und Schottelius hervorgehoben werden (cf. Cherubim/ Walsdorf 2005, 53–92). Die sprachhistorischen Zusammenhänge des 18. Jhs. als Epoche rationalistischer Sprachreflexion sind nicht nur durch die aufklärerische Sprachkritik geprägt, sondern durch zahlreiche andere Prozesse, die sowohl für die Herausbildung einer neuen Öffentlichkeitsstruktur der deutschen Gesellschaft (cf. Kap. 2) als auch des Verhältnisses von Sprache und Nation als prägende Kräfte wirken. In diese Zeit fallen «[die] endgültige Konsolidierung der deutschen Standardsprache, also dessen was heute üblicherweise als Hochdeutsch bezeichnet wird […] die Veränderung der politischen Verhältnisse […] zugunsten der zunehmend souveräner werdenden Territorialstaaten […] und die Notwendigkeit einer innerhalb der Territorien und über ihre Grenzen hinweg funktionierenden Verwaltungssprache; die Veränderung der ökonomischen Verhältnisse in Richtung einer Kapitalisierung der Wirtschaft […]; die Bewertung der Muttersprache als Ausdruck politischer und kultureller Identität, verstärkt durch die Schwäche der Reichsgewalt und damit durch das Fehlen einer dominierenden Zentrumsgröße, die als politischer und kultureller Orientierungspunkt zu dienen vermag; die Herausbildung eines sich zunehmend emanzipierenden Bildungsbürgertums, die fortschreitende Verschriftlichung und die durch den Buchdruck ermöglichte Ansprache breiterer, des Lateinischen nicht mächtiger Leserschichten; die Aufwertung der Volkssprachen durch den Protestantismus; die Herausbildung neuer bzw. die Verwissenschaftlichung traditioneller Forschungsgebiete, getragen von der Entstehung eines modernen Wissenschaftsbegriffs […] und […] damit einhergehend die Notwendigkeit leitungsfähiger Fach- und Wissenschaftssprachen; die Durchsetzung einer realienorientierten, auf der Muttersprache aufbauenden Pädagogik und Didaktik […]» (Gardt 2000c, 169–170).

An den aufgrund ihrer Bedeutung für das deutsche Sozietätswesen hier als erstes Beispiel gewählten Arbeiten Leibniz’ kann die weit vor dem 19. Jh. ungeteilte Sprachreflexion nachvollzogen werden:10 Leibniz’ sprachbezogenes Werk lässt 10 Eine umfassende Porträtierung und Diskussion der zahlreichen deutschen Sprachdenker und Mitglieder der deutschen Sprachgesellschaften kann an dieser Stelle nicht geleistet werden. Die Arbeiten von Schiewe liefern eine ausführliche Untersuchung verschiedener sprach-

3.2 Deutschland

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sich grob in «[…] zwei Themenbereiche, einen sprachphilosophischen und einen sprachpflegerischen» einteilen (Gardt 2000c, 177). Zum philosophisch orientierten Teil können Schriften gezählt werden, die sich mit der Beziehung von Sprache und Denken befassen. Gardt (2000c) hebt hier v. a. die Abhandlungen im dritten Buch der Nouveaux essais sur l’entendement humain (1704) hervor, wo die Ansätze und Möglichkeiten einer logisch-philosophischen Universalsprache ausgeführt werden. In dieser Kategorie sind auch die früheren Schriften Meditationes de Cognitione, Veritate et Ideis (1648), die Dissertatio de Arte Combinatoria (1666) sowie De connexione inter res et verba (1677) zu verorten, wobei Grammatik- und Stilfragen darin nur vereinzelt besprochen werden (cf. Gardt 2000c, 177). Sprachpflegerische Perspektiven nimmt Leibniz v. a. in Bezug auf die Bedeutung der Muttersprache für die zivilisatorische Bildung und die darauf beruhende Leistungsfähigkeit einer Nation ein, die sich im Rahmen eines «nationalpädagogische[n] Anliegen[s]» (Gardt 2000c, 177) als thematisches Kernelement im Werk des Aufklärers niederschlagen und die sich in motivischer Ausprägung mit Wiedererkennungswert bis in den heutigen sprachpflegerischen Diskurs erstrecken. Dabei muss klar betont werden, dass aufklärerisch fundierte Argumentationen, v. a. in Leibniz’ späteren Schriften, ganz eindeutig mit nationalideologischen und hegemonialen Ansinnen einhergehen, wie der folgende Einleitungsparagraph aus den ca. 1697 entstandenen Unvorgreifflichen Gedankken betreffend die Ausübung und Verbesserung der Teutschen Sprache (1908) kenntlich macht: (9) Es ist bekandt, daß die Sprach ein Spiegel des Verstandes, und daß die Völcker, wenn sie den Verstand hoch schwingen, auch zugleich die Sprache

philosophischer, sprachreflexiver und sprachkritischer Texte von u. a. Gottfried Leibniz, Christian Wolff, Johann Christoph Gottsched, Johann Gottfried Herder, Johann Christoph Adelung, Joachim Heinrich Campe und Carl Gustav Jochmann. Cf. zur Geschichte der Sprachkritik Schiewe (1998), für einen allgemeineren und synthetischen Überblick Schiewe (2003, 2004). Für eine diachrone Darstellung im Kontext der deutschen Sprachwissenschaftsgeschichte cf. Gardt (1999). Untersuchungen zu einzelnen Sprachkritikern und ihren ideologischen Ausrichtungen wurden u. a. zu Campe von Orgeldinger (1999), und zur Spätaufklärung sowie Sprachkritik Jochmanns von Schiewe (1989) vorgelegt. Zur allgemeinen Bedeutung dieser Sprachkritiker für die Genese insbesondere normalisierender Metasprachdiskurse kann mit Schiewe (2003) festgehalten werden: «Sie haben mit ihren Konzepten praktisch in den Sprachgebrauch eingreifen wollen und – mit mehr oder weniger Erfolg – auch einen Sprachgebrauchswandel ausgelöst. Sie haben bestehende Normen reflektiert, neue Normen formuliert, und, zum Teil jedenfalls, auch Vorschläge gemacht oder Maßnahmen ergriffen, mit denen diese neuen Normen durchgesetzt werden sollten» (2003, 405). Cherubim/Walsdorf (2005) schreiben Leibniz darüber hinaus neben der inhaltlichen Bedeutung seiner programmatischen Schriften Ermahnung an die Teutsche (1682) und Unvorgreiffliche Gedancken (ca. 1697) für die Begründung der

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3 Metasprachdiskurse als historische Systeme

wohl ausüben, welches der Griechen, Römer und Araber Beispiele zeigen. Die Teutsche Nation hat unter allen Christlichen den Vorzug wegen des Heiligen Römischen Reichs, dessen Würde und Rechte sie auff sich und ihr Oberhaupt gebracht […] Derowegen haben die Teutsche sich desto mehr anzugreiffen, daß sie sich dieser Würde würdig zeigen, und es andern nicht weniger an Verstand und Tapferkeit zuvor thun mögen, als sie ihnen an Ehren und Hoheit ihres Oberhaupts vorgehen (Leibniz 1908, 327–328).11 Diese Darstellung von Sprache als Spiegel des Verstandes stellt auch in aktuellen, im Internet geführten Anglizismendebatten ein rekurrentes Muster dar (cf. Kap. 4.3). Dieses ist Teil eines «topischen Sediments», das über die Jahrhunderte konserviert wurde. Solche Sedimente metasprachlichen Handelns werden in verschiedenen soziohistorischen Kontexten unterschiedlich aufgegriffen, verhandelt und weiterentwickelt und spiegeln sich als kognitive Repräsentationen in den diskursiven Strukturen bestimmter Epochen wider. So zeigt Leibniz beim Thema Fremdworteinfluss eine auf den ersten Blick aufgeklärte und fast liberal anmutende Spracheinstellung bei gleichzeitiger Ablehnung puristischer Initiativen nach dem Vorbild der barocken italienischen, französischen und deutschen Akademien, die er mit den kontraproduktiven Auswirkungen reinheitsstrebender Maßnahmen begründet: (10) Hat es demnach die Meynung nicht, daß man in der Sprach zum Puritaner werde, und mit einer abergläubischen Furcht ein fremdes, aber bequemes Wort, als eine Todt-Sünde vermeide, dadurch aber sich selbst entkräffte, und seiner Rede den Nachdruck nehme; denn solche allzu grosse Scheinreinigkeit ist einer durchbrochenen Arbeit zu vergleichen, daran der Meister so lange feilet und bessert, biß er sie endlich gar geschwächet, welches denen geschicht die an der Perfectie-Kranckheit, wie es die Holländer nennen, darnieder liegen. Ich erinnere mich, gehöret zu haben, daß wie in Franckreich auch dergleichen Rein-Dünckler auffkommen, welche in der That, wie Verständige anitzo erkennen, die Sprache nicht wenig ärmer gemacht, da solle die gelehrte Jungfrau von Journay, des berühmten Mon-

Sprachgesellschaften im 18. Jhd. auch die Rolle eines zeitlichen Vermittlers zu, da seine Lebund Wirkungszeit in die der barocken Sprachgesellschaften zurückreicht (cf. 2005, 54). 11 Die Schreibung folgt der digitalen Fassung bearbeitet von Thomas Gloning (Stand: 22. 07. 2000). Diese ist einsehbar unter: http://www.staff.uni-giessen.de/gloning/tx/lbnz-ug.htm [letzter Zugriff: 21. 12. 2020]. Auch in allen folgenden sprachhistorischen Belegen, in denen der Text vom heutigen Schriftbild abweicht, wurde die Schreibung gemäß dem Originaltext oder der Fassung späterer Editionen übernommen.

3.2 Deutschland

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taigne Pflege-Tochter gesaget haben; was diese Leute schrieben, wäre eine Suppe von klarem Wasser (un bouillon d’eau claire) nehmlich ohne Unreinigkeit und ohne Krafft. So hat auch die Italiänische Gesellschaft der Cruska oder des Beutel-Tuchs, welche die böse Worte von den guten, wie die Kleyen vom feinen Mehl scheiden wollen, durch allzu eckelhafftes Verfahren ihres Zwecks nicht weniger verfehlet, und sind daher die itzigen Glieder gezwungen worden, bey der letzten Ausgebung ihres Wörter-Buchs, viel Worte zur Hintertür einzulassen, die man vorhero ausgeschlossen; weil die Gesellschafft anfangs gantz Italien an die Florentinische Gesetze binden, und den Gelehrten selbst allzu enge Schrancken setzen wollen. Und habe ich von einem vornehmen Glied derselbigen, so selbst ein Florentiner, gehöret, daß er in seiner Jugend auch mit solchem Toscanischen Aberglauben behafftet gewesen, nunmehr aber sich dessen entschüttet habe. Also ist auch gewiß, daß einige der Herren fruchtbringenden, und Glieder der andern Teutschen Gesellschafften hierin zu weit gangen […] (Leibniz 1908, 332–333). Was die bei Leibniz diskutierte und in der germanistischen Sprachgeschichte gut erforschte Bedeutung des deutschen Sozietätswesens im 17. und 18. Jh. anbelangt,12 ist grundsätzlich zu bedenken, dass die kritische Beschäftigung mit Sprache ihren Ausgangspunkt weder im 17. Jh. mit den barocken Sprachgesellschaften noch im 18. Jh. hat, sondern lange zuvor «[…] schon in den philosophischen Zirkeln oder den philologischen Schulen (z. B. Alexandreia, Pergamon) der Antike statt[fand] und […] in den mittelalterlichen Streitschriften oder den humanistischen Gesprächen der Renaissance in Italien wiederaufgenommen und fortgeführt [wurde]» (Cherubim/Walsdorf 2005, 53).13 V. a. den «hauptsächlich philosophisch orientierten italienischen Renaissance-Akademien, denen im 16. Jh. philologisch und naturwissenschaftlich ausgerichtete Sozietäten folgten», schreibt Döring (2003) eine wesentliche Rolle als Vorläufer der wissenschaftlichen Akademien der Neuzeit zu: «Im 17. Jahrhundert sind es vor allem die Entwicklungen in England und Frankreich, die das Interesse der Wissenschaftshistoriker finden. In London wird 1660 die Royal Society gegründet, die sich den Naturwissenschaften widmet; bereits 1635 ist in Paris die Académie Française ins Leben gerufen worden, die sich der Pflege der französischen Sprache

12 Cf. z. B. Bircher/v. Ingen (1978); Kramer (1992); Flamm (1994); v. Polenz (1994, 112–133); Zaunstöck/Meumann (2003); Cherubim/Walsdorf (2005). 13 Zur antiken Geschichte der Sprachtheorie cf. Schmitter (1996); zu den sprachtheoretischen Grundbegriffen des 17. und 18. Jhs. cf. Haßler/Neis (2009).

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und Literatur annimmt.14 Die Naturwissenschaften finden in der Académie des Sciences (gegründet 1966) ihren Mittelpunkt. Zum allgemeinen kulturellen, geistesgeschichtlichen Hintergrund wird, zumindest seit einiger Zeit, noch gern auf das utopische Denken im 16. und 17. Jahrhundert verwiesen; Thomas Morus, Francis Bacon, Valentin Andreae, Tommaso Campanella und Jan Amos Comenius sind hier die bekanntesten Namen. Was die speziellen deutschen Verhältnisse angeht, so ist die Aufzählung rasch abgeschlossen: die humanistischen Sodalitäten der Zeit um 1500, die Sprachgesellschaften (vor allem die Fruchtbringende Gesellschaft) des 17. Jahrhunderts, die kurzlebige Societas Ereneutica (1622–1625) des Joachim Jungius in Rostock und die Academia Naturae curiosorum (gegründet 1652), später bekannt geworden unter der Bezeichnung Leopoldina. Im letzten Drittel des 17. Jahrhunderts tritt dann Gottfried Wilhelm Leibniz auf den Plan, zuerst mit verschiedenen Entwürfen zur Errichtung einer Akademie, dann mit der ersten konkreten Gründung, der Brandenburgischen Sozietät der Wissenschaften. Ihrem Beispiel schließlich folgen im Laufe des Jahrhunderts der Aufklärung eine Reihe von Akademiegründungen inner- und außerhalb Deutschlands. […] [Z]u den wesentlichen Gemeinsamkeiten dieser Akademiegründungen [zählten], daß sie einmal unter unmittelbarem staatlichen Schutz standen und andererseits in ausgesprochener Abgrenzung zu den Universitäten gegründet wurden, die sich in jener Zeit in einem Zustand der geistigen Sterilität bzw. scholastischen Erstarrung befunden hätten. Die Geburtsstätte der modernen Wissenschaft sei daher ganz und gar bei den Akademien zu suchen; das 18. Jahrhundert sei das Jahrhundert der Akademien» (2003, 13–14).

Relativierend wird ebenfalls mit Döring (2003) darauf hingewiesen, dass v. a. für die sprachgeschichtlichen Entwicklungen in Deutschland neben den Akademien andere, z. T. weiter verbreitete Organisationen gleichermaßen bedeutend für die Erweiterung und strukturellen Veränderungen des Wissenschaftsdiskurses waren und bei den «deutschen Sozietätenbildungen der Frühen Neuzeit zu berücksichtigen [sind]» (Döring 2003, 42),15 da sie es waren, die zentrale Struk-

14 Zur Académie française cf. Kap. 3.3.4. 15 «Gerade für die deutschen Verhältnisse ist die Auffassung, die modernen Wissenschaften hätten sich allein oder doch vor allem im Rahmen der Akademien entwickelt, schwer zu behaupten. […] Die Berliner Akademie, die bis in die Mitte des 18. Jahrhunderts die einzige ihrer Art blieb, ist bekanntlich bis in die vierziger Jahre über eine eher provinzielle Bedeutung nicht hinausgekommen. Erst 1750 entsteht mit der Gründung der Göttinger Gesellschaft der Wissenschaften eine weitere Akademie, die jedoch von Beginn an eine enge Beziehung zur Universität ihres Standortes unterhielt. Gleiches gilt für die 1754 ins Leben gerufene Akademie der gemeinnützigen Wissenschaften in Erfurt. Erst die Gründungen in München (1759) und Mannheim (1763) stehen in keiner unmittelbaren Verbindung zu einer Universität. Alle diese neuen Einrichtungen hatten immer wieder mit erheblichen Schwierigkeiten und Existenznöten zu ringen. […] Diese Feststellung soll und kann nicht bedeuten, dass die Sozietäten in der deutschen Wissenschaftsgeschichte des 18. Jahrhunderts keine wesentliche Rolle gespielt hätten. Nur ist es notwendig, den Blick über den Bereich der Akademien hinauszulenken. […] Eine weitaus größere Zahl gelehrter Sozietäten war gerade innerhalb oder zumindest am Rand der Universitäten angesiedelt. […] Jene […] tragen nun ganz unterschiedliche Bezeichnungen: z. B. Gesell-

3.2 Deutschland

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turen, die später wiederum von den Akademien übernommen wurden, herausbildeten und für zahlreiche Gelehrte eine direkte Anlaufstelle darstellten. In diesem Zusammenhang können v. a. die Kollegien als älteste und in Deutschland, insbesondere im Umfeld der Leipziger Hochschule als nominell am weitesten verbreitete Organisationsform hinsichtlich ihres Einflusses i. S. nicht-universitärer, aber oftmals an den Universitäten angesiedelter Personenverbände hervorgehoben werden. Die neuzeitliche Herausbildung der Kollegien als gelehrte Interessenverbände nach Vorbild des römisch-republikanischen collegium geht wohl auf humanistische Ansatzpunkte zurück (cf. Döring 2003, 19–20). Im Kontext epochen- und nationenübergreifender Überlegungen stellt Döring (2003) weiter die Vermutung an, dass die Gründung der Leipziger Kollegien im 17. Jh. – wenn auch wahrscheinlich nur im Sinne eines externen Anreizes – auf die 1617 in Deutschland gegründete Fruchtbringende Gesellschaft und ggf. auf die zahlreichen italienischen Akademien des 16. und frühen 17. Jhs. zurückzuführen sei (cf. Döring 2003, 24–26). Die genauere Betrachtung der Kollegien, Akademien und Sozietäten des 17. und 18. Jhs., die im Folgenden unter dem Begriff «Sprachgesellschaften» (cf. Gardt 1998) zusammengefasst werden,16 ist sowohl in aktueller als auch in sprachgeschichtlicher Perspektive von Relevanz: In der gegenwärtigen wissenschaftlichen Diskussion um das Spannungsfeld Linguistik ‒ Öffentlichkeit zeigt sich eine Rekurrenz auf die theoretischen Arbeiten der aufklärerischen Sprachgesellschaften, die Ansätzen einer modernen germanistischen Sprachkritik zum Vorbild gereichen. So plädieren Schiewe/Wengeler (2005) in ihrer Funktion als Herausgeber der Zeitschrift für Sprachkritik und Sprachkultur (aptum), für eine

schaften, Sozietäten, Oratorien. Die am weitesten verbreitete, die zugleich auch als die älteste zu gelten hat, ist jedoch die des Kollegiums» (Döring 2003, 16–19). 16 «Als Sprachgesellschaften (SG) können diejenigen Sozietäten gelten, bei denen die Sprache im Fokus aller Aktivitäten steht, seien diese auf die Struktur der Sprache gerichtet (z. B. Anfertigung grammatikographischer oder lexikographischer Arbeiten) oder seien sie sprachkritischer Natur (z. B. Beurteilung gesellschaftlicher oder moralisch-sittlicher Zusammenhänge anhand sprachlicher Phänomene). Auch das Verfassen von Dichtungen und Übersetzungen kann Teil der Arbeit einer SG sein, sofern es maßgeblich im Dienst der Sprachpflege steht. Kennzeichnend für sprachgesellschaftliches Wirken ist stets die Auffassung, daß eine Sprache weder nur lexikalisch-grammatisches System noch bloß technisches Werkzeug der Kommunikation ist, sondern immer zugleich Träger kultureller (u. a. ästhetischer), gesellschaftlicher (u. a. moralischer) und politischer Werte und Überzeugungen, die sich im Sprachsystem wie in den Akten der Kommunikation unweigerlich manifestieren. Die sozietäre Arbeit dient dazu, einzelnen dieser Werte durch entsprechende Normierung von Sprache und Regelung ihrer Verwendungsweisen besonderen Ausdruck zu verleihen» (Gardt 1998, 332).

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i. S. der antiken Rhetorik «angemessene» Sprachkritik im Dienste der Aufklärung:17 «Wir verstehen dabei unter Aufklärung ganz allgemein den Anspruch, gesellschaftlich relevante Themen kritisch aufzuarbeiten, d. h. sie theoretisch und methodisch begründet zu untersuchen und dabei von dem Erkenntnisinteresse geleitet zu sein, Machtverhältnisse, die sich im Sprachgebrauch manifestieren, durchschaubar zu machen. Sprachkritik in diesem Sinne ist somit immer auch Herrschaftskritik. Sucht man nach historischen Vorbildern und Traditionen für diese Auffassung von Sprachkritik, dann findet man sie – natürlich – im 18. Jahrhundert. Die Spanne jener aufklärerischen, emanzipatorischen Sprachkritik reicht von Gottfried Wilhelm Leibniz’ kleinem Aufsatz ‹Unvorgreifliche Gedanken, betreffend die Ausübung und Verbesserung der deutschen Sprache› (um 1697 geschrieben) bis hin zu Carl Gustav Jochmanns Buch ‹Ueber die Sprache› (1828 veröffentlicht). Diese beiden Arbeiten – und manches, was dazwischen an Sprachreflexion und Sprachkritik publiziert worden ist – können, auch wenn ihre inhaltlichen Aussagen in der Hauptsache ein historisches Interesse hervorrufen, noch heute als Muster und Orientierung gelten. So liegt der sprachkritischen Vorgehensweise von Leibniz insbesondere eine klare Methodik zugrunde: 1. Beschreibung des Sprachzustandes, 2. Explizierung des verwendeten Sprach- und Zeichenbegriffs, 3. Feststellung von Mängeln oder Unzulänglichkeiten im Sprachgebrauch unter Zuhilfenahme sprachvergleichender Befunde, 5. Formulierung eines anzustrebenden Sprachideals, 6. Entwicklung praktischer Vorschläge, wie dieses Ideal zu erreichen sei. Jochmann dagegen hat erstmals den Zusammenhang zwischen Sprache und Politik, zwischen Gesellschaftsform und Sprachgebrauch erkannt, beschrieben und Maßstäbe der Kritik aufgestellt. Er kritisiert dabei bestehende ‹Redeordnungen› als Spiegelung von Gesellschaftsordnungen. Dieses Vorgehen kann als ein Vorlauf zu einer kritischen diskursanalytischen Betrachtungsweise von Sprache gesehen werden. Beiden Autoren ist gemeinsam, dass sie Argumente für ihre Sprachkritik benutzen, die mit gegenwärtigen Grundsätzen der Sprachwissenschaft prinzipiell zu vereinbaren sind: Sie betrachten Sprache aus einer synchronen Perspektive, begreifen sie als ein Instrument des Meinungsaustausches und der Wahrheitsfindung, zugleich als einen Ausdruck von Herrschaftsverhältnissen, und sie benutzen funktionale Argumente als Maßstab ihrer Kritik» (Schiewe/Wengeler 2005, 6–7).

17 Einen ähnlichen Ansatz liefert Felder (2009) mit einem Plädoyer für eine Linguistische Sprachkritik im Geiste linguistischer Aufklärung am Beispiel von Zweifelfällen sprachlichen Handelns im Kontext gesellschaftspolitisch motivierter Bezeichnungskonkurrenzen. Die Linguistik sieht er dabei in der Rolle des aufklärenden Beraters und einer Vermittlungsinstanz zur Weitergabe sprachlicher Strategien. Dabei ist hinsichtlich der Frage nach einer Verortung der Disziplin im Bereich beschreibender vs. bewertender Tätigkeit «[…] die konsequente Trennung von Beschreibungsebene und Beurteilungsebene [entscheidend]. In diesem Sinne sollte so gut wie möglich zwischen Werturteilen in der Sache und ihren Versprachlichungsformen unterschieden werden […]. Linguistisch reflektierte Sprachkritik sollte auch beim relativ selbstbestimmten Auffinden von Handlungsoptionen unterstützen und mögliche Wirkungen von FormFunktions-Zusammenhängen aufzeigen. Somit stellt sie ein Hilfsangebot für Sprachbenutzerinnen und Sprachbenutzer im Sinne einer linguistischen Aufklärung zur Verfügung» (Felder 2009, 183).

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Historisch betrachtet «[ergibt sich] [d]ie Bedeutung der Sprachgesellschaften weniger aus ihrer sprachgeschichtlichen Wirkung als aus der Tatsache, daß die Geschichte der neuzeitlichen Sprachtheorie mit der Sprachreflexion des Barock und der Aufklärung einen ersten Höhepunkt erreicht» (Roelcke 2000, 139). Die sprachpflegerische Arbeit der Akademien ist in dieser Zeit sehr stark «mit dem sozial- und kulturgeschichtlichen Umfeld in Deutschland verbunden» (Roelcke 2000, 139). Die als Richtwert und Ursache metasprachlicher Tätigkeiten wirkenden Faktoren externer Sprachgeschichte stehen in enger Verbindung zu den historischen Ereignissen des Dreißigjährigen Krieges und sind demzufolge maßgeblich durch die Rivalitäten zwischen Konfessionen und gesellschaftlichen Ständen sowie durch die auch in der zweiten Hälfte des 17. Jhs. fortdauernde Feindschaft zwischen Frankreich und Habsburg geprägt (cf. Roelcke 2000, 140). Die aus dem Westfälischen Frieden (1648) hervorgehende territoriale Zersplitterung Deutschlands zu «einem politisch weitgehend machtlosen Staatenbund» liefert die politischen und territorialen Rahmenbedingungen, die sich auf der Ebene der internen Sprachgeschichte im «Fehlen einer überregionalen Literatur- bzw. Standardsprache sowie von Wissenschaftssprachen bei gleichzeitigem Bestehen von zahlreichen Mundarten und einigen schriftsprachlichen Varianten», der Dominanz des Lateinischen im wissenschaftlichen Bereich und der Orientierung der höheren gesellschaftlichen Schichten am Französischen («Alamode-Wesen») widerspiegeln (Roelcke 2000, 141).18

18 Die Entwicklung des historischen Status des Französischen als dominante Sprache Europas und die kulturelle Einflussnahme Frankreichs auf Deutschland durch die französische Sprache beginnt bereits im 11. und 12. Jhd. mit der führenden Rolle des französischen Rittertums und den damit verbundenen Entlehnungen aus der ritterlichen Fachsprache. Dieser Einfluss bleibt bis ins 16. Jhd. in konstanter Form bestehen und erfährt im darauffolgenden 17. und 18. Jhd. seinen oben beschriebenen, markanten Höhepunkt (cf. Baum 2000, 1107–1108): «Das Französische ist um die Wende des 17. und 18. Jh. nicht nur Diplomatensprache, Verhandlungssprache gelehrter Körperschaften, Sprache des gesellschaftlichen Umgangs; immer verbreiteter wird die Gewohnheit, dass selbst im Bürgertum die Kinder von frühester Jugend an dazu angehalten werden, mit ihren Eltern und untereinander französisch [sic] zu sprechen, während die Muttersprache auf den Verkehr mit dem Gesinde beschränkt wird» (v. Polenz 2009, 101). Von einer nochmals verstärkten Steigerung des französischen Einflusses und der gemeinhin anerkannten Universalität der französischen Sprache, gleichzusetzen mit dem des Italienischen zu Zeiten der Renaissance, zeugt u. a. das prominente Beispiel des frankophilen Friedrichs II., der sich sowohl sprachlich als auch ideengeschichtlich Frankreich zum Vorbild nahm (cf. Baum 2000, 1108). Die Entstehung sprachkritischer und puristischer Reaktionen in dieser Zeit führt Danelzik-Brüggemann (1997) nur mittelbar auf die sprachliche Einflussnahme zurück, sondern vor allem auf die im Überfluss gelebte Hofkultur nach französischem Vorbild: «Wie in der Kunst, in der Mode und in den Umgangsformen schwankte das Verhältnis der Deutschen auch hinsichtlich der Bewertung der französischen Sprache. Satirischen Verballhornungen zum Trotz […] zählte die französische Sprache, die sich mit Herders Worten durch

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Die starken fremdsprachlichen Einflüsse bei gleichzeitiger Abwesenheit einer normativ regulierten Standard- und Literatursprache geben den Impuls zur Gründung der Sprachgesellschaften des Barock, die «zunächst als vornehmlich kulturell ambitionierte Vereinigungen aufzufassen [sind], deren Aufmerksamkeit vornehmlich auf sprachliche Erscheinungen gerichtet ist – sei es in Form von Sprachkritik oder Sprachpflege im allgemeinen; oder sei es durch das Abfassen von Wörterbüchern, Grammatiken und Stillehren oder auch von Dichtungs- und Übersetzungswerken im besonderen» (cf. Roelcke 2000, 142). Die Entstehung der barocken Sprachgesellschaften fällt in die Zeit der ab dem 16. Jh. einsetzenden Konsolidierung der deutschen Sprache in den Bereichen Grammatik, Lexikographie und Orthographie. Dieser Standardisierungsprozess, der bei gleichzeitiger «Ausbildung und Anerkennung einer neuen deutschen Literatursprache» zunächst zwar «noch keine deutsche Einheitssprache, aber immerhin eine relativ klare Diglossie-Situation schuf» (Cherumbim/Walsdorf 2005, 56–57), gab den Anstoß für die Entwicklung grundlegender inhaltlicher und ideologischer Positionen der Sprachregulierung, v. a. in Form eines bis heute diskursprägenden sprachbezogenen Reinheitsdiskurses. Diese Entwicklung liegt wesentlich in der Sprachkontaktsituation der absolutistischen Zeit des 17. Jhs. begründet und insbesondere im überaus populären Fremdsprachengebrauch, der «[…] von echter Zwei- oder Mehrsprachigkeit bei Wenigen in den Oberschichten bis zum Gebrauch einzelner fremdsprachlicher Elemente im Deutschen in fast allen Bevölkerungsschichten [reichte]» (v. Polenz 1994, 49).19 Die Besonderheit der deutschen Sprachensituation im 17. Jh. ergibt sich neben dem Sprach- und Kulturkontakt mit dem Französischen, der kulturgeschichtlich in seinem gesellschaftlichen Einfluss laut v. Polenz mit dem heutigen Kontakt zur angloamerikanischen Sprach- und Kulturraum zu vergleichen

‹Glanz und Biegsamkeit› auszeichnet, in Deutschland zum Bildungskanon. Ihr Ansehen schwebte zwischen Wertschätzung ihrer Schönheit und Nützlichkeit und feindseliger Ablehnung. Sie diente auch karikierenden Zwecken und war Gegenstand puristischer Sprachkritik. Aus dem Zusammenhang, in dem diese Sprachkritiken erscheinen, läßt sich allerdings schließen, daß Kritiker den Sack prügelten und den Esel meinten, daß also im Grunde weniger die fremde Sprache abgelehnt wurde, sondern ihre Funktion als Botin der französischen Hofkultur. Worauf gründeten sich diese Stereotype? Einer Reihe deutscher Intellektuellen galt Frankreich im 18. Jahrhundert als Musterbeispiel einer verweichlichten und überfeinerten Kultur, mit fatalem Vorbildcharakter für das übrige Europa. Verständlich war die heftige Ablehnung der mit dem ‹Französischen an sich› gleichgesetzten Hofkultur, welche Unsummen verschlang […]. Sie wurde sogar als ‹Französische Influenza› bezeichnet» (Danelzik-Brüggemann 1997, 721–722). 19 Zitiert wird im Folgenden aus der ersten Auflage (1994). Eine zweite aktualisierte und ergänzte Neuauflage erschien 2013 posthum unter Bearbeitung von Claudine Moulin und der Mitarbeit von Dominic Harion im De Gruyter-Verlag.

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ist, aus der parallel bis zum 18. Jh. fortbestehenden Bedeutung des Lateins als «Reichs-, Rechts- und Wissenschaftssprache». Aus den gesamten sprachlichen Einflüssen ergibt sich eine «[a]lamodische ‹Vielsprachigkeits›-Tendenz», d. h. zusätzlich zur Ko-Dominanz des Französischen, Lateinischen und Deutschen besteht ein «[g]ruppen-, situations- und themenspezifischer Gebrauch von Deutsch, Latein, Spanisch, Italienisch, Französisch (im Nordwesten auch Niederländisch)» (v. Polenz 1994, 50). Aus dieser mehrsprachigen Durchdringung der Gesellschaft resultiert ab dem Beginn des 17. Jhs. die bewusste Kultivierung der deutschen Sprache in vornehmlich bildungsbürgerlichen Kreisen. In diesem Zusammenhang erfährt die bereits zuvor von barocken Dichtern und Theoretikern wie Opitz oder Buchner geforderte Idee von der sprachlichen Reinheit des Deutschen als «nationale[r] Pflicht» (Kirkness 1998, 408) ihre Weiterführung auf der Ebene der Wissenschaftssprache: «Der Purismus verdankt den Sprachtheoretikern, Grammatikern und Übersetzern des 16. Jhs. wesentliche Impulse, wurde aber erst im 17. Jh. im Kulturpatriotismus des Barock zum Programm, als sich bürgerliche Literaten und Sprachgelehrte mit adligen Mäzenen zusammenschlossen zur Förderung des Deutschen, zur Bewahrung der alten deutschen bzw. germanischen Tugenden im allgemeinen und zur Pflege der dt. Sprache und Literatur im besonderen» (Kirkness 1998, 407–408).

Als erste und wichtigste «Pflegestätte» des Purismus wurde 1617,20 also ein Jahr vor Beginn des Dreißigjährigen Krieges, in Köthen nach italienischem Vorbild die Fruchtbringende Gesellschaft gegründet, die den Auftrag hatte, «[…] eine selbstständige deutsche Literatur zu entwickeln, die von einer genormten überregionalen Hoch- und Literatursprache getragen wurde, und (dadurch) der Vorherrschaft des Lat. und des Frz., speziell den in Satiren und Parodien gegeißelten Exzessen des Alamodewesens, entgegenzuwirken» (Kirkness 1998, 408). Als «wichtigste Sprachgesellschaft im deutschen Sprachraum» (Hundt 2000, 108) reiht sie sich in die historische Linie institutioneller europäischer Sprachkultur ein, deren Ausgangspunkt die 1583 in Florenz gegründete Accademia della Crusca ist, die nicht nur «durch ihre großen lexikographischen Leistungen zum Zentrum des Sprachbewußtseins und der Sprachkultur in Italien geworden ist», sondern auch Vorbild für die Gründung der Académie française 1635 war (cf. Weinrich 1985, 85; Kap. 3.3.4).21 Die Entstehung der Fruchtbringenden Gesell-

20 Zum Sprachpurismus cf. ausführlich Kap. 3.2.3. 21 Als ebenfalls einflussreich gilt die frühneuzeitliche Tradition der niederländischen Dichtungs- und Sprachpflegegesellschaften des 15. Jhs. Aufgrund der strukturellen Ähnlichkeiten zu den deutschen Gesellschaften hebt Gardt die in kulturellen Bereichen der Niederlande sehr präsenten Rederijkerskamers hevor (cf. 1998, 332).

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schaft in Analogie zum italienischen Vorbild geht auf die Erfahrungen ihres Gründers, des seit 1606 regierenden Fürsts Ludwig von Anhalt-Köthen zurück, der nach regelmäßigen Aufenthalten und sprachlicher Ausbildung in Florenz 1600 zum Mitglied der Accademia della Crusca gewählt wurde (Weinrich 1985, 86–87). Am Beispiel der Statuten der Fruchtbringenden Gesellschaft werden die sowohl in den Sprach- als auch in den Literaturwissenschaften gut erforschten Tätigkeitsbereiche barocker Sprachgesellschaften ersichtlich,22 die Weinrich als «Verpflichtung zur Sprachkultur im mündlichen und schriftlichen Umgang» bezeichnet (Weinrich 1985, 90): (11) So soll auch den Gesellschaftern […] obligen / unsere hochgeehrte Muttersprache / in ihrem gründlichen Wesen / und rechten Verstande / ohn Einmischung fremder ausländischer Flikkwörter / sowol in Reden / Schreiben als Gedichten / aufs allerzier- und deutlichste zu erhalten und auszuüben (zit. nach Schildt 1998, 58). Das aus lat. CULTURA ʻPflege, Bearbeitungʼ bzw. lat. COLERE ʻbebauen, pflegen, verehrenʼ entlehnte Wort Cultur wurde gegen Ende des 17. Jhs. sowohl in der fachsprachlichen Bedeutungskomponente aus der Landwirtschaft (ʻBestellung und Pflege des Ackersʼ) als auch in seiner metaphorischen Verwendung i. S. der «cultura animi» ins Deutsche integriert (Kluge 2012, s. v. Kultur; cf. Schnerrer 2001, 717). Letztere Bedeutung findet sich als Teil philosophischer Sprachreflexion bereits in Ciceros Tusculanen und wird in dieser Konnotation als «Schlüsselwort im philosophischen Denken der gesamteuropäischen Aufklärung des 17./18. Jahrhunderts» v. a. durch Kant und Herder weiterentwickelt (cf. Schnerrer 2001, 717).23 Bereits zuvor taucht in der Frühaufklärung die Cultur der Sprache vermehrt als Schlagwort im sprachbezogenen Diskurs auf und v. a. die an voriger Stelle bereits ausführlicher erwähnten Unvorgreifflichen Gedancken (ca. 1696) markieren in programmatischer und ausführlicher Form den Beginn der «theoretische[n] Sprachkulturforschung» (Schnerrer 2001, 717), obgleich weder der Begriff der «Sprachkultur» noch der «Sprachpflege» bei Leibniz explizit Erwähnung finden. In der Spätaufklärung liefert Adelung in seiner Geschichte der deutschen Sprache (1781) eine umfassende Betrachtung des Zusammenhangs zwischen Sprache und der mit Erkenntnis gleichgesetzten Kultur:

22 Für einen zusammenfassenden Beitrag aus literaturwissenschaftlicher Perspektive cf. z. B. Jaumann (2007). Für einen ausführlichen Überblick über weitere Sprachgesellschaften des 17. und 18. Jhs. cf. Otto (1972, 14–63) und Gardt (1998, 343–345). 23 Cf. Cicero (1998): Tusc. 2, 13 «Atque, ut in eodem simili verser, ut ager quamvis fertilis sine cultura fructuosus esse non potest, sic sine doctrina animus; ita est utraque res sine altera debilis. Cultura autem animi philosophia est».

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(12) Da die Sprache mit der Cultur eines jeden Volkes in dem genauesten Verhältnisse stehet, so läßt sich auch die Geschichte der erstern nie ohne beständige Rücksicht auf den jedesmahligen Zustand und Fortschritt der Cultur begreifflich machen. […] Der Fortschritt war freylich langsam und unmerklich, theils wegen der Natur der Sache selbst, theils aber auch wegen der Dazwischenkunft mancher innern und äußern Umstände, durch welche die Cultur der Sprache aufgehalten ward. Hoher Grad der Wildheit und Barbaren, in welcher die Deutschen vor, und zum Theil noch nach der Völkerwanderung lebten, und blühender Zustand der Sprache, Künste und Wissenschaften sind die zwey äußersten einander entgegen gesetzten Gränzen der Cultur. […] welche eine Kluft befindet sich nicht noch zwischen diesem Zustande und der höhern Cultur der Sitten, Künste und Wissenschaften, ohne welche doch keine völlige Ausbildung und Verfeinerung der Sprache stattfindet? (Adelung 1781, 14–33). Der von Weinrich (1985) für die Arbeit der Fruchtbringenden Gesellschaft gewählte Begriff der «Sprachkultur» als Sprachbewusstseinsprozess, der sich auf individueller wie nationaler Ebene im europäischen Kontext vollzieht (cf. 1985, 7), schließt an das zuvor ausgearbeitete Konzept «metasprachlicher Öffentlichkeit» (cf. Kap. 2) und an das dieser Arbeit zugrunde gelegte Verständnis einer sozialen Konstitution normbewussten Sprachdenkens und -handelns an (cf. Weinrich 1985, 360).24 Begriffsgeschichtlich betrachtet bleibt die Bezeichnung «Sprachkultur» «[…] vom 17. bis 20. Jahrhundert Forderung und Gegenstand allgemeinsprachlicher und wissenschaftlicher Diskussion, wird aber noch undifferenziert und in [seiner] Mehrdeutigkeit verwendet» und «hat seit dem 18. Jahrhundert zwei starke Konkurrenten neben sich: Pflege der Sprache und Kritik der Sprache, später auch Sprachpflege und Sprachkritik» (Schnerrer 2001, 718, Fettdruck im Original). Die Arbeit der barocken Sprachgesellschaften orientiert sich im Vergleich zu den zuvor beschriebenen philosophischen, ethischen und moralischen Wertmaßstäben des Sprachkulturkonzepts in erster Linie am Ideal der sprachlichen Reinheit (puritas) der Standard- bzw. Hochsprache. Zu dieser Zeit konzentriert sich Sprachkultivierung v. a. auf das Vorgehen gegen die hohe Zahl französischer Fremdwörter und somit auch an neuen Richtlinien. Dieser Purismus, der im Folgenden als radikale Ausprägung von Sprachkultur bzw. Sprachpflege verstanden wird, hat sich – mit wechselnden Zielorientierungen – bis in die heutige Zeit fortgesetzt und wird daher hinsichtlich seiner Alleinstellungsmerkmale

24 Zur diskurslinguistischen Definition von «Sprache als Handeln» cf. Kap. 4.1.1.

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zunächst für das Deutsche und später für das Französische ausführlich beschrieben (cf. Kap. 3.2.3; 3.3.4). Was konkrete Maßnahmen der Sprachkultivierung seitens der Fruchtbringenden Gesellschaft anbelangt, die insgesamt 890 Mitglieder zählte, davon 75% dem höheren und niederen Adel angehörend und die Mehrzahl protestantisch (cf. Gardt 1998, 342),25 so standen regulative Eingriffe in die Orthographie an erster Stelle ihrer Tätigkeiten, da diesem sprachlichen Bereich ein besonders großes Potenzial für die Umsetzung normierender Eingriffe zugeschrieben wurde (cf. Weinrich 1985, 92). Dem toskanischen Beispiel des 1612 von der Accademia della Crusca veröffentlichten Wörterbuchs Vocabolario degli Accademici della Crusca folgend,26 publizierte die Fruchtbringende Gesellschaft 1645 das orthographische Regelwerk Die deutsche Rechtschreibung. Anders als der in einigen europäischen Ländern während der Herausbildung der Nationalsprachen vorherrschende Sprachnormenstreit, wie im Fall der italienischen «Questione della lingua» (cf. Kap. 3.3.3), sorgte die Festsetzung der obersächsischen Mundart als Basis einer deutschen Hochsprache und als ausgewählte orthographische Norm für wenig Aufruhr. Weinrich (1985) begründet diesen im Vergleich zu anderen Nationen mäßig geführten Normenstreit mit der Lage Köthens als Sitz der Fruchtbringenden Gesellschaft in Obersachsen in ihrer, wie später auch die einflussreichen Sprachzentren Weimar und Halle, geographischen und kulturellen Nähe zur Residenzstadt Meißen und zum ««Meißner Deutsch» […] als Muster der sich herausbildenden deutschen Kultursprache», die bereits Luther als Grundlage seiner Bibelübersetzung gewählt hatte (1985, 92–93). Die normative Lexikographie, so auch Stielers Der teutschen Sprache Stammbaum und Fortwachs (1691), hatte in Deutschland weitaus weniger Erfolg als vergleichbare Initiativen in Italien, Frankreich, Spanien oder England, was v. a. mit der Abwesenheit eines politischen und kulturellen Zentrums erklärt werden kann. In seinem wenig populären Wörterbuch setzte Stieler die Arbeit von Schottelius fort (cf. Kirkness 1998, 409), die aus heutiger Perspektive «[…] ohne Zweifel für die Entwicklung von Sprachwissenschaft und Sprachkritik im 18. Jahrhundert von größerer Bedeutung war» (Cherubim/Walsdorf 2005, 69).27

25 Obwohl die bürgerlichen Mitglieder zahlenmäßig nur ein Drittel der sozietären Mitglieder stellten, waren sie aufgrund ihrer sprachlichen Bildung dennoch meistens die Hauptverantwortlichen der sprachpflegerischen Arbeit. Zu ihnen zählen u. a. Andreas Gryphius, Philipp Harsdörffer, Justus Georg Schottelius und Kaspar Stieler (cf. Gardt 1998, 342). 26 Cf. ausführlich Schweickard (2012). 27 Weinrich (1985) begründet dies mit der für den Leser schlecht nachvollziehbaren Lemmatisierung: «[E]s [scil. das Wörterbuch] ordnet […] nach konsequent Schottelscher Manier nur die Stammwörter alphabetisch an, während alle anderen generierbaren Wörter ohne Rücksicht auf die Praxis der zweckmäßigen Wörterbuchbenutzung ihnen untergeordnet werden. So muß

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Schottelius, ebenfalls Mitglied der Fruchtbringenden Gesellschaft und in der Forschung als «bedeutendster Grammatiker des 17. Jahrhunderts» hervorgehoben (Hundt 2000, 120), lieferte v. a. mit seinem Hauptwerk Ausführliche Arbeit von der Teutschen Haubtsprache (1663) – «gleichsam die ‹summa philologica› nicht nur seiner bisherigen sprachwissenschaftlichen Arbeiten, sondern auch des gelehrten Sprachwissens seiner Zeit» (Cherubim/Walsdorf 2005, 70) – ein Programm des barocken Sprachpurismus i. S. «eine[r] über den Mundarten stehende[n], dem Analogieprinzip unterworfene[n] schriftsprachliche[n] Norm […], die ‹Grundrichtigkeit›, d. h. Gesetzmäßigkeit, Regel- oder Systemhaftigkeit, des Dt. voll zur Geltung kommen ließ» (Kirkness 1998, 408). Seine Arbeit ist sowohl hinsichtlich zentraler Positionen der Sprachnormendiskussion als auch hinsichtlich der sprachtheoretischen Auffassungen in der Barockzeit von Bedeutung. Letzteren i. S. einer «sprachreflexive[n] Praxis» und «Antriebsfeder der Produktion von grammatischen und sprachdidaktischen Texten unterschiedlicher Ausprägung» (2000, 6) schreibt Hundt für das 17. Jh. unter dem Begriff der «Spracharbeit» eine konzeptuelle Bedeutung zu. Insbesondere in ihrer institutionellen Ausprägung unter dem Dach der Fruchtbringenden Gesellschaft kommt der Spracharbeit und so auch dem Sprachpurismus und der Sprachpflege nicht nur eine innersprachliche Funktion zu, sondern «[d]ie ethische und kulturvermittelnde Zielrichtung ist hier ebenso wichtig» (Hundt 2000, 7). Schottelius gilt ferner als einer der Protagonisten in der für das 17. Jh. kennzeichnenden grammatischen Diskussion um die Bestimmungsgrößen sprachlicher Norm zwischen Anomalisten und Analogisten. Als Verteidiger einer auf Analogie beruhenden Sprachrichtigkeit des Deutschen – die sich nicht am Sprachgebrauch (usus), sondern an einem «unwandelbare[n], ideale[n] Regelwerk der Grammatik» (Hundt 2000, 42) orientiert, dem v. a. im «[…] Reichtum der deutschen Wortbildung, […] an der semantischen Differenziertheit des Wortschatzes und der Fülle phraseologischer Bildungen» (Cherubim/Walsdorf 2005, 70) Ausdruck verliehen werden kann – rechtfertigt Schottelius die Pflege der deutschen Sprache «angesichts der Hegemonie des sie in ihrer Existenz bedrohenden Lat. und Frz.» (Kirkness 1998, 408). Den v. a. von der Forschung etablierten Gegensatz normativer Maßstäbe zwischen referenzsemantischer natura und morphologischer analogia der Analogisten sowie dem usus der Anomalisten (cf. Cherubim/Walsdorf 2005, 70) relativiert Hundt (2000) jedoch, wenn er sagt, dass das «theoretische Postulat der Analogie» bisweilen den eigentlichen, praktischen Zielen der metasprachlichen Arbeit Schottelius’, d. h. «[…] d[er] Ko-

man beispielsweise aus den geschilderten Gründen das Wort Mutter unter dem Stichwort Amme suchen» (1985, 96).

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difizierung und Erforschung der deutschen Sprache, sowie Vermittlung, Ausübung und Durchsetzung der deutschen Sprache in unterschiedlichsten Verwendungszusammenhängen» (2000, 46) untergeordnet wurde. Des Weiteren scheinen angesichts einer historischen Einordnung der barocken Sprachpflege und dem Fortbestehen einiger ihrer Motive bis in die heutige Zeit die «sprachtheoretischen Grundströmungen» des 17. Jhs. jenseits der «Analogie-Anomalie-Debatte» (Hundt 2000, 46) konstitutiv. Mit Gardt (1994, 129–188) und Hundt (2000, 47–48) sei dabei im Kontext der puristischen Arbeit der barocken Sprachgesellschaften v. a. die ontologisierend-patriotische Sprachreflexion hervorgehoben:28 «Der Sprachbegriff der ontologisierend-patriotischen Linie frühneuzeitlicher Sprachreflexion setzt sich aus zwei Komponenten zusammen, einer die deutsche Sprache der Geschichtlichkeit enthebenden, sie verabsolutierenden Komponente sowie einer sie ideologisch überhöhenden. Die erstgenannte Komponente zeigt sich in der Auffassung, daß die deutsche Muttersprache aufgrund ihr inhärenter, rational nicht völlig erschließbarer Eigenschaften Spiegel objektiver Wirklichkeit sei, d. h. keiner transzendenten Gegebenheiten, wie es Böhmes Sprachmystik vorsieht, sondern des natürlichen Seins der Dinge, am deutlichsten nachvollziehbar in der Lautmalerei. Der sprachpatriotische Aspekt liegt im Lob der eigenen Sprache und in ihrer Abgrenzung von den Nachbarsprachen einschließlich der hinter diesen stehenden Kulturen bzw. politischen Körpern sowie in der Identifizierung der deutschen Muttersprache mit dem Naturell ihrer Sprecher, d. h. in der Ansicht, daß diese Sprache die ihren Sprechern gemäße ist und dazu beiträgt, ihre kulturelle und politische Identität zu wahren. Im Zusammenwirken der genannten Aspekte entsteht die Vorstellung von einem überzeitlichen ‹Wesen› der deutschen Sprache, die ontologisch

28 Von der ontologisierend-patriotischen Sprachreflexion unterscheidet Gardt (1994) weiter die Sprachmystik und metaphysische Orientierungen (145–128), den ordo-Gedanken (189–226), Ansätze einer Theorie der sprachlichen Realität (227–250) und den Sprachuniversalismus (251– 338) als Grundzüge der Sprachendiskussion in Barock und Frühaufklärung, die ein Spektrum des «Komplex[es] Sprache-Denken-Wirklichkeit» darstellen. Dieses Spektrum stellt zwei Positionen als Extrempunkte gegenüber «[…] eine auf die Einzel-, genauer: die Muttersprache bezogene, die von der transzendenten Motiviertheit des Zeichens, d. h. einer auf Göttlichkeit verweisenden Entsprechung von Sprache und Wirklichkeit ausgeht und in der Sprachmystik ihre extremste Ausprägung erfährt, sowie eine rational-universalistische, auf die Eigenschaften und Möglichkeiten von Sprache schlechthin zielende, welche den Arbitraritätsgedanken mit all seinen zeichentheoretischen Konsequenzen favorisiert und sich am Exaktheitsideal der Mathematik und der aufkommenden Naturwissenschaften orientiert. Es handelt sich demnach um zwei verschiedene Linien hinsichtlich des Gegenstands der Sprachbetrachtung als auch um zwei unterschiedliche Verfahren zu seiner Erschließung; ein universalistischer Ansatz steht einem einzelsprachlichen gegenüber und ein dem rationalen Diskurs verpflichteter einem auf Argumentationsverfahren und -inhalte zurückgreifenden Ansatz, wie sie im Umkreis der Sprachmystik üblich sind» (1994, 21). Zu einzelnen sprachreflexiven Strömungen cf. auch Hundt (2008).

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zuverlässig, ihre Sprecher der Dingwelt versichert und mit ihren Eigenschaften wie Redlichkeit, Reinheit etc. teilt» (Gardt 1994, 129).

Als wichtige Vertreter dieser Linie der barocken Sprachtheorie nennt Gardt Philipp von Zesen und den oben erwähnten Analogisten Justus Georg Schottelius, in dessen Werk ein «die deutsche Sprache ideologisch überhöhendes und in Teilen nicht mehr rational explizierbares Sprachdenken» (1994, 21) artikuliert wird, wie es folgende Belege zur Hypostatierung (cf. 13, 15) und zur Genealogie der deutschen Sprache (cf. 14) veranschaulichen. Innerhalb dieser Sprachtheorie wird der «Sprachpflege» durch ihre Definition als inhaltlich anspruchsvolle und demnach zunächst zu erlernende Fleißarbeit (cf. 13) i. S. genuiner Korpusplanung und Sprachausbau (cf. 15) eine Schlüsselfunktion zugesprochen. Das Streben nach sprachlicher Reinheit ist dabei als patriotische Pflicht gegenüber der Muttersprache zu verstehen und als sprachnationalistische Pflicht zur Abwehr fremder Sprach- und Kultureinflüsse (cf. 15), wie die folgenden Auszüge aus der Ausführlichen Arbeit (1663) verdeutlichen: (13) Unsere Teutsche Sprache ist wett / räumig / tief / rein und herrlich / voller Kunst und Geheimnissen / und wird nicht nach dero grundmessigen Vermögen / slumpsweis / aus dem gemeinen Winde / ersnappet: sondern durch Fleis und Arbeit muß erlernet werden / wie man einen jeden unaltäglichen Conceptum oder Sinnbegriff in rechte natürliche Teutsche Zier einkleiden / und dem Anhörer beliebt und bekand machen könne (Schottelius 1663, 10). (14) Nach dem nun also die einige allgemeine Sprache zertrennet / und die Menschen über die ganze Welt her zerstreuet worden / ist Ascenas / als ein Oberhaußvater seines Geschlechts mit seinem gantzen Geschlechte durch klein Asien in Europen gezogen / sich daselbst niedergelassen / die Länder aufgetheilet / dieselbe gebawet / allerhand Ordnungen gemacht / und ist also ein Vater aller Celtischen Völker geworden: Nemlich aller Völker / welche hernacher gewohnet in den Länderen / die wir jetzund Teutschland / Frankreich / Spanien / Engelland / […] heissen. Also nun zehlt man von Adam an : Adam zeugte den […] / dieser den Ascenas / und dieser Ascenas (wie gesagt) ist ein Urvater der Teutschen / hat mit sich die alte Celtische oder Teutsche Sprache von Babel gebracht / dieselbe in obgedachten Länderen Europens / und durch seine Nachkommen ausgebreitet (Schottelius 1663, 34). (15) Es sind die Wörter / dero fügungen / und kunstmessig geordnete Sprüche in der Teutschen Sprache so schicklich / fein und wolständig / daß sie der Spannischen Pracht / der Welschen Zierligkeit / und der Frantzosen

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lieblichen Geschwindigkeit in keinem nicht bevor geben […]: Die uralte Sprache / die zierliche Sprache / die prächtige Sprache / die allein würdig gewesen die Teutsche Welt / das Wohnhauß so vieler grossen Helden/zu bewohnen: die Sprache / die volständig und unvermengt durch die grimme Flut so langer Jahre gedrungen / und sich bei uns erhalten hat. Diese ist die Sprache / O ihr Teutschen / die euch einzig zulieben / diese ist es wo ihr euch nicht wolt dero unwürdig machen / die ihr müsset in Ehren und Würden halten / die ihr müsset zieren und ausschmücken / und so ihr was könnet / hierin ein Meisterstük tuhn. […] (Schottelius 1663, 23). Anhand dieser exemplarisch gewählten Auszüge aus der Ausführlichen Arbeit (1663) kann verdeutlicht werden, dass der «sprachphilosophisch begründete Purismus […] nicht nur eine sprachwissenschaftliche, sondern auch und vielmehr eine national-pädagogische, bes. an die Jugend gerichtete Aufgabe und ein religiös-sittliches Gebot [war]» (Kirkness 1998, 408). Bei Schottelius werden alle diese Aspekte in einem komplexen Konzept eines sprachnormativ orientierten National- und Kulturpatriotismus gebündelt, sodass eine klare begriffliche Differenzierung zwischen Sprachwissenschaft und Sprachpflege bzw. Sprachkritik erschwert wird. Die Auseinandersetzung mit den sprachpflegerischen Arbeiten des 17. Jh. verdeutlicht, in welchem Maße diese sprachgeschichtliche Epoche für die Ausdifferenzierung metasprachlichen Denkens in Deutschland prägend war. Alle Stoßrichtungen sprachbezogener Reflexion erfahren in dieser Zeit – auch in anderen europäischen Staaten – entscheidende Impulse, sodass aus heutiger Perspektive die meisten metasprachlichen Handlungskonzepte, die normative Ansprüche auf korpus- und statusplanerischer Ebene als Merkmale teilen, letztlich – sei es begriffsgeschichtlich und/oder sprachideologisch – in diese Zeit zurückreichen. Um diese unterschiedlichen metasprachlichen Konzepte aus ihrer Entstehung heraus zu definieren und in ihren heutigen Tendenzen nachvollziehen zu können, dient der folgende Exkurs der ausführlichen theoretischen Konturierung des oben eingeführten Sprachkulturbegriffs in der deutschen Forschung, mit dem Ziel, diesen von «Sprachpflege» in der aufgestellten diskurstheoretischen Definition abzugrenzen (cf. Kap. 2.2.2). Auf die Terminologisierung von «Sprachkultur» folgt dann ein Vorschlag für die Adaption eines handlungsorientierten Theorieentwurfs zur Sprachkultur (cf. Janich 2004) auf die Analyse von Metasprachdiskursen. Dazu werden die theoretischen Ansätze der Sprachkultur nach Janich (2004) mit einschlägigen Konzepten von Metasprache aus dem Bereich der Perzeptiven Dialektologie (cf. Preston 2004) in ein Modell integriert, das im Folgenden als analytisch-methodischer Ansatz zur textgebundenen Analyse metasprachlichen Handelns auf Sprachpflege angewendet wird (cf. Abb. 8).

3.2 Deutschland

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Ziel dieses integrierten Modells metasprachlichen Handelns ist eine konsequente Inbezugsetzung sprachlichen Handelns auf intratextueller Äußerungs- und transtextueller Aussagenebene, deren Verbindung im Zentrum des diskurslinguistischen Ansatzes dieser Arbeit steht (cf. Kap. 4). Unter dieser diskurslinguistischen Schwerpunktsetzung wird das Modell an späterer Stelle durch die Prämissen handlungsorientierter Zugänge zu Diskursen theoretisch geschärft und durch den Begriff «sprachlicher Praktiken» respektive «Positionierungsaktivitäten» weiter theoretisch konturiert (cf. Kap. 1.1–1.2). Darauf aufbauend werden im abschließenden Kapitel dieser Arbeit «Sprachideologien» i. S. transtextueller Regime metasprachlicher Handlungsmuster und «Spracheinstellungen» i. S. einer Schnittstelle zwischen der kommunikativen und nicht-kommunikativen Ebene des Sprechens über Sprache als übergeordnete begriffliche Dimensionen handlungsorientierter Diskursanalysen verortet (cf. Kap. 4.1.3). Nach dem Exkurs wird die diskursgeschichtliche Beschreibung des deutschen Metasprachdiskurses fortgesetzt. Anknüpfend an die Entwicklungen im 17. und 18. Jh. geht es v. a. darum, «Sprachpurismus» als markante Ausprägung von Metasprachdiskursen in seiner geschichtlichen Genese nachzuzeichnen (cf. Kap. 3.2.3). Nach einer kurzen begrifflichen Einordnung widmen sich weitere theoretische Vorüberlegungen der Entstehungsgeschichte des Purismus im Deutschen, die an späterer Stelle um die Darstellung analoger Tendenzen im Französischen ergänzt werden (Kap. 3.3).

3.2.2 Exkurs: Sprachpflege, Sprachkulturtheorie und Sprache als soziales Handeln Ein erstes Konzept von «Sprachkultur» in Form einer Grundsatzformulierung wurde von der Prager Linguistik in den 1920er und 1930er Jahren ausgearbeitet und der sprachwissenschaftlichen Rezeption in Deutschland durch die Zusammenarbeit von Jürgen Scharnhorst und Erika Ising mit den tschechischen Linguisten Karel Horálek und Jaroslav Kuchař im Rahmen zweier Bände zu den Grundlagen der Sprachkultur (cf. Scharnhorst/Ising 1976–1982) zugänglich gemacht (cf. Juhász 1985, 33; Janich 2004, 10).29 Diese von einem sprachwissen-

29 In diese Zeit fallen sowohl die Terminologisierung als auch die wissenschaftliche Fundierung des Sprachkulturbegriffs, die hier nicht ausführlich dargestellt werden kann. Die theoretischen Grundlagen einer Sprachkultur der Standardsprache legten Mathesius, Jakobson, Havránek und Mukařovský 1932 mit dem Sammelband Spisovná čeština a jazyková kultura vor, nachdem sie bereits 1929 als Kommission des 1926 gegründeten Prager Linguistenkreises die Thesen der synchron-funktionalen Linguistik beim 1. Slawistenkrongress in Prag vorgestellt hatten. Der Prager Kreis wurde u. a. von Vinokur beraten, der bereits in den 1920er Jahren zwei

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3 Metasprachdiskurse als historische Systeme

schaftlichen Standpunkt aus festgelegten Grundsätze der Sprachkultivierung, deren erster die Forderung nach Verständlichkeit ist, orientieren sich an der schriftlichen Literatursprache, der eine «reich entwickelte Norm zugrunde liege»,30 ohne dabei den der Nationalsprache untergeordneten Varietäten ihre individuelle Funktionalität abzusprechen. Darüber hinaus kommt der im Vergleich zur schriftlichen Literatursprache zweitrangigen, «gesprochenen Volkssprache» und dem nicht-wissenschaftlichen Sprecher (cf. hierzu Kap. 3.3.7) eine Bedeutung als «Realisierungsinstanz» der sprachwissenschaftlichen Kultivierungsmaßnahmen zu, obgleich insgesamt betrachtet «[…] eine wissenschaftlich objektive Bestimmung dessen, was durch Sprachkultivierung erreicht werden soll», bis heute nicht klar definiert ist und problematisch bleibt (Janich 2004, 10–11). Die Sprachkulturtheorie der Prager Schule beruht folglich auf einer Theorie der Standardsprache, «[…] die in der Vielfalt ihrer Funktionen und sozialen, regionalen und stilistischen Differenziertheit und als komplexes Sprachsystem gesehen wird […]. Höchstes Bewertungskriterium ist nicht mehr die Sprachrichtigkeit, sondern die Adäquatheit […], ohne die sprachästhetischen Aspekte zu vernachlässigen» (Schnerrer 2001, 719). Laut Juhász (1985) sind «Sprachkultur» – in ihrer oben beschriebenen, systemlinguistischen Konzeption – und «Sprachpflege» beide als nomina actionis zu verstehen und auch in ihrer Intention, der Kultivierung des Sprachgebrauchs, gleichzusetzen. Jedoch können sie sich maßgeblich in ihrer Konzeption, d. h. hinsichtlich ihrer linguistischen Grundlage und der daraus resultierenden Methode unterscheiden, die wiederum die Zielsetzung beeinflussen können (cf. 1985, 34). Juhász betont in diesem Zusammenhang weiter, dass Publikationen zur Sprachkultur vorgelegt hatte und die Wiederaufnahme des Themas wohl angeregt haben könnte (cf. Schnerrer 2001, 718). Der Terminus kultura liegt, ebenfalls im tschechischen Sprachenkontext, bereits seit 1779 durch Dobrovský vor: «[…] the term cultivation (kultura) was used by Dobrovský in 1779, but was replaced by other terms (grinding, purification) until cultivation came back in the work of the Prague Linguistic Circle in the 1930s. This […] possibly occurred under the influence of literature such as Vinokur’s Kul’tura jazyka (Language Cultivation) (1925), which circulated among members of the Circle» (Neustupný/Nekvapil 2003, 339). 30 Das von der Prager Linguistik festgesetzte Primat der Literatursprache als sprachliche Norm resultiert aus der im Vergleich zu anderen Sprachen verhältnismäßig späten Kodifizierung des Tschechischen, seiner langen Beeinflussung durch das deutsche Adstrat, das im 17. Jhd. als Landesprache gleichgestellt war und der spezifischen Diglossiesituation zwischen dem kodifizierten Tschechisch und einer diatopisch, v. a. in Böhmen, verbreiteten nicht-kodifizierten Varietät. Erst zu Beginn des 20. Jhs. fand eine intensivere metasprachliche Reflexion über den Status der tschechischen Sprache, v. a. in Abgrenzung zur deutschen Sprache statt, die wiederum erst gegen Ende der 1950er Jahre in konkrete Standardisierungs- und Kodifikationsbestrebungen in der Rechtschreibung, Grammatik und Lexik überging (cf. Nekula/Uhlířová 2002, 303–305).

3.2 Deutschland

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«[man] [f]ür eine realistische Sprachkultur […] eine linguistische Konzeption [braucht], die sich nicht auf das vergegenständlichte Sprachsystem und auf die Methoden der Systemlinguistik beschränkt, sondern die in Kenntnis der Ergebnisse der Systemlinguistik den sozialen Charakter jeglicher sprachlichen Äußerung berücksichtigt und deren Methoden flexibel und vielseitig sind» (Juhász 1985, 37).

Als einen für eine derartige Sprachkulturkonzeption besonders relevanten Aspekt verweist Juhász (1985) weiter auf die von Mathesius (1976) aufgestellte These der «elastischen Stabilität» der Synchronie (cf. auch Janich 2004, 11; 54), derzufolge «[…] eine Bewertung sprachlicher Äußerungen ohne die Berücksichtigung des potentiellen Sprachwandels undenkbar ist» (Juhász 1985, 37), und auf die mit ihr in Verbindung stehende «System- und Norm-Definition» nach Coseriu (1975): «Das System ist System von Möglichkeiten, von Koordinaten, welche gangbare und versperrte Wege bezeichnen. Daher kann es sowohl als Gesamtheit bestimmter ‹Zwänge›, aber auch und vielleicht eher noch als Komplex von Freiheiten gelten, zumal es unendliche Realisierungen zuläßt und nur die Nicht-Beeinträchtigung der funktionellen Bedingungen des sprachlichen Instruments fordert. So ist denn seine Natur nicht ‹zwanghaft›, sondern eher beratend. […] Was nun im Einzelnen wirklich den Zwang ausübt und seine Freiheit [des Systems] des Ausdrucks sowie die vom System gebotenen Möglichkeiten auf den Rahmen der traditionellen Realisierungen einengt, das ist die Norm. Denn sie bildet ein System vorgeschriebener Realisierungen, sozialer und kultureller Zwänge und variiert je nach der Sprechergemeinschaft» (Coseriu 1975, 88).

Nebst der Prager Einordnung von «Sprachkultur» haben sich zahlreiche weitere Definitionen dieses «schillernde[n] Begriff[s]» etabliert, der mitunter als «modisch-vages Schlagwort» unterschiedliche Ansätze und Bedeutungsschwerpunkte in sich vereint (Janich/Greule 2002, VII). Im Vergleich zum ebenso umstrittenen, aber deutlich älteren Begriff «Sprachpflege» kommt es im deutschen Sprachraum erst in den 1970er Jahren zur Herausbildung einer Sprachkulturtheorie (cf. Lebsanft 1997, 79; Janich 2004, 12; Scharnhorst 2009, 16).31 Dies lag v. a. daran, dass «[d]ie Sprachpflege und die ihr zugrunde liegende linguistische Arbeit […] nach 1945 und in den ersten Jahren der DDR im Zusammenhang mit der Überwindung der […] nationalistischen und puristischen Hypothek» mit der Aufarbeitung und «ein[em] weitgehenden Neuansatz der germanistischen Sprachwissenschaft» beschäftigt war: Zu Beginn der 1970er Jahre wurde «unter deutlicher Bezugnahme auf die Erfahrungen anderer sozialistischer Länder, v. a. der Sowjetunion und der Tschechoslowakei», der von den neuen Prager Linguisten bereits seit den 1920er Jahren geprägte Sprachkulturbegriff von der DDR-

31 Cf. hierzu auch Nerius (1985).

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3 Metasprachdiskurse als historische Systeme

Linguistik aufgenommen und weiterentwickelt.32 Dadurch wurde «[…] eine qualitativ neue Stufe linguistischer Bemühungen um die Pflege und Vervollkommnung der deutschen Sprache [einge]leitet» (Nerius 1985, 56), die sich ungefähr zeitgleich zum pragmatic turn der westlichen Länder vollzog. Angesichts der intensiven Diskussionen um den Status, die Aufgaben und die Ziele von Sprachkultur formulieren Techtmeier et al. in den 1980er Jahren einen sprachwissenschaftlichen Standpunkt, in dessen Zentrum die Frage nach dem Sprachbewusstsein als Steuereinheit des sprachlich-kommunikativen Verhaltens einer Gesellschaft steht und der die Rolle von Sprachwissenschaft als verantwortlichem Akteur der Sprachkultur deutlich in den Vordergrund stellt: «Sprachwissenschaftler haben eine besondere Verantwortung für die Erhöhung der Sprachkultur in unserer Gesellschaft. […] Die Intensität der Diskussionen um die Sprachkultur sowie das nicht selten leidenschaftliche Engagement, das diese Diskussionen in Geschichte und Gegenwart kennzeichnet, ist in erster Linie aus der Bedeutung der Sprache für die menschliche Gesellschaft zu erklären. Sprachen sind wichtigstes Mittel der Kommunikation; sie sind zugleich – wie alles Kulturgut – Medium der Identifikation von Klassen und Gruppen sowie ganzer Gesellschaften. Mit diesen Gesellschaften unterliegen sie der historischen Veränderung und Differenzierung. Die Geschichte der Sprachkultur ist im Grunde die Geschichte der Entwicklung des Sprachbewußtseins einer Sprach- und/ oder Kommunikationsgemeinschaft. Diese Geschichte ist ihrerseits Bestandteil der Ideologie- und Kulturgeschichte der jeweiligen Gesellschaft. […] Die Entwicklung des Sprachbewußtseins beinhaltet u. a. die Entwicklung des Bewußtseins von der Verschiedenheit sprachlich-kommunikativen Verhaltens» (Techtmeier et al. 1984, 389).

Das Interesse an einer staatenübergreifenden Zusammenarbeit zur Sprachkulturtheorie und die allgemeine Anerkennung für die Leistungen der Prager Linguistik zu diesem Thema zeigen sich zunächst in den oben erwähnten, in OstBerlin erschienenen Bänden zu den Grundlagen der Sprachkultur (Scharnhorst/ Ising 1976–1982). Daraufhin fand 1984 in der Bundesrepublik die internationale Jahrestagung des Instituts für Deutsche Sprache zum Thema «Sprachkultur» (cf. Wimmer 1985) statt und im Soziolinguistik-Band der Handbuchreihe zur Sprach- und Kommunikationswissenschaft wurde ein Jahr vor der Wende der vom tschechischen Linguisten František Daneš verfasste Artikel Sprachkultur (1988) veröffentlicht (cf. Scharnhorst 2009, 16). In der ehemaligen Bundesrepublik konnte sich das Prager Sprachkulturkonzept bis heute deutlich weniger durchsetzen als in der DDR. Janich (2004) begründet diese Entwicklung mit dem starken Fokus des Programms auf die schriftliche Standardsprache, den stark auseinandergehenden Auffassungen

32 Für einen ausführlichen Forschungsüberblick zur DDR-Sprachkulturforschung cf. Schnerrer (1994).

3.2 Deutschland

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von «Sprachkultur» (cf. 2004, 13), v. a. in Abgrenzung zur «Sprachkritik», die sich begrifflich seit den 1960er Jahren in der Bundesrepublik immer stärker durchgesetzt hat (cf. Schnerrer 2001, 720). Eine Erklärung für diese kritische Reflexion des Sprachkulturbegriffs in Gegenüberstellung zu «Sprachkritik» liefert Wimmer (1984): «Sprachkultivierung […] scheint daher in einem klaren Widerspruch zu stehen zu einer Sprachkritik, die sich als Sprachnormenkritik versteht und die in einer langen Tradition seit der Aufklärung (und darüber hinaus) das Ziel hat, einen reflektierten Sprachgebrauch des Einzelnen zu fördern. Mein Plädoyer für eine Stärkung der selbstreflexiven Sprachkompetenz des einzelnen Sprechers […] erscheint auf den ersten Blick unvereinbar mit den normativen Ansprüchen eines Sprachkulturkonzepts, nach dem bestimmte Ansprüche an den Sprachgebrauch zum allgemeinverbindlichen Standard erhoben werden, ohne daß das Bemühen im Vordergrund steht, den Standard mit den tatsächlichen, vielfältig gelebten Sprachformen einzelner Sprecher und Sprechergruppen in den Vordergrund in einen plausiblen Zusammenhang zu bringen» (Wimmer 1984, 14).

Ausgehend von den Impulsen der DDR wurde das Sprachkulturkonzept somit zwar in die bundesrepublikanische Diskussion aufgenommen, zu der das IDS in Mannheim – v. a. mit den Jahrestagungen 1966/7 und 1984 und der Arbeit in diversen Kommissionen (cf. Schnerrer 2001, 720) – zentrale Beiträge lieferte. Dabei blieb jedoch die Tendenz, von «Sprachpflege» und «Sprachkritik» zu sprechen weiterhin terminologisch richtungsweisend. Trotz seines unterschiedlichen Status in den beiden deutschen Forschungslandschaften hat sich der Sprachkulturbegriff auf der Ebene der europäischen Sprachen gehalten und «[d]ie neuere […] Diskussion im vereinten Deutschland […] setzt auf die internationale Ausweitung, d. h. die Einbeziehung fremdkultureller Sprachkultivierungs- und Sprachpolitikkonzepte» (Janich 2004, 16). So werden aktuelle Tendenzen und Aufgaben der Sprachkultur im Kontext sprachlicher Vielfalt in der international fortschreitenden Globalisierung zum Thema verschiedener Publikationen, die sich sowohl kontrastiven Darstellungen sprachkultureller Initiativen verschiedener europäischer Staaten und den jeweiligen sprachpolitischen Rahmenbedingungen widmen als auch den gesellschaftlichen Praxisfeldern von Sprachkultur im ausgehenden 20. und im 21. Jh.33 Was nun die methodische Anwendbarkeit des Konzeptes anbelangt, schlägt Janich (2004) ausgehend von einer Bestandsaufnahme bisheriger Sprachkulturansätze, die sich in aus den konzeptuellen Gegensatzpaaren deskriptiv vs. normativ und kollektiv vs. individuell ergeben, eine Einteilung von «Sprachkultur»

33 Cf. z. B. Greule/Lebsanft (1998); Janich/Greule (2002); Blanke/Scharnhorst (2009) sowie Schlobinski (2018).

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3 Metasprachdiskurse als historische Systeme

i. w. S. in einen gesellschafts- und einen individuumsbezogenen Begriff vor: «Sprachkultur» i. e. S.», «[…] bezogen auf die Rekonstruktion von Normgefügen und Wertorientierungen innerhalb eines einzelsprachlichen Sprachsystems, und «Sprachkultiviertheit», die sich «[…] auf die kommunikative Kompetenz der einzelnen Sprecher einer Sprachgemeinschaft» bezieht. «Sprachkultur i. e. S.» umfasst somit den Bereich des einzelsprachlichen Systems und seiner Normen,34 die «Sprachkultiviertheit» hingegen bezieht sich auf den «Aspekt der ‹Kultur der Rede›» (2004, 78–79). Als Begründung wird dieser Aufteilung vorangestellt, dass, «[da] Kultur nicht nur das Erstrebenswerte, sondern auch das Vorfindliche erfasst, […] nur das Splitting des Sprachkulturbegriffs diesen beiden Aspekten von Kultur, dem normativen und dem deskriptiven, gerecht werden [kann]» (Janich 2004, 3). «[N]icht nur die freiwillige Orientierung an den Sprach- und Handlungsnormen derjenigen Domänen, in denen sich der Einzelne vorwiegend bewegt, […] sondern auch eine aktive Teilnahme an der Weiterentwicklung der einzelsprachlichen Sprachkultur im engeren Sinne» (2004, 5) definiert Janich weiterhin als Ziele ihrer Theorie der Sprachkultur. Aus terminologischer Sicht prägnanter definiert Lebsanft (1997) «Sprachkultur» in Anlehnung an die älteren und jüngeren Arbeiten der Prager Sprachkulturtheorien, die den Aspekt der «Kultur» durch den Prozess der «Pflege» gewährleistet sehen und die im Definiens «Sprache» die Komponenten langue und parole vereint sehen, was eine weitere begriffliche Aufschlüsselung obsolet macht: «Die neueren Prager Linguisten haben seit den späten sechziger Jahren […] diesen Begriff der Sprachkultur [scil. der sich in der Sprachpflege begründet] durch eine doppelte Dichotomie sinnvoll präzisiert. Den ersten Teil des Kompositums (Sprach-) beziehen sie einerseits auf das Sprachsystem (langue), andererseits auf die Rede (parole). Unter dem zweiten Teil des Kompositums (-kultur) verstehen sie einerseits ein «hohes Qualitätsniveau», d. h. einen Zustand, andererseits die «Bemühungen», dieses Niveau zu erreichen, also eine Tätigkeit. Der erstrebte Zustand kann auch als Kultiviertheit, die Tätigkeit als Kultivierung bezeichnet werden. So weisen die neueren Prager Linguisten den Weg, auf dem die Ausdrücke Sprachpflege und Sprachkultur, die ohnehin sprachhistorisch zusammengehören, auch sachlich zueinander kommen können. Ausgehend von einer differenzierten Bestimmung von Sprachkultur läßt sich das Verhältnis der beiden Begriffe klären. Sprachpflege als Tätigkeit, die auf die Verbesserung von Sprechen und Sprache zielt, entspricht dem ‹Tätigkeitsaspekt› der Sprachkultur. Sprachpflege ist auf die Kultiviertheit zielende Kultivierung von Rede und Sprache. Das Ergebnis erfolgreicher Sprachpflege ist Sprachkultur. Es spricht einiges dafür, daß diese Begriffsbestimmung bei (ehemals östlichen) Sprachkulturforschern und (ehemals westlichen) Sprachpflegeforschern konsensfähig ist…» (Lebsanft 1997, 80–81).

34 Zum Sprachnormenbegriff cf. Kap. 3.3.4.

3.2 Deutschland

143

Dass eine inhaltliche und konzeptuelle Nähe der Begriffe «Sprachpflege» und «Sprachkultur» bzw. der von Janich in gesonderter Funktion definitorisch herausgelösten «Sprachkultivierung» besteht, belegt auch Greule (2012), wenn er im Rahmen einer geschichtlichen Darstellung der Sprachkultivierung die terminologische Ausgangslage auf zwei Lesarten reduziert: «Identifizieren wir Sprachkultivierung der Einfachheit halber mit Sprachpflege, ohne auf die terminologische Diskussion um diesen Begriff erneut einzugehen, dann gibt es im Wesentlichen zwei Ansichten, wann die Geschichte der deutschen Sprachpflege bzw. Sprachkultivierung beginnt» (Greule 2012, 6). Ähnlich argumentieren Greule/Lebsanft (1998): «Wir verstehen mit der Prager Linguistik Sprachkultur – ein Begriff, der im Kern dasselbe meint wie ‹Sprachpflege›, jedoch frei ist von dessen unliebsamen nationalistischen Konnotationen – als eine Form der Sprachlenkung, die sich auf Sprachen mit längeren Schrifttraditionen und einer zumeist bereits in der frühen Neuzeit ausgearbeiteten, seitdem immer wieder modernisierten präskriptiven Sprachnorm bezieht» (1998, 9). Gleiches konstatiert auch Wimmer (1984), wenn er sagt, dass «[d]er Sprachkulturbegriff […] zum Teil den Begriff der Sprachpflege ab[deckt]. Letzterer war aber insbesondere in der strukturalistisch orientierten Linguistik in Mißkredit geraten, und zwar aus einsehbaren Gründen: Da waren die Belastungen durch eine deutschtümelnde Germanistik, die nicht so sehr die deutsche Sprache als vielmehr das angeblich typisch Deutschstämmige in bestimmten Sprachbereichen gepflegt sehen wollte» (1984, 7).

Dem von Janich (2004) vorgeschlagenen «Splitting des Sprachkulturbegriffs» (2004, 225) kann somit inhaltlich zwar prinzipiell zugestimmt werden, jedoch bringt es auch eine terminologische Verkomplizierung eines ohnehin bereits kontrovers diskutierten Konzepts mit sich. Darüber hinaus besteht m. E. auch keine Notwendigkeit einer begrifflichen Aufteilung, da stets die Möglichkeit besteht, die Frage nach dem Bezug von Sprachkultur auf das einzelsprachliche System und seine Normen oder den einzelnen Sprecher am jeweiligen Forschungsgegenstand im jeweils betrachteten Fall zu konkretisieren. Als theoretische Ergänzung zu dem v. a. in der jüngeren Sprachendiskussion besonders deutlich zu Tage tretenden Spannungsgefüge Linguistik – Öffentlichkeit erscheint hingegen die ebenfalls von Janich (2004) als Neuerung vorgenommene Einbettung des Sprachkulturkonzepts in den sprachphilosophischen Ansatz des Methodischen Kulturalismus (cf. 2004, 18–27) fruchtbar. Aus dem Marburger Programm des Methodischen Kulturalismus, dessen zentrale Ansätze v. a. auf die Arbeiten Peter Janichs und Dirk Hartmanns zurückgehen,35 leitet 35 Der Methodische Kulturalismus nach Janich versteht sich als «Überwindung des Methodischen Konstruktivismus […] und als Gegenposition zu Naturalismus, erkenntnistheoretischem Realismus und theoretischem wie praktischem Relativismus». Zu seinen zentralen Grundan-

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3 Metasprachdiskurse als historische Systeme

Nina Janich in ihrer Habilitationsschrift den Entwurf einer handlungsorientierten Sprachkulturtheorie ab: «Wo von Handelnkönnen oder von Handlungsfähigkeiten des Menschen die Rede ist, haben wir es mit kultürlich eingeübten, das heißt in kooperativer Auseinandersetzung mit Bezugspersonen der eigenen Kulturtradition erworbenen Fähigkeiten zu tun» (Janich, P. 2001, 36, zit. in Janich 2004, 21). Das Ziel ihrer auf dieser Grundannahme aufbauenden Sprachkulturtheorie ist somit die Auseinandersetzung mit und die kritische Reflexion von «vorfindlichen Praxen (d. h. regelmäßig, regelgeleitet und personeninvariant aktualisierten Handlungszusammenhängen […]) in der Lebenswelt und vor allem der Wissenschaft» (Janich 2004, 19).36 Die erkenntnistheoretische Position, derzufolge Handeln und somit auch sprachliches Handeln in einer Handlungsgemeinschaft erlernt werden, liefert die Grundlage für die Entwicklung konkreter Vorschläge zur Förderung der Sprachkultur i. e. S. und der Sprachkultiviertheit als didaktischem Programm mit moralischen und ethischen Zielen (cf. Janich 2004, 199–224): In diesem ethischen Kontext bedeutet «Sprachkultiviertheit», «[…] sich der individuellen Freiheit einerseits und der Verantwortung für die Kommunikation in einer kulturellen Gemeinschaft andererseits bewusst zu sein» und Sprachkultur i. e. S., dass dort «[…] [w]o Sprachkultiviertheit eingefordert wird, […] auch entsprechende sprachliche Ausdrucksmöglichkeiten zur Verfügung stehen müssen» (Janich 2004, 3–4). Des Diskussionspotenzials hinsichtlich der Rolle und Aufgabe der Sprachwissenschaft in der Sprachpflege ist sich Janich (2004) dabei durchaus bewusst: «Nach den bisherigen ersten Diskussionen meiner Thesen im Rahmen von Vorträgen bin ich mir sicher, dass dieser letzte Punkt [scil. die starke Orientierung an philosophischen Ansätzen] kontrovers diskutiert werden wird, weil Sprachwissenschaft aus Sicht sehr vieler Kolleginnen und Kollegen (auch anderer Disziplinen, am wenigsten allerdings der Philosophie) in erster Linie Sprachsystem und Sprachgebrauch zu beschreiben habe. Das Einbeziehen ‹externer›, in diesem Fall moralischer Wertmaßstäbe (d. h. das Anlegen von Bewertungskriterien, die sich nicht unmittelbar aus der Sprache ableiten lassen) gilt vielen als unwissenschaftlich, weil fachspezifisch nicht mehr begründbar (d. h. eben nicht mehr an Sprache/sprachlichen Formen und Gebrauchsweisen nachweisbar). Dieser Einwand ist insofern völlig berechtigt, als tatsächlich sprachliche Äußerungen von ihrer Form und ihrem Inhalt her mit sprachwissenschaftlichem Instrumentarium nicht unter

nahmen zählt die Betrachtung der «(prinzipiell) erkannte[n] Natur als kulturabhängigem Gegenstand» (Janich 2004, 18). 36 Dieser sprachkulturtheoretische Ansatz und das Verständnis von sprachlichem Handeln als soziale Praxis decken sich mit der Annahme der Musterhaftigkeit sprachlichen Handelns in Diskursen, die in dieser Arbeit für Sprachpflege in Deutschland und Frankreich ermittelt wird. Für eine grundlegende Definition des Musterbegriffs cf. Kap. 3.3.5. Zur seiner Adaption in handlungsorientierten Diskursanalysen cf. ausführlich Kap. 4.1.3.

3.2 Deutschland

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moralischen Gesichtspunkten, sondern allenfalls als (synchron!) korrekt, regelgerecht, angemessen (oder eben nicht) beschrieben werden können. Doch sobald man den Handlungsbegriff ernst nimmt, ihn also wie vorgeschlagen vom Verhalten abgrenzt, […] dann bekommt die durchaus sprachwissenschaftliche (und als solche breit akzeptierte) Frage nach situativer Angemessenheit und Adäquatheit von Sprachgebrauch zwangsläufig eine ethische Dimension. […] Die eigentliche Frage scheint mir daher also nicht zu sein, ob eine bewusste Akzeptanz eigener Verantwortlichkeit in der Kommunikation und eine daraus resultierende Kommunikationsbereitschaft Teil eines Sprachkultiviertheit-Konzeptes sein dürfte, sondern eher, ob sich die Sprachwissenschaft überhaupt für Sprachkultur und Sprachkultiviertheit zuständig fühlt» (Janich 2004, 230–231).

Dieses kritische Hinterfragen des Status der Linguistik als (involvierter) Akteur im «öffentlichen Metasprachdiskurs», das bereits an vorhergehenden Stellen aufgebracht wurde, werde ich an späterer Stelle nach dem diskursgeschichtlichen Vergleich von Sprachpflege in Deutschland und Frankreich nochmals im Exkurs zur Laienlinguistik aufgreifen (cf. Kap. 3.2.2). Die von Janich (2004) herausgearbeitete Relevanz einer ethischen und moralischen Kontextualisierung sprachlichen Handelns ist natürlich – wie sie selbst darlegt (2004, 27–28) – nicht neu, sondern seit dem pragmatic turn und philosophisch motivierten Ansätzen der Linguistik in zahlreichen weiteren Ansätzen und Arbeiten zuvor begründet worden und soll deshalb hier nicht weiter vertieft werden. Gerade zur Beschreibung der Architektur von Metasprachdiskursen ist jedoch eine kurze Betrachtung des zuvor bereits erwähnten Handlungscharakters sprachlicher Äußerungen von Vorteil. Ohne dabei die Definition sprachlichen Handelns i. S. der Sprechakttheorie, d. h. als regelgeleitetes Handeln oder i. S. dieser vorausgehender Ansätze ausführlich zu kommentieren,37 wird «sprachliches Handeln» hier zunächst mit dem von Layes (2000) vorgeschlagenen, kulturpsychologischen Verständnis von «Handeln» gleichgesetzt. Demnach sind Handlungen «bestimmte Formen des Sich-Verhaltens, nämlich jene, die nicht rein reaktiv, reflexhaft und unwillkürlich ablaufen, sondern in denen sich ein zumindest potentiell bewusstseinsfähiges, willkürlich beeinflussbares und diskursivierbares Selbst-, Fremd- und Weltverhältnis ausdrückt» (2000, 70; cf. Janich 2004, 20–24).38 Für handlungsorientierte Untersuchungen von Diskursen sind vor diesem Hintergrund zwei grundsätzliche Prämissen festzuhalten: 1. metasprachliches Handeln ist zugleich sprachliches Handeln; 2. dieses metasprachliche Handeln

37 Cf. z. B. das in den 1940er Jahren von Wittgenstein in den Philosophischen Untersuchungen dargelegte Konzept der Sprachspiele (cf. Wittgenstein 1977) oder darauffolgende Erweiterungen wie die Theorie des kommunikativen Handelns (cf. Habermas 1981a; 1981b). 38 Zur ausführlichen Definition cf. Kap. 4.

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3 Metasprachdiskurse als historische Systeme

manifestiert sich auf zwei Ebenen: einer konkreten sprachlichen, d. h. in dieser Arbeit textuellen Ebene, die Preston (2004) als «Metalanguage 1» respektive «comments and attitudinal responses to language» bezeichnet, und einer transtextuellen respektive mentalen Ebene kultureller Prägung, der sog. «Metalanguage 3» i. S. v. «underlying folk beliefs speakers have about the nature of the object itself» (2004, 94). Diese beiden Ebenen decken sich mit der von Janich (2004) festgelegten Einteilung in kommunikative und nicht-kommunikative Sprachhandlungsschemata. Erstere zählen zu den Handlungsschemata, «die ein Gegenüber voraussetzen […] und deren Zweck sich auf die Handlungsfolgen bezieht», Letztere «sind weitgehend Selbstzweckhandlungen (nach kulturalistischer Terminologie, d. h. der Zweck besteht in Handlungsausführung oder -ergebnis)» (Janich 2004, 33). Bei den kommunikativen Handlungsschemata kann weiterhin eine Einteilung in einen zweckrationalen Typ, der «dominant zielorientiert» ist und einen sinnrationalen Typ, der «dominant klärungsorientiert» ist, vorgenommen werden. Unter den zweckrationalen Handlungsschemata lassen sich prinzipiell alle Typen illokutionärer Sprechakte subsumieren, die in der Sprechakttheorie definiert werden: Repräsentiva, Direktiva, Kommissiva, Deklarativa, Expressiva (cf. Janich 2004, 30). Die phatischen Sprechhandlungen (expressiv i. w. S.), die sich auf den Kontakt und die Ausdrucksfunktion zwischen Sender und Empfänger beziehen, werden bei Janich in einer eigenständigen dritten Kategorie, den «dominant bezugsorientierten», phatischen Sprachhandlungsschemata angeordnet, da sie «[…] weit stärker dem Aufbau, der Konsolidierung und dem Ausbau sozialer (und emotionaler) Beziehungen und weniger unmittelbar der kooperativen Lebensbewältigung [dienen]» und somit «[d]e[n] Begriff des Zweckes […] überdehn[en] würde[n]» (Janich 2004, 36–37). Nicht-kommunikative Handlungsschemata «[erfüllen] eine (kognitiv oder emotional) entlastende Funktion für den Handelnden» und sind somit als «Selbstzweckhandlungen» zu verstehen, wobei der Zweck entweder in der Ausführung oder dem Ergebnis einer Handlung liegt. Eine Ergebnisorientierung liegt laut Janich nur bei expressiven nicht-kommunikativen Sprachhandlungen vor. Diese werden im Gegensatz zu den phatischen Handlungen der kommunikativen Schemata als expressiv i. e. S. bezeichnet (Janich 2004, 37–38). Kommunikative Sprachhandlungsschemata, die sich als direkte sprachliche Äußerungen an die «soziale Mitwelt» richten (Layes 2000, 91) repräsentieren den Bereich der von Preston (2004) definierten «Metalanguage 1»,39 d. h. «comments 39 Layes (2000) definiert drei Bezugspunkte für Handlungen: die gegenständliche Umwelt, die soziale Mitwelt und die subjektive Innenwelt. In Abhängigkeit von diesen Bezugspunkten, d. h. ihrem zweckrationalen, regelgeleiteten oder narrativen Charakter ergeben sich mittels Kreuzklassifikation die folgenden Handlungsarten: instrumentell, strategisch, autochthon, re-

3.2 Deutschland

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and attitudinal responses to language»; nicht-kommunikative Handlungsschemata sind hingegen subjektorientiert und beziehen sich auf die Innenwelt des sprachlich Handelnden und somit auf die von Preston als «Metalanguage 3» definierten «underlying beliefs». Die folgende Abbildung (cf. Abb. 8) führt beide Ansätze, den sprachkulturtheoretischen von Janich (2004) und den spracheinstellungsorientierten Zugang von Preston (2004) als integratives Modell zusammen und fasst darüber hinaus die Analyseebene II unter der konzeptuellen Dimension von «Sprachideologien» und «Spracheinstellungen» weiter terminologisch zusammen.40 Die Beschreibung nicht-kommunikativer Sprachhandlungen werden im Folgenden entgegen der Einteilung Janichs unter den Begriffen «Spracheinstellungen» und «Sprachideologien» zusammengefasst (cf. Kap. 4.1.3). Wie Spitzmüller treffend sagt, liegen Spracheinstellungen und ähnliche Konzepte, die auf die mentale Ebene von Äußerungen abzielen, häufig in nuce und somit hinter der sprachlichen Ebene verborgen (cf. 2005, 157). Spracheinstellungen werden dabei im Folgenden als Vektoren von Sprachideologien verstanden, die sich als Schnittstelle zwischen dem nicht-kommunikativen und kommunikativen Handeln der Sprecher bewegen und sich dabei explizit oder implizit im Sprachgebrauch äußern können.41 Das in der Spracheinstellungsforschung weit verbreitete «Drei-Komponenten-Modell», das Spracheinstellungen als kognitiv, affektiv und konativ geprägte Gebilde beschreibt, wird von Janich (cf. 2004, 38–39) in ihrer Unterteilung der nicht-kommunikativen Handlungsschemata teilweise terminologisch aufgegriffen. Die Ausführung der Handlung wird als kognitiv oder affektiv geprägt und das Handlungsergebnis als i. e. S. expressiv eingeordnet. Da diese m. E. terminologisch komplexe Untergliederung für diskurslinguistische Analysen schwer operationalisierbar erscheint und wie oben beschrieben eine andere Absicht verfolgt, wird die bei Janich verankerte kognitive und affektive Ausrichtung nicht-kommunikativen sprachlichen Handelns weiter berücksichtigt, aber unter dem Spracheinstellungsbegriff als allgemeinerer theoretischer Kategoire zusam-

gulativ, normativ, selbstregulativ, analytisch, explorativ, selbstreflexiv (cf. Layes 2000, 91–92). Zur kulturalistischen Definition von «Handeln» als vorsätzlicher Tätigkeit in Abgrenzung von «Verhalten» cf. Janich (2004, 20–24). 40 Der Aufbau des Modells folgt der Einteilung des Schaubilds bei Janich (cf. 2004, 39), ist jedoch an manchen Stellen begrifflich modifiziert. Erweitert wurde das Schema um die beiden Ebenen von Metasprache nach Preston sowie um den Spracheinstellungsbegriff. 41 Zur Begründung dieser Annahme sowie eine daran gebundene Erweiterung des integrativen Modells metasprachlicher Handlungsschemata cf. Kap. 3.2.2. Zur ausführlichen Definition von «Sprachideologien» und «Spracheinstellungen» cf. Kap. 4.1.3.

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3 Metasprachdiskurse als historische Systeme

(Meta-)Sprachhandlungsschemata

Analyseebene I/Metasprache 1

Analyseebene II/Metasprache 3

(Bezug auf soziale Mitwelt)

(Bezug auf subjektive Innenwelt)

kommunikativ

nicht-kommunikativ Sprachideologien

Spracheinstellungen zweckrational

sinnrational

phatisch (i. e. S. expressiv) kognitiv

affektiv

konativ

Repräsentativa Aushandlung und Direktiva Transformation Kommissiva von Normen Deklarativa und Zwecken Expressiva

Topoi Metaphern Lexikalische Einheiten Abb. 8: Integratives Modell (meta-)sprachlicher Handlungsschemata (erweitert nach Janich 2004).

mengefasst. Die Relevanz von Spracheinstellungen liegt im vorliegenden Kontext insbesondere in dem Interesse begründet, sprachliches Handeln in Bezug auf Sprache und daran gebundene Sprachgebrauchsmuster zu erklären und für Sprachpflege zu typisieren. Die Definition von «Einstellung» beruft sich dabei, wie in vielen soziolinguistischen und insbesondere diskurslinguistischen Arbeiten auf ein mentalistisches Begriffsverständis: «To explain human behaviour two conflicting theoretical frameworks have been used by psychologists: behaviourism and mentalism. Behaviourists […] investigate observable be-

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haviour, which they consider to be direct responses to changing environmental stimuli. In the eyes of mentalists […] behaviour is rational in nature. Commented on from a mentalist angle mental processes, i.e. attitudes act as mediating variables between stimuli and responses (overt behaviour). This implies that attitudes can be inferred from introspection as well as from behaviour» (Vandermeeren 1996, 158).

In ihrer Schnittstellenposition zwischen Sprachideologien auf der transtextuellen und metasprachlichen Äußerungen auf der (intra-)textuellen Ebene können Spracheinstellungen somit als der Motor metasprachlicher Äußerungen und als Richtwerte diskursiver Interaktion verstanden werden (cf. König 2014, 34–36; Liebscher/Dailey-O’Cain 2009), die sich zwischen Akteuren in einer bestimmten sozialen Mitwelt, so auch in der Sprachpflege, abspielt. Für eine Operationalisierung des Einstellungsbegriffs wird daher auch mit Rosenberg/Hovland vorausgesetzt, dass Einstellungen sich in Handlungen ausdrücken; sie sind «predispositions to respond to some class of stimuli with certain classes of responses» (1960, 3). Das darüber hinaus Spracheinstellungen nicht nur Prädispositionen, sondern auch dynamische Konstrukte sind, die im Diskurs entstehen, erörtert ausführlich Kap. 4.1.3 aus sozial- und diskurslinguistischer Perspektive.

3.2.3 Sprachpurismus als historische Dimension von Sprachpflege Die Fremdwörter werden wir nicht los, ganz im Gegenteil tun wir gut daran, uns auf einen noch umfangreicheren Fremdwortschatz einzustellen, als wir ihn heute haben. Das wird uns umso besser gelingen, je mehr wir über ihn wissen. (Eisenberg 2018, 1)

Purismus i. w. S. als «Streben nach Sprachreinheit» (Orgeldinger 1999, 125) folgt diachron und synchron unterschiedlichen theoretischen Konzeptionen von Sprache, die in unterschiedlichen Sprachkontaktsituationen auftreten und in Abhängigkeit von verschiedenen Motiven bestimmter Akteure auf Sprachreinerhaltung, Sprachreinigung und Sprachbereicherung abzielen können. Die Sprachreinerhaltung vollzieht sich «[…] in der Ausschließung oder bedingten Zulassung, die Sprachreinigung in der Austilgung oder bedingten Beibehaltung der abgelehnten Einheiten. Bedingung für die Zulassung beziehungsweise Beibehaltung sind je nach Konzeption bestimmte Kriterien der Assimilation/Integration» (Orgeldinger 1999, 125–126). Analytisch betrachtet kann «Purismus» sowohl in eine gemäßigtere proaktive Variante i. S. von Sprachausbau und eine radikalere retroaktive Variante mit dem Ziel «[…] aus attitudinalen Gründen bereits integrierte Entlehnungen eliminieren» zu wollen, unterteilt werden, wobei

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3 Metasprachdiskurse als historische Systeme

Kombinationen aus beiden «Spielarten» vorkommen können (Zimmermann 2003, 324). Auch muss grundsätzlich beim Sprecher zwischen einer «entlehnungskritischen Perspektive» und «eigentlichem Purismus» unterschieden werden. Letzterer «als Teil der Sprachplanung qua Sprachausbau» unterliegt als Spracheinstellung mit konativer Komponente dem Willen des Sprechers, «[…] irgendwelche Maßnahmen zu ergreifen, damit eine durch fremde Einflüsse durchsetzte Sprache diese wieder eliminiert oder versucht, daß dieser Zustand erst gar nicht eintritt» (Zimmermann 2003, 326). Es ist natürlich möglich, «Purismus» terminologisch unter «Sprachkritik» zu verorten, denn «[e]r stellt […] eine typische Art von Sprachkritik dar: Kritik am Sprachgebrauch Anderer (bzw. an Systemteilen der Sprache) mit der Forderung nach eigenen Ansätzen zum Ersatz dieses Wortschatzbereiches durch andere Sprachmittel und zwar nach einer bestimmten politischen Ideologie im Bereich des Nationalismus» (v. Polenz 1999, 264). Mit v. Polenz (1999) kann allerdings, auch in Abgrenzung zum Französischen, eine gesonderte Darstellung von «Sprachpurismus» im Deutschen «als politisch historisches Kontinuum im Zusammenhang mit anderen Arten von ‹Sprachpflege›» (v. Polenz 1999, 264), rechtfertigt werden: «Seine gesonderte Darstellung [scil. des Fremdwortpurismus i. S. v. politischer Sprachkritik] […] ist auch zu begründen mit seinem sprachhistorischen Zusammenhang mit dem ‹allgemeinen Sprachpurismus› seit der Humanistenzeit und als eine einflußreiche sprachnationalistische Triebkraft bei der Entstehung von Nationalbewußtsein und Nationalstaat in Deutschland bis zu dessen Pervertierung im radikalnationalistischen Wilhelminismus und rassistischen Nationalsozialismus. Sowohl durch eigene Begriffsbildung als auch durch vorwiegende personale Differenzierung hat sich der Fremdwortpurismus durch spezielle Politisierung aus dem allgemeinen Bereich von Sprachkritik herausentwickelt, hat sich so verselbstständigt und ist durch Verstrickung in die katastrophale deutsche Geschichte von der Bismarckzeit zur NS-Zeit heute derart ins Abseits geraten, daß kaum ein Germanist, Linguist oder Bildungspolitiker in deutschsprachigen Ländern es wagen kann, im Rahmen der Erörterung verschiedener Arten und Ziele von Sprachkritik und Sprachpflege auch nur gemäßigte Ziele der Fremdwortverdeutschung positiv zu vertreten […], ganz anders als z. B. in Frankreich» (v. Polenz 1999, 264–265).

Auch andere wissenschaftliche Studien rechtfertigen eine gesonderte und intensive Auseinandersetzung mit dem Phänomen «Purismus» als spezifische Ausprägungsform sprachpolitischer, sprachpflegerischer oder sprachplanerischer Interessen. So stellt Zimmermann (2003), der Purismus im Kontext amerindischer Sprachen untersucht hat, ganz allgemein die Frage «[…] ob der Purismus selbst eine Universalie ist (im Sinne von ‹immer dann, wenn Einfluss gegeben ist, entwickelt sich eine Gegnerschaft gegen den Einfluß›) oder ob es spezielle historische Bedingungen gibt, unter denen er sich als Konzeption entwickelt bzw. als sprachpolitische Strategie eingesetzt wird» (2003, 321). Auch kann da-

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nach gefragt werden, wie die jeweils konkrete «soziolinguistische Sachlage» (Zimmermann 2003, 324) und individuelle Sprachensituation einer Sprechergemeinschaft, von der sprachreinigende Maßnahmen ausgehen, Purismus determiniert. Denn «[…] die Frage des Purismus im Sinne von Legitimität und Machbarkeit [muß] bei Kleinsprachen, Minderheiten, Regionalsprachen, d. h. bei dominierten Sprachen […] anders gesehen werden als bei dominanten, starken und Standardsprachen, die unbedroht sind, oder gar offizielle Sprachen eines Staates» (Zimmermann 2003, 324). Wie Zimmermann weiter ausführt, ist die Sprechergemeinschaft als konzeptuelle ideologische Entität i. S. eines sprachidentitären Kollektivs hierbei im Allgemeinen und besonders für den Purismus von unmittelbarem Interesse, da sich sprachpflegerische Akteure v. a. über ihre Rolle bzw. ihre Verpflichtung als Teil einer bestimmten Sprechergemeinschaft verstehen. Auch machen die folgenden Überlegungen zur gesellschaftlichen Verortung von Purismus deutlich, dass eine Klassifikation metasprachlicher Diskurse alleine auf der Grundlage von Akteuren die Möglichkeit eineindeutiger Zuordnungen widerlegt und, wie oben dargelegt (cf. Kap.2), Überlagerungen von gesellschaftlichen Teildiskursen als Modell diskursiver Schnittstellen, Rollen und Positionen rechtfertigt (cf. Abb. 2): «Eine strukturalistisch geprägte Sprachwissenschaft, die ihr Interesse nur dem schenkt, was sie das System der Sprache nennt, kann hinsichtlich der Entlehnungsfrage nur völlig leidenschaftslos sein. Gerade von Linguisten dieser Provenienz kommt auch mit Verweis auf diese Wissenschaftshaltung des Deskriptivismus eine ziemlich klare Absage an der Teilnahme puristischer Sprachplanung. Bereits eine deskriptive Soziolinguistik und die Sprachwandelforschung können sich jedoch der Untersuchung dieses Phänomens nicht verschließen, denn Purismus als eine Einstellung gegenüber Sprache und als politische Strategie ist Bestandteil einer Sprachgemeinschaft und hat, neben anderen sprachplanerischen Maßnahmen, Auswirkungen auf die soziolinguistische Konstellation und Entwicklung der Sprache. Wenngleich es in der Vergangenheit oftmals so schien, als ob es die Sprachspezialisten waren, die dem Purismus das Wort geredet haben, darf man doch nicht die Augen davor verschließen, daß es sich bei der dem Purismus zugrundeliegenden Attitüde um etwas handelt, das aus der Sprechergemeinschaft selbst hervorgeht. Man wird sogar sagen können, daß Sprachspezialisten, die sich dem Purismusgedanken verschreiben, dies nicht als Linguisten tun, sondern als Mitglieder einer Sprachgemeinschaft, obschon sie so tun, als ob es sprachimmamente Gründe für Purismus gäbe, die sie als Spezialisten herausgefunden hätten» (Zimmermann 2003, 323).

Hinsichtlich der Ergebnisse wissenschaftlicher Beschäftigung mit «Purismus» seit den 1960er Jahren konstatiert Pfalzgraf das Fehlen einer einheitlichen und zugleich kontextuell variablen Definition des Phänomens. Mit Verweis auf Thomas (1991) schlägt er aus diesem Grund eine Bestimmung von «Sprachpurismus» als «working definition» vor, die sich ausdrücklich nicht nur auf fremde Einflüsse, sondern auch auf solche bezieht, die aus den verschiedenen Varietäten und Registern einer Sprache stammen (cf. Pfalzgraf 2009, 137).

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3 Metasprachdiskurse als historische Systeme

«Purism is the manifestation of a desire on the part of a speech community (or some section of it) to preserve a language from, or rid it of, putative foreign elements or other elements held to be undesirable (including those originating in dialects, sociolects and styles of the same language). It may be directed at all linguistic levels but primarily the lexicon. Above all, purism is an aspect of the codification, cultivation and planning of standard languages» (Thomas 1991, 12).

Eine ähnliche Einordnung von «Purismus» als eine auf Standardsprachen bezogene Erscheinung schlägt Gerdener (1986) vor, wenn er sagt, dass «[u]nter dem Begriff ‹Purismus› […] im allgemeinen verschiedene Formen der Sprachpflege und Sprachplanung zusammengefaßt [werden]. Ihnen gemeinsam ist das Bestreben, die eigene Sprache von fremden Einflüssen freizuhalten bzw. zu befreien» (1986, 20). Ebenso wird die Korpusanalyse zeigen, dass die Ausweitung des Begriffs auf Bereiche jenseits des Lexikons und anglizismenkritischer Positionierungen in Abhängigkeit vom Untersuchungsgegenstand sinnvoll ist, auch wenn es gerade diese sprachlichen Dimensionen sind, die meistens die inhaltlichen Säulen des sprachpflegerischen Diskurses darstellen (cf. Kap.4).42 Grundsätzlich gilt, dass «[…] Purismus keinesfalls ein exklusiv deutsches Phänomen darstellt, sondern er ist in je unterschiedlicher Ausprägung und Intensität in allen europäischen Sprachgemeinschaften aufzuweisen, ja […] praktisch eine linguistische Universalie» (Kirkness 1998, 407). Demnach stets im konkreten soziohistorischen Kontext zu betrachten, meint Purismus – wie oben bereits dargelegt – im Zusammenhang der «Mehrsprachigkeits- und Sprachmischungstendenz» des Deutschen im 17. Jh. «[…] Bemühungen von Einzelpersönlichkeiten, Freundeskreisen und Institutionen um die ‹Rettung› der damals als gefährdet aufgefassten deutschen Sprache, oder besser (sprachgeschichtlich gesehen) um deren noch nicht erreichte Konsolidierung und Entwicklung als Literatur- und Nationalsprache» (v. Polenz 1994, 107). Diese erste Konsolidierungsphase des Deutschen gilt erst im 18. Jh., v. a. mit den Arbeiten Adelungs zur hochdeutschen Mundart (1793–1801) als (vorläufig) abgeschlossen (cf. Cherubim /Walsdorf 2005; Schiewe 1998, 98).43 Insofern trifft im engeren Sinne eine Kategorisierung von Sprachreinheitsbestrebungen im 17. und 18. Jh. als «Fremdwortpurismus», wie er v. a. seit neuhochdeutscher Zeit in den Fokus gerückt und für die Zeit nach 1787 in germanis-

42 Brunstad (2003) sieht eine definitiorische Ausweitung von Purismus als Maßnahme gegen Einflüsse, die über lexikalische Entlehnungen aus anderen Sprachen hinausgeht, kritisch: «Another problem is the danger of ending up with a concept which makes purism abroad ideological discourse covering almost all notions of language correctness. In that case, the concept loses some of its analytic utility» (2003, 53). 43 Zur deutschen Lexikographie und Sprachnorm im 17. und 18. Jh. cf. Henne (2006, 3–37).

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tischen und romanistischen Arbeiten auch relativ gut erforscht ist, nur bedingt zu, da «[e]s […] nicht nur um zwischensprachliche, sondern auch um innereinzelsprachliche Transferenz(en) von den Sozio- und Dialekten in die Hoch- und Schriftsprache, oder später: Standardsprache als Leitvarietät (Hochdeutsch) [geht]». Erst seit dem 19. Jh. finden sich überwiegend in der germanistischen Forschung und Sprachgeschichtsschreibung «pauschale oder einseitig polemische Schlagwörter» wie «Sprachpurismus, Fremdwortkampf, Fremdwortjagd, Sprachnormung, Sprachpedanterie» (v. Polenz 1994, 107; cf. Kirkness 1998, 407), deren Entstehung in der deutschen und anderen Sprachgemeinschaft(en) auf die in besonderem Maße gesellschaftlich diskutierten «lexikalischen, ganz bes. ausdrucksseitig erkennbaren, Niederschläge des Sprachkontaktes» zurückzuführen ist, die «[…] zu verschiedenen Zeiten sehr unterschiedliche Reaktionen hervorgerufen [haben]» und «die von bedenkenloser Aufnahme über Gleichgültigkeit bis zu scharfer Ablehnung reichen» (Kirkness 1998, 407).44 Bei «Purismus» im Deutschen muss weiter mit v. Polenz (cf. 1994, 107–108) zwischen «Fremdsprachenpurismus» und «Sprachpurismus» unterschieden werden. Letzterer, eher auf das 17. und 18. Jh. zutreffend und als Sprachreinigung i. w. S. zu verstehen,45 «[…] ist nicht auf interlinguale Erscheinungen beschränkt, sondern umfasst im Sinne des alten rhetorischen Begriffs puritas neben der Vermeidung von ‹Fremdwörtern› auch die Vermeidung von intralingualen Varianten wie anstößigen, zweideutigen, veralteten oder regionalen Wörtern und Wendungen, grammatikalischen Formen, Orthographien und Aussprachen. Das erklärte Ziel dieser umfassenden Kultivierung der deutschen Sprache war ihre gesellschaftliche Anerkennung als Sprache der belletristischen Literatur und der Wissenschaften» (v. Polenz 1994, 107).

Entgegen dieser Definition, in der v. Polenz Reinheitsbestrebungen v. a. als korpusplanerische Maßnahmen zugunsten von Orthographie, Grammatik, Lexikographie, Rhetorik und Poetik einordnet und darin keine nationalistische Intention sieht, sondern vielmehr die Form «eine[s] gelehrten vornationalen Patriotismus» (v. Polenz 1994, 108), bewertet Stukenbrock (2005a) die «fremdwortpuristischen Zielentwürfe» dieser Zeit als programmatisch für einen nach dem Ende des Dreißigjährigen Krieges auftretenden «Sprachnationalismus» (2005, 80). Beide Definitionen sind m. E. zutreffend, wenn man die Fülle an sprachreflexi-

44 Ein ähnliches Spracheinstellungsspektrum in Bezug auf Anglizismen, das sich in den drei Bewertungskategorien positiv ‒ neutral‒ negativ ausdrückt, konnte in der Analyse des aktuellen Sprachpflegediskurses im Rahmen einer qualitativen Inhaltsanalyse ermittelt werden (cf. Kap. 4.3). 45 Zur Sprachreinheit als Konstruktionselement nationaler Identität in Deutschland cf. Schiewe (2011).

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3 Metasprachdiskurse als historische Systeme

ven Schriften dieser Zeit betrachtet, in denen Purismus sowohl in radikalen als auch gemäßigteren Tendenzen auftritt.46 So zeugen die oben zitierten Passagen aus Schottelius Ausführlicher Arbeit (cf. 13–15) eher von Sprachreinigung i. S. einer sprachpolitischen Aktivität, die v. Polenz mit dem Begriff der «Sprachloyalität» erklärt (cf. 1994, 108). Hingegen sind die ebenfalls bereits erwähnten Arbeiten des Barockdichters Philipp v. Zesen Abbild eines radikaleren sprachkritischen Bewusstseins (cf. Kirkness 1975a, 28), sichtbar u. a. in der von ihm verfassten Satzung der 1643 in Hamburg gegründeten Deutschgesinnten Genossenschaft (cf. 16) oder in der ebenfalls von ihm durch zahlreiche Wortneuschöpfungen geleisteten «Verdeutschungsarbeit» (cf. 17), die «mit langfristiger Wirkung bis ins 20. Jahrhundert nicht nur als blindwütiger Fremdwortpurismus angewandt worden ist», sondern auch «[…] der Belebung systematischer ‹Wortbildungskreativität› [diente]» (v. Polenz 1994, 122). (16) Vor allen dingen sollen alle und iede Zunftgenossen verpflichtet sein / ihren eusersten fleis an zu wenden / daß gemelter Sprache eigene angebohrne grundzierde nicht allein erhalten / und vor allem fremden unwesen und gemische bewahret; sondern auch ie länger ie treflicher vermehret / ja alles eingeschlichene unreine / ungesetzmäßige/und ausheimische abgeschaffet / und in ein besseres / wo immer tuhnlich / verändert werde. (17) Abstand (Distanz), Anschrift (Adresse), Augenblick (Moment), Blutzeuge (Märtyrer), Bollwerk (Bastion), Bücherei (Bibliothek), Entwurf (Projekt), Feldmesser (Geometer), Freistatt (Asyl), Gesichtskreis (Horizont), Gewissensfreiheit (conscientiae libertas), Glaubensbekenntnis (Konfession), Grundstein (Fundament), Jahrbücher (Annalen) […].47 Sprachreinerhaltende Aktivitäten sind also auf einem Spektrum zwischen Kulturpatriotismus auf der einen und nationalistisch bis chauvinistisch orientier46 «Wo über Sprache in […] ideologischem Sinne reflektiert wird, begegnen sich häufig beide Phänomene gleichzeitig, der Sprachnationalismus wie der Sprachpatriotismus. Ihr gleichzeitiges Auftreten bedeutet allerdings nicht, daß unterschiedliche Gewichtungen nicht deutlich erkennbar wären. So finden sich zwar in den sprachpflegerischen Schriften der barocken Sprachgesellschaften gelegentlich nationalistische Tendenzen, wenn die französische Sprache und die Franzosen als Repräsentanten romanischer Kultur und Lebensart mit Spott überzogen werden und dem Germanisch-Deutschen gegenüber als unterlegen abqualifiziert werden […] Doch sind solche explizit abwertenden Äußerungen nicht so etwas wie die bildungspolitische Begleiterscheinung einer aggressiven, gegen Frankeich gerichteten Politik» (Gardt 2000d, 248–249). Eine Anthologie deutscher sprachpuristischer Texte aus der Zeit zwischen 1478–1750 hat Jones (1995) zusammengestellt. 47 Die Belege (16) und (17) werden zitiert aus Kirkness (1975, 28 und 43). Ein Auszug aus den Statuten der Deutschgesinnten Genossenschaft ist auch in Jones abgedruckt (1995, 235–239).

3.2 Deutschland

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tem Fremdwortpurismus auf der anderen Seite angesiedelt (cf. v. Polenz 1994, 109; cf. hierzu auch Gardt 2000b, 249). Die Orientierung auf diesem Spektrum hängt dabei maßgeblich vom jeweiligen soziohistorischen Kontext ab, auch wenn der im 17. Jh. aufkommende Fremdwortpurismus i. w. S. «für alle weiteren Phasen und Formen patriotisch bzw. nationalistisch motivierter Sprachreflexion» Geltung behält (Stukenbrock 2005a, 80). Seine Topoi haben seither als diskursives Grundgerüst in verschiedenen Epochen Anwendung gefunden, unterscheiden sich aber nachweislich in den (sprach-)ideologischen Beweggründen ihnen zugehöriger Argumentationen. Die Legitimation der deutschen Sprache in der sprach- und kulturpatriotischen Orientierung der barocken Sprachgesellschaften «[fußt] eher auf einer Haltung der trotzigen und den modernen Betrachter naiv anmutenden Selbstaufwertung gegenüber dem in vielem als überlegen gesehenen Nachbarn Frankreich […] denn auf einem tatsächlich empfundenen Bewußtsein souveräner Überlegenheit» (Gardt 2000b, 249) und darf aus diesem Grund «nicht mit seiner späteren nationalistischen Umdeutung (am Ende des 19. Jahrhunderts) verwechselt werden» (Hundt 2000, 20). Dieser sprachnationalistische Umbruch erfolgt erst in der Zeit zwischen der Mitte des 19. Jhs. und dem Ende des Nationalsozialismus und hebt sich durch folgende von Gardt (2000b) definierten Merkmale von «Sprachpatriotismus» ab: «[…] die pointiert bis aggressiv formulierte Behauptung der Überlegenheit der eigenen Sprache und damit, aufgrund der […] Übereinanderblendungen, der eigenen kulturellethnischen (u. a. ethisch-moralischen), politischen und anthropologischen Gemeinschaft über andere Gemeinschaften sowie (implizit oder explizit) die Behauptung der Gefährdung der Integrität bzw. Identität der eigenen Sprach-, Volks- und Kulturgemeinschaft durch fremde Sprachen, Völker, Rassen, Nationen und Kulturen; als Folge dieser Behauptungen die z. T. aggressive Abwertung des sprachlich (und zugleich kulturell-ethnisch, politisch und anthropologisch) Fremden» (Gardt 2000b, 248).

Beiden ideologischen Richtungen, Sprachpatriotismus/-nationalismus und Sprachpurismus, gemein ist jedoch erstens «das emphatische Lob der eigenen Sprache sowie deren Hypostatierung, d. h. ihre Vergegenständlichung zu einer Größe, die aus ihren historischen und sozialen Bezügen herausgelöst ist und eine von ihren Sprechern irgendwie unabhängige Natur (Charakter, Wesen, Kraft, Geist, Genie/Genius etc.) besitzt» und zweitens die bereits erwähnte, z. T. «ins Mythologische und Sakrale ausgreifend[e]» (Gardt 2000b, 247–248) Überblendung sprachlicher Bereiche mit anderen Konstituenten einer Sprachnation. Eine Einteilung des deutschen Purismus kann historisch-chronologisch durch eine epochale Aufteilung (cf. Kirkness 1998; Pfalzgraf 2006) oder systematisch-konzeptionell nach Diskursformen erfolgen (cf. Gardt 2001; Kap. 3.2.5), wobei beide Einteilungen sich nicht auf Sprachpurismus, sondern auf Fremd-

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3 Metasprachdiskurse als historische Systeme

wortpurismus i. w. S. beziehen. Kirkness nimmt eine diachrone Gliederung in drei Abschnitte vor (cf. 1998, 407–414): Der erste umfasst die Zeit des 17. und 18. Jhs., die zuvor bereits ausführlich dargestellt wurde (cf. Kap. 3.2.1). Als zentrale Ansätze gelten hierbei in der Barockzeit die Fremdwortkritik der Sprachgesellschaften, insbesondere der Fruchtbringenden Gesellschaft, mit dem Ziel des Ausbaus «einer genormten, überregionalen Hoch- und Literatursprache» und die sich mit der Aufklärung anschließende Weiterentwicklung des Deutschen als Standard- und Wissenschaftssprache (Pflalzgraf 2006,15). Dabei ist allgemein zu bemerken, dass die Sprachpflege des 18. Jhs. insgesamt gemäßigter war und deren zentrale Vertreter wie Leibniz, Gottsched und Adelung «[…] den Purismus nicht explizit zum Programm [erhoben]» (Kirkness 1998, 409). Der zweite Abschnitt umfasst die kurze Zeitspanne zwischen 1789 und 1819, «in deren Verlauf sich der entscheidende Wandel vom Sprachpurismus zum Fremdwortpurismus vollzieht» (Kirkness 1998, 407). Diese kurze Übergangsphase und der dritte Abschnitt, mit dem Kirkness das 19. und 20. Jh. zusammenfasst (cf. ibid), werden im folgenden Kapitel behandelt (cf. Kap. 3.2.4). Die Zeit nach 1945 wird mit Blick auf das 21. Jh. und aktuelle Tendenzen von Sprachpflege separat besprochen (cf. Kap. 3.2.5).

3.2.4 19. und 20. Jahrhundert: Sprachnationalismus und Fremdwortjagd Zwischen dem Beginn der Französischen Revolution (1789) und den Karlsbader Beschlüssen (1819) folgt zunächst eine die sprachnationalistischen Tendenzen des Metasprachdiskurses bestärkende Übergangsphase (cf. Kirkness 1998, 410). Ende des 18. Jhs. war das Hochdeutsche auf nationaler Ebene in Wissenschaft und Bildung weitestgehend gefestigt, als Standardsprache im deutschen Sprachraum akzeptiert und, auch auf europäischer Ebene, als Literatursprache anerkannt. Diese Konsolidierung und die starke Politisierung geistig-kultureller Entwicklungen, angestoßen durch die Französische Revolution und durch die militärischen Auseinandersetzungen in Napoleonischer Zeit intensiviert, führten zu «einer Besinnung auf das Deutsche in seiner ganzen Eigentümlichkeit durch eine nationalpolitische Abgrenzung nach außen, bes. Frankreich gegenüber» und zu einem «[…] Streben nach politischer Einigung im Inneren» (Kirkness 1998, 410). Durch diese Bewegungen wurde Sprache zum «Spiegel der Nation» (Kirkness 1998, 410).48 Bär (2000) betrachtet aus diskurstheoretischer Perspektive das zu dieser Zeit an Bedeutung gewinnende Verhältnis zwischen

48 Zur SPRACHNATION als Frame romanischer Sprachreflexion cf. Kap. 3.3.3.

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Sprache und Nation bei Vertretern der romantischen Sprachtheorie zwischen 1790 und 1830 anhand in der Sprachreflexion auftretender «Denk- und Herangehensweisen, Topoi und Wertehaltungen» (2000, 201). In seiner Untersuchung tritt «die Frage nach Identität, und zwar sowohl des menschlichen Individuums als auch größerer Gruppen, z. B. Nationen» als ein wiederkehrender, auf bestimmten semantischen Konzepten beruhender Gegenstandsbereich hervor (cf. Bär 2000, 202–203): «Die beiden für die romantische Theorie wichtigsten und am häufigsten belegten Nationsbegriffe sind der kulturelle und der politische. Dabei kommt dem kulturellen die unbestrittene Vorrangstellung zu: Eine Kulturnation, der die politische Realität fehlt, kann gleichwohl eine Nation (schlechthin) sein – nicht hingegen eine Staatsnation, der es an positiver kultureller Identität mangelt. […] Das romantische Konzept ‹Nation› […] ist inhaltlich in besonderer Weise durch die damals aktuelle Konfrontation mit Frankreich geprägt. Die Tatsache, dass das kulturelle Kriterium gegenüber dem politischen als wichtiger, vor allem als höherwertig gesehen wird, liegt […] an der spezifischen historischen Situation Ende des 18. und Anfang des 19. Jahrhunderts: Das politisch nicht existente ‹Deutschland› ist eine nur ideologische, und zwar hauptsächlich kulturhistorisch definierte Größe. […] Sprache ist nach romantischer Auffassung nicht nur ein Verständigungsmittel, sondern hauptsächlich ein Mittel der Erkenntnis.49 […] Die Sprache – als Medium der Kommunikation wie der Erkenntnis selbst ein Phänomen der Mitte – gewinnt hier entscheidende Bedeutung. Sprachlich gefaßt sind die geistigen Errungenschaften jeder Nation; das Studium ihrer Sprache ist der Schlüssel zu ihrer spezifischen Denkweise» (Bär 2000, 222–225).50

49 Sowohl Bär (2000, 224) als auch Kirkness (1998, 410) beziehen sich auf die von Reichmann (1980) verwendeten Termini der «Symbol- und Signalfunktion» sowie der «kognitiven Leistung» bzw. «Erkenntnisfunktion» von Sprache: Nationale symptom-funktionale Kategorisierungen und Identifizierungen, die in Sprachideologien aufgehen (cf. Kap. 4.1.3) sind für ein Verständnis von «Metasprachdiskursen» als sozialem Handeln (cf. Kap. 4.1.1) maßgeblich, da sie als argumentatives Muster (cf. Kap. 4.1.3) sowohl zur Entlastung «eigenen» Handelns als auch zur Stereotypisierung «anderen» Handelns eingesetzt werden können: «Dies hat unter handlungstheoretischem Aspekt folgende Konsequenz: Nationale Klassifizierungen brauchen infolge ihres scheinbar natürlichen Status nicht mehr auf ihre Bedingtheit befragt zu werden, sie liefern fertige Gesichtspunkte zur Situationsbeurteilung und führen damit zur Reduktion potentieller Handlungsvielfalt auf wenige überschaubare Muster. In negativer Terminologie führen sie zur Stereotypisierung, Automatisierung und Klischierung des Handelns; in positiver Wendung sind sie Bedingung für entlastetes Handeln und dienen dann seiner Effektivierung. […] Historisch gesehen ist die symptom-funktionale Identifizierung von Sprechern mit der deutschen Sprache und die damit verbundene nationale Klassifizierung seit dem frühen Mhd. belegbar. Sie wurde dann im 16. Jahrhundert von Sprachideologen aufgegriffen und propagandistisch gegen die Vorherrschaft des Lateins und die Rolle der von diesem abgeleiteten romanischen Sprachen so verstärkt, daß sie als gleichsam natürliches Faktum der kritischen Reflexion entzogen blieb» (Reichmann 1980, 516). 50 Mit dem Phänomen der Mitte spielt Bär (2000) auf das geographische und kulturelle Bild Deutschlands als Land der Mitte an und verweist auf die Fortsetzung dieses romantischen

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3 Metasprachdiskurse als historische Systeme

Was bedeutete dieses nationale Umdenken im Metasprachdiskurs für seine puristische Ausprägung? In der Zeit zwischen 1789 und 1819 stand die Diskussion um die Akzeptanz von Fremdwörtern weniger im Zentrum des öffentlichen Interesses, sondern wurde vorrangig in akademischen Kreisen diskutiert und manifestierte sich erst gegen Ende dieser Übergangsphase als puristisches und nationalpolitisches Interesse (cf. Kirkness 1998, 410). Bis zu diesem Zeitpunkt bewegten sich die Haltungen gegenüber dem «Fremden» zwischen «Zustimmung bis zu schroffer Ablehnung» (Bär 2000, 217) und wurden um allgemeine Bemühungen um die deutsche Sprache ergänzt. Kirkness (1998) unterscheidet bei diesen durch unterschiedliche Absichten gekennzeichneten Richtungen einer sich allmählich durchsetzenden Sprachpflege zwischen einer volksaufklärerisch-bildungspolitischen, einer sprachstrukturellen, einer radikal-vernünftelnden sowie einer politisch-nationalistischen Ausprägung (cf. 1998, 411–412).51 Stellvertretend für den Ansatz eines aufklärerisch-bildungspolitischen Sprachprogramms sind die Arbeiten von Joachim Heinrich Campe zu nennen, die auszugsweise bereits im Rahmen des Öffentlichkeitsbegriffs diskutiert wurden (cf. Kap. 2.1.1). Campe, der es sich als volksorientierter Pädagoge und Erzieher zur Aufgabe machte, die Überzeugungen der Aufklärung in die Öffentlichkeit zu tragen, projizierte diesen Auftrag auf den sprachlichen Bereich. Ausgerichtet am Ideal der allgemeinen Verständlichkeit der deutschen Sprache und am Ziel einer mittels Analogie zu erreichenden Sprachreinheit i. S. v. Sprachgleichförmigkeit (cf. Kap. 3.2.5), versuchte Campe die Ideale der Aufklärung auf Ebene des sprachlichen Systems für ein breites Publikum zugänglich zu machen (cf. Schiewe 1998, 136). Die praktische Umsetzung der von ihm vorgenommenen, umfassenden Reinigung von allem Nichtverständlichen, das der «eigenen» oder einer «fremden» Sprache entstammt, und die Bildung von Ersatzwörtern ist in dem von ihm verfassten Verdeutschungswörterbuch (1813) dokumentiert. Als «Nestor des Fremdwortpurismus im Deutschen» begründet er damit «eine Tradition von Sonderwörterbüchern zur Erklärung und ganz bes. zur Verdeutschung der Fremdwörter, die im späten 19. Jh. ihren Höhepunkt erreichte und bis zum Zweiten Weltkrieg ununterbrochen anhielt» (Kirkness 1998, 411). Die sprachsystematische Orientierung von Sprachpflege

Motivs bis zu Thomas Mann: «Ist nicht deutsches Wesen die Mitte, das Mittlere und Vermittelnde und der Deutsche der mittlere Mensch im großen Stile?» (Mann 1983, 110). Sprache als Kommunikationsmedium ist in diesem Sinne vermittelnd bzw. auch ein Phänomen der Mitte (cf. Bär 2000, 225). 51 Eine andere Einteilung auf der Grundlage ausgewählter Texte schlägt Bär (2000) vor, der den romantischen Purismus in einen erkenntnistheoretisch-moralischen und einen ästhetischen Ansatz unterteilt (cf. 2000, 217–222).

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betrachtete die Einzelsprache als einheitliches, reines Ganzes, von dessen Integrität und eigentümlicher Struktur «die nationale Identität und Selbstständigkeit» abhängig ist. Der Maler Karl Wilhelm Kolbe (1812) sah die Möglichkeit zur Bewahrung dieser Struktur und somit der «Identität und Autarkie der deutschen (Sprach-)Nation» im Purismus (Kirkness 1998, 411). Das gravierende Ausmaß der Wortmengerei im Deutschen beschreibt er in vergleichender Perspektive zum Lateinischen: (18) Bey den Römern […] wurde durch die Einmischung fremder Zeichen die Einheit der Sprache nur zweifach verletzt: im Klang der Wörter und in ihrer Anschaulichkeit. Bei uns auf fünffache Weise: im Klang und in der Anschaulichkeit der Wörter, dann in ihrer Bildung, ferner im Zeit- und Ton-Maß […] und deutlich in den grammatischen Formen. Sie konnten die griechischen Bezeichnungen immer noch als einen Theil ihrer Rede betrachten, weil sie sie ihrem wirklichen Eigenthum anähnlichten. Bey uns treten die abheimischen Wörter aus der Sprache völlig heraus; sie bilden einen von der Masse des Ganzen unabhängigen Haufen, der auch nicht durch das lockerste Band mit ihr zusammenhängt […] (Kolbe 1812, 153). Sprachpflege in ihrer radikalen und vernunftorientierten Ausprägung, hervorgehend aus dem sog. «Vernunftsprachtum» (Kirkness 1998, 411) wurde v. a. durch extreme Rationalisten wie Christian Heinrich Wolke und Karl Christian Friedrich Krause, beide Mitbegründer der 1815 gegründeten Berliner Gesellschaft für deutsche Sprache, geprägt (cf. Wells 1990, 421). Ziel dieses Purismus war die «absolute Homogenität der Ausdrucks- und Inhaltsstruktur», die «eine radikale Durchrationalisierung aller Strukturen, speziell in der Wortbildung vorsah», die sich an einem kunstsprachlichen Ideal orientierte (Kirkness 1998, 411–412). Ganz im Gegensatz zu den Arbeiten Campes steht der vom sog. Turnvater Friedrich Ludwig Jahn (1776–1852) vertretene «nationalistische Purismus», der sich in Form einer «Fetischisierung der Sprache unter Betonung der Symptomfunktion» (Orgeldinger 1999, 154) auf die «Liebe zu allem Einheimischen und Ablehnung alles Ausländischen» beruft und den «sprachlichen Befreiungskrieg in den Dienst der nationalen Erhebung gegen die französische Vorherrschaft» stellt (Kirkness 1998, 412). Gegen Ende dieser Übergangsphase, insbesondere nach 1806 – im Oktober unterlagen die Preußen den napoleonischen Truppen bei Jena und Auerstedt und es folgte die Zeit der französischen Besatzung – setzte sich der Purismus als kennzeichnender Teil von Sprachpflege in seiner nationalistischen Motivation durch. Auch rückte in dieser Ausprägung die Lexik immer mehr ins Visier der Puristen, die aufgrund der politischen Entwicklungen «Wörter und Wortbil-

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dungseinheiten […] gerade wegen ihres fremden Ursprungs ablehnten», woraus die bis heute für den Fremdwortpurismus charakteristische und verfestigte Polarisierung zwischen «Eigenem» und «Fremdem» erwachsen ist, die nicht nur Ausdruck einer Verteidigung «im sprachlichen Sinne» ist (Kirkness 1998, 412). Im 19. und 20. Jh., der dritten historischen Phase des Sprachpurismus, kam es nach dem Sturz Napoleons 1815 und den Mitte des 19. Jhs. folgenden deutschen Einheits- und Unabhängigkeitsbestrebungen zum Aufleben eines «wissenschaftlich sehr dilettantische[n], bewußt volkstümlich gehaltene[n] Fremdwortkampf[es]» (Kirkness 1998, 412). Josef D. C. Brugger, der 1848 in Heidelberg den Verein für deutsche Reichssprache gründete, bekräftigt in seinem Fremdwörterbuch für das deutsche Volk (1855) «einen derart radikalen Fremdwortpurismus, dass der Ende des Jahrhunderts frisch gegründete Allgemeine deutsche Sprachverein glaubt, sich von ihm distanzieren zu müssen» (Stukenbrock 2005a, 244): (19) Müßt nicht erschrecken, ihr lieben Landsleute! Das ist kein Aufruf zum Kriege mit einem auswärtigen Volke, sondern eine Einladung an die Deutschen in allen Gauen zu einem Kampfe gegen fremde Wörter, die sich wider Fug und Recht durch Mißbrauch und gedankenlose Gewohnheit in unsere schöne, kraftvolle deutsche Sprache eingenistet haben. Zwar lesen wir oft, in Blättern und Flugschriften, Mißbilligungen verständiger Männer über das in unserer Zeit sich immer mehrende Unwesen des Fremdwörter-Einmischung; allein immer bleibt es beim Alten. Ist es denn nicht möglich, die Deutschen zur Ausführung eines festen Entschlusses zu bewegen, die unnöthigen Fremdwörter mit Kraft und Gewalt aus dem Heiligthume unserer Sprache hinaus zu jagen? Was ist wohl die Ursache, daß es nicht geschieht, daß nicht einmal Hand angelegt wird, unsere herrliche Sprache zu reinigen von dieser schmählichen und entehrenden Entstellung, und ihr unter den vorzüglichen europäischen Stamm-Sprachen, den ihr längst gebührenden ehrenvollen Rang anzuweisen, den die einzunehmen verdient? (Brugger 1855, IV). Dass dem Fremdwortpurismus und der Sprachpflege im 19. Jh. aufgrund einer inhaltlichen Ablehnung solcher radikaler Tendenzen weniger Akzeptanz und öffentliche Resonanz beschieden war, wird Stukenbrock zufolge durch den «Mangel an einflussreichen und wissenschaftlich hochrangigen Persönlichkeiten» verstärkt, woraus resultiert, «dass öffentliche Sprachkritik und wissenschaftliche Sprachforschung nicht mehr notwendigerweise in Personalunion betrieben werden» (2005a, 244). Mit der Realisierung der kleindeutschen Lösung und der Reichsgründung 1871 beginnt die letzte Phase und «Höhepunktphase» (v. Polenz 1999, 268) des

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Purismus, die sich durch die Institutionalisierung der Sprachpflege grundlegend von früheren Ansätzen unterscheidet. Parallel zur Neuorganisation des öffentlichen Verwaltungsapparats, in dem sich «auf allen Ebenen vielfach für den Fremdwortpurismus ein[gesetzt wurde], u. a. im Post-, Heer-, Rechts-, Schul- und Verkehrswesen», nimmt die «Fremdwortjagd» ab den 1880er Jahren ihren festen Platz im öffentlichen Leben ein (Kirkness 1998, 413). Mit dem Sieg über die Franzosen und «[…] einer deutschen Siegeseuphorie, die sich als antifranzösische Propagierung eines neuartigen ‹Reichsnationalismus› fortsetzte, der über das bisherige kulturell oder territorial orientierte deutsche Nationalbewußtsein hinausging» (v. Polenz 1999, 270), entwickelt sich der Fremdwortpurismus in seiner radikalen Form «als Konsequenz des Sprachnationalismus» (Gardt 2000b, 264) und «[e]s wurde gegen das Fremdwort nicht als Wort, sondern als Zeichen nationaler Stumpfheit und mangelnden Nationalbewußtseins gekämpft» (Kirkness 1998, 413). Sprachreinigung wird zu einem nationalen Unternehmen (cf. Schiewe 1998, 154), für dessen Ziel, «die Erhaltung und Wiederherstellung des echten Geistes der d[eu]t[schen]Sprache zu pflegen, und auf diese Weise das allgemeine nationale Bewußtsein im deutschen Volk zu kräftigen» (Schiewe 1998, 154), sich der 1885 gegründete Allgemeine Deutsche Sprachverein (ADSV) – ab 1923 nur noch Deutscher Sprachverein (cf. v. Polenz 1999, 276) – als Zentralorganisation mit verschiedenen Publikationsorganen einsetzt, in deren Veröffentlichungen «sämtliche Themen, Motive und Argumentationsweisen des Sprachnationalismus, mit einer Konzentration auf den Fremdwortpurismus» (Gardt 2000b, 264) erkennbar sind.52 Ebendiese Argumentationen i. S. einer frühneuzeitlichen Fremdwortkritik bezeichnet Gardt als «über Jahrzehnte und sogar Jahrhunderte hinweg absolut topisch» (Gardt 2000b, 263). Während des Ersten Weltkrieges stand der Purismus im Zeichen eines «militanten Chauvinismus», der seine radikalste Ausprägung wohl im Werk Eduard Engels (1917) erhielt (Kirkness 1998, 114), dessen «Fall […] die existentiellen Konsequenzen illustrieren [mag], die die xeno- und schließlich ethno-

52 Cf. die ausführlichen Darstellungen zur radikalen Arbeit des ADSV bei Kirkness (1975b, 369–384); Schiewe (1998, 157–163); v. Polenz (1999, 270–273) sowie Stukenbrock (2005a, 322– 326). Die von Kilian/Niehr/Schiewe (2016) neben weiteren Einzelpersonen wie Gustav Wustmann, Eduard Engels, Ludwig Reiners oder Friedrich Nietzsche vorgeschlagene Klassifikation des ADSV als Vertreter einer laienlinguistischen Sprachkritik (cf. 2016, 72–75) scheint mir aufgrund des allgemeinen Begriffsverständis von «Laie» problematisch und für die einzelnen Personen aufgrund ihres Bildungsstands mitunter auch nicht nachvollziehbar. Eine Einordnung als öffentliche oder populäre Sprachkritik wäre m. E. passender. Zur kritischen Terminologisierung von «Laienlinguistik» cf. Kap. 3.3.7.

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phobe Verbarrikadierung des Sprachdenkens in dem immer enger umgrenzten Gehäuse des Eigenen für das Fremde zeitigt» (Stukenbrock 2005a, 331).53 (20) In der deutschen Bildungswelt und weit über sie hinaus, bis in die Tiefen des deutschen Volkes hinunter, allenfalls mit Ausnahme der wenigstgebildeten, wenigstverbildeten Grundschicht, wird eine Sprache gesprochen und geschrieben, die nach allen Begriffen von lebendiger, gesunder Volkssprache nicht mehr deutsche Sprache zu heißen verdient. Insonderheit die geschriebene und gedruckte Sprache Deutschlands mag immerhin noch als eine seltsame Mundart, Abart, Entartung des Germanischen so mitgehen […] Der Allgemeine Deutsche Sprachverein bekämpft seit 31 Jahren das, was auch er irrtümlich milde die ‚Fremdwörterei‘ nennt, anstatt unverhüllt von der zunehmenden sprachlichen Entvolkung Deutschlands zu reden. […] Völkerseelenforschung ist eine junge Wissenschaft; ein gründliches Buch über die deutsche Seele gibt es noch nicht. Bei der Schwierigkeit der Selbsterkenntnis ist es wenig wahrscheinlich, daß es von einem Deutschen geschrieben werden wird. […] In einem Werke dieser Art darf ein großer, fast beherrschender Abschnitt fehlen: Die Ausländerei. Eine ihrer sichtbarsten Erscheinungsformen ist das Welschen, und es gilt, sie wissenschaftlich als das zu erkennen, was sie in der unerbittlichen Wahrheit ist, die allein vielleicht heilen kann. […] Die Welscherei ist eine seelische Volkskrankheit. […] Schon früher wurde zur Versinnbildlichung dieser Krankheitsform das Gleichnis vom Krebs und Schwamm gebraucht. Es ist kein bloßes Gleichnis, es ist die volle Wirklichkeit. […] Der einzige Unterschied zwischen Krebs, Geschwulst, Schwamm im Körper oder im Holz – und den gleichen Erkrankungen der Sprachseele besteht darin, daß wir den ersten Krankheitserreger bei der Sprache deutlich bestimmen können, bei den stofflichen Wucherungen nicht. Den Keim der Welscherkrankheit bildet eine vorerst vereinzelte, nicht bösartig aussehende Welschwurzel. Sie bohrt sich mit einem spitzigen Giftstachel in den gesunden Sprachkörperfest und tief genug hinein, wird zuerst nur als ein ungefährlicher Fremdstoß empfunden, dessen man beliebig Herr werden könne, und nun beginnt das, was man bei leiblichen Durchseuchungen die Brütezeit nennt. Ein erster Krankheitsherd hat sich gebildet, und von ihm strahlt die Ansteckung nach allen Richtungen aus (Engel 1917, 7–12; 119–120). Nach der Machtergreifung der NSDAP verpflichtete sich der Deutsche Sprachverein als «‹SA unserer Muttersprache›» den Absichten des Nationalsozialismus 53 Zum Purismus bei Eduard Engel cf. zusammenfassend Kilian/Niehr/Schiewe (2016, 80–85); zu Engels Kritik am Deutschen als Wissenschaftssprache cf. Lipczuk (2010).

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und ab 1936 wurde der von ihm betriebene Fremdwortpurismus auf jiddische Wörter und jüdische Autoren ausgeweitet, womit der Übergang vom sprachlichen Nationalismus zum sprachlichen Rassismus seinen Lauf nahm (cf. Kirkness 1998, 414). Diese «rasche Gleichschaltung» war jedoch wohl nicht nur ideologisch motiviert, sondern auch ein Versuch, der seit 1930 sinkenden Popularität des Vereins und den rückläufigen Mitgliederzahlen entgegenzuwirken (cf. v. Polenz 1999, 277). Jedoch stimmte dieser radikale Fremdwortpurismus nur wenig mit der teilweise durchaus fremdwortorientierten Sprachpraxis der Nationalsozialisten überein, sodass die Arbeit des ADSV aufgrund «offizielle[r] Mißbilligung durch die Naziführung» (v. Polenz 1999, 277) – es hatte sich herausgestellt, dass Engel, Ehrenmitglied des Sprachvereins, selbst Jude war – und auch aufgrund kritischer Stimmen aus Öffentlichkeit und Wissenschaft – z. B. der Berliner Akademie der Wissenschaften oder einzelner Personen wie Wilhelm Dilthey, Theodor Fontane, Ernst Curtius oder Leo Spitzer – Ende 1940 durch einen Erlass Hitlers stark eingeschränkt wurde (cf. Gardt 2000b, 264–265). Allerdings «[sollte] [ü]ber den machtpolitischen Schwierigkeiten des Deutschen Sprachvereins im Dritten Reich […] nicht übersehen werden, daß, infolge seiner 60jährigen Tradition und der Popularität seiner ‹sprachreinigenden› Gesinnung vor allem unter Lehrern und Beamten, Deutschland (neben Frankreich) zu den Ländern mit der stärksten Abwehr der Internationalisierung des modernen Wortschatz gehörte. Stärker als in Österreich und der Schweiz ist Deutschland noch bis in die ‹Nachkriegszeit› gekennzeichnet von zahlreichen planmäßig verdeutschten Wortbildungen aus indigenen Bestandteilen. […] Der generationenlange Entwicklungsstau in Bezug auf die sprachliche Internationalisierung ist – neben dem entlastenden Bedürfnis, die deutsche Vergangenheit durch eine ‹Flucht nach vorn› (d. h. in die westlich-globale Modernisierung) auf bequeme Weise loszuwerden – mit zu berücksichtigen bei der Erklärung des enormen Anstiegs sprachlicher Entlehnungen aus dem Angloamerikanischen vor allem im westlichen Nachkriegsdeutschland» (v. Polenz 1999, 285).

Seit Ende des 19. Jhs. bereits geforderte Bemühungen um eine staatliche Institutionalisierung der Sprachpflege blieben auch in der Zeit der NS-Diktatur vergleichsweise erfolglos. Der Begründer des ADSV, der Kunsthistoriker Hermann Riegel, hatte bereits ab 1883 die Gründung einer Akademie für deutsche Sprache gefordert und 1925 beschlossen hochrangige Vertreter aus unterschiedlichen gesellschaftlichen Bereichen in München die Gründung einer nichtamtlichen Deutschen Akademie zur wissenschaftlichen Erforschung und Pflege des Deutschtums, die v. a. einen statusplanerischen Auftrag verfolgte und aus deren praktischer Abteilung später das Goethe-Institut entstanden ist. Auf Antrag der Deutschen Akademie wurde 1932 die Gründung eines Sprachamtes beschlossen, dessen Ausbau nach 1933 zusammen mit dem Deutschen Sprachverein, der Reichsrundfunkgesellschaft und der Gesellschaft für deutsche Bildung weiter-

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verfolgt wurde. Im Jahr 1935 wurde das Deutsche Sprachpflegeamt gegründet, dessen Aufgabe es war, die Sprache in persönlichen und öffentlichen Bereichen zu überwachen, den Wortschatz von Fremdwörtern und anderen schädlichen Einflüssen zu schützen sowie die deutsche Sprache und das Deutschtum fest miteinander zu verbinden. Der Einfluss solcher während des Dritten Reichs entstandenen nationalen und auch regionalen Akademien und Ämter auf die deutsche Sprache war jedoch kaum erkennbar (cf. v. Polenz 1999, 285).

3.2.5 Sprachpflege nach 1945: Sprachberatung und Reideologisierung Für die Zeit nach 1945 bis zum Ende des 20. Jhs. fasst Kirkness (1998) zusammen, dass «[…] der national-völkische Fremdwortpurismus nur vereinzelt wieder auf[lebte]» und die Fremdwortdiskussion im deutschen Sprachraum zwar fortbestehe, sich aber bis auf wenige Ausnahmen in vergleichsweise toleranteren Initiativen und Maßnahmen sprachpflegerisch und sprachberatend arbeitender Vereine und Institutionen äußere (cf. 1998, 414). Auch v. Polenz spricht kurz vor der Jahrhundertwende von einem «grundsätzliche[n] Rückgang des öffentlichen Interesses für Fremdwortpurismus, bis hin zur Marginalisierung oder Tabuisierung dieser Art von ‹Sprachpflege›» (1999, 286). Die weiterhin bestehende Fremdwortfrage stellt nun v. a. die Anglizismen in den Mittelpunkt ihrer Kritik und kann dabei auf ein «vielfältiges Erbe» zurückschauen, das die «jahrhundertealte puristische Bewegung [hinterlassen hat]» und zu der «ein starkes öffentliches Fremdwortbewußtsein» zählt, «das sich u. a. in einer wertenden Polarisierung des Wortschatzes in deutsche Wörter und Fremdwörter niederschlägt» (Kirkness 1998, 415).54 Ergänzend zur diachronen Darstellung des Purismus in Deutschland soll an dieser Stelle eine weitere Einteilung von Purismus nach Gardt (2001) vorgestellt werden, die systematisch nach Diskursformen angelegt ist und somit auch theoretisch an die Definition von Sprachpflege als Teilsystem öffentlicher Metasprachdiskurse anschließt (cf. Kap. 2). Anhand eines Korpus, das Reflexionen über Sprache vom 16. bis 20. Jh. im Rahmen eines breit angelegten Textsortenspektrums sprachpflegerischer Dokumente zum Fremdwortbegriff i. w. S. vereint, unterscheidet Gardt (2001) vier Bewertungsdimensionen:

54 Jung (1995) spricht von «selektive[m] Purismus», der sich nach 1945 v. a. in der Presse manifestiert und «sich praktisch nur gegen einen bestimmten Spracheinfluß, den amerikanischen, richtet, und nicht mehr wie vorher der absoluten Sprachreinheit huldigt, nach der alle ‹undeutschen› Sprachelemente – seien sie lateinisch-griechischer oder sonstiger Natur – auszuscheiden seien, um nur noch germanische Erbwörter zuzulassen» (1995, 250).

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Erstens einen sprachstrukturellen Fremdwortdiskurs, der sich mit der ausdrucksseitigen Assimilation und pragmatischen Legitimität von Fremdwörtern befasst sowie mögliche Verfahren diskutiert, durch welche Fremdwörter mit deutschen Wörtern ersetzt werden können (z. B. die Revitalisierung von Archaismen, die Integration von Dialektismen, Kreation von Neologismen nach dem Analogieprinzip auf der Basis deutscher Wörter oder Wortbildungsmorpheme). Dieser Metasprachdiskurs folgt in seiner argumentativen Ausprägung einer hypostatierenden und ahistorischen Interpretation von Sprache, d. h. der Vorstellung eines idealen, strukturell gänzlich nachvollziehbaren Sprachsystems, und geht von einer bestimmenden Korrelation zwischen Sprache und Kognition aus (cf. Gardt 2001, 135–136). An zweiter Stelle steht der ideologisch geprägte Fremdwortdiskurs, der sich durch das «emphatische Lob der eigenen Sprache und zugleich ihre Vergegenständlichung zu einer Größe, die aus ihren historischen und sozialen Bezügen herausgelöst ist», ausdrückt (Gardt 2001, 136). In dieser Vorstellung hat Sprache ihre «eigene Natur», die von «genetisch-genealogischer Reinheit» gekennzeichnet ist. In dieser naturgegebenen Konstitution steht Sprache in Verbindung mit «kulturellen Größen», zu welchen Sitte, Anstand und Moral gezählt werden, «nationalen Größen» wie das zur Sprache gehörige Reich, die Nation oder das Land sowie an letzter Stelle «anthropologische Größen» wie das Volk, der Stamm oder die Rasse. Aus diesem Verständnis ergibt sich als Merkmal ideologischer Fremdwortdiskurse, «die – mehr oder weniger explizit und aggressiv formulierte – Behauptung der Überlegenheit» des «Eigenen» über das «Fremde» auf unterschiedlichen Ebenen (Gardt 2001, 136–137). Diese ideologisch markierte Ausprägung von Purismus sticht m. E. sehr deutlich in aktuellen Metasprachdiskursen hervor, weshalb der synchrone Teil der Diskuranalyse auf eine Analyse dieser sprachideologischen Dimension von Sprachpflege abhebt (cf. Kap. 4). Drittens nennt Gardt (2001) die Ausprägung des sprachpädagogischen und sprachsoziologischen Fremdwortdiskurses, der auf der Überzeugung beruht, «dass die Beherrschung von Fremdwörtern mit dem Wissen und der Bildung der Sprecher korreliert» (Gardt 2001, 138). Dabei kann die Aufnahme fremder Wörter in eine Sprach- und Kulturgemeinschaft im Vergleich zur ideologischen Bewertung von Fremdwörtern als Chance verstanden werden, da «neue geistige Sachverhalte […] einen veränderten Blick auf die Welt [bewirken]» (Gardt 2001, 139) und das Meinungsspektrum zugunsten und entgegen der Notwendigkeit, die fremden Wörter einzudeutschen, sehr weit auseinanderliegen.55 An vierter und letzter Stelle steht der sprachkritische Fremdwortdiskurs, dessen Urteil über Fremdwörter aus stilistischen und kommunikationsspezifi-

55 Cf. hierzu Campes puristisches Sprachbildungsprogramm in Kap. 3.2.4.

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schen oder aus ästhetischen Gründen erfolgen kann. Bei den kommunikationsspezifischen Motiven i. S. einer kommunikativen Ethik sind v. a. solche fremdwortkritischen Einstellungen hervorzuheben, die auf der Annahme basieren, «dass die zentralen Aufgaben von Sprache die in der Sache zutreffende Darstellung von Wirklichkeit und die Ermöglichung verlässlicher Kommunikation sind». In diesem Zusammenhang steht z. B. die oben beschriebene Kritik der barocken Sprachgesellschaften am Alamode-Wesen und «die enge Orientierung führender gesellschaftlicher Kreise […] an französischer Kultur und Lebensart», die dazu führt, dass «Wort und Wirklichkeit […] auseinander [treten]» (Gardt 2001, 140). Im wissenschaftlichen Sektor hat sich mit der Nachkriegszeit und entgegen der Tendenz in vorausgehenden Phasen des Purismus «[b]ei sprachorientierten Germanisten und Linguisten […] die traditionelle Distanzierung von fremdwortpuristischen Einstellungen und Aktivitäten verstärkt» und «[v]iele Linguisten verwerfen heute nicht nur den Kampf-Begriff Fremdwort, sondern auch die auf nicht hinreichenden formalen Kriterien aufgebaute Unterscheidung zwischen Fremdwort und Lehnwort überhaupt» (v. Polenz 1999, 289). Eine Auflockerung der starren Ablehnung sprachpflegerischer Reflexionen und Maßnahmen durch Linguisten in Verbindung mit dem «Postulat einer wissenschaftlichen Fundierung» und Ansätzen «eine[s] kulturpolitisch progressiven ‹Sprachpflege›-Verständnis» (v. Polenz 1999, 290) etablieren sich langsam, und mit großer Behutsamkeit nimmt das seit den 1970er Jahren als Konzept der «Sprachkultur» i. S. einer aufgeklärten Sprachpflege nach dem Vorbild der Prager Linguistenschule wieder seinen Platz in der Germanistik ein (cf. Kap.3.2.2). Auch im Zuge der 1980er Jahre und selbst mit der Wiedervereinigung 1990 sowie der damals aufkommenden Frage nach nationaler Identität blieb fremdwortpuristische Kritik eine Initiative bzw. Forderung einzelner, meist politischer Personen, was auch darin begründet lag, dass «die Zeit für eine allgemeine nationalistische Ideologisierung mit metasprachlichen Mitteln […] in dieser stark westlich orientierten, pluralistisch und permissiv gewordenen Gesellschaft vorüber» (v. Polenz 1999, 288) war. Dies war neben der Geschichte Deutschlands, zwischen 1933 und 1945 und zuvor, ein weiterer Grund dafür, dass in Deutschland, im Gegensatz zu anderen europäischen Ländern wie Frankreich, Belgien, Spanien, Griechenland und den skandinavischen Ländern, eine staatliche Sprachkultivierung nicht existierte (cf. Steinhauer 2002, 39). Dennoch gibt es drei zentrale Einrichtungen im Bereich der institutionalisierten Sprachpflege, die zu großen Teilen aus öffentlichen Mitteln finanziert werden (cf. Steinhauer 2002, 39). Diese außeruniversitären Einrichtungen werden im Folgenden unter Betrachtung ihrer aktuellen Zielsetzungen, ihrer sprachbezogenen Aktivitäten und hinsichtlich ihrer Rolle als Akteur im gesell-

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schaftlichen Metasprachdiskurs kurz vorgestellt. An dieser Stelle nicht im Detail ausgeführt wird die Arbeit der Goethe-Institute, die sich als vorwiegend staatlich finanzierte Institutionen der Sprachkultur des Deutschen im Ausland widmen (cf. Steinhauer 2002, 39) und damit ein wichtiger Akteur der auswärtigen deutschen Sprachpolitik sind, der «weltweit Kulturveranstaltungen organisiert, Sprachkurse anbietet, Bibliotheken finanziert und damit versucht, der deutschen Sprache internationale Aufmerksamkeit zu verschaffen und sie Interessierten zugänglich zu machen» (Marten 2016, 39). Die 1949 in Lüneburg gegründete Gesellschaft für deutsche Sprache (GfdS) mit Sitz in Wiesbaden «distanzierte […] sich zunehmend von einem einseitig nationalistischen Fremdwortpurismus und von einer Reduzierung von ‹Sprachpflege› auf intolerante Verdeutschungsarbeit» (v. Polenz 1999, 285). Ihre satzungsgemäße Arbeit, die oben bereits im Kontext öffentlicher Metasprachdiskurse angesprochen wurde (cf. Kap. 2.2.2), wird als politisch unabhängig deklariert und dient nicht nur der Pflege, sondern auch der betont anwendungsorientierten Erforschung der deutschen Sprache, wodurch sie sich mit Blick auf den gesamten Metasprachdiskurs als breit aufgestellter diskursiver Mittler platziert. Neben einem umfangreichen Spachberatungsapparat, der Textprüfungen und -korrekturen zu einem großen Spektrum an Textsorten, Seminare und Workshops zum Verfassen eigener Texte, eine Antwortsammlung zu sprachlichen Zweifelsfällen, ein Kompendium an Rechtschreibetipps sowie weitere öffentlichkeitsorientierte Projekte (z. B. Wiesbadener Klartext-Projekt für eine bürgerfreundliche Verwaltungssprache, Deutsch in Israel, Vornamendatenbank etc.) umfasst (cf. GfdS 2019b), besteht ein zweiter großer Arbeitsbereich der Gesellschaft in der Publikation der Zeitschriften Muttersprache und Der Sprachdienst sowie einzelner Sammelbände und Monographien (cf. GfdS 2019c). Die Vierteljahrsschrift Muttersprache, die sprachwissenschaftliche Beiträge zur Sprachkultur und Sprachpflege vereint, setzt die Tradition der gleichnamigen, 1890 vom ADSV begründeten und 1942 von den Nationalsozialisten eingestellten, Zeitschrift fort (cf. Steinhauer 2002, 38). Der erst seit 1957 erscheinende Sprachdienst wendet sich ergänzend an ein «breites sprachinteressiertes Publikum» und beinhaltet neben (linguistisch) aufbereiteten Fragestellungen zur Sprachkritik und Sprachentwicklung auch sprachberatende Beiträge sowie Berichte aus den insgesamt 37 internationalen Zweigstellen der GfdS im Ausland. Aus diesem Aktivitätenprofil geht hervor, dass die sprachpflegerische Arbeit der GfdS beabsichtigt, möglichst viele und zentrale gesellschaftliche Domänen und Akteure mit dem von ihr geführten Metasprachdiskurs zu erreichen und zu vernetzen: Neben den engen Verbindungen zur Sprachwissenschaft, die nicht nur im Rahmen der Publikationsorgane bestehen, sondern auch aktiv im

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Rahmen von Tagungen gestaltet werden – erst 2017 fand in Hannover eine Tagung zum Thema «Sprachkultur im 21. Jahrhundert» statt (cf. GfdS 2019d) – betreibt die GfdS mittels Sprachberatungsangeboten im Internet und der Kommunikation über die Social Media-Kanäle Facebook und Twitter «auch massenmediale Sprachkultivierung» (Steinhauer 2002, 40). Darüber hinaus besteht seit 1966 über den Redaktionsstab beim deutschen Bundestag, der neben einer ebenfalls sprachberatenden Tätigkeit für die sprachliche Prüfung von Gesetzesund Verordnungsentwürfen verantwortlich ist (cf. GfdS 2019e), eine direkte Kooperation mit der Politik. Alle diese Faktoren machen die GfdS zur «bedeutendste[n] Institution der Sprachpflege in der Bundesrepublik» (Greule 1994, 105), wenngleich ihre Rolle als Nachfolgeorganisation des Deutschen Sprachvereins, von dessen extremen Auswirkungen sie sich laut v. Polenz nie ausdrücklich distanziert habe (cf. 1999, 286), auch einen historisch bitteren Nachgeschmack lässt. Ebenfalls 1949 wurde in Darmstadt die Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung (DASD) als eingetragener Verein gegründet. Aufgrund ihres literaturwissenschaftlichen Schwerpunktes, der sich u. a. in der Vergabe von fünf Literaturpreisen manifestiert, schlägt die Akademie, die aus staatlichen und kommunalen Mitteln sowie Spenden finanziert wird, eine andere sprachpflegerische Richtung ein als die GfdS oder das IDS in Mannheim (cf. Steinhauer 2002, 40): (21) 1. Die Akademie setzt sich zum Ziel, das deutsche Schrifttum vor dem Inund Ausland zu vertreten und auf die pflegliche Behandlung der deutschen Sprache in Kunst und Wissenschaft, im öffentlichen und privaten Gebrauch hinzuwirken. 2. Zu den besonderen Aufgaben der Akademie gehört es: a) wertvolle Werke durch Preise oder in anderer Form auszuzeichnen oder zu fördern, b) literarisch, kulturgeschichtlich oder sprachwissenschaftlich wertvolle Werke herauszugeben, deren sich der Verlagsbuchhandel nicht annehmen kann, c) zu Fragen des geistigen Lebens in jeder ihr sachdienlich erscheinenden Form Stellung zu nehmen, d) sich mit der sprachlichen Seite des Unterrichts an den Schulen aller Gattungen zu befassen, e) zur Förderung ihrer Ziele Beziehungen mit gleichgerichteten Gesellschaften oder Institutionen des In- und Auslands zu pflegen (DASD 2019a). Gemäß diesen in der Satzung definierten, sprachkultivierenden Zielformulierungen zeigt ein konkreter Blick auf die Aktivitäten der Akademie ein vorrangig sprachplanerisch und sprachkulturell ausgerichtetes Programm: Dieses reicht von der Mitarbeit an der Entwicklung einer erfolgreichen Sprachpolitik in Kooperation mit der European Federation of National Institutions for Language

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(EFNIL), über die Herausgeberschaft zweier wissenschaftlicher Berichte zum aktuellen Status der deutschen Sprache in Kooperation mit der Union der deutschen Akademien der Wissenschaften (cf. 2013; 2017), bis zum 2011 ins Leben gerufenen Lyrischen Quartett (cf. DASD 2019c). Im «Forum Sprachkritik» stößt der interessierte Leser auf einzelne von Sprachwissenschaftlern verfasste Berichte, Kommentare oder Glossen zu sprachlichen Zweifelsfällen oder allgemeinen Sprachreflexionen, so auch zum Einfluss des Englischen auf die deutsche Sprache, deren Argumentation sich in aller Deutlichkeit von polemischen und radikalen Ausprägungen fremdwortpuristischer Positionen abgrenzt (cf. DASD 2019b). Der Auszug aus dem folgenden von Hans-Martin Gauger (2011) für das «Forum Sprachkritik» verfassten Kommentar (cf. 22) hebt drei Aspekte hervor, die den Zusammenhang zwischen historischen und aktuellen Tendenzen von Metasprachdiskursen prägnant resümieren: 1. Aus dem historischen Sprachpurismus ist der Fremdwortpurismus mit Fokus auf englischsprachige Einflüsse, kurz der sog. Anglizismendiskurs, hervorgegangen und in topischen Mustern erhalten geblieben; 2. Dieser in der öffentlichen Sprachendiskussion dominante Teildiskurs bewegt sich in der Wahrnehmung vieler Akteure im Spannungsfeld zwischen Linguistik und Öffentlichkeit und 3. unterliegt dieses Spannungsfeld der utilitaristischen, teilweise pauschalisierenden und in Abhängigkeit von den Sprechern nicht immer zutreffenden dichotomen Einteilung in einen, wie Gauger es formuliert, «LaienUntergangs-Diskurs» und einen «Wissenschafts-Abfertigungsdiskurs».56 (22) Was die unleugbar starke Präsenz des Englischen im Deutschen angeht, möchte man zunächst einmal genauer wissen: wie stark ist sie eigentlich? Und dies heißt auch: wie ist sie tatsächlich verteilt? Genauer: wer spricht mit wem über was und wann und wo ein englisch durchlöchertes Deutsch oder, wie man’s nimmt, ein deutsch durchlöchertes Englisch? Dann aber – und darum soll es hier gehen – gibt es zu dieser Präsenz zwei schnellund leichtfertige Positionen. Es gibt den national oder nationalistisch bestimmten Laien-Untergangs-Diskurs im Sinne von ‚das Deutsche schafft sich ab‘, und es gibt den Wissenschafts-Abfertigungsdiskurs der Germanisten, jedenfalls soweit diese Deutsche sind, denn die nicht-deutschen oder nicht-deutschsprachigen sehen es möglicherweise anders. Von dem Untergangs-Diskurs will ich hier nicht reden, sondern nur von der sprachwissenschaftlichen Argumentation. Auch diese also scheint mir brüchig. Denn hier ergibt sich die problematische Folgerung: so wie das Deutsche schließlich durch das Französische nicht weggeschwemmt oder auch nur

56 Cf. Kap. 3.3.7.

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deformiert worden sei, so werde es am Ende auch mit dem Englischen gehen. Da habe ich nun drei schüchterne Einwände […] (Gauger 2011, o.S.). Die Arbeit des 1964 als Stiftung des bürgerlichen Rechts in Mannheim gegründeten Leibniz-Institut für deutsche Sprache IDS kann nur im weitesten Sinne in einer nationalen Sprachpflegetradition angesiedelt werden, da lediglich in «seiner Planungsphase, in der Germanisten mit ‹Traditions›-Bindung an die nationalistische und/oder nationalsozialistische ‹Sprachpflege› […] als ‹Gründungsväter› einen dominierenden Einfluß hatten» (v. Polenz 1999, 290–291). V. a. eine große Anzahl junger Mitarbeiter am Institut, die Orientierung an «internationalen Linguistiktrends» und eine von Beginn an liberale Institutsführung wirkten als prägende Kräfte, sodass «[s]tatt bewertender oder empfehlender ‹Sprachpflege› […] Informationen und Beratung über neue Entwicklungstendenzen und -probleme und die Vermittlung zwischen Sprachwissenschaft und Sprachpraxis gefördert werden» (v. Polenz 1999, 291–292). Die umfassenden Forschungsprojekte des IDS, die sich auf die drei Abteilungen Grammatik, Lexik und Pragmatik aufteilen (cf. IDS 2019a) wird von zahlreichen Online-Angeboten (Referenzkorpora und Datenbanken), einer Spezialbibliothek zur germanistischen Sprachwissenschaft, und einem Publikationsserver bestehend aus eigenen und externen Publikationen flankiert (cf. IDS 2019b). Neben diesen Vertretern einer institutionalisierten und öffentlich finanzierten Sprachpflege verweist v. Polenz (1999) für die Zeit der Wende bis zum 21. Jh. auf einige wenige Ausnahmen einer fortbestehenden radikalen Sprachpflege, zu denen er u. a. den Hamburger Verein für Sprachpflege (VfS) und den Wiener Verein Muttersprache als «[b]eharrliche Fortsetzer des Fremdwortpurismus» im deutschsprachigen Raum zählt (1999, 286). Der VfS wurde 1963 in Hamburg von Heinrich Heeger gegründet, der zuvor Leiter der dortigen Zweigstelle der GfdS war. Der VfS verstand sich als Nachfolgeverein des Deutschen Sprachvereins und seine dieser Auffassung entsprechenden konservativ-militanten Absichten in Bezug auf Sprache, v. a. im Bereich des Wortschatzes, sind in den Ausgaben der Vereinszeitschrift Sprachpfleger klar erkennbar (cf. Wirth 2010, 122). Seit 2000 setzt sich der VfS unter dem Netzwerkdach der Deutschen Sprachwelt (DSW), einer Online-Plattform sowie zugleich Print- und Onlinezeitschrift mit Sitz in Erlangen und aktuell unter der Schriftleitung von Thomas Paulwitz, für eine «schöne, lebendige und verständliche Sprache in Wort und Schrift ein» (DSW 2019a; cf. Wirth 2010, 121– 125).57 Auf den mittlerweile überarbeiteten Internetseiten des DSW-Netzwerkes, als dessen Forderung vormals ganz knapp die «Erhaltung einer lebendigen 57 Eine ausführliche Untersuchung des sprachideologisch geprägten Anglizismendiskurses in der DSW hat Pfalzgraf (2006) vorgelegt.

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deutschen Sprache» genannt wurde (DSW 2000–2013),58 hat sich der Ton deutlich verschärft: «Der Verdrängung und Verflachung der deutschen Sprache wollen wir nicht tatenlos zusehen. Wir glauben, daß die Sprache sich nicht von selbst entwickelt, sondern von uns allen entwickelt wird – besonders von den einflußreichen Beherrschern des öffentlichen Sprachraums» (DSW 2019a). Dabei zeichnet sich in sprachlicher Hinsicht sowohl die purismustypische Auftfeilung der «metasprachlichen Öffentlichkeit» in Verantwortliche und verbündete Widersacher des Sprachverfalls ab,59 deren Konfrontation als Sprachkampf inszeniert wird: «Wir kämpfen zusammen mit zahlreichen Sprachfreunden für ein neues, stärkeres Sprachbewußtsein» (DSW 2019a). Auf die kritische Frage nach der rechtspopulistischen oder rechtsextremistischen politischen Gesinnung einiger der Mitglieder der DSW wird am konkreten Beispiel einiger Personen bei der folgenden Zusammenschau exemplarisch Bezug genommen. Es wird dabei auch herausgestellt, dass das sprachpflegerische Netzwerk der unter der Ägide der DSW agierenden Vereine durch komplexe politisch-gesellschaftliche Zusammenhänge geprägt ist, die auf den ersten Blick nicht immer ersichtlich sind, aber für die ideologische Tendenz des aktuellen Sprachpflegediskurses in Deutschland eine virulente Rolle spielen. Der Wiener Verein Muttersprache wurde 1949 neu gegründet und verortet sich ebenfalls in der Tradition des ADSV und dessen 1886 in Wien gegründeten Tochtervereins, dem Verein zur Pflege der deutschen Sprache. In seiner Tätigkeitsbeschreibung macht er auf die Publikation der Zeitschrift Wiener Sprachblätter sowie auf die kolumnistische Tätigkeit des Vereins in der DSW aufmerksam und weist auf seine Zusammenarbeit mit dem Erlanger VfS und dem Verein Deutsche Sprache (VDS) in Dortmund hin. Die Absichtserklärung des Vereins Muttersprache stellt eine Einordnung der Sprachpflege im Rahmen des von Gardt (2001) definierten, ideologischen Fremdwortdiskurses außer Frage, auch wenn diese unter verpflichtender Betonung der Wertschätzung sprachlicher Diversität erfolgt: (23) Der Verein „Muttersprache“ versteht sich als Forum für alle, die an Sprache und sprachbezogenen Kulturfragen aller Art interessiert sind. Von der umfassenden Pflege der deutschen Sprache in unserer modernen Gesell-

58 Die Internetseite wurde in großen Teilen überarbeitet. Einzelne Teile dieser Seiten sind noch über das Internetarchiv «Wayback Machine» zugänglich unter: https://web.archive.org/ web/20180206080201/http://deutschesprachwelt.de/ [letzter Zugriff: 09. 11. 2019]. 59 Diese Einteilung spiegelt sich als ideologisches Muster sowohl in der deutschen als auch in der französischen Sprachpflege als ÖFFENTLICHKEITSTOPOS wider, der auf einer dichotomen Aufteilung von Öffentlichkeit in Elite(n) und Volk bzw. Elite(n) und Sprachschützer/-freunde beruht (cf. Kap. 4.2.1; 4.3.1.1; 4.3.2.1).

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schaft richtet sich der Blick auf die großartige Vielfalt der Sprachen in der Welt. Auch die „alten“ Bildungssprachen wie Latein und Griechisch, die das Fundament für das europäische Geistesleben bilden, verdienen unsere Aufmerksamkeit. Das Hauptaugenmerk gilt der Schönheit und Faszination von Sprache, Schrift und Literatur, ihren Regeln, Gesetzen, Entwicklungsprozessen. Das schließt Kritik an zeitgeistigen Tendenzen, sei es ein sorgloser Umgang mit fremdsprachlichen Einflüssen oder politischer Druck auf den Sprachgebrauch, nicht aus. So setzt sich der Verein „Muttersprache“ z. B. kritisch mit der „Anglizismenschwemme“, der Verdrängung von Deutsch als Wissenschaftssprache und der Sprachpolitik im Zeichen der „Gender“-Ideologie auseinander (Verein Muttersprache 2015–2016). Die Arbeit privater Vereine und Organisationen der deutschen Sprachpflege, ihre Einstellungen zu Sprache(n) und Sprechern sowie ihre oben erwähnte Vernetzung in einem nationalpolitisch-populistischen Gesellschaftskontext stellen in der germanistischen Linguistik einen gut untersuchten Forschungsgegenstand dar. Forschungsarbeiten zu diesem Themenbereich liefern sowohl Bestandsaufnahmen zu den Strukturen und Zielsetzungen der Organisationen (Pfalzgraf 2006; Lipczuk 2007; Wirth 2010) als auch ausführliche sprachliche Analysen der Publikationen und öffentlichen Beiträge der Vereine (cf. Wiechers 2001; 2004; Law 2002; Spitzmüller 2002; 2005). Vor dem Hintergrund dieser bereits bestehenden Dokumentation sollen nachfolgend in aller Kürze die wichtigsten privaten Vertreter puristischer Sprachpflege in Deutschland vorgestellt werden. Dabei soll auch berücksichtigt werden, dass sich die Öffentlichkeitsarbeit der Vereine durch die zunehmend online-mediale Präsenz der Organisationen verändert. Auch aktuelle Umbrüche in der politischen Landschaft und populistische Neuformierungen spiegeln sich im Diskurs der deutschen Sprachpflege wider. Hervorzuheben ist dabei die in vielerlei Hinsicht «im Unterschied zu den staatlichen [scil. Vereinen] meist […] radikale und recht kritische Einstellung» (Lipczuk 2007, 139) der Organisationen, die sich neben der seit der Nachkriegszeit populären Anglizismenfrage in einer grundsätzlichen sprachbezogenen Radikalität ausdrückt und die sich nicht selten als moderne Fortsetzung eines historisch gewachsenen Sprachnationalismus manifestiert. Der bereits 1918 gegründete Bund für deutsche Schrift und Sprache e.V. (BfdS) «sieht seine Aufgabe darin, deutsche Sprache und Schrift als unersetzliche Kulturgüter zu pflegen und zu erhalten» (BfdS 2019a). Was seine Einstellungen zur Fremdwortfrage bzw. der von ihm als solcher metaphorisch betitelten Anglizismenflut anbelangt, sagt der Bund:60 60 Zur Metaphorik im aktuellen deutschen Sprachpflegediskurs cf. Kap. 4.2.2; 4.3.1.3.

3.2 Deutschland

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(24) Wer heute Anglizismen zu bekämpfen vorgibt und in Wahrheit den Kampf gegen die Flut englischer Fremdwörter und englisch klingender Neuwörter meint, stellt sich durch diese Begriffsverwirrung als Sprachpfleger selbst in Frage. Dasselbe gilt für den, der zwar gegen das Übermaß des Englischen kämpft, jedoch die Fremdwörter aus allen übrigen Sprachen duldet, ja sogar selbst im Überfluß verwendet. […] Das Ausmaß des Eindringens englischer und schein-englischer Begriffe ist bedrohlich, da deutsche Wörter dadurch bereits verdrängt worden sind (BfdS 2019b, 1–2). Die auf Sprache bezogene Radikalität des Vereins nimmt noch deutlich schärfere Konturen an, wenn man neben der vierteljährlich erscheinenden Vereinszeitschrift weitere Publikationen betrachtet wie z. B. die Ausgabe des Schriftstellers Richard W. Eichler zum Thema Glanz und Elend der deutschen Sprache (2010). Das Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstands (DÖW) verweist auf den Namen Eichlers in mehreren, eindeutig rechtsextremen Tätigkeitskontexten (cf. DÖW 1999; 2001), sodass seine Bedeutung als Vertreter puristischer Sprachkultur (cf. Straßner 1995, 410–411) in enger Verbindung zur Beurteilung seiner Rolle in politisch rechtsextremen Kreisen steht: «Richard W. Eichler gilt in rechtsextremen Kreisen als der unumstrittene Experte in Kunstfragen. In seinen Publikationen und Vorträgen verbreitet er seine Thesen vom ‹gesteuerten Kunstverfall› und der ‹entarteten Kunst›» (Mecklenburg 1996, 456). In seinem Aufsatz äußert sich Eichler (2010) in einem paradoxen argumentativen Wechselspiel, das sowohl der Aufwertung des «Eigenen» als auch der Abwertung des «Fremden» dient: Einerseits wird Frankreich als Beispiel für eine vorbildhafte, da gesetzlich betriebene Sprachpflege angeführt (cf. 25), andererseits wird jedoch französischer Lehnwortschatz im Deutschen bemängelt und im Vergleich zu deutschen Entsprechungen als «unterlegen» abgewertet (cf. 26). Darüber hinaus wird das Lob des französischen Zentralismus ad absurdum geführt, wenn in einem weiteren Schritt sprachliche Diversität in Deutschland zwar abgelehnt wird, aber gleichzeitig die Vielfalt deutschsprachiger Kulturzentren wiederum als Merkmal nationaler Überlegenheit im Vergleich zu Frankreich demonstriert wird. Diese willkürliche und inkohärente Argumentation kann beispielhaft als Merkmal ideologisch geführter Sprachpflegediskurse puristischer Ausprägung festgehalten werden: (25) Der Spott über »Sprachpuristen«, den jene üben, die sich gern das Mäntelchen des Progressismus umhängen und noch nie begriffen haben, wo der Fortschritt wirklich liegen könnte, fällt neuerdings nicht mehr so leicht. Unsere selbstbewußten französischen Nachbarn scheuen sich nämlich

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nicht, der Flut oft gedankenloser angelsächsischer Neuwörter sogar mit gesetzlichen Mitteln entgegenzutreten (Eichler 2010, 9).61 (26) Richard Wagner hat Germanisches und Altdeutsches wiederbelebt und volkstümlich gemacht: Minne, Brünne, Walküre, Walhall; durch die »Tarnkappe« trat »Tarnen« [sic] und »Tarnung« an die Stelle von »Camouflage«. […] Es fällt auf, daß in den meisten Fällen der deutsche Begriff im Vergleich zum fremden ein Höherwertiges bezeichnet; man prüfe daraufhin: anmutig / charmant, treulos / perfide, Leichnam / Kadaver, Antlitz / Visage (Eichler 2010, 9–10). (27) Die »Polyzentrik« der deutschen Kulturnation war seit je eine Gefahr. Man kann sich zwar mit dem Reichtum der Vielfalt trösten – dem einen Paris stehen bei uns Berlin, Wien, München, Köln, Dresden, Hamburg, Weimar gegenüber –, aber in Zeiten wie den unseren nehmen die Fliehkräfte zu. […] (Eichler 2010, 16). Ebenso paradox wirkt auch die bewusste Kontrastierung zwischen dem stigmatisierten Primat der deutschen Sprache und der wiederum daraus resultierenden Überhöhung gegenüber anderen Völkern (cf. 26) bei gleichzeitiger Unterdrückung deutscher Ethnien in anderen Ländern (cf. 27), wobei der Polyzentrik-Begriff semantisch völlig pervertiert wird. Absicht dieser verklärten Gegenüberstellung ist es, Mitleid mit und bei den Sprechern der deutschen Sprache zu erregen (cf. 27), Abneigung gegenüber den vermeintlich Verantwortlichen zu vermitteln und zu stärken sowie mittels Affektion eine Argumentation zugunsten der ebenso vorgeblichen, naturgegebenen Dominanz der deutschen Sprache und des deutschen Volkes plausibel erscheinen zu lassen. Die Belege widerspiegeln die von Gardt (2001) und Bär (2000) konstatierten sprachnationalistischen Diskursmuster und belegen somit die Fortführung dieser Topik im heutigen sprachpflegerischen Diskurs, wobei fast analoge Inhalts- und Argumentationsstrukturen auch für historische und aktuelle Metasprachdiskurse zum Französischen nachgewiesen werden können (cf. Kap. 3.3.3–3.3.8; 4.2). Die sprachnationalistisch markierte Verbindung zwischen Sprache und Nation bewegt sich an der Grenze zur völkischen Konnotation (cf. 28) und somit an der Grenze zu einer rassistischen Geisteshaltung, wo die «Ursprünglichkeit» von Sprache und Volk als Synonym für die Reinheit beider Komponenten zu verstehen ist:62

61 Der Originaltext steht in Frakturschrift. Typographische Hervorhebungen wurden gemäß dem Original übernommen. 62 Cf. Kap. 2.2.3, (8).

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(28) Im Deutschen sind der Volksname und die Sprache besonders eng verbunden, ja, im Ursprung decken sie sich. […] Die Volkssprache der Germanen auf deutschem Boden war damit [scil. durch ihren Status] in deutlichen Gegensatz zum römisch-Lateinischen getreten, die Deutschen grenzten sich mit ihrer Sprache gegen die Welschen ab. […] So viele Stürme auch über den mitteleuropäischen Raum hinwegbrausten, Grenzen verschoben wurden und Dynastien wechselten – der deutsche Kernraum behielt seine ursprüngliche Sprache. Dieser Begriff der Ursprünglichkeit verdient Betonung (Eichler 2010, 1). (29) Das Schicksal der deutschen Volksgruppen im Ausland kann nur tragisch genannt werden. Lösungen wie neuerdings in Eupen sind seltene Lichtblicke. Die Lage in Südtirol kennen viele Bundesdeutsche aus eigener Erfahrung. Bewundernswert ist die Treue der Rußlanddeutschen zu ihrer Sprache, leidgeprüft sind auch die Deutschen in Siebenbürgen, im Banat und an der Donau. Ebenfalls wenig hoffnungsvoll sieht die Lage im früheren deutschen Reichsland Elsaß-Lothringen aus […] Die Einbußen des deutschen Sprachgebietes durch die Vertreibung der Deutschen aus den Ostprovinzen des Reiches und dem Sudetenland würden eine eigene Darstellung verdienen (Eichler 2010, 17). Ein im Vergleich zu anderen deutschen Sprachpflegeorganisationen weniger aktives Tätigkeitsprofil weist der Verein für deutsche Rechtschreibung und Sprachpflege e.V. (VRS) auf, der aus einer Lehrerinitiative gegen die neue Rechtschreibreform entstand und wie der VDS 1997 gegründet wurde. Auf der Internetseite des Vereins stößt der Leser zunächst auf ein relativ nüchternes und kurzes Porträt: «Er [scil. der Verein] widmet sich der Pflege der deutschen Sprache und insbesondere ihrer Rechtschreibung. Er wirkt darauf hin, daß die deutsche Sprache und ihre Rechtschreibung vor willkürlichen Eingriffen geschützt werden […]» (VRS 2003a). Puristische Ziele i. S. einer Kritik am Fremdwortgebrauch im Deutschen werden neben dem im Zentrum stehenden Engagement gegen die deutsche Rechtschreibung von 1996 erst an zweiter Stelle genannt, wobei radikale puristische Maßnahmen nach eigenen Aussagen abgelehnt werden: (30) Der Verein setzt sich auch für die Pflege der deutschen Sprache im weiteren Sinn ein, zum Beispiel für den sachgerechten Umgang mit Fremdwörtern. Der VRS kritisiert das modische Überhandnehmen von Entlehnungen aus dem Englischen. Zwanghafte Sprachreinigungsversuche, worunter wir auch die von den Rechtschreibreformern vorgenommene, willkürliche

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Eindeutschung ausgewählter Fremdwörter („Tipp“, „Spagetti“ usw.) zählen, lehnt er hingegen ab (VRS 2003a). Wie Thomas Paulwitz und Walter Krämer, Vorsitzender des VDS, hat auch der Schriftführer und Pressesprecher des VRS, Manfred Riebe, die Ziele seines Vereins in einem Interview in der Jungen Freiheit (JF) dargestellt. Die JF gilt «als zentrale Publikation der Neuen Rechten in Deutschland, einer Strömung, die unter dem Deckmantel des Konservatismus ein Scharnier zwischen Rechtsextremismus und demokratischem Spektrum bildet» (Braun/Vogt 2007, 9). Neben dem sprachaktivistischen Vorgehen des Vereins gegen die Rechtschreibreform wendet sich sein Engagement auch gegen die Verwendung von Anglizismen, jedoch mit der in der radikalen Sprachpflegecommunity fast kanonischen Betonung, dass es dabei weder um puristische noch deutschtümelnde Motive gehe. Was die Beziehungen des VRS zu anderen privaten Organisationen anbelangt, weist Riebe auf die Kooperation mit der Deutschen Sprachwelt (DSW) hin, deutet aber seine Abgrenzung vom VDS an, die weiter unten nochmals thematisiert wird: (31) Es gibt keine “amtlichen Rechtschreibregeln” für alle Bürger, sondern nur für die Schulen. Aber auch dort gilt bis 2005 weiterhin die traditionelle Rechtschreibung als richtig. Die “Rechtschreibreform” ist keineswegs eine beschlossene Sache; denn über die Ausgestaltung des Inhalts der Schulrechtschreibreform wird immer noch heftig gestritten. Ferner machen die Gerichte den Erfolg oder Nichterfolg der Reform von deren Akzeptanz durch die Bevölkerung abhängig. Der Deutsche Bundestag faßte im übrigen [sic] aufgrund vieler Petitionen – auch aus unseren Reihen – im März 1998 den Beschluß: “Die Sprache gehört dem Volk.” Der amtierende und auch alle ehemaligen Bundespräsidenten weigern sich auch, den Neuschrieb privat anzuwenden. Und etwa achtzig Prozent der Bürger wollen ebenso auch über das Jahr 2005 hinaus an der bisherigen Einheitsrechtschreibung festhalten. […] Wir leisten intensive Aufklärungs-, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit durch Leserbriefe, Zeitungsartikel, Anzeigen oder Aktionen, wie etwa der Flugblattaktion “Rote Karte für die Kultusminister” zur Unterstützung der Volksbegehren in Schleswig-Holstein und Berlin. Außerdem verbreiten wir Schriften von Mitgliedern und Fachleuten gegen die Rechtschreibreform. Durch unser Engagement wurde der VRS sowohl von der Zwischenstaatlichen Rechtschreibkommission wie vom Bundesverfassungsgericht als Vertreter der Rechtschreibreformgegner zu Anhörungen eingeladen. […] Die gehäufte Verwendung von Anglizismen ist ein Ärgernis. Deshalb vertreiben wir auch das Büchlein “Engleutsch? Nein

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danke!” Der VRS ist aber kein “Ein-Punkt-Verein”. Wir beschäftigen uns nicht nur mit der Sprachverhunzung durch die verhängnisvolle Rechtschreibreform, sondern auch mit dem übermäßigen Gebrauch von Fremdwörtern und anderen Sprachverschluderungen. Um auf alle Gefahren künftig angemessen aufmerksam machen zu können, haben wir mitgeholfen, die Sprachzeitung Deutsche Sprachwelt – Gemeinsam erhalten und gestalten aus der Taufe zu heben. Die Deutsche Sprachwelt wird jährlich einen Sprachpreis verleihen. Im Gegensatz zum “Sprachpanscher”-Negativ-Preis des VDS setzen wir auf einen “Sprachwahrer”-Positiv-Preis für Leute, die sich um die Wahrung unserer Sprache besonders verdient gemacht haben. Wir wollen weder populistisch noch puristisch übertreiben und Sprachverhunzer nicht als “Sprachpanscher” verunglimpfen, sondern weiterhin geduldige Aufklärungsarbeit leisten (JF, 23. 06. 2000). Ein Blick auf die Pressemitteilungen des VRS zeigt, dass die letzten Aktivitäten (Flugblätter, Informationsveranstaltungen, Resolutionen, Kongresse etc.) zwischen 2002 und 2006 stattfanden (cf. VRS 2003b). Informationen über aktuelle Projekte oder Veröffentlichungen können diesen Seiten nicht entnommen werden. Der in der Vereinssatzung als gemeinnütziger Zweck einer Sprachpflege i. w. S. festgehaltene «sachgerechte […] Umgang mit Fremdwörtern» unter Beachtung von «erforderlichen linguistischen, demokratischen, rechtlichen und pädagogischen Grundsätze[n]» (VRS 1997) kann allerdings kritisch in Frage gestellt werden, wenn man betrachtet, dass der VRS das sog. Volks-Wörterbuch Engleutsch? Nein danke! Wie sag ich’s auf deustch? (2000) als Lektüre zu Anglizismen empfiehlt. Das Buch, das zu einer alphabetischen Auswahl «aus fast 2000 ‹englisch-deutschen› Wörtern» (Micko/Paulwitz 2000, 6) eine Liste deutscher Ersatzwörter vorschlägt, begründet sein Anliegen mit der traditionellen Sprachverfallsdebatte, die das Deutsche im Aussterben begriffen sieht, und aus diesem Grund das Vorgehen gegen Anglizismen zum obersten Ziel von Sprachpflege erklärt. Im Vorwort (cf. 32) wird der Niedergang der deutschen Sprache u. a. durch den organistischen Metaphernbereich des DEUTSCHEN ALS PFLANZE zum Ausdruck des sprachlichen Verwilderns verdeutlicht und die psychologische Platzierung von Sprache als konstitutives Kriterium der bedrohten kollektiven Identität – i. S. eines «symbolischen Repräsentanten der kommunikativen Praxis» (cf. Kremnitz 1995, 75) – wird durch die Häufung negativ konnotierter Lexeme eindringlich vermittelt (cf. auszusterben; beunruhigend). Die Selbstwahrnehmung des Lesers als Teil dieser bedrohten Identität der Sprechergemeinschaft wird über die starke Rekurrenz der Personal- und Possessivpronomina gesteuert:

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(32) Ihre Sprache ist im Begriff auszusterben. Von Tag zu Tag verwildert und verarmt die deutsche Sprache. Der amerikanische Sprachkolonialismus nimmt immer beunruhigendere Ausmaße an. Wer wache Augen und Ohren hat, dem bleibt diese Entwicklung nicht verborgen. Das Ergebnis kennt jeder, bewußt oder unbewußt: „Engleutsch“. Wir glauben aber, daß es noch nicht zu spät ist. Gemeinsam können wir das Ruder noch herumreißen. Es ist noch Zeit, unsere Sprache zu retten, zu gestalten und weiterzuentwickeln. Das ist unsere Überzeugung. Und wir bitten Sie, uns dabei zu helfen. Sie fragen: ‚Wir?‘ -‚Uns?‘- ‚Wer soll das denn sein?‘ Mit ‚Uns‘ sind nicht nur die gemeint, die am Werden des Büchleins mitgearbeitet haben. Nein. Mit ‚Uns‘ ist die große deutsche Sprachgemeinschaft gemeint, die über 100 Millionen Muttersprachler und bald so viele Zweitund Drittsprachler in ganz Europa hat (Micko/Paulwitz 2000, 3). Die auf diesen Aufruf folgende Betonung der Autoren, «‹Fremdwörter raus!›» sei nicht ihr «Schlachtruf» (Micko/Paulwitz 2000, 4), wirkt in der weiterführenden Begründung ihrer Argumentation kontradiktorisch und floskelhaft: Denn die radikale sprachliche Grenzziehung zwischen «Muttersprache und «fremder Sprache» sowie den damit verbundenen «guten» und «schlechten» Persönlichkeitsmerkmalen kann zu keiner anderen Konklusion führen, als dass zwischen «Eigenem» und «Fremdem» strikt zu trennen ist:63 (33) Vom Zorn [gegenüber der Fremdsprache] darf man sich nicht leiten lassen, sondern von der Liebe, von der Liebe zur eigenen Sprache, zur Muttersprache. Schaffen wir das Bewußtsein, daß es sich lohnt, die eigene Sprache zu lieben und mit eigenen Wörtern zu sprechen! Der Gebrauch ‚engleutscher‘ Vokabeln ist kein Zeichen von Weltläufigkeit, sondern von Einfallslosigkeit, Bequemlichkeit, Überheblichkeit. Brauchen wir denn diese Anpassung an den Zeitgeist? Nein. Wir können auch selbstbewußt durch das Leben gehen. Wir brauchen uns nicht anzupassen oder anzubiedern. Ohne Engleutsch auszukommen, ist nicht nur nötig, ist nicht nur möglich, es ist auch eine Bereicherung (Micko/Paulwitz 2000, 4). Die 1998 in erster Auflage veröffentlichte Engleutsch?-Schmähschrift liefert darüber hinaus ein weiteres Beispiel für die oben bereits erwähnte Netzwerkstruktur der nicht-staatlichen Sprachpflege: In Auftrag gegeben wurde das Büchlein

63 Man bemerke die Analogie zum in der rechtsradikalen Szene bekannten Hetzruf «Ausländer raus!», der u. a. auch als Teil des Wahlslogans Deutschland den Deutschen: Ausländer raus! der neonazistischen Partei Die Rechte in Erscheinung getreten ist.

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vom österreichischen Arbeitskreis für Kultur und Geschichte (AKG). Seine Verfasser, Thomas Paulwitz, seit 2005 Vorsitzender des VfS und der 2011 verstorbene Stefan Micko, vormals Obmann des Wiener Vereins Muttersprache, haben im Jahr 2000 die DSW gegründet (cf. DSW 2000–2013, hier «Berichte»).64 In politischer Hinsicht positioniert sich der studierte Historiker Paulwitz u. a. durch seine publizistischen Tätigkeiten im Ostpreußenblatt der Allgemeinen Preußischen Zeitung (PAZ) und der JF im konservativ bis rechtsextremistischen politischen Spektrum.65 In einer Ausgabe des Ostpreußenblatts aus dem Jahr 2008 veröffentlichte Paulwitz zwei Beiträge: Was spricht die Welt? und Deutsch verliert an Strahlkraft – zum Status des Deutschen in der Welt. Die Argumentation in den Beiträgen richtet sich auf inhaltlicher und lexikalischer Ebene sowohl gegen den Einfluss des Englischen als personifizierte Antriebskraft eines sprachlichen Eroberungsfeldzugs (cf. 34) als auch gegen die deutsche Sprachgemeinschaft, deren mangelnde Sprachloyalität die Sprecher zu Mitschuldigen am sprachlichen Niedergang macht (cf. 35). Dieser rekurrente TOPOS DER (SELBST-)ANKLAGE, d. h. des gleichzeitigen Angriffs von «Eigenem» und «Fremden» und der subjektiven und objektiven Schuldzuweisung, steht in der Tradition sprachnationalistischer Argumentation des 19. Jhs. wie sie oben u. a. bei Brugger (1885) belegt wurde. (34) Englisch hat sich eine große Zahl von Herrschaftsbereichen erobert: als Arbeitssprache internationaler Organisationen und Konferenzen, als Wissenschaftssprache, Handelssprache, Werbesprache, als Sprache in Film und Musik, in Luft- und Seefahrt oder im Fremdenverkehr. Die Vorherrschaft darf jedoch nicht dazu führen, daß andere Sprachen in ihren Ausdrucksformen beschnitten werden. Denn jede Sprache vermittelt eine eigene Sichtweise auf die Welt und ist damit wertvoller Teil des kulturellen Welterbes (PAZ Ostpreußenblatt 09. 08. 2008a, 4).

64 Es handelt sich hier um Auszüge des Beitrags von Wiechers (2001), dessen Verwendung auf den Seiten der DSW laut damaliger Angabe (2000–2013) durch die GfdS genehmigt war. Eine Rekonstruktion der Webseite war möglich unter: https://web.archive.org/web/ 20180113035608/http://deutschesprachwelt.de/berichte/dsw/presse-gfds.shtml [letzter Zugriff: 15. 11. 2019]. 65 «Als Organ der LO [= Landsmannschaft Ostpreußen] hat das Ostpreußenblatt seit Beginn seines Bestehens eine aggressive revanchistische Politik propagiert und die Verbrechen des Hitler-Faschismus beschönigt oder gänzlich geleugnet. Es trat und tritt für die Rückgewinnung der ehemaligen deutschen Ostgebiete ein und unterstützt eine Politik der ‹Regermanisierung› in diesen Gebieten, während es rassistische Stimmungsmache gegen Flüchtlinge und Asylsuchende betreibt» (Mecklenburg 1996, 423; Ergänzung VN).

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(35) Warum verliert die deutsche Sprache im Ausland an Anziehungskraft? Nach einer Antwort müssen wir nicht lange suchen. Wer die Sprache im eigenen Lande nicht achtet, schwächt ihre Strahlkraft. Wer die Muttersprache stiefmütterlich behandelt, braucht sich nicht zu wundern, wenn sie sie auch weltweit an Achtung einbüßt (PAZ Ostpreußenblatt 09. 08. 2008b, 4). In einem früheren Beitrag mit dem Titel Erst sprachlos – dann arbeitslos. Wenn die Muttersprache geht, verschwinden auch die Arbeitsplätze beruft sich Paulwitz auf den in der deutschen Sprachpflege häufig angeführten Vergleich mit Frankeich,66 den er als illustratives Beispiel für eine erfolgreiche Sprachpolitik gegen das Englische anführt (cf. 36).67 Die Tatsache, dass der Nachname des ehemaligen französischen Kulturministers Jacques Toubon zweimal falsch geschrieben wurde, lässt in diesem Zusammenhang dann von wissenschaftlicher Seite tatsächlich die Frage zu, wie intensiv sich der Verfasser mit der Loi relative à l’emploi de la langue française (1994) und der französischen Sprachpolitik im Allgemeinen auseinandergesetzt hat und inwieweit die inhaltliche Rezeption sprachkultureller Maßnahmen anderer Staaten hinter einer rein strategischen Absicht zurücktritt. (36) Sprachschützer und Arbeitervertreter in Frankreichjubeln: Ein Gericht hat Anfang März die Verurteilung eines Tochterunternehmens von „General Electric“ bestätigt. Das Vergehen: Die Medizintechnik-Firma „GE Medical Systems“ („Gems“) hat im Umgang mit ihren Beschäftigten zuviel Englisch verwendet. Jetzt muß das Unternehmen an den Betriebsrat eine Strafe in Höhe von 580 000 Euro zahlen. Gegen das Tourbon-Gesetz [sic] aus dem Jahre 1994, das nach dem damaligen Kulturminister Jacques Tourbon [sic] benannt ist und den Unternehmen in Frankreich die Benutzung der französischen Sprache vorschreibt, ist selbst „General Electric“, der zweitgrößte Konzern der Welt, machtlos (PAZ Ostpreußenblatt, 27. 05. 2006). In einem aktuelleren Beitrag aus dem Jahr 2016 (cf. 37) äußert sich Paulwitz in der JF in vornehmlich politischer Perspektive kritisch gegen den Anglizismus Refugees welcome, den laut seiner Aussage «antifaschistische Gruppen […] aus

66 Cf. u. a. (61)–(62). 67 Alle drei Beiträge sind im Online-Archiv der PAZ (cf. http://suche.ostpreussenarchiv.de/) noch gelistet, die Volltexte der Ausgaben können jedoch nicht mehr konsultiert werden. Der letzte Zugriff auf die hier zitierten Ausgaben 2006 (21) und 2008 (32) erfolgte vom 04. 08. 2018– 05. 08. 2018.

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den Vereinigten Staaten importieren» (JF, 23. 02. 2016). Die auf den ersten Blick sprachkritische Äußerung zum besagten Anglizismus wird dabei in keiner Weise linguistisch begründet: Die angeführte These, dass Sprachentwicklung entgegen der Meinung von Linguisten nicht natürlich, sondern durch Einflussnahme entstehe, wird nicht weiter belegt. Im Vordergrund steht hingegen eine ideologische Persuasionsabsicht, deren Ziel es ist, andere soziale Gruppen (Linksparteien, Sprachwissenschaftler) zu diffamieren und für das Eindringen von Anglizismen in die deutsche Sprache verantwortlich zu machen. Ebenfalls ohne nachvollziehbaren Beleg steht dabei die Aussage, dass die Englischkenntnisse der Geflüchteten «[…] sehr zu wünschen übrig [ließen]»: Das Referenzargument (argumentum ad verecundiam), das in Form eines AUTORITÄTSTOPOS auf die «Leiter von Deutschkursen» als Experten verweist, die dies bezeugen könnten, ist für den Leser nicht überprüfbar. (37) Nun hat Stefanowitsch [Professor für Englische Philologie an der FU Berlin, Leiter der Jury für die Wahl des „Anglizismus des Jahres“, Ergänzung VN] für 2015 ein Wort ausgewählt, das seiner politischen Neigung – er steht Linkspartei und Piraten nahe –besser entspricht: „Refugees welcome“. Damit ergänzt er das Wort des Jahres „Flüchtlinge“ durch seine denglische Variante. […] Stefanowitsch begründet beschwingt: „Dass aber die Sprachgemeinschaft von sich aus einen solchen Slogan entdeckt und übernimmt, ist selten. Mit Refugees Welcome überwand die deutsche Sprachgemeinschaft einerseits die unmittelbare Sprachbarriere zu den Flüchtlingen und signalisierte andererseits fast nebenbei Weltoffenheit.“ An dieser Begründung ist so ziemlich alles falsch. Die Sprachgemeinschaft hat nicht „von sich aus“ diesen Spruch entdeckt. Dieser Aussage liegt die von Sprachwissenschaftlern gern geglaubte Hypothes [sic] zugrunde, Sprache entwickle sich „von sich aus“. Dagegen sollten Sprachfreunde nicht müde werden zu betonen, daß Sprachentwicklung aus Sprachbeeinflussung entsteht; und daß nicht jedes Mitglied dieselbe Chance hat, die Sprache zu beeinflussen. […] Stefanowitsch will offensichtlich aus politischen Gründen mit seiner eigenen Aktion den Anglizismus weiter etablieren. […] Falsch ist außerdem die Aussage, der Anglizismus „Refugees welcome“ habe „die unmittelbare Sprachbarriere zu den Flüchtlingen“ überwunden. Erstens kamen die Einwanderer nicht aus dem englischen Sprachraum, zweitens lassen deren Englischkenntnisse sehr zu wünschen übrig, sofern sie überhaupt vorhanden sind. Das werden viele Leiter von Deutschkursen für Asylbewerber bestätigen (JF, 23. 02. 2016). Paulwitz präsentiert sich im «Netz-Tagebuch» auf seiner eigenen Homepage (Paulwitz 2018a) als Vertreter einer konservativen Politik in Abgrenzung zum

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rechtsextremen Parteienspektrum.68 Dabei nimmt er explizit Abstand von einem Vortrag zum Thema «Sprache und Nation», den er 2003 bei einem Kongress der Gesellschaft für freie Publizistik (GFP) in Bayreuth hielt:69 (38) Sowohl die NPD als auch große Teile der Linken sind bestrebt, die Unterschiede zwischen konservativ und rechtsextrem zu verwischen. Um so [sic] stärker müssen die Konservativen diese Unterschiede hervorheben. Sie müssen sich sowohl gegen die Brandmarkung als rechtsextrem als auch gegen die Vereinnahmung durch rückwärtsgewandte Extremisten verwahren. […] Wer vor der GFP einmal einen Vortrag gehalten hat, wird von ihr sogleich als „Referent“ vereinnahmt und in einer Liste veröffentlicht, ob er will oder nicht. Dies erweckt den falschen Eindruck, daß ein längerfristiges Beschäftigungsverhältnis bestünde. Auch mein Name steht auf dieser Liste. Da ich unabhängig bin, nicht für eine NPD-Vorfeldorganisation Werbung machen will und dem Eindruck entgegenwirken möchte, ich stünde in Diensten der GFP, habe ich Molau mehrmals aufgefordert, meinen Namen aus dieser Liste zu streichen. Er hat das jedesmal abgelehnt. So bleibt nur die öffentliche Distanzierung von ihm und seinem Treiben (Paulwitz 2018b). Was anhand dieses Beispiels multilaterale Bewegungen auf der Ebene privater Sprachpflege anbelangt, liefert Paulwitz in seiner öffentlichen Rolle als überaus reger und stark vernetzter sprachpflegerischer Akteur ein prägnantes Beispiel: Neben seiner Tätigkeit bei der DSW als Schriftleiter (cf. DSW 2019b) ist er über weitere Mitgliedschaften mit anderen Sprachpflegevereinen verbunden. Seit 2004 ist er Mitglied des Pegnesischen Blumenordens (PB) in Nürnberg, der 1644 von Georg Philipp Harsdörfer gegründet wurde und als einziger barocker Sprachverein bis in die heutige Zeit fortbesteht. Von 2009 bis 2015 war er dort als «Ordensrat für Sprachpflege» und Leiter des Sprachausschusses tätig (cf. PB

68 Die gesamte persönliche Homepage (Thomas Paulwitz 2018a) ist ebenso wie das Netz-Tagebuch (Thomas Paulwitz 2018b) unter der URL http://thomas-paulwitz.de/netztagebuch/?p=18 nicht mehr verfügbar [letzter Zugriff: 8/2018]. Analog zur Seite der DSW ist jedoch der Zugriff über das Internetarchiv «Wayback Machine» möglich: https://web.archive.org/web/ 20180830213038/http://thomas-paulwitz.de/index.html [letzter Zugriff 09. 11. 2019]. Der Eintrag aus dem Netzwerktagebuch (cf. 38) ist noch einsehbar unter: https://web.archive.org/ web/20180213022249/http://thomas-paulwitz.de/netztagebuch/?p=18 (09. 11. 2019). 69 Die GFP wurde 1960 «unter der Führung des ehemaligen stellvertretenden Reichspressechef der NSDAP, Helmut Sündermann gegründet. […] Programmatisch stehen die vier Themen Kriegsschuld, das Leugnen des Holocaust, die ‹Ausländerfrage› und Meinungsfreiheit für die ‹nationale Publizistik› im Zentrum der jährlichen Kongresse» (Mecklenburg 1996, 266–268).

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2019). Darüber hinaus ist Paulwitz Gründungsmitglied und Beisitzer im Vorstand der Neuen Fruchtbringenden Gesellschaft (NFG) in Köthen, die 2007 anlässlich des 390. Gründungsjahrs der Fruchtbringenden Gesellschaft (cf. Kap. 3.2.1) und somit deutlich später als die anderen Sprachpflegevereine nach 1945 und der Wiedervereinigung ins Leben gerufen wurde (NFG 2019a). Die NFG kooperiert wiederum mit anderen an der deutschen Sprache interessierten Einzelpersonen, Sprachvereinen und Institutionen, darunter auch der PB, der an der Wiederbegründung der Gesellschaft mitwirkte (cf. NFG 2018c).70 Entgegen der überwiegend klar formulierten fremdwortkritischen Einstellungen der bisher vorgestellten zeitgenössischen Sprachpflegevereine treten bei der NFG puristische Überzeugungen und Maßnahmen weniger explizit in Erscheinung. In der Köthener Erklärung zur Gründung der Gesellschaft (cf. NFG 2007) sind sprachreinheitserhaltende Initiativen allerdings indirekt impliziert, wenn von «vielfältigen Einflüsse[n]» die Rede ist, die zur Bedrohung der Muttersprache führen und den Status des Deutschen in unterschiedlichen gesellschaftlichen Bereichen gefährden, sodass es Aufgabe der Gesellschaft ist, «die deutsche Sprache in ihrem grundlegenden Wesen und ihrer Bedeutung zu erhalten, auszuüben und zu pflegen». Auch die aus zahlreichen sprachschützenden und puristischen Texten in Deutschland und Frankreich bekannte und auch im aktuellen Diskurs virulente Kriegs- oder Kampfmetaphorik (cf. z. B. Klein-Zirbes 2001, 46; cf. auch Kap. 4), die sprachkultivierende und -reinigende Bemühungen um die Mutter- oder Nationalsprache auf eine affektgeladene Bildebene des Kampfes projiziert, erscheint im folgenden Auszug in milderer sprachlicher Form, wo um die «deutsche Sprache [lediglich] gerungen werden muß» (Ergänzung VN): (39) […] in Anbetracht der vielfältigen Einflüsse, denen die deutsche Sprache als Alltags-, Kultur- und Wissenschaftssprache ausgesetzt ist, und angesichts der bedrohten Einheitlichkeit der Sprache und der Rechtschreibung, im Bewußtsein um den Wert einer jeden Muttersprache für die Verständigung, das Denken, die Kultur und das Selbstbewußtsein der

70 Als weitere partnerschaftliche Mitglieder nennt die NFG die Aktion Deutsche Sprache e. V. (ADS), den Sprachrettungsklub Bautzen/Oberlausitz e. V. (SRK) und den Verein für Sprachpflege e. V. Die NFG selbst «[…] unterstützt die Ziele des Arbeitskreises Deutsch als Wissenschaftssprache (ADAWiS)» (NFG 2019c). Eine detailliertere Beschreibung der Arbeit dieser überwiegend regionalen Organisationen kann im Rahmen dieser Arbeit nicht geleistet werden. Gleiches gilt für die große Anzahl an privaten Sprachschützern in Druckwerken und im Internet. Eine umfassende Beschreibung ihrer Tätigkeiten und Begründung ihrer puristischen Verortung liefert Pfalzgraf (2006, 200–278).

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Menschen, sowie im Bewußtsein, daß jeden Tag aufs neue um eine verständliche deutsche Sprache gerungen werden muß, damit sie als eine europäische Kultursprache lebendig bleibe, und daß diese Aufgabe nur gemeinsam und von vielen bewältigt werden kann, haben sich heute in Köthen/Anhalt Sprachinteressierte aus ganz Deutschland zusammengeschlossen mit dem Ziel, die deutsche Sprache als Amts-, Kultur-, Landesund Wissenschaftssprache zu erhalten, zu pflegen, zu schützen und weiterzuentwickeln. […] So soll es den Mitgliedern wie den Gesellschaftern von einst vor allen Dingen obliegen, die deutsche Sprache in ihrem grundlegenden Wesen und ihrer Bedeutung zu erhalten, auszuüben und zu pflegen, und sich für das Erreichen ebendieser Ziele in allen Bereichen unseres Lebens einzusetzen (NFG 2007, o.S.). Im Kontext aktueller sprachpflegerischer Maßnahmen der NFG sind auch innovative sprachkultivierende Formate wie die Arbeitsgemeinschaft Straße der deutschen Sprache (SddS) zu verorten. Ihr Sprecher ist wiederum Thomas Paulwitz (cf. SddS 2019b), der auch als Beisitzer im Vorstand der NFG tätig ist (NFG 2019b).71 Bei dem Projekt, das über die sozialen Medienplattformen Facebook und Twitter beworben wird, handelt es sich um eine Form von «Sprachpflegetourismus», bei der Sprachinteressierte auf einer Busreise oder als individuell planbare Reise ausgewählte Orte in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen besuchen, die «[…] bedeutsam für die deutsche Sprache sind» (SddS 2019a). Der touristisch aufbereitete Internetauftritt des Projekts lädt in werbesprachlichem Stil zur Entdeckung der deutschen Sprache ein, indem die unterschiedlichsten Register sprachpflegerischer Argumentation vom ästhetischen und intellektuellen Wert der deutschen Sprache, über ihre sprachhistorische Bedeutung bis hin zur autoritätsbasierten Begründung ihres Prestiges anhand namenhafter «Geistesgrößen» bedient werden (cf. 40). Die Straße der deutschen Sprache wird auch über mehrere Ferienstraßennetzanbieter beworben, wie z. B. beim OnlineTourenplanerdienst «dreamango.com»: (40) Wo Sprache lebendig wird…Können Sie auf eine spannende kulturelle Entdeckungsreise durch Mitteldeutschland und Nordbayern gehen. Entlang der “Straße der deutschen Sprache” gibt es viele Schätze zu entdecken. Wir wünschen Ihnen dabei viel Freude. Dieser Teil Deutschlands ist das Herzstück des deutschen Sprachraums. In Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen und Nordbayern finden Sie dicht aneinandergereiht Orte, deren

71 Vorsitzende der NFG ist die Computerlinguistin und Professorin an der Hochschule Anhalt Dr. Uta Seewald-Heeg (cf. NFG 2019b).

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Vergangenheit und Gegenwart bedeutsam für die deutsche Sprache sind. Hier steht die Wiege des Hochdeutschen: dank der Sächsischen Kanzleisprache und dank des Reformators Martin Luther. Hier wirkten große Schriftsteller. Hier finden heute Festspiele, Sprachtage und Wettbewerbe für die deutsche Sprache statt, wird in Theatern und Lesefesten die Sprache besonders gepflegt und erlebbar gemacht. Lassen Sie sich überraschen! Reisen Sie auf der ersten Ferienstraße, die Sprachpflege und Fremdenverkehr miteinander verbindet. Gern geben wir Ihnen Anregungen bei Ihrer Schatzsuche. Es gibt viel zu entdecken, daher können wir eines nicht versprechen: daß Sie sprachlos sein werden (Dreamango 2019).

3.2.6 Der Verein Deutsche Sprache An letzter Stelle sei in dieser Zusammenschau privater Organisation der Verein Deutsche Sprache (VDS) erwähnt. Aufgrund seiner Größe «als weltweit tätiger Verband mit mehr als 36.000 Mitgliedern» (VDS 2019a) und somit nach eigenen Angaben «größte[r] deutsche[r] Sprachverein» (VDS 2017a) kann sein Einfluss als zentraler Akteur der öffentlichen Sprachendiskussion als bedeutend eingestuft werden. Seine umfangreichen metasprachlichen Aktivitäten in aktuellen Publikationen und in den sozialen Netzwerken stehen deshalb im Zentrum des sprachlichen Vergleichs mit dem gewählten französischen Pendant Avenir de la Langue Française (cf. Kap. 3.3.9; 4.2). Auf der 2017 erneuerten Homepage findet sich eine Kurzbeschreibung des 1997 gegründeten Vereins, dessen oberstes Ziel der Ausbau der deutschen Kultur- und Wissenschaftssprache bei gleichzeitiger Verteidigung gegen den Einfluss der englischen Sprache ist. Die Ablehnung sprachlicher Überfremdung wird dabei stets ideologisch neutralisiert, indem der Verein Offenheit auf kultureller, politischer und sprachlicher Ebene signalisiert. So stellen die Betonung der kulturellen Bedeutung sprachlicher Diversität ‒ Regionalsprachen und Dialekte unterliegen in den Veröffentlichungen des Vereins einer dominant positiven Bewertung als identitätsbildende sprachliche Komponenten (cf. Kap. 4.2.1.1) ‒ und das Argument der Vielfalt «in den eigenen sprachlichen Reihen» eine wichtige Achse in der Selbstdarstellung des VDS dar.72 Durch sei72 «Die Dialekte haben nicht nur für die Geschichte der deutschen Sprache eine besondere Bedeutung, sie sind auch ein Kulturschatz und ein wesentliches Merkmal regionaler Identität. Während im Süden des deutschsprachigen Raumes noch die Mehrheit der Bevölkerung einen Dialekt spricht, sind es in der nördlichen Hälfte teilweise weniger als 30 Prozent. Andere Bedingungen liegen in der Schweiz und in Österreich vor. Vor allem die jüngere Generation hat in großen Teilen Deutschlands kaum noch die Möglichkeit, den Dialekt weiterzupflegen. Für

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ne Definition als «Bürgerbewegung» wird dem Verein darüber hinaus mit dem Image eines liberalen und demokratischen Vertreters Legitimität im öffentlichen Diskurssystem verliehen. Die Authentizität dieses Images wird wiederum durch den Verweis auf die externe Anerkennung der Vereinsarbeit in anderen Ländern argumentativ gestärkt: (41) Wir schätzen unsere deutsche Muttersprache, die „Orgel unter den Sprachen“, wie Jean Paul sie nannte. Um sie als eigenständige Kultur- und Wissenschaftssprache zu erhalten, weiterzuentwickeln und vor dem Verdrängen durch das Englische zu bewahren, gründeten wir im Jahr 1997 den Verein Deutsche Sprache e.V. Er ist eine bunte, große und wachsende Bürgerbewegung mit derzeit 36.000 Menschen aus nahezu allen Ländern, Kulturen, Parteien, Altersgruppen und Berufen. Allein ein Drittel davon sind Freunde der deutschen Sprache aus Asien oder Afrika (VDS 2019a).73 Die Selbstbetitelung als Bürgerbewegung ist an dieser Stelle keineswegs willkürlich gewählt und ermöglicht im Kontext der «metasprachlichen Öffentlichkeit» die Einstufung des VDS i. S. einer parteiähnlichen und gesamtgesellschaftlich Einfluss nehmenden Gruppierung: In den Metasprachdiskurs sind auf verschiedenen gesellschaftlichen Ebenen und in unterschiedlichen Diskursformen offizieller, offiziöser und privater Natur Akteure ungleich starken Einflusses invol-

den Verein Deutsche Sprache, dessen wichtigstes Ziel es ist, die deutsche Sprache zu fördern, ist auch die Fortentwicklung der Dialekte ein Thema. Heimat- und Mundartvereine gehören deswegen zu den natürlichen Partnern des VDS» (VDS 2019b). Vor diesem Hintergrund widmen sich zahlreiche Einzelbeiträge in den Sprachnachrichten (z. B. Lob für das Kölsche und Lob für Niederdeutsch in SN 2017.4, 23) oder den sozialen Netzwerken des Vereins (VDS FB, 18. 02. 2014 der Darstellung und dem Aufruf zum Schutz germanophoner Varietäten innerhalb und außerhalb Deutschlands: «In Hamburg finden regelmäßig auf der Alster Rundfahrten statt. Neuerdings werden diese an ausgewählten Tagen in Plattdeutsch angeboten – im Rahmen der Tour ‹Alster op Platt›. Die Stadtführer sprechen dabei nahezu kein Hochdeutsch – nur, wenn es nötig ist.»). Andere Beiträge beziehen sich auch auf die Förderung nicht-germanophoner Sprachen. So gibt beispielsweise ein Video des VDS auf YouTube Einblicke in die indigenen Sprachen Lateinamerikas am Beispiel einer Arbeitsgruppe zum Thema «Einführung in die Sprache Ketschua», die im Rahmen der im Juni 2017 in Kusel stattfindenden Deutschen Sprachtage vom Präsidenten der Academia Mayor de la Lengua Quechua (AMLQ), Fernando Hermoza Gutierrez, geleitet wurde (VDS YouTube, 21. 06. 2017). Neben der Thematisierung sprachlicher Vielfalt in den Publikationen des Vereins bestehen weitere Initiativen in den vom Rostocker Mathematikprofessor Dieter Rasch geleiteten Projektgruppe zu Dialekten und Regionalsprachen, die sich mit der Übertragung von bekannten Texten in deutsche Dialekte befasst (cf. VDS 2019b: «Dialektprojekt: Max und Moritz», «Projekt ‹Sherlock Holmes›»). 73 Cf. hierzu auch Neusius (2017, 44).

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viert (cf. Kap. 2.2.2, Abb. 2). Unter diesen kommt dem VDS aufgrund der o. g. hohen Mitgliederzahl und der massenmedialen Reichweite seiner Kommunikationsorgane eine wichtige Rolle im sprachpflegerischen Agenda Setting zu. Als Vertreter der Bürger sieht der Verein seine Verantwortung und Handlungspflicht im Bereich der Pflege der deutschen Sprache und als Mittler sprachenbezogener Bedarfe, Fragen und Positionen. So ist er de iure zwar unpolitisch, de facto spricht er sich selbst aber einen gesellschaftlichen Handlungsauftrag im Bereich der Sprachpflege zu, den er als Vertreter bürgerlicher Interessen längerfristig und überlokal als Gewährinstanz zwischen der Politik und anderen gesellschaftlich führenden Akteuren auf der einen Seite und der Öffentlichkeit als Publikum auf der anderen Seite ausführt. Dieser Auftrag reicht durchaus nicht nur kommunikativ, sondern auch thematisch in politische Kontexte hinein, wie u. a. die Petition «Deutsch ins Grundgesetz» (VDS 2019c) belegt, in der ganz klar nicht nur die Aufgaben des VDS als verantwortlichen Akteurs der Sprachpflege, sondern auch die Aufgaben anderer Akteure, v. a. der Politik als Vertreter der Bürger, definiert werden. In diesem Zusammenhang und auch an zahlreichen anderen Stellen propagiert der VDS ein partizipatorisches und z. T. sogar diskursives Öffentlichkeitsmodell (cf. Kap. 2.1.3, Tab. 1), indem er politische und andere Verantwortliche, z. B. Vertreter aus Wirtschaft, Wissenschaft oder den Medien, als Sprachpfleger in die Pflicht nimmt (cf. 42), ihr sprachbezogenes Handeln bzw. Nicht-Handeln als «Elite» auf nationaler und europäischer Ebene kritisiert (cf. 43) oder ihnen andere Akteure mit Vorbildfunktion gegenüberstellt (cf. 44), um ihr mangelndes sprachpflegerisches Engagement zu diskreditieren. (42) Die Staatsgewalt geht nach unserem Grundgesetz vom Volke aus. Es ist daher oberste Pflicht Ihrer Organe und Repräsentanten in Gesetzgebung, Regierung, Verwaltung, Rechtsprechung und öffentlich-rechtlichen Einrichtungen, die deutsche Sprache, diese zentrale Grundlage unserer nationalen Existenz, zu schützen, zu pflegen und zu fördern. Dieser Pflicht kommen viele unserer Politiker und Staatsorgane derzeit nicht in gebotener Weise nach. Sie sehen untätig zu oder fördern sogar die genannte Entwicklung. Auch die Europäische Union ist gemäß Art. 3 des EU-Vertrages zur Pflege und Förderung der sprachlichen und kulturellen Vielfalt seiner Mitgliedsstaaten verpflichtet. Dies setzt voraus, dass jeder Mitgliedsstaat das Seine dazu beiträgt, die eigene Sprache und Kultur zu pflegen und zu schützen. Deutschland erfüllt diese Aufgabe erkennbar nicht (VDS 2019c). (43) Für mich ist sie [scil. die Kritik am Andersdenken des VDS] eher ärgerlich, wird doch hier wieder der vorgestanzte Tugendpfad der Polit- und Medienelite bedient: Wer sich – wie der VDS – für seine Muttersprache einsetzt, deren Bedrohung ja nun mittlerweile wirklich selbst den Pförtnern unserer

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Universität auffällt, wird pauschal mit dem Anfangsverdacht, rechtspopulistisch zu sein, belegt. Sind die hier wesentlich entschlosseneren Franzosen dann auch „rechts“? Und wieso gibt es eigentlich nicht das sprachliche Pendant „linkspopulistisch“ (VDS 2019c)? (44) Hoeneß fordert nämlich, unsere Landessprache müsse in der Kabine und auf dem Platz die einzige Arbeitssprache sein. Dies zeige Identifikation mit dem Klub und beweise, dass der FC Bayern nicht nur eine Durchgangsstation sei. […] Hoeneß hat seinen bekannten Namen als Mann des Sports, nicht als Kulturschaffender. Darauf komme es in diesem Zusammenhang, so Dr. Gawlitta [Vorstandsmitglied des VDS, Ergänzung VN], jedoch nicht an. Die deutsche Sprache ist nämlich nicht exklusiv die Angelegenheit von wenigen Kulturbeflissenen, sondern prägt maßgeblich alle Felder unserer Gesellschaft, von Politik über Wirtschaft, Wissenschaft und Alltag hin bis eben auch zum Sport. Wenn einer der maßgeblichen Repräsentanten des Sports öffentlich diese Haltung zeigt, ist sein Einfluss auf die Gesellschaft kaum zu überschätzen (VDS 2017b). Die angeführten Belege bieten die Gelegenheit, um auf drei grundlegende Aspekte hinzuweisen, die im Metasprachdiskurses des VDS an vielen Stellen in Erscheinung treten: Der erste Aspekt bezieht sich auf die oben besprochene Positionierung des Vereins als Bürgerbewegung: Die Selbstwahrnehmung bzw. -inszenierung als liberaler Vertreter des Volkes und Verfechter eines demokratischen Metasprachdiskurses (cf. Kap. 2.1.3, Tab. 1), der sich für eine gleichberechtigte Partizipation aller gesellschaftlich Betroffenen einsetzt, steht in einem grundsätzlichen Gegensatz zur musterhaften Abgrenzung des VDS gegenüber «[…] nicht nur Einzelpersonen, sondern bestimmten Personenkreisen als Repräsentanten bestimmter sozio-kommunikativer Einflusssphären» (Stukenbrock 2005b, 229). Durch die sprachliche Diffamierung dieser gesellschaftlichen Domänen will der VDS seine Rolle als gesellschaftlicher Mittler in Vertretung der Bürger stärken, widerspricht sich allerdings in dieser Rolle, wenn er sozial despektierliche Vergleiche anführt wie z. B. dass die Bedrohung der Muttersprache «[…] ja nun mittlerweile wirklich selbst den Pförtnern unserer Universität auffällt» (cf. 43).74 Diese im stärksten Maße polemisierende Kommunikationsstrategie ist eine der unmittelbaren Ursachen, die dazu beitragen, das Spannungsgefüge zwi-

74 Die Rolle des Mittlers, Anwalts oder Richters als Teil der argumentativen Selbstlegitimation von Sprachpflege oder einzelnen ihrer Vertreter ist ein historischer Topos. Zu ähnlichen sozialen Positionierungen cf. z. B. die Rolle Vaugelas’ als juge des «bon usage» (cf. Kap. 3.3.4) oder Domergues Funktion als arbitre über den französischen Sprachgebrauch (cf. Kap. 3.3.5).

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schen Deskription und Bewertung, zwischen öffentlichen und berufslinguistischen Metasprachdiskursen aufrecht zu erhalten, obwohl die Grenzen zwischen «privat» und «öffentlich», zwischen «wissenschaftlich» und «nicht-wissenschaftlich» strukturell durchlässig sind. Vielmehr scheint aber für Sprachpflege nicht diese strukturelle Offenheit von Diskursen relevant zu sein (cf. Kap. 2.2.2), sondern die ideologische Überlagerung bzw. Steuerung sprachenbezogener Fragen (cf. Kap. 4). Ein anschauliches Beispiel für die Überlagerung wissenschaftlicher und ideologischer Perspektiven liefert die Person Walter Krämer, erster Vorsitzender des VDS-Vorstands und seit 1988 Professor für Wirtschafts- und Sozialstatistik an der Universität Dortmund: Sein sprachpflegerisches Handeln definiert er überwiegend in Abgrenzung zu und durch Ablehnung von sprachwissenschaftlichen Positionen und es wird zu zeigen sein, dass Krämers eigene wissenschaftliche Identität gerade dort in den Hintergrund tritt, wo eine Argumentation und Darstellung sprachlicher Sachverhalte auf der Grundlage allgemein vertretener wissenschaftlicher Gütekriterien erwartbar wären. Diese Einschätzung der sprachpflegerischen Arbeit des VDS ist kein Novum, sondern seit Jahren fester Bestandteil sprachwissenschaftlicher Forschung. Neben der Einstufung des VDS als puristischem Akteur der deutschen Sprachpflege steht sowohl die Debatte über seine Wissenschaftsfeindlichkeit als auch über seine nationalistischen und rechtspopulistischen Tendenzen im Fokus linguistischer Arbeiten (cf. z. B. Stukenbrock 2005b). Allerdings ist für diese Tendenzen auch ein bestimmtes Maß an Vagheit kennzeichnend, das sich in der kommunikativen Strategie des VDS niederschlägt, um externer Kritik vorzubeugen oder sich dieser auf scharfe und provokative Weise entgegenzustellen. Gerade für den Bereich der Anglizismenkritik, die den sprachideologischen Kern der Vereinsarbeit ausmacht (cf. Law 2002; Pfalzgraf 2006, 68–91; Wirth 2010, 202–223; Kap. 4.2.1.3), bleibt der Verein in seinen «sprachpolitischen Leitlinien» definitorisch an der Oberfläche hinsichtlich der zentralen Frage, was er unter «Anglizismen» versteht. So ist auch oft nicht von «Anglizismen» oder «Lehnwörtern» die Rede, sondern in synonymer Verwendung von «angloamerikanischen Wörtern und Wendungen», «Neuentwicklungen», «englischen und scheinenglischen Ausdrücken» sowie von «englischen Fremdwörtern». Vielmehr gilt, dass alle Begriffe Ausdrucksformen einer bisweilen undifferenzierten, negativen bis feindlichen Einstellung zur englischen Sprache und Kultur und ihren Sprechern sind. Vor diesem Hintergrund lässt sich auch erklären, dass unter dem sog. ANGLIZISMENTOPOS seltener konkrete Vorgänge der lexikalischen Entlehnung diskutiert werden als grundsätzliche Haltungen gegenüber dem Englischen in seiner kulturellen und politischen Dimension (cf. Kap. 4.2.1.3; 4.3.1–4.3.2). Einen offiziellen Charakter erhalten diese unscharfen sprachpolitischen Leitlinien, Forderungen und Wünsche zugunsten der Pflege der deutschen

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Sprache durch die Verpflichtung des Vereins gegenüber der Allgemeinen Erklärung zur kulturellen Vielfalt, die im November 2001 von der 31. Generalkonferenz in Paris verabschiedet wurde (cf. UNESCO 2002).75 (45) Immer mehr Sprecher und Schreiber in Europa übernehmen angloamerikanische Wörter und Wendungen in ihren Sprachgebrauch. Neuentwicklungen und Fachbegriffe sind in vielen thematischen Bereichen fast ausschließlich englisch. Diese Entwicklung ist nicht nur eine Modeerscheinung – sie schwächt die sprachliche und kulturelle Eigenständigkeit der europäischen Länder (VDS 2010, 1). (46) Aus der häufigen Verwendung englischer und scheinenglischer Ausdrücke, die als „modern“ gilt und mit der man zu imponieren trachtet, ergeben

75 Konkret verweist der VDS auf den dritten Satz von Art. 5 «Kulturelle Rechte zur Schaffung eines Umfeldes für kulturelle Vielfalt»: «Kulturelle Rechte sind integraler Bestandteil der Menschenrechte, die universell gültig, unteilbar und aufeinander bezogen sind. Die Entwicklung kreativer Vielfalt erfordert die vollständige Umsetzung der kulturellen Rechte, die in Artikel 27 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte und in den Artikeln 13 und 15 des Internationalen Paktes über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte aufgeführt werden. Deshalb sollte jeder die Möglichkeit haben, sich selbst in der Sprache seiner Wahl auszudrücken und seine Arbeiten zu erstellen und zu verbreiten, insbesondere in seiner Muttersprache; jeder hat Anspruch auf eine qualitativ hochwertige Bildung und Ausbildung unter voller Achtung seiner kulturellen Identität; jeder sollte sich am kulturellen Leben beteiligen und unter Achtung der Menschenrechte und Grundrechte Anderer seine eigenen kulturellen Praktiken ausüben können» (UNESCO 2002, 3). Auf den vorangestellten Zusatz «Sprache der Wahl» geht der VDS in seinen Leitlinien nicht weiter ein, sondern fokussiert den Aspekt der Muttersprache unter Ergänzung der Punkte 6 und 7 aus dem sich der Erklärung anschließenden Aktionsplan: «5. Erhaltung des sprachlichen Kulturerbes der Menschheit und Unterstützung der Ausdrucksformen, des Schaffens und der Verbreitung in einer höchstmöglichen Anzahl von Sprachen. 6. Förderung der sprachlichen Vielfalt – bei Respektierung der Muttersprache – auf allen Bildungsebenen, wenn immer dies möglich ist, und Förderung des Erlernens von verschiedenen Sprachen vom frühesten Kindesalter an» (UNESCO 2002, 5; cf. (42)). Eine solche sprachpolitische Verortung lässt den anerkannten, sicheren Status der deutschen Sprache als Nationalund Standardsprache außer Acht, ebenso wie ihre Verbreitung in der Welt und ihre Rolle als Fremdsprache, sodass beim uninformierten Leser durchaus der Eindruck entstehen könnte, dass es sich beim Deutschen um eine gefährdete Sprache handelt. Auch ist kritisch in Frage zu stellen, ob der VDS die von der UNESCO vermittelte Gesamtheit der Prinzipien kultureller Vielfalt für die Definition der eigenen Arbeit überhaupt in Anspruch nehmen kann. Dieser Einwand bezieht sich v. a. auf die Bekräftigung, «dass Respekt vor der Vielfalt der Kulturen, Toleranz, Dialog und Zusammenarbeit in einem Klima gegenseitigen Vertrauens und Verstehens zu den besten Garanten für internationalen Frieden und Sicherheit gehören» (UNESCO 2002, 1). Dieser Verpflichtung wird der Verein an vielen Stellen nicht gerecht, wie u. a. die im Folgenden diskutierten Belege (49)–(55) verdeutlichen.

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sich Verständigungs- und Eingliederungsprobleme bis hin zur sprachlichen Diskriminierung entgegen Artikel 3, Absatz 3 unseres Grundgesetzes („Niemand darf wegen […] seiner Sprache […] benachteiligt […] werden.“) (VDS 2010, 1). (47) Wir fordern nicht, dass das Deutsche grundsätzlich von englischen Fremdwörtern freigehalten oder vor ihnen „geschützt“ werden soll. Das Deutsche ist wie viele andere Sprachen Europas eine Mischsprache. Der Wortschatz des Deutschen wird durch Wörter und Wendungen aus anderen Sprachen bereichert (VDS 2010, 2). (48) Wir wünschen uns für Europa die systematische Förderung der aktiven und passiven Mehrsprachigkeit europäischer Beamter und Politiker sowie eine ausgewogene funktionale Mehrsprachigkeit (4–6 Arbeitssprachen) in den EU-Gremien und dementsprechend eine dem demographischen und ökonomischen Gewicht der deutschsprachigen Länder angemessene Berücksichtigung von Deutsch als Arbeitssprache (UNESCO 2002, 2). Entgegen dieser als gemäßigt und im Einklang mit der europäischen Mehrsprachigkeit präsentierten Vorstellung von Sprachpflege (cf. 48) werden in den Publikationen des VDS allerdings auch radikalere Töne angeschlagen, die in einem sachlichen und sprachlichen Gegensatz zu den oben auszugsweise zitierten sprachpolitischen Leitlinien stehen (cf. 45–47). Die hier beispielhaft in den Vordergrund gestellte Diskrepanz zwischen inszeniertem und realem Selbstbild ist eine von fünf diskursiven Kategorien, die Stukenbrock (2005b) in ihrer Analyse des VDS herausgearbeitet hat und die sie aus diskurslinguistischer Perspektive als «widersprüchliches Argumentationskonglomerat» bezeichnet. «Wie gezeigt werden konnte, bestehen Widersprüche erstens zwischen Intellektuellenund Wissenschaftsschelte einerseits und Wissenschaftlichkeits-display [sic] andererseits, zweitens zwischen der Modellierung des Gegenstands (Gegenstandideologie) und der Modellierung des Selbstbilds (Selbsteinordnungsideologie), drittens zwischen gruppenbezogener Viktimisierung (kleine Leute, Masse der Halbgebildeten) und elitärem Dünkel (die Gebildeten, Wir Linguisten), analog dazu viertens zwischen nationaler Viktimisierung (sprachliche Versteppung, Minderheiten-/Haus-/Familien-/Feierabendsprache) und globalem Führungsanspruch (Weltgeltung der deutschen Kultur) sowie schließlich fünftens zwischen eben diesem Führungsanspruch und der Abwehr des Nationalismus-Verdachts. Zusammen mit dem Selbstanklage-Topos (Anglizismensucht, nationale Unterwürfigkeit) und den hochkulturellen Identifikationsappellen (Genom der deutschen Klassik) stehen sie im Dienst eines sprachlichen und letztlich nationalen Genesungs-Programms […]» (Stukenbrock 2005b, 243).

Neben den anglizismenkritischen bis anglizismenfeindlichen einzustufenden Sprachnachrichten, der vierteljährlich erscheinenden Vereinszeitschrift des

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VDS, bietet v. a. die Präsenz des Vereins in den sozialen Medien eine produktive Plattform für Spracheinstellungsäußerungen von Vereinsmitgliedern und Privatpersonen, die z. T. aggressive Positionierungen zu Sprachenfragen und insbesondere zur Anglizismendebatte in den vermeintlich toleranten Diskurs des VDS einbringen (cf. 46), wodurch die oben beschriebene Widersprüchlichkeit zwischen Selbsteinordnungs- und Gegenstandsideologie nochmals verstärkt wird: (49) „Fuzzy is dead“. Mit diesem Anzeigentext betrauerte kürzlich ein liebender Mitbürger in meiner lokalen Tageszeitung seinen gerade verstorbenen Hund. Nun, vielleicht kam Fuzzy aus England und wollte in seiner Muttersprache begraben werden. Das glaube ich aber eher nicht. „Kolonialstaaten pflegen im Lauf der Zeit die Sprache ihres Mutterlandes anzunehmen.“ [… ] Denn weit stärker als alle anderen mir bekannten europäischen Sprachen leidet die deutsche unter einer extremen Illoyalität vieler ihrer Sprecher, unter einem republikweiten Bestreben, sich in der Lebensführung, in der Wahl der Vorbilder und in der Wahl der Sprache (und sei es auch nur die Anzeige für den verstorbenen Hund) dem angelsächsischen Kulturkreis anzupassen. Dazu scheint auch keine Militärverordnung Nr. 3 mehr nötig, die Menschen machen es von selbst (SN 2016.2, 2). (50) Der VDS kämpft gegen peinliche Sprachpanscherei in Wirtschaft, Werbung und Wissenschaft. Er möchte, dass Wortbildung und Kreativität hier in den deutschsprachigen Ländern in deutscher Sprache stattfinden. Deshalb werden offensive Anglizismenaufzwinger auf ihre Untaten hingewiesen. Durch freundliche Briefe, manchmal durch weniger freundliche Artikel oder Presseberichte. Wer es ganz besonders toll treibt, wird öffentlich abgemahnt. Die schlimmsten Sünder bekommen den berüchtigten Negativpreis „Sprachpanscher des Jahres“. Allein die Nominierung ist gefürchtet. Die Auszeichnungen sorgen dafür, dass jede Werbeagentur, jeder Politiker, jeder Chef eines großen Unternehmens dreimal darüber nachdenken muss, bevor ein neuer Anglizismus in die Welt gesetzt wird (SN 2017.4, 5). (51) Der Duden war lange Zeit die Richtschnur von Schülern, Erwachsenen, Lehrern und Germanisten, die sich um ein einwandfreies Deutsch bemühten (SN 75, S. 26). Seine Verbindlichkeit war geradezu sprichwörtlich. Diese Zeiten sind vorüber. Stark geschwächt durch mehrere oberflächliche Rechtschreibreformen wurde er in den letzten Jahren in zunehmendem Maße mit echten und unechten Anglizismen aufgebläht (Leserbrief, SN 2017.4, 20).76 76 Alle aus dem Jahr 2014 aufgeführten Belegstellen aus der Facebook-Kommunikation des VDS sind Teil des synchronen Korpus dieser Arbeit. Alle Belege, auch solche die nicht aus

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(52) “Wie gut ist ihr Englisch?” “My english is onewallfree”. “Wir melden uns” (VDS FB, 02. 06. 2018). (53) Heutzutage – vor allem nach dem 2. Weltkrieg – hat “Denglisch”, ein hässlicher Bastard der englischen Sprache, längst seinen Siegeszug in fast allen Bereichen der deutschen Gesellschaft angetreten (VDS FB, 02. 02. 2014). (54) Leider wieder ein Beispiel für gnadenlose Unterwürfigkeit. Wegen des Kommerz’ würden manche Leute ihre eigene Großmutter verkaufen! Die Sprache anzubieten ist ja wohl vernünftig. Aber die eigenen Wähler zu einer bestimmten Fremdsprache zu drangsalieren ist unfassbar anbiedernd und typisch für “unsere” in den Perfektionismus getriebene Unterwürfigkeit. Erbärmlich (VDS FB, 23. 01. 2014)! (55) Das sind leider die Radiosender. Da sitzen irgendwelche vermeintlich Hochinterlektuellen [sic] in der Konferenz (Meeting) und besprechen (das sogentannte “Wording”), daß sie sich ja von anderen Sendern abgrenzen wollen und dann kommt da so ein Wort-Müll bei heraus. LEIDER! Die deutsche Sprache wird damit vergewaltigt und die Menschen werden aktiv verdummt. Und da wir ja Herdentiere sind, plappern wir alles nach ohne Unser [sic] Hirn zu benutzen. Dumme Menschen lassen sich besser regieren (VDS FB, 19. 11. 2014). Alle Äußerungen werden von einer emotiven und ideologisierenden Lexik regiert, die sich auf Isotopieebenen bewegt, die für den nationalistischen und puristischen Sprachpflegediskurs in seiner historischen Fortsetzung als typisch gelten können. Zahlreiche Lexeme aus dem militärischen Assoziationsbereich belegen die bildhafte Verlagerung sprachbezogener Repräsentationen und Konzeptualisierungen in den Bereich kriegerischer Auseinandersetzung oder hegemonialer Machtverhältnisse,77 die bereits aus der sprachnationalistischen Argumentation des 19. und 20. Jhs. bekannt sind.

dem Jahr 2014 stammen, sind ausschließlich öffentlich kommunizierten Nachrichten des Vereins sowie dem Bereich öffentlicher Nutzerkommentare in sozialen Netzwerken entnommen. Aus forschungsethischen Gründen und zugunsten eines maximal sensiblen Umgangs mit den von Privatpersonen publizierten Kommentaren wurde auf die Nennung von Personennamen und auch Pseudonymen gänzlich verzichtet. Gleiches gilt für die französischen Belege. Ausnahmen bilden namentliche Verweise auf Aussagen, die von öffentlichen Vertretern und organisatorisch verantwortlichen Personen der Sprachpflegeorganisationen getätigt wurden. 77 Cf. (49): Kolonialstaaten, Militärverordnung Nr. 3; (50): kämpft; cf. (53): Siegeszug.

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In einem sehr deutlichen Kontrast zu den gemäßigter formulierten Grundsätzen des Vereins (cf. 45–48) erscheinen der VDS und seine öffentlichen Mitstreiter nicht als Vertreter und Vermittler, sondern vielmehr als Kontrollinstanz in anklagender Funktion. Im Bereich der Wortbildung ist v. a. der Gebrauch dysphemistischer Komposita auffällig, die entweder durch ein affektiv aufgeladenes Determinatum eine negative Konnotation englischer Spracheinflüsse zum Ausdruck bringen (cf. 50: Sprachpanscherei, Anglizismenaufzwinger) oder durch ein verstärkendes Determinans (cf. 53: Siegeszug) das Ausmaß der Bedrohung durch einen aufgezwungenen Sprachwandel betonen. Die Bedrohung geht dabei objektiv und subjektiv, d. h. sowohl von äußeren als auch von inneren Einflüssen aus: Die äußere Gefahr besteht in der imperialistischen Ambitionen folgenden, sprachlichen Unterdrückung durch das Englische, durch die Deutschland in die völlig wirklichkeitsferne Vorstellung eines Kolonialstaates gedrängt wird. Die innere Gefahr besteht in der fehlenden Sprachloyalität der Sprecher (cf. 49: extreme Illoyalität), die aufgrund ihrer politischen Unterwürfigkeit zu Sündern werden (cf. 50). Sowohl die ausdrucksseitig biblische Semantik des als Agens positionierten Sünders als auch das Partizip Perfekt Passiv vergewaltigt (cf. 55), das für die Erduldung eines ungewollten sprachlichen Gewaltaktes und den Verlust der Selbstbestimmung steht, tragen zur Anthropomorphisierung der deutschen Sprache bei.78 Die mit beiden Bildbereichen assoziierte Konnotation der Verschmutzung impliziert auf mentaler Ebene die Reinigung der Sprache als notwendige Maßnahme und Konklusion auf argumentativer Ebene. Neben der insgesamt gewaltbesetzten und aggressiven Wortwahl, die im Wesentlichen die inhaltliche Kohärenz der einzelnen Belege determiniert, sticht v. a. die Schärfe der Selbstdarstellung des VDS hervor, der Handlungen zuwider der ihm eigenen Sprachideologie öffentlich abmahnt (cf. 50), und sich somit ganz unmissverständlich nur für ideologisch Gleichgesinnte einsetzt. Diese Positionierung entspricht genau dem Gegenteil eines gleichberechtigten und demokratischen Diskurses, den die vom Verein zitierte UNESCO (2002) mit ihrer Deklaration initiieren möchte und der auf den Prinzipien des gegenseitigen Respekts, der Toleranz und einer auf verständnisbasierten Zusammenarbeit beruht. Weniger hitzig, aber ebenso polemisch äußern sich die Beiträger der Beispiele (49) und (52), in denen den Rezipienten eine negative Einstellung gegenüber Anglizismen auf humoristische und somit weniger abstrakte Weise vermittelt werden soll. Beide Beispiele beziehen sich auf Bereiche des alltäglichen und individuellen Sprachgebrauchs. Metasprachliche Positionierungen, die mittels

78 Cf. hierzu auch Kap. 4.2.2.

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belustigend gebrauchter Expressiva sowie auf der Grundlage ironischer Wortspiele die englische Sprache und ihren unidiomatischen Gebrauch durch deutsche Sprecher diskreditieren, finden als persuasive Strategie sowohl in den Publikationen des Vereins und auch insbesondere als Gemeinplatz der VDSCommunity in den sozialen Medien rege Anwendung (cf. Kap. 4.3.1). Trotz des fehlenden Kontextes des Dialogspiels in (52) kann angenommen werden, dass es sich um eine prototypische Dialogsituation in einem Bewerbungsgespräch handelt. Ziel des VDS ist die bewusste und proaktive Diffamierung eines fiktiven Sprechers, der sich durch den Gebrauch der Fremdsprache profilieren will, jedoch aufgrund mangelnder fremdsprachlicher Kompetenz das Gegenteil erreicht. Wo in Beispiel (49) die bloße Abwertung und Herabsetzung des Gebrauchs englischer Wörter im Vordergrund der kommunikativen Absicht stehen, trägt Beleg (52) aufgrund seiner Kürze und moralischen Intention fast aphoristische Züge. Nach dem Bild des ciceronischen Redners, der ʻbelehrt, erfreut und bewegtʼ,79 beabsichtigt dieser spöttische Scheindialog, den Leser zunächst zu erfreuen, ihm dabei gleichzeitig eine «sprachethische» Lehre zu erteilen, die besagt, dass der unreflektierte und willkürliche Gebrauch des Englischen zur Infragestellung der Kompetenz und zum Misserfolg führen kann. Die in der ciceronischen Idealgestalt der Rede beabsichtigte Perlokution des «permovere animos» ist im vorliegenden Beispiel dann erreicht, wenn beim Adressaten eine Aversion gegen Anglizismen ausgelöst wird. «Die Emotionalität sprachkritischer Diskurse ist einer der Gründe für ihr Spannungsverhältnis zur modernen Linguistik» (Stukenbrock 2005b, 222) und dieser Umstand ist weder neu noch zeichnet sich angesichts aktueller Differenzen ab, dass sich dies ändern wird. Vielmehr scheint das Gegenteil der Fall zu sein. Am Beispiel des VDS und anderen privaten Sprachpflegeinstitutionen, die sich noch deutlich radikaler positionieren, haben seit der «Institutionalisierung der Anglizismenkritik» (Spitzmüller 2005, 122), an der «[…] der VDS als Diskurszentrum und Katalysator maßgeblich beteiligt war» (Spitzmüller 2005, 125), zahlreiche germanistische Arbeiten die metasprachlichen Tätigkeiten verschiedener Vertreter eines solch konservativ-nationalistischen Anglizismenpurismus untersucht, von denen hier nur auf einige verwiesen sei (cf. Jung 1995; Spitzmüller 2002; Nussbaumer 2003; Stukenbrock 2005b).80 In Bezug auf die vom VDS seit seiner Gründung verlautbarten Spracheinstellungen besteht dabei Konsens: In seinem Kommentar zu der von Helmut Glück und Walter Krämer

79 Cf. Cicero (1955): De opt. gen. or. I,3 «Optimus est enim orator, qui dicendo animos audientium et docet et delectat er permovet». 80 Für überblicksartige Arbeiten und Beiträge cf. Wiechers (2001); Spitzmüller (2005); Pfalzgraf (2006); Wirth (2010).

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veröffentlichten Streitschrift Die Zukunft der deutschen Sprache (2000) attestiert Nussbaumer (2003) dem VDS und dessen wissenschaftlichem Beirat, dem auch Glück angehörte,81 «alle Züge eines sprachpolitischen Populismus», wodurch

81 Der wissenschaftliche Beirat des VDS «wurde 1999 gegründet und berät den VDS in sprachwissenschaftlichen Angelegenheiten. Seine Gründungserklärung umreißt in acht Thesen, warum ein aktives Eintreten für die deutsche Sprache nötig ist» (VDS 2019d). Aktuell gehören ihm sieben Mitglieder unter dem Vorsitz von Prof. Dr. Roland Duhamel (Universität Antwerpen, seit 2008 emeritiert) an, der gleichzeitig zweiter Vorstandsvorsitzender des VDS ist (cf. VDS 2019a). Die Gründungsthesen des Wissenschaftlichen Beirates «sollen die Positionen des VDS wissenschaftlich absichern» (Spitzmüller 2005, 340). Helmut Glück, bis 2015 Professor für Deutsche Sprachwissenschaft und Deutsch als Fremdsprache, zählte zu den Gründungmitgliedern des Beirats, war jedoch selbst nie Mitglied des VDS (cf. Wirth 2010, 176). Trotz der laut Wirth (2010) nicht bestehenden Vereinsmitgliedschaft Glücks (N. B! Helmut Glück ist der Erstgutachter der Dissertationsschrift von Wirth) belegt seine personelle Verflechtung mit dem VDS dennoch die Netzwerkbildung des Vereins in einzelne wissenschaftliche Bereiche, die auf den ersten Blick nicht immer ersichtlich sind: Glück ist auch einer von drei wissenschaftlichen Mitgliedern des Vorstands der 2001 gegründeten Stiftung Deutsche Sprache (SDS), deren Sprecher wiederum Walter Krämer ist (SDS 2005b). Die SDS beruft sich auf die folgende sprachpflegerische Position: «Die Stiftung Deutsche Sprache wurde aus der Überzeugung heraus gegründet, daß die deutsche Sprache ein Kulturgut von höchstem Wert ist, das es zu bewahren und zu fördern gilt. […] Sie möchte vermeiden, daß noch mehr Bereiche der wissenschaftlichen und fachlichen Verständigung an das Englische verlorengehen, da sich solche Verluste kaum rückgängig machen lassen. Sie möchte verhindern, daß sich das englisch-deutsche Kauderwelsch (‹Denglisch›), das sich im sprachlichen Alltag eingenistet hat und für viele Menschen nicht mehr verständlich ist, noch weiter ausbreitet. Die Stiftung will darauf hinwirken, daß auch unsere Enkel und Urenkel unsere Sprache als vollwertiges Verständigungsmittel verwenden können» (SDS 2005a). Der erste Teil des SDS-Präsentationstextes findet sich in gleichem Wortlaut auch auf der Homepage des Lehrstuhls für Sprachwissenschaft der Universität Bamberg, den Glück bis 2015 innehatte. Der in beiden Auftritten erscheinende Passus zu Denglish erscheint hier jedoch in einer vergleichsweise gemäßigteren Lexik, obwohl der anklagende und subjektive Ton des gesamten Paragraphen durchaus bemerkenswert für eine Präsentation auf den öffentlichen Seiten eines Hochschulfachbereiches ist: «Die Stiftung Deutsche Sprache wird die Entwicklung von Wortschätzen fördern, die den Gebrauch englischer und amerikanischer Wörter und Wendungen statt gleichwertiger deutscher (‹Denglisch›) in möglichst vielen Bereichen entbehrlich und überflüssig machen. Diese Aufgabe wird von den staatlich geförderten Einrichtungen (Institut für deutsche Sprache, Gesellschaft für deutsche Sprache) weder ernstgenommen noch wahrgenommen. Die Bundesregierung fühlt sich nicht dafür zuständig, ein weiteres Vordringen des Englischen ins Deutsche und andere Fehlentwicklungen aufzuhalten; sie hält das für einen natürlichen Vorgang. Deshalb sind private Initiativen notwendig, die den einflußreichen Institutionen und Personen entgegentreten, welche diese Entwicklung fördern oder doch hinnehmen. Die deutsche Sprachgemeinschaft sollte nicht widerspruchslos akzeptieren, daß für sie das Englische als Leitsprache in wichtigen Lebensbereichen etabliert wird» (cf. Universität Bamberg 2019). Der Vorwurf, die Bundesregierung weise die Zuständigkeit, gegen englische Einflüsse auf die deutsche Sprache vorzugehen, von sich, ist wenig nachvollziehbar, da es weder qua Grundgesetz noch qua Verfassung eine direkte Zuständigkeit gibt:

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der Verein «[…] eine strukturelle, aber mehr noch: materielle Verwandtschaft zu neueren populistischen politischen Strömungen in westeuropäischen Ländern, namentlich etwas, was Positionen in Migrations- oder Asylfragen anbelangt [, hat]» (Nussbaumer 2003, 117). 82 Zu einer ähnlichen Einschätzung kommt Stukenbrock (2005b), wenn sie auf der Grundlage ausgewählter VDS-Texte das Sprachhandeln des Vereins als «bellum verbale» in Fortsetzung der fremdwortpuristischen Diskurstradition in Deutschland beschreibt. Ebenso wie Nussbaumer (2003) stellt sie in ihrer Analyse heraus, dass der VDS nationalideologische Ziele verfolgt, die deutlich erkennbar außerhalb rein sprachpflegerischer Grenzen liegen: «In seiner diskursiven Vernetzung mit dem Ringen um einen neuen Patriotismus offenbart sich der Anglizismenpurismus des VDS neben dem, was er als Sprachpflege auch ist, als eine andere, eine Gegenbewältigungsstrategie zu existierenden Formen der Vergangenheitsbewältigung, die aufgrund ihrer politischen, ethisch-moralischen und generationsspezifischen Diversität keine allgemeinverbindliche Antwort bieten können. Der Verbindlichkeitsanspruch, mit dem der VDS in der Anglizismenfrage auftritt, wird von der sprachlichen auf die politisch historische Ebene übertragen. Der Wunsch nach Aufgeho-

Dabei ist auch erwähnenswert, dass Norbert Lammert als Bundestagspräsident bis zum Ende der Legislaturperiode des deutschen Bundestages 2017 und somit als Mitglied der Bundesregierung und Inhaber des zweithöchsten staatlichen Amtes im Beirat der SDS vertreten war. Dies belegt erneut, dass das Diskurssystem Sprachpflege als Netzwerk mit durchlässigen Grenzen der involvierten Domänen und komplexen personellen Verflechtungen gedacht werden muss (cf. Kap. 2, Abb. 2). Der Verweis auf die Nichterfüllung der sprachenbezogenen Pflicht der Bundesregierung und der Politik wird vom VDS als Verletzung des 2013 geschlossenen Koalitionsvertrags interpretiert, der «konform» mit der EU-Sprachenregelung 1/1958 gehe (cf. VDS 2019e). Im Koalitionsvertrag heißt es: «Der Umgang mit der deutschen Sprache in den europäischen Institutionen muss ihre rechtliche Stellung und ihren tatsächlichen Gebrauch in der EU widerspiegeln. Deutsch muss auch in der Praxis den anderen beiden Verfahrenssprachen Englisch und Französisch gleichgestellt werden» (KV 2013, 109–110). Die Verordnung Nr. 1 zur Regelung der Sprachenfrage für die Europäische Wirtschaftsgemeinschaf von 1958 besagt: «Schriftstücke, die ein Mitgliedstaat oder eine der Hoheitsgewalt eines Mitgliedstaates unterstehende Person an Organe der Gemeinschaft richtet, können nach Wahl des Absenders in einer der Amtssprachen abgefaßt werden. Die Antwort ist in derselben Sprache zu erteilen» (VO 1/1958, 385). 82 An dieser Stelle sei auch bemerkt, dass der VDS und seine Vertreter nicht nur häufig auf das Vorbild französischer Sprachpolitik verweisen, sondern auch den persönlichen Kontakt zu Akteuren der französichen Sprachendiskussion suchen: Die von Glück/Krämer (2000) veröffentlichte Streitschrift umfasst die gesammelten Beiträge der gleichnamigen Konferenz, die im Oktober 1999 anlässlich der Konstituierung des wissenschaftlichen Beirats des VDS stattfand und an der Jacques Toubon, bis 1995 französischer Kulturminister, und Hervé Lavenir de Buffon († 2017), ehemaliger Präsident des Centre d’études et d’actions europénnes und Geschäftsführer der französischen Sprachpflegevereinigung Défense de la langue française (DLF), teilnahmen.

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bensein in einem erneuerten nationalen Wohlgefühl wird dann lesbar als eine auf verschiedene Bereiche der sozialen Wirklichkeit bezogene (Gefühls-, Reflexions- und Handlungs-)Entlastungsstrategie» (Stukenbrock 2005b, 243–244).

Diese Vergegenständlichung des «Deutsche[n] zu einer aus historischen und sozialen Bezügen heraus gelösten [sic] Größe» bemerkt auch Pfalzgraf (2006) in seiner Beurteilung des VDS und sieht darin eines der zentralen «Kennzeichen des sprachideologischen Fremdwortdiskurses, die ganz ähnlich auch beim puristischen ADSV auftraten», weshalb man beim VDS von «Neopurismus» (Pfalzgraf 2006, 90–91) sprechen kann. Neben der radikalen Anglizismenkritik und der argumentativen Nähe zum ADSV sind auch die Biographien (ehemaliger) Mitglieder des VDS bzw. vereinsnaher Personen für Pfalzgraf unmittelbare Indizien dafür (cf. 2006, 105–106), dass «Sprachschutzvereine für viele rechtsgerichtete Organisationen interessant erscheinen und mit selbigen in Verbindung gebracht werden können, oder sich bewusst ihrer Unterstützung bedienen» (2006, 103).83 Die Tatsache, dass der VDS und andere Sprachpflegevereine, v. a. BfdS und VfS, immer wieder mit Einzelpersonen in Verbindung gebracht werden können, «die vom bundesdeutschen und österreichischen Verfassungsschutz als rechtsextremistisch charakterisiert werden», (Pfalzgraf 2006, 161) unterstreicht die Komplexität von Sprachpflege ebenso wie die enge Verbindung dieses Diskursraums mit der Politik. Dass darüber hinaus Sprachpflege und Purismus in Deutschland – heute deutlich mehr als zu Beginn der Rekonsolidierung metasprachlicher Interessenverbände gegen Ende des 20. Jhs. – zum Gegenstand politischer Ambitionen und zur Arena aktuell erstarkender nationalpopulistischer Stimmen werden, sollte Anlass zur intensiven sprachwissenschaftlichen Auseinandersetzung mit diesem Thema im Rahmen weiterer Forschungsarbeiten, auch kritischer Diskursanalysen, sein. Um sich von den radikalen politischen Tendenzen des rechten Spektrums formal abzugrenzen, hat sich der Verein nicht nur bereits früh umbenannt,84

83 Aktuelle Beispiele für medial umstrittene VDS-Vereinsmitglieder mit Kontakten in die rechte Szene sind z. B. der Publizist und ehemalige Spiegel-Autor Matthias Matussek oder die Publizisten Vera Lengsfeld (cf. VDS 2020). 84 Bei seiner Gründung 1997 hieß die VDS noch Verein zur Wahrung der deutschen Sprache (VWDS). Dazu Wirth (2010, VII): «Die Gründer dieses Vereins kamen aus verschiedenen Berufen, Germanistikprofessoren waren nicht darunter. Sie nannten ihren Verein anfangs ‹Verein zur Wahrung der deutschen Sprache›. Recht bald strich man das Attribut ‹zur Wahrung› und nannte ihn kurz und knapp ‹Verein Deutsche Sprache› (VDS). Über diese Namensänderung wurde viel diskutiert, weil einige Kommentatoren glaub(t)en, mittels der Vokabel Wahrung einen anachronistischen Gesinnungsnachweis führen zu können: wer etwas (be-)wahren will, so die Unterstellung, muss rückwärtsgerichtet und fortschrittsfeindlich sein. Der VDS wuchs rasch und ist seit Jahren der an Mitgliedern weitaus reichste deutsche Sprachverein».

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sondern im Zuge seiner Vergrößerung hat sich der VDS medien- und marketingtechnisch professionalisiert und sich durch eine gut organisierte Präsenz in den sozialen Medien ein großes Publikum erschlossen. Dazu bemerkt kritisch Nussbaumer: «Der VDS scheint mehrheitlich um Mäßigung bemüht (seine Umbenennung ist da wohl symptomatisch). Blickt man etwas genauer hin, so wird aber offenbar: Unter der Oberfläche kocht es» (2003, 111). Ein kurzer Blick auf die Argumentationsverfahren des VDS zeigt hierbei beispielhaft, dass der Verein stets bemüht ist, dem Vorwurf der «Deutschtümelei» entgegenzutreten (cf. 56– 58). Die Verteidigung der vom Verein vertretenen Spracheinstellungen erfolgt dabei durch Verweise auf Autoritäten wie des wissenschaftlichen Beirates (cf. 56), durch den Hinweis auf die soziale Verpflichtung gegenüber der jungen Generation, die einen Anspruch auf ihr sprachliches Erbe habe (cf. 57) oder durch die indirekte Zustimmung Dritter, wie hier der Medien (cf. 58):85 (56) Die Deutschen befinden sich gegenüber anderen Nationen in einer besonderen Lage. Der für alle Völker selbstverständliche Sprachpatriotismus ist in Deutschland und Österreich angesichts ihrer jüngsten Geschichte belastet. Trotzdem macht es die aktuelle Gefährdung der deutschen Sprache als Kulturgut notwendig, jetzt für ihre Verteidigung einzutreten (Auszug aus der Gründungserklärung des wissenschaftlichen Beirats des VDS, SN 2016.2, 5). (57) Die Verteidigung einer guten, flexiblen und anspruchsvollen Sprache ist keine Deutschtümelei, sondern das Bekenntnis zu einem kulturellen Erbe, und sie dient der Erhaltung der Funktionsfähigkeit des Deutschen für spätere Generationen (8. These zum Zustand der deutschen Sprache, Gründungserklärung des wissenschaftlichen Beirats des VDS, SN 2016.2, 5). (58) Der stellvertretende Chefredakteur des Hamburger Abendblattes, Matthias Iken, wundert sich, dass Kunden in einem Hamburger Kaufhaus am Jungfernstieg „offenbar als Zugangsvoraussetzung fließendes Englisch oder ein Wörterbuch im Handtäschchen“ mitbringen müssen. Iken sieht die Stellung der deutschen Sprache jedoch nicht durch das Kaufhaus-Denglisch gefährdet. Es drohe „die sprachliche Entkernung durch eine Abwendung vom Deutschen“, wenn Zuwanderer selbst nach Jahrzehnten noch

85 Mit Spieß (2011) handelt es sich hier um einen Verantwortungstopos, der auf einem deontologischen Argumentationstyp beruht. Topische Schlussregeln werden hier prinzipiengeleitet konstituiert (cf. 2011, 531): Wir müssen das Deutsche in seiner Funktionsfähigkeit und Teil kulturellen Erbes für folgende Generationen verteidigen, weil es unsere moralische Pflicht ist dies zu tun.

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nicht die Sprache der Wahlheimat sprächen, aber auch, wenn der Nachwuchs der Bildungselite insbesondere mit dem Englischen aufwachse. Iken stellt fest: „Ein Plädoyer für mehr und besseres Deutsch ist keine Deutschtümelei – eher ist es das Gegenteil“ (VDS 2017c, o. S.). Die ausgewählten Beispiele veranschaulichen das inhaltliche und argumentative Spektrum, das der VDS nutzt, um auf der einen Seite die Moderatheit seiner sprachpatriotischen Gesinnung in betonter Abgrenzung von einem überhöhten Nationalismus zu demonstrieren (cf. 56 und 57), und um auf der anderen Seite sprachliche Phänomene auf polemische und provokative Art zu attackieren, wobei in (58) und (59) eine eindeutig rechtspopulistische Korrelation von Sprache und Migration mit Neigung zur Fremdenfeindlichkeit hergestellt wird. Zu bemerken ist darüber hinaus ein strategisches Wechselspiel zwischen der Implizitheit und Explizitheit der sprachlichen Äußerungen, das mit dem Einsatz bestimmter Argumentationstypen in Verbindung steht. In Beispiel (58) werden die inhaltlichen Ankerpunkte der Argumentation durch drei direkte Zitate gesetzt, die auf einer persuasionsorientierten Selektion des Originals beruhen. Dazu merken Macagno/Walton (2018) an: «[Q]uotations consist in attributing a commitment to the Original Speaker by ‹demonstrating› or describing his words. This commitment attribution can be used for pursing a specific argumentative goal, such as attacking the speaker, forcing him to make a specific decision, or leading the audience to drawing a specific judgment on him. […] quotations can be considered as demonstrations, and for this reason they are selective. The speaker selects only the aspects of an utterance that can support his own dialogical goal. What is problematic is to determine the limits of this selection. […] selection can become distortion and explicit manipulation» (2018, 26).

Durch die gezielte Selektion ausgewählter Passagen aus dem Original, das eine ähnliche sprachideologische Richtung vorgibt, wird im VDS-Text zum einen ein schärferer Ton provoziert und zum anderen wird durch den inhaltlich reduzierten Gesamtzusammenhang der Ursachenfokus der Bedrohung des Deutschen durch Anglizismen auf die Zuwanderer und die Elite projiziert. Zu dieser Fokussierung trägt die syntaktische Integration des Zitats mittels «wenn … dann-Korrelativ» bei, das einen im Original nicht geäußerten Kausalzusammenhang aus Ursache und Wirkung konstruiert. Auch im Ursprungstext auftretende Ergänzungen zur Zuwanderung, in der Migranten nicht nur als Mitverantwortliche der sog. «Entkernung» des Deutschen, sondern auch als benachteilt beschrieben werden, gehen durch die Zitation verloren: «Mangelnde Sprachkenntnisse rauben Migranten Aufstiegschancen, die Möglichkeiten zur Teilhabe, zur Integration, zur Gleichberechtigung. Und spätestens hier ist der Sprachenstreit eben keine Petitesse für Puristen, sondern eine Mahnung an Millionen» (Hamburger

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Abendblatt, 14. 01. 2017). Neben den Auslassungen führt auch die Ergänzung des pejorativen Determinativkompositums Kaufhaus-Denglish zu einer Polemisierung der oratio recta im Originalbeitrag des Hamburger Abendblatts. Anders als in dieser expliziten Verweistechnik, die neben einer Stärkung der inhaltlichen Plausibilität eigener Standpunkte auch dem Hinweis auf Gleichgesinnte wie den Chefredakteur Martin Iken dient, nutzt der Autor des folgenden Sprachnachrichten-Artikels eine implizite Strategie, in der das bereits angeführte «widersprüchliche Argumentationskonglomerat» (Stukenbrock 2005b, 243) in Form komplexer sprachideologischer Positionierungsaktivitäten deutlich wird:86 (59) Heißen Sie Mohr? Geht Ihr Name also zurück auf die maurisch-arabische Hochkultur? Oder heißen Sie Moritz, schlimmstenfalls sogar Schwarz? Dann ist Ihr Risiko groß, als Rassist eingestuft zu werden, und Sie sollten sich möglichst bald nach einem neuen Namen umsehen. Um einen farblich verdächtigen Familiennamen loszuwerden, Schwarz zum Beispiel, hilft am besten die Heirat mit einem Partner oder einer Partnerin, die Thomsen oder Riesenhuber heißen. Und Ernst Neger? So wie der frühere Mainzer Fastnachtssänger möchte heute auch niemand mehr heißen. Das Risiko schwerer Anfeindungen dürfte beträchtlich sein, und das obwohl dieser Neger den unsterblichen Schlager „Humba-täterä“ in die Welt gesetzt hat, einen der großen Mainzer Beiträge zum europäischen Kulturerbe – nach der Gutenberg-Bibel. Vornamen sind noch nicht ins Visier der mutmaßlich politisch Korrekten oder Korrektoren geraten. Sie unterliegen dem schwankenden Zeitgeschmack und sind schlimmstenfalls Anlass zum Spott. Jahrzehntelang gab es in allen Schulklassen mindestens einen Siegfried, zweimal Jürgen, Karl-Heinz oder Josef. Sie alle wurden Anfang der Neunzigerjahre durch Kevin (1991 auf Platz 1) hinweggefegt, der aber bald auf dem Umweg über Alpha-Kevin um mehr als 300 Rangstufen abstürzte. Es ist nach wie vor der am meisten – und dabei erschreckend oft unsachlich – diskutierte Vorname. Über Vornamen werden Geschmacksdebatten geführt, aber die Rassismusvorwürfe hielten sich bisher noch in Grenzen. Donald, Wilhelm oder sogar Wladimir kämen durchaus infrage. Sabrina, Carina und Silke sind bis auf weiteres noch unverdächtig, aber Blacky geht gar nicht, dann schon fast lieber Angela. Auf Platz 1 liegen Emma und Ben; Benedikt zehn Rangstufen hinter Mohammed; allein Moritz (auf Platz 22) ist wegen seiner sprachlichen Herkunft aus dem Mauren- oder

86 Zur besseren Nachvollziehbarkeit der Argumentationstechnik wird der Zeitungsartikel in (59) fast vollständig widergegeben.

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Mohrenland schon in der Gefahrenzone. In Frankfurt am Main forderte die Kommunale Ausländer- und Ausländerinnenvertretung (KAV), die Mohren-Apotheke müsse ihren Namen ändern. Der könnte ein Hinweis auf rassistische Gesinnung sein. Seither wird nicht nur ein neues Schwein durch die Stadt getrieben, sondern nachgerade eine Wildsau durch die ganze Bundesrepublik. Fast hundert Apotheken führen den Mohren im Namen, zum Teil schon in vierhundertjähriger Tradition. Damit soll jetzt Schluss sein. Die Deutsche Apotheker Zeitung berichtet von Protesten vor MohrenApotheken, von zertrümmerten Fensterscheiben und Attacken mit Farbbeuteln. Hier könnte eine Umbenennung in Apotheke zur Wildsau Akzeptanz finden, gäbe es da nicht die rufschädigende Schweinepest. Andererseits würden Muslime dort vielleicht keine Medikamente mehr kaufen – übrigens eine Religionsgemeinschaft, die bisher nichts dagegen hat, beim eigenen Namen genannt zu werden. Andererseits wird aber aus diesen Kreisen der Trend beschleunigt, das Bekenntnis zum jüdischen Glauben zu verunglimpfen und Jude oder Yahudi als Schimpfwort zu etablieren. Sprachdirigismus und Sprachdiktatur wollen einzelne Wörter vorschreiben und andere verbieten, angeblich um rassistische Tendenzen zu verhindern – eine nur scheinbar löbliche Absicht. Denn zugleich wird ein anderer Rassismus betrieben: Einzelne Wörter werden stigmatisiert. Wenn es verboten ist, Menschen mit dunkler Hautfarbe als solche zu benennen, dürfen wir auch protestieren, wenn blau- und braunäugige Menschen als solche beschrieben werden. Da wirkt es vergleichsweise harmlos, wenn in Amerika die aus Europa eingewanderten Hellhäutigen im Vergeltungsschlag als pigs beschimpft werden. Auch das mag etwas mit der Hautfarbe zu tun haben, denn nur allzu viele der sogenannten Weißen sind keineswegs weiß (außer Schneewittchen), sondern eher ferkelfarbig (SN 2018.2, 18). Ziel des Verfassers ist das Argumentieren gegen «Sprachdirigismus und Sprachdiktatur». Dabei wird als einziges faktenbasiertes Beispiel der Argumentation die Forderung der Kommunalen Ausländer- und Ausländerinnenvertretung angeführt, die der Leser ohne größere Recherche in zahlreichen Pressartikeln nachvollziehen kann. Entscheidend ist, dass ausgehend von diesem in der Mitte des Textes platzierten Beispiel Positionierungsaktivitäten gegen das «Andere» und für das «Eigene» an verschiedenen argumentativen Bezugspunkten ausgerichtet und entfaltet werden. Die Diskrepanz zwischen sprachlicher Oberfläche und Absicht der Aussagen sowie zwischen gegenstands- und selbstbezogener Ideologie führt dabei zur Konstruktion eines komplexen «Stancetaking», d. h. mehrere Positionierungen gegenüber Sprechern, sozialen Gruppen und anderen Kulturen werden durch

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Ausrichtung an einem sprachlichen Phänomen ausgedrückt und determinieren auf diese Weise eine spezifische soziale Stratifizierung:87 Die Positionierungen umfassen 1. die Distanzierung von Personen, die durch die Forderung eines Verbots phänotypisch basierter Eigennamen und Lexeme angeblich zur Stigmatisierung der Sprache beitragen; 2. die Verteidigung der eigenen sprachbezogenen Ideologie, die oft in der Kritik steht, sich selbst gegenüber anderen sozialen Gruppen auf die gleiche Weise zu positionieren; 3. die Denkweise des Verfassers selbst, indem eine Korrelation zwischen Hautfarbe (Thema) und Religion (Rhema) hergestellt wird, 4. [in strategischer Kombination mit 3.] den expliziten Angriff auf die muslimische Glaubenskultur;88 5. den Verweis auf Gesinnung anderer Gruppen (der Muslime gegenüber den Juden, der Amerikaner gegenüber den Europäern). Die Menge dieser Positionierungen ergibt in der Summe die Konklusion, dass Rassismus keine Eigenschaft des VDS, sondern der «Anderen» ist. Eine abschließende Bemerkung gilt der konkreten sprachlichen Aufbereitung des Beitrags (cf. 59), in der sich der Mangel an inhaltlichen Belegen für die vollzogenen Positionierungen spiegelt. Darunter fallen: das Operieren mit anonymen Kollektiva («die mutmaßlich politisch Korrekten oder Korrektoren», «aus diesen Kreisen», «in Amerika», «die aus Europa eingewanderten Hellhäutigen», «viele der sogenannten Weißen»), mit personifizierenden Kompositionen durch das Determinans Sprach- («Sprachdirigismus», «Sprachdiktatur»), mit unbestimmten Pronomina («niemand»), unbestimmten Zeit- und Mengenadverbien («Jahrzehntelang», «oft», «bis auf weiteres», «am meisten»), mit einer konjunktivischen Satzmodalität («dürfte beträchtlich sein», «kämen infrage», «könnte finden», «würden kaufen») sowie mit passivischen Verbalkonstruktionen mit anonymem Agens («der am meisten diskutierte Vorname», «es werden Debatten geführt»). Diese Verschleierung der Argumentation führt dazu, dass die Gesamtheit der Äußerungen auf einem rein fiktiven Aussagennetz beruht. Neben anderen Faktoren ist es v. a. diese ideologisch aufgeladene Argumentation, die einen sachlichen Austausch zwischen Sprachwissenschaft und Sprachpflege an vielen Stellen unmöglich macht und die zu einer dauerhaften Auseinandersetzung zwischen beiden Akteuren führt (cf. Kap. 3.3.7). Dabei spielt, wie Spitzmüller (2002) hervorhebt, das metasprachliche Überblenden sprachlicher und sozialer Faktoren eine zunehmend bedeutende Rolle, anhand

87 Zur Theorie sprachlicher Positionierungen bzw. zum «Stancetaking»-Konzept als Ansatz sprachideologischer Untersuchungen cf. Kap. 4.1.2. 88 «Hier könnte eine Umbenennung in Apotheke zur Wildsau Akzeptanz finden […] Andererseits würden Muslime dort vielleicht keine Medikamente mehr kaufen».

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derer die Entzweiung sowohl sprachlicher als auch gesellschaftlicher Mentalitäten erkennbar wird: «Der aktuelle Diskurs über den ‹Einfluss› des Englischen auf das Deutsche ist […] in einen gesamtgesellschaftlichen Diskurs über Nation, Identität und Alterität eingebettet. Er ist (auch) Ausdruck eines tief greifenden Mentalitätenwandels und der Unsicherheit, die dieser Wandel hervorruft, einer Unsicherheit, der mit einer in dieser Art neuartigen Identitätsfindung, einer (auch) sprachlichen Selbstfindung und mithin der Abgrenzung von ‹anderen›, begegnet wird. Er ist somit Teil der deutschen Sprachbewusstseinsgeschichte, die ihrerseits Teil und Ausdruck einer umfassenderen Mentalitätengeschichte ist. Der aktuell zu beobachtende Mentalitätenwandel ist in seinen extremen Ausprägungen nicht unbedenklich. Sofern er sich in metasprachlichen Diskursen und in Sprache allgemein manifestiert, wird er zum Gegenstand der Sprachwissenschaft. Ihr kommt dabei die Aufgabe zu, diesen Diskurs in Verbindung mit dem Kontext, in dem er eingebettet ist, zu untersuchen, die Zusammenhänge zwischen dem ‹Reden über Wörter› und dem ‹Reden über Menschen›, wie es Jürgen Schiewe ausgedrückt hat, herauszustellen und die semantischen Bezüge der Diskursmuster in Erinnerung zu bringen. Sie wird dabei nicht umhinkommen, auch kritisch Stellung zu beziehen. Um dies zu tun, muss sie aber die Grenzen des eigenen Diskurses überschreiten, indem sie den öffentlichen metasprachlichen Diskurs als Ganzes wahrzunehmen versucht und auch auf die mentalitätengeschichtlichen Bedürfnisse und Unsicherheiten, die hinter diesem stehen, reagiert» (Spitzmüller 2002, 262–263).

Eine ähnlich kritische Stellungnahme formuliert Niehr (2002), der anhand einer 1998 noch unter dem alten Vereinsnamen VWDS veröffentlichten Pressemitteilung und eines Kriterienkatalogs zur Einstufung von Anglizismen zu folgendem Schluss kommt, was das die Vereinbarkeit der metasprachlichen Aktivität des VDS mit linguistischen Erkenntnissen und Forschungsprinzipien anbelangt:89 «Was lässt sich also abschließend zu den Vorschlägen des VdS sagen? Die zitierten Ausführungen der Pressemitteilung kann man v. a. dadurch charakterisieren, dass sie grundlegende Erkenntnisse und Unterscheidungen der Sprachwissenschaft außer Acht lassen. Dies betrifft nicht nur die seit der Rezeption de Saussures geläufige Unterscheidung von langue und parole, Diachronie und Synchronie, sondern auch das Verhältnis von Semantik und Pragmatik. Gerade durch das abstrakte, kontextlose Interpretieren von Wortbedeutungen wird der Eindruck erweckt, Wörter ließen sich durch andere, scheinbar synonyme Wörter, beliebig ersetzen. Ausgeblendet wird dabei die zentrale Erkenntnis, dass Kommunikation sowohl situationsangemessen als auch intentionsadäquat (erfolgsorien-

89 «1. Der englische Ausdruck muß hinreichend weit (nicht nur in der Werbung oder in Fachsprachen) verbreitet sein. Damit entfallen Werbe-Eintagsfliegen wie ‹wellness› oder ‹air-conditioning› statt Klimaanlage in der Autowerbung [...]. 2. Es muß für den englischen Ausdruck mindestens zwei treffendere deutsche Wörter geben. [...] 3. Der englische Ausdruck muß die zwischenmenschliche Verständigung behindern. [...] 4. Der englische Ausdruck muß die deutsche Sprache ärmer machen» (Pressemittteilung VWDS 09. 07. 1998, zit. in Niehr 2002, 5).

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205

tiert) zu sein habe. Demzufolge herrschen in der Werbung eben andere sprachliche Standards als in einer Predigt, in einem Arzt-Patienten-Gespräch andere als in einer politischen Diskussion. Probleme entstehen v. a. dann, wenn Menschen nicht in der Lage sind, Situationen auf einen adäquaten Sprachgebrauch hin zu interpretieren, wenn also der Arzt in seiner Sprechstunde wie auf einem Ärzte-Kongress spricht, ein Politiker auf diplomatischem Parkett einen Wahlkampfauftritt inszeniert oder aber – die Folgen wären wahrscheinlich fatal – im berühmten bayerischen Bierzelt diplomatische Formulierungen wählt. Derartige Prozesse zu untersuchen, wäre ein lohnendes Unterfangen für eine aufgeklärte Sprachkritik. Dazu bedürfte es jedoch größerer methodischer Anstrengungen als sie die sog. Laienlinguistik unternimmt.90 Deren Klagen über den nicht aufzuhaltenden Sprachverfall sind ein alter Topos der Sprachkritik, den Horst Sitta einmal unter die schöne Gattung der ‹Altherrentopoi› subsumiert hat. Nur schwer ist dieser Topos jedoch mit der Tatsache zu vereinbaren, dass uns partout kein Beispiel für eine tatsächlich ‹verfallene› durch Fremdworteinfluss oder Sprachwandel zugrunde gerichtete Sprache einfallen will. Das zumindest – finde ich – sollte die Anglizismenjäger stutzig machen» (Niehr 2002, 9).

Aktuelle Stimmen aus der Sprachwissenschaft zeigen somit, dass die kritische Vorsicht der Linguistik gegenüber dem VDS weiterhin Bestand hat, und dass zur Zeit das zunehmende «sprachliche Ringen um die nationale und kulturelle Identität Deutschlands» (Law 2002, 67) und die Politisierung von Sprache und Sprachkritik durch rechtspopulistische Akteure zu dieser Vorsicht auch einen konkreten Anlass geben. Parteipolitische Stimmen wie die 2013 gegründete rechtspopulistische Alternative für Deutschland (AfD), die Sprache und Anglizismenkritik zum Gegenstand ihres Parteiprogramms macht und somit selbst zum Akteur in der metsprachlichen Arena wird (cf. Kap. 2.2.2, Abb. 2), belegen das ideologische Zusammenrücken von Rechtspopulismus und Spachpflege von politischer Seite aus: (60) Die AfD Sachsen hat ein Gesetz zum Schutz der Deutschen Sprache angemahnt. „Erst gestern ergab wieder eine Umfrage im Auftrag des STERN, dass 53 Prozent der Befragten für ein ‚Gesetz zum Schutz der deutschen Sprache‘ seien. Dem muss der Bundestag endlich Rechnung tragen“, erklärt Landesvize Thomas Hartung. „Die Überfremdung des Kulturguts ‚Deutsch‘ ist in vielen Bereichen wie Wissenschaft, Ökonomie, Informationstechnologie, Werbung/Medien oder Musik nicht mehr überseh‐ und erst recht nicht mehr hinnehmbar, zumal ein Sprachwandel durch einen gemäßigten gesetzlichen Sprachschutz nicht behindert wird“, so der Ger-

90 Zur kritischen Diskussion der Gleichsetzung von «Laienlinguistik» und «Fremdwortpurismus» cf. ausführlich Kap. 3.3.7.

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manist. „Die Mehrzahl der Bevölkerung ist bspw. nicht nur gegen Anglizismen, sondern versteht sie auch größtenteils nicht mehr, wie Untersuchungen englischer Slogans zeigten. In Deutschland hat niemand einen Rechtsanspruch auf die Akzeptierung anderer Sprachen zur Verständigung. Es kann aber nicht sein, dass Minderheiten die sprachliche Entwicklung bestimmen. Ein Sprachschutzgesetz vermag auch dazu beitragen, das Verantwortungsgefühl für die eigene Sprache allen Bürgern bewusst zu machen. Einen Thüringer Gesetzentwurf, der die Sprache Deutsch festschreiben will, als ‚völkisch‘ und ‚populistisch‘ zu geißeln, ist absurd, zumal eine Verankerung der deutschen Sprache im Grundgesetz 2008 selbst die CDU wollte“, kritisiert Hartung (AfD Sachsen, 29. 04. 2016). Diese von Thomas Hartung, dem ehemaligen stellvertretenden Landesvorsitzenden und Pressesprecher der AfD in Sachsen, auf der Homepage des sächsischen Landesverbands beworbene Gesetzesinitiative zum «Schutz der deutschen Sprache» zeigt, wie vage die Grenzen zwischen Wissenschaft, Politik und Sprachpflege sind und wie hoch nachweislich die inhaltliche und topische Ähnlichkeit zwischen privater und politischer Sprachpflege sein kann: Hartung ist promovierter Germanist und mit einem ausführlichen Eintrag seiner Fach- und Lehrgebiete sowie Forschungsinteressen, darunter «Sprachkultur, Sprachkritik, Sprachpolitik», im internationalen Verzeichnis des Deutschen Germanistenverbands gelistet (cf. Germanistenverzeichnis 2019, s. v. Hartung). Dass die germanistische Ausbildung hinter einer rechtspopulistischen Gesinnung zurücktritt, zeigen die Äußerungen im oben angeführten Beleg (cf. 60), in dem traditionelle sprachpflegerische und puristische Topoi (ÜBERFREMDUNGSTOPOS, ANGLIZISMENTOPOS, GRUNDGESETZTOPOS) zum argumentativen Werkzeug bei der Vermittlung politischer Werte und Einstellungen werden.91 Die Verteidigung des ideologischen Selbstbilds gegen den Vorwurf völkischer Gesinnung steht dabei in inhaltlicher und funktionaler Kongruenz zur Zurückweisung der «Deutschtümelei» durch den VDS. Die Rechtfertigung des Sprachschutzes, der hier ganz explizit mit der Angst vor «Überfremdung» und dem Einfluss von nicht näher definierten «Minderheiten» in Verbindung gebracht wird, erfolgt, wie es auch für den VDS belegt wurde, nicht auf inhaltlicher Ebene, sondern durch konventionalisierte Schlussverfahren: Als Topos aus der Analogie induziert der Verweis auf eine ähnliche Initiative der CDU die demokratische Vertretbarkeit eines Sprachschutzgeset-

91 Zur Topik als diskurslinguistische Untersuchungsebene cf. ausführlich Kap. 4.

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zes.92 Ebenso soll dem Anspruch auf eine gesetzespolitische Maßnahme zum Schutz der deutschen Sprache am Beispiel der «positiv[en] Erfahrungen in Frankreich» (AfD Sachsen, 29. 04. 2016) Gültigkeit verliehen werden. Dieses von Kienpointner als alltagssprachliches Argumentationsmuster typologisierte «illustrative Beispielargument» (cf. 1992, 373) deduziert wiederum den Nutzen und Erfolg eines Sprachgesetztes aus der französischen Sprachpolitik, deren Vorbild bereits andere Länder wie Liechtenstein und die Schweiz gefolgt sind (cf. 61). Dieser Fingerzeig auf die Sprachgesetzgebung anderer Länder, insbesondere Frankreichs, stellt auch in den Texten des VDS ein gängiges topisches Muster dar (cf. 62): (61) Hartung verweist darauf, dass in der Schweiz und Liechtenstein die deutsche Sprache ebenso Verfassungsrang erhielt wie in Frankreich die französische Sprache.93 Artikel 2 der Verfassung vom 4. Oktober 1958 besagt: „Die Sprache der Republik ist Französisch“. 1994 wurde ein Gesetz erlas-

92 «Wenn eine Sache oder eine Person in einem bestimmten Verhältnis zu einer anderen Sache oder Person steht, dann ist dieses Verhältnis auf andere Relationen zwischen Sachen und Personen übertragbar, wenn Ähnlichkeit zwischen beiden Relationen besteht» (Ottmers 2007, 117), d. h. Wenn die CDU als demokratische Volkspartei ein Sprachschutzgesetz fordert, dann ist die gleiche Forderung seitens der AfD politisch vertretbar. 93 Es sei angemerkt, dass die Sprachensituation der Schweiz aus historischen, territorialen und varietätenlinguistischen Gründen nur schlecht mit der Rolle des Deutschen in Deutschland verglichen werden kann und dabei vor ihrem mehrsprachigen Hintergrund zu betrachten ist. Dazu zusammenfassend Steinhauer (2002): «Die Schweiz ist mehrsprachig, Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch. Das Deutsche hat jedoch schon lange eine Vormachtstellung, denn die alte Eidgenossenschaft (1291–1798) war ein Bund deutschsprachiger Staaten; die italienisch-, rätoromanisch- und französischsprachigen Kantone kamen erst 1803–1815 hinzu. Die Gleichstellung der drei Landessprachen Deutsch, Französisch und Italienisch und die offizielle Mehrsprachigkeit wurden in der Verfassung von 1848 in einem Sprachenartikel festgelegt. Dieser wurde 1878 erneuert und 1938 um die vierte Landessprache Rätoromanisch […] erweitert; die jüngste Fassung stammt von 1996 [die neueste revidierte Fassung ohne Änderung von Art. 4 stammt von 1999, Ergänzung VN]. Die Vielsprachigkeit der Schweiz ist territorial geregelt, es ist immer nur eine Sprache die offizielle (außer in den deutsch- und französischsprachigen Städten Freiburg und Biel und den drei offiziell zweisprachigen Kantonen Wallis, Bern und Fribourg [sic]). Im parlamentarischen Bereich herrscht mit Deutsch (Schweizerhochdeutsch) und Französisch praktisch Zweisprachigkeit. Die Sprachkultur in der Schweiz ist demnach eine Sprachenkultur, es wird nicht nur eine Sprache als nationale Größe gepflegt […]. Für das Deutsche herrscht zudem eine besondere Situation: Die schweizerische Variante des Deutschen existiert nur als Schriftsprache […]; im mündlichen Verkehr wird i. d. R. Schweizerdeutsch/Schwyzertütsch verwendet, das verschiedene Dialekte umfasst und nicht als eine dialektale Variante des Standarddeutschen anzusehen ist» (2002, 42).

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sen, das in 24 Artikeln den Gebrauch der französischen Sprache regelt und das 90% der Franzosen für gut und richtig befinden. Es regelt u. a., dass für Bezeichnungen, Beschreibungen, Gebrauchsanleitungen oder Werbung inländischer Produkte die französische Sprache vorgeschrieben ist und Anschläge, Plakate, Anzeigen und sonstige Mitteilungen auf öffentlichen Straßen und Plätzen und in und an öffentlichen Verkehrsmitteln in französischer Sprache verfasst sein müssen. „Eine solche Regelung ist für Deutschland dringend nötig“, so Hartung (AfD Sachsen, 29. 04. 2016). (62) Auch in Marseille sieht man zuweilen Werbung auf Englisch, aber dann immer mit einer französischen Übersetzung. Das ist eine Folge des [sic] hierzulande so gern belächelten „Loi Toubon“, des Gesetzes zum Schutz der französischen Sprache vom [sic] 1994. Anders als immer wieder gern behauptet, verbietet dieses Gesetz niemandem, sich in welcher Sprache auch immer der französischen Öffentlichkeit mitzuteilen.94 Aber wenn nicht auf Französisch, dann auf jeden Fall mit französischer Übersetzung. In Frankreich kann man also anders als in Deutschland nur mit seiner Muttersprache problemlos durch das Leben kommen (SN 2013.2, 2). Es mag nun bei diesem Vergleich weniger die Tatsache befremdlich sein, dass der aktuelle rechtspopulistische Diskurs Themen der Sprachpflege besetzt. Eher ist dabei befremdlich, dass umgekehrt Akteure Sprachpflege wie der VDS, der laut eigener Aussage «[dafür] [steht], dass ein Einsatz für die deutsche Sprache auch ohne deutschtümelnde oder nationalistische Ziele möglich ist» (2019a),

94 Diese Aussage ist nicht ganz zutreffend: «[D]er Zwang zum ‹kodifizierten Französisch› [bleibt] in zwei Artikeln bestehen und wird hier folglich nicht für verfassungswidrig erklärt: […] Art. 5, der öffentliche Arbeitsverträge behandelt, und Art. 14, der den Gebrauch von Marken- und Firmennamen durch öffentliche Institutionen regelt. In seinem ureigensten Terrain (‹für juristische Personen öffentlichen Rechts›) bleibt der Staat bei seiner Verpflichtung zu den ‹offiziellen› Neologismen» (Braselmann 1999, 12). Cf. hierzu den französischen Gesetzestext im Original: Art. 5: «Quels qu’en soient l’objet et les formes, les contrats auxquels une personne morale de droit public ou une personne privée exécutant une mission de service public sont parties sont rédigés en langue française. Ils ne peuvent contenir ni expression ni terme étrangers lorsqu’il existe une expression ou un terme français de même sens approuvés dans les conditions prévues par les dispositions réglementaires relatives à l’enrichissement de la langue française»; Art. 14, I «I. L’emploi d’une marque de fabrique, de commerce ou de service constituée d’une expression ou d’un terme étrangers est interdit aux personnes morales de droit public dès lors qu’il existe une expression ou un terme français de même sens approuvés dans les conditions prévues par les dispositions réglementaires relatives à l’enrichissement de la langue française. Cette interdiction s’applique aux personnes morales de droit privé chargées d’une mission de service public, dans l’exécution de celle-ci» (Loi n° 94–665).

3.2 Deutschland

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sich in öffentlicher und kommunikativer Nähe zu rechtsgesinnten Parteien und Gruppen bewegt, deren Grundsätze im absoluten Gegensatz zum propagierten Selbstbild des Vereins stehen. Neben diesem Beziehungsgefüge zwischen Politik und Sprachpflege sind private Sprachpflegeorganisationen auch von internen Auseinandersetzungen gekennzeichnet, was erneut am Beispiel der Person Walter Krämer nachvollzogen werden kann: Was zunächst die Verbindung Krämers zur politischen Landschaft anbelangt, weist die Junge Freiheit (JF), die «[i]n rechtsextremen Kreisen […] aufgrund ihrer »Eisbrecherfunktion für die gesamte konservative und nationale Publizistik der BRD« geschätzt [wird]» (Mecklenburg 1996, 415; zur JF cf. auch Kap. 3.2.5) in einer Pressemitteilung vom 22. 08. 2013 auf ein Interview mit Krämer hin, in dem er sich positiv zur AfD und den Wahlerfolgschancen der Partei äußert: «Die AfD wird aus dem Reservoir der Nichtwähler und aktuell noch Unentschlossenen genug Stimmen mobilisieren. Ich sehe sie bequem im Bundestag!» (Krämer in JF, 22. 08. 2013). In einem weiteren Interview mit Ferdinand Knauß, das ein knappes Jahr später in der WirtschaftsWoche (WiWo) erscheint, bestätigt Krämer, die AfD gewählt zu haben, obwohl er nach eigenen Angaben Mitglied der FDP ist: (63) Knauß: Sind Sie eigentlich noch FDP-Mitglied? Krämer: Ja. Und ich werde es bleiben. Knauß: Mit ihren Positionen wären sie in der “Alternative für Deutschland” doch besser aufgehoben. Und mit vielen Ökonomen-Kollegen in bester Gesellschaft. Krämer: Ich habe die auch gewählt. Vor Hans-Olaf Henkel und Bernd Lucke, den ich seit vielen Jahren gut kenne, habe ich Riesenrespekt. Die haben meine volle Sympathie. Knauß: Und warum bleiben Sie dann in der FDP? Krämer: Mir wäre es lieber, wenn es in dieser Partei mit Tradition zu einem Sinneswandel käme. Ich sage in der Partei wo immer ich kann, laut und deutlich meine Meinung. Ich spreche mich auch deutlich gegen die Verunglimpfung der AfD aus (WiWo 12. 06. 2014, o.S.). Auch wenn in beiden Interviews keine Bezüge zum Thema Sprache hergestellt werden, scheint dennoch die offen konstatierte ideologische Nähe des VDS-Vorsitzenden zu den politischen Zielen der AfD erwähnenswert für die Analyse metasprachlicher Tätigkeiten im Kontext ihrer gesamtgesellschaftlichen Konstellation. Diese politische Orientierung ist auch im Zusammenhang mit früheren Aktivitäten Krämers zu sehen. Wie auch andere Akteure der puristischen Sprachpflege hat auch VDS-Vorsitzende bereits früher den Kontakt zur JF ge-

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sucht, wodurch klar sein dürfte, dass die hier vorgestellten privaten Organisationen grundsätzlich die gleiche national-konservative Leserschaft als Zielpublikum ins Auge fassen. Besonders auffällig ist dabei, dass sich der VDS relativ kurz nach seiner Gründung explizit von anderen Akteuren desselben sprachideologischen Spektrums abgrenzt hat. Dieses Vorgehen des VDS hat in der privaten Sprachpflegecommunity zu heftigen Auseinandersetzungen über die Position des Vereins im Allgemeinen und v. a. in Bezug auf sein schwerpunktmäßiges Vorgehen gegen Anglizismen geführt, obgleich die an der Diskussion Beteiligten durchaus gleiche Spracheinstellungen zum Englischen lancieren. Zur Veranschaulichung dieser puristischen querelle innerhalb der deutschen Sprachpflege dienen die folgenden Auszüge aus zwei von Moritz Schwarz in der JF geführten Interviews mit Walter Krämer und Manfred Riebe sowie aus einem Diskussionsstrang zum Thema «VDS und Rechtschreibreform» in einem Rechtschreibforum,95 das vom Interessenverband WIR für gute Rechtschreibung verwaltet wird:96

95 Im Folgenden abgekürzt durch RSF (=Rechtschreibforum). 96 Der Interessenverband ist verantwortlich für die Internetseite www.rechtschreibung.com, deren Inhalt nur wenig nachvollziehbare Informationen zu seiner Organisationsform, den Mitgliedern, Zielen und Aktivitäten zur Verfügung stellt. Die Diskussion des o. g. threads zum Thema «VDS und Rechtschreibreform», die auch von bekannten oder im Vorstand tätigen Personen zuvor vorgestellter Organisationen geführt wurde, dreht sich v. a. um die Zensur zahlreicher Beiträge dieser Personen im ehemaligen VDS-Internetforum KLARTEXT (zur Schließung des Forums cf. Kap. 4.1.4). Neben den im RSF ebenfalls auftretenden rechtspopulistischen bzw. «anti-linkspolitischen» Argumentationen, die oben bereits angesprochen wurden, liefert diese Diskussion einen «internen Bericht» über die bewusste Abgrenzung des VDS von anderen führenden Akteuren der deutschen Sprachpflege, die von Letzteren scharf kritisiert wird. Der Beitrag mit dem Titel Keine Nachsicht mit solchen Sprachideologen! belegt dabei die Abwertung des VDS als sprachideologisch agierendem Verein, wobei der Verfasser in seiner Stellungnahme ebenso ideologisch argumentiert: «Ich denke darüber nach, ob man die Vorkommnisse der vergangenen Tage im »so genannten« KLARTEXT-Forum nicht an die Öffentlichkeit bringen sollte. Es ist eigentlich unerhört, was da passiert ist. Wenn es irgendein mit sich selbst beschäftigtes Vereinchen wäre, könnte man das ja unter Götz von Berlichingen abhaken. Aber der VDS hat lt. eigener Mitteilung 13.000 Mitglieder, die ja wohl mit dem Thema »Sprache« einigermaßen eng verbunden sind, egal, welche Vorstellungen sie im einzelnen dazu haben. In unserem Kulturkreis verbindet man Sprache mit dem Begriff Freiheit, die Sprache ist die Waffe der Freiheitsliebenden, Meinungsfreiheit gehört zu den wichtigsten Gütern unserer Kultur, darüber herrscht Einigkeit, auch wenn man ansonsten in vielen Dingen unterschiedlich denken mag. Der Präsident des VDS, Professor Walter Krämer, ergreift immer wieder in der Medienöffentlichkeit das Wort und beansprucht Autorität in Sachen Sprache und Kultur. Er führt aber einen Verein, in dem ein Umgang mit der Meinung und der Sprache Andersdenkender praktiziert wird, der den Praktiken in der DDR, im Dritten Reich und anderen totalitären Systemen in nichts nachsteht. Es gibt Äußerungen des ‹Moderators›, die darauf hinweisen, daß dies eine direkte Anweisung des VDS-Vorstandes ist. Es hat sich aber bei dieser kurz aufgeflammten und

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(64) Ich weiß, daß es den VRS gibt, kenne ihn aber nicht näher. Wir sind inzwischen der mit Abstand größte Verein und haben mit unseren Aktionen die Öffentlichkeit auf uns und unseren Verein aufmerksam machen können. Die Broschüre des VRS “Engleutsch? Nein danke!” kenne ich, erscheint mir aber etwas übertrieben (JF, 12. 05. 2000). (65) Der VDS hat sich auf die Bekämpfung von Anglizismen spezialisiert. Gleichzeitig fördert er aber in seinen Publikationen die neue Rechtschreibung. Er hat deshalb das Wort “Wahrung” aus seinem Namen und seiner Satzung gestrichen. Damit macht sich der VDS als Sprachpflegeverein unglaubwürdig. Der VRS wendet sich gegen jegliche Art schädlicher Veränderung der eigenen Sprache, wie zum Beispiel auch die Franzosen. Im Verhalten der Franzosen spiegelt sich ein Stück Nationalbewußtsein, das in Deutschland aufgrund der Vergangenheit meist verdrängt wird. Im übrigen [sic] erheben wir keineswegs gegen alle Sprachpflegevereine Vorwürfe. So zum Beispiel nicht gegen die “Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung”, die wie wir gegen die Rechtschreibreform kämpft. Aber in Vereinen wie der “Gesellschaft für deutsche Sprache”, oder dem “Institut für deutsche Sprache” haben die Rechtschreibreformer die Schlüsselpositionen besetzt und treffen Entscheidungen für die Reform gegen die Mehrheit ihrer Mitarbeiter. In zweiter Linie machen wir jenen Sprachvereinen und Berufsverbänden Vorwürfe, etwa der “Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft” oder dem “Deutschen Philologenverband”, die nichts gegen die Rechtschreibreform unternehmen, obwohl ihre Mitglieder ebenfalls mehrheitlich dagegen sind. Den VDS mit seinem Kampf ausschließlich gegen Anglizismen betrachten wir als ein Ablenkungsmanöver zugunsten der Rechtschreibreform. Nachdem der VDS das Wort “Wahrung” aus seinem Namen gestrichen hatte, traten Mitglieder aus, weil sie bemerkten, daß der VDS die Rechtschreibreform in seinen Veröffentlichungen anwendet (JF, 23. 06. 2000). (66) Habe gerade mal beim VDS-Forum reingeschaut: wie man dort jede Diskussion über die Rechtschreibreform abwürgt. Ein Moderator, der wahrscheinlich in der SED gelernt hat, wie man so etwas macht (die Anrede mit „werter Herr“ deutet auf entsprechende Herkunft; ebenso der ganze

rigoros gelöschten Diskussion über die Rechtschreibreform im VDS-Forum gezeigt, daß das Thema auch von den dort bereits länger beteiligten Diskussionsteilnehmern, also VDS-Mitgliedern, durchaus und von einigen sogar dringend erwünscht war […] Ich kenne Journalisten, denen es ein Anliegen ist, solche Übergriffe namhafter Instanzen gegen die Meinungsfreiheit investigativ aufzugreifen und an die Öffentlichkeit zu bringen, und will dafür sorgen, daß dies geschieht» (RSF, 31. 01. 2002).

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Ton des Maßregelns). Der VDS scheint ein Ein-Punkt-Programm zu vertreten: gegen „Anglizismen“. Dann trifft aber der Vereinsname nicht zu. Dem Gründer, der ja ein sehr vernünftiger Mensch ist, muß das eigentlich peinlich sein. Der VDS scheint, soweit ich sehe, mit den Mächtigen paktieren zu wollen und möchte ihnen daher nicht ihre Rechtschreibreform um die Ohren schlagen. Man möchte ja wohl Sprachschutzgesetze, weil man denkt, der Staat wird es am besten richten. Das zeigt aber hinreichend, daß zwischen dem VDS und uns hier Welten liegen (RSF, 28. 01. 2002)! Neben dieser mittlerweile lange zurückliegenden Debatte um die Position des VDS innerhalb der puristischen Sprachpflegearena drehen sich aktuelle wissenschaftliche Diskussionen über den Verein und seine Veröffentlichungen, neben der von Niehr (2002) konstatierten fehlenden Anerkennung wissenschaftlicher Erkenntnisse und Methoden, v. a. um die nationalideologischen Positionierungen des Vereins. Auch seitens der Medien werden Warnungen und Bedenken bezüglich der propagandistischen Kommunikation des Vereins laut. So äußert sich z. B. Stefan Niggemeier im Online-Magazin Übermedien in sehr kritischer Perspektive zu dem von ihm als ‘pegidahaft’ titulierten Auftreten den VDS: «Walter Krämer ist auch ein ‹Lügenpresse›-Rufer. Er brüllt es den Journalisten nicht bei Demonstrationen entgegen, zumindest weiß man nichts davon. Er schreibt es in die ‹Sprachnachrichten›. Darin wettert er etwa gegen den ‹aktuellen Meinungsterror unserer weitgehend linksgestrickten Lügenmedien› und die ‹Unterwerfung der Medien unter eine obrigkeitsstaatliche Einheits-Sichtweise der Dinge› und gibt bekannt, dass er aufgehört habe, Zeitungen zu lesen. […] Krämer und seine Verein sind eine Art Sprach-Pegida: Mit heiligem Ernst versuchen sie, die deutsche Sprache gegen den Ansturm fremder Wörter zu verteidigen. Sie kämpfen gegen die Durchmischung der Sprachen und den scheinbar unaufhaltsamen Vormarsch des Englischen, der die eigene Kultur zu vernichten drohe. Den größten Feind sehen sie in den eigenen Landsleuten, die tödliche Gefahr nicht nur nicht zu sehen scheinen [sic], sondern sogar bereitwillig vor ihr kapitulieren» (Übermedien, 01. 08. 2016).

Was die Beziehung des VDS zu anderen Akteuren des Metasprachdiskurses und insbesondere das kritische Verhältnis zur Linguistik anbelangt, schließt das vorliegende Kapitel mit dem Verweis auf einen von Thomas Niehr verfassten und von 36 weiteren Germanisten unterschriebenen, offenen Brief an den Präsidenten des Deutschen Hochschulverbands (DHV).97 Der Brief richtet sich gegen

97 Die Originalversion des Briefes und ausführliche Erläuterungen zu den Beweggründen der Verfasser sowie zu den ablehnenden Reaktionen des DHV können in einem Eintrag zum Thema «Sprach-Pegida und der Deutsche Hochschulverband» im wissenschaftlichen Blog «Die Engelbart-Galaxis» des Germanistikprofessors und aktuellen Leiters des IDS, Dr. Henning Lobin, eingesehen werden (cf. Blog Lobin 31. 07. 2016).

3.3 Frankreich

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die Beilage einer Ausgabe der Sprachnachrichten in der Juni-Ausgabe 2016 in der vom DHV herausgegebenen Wissenschaftszeitschrift Forschung & Lehre. Neben einer inhaltsbasierten Stellungnahme zu den sprachbezogenen Tätigkeiten des VDS zeigt dieser Protest seitens der Wissenschaft, dass die Untersuchung von Metasprachdiskursen im Spannungsfeld zwischen Deskription und Bewertung ein Forschungsgegenstand von hoher aktueller Relevanz und Brisanz ist: «[M]it der letzten Ausgabe von FORSCHUNG & LEHRE erhielten die Mitglieder des Deutschen Hochschulverbandes ungefragt ein Exemplar der SPRACHNACHRICHTEN. Wir protestieren in aller Form dagegen, dass die SPRACHNACHRICHTEN nun auf diesem Wege vertrieben werden. Diese Zeitschrift wird vom Verein deutsche Sprache (VdS) herausgegeben, einem Verein, der sich den Kampf gegen Anglizismen auf die Fahnen geschrieben hat. In letzter Zeit polemisiert der Verein auch gegen geschlechtergerechten Sprachgebrauch. Um seine Ziele zu propagieren, ist der VdS in der Wahl seiner Mittel nicht zimperlich. Wie LinguistInnen mehrfach gezeigt haben, ist die Haltung dieses Vereins ein Musterbeispiel für einen intoleranten, unaufgeklärten Sprachpurismus. Dass der VdS ganz nebenbei auch immer wieder nationalistische Tendenzen bedient, zeigt sich übrigens auch in der aktuellen Ausgabe der SPRACHNACHRICHTEN. Die provokanten und teils politisch gefährlichen Thesen des Vereins haben wenig bis nichts mit (Sprach-)Wissenschaft zu tun. Im Gegenteil: Sie widersprechen größtenteils den Erkenntnissen der Linguistik. Zumindest den LinguistInnen unter Ihren Lesern dürfte dies übrigens bekannt sein» (Niehr 2016).

3.3 Frankreich Il y a donc une sorte de passion française – pour reprendre un terme célèbre. Je dirais plutôt que les francophones ont une religion: la langue. (Cerquiglini 2004, 25)

3.3.1 Frankreichs Metasprachdiskurs: «passion», «excellence», «exception»? Gleich dem vorangehenden Kapitel zur deutschen Sprachendiskussion soll nachfolgend die Entstehung des französischen Metasprachdiskurses in seinen verschiedenen Ausprägungsformen als Ergebnis eines Verdichtungsprozesses aus Faktoren der externen und internen Sprachgeschichte sowie unter besonderer Berücksichtigung sprachnormierender und sprachreinigender Eingriffe in seinen zentralen Entwicklungsschritten nachvollzogen werden. Ein besonderes Augenmerk liegt im Rahmen des hier kontrastiv angelegten Vorgehens auf einer

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3 Metasprachdiskurse als historische Systeme

diachronen Synthese der in der Forschung bereits umfassend behandelten Verbindung von französischer Sprache, Nation und Sprachpflege.98 Ziel dieses Kapitels ist es auch, kritisch zu hinterfragen, inwieweit sich die französische Sprachendiskussion, die den Status einer «passion nationale» (cf. Paveau/Rosier 2007) innehat oder einer, wie Cerquiglini (2004) es umschreibt, «religion d’État», von den deutschen Tendenzen, die oben zusammengefasst wurden, unterscheidet. Im Zusammenhang mit dieser Frage steht auch die oftmals den Franzosen und bisweilen der Gesamtheit der frankophonen Sprecher attestierte Eitelkeit in Bezug auf ihre Mutter- und Landessprache. Laut Gadet (2007) handelt es sich bei dieser Annahme einer «excellence française» in sprachlicher und somit auch nationaler Hinsicht um eine «[p]osition ultra-dominante donc, qui a longtemps fortifié les Français dans la certitude d’être les propriétaires de leur langue – et il suffit alors d’un rien pour verser dans la fatuité d’en être les locuteurs les plus légitimes, en n’ayant pas toujours l’honnêteté d’y adjoindre les Belges et les Suisses francophones (respectivement 4 millions et 1 200 000 locuteurs, ce qui ne grossit pas considérablement les rangs). Il y a là une source possible de la réputation d’arrogance des Français» (2007, 7).

Wenngleich man bei der engen Verflechtung von Sprache und Nation sowie der sprachpflegerischen Tradition Frankreichs, v. a. hinsichtlich staatlicher Interessen, tatsächlich von einer «exception française» sprechen kann, steht am Anfang dieses Kapitels mit gleicher Gewissheit die These, dass sich die sprachpuristischen Ambitionen der französischen Sprechergemeinschaft nur wenig von denen anderer Sprachnationen unterscheiden: So ist es einerseits, was den sprachnationalen Diskurs insgesamt anbelangt «[…] unmöglich, auf wenigen Seiten die ungewöhnlich reiche französische Sprachkultur in allen Details zu entfalten» (Lebsanft 2002, 64), jedoch weist andererseits Schmitt (1996) darauf hin, dass es, was die Frage nach einer spezifischen Ausprägung puristischer Tendenzen anbelangt, «[…] vergleichbare Fremdwortprobleme auch in anderen Sprachen [gab]: Die Aktivitäten des Deutschen Sprachenvereins […] sind im allgemeinen bekannt, die Sprachkonzeption dieser Vereinigung unterschied sich kaum von der Ideologie der Franzosen […], wenn man davon absieht, daß in Frankreich stets auch der Staat ein besonderes Interesse an der Standardsprache zeigte […]; doch scheint Presseberichten zufolge das Fremdwortproblem in Staaten mit völlig unterschiedlicher Ordnung nicht weniger virulent zu sein, wie z. B. in Albanien und Israel, denn in ersterem hat man in den vergangenen Jahrzehn-

98 Cf. z. B. Gerighausen (1963); Coulmas (1985); Muller (1985); Schmitt (1988; 1998b; 2000); Bochmann (1993); Neumann-Holzschuh (1995); Greule/Lebsanft (1998); Lebsanft (2002).

3.3 Frankreich

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ten systematisch alle Slavismen auszumerzen versucht, während in letzterem der Streit um von außen kommende Xenismen fast täglich in Zeitungen und Zeitschriften einen Diskussionsgegenstand bildet. Doch selbst Staaten und Kulturbereiche, die, wie Spanien, weder einen ausgeprägten Sprachpurismus kannten […] noch ihn heute kennen […], sind nicht ganz vor sprachpuristischen Aktionen gefeit» (1996, 872).

Ausgehend von dieser Feststellung, dass ideologische Metasprachdiskurse oft keine sprachspezifischen Phänomene sind, sondern nach ähnlichen inhaltlichen und sprachlichen Mustern aufgebaut sind (cf. Kap. 4.1.3), die historisch stabil sind, sollen die folgenden Einblicke in die Tradition der französischen Sprachpflege zunächst der konkreten Veranschaulichung von sozialen, politischen und thematischen Gemeinsamkeiten sprachbezogener Diskurse in Deutschland und Frankreich dienen. Dabei soll gezeigt werden, dass sowohl die historischen als auch die aktuellen Interessen der Sprachpflege in Deutschland (cf. Kap. 3.2), die verglichen mit dem Sprachbewusstsein der Nachbarn bereits zu Pompidous Zeiten «gemeinhin als nebensächlich» (cf. Spiegel 07. 06. 1971, 100) gegolten haben und in der heutigen öffentlichen Debatte um Sprache auch noch gelten mögen, in ihrer spracheinstellungs- und sprachideologiebasierten Architektur den französischen Ansätzen sehr ähnlich sind. Zwar ist dies, wie oben mit Schmitt (1996) betont wurde, aufgrund genuin nationalstaatlicher Ambitionen prinzipiell keine Besonderheit. Jedoch entwickeln sich heute dort, wo sich in Frankreich z. B. die von der Regierung im März 2018 medienwirksam angekündigte Ambition pour la langue française et le plurilinguisme (cf. Kap. 2.2.2) in eine lange sprachpolitische Tradition einreiht und bei der Bevölkerung mehr ein kurzes Aufhorchen als großes Erstaunen hervorruft, in Deutschland wieder radikale sprachpflegerische Dynamiken, die vorwiegend in privaten und offiziösen Kontexten versuchen, auf die Sprachenfrage Einfluss zu nehmen. Der oben für Deutschland skizzierte, in den letzten 20 Jahren zunehmende Ausbau der neo-puristischen Sprachenfrage im Inneren eines sprachpflegerischen Netzwerkes aus überwiegend freiwillig-öffentlichen Interessenverbänden zeigt, dass der deutsche Metasprachdiskurs im Umbruch ist und sich dabei nicht selten die «exception linguistique et culturelle française» zum Vorbild nimmt (cf. Kap. 3.2.6; 61–62). Dabei scheint bei dieser Entwicklung und diskursiven Annäherung deutscher Sprachpflegeakteure an die Ideale der französischen Sprachpflege die zurzeit in vielen europäischen Staaten wiederaufkeimende Aufforstung nationalideologischer und populistischer Interessen keine unbedeutende Rolle zu spielen. Dies stellt auch umgekehrt für Frankreich keine fremde Konstellation dar, wenn man sich den «[…] fast schon institutionalisierten Streit zischen [sic] der an konservativen Regeln festhaltenden, der Rechten nahestehenden Académie und den eher der Linken verpflichteten, usage-Realitäten respektierenden Reformern, die insbesondere unter den Gramma-

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tikern zu finden sind» (Schmitt 2000, 729) vor Augen führt. Dieser Zusammenhang zwischen language policy und politics würde, wie bereits für den Kontext der deutschen Sprachpflege hervorgehoben, eine gesonderte sprachwissenschaftliche Forschungsleistung im Rahmen politolinguistischer Fragestellungen rechtfertigen, die in diese Arbeit als Desiderat aufgenommen werden sollen. Wie im vorangehenden Kapitel konkrete Belege zum Sprachpurismus in der deutschen Sprachgeschichte zeigen konnten, stellt die Ablehnung von Variation das Kernelement jeder puristischen Einstellung dar (cf. Paveau/Rosier 2007, 26–29). Die Stigmatisierung des sprachlich Andersartigen und der für das Abweichen von der sprachlichen Norm verantwortlichen Sprecher als die Gruppe der «Anderen» – in sprachsoziologischer Hinsicht analysierbar als das Ergebnis aus der Determination von Sprachhandeln durch die auf der mentalen Ebene der Sprecher angesiedelten Sprachideologien und Spracheinstellungen (cf. Kap. 4.1.3) – ist nicht nur ein sprachen-, kultur- oder nationenübergreifendes Phänomen. Das aus dem Kontakt mit dem Anderen resultierende Bewusstsein sprachlicher Vielfalt unterliegt vielmehr in zweiter Instanz einem übergeordneten Bewertungssystem, da das Empfinden des Andersseins als natürlicher Reflex auf den individuellen und subjektiven Vergleich des «Eigenen» mit dem «Fremden» erfolgt: «Tous les locuteurs du monde, en effet (de toute langue, donc tous les humains), ont affaire à des discours tenus dans leur(s) langue(s). La langue, c’est, pour tous, la confrontation à l’autre, l’échange, la rencontre de l’altérité dans l’interaction. Or, l’autre dispose du pouvoir de venir nous rappeler, au détour d’un accent régional ou d’un accent étranger (c’est l’autre qui a un accent, bien sûr), qu’il est différent de nous (donc que nous sommes différents de lui)» (Gadet 2007, 6).

Dennoch stellt sich trotz der Gewissheit, dass sich Sprachpurismus stets auf der Grundlage ähnlicher Sprachideologien und Spracheinstellungen konstituiert (cf. Kap. 4.1.3), die Frage nach der im diskursiven Bewusstsein der Sprachgemeinschaft(en) fest verankerten Besonderheit, der Ausnahme und somit nach der Andersartigkeit des französischen Sprachpurismus im Vergleich zu anderen Sprachen, wie z. B. dem Deutschen. Zu dieser Frage bemerkt Gadet (2007) kritisch: «[P]ourquoi les Français seraient-ils plus puristes que les autres locuteurs ? Les Français (et, souvent, les francophones) seraient de ce point de vue encore plus locuteurs que les autres, par exemple leurs voisins européens» (2007, 7). Eine mögliche Antwort auf diese Frage formuliert Schmitt (2000): «In viel stärkerem Maße als in den ansonsten vergleichbaren Sprach- und Kultureinheiten der Lusitanidade […] und der Hispanidad […] zeichnet sich die Francophonie durch hohes Sprachbewusstsein […], aktive offizielle wie offiziöse Sprachkontrolle […], intensive gesetzgeberische Aktivitäten (Premier Ministre/Haut Comité de la langue française) und eine

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besonders engagiert vorgetragene Sprachpolitik […] aus; die Sprachchroniken und sprachpflegerischen Schriften bilden Legion […], die Notwendigkeit der Sprachplanung wird durch auflagenstarke Bücher einem breiten Publikum vorgetragen […] und der Frankophone weiß, daß es für alle heute diskutierten Vorstellungen historische Vorbilder gibt […] und hält die Maßnahmen der französischen Regierung für vereinbar mit dem Sendungsbewußtsein, das die französische Kulturgeschichte durchzieht» (2000, 673).

Der Unterschied zwischen der deutschen und der französischen Sprachpflege liegt demnach weniger auf der Ebene des sprachlichen Handelns, sondern eher auf der Ebene des historischen Sprachbewusstseins, das in Frankreich durch eine längere, intensivere und kohärentere Tradition geprägt wurde. Eine metasprachliche Tradition ist beiden Nationen gemeinsam, jedoch ist das sprachpflegerische Bewusstsein der Deutschen durch die Sprachgeschichte und durch den radikalen Umbruch in der Mentalitätsgeschichte nach 1945 in den Hintergrund gedrängt worden, aus dem es nun nach und nach wieder hervortritt. Aus diesen Überlegungen lässt sich die Hypothese ableiten, dass Frankreich in Bezug auf den Gegenstand «Sprache» nicht puristischer ist als Deutschland, allerdings die nationalgeschichtliche Diskursivierung puristischer Ansichten ununterbrochen erfolgte und je nach Lage der Nation zu einer höheren Akzeptanz oder Ablehnung und aktuell vielleicht sogar einer Sättigung geführt hat. Diese Festigung des sprachpflegerischen und puristischen Bewusstseins erlebt in Deutschland erst seit den 1990er Jahren wieder eine aktive Rekonstitution, deren gesellschaftliche Folgen noch offen sind. Diese Spezifik des nationalen Metasprachdiskurses in Frankreich soll im Folgenden, wie oben angekündigt, in ihrer geschichtlichen Konstitution zusammenfassend und analog zur Darstellung für das Deutsche unter besonderer Beachtung puristischer Tendenzen der Sprachpflege nachvollzogen werden. Dabei werden die Differenzen in der zeitlichen Entstehung und Entwicklung der Diskurse bedacht, jedoch soll v. a. gezeigt werden, dass Sprachpurismus von diesen Entwicklungsetappen unabhängig heute in beiden Diskursgemeinschaften eine zentrale Rolle spielt und dabei nicht nur Ergebnis von Sprachgeschichte und Kondensat der normativen Spachendiskussion ist: Als konsistentes Ideengefüge nimmt Sprachpurismus und insbesondere Fremdsprachenpurismus Einfluss auf den gesamten Metasprachdiskurs, indem er sich immer wieder der eigenen Historizität als inhaltlicher und sprachlicher Grundlage bedient. Der Fokus auf puritisches Sprachhandeln dient also nicht nur der Klärung der Frage, ob die Tendenzen des französischen Sprachpurismus den Status einer «exception métalinguistique» erfüllen und sich dabei grundlegend von den deutschen unterscheiden. Vielmehr gewähren sprachpuristische Äußerungen als Sprachhandlungen durch die für sie typische Form affektiv-dialektischer Meinungsbekundung zu Sprache(n) und Sprechern einen geeigneten Zugang zu

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Sprachideologien und Spracheinstellungen in metasprachlichen Positionierungsaktivitäten. Ziel dieses Kapitels ist es deshalb, die Muster puristischer Metasprache aus der französischen Sprachgeschichte heraus zu bestimmen, um diese als Konstituenten einer französischen Diskursgeschichte und im Vergleich zur deutschen Diskursgeschichte (cf. Kap. 3.2) auf die Analyse von Sprachideologien und Spracheinstellungen in aktuellen Sprachpflegediskursen anzuwenden (cf. Kap. 4). Im Rahmen dieser Zielsetzungen soll grundsätzlich verdeutlicht werden, dass zum einen die «Darstellung und Beschreibung von gesellschaftlich-politisch relevanten Diskursen und ihren sprachlichen Repräsentationen einer Gegenwart des […] 21. Jahrhunderts mit erklärender Einbeziehung des historischen Horizonts dieser Diskurse» (Kämper 2018, 55) gerade für Sprachpflege von hohem erkenntnistheoretischen Wert sind. Zum anderen sollen diskurslinguistische Analysen im interlingualen Vergleich aus romanistischer Forschungsperspektive weiter begründet werden. Dabei soll anhand des folgenden Kapitels mit Schafroth (2015) gezeigt werden, dass gerade bei vergleichenden Ansätzen von Diskurslinguistik «[d]ie Romanistik in der Forschungspraxis ihre Trümpfe ausspielen [kann] und dabei linguistische Aspekte betonen, die in der ‹intranationalen› germanistischen Forschung keine Rolle spielen» (Schafroth 2015, 61). Dieses Potenzial liegt u. a. auch darin begründet, dass sich Metasprachdiskurse in den romanischen Sprachen und damit verbundene Sprachreflexionsund Sprachbewusstseinsprozesse im Kontext der romanischen Sprach- und Sprachwissenschaftsgeschichte oft aus dem Vergleich der Sprachgemeinschaften untereinander konstituiert haben, weshalb diskursvergleichende Perspektiven der romanistischen Forschung stärker im Forschungsgegenstand selbst veranlagt sind als dies für die germanistische Forschung der Fall ist. Vor dieser Folie betrachten die folgenden Kapitel, und insbesondere die Darstellungen zum 16. Jh. (cf. Kap. 3.3.3), den Prozess der historischen Granulierung des französischen Metasprachdiskurses auch im Kontext ideologischer Interferenzen mit sprachenbezogenen Machtdiskursen in anderen Staaten der Romania.

3.3.2 Anfänge des französischen Metasprachdiskurses «[W]ie in keinem anderen europäischen Land ist die Sprache Gegenstand des Interesses der Öffentlichkeit, der Medien, der Schriftsteller – und des Staates» (Braselmann 1999, 1). Diese Einschätzung, die ein weiteres Beispiel für die oben konstatierte «exception française» im Vergleich zu anderen europäischen Sprachnationen darstellt, wird in der Forschungsliteratur in der Regel mit der

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sprachpolitischen Tradition des Landes begründet. Dabei ist grundsätzlich festzuhalten, dass es «[e]ine Sprachgesetzgebung im eigentlichen Sinne» vor dem 16. Jh. nicht gab, jedoch im Mittelalter in Frankreich und anderen Herrschaftsbereichen der Romania «[…] auf mehreren Konzilien nicht nur von der Notwendigkeit gesprochen [wird], die mit der Sprache verbundenen Probleme aufzugreifen, sondern auch mehrfach versucht [wird], die Sprachenwahl und den Geltungsbereich von Volks- und Sakralsprachen zu definieren» (Schmitt 1990, 355): «Although there is evidence of language policy decisions in Romance-speaking countries since the early Middle Ages – for instance in the form of the so-called Carolingian Renaissance or in the language policy of the Castilian king Alfonso X el Sabio […] –, noteworthy endeavours in using language systematically as a political instrument were first noted in the early modern era» (Bochmann 2018, 435).

Die ersten Dokumente, die eine offizielle Anerkennung des Französischen, d. h. genauer gesagt die «existence d’un parler roman nettement distinct du latin dans la partie nord de l’ancienne Gaule» (Burdy 2015, 11) belegen, sind die zu Beginn des 9. Jhs. verfassten Beschlüsse der Konzile von Reims (67) und Tours (68):99 (67) XV. Ut episcopi sermones et omelias sanctorum patrum, prout omnes intellegere possent, secundum proprietatem linguae praedicare studeant (MGH Conc. I,1, 255). (68) XVII. Visum est unanimitati nostrae, ut quilibet episcopus habeat omelias continentes necessarias ammonitiones, quibus subiecti erudiantur, id est dc fide catholica, prout capere possint, de perpetua retributione bonorum et aeterna damnatione malorum, de resurrectione quoque futura et ultimo iudicio et quibus operibus possit promereri beata vita quibusve exckidi. Et ut easdem omelias quisque aperte transferre studeat in rustica Romanam linguam aut Thiotiscam, quo facilius cuncti possint intellegere quae dicuntur (MGH Conc. I.1, 288).

99 «Dès le VIIIe s., le vieux mot Gallia commence à être concurrencé et ne tarde pas à être supplanté par un néologisme apparu au VIe s. pour désigner les régions rhénanes: Francia, le pays des Francs, la France. Il désignera successivement l’empire de Charlemagne, roi des Francs, puis les divers royaumes résultants de son partage: après la mort de Louis le Pieux, on oppose la Francia orientalis, royaume de Louis, la Francia media, royaume de Lothaire, et la Francia occidentalis, royaume de Charles, seule appelée à conserver ultérieurement le nom de France» (Picoche/Marchello-Nizia 1998, 14, Fettdruck im Original).

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Nach insgesamt fünf Synoden beschließt der Klerus im Frühjahr 813, dass die Predigten für die gesamte Glaubensgemeinschaft verständlich sein müssen: «Trop de circonstances de la vie courante obligent les lettrés à communiquer avec les illettrés pour que la communication verticale soit vraiment fragilisée dans ce sens» (Rey/Duval/Siouffi 2007b, 57).100 Was im mittelalterlichen Frankreich den Beginn der Steuerung gesellschaftlicher Interessen durch sprachliche Erlasse in Verbindung mit einer «prise de conscience du français naissant» (Cohen 1967, 70) anbelangt, belegt der in den zahlreichen Sprachgeschichten zitierte Absatz 17 der Beschlüsse der Synode von Tours «[…] die kirchliche Praxis, nicht jedoch die juristische Stellung der rustica Romana lingua gegenüber dem Latein» (Schmitt 1990, 355). Dementsprechend sei auch mit Rey/Duval/Siouffi (2007b) nachdrücklich darauf verwiesen, dass die Bezeichnung rustica Romana lingua nur als ein unzulängliches Indiz für die Geburtsstunde des Französischen bewertet werden kann, zumal wenn man bedenkt, dass die Beschlüsse des Konzils lediglich für die erzbischöfliche Diözese von Tours bindend waren und bei Konzilen in den Folgejahren auch nicht auf Zustimmung gestoßen sind (cf. 2007b, 58).101 Dieser ersten offiziellen Weisung des Klerus in Bezug auf Sprache geht im Kontext externer Sprachgeschichte bereits eine lange Zeit der sprachlichen und kulturellen Überdachung der sprachlichen Varietäten auf französischem Gebiet voraus.102 Diese führte v. a. aufgrund soziohistorischer Faktoren eine vertikale

100 Zitiert wird im Folgenden sowohl aus der ungekürzten Ausgabe (2007a) als auch aus beiden Bänden der gekürten Fassung (2007b, 2007c). 101 Rey/Duval/Siouffi (cf. 2007b, 58–60) konstatieren Schwierigkeiten bei einer eineindeutigen Bedeutungsinterpretation des Syntagmas rustica Romana lingua, da romana lingua auch die Bedeutung ʻlatina linguaʼ implizieren könne. Es bestehe also die Möglichkeit einer QuasiSynonymie zwischen latinus und romanus und somit einer interpretierten Opposition der lingua latina und einer lingua barbara. Das dazu verleitende Attribut rusticus als signifikantes Merkmal einer markierten Varietät zu interpretieren, die der lingua culta gegenüberzustellen ist, sei ebenso schwierig, da rusticus nur die Art des Sprechens und nicht die Sprache selbst bezeichne. Aus diesen Zusammenhängen könnte somit geschlussfolgert werden, dass das Syntagma hier eine Form des «ungebildeten Lateins» bezeichnet, d. h. eine Sprache von Laien, eine langue latine populaire. Eine dritte Einschränkung bezieht sich weiter laut Rey/Duval/ Siouffi (2007a) auf das Verständnis von transferre (cf. 68), denn «[…] la langue recommandée à Tours pour la prédication est moins la ‹la langue maternelle du peuple› qu’une ‹langue intelligible par le peuple›» (2007b, 59–60). 102 «Le système féodal favorise les particularismes locaux, resserrant une communauté autour d’un pouvoir politique et économique, et les différences linguistiques sont souvent le reflet de ces autonomies. Alors qu’au début (IXe s.), les oppositions se limitent à un petit nombre de traits fondamentaux, les dialectes ont tendance à se particulariser toujours davantage pour se réduire finalement (XVIe–XVIIe s.) à l’état de patois, propres, à la limite, à un seul village. Mais d’un dialecte à l’autre, il n’existe pas de ligne de démarcation nette: seulement

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Grabenbildung «entre la langue du culte et la langue du peuple» (Burdy 2015, 12) herbei, die durch die Maßnahmen der karolingischen Renaissance einen weiteren Einschnitt erfuhr: «Du 5e au 8e siècle, parmi les bouleversements sociaux et les guerres intérieures, le niveau des études avait beaucoup baissé partout en Gaule ; les écoles civiles semblent avoir été tout à fait ruinées dans les villes ; le clergé est devenu de plus en plus ignorant d’une manière générale et a, en particulier, perdu le contact avec le latin classique […]. C’est le latin toutefois qui continue à être employé exclusivement pour tous les écrits (chroniques, documents juridiques, etc.) ; mais ce latin est devenu de plus en plus incorrect et reflète dans une certaine mesure l’évolution qui s’est produite. […] Charlemagne, qui prétendait restaurer l’empire d’Occident, était choqué par la décadence de l’étude du latin, langue impériale ; il a travaillé […] à en restaurer l’enseignement, en rétablissant la correction grammaticale par un retour aux auteurs anciens et en éliminant les orthographes qui reflétaient la prononciation de son temps» (Cohen 1967, 70).

Zusammenfassend ist für diese Epoche entscheidend, dass «[d]as Lateinische […] im ganzen katholischen Europa des Mittelalters und der frühen Neuzeit omnipräsent [ist], zunächst als einzige, dann als dominante Schriftsprache und als Sprache der Alphabetisierung, weiterhin als gesprochene Sprache der Kirche und der Wissenschaft» (Bork 2006, 1583). In dieser Zeit besteht also eine in Abhängigkeit von der «latinisation plus ou moins intense» (Völker 2006, 1179) relativ stabile Phase der Diglossie und des Bilinguismus, die erst im 9. Jh. durch die innere Schwäche des Merowingerreiches zunächst in eine Krise des Lateinischen mündet und dadurch zu einer «[…] émergence des variétés / langues vulgaires comme langues écrites» (Völker 2006, 1179) führt, bevor «[…] ab Mitte des 13. Jahrhunderts das Französische als Urkundensprache eine sichere Position einnimmt, die bis zum Hundertjährigen Krieg systematisch ausgebaut wird» (Schmitt 1990, 355). Das Konzil von Tours kann somit lediglich als Indiz für den Umbruch eines ohnehin erst noch aufkeimenden Sprachbewusstseins und für die Wahrnehmung dieses Zustands durch die «élites parlant (et parfois lisant et écrivant) latin» (Rey/Duval/Siouffi 2007b, 60) bewertet werden, das auf offizieller Ebene den Beginn eines Transformationsprozesses der Sprachensituation wie auch des Metasprachdiskurses anzeigt: «Le concile de Tours signe sans doute la fin de l’illusion des intellectuels carolingiens en ce qui concerne la réforme langagière collective» (Rey/Duval/Siouffi 2007b, 60).

des zones de transition plus ou moins larges où les isoglosses peuvent s’enchevêtrer de façon extrêmement complexe de sorte qu’il n’y a pas d’aire totalement homogène ni totalement hétérogène» (Picoche/Marchello-Nizia 1998, 18).

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Was nun eine mögliche Interpretation der Beschlüsse aus dem Jahr 813 hinsichtlich der Herausbildung puristischer Spracheinstellungen anbelangt, so kann von ersten segregativen Tendenzen im Sprachbewusstsein zwischen der «eigenen» Sprache und der Sprache der «Anderen» gesprochen werden, die sich nicht wie im puristischen Verständnis üblich auf sprachliche Variation, sondern auf die etablierte Standardsprache bezog: «Les étiquettes [scil. romana, rustica] révèlent-elles une première forme d’un ‹discours puriste›… sur la langue latine? Il semble que le latin scolaire condamnait déjà les emprunts et les néologismes. Mais, dans l’équilibre des forces et le poids des influences, on peut dire que la volonté de diffuser la parole chrétienne a gagné, à l’époque, sur le caractère savant et sacré du latin, privilégiant la compréhension orale au détriment d’une forme ‹classique› […] Les attitudes à l’égard du latin montrent que le purisme ne se restreint pas à la langue vulgaire et à ses variétés» (Paveau/Rosier 2007, 27–28).

Wo es beim Konzil von Tours um die regionale Manifestation machtpolitischer Interessen in einem sprachlichen Wirkungsbereich ging, werden die 30 Jahre später verfassten Straßburger Eide, «premier document ‹non-latin› à proprement parler» (Burdy 2015, 12),103 aufgrund ihres Status als «erstes französisches Sprachzeugnis» und «älteste[s] datierbare[s] Dokument einer romanischen Sprache» (Windisch 2008, 32) häufig auch als entscheidendes Moment sowohl der deutschen als auch der französischen nationalen Sprachgeschichte dargestellt. Aus sprachwissenschaftlicher Perspektive erscheint dieses mythische Bild von der Geburtsstunde des Französischen als «langue de l’État-Nation» hingegen etwas verklärt, da zu diesem Zeitpunkt weder ein bewusster Zusammenhang zwischen Vaterland und Sprache bestand noch eine konfliktuelle Wahrnehmung von Sprachgrenzen: «On a longtemps vu dans les Serments de Strasbourg l’utilisation de la langue à des fins politiques: l’échange des formules aurait été l’acte fondateur de deux Etats reposant sur deux langues, le royaume de langue romane de Charles le Chauve et le royaume germanophone de Louis le Germanique. La naissance du français aurait ainsi coïncidé avec la naissance de la France. […] Cette interprétation symbolique est aujourd’hui abandonnée. La situation d’échanges de langues indique avant tout que les deux idiomes utilisés étaient compris par la plus haute aristocratie franque, qui comme les rois, les pratiquait tous deux. […] Les tensions linguistiques frontalières n’existaient pas à cette époque où les notions de langue et de patrie n’étaient alors absolument pas corrélées. Qui plus est, l’emploi du vernaculaire ne prouve même pas que le latin était devenu inintelligible» (Rey/Duval/Siouffi 2007b, 64).

103 Burdy (2015) weist darauf hin, dass v. a. die Morphologie des Textes ein eindeutiges Kriterium ist, um nicht mehr von einem lateinischen, wenngleich auch noch nicht französischen Text zu sprechen (cf. 2015,12).

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Obwohl es sich demnach bei den Straßburger Eiden um ein juristisches Dokument in Funktion eines militärischen Abkommens handelt (cf. Burdy 2015, 12; Windisch 2008, 32), das in erster Linie als Beleg für ein «français politique écrit» gelten kann, schreibt sich seine ideologische Darstellung als «acte fondateur» der französischen Sprachnation auch im aktuellen sprachpflegerischen Diskurs fort. Dies sei beispielhaft durch den folgenden Ausschnitt aus einer online in Le nouvel économiste publizierten éphéméride veranschaulicht. (69) Les lecteurs de cette éphéméride se souviennent que le 29 janvier de l’année dernière, nous fêtions l’anniversaire de l’Académie et déplorions les atteintes portées à l’universalité de la langue française. Le moins que l’on puisse dire est qu’en un an, la situation ne s’est guère améliorée. Nos dirigeants n’hésitent pas à affirmer que la justice à Paris pourra être rendue en anglais, tandis qu’ils semblent prêts à accepter qu’à Ajaccio, plus personne ne comprenne la langue de Molière. Une langue de Molière qui, d’ailleurs, est en cours de destruction à Paris même puisqu’il a été décidé d’y interdire l’usage du passé simple. Naguère, on parlait à propos du latin et du grec de “langues mortes” ; au rythme où vont les choses, on pourrait, hélas, bientôt qualifier le français de “langue assassinée”. […] Qu’il soit donc permis à l’auteur de ces lignes, que la lecture de Rousseau, Voltaire, Flaubert ou Gide fascine et émeut, de faire à cette langue qui fut celle du savoir et de la culture, en ce 14 février, une déclaration d’amour. Évidemment parce que nous sommes le jour de la Saint Valentin. Mais surtout parce que cette langue est née à Strasbourg un 14 février. […] À Strasbourg, Louis a fait sa déclaration dans la langue des soldats de Charles, tandis que Charles a fait la sienne dans celle des soldats de Louis. Leur but est de faire en sorte que leur serment ayant été compris par les peuples, qui deviendront français et allemand, il dépasse leur engagement personnel pour prendre la dimension d’un engagement national (Le nouvel économiste.fr 14. 02. 2018, o.S.) In einem sprachhistorischen Analogieschluss stellt der Verfasser konvergent mit der oben beschriebenen diskursiven Praxis puristischer Argumentation im Deutschen (cf. Kap. 3.2.3), d. h. in erster Linie durch die Selektion sprachlicher und sozialer dichotomer Strukturen, die positive Vergangenheit der negativen Gegenwart des Französischen gegenüber. Am Beispiel der politisch handelnden Akteure werden die soziohistorischen und sprachlichen Systeme damals und heute in die Opposition «gute» Vergangenheit vs. «schlechte» Gegenwart gebracht: Ludwig der Deutsche und Karl der Kahle werden als Gründerväter der sprachlich-nationalen Einheit Deutschlands und Frankreichs in einem Kontext

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metasprachlicher Bewertung angeordnet und übernehmen als Protagonisten des von Puristen stets betonten «Wir-Kollektivs» die Rolle des historischen Konterparts der heutigen politischen Elite (cf. «nos dirigeants»).104 Auf sprachlicher Ebene wird der Anklage des Niedergangs des Französischen als «langue universelle»105 u. a. durch das personifizierende Metaphernlexem [langue] assassinée und durch den Appell an die nationalhistorische Bedeutung des Französischen Gültigkeit verliehen.106 Einen weiteren Topos dieser historisch legitimierten sprachideologischen Argumentation stellen die von Paveau/Rosier im Rahmen puristischer Spracheinstellungen als «citations patrimoniales» (2007, 21) bezeichneten Verweise auf bekannte Personen der französischen Sprachgeschichte dar: «L’appel à l’histoire dans le discours puriste, qu’on pourrait qualifier d’historicisme […], repose en effet sur des constantes: l’étymologie comme la vérité historique originelle du sens des mots, les citations patrimoniales comme référence intemporelle et l’idéal d’une langue immobile élaborée sur un modèle social, l’honnête homme du XVIIe siècle, période chérie par des puristes. Les puristes ont leurs références favorites, Vaugelas bien sûr, qu’ils cantonnent dans le rôle du défenseur de l’usage […] Mais ils s’appuient aussi sur des personnages qui ne relèvent pas ‹en soi› du purisme, mais qui, par la langue ‹classique› ou l’état de langue ancien qu’ils symbolisent, les arriment au discours puriste» (Paveau/Rosier 2007, 21).

Wenn man nun betrachtet, dass die in der éphéméride genannten «citations patrimoniales» weder mit Molière – der zwar die literarische Tradition des hochklassichen Theaters maßgeblich geprägt hat, aber auch als Sprachkritiker des Preziösentums bekannt ist – noch mit den Aufklärern Rousseau und Voltaire noch mit den Romanciers Flaubert und Gide, die übrigens beide eine Aufnahme in die Académie française stets abgelehnt haben, als Patronyme genuin puristischer Ideale gelten können, wird der Umfang der ideologischen Klitterung sprachgeschichtlicher Realität in sprachpflegerischen Metasprachdiskursen deutlich (cf. 69): Um die identitäre Abgrenzung der Sprechergemeinschaft von «anderen» gesellschaftlichen Ebenen zu begründen, die die Überzeugung eines monolingualen Habitus nicht teilen, verweist der Autor Daniel auf die großen Namen der französischen Sprach-, Literatur- und Kulturgeschichte, ohne dabei auf deren unterschiedliche und teilweise auch purismusferne Einstellungen zur französischen Sprache einzugehen. Neben diesen zu solchen sprachideologisch stilisierten, patrimonialen Leitfiguren der französischen Literatur- und Philoso104 Zur «Elite» als Teil sprachpflegerischer Öffentlichkeitstopik cf. Kap. 4.2.1.1; 4.3.1.1; 4.3.2.1. 105 Zur «Universalität» des Französischen cf. Kap. 3.3.5 106 Zur Terminologie von «Lexemmetapher» vs. «Metaphernlexem» cf. Liebert (1992, 5); Böke (1996a, 444); Spieß (2011, 212). Zur Metaphorik als Ebene diskurslinguistischer Analysen cf. Kap. 4.1.3.

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phiegeschichte verkörpert die ebenfalls erwähnte Académie française als historisch etablierte Einrichtung der puristischen Sprachpflege die verbleibende Bastion gegen heutige Angriffe auf die langue nationale. Wie bereits an Beispielen der deutschen Sprachpflege gezeigt wurde,107 liegt auch in (69) eine für puristische Diskurse charakteristische Diskrepanz zwischen der von Stukenbrock als «Gegenstands»- und «Selbsteinordnungsideologie» (2005b, 243) bezeichneten Selbst- und Fremdwahrnehmung vor. Der Beiträger fordert durch die Ablehnung der Eliten-Dominanz ein diskursives Modell «metasprachlicher Öffentlichkeit» (cf. Kap. 2, Tab. 1) zugunsten der Durchsetzung sprachideologischer Interessen des Volkes,108 verweigert aber umgekehrt die diskursive Teilhabe solcher Akteure, die nach puristischem Verständnis das monolinguale Wertesystem gefährden, indem sie zulassen, dass der Status des Französischen durch das Englische als «von außen» oder das Korsische «im Inneren» bedroht wird. Es besteht also eine strategische Alternanz von ideologischem Sprachhandeln in Abhängigkeit davon, ob es um das «eigene» oder ein «fremdes» Wertesystem in Bezug auf Sprache geht. Durch dieses argumentative Wechselspiel werden sprachpuristische Diskurse entgegen ihrer eigenen Inszenierung per se zu antidemokratischen Diskursen, wenn man sie – wie oben dargelegt – als gesellschaftliche Teilausschnitte mit eigenen inhaltlichen und moralischen Systemen und einer strukturierten Rollenverteilung betrachtet (cf. Kap. 2.2.2). Weiter kann auf propositionaler Ebene die persuasive Argumentationsstruktur der éphéméride unter dem sog. «Vergangenheitstopos» («früher-war-allesbesser-Topos») (Spieß 2018a, 175) subsumiert werden.109 Dieses für Metasprachdiskurse typische Muster figuriert bei Haltungsäußerungen zu Sprache(n) und Sprechern als kontextspezifische Denkstruktur, die Wengeler (2000) versteht als «einen vielseitig verwendbaren, für den Argumentierenden bereitliegenden und von ihm sprachlich hergestellten Sachverhaltszusammenhang», «der zur argumentativen Begründung konkreter, zur Diskussion stehender Positionen herangezogen wird» (Wengeler 2000, 222). Dabei nimmt der Sprecher als sujet parlant, d. h. als Akteur des Diskurses eine Positionierungsaktivität in Abgrenzung zu an-

107 Cf. Kap. 3.2.6, (45)–(55). 108 Cf. hierzu den Vergleich mit den Straßburger Eiden: «ayant été compris par le peuple». 109 Bei Analysen der topischen Struktur sind in der Regel mehrere Zuordnungen möglich. So kann der Einordnung nach Girnth (2015) folgend die Argumentationsstruktur im obigen Beispiel (69) sowohl unter einem «Geschichtstopos» als auch unter einem «Realitätstopos» verortet werden, denn «[m]it dem Realitätstopos werden bestimmte Handlungen mit Verweis auf die bestehende Realität legitimiert» und «[m]it dem Geschichtstopos werden Positionen durch den Hinweis auf geschichtliche Tatsachen, Erfahrungen oder Motive gerechtfertigt» (2015, 94– 95). Zur Topik als Ebene der diskurslinguistischen Mehr-Ebenen-Analyse cf. Kap. 4.1.3.

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deren sozialen Gruppen vor.110 In (69) handelt es sich bei Letzteren um die Gruppe der gesellschaftlichen Elite («nos dirigeants»), stigmatisiert als Verantwortliche des Sprachverfalls: Dieser kommunikative Akt der sprachideologischen Ausrichtung an der sozialen Mitwelt schlägt sich, in Anlehnung an das integrierte Modell metasprachlicher Handlungsschemata (cf. Kap. 3.2.2; Abb. 8), auf der kommunikativen Ebene in den direkt expressiven («gute» Vergangenheit vs. «schlechte» Gegenwart) und implikatiert direktiven Sprechakten und somit in einer eindeutig zweckrationalen Sprachhandlung nieder.111 Aufgrund dieser Positionierungsaktivität lassen sich Rückschlüsse auf die subjektive Innenwelt des sprechenden Subjekts und seine i. e. S. expressiven Spracheinstellungen ziehen, die nicht nur der argumentativen Selbstzweckhandlung zur Legitimation der Positionierung im Metasprachdiskurs dienen, sondern auch Ausdruck einer bewussten Ergebnisorientierung – dem Schutz des Französischen als historische Nationalsprache – sind. Diese metasprachlichen Positionierungen können wie Deppermann/Feilke/ Linke (2016) betonen, nicht von «just anyone» vorgenommen werden, sondern werden von einem Akteur vorgenommen, der «in eine spezifische kulturelle Praxis hineinsozialisiert wurde» (2016, 6) und der gelernt bzw. für sich gewählt hat, diese auf eine bestimmte Art und Weise sprachlich auszudrücken. Der Rückgriff auf die Straßburger Eide als argumentativer locus communis einer historisch formierten, sprachlichen Einheit erhält durch die affektive sprachliche Ausgestaltung die typisch puristische Note einer normativ-monolingualen Sprachbewertung, die auf der strengen Schwarz-Weiß-Malerei sprachlicher Wirklichkeit beruht.112 Eben solche sprachlichen Muster können als Indizes einer sprachlichen und sozialen Positionierung gelten, die im Diskurs als Identifikationsmoment für Adressaten einer bestimmten metasprachlichen Akteursgemeinschaft, einer sprachpflegerischen community of practise auftreten. Die Straßburger Eide werden somit weniger als historischer Sachverhalt zitiert, sondern als semiotischer Komplex, der sprachnationale Werte und Ideologien indiziert, die sowohl «sozial stratifiziert» als auch «indexikalisch geordnet» (Spitzmüller 2013a, 265) sind.113 Diese bisher in der Sprachwissenschaft wenig

110 Cf. hierzu die diskurstheoretische Verortung nach Foucault (1969) in Kap. 4.1.3. 111 Die implikatierte Aufforderung zum Schutz der Nationalsprache erfolgt implizit durch die Beschreibung des Französischen in seiner einzigartigen Bedeutung als National- und Kultursprache, wobei Zuneigung und historische Wertschätzung des Französischen als affektive Spracheinstellungskomponenten generiert werden. 112 Z. B. durch den hyperbolischen Superlativ «plus personne ne comprenne la langue de Molière». 113 Spitzmüller (2013) resümiert in Anlehnung an Silverstein (2003) drei zentrale Stufen sozialer Indexikalität: «1st-order indexicality: Bezugsetzungen von sprachlichen Formen zu einem

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rezipierte Bedeutung von Sprachideologien als indexikalische Regime kommunikativer Praktiken und sozialer Positionierung wird an späterer Stelle noch genauer ausgeführt (cf. Kap. 4.1.2). Was die Bedeutung der Straßburger Eide anbelangt, so ist zwischen einer sprachgeschichtlichen und sprachpuristischen Lesart des historischen Ereignisses zu unterscheiden. Letztere offenbart sich sprachlich in der Ablehnung von Sprachwandel und Sprachvariation und in einem verballhornten Bild der Eide als sprachhistorischem Monument und sprachideologischem Manifest der Nationenbildung, das einer Einordnung in die gesamthistorische Sprachensituation entbehrt: Linguistisch betrachtet sind die Straßburger Eide zwar ohne Zweifel ein Dokument von nationaler Bedeutung. Jedoch zeugt dieses, entgegen der Stereotypisierung nationaler Einheit wie sie in (69) betont wird, in erster Linie von einer sprachlichen Diversität und Sprachkontaktsituation, aus der heraus das Französische entsteht: «Le français naît dans l’alternance avec une autre langue. Il inscrit dans son histoire l’altérité linguistique» (Paveau/Rosier 2007, 33): «Cependant le ‹français› de Nithard est lui-même un français ‹hybride›, qualifié aussi de langue rustique […], langue romane […], langage maternel, familier […] ; mais il est sur-

bestimmten soziodemographischen Kontext, die von ‹außen› (bspw. durch linguistische Beobachtung) vorgenommen werden, ohne dass den Sprechern selbst bewusst ist, dass sie ‹spezifisch› sprechen. 2nd-order indexicality: Bezugsetzungen, welche von den Akteuren selbst vorgenommen werden. Sie ermöglicht, dass sprachliche Formen selbst Kontexte signalisieren, also als Kontextualisierungshinweise […] dienen können. 3rd-order indexicality: sprachliche Formen, die als so ‹typisch› für einen bestimmten Kontext angesehen werden, dass sie etwa in Stilisierungen einer bestimmten Personengruppe […] verwendet werden können» (2013, 265– 266). Silverstein (2003) definiert indexical orders als erforderliches Konzept bei der Analyse der Beziehung zwischen mikro- und makrosozialen Prozessen, d. h. in diskurslinguistischen Sinne zwischen sprachlichem Handeln im Diskurs und Sprachideologien als sozialem Phänomen: «‹indexical order› is the concept necessary to showing us how to relate the micro-social to the macro-social frames of analysis of any sociolinguistic phenomenon. Such indexical order comes in integral, ordinal degrees, that is, first-order indexicality, second-order indexicality, etc. […] By this time we can surely say that the work of contemporary linguistic anthropology has firmly established that any linguistic, a.k.a. sociolinguistic, fact is necessarily an indexical fact, that is, a way in which linguistic and penumbral signs-in-use point to contexts of occurrence structured for sign-users in one or another sort of way» (Silverstein 2003, 193–195). Bemessen nach den von Spitzmüller (2013) in Anlehnung an Silverstein (2003) zusammengefassten Indexikalisierungsstufen liegt bei den Straßburger Eiden eine Indexikalisierung zweiter Ordnung vor, da die sprachliche Form der éphéméride einen sprachpflegerischen Kontext indiziert, innerhalb dessen der Begriff Straßburger Eide den entscheidenden Kontextualisierungshinweis liefert. Vor dem Hintergrund, dass sprachhistorische Denkmäler ein bekanntermaßen oft verwendeter Bezugsgegenstand sprachpflegerischer Argumentationen sind, liegt ebenfalls eine Indexikalität dritter Ordnung vor, da der Verweis auf die Eide die sprachpflegerische Gemeinschaft als Befürworter der historischen Sprachnation stilisiert.

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tout un français politique écrit. Les différentes dénominations attestent à la fois des difficultés à identifier des états de langue stables et ‹purs› mais aussi [sic] des divisions qui marquent et hiérarchisent les rapports entre toutes ces langues et dialectes en contact et qui se cristallisent dans ce premier document –monument national» (Paveau/Rosier 2007, 33).

Bevor die erst ab dem 16. Jh. intensiv betriebene Sprachnormierung des Französischen zur Herausbildung des «bon usage» im 17. Jh. führte und sich aus dieser Entwicklung jene prägenden Spracheinstellungstendenzen entwickelt haben, die noch heute im topischen Gehalt aktueller Metasprachdiskurse konserviert sind, «[…] fielen wichtige Vorentscheidungen über die Beschaffenheit des Standardfranzösischen bereits im 12. und 13. Jahrhundert» (Winkelmann 1990, 336). In dieser Zeit konnte sich das francien als eine der dialektalen Varianten des Altfranzösischen «aufgrund der geopolitischen Lage von Paris und seinem Ausbau zu Königsresidenz und Verwaltungszentrum (Palais de Justice)» (Windisch 2008, 34) «gegenüber den anderen Dialekten der langue d’oïl […] als Kanzleiund Literatursprache» (Winkelmann 1990, 336) durchsetzen. Neben dem Status des Franzischen als Sprache des kapetingischen Königshauses und seiner geographischen «Mittelstellung […] zwischen west- und ostfranzösischen Dialekten» begünstigte auch die «Gründung der Universität Sorbonne im Jahre 1275» (Ossenkop 2008, 72–73) und die Nähe zum Kloster Saint-Denis, «das seit dem 11. Jahrhundert Aufbewahrungsort der Reliquien des Nationalheiligen Dionys und vom 12. Jahrhundert an Grabstätte der französischen Könige war», seine «normbildende Wirkung» (Winkelmann 1990, 337). An diese dialektale Konsolidierungsphase als Kanzleisprache schließen sich im 14. und dem 15. Jh. «des événements politiques et sociaux importants et une étape nette de la transformation de langue» vom ancien français zum français moderne an (Cohen 1967, 139). «Im Laufe des 13. Jahrhunderts festigte sich die Macht des kapetingischen Königshauses» und «die politische, wirtschaftliche und kulturelle Bedeutung der Stadt Paris wuchs beträchtlich an» (Winkelmann 1990, 337) und mit ihr die Vorrangstellung des francien über die nordfranzösischen Schriftsprachen sowie das Okzitanische. Dieser als «Franzisierung», d. h. als «die Durchdringung der regionalen Schriftsprachen durch sprachliche Merkmale des Franzischen» bezeichnete Prozess «[…] erstreckt sich Mitte des 13. Jahrhunderts zunächst auf das Champagnische, erfaßte zu Beginn des 14. Jahrhunderts das Normannische und Orleanesische sowie die Skripta des Poitou und Berry und griff im 15. Jahrhundert schließlich auch auf das Pikardische und Lothringische über. Die allmähliche Vereinheitlichung der Schriftsprache brachte implizite Normen hervor» (Winkelmann 1990, 337).

Der Gebrauch des francien verbreitet sich dabei sowohl durch das recht rege literarische Schaffen in den poetischen Genres und der Prosa als auch durch

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die Übersetzung von lateinischer und griechischer Literatur. Auch außerhalb der Literatur, so z. B. in fachsprachlichen Veröffentlichungen, kann das francien seine Stellung im Vergleich zum Lateinischen ausbauen: «Dès le règne de Philippe le Bel, les deux langues étaient employées concurremment par la chancellerie royale dans les actes. Des droits coutumiers ont été rédigés en français à partir du même moment. A cette époque commencent à se composer des ouvrages d’enseignement de la langue. Après quelques lexiques réduits, un dictionnaire latin-français le Catholicon [sic] se répand au 15e siècle. […] Des ouvrages scientifiques ont commencé aussi à s’écrire: dès le 14e siècle on note par exemple un traité de chirurgie et une petite astronomie» (Cohen 1967, 143).

In sprachvergleichender Perspektive kann an dieser Stelle rekapituliert werden, dass die Franzisierung als ein bewusster Prozess normprägender Sprachentwicklung auf dem Weg zur Standardsprache fünf Jahrhunderte vor vergleichbaren Tendenzen im Deutschen ansetzt, wo [i]n Bezug auf die Bestimmung des Hochdeutschen als Sprachform einer bestimmten Landschaft […] sich in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts eine Konfrontation zwischen den protestantischen Sprachkundlern Nord- und Mitteldeutschlands und den katholischen, süddeutschen Sprachkundlern beobachten [lässt]. Während die Sprachkundler des protestantischen Raums vorrangig das Meißnerisch-Obersächsische als sprachgeographisch determinierte Varietät propagieren, wird von den katholischen Gebildeten die Auffassung einer überregional gültigen Schriftsprache vertreten, wie sie schon Justus Georg Schottelius im 17. Jahrhundert behauptet hat. Die Konstituierung eines Sprachbewusstseins von Teilen der oberdeutschen Bildungselite […] zeigt, dass diese nicht ohne weiteres gewillt ist, den Gegnern in Nord- und Mitteldeutschland einen Führungsanspruch im Sprachnormierungsdiskurs zuzugestehen (Faulstich 2008, 57).114

Die für die Herausbildung der sprachlichen Norm in Deutschland entscheidende konfessionelle Auseinandersetzung in Bezug auf Sprache veranschaulicht an einem anderen nationalsprachlichen Kontext, dass unterschiedliche, i. d. R. aus soziopolitischen oder -kulturellen Beweggründen hervorgehende Konfliktsituationen Sprachgemeinschaften und Metasprachdiskurse entscheidend prägen können. Einen sprachraumübergreifenden, aber in einzelsprachlicher Hinsicht insbesondere für Frankreich prägenden Konflikt externer Sprachgeschichte im Westen Europas stellt der Hundertjährige Krieg dar, nach dessen Ende sich ein französisches National- und Sprachbewusstsein herausbildet, das für die Genese des Metasprachdiskurses eine entscheidende Rolle spielt: «La guerre de cent ans […] a marqué le lent développement d’un véritable esprit national, tant du côté français (campagnes de Jeanne d’Arc de 1428 à 1431) que du côté anglais. […]

114 Cf. ausführlich Kap. 3.2.1.

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Louis XI, roi de 1461 à 1483, a fini par regrouper sous son autorité directe presque toutes les provinces de France. Dans la même période, l’Espagne d’une part, le Portugal de l’autre, s’étant constitués en états, commençaient l’expansion coloniale lointaine de l’Europe […]. En même temps, l’Europe était coupée du Proche-Orient; les Turcs s’établissaient solidement en Asie mineure et prenaient Constantinople en 1453, mettant fin aux vestiges de l’empire romain d’Orient. D’autre part, le royaume musulman de Grenade tombait en 1492 aux mains de la royauté chrétienne espagnole. L’Europe occidentale était donc dessinée dans ses grandes lignes modernes: les destinées des diverses langues nationales se sont fixées dans l’ensemble à cette période» (Cohen 1967, 140).

Von der Entstehung dieses Nationalbewusstseins noch weit entfernt, entstehen ab dem 13. Jh. erste grammatikographische Arbeiten, die einen deutlichen Entwicklungsschritt in Richtung eines deskriptiven Sprachbewusstseins manifestieren.115 Zu den ersten Vorläufern zählen v. a. kleinere Opuskula, die als «observations de type grammatical» ihren Ursprung in England haben und als Lehrtexte mit didaktischer Funktion zur Vermittlung des Französischen als Staats- und Kultursprache eingesetzt werden (cf. Kristol 2000, 764). Neben dem um 1250 anonym verfassten Traité de conjugaison française als ältestem bekannten grammatischen Text verweist Kristol auf weitere traités d’orthographe française, die sich ab dem Ende des 13. Jhs. und entgegen ihres Titels auch morphologischen und syntaktischen Fragen sowie dem Phänomen sprachinterner Variation widmen: «Les trois traités d’orthographe conservés s’adressent à des futurs clercs anglais qui savent déjà le français, mais se perfectionnent pour leurs besoins professionnels. Leur intérêt particulier réside dans les premières réflexions métalinguistiques qu’ils contiennent. Ainsi, le Tractatus ortografie (fin XIVe siècle) fait plusieurs fois allusion à la variation linguistique interne du français. […] [I]l commente ‒ sans les comprendre vraiment ‒ les dernières traces de la déclinaison bicasuelle en picard qui n’ont plus d’équivalent en francien et en anglo-normand» (Kristol 2000, 764).

Aus diesen Ansätzen metasprachlicher Reflexion geht der zwischen 1400 und 1409 in Oxford von John Barton in französischer Sprache verfasste und ebenfalls für das englische Publikum konzipierte Donait françois hervor, der als erste «tatsächliche» Grammatik des Französischen gilt (cf. Kristol 2000, 765; Coseriu/ Meisterfeld 2003, 303; Rey/Siouffi/Duval 2007a, 341).116Angelehnt an das Frage-

115 Für einen Überblick der französischen Grammatikographie vom Mittelalter bis zur Gegenwart cf. Swiggers (2015) und Polzin-Haumann (2019). 116 Für diese Zeit unterscheiden Rey/Siouffi/Duval (2007a) vier verschiedene Typen Lehrbücher «[…] les nominalia, les traités d’orthographe, les artes dictaminis et les manuels de conversation. Les nominalia sont des glossaires organisés selon un plan thématique. […] Les nominalia français, calqués sur le modèle des glossaires latins, se développent au XIIIe siècle et sont versifiés pour favoriser la mémorisation. Ils constituent le premier genre didactique en langue

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Antwort-Modell der der aus dem 4. Jh. stammenden Ars minor des Aelius Donatus entwirft Barton eine mehrteilige grammatische Abhandlung, die sich neben phonetischen Aspekten auch der Morphosyntax des Französischen widmet.

3.3.3 16. Jahrhundert: Französischer Sprachdiskurs und romanischer Machtdiskurs Im 16. Jh. wird in Frankreich nicht nur den mittelalterlichen Anfängen der Sprachgesetzgebung schließlich die Dimension eines Regierungsprogramms verliehen (cf. Schmitt 1990, 335–336.; Schmitt 2000, 682–685), sondern auch regt die Diversifizierung des Französischen insgesamt zu einer tiefergreifenden Auseinandersetzung mit dem Thema «Sprache» und zu einer Verfestigung des Sprachbewusstseins an: «Au XVIe siècle, dans son souci de prendre sa place dans le concert des grandes langues, le français s’enrichit et se diversifie considérablement. Latinisations, emprunts au grec, ‹italianismes›, formes dialectales, néologismes, reprises d’anciens mots, termes de spécialités…: tout est bon pour accroître la masse des mots d’une langue que les lettrés, au début du siècle, jugent comme une langue pauvre. Du Bellay consacre un chapitre entier de sa Deffence à la question de néologismes; Rabelais fait défiler dans les différents livres de sa vaste entreprise romanesque une incroyable quantité de vocables, qu’il va chercher dans toutes les sources possibles […] L’aggressivité des écrivains vis à vis de la langue est sans commune mesure avec l’attitude qui sera la leur dans les siècles suivants» (Rey/ Siouffi/Duval 2007a, 545).

Exhaustiv angelegte Grammatiken, die das Französische zum Gegenstand systematischer Untersuchungen machen, entstehen jedoch erst in den 30er Jahren des 16. Jhs. und gehen weiterhin aus dem Schaffen anglophoner Gelehrter hervor.117 Zu diesen grammatischen Werken zählen die vom Schotten Alexander

vernaculaire. […] On trouve ensuite des traités d’orthographe qui, malgré des dimensions souvent modestes, abordent quelques points de morphologie et de syntaxe. […] Ces manuels exposent des règles de prononciation pour un ensemble de mots classés alphabétiquement. Rédigés en latin, ils sont destinés à des clercs et sont les véritables précurseurs de la grammaire française au sens propre. On peut également ranger au rang des outils didactiques pour le bon usage du français les Cartaria ou Artes dictaminis, destinés à ce même public de clercs. Il s’agit de collections de lettres modèles qui servaient de guides dans la correspondance officielle et privée. […] Plus tardives sont les Manières de langage, ces manuels de conversations modèles qui s’adressent à un vaste public de voyageurs, de touristes ou de commerçants» (2007a, 340–342). 117 Ein chronologisches Verzeichnis französischer Grammatiken vom 14.–18. Jh. hat Stengel (1890) zusammengestellt (nachfolgend zit. nach der neuen Edition mit Anhang von Niederehe 1976).

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Barcley angefertigte, englische Adaption des Donait français (1521),118 die von Pierre Valence auf Französisch mit englischer Übersetzung verfassten Introductions (1528) sowie die didaktischen Werke von John Palsgrave (L’éclaircissement de la langue françoyse, 1530) und Giles du Wes (An introductorie for to lerne to rede/to pnounce/and to speke Frenche trewly, ca. 1532),119 die beide als Hauslehrer am Londonder Hofe Heinrichs VIII in Diensten standen (cf. Kristol 2000, 765). Die annähernd 900 Seiten umfassende Grammatik Palsgraves, entgegen des französischen Titels in englischer Sprache verfasst, legt eine eher funktionale Beschreibung des Französischen im Vergleich zum Englischen vor und entzieht sich somit dem klassischen lateinischen Vergleichsmodell (cf. Rey/Duval/ Siouffi 2007a, 341). Dieses Vorgehen stellt eine erste Realisierung der Forderungen dar, die ein Jahr zuvor in Geoffrey de Torys Abhandlung Champ Fleury (1529) artikuliert wurden.120 Diese Abhandlung zum Buchdruck, die Tory um Anregungen zur Regulierung der französischen Sprache ergänzt, gelten als Ausgangspunkt eines wissenschaftlichen Anspruchs, die französische Sprache zu beschreiben und mithilfe eines Regelwerks zu pflegen (cf. Kristol 2000, 766). (70) Au Premier Liure/est contenue Lexhortation a mettre & ordonner la Langue Francoise par certaine Reigle de parler eleganment en bon & plussain Langage Francois (de Tory 1529, A i). Diesem Appell de Torys folgt auch die kurz darauf von Jacques Dubois unter dem lateinischen Cognomen Iacobus Sylvius Ambianus veröffentlichte Einführung in die französische Sprache mit lateinisch-französischer Grammatik (In linguam gallicam Isagoge, unà cum eiusdem grammatica latinogallica, 1531). Dubois, ein aus Amiens stammender Mediziner, verfasst – ausgehend von der Notwendigkeit, medizinische Werke ins Französische zu übersetzen – eine Grammatik zur französischen Sprache in lateinischer Sprache in der Tradition des Donatus. Den von ihm formulierten Anspruch einer Regulierung des Französischen am Beispiel des Lateinischen und weiterer antiker Sprachen als Meta-

118 Der vollständige Titel lautet: Donait francois pur briefment entroduyr les Angloys en la droit language du Paris et de pais la d’entour fait aus despenses de Johan Barton par pluseurs bons clercs du language avantdite (cf. Coseriu/Meisterfeld 2003, 303). 119 Der vollständige Titel zitiert nach o. g. Anhang von Niederehe (cf. 1976, 170) lautet: An introductorie for to lerne to rede/to pnounce/and to speke Frenche trewly, compyled for the right hygh, excellent, and moste vertuous ladye Marye of Englande, doughter to our moste gracious souerayne lorde kynge Henry the eyght. 120 Der vollständige Titel lautet: Champ fleury: au quel est contenu lart & science de la deue & vraye proportion des lettres attiques, quon dit autrement lettres antiques, & vulgairement lettres romaines proportionnees selon le corps & visage humain.

3.3 Frankreich

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sprachen begründet Dubois nicht nur durch die Entstehungsgeschichte des Französischen aus dem Lateinischen, sondern durch das Fehlen eines funktionierenden Strukturapparates der lingua gallica, um die medizinische Objektsprache angemessen zu adaptieren (cf. Kristol 2000, 767). (71) Mihi vero ipse interim voti compos esse videbor, si natiuum linguae Gallicae nitorem iamdiu propem exoletum, & situ obsitum, nonnihil detersero, ac velut postliminio in puritatis partem restituero: corrogata scilicet ex Hebraeis, Graecis, Latinis Vocum Gallicarum origine: ab quibus ceu fontibus nostra propem universa elocutio manavit (Dubois 1971, Vorwort a.v– a.vi). Die Beschreibung des Vorhabens belegt dabei sowohl die Existenz eines Konzeptes sprachlicher Reinheit («in partem puritatis») als auch der im heutigen Diskurs noch sehr geläufigen metaphorischen Assoziation von SPRACHE ALS CONTAINER,121 die nach Spitzmüller «dem Phänomen Sprache feste Grenzen verleih[t]» (Spitzmüller 2005, 244), innerhalb welcher feste (grammatische) Strukturen als Teil der sprachlichen Architektur (wieder-)aufgebaut werden können («restituero»): «Persuadé que le désordre de la langue vient de son absence de règles, il [scil. Sylvius] se lance dans une comparaison entre le français et le latin pour établir leur parenté et retrouver l’éclat originel du français, corrompu par le temps» (Rey/Duval/Siouffi 2007a, 342): Was die Herausbildung eines metasprachlichen Bewusstseins anbelangt, bezeugt das Erscheinen de Torys und Dubois’ Grammatiken binnen zwei Jahren – «chacune affirmant à sa manière l’indépendance du français par rapport au latin et l’impossibilité d’appliquer strictement un cadre latin à la description du vernaculaire» (Rey/Dubois/Siouffi 2007a, 342) – zwar einen augenfälligen Beginn der deskriptiven Beschäftigung mit der französischen Sprache (cf. Droixhe/Dutilleul 1990, 438); im romanischen Vergleich stehen jedoch grammatische

121 Der Metaphernbereich SPRACHE ALS CONTAINER tritt auch als sprachliches Muster in aktuellen Texten der Sprachpflege auf, jedoch im untersuchten Korpus deutlich seltener als andere Metaphernbereiche, weshalb es als Teil der synchronen Analyse nicht weiter berücksichtigt wurde (cf. Kap. 4): Das Konzept des Containers als geschlossener Raum tritt dabei stets im Zusammenhang mit dem Eindringen des Englischen von außen ein, wie folgende Einzelbelege veranschaulichen: «L’intrusion brutale et massive de l’anglais ne fait pas que gommer l’esthétique de la langue écrite et parlée, mais l’agression invisible au sens étymologique» (JALF 2014.1, 15) oder «Den Kern dieser Frage sehe ich darin, dass es ein Spannungsverhältnis ist, das man aushalten muss. Dass man gleichzeitig die eigene Sprache erhält und weiter entwickelt, aber auch nicht abwehrt, was von außen eindringt» (SN 2014.4, 9).

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Beschreibungen des Spanischen und Italienischen an deutlich früherer Stelle der sprachwissenschaftsgeschichtlichen Entwicklung.122 Gleich den frühen grammatischen Beschreibungen des Französischen, gehen auch die spanischen Vorläufer der Grammatikographie auf die spätantiken Methoden des Donatus im 4. Jh. und des Priscianus im 6. Jh. zurück. Die didaktischen Ansätze dieser mittelalterlichen und humanistischen Grammatiken, darunter verbreitete Formen wie «Versgrammatiken, grammatische Kommentare, ‹erotematische› Grammatiken und Grammaticae proverbiandi» gereichen den Verfassern späterer metasprachlicher Werke zum Vorbild: So beruht beispielsweise im 15. Jh. das dritte Buch der Introductiones Latinae (1481) von Nebrija auf den Prinzipien der bereits im 8. Jh. eingesetzten «Analysegrammatik», bei der «[m]an […] von einem Satz oder Vers aus[geht], dessen einzelne Bestandteile analysiert werden» (Esparza Torres 2000, 749–750). Was die sprachgeschichtliche Transformation des Metasprachbewusstseins im Kontext von Norm und Variation betrifft, betont darüber hinaus Esparza Torres, dass mit der Volkssprache «[i]m ‹Herbst des Mittelalters› [noch] eine weitere Komponente hinzu[kommt] […]. Sie wird immer häufiger im Unterricht und in der Grammatik selbst eingesetzt, und dies mit klar erkennbarer pädagogischer Zielsetzung. Spätmittelalterliche Grammatiken mit Ergänzungen in der Volkssprache werden damals bereits grammatica proverbiandi genannt. Sie bilden den Kern der eigentlichen Grammatikographie des Spanischen. […] Die Volkssprache erfüllt einen doppelten Zweck: sie begünstigt die Übersetzung aus dem Lateinischen […] und die Rückübersetzung ins Lateinische, wobei dann volkssprachliche Ausdrücke dazu dienen, lateinische Konstruktionen zu erklären» (Esparza Torres 2000, 750).

Neben den im 13. Jh. von Alfonso X el Sabio angestellten Überlegungen zur Volkssprache und zur Entwicklung von Sprache und Grammatik im Allgemeinen fungieren literaturorientierte Grammatiken wie die um 1423 erschienene Poetik Enrique de Villenas (Arte de trobar) oder La Gaya de consonantes (1475) von Pedro Guillén de Segovia als erste Manifeste metasprachlicher Reflexion in

122 «La Renaissance est un phénomène européen, mais qui ne s’est pas déployé partout au même moment. L’Italie est aux avant-postes. Au plan linguistique, par exemple, la mise en cause de du latin comme langue unique du savoir avait déjà agité presque tout le Moyen Age italien. Bientôt, cette mise en cause se propage dans de nombreux pays d’Europe, et les réflexions sur les langues vulgaires se développent, en liaison avec un nouveau rapport au savoir» (Rey/Duval/Siouffi 2007b, 360). Peyre (1933) jedoch warnt vor der einzelsprachlichen und sprachvergleichenden Unterschätzung der sprachhistorischen Bedeutung des 16. Jhd. für Frankreich im Vergleich zum «Grand siècle espagnol»: «Pour apprécier à sa juste valeur le XVIe siècle français, il faut se méfier de la méthode des comparaisons faciles. […] En employant cette méthode on devait nécessairement voir pâlir le XVIe siècle français, sous-estimant ainsi une époque française, qui sans pouvoir être comparée aux deux autres, puisque sur un plan différent, n’en eut pas moins sa grandeur et ses mérites» (1933, 35).

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der spanischen Sprachgeschichte, die aber sowohl aufgrund ihrer z. T. fragmentarischen Überlieferung als auch fehlender theoretischer Bemerkungen nicht zu grammatikographischen Schriften im engeren Sinne gezählt werden können (cf. Esparza Torres 2000, 751). Ab der Mitte des 15. Jhs. nimmt die Bezugnahme auf die Volkssprache deutlich zu. Esparza Torres verweist in diesem Zusammenhang weiter auf das 1492 gedruckte Compendium grammaticae des Juan de Patrana, die Grammatica brevis des Gutiérrez de Cerezo (1485) und das Perutile grammaticale compendium (1490) des Daniel Sisón, die mit volkssprachlichen linguistischen Termini als Hilfsmittel beim Übersetzen lateinischer Texte arbeiten, jedoch keine genuin linguistischen Reflexionen anstellen (cf. Esparza Torres 2000, 752). Diese Arbeiten bereiten als Vorläufer konzeptionell und methodisch das Werk Antonio de Nebrijas vor, dessen Introductiones latinae in einsprachiger (1481) und zweisprachiger Version (ca. 1488) sowie insbesondere die Gramática Castellana (1492) den «Ausgangspunkt für eine eigene Grammatikographie des Spanischen» (Esparza Torres 2000, 752) bilden. Mit der Gramática Castellana als «erste methodisch rigoros aufgebaute Grammatik einer modernen europäischen Sprache» liegt ein metasprachliches Werk vor, das nicht nur «[…] von einer genauen Beschreibung der Muttersprache aus[geht]» (Esparza Torres 2000, 752) und eine wissenschaftliche Konzeption von Grammatik vorlegt, die eine Unterscheidung von anderen Disziplinen ermöglicht, sondern die auch ein Instrumentarium liefert, das der normativen Fixierung einer bestimmten sprachlichen Form dienen soll und somit «Möglichkeiten einer Sprachpflege» bietet (Esparza Torres, 754). Verglichen mit der Konstitution des sprachpflegerischen und puristischen Diskurses im Deutschen ergeben sich für die Romania in der sprachhistorischen Zusammenschau folglich ähnliche Tendenzen. Diese Tendenzen belegen ein historisch gewachsenes und sprachraumübergreifendes Geflecht normativer Metasprachdiskurse, dessen an nationalen Interessen orientierte Argumentationen und ideologische Denkmuster das wissenschaftliche Interesse an sprachvergleichenden Analysen innerhalb der Romania und darüber hinaus begründen. Diese Denkmuster sind in Nebrijas Gramática Castellana in der für puristische Sprachpflegediskurse eigenen Motivik deutlich erkennbar. Die normierende Funktion seiner Grammatik speist sich aus der bereits für das Deutsche diskutierten Verbindung von Sprache und Nation und der im selbigen Kontext auch thematisierten Krankheitsmetaphorik:123 In der von Nebrija hergestellten Assoziation wird Sprache als Spiegelbild des Geistes dargestellt und kann somit

123 Cf. (72) : «del remedio que se puede para escrivir pura mente el castellano». Zur Krankheitsmetaphorik als Muster sprachnationalistischer Diskurse im Deutschen cf. Kap. 3.2.4, (20).

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als Ursache und als (Aus-)wirkung respektive Symptom eines (un-)reinen Geistes interpretiert werden:124 Die Tatsache, etwas ʻrein auf castellanoʼ oder ʻin reinem castellanoʼ zu schreiben, setzt einen reinen Geist i. S. eines gesunden bzw. genesenen Geistes voraus:125 (72) Del remedio que se puede tener para escrivir pura mente el castellano. Vengamos agora al remedio que se puede tener para escrivir las pronunciaciones que agora representamos por ageno oficio de letras […] et mientras que para ello no entreviene el autoridad de vuestra Alteza, o el común consentimiento de los que tienen poder para hazer uso, sea la ch, con una tilde encima (Nebrija 1492, lib. 1, Kap. VI, b. iiii). (73) I por que mi pensamiento et gana siempre fue engrandecer las cosas de nuestra nación, et dar a los ombres de mi lengua obras en que mejor puedan emplear su ocio, que agora lo gastan leiendo novelas o istorias embueltas en mil mentiras et errores, acordé ante todas las otras cosas reduzir en artificio este nuestro lenguaje castellano, para que lo que agora et de aquí adelante en él se escriviere pueda quedar en un tenor, et estender se en toda la duración de los tiempos que están por venir, como vemos que se ha hecho en la lengua griega et latina, las cuales poraver estado debaxo de arte, aun que sobre ellas an pasado muchos siglos, toda vía quedan en una uniformidad. […] et, respondiendo por mí, dixo que después que vuestra Alteza metiesse debaxo de su iugo muchos pueblos bárbaros et naciones de peregrinas lenguas, et con el vencimiento aquellos ternían necessidad de recebir las leies quel vencedor pone al vencido, et con ellas nuestra lengua, entonces, por esta mi Arte, podrían venir en el conocimiento della, como agora nos otros deprendemos el arte de la gramática latina para deprender el latín (Nebrija 1492, Prológo a. iiii). In Beleg (72) setzt Nebrija das auf lexikalischer Ebene verankerte Bild des sprachlichen Gesundheitszustands, vermittelt durch den Metaphernbereich SPRACHE ALS ORGANISMUS, auf argumentativer Ebene als Legitimation für die Normierung und Festigung des castellano als Prestige-Varietät ein.126 Dieses reine Kastilisch vermag es, die vom ihm im Prolog der Grammatik (cf. 73) propa-

124 Cf. (72): «escrivir pura mente el castellano». 125 Cf. (72): «el remedio que se puede tener». 126 Zur Organismusmetaphorik in aktuellen Texten der deutschen und französischen Sprachpflege cf. Kap. 4.2.2. Die Metaphorisierung von Sprachgebrauch als mentaler Gesundheitszustand tritt v. a. im deutschen Online-Korpus als starkes sprachliches Muster auf (cf. Kap. 4.3.1.3).

3.3 Frankreich

237

gierte kollektive Identität 127 und die auf dieser fußende Einheit im Inneren der Nation128 nachvollziehbar zu begründen und beides darüber hinaus, d. h. über die Grenzen des konsistenten «Eigenen», nach außen in Richtung des «Fremden» und «Anderen», d. h. im Rahmen hegemonialer Ansprüche machtpolitisch zu entfalten.129 Dieser theoretische Entwurf der intakten und überlegenen Sprachnation nach dem Vorbild antiker Spachen, deren Bedeutung weiterhin fortbesteht,130 kann auf politischer Ebene z. B. durch Repressalien gegen unterlegene Völker eingesetzt werden131 und auf diese Weise gegenüber Sprechern anderer Sprachen ein bindendes Machtmittel sein.132 Die Rechtfertigung dieses von Nebrija evozierten Machtanspruchs gegenüber dem verbalisierten «Fremden»133 erhält seine Geltung auf sprachlicher Ebene durch eine ideologisch stigmatisierte Positionierungsaktivität. Durch das «semantische Potenzial» von bárbaros und aufgrund der lexikalischen Gleichsetzung dieses Attributs mit dem Attribut peregrinas in paralleler Satzkonstruktion begründet Nebrija eine ideologische Deutungsoption, die «[…] durch sprachliches Wissen, welches netzwerkartig in Frames modelliert wird bzw. für das sich als Beschreibungsmodell die Kategorie Frame anbietet» (Spieß 2018b, 166), realisiert wird: «Die Mehrdeutigkeit sprachlicher Ausdrücke, die letztlich ihre semantische Spezifizierung immer erst in lebensweltlichen Zusammenhängen/Kontexten erfahren, mit denen sie in Verbindung stehen oder in denen sie verwendet werden, kann somit zusammenfassend als das weltanschaulich gebundene, kontextuell bedingte, ideologische semantische Potenzial bezeichnet werden. Das semantische Potenzial sprachlicher Einheiten wird u. a. durch Frames strukturiert und ist an sprachliche Formen gebunden» (Spieß 2018b, 166).

Wenn «Frames» nach Busse «(vereinfacht gesagt) Wissensstrukturen dar[stellen], die eine Kategorie mit bestimmten Attributen verknüpfen, die wiederum jeweils mit bestimmten konkreten Werten gefüllt werden können» und somit «Grundstrukturen/-elemente der Kognition/des Wissens» (2018, 16) sind, repräsentieren Wissensrahmen des «Eigenen» und des «Fremden» in ihrer Eigenschaft als bei jedem Sprecher genuin in der individuellen Identitätsstruktur vorhandene Konzepte einen besonders geeigneten, da emotiv strukturierten «Frame-Kern», um «(epistemische) Anschlussmöglichkeiten und -zwänge (für weitere Detail-Frame-Elemente)» (Busse 2012, 563) in Form sprachbezogener

127 128 129 130 131 132 133

Cf. Cf. Cf. Cf. Cf. Cf. Cf.

(73): (73): (73): (73): (73): (73): (73):

«este nuestro lenguaje castellano». «pueda quedar en un tenor». «debaxo de su iugo». «toda vía quedan en una uniformidad». «recebir la leies quel vencedor pone al vencido». «muchos pueblos bárbaros et naciones de peregrinas lenguas». «de peregrinas lenguas».

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3 Metasprachdiskurse als historische Systeme

puristischer Konzepte zu platzieren.134 Beispielhaft erfolgt vor diesem Hintergrund in (72) zunächst auf lexikalischer und semantischer Ebene der epistemische Anschluss des Attributs Sprache an das Selbstpositionierungsframe NATION als «Wir-Gruppe» («nuestra nación»).135 Dabei wird das «frame-konstituierende Frame-Element» (Busse 2018, 16) «Sprache» als strukturelles Merkmal zur attributiven Einbettung der «Nation» durch weitere ideologische Werte «sprachlicher Reinheit» erweitert, sodass ein Frame NATION mit dem Attribut SPRACHE und dem Wert REINHEIT entsteht. Die oben erläuterte Krankheitsmetaphorik, beruhend auf dem Metaphernbereich SPRACHE ALS ORGANISMUS, dient in einem ersten argumentativen Schritt der sprachlichen Legitimation des Frames, das man als ideologisiertes Konzept von SPRACHNATION beschreiben kann. Die in der Metapher implizierte Übertragung des Herkunftsbereiches «Krankheit des Menschen» auf den Zielbereich «Krankheit der Sprache» eignet sich zur Stärkung der affektiven Wahrnehmung des «Eigenen» umso mehr, als es sich bei dem Konzept «Krankheit» um ein alltägliches Phänomen handelt und das aufgrund seiner ausschließlich negativen Konnotation immer eine ablehnende Einstellung respektive in Bezug auf Sprache eine negative Spracheinstellung provoziert. Beispiel (72) ist somit nicht nur ein Paradebeispiel für sprachideologisches Positionieren auf metapragmatischer Ebene, sondern kann auf transtextueller Ebene als sprachideologisches Frame abgebildet werden (cf. Abb. 9).136 Der Positionierungsvorgang vollzieht sich auf mentaler Ebene in Richtung der Pfeile ausgehend von den sprachpuristischen Werten, die das Attribut ausfüllen, welches wiederum den Frame SPRACHNATION als eine mögliche Form nationaler Einheit konstituiert. Die gestrichelten Linien der Kreise kennzeichnen potenziell verfügbare Anschlussstellen, die je nach Kontext variieren und sich im Laufe der Entwicklung von Metasprachdiskursen verändern können. Die gestrichelten Linien der Rahmen stehen für die im Sinne der Unabgeschlossenheit von Diskursen stehende Erweiterbarkeit des Frames, seiner Attribute und Werte.

134 Der von Busse in zahlreichen Beiträgen (z. B. 2012; 2018) ausgearbeitete Frame-Begriff soll hier als ein möglicher Zugang zur sprachstrukturellen Ebene von Diskursen vorgestellt werden. Frames als sprachliche Wissensrahmen erfüllen ebenso wie Topoi und Metaphern, die in der synchronen Analyse dieser Arbeit in den Fokus gestellt werden (cf. Kap. 4), eine zentrale Funktion bei der Konstitution der sprachlichen Musterhaftigkeit von Diskursen. 135 Frames sind wie Topoi in diskurslinguistischer Perspektive auf der transtextuellen Ebene von Diskursen zu verorten (cf. Kap. 4.1.1, Tab. 10). Die typographische Hervorhebung transtextueller Sprachgebrauchsmuster (Frames und Topoi) erfolgt in GROSSBUCHSTABEN; die Kennzeichnung von Metaphernbereichen als Sprachgebrauchsmuster der intratextuellen Ebene in KAPITÄLCHEN. 136 Cf. ausführlich Kap. 4.1.2.

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Werte Attribut pura mente

Frame

castellano

poner leies nación «Wir -Gruppe» reduzir en artificio

Abb. 9: Frame SPRACHNATION in der Gramática de la lengua castellana (1492).

Was die offene Struktur von Frames im Zusammenhang mit gesellschaftlichen Strukturen anbelangt, hält Busse fest, dass «[…] mit erheblicher gesellschaftlicher Varianz im Grad der ‹Granulierung› und Ausdifferenziertheit der Frames gerechnet werden [muss]. Aufgrund des allgemeinen Prinzips der Rekursivität sind Frames prinzipiell unendlich verfeinerbare Wissensstrukturen. Dies schlägt sich darin nieder, dass in gesellschaftlichen Domänen mit unterschiedlichem Wissensbedarf auch die Differenziertheit der Frames variiert (typischerweise bekannt als sog. Experten-/Laien-Divergenz)» (2018, 17).

Diese Feststellung ist mit Sicherheit für eine Vielzahl an Diskursen zutreffend, jedoch ist auch anzunehmen, dass diese Divergenz zwischen unterschiedlichen Typen von Wissen (cf. Weber/Antos 2009) dann in den Hintergrund tritt und sich sprachlich mehr oder weniger eindeutig manifestiert, wenn Diskurse stark ideologisch geprägt sind. Zwar bilden gewiss auch sprachideologische Aussagen einen eigenen Wissensapparat und verfolgen dabei, wie diese Arbeit zeigen möchte, im Rahmen gezielt eingesetzter persuasiver Strategien die Absicht, einen ganz bestimmten Typ von Wissen und Einstellungen zu vermitteln, jedoch erschweren sie dabei aufgrund eines oft geringen Grads an Objektivität sowie der Tendenz zur Stigmatisierung und zur gesellschaftlichen Abgrenzung eine

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reliable Zuordnung zu den anhand sprachlicher Kriterien per se schwer definierbaren Wissenskategorien wie «Laie» und «Experte» (cf. Kap. 3.3.7).137 Für Nebrijas Sprachreflexion ist nicht nur aus sprachideologischen, sondern auch aus gesellschaftsstrukturellen Gründen keine ausdifferenzierte Granulierung des sprachbezogenen Frames anzunehmen, weshalb dieser diskurslinguistische Zugang zu Sprachideologien an dieser Stelle nicht weiter vertieft wird. Allerdings spielt die Laien-Experten-Divergenz im 16. Jh. auf metasprachlicher Ebene sehr wohl eine entscheidende Rolle bei der Frage, welchen Sprachgebrauch Sprachpflege zum Gegenstand haben soll. So weist Esparza Torres (2000) darauf hin, dass Nebrija – im Gegensatz zu dem zwischen 1534 und 1540 verfassten Diálogo de la lengua von Juan de Valdés, der Sprachpflege aus dem Sprachgebrauch heraus beschreibt – «[…] die Meinung [vertritt], daß der Sprachgebrauch die Sprache der gebildeten Stände widerspiegeln müßte, wobei die beurteilende Stellungnahme nur dem Grammatiker selbst zusteht, wie er immer wieder in seiner Grammatik betont» (2000, 754).138 In Italien verfasst Leon Battista Alberti ein halbes Jhd. vor Nebrija die als Grammatichetta vaticana (ca. 1437–1441) bezeichnete, erste volkssprachliche Grammatik des Italienischen, deren Zielsprache das Toskanische ist (cf. Marazzini 2000, 742). Diese erste Grammatik zu einer europäischen Vernakularsprache, die in Form eines anonymen Manuskriptes aus dem Jahr 1508 überliefert wurde, orientiert sich wie andere Texte der frühen Grammatikographie an den Kategorien Priscians, bezieht sich dabei allerdings auf Beispiele des konkreten

137 Unter Verweis auf den bereits in Kap. 2 an verschiedenen Stellen besprochenen Begriff der «Wissensgesellschaft» bemerkt Weber (2009), dass «WISSEN keineswegs ein einziges homogenes Konzept ist, wie es die Tatsache suggeriert, dass der sprachliche Ausdruck Wissen in öffentlichen und wissenschaftlichen Diskursen in vielfältigen Zusammenhängen in Erscheinung tritt» (2009, 14). Zur Klärung der Fragen, was Wissenstransfer bzw. -transformation ist, wie er zustande kommt und ob bzw. wie man die Qualität dieses Transfers definieren, messen und kontrollieren kann, müssen an erster Stelle verschiedene Bedeutungsdimensionen von «Wissen» unterschieden werden: explizit vs. implizit, propositional vs. prozedural, isoliert vs. kontextualisiert, individuell vs. kollektiv. Die Definition der Dimension des gemeinsamen Wissens der Mitglieder einer Gesellschaft, an der Untersuchungen historischer Diskurse wie Metasprachdiskurse grundsätzlich interessiert sind, und die unter dem von Assmann geprägten Begriff des «kollektiven Gedächtnisses» (2013) in den Kultur-, Sprach- und Sozialwissenschaften diskutiert wird, bleibt weiter für Weber (2009) ein Desiderat: «Indem Individuen Zeichen verstehen, transformieren sie Informationen in Wissen. Somit können allenfalls Informationen kollektiv sein, insofern sie als Aspekte von Zeichen angesehen werden, die außerhalb von Individuen existieren. Wissen, das auf Verstehen von Informationen beruht, kann jedoch vor dem Hintergrund der Assmann’schen Voraussetzungen nur als individuelles begriffen werden» (2009, 19–20). 138 Cf. hierzu die Ausführungen zu Vaugelas in Kap. 3.3.4.

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Sprachgebrauchs und nicht auf Beispiele klassischer Autoren. Eine erste gedruckte Grammatik des Italienischen erscheint erst 1516 mit den Regole grammaticali della volgar lingua Giovanni Francesco Fortunios und somit deutlich nach Nebrijas Grammatik zum Kastilischen (cf. Marazzini 2000, 743). Wenige Jahre später veröffentlicht Pietro Bembo im dritten Buch seiner Prose della volgar lingua (1525) eine dialogisch aufgebaute Grammatik des literarischen Italienisch, das zur Grundlage der normativen Tradition wurde: «The Prose constituted the theoretical base on which the normative tradition was founded, a tradition which was destined to last for centuries, and which conditioned the development of literary language and of poetic fashion» (Marazzini 2000, 743). Auf der einen Seite offenbart sich im dritten Buch der Prose eine deutliche Abkehr der grammatischen Terminologie von der lateinischen Norm, die Tavoni als «grammatica del volgare» bezeichnet: «Como l’apparato grammaticale viene sfrondato e quasi dissolto nel discorso, cosí la terminologia tecnica viene largamente sostituita con espressioni tratte dal linguaggio comune (o anche espressiono non veramente comuni, purché diverse dal termine tecnico trito). Abbiamo cosí divertimento per ‹elisione›, maniera per ‹conjugazione›, pendente per ‹imperfetto›, senza termine per ‹infinito›, e leggeri spostamenti anche reispetto ai termini piú semplici, come numero del meno e numero del piú invece di ‹singolare› e ‹plurale›, e del maschio e della femmina invece di ‹maschile› e ‹femminile›. Tipicamente, questa tendenza dà luogo a persifrasi: voce che in vece di nome si pone (‹pronome›), voce che di verbo e nome partecipa (‹participio›), voce que comanda (‹imperativo›), tempo che corre mentre l’uom parla (‹presente›), tempo che a venire è (‹futuro›). Una tendenza antieconomica che non attecchirà. Il suo senso pare quello di de-tecnicizzare la grammatica, assimilarla al ragionamento storico e retorico fin qui svolto e, cosí negandola, nobilitarla; in termini di tenuta testuale, salvaguardare l’unità stilistica delle Prose» (Tavoni 1992, 1078).

Auf der anderen Seite repräsentiert Bembos Grammatik ein sprachlich hochgradig selektives Verständnis von sprachlicher Norm, bei der «die Prosa Boccaccios und die Verskunst Petrarcas, […] im Sinne des humanistischen imitatio-Prinzips für alle Zeiten Vorbild für literarisches Schreiben sein [sollten]. Nach Bembo ist mit ihnen der Gipfelpunkt literarischen Schreibens erreicht und die volkssprachliche Varietät des Florentinischen des Trecento würdig geworden, allgemeinverbindliche Literatursprache zu sein» (Stark 2006, 88).

Bembos Prose avanciert in allen drei Bänden ein ebenso elitäres System «metasprachlicher Öffentlichkeit» (cf. Kap. 2.1.3) wie Nebrija in seiner Gramática Castellana. Dieses besteht als sprachraumübergreifendes Fundament sprachpflegerischer Metasprachdiskurse bis heute fort und dient v. a. puristischen Akteuren als Modell bei der diskursiven Konstruktion und Vermittlung von Spracheinstellungen:

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«The first two volumes tackle a variety of issues, such as […] the concept of literary ‹nobility› in contrast to ‹popular› culture […]. Literary and linguistic value must not be such as to please the ‹multitudes› but ‹the chosen few›, the elite of the learned. Bembo’s grammer was thus born under the aegis of the most rigourous [sic] form of classicism» (Marazzini 2000, 746).

Neben den Werken Fortunios und Bembos bringt das 16. Jh. weitere Grammatiken hervor, die hier nicht ausführlich besprochen werden können. Dazu zählen Giovan Giorgio Trissinos anti-bembistische Grammatichetta, aber auch Grammatiken, die Bembos Ansätze in Form günstigerer und zahlreich aufgelegter Editionen fortführen wie Acarisios Grammatica volgare (1536) oder Sansevinos Osservationi della lingua volgare di diversi uomini illustri (1562) (cf. Marazzini 2000). Der innerromanische Vergleich erster deskriptiver Tendenzen unterschiedlicher nationaler Metasprachdiskurse dient hier also der sehr allgemeinen Veranschaulichung analoger historischer Entwicklungstendenzen in diesem Bereich und insbesondere der Feststellung, dass für das Hervortreten sprachbezogener Diskurse in Frankreich bis zum ausgehenden 16. Jh. weder eine besondere Intensität noch etwaige diskursive Alleinstellungsmerkmale gegenüber anderen Nationen der Romania bestehen: «Force est de constater que soixante-quinze ans après la grammaire d’Alberti et trentecinq ans après celle de Nebrija, la France n’a rien de comparable. […] En France, la grammaire nationale se détache difficilement de la grammaire latine. […] Au milieu du siècle, le français était donc bien implanté comme métalangue grammaticale. Mais il manquait toujours le traitement intégral de la grammaire française dans une langue accessible à la plus grande partie de la noblesse et de la bourgeoisie et capable d’‹illustrer› en même temps la langue que Dubois n’a fait que décrire» (Hausmann 1980, 132–138).

Einen Wendepunkt in der Entwicklung des französischen Metasprachdiskurses markiert der 1550 veröffentlichte Tretté de la grammére françoéze von Louis Meigret, dessen Deskription des Französischen, «[r]évolutionnaire à bien des égards par son contenu» (Kristol 2000, 768), auf Gebrauch und Funktionalität der Sprache fußt (cf. Hausmann 1980, 150; Kristol 2000, 767). Auch wenn Aufbau und Terminologie des Werkes dem bis dato traditionellen grammatikographischen Rahmen folgen, bestehen grundlegende konzeptionelle Änderungen in der Verwendung größtenteils wenig bekannter Quellen, dem Fokus auf die gesprochene Sprache (cf. 74) sowie einer von Meigret radikal reformierten Orthographie, die allerdings auch die Rezeption seiner Grammatik beeinträchtigt hat (cf. Kristol 2000, 767). Die starke Variation der französischen Sprache ist für Meigret sowohl Ausdruck sprachlichen Reichtums und somit der Gleichrangigkeit zu den Sprachen des klassischen Altertums, an deren grammatischem Vorbild man sich orientieren soll (cf. 75, 76), als auch gleichzeitig Anlass, der Sprache ein Regelwerk zu verleihen (cf. 77):

3.3 Frankreich

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(74) Ęn poursuyuant donqes c̨e prezęnt trętté selon l’experianc̨e qe je puis auoęr de l’uzaje de la paroll’ ę langaje Franc̨oęs, je comęnc̨erey ao’ premiers princ̨ipes, ę elemęns, qi sont lę’ voęs, ę leurs lęttres, come comune matiere de toutes langes (Meigret 1550, 5). (75) Or ęt il qe notre lang’ ęt aojourdhuy si ęnric̨híe par la profęssíon ę experięnc̨e dę’ langes Latin’ ę Gręcqe […] (Meigret 1550, 2). (76) Le Latin de vrey dira pour parler elegammęnt Gallos vicit Cæsar : qi soneroęt ęn gardant le mę́me ordre, lę’ Gaoloęs a veincu C̨ ezar : pour C̨ ezar a veincu lęs Gaoloę́s (Meigret 1550, 144l.). (77) Parqoę il nou’ faot confęsser q’ęll’ [scil. experięnc̨e dę’ langes Latin’ ę Gręcqe] a ęn soę qelq’ ordre, par le qel nou’ pouuons distinger lę’ partíes dont sont compozez tou’ langajes, ę la reduir’ a qelqes regles. Mę́s come le deuoęr d’vne grammęre jiz’ ęn la rec̨hęrc̨he de la doctrine, non seulemęnt de bięn, ę propremęnt parler, mę́s aosi de bien ecrire, pour la nec̨essité qe nous auons de l’ecritture, tant pour la debilité de la memoęre, qe pour supplíer vne prezęnc̨’ ęn l’absęnce dę’ pęrsones, on a de coutum’ ęn toutes langes de les expedíer ęnsęmble (Meigret 1550, 2r.). Wie die Auszüge aus Meigrets traité verdeutlichen, dienen die Grammatiken und Wörterbücher der ersten Hälfte des 16. Jhs. – «issus avant tout des milieux de précepteurs, de traducteurs ou d’imprimeurs» (Swiggers 2015, 528) – einer ersten Kodifikation des Französischen und nehmen somit eine deskriptive Position zwischen einem theoretischen Sprachbereicherungsdiskurs und einem praxisorientierten Normendiskurs ein: Zur sprachbereichernden Haltung zählen auch traditionelle Sprachdenkmäler jenseits der Grammatikographie wie Joachim du Bellays La Deffence et Illustration de la Langue Françoyse (1549) und Pierre de Ronsards Abbregé de l’Art poëtique François (1565), die weiter unten näher besprochen werden, aber auch metasprachliche Schriften der ersten Hälfte des 16. Jhs. (cf. 78–83), die hier mit besonderem Nachdruck bedacht werden sollen. Letztere sprachreflexive Beiträge illustrieren nicht nur «Bestrebungen, das Französische zu vervollkommnen, lexikalisch zu bereichern und zu einer dem Latein völlig ebenbürtigen Kultursprache auszubauen» (Winkelmann 1990, 338); als konsistente sprachpflegerische Programme der frühen französischen Neuzeit liefern sie entscheidende sprachideologische Impulse für die Entwicklung des französischen Normendiskurses, der in Form verschiedener Ordonnanzen eine entscheidende Grundlage für die Konsolidierung der französischen Sprachnation im 17. und 18. Jh. darstellt (cf. Kap. 3.3.4–3.3.5). Angesichts dieses auf gleichgearteten Spracheinstellungen beruhenden Zusammenspiels unterschiedlicher metasprachlicher Tendenzen soll entgegen der von Winkelmann

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vorgenommenen Klassifikation dieser Haltungen in «gegenläufige Tendenzen» bzw. «Gegenbewegung[en]» (1990, 338) vielmehr von diskursiven Entwicklungsstufen bzw. einer diskursiven Ausdifferenzierung eines insgesamt antivariationell orientierten Metasprachdiskurses nationalideologischer Prägung gesprochen werden. Innerhalb dieser Tendenzen verfolgen die grammatiko- und lexikographischen Werke des 16. Jhs. wie Meigrets traité «[…] in erster Linie keinen normativen Zweck – nicht Präskription, sondern ordnende Bestandsaufnahme stand im Vordergrund –, sie prägten jedoch die Norm des Französischen, die sich im 17. Jahrhundert herauskristallisieren sollte, in oft entscheidender Weise vor» (Winkelmann 1990, 338.): «L’effort de ces premiers grammairiens du français est important du point de vue théorique, dans la mesure où ils réussissent à montrer que le français possède, tout comme le latin, des règles – c’est-à-dire une structuration pouvant être mise en règles – et qu’il est capable de jouer un rôle comme langue de culture. Le travail de ces grammairiens s’insère ainsi dans le vaste projet de la ‹défense et illustration› des langues ‹vulgaires›» (Swiggers 2015, 530).

Für diese Entwicklung «vers une ‹grammaire de la norme› sei für die grammatikographische Tradition der zweiten Hälfte des 16. Jhs. v. a. auf die Arbeiten Robert Estiennes verwiesen (cf. 78). Neben seinen einige Jahre zuvor veröffentlichten zweisprachigen Wörterbüchern, die «[…] den Schlüssel zur Orthographie nicht nur des 16. Jahrhunderts, sondern auch der Gegenwart [bilden]» (Winkelmann 1990, 338),139 legt Estienne laut Kristol mit dem Traicté de la gramaire Francoise (1557) die erste normative Grammatik des Französischen vor, «dans le sens qu’elle préconise un usage régional et surtout social très précis» (Kristol 2000, 769). Mit seiner Grammatik wendet er sich ausdrücklich gegen die Arbeiten seiner Vorläufer in der ersten Jahrhunderthälfte: (78) Pourtant que plusieurs desirans avoir ample cognoissance de nostre langue Francoise, se sont plains a nous de ce qu’ils ne povoyent aisement s’aider de la Grammaire Francoise de maistre lois Maigret […] ne de l’Introduction a la langue Francoise composée par M. Iaques Sylvius (pourtant que souvant il a meslé des mots de Picardie dont il estoit) Nous ayans diligemment leu les deux susdicts autheurs [scil. Maistre Lois Meigret et M. Iacques Sylvius] avons faict ung recueil, principalement de ce que nous avons veu accorder à ce que nous avions le temps passé apprins des plus

139 Cf. Dictionarium Latinogallicum (1531); Dictionaire Francoislatin, contenant les motz & manieres de parler Francois, tournez en latin (1539).

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scavants en nostre langue, qui avoyent tout le temps de leur vie hanté es Cours de France, tant du Roy que de son parlement à Paris, aussi sa Chancellerie et Chambre des comptes: esquels lieux le langage sescrit et se prononce en plus grande purete qu’en tous autres (Estienne 2004, 3). Dieser Auszug aus dem Vorwort der Grammatik kann aufgrund der Explizitheit der geäußerten Spracheinstellung zweifelsohne mit Schmitt «als wichtiges Zeugnis über die Normvorstellungen um die Mitte des Jahrhunderts gelten» (2005, 319). Wenn man darüber hinaus der Definition von «Purismus» nach Paveau/Rosier folgt – «le purisme est traditionnellement défini comme une attitude normative face aux emplois considérés comme déviants ou non légitimes» (2007, 36) – dann kann darüber hinaus die geäußerte Ablehnung von Sprachgebrauchsnormen jenseits der Île-de-France und somit für den Pariser Estienne faktisch fremder Varietäten nicht nur aufgrund der Nennung von purete als «gruppen(ideologie)internem Fahnenwort» (Böke 1996b, 40) als sprachpuristische Haltung gelten. Diese Haltung beruht, soweit aus den Äußerungen im Vorwort ersichtlich, auf einer affektiven Spracheinstellungskomponente, die mehr auf einer ästhetischen als auf kognitiven Faktoren i. S. v. sprachstrukturellem Wissen erfolgt. Diese affektive Einstellung ermöglicht Estienne, die Qualität der Pariser Varietät, gebunden an die sprachideologische Dichotomie «korrekte/ gute» vs. «falsche/schlechte» Sprache nicht nur durch Stigmatisierung einzelner Varietäten wie dem Pikardischen bei Dubois zu definieren, sondern sie als allen anderen Sprachgebrauchsformen überlegen zu betrachten.140 Die Begründung dieser sprachpuristischen Haltung erfolgt durch einen für sprachideologische Argumentationen typischen Verweis auf eine anonyme Autorität,141 ein Verweis der im Folgenden allerdings ohnehin argumentativ in den Hintergrund tritt, da sich der Dialekt der Île-de-France als Sprache des Königs gewissermaßen als personifizierte Autorität selbst legitimiert. Dass die Normvorstellungen Estiennes darüber hinaus ebenso eindeutig auf einer Abgrenzung sozialer Gruppen und eigner sozialer Interessen fußen, verdeutlicht nicht nur das Werturteil, dass es sich bei den plus scavants en nostre langue um den Pariser Hof und die daran gebundenen politischen Akteure und Entscheidungszentren handelt, sondern auch die folgende von Settekorn (1988) vorgenommene Einschätzung, die der Entwicklung sprachpflegerischer Tendenzen als Diskurse im Spannungsfeld gesellschaftlicher Strukturen Anschaulichkeit verleiht:

140 Cf. (78) : «pourtant que souvent il a meslé des mots de Picardie dont il estoit»/«sescrit et se prononce en plus grande purete qu’en tous autres». 141 Cf. (78): «plusieurs […] se sont plains».

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«Der sprachnormative Diskurs des 16. Jahrhunderts hat eine Besonderheit: seine Betreiber waren von den gebotenen Möglichkeiten des Erwerbs und der Verbreitung von Wissensbeständen beeindruckt und machten selbst davon Gebrauch. Die führenden Drucker genossen eine relative ökonomische, soziale und kulturelle Freiheit […], und der Erfolg ihres neuen Berufs hatte ihnen eine schnelle Integration in die oberen Schichten der städtischen Gesellschaften erlaubt. Ihr sprachnormativer Diskurs erfolgte in einer monarchistischen Staatsform, die von zunehmender Zentralisierung geprägt war und richtete sich an ein Publikum, das den staatlichen und gesellschaftlichen Wandel begrüßte. […] Fragen von Sprachnorm und Sprachnormierung im Frankreich des 16. Jahrhunderts [wurden] auf einem freien Markt ausgehandelt, bei dem allerdings die finanzkräftigsten und einflußreichsten Protagonisten, z. B. die Familie Estienne, einen stark regulierenden Einfluß ausübten» (1988, 40).

Diese Hintergründe zum sozioökonomischen Wandel belegen, dass der sprachnormative Diskurs, wie er bei Estienne in Erscheinung tritt, sich als jene spezifische Ausprägung des sprachbezogenen Diskurses um die Mitte des 16. Jhs. manifestiert, die auf einer puristischen Mentalität beruht und in sozialer Perspektive auf einem repräsentativen elitengebundenen Diskursmodell. Diese gründet sich in der metalinguistischen Praxis als ein per definitionem dialogisch strukturiertes Repräsentationssystem nicht nur auf einer sprachlichen Dialektik, sondern stets auch auf einer sozialen Dialektik: «Le purisme est une manifestation (ou pratique) métalinguistique, qui met en relation deux systèmes d’oppositions: nous appelerons le premier dialectique sociale; le second, dialectique linguistique. La dialectique sociale est fondé sur l’opposition ‹moi› et ‹autre›. La dialectique linguistique, elle se fonde sur l’opposition ‹correct› et ‹faux›» (Delveroudi/ Moschonas 2003, 2).

Von diesem Verständnis ausgehend stellen die sprachnormativen Ansätze der Grammatikographie in der zweiten Hälfte des 16. Jhs. nicht nur die Weichen für den Ausbau des «bon usage» auf der Grundlage einer explizit puristischen Spracheinstellung, sondern sie leiten die auf sozialen Kategorien beruhende Spaltung des französischen Metasprachdiskurses ein: «La deuxième moitié du XVIe siècle français prépare ainsi la scission entre une grammaire ‹linguistique›, théorique ou descriptive, et une grammaire normative, prescriptive» (Kristol 2000, 769). Was die Konturierung einer Teilung des Metasprachdiskurses in eine deskriptive und präskriptive Ausrichtung anbelangt, werden die Weichen in Frankreich somit deutlich früher als in Deutschland gestellt, wo diese Spaltungsprozesse erst im 19. Jh. konkrete Formen annehmen (cf. Kap. 3.2.4). In der ersten Hälfte des 16. Jhs. hingegen stehen Reflexionen zur Sprachensituation noch im Fokus der starken sprachlichen Heterogenität des Französischen und der Frage, welche Gebrauchsvariante überhaupt als Grundlage der Sprachnorm in Frage kommt: «Cet orde profond apparaît-il à distinguer un bon

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et un mauvais usage […]. Où trouver ce ‹bon usage› ? Chez les courtisans ?» (1982, 96). Die noch unklare Richtung bei der Wahl des Sprachgebrauchs spiegelt sich zu dieser Zeit in einem ebenso heterogenen Normendiskurs, innerhalb dessen sich zwei grundlegende Spracheinstellungen herauskristallisieren: «Certes les difficultés sont grandes. La langue de son temps [scil. de Meigret] est très riche en variantes non seulement régionales mais fonctionnelles. La créativité analogique du moyen français a laissé exister les unes à côté des autres une multitude de formes concurrentes. […] Et qui pis est, les locuteurs ont l’impression que leur langue évolue rapidement. […] Sans parler de la grande masse de ceux pour qui ne compte que le latin, il existe en effet dans la première moitié du 16e siècle deux attitudes à l’égard du français qui méritent d’être relevées: il y a ceux qui trouvent le français inférieur au latin ou au grec, mais qui voudraient qu’on travaille à sa perfection pour le rendre égal aux ‹langues sacrées›; et il y a ceux qui croient le français d’ores et déjà égal sinon supérieur aux langues anciennes» (Hausmann 1980, 145–146 ; cf. Winkelmann 1990, 338).

In Anlehnung an Hausmann (1980) sei im Folgenden beispielhaft auf einzelne Akteure beider Richtungen einer im Entstehen begriffenen «défense et illustration de la langue française» verwiesen, deren sprachpflegerische Beiträge sich v. a. auf machtpolitische Interessen gründen und in ihren sprachideologischen Tendenzen eine entscheidende Grundlage für die monumentalen Schriften des 16. Jhs. bereitstellen, die in den darauffolgenden Jahrhunderten zum kulturellen Erbe der Sprachpflege und Symbol der mächtigen Sprachnation Frankreich avancieren: (79) Car ie scay que quand on voulut reduire la langue Grecque et Latine en art, cela ne fut absolu par vn homme, mais par plusieurs. Ce qui se faira pareillement en la langue Francoyse, et peu à peu par le moyen et trauail des gens doctes elle poura estre reduicte en telle parfection que les langues dessusdictes. A ceste cause, Seigneur tout humain, ie te requiers de prendre ce mien labeur en gré : et s’il ne reforme totallement nostre langue, pour le moins pense que c’est commencement qui pourra pauenir à fin telle, que les estrangiers ne nous appelleront plus Barbares (Dolet 1540, 6–7). (80) Lecteur, tu trouveras en ce livret l’orthographe francoise aucunement diverse de celle qui est vulgairement prattiquee. A cette cause t’a eté premis ce petit avertissement, pour en passant te declairer les principalles raisons de l’auteur. L’une est, que tout ainsi que la parolle est significative de la pensee, semblablement l’orthographe de la parolle, a laquelle elle doit obeir fidelement: de sorte que ecrire autrement qu’on ne prononce, est comme si on parloit autrement qu’on ne pense. L’autre raison qui depend de la premiere, est pour eviter superfluité, laquelle sans ce qu’en toutes

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choses est reprenable, tient nostre langue Francoise en subgetion, si bien qu’elle la garde de passer aux nations etranges, qui pour le grand entassement de lettres ne la peuvent prononcer ni apprendre s’ilz ne sont sur les lieux. La tierce raison est pour commencer a regler & mettre au net notre langage, & faire a tout povoir que prononciation pareille n’ait orthographe diverse. qui est le plus expeditif moien qui puisse aquerir honneur & majesté a une langue, comme on voit de la Greque & de la Latine, desquelles l’orthographe est la prononciation mesme sinon qu’elle est mue. […] Partant ne puis non grandement louer plusieurs nobles espriz de notre temps, lesquelz se sont etudiez a faire valoir notre langue Francoise, laquelle n’a pas long temps commenca a s’anoblir […] (Peletier du Mans 1545, A ij s.).142 (81) Passons donc outre, et retien que sachant ce prétérit parfait, tu ne pourras faillir en le Aoriste (i), qui est un prétérit indéfiny : lequel retenans dés Grecz, nous l’expliquons (contrains par la pauvreté de nostre langue) en circonlocution par le verbe […] (Sébillet 1910, 94). Die Belege (79)–(81) veranschaulichen eine sprachkritische Haltung zum Französischen und die Forderung nach einer Normierung des stark vulgärsprachlastigen Sprachsystems. In (79), einem kurzen Auszug aus Étienne Dolets La Manière de bien traduire d’une langue en l’autre (1540), zeigen sich Konvergenzen und Divergenzen zu Nebrijas Anregungen in der Gramática: Was die Vorstellung des sprachenbezogenen Diskurses als soziales System anbelangt, erachtet Dolet wie Nebrija143 die Sprachreform als Aufgabe der Bildungselite144 und plädiert auf diese Weise für ein repräsentatives Modell von Sprachpflege (cf. Kap. 2.1.3) am Beispiel des Griechischen und Lateinischen. Was allerdings den auf der französischen Sprache beruhenden Machtanspruch gegenüber anderen Sprechergemeinschaften anbelangt, schreibt Dolet dem Französischen anders als Nebrija, der die spanische (Sprach-)Nation unter der Herrschaft der Reyes Católicos als allen anderen klar überlegen erachtet,145 eine unterlegene Position zu: Sein Ansinnen, die Sprache zu reformieren146 resultiert aus dem Vergleich

142 Zitiert nach der Abschrift des Centre dʼÉtudes Supérieures de la Renaissance der Université de Tours. 143 Cf. (79): «estre reduicte en telle parfection»/(73): «reduzir en artificio este nuestro lenguaje castellano». 144 Cf. (79): «le moyen et travail des gens doctes». 145 Cf. (73): «después que vuestra Alteza metiesse debaxo de su iugo muchos pueblos bárbaros et naciones de pèregrinas lenguas». 146 Cf. (79): «s’il ne reforme totallement nostre langue».

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mit anderen Sprachen, und dem Ziel, sich mit diesen auf sprachlicher Ebene gleichstellen zu können. Es handelt sich also um eine auf die eigene Sprechergemeinschaft bezogene, puristische Maßnahme gegen die Variation im Inneren, die Grund ist für die Verurteilung der französischen Sprecher als Barbaren.147 Dolets Purismus ist somit als Sprachpurismus i. w. S. einzuordnen (cf. Kap. 3.2.3). Die Überlegungen Peletier du Mans (80) gehen in eine sehr ähnliche Richtung. Im Vorwort seiner Übersetzung der Ars Poetica des Horaz (1545) plädiert er für konkrete korpusplanerische Maßnahmen zugunsten einer Vereinfachung des Schriftsystems durch Phonographisierung, wobei diese nicht nur der Sprachreinigung und Verständigung dienen sollen, sondern auch einen didaktischen Ansatz verfolgen, um das Französische als Fremdsprache auf der Grundlage eines eingängigen Regelsystems erlernbar zu machen.148 Analog zur lexikalischen Stigmatisierung des Französischen als barbarische Sprache und der stark ausgeprägten affektiven Spracheinstellungskomponente bei Dolet (cf. 79), weitet auch du Mans durch seine Übersetzung das Plädoyer für eine grammatische Sprachplanung nach dem Vorbild der lateinischen ars grammatica auf statusplanerische Ziele aus, indem er auf lexikalischer Ebene die Ästhetik des Französischen als Gegenteil des Barbarentums stilisiert.149 Die Wahl von Horaz als Referenzautor ist mitnichten arbiträr: Als Autor der Goldenen Latinität repräsentieren seine Werke die elitäre Gesellschaftsstruktur der augusteischen Kaiserzeit, die auch dem Klassizismus des folgenden Jhs. als Vorbild dienen wird. Die Etymologie der Lexeme nobles und s’anoblir150 stellt darüber hinaus einen sprachlichen Hinweis auf die Konstruktion einer noch jungen Sprachnorm auf der Grundlage dieses elitären Diskursmodells dar, das nicht nur sprachliche, sondern auch soziale Variation auszuschließen sucht. Auch der kurze Auszug aus Sébillets 1548 verfasster Art poétique françoys (1910) illustriert die Klassifikation des Französischen als ʻarmeʼ Sprache,151 die der Verfasser grammatisch am Beispiel des französischen Vergangenheitspara-

147 Cf. (79): «à fin telle, que les estrangiers ne nous appelleront plus Barbares». 148 Cf. (80): «L’autre raison […] est pour eviter superfluité, laquelle […] tient nostre langue Francoise en subgetion, si bien qu’elle la garde de passer aux nations etranges, qui pour le grand entassement de lettres ne la peuvent prononcer ni apprendre s’ilz ne sont sur les lieux». 149 Cf. (80): «nobles espriz de notre temps, faire valoir notre langue Francoise, laquelle n’a pas long temps commenca a s’anoblir». 150 cf. Georges (1998, s. v. nobilis: «B) edel, adelig, geadelt, vornehm, von edler Herkunft (Geburt), aus guter Familie, bes. aus einer Familie (gleichviel ob patrizischen od. plebejischen), in der mehrere Mitglieder die drei obersten Ehrenstellen […] besaßen, zuw. auch = aristokratisch […]». 151 Cf. (81): «contrains par la pauvreté de nostre langue».

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digmas belegt (cf. 81): Im Gegensatz zum Griechischen, das über den Aorist als Tempus verfügt, um punktuelle Handlungen in der Vergangenheit zu beschreiben, kann das Französische lediglich analytisch mit einer «circonlocution par le verbe» operieren. Im Kontrast zu diesem UNTERLEGENHEITSTOPOS vermitteln die folgenden Belege aus den Werken Jean Lemaire de Belges’ (cf. 82) und Claude de Seyssels (cf. 83) positive Einstellungs- und Bewertungsbekundungen zum Französischen als überlegene Sprache bei einer weiterhin bestehenden Vorbildfunktion des Lateinischen als Distanzsprache:152 (82) Puis peu de iours en ça, est de vouuel aduenu, que deux personnes ayans beniulence lune à lautre, & tous deux de noble & gaillarde nature – cestasauoir quant à lart & estude Mercurial & Palladien, se trouuerent ensemble en lieu domestique & priué, & eurent entre autre choses, deuises entremeslees, de la comparaison de la langue Françoise & de la frachise & bonté naïve enuers le langage Toscan & Florentin, lesquelz s[ ?] derivez & descendus dun mesme tronc & racine: cestasauoir, de la langue Latine, mère de toute eloquence. Tout ainsi comme les ruisseaux procedent de la fontaine, […] doiuent viure & perseuerer ensemble, en amoureuse concordance. Neantmoin commençoit entre lesdits deux personnages, qui de

152 Das topische Wechselspiel zwischen sprachlicher Über- und Unterlegenheit als Indiz sozialer sowie kultureller Dominanz und Unterwerfung stellt in aktuellen Publikationen des Vereins Avenir de la Langue Française (ALF) ein rekurrentes Argumentationsmuster dar (cf. Kap. 4.2.1.1). Sprachliche Über- und Unterlegenheit treten dort in Assoziationsbereichen auf, die sich nah an der in der französischen Sprachpflege sehr geläufigen Kriegs- und Kolonialisierungsmetaphorik bewegen. So wird z. B. die Frankophonie gänzlich losgelöst von ihrer eigenen kolonialen Vorgeschichte betrachtet, die Situation des Französischen selbst aber als Kolonialisierung durch das Englische und die angloamerikanische Kultur beschrieben. In diesem Bildkontext, der historische Fakten zugunsten der eigenen Position schlichtweg umdreht, treten lexikalische und metaphorische Felder zu den Konzeptbereichen HEGEMONIE, IMPERIALISMUS und UNTERWERFUNG als zentrale Sprachgebrauchsmuster auf: «À l’autre bord, du côté des “think tanks”, on s’ingénie à inventer de nouveaux mots d’ordre : “faire France”, “faire famille” – comme on dit “faire caca” –, ces expressions, que nos élites utilisent sans broncher, trahissent une infantilisation sans précédent de la pensée, et lui imposent la domination de la matière, l’écrasante matière, à quoi les fragiles “immortels” que nous sommes ne peuvent guère opposer qu’une liberté de penser, fondée sur un usage réglé de la grammaire et l’emploi le plus juste possible et le plus varié des mots» (JALF 2014.3, 9) oder «La Francophonie n’est pas un avatar de l’impérialisme ou du colonialisme. Elle ne dérange qu’en remettant en cause la résignation dominante. Elle suppose que Sisyphe veuille encore hisser son rocher» (JALF 2014.3, 13) oder «Cette classe est décalée et dépassée, confite dans les petites manœuvres, l’impuissance et le déni, dans la soumission à Washington, New York et Londres, à Bruxelles, Berlin et Francfort, à Pékin, Riyad et Doha» (JALF 2014.3, 1).

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toute prime ieunesse sestoient entreaymez par admiration de vertu, à sourdre quelque debat & altercation de leur preeminences quant à fidelité:& ce procedoit de gracieuse ialousie: Car lune des parties soustenoit, que la langue Françoise estoit assez gente & propice, suffisante assez & du tout elegante pour exprimer en bonne foy,& mettre en effect, tout ce que le langage Toscan ou Florentin (iasoit ce quis soit le plus flourissant d’Italie) sauroit dite ou excogiter, soit en amours soit autrement (Lemaire de Belges 1549, 380). (83) & par grand engin & labeur de plufieurs excēlles & notables perfonnages Romains, ont rendu la langue Latine à peu près auffi parfaite que la Grecque, fi comme Ciceron mefme le tesmoigne. Qui fut la raifon, pourquoy les autres païs et prouinces, qui depuis fe font fouftraits de l’obeïffance de l’empire Romain, ont retenu l’vfance d’icelle langue quafi en toute Europe […] Car premieremēt par le moyen des grandes & glorieufes cōquettes j qu’auez faites en Italie, n’y a quartier maintenāt en icelle, ou le langage François ne foit entendu par la pluspart des gens : tellement que la ou les Italiens reputoyēt iadis les François Barbares tant en meurs, qu’en langage, à prefent f’entrentendēt fans truchement les vns les autres : & fi f’adaptent les Italiēs, tant ceux qui font foubs voftre obcïffance, que plufieurs autres, aux habillemēs & manière de viure de France. Et par cōtinuation fera quafi tout vne mefme façon, ainfi que lon voit de ceux d’Aftifane & de tout le Piedmōt : lefquels au moyen de ce qu’ils ont de longtēps efté foubs la feigneurie & obeïffānce de vous & de voz predeceffeurs Ducs d’Orleās, ceux d’Aft & ceux de Piedmont, des Princes de Sauoye, qui viuoyēt & viuent à la Françoife, ne font pas grādement différēs de la forme de viure de Frāce : & fi entendēt le lāgage tout ainfi que leur propre, & ; le parlēt la pluspart d’eux. Auffi eft la lague Françoife moult publiee en plufieurs autres prouinces & nations d’Europe, pour la continuelle cōmunication que les Princes & peuples d’icelle ont auec eux & voz fuiets, plus grāde beaucoup qu’ils n’ont euë, bien long tēps a. D’autre part auffi par l’autre moyen plus exquis, & qui plus fait à louër, vous trauaillez à enrichir & magnifier la lague Frāçoife (de Seyssel 1559, aa ij). Dieses für die Renaissancezeit typische Programm eines mit dem zeitlichen Fortschritt immer weniger an die antike Tradition gebundenen Sprachausbaus der vernakularen Varietäten in Europa bezeichnet Pope als «[d]isplacement of Latin in the Sixteenth Century»: «Throughout the fifteenth and early sixteenth centuries, however, Latin retained its dominance, with even heightened prestige, and it remained for the century most closely asso-

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ciated with the revival of antiquity, the one most successful in the cultivation of elegant Latinity, to oust it from its pride of place and accord to the vernacular the right to express the highest thoughts and inspirations and the most highly-prized knowledge of its age» (Pope 1973, 27–28).

Der nach der langanhaltenden Vorrangstellung des Lateinischen in allen Bereichen der Öffentlichkeit eingeleitete Umbruch im Sprachbewusstsein und der Sprachreflexion wird durch unterschiedliche Maßnahmen flankiert, die auf der einen Seite die Stärkung und Verbreitung der Vernakularsprache unterstützen – darunter fallen erste Maßnahmen der Sprachgesetzgebung wie die Ordonnanz von Villers-Cotterêts, die Erfindung des Buchdrucks sowie die protestantische Bewegung – und auf der anderen Seite das Verständnis und den Status des Lateinischen schwächen, wie z. B. die seit der Karolingischen Renaissance betriebene Purifizierung der lateinischen Standardsprache nach ciceronischem Vorbild (cf. 79) und die dadurch eintretende Defunktionalisierung des Lateinischen in verschiedenen Bereichen der gelehrten und offiziellen Kommunikation.153 Unter diesen Einflüssen auf die Ausbildung des französischen Metasprachdiskurses tritt jedoch das von Pope (1973) genannte Aufkommen eines «[n]ational sentiment, stimulated by the desire to emulate the Italians and the nations of classical antiquity» am deutlichsten in den Belegen (82) und (83) hervor. Durch unterschiedliche Argumentationsverfahren verknüpft der ÜBERLEGENHEITSTOPOS die positive Positionierung der Verfasser zur französischen Sprache (Aufwertung) mit einer negativen Positionierung zu anderen Sprachen (Abwertung). Die negativen Werturteile zu anderen Sprachen sind dabei Ausgangspunkt kausaler Schlussverfahren, die den sprachlichen Kontext in einen direkten Zusammenhang mit dem nationalen Kontext setzen und auf diese Weise zur Konklusion führen, dass die sprachliche Überlegenheit des Französischen als Grund der nationalen Hegemonie Frankreichs, insbesondere gegenüber Italien gelten kann. Der Auszug aus Lemaire de Belges Traicté intitulé la concorde des deux langages (cf. 82) lässt auf den ersten Blick durch den versöhnlichen Titel eine im Vergleich zu de Seyssel (cf. 83) weniger aggressive Einstellung zur Sprachen-

153 «Medieval Latin, which had served as a general medium of communication for scholars in all countries and for all subjects, had been ordinarily a comfortable, easy-going kind of Latin, ‹une langue vivante donc chacune disposait à son gré, usant avec une liberté sans limite du droit de fabriquer des mots et de les construire à volonté.› The scholar of the Renaissance was contended with nothing less than latin of the purest type, Ciceronian by preference in vocabulary and construction, and this sublimated Latin proved a far less suitable vehicle for the expression of modern thought and scientific discoveries than the earlier ‹bon et gros latin›» (Pope 1973, 28).

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frage vermuten. Auch tritt in literarisch-stilistischer Hinsicht die unmittelbar nationalistische Zweckrationalität des sprachlichen Handelns durch die pseudohistorische Art der Ausführungen, die durch eine starke phatische Ausdrucksfunktion gekennzeichnet sind, in den Hintergrund (cf. Abb. 8). Allerdings darf nicht verkannt werden, dass der Autor die Frage nach dem Status des Französischen ganz bewusst im Kontext der frankoitalienischen Rivalität platziert und das zu einer Zeit, in der sich die Italienkriege erneut zuspitzen: «En 1510, la situation s’aggrave suite aux désaccords entre le pape et le roi de France, et provoque la rupture de la Ligue. Dès lors, Jules II s’allie contre la France avec Venise. En 1511, le pape Jules II, désormais allié aux Vénitiens, dirige sa politique contre la France et crée la Sainte Ligue. L’objectif de Jules II est d’étendre les domaines d’Église et de sortir d’Italie les étrangers. La Sainte Ligue se compose de Ferdinand le Catholique, d’Henri VIII (nouveau roi d’Angleterre), des Vénitiens et des Suisses. Cette alliance conduit à la perte du Milanais en 1512» (Pénot 2018, 9).

Darüber hinaus ist zu bedenken, dass Lemaire de Belges aufgrund starker Differenzen mit seiner bisherigen Protektorin Margarete von Österreich 1512 als Historiograph in die Dienste der Königin Anne de Bretagne tritt: «Il met dès lors sa plume au service d’une propagande nationaliste, défendant la politique du roi en même temps que la grandeur de la nation et de la langue françaises» (Pénot 2018, 4). Ebenfalls 1511 und offiziell noch unter dem Protektorat Margarete von Habsburgs veröffentlicht Lemaire das erste Buch seines berühmtesten Werkes, den Illustrations de Gaule et singularitez de Troye (1549).154 Der zweite und dritte Band erscheinen in den beiden Folgejahren und die Edition aller drei Bücher erfolgt ab 1523. Die Illustrations liefern eine umfassende mythologische Aufbereitung der Geschichte des gallischen Geschlechts, die Lemaire de Belges mit der göttlichen Abstammung der trojanischen Könige von Saturn und dem lybischen Herkules gleichsetzt (cf. Pénot 2018, 5).155 Durch die poetische Mythologi-

154 Der Traicté intitulé la concorde des deux langages ist in der Ausgabe von 1549 neben weiteren Einzelerzählungen in einem Anhang nach dem dritten Buch der Illustrations abgedruckt. 155 Zur Figur des Hercule de Lybie erläutert Saulnier (1966): «une figure développée, composite, où les traditions se cumulent. Hercule grec et Hercule de Libye, Hercule gaulois et Hercule chrétien : les allusions s’ajoutent, et l’idole qui résulte aurait presque le droit de prétendre l’héroïsme total ou tous les héroïsmes. Il ne lui manque même plus le souffle de l’Esprit, la valeur la plus étrangère à l’Hercule massif de la tradition commune. Et c’est finalement un peu de toute la Renaissance, dans ses aspirations complexes, que nous apercevrons, au miroir des thèmes herculéens» (Vorwort Saulnier in Jung 1966). Im oben erwähnten Champ fleury (1529) lässt de Tory die von Lukian von Samosata im 2. Jh. n. Chr. als «Sinnbild der Sprache» (Trabant 2002, 13) geschaffene mythologische Figur des «gallischen Herkules» als «Verkörperung spezifisch französischer Eloquenz» (Vinken 2001, 41) in der lateinischen Übersetzung des

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sierung der burgundisch-österreichischen Herrscherlinie Frankreichs setzt Lemaire, wie an Beispiel (82) erkannt werden kann, den Rahmen für eine Verbindung von Sprache und Nation, die dem von Gardt (1994) definierten ontologisierend-patriotischen Sprachbegriff frühneuzeitlicher Sprachreflexion entspricht (cf. Kap. 3.2.1). In dieser Absicht bedient sich der Verfasser bestimmter narrativer und bildhafter Sprachgebrauchsmuster: Als externer Beobachter lässt er den Leser an einem fiktiven Gespräch zwischen den Gelehrten Mercurial und Palladien über die Eintracht des Französischen und Italienischen teilhaben. Diese als persuasives Dispositiv gezielt eingesetzte Sequenz fiktionaler Narration kann aus heutiger Sicht als historisches Storytelling definiert werden, das nach Salmon als «machine à fabriquer des histoires et à formater des esprits» (2007) in seiner negativen Ausprägung als manipulative Erzählstrategie für die Bereiche des politischen Diskurses, des Managements und des Marketings untersucht wurde und zur Wiederbelebung narratologischer Untersuchungen i. S. einer «kulturanalytisch informierten Erzähltheorie» (Krauss/Rentel/Urban 2014, 8) führte. Lemaire de Belges’ Gespräch über die Eintracht der Sprachen und Nationen stellt dem Leser einen Kommunikationsraum zwischen Fiktion und Realität zur Verfügung, in dem die Frage nach nationaler Identität durch Sprache auf metasprachlicher Ebene erzählerisch verhandelt wird. Die Verlagerung der Frage in den Kontext eines dialogischen Gelehrtengespräches nach antikem

Erasmus von Rotterdam auftreten: «Herculem Galli lingua gentis vernacula Ogmium vocant. Porro Deum ipsum nova quadam atque inusitata figura depingunt. Decrepitus est apud illos, recalvaster, reliquis capillis, si qui reliqui sunt, plane canis, cute rugosa, et in aterrimum exuita colore […] Siquidem Hercules ille senex ingentem admodum hominum multitudinem trahit, omnibus ab aure revinctis. Porro vincula cathenulae tenues, auro/electrone, pulcherrimis istis monilibus assimiles […] neque prorsus obnituntur, aut pedibus advertis trahentem obtendunt, sese resupinantes, verum alacres ac laeti sequuntur, ducentem admirantes» (de Tory 1529 B ij v°). Zur Bedeutung dieser allegorischen Verbindung der französischen Sprache mit dem Bild der (unüblicherweise) gewaltfreien mythologischen Machtfigur des Herkules, der in seiner gallischen Erscheinung als Ogmius seine Gefolgschaft durch Weisheit an sich bindet, bemerkt Trabant in sprachpolitischer Hinsicht: «Tory erkannte im Gallischen Herkules sofort eine Allegorie für die Rolle der Sprache und Beredsamkeit in Frankreich. Er konstruiert eine Kontinuität zwischen den antiken Galliern und den modernen Franzosen in der Einschätzung der Sprache. Und nur zwanzig Jahre danach, 1549, in der berühmtesten propagandistischen Schrift zugunsten des Französischen, der Défense et illustration de la langue française vom Joachim du Bellay, ist der Gallische Herkules Frankreich, das die Kultur der Antike nach Paris führt. Der Hercule Gallique ist dort der Agent der von der Pléiade beschworenen translatio studii von Athen und Rom nach Paris. Und im selben Jahr gelangt der Herkules in die öffentliche Repräsentation als Symbol für die politische und kulturelle Macht des französischen Königs: Das Tor von Paris schmückt bei der Entrée Heinrichs II. ein Gallischer Herkules, der die Völker und Stände an der goldenen und bernsteinernen Kette – an der Zunge Frankreichs also – in die Pariser Herrschaft, in die ‹Hörigkeit› führt» (2002, 13–14).

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Muster dient der anschaulichen Vermittlung einer affektiven Einstellungskomponente zur Sprachenfrage jenseits des Textes, indem im diskurslinguistischen Sinne nach Spitzmüller/Warnke «transtextuelle Sprachstrukturen» (2011, 121) greifbar werden: «Die narratologische Analyse setzt die Unterscheidung und die Unterscheidbarkeit von Fiktion und Wirklichkeit voraus. Dabei erweist sich eben diese Unterscheidung, mit der die Literaturwissenschaft sich so lange beschäftigt hat und in der ein oder anderen Weise immer noch beschäftigt, als unbrauchbar oder doch zumindest als problematisch – wenn man, mit oder ohne Derrida davon ausgeht, dass es kein ‹Außerhalb des Textes› gibt. Wenngleich wohl niemand das Vorhandensein des Faktischen außerhalb des Textes bestreiten wird, so wird dieses doch erst begreifbar und also bedeutend in seiner Vermittlung durch Sprache oder andere medientechnische Dispositive: Dass da (ontologisch) etwas ist, scheint zumindest plausibel, was es ist und was es also (für mich) bedeutet […] erschließt sich nur mittelbar und also im (sprachlichen) Medium. Nun sind die Modalitäten dieser Vermittlung nicht zwangsläufig narrativ – allerdings scheint die erzählerische Vermittlung von Faktizität in besonderer Weise effektiv zu sein» (Krauss/Rentel/Urban 2014, 8–9).

In dem Moment, wenn die von Lemaire auf kommunikativer Ebene in zweckrationaler Absicht als illustratives Beispielargument aufbereitete Schlussfolgerung der Gleichwertigkeit oder Überlegenheit der französischen Sprache beim Rezipienten die nicht-kommunikative, subjektive Innenwelt erreicht und dort positive Spracheinstellungen zum Französischen aktiviert (cf. Abb. 8),156 vollzieht sich der Übergang von der Sprachhandlung zur Diskurshandlung. Dieser sprachnationale Diskurs ist wie oben erwähnt bei Lemaire de Belges auf der Ebene sprachlicher Äußerungen noch nicht so markant ausgeprägt wie bei Claude de Seyssel (cf. 83), jedoch geben einzelne sprachliche Muster eindeutige Hinweise auf einen Metasprachdiskurs nationalideologischer Prägung: So impliziert das fingierte Gelehrtengespräch die für die Renaissance durchaus typische Vorstellung von der intellektuellen Elite als dominantem Produzenten eines geschlossenen Diskursmodells (cf. Kap. 2.1.3). Das Bild der gelehrten Elite vermittelt in argumentationsanalytischer Hinsicht als AUTORITÄTSTOPOS einen bestimmten Sprachstandard, ohne dabei die normative Haltung zur Sprachenfrage durch inhaltliche Argumente zu rechtfertigen. Von der Annahme ausgehend, dass Autoritätsargumente i. d. R. durch Quantitäts- und/oder Qualitätstopoi fundiert werden, die bei Lemaire de Belges

156 Cf. (82): «Car lune des parties soustenoit, que la langue Françoise estoit assez gente & propice, suffisante assez & du tout elegante pour exprimer en bonne foy, & mettre en effect, tout ce que le langage Toscan ou Florentin […] sauroit dite ou excogiter».

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nicht vorliegen, sei mit Kienpointner (2003) auf die populistische Variante des AUTORITÄTSTOPOS verwiesen: «Der Quantitätstopos stützt sich auf die Präsupposition, daß alle in deskriptiven bzw. normativen Propositionen erscheinenden Ansichten, die von allen oder fast allen Menschen, oder von allen Fachleuten oder fast allen Fachleuten geteilt werden, tatsächlich hochplausibel sind. […] Vorzuziehen ist demnach unter Anderem, was von allen vorgezogen wird oder von der Mehrheit oder von einem angesehenen Menschen oder von einem gut etablierten Gesetz oder von (fast) allen Fachleuten vorgezogen wird. Eine kontextabstrakte Form des Quantitätstopos könnte vereinfacht wie folgt rekonstruiert werden: Was (fast) alle Angehörigen einer sozialen Gemeinschaft oder (fast) alle Fachleute für wahr (wahrscheinlich) bzw. für richtig (präferabel) halten, ist tatsächlich wahr (wahrscheinlich) bzw. richtig (präferabel) [Satz kleiner im Original]. Die populistische Variante des Autoritätstopos tendiert dazu, diese quantitativen und qualitativen Standards zu reduzieren. Was den quantitativen Standard betrifft, begnügt sich die populistische Argumentation oft damit, sich auf den (in der Sicht populistisch agierender Politiker und Politikerinnen) ‹essentiellen Teil› einer Gemeinschaft zu berufen, z. B. ‹die anständigen und fleißigen Leute›, ‹die wahren Patrioten›, ‹die Arbeiter› etc. Was den qualitativen Standard betrifft, wird die Ansicht der Fachleute oft nicht so klar berücksichtigt wie bei Aristoteles. Gleichzeitig entsteht die Gefahr, daß nur populistisch vorgegeben wird, daß man sich auf die Meinung (fast) aller Mitglieder einer Gemeinschaft oder auf die qualifizierte Meinung (fast) aller Fachleute berufen könne» (Kienpointner 2003, 121).

Auch wenn der von Kienpointner für rechtspopulistische Diskurse nachgewiesene Reduktionismus qualitativer und quantitativer Argumentationsverfahren hinsichtlich der Vergleichbarkeit von Korpora in keiner direkten Verbindung zu den hier ausgewählten historischen Zeugnissen des französischen Metasprachdiskurses steht – man bedenke auch, dass Lemaire de Belges’ Ausführungen aufgrund des königlichen Adressatenkreises und der Gesellschaftsstruktur im 16. Jh. mitnichten einer populären, sondern nur einer elitären Orientierung verpflichtet sein konnten – so schlägt die ideologische Färbung seiner Reflexion gerade durch die Bildhaftigkeit und Subjektivität der Argumentation eine Brücke zu Sprachgebrauchsmustern des Sprachpurismus, dessen verkappte sprachliche Strukturen den qualitativen und quantitativen «Mangelerscheinungen» populistischer Persuasionsverfahren sehr nahe kommen: Abstammungs- und Zugehörigkeitsreflexionen wie sie in (82) zur Gleichstellung des Französischen und Italienischen durch die Aneinanderreihung verschiedener Ursprungsmetaphern hergeleitet werden,157 beinhalten mehrstufige Assoziationen ethnischer Zugehörigkeit und nationaler Ab- und Ausgrenzung. Die Metapher des SPRACHURSPRUNGS ALS QUELLE führt als kontextspezifisches Bild der gemeinsamen Veranlagung zur «Ethnisierung» (cf. Stukenbrock 157 Cf. (82): «derivez & descendus dun mesme tronc & racine […] Tout ainsi comme les ruisseaux procedent de la fontaine».

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2005a, 327) des Französischen und Italienischen als Mitglieder einer Sprachfamilie, die zur Eintracht verpflichtet («amoureuse concordance»). Darüber hinaus vermittelt die Wassermetaphorik jedoch auch ein Bild sprachlicher Reinheit i. S. von Ursprünglichkeit und Klarheit – Merkmale, die das Französische stärker kennzeichnen als das Italienische und somit auch seine Abstammung von der lateinischen Muttersprache klarer erkennen lassen.158 Die Ethnisierung der Nationalsprache und gleichzeitige Herleitung der Überlegenheit des Französischen repräsentiert den von Lemaire de Belges sprachlich konstruierten Ausgangspunkt zur Darlegung der nationalen Überlegenheit Frankreichs (ÜBERLEGENHEITSTOPOS). Diskursgeschichtlich belegen solche Argumentationen die in Frankreich und in anderen romanischen Staaten bereits im 16. Jh. markante Verbindung von sprachlichen und politischen Ambitionen zu einer charakteristischen Schnittstelle von Metasprachdiskurs(en) und Machtdiskursen, die für die topische Repräsentation der Einheit von Sprache und nationalem Machtdiskurs fortan maßgebend ist (cf. Abb. 10). Aus dieser Schnittstelle werden auch heute in Sprachpflegediskursen Sprachideologien und Spracheinstellungen abgeleitet, die auf dem historischen Fundament sprachnationalistischer Prinzipien zur Abgrenzung von sprachlicher und nationaler «Identität» und «Alterität» beruhen und sich in dieser Funktionsweise folglich nie sprachimmanent äußern. Die oben diskutierten Belege einer «mächtig aufblühende[n] Grammatikound Lexikographie»159 sowie die ausgewählten «Marksteine der Entdeckung bzw. Umsetzung der nationalpolitischen Relevanz von Sprache»160 zeugen «von einer geradezu frenetischen Vertiefung der intellektuellen Diskurse zur Entstehung und weiteren Entwicklung des eigenen Idioms sowie einer dazu parallel einhergehenden Verbesserung von Korpus, Status und textlogischer Potenz der romanischen Vulgärsprachen» (Goebl 2004, 690) zur Zeit des Humanismus und der Renaissance. Was den korpusplanerischen Ausbau des Französischen und insbesondere die theoretische Fundierung der französischen Sprachpflege als nationalpolitisches Projekt anbelangt, ist jedoch das Werk Claude de Seyssels, darunter insbesondere seine historischen Übersetzungen, als bedeutendes Zeugnis und Beispiel für die Verbindung von Metasprach- und Machtdiskurs anzuführen (cf. Boone 2007, 85–106).161 Mit insgesamt sieben Übersetzungen antiker historischer Werke stellte der Berater Ludwigs XII. ein literarisches Programm zur Verfügung, das nicht nur

158 Cf. (82): «Car lune des parties soustenoit, que la langue Françoise estoit assez gente & propice, suffisante assez & du tout elegante». 159 Cf. (74)–(78). 160 Cf. (79)–(82). 161 Cf. auch Pope (1973, 28); Schmitt (1990, 356–357); Schmitt (2000, 685).

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3 Metasprachdiskurse als historische Systeme

nationaler

Metasprachdiskurs

Machtdiskurs Sprachideologien Spracheinstellungen

Sprachnationalismus

Abb. 10: Sprachideologien und Spracheinstellungen als interdiskursive Schnittstelle.

eigenen machtpolitischen Interessen dienen sollte, sondern auch einen sprachlichen Beitrag zur strukturellen Bereicherung der volkssprachlichen Varietät leistete: «[…] he meant that the rather crude French language would be enriched with elements for the more perfect Latin by imitating Latin style and adopting its vocabulary, just as Latin had been enriched by adopting elements of Greek. The other side of his endeavor was to extend knowledge by means of the French vernacular so that those in the interior of the country who did not know Latin could gain access to knowledge of the Scriptures, moral philosophy, medicine and history» (Boone 2007, 86).

Claude de Seyssel, der sich selbst v. a. in der Rolle des humanistischen Gelehrten sah (cf. Eichel-Lojkine/Vissière in de Seyssel 2009, 11), stand bereits ein gutes Jahrzehnt in den Diensten Ludwigs XII, als er 1509 mit diesem am Italienkrieg teilnahm «und dafür mit dem Erzbistum Marseille entlohnt wurde» (Schmitt 2000, 685). Im gleichen Jahr verfasste er die erst 1559 veröffentlichte Übersetzung der im 2. Jh. n. Chr. von Marcus Iunianus Iustinus angefertigten Epitome der Universalgeschichte des Pompeius Trogus und das von de Seyssel

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darin an den König gerichtete Vorwort (cf. 83) lässt an einer propagandistischen Absicht des von ihm geforderten Programms einer nationalen Sprachpflege im direkten Zusammenhang mit den hegemonialen Absichten Frankreichs im Italienkrieg keine Zweifel.162 In inhaltlicher und sprachlicher Analogie zur hegemonialen Absicht des sprachpolitischen Programms Nebrijas nach römischem Vorbild 163 fordert auch de Seyssel vom König die Einrichtung staatlicher Maßnahmen zugunsten eines dauerhaften und erfolgreichen Fortbestehens der französischen Sprache und Herrschaft.164 Diese intertextuellen Gemeinsamkeiten nationalistischer Metasprachdiskurse der Hochrenaissance werden nicht nur durch ähnliche programmatische Entwürfe einer an die Herrscherhäuser gebundenen Sprachpflege deutlich, sondern schlagen sich auch in der sprachlichen Ausgestaltung der Manifeste nieder. Die virulente diskursive Verbindung nationalpolitischer und sprachlicher Kontexte im Zusammenhang mit dem Aufstieg der europäischen Vernakularsprachen führt zur Ausbildung eines die einzelnen Sprachgemeinschaften überlagernden Sprachnationalismus (cf. Abb. 9; Abb. 10). Innerhalb dieser sprachideologischen Ausrichtung werden in Abhängigkeit von den nationalen Kontexten der sich langsam zentralisierenden Einzelstaaten kontextspezifische Wissensstrukturen generiert, die sich in den Positionierungen sprachreflexiver Schriften widerspiegeln, wo sie je nach argumentativer Absicht divergent eingesetzt werden: So erscheint z. B. der für die Sprachkritik des «hegemonialen Humanismus» (de Boer 2017, 528) typische BARBARENTOPOS mal als kontextspezifische Diskursstruktur zum Ausdruck «eigener» sprachlicher Unterlegenheit wie bei de Seyssel 165 oder Dolet,166 mal als Attribut zur Stigmtisierung des «Fremden» wie es bei Nebrija der Fall ist. 167

162 Aussagen über Inhalt und Aufbau des Originaltextes lassen aufgrund der unsicheren Überlieferungslage Raum für Spekulationen. Von Iustinus wissen wir, dass es sich bei dem von ihm angefertigten Text um ein Exzerpt aus den 44 Büchern der Historiae Philippicae handelt, die von Pompeius Trogus, einem aus der Narbonensis stammenden Geschichtsschreiber verfasst wurden. Zum Teil bei anderen Autoren auftretende fragmentarische Auszüge aus den Büchern und ihren Prologen bereiten bei der Rekonstruktion des Originals ebensolche Schwierigkeiten wie die von Iustinus vorgenommenen Kürzungen (cf. Yardley/Wheatley/Heckel 1997, 1). 163 Cf. (73): «estender se [scil. nuestro lenguaje castellano] en toda la duración de los tiempos que están por venir, como vemos que se ha hecho en la lengua griega et latina». 164 Cf. (83): «vous trauaillez à enrichir & magnifier la langue Frāçoife»/«pour accroiftre de plus en plus, & perpetuer en ce mōde, voftre nom & voftre mémoire». 165 Cf. (83): «tellement que la ou les Italiens reputoyēt iadis les François Barbares tant en meurs, qu’en langage». 166 Cf. (79): «pauenir à fin telle, que les estrangiers ne nous appelleront plus Barbares». 167 Cf. (71): «después que vuestra Alteza metiesse debaxo de su iugo muchos pueblos bárbaros et naciones de pèregrinas lenguas».

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Was in diesem Zusammenhang also die Frage nach der «exception» des französischen Metasprachdiskurses anbelangt, kann das Seysselsche Manifest in diskurshistorischer Perspektive, auch durch den Vergleich zum Spanischen, als wohl signifikantestes Zeugnis für die nationalideologische Politisierung des französischen Metasprachdiskurses eingeordnet werden, das die «im 16. Jh. formulierten Ideen vom staatsweiten Exklusivprimat der jeweiligen Nationalsprache […] radikal weiterentwickelt» hat (Goebl 2004, 692). In direkter Vorausschau auf die Ordonnanz von Villers-Cotterêts und die Sprachpolitik des 17. sowie 18. Jhs. kritisiert Schmitt in diesem Zusammenhang die unzureichende Rezeption der Ausführungen de Seyssels als ein «in der französischen Sprachgeschichte kaum adäquat verwertete[s] Zeugnis»:168 «Von ihm [scil. de Seyssel] stammt das Prinzip des cuius regio, eius lingua; er ist es auch, der im Vorwort seiner Übersetzung der Histoires universelles de Trogue Pompee abbregees par Iustin Historien (von 1509, erschienen 1559) ausdrücklich weitreichende sprachpolitische Planungen des französischen Königshauses bestätigt und als Konsequenz dieser von ihm gutgeheißenen Politik die Französierung des eroberten italienischen Gebietes fordert» (Schmitt 2000, 685).

Dieser Interpretation ist in allen Punkten zuzustimmen, v. a. wenn man berücksichtigt, dass auch weitere sprachreflexive Schriften dieser Zeit – es sei dabei insbesondere auf Lemaires Concorde des deux langues (82), Torys Champ fleury (70) und die Ars poetica-Übersetzung des Peletier du Mans (80) verwiesen – hinsichtlich der formulierten Spracheinstellungen von einem gleichgearteten sprachnationalen Sendungsbewusstsein zeugen, das sich zu einer sprachideologischen Tendenz des französischen Metasprachdiskurses entwickelt hat, an die sich in direkter Linie die Referenzwerke des klassischen Sprachnormendiskurses anschließen, wie z. B. die zehn Jahre vor de Seyssels Iustinus-Übersetzung veröffentlichte Deffense et Illustration de la Langue Françoyse (cf. Pope 1973, 28). Die Tatsache, dass sich in der folgenden Entwicklung gerade diese «grands textes patrimoniaux sur le français» (Paveau/Rosier 2007, 38) zu beständigen Bezugsgrößen sprachpflegerischer und puristischer Attitüden inner-

168 Schmitts Kritik (1990) bezieht sich auf einen Beitrag Brunots (1894), mit der Begründung, die von Brunot durch den im Titel verwendeten Begriff projet abgewertete Reichweite des von de Seyssel angestrebten nationalen Herrschaftsprinzips mittels sprachlicher Gleichschaltung sei keineswegs zutreffend: «Die Brisanz dieses Programms wurde von Brunot durch den merkwürdigen Titel un projet d’‹enrichir, magnifier et publier› la langue française en 1509, den der Aufsatz trägt, im dem de Seyssels sprachpolitisches Manifest analysiert wird, völlig verschleiert […]; in Wirklichkeit handelt es sich dabei um das erste imperialistische Programm in der Geschichte der französischen Sprache […], das C. de Seyssel […] vorlegt, der den französischen König dazu anhalten möchte, wie die Römer aktive Sprachpolitik zu betreiben» (Schmitt 1990, 356–357).

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halb des französischen Metasprachdiskurses entwickelt haben und damals wie heute als feste Bestandteile der diskursiven Konstruktion eines (sprach-)kulturell anerkannten ʻAutoritätsethosʼ (cf. Vicari 2015) figurieren,169 veranschaulicht mit Nachdruck den Wert eines gründlichen Einbezugs der Sprachreflexion im 16. Jh. in Analysen aktueller Tendenzen der Sprachpflege (cf. Kap. 4). Was an letzter Stelle die Struktur und gesellschaftliche Beteiligungsform am Metasprachdiskurs des Humanismus und der Renaissance anbelangt, so mag der Aufstieg der volkssprachlichen Varietäten und das Postulat einer flächendeckenden sprachlichen und kulturellen Assimilation – diese reklamiert z. B. de Seyssel für Frankreich und die von ihm eroberten Gebiete in Italien – den Eindruck einer der gesamten Gesellschaft zugewandten Sprachendiskussion vermitteln.170 Jedoch verbleibt politischen und sozialen Strukturen zentralis-

169 Vicari (2015) spricht dem «ethos d’autorité», das er als persuasives Muster auf der Äußerungsebene des sprachpflegerischen Diskurses der Académie française nachweist, eine diskursstrukturierende und -erhaltende Funktion i. S. eines «discours évident et partageable» bzw. eines «discours qui va de soi» zu: «On peut distinguer notamment entre des stratégies qui permettent aux discours de s’auto-légitimer et le recours à des énoncés génériques et à des références qui appuient les savoirs allégués sur des autorités appartenant au patrimoine culturel des Français» (2015, 22). In seinen Überlegungen bezieht er sich auf die diskurslinguistische Anwendung des aus der antiken Rhetorik stammenden «Ethos»-Begriffs als diskursive Form der Selbstpräsentation wie sie u. a. von Maingueneau (2002) oder Amossy (2014) vorgestellt wurde. An dieser Stelle sei mit Maingueneau (2002) im Zusammenhang mit historisch gewachsenen Diskursen auf die notwendige Differenzierung zwischen ʻdiskursivemʼ und ʻprädiskursivem Ethosʼ verwiesen: «L’ethos est crucialement lié à l’acte d’énonciation, mais on ne peut ignorer que le public se construit aussi des représentations de l’ethos de l’énonciateur avant même qu’il ne parle. Il semble donc nécessaire d’établir une distinction entre ethos discursif et ethos prédiscursif. Seul le premier, on l’a vu, correspond à la définition d’Aristote. Certes, il existe des types de discours ou des circonstances pour lesquels le destinataire n’est pas censé disposer de représentations préalables de l’ethos du locuteur: ainsi lorsqu’on ouvre un roman. Mais il en va autrement dans le domaine politique [et du discours (normatif) sur la langue; Ergänzung VN], par exemple, où la plupart des locuteurs, constamment présents sur la scène médiatique, sont associés à un type d’ethos que chaque énonciation peut confirmer ou infirmer. De toute façon, même si le destinataire ne sait rien au préalable de l’ethos du locuteur, le seul fait qu’un texte relève d’un genre de discours ou d’un certain positionnement idéologique induit des attentes en matière d’ethos. On peut mettre en doute le bien-fondé de cette distinction entre ‹prédiscursif› et ‹discursif›, en arguant que chaque discours se développe dans le temps […], mais il semble plus raisonnable de penser que la distinction prédiscursif / discursif doit prendre en compte la diversité des genres de discours, qu’elle n’est donc pas pertinente dans l’absolu» (Maingueneau 2002, 58). 170 Cf. (83): «iadis les François Barbares tant en meurs, qu’en langage, à prefent f’entrentendēt fans truchement les vns les autres : & fi f’adaptent les Italiēs […] Auffi eft la lague Françoife moult publiee en plufieurs autres prouinces & nations d’Europe, pour la continuelle cōmunication».

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3 Metasprachdiskurse als historische Systeme

tischer Monarchien entsprechend «[d]ie Pflege von und das Nachdenken über Sprache […] in den Händen ganz kleiner Eliten. Und anders als in Deutschland ist in Frankreich, Italien und Spanien das Prinzip der bedingungslos monozentrischen Ausrichtung der jeweiligen Dachsprache verankert worden» (Goebl 2004, 691). Nachdem der französische Metasprachdiskurs in der ersten Hälfte des 16. Jhs. v. a. durch die Entstehung der frühen Grammatiken und Reflexionen über das Verhältnis von Sprache und Nation geprägt war, ebnen in der Zeit danach verschiedene Spracherlässe einer sprachpolitischen Richtung den Weg, auf dem «sowohl das Lateinische als auch alle anderen nichtfranzösischen Sprachen (und hier insbesondere das Okzitanische Südfrankreichs) auf dem damaligen Boden Frankreichs aus dem Feld geschlagen werden» (Goebl 2004, 690). Nachdem im 15. Jh. unter Louis XI die Ablehnung des Lateinischen als Gerichtssprache durchgesetzt wurde, Charles VIII 1490 einen ähnlichen Erlass zugunsten der langue d’oc herausgeben ließ und diese Anordnungen 1510 von Louis XII und 1533 von François I erneuert wurden (cf. Peyre 1933, 63–66; Schmitt 1990, 355; Schmitt 2000, 683), werden ab der zweiten Hälfte des 16. Jhs. entscheidende politische Grundsteine der sprachlichen Einigung Frankreichs gelegt, das nun «bei der Verbindung von Heimat- und Ehrgefühl mit der Sprache, einem ansonsten paneuropäischen Problem, […] die Führungsrolle [übernimmt] (Schmitt 2000, 682; cf. Polzin-Haumann 2006b, 1476). In diesem Zusammenhang wird der zuvor bereits erwähnten Ordonnanz von Villers-Cotterêts (1539), deren Artikel 110 und 111 (cf. 84–85) sich auf die Regelung des Sprachgebrauchs beziehen und die bis heute vom französischen Kassationsgerichtshof angewendet werden (cf. Service public de la diffusion du droit 2019),171 die entscheidende Rolle als «Startschuss» der Sprachgesetzgebung zugeschrieben, wodurch bisweilen auch der Eindruck einer vermeintlich «revolutionären» Auswirkung des Edikts als historisches Moment der Offizialisierung des Französischen i. S. einer «‹rupture avec le passé›» (Peyre 1933, 67) entsteht. Eine solch punktuelle Datierung des Beginns der Sprachgesetzgebung auf dieses eine Edikt ist laut Schmitt (2000) nur wenig zutreffend, da vorangehende theoretische Reflexionen und die oben angesprochenen Spracherlasse

171 Zur Sprachenfrage der Artikel 110 und 111 übergeordneten Funktion der Ordonnanzen von 1539 resümiert Settekorn (1988): «Die hier [scil. in Artikel 111] angestrebte Vereinheitlichung der Gerichtssprache stand im Zusammenhang mit der Standardisierung der Gerichtsbarkeit, die deren Funktionieren und Kontrolle verbessern sollte. Allgemein gesehen erweist sich somit der erste Ansatz zu einer sprachlichen Vereinheitlichung als Teilschritt auf dem Weg zu einer staatlichen, politischen, ökonomischen und kulturellen Zentralisierung, die sich in einem Bündel von Standardisierungen und Normierungen manifestiert» (1988, 39).

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von 1490, 1510 und 1533 eindeutig belegen, dass Villers-Cotterêts «letztendlich keine Neuorientierung der Sprachpolitik, sondern den konsequenten Abschluss der Maßnahmen des 15. Jh. bildete» (Schmitt 2000, 683); es handelt sich also weniger um den Startschuss als vielmehr um «[d]ie entscheidende Schlussetappe im Kampf für die Volkssprache» (Schmitt 1990, 356). Ebenso positioniert sich auch Peyre, wenn er sagt, dass es sich bei dem in der Ordonnanz formulierten Primat des langage maternel françois um eine reeditierte Vorgabe handelt, die keineswegs zu polemischen Reaktionen geführt habe: «[…] l’effet qu’on lui reconnaît, l’interdiction des vulgaires, n’entraîna aucune réaction. Aussi sommesnous amenés à nous demander le sens précis d’un texte à la fois révolutionnaire et si inoffensif, puisqu’il transforma une politique sans susciter aucune polémique» (1933, 68, cf. Picoche/Marchello-Nizia 1998, 29; Kremnitz 2015, 9). (84) Et afin qu’il n’y ait casue de douter sur l’intelligence desdits arrêts, nous voulons et ordonnons qu’ils soient faits et écrits si clairement, qu’il n’y ait ni puisse avoir aucune ambiguité ou incertitude ne lieu à demander interprétation (Ordonnance sur le fait de la justice 1539, Art. 110). (85) Et pour ce que telles choses sont souvent advenues sur l’intelligence des mots latins contenus esdits arrests, nous voulons d’oresnavant que tous arrests, ensemble toutes autres procédures, soient de nos cours souveraines et autres subalternes et inférieures, soient de registres, enquestes, contrats, commissions, sentences, testaments, et autres quelconques, actes et exploicts de justice, ou qui en dépendent, soient prononcés, enregistrés et délivrés aux parties en langage maternel françois et non autrement (Art. 111).172 Wenn man die Ordonnanz einer sprachpflegerischen Tendenz zuordnen will, so zeigt die in Artikel 111 sehr klare Festlegung des langage maternel françois als ausschließliche Sprache des Rechtswesens, dass es sich mit Winkelmann um ein Dokument des sprachnormativen Diskurses handelt, der «darauf abziel[t], Sprachnormen einzuführen, durchzusetzen und aufrechtzuerhalten» (1990, 228). Wo ebenfalls Artikel 111 mit Blick auf die Sprachensituation weiterhin klar definiert, dass dem Lateinischen nun «[…] bereits zum dritten Mal die Funktion einer Gerichtssprache aberkannt [wird]» (Schmitt 1990, 356), lässt der Text aufgrund der verschiedenen Interpretationsmöglichkeiten der «expression synthétique bien étrange» langage maternel françois (Rey/Duval/Siouffi 2007b, 365) allerdings offen, «ob […] nur das Französische gemeint ist, oder ob sich darun-

172 Die Auszüge aus der Ordonnanz von Villers-Cotterêts wurden zitiert aus Wolf (1969, 52).

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ter alle galloromanischen Varietäten verstehen lassen» (Kremnitz 2015, 9). Letztere von Peyre unterstützte formaljuristische Lesart mag dabei durchaus auf dem korrekten Hinweis beruhen, dass die Begriffsbildung von français im 16. Jh. noch nicht abgeschlossen ist und folglich auch eine «Gleichsetzung von françois und maternel françois» (Schmitt 2000, 683), die erst im 17. Jh. nachgewiesen werden kann, nicht möglich ist: «Le mot français […] n’a pas au XVIe siècle le sens absolu, le sens parfait, compréhensif, unique qu’il acquerra avec l’achèvement de la France «une et indivisible»» (1933, 85) und eben diese «difficulté à mettre un nom sur l’idiome qu’ils voulaient opposer au latin» (Rey/Duval/Siouffi 2007b, 365) ist anhand der unterschiedlichen in den Spracherlassen dieser Zeit verwendeten Termini nur allzu deutlich erkennbar. Allerdings unterstützen sowohl die Chronologie dieser königlichen Erlasse zur Verwendung der Volkssprache ab 1510 als auch die konkrete Entwicklung der Sprachensituation eher eine realienpolitische Auslegung des Textes (cf. Schmitt 2000, 684; Polzin-Haumann 2006b, 1476). Gerade am Beispiel des Okzitanischen kann nicht nur nachvollzogen werden, mit welcher rasanten Geschwindigkeit das Gesetz im sprachlichen Alltag zugunsten des Französischen und zu Ungunsten der anderen volkssprachlichen Varietäten umgesetzt wurde, sondern auch, dass «der französische Monarch sich nicht um die formaljuristischen Aspekte seines Edikts scherte und nicht gewillt war, eine andere als seine eigene Sprache bei offiziellen Anlässen zu akzeptieren» (Schmitt 2000, 684). In der domaine d’oc, wo sich die Diglossie v. a. in den großen Städten seit Beginn des 16. Jhs. schon in Richtung einer Dominanz des Französischen verschoben hatte, stieß die definitive Durchsetzung des fortan institutionalisierten Ausbaus des «herrschaftssprachliche[n] Monopol[s] des Französischen» (Kremnitz 2015, 9) aufgrund mehrerer vorangehender Reformen und insbesondere nach der ebenfalls von François I erlassenen Ordonnanz von Is-sur-Tille (1535) auf nunmehr geringe Widerstände:173

173 «En 1535, les ordonnances d’Is-sur-Tille introduisent une réformation de la justice en terre française et en 1539 les Ordonnances de Villers-Cotterêts imposent l’emploi du ‹langage maternel françois› dans toutes les procédures juridiques. On voit qu’après 1539, le français apparaît dans les Landes gasconnes, dans l’Armagnac, dans la plaine de Bigorre, dans l’Albigeois, dans le Quercy et le Rouergue et en Provence. […] Vers 1550 on ne repère presque plus de traces de dialectes d’oc dans les textes officiels […]. Le français est alors langue écrite dans le Midi. Seuls le Roussillon et la zone pyrénéenne (le béarnais maintiendra d’ailleurs son statut de langue officielle en Navarre jusqu’en 1620) font exception à cette situation. Le sentiment d’unité linguistique et culturelle en territoire occitanophone se perd, l’accès au code scriptural devient sporadique et l’Occitanie évoluera vers une région de patois juxtaposés les uns aux autres» (Swiggers 1998, 70).

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(86) Item, pour obuier aux abus & inconueniens qui font par cy deuant aduenus, au moyen de ce que les Iuges de nostredit pays de Prouence ont fait les procez criminels dudit pays en Latin, & toutes enqueftes pareillement : Auons ordonné & ordonnons, à fin que les tesmoigns entendent mieux leurs depofitions, & les criminels les procez faits contre eux, que d’orefnauant tous les procez criminels, & lefdites enquestes en quelque matiere que ce foit, feront faits en François, ou à tout le moins en vulgaire dudict pays, où feront faits lefdits procez criminels & enqueftes, autrement ne feront d’aucun effect ne valeur (Fontanon 1611, t. I, liv. 2, VII, 307). Die Chronologie der Erlasse belegt eine inhaltliche Verdichtung auf den machtpolitischen Einsatz von Sprache als Teil eines nationalen Regierungsprogramms und wie Schmitt (1990) für die «Geschichte der romanischen Sprachen und speziell des Französischen» konstatiert, zeigt sich mit ihnen die erste richtungsweisende Tendenz, die dazu führt, dass in Frankreich «[…] Statusfragen stets zuungunsten von Minoritäten und Korpusprobleme grundsätzlich in nationalistischer und/oder ideologischer Zielsetzung behandelt und gelöst» wurden (1990, 354). Für die Herausbildung dieser puristischen und nationalideologischen Diskurstradition, v. a. in ihrer sprachpolitischen Ausrichtung haben das im Frühmittelalter einsetzende und im 16. Jh. nun konkrete metasprachliche Denken und Handeln einen entscheidenden Beitrag geleistet. Was die konkrete Durchsetzung dieser ideologischen Zielsetzungen anbelangt, zeigt der Erlass von 1539 auch, dass in ihm angewendete Persuasionsverfahren und argumentative Muster metasprachlichen Handelns bis heute fortbestehen. So weist Defaux darauf hin, dass sich das von François I zur Legitimation des monolingualen Sprachausbaus gegen das Lateinische und andere Varietäten außerhalb der Îlede-France ins Feld geführte Verständlichkeitsargument bis heute als Legitimationsverfahren sprachpflegerischer Diskurse fortsetzt und auch in den sprachgesetzgeberischen Initiativen des 20. Jhs. noch seine Anwendung findet (cf. Kap. 3.3.8): «François Ier a vite reconnu que ces ordonnances [scil. antérieures] n’avaient pas rectifié la situation et, après avoir reçu des remontrances des États de Languedoc […] il a fini par rédiger en 1533 une lettre patente exigeant que les notaires écrivent leurs actes dans la langue des contractants. […] C’est un principe de protection des consommateurs que l’on citera souvent dans l’histoire des politiques de la langue française, que ce soient les ordonnances du XVIIIe siècle qui condamnent l’emploi de l’hébreu pas les Juifs en Alsace ou, plus près de nous, la loi Toubon qui exclut l’emploi de l’anglais. Deux ans plus tard, François Ier veut appliquer à la Provence des réformes identiques à celles qu’autrefois avait demandé le Languedoc. Dans l’ordonnance d’Is-sur-Tille (1535), il exige encore l’emploi de la langue vulgaire, et de préférence celui du français» (Kibbee 2003, 67).

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Die Interessen dieses von François I auf den Weg gebrachten nationalsprachlichen Programms werden in der zweiten Hälfte des 16. Jhs. durch sprachpflegerische Arbeiten wie Joachim du Bellays La Deffence et Illustration de la Langue Françoyse (1549) fortgeführt – jedoch in eine andere sprachideologische Richtung. Als Mitglied der Pléiade, die im Rahmen ihres dichterischen Schaffens den Anspruch verfolgt, das vulgärsprachliche Französisch «als National- und Literatursprache auszubauen und dem Lateinischen gleichzustellen», stellt du Bellay mit der Deffense einen anti-normativen Entwurf von Sprachpflege bereit, der «[…] die sich in der Renaissance anbahnende Verquickung zwischen Dichtern und Mächtigen [...] [unterstützt]» (Vinken 2001, 33), gleichzeitig aber auch «[...] bereits die ideologische Grundlage für den späteren (Fremdwort-)Purismus [schafft]» (Funk/Weiland/Wenz 2018, 5).174 Wie Aschenberg (1994) zusammenfasst, unterscheidet sich du Bellays Manifest in seiner Absicht nicht maßgeblich von den sprachreflexiven Schriften der ersten Jahrhunderthälfte und auch nicht von früheren, an antiken Vorbildern orientierten Entwürfen von Sprachpflege: «Du Bellays Deffence et Illustration de la Langue Françoyse speist sich in der Entwicklung der zentralen Ideen bekanntlich aus verschiedenen Quellen. […] In nahezu wortgetreuer Übersetzung integriert der Autor seiner Programmschrift häufig ganze Passagen aus Ciceros De oratore, Horaz’ Epistola ad Pisones, Quintilians Institutio und Speronis Dialogo delle lingue, um nur die wichtigsten Vorlagen zu nennen. Die eklektizistischen Entlehnungen von Gedankenfragmenten, Begriffen und Metaphern aus kulturgeschichtlich und sprachtheoretisch völlig heterogenen Quellen haben zur Folge, dass du Bellay sie nicht in einer ausgewogenen und in sich kohärenten Konzeption auszugestalten vermag. […] Mit dem Grundgedanken seines Manifests, der Ursprung aller Sprachen liege in der menschlichen Erfindungsgabe (‹fantaisie›) und der allen Sprachen gemeinsame Zweck in der Vermittlung der ‹conceptions et intelligences de l’esprit› beschlossen […], macht sich du Bellay die Position Perettos aus Speronis Dialogo zu eigen. Die trotz der natürlichen Gleichheit und Gleichwertigkeit im Laufe der Geschichte entstandene Verschiedenheit von Sprachen führt er prinzipiell auf den unterschiedlichen Willen der Menschen […] faktisch auf die in den verschiedenen Kulturen ungleich praktizierte Sprachpflege zurück» (1994, 135).

Worin sich du Bellay hingegen von den oben betrachteten metasprachlichen Schriften des 16. Jhs. durchaus unterscheidet, ist die explizite Objektivierung von Sprache als Produkt einer sprechergebundenen Sprachpflege. So stehen die von Peletier du Mans in rhetorischer Funktion gewählte Personifizierung der

174 Zur Entwicklung sprachlicher Reinheit im Kontext der Identitätsbildung durch Sprache im frankophonen Raum cf. Ludwig/Schwarze (2006).

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französischen Sprache, die sich selbst verbessert und somit verbalisierte Vorstellung von Sprache als «eigenständigem Wesen»,175 Lemaire de Belges mystische Verbildlichung der Sprachabstammung und die davon abgeleitete ontologisierend-patriotische Sprachtheorie als Grundlage der ideologischen Überhöhung des Französischen176 sowie Sébillets Auffassung von der durch die «Armut» der Sprache verursachten Handlungsunfähigkeit der Sprecher177 im Gegensatz zu einem rational-universalistischen Sprachpflegeprogramm bei du Bellay, der «[…] die Vielheit der Sprachen gleich zu Anfang mit dem babylonischen Sprachengewirr [vergleicht], das als menschengemacht und deshalb beeinflußbar und veränderbar gedeutet wird. Mit dieser positiven Deutung besetzt er den negativen Topos Babel um» (Vinken 2001, 32, cf. 87) und mit ihm das Verständnis von Sprachkultur als universalem Prinzip der individuellen Fürsorgepflicht der Sprecher gegenüber ihren Sprachen (cf. 88). (87) Laquelle diversité et confusion se peut à bon droit appeler la tour de Babel. Doncques les langues ne sont nées d’elles mesmes en façon d’herbes, racines et arbres, les unes infirmes et debiles en leurs especes, les autres saines et robustes, et plus aptes à porter le fais des conceptions humaines mais toute leur vertu est née au monde du vouloir et arbitre des mortels. Cela (ce me semble) est une grande raison pourquoi on ne doit ainsi louer une langue et blasmer l’autre, veu qu’elles viennent toutes d’une mesme source et origine, c’est la fantasie des hommes, et ont esté formées d’un mesme jugement, à une mesme fin c’est pour signifier entre nous les conceptions et intelligences de l’esprit. Il est vray que, par succession de temps, les unes, pour avoir esté plus curieusement reiglées, sont devenues plus riches que les autres (du Bellay 1905, 56). (88) Et si nostre langue n’est si copieuse et riche que la grecque ou latine, cela ne doit estre imputé au default d’icelle, comme si d’elle mesme elle ne pouvoit jamais estre si non pauvre et sterile : mais bien on le doit attribuer à l’ingnorance de nos majeurs, qui ayans (comme dict quelqu’un, parlant des anciens Romains) en plus grande recommandation le bien faire que le bien dire, et mieux aimans laisser à leur postérité les exemples de vertu que les préceptes, se sont privez de la gloyre de leurs bien faits, et nous

175 Cf. (80): «notre langue Francoise, laquelle n’a pas long temps commenca a s’anoblir». 176 Cf. (82): «la langue Françoise estoit assez gente & propice, suffisante assez & du tout elegante pour exprimer en bonne foy, & mettre en effect, tout ce que le langage Toscan ou Florentin […] sauroit dite ou excogiter». 177 Cf. (81): «contrains par la pauvreté de nostre langue».

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du fruict de l’immitation d’iceux :178 et par mesme moyen nous ont laissé nostre langue si pauvre et nue, qu’elle a besoing des ornemens et (s’il fault ainsi parler) des plumes d’autruy (du Bellay 1905, 63–64). (89) Ainsi puis-je dire de nostre langue, qui commence encore a fleurir sans fructifier, ou plustost, comme une plante et vergette, n’a point encore fleuri, tant s’en faut qu’elle ait apporté tout le fruit qu’elle pourroit bien produire. Cela certainement non pour le defaut de la nature d’elle, aussi apte à engendrer que les autres, mais pour la coulpe de ceux qui l’ont eue en garde, et ne l’ont cultivée à suffisance, ains comme une plante sauvage, en celuy mesme desert où elle avoit commencé à naistre sans jamais l’arrouser, la tailler, ny defendre des ronces et espines qui lui faisoient ombre, l’ont laissée envieillir et quasi mourir. Que si les anciens Romains eussent esté aussi negligens à la culture de leur langue, quand premièrement elle commença à pulluler, pour certain en si peu de temps elle ne fust devenue si grande. Mais eux, en guise de bons agriculteurs, l’ont premierement transmuée d’un lieu sauvage en un domestique puis afin que plus tost et

178 Zum Ursprung des imitatio-Prinzips als Methode bei der antiken Ausbildung zum Redner cf. Quintilians Institutio oratoria (1980): Inst. or. III 2, 3 «Initium ergo dicendi dedit natura, initium artis observatio. Homines enim, sicuti in medicina, cum viderent alia salubria, alia insalubria, ex observatione eorum effecerunt artem, ita, cum in dicendo alia utilia, alia inutilia deprehenderunt, notarunt ea ad imitandum vitandumque, et quaedam secumdum rationem eorum adieceruntipse quoque». Im Zusammenhang mit du Bellays Deffense bemerkt weiter Aschenberg (1994), dass «[d]ie Vertreter der französischen Renaissance, namentlich die Dichter der Pléiade […] sich mit einer noch komplexeren ‹Problemstellung› konfrontiert [sehen], da für sie ‹der Kreis der Vorbilder wesentlich erweitert› ist: Orientierungen auf dem Weg ihrer Suche nach Gestaltungs- und Bereicherungsmöglichkeiten der zu schaffenden nationalen Literatursprache bieten ihnen neben Texten aus der griechischen und römischen Antike auch die Schriften von Autoren der italienischen Renaissance. Die exemplarische Normativität insbesondere der römischen und italienischen für die Herausbildung der französischen Sprachkultur wird durch ihre grundsätzlich analogen Entstehungsbedingungen gerechtfertigt: ebenso wie die lateinische Sprache und Literatur in Orientierung an griechischen, die italienische durch Nachahmung und zugleich Überwindung von lateinischen Traditionen ihre Gestalt fanden, werden die Entwürfe zur Pflege des Französischen unter das Signum einer mehr oder weniger engen Anlehnung an antike und italienische Vorbilder gestellt. Art und Intensität einer solchen Anlehnung sind dabei nicht zuletzt entscheidend für die jeweilige Auffassung von Sprache und Sprachpflege» (1994, 134). Für das Deutsche weist Stolt (2003) darauf hin, dass die von Quintilian definierte imitatio als «Nachahmung anspruchsvoller Vorbilder sowie der Natur» zur «Grundlage aller Empfehlungen im deutschen Humanismus und Barock» wurde und dass «[w]ährend die Humanisten wie Quintilian […] die sorgfältige Wahl der Vorbilder betonen, […] im Barockzeitalter vor allem die Natur zur Nachahmung empfohlen [wird]» (2003, 2585). Zur Bedeutung der Imitation bei du Bellay und Peletier du Mans cf. ausführlich Aschenberg (1994).

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mieux elle peust fructifier, coupant à l’entour les inutiles rameaux, l’ont pour eschange d’iceux restaurée de rameaux francs et domestiques, magistralement tirez de la langue grecque, lesquels soudainement se sont si bien entez et faits semblables à leur tronc, que desormais n’apparaissent plus adoptifs, mais naturels (du Bellay 1905, 64–65). Du Bellay entwirft eine poetische Sprachkultur nach römischem Vorbild und bedient sich dabei der Pflanzen- und Wachstumsmetaphorik (cf. 87, 89), die in der französischen Sprachreflexion des 16. Jhs. eine zentrale Form metasprachlicher Konzeptualisierung der Vernakularsprache, insbesondere in Abgrenzung vom Lateinischen darstellt, und im 19. Jh. zum Bild von Sprache als Organismus ausgebaut wird: «Dans les textes [scil. du XVIe siècle], on observe un choix de concepts sous-jacents au métalangage, ce qui montre une certaine indépendance des auteurs face à la tradition latine. Le concept le plus connu est sans doute celui qui rapproche la langue d’une plante, concept exploité volontiers par Ronsard et du Bellay» (Polzin 1998, 6).179

Ähnliche metaphorische Muster werden, wie oben dargelegt, auch in den Programmen der deutschen barocken Sprachpflegegesellschaften entworfen (cf. Kap. 3.2.1), die sich, wie Stukenbrock nachgewiesen hat, dann im Rahmen einer «biologistisch-pathologisierenden Metaphorik […] im 19. Jahrhundert» zu einem «besonders vielseitige[n] und facettenreiche[n] Bilderkomplex» entwickeln, bei dem «[a]uch die Tätigkeit der Sprachpfleger […] in der überlieferten Pflanzenmetaphorik veranschaulicht wird» (2005a, 263). Emblematisches Beispiel dafür ist bereits ihrem Namen nach die Fruchtbringende Gesellschaft, auch Palmorden genannt, deren vitalistische Spracharbeit durch die Metaphorisierung von SPRACHE ALS ORGANISMUS beschrieben wird.180 In diesem Zusammenhang kann nicht nur festgestellt werden, dass es «Parallelen zwischen vergangenen und gegenwärtigen Diskursen […] auch bei der symptomfunktionalen Einschätzung der jeweils kritisierten Sprachphänomene [gibt]» (Stukenbrock 2005b, 236–237) und dass es sich um sprachenübergreifen-

179 Eigene Zählung nach unpaginierter Onlineversion. 180 Cf. z. B. v. Hilles Bericht Der Teutsche Palmbaum, in dem er die Sprachpflege der Fruchtbringenden Gesellschaft lobt: «Solches kann mit Grund gesagt werden / fuhre er fort / von der Hochlöblichen Fruchtbringenden Gesellschaft / welche unter sich gewurzelt / und über sich Frucht getragen / […] / und zu Erhalt- und Handhabung der Teutschen Heldensprache / als der Frucht unseres Mundes gewidmet worden. […] An den Früchten merket man / wie des Baumes gewartet ist: also merket man an der Rede / wie das Herz geschikkt ist» (v. Hille 1647, 37*).

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de Muster handelt ist, sondern dass metaphorische und topische Strukturen nicht an einen bestimmten Gegenstand der Sprachkritik gebunden sind, sondern innerhalb der Diskurse, ihrer Themen und Objekte umgedeutet werden können, bei dieser Abwandlung ihren Wiedererkennungswert als Sprachgebrauchsmuster jedoch nicht einbüßen. Mit Schmitt kann hier von einem «genormte[n] Handwerkzeug» gesprochen werden, das «als Teil eines konventionellen Kommunikationsprozesses» (1998a, 461) in neuen kommunikativen Kontexten verwertet wird. V. a. in aktuellen Äußerungen deutscher Sprachpfleger wird die Pflanzenmetaphorik des historischen Metasprachdiskurses als persuasives Gedächtniskonzept einer bestimmten sprachkulturellen Praxis eingesetzt.181 Die folgenden Beispielbelege aus den Sprachnachrichten und den Nutzerkommentaren auf der Facebook-Seite des Vereins Deutsche Sprache (cf. 90–95) veranschaulichen die historische Umdeutung der Pflanzenmetaphorik, die im 16. Jh. an ein offenes Konzept von Sprachpflege i. S. v. Sprachbereicherung geknüpft war und in der heutigen Sprachendiskussion als geschlossenes Konzept von Sprachpflege recycelt wurde. Sprachpflege versteht sich in dieser geschlossenen Deutung als Mittel gegen Spracheinflüsse von außen – wie z. B. Entlehnungen aus dem Englischen, die als «Auswüchse» und «Wildwuchs» lexikalisch stigmatisiert werden – und wird somit auf programmatischer Ebene ideologisch korrumpiert.182

181 Sowohl im synchronen französischen Zeitschriftenkorpus als auch im Online-Korpus treten Pflanzenmetaphern insgesamt seltener und v. a. zur Betonung sprachlicher Herkunft und Zugehörigkeit sowie zur Bezeichnung des ʻVerwurzeltseinsʼ in der eigenen Sprache auf. Als Metaphernlexeme werden dabei häufig racine und Derivate des Substantives verwendet: «Nos langues régionales enracinées en France, dans nos terroirs métropolitains ou dans les DOMCOM, sont un patrimoine à préserver» (JALF 2014.1, 28); «Seul le français s’accompagne massivement du choix de vivre et de s’épanouir au Québec. Il est la meilleure façon d’enraciner les citoyens et d’engendrer une implication citoyenne pleine et entière dans la démocratie québécoise» (JALF 2014.3, 13); «Ce grand projet sera nommé le haut français, soit un français épuré, et surtout logique. On croisera ses belles racines avec ses formes morphologiques pour pouvoir tout décrire» (LVF, 13. 03. 2014); «Je trouve une certaine magie, dans le fait qu’un mot désignant un objet aussi singulièrement américain ait fait pousser ses racines aussi loin en Europe» (PL, 16. 04. 2011); Eine zu den deutschen Belegen (90)–(94) kongruente Konzeptualisierung zur pejorativen Bezeichnung von englischen Lehnwörtern kann nur an einem Beispiel belegt werden: «les mots anglais qui s’implantent chaque jour dans notre vocabulaire ne sont plus de l’ordre de l’échange, mais de la substitution (“checker” à la place de “vérifier”)» (PL, 22. 10. 2014). 182 Neben der im deutschen Teilkorpus dominanten Ideologisierung der Pflanzenmetaphorik als Sinnbild des sprachlichen Reinheitsverlustes finden sich auch einzelne Belege eines offeneren Verständnisses von Sprache, Sprachkontakt und Sprachkultur: «‹Wenn ich wüsste, dass morgen die Welt unterginge, würde ich heute noch ein Apfelbäumchen pflanzen›, sagte einst Martin Luther. UND Recht hat er! Ich hadere nicht darüber, was alles in Bezug auf die deutsche

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(90) Die Dominanz des Denglischen in der Werbung über die inhaltliche Auseinandersetzung mit dem potentiellen Kunden hat über die ärgerlichen Auswüchse hinaus in den letzten Jahren schleichend zu nicht unerheblichen Kollateralschäden geführt (SN 2012.4, 5). (91) In der SN-Ausgabe 48 hat Jupp Braun das Wuchern des englischen Slash als Ersatz für den schönen deutschen Schrägstrich beklagt (SN 2011.1, 11). (92) Wildwuchs in der Sprache […] Reiches Anschauungsmaterial für dieses Phänomen bieten die so genannten Stilblüten. Jedenfalls gefallen sich solche Personen, die solche „Gewächse“ entdecken […] (SN 2011.4, 12). (93) Wenn Sprache nicht gepflegt wird, nimmt das Unkraut überhand (VDS FB, 22. 02. 2014). (94) Ich denke, alle diejenige, die die Anglizismen in unsere Muttersprache einpflanzen vollen haben Minderwertigkeitkomplexe ... sie wollen allen beweisen, daß sie englisch sprechen können. Und ich finde es oft als Wichtigtuerei. ... wie armselig (VDS FB, 26. 06. 2013)!183 (95) Die VDS-Regionalgruppe 56 (Koblenz und Umgebung) und deren Regionalleiter Prof. Dr. Heinz-Günther Borck stellen auf der Bundesgartenschau ein interessantes Plakat aus: Der Besucher kann darauf eine von der Regionalgruppe erarbeitete Liste bedrohter Pflanzen in Rheinland-Pfalz mit einer Liste bedrohter deutscher Wörter vergleichen. Pfiffig (VDS FB, 14. 06. 2011)! Nicht nur greifen heutige Sprachpfleger auf diese metaphorischen Konzepte in persuasiver Absicht ihres sprachlichen Handelns zurück, sondern sie fördern auch aktiv die Ausbildung und Verfestigung dieser mentalen Konstrukte durch spielerische Analogieschlüsse bei Publika außerhalb der Sprachpflege wie das Beispiel zur Bundesgartenschau belegt (cf. 95), wo Vertreter des VDS den Besuchern einen Zusammenhang zwischen bedrohten Pflanzen und bedrohten Wörtern der deutschen Sprache suggerieren. Durch diese Gleichschaltung disparater kognitiver Bereiche wird SPRACHE ALS ORGANISMUS der Pflanzenwelt

Sprache schief läuft, sondern freue mich über jedes “Pflänzchen”, dass [sic] zu wachsen beginnt. Zum Beispiel die Schulpartnerschaft des Gymnasiums in Röthenbach mit Gilingham / Dorset ist ein leuchtendes Beispiel. An dieser englischen Schule wird Deutsch erfolgreich unterrichtet (und das seit mehr als 30 Jahren)» (VDS FB, 11. 11. 2014). 183 Zur besseren Nachvollziehbarkeit der Sprachgebrauchsmuster werden in diesem Kapitel auch Korpusbelege vor 2014 herangezogen, die später im Rahmen der synchronen Untersuchung jedoch nicht berücksichtigt werden (cf. Kap. 4.1.4).

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inhaltlich und funktional gleichgestellt und Besorgnis oder gar Furcht vor dem vermeintlichen «Aussterben» der deutschen Sprache wird als affektive Spracheinstellung hervorgerufen. Diese Emotionskodierung bietet den Sprachpflegern wiederum auf argumentativer Ebene den fiktiven kausalen Zusammenhang, um die Sprachverfallstopik als Kernthema moderner Sprachpflege plausibel und das Vorgehen gegen diese Entwicklung legitim erscheinen zu lassen (cf. Kap. 4). Die Bedeutung solcher metasprachlichen Emotionskodierungen wird von Rothenhöfer (2018) als «integrativer anthropologischer, semiotischer und soziopragmatischer Erklärungsansatz für diskursiv erzeugte und manifestierte Gefühlsäußerungen» und «ebenenübergreifender Mechanismus der sozialen Koordination und Bewertung im verbalen und multimodalen Diskurs» (2018, 488) ausführlich beschrieben und in dieser Arbeit in direktem Zusammenhang mit Sprachideologien und Spracheinstellungen betrachtet (cf. Kap. 4.1.3). Die organische Konzeptualisierung von Sprache kann verschiedenen ontologisierenden Erweiterungen unterliegen: In diesen werden Sprache und Sprechen z. B. strukturell mit physischen Größen assoziiert, etwa als abgegrenzte Einheit (SPRACHE ALS CONTAINER) oder mit chemischen Bildspendebereichen (SPRACHE ALS SUBSTANZ), die das räumliche Eindringen fremder Einflüsse von außen in die Muttersprache abbilden bzw. ihre substanzielle Durchmischung oder Verunreinigung (cf. hierzu auch Spitzmüller 2005, 207–209). Derartige Metaphernbereiche stellen entscheidende sprachliche Muster bei der diskursiven Wiederaufnahme, Weiterverarbeitung und Vermittlung einer reinheitsfixierten Sprachideologie dar, indem das Bild von Sprache als einheitlichem und geschlossenen System grundsätzlich nicht nur die Abgrenzung zu anderen, fremden Sprachen, sondern auch zu dahinter stehenden Kulturen und politischen Überzeugungen mit einbezieht (cf. Kap. 4.2.2; 4.3.1.3; 4.3.2.3). Vor dem Hintergrund dieser Überlegungen dürfte klar sein, dass die von du Bellay (cf. 96) neben den Grundsätzen der antiken Rhetorik, d. h. neben dem imitatio- (cf. 88) und translatio-Prinzip (cf. 97) geforderte Sprachbereicherung durch Archaismen, Entlehnungen aus anderen Sprachen oder durch den Einbezug von Regionalismen (cf. 98) weder im Sinne der Sprachpuristen des 17. Jhs. war noch im Sinne heutiger Sprachpfleger ist. (96) Et premier, c’est une chose accordée entre tous les meilleurs auteurs de rhetorique, qu’il y a cinq parties de bien dire l’invention, l’elocution, la disposition, la memoire et la prononciation. Or pour autant que ces deux dernieres ne s’apprennent tant par le benefice des langues, comme elles sont données à chacun selon la felicité de sa nature, augmentées et entretenues par studieux exercice et continuelle diligence (du Bellay 1905, 71– 72).

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(97) Toutesfois ce tant louable labeur de traduire ne me semble moyen unique et suffisant pour eslever notre vulgaire à l’egal et parangon des autres plus fameuses langues. Ce que je pretens prouver si clairement, que nul n’y voudra (ce croy-je) contredire, s’il n’est manifeste calomniateur de la vérité (du Bellay, 71). (98) Mais de peur que le vent d’affection ne pousse mon navire si avant en ceste mer, que je soy’ en danger de naufrage, reprenant la route que j’avoy’ laissée, je veux bien avertir celuy qui entreprendra un grand oeuvre, qu’il ne craigne point d’inventer, adopter et composerà l’imitation des Grecs, quelques mots françois, comme Ciceron se vante d’avoir fait en sa langue. Mais si les Grecs et Latins eussent été superstitieux en cest endroit, qu’auroyent-ils ores de quoy magnifier si hautement ceste copie, qui est en leurs langues ? […] Ne crains doncques, poëte futur, d’innover quelque terme en un long poëme, principalement, avecques modestie toutesfois, analogie et jugement de l’oreille […] Accommode doncques tels noms propres de quelque langue que ce soità l’usage de ton vulgaire suyvant les Latins […] Quant au reste, use de mots purement françois, non toutefois trop communs, non point aussi trop inusitez (du Bellay, 136–140). Zusammenfassend kann für den Sprachbereicherungsdiskurs als Tendenz der zweiten Hälfte des 16. Jhs. festgehalten werden, dass das Sprachkulturverständnis, wie es du Bellay in der Deffense et Illustration entwirft, dem Sprecher in Form des Poeten eine neue und aktive Rolle als Akteur metasprachlichen Denkens und Handelns zuweist. Der erfolgreiche Ausbau des Französischen folgt dabei einem Verhältnis von Welt, Denken und Sprache, das auf einer realistischen Grundhaltung beruht, die sich in den rational-universalistischen Positionen eines metasprachlichen Programms ausdrückt. In deutlicher Abgrenzung zur «Überzeugung von der inneren Gesetzmäßigkeit und Grundrichtigkeit der […] Sprache ‹von Natur aus›, die sie nur haben kann, wenn sie als monolithische Größe gesehen wird», sind die Prinzipien der humanistischen Sprachbereicherung entgegen der patriotisch-ontologisierenden Sprachauffassung oder den Ansätzen des sprachnormativen Diskurses nicht «unabhängig von den kommunikativen Praktiken und Interessen der Sprachgemeinschaft» (Janich 2004, 58), sondern machen genau diese zum Ausgangspunkt ihrer Sprachreflexion. In der Deffense wird dieser Unterschied z. B. durch die diskursive Modifikation des für die gesamte Renaissance typischen BARBARENTOPOS (73, 79, 83) erkennbar,184

184 Im synchronen französischen Online-Koprus kann der BARBARENTOPOS als Sprachgebrauchsmuster aktueller Sprachpflege lediglich als lexikalisches Kondensat in Form von barbarisme als Stigmawort nachgewiesen werden, z. B. zur Bezeichnung eines grammatischen

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da bei du Bellay «[…] die Grenze zwischen den barbarischen Sprachen und dem Lateinischen nicht ontologischer Art [ist], sondern […] einen relationalen Unterschied [markiert]; jeder Fremde ist Barbar, so wie jeder Barbar in der Fremde ist» (Vinken 2001, 31): (99) Pour commencer doncques à entrer en matiere, quant à la signification de ce mot Barbare : Barbares anciennement estoyent nommez ceux qui ineptement parloyent grec. […] Depuis, les Grecs transporterent ce nom aux moeurs brutaux et cruels, appelant toutes nations, hors la Grece, Barbares. Ce qui ne doit en rien diminuer l’excellence de nostre langue, veu que ceste arrogance grecque, admiratrice seulement de ses inventions, n’avoit loy ny privilege de legitimer ainsi sa nation et abastardir les autres […] Encore moins doit avoir lieu de ce que les Romains nous ont appellez barbares, veu leur ambition et insatiable faim de gloire, qui taschoyent non seulement à subjuguer, mais à rendre toutes autres nations viles et abjectes auprès d’eux, principalement les Gaulois, dont ils ont reçeu plus de honte et dommage que des autres (du Bellay 1905, 59–61). Mit der Kernaussage, dass man kein Barbar ist, sondern zu einem gemacht wird, vollzieht du Bellay hier zwei Positionierungsaktivitäten: Mit der Maxime «n’avoit loy ny privilege de legitimer ainsi sa nation et abastardir les autres» positioniert der Verfasser sich ideologisch als Anwalt des humanistischen Strebens nach Menschlichkeit als universalem Gütekriterium. Mit dem Vergleich, dass sowohl Griechen als auch Römer gegen ebendiese Maxime verstoßen ha-

Fehlers: «Ma remarque ne visait pas le fond de la question. Elle voulait juste, de façon un peu moqueuse, faire ressortir le barbarisme dans la citation : qui en fait sa…, dont l’incongruité vous a semble-t-il échappé. Enfonçons donc le clou : en français, on dit soit qui en fait la difficulté, soit qui fait sa difficulté. Pas les deux à la fois. Pas la ceinture et les bretelles. Et tant qu’on y est : en français, on écrit aussi tout à fait, sans aucun trait d’union» (PL, 19. 02. 2012). Der Barbarismus als Bewertungskriterium der antiken Sprachkritik und Bezeichnung eines ins Lateinische übernommenen fremden Ausdrucks, geht auf die in vielen Editionen Cicero zugeschriebenen Rhetorica ad Herennium zurück, wobei die Diskussion um den auctor incertus hier nicht weiter ausgeführt werden soll. Im vierten Buch wird der Barbarismus neben dem Soloecismus als vitium der reinen Rede (latinitas) beschreiben: Rhet. Her. IV, 17 «Latinitas est, quae sermonem purum conservat omni vitio remotum. Vitia in sermone, quo minus is Latinus sit, duo possunt esse: soloecismus et barbarismus. Soloecismus est, cum in verbis pluribus consequens verbum superiori non accomodatur. Barbarismus est, cum verbum aliquod vitiose effertur. Haec qua ratione vitare possimus, in arte grammatica dilucide dicemus» (1998). Cherubim/Walsdorf (2005) weisen darauf hin, dass diese Bewertungskonzepte der antiken Rhetorik bis zum Ende des 18. Jhs. auf die deutsche Sprachkritik, v. a. in Form der Antibarbarus-Literatur, großen Einfluss hatten (cf. 2005, 44–48).

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ben, instrumentalisiert er diesen sprachideologischen Standpunkt jedoch auch, indem er durch das Positionieren gegenüber der griechischen und römischen Sprachauffassung als negativem Beispielargument sowohl den eigenen Handlungsgrundsätzen in Bezug auf Sprache und Nation allgemeine Sinnhaftigkeit verleiht als auch auf gleichem Weg rechtfertigt, warum das Französische bislang einen schwächeren Status hat als andere Sprachen. Dieses argumentative Vorgehen zielt darauf ab, das französische Sprachbewusstsein zunächst von ontologischer Selbstanklage zu entbinden und darauf aufbauend Sprachpflege als Konzept zu definieren, das nicht auf Abgrenzung von «Eigenem» und «Fremdem» und somit nicht auf den Grundsätzen eines puristischen Bewertungsprogramms gegründet ist. Diese nicht auf Auslese bedachte Position vertritt auch Pierre de Ronsard im Vorwort seines unvollendeten Nationalepos La Franciade (1587). Die dort als Maßnahme des Sprachausbaus formulierte Notwendigkeit lexikalischer Entlehnungen aus anderen Sprachen und Varietäten außer- und innerhalb des französischen Sprachgebietes richtet sich aus utilitaristischen Gründen, aber ebenso explizit gegen das realienpolitische Primat der Sprache des Hofes, wobei Ronsard als ehemaliger Hofdichter bei dieser Haltung jedoch auch darauf bedacht ist, dem Courtisan aufgrund seiner Exzellenz und Ästhetik eine besondere Position innerhalb der von ihm geforderten Gleichstellung der Varietäten zuzusprechen: (100) Davantage je veux bien encourager de prendre la sage hardiesse, & inventer des vocables nouveaux, pourveu qu’ils soient moulez & façonnez sus un patron desja receu du peuple. […] Oultre je t’advertis de ne faire conscience de remettre en usage les antiques vocales & principalement ceux du langage Vvallon et Picard, lequel nous reste par tant de siecles l’exemple naïf de la langue Françoise, j’entends de celle qui eut cours après que la Latine n’eut plus d’usage en nostre Gaule, & choisir les mots les plus preignants & siginificatifs, non seulement dudit langage, mais de toutes les Provinces de France, pour servir à la Poësie lors que tu en auras besoin. […] Je te conseille d’user indifferemment de tous dialectes, comme j’ay desja dict: entre les quels le Courtisan est tousjours le plus beau, à cause de la Majesté du Prince : mais il ne peut estre parfaict sans l’aide des autres : car chacun jardin a sa particuliere fleur, & toutes nations ont affaire les uns des autres […] (Ronsard 1587).185 Dies bedeutet hingegen nicht, dass Sprachpflege als anti-puristischer Sprachbereicherungsdiskurs keine patriotischen Positionierungen mit einschließt. Im Ge-

185 Zitiert aus Wolf (1969, 60–62).

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genteil: Der mit «der Macht der Sprache verknüpfte imperiale Topos» ist in du Bellays Deffense kein Randthema, aber «[d]as Aufblühen von Sprache und Dichtung geht mit dem Aufblühen des Reiches Hand in Hand» oder besser gesagt umgekehrt, denn «[i]ndem Du Bellay die Macht der Sprache und der Dichtung anerkennt, ermöglicht er den gezielten Einsatz des Mediums, dem sich der Weltruhm der Römer so gut wie ausschließlich verdanke. Der Vorsprung, den die Römer vor den Galliern haben und der ihnen de facto ermöglicht, diese Barbaren zu nennen, liegt für Du Bellay nicht in der unterschiedlichen historischen Lage oder Faktizität, sondern in einem Vorsprung anderer Art, dem Begreifen des Mediums Dichtung, das die Alten so hervorragend einzusetzen wußten. Was die Römer vor allen Völkern auszeichnet, ist gegen den Strich der landläufigen Meinung und römischer Selbstdarstellung nicht ihr Mut, ihre Tapferkeit, kurz ihre Tugend; es ist Du Bellay zufolge das konsequente Einsetzen eines Mediums, das diese Tugend überlebensfähig macht. Die Römer werden von der ganzen Welt so gefeiert, ihre Taten sind so lange unbeschädigt im Gedächtnis geblieben und überstrahlen über Jahrhunderte hinweg den Glanz aller anderen Völker, weil sie begriffen, was Dichtung als Medium und Macht zu leisten vermag» (Vinken 2001, 33–34).

In der Deffense hat du Bellay seinen sprachideologischen Überzeugungen mit der Dichtung einen anderen «Händler» in Form eines ästhetischen Entstehungsraums und eine im Vergleich zum politischen Diskurs weniger offensive Wirkungsstätte gegeben. Für seine eigene Dichterzunft verfolgt er dabei letztlich ebenso propagandistische Ziele wie es die politischen oder politiknahen Akteure des 16. Jhs. zugunsten imperialer Bestrebungen vor ihm taten. Dies ist der Grund, warum die Ausprägungen des Metasprachdiskurses letztlich nicht vor dem Hintergund ihrer sozialen und medialen Divergenzen ausgelegt werden sollten, sondern als diskursive Tendenzen, die auf unterschiedliche Weise und nur in ihrer zusammengedachten Gesamtheit zur den Entwicklungen führen konnten, die im darauffolgenden 17. Jh. und danach für die französische Sprachendiskussion charakteristisch werden.

3.3.4 17. Jahrhundert: Standardisierung und Purifizierung In den ersten Jahren des 17. Jhs. blieben die literarischen Schaffenskreise der wichtigste Ort sprachbezogener Reflexionen. Mit François de Malherbe, der seit 1605 Hofdichter Heinrichs IV war und sich dort der Aufgabe des «‹restaurateur de la langue française›» (Rey/Duval/Siouffi 2007b, 503) angenommen hatte, «begann die eigentliche Normierung der französischen Sprache» (Winkelmann 1990, 339). Sein Wirken setzt die Maßstäbe für die sich mit dem französischen Absolutismus einstellende «civilisation de l’usage», bei der die zentralen Fragen des 16. Jhs. nach dem Ursprung und der nationalsprachlichen Legitimie-

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rung des Französischen gegenüber dem Lateinischen durch eine klare «Zielrichtung der Standardisierung» (Schmitt 2000, 694) abgelöst wurden und die zur Entwicklung vom «Apologie-Diskurs zum Hegemonie-Diskurs» (Schlieben-Lange 1992, 585) geführt hat. «Le souci de l’origine, de la légitimité historique, s’estompe devant le désir de se constituer des usages proprement modernes, quitte à négliger l’érudition. Tout ce qui est de l’ordre de la ‹grammaire› devient prétexte à réactions affectives. […] Un régime nouveau de la culture de la langue apparaît – régime de la polissure, du travail de surface –, sans rapport avec l’ancienne problématique de l’invention. C’est cette déconnexion entre le fond et la forme qui fait l’étonnement des commentateurs de l’époque» (Rey/Duval/Siouffi 2007b, 504–505).

Die Bedeutung von Malherbe für die Entwicklung der französischen Standardsprache zum «bon usage» ergibt sich aus der Subjektivität seines Sprachgebrauchideals und der Verpflichtung zur kollektiven Verbindlichkeit seiner Sprachdoktrin: «Surtout il a eu ce geste provocateur de suggérer une norme collective au travers de ses jugements personnels. Pour la première fois, un littérateur prétend exercer une certaine normativité dans la vie collective» (Rey/ Duval/Siouffi 2007b, 503). Mit den Commentaires sur Desportes (1605), einem sprachkritischen Kommentar «zu den Dichtungen seines Zeitgenossen Philippe Desportes»,186 zeigt sich Malherbe als «erste[r] normbewusste[r] Sprachpurist» und legt den Grundstein für ein Konzept von Sprachreinheit «in enger Beziehung zur präskriptiven Norm» (Pfister 2002, 257), die sich gegen alle von ihr abweichenden sprachlichen Formen und somit auch gegen das Lateinische richtet: (101) Comme le pèlerin qui sent en son courage, etc. Voici une fort mauvaise comparaison et mal exprimée. Tout chemin lui est clos ; ne sait qu’il doive faire. On ne dit pas : je ne sais que je doive faire, mais : que je dois faire. Je sais bien que le latin dit debeam ; mais il est question de parler françois (Malherbe 1862, 373). Malherbes kritische Annotationen heben sich durch die dogmatische Art seines Sprechens, den apodiktischen Ton, den subjektiven Gehalt sowie die Strenge seiner Äußerungen von einer sachlichen Sprach- und Literaturkritik und auch von früheren sprachbezogenen Einstellungsbekundungen ab. Zwar ist der Kommentar durch die Direktheit der metasprachlichen Urteile leicht nachvollzieh-

186 Zur Entstehung der Commentaires sur Desportes sowie zur Beziehung und zum Zerwürfnis zwischen Malherbe und Desportes cf. ausführlich Brunot (1891, 1–56 und 79–86).

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bar, jedoch bestärken letztlich das Übermaß an sprachbezogener Affektivität und das Fehlen einer objektiven Bewertungsgrundlage eines «dichtenden Pedanten», dessen «Eigenwille […] sich bewußt auf das Durchschnittlich-Musterhafte [beschränkt]», «eben die Tendenzen rational ausgerichteten Franzosentums», die von den Dichtern der Pléiade in deutlich milderer Form eingeleitet worden waren (Lausberg 1950, 174): «Le Commentaire sur Desportes n’est pas une lecture attrayante ni même facile. […] il a l’avantage au moins de l’ordre théorique; les divisions en sont si savemment et subtilement établies qu’il est possible, même à celui qui ne le pratique pas, de découvrir sans peine le commandement contre lequel il a péché. Nul au contraire ne s’aviserait d’aller chercher dans les notes d’une édition les règles de la grammaire, de la versification, du style ou de l’invention. Or le Commentaire n’est que cela: c’est ‹l’appareil› d’une édition où les phrases admiratives seraient remplacées par des critiques et des injures. […] Malherbe, législateur des syllabes poétiques, n’avait eu de commun avec les poètes proprement dits que l’amour sévère du rythme, l’exacte connaissance de la mélodie, une extrême délicatesse d’oreille et un heureux instinct de la forme. [… ] Il faut voir Malherbe plein de mépris pour son adversaire, triompher dans son inexpugnable et quelquefois stupide bon sens…» (Brunot 1891, 108–119).

Bei Malherbes Sprachpflegedoktrin, die Brunot in einer umfassenden Arbeit aus der fragmentarischen Randglossenstruktur der Commentaires sur Desportes zusammengefasst und geordnet hat (1891), handelt es sich um puristische Sprachkritik, mit dem Ziel, den usage de Paris in seinen Details und in seiner Gesamtheit zu perfektionieren und zu kodifizieren (cf. Teissier 1984, 38): «Selon cette théorie, toute considération visant à réglementer et à codifier le bon usage devait être fondée sur l’usage. La supériorité de l’usage de Paris étant assurée depuis longtemps, restait à choisir le groupe sociolinguistique dont l’usage pouvait servir de modèle» (Wolf 1983, 106). Vor diesem Hintergrund ist Malherbe, wie Lausberg (1950) sagt, «kein Entdecker, kein Schöpfer, sondern mehr der letzte Vollstrecker geschichtlich notwendiger und bereits vor ihm sich ankündigender Vorgänge der auf die Normalklassik zustrebenden französischen Literatur- und Gesellschaftsgeschichte» (1950, 173). Was die Definition von «Purismus» im Kommentar zu Desportes anbelangt, zeigt sich eindeutig, dass Malherbe «Sprachpurismus» als Sprachreinigung i. w. S. versteht, die sich sowohl auf interlinguale Einflüsse auf das Französische aus anderen Sprachen und Dialekten bezieht (cf. 102–104) als auch auf das intralinguale Streben nach Reinheit des Französischen i. S. sprachlicher Klarheit (clarté). Letztere wird v. a. durch den Mangel an lexikalischer und semantischer Korrektheit beeinträchtigt (cf. 105, 106). Ebenso werden andere sprachliche Bereiche kritisiert, wie z. B. satzlogische Probleme (cf. 107) oder das Einhalten von Regeln der gebundenen Sprache wie insbesondere die von Desportes verwendeten Reimschemata (cf. 108, cf. hierzu auch Winkelmann 1990, 339–340).

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(102) Coulants de larges pleurs m’arrosent le visage. La langue latine se sert de cet épitète : largi fletus ; mais la françoise, non (Malherbe 1862, 360). (103) Et ne doutoit (redoutait) l’effort de dix mille gendarmes, Ni de tant de guerriers que j’avois à l’entour. Il devoit dire : à l’entour de moi. — Il ne craignoit dix mille gensdarmes, ni de tant de guerriers. Les gendarmes à Paris sont guerriers ; je ne sais pas si à Chartres [scil. Desportes est né à Chartres] ils s’appellent autrement (Malherbe 1862, 361). (104) O temps, qui du haut ciel la vitesse mesures, Las ! retourne, disois-je, à mesurer les heures. Rime provençale ou gasconne, d’une diphtongue avec une voyelle (Malherbe 1862, 382). (105) Mais je perds cet avis, perdant ma liberté. Avis et opinion sont bien différents en ce lieu. Opinion y est bon, et avis n’y vaut rien. Il devoit dire : je perds cette opinion (Malherbe 1862, 373). (106) Mais la peur seulement de n’oser aspirer. Qu’est-ce que veut dire la peur de n’oser faire une chose ? Il veut dire : la peur de faillir ou choir en aspirant ou montant trop haut; ou bien : la peur de ne pouvoir arriver en si haut lieu, mais il le faut entendre par discrétion [scil. en devinant] (Malherbe 1862, 373). (107) Car si vous présumiez tant soit peu lui complaire, etc. Ce relatif n’est pas bien. Il devoit dire : mais sachez que ce charme n’est que pour moi, et que si vous présumiez de plaire à un autre, etc. Au demeurant, il parle ici comme un homme qui n’a jamais été obligé, ce qui ne se rapporte pas au langage précédent (Malherbe 1862, 380). (108) Carcans, perles, rubis, n’eussent mû les esprits. Vers rimé par le milieu. Au reste, j’eusse mieux aimé ému que mú (Malherbe 1862, 363). Malherbes sprachideologische Positionierungsaktivitäten bilden den Auftakt der Radikalisierung und Polemisierung einer puristischen Sprachvorstellung, die dazu führt, dass sich die französische Sprachenfrage im Laufe des 17. Jhs., und im Vergleich zu früheren Normalisierungsbestrebungen sowie zu metasprachlichen Diskursen in anderen romanischen Sprachen, charakteristisch zuspitzt. Diese Form metasprachlicher Bewertungsverfahren als Motor sprachideologischer Positionierungen und sprachbezogener Handlungen, die auf der rigorosen Abgrenzung vom «Anderen» beruhen und deren enge Verschränkung mit nationalen, sozialen und kulturellen Prozessen als Teil der «exception française» beschreibbar werden, erfahren bei Malherbe zum ersten Mal eine entscheidende Konkretisierung: Der Aspekt sozialer Dialektik als fundamentaler

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Bestandteil einer sowohl machtpolitischen als auch metasprachlichen Konstruktion eines vertikalen Gesellschaftsbildes wird nicht nur durch die positive Bewertung des Hofes und der Stadt als Orte und ihrer Sprecher als Modelle sprachlicher Reinheit ausgebaut und propagiert, sondern umgekehrt wird schlechte Sprache i. S. populären Sprechens durch die Konnotation des Plebejischen und Ordinären abgewertet. So findet sich in den Commentaires sur Desportes der von Malherbe geschaffene Neologismus plebé(e) als Stigmawort zur Diffamierung populären Sprechens:187 (109) Comment ? déjà vous en faisiez coutume/De vous mirer au feu qui vous allume. Façon de parler plébée (Malherbe 1862, 260). Auf diese Weise werden soziale Kategorien zur Bewertungsgrundlage von Sprachkritik und der absolutistische Diskurs zum Vorbild und Referenzsystem des Metasprachdiskurses. Beide beruhen auf einer strengen sozialen Disktinktion und einem gesellschaftlich sowie sprachlichem Ausschlussprinzip, das den Kern einer sprachpuristischen Ideologienbildung darstellt, die zum apodiktischen Gebrauch und der Pflege des einen Französisch sowie zum Interventionismus gegen Abweichungen verpflichtet: «[L]e purisme annule le sentiment de l’approprié. Il oublie ses présupposés, en d’autres termes, la variation linguistique, et, […], il considère que chaque expression doit appartenir à un seul et unique idiome, à ‹une› langue, à ‹la› Langue. En imposant à la variation linguistique la déontologie de ‹la› Langue, le purisme crée une conscience métalinguistique qui intervient lors de l’alternance d’idiomes» (Delveroudi/Moschonas 2003, 3).

Komplementär zur sozialen Opposition zwischen den wenigen Sprechern des Hofes und der Mehrheit der «provinciaux», «illettrés» und «classes inférieures» (Delveroudi/Moschonas 2003, 2) bilden metasprachliche Einstellungen bei Malherbe eine subjektive Wertetheorie, die das eine gute Französisch dogmatisch über andere und deshalb schlechtere Sprachformen stellen. Dabei formuliert er in den meisten seiner Anmerkungen auch keine graduelle Dichotomisierung,

187 Auf den Erstbeleg von plébée bei Malherbe und darauf, dass der Begriff sich im Rahmen der Sprachbewertung nicht durchgesetzt hat, weist Féraud in seinem Dictionnaire critique de la langue française (1787–1788) hin: «*PLÉBÉE, adj. Qui est du peuple. Populaire. Malherbe a employé ce mot, et Balzac et St. Évremont l’ont répété d’aprês lui. Malherbe a condamné luimême les locutions plébées, dit Balzac, ‹je ne me sers de ce terme qu’aprês lui. Fuyons ces expressions que Malherbe apelle plébées ST. ÉVR. Le Dict. de Trév. met ce mot sans le condamner. Rich. dit qu’il n’est en usage qu’au féminin. L’Acad. ne le met pas. Ce mot était trop latin: l’usage l’a rejeté; on dit populaire [sic ohne Satzzeichen im Original]» (Féraud 2003, s. v. plébée).

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sondern nur absolute Einstellungsmaßstäbe, die v. a. in Form starker lexikalischer Stigmatisierungen durch die Aneinanderreihung zahlreicher Pejorativa ausgedrückt werden: (110) ………. Et qu’on sut finement Au poids de la richesse estimer un amant. Sot. Qu’on peut de cent façons couvrir sa fantaisie. Est sot aussi (Malherbe 1862, 363). (111)

Car un tout tel destin que le vôtre s’apprête. Mauvais repos (Malherbe 1862, 364).

(112)

Et pour voir si vos yeux pourront brûler une âme, Vous me faites mourir en l’amoureuse flamme. Niaiserie (Malherbe 1862, 367).

(113)

Qu’il y a jà longtemps …………. Mauvais mot (Malherbe 1862, 368).

(114) Je m’ébahis comment vous m’avez pu penser Avoir si làche cœur que de vous offenser. Cette phrase est un peu rude ; elle est congrue pourtant (Malherbe 1862, 368). (115)

Hélas ! si mes douleurs vous touchoient la pensée. Mal parlé : mes douleurs vous touchent la pensée (Malherbe 1862, 369).

(116) J’étouffai ma douleur et couvris mon ulcère. Sale (Malherbe 1862, 372). Entscheidend an Malherbes Sprachdoktrin ist demnach die Konstitution puristischer Spracheinstellungen auf der Grundlage sozialer Faktoren, die für die Ausbildung des Metasprachdiskurses im 17. Jh. richtungsweisend ist. Den dabei unmittelbar entscheidenden Zusammenhang zwischen Sprache und Macht hebt auch Settekorn (1988) bei der Definition von «Sprachnormen» hervor, wenn er sagt, dass «Sprachbeherrschung und Wortmächtigkeit […] dabei einen doppelten konkreten Sinn [erhalten]: sie beziehen sich auf die Macht, Sprache und Worte zu bewahren oder zu verändern, einzelne Deutungen durchzusetzen, zu verbreiten oder zu unterbinden. Damit ist zugleich ein Herrschaftsverhältnis zu denen verbunden, die diese Macht nicht teilen, sondern ihr unterliegen, die sich den Entscheidungen der Wortmächtigen und der Sprachbeherrscher beugen und sie befolgen. Sprachbeherrschung kann dann als Ausdruck von

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Herrschaftsanspruch gelten, wenn der betreffenden Sprache oder dem Sprachstandard ein besonderer Wert beigelegt wird, der selbst wieder dadurch unter Beweis gestellt werden kann, daß sich einige mit seiner Pflege und Wahrung beschäftigen. Sprachbeherrschung gerät dabei zu einem Merkmal positiver sozialer Unterscheidung» (1988, 23–24).

«Sprachnormen» in ihrer Definition «als Teilmenge der sozialen Normen» (Settekorn 1988, 39) werden im 17. Jhd. entschiedener abgesteckt als je zuvor, da «[d]ie Zentralisierung des Königtums, der absolute Machtanspruch des Throninhabers, […] in allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens zum Ausdruck gebracht [werden]» und dabei «[d]ie Konversation als soziales Ereignis und als Form sprachlicher Symbolproduktion (Settekorn 1988, 46) eine zentrale Bedeutung einnimmt. Vor dieser Folie ist mit Strosetzki (2013) auf das Gewicht der Konversation und Sprachpraxis als entscheidende Form der Sprachkultur im 17. Jh. hinzuweisen: «Wenn Malherbe für die französische Sprache pureté, clarté und précision fordert, dann spricht er auch Erfordernisse der Kommunikation aus, deren oberstes Prinzip die Verständlichkeit ist, die durch die Vermeidung ungebräuchlicher, unklarer und ungenauer Redeweise erreicht wird» (2013, 163). Zollna (2013) verortet diese Entwicklung im Zusammenhang mit dem zunehmenden Einfluss der noblesse de robe und der damit einhergehenden «langsame[n] Verwischung der Klassengrenzen», bei der «die prekäre Lage des verarmten Landadels, seine Abhängigkeit vom König, […] zu einer Verunsicherung führt, die unmittelbare Auswirkungen auf das soziale Verhalten hat» und «das richtige Auftreten zu einer permanenten performativen Herausforderung» macht: «Der Sprachgestus in der Konversation sowie das soziale Auftreten, die politesse und honnêteté werden zu den entscheidenden Werten im Umgang und sprachlichen Verhalten» (2013, 292). Die von Malherbe zu Beginn des 17. Jhs. eingeführte Form der Sprachbewertung mündet somit in den normativen Ausbau idealtypischer Konversationsparadigmen und Sprachstile (cf. Strosetzki 2013, 193–245; Zollna 2013, 294–296) und entwickelt sich fortan zum «universelle[n] Diskurs des 16. bis 18. Jahrhunderts» (Schlieben-Lange 1992, 587). In der zweiten Jahrhunderthälfte wird dieser sprachpflegerische Diskurs «[v]om Sprachstil zum Nationalcharakter» ausgebaut. In dieser Zeit «löst in Frankreich die Sprachenfrage nicht nur hinsichtlich des viel diskutierten bon usage eine Welle von Texten zur Sprachnormierung und Sprachpflege aus, sondern in der zur neuen europäischen Vormacht aufgestiegenen französischen Nation ist das Verhältnis des Französischen zu den anderen Sprachen, vor allem den romanischen Schwestersprachen Italienisch und Spanisch ein wichtiges Thema» (Zollna 2013, 290).

Als Beispiel für diese Entwicklung des Metasprachdiskurses stehen Dominique Bouhours berühmte und gleichermaßen umstrittene Entretiens d’Ariste et d’Eugène (1671). Das zweite Buch der Gespräche zwischen den fiktiven Protagonisten

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widmet sich unter dem Titel La Langue Françoise sowohl der beispiellosen Ästhetik des Französischen (cf. 114–115) als auch der sich darauf gründenden Erhebung über andere Sprachen (117–118). Zollnas (2013) Einschätzung hinsichtlich der Relevanz des Textes für die Interpretation aktueller Metasprachdiskurse unterstützt den in dieser Arbeit angewendeten historisch-vergleichenden Ansatz bei der Untersuchung der Sprachendiskussion, dessen Bedeutung hier noch einmal hervorgehoben sei: «Nicht zuletzt im Zeichen aktueller Sprachendiskussionen und -konflikte kann es von besonderem Interesse sein, die historischen Diskurse nach ihren Wertungen und Argumentationsfiguren zu untersuchen und diese an Schlüsseltexten exemplarisch miteinander zu vergleichen. […] Im Vordergrund der Analyse stehen der Wandel der Kriterien und Kategorien in der Bewertung von Sprache und ihre Implikationen für die Auffassungen von Sprache und Nationalcharakter. […] [E]s [geht] darum, Denkfiguren und als prototypisch empfundene Urteile aus den Texten herauszulösen und ihre Gemeinsamkeiten und Differenzen zu einer näheren Bestimmung des Wandels in den Diskursen über Sprache und Nation heranzuziehen» (2013, 290).

Trotz der vehementen Kritik an den Entretiens, mit denen Bouhours ein Plagiat der Kommentare zeitgenössischer Literaten vorgeworfen wird, schreibt Brunot (1939) dem Jesuiten eine einflussreiche Rolle als grammatischer Gelehrter und Vordenker des Metasprachdiskurses im späteren 17. Jh. zu und stellt den Einfluss seiner Person und seiner Doktrin auf die gleiche Stufe mit dem sprachnormativen Wirken Vaugelas’ : «On ne peut nier qu’il n’ait fait avancer la langue dans la voie où il la conduisait, il a ajouté à Vaugelas, il a souvent substitué une nouvelle règle aux siennes; il n’est malgé tout que son disciple. Dans l’histoire de la langue, il a fait époque, il ne fait pas date» (1939, 8). In Bouhours Sprachbewertungsprogramm stellen Sprachreinheit (pureté) und Spracheinfachheit (naïveté) die theoretischen Ankerpunkte einer Sprachkritik dar, deren sprachideologisches Fundament sich aus der abstrakten Idee des «génie de la langue» ableitet, die im Zentrum der argumentativen Legitimation des klassizistischen Sprachideals steht. Sein Verständnis von Sprachreinheit leitet Bouhours in einer längeren Erörterung der Frage nach «Armut» und «Reichtum» der französischen Sprache als Bestimmungskriterien sprachlicher Exzellenz ab (117). (117)

A la verité, reprit Eugène, il nous manque quelques mots propres, mais nostre langue ne merite pas pour cela le reproche que vous luy faites [scil. d’être une langue pauvre]. Autrement la langue Latine seroit une langue pauvre ; tout riche qu’elle est, elle manque de beaucoup de termes que nous avons, & qui sont assez communs. Elle ne peut exprimer en un mot reconnaissance, ingratitude […]. Je parle toûjours de la langue

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du siecle d’Auguste, avec laquelle j’ay comparé la nostre. […] Car si vous y avez fait reflexion, l’abondance n’est pas toûjours la marque de la perfection des langues. Elles s’enrichissent à mesure qu’elles se corrompent, si leur richesse consiste precisément dans la multitude des mots. Ce qui arrive par le peu de soin qu’on apporte à choisir les termes propres, & usitez ; & par la liberté qu’on se donne, de dire tout ce qu’on veut, sans avoir égard à l’usage, ni au genie de la langue. […] Mais ces termes, possible, impossible, indépendant, reconnoissance, ingratitude viennent du Latin, dit Ariste ; ce sont des biens étrangers qui ne luy appartiennent pas. Quand cela seroit, repartit Eugene, il ne s’ensuit pas que nostre langue soit aussi pauvre que vous dites. […] Nous parlons d’une fille qui joüit de la succession de sa mere ; c’est-à-dire de la langue Françoise qui tient sa naissance & ses richesses de la langue Latine. Que si cette fille a fait valoir par son industrie, & par son travail, le bien que sa mere lui a laissé en partage. […] Au reste, les mots que nous n’avons pas, sont remplacez par des expressions si belles, & si heureuses, qu’on n’a pas sujet de regreter ce qui nous manque. Mais parce que pour estre riche, ce n’est pas assez d’avoir précisemet ce que la necessité demande ; […] Cependant, dit Ariste, on a retranché de nostre langue une infinité de mots, & de phrases ; & apparemment cela ne l’a pas enrichie. Ne pensez pas vous en moquer, repliqua Eugene : c’est par ce tranchement qu’on en a fait une langue également noble & delicate. La nature ne donne pas la delicatesse, & la derniere perfection aux choses qu’elle produit, elle laisse faire cela aux arts. C’est à l’industrie des hommes à purifier les métaux, à polir les marbres, & les pierres precieuses. Cela ne se fait qu’en retranchant ce qu’il y a de grossier dans ces mineraux. […] il faut tailler & nettoyer un diamant, afin qu’il ait cette pureté, & ce feu qui fait tout son prix. Ainsi pour polir, pour épurer, pour embellir nostre langue, il a fallu necessairement en retrancher tout ce qu’elle avoit de rude & de barbare. Nous devons un si utile retranchement aux soins de l’Academie Françoise, qui se proposa pour but dés sa naissance, de nettoyer la langue des ordures qu’elle avoit contractées dans la bouche du peuple, & des courtisans ignorans ou peu exacts (Bouhours 1671, 85–89). Dabei ist zu bemerken, dass der SPRACHARMUTSTOPOS bis heute sowohl in Frankreich als auch in Deutschland einen beliebten Gegenstand der öffentlichen Sprachendebatte darstellt. So titelte z. B. der Figaro 2016 mit einem Zitat von Martine Rousseau, Le Monde-Korrektorin und Autorin des Blogs «Langue sauce piquante»: Notre vocabulaire s’appauvrit, c’est une catastrophe (Le Figaro,

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02. 11. 2016);188 und auch in den Aussagen einflussreicher Sprachpflegevereine wird die angebliche Sprachverarmung beider Sprachen im Zusammenhang mit lexikalischen Entlehnungen aus fremden Sprachen, vornehmlich dem Englischen, immer wieder beklagt (cf. 118–120).189 (118) Leider gibt es viele Bereiche der Deutschen Sprache wo eine Differenzierung auf Grund der Vokabelarmut schwer ist. So sind Spaghetti eine bestimmte Sorte Nudeln, wie Fussili, Rigatoni, Pappardelle, österreichischen Fleckerl, etc. Nudeln ist nicht einmal die korrekte Deutsche Bezeichnung für die italienische Pasta, die ein Sammelbegriff für Teige und alles aus Teig ist. So hilft uns leider Deutscher Sprachbolschewismusnicht weiter und wir werden weiter Fremdworte verwenden müssen um uns präzise auszudrücken (VDS FB, 27. 06. 2014). (119) […] « fantasme » est un bel exemple appauvrissement [sic] de notre langue; on écrivait encore il n’y a pas si longtemps « phantasme ». Remarquez, on a déjà fantasme en 1606 chez Nicot. Est-ce que vous regrettez aussi phantôme (PL, 08. 02. 2012)? (120) La rédaction initiale en anglais (pour un non anglophone natif) est donc source d’appauvrissement de la langue et d’uniformisation de la pensée*, alors que la traduction respecte à la fois la langue initiale et la langue vecteur (l’anglais) et permet, de surcroît, d’avoir un texte de référence consultable dans la langue-mère du rédacteur (PL, 06. 07. 2012). Sprachreichtum als Spracheinfachheit heißt bei Bouhours das Beschränken auf das, was die Sprache in ihrer natürlichen Form zur Verfügung stellt und ebendieses originär Sprachliche zu pflegen und rein zu erhalten. Sprachpflege orientiert sich in dieser Auslegung an dem vom Autor wörtlich genannten «Addo dum detraho-Prinzip» (cf. Bouhours 1671, 100), das als sprichwörtliche Devise zur Beschreibung einer Spracharbeit nach dem Vorbild der Académie française – damals bei der Beseitigung ʻungebildeterʼ und ʻinexakterʼ sprachlicher Elemente (cf. 117), heute beim Ersatz von Anglizismen durch Neologismen. Auf

188 Zum Blog «Langue sauce piquante» cf. Kap. 2.2.3. 189 In Deutschland ging 2013 aus der Breite der öffentlichen Debatte um eine «vermeintliche Sprachkrise» der Erste Bericht zur Lage der deutschen Sprache unter der Herausgeberschaft der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung und der Union der deutschen Akademie der Wissenschaften hervor. Dieser verfolgt das Ziel, die Frage nach «Reichtum und Armut der deutschen Sprache» als Gegenstand «von öffentlichem Interesse zu bearbeiten, wissenschaftlich fundiert, ergebnisoffen und mit vermittelbaren Resultaten» (Eichinger et al. 2013, 7).

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theoretischer Ebene steht das Konzept der «naïveté» als Sprachideal für «das Gegenteil von Künstlichkeit und Affektiertheit» (cf. 121–122). Es geht um die Kultivierung des «génie de la langue française», d. h. um das Herausarbeiten «de[s] Sprachtyp[s], seine[r] spezifischen Besonderheiten, mit denen er sich von anderen Sprachen so unterscheidet» (Zollna 2013, 297), indem alles Unnatürliche und sprachlich Unverständliche beseitigt wird. (121)

A ce que je voy, dit Ariste, nostre langue est bien plus serieuse que je ne pensois. Elle l’est autant qu’elle le doit estre, reprit Eugene ; avec toute sa majesté elle est gaye & enjoüée en de certaines rencontres : mais il y a toûjours de l’honnesteté, & de mesme de la sagesse, dans sa gayeté & dans son enjouëment. Ses plaisanteries & ses débauches, si j’ose parler de la sorte, sont comme celles de ces personnes raisonnables qui ne s’oublient jamais, & à qui rien n’échappe contre la bien-seance, quelque liberté qu’elles se donnent. Dans nos bagatelles, dans nos folies ingenieuses, dans tout ce qu’on appelle jolies choses, que de noblesse, que d’élevation, que de bon sens ! […] Mais ce qu’il y a de plus merveilleux en nostre langue, ajoûta-t-il, c’est qu’estant si noble & si majestueuse, elle ne laisse pas d’estre la plus simple & la plus naïve du monde (Bouhours 1671, 54–55).

(122)

Mais comme la langue Françoise aime fort la naïveté, poursuivit-il [scil. Ariste], elle ne haït rien tant que l’affection. Les termes trop recherchez, les phrases trop élegantes, les periodes mesme trop compassées luy sont insupportables (Bouhours 1671, 61–62).

Das von Bouhours auf diese Weise als Denkfigur idealisierte Sprachingenium (cf. 117) ist ein prägendes Charakteristikum für die sprach- und kulturspezifische Dynamisierung des französischen Metasprachdiskurses im 17. Jh. Gerade am Vergleich mit du Bellay, der ein Jhd. zuvor in genau entgegengesetzer Überzeugung dazu aufrief, der «Armut» des Französischen durch ein gezieltes Sprachbereicherungsprogramm entgegenzutreten,190 wird deutlich, dass sich die grundsätzlichen Einstellungen zum Französischen zugunsten einer sprachideologischen Überlegenheit gegenüber anderen Sprachen weiterentwickelt und gefestigt haben (123–125). Die für die Renaissance typischen Unsicherheiten und die Heterogenität der Sprachvorstellungen und -pflegeentwürfe im Spannungsfeld zwischen Über- und Unterlegenheitsaffekten in Bezug auf Sprache

190 Cf. (88): «et par mesme moyen nous ont laissé nostre langue si pauvre et nue, qu’elle a besoing des ornemens et (s’il fault ainsi parler) des plumes d’autruy».

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und Nation (cf. Kap. 3.3.3; 79–81) haben sich durch die politische Dominanz des absolutistischen Frankreichs nicht nur zum «génie de langue», sondern auch zum «génie de la nation» verschoben (cf. Zollna 2013, 298). So konstatiert Zollna weiter, dass noch «[f]ür Henri Estienne […] die Frage des Sprachenstreits eine [ist], die zwischen Französisch und Italienisch ausgetragen werden muss. Hier zeigt sich die dominante Rolle Italiens als Kulturträger und politische Größe im damaligen Frankreich. Die Italiener bildeten die politische und kulturelle Elite unter der Herrschaft Katharina von Medici, die bis zu Richelieu im 17. Jh. die Politik dominierte. […] Hatte Estienne 1579 noch die Précellence des Französischen vor allem in Abgrenzung zum Italienischen formuliert, so ist für Bouhours das Italienische kaum noch ernst zu nehmen und die Gegnerschaft zum Spanischen steht im Vordergrund. Die Auflösung des habsburgischen Weltreichs, das Frankreich umklammerte, führt zur triumphalen Geste des Kleineren, aber Besseren, der gegen eine aufgeblasene und verkünstelte Weltmacht seine Natürlichkeit und Wahrhaftigkeit stellt. In Frankreich setzt sich mit dem ‹classicisme› eine Gegenbewegung gegen den Barock und die (europäische) Mode des ‹conceptisme› durch […]» (Zollna 2013, 298–304).

Bouhours Sprachbewertung des Französischen durch zahlreiche positive Attribute (cf. 121) wurde von Zollna anhand einer quantitativen Auswertung der Qualitätsmerkmale zur Beurteilung von Sprechen, Sprechern und Sprache zusammengefasst (cf. Zollna 2013, 308–311). Ähnlich wie Nebrija (cf. Abb. 9), schafft Bouhours durch die Häufung positiver Zuschreibungen ein sprachideologisches Frame, dessen lexikalische Füllstellen sich buchstäblich um das Hochwertwort naïveté zu einer sprachlichen Superlative verdichten,191 die als «structure imaginaire de la description linguistique» (cf. Siouffi 2010) zur Konstruktion eines Sonderstatus der französischen Sprache beiträgt.192 In dieser metasprachlichen Positionierungsaktivität ist sowohl die affektive Spracheinstellung zum Französischen als Gegenstand registriert als auch die darauf aufbauende Bewertung anderer Sprachen und Nationen (cf. 123–126). Die in der Renaissance noch verbreitete Idee des Sprachenwettstreits geht nun vollends im hegemonialen Anspruch des Französischen und seiner Sprecher auf. (123) Mais n’avez-vous [scil. Eugene] point aussi remarqué, poursuivit-il, que de toutes les prononciations, la nostre est la plus naturelle, & la plus

191 Cf. (121): «la plus simple & et la plus naïve»; (123): «la plus naturelle & la plus unie». 192 Die Bezeichnung und modellhafte Entwicklung des Imaginaire Linguistique als Menge subjektiver Spracheinstellungen bei der Konstruktion von Sprachnormen wurde seit den 1980er Jahren von Houdebine (z. B. 2002) entwickelt. Zur Diskussion des Modells und Anwendung auf geschriebensprachliche Korpora am Beispiel von Sprachchroniken cf. Remysen (2011).

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unie. Les Chinois, & presque tous les Peuples de l’Asie chantent ; les Allemans rallent ; les Espagnols declament ; les Anglois sifflent. Il n’y a proprement que les François qui parlent : & cela vient en partie de ce que nous ne mettons point d’accents sur les syllabes qui precedent la penultiéme (Bouhours 1671, 66–67). (124) Vous voulez bien que pour vous faire mieux entendre ma pensée, je vous fasse souvenir que les langues m’ont été inventées que pour exprimer les conceptions de notre esprit : & et que chaque langue est un art particulier de rendre ces conceptions sensibles, de les faire voir, & de les peindre : […] Il y a des peintres qui excellent en portraits, & qui expriment jusqu’au mœurs & aux sentiments des personnes qu’ils peignent […] Il en est de mesme à peu-prés des langues : il y en a quelques-unes qui ne sont pas heureuses à peindre les pensées au naturel. Telle est entre autres la langue Espagnolle. Elle fait pour l’ordinaire les objets plus grands qu’ils ne sont, & va plus loin que la nature : car elle ne garde nulle mesure en ses metaphores ; elle aime passionnément l’hyperbole, & la porte jusqu’à l’excès (Bouhours 1671, 55–56). (125) C’est une chose fort glorieuse à nostre nation, dit Eugene, que la langue Françoise y soit établie. La langue Latine a suivi les conquestes des Romains ; mais je ne vois pas qu’elle les ait jamais precedées. Les nations que ces conquerans avoient vaincuës, apprenoient le Latin malgré elles ; au lieu que les peuples qui ne sont pas encore soûmis à la France, apprennent volontairement le François. La gloire du Roy y contribuë peut-estre autant que celle de ses predecesseurs. Les langues suivent d’ordinaire la fortune & la reputation des Princes. Les heureux succés de Charles-Quint, forent que de son temps les beaux esprits d’Italie apprirent l’Espagnol ; & les grandes qualitez de François I. rendirent celebre la langue Françoise, lorsqu’elle estoit encore à demi barbare. [...] Mais pour revenir à ce que je disois, reprit Ariste, il n’y a guerres de païs dans l’Europe où l’on n’entende le François ; & il ne s’en fait rien que je ne vous avouë maintenant, que la connoissance des langues étrangeres n’est pas beaucoup necessaire à un François qui voyage (Bouhours 1671, 45–46). (126) Je conclus de tout ce que nous avons dit jusqu’à cette heure, poursuivit Ariste, que les trois langues modernes qui ont le plus de vogue dans le monde, n’ont guerres de rapport l’une avec l’autre. […] l’Espagnol, à mon avis ressemble à ces fleuves, dont les eaux sont toûjours grosses & agitées ; qui ne demeurent gueres renfermez dans leur lict ; qui se débordent souvent, & dont les débordements font un grand bruit, & un grand

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fracas. L’Italien est semblable à ces ruisseaux qui gazoüillent agreablement parmi les cailloux ; qui serpentent dans des prairies pleines de fleurs ; qui s’enflent neanmoins quelquefois, jusqu’à inonder toute la campagne. Mais la langue Françoise est comme ces belles rivieres, qui enrichissent tous les lieux par où elles passent ; qui sans estre ni lentes, ni rapides roullent majestueusement leurs eaux, & ont und cours toûjours égal (Bouhours 1671, 76–77). Die Verquickung von Sprache und Nation wird durch die Qualifikation des Französischen mit animistischen Wesensmerkmalen verstärkt (cf. 121: «majesté», «gayeté», «sagesse», «enjouëment», «honnesteté», «noblesse» etc.), wodurch die für puristische Sprachpflege topische Metaphorisierung von Sprache durch menschliche Geisteseigenschaften evoziert wird. Neben der Pflanzen- und Wachstumsmetaphorik (cf. Kap. 3.3.3), die dazu eingesetzt wird, Sprache biologistisch zu konzeptualisieren, dienen animistische Arten der Personifizierung von Sprache ihrer Psychologisierung als «Sprachgeist» und im erweiterten Konzeptbereich Sprache und Nation der Hypostatierung eines «Nationalgeistes» (cf. Stukenbrock 2005a, 246). Entscheidend bei dieser Ontologisierung von Sprache ist in funktionaler Hinsicht sowohl der identitätsstiftende als auch handlungslegitimierende Gehalt des Topos. So steht z. B. der konstative Sprechakt, «[l]a langue Françoise […] ne haït rien tant que l’affection» (cf. 122) nicht nur für eine Eigenschaft des Französischen, sondern er impliziert auf sprachideologischer Ebene durch einen impliziten Analogieschluss auch eine negative Positionierung gegenüber den Sprechern «anderer» Sprachen (cf. 123 und 124, 126). An diesem Argumentationsverlauf kann nachvollzogen werden, dass sich Sprachpurismus als ideologisches Denkmuster nicht in der nominellen Stereotypisierung des Französischen als «langue simple», «naturelle» oder «naïve» auf der Ebene der «Metalanguage 1» erschöpft (cf. Kap. 3.2.2, Abb. 8), sondern sich erst durch eine daran anschließende Einstellungsverlagerung sprachlicher Stigmatisierungen auf soziale Gruppen respektive ganze Nationen vollständig konstituiert.193 In diesem Zusammenhang zeigen auch punktuelle Vergleiche mit aktuellen Belegen, dass puristisches Sprachhandeln seine persuasive Absicht und Wirkung erst durch Abgrenzung zum sprachlich, kulturell und somit auch national «Anderen» gänzlich entfaltet.

193 Cf. (123): «tous les Peuples de l’Asie chantent ; les Allemans rallent ; les Espagnols declament».

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(127) Im Deutschen gibt es das schöne Wort „Wortschatz“. Diesen Schatz haben wir noch lange nicht ergründet. In den Tiefen der deutschen Sprache liegen immer noch unzählige Edelsteine verborgen (SN 2013.3, 16). (128) „Wir haben eine Sprache, die ist so wunderschön, die hat so fantastische Möglichkeiten, dass uns die gebildeten Engländer, Franzosen und Italiener darum beneiden. Und was machen wir? Wir werfen sie bedenkenlos in den Müll!“, brachte Oliver Baer, Mitglied im Bundesvorstand des VDS, die vertrackte Situation auf den Punkt (SN 2012.1, 26). Eine Gegenüberstellung sprachpflegerischer Einzelbelege der heutigen Sprachendiskussion mit der Sprachreflexion Bouhours illustriert das Überdauern metaphorischer und argumentativer Parallelen sprachenbezogener Diskurse über national-kulturelle und zeitliche Grenzen hinaus. Beispielhaft wird dies an einem Zitat des Sängers Xavier Naidoo deutlich, das der VDS in der «Sprüche»Rubrik der Sprachnachrichten veröffentlicht hat (cf. 127): Die metaphorische Konzeptualisierung von SPRACHE ALS ROHSTOFF (Edelstein, Marmor, Mineral) i. S. des «Natürlich-Unberührten» und «Wertvollen» verwendet auch Bouhours,194 wobei dem Ideal sprachlicher Reinheit auf semantischer Ebene sowohl durch die Synonymie der Verben (cf. 127: «purifier», «nettoyer», «polir», «épurer») als auch durch die Antonymie der Schlüsselwörter pureté und ordures Nachdruck verliehen wird (cf. 117). Eng an die Vorstellung von SPRACHE ALS ROHSTOFF ist – der dichotomen Struktur puristischer Haltungen entsprechend – die Wertlosigkeit von Sprache gebunden und der opponierte Metaphernbereich SPRACHE ALS ABFALL (cf. 128), der v. a. in Sprecherpositionierungen innerhalb der Sprachendiskussion in sozialen Medien nachgewiesen werden konnte (cf. Kap. 4.3.1.3, Abb. 47). Als weiteres Diskursmuster ist für die Entretiens der Metaphernbereich SPRACHE ALS WASSER hervorzuheben, der auch im Traicté intitulé la concorde des deux langages Lemaire de Belges’ verwendet wurde. An ihm kann anschaulich die im Laufe der Zeit mehrfach vollzogene Anpassung topischer Muster an die jeweilige Zweckorientierung metasprachlicher Positionierungsaktivitäten belegt werden: Bei Lemaire de Belges dient das Bild der aus einer Quelle stammenden Flüsse noch der Veranschaulichung einer durch rhetorische Diplomatie inszenierten ʻEintracht der Sprachenʼ, wobei die «précellence» des Französi-

194 Cf. (117): «C’est à l’industrie des hommes à purifier les métaux, à polir les marbres, & les pierres precieuses. Cela ne se fait qu’en retranchant ce qu’il y a de grossier dans ces mineraux. […] il faut tailler & nettoyer un diamant, afin qu’il ait cette pureté, & ce feu qui fait tout son prix. Ainsi pour polir, pour épurer, pour embellir nostre langue, il a fallu necessairement en retrancher tout ce qu’elle avoit de rude & de barbare».

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schen noch sehr zaghaft zum Ausdruck gebracht wird (cf. 82). Bei Bouhours hingegen wird die Metapher in Richtung eines chauvinistischen Sprachvergleichs erweitert, in dem die Metaphernlexeme belle rivière und eaux grosses & agitées das Französische dem Spanischen gegenüberstellen (cf. 126). Verwendungen des Metaphernbereichs im aktuellen Sprachpflegediskurs zeigen wiederum eine entgegengesetzte Projektion des Bildspendebereiches WASSER, der nun als Verteidigungskonzept gegen die sprachlich-kulturelle Überflutung der europäischen Sprachen durch das Angloamerikanische eingesetzt wird. In Abhängigkeit vom Gefühl der Über- oder Unterlegenheit, das eine zentrale topische Achse von Sprachpflege repräsentiert (cf. Kap. 3.3.3), werden historisch etablierte Metaphernbereiche an die jeweilige Zweckrichtung von Sprachpflege angepasst, wobei die sprachlichen Strukturen als solche ihren Wiedererkennungswert bewahren. Dies zeigt beispielhaft die folgende sprachideologische Positionierung eines privaten Sprechers (129),195 der im Forum La voix francophone im Rahmen einer fiktionalen Erzählung zum Status der Frankophonie im Jahr 2052 den sich aus Frankreich regenden Widerstand gegen die «dictature de l’anglicisation» beschreibt: (129) C’est alors que, d’abord de façon diffuse et anecdotique, puis à la manière d’une vague déferlante qui grossissait par l’afflux de milliers d’autres ondes, se développa un contre-courant, perceptible un peu partout en Europe, un courant timide d’abord, presque coupable d’exister tant il remettait en cause les opinions dominantes, un courant qui s’opposait – enfin – à la dictature de l’anglicisation (LVF, 05. 11. 2013). Entgegen dieser Projektionsrichtung, aber unter Verwendung gleicher Metaphernlexeme wird der Metaphernbereich SPRACHE ALS WASSER nicht nur auf das Französische als unterlegene, sondern auch auf das Englische als dominante Sprache übertragen: (130) La vague du tout anglais chez les élites françaises [sic] L’université et la recherche au cœur du sujet, maillons stratégiques [sic] Monde du travail, publicité, communication, enseignes : une déferlante anglophone aussi ridicule que dangereuse (LVF, 24. 02. 2014). Eine letzte Bemerkung dient an dieser Stelle der kritischen Metareflexion sprachideologischer Analysen. An einigen Stellen in den Entretiens scheint ge195 Die metaphorische Assoziation von SPRACHE ALS WASSER konnte im französischen Gegenwartskorpus nur vereinzelt nachgewiesen werden, weshalb sich die Darstellung dieses Metaphernbereichs in Kap. 4 auf deutsche Beispiele beschränkt.

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rade im Bereich der metaphorischen Ausgestaltung des Textes ein ebensolches Ungleichgewicht zwischen Selbst- und Fremdwahrnehmung zu dominieren, wie es in Anlehnung an Stukenbrock (2005b) bereits an anderer Stelle als einschlägiges Merkmal sprachideologischer Texte der Gegenwart und Vergangenheit belegt wurde (cf. Kap. 3.2.6; 3.3.2): So mag es aus Perspektive heutiger Betrachter den Anschein haben, dass Bouhours selbst gegen das von ihm formulierte Dogma sprachlicher Einfachheit verstößt, indem er sich genau dann einer metaphorischen Ausdrucksweise bedient, wenn er das von ihm als affektiert und über alle Maßen allegorisch abgewertete Sprechen der Spanier mittels des Metaphernbereiches SPRACHE ALS KUNST(WERK) (cf. 124) und SPRACHE ALS WASSER (cf. 126) untermauert. Bouhours Vorstellung von Metapher ist jedoch, wie Siouffi (2010) hervorhebt, weniger diskursiv zu verorten, sondern auf einer konkret sprachlich-stilistischen Ebene, wobei es darum geht, Sprache in der für das 17. Jh. typischen Weise als physiognomisches Ganzes zu subjektivieren: «En somme, il s’agit de se demander si la métaphore n’est pas un fait de langue plus qu’un fait de discours. Le long passage que, dans les Entretiens, Bouhours consacre à la métaphore, se caractérise par ce fait essentiel: La métaphore y est articulée face à la langue, et non face à l’instance énonciative. La langue est placée en position du sujet. […] Tout concourt en définitive à présenter la métaphore comme une invitée forcée dont il faut bien s’accommoder, mais qui ne saurait en définitive faire partie du grand concert de la langue. Pour marginaliser la métaphore, Bouhours utilise bien évidemment le concept d’usage, qui devient dans ses mains une véritable machine lancée contre le jeu individuel, mais aussi contre la potentialité de la langue» (Siouffi 2010, 313–314).

Bei historisch-vergleichenden Diskursanalysen ist demnach eine Überlagerung sprachlicher Analysekategorien (Metaphorik als Ebene diskurslinguistischer Analysen) und diskursiver Objekte (Metaphern als Gegenstand der Sprachreflexion Bouhours) mitzudenken, um verallgemeinernde Rückschlüsse auf sprachideologische Konzepte nach Möglichkeit auszuschließen. Mit der Annahme, dass die von Bouhours kritisierte Metapher als Redeschmuck konzeptuell derjenigen Metaphorik entspricht, die in diskursanalytischer Perspektive als Bestandteil sprachideologischer Äußerungen eine konstitutive Funktion erfüllt, entsteht der Eindruck einer in den Entretiens ausbleibenden Reflexion eigenen sprachlichen Handelns. Auch wenn vor diesem Hintergrund Metaphorik als Teil und Gegenstand der Rede zu differenzieren ist, bedeutet dies nicht, dass Bouhours Programm kein sprachpuristisches ist. Die diskursive Vermittlung von Spracheinstellungen findet auf den für Sprachpurismus prototypischen Ebenen statt: Auf der kognitiven Ebene stehen Prozesse der Bewertung des «Eigenen» und des «Fremden» sowie die darauf fußende Personifikation und ontologische Überhöhung der französischen Sprache als vitales System universaler Reichweite. Diese wahr-

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nehmungsgebundenen Abläufe werden durch sprachenbezogene Handlungsrichtlininen ausgefüllt, die ein Spektrum umfassen, das von Sprachpflege in Form metasprachlicher Deskription bis hin zu einem sprachkritischem Interventionismus zur Reinerhaltung des usage reicht. An diese Ebenen werden Wissensrahmen der nationalen Bedeutung von Sprache angeschlossen, die der Legitimation politischer Vorherrschaft durch sprachliche Überlegenheit dienen. In dieser nationalistischen Perspektivierung werden dann nicht nur menschliche Eigenschaften zu sprachlichen Merkmalen, sondern die Wesensmerkmale von Sprache werden durch eine weitere Abstraktion zu Bestimmungsstücken kollektiver und nationaler Identität erhoben.196 Sprache, Nation und Sprecher werden durch ihre ideologische Verknüpfung als einzelne Kategorien eines auf Standardisierung und Normalisierung abzielenden Diskurssystems austauschbar, indem sie gleiche Werte und Haltungen indizieren. Für diese Form der Wissensvermittlung ist ein starkes Gefälle zwischen der Vorstellung von Sprache und sprachlicher Wirklichkeit, d. h. zwischen Kognition und Realität kennzeichnend. Dieser enge Zusammenhang zwischen dem Erdenken von Sprache, dem Sprechen über Sprache und der Entstehung von Sprache ist historisch ausgeformt und wird, wie weiter Siouffi (2010) hervorhebt, im Konzept der «naïveté» als Merkmal eines imaginierten sprachlichen Ingeniums erkennbar: «Le XVIe siècle, on le sait, a été sensible au fourmillement verbal qui caractérise l’activité des communautés humaines. En France, cette sensibilité a peut-être été augmentée par l’impression, énoncée par exemple par Henri Estienne, que les Gaulois sont un peuple particulièrement volubile… De ce fourmillement, le XVIe siècle cherche à se faire une représentation malgré tout unifiée. A cette fin, il développe plusieurs concepts parallèles qui ont tous en commun de vouloir aller chercher, au-delà des physionomies de surface, un fonds de la langue accessible à la description. Ainsi le concept de ‹nayve Françoeze›, qui apparaît chez Meigret et chez Pasquier. […] A vrai dire, il n’est peut-être pas impossible d’avancer que c’est principalement au travers d’une recherche assez fantasmatique de la ‹pureté› linguistique que s’est peu à peu construite en France, au XVIe siècle, l’idée d’une grammaire propre au ‹langage maternel françois› […]. Bien avant d’être une réalité, le ‹français› a donc d’abord été une image, une forma mentis, un artefact autant politique que culturel» (Siouffi 2010, 39‒41).

Bouhours nationalideologisierende Sprach(en)betrachtung ist ein anschauliches Beispiel für die im 17. Jh. rapide vonstattengehende Entwicklung des französischen Metasprachdiskurses zu einem rigoristischen Sprachbewertungsdiskurs, eines wie Schmitt sagt «débat très fervent sur les problèmes normatifs du français» (2015, 40), der gegen Ende des Jhs. die «Ausmaße eines umfänglichen Kollektivprojekts angenommen hat […]» (Settekorn 1988, 64).

196 Cf. (123): «la nostre est la plus naturelle, & la plus unie».

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Die stärkste Prägung erhält die klassische Sprachendiskussion allerdings durch die Remarques, Observations und Commentaires, die verstärkt ab der Hälfte des Jhs. als typologisch abgrenzbare metasprachliche Produktionsform auftreten und ein eigenes Genre bilden,197 zu dessen Beginn Malherbes «am eigenen Sprachgefühl gemessen[e] […] Sammlung von Einzelbemerkungen» (Winkelmann 1990, 339) steht und dessen institutionelle Elaboration mit den Remarques sur la langue françoise des Claude Favre de Vaugelas (1647) beginnt (cf. Schmitt 2015, 41). Sowohl die Rolle von Vaugelas als «greffier du bon usage» (Ayres-Bennett 2004, 23) und Schlüsselfigur der grammatikographischen Standardisierung der gesprochenen und geschriebenen Sprache als auch die Zusammenschau diverser Texte dieses Remarques-Genres nebst zahlreichen anderen grammatischen Schriften darf als gut erforscht gelten und wird aus diesem Grund nicht weiter ausgeführt.198 Demnach soll es im Folgenden auch nicht um eine inhaltliche Analyse des Normkonzepts gehen, das Vaugelas in der Préface der Remarques als Ziel seiner Arbeit formuliert,199 sondern um daran gebundene Einstellungen zu Sprache(n) und Sprechern, die sowohl die damalige und heutige Systemstruktur von Metasprachdiskursen nachvollziehbar machen als auch die Entstehung ihres sprachideologischen Fundaments. Den für Spracheinstellungen zum Französischen konstitutiven Charakter der Remarques hebt auch Marzys (2009) hervor, wenn er sagt, dass «[l]es Remarques sur la langue françoise ne sont en apparence qu’un recueil décousu d’observations sur des points isolés et parfois infimes de morphologie et de syntaxe, de prononciation et d’orthographe, de vocabulaire et de style; mais elles sont sous-tendues par une doctrine qui, pour être peu voyante et avoir des contours parfois flous, n’en est pas moins très ferme dans ses fondements. […] La Préface des Remarques sur la langue françoi-

197 Zur ausführlichen Definition des Genre der Remarques cf. Ayres-Bennett (2004). 198 Für eine prägnante sprachgeschichtliche Einordnung metasprachlicher Werke des 17. Jhs. cf. Ayres-Bennett (1996, 178–197) sowie Schmitt (2015, 40‒49). Eine umfassende Edition grammatischer Texte und metasprachlicher Kommentare für die Zeit vom 14.–17. Jh. wird mit dem Grand Corpus des grammaires françaises, des remarques et des traités sur la langue als OnlineDatenbank von Garnier zur Verfügung gestellt (Ayres-Bennett et al. 2011). Die Erweiterung des Korpus um Texte des 17. und 18. Jhs. ist in Vorbereitung (cf. Ayres-Bennett/Colombat 2016). Eine kommentierte Neuausgabe der Remarques wurde von Marzys bestellt (cf. Vaugelas 2009). 199 Hiermit ist nicht gemeint, dass hinsichtlich einer Definition und Interpretation dieses Normkonzepts und der Remarques als wichtigstem Dokument des «bon usage» sowie der Sprachnormengeschichte kein Forschungsbedarf bestünde. In seiner Rezension von Marzys Vaugelas-Edition (cf. Vaugelas 2009) kritisiert Schmitt die in dieser Hinsicht bisher noch ausstehende romanistische Rezeption der «von Cicero, Quintilian und der lateinischen Grammatik allgemein stammende[n] usus-Diskussion» (2012, 779). Eine Aufarbeitung der Unterschiede zwischen dem römischen usus-Begriff und dem der französischen Klassik wurde von Weinrich (1960) vorgelegt.

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se est d’ailleurs plus que le credo d’un auteur; c’est la meilleure description que nous possédions de l’attitude linguistique du dix-septième siècle» (Marzys 2009, 15).

Darüber hinaus sind die Remarques für das Verständnis von Metasprachdiskursen als gesellschaftliche Teilsysteme (cf. Kap. 2.2.2) von ganz entscheidender Bedeutung, da sie nicht nur den Sprachgebrauch als Richtlinie der Norm festlegen, sondern diesen auch eingehend mit einem restriktiven sozialen Strukturkonzept als einzig valider Bewertungsgrundlage fundieren, dessen Leitlinien von Malherbe gesetzt, aber nicht weiter systematisiert wurden. In diesem Zusammenhang kommt den von Vaugelas im Vergleich zu seinen Vorgängern explizit i. S. einer Sprachlenkung definierten Konzepten «Öffentlichkeit» und «Privatheit» sowie der Frage nach deren Transformation als topischem Muster im gegenwärtigen Sprachpflegediskurs eine zentrale Bedeutung zu. Die sprachideologische Dimension der Préface ist in erster Linie bestimmt durch die Verbindung sozialer Rollen mit diskursiven Funktionen: Das «bon usage»-Konzept als Primat der gesprochenen Sprache stellt das sprachliche Bindeglied zwischen sozialer Struktur und Diskursstruktur dar und wird als Ankerpunkt eines Wissensrahmens eingesetzt, der wie Große (2017) in diachroner Perspektive hervorhebt, sein Evokationspotenzial im französischen Metasprachdiskurs bis heute beibehalten hat: «Das Konzept des ‹bon usage› bleibt bis in das 21. Jahrhundert für die Sprachnormendiskussion in Frankreich und in der Frankophonie bestimmend. Grammatiken und Wörterbücher des Französischen sind für den Rückgriff auf die Standardnorm bedeutsam, nicht jedoch als Ausdruck der Sprachnormendiskussion selbst. Die für Frankreich typische Form der Sprachnormendiskussion sind die Remarques, welche unterhaltsam und ohne Rückgriff auf eine linguistische Terminologie sprachliche Normen diskutieren und sich dabei an der Standardnorm orientieren. […] Sprachnormen werden in laienlinguistischer, philologischer und linguistischer Perspektive über die Jahrhunderte in Frankreich puristisch und präskriptiv diskutiert. Dies impliziert eine negative Bewertung zahlreicher Varianten des Sprachgebrauchs. Die Gründe dieser präskriptiven Ausrichtung der Sprachnormendiskussion sind in der mangelnden Loslösung von der im 17. Jahrhundert erfolgten Idealisierung des bon usage als Basis der Präskription und in der ungenügenden Repräsentation der Unterschiede geschriebener und gesprochener Sprachproduktion sowie des Sprachwandels zu suchen» (Große 2017, 117–120).

Mit den folgenden Belegen (131–137) betrachte ich zunächst das von Vaugelas geforderte Programm einer bewertenden und positionsbezogenen Sprachkritik (cf. Felder/Schwinn/Jacob 2017, 53) sowie das «bon usage»-Konzept als dessen Bewertungsgrundlage. Daran anschließend folgen die oben beschriebene Einordnung des klassischen Metasprachdiskurses als gesellschaftliches Teilsystem und daraus ableitbare diskurslinguistische Schlussfolgerungen für die Diskursebene der Akteure als Träger von Sprachideologien und Spracheinstellungen

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(cf. Kap. 4). An letzter Stelle steht die kritische Frage nach der aktuellen Rezeption und Anwendung des «bon usage» als Sprachgebrauchsnorm im Sprachpflegediskurs des 21. Jhs. Dabei wird an Einzelbelegen auch die Frage nach einer (massen-)medial geleiteten Ausdifferenzierung des Spektrums gesellschaftlicher Domänen und Akteure sowie ihrer Haltungen in Bezug auf Sprache konkretisiert. Anhand exemplarischer Belege aus der aktuellen französischen Tagespresse (cf. 143–147) und dem synchronen Korpus (148–152) wird geprüft, ob heute mit Bezug auf das Französische und den «bon usage» als historisch etablierte Sprachnorm sprachideologisch differenziertere Konnotationen, ein vergleichsweise erweitertes oder gegenläufiges Sprachnormenverständnis sowie abweichende oder analoge Spracheinstellungen vorliegen. Diese Prüfung diskursiver Transformationsprozesse bezieht heutige Repräsentationsform des «bon usage» und Sprachreinheitsentwürfe mit ein. Die Annahme einer «exception française» in Sprachenfragen wird somit v. a. auf diachroner Achse beleuchtet, wenn hinterfragt wird, inwiefern sich aktuelle Urteile und Werthaltungen zum Französischen aus historischen Bewertungsgrundlagen speisen. Die Berücksichtigung historischer Denkmuster und metasprachlicher Repräsentationen im Rahmen sprachgeschichtlicher Forschungen wurde jüngst von Colombat et al. (2018) erneut unter dem Schlagwort «horizon de rétrospection» hervorgehoben. Der Begriff wurde bereits zuvor im Zusammenhang mit sprachwissenschafts- und sprachideengeschichtlichen Forschungsfragen ins Feld geführt (z. B. Auroux/Colombat 1999; Puech/Raby 2011). Die Retrospektive als Hilfsmittel zur «compréhension d’un phénomène de langage à un moment donné […] par l’explication qu’en proposent les témoins de l’époque» (Colombat et al. 2018, 7), wie sie u. a. in der Grammatikographie Beachtung findet, sollte meiner Meinung nach auch bei der Untersuchung von Aussagen in bewertenden Metadiskursen angewendet werden. Im Kontext diskurslinguistischer Untersuchungsansätze betrachte ich deshalb im Folgenden die Retrospektive als konstruktiven Teil des Sprechens über Sprache diesseits und jenseits der Linguistik, d. h. Akteure heute oder zu einem früheren Zeitpunkt greifen nicht nur auf Erkenntnisse, Ideologien und Einstellungen zu Sprache zurück (Meta- bzw. Aussagenebene), sondern sie nehmen auch die damit verbundenen Sprachgebrauchsmuster (Äußerungsebene) auf, recyceln, modifizieren oder ändern sie. Übertragen auf den Kontext der vorliegenden Arbeit ergibt sich somit ein spezifisches Interesse an der sprachlichen Realisierung der Wiederaufnahme von Spracheinstellungen und -ideologien im Rahmen rückblickender sprachhistorischer Bezugnahmen. Weiterhin fragt die sprachgeschichtliche Retrospektive als Komponente der Sprachbewertungs- oder Sprachbeschreibungsgeschichte auch nach der Perzeption, die metasprachlich Handelnde heute von den Haltungen und Urteilen historischer Akteure des Metasprachdiskurses haben und in welchem Maße sie für aktuelle Tendenzen der Sprachpflege wesensmäßig ist.

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Das von Vaugelas festgesetzte Normkonzept des «bon usage» (cf. 134) veranschaulicht zunächst die von Gloy (1998) mit Blick auf die Entstehung von Normen vorgenommene terminologische Unterscheidung von «Sprachnormen» als «Objekte und die Ergebnisse bestimmter Entscheidungs- und Durchsetzungsprozesse» im Gegensatz zu sog. «Normalfällen»: «Sprachnormen [Spr.N.en] sind einigen Definitionen zufolge Durchschnittswerte oder häufigste Ereignisse in einem statistischen Sinne; sie werden entweder direkt als diese oder auch als ‹Verfestigungen› einer Sprachpraxis thematisiert. Solche Normalfälle (wie man sie vielleicht besser nennen sollte) sind dem Sachverhalt nach von Normen zu unterscheiden; sie können allerdings in der Sprachpraxis durchaus zu Normen werden […], auch sind sie für die empirische Sprachwissenschaft heuristisch sehr bedeutsam, u. a. für den Existenznachweis von Spr.N.en. Der hier vorgeschlagenen Definition zufolge sollten Spr.N.en aber als die Objekte und die Ergebnisse bestimmter Entscheidungs- und Durchsetzungsprozesse verstanden werden. Intensional sind sie damit über das Merkmal einer (heteronomen) Verpflichtung definiert, die als Vorschrift oder als Regel oder als Gebot der Vernunft gegeben sein kann. Dementsprechend zielen Spr.N.en auf die legale, auf die richtige oder auf die zweckmäßige Verwendung von Sprache» (1998, 396).200

Der «bon usage» des 17. Jhs. ist zu Beginn seiner Formierung das absolute Gegenteil eines Normalfalls, was sowohl aus seiner Bindung an einen sozialen Mikrokosmos resultiert als auch aus der Absicht, ihn bewusst als Merkmal soziokultureller Distinktion durchzusetzen, wodurch sich eine klare Abgrenzung vom durchschnittlichen und mehrheitlichen Sprachgebrauch ergibt. Die Begründung des «bon usage» als heteronome sprachliche Verpflichtung erfolgt bei Vaugelas durch explizite Äußerungen und implizite Einstellungsbekundungen zur französischen Sprache und kann aus diesem Grund mithilfe des Modells metasprachlicher Handlungsschemata aufgeschlüsselt werden (cf. Kap. 3.2.2; Abb. 8): (131)

Ce ne sont pas icy des Loix que je fais pour nostre langue de mon authorité privée ; Je serois bien temeraire, pour ne pas dire insensé ; car à quel titre et de quel front pretendre un pouvoir qui n’appartient qu’à l’Usage, que chacun reconnoist pour le Maistre et le Souverain des langues vivantes ? Il faut pourtant que je m’en justifie d’abord, de peur que ceux qui condamnent les personnes sans les ouïr, ne m’en accusent, comme ils

200 Ein ähnlicher Ansatz wurde in der französischen Forschung von Rey (1972) vorgelegt, der Sprachnormen ebenfalls als multifaktorielle und prozessurale Entitäten versteht und dabei von einer typologischen Unterscheidung zwischen zum einen systemisch-objektiven und zum anderen subjektiven, d. h. spracheinstellungsgebundenen Faktoren der Sprachnormenkonstitution ausgeht.

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ont fait cette illustre et celebre Compagnie, qui est aujourd’huy l’un des ornemens de Paris et de l’Eloquence Françoise (Vaugelas 2009, 65). (132) Mon dessein n’est pas de reformer nostre langue, ny d’abolir des mots, ny d’en faire, mais seulement de monstrer le bon usage de ceux qui sont faits, et s’il est douteux et inconnu, de l’esclaircir, et de le faire connoistre (Vaugelas 2009, 65). (133) Et tant s’en faut que j’entreprenne de me constituer Juge des differens de la langue, que je ne pretens passer que pour un simple tesmoin, qui depose ce qu’il a veu et oüi, ou pour un homme qui aurait fait un Recueil d’Arrests qu’il donneroit au public (Vaugelas 2009, 65). (134) Il y a sans doute deux sortes d’Usages, un bon et un mauvais. Le mauvais se forme du plus grand nombre de personnes, et le bon au contraire est composé non pas de la pluralité, mais de l’élite de voix, et c’est veritablement celuy que l’on nomme le Maistre des langues, celuy qu’il faut suivre pour bien parler, et pour bien escrire en toutes sortes de stiles […] C’est la façon de parler de la plus saine partie de la Cour, conformément à la façon d’escrire de la plus saine partie des Autheurs du temps. Quand je dis la Cour ; j’y comprends les femmes comme les hommes, et plusieurs personnes de la ville où le Prince reside, qui par la communication qu’elles ont avec les gens de la Cour participent à sa politesse (Vaugelas 2009, 67–68). (135) Sur quoi il faut que je die que je ne puis assez m’estonner de tant d’excellens ecrivains, qui se sont opiniastrez à user, ou à s’abstenir de certaines locutions contre l’opinion de tout le monde ; et le comble de mon estonnement est qu’un vice si desraisonnable s’est rendu si commun parmy eux, que je ne vois presque personne qui en soit exent. Les uns par exemple s’obstinent à faire pourpre masculin […] Les autres suppriment le relatif […] Les autres ne veulent ne veulent bien servir de si bien que […] Les autres enfin ne voudroient pas escrire […] Et ce qui est bien estrange, ce ne sont pas les mauvais, ni les mediocres Escrivains, qui tombent dans ces defauts sans y penser, et sans sçavoir ce qu’ils font, cela leurs est ordinaire ; Ce sont son Maistres, ce sont ceux dont nous admirons les escrits, et que nous devons imiter en tout le reste comme les plus parfaits modelles de nostre langue et de nostre Eloquence ; ce sont ceux qui sçavent bien que leur opinion est condamnée, et qui ne laissent pas de la suivre. Il est de cela, ce me semble, comme les gousts pour les viandes, les uns ont des appetits à des choses, que presque tout le monde rejette, et les autres ont de l’aversion pour d’autres, qui sont les delices de la plus part des hommes (Vaugelas 2009, 74–75).

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(136) Ce qui a trompé ces Messieurs [scil. quelques Escrivains modernes], c’est qu’ils ont confondu deux choses bien differentes, et qui toutefois sont bien aisees à distinguer, l’Usage public, et le caprice des particuliers (Vaugelas 2009, 94). (137) De ce grand Principe, que le bon Usage est le Maistre de nostre langue, il s’ensuit que ceux-là se trompent, qui en donnent toute la jurisdiction au peuple, abusez par l’exemple de la langue Latine mal entendu, laquelle, à leur avis, reconnoist le peuple pour son Souverain ; car ils ne considerent pas la difference qu’il y a entre Populus en latin, et Peuple en François, et que ce mot de Peuple ne signifie aujourd’huy parmy nous que ce que les Latins appellent Plebs […] Selon nous, le peuple n’est le maistre que du mauvais Usage, et le bon Usage est le maistre de nostre langue (Vaugelas 2009, 86–87). Was die Frage nach der diskursiven Konstruktion dieses Sprachnormenkonzept anbelangt, zeigt eine genauere sprachliche Analyse des Vorwortes der Remarques, dass der dialektische Entwurf des «bon usage» die Konklusion einer impliziten sprachideologischen Argumentation darstellt (cf. 131–133), die Vaugelas als Prozess der Entscheidungsfindung der o. g. expliziten Definition des bon usage (134) voranstellt. Diese persuasive Vorentlastung der Erhebung des «Sprachgebrauch[s] von (kulturellen) Autoritäten» (Gloy 1998, 398) erfolgt wie oben erwähnt durch das Zusammenspiel kommunikativen und nicht-kommunikativen metasprachlichen Handelns (cf. Abb. 8): Bevor wie beschrieben auf der Ebene «Metalanguage 1» die Definition des «bon usage» als Schlussfolgerung in Form eines repräsentativen Sprechaktes erfolgt (cf. 134), wird diese Konstatierung der Sprachnorm auf der Ebene «Metalanguage 3» begründet (cf. 131– 133). Dabei werden positive Spracheinstellungen, wie Janich sagt, in «(kognitiv und emotional) entlastende[r] Funktion» (2004, 37) generiert, um sowohl den mündlichen Sprachgebrauch an sich als auch die Positionierung von Vaugelas als sujet parlant in der Rolle des Gewährsmanns dieses Sprachgebrauchs gegenüber der sprechenden Elite («plus saine partie de la Cour») zu rechtfertigen: Vaugelas eröffnet diese Positionierungsaktivität mit einer Definition ex negativo, gebunden an einen juristischen Metaphernkontext (cf. 131): «Ce ne sont pas icy des Loix que je fais pour nostre langue de mon authorité privée». Die damit in Verbindung stehende Personifikation des «bon usage» als «Maistre et Souverain des langues vivantes» und somit oberste Instanz von Sprache ist hierbei zum einen als Selbstzweckhandlung des Verfassers zu verstehen, da Vaugelas in strategischer Absicht sein sprachliches Handeln unter den Befehl des Sprachgebrauchs stellt und auf diese Weise vorgibt, nicht in eigener Sache zu handeln («de mon authorité privée»), sondern im Auftrag von und in Ergeben-

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heit für die französische Sprache, wodurch die Opposition zwischen Privatheit und Öffentlichkeit gesetzt wird. Zum anderen könnte dieser auf Ehrfurcht vor dem Sprachgebrauch fußende AUTORITÄTSTOPOS analog zum Konzept staatlicher Souveränität des absolutistischen Herrschaftsprinzips nicht treffender gewählt sein, da dieses in der subjektiven Innenwelt des klassischen Lesers fest verankert ist. Es ermöglicht die ideologische Repräsentation des «bon usage» als ein über den Gesetzen und folglich außerhalb weltlicher Einflussnahme stehendes Gut. Der «Privatheit» und der Position des Einzelnen wird zugunsten der Anerkennung von «Öffentlichkeit» als Machtbereich und Spiegel absolutistischer Wirklichkeit jede Bedeutung abgesprochen. In dieser nun ontologisierenden Überhöhung des Sprachgebrauchs als öffentliche Ausdrucksform des klassizistisch-absolutistischen Ideals wird von Vaugelas dann schließlich auch die definitive Ablösung des Französischen vom Lateinischen auf metasprachlicher Ebene konstatiert (cf. 137), wobei auch hier die sprachliche Abgrenzung vom Lateinischen zugleich mit einer sozialen Abgrenzung von der römischen Gesellschaftsstruktur begründet wird. Um die sprachliche Realisierung der «bon usage»-Ideologie genauer zu betrachten, ist auch in diesem sprachhistorischen Kontext mit Weinrich (1960) die bewusst eingesetzte argumentative Funktion bestimmter Metaphernkonzepte hervorzuheben; diese stellt sowohl ein Mekmal der allgemeinen klassischen Sprachreflexion dar als auch insbesondere der Remarques, die durch den familiären Hintergrund Vaugelas’ geprägt sind, dessen Vater als Jurist tätig war: «Daß dieser metaphorische Erwartungshorizont auch im 17. Jahrhundert noch maßgeblich war und bei dem Publikum vorauszusetzen ist, an das ‹Vaugelas› bei der Abfassung seiner Remarques sur la langue françoise als an seine Leser denken mußte, zeigen mit besonderer Deutlichkeit die verschiedenen Satiren auf die französische Akademie, die schon um der komischen Wirksamkeit willen ganz besonders auf den Erwartungshorizont des Publikum achtzugeben hatten. […] So können wir uns vorstellen, daß schon der erste Satz der Remarques von Vaugelas beim Publikum genau in die Mitte des metaphorischen Erwartungshorizonts traf […] Es bleibt nicht bei diesem metaphorischen Auftakt, und wir finden bei der Lektüre der Remarques auf Schritt und Tritt juristische Metaphern, deren Zahl und Gewicht uns verbieten, sie als bloßen Schmuck der Rede zu werten. Sie stehen vielmehr an so entscheidenden Stellen der Argumentation, daß wir sie als wesentlich, ja als konstitutiv für das Sprachdenken des Grammatikers Vaugelas ansehen müssen» (Weinrich 1960, 2–3).

Nicht nur dient die Metaphorik des Rechtswesens der Verteidigung des Sprachnormprogramms der Remarques gegen den möglichen Vorwurf eines oktroyierten sprachlichen Ordnungsprinzips, sondern sie dient im Rahmen der oben beschriebenen Selbstzweckhandlung v. a. der Verteidigung des Verfassers in der Rolle des Richters in Funktion des per definitionem vorurteilsfrei bewertenden und gerechten Akteurs (cf. 133), der über die Qualität des öffentlichen Sprachge-

3.3 Frankreich

301

brauchs urteilt. Die Richter-Metapher und der gesamte juristische Assoziationsbereich dienen der Selbstpositionierung Vaugelas, seiner Ausrichtung am Gegenstand Sprache und der positiven Konnotation des «bon usage» als Ergebnis eines gründlich abgewogenen sprachlichen Urteils zum Wohle der Öffentlichkeit. Das Prinzip einer sprachbezogenen Einstellungsäußerung könnte wohl weder programmatisch noch sprachlich eingehender abgebildet sein. Was nun in diesem Vorwort die Frage nach der nicht-kommunikativen Ebene des sprachlichen Handelns und der Rolle von Sprachideologien als Summe der auf Sprache bezogenen Einstellungen und Positionierungsaktivitäten angeht (cf. ausführlich Kap. 4.1.3) angeht, stellt sich die Frage, ob und wie diese als mentale Konstrukte überhaupt sprachwissenschaftlich beschreibbar sind. Woolard (1998) geht davon aus, dass Sprachideologien in sprachlichen Äußerungen zum Vorschein kommen, ihre Bestimmung jedoch gerade deshalb eine Herausforderung ist, weil sie an verschiedenen Standorten und in unterschiedlicher Form auftreten können. «Ideology is variously discovered in linguistic practice itself; in explicit talk about language, that is, metalinguistic or metapragmatic discourse; […] a focus on overt ideological contestation. […] [There is] a fundamental emphasis on the social origins of thought and representation, on their roots in or responsiveness to the experience of a particular social position. […] Cultural frames have social histories, and this demands that we ask how seemingly essential and natural meanings of and about language are socially produced as effective and powerful. […] this implies a methodological stance, a commitment to consider the relevance of social relations […] to the nature of cultural forms» (Woolard 1998, 9–10, Ergänzung VN).

Vor diesem theoretischen Hintergund ergeben sich für die romanistische Sprachwissenschaft bei der Untersuchung von Metasprachdiskursen relevante Anknüpfungspunkte an soziologische Forschungsinteressen der Sprachideologieforschung (cf. Kap. 4.1.3), die Woolard/Schieffelin (1994) bereits in einer früheren Arbeit im Zusammenhang mit der Betrachtung metasprachlicher Denkweisen wie sprachlicher Korrektheit, Standardisierung und Reinheit besonders hervorgehoben haben. Ihre Überlegungen bekräftigen somit die Relevanz einer diskurstheoretischen, historisch-vergleichenden und sprachhandlungsorientierten Perspektive auf sprachbezogene Diskurse, die diese Arbeit zu veranschaulichen versucht: «Since Dante’s time, the selection and elaboration of a linguistic standard has stood for a complex of issues about language, politics and power. The existence of a language is always a discursive project rather than an established fact. Standard languages and/or their formation had been studied earlier by philologists, Prague School functional linguists, and applied linguists, but the emphasis on the ideological dimension has given rise to new analyses of language standardization, with the concept of a standard treated more

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as ideological process than as empirical linguistic fact. Notions of better and worse speech have been claimed to exist in every linguistic community, but this claim has been disputed. There is more agreement that codified, superposed standard languages are tied not only to writing and its associated hegemonic institutions, but to specifically European forms of these institutions. In the vernacular belief system of Western culture, language standards are not recognized as human artefacts, but are naturalized by metaphors […]. Ideological analysis addresses questions such as how doctrines of linguistic correctness and incorrectness are rationalized or how they are related to doctrines of the inherent representational power, beauty, and expressiveness of language as a valued mode of action. Moral indignation over nonstandard forms derives from ideological associations of the qualities valued within culture, such as clarity or truthfulness» (Woolard/Schieffelin 1994, 64).

Die hier als Merkmal sprachideologischer Metasprachdiskurse beschriebene ʻNaturalisierungʼ bewertender Konzepte von Standardsprache durch außersprachliche Assoziations- und Bildbereiche wird auch an der Dichte und der argumentativen Funktion der Ontologisierung des «bon usage» als Maistre und Souverain sichtbar (cf. 131–133). Es zeigt sich also im Rahmen der sprachhistorischen Entwicklung von Metasprachdiskursen,201 dass gerade in Texten einer bewertenden Sprachpflege «die Wissensorganisation in Diskursen wesentlich auch über metaphorische Konzepte fundiert ist und damit analog zur Idee konzeptueller Metaphern […] ein Grundprinzip der kognitiven Verarbeitung darstell[t]» (Spitzmüller/Warnke 2011, 153). Die Auszüge aus den Remarques belegen auch den engen Zusammenhang zwischen sprachideologischer Argumentation und dichotomer Konstruktion der sprachlichen Realität, der neben dem argumentativen Wert von Metaphern in sprachpflegerischen Texten als weiteres Merkmal festgehalten werden kann. Die dialektische Konzeptualisierung von Sprache und Sprechern stützt sich fast ausschließlich auf kategorische Werturteile. Die Ablehnung nuancierter Spracheinstellungen und das Verharren auf festen Urteilspositionen führen unweigerlich zu einer gegenläufigen und bisweilen widersinnigen Argumentationsstruktur, die durch eine starke Alternanz zwischen sachbezogenen Einstellungsbekundungen zu Sprache auf der einen Seite und Profilierungs- und Diffamierungsstrategien auf der anderen Seite gekennzeichnet ist. Die aus machtpolitischen und soziokulturellen Überzeugungen selbstauferlegte Verpflichtung zum metasprachlichen Denken in absoluten Gegensätzen führt dazu, dass eine stark ideologisch geprägte Sprachpflege in bestimmten

201 Cf. hierzu in Kap. 3.3.3 die Belege (82) und (89) aus Lemaire de Belgesʼ traité, die Beispiele (90)–(95) aus du Bellays Deffense et Illustration sowie im historischen Vergleich dazu die aktuellen Belege (90)–(95). Für das 17. Jhd. sei nochmals auf die Belege (117) und (126) aus Bouhours Entretiens verwiesen.

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Persuasions- und Legitimationsverfahren verharrt, was unweigerlich zu einer Polemisierung der Argumentation führt. Die Begründung des «Eigenen» kann nur in der Negation des «Anderen» bestehen. Dieses Verfahren offenbart sich in der Préface sehr deutlich, wenn man betrachtet, dass Vaugelas zum Zwecke der Beglaubigung des «bon usage» als Norm des Französischen trotz bereits vollzogener Emanzipation vom Lateinischen dennoch nicht auf eine explizite Abgrenzung vom römischen Sprachideal und Gesellschaftsbild verzichtet (cf. 137). Mittels des Vergleichs mit den römischen Wertevorstellungen reaktiviert Vaugelas einen historischen und mittlerweile fiktiven «Gegner» und somit beim Leser Affekte einer mentalitätsgeschichtlich etablierten Sprachenrivalität, wobei die Betonung der gesellschaftsstrukturellen Unterschiede in rein wertrationaler Absicht erfolgt und für die Sprachensituation selbst keinerlei oder nur wenig faktische Relevanz hat. Specht (1986) beschreibt dieses Zusammenspiel zwischen Sachargumentation und Selbstaufwertung/Gegnerabwertung als Merkmal polemischer Strategien. Die von ihm betonte «Wechselwirkung» soll als Merkmal sprachpflegerischer Metasprachdiskurse und insbesondere sprachpuristischer Argumentationen hier nochmal hervorgehoben werden.202 Dabei kann ganz grundsätzlich davon ausgegangen werden: Je stärker die Spracheinstellungen von ideologischen Aspekten beeinflusst sind, desto stärker opponieren sprachbezogene Konzepte und Wertvorstellungen und desto größer ist das Missverhältnis zwischen sachlogischer Argumentation und sprachlichen Verfahren der Auf- und Abwertung: «Die Wechselwirkung von Sachargumentation und Selbstaufwertung/Gegenerabwertung ist von daher gesehen eigentlich eine polemische Notwendigkeit. Denn die erfolgreiche (d. h. glaubwürdige) Argumentation gereicht dem Redner zur Ehre, und die versteckte Pflege des eigenen Rufes stärkt die Glaubwürdigkeit der eigenen Argumentation – et vice versa: die glaubwürdige refutatio untergräbt das Ansehen des widerlegten Gegners, der heimlich abgewertete Gegner verliert an Glaubwürdigkeit» (Specht 1986, 190–191).

Die Beispiele aus der Préface (131)–(137) zeigen, dass es «[z]ur Realisierung der je konkreten Argumentationshandlungen […] sprachliche[r] Mittel [bedarf]» (Wengeler 2018, 251). Im Vorwort der Remarques sind diese wie bereits erwähnt v. a. in der metaphorischen Ausgestaltung des «bon usage»-Dogmas erkennbar. Spieß (2011) hat im Rahmen ihrer diskurslinguistischen Untersuchung der Bioethikdebatte handlungsleitende Konzepte erarbeitet und treffend zusammengefasst, wie diese auf argumentativer Ebene als Überzeugungsstrategien differen-

202 Cf. hierzu die bereits an anderen Beispielen in Anlehnung als Stukenbrock (2005b) belegte Diskrepanz zwischen «Gegenstands- und Selbsteinordnungsideologie» (Kap. 3.2.6; 3.3.2).

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3 Metasprachdiskurse als historische Systeme

ziert werden können und als Teil einer übergeordneten Handlungsstrategie zum Einsatz kommen: «Die Akzeptanzschaffungsstrategien der Diskursakteure […] zielen darauf, die gegnerische Position zu ‹widerlegen›, zu ‹diffamieren›, zu ‹stigmatisieren›, ‹abzuwerten›, die Situation zu ‹dramatisieren› und den Sachverhalt zu ‹emotionalisieren›, die je eigene Position ‹aufzuwerten›, die eigene Argumentation zu ‹plausibilisieren› und ‹um Aufmerksamkeit› für die eigene Überzeugung zu ‹buhlen›. Das geschieht innerhalb des Diskurses durch den Aufbau von Bedrohungsszenarien, der damit verbundenen Konstruktion von Auswegen aus der bedrohlichen Situation, der Konstruktion einer sozialen Verantwortung und dem Verweis auf Handlungszwänge. In diesem Zusammenhang kommen drei wichtige Aspekte zur Geltung, die mit den Überzeugungsstrategien verbunden sind: es wird mit der Realisierung von Topoi und dem Vollzug einer Handlungsstrategie eine Einstellung gegenüber dem Sachverhalt wieder gegeben [sic], die die Diskursteilhaber entweder affirmieren oder die die Diskursteilhaber polarisiert. Den Emittenten geht es in erster Linie um das Überzeugen von der eigenen Position […]» (Spieß 2011, 529).

Die meisten der genannten Überzeugungsstrategien können auf die Argumentationsstruktur der Préface angewendet werden. Dass es Vaugelas in erster Linie um das Überzeugen von der eigenen Position geht, ist dabei ebenso unstrittig wie die Tatsache, dass die Begründung seines Sprachnormprogramms bei den übrigen Diskursteilhabenden damals auf umfassende Affirmation stieß und z. T. auch heute noch stößt. Neben den bereits betrachteten sprachlichen Äußerungen zur Aufwertung der eigenen metasprachlichen Position durch das Abwerten anderer Positionen oder anderer Handlungen besteht jedoch der Kern der Argumentation, wie es Spieß (2011) formuliert, im «Heraufbeschwören von Handlungszwängen», die jeweils durch implizite Sprachhandlungsschemata hergeleitet werden. Die Konstruktion sozialer Verantwortung stellt dabei das zentrale metasprachliche Moment zur Freisetzung sprachbezogener Einstellungen dar. Diese werden durch die ideologische Verankerung des «usage»-Ideals in der führenden gesellschaftlichen Schicht und dem damit verbundenen Wertesystem des Absolutismus hergeleitet (cf. 131–134). Diese Interpretation unterstreicht ebenso Marzys (2009), wenn er sagt «La Préface des Remarques sur la langue françoise […] c’est la meilleure description que nous possédions de l’attitude linguistique du dix-septième siècle français. […] [C]’est toute l’idéologie d’une époque et d’un milieu qui transparaît à travers l’ouvrage de Vaugelas. Celui-ci, en effet, prétend ne rien affirmer de son ‹autorité privée›; il ne veut que rapporter ‹l’opinion commune› et, en la distinguant des ‹opinions particulières›, aider ‹le public› à la suivre» (Marzys 2009, 16).

Neben dem Hervorheben seines persönlichen Handlungsauftrags in Bezug auf die Bewahrung des «bon usage», dem Vaugelas als Wächter über die Einhaltung der Norm Folge leistet (cf. Abb. 11), impliziert die Analogie der Sprachen-

3.3 Frankreich

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frage zur gesellschaftlichen Struktur des 17. Jhs. sowohl eine kollektive Verantwortung der Elite als auch die Schlussfolgerung, dass eine Verpflichtung zu dieser Verantwortung keine Option ist, sondern dass die politischen, kulturellen und sprachlichen Ideale der Klassik hierbei keine Wahl lassen.203 Diese Implikatur unterstreicht die bewusste lexikalische Zusammensetzung des Syntagmas «Maistre et Souverain des langues vivantes» als Attribut des «bon usage» in inhaltlicher Analogie zur Souveränität des absolutistischen Herrschers, die nicht in Frage gestellt werden kann. Um an dieser Stelle die in Kap. 2.1.3 zusammengefassten öffentlichen Diskursmodelle auf Sprachpflege als gesellschaftlichen Teildiskurs anzuwenden, so liegt es auf der Hand, dass der Sprachpflegediskurs des 17. Jhs. aufgrund der absolutistischen Regierungsform grundsätzlich nur schwer den Strukturen «moderner Öffentlichkeiten» zugeordnet werden kann. Gleiches gilt für die Definition von «öffentlicher Meinung», die als das Ergebnis von Öffentlichkeit bei Vaugelas weder aus einem Majoritäts- noch Diskurs- oder Konsensprinzip hervorgeht und daher mit dem von Habermas geprägten normativen Öffentlichkeitsbegriff nicht konform gehen kann (cf. Jarren/Donges 2016, 83). Allerdings kann Vaugelas’ Konzept der «opinion de tout le monde» (cf. 135) mithilfe der systemtheoretischen Interpretation von Öffentlichkeit nach Luhmann (2000) und folglich mit der Annahme nachvollzogen werden, dass «öffentliche Meinung» das ist, «was als öffentliche Meinung beobachtet und beschrieben wird. Man kann sie als einen durch die öffentliche Kommunikation selbsterzeugten Schein ansehen, als eine Art Spiegel, in dem die Kommunikation sich selber spiegelt» (2000, 286). Demnach handelt es sich bei der «öffentlichen Meinung» nicht nur in politischen Diskursen, sondern in allen ideologischen Diskursen, um eine Vergegenständlichung durch Projektion: «[…] [Ö]ffentliche Meinung [ist] eine Konstruktion, und sie wird erst durch den Versuch, sie zu messen, hergestellt. Dabei wird öffentliche Meinung auch als ein rhetorisches Instrument der politischen Akteure gesehen, die sich auf eine behauptete öffentliche Meinung berufen» (Jarren/Donges 2016, 84). Beide Aspekte der Definition treffen auf das Sprachpflegeprogramm der Remarques zu: Vaugelas setzt den «bon usage» mit der öffentlichen Meinung gleich und beruft sich somit auf die geltende soziale Ordnung des absoluten Herrschaftssystems, die ihm umgekehrt die nötige Bemessungsgrundlage liefert, um Kriterien des allgemeinen guten Sprachgebrauchs festzulegen und individuelles Sprechen zu messen, d. h. bewerten zu können. Darüber hinaus ist die argumentative Funktion von öffentlicher Meinung als konventionalisiertes

203 Zur argumentativen Bedeutung gesellschaftlicher Eliten in aktuellen sprachpflegersichen Debatten als Teil des ÖFFENTLICHKEITSTOPOS cf. Kap. 4.2.1.1; 4.3.1.1; 4.3.2.1.

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3 Metasprachdiskurse als historische Systeme

Schlussverfahren und ihr bewusster Einsatz im Vorwort der Remarques unverkennbar, da an sich bereits der Verweis auf eine «opinion de tout le monde» eine abstrakte Autorität impliziert, deren Legitimationskraft durch den sozialen Status ernannter Vertreter dieser öffentlichen Meinung («la Cour et la ville») nochmal verstärkt wird. Eine konkretere Differenzierung dieser dogmatischen Auslegung öffentlicher Meinung durch ihre Akteure kann ebenfalls anhand der Préface aufgeschlüsselt werden (cf. Abb. 11). Vaugelas beschreibt insgesamt drei Arenen öffentlicher Meinung: An oberster Stelle steht die Arena der «élite des voix», d. h. Personen der höfischen und städtischen Instanz (cf. 134). In dieser Arena liegt das sprachliche Ideal klassizistischer Sprachpflege als Elitenkonzept begründet, d. h. Sprachpflege beruht auf derselben «opinion commune», die «die politischen Eliten in […] kultureller und politischer Hinsicht für relevant erachten» (Jarren/Donges 2016, 84). Dabei ist durch die Gleichschaltung sprachbezogener Interessen mit politischen Interessen eine Definition «öffentlicher Meinung» als Ergebnis rationaler Beratungen der Mehrheit prinzipiell ausgeschlossen (cf. 134: «pluralité des voix»). Dieser vollständige Ausschluss der Sprechermehrheit als Arena des Sprachpflegediskurses beinhaltet nicht nur die für puristische Spracheinstellungen und -ideologien beschriebene soziale Dichotomisierung, sondern er beschreibt Sprachpflege als repräsentatives und abgeschlossenes Diskurssystem auf der Grundlage eines maximal restriktiven Elitenkonzepts, das entgegen liberal-repräsentativer Diskursmodelle jeglicher Transparenz und Möglichkeit zur freien Einstellungsbekundung entbehrt (cf. Tab. 1). Die Ebene der Encounter bildet somit mitnichten eine Peripherie, sondern sie unterliegt dem vollständigen Ausschluss aus dem Diskurssystem. Innerhalb dieser Abgeschlossenheit besteht lediglich eine reziproke Durchlässigkeit zwischen Arena I und Arena III. Letztere umfasst die von Vaugelas beschriebenen «excellens ecrivains», die zum guten Sprachgebrauch fähig sind, aber bisweilen durch Nichteinhaltung des sprachnormativen Regelapparates, den die Repräsentanten der Arena I vorgeben, unterhalb der «plus saine partie» öffentlicher Meinung anzusiedeln sind (cf. 135). In der mittleren Arena, von der aus Vaugelas als Richter des «bon usage» agiert (cf. 131–133), liegt nicht nur die soziale Schnittstelle öffentlicher Meinung und die Kontrollinstanz des korrekten Sprachgebrauchs, sondern auch das politische Fundament klassizistischer Sprachpflege als Modell öffentlicher Meinung begründet. Als zentraler Akteur dieser Arena, sowohl in seinem eigenen Vorwort als auch in der politischen Realität, vertritt Vaugelas den institutionalisierten Sprachpflegediskurs des 17. Jhs., der mit der Einrichtung der Académie française (1635), die in (131) als «illustre et celebre Compagnie» genannt ist, vollzogen wird. Dass in diesem Zusammenhang der juristischen Metaphorik auch ein realer Kontext zukommt, ist

Diskursvertikalität

3.3 Frankreich

bon Usage

opinion commune (plus saine partie)

Arena I

Mittler

Arena II

opinions particulières

Arena III

pluralité des voix (peuple)

307

mauvais usage

Abb. 11: Sprachpflege als repräsentatives Diskursmodell (17. Jh.).

dem Leser der Préface bekannt, nachdem die Akademie bereits 1637 anlässlich der berühmten Querelle du Cid mit ihren Sentiments sur la tragi-comédie als Richterin über die Einhaltung der «doctrine classique» in Erscheinung trat (1637). Somit beschreiben die Remarques das Bild der sozialen Rollenverteilung des französischen Metasprachdiskurses innerhalb eines stark begrenzten machtpolitischen Teildiskurses, in dem sich kleinere Arenen und Akteure in Leistungsrollen einer elitären Öffentlichkeit formieren.204 Eine solche, andere gesellschaftliche Domänen überdeckende Wissens-, Diskurs- und Kommunikationsstruktur wird als «Diskursvertikalität» bezeichnet (cf. Kap. 3.1).205 Dabei beziehe ich mich auf Wichters Definition (1995) von «Vertikalität» als grundlegendem Differenzierungsaspekt der Gesellschaftsstruktur und Wissensarchitektur sowie auf Schiewes Definition von «Öffentlichkeit» als «eine[r] bestimmte[n] Formation der Gesellschaft, in der sich Meinungen bilden, durch die diese Gesellschaftsform ihre Identität erhält, und in der diese Meinungen die Funktion einer eigenständigen […] Kraft beanspruchen» (2004, 281), die sowohl für die Zeit des Absolutismus und für die Standardisierung der französischen National-

204 Zur Definition von «Leistungsrollen» cf. Kap. 2.1.4; 2.2.2. 205 Zur Definition von «Diskursvertikalität» cf. Kap. 4.1.1.

308

3 Metasprachdiskurse als historische Systeme

sprache als auch zeitlich darüber hinaus Gültigkeit besitzt. Letztgenannte Definition berücksichtigt die Möglichkeit einer ideologischen Einschränkung von «Öffentlichkeit» als «prinzipielle Zugänglichkeit von Kenntnissen, Themen, Meinungen, Fakten, Institutionen, Kompetenzen usw. für alle Menschen innerhalb eines bestimmten […] Systems» (Schiewe 2004, 281), wie sie für Sprachpflege angenommen werden muss. «Vertikalität ist eine für komplexe Gesellschaften grundlegende und bestimmende Differenzierung. Sie ist der naiven Erfahrung allgegenwärtig, und sie bestimmt das interne und externe praktische Handeln in den Domänen. Sie ist Gegenstand sozialwissenschaftlicher Forschung, aber auch präskriptiv orientierter, die Ethik fachexterner Kommunikation betreffender Überlegungen. Der Linguistik ist die sprachliche Vertikalität als Gegenstand aufgegeben. Die angemessene Analyse dieses Gegenstands setzt, wie anzudeuten war, allerdings voraus, wahrzunehmen und zu berücksichtigen, daß die sprachlichen Strukturen über sich hinausweisen. Sie weisen insofern über sich hinaus, als sie Teil des gesamten Wissens sind. Und sie weisen über sich hinaus, indem Wissen und mithin sprachliches Wissen im engen und systematischen Zusammenhang mit den Erfahrungen in den Biographien von Personen und Personengruppen zu sehen ist» (Wichter 1995, 308).

Nach der Sprachnormendiskussion des 16. Jhs. und einer bisher vorrangig vom Staat ausgeführten Sprachlenkung, «[erfasst] [i]m 17. Jahrhundert die Diskussion von Sprachfragen […] weite Kreise Gebildeter (Kultur der privaten Zirkel und Salons)» (Große 2017, 118). Hinzu kommt der institutionelle Ausbau des Metasprachdiskurses durch die Gründung der Académie française (1635), sodass zwar eine diskursive Ausdifferenzierung innerhalb der gesellschaftlichen Spitze stattfindet (cf. Abb. 11), jedoch insgesamt die diskursive Verengung der Sprachendiskussion besiegelt wird, indem partikulare Interessen sowohl im politischen Bereich als auch in Bezug auf Sprache kontrolliert und im Sinne sprachlicher Regelkonformität gelenkt werden. Die Diskursstruktur unterliegt somit homogenen normativen Vorgaben und zirkulären Kommunikationsformen, die letztlich dazu führen, dass es kein Publikum im eigentlichen Sinne gibt. Dementsprechend gibt es auch keine Öffentlichkeit nach modernem und demokratischem Diskursverständnis i. S. v. «Offenheit der Kommunikation vor einem prinzipiell unabgeschlossenen Publikum» (Spieß 2011, 130), das den von Neidhardt (1994) beschriebenen normativen Ansprüchen öffentlicher gesellschaftlicher Kommunikation (Transparenz, Validierung, Orientierung) entsprechen könnte (cf. Kap. 2.1.3). Mithilfe der von Noëlle-Neumann beschriebenen «Schweigespirale» als Theorie öffentlicher Meinung (1989;206 cf. Abb. 12) können die Auswirkungen

206 Es handelt sich um die französische Übersetzung der englischsprachigen Erstpublikation von 1974.

3.3 Frankreich

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der soziohistorischen Konstellation des Absolutismus auf den Metasprachdiskurs als Teilsystem von Öffentlichkeit prägnant resümiert werden.207 Ausgehend von der Annahme, dass öffentliche Meinung das Ergebnis sozialer Interaktion ist, die von den Urteilen und Einstellungen bestimmter sozialer Gruppen determiniert und gelenkt wird, ergibt sich für jeden einzelnen am Diskurs Beteiligten die Herausforderung, sich entweder der öffentlichen Meinung anzupassen oder sich gegen diese zu positionieren: «Là est le point de vulnérabilité de l’individu; c’est là que les groupes sociaux peuvent le punir de ne pas avoir su se conformer. Il y a un lien étroit entre les concepts d’opinion publique, de sanction et de punition. […] l’individu est le témoin d’une lutte entre des positions opposées et doit prendre parti. Il peut se trouver d’accord avec le point de vue dominant. Cela renforce sa confiance en soi, et lui permet de s’exprimer sans réticence et sans risquer d’être isolé face à ceux qui soutiennent des points de vue différents» (NoëlleNeumann 1989, 182).

Ein Verständnis von öffentlicher Meinungsbildung als elitengeleitetem Interaktionsprozess auf der Grundlage eines stark konventionalisierten und normierten Diskurssystems, kann aufgrund des Zwangs zur Regelkonformität und eines insgesamt eingeschränkten und ideologisch determinierten Wissenstransfers bei einzelnen Akteuren zur Angst vor Sanktionen oder Ausschluss aus der Öffentlichkeit führen. Was die Sprachendiskussion im 17. Jh. anbelangt, dürfte vor diesem Hintergund klar sein, dass aufgrund der einerseits starken ideologischen Einflussnahme des absolutistischen Herrschaftsprogramms auf alle gesellschaftlichen Bereiche und anderseits aufgrund der zahlenmäßigen Überschaubarkeit der Elite, nur eine geringe Zahl der Akteure bereit war, sich den etablierten puristischen Spracheinstellungen mit eigenen Überzeugungen entgegenzustellen, zumal auch davon ausgegangen werden kann, dass die Dominanz der absolutistischen opinion publique nur wenig Platz für die Entwicklung gegenläufiger Meinungen ließ: «En d’autres termes, on peut d’écrire l’opinion publique comme cette opinion dominante qui commande une attitude et un comportement de soumission, en menaçant d’isolement l’individu récalcitrant, et le politicien d’une perte de soutien populaire» (Noëlle-Neumann 1989, 182). Vaugelas kommt die von Noëlle-Neumann an letzter Stelle genannte Rolle des Politikers zu. Wie oben beschrieben, vertritt er als Vermittler der opinion publique der «plus saine partie de la Cour» das nationale Sprachprogramm und

207 Den Hinweis auf den Zusammenhang zwischen der Theorie öffentlicher Meinung nach Noëlle-Neumann (1989) und der sozialen Dynamik von Metasprachdiskursen verdanke ich dem Beitrag von Osthus (2018), der auf die Bedeutung der Schweigespirale im Kontext laienlinguistischer Metasprachdiskurse verweist.

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die darin begriffenen sprachbezogenen Einstellungen; mit der von ihm manifestierten Befürwortung dieses einen Metasprachdiskurses stärkt er wiederum seine eigene Position als öffentliche Person im Dienste absolutistischer Staatslenkung. Wenn es heutzutage um die Beschreibung der Sprachensituation im 17. Jh. geht, figuriert dieses in den Remarques gezeichnete Bild eines elitären monolingualen Habitus,208 beruhend auf einer sprachpuristischen Doktrin und patriarchalischen Repräsentanten wie z. B. Malherbe oder Vaugelas, als eine immer noch gültige Repräsentation im französischen Metasprachdiskurs. Ebenso wie heute gab es auch in der Klassik Gegenstimmen zum Purismus, die wie Mathurin Régnier eine prinzipielle Ablehnung des Sprachgebrauchs abweichend vom «bon usage» und der «doctrine classique» als «mespris d’autruy» kritisieren (cf. 138), wie Gilles Ménage das Wirken der Académie française als Hyperkritik tadeln (cf. 139) oder wie Charles de Saint-Évremond und Louis d’Espinay in ihrer Comédie des Académistes (1637) die Arbeit der Akademie verspotten (cf. 140):209 (138) De reformer les vers, non les tiens seulement, / Mais veulent deterrer les Grecs du monument, / Les Latins, les Hebreux et toute l’Antiquaille, / Et leur dire à leur nez qu’ils n’ont rien fait qui vaille. / Ronsard en son mestier n’estoit qu’un aprentif ; / Il avoit le cerveau fantastique et rétif ; Desportes n’est pas net, du Bellay trop facille ; / Belleau ne parle pas comme on parle à la ville, / Il a des mots hargneux, bouffis et relevez, / Qui du peuple aujourd’hui ne sont pas aprouvez. (139) Grâce à Dieu, compagnons, la divine Assemblée / A si bien reüssy, que la langue est reglée. / Nous avons retranché ces vieux et rudes mots / Introduits autrefois par les barbares Gots ; / Nous les avons ostés, et, de peine puissance, / Faisons aux escrivains une juste defense, / Qui devra leur servir d’une très forte loy, / Qu’ils n’usent pour jamais de car ni de pourquoy ; Parce que ny parfois ne sont plus à la mode ; […] / Voicy ce qu’à peu pres nous voulons reformer ; / Soit nommé libertin qui voudra nous blasmer. / Qui ne recognoistra la trouppe Academique, / Soit estimé chez nous pire qu’un heretique ! (140) A Nosseigneurs Academiques, / Nosseigneurs les Hypercritiques, / Souverains arbitres des mots, / Doctes faiseurs d’avant-propos, / Cardinalhistoriographes, / Surintendants des orthographes, /Raffineurs de locutions […].

208 Zum Habitusbegriff in handlungsorientierten Diskursanalysen cf. Kap. 4.1.2. 209 Die Belege (138)–(140) stammen aus der Zusammenstellung der Texte und Dokumente zur Sprachgeschichte des Französischen im 17. Jh. von Wolf (1972, 54–55).

3.3 Frankreich

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In der Retrospektive sind diese Positionen für die Beschreibung von prägenden Tendenzen des französischen Metasprachdiskurses im 17. Jh. jedoch zu marginal, als dass sie in Form eines Gegengewichts zur Horizontalisierung des Metasprachdiskurses hätten beitragen können. Als Teil des «Anderen», gegen das sich Sprachpurismus richtet, existieren in der Klassik zwar Spracheinstellungen jenseits des sprachlichen Reinheitsideals, sie werden aber nicht als Teil der öffentlichen Meinung egalisiert bzw. können sich als solche nicht durchsetzen, wodurch sie in der «Schweigespirale» nach unten gezogen werden:

Metaebene I: Sprachliche Vertikalität

opinion commune

Metaebene II: Soziale Vertikalität/ Diskursrichtung

mauvais Usage

Abb. 12: Der puristische Metasprachdiskurs als «Schweigespirale» (17. Jh.).

Die Dynamik der Schweigespirale resultiert aus der Überlappung sozialer und metasprachlicher Prozesse innerhalb des Metasprachdiskurses. Die Korrelation zwischen der diskursiven Konstruktion sprachgebrauchsbezogener Vertikalität (Metaebene I) und gesellschaftlicher Vertikalität (Metaebene II) ist dabei leicht ersichtlich: Je stärker soziale Vertikalität ausgeprägt ist, d. h. je stärker gesell-

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schaftliche Diskurse, bedingt durch eine einseitige Machtverteilung und sprachideologische Einstellungskonzepte top-down gelenkt werden, desto stärker bewegen sich von diesen Sprachideologien und Spracheinstellungen abweichende Einstellungskonzepte in der Schweigespirale nach unten; der Grad der Vertikalität bestimmt dabei die Kraft, mit der sich die französische Sprache in ihrer Kategorisierung zwischen «bon» und «mauvais usage» in Richtung der Pole nach oben und nach unten auseinanderdividiert. Im französischen Metasprachdiskurs des 17. Jhs. entwickelt sich die Schweigespirale in Form eines umgekehrten Trichters ausgehend von der Diskursspitze und ihren zentralen Akteuren (cf. Abb. 11, Arena I) nach unten führend in Richtung der aus der Sprachendiskussion und aus der opinion publique ausgeschlossenen «pluralité des voix». Die Schweigespirale als Phänomen der inneren Hierarchisierung von Metasprachdiskursen ist weder auf die französische Sprachendiskussion zu beschränken noch auf das 17. Jh. Im Gegenteil: Gerade heute zeichnen sich ähnliche Prozesse im Bereich der Debatte über den Status der französischen Regional- und Minderheitensprachen ab. Dabei gilt grundsätzlich, dass erstens die starke Lenkung zugunsten einer Sprache durch Offizialisierung, Normalisierung und Institutionalisierung immer auf einem machtgeleiteten Diskursgefälle beruht, das zur Verdrängung anderer Varietäten führen kann, sofern innerhalb der Diskursspirale keine effizienten Gegenkräfte mobilisiert werden (können). Neben solchen abwärtsgerichteten Dynamiken können sich auch umgekehrt und stets in Abhängigkeit von der konkreten Sprachensituation bei einer Verlagerung der Kräfte im Diskurs und abhängig von Ausgangspunkt, Richtung sowie Öffnungsgrad des Diskurses natürlich andere Diskurs- und Spiralformen ergeben. Zweitens muss sich heute die Gesellschaftsstruktur insgesamt und/ oder in ihren einzelnen Domänen mit der Struktur des Metasprachdiskurses decken, d. h. eine demokratische Staatsform und partizipatorische Öffentlichkeit bedingt nicht per se eine demokratische Lösung von Sprachenfragen, wie am Beispiel Frankreichs sehr gut ersichtlich ist, das als demokratischer europäischer Nationalstaat die Europäische Charta der Regional- oder Minderheitensprachen bisher mit verfassungsrechtlicher Begründung noch nicht ratifiziert hat (cf. ausführlich Kap. 3.3.5). Letzter Punkt führt zum Abschluss dieses Kapitels und der Frage, welchen Einfluss die sprachpuristischen Tendenzen der klassizistischen Sprachendiskussion noch auf den heutigen französischen Metadiskurs nehmen. Die sprachpolitischen Entscheidungen des Absolutismus, im Rahmen derer «katalanophone, germanophone oder niederländischsprechende Gebiete im Zusammenhang mit der Arrondierung des Staatsgebiets dem französischen Hoheitsgebiet einverleibt wurden», geben der «Begründung einer Norm für das français national»

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(Schmitt 2000, 694) einen konkreten sprachpolitischen Rahmen und orientieren den französischen Staat fortan noch entschiedener in Richtung einer monozentrischen Sprachnation. Die sprachideologische Verneinung der autochthonen Varietäten auf französischem Staatsgebiet, die während der Französischen Revolution «nach einer anfänglichen Periode der Toleranz» (Berschin/Felixberger/ Goebl 2008, 215) in die systematische Verdrängung der Regionalsprachen zugunsten des Französischen als «langue de la République» mündet (cf. Kap. 3.3.5), setzt sich als kontrovers diskutierte «spécificité» der französischen Sprachgeschichte und -politik (Bouvier et al. 2003) bis in die Gegenwart und in den unterschiedlichen Domänen der aktuellen Sprachendebatte auf politischer, institutioneller und privater Ebene fort. Gerade in den Leitlinien offizieller Sprachgesellschaften, «die mit einer ausgeprägten Radikalität gegen alles vorgehen, was nicht ihren normativen Vorstellungen entspricht» (Schmitt 2000, 709), erscheinen Einstellungen gegen das «Fremde» und sprachlich-kulturell «Andere» als vitale Sprachgebrauchsmuster aktueller puristischer Sprachpflege. So ist der folgenden Einschätzung Schmitts (2000) bezüglich der diskursiven Präsenz sprachpflegerischer Konstanten auch für jüngste Tendenzen metasprachlicher Debatten zuzustimmen: «Es gibt sicher Konstanten, und diese werden auch immer wieder beschworen, wenn es um die vier Sprachgesetze von 1539, 1792, 1975 und 1994 geht und in diesem Zusammenhang immer wieder betont wird, was das Ancien Régime, die Jakobinerrepublik und das demokratische Frankreich unterschiedslos gewünscht und in Gesetzestexte gebracht haben, müsse eo ipso gut sein. Zu den Konstanten gehören auch die Ablehnung von Dialekten als nicht normkonformen Varietäten der Nationalsprachen und die mangelnde Bereitschaft, anderen Sprachen als der französischen Nationalsprache auf dem Territorium des Staates Heimatrecht zu konzedieren, wie dies im Grunde alle mehrsprachigen Staaten tun, in denen das Französische als Sprache von Minoritäten als gleichberechtigtes Kommunikationsmittel fungiert» (Schmitt 2000, 725).

Dass die Ablehnung der Regional- und Minderheitensprachen nicht nur ein konstantes, sondern weiterhin vordringliches Anliegen der puristischen Sprachpflege darstellt, zeigt folgender Textausschnitt des Journals der Sprachpflegegesellschaft Avenir de la Langue Française (ALF; zum Verein cf. ausführlich Kap. 3.3.8). Auf der Titelseite der Frühjahrsausgabe 2014 ruft Albert Salon, seit 2003 Vorsitzender des Vereins, vormals directeur adjoint au Ministère de la coopération, chargé de la francophonie und französischer Botschafter in Jamaika, zum aktiven Widerstand gegen die Ratifikation der Charta der Regional- oder Minderheitensprachen auf: (141) NON à la Charte européenne des langues régionales et minoritaires Dans le Dossier de ce bulletin et sur notre site, nous traitons de la nouvel-

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le tentative de faire ratifier la Charte européenne des langues régionales et minoritaires par un vote des parlementaires. Cela en dépit des positions connues du Conseil d’État et du Conseil Constitutionnel sur ce texte contraire à plusieurs dispositions de notre Constitution, modifiée en 1992 à la suite d’une démarche d’ALF pour y faire introduire la phrase : « La langue de la République est le français ». […] Maintenant nous avons une nouvelle tentative de ratification – en force ou en catimini – de la Charte européenne des langues régionales et minoritaires : c’est le bouquet ! Dans le Dossier comme sur le site, nous citons ou résumons l’essentiel des arguments des partisans et adversaires de la ratification, et nous rappelons la position de notre association, clairement fixée et publiée depuis une dizaine d’années. Si vous vous rangez, chers lecteurs, parmi les adversaires de cette charte, n’oubliez pas que l’heure n’est plus à la simple « indignation » à la Stéphane Hessel, mais à la RÉSISTANCE, tant individuelle que collective. Rejoignez-nous (JALF 2014.1, 1)! Zwei Jahre zuvor hatte François Hollande bei seiner Präsidentschaftskandidatur die Ratifizierung der Charta als Wahlversprechen (engagement 56) in sein Programm aufgenommen: «Je ferai ratifier la Charte européenne des langues régionales ou minoritaires. Je veux porter haut la voix et les valeurs de la France dans le monde» (DILA 2012). Die an die Forderung anschließende Gesetzesvorlage wurde im Dezember 2013 von der Kommission Le Roux in die Nationalversammlung eingebracht (cf. Proposition de loi n° 1618/2013) und dort in erster Lesung Ende Januar mit absoluter Mehrheit angenommen (cf. Texte adopté n° 283/2014; Scrutin n° 774/2014). Nachdem bereits der Conseil d’État im Juli 2015 sein negatives Urteil zum Gesetzesentwurf bekannt gegeben hat (cf. Avis n° 390.268/2015), stimmt auch der Senat im Oktober 2015 gegen die Verabschiedung des Gesetzes (cf. Texte n° 25/2015):210 (142) Le Conseil d’État a été saisi le 24 juin 2015 d’un projet de loi constitutionnelle autorisant la ratification de la Charte européenne des langues régionales ou minoritaires. Le projet comporte un article unique insérant dans la Constitution un article 53–3 autorisant la ratification de la Charte européenne des langues régionales et minoritaires adoptée à Strasbourg le 5 novembre 1992 et signée par la France le 7 mai 1999. Le Conseil d’État n’a pu donner un avis favorable à ce texte pour les raisons suivantes. […]

210 Die vollständige und übersichtliche Chronologie der Diskussionsetappen zum Gesetzesentwurf mit den rechtsverbindlichen Dokumenten wird online vom Senat zur Verfügung gestellt, unter:http://www.senat.fr/dossier-legislatif/pjl14-662.html [letzter Zugriff: 19. 05. 2019).

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qu’en adhérant à la Charte, la France méconnaîtrait les principes constitutionnels d’indivisibilité de la République, d’égalité devant la loi, d’unicité du peuple français et d’usage officiel de la langue française. […] la faculté de ratifier la Charte donnée par la nouvelle disposition constitutionnelle aurait introduit dans la Constitution une incohérence entre, d’une part, les articles 1er, 2 et 3 qui affirment les principes constitutionnels mentionnés dans la décision du Conseil constitutionnel du 15 juin 1999 et sont un fondement du pacte social dans notre pays et, d’autre part, la disposition nouvelle qui aurait permis la ratification de la Charte. […] (Avis n° 390.268/2015, 1–2). In der Erläuterung des Conseil d’État werden die Bedenken bezüglich der Verkennung der konstitutionellen Prinzipien und republikanischen Werte formaljuristischen Einwänden vorausgeschickt. Letztere beziehen sich auf die Inkompatibilität von Verfassung und zu ergänzendem Ratifikatonsinstrument sowie auf die Kollision zwischen nationaler und internationaler Rechtsgrundlage, die eine «contradiction interne génératrice d’insécurité» (Avis n° 390.268/2015, 2) zur Folge hätte. Ein exemplarischer Blick auf ausgewählte Leserkommentare, die im Rahmen eines Beitrags in Le Monde (01. 08. 2015) zum 2015 erneut gescheiterten Antrag Stellung beziehen, zeigen, dass sich die öffentliche Diskussion um die Gesetzesvorlage 2014 in einer inhaltlich erwartbaren Lagerbildung zwischen klarer Befürwortung (cf. 143–144) und strikter Ablehnung (145–147) des Gesetzesentwurfs oder der Regional- und Minderheitensprachen selbst niederschlägt, wobei zu bemerken ist, dass die Rezeption der Debatte in der gesamten Breite medialer Berichterstattung eher zurückhaltend ausfällt (cf. hierzu ausführlich Polzin-Haumann 2015). (143) Les langues historiques vivantes de la République Française, tardivement niées par l’article 2 de la constitution qui érige le monopole du français en tant que langue officielle, ont résisté à des siècles d’éradication par l’Etat central, formellement depuis l’édit de Villers-Cotterets, elles comptent encore des millions de personnes qui les parlent ou au moins les comprennent; les militant-e-s de leur sauvegarde et de leur promotion ont permis leur regain […] (Le Monde, 02. 08. 2015). (144) La droite la plus ringarde demeure opposée à la ratification de la Charte qui permettrait aux langues minoritaires et dont l’usage se perd, d’être suavées [sic]. Lamentable! Pourtant “de la diversité n’ait [sic] la richesse” dit un proverbe. Espérons que les parlementaires de droite plus ouverts sauront dépasser les clivages politiciens (Le Monde, 01. 08. 2015).

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(145) Cette Charte est surtout faite pour les Etats vraiment pluriethniques et plurilinguistiques. Ce qui n’est quand même plus le cas pour la France de 2015. Donc cette Charte est inutile et inadaptée. Si il [sic] s’agit simplement de maintenir en vie le patrimoine régional, on peut très bien faire sans (Le Monde, 01. 08. 2015). (146) L’alsacien n’est pas une langue, les autochtones le définisse eux même comme une multitude de dialectes, qui de manière très simplifiée comprennent le bas-alémanique, le moyen-alémanique, le haut -alémanique le francique rhénan et le francique mosellan (Le Monde, 03. 08. 2015). (147) Comment peut-on perdre du temps à vouloir faire passer des textes sans aucun intérêt... 98% des français se foutent des langues régionales, et parmi eux la moitié a du mal à s’exprimer correctement en français ! Les 2% restant parviennent très aisément à apprendre et à parler les langues et patois locaux qu’ils souhaitent. Pourquoi devrait-on alors donner des “droits nouveaux” débiles qui n’intéressent qu’une poignée de militants sectaires. La France a d’autres problèmes plus urgents.... (Le Monde, 01. 08. 2015). Angesichts der Tatsache, dass Frankreich nach dem Beschluss der Charta durch den Europarat (1992) zunächst sieben Jahre gebraucht hat, um diese zu unterzeichnen und nach weiteren 20 Jahren noch immer keinen gangbaren juristischen Weg zur Ratifizierung gefunden hat, lässt sich ein gewisses Maß an Lethargie und Verdruss in Bezug auf die Thematik der Regional- und Minderheitensprachen auf nationaler Ebene nicht leugnen. Diese Überdrüssigkeit wird auch deutlich, wenn man beachtet, dass neben positiven und negativen Einstellungsbekundungen der Sprecher ob der inhaltlichen Problematik der Regionalund Minderheitensprachen in den folgenden Leserkommentaren auch solche Haltungen ins Auge fallen, die ihre Ablehnung mit dem Besorgnis über dringlichere gesellschaftliche Probleme begründen (cf. 147). Entgegen dem Empfinden einzelner Akteure, dass sowohl der Gesetzesentwurf als auch die Frage nach dem Status sprachlicher Varietäten neben dem Französischen keiner derartigen Aufmerksamkeit bedürfen, stößt man bei Äußerungen militanter Sprachpfleger, zu denen auch der Avenir de la Langue Française (ALF) zählt, «auf die bekannten polemischen, ideologisch aufgeladenen Positionen» (Polzin-Haumann 2015, 204). An diesen können die gleichen Bestimmungsstücke sprachpuristischer Argumentation belegt werden, die zuvor bereits als Sprachgebrauchsmuster historischer Dokumente des französischen und deutschen Metasprachdiskurses herausgearbeitet wurden. Zu diesen gängigen Merkmalen sprachpuristischer Positionierungen zählen an erster Stelle

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das Leugnen und die Hyperbolisierung linguistischer Tatsachen und Sachverhalte, wie z. B. die Behauptung, die Zukunft der französischen Sprache sei gefährdet wie niemals zuvor (zum SPRACHBEDROHUNGSTOPOS, cf. 148: «L’avenir de la langue française n’a jamais sans doute paru aussi sombre depuis plusieurs siècles»). Ähnliche argumentative Verfahren, bei denen die Schlussfolgerung ohne Schlussregel auftritt, treten auch in den oben aufgeführten Leserkommentaren auf, wenn behauptet wird, Frankreich sei weder eine pluriethnische noch mehrsprachige Gesellschaft (cf. 145) oder Elsässisch sei keine Sprache und würde von den autochthonen Sprechern selbst als Dialektkonglomerat bezeichnet (cf. 146). (148) L’avenir de la langue française n’a jamais sans doute paru aussi sombre depuis plusieurs siècles. Certes, la pire des menaces est constituée par l’invasion du « globish » ou de « l’anglobish » pour lequel les « fans » s’activent fiévreusement à tous les niveaux. C’est dire que le français n’a pas besoin de subir le nouveau coup que serait la ratification de la charte européenne sur les langues régionales. Beaucoup étant déjà fait pour elles, renoncer au français comme langue exclusive de l’espace public, c’est-à-dire de l’espace commun, en faisant une exception spécifique pour ceux qui pratiquent les langues locales et qui en seraient dispensés, ce serait oublier tout simplement que « le français est le premier des services publics » ; qu’il a grand besoin d’être restauré (notamment dans l’enseignement où de moins en moins d’heures lui sont consacrées). « Les langues régionales séparent, c’est le français qui rassemble », et qui de plus nous relie au vaste monde, lequel sait fort bien ce que représente la langue française, mais ignore tout de nos langues régionales. Au total, la ratification de cette charte semble : 1) inutile, au vu de ce qui est déjà en place ; 2) disproportionnée, par ses obligations, au regard des besoins véritables ;3) dangereuse, en ce qu’elle porte atteinte non seulement à l’unité linguistique du pays (acquise laborieusement et progressivement depuis le XVIè siècle), mais aussi à sa cohésion morale, culturelle, à ce « référendum de tous les jours » (E. Renan), qui s’exprime dans l’usage commun de la langue la plus riche, la plus achevée qui soit, fûton en désaccord ou en discussion sur tous les sujets (JALF 2014.1, 26)! An zweiter Stelle steht das Etablieren absoluter Gegensätze als Grundlage sprachideologischer Einstellungen zu Sprache(n) und Sprechern. Durch die polarisierende Rhetorik in Form einer chiastischen Syntax verdeutlicht die aphoristische Formulierung «Les langues régionales séparent, c’est le français qui rassemble» (cf. 148) die polare Opposition zwischen den separatistischen Regionalsprachen und dem einenden Französisch. Auf diese wertende Kontrastie-

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rung folgt an dritter Stelle, ähnlich dem topischen SELBSTLOB bei Bouhours (cf. 121, 123), die Beschreibung der Perfektion des Französischen durch seine superlativische Überhöhung (cf. 148: «la langue la plus riche, la plus achevée»). Die Beschreibung sprachlichen Reichtums und sprachlicher Vollkommenheit steht dabei in einem inhaltlichen Widerspruch zum eingangs genannten TOPOS DER SPRACHBEDROHUNG. Argumentativ betrachtet stärkt diese Widersprüchlichkeit in der Argumentationskette jedoch die Konklusion, dass die Bedrohung der Sprache ausschließlich durch äußere Faktoren und konkret durch den Einfluss des Englischen gegeben ist. Dem mentalen Bild der Bedrohung wird dann weiterhin durch die Kriegsmetaphorik (SPRACHKONTAKT ALS INVASION) Nachdruck verliehen und der aus dieser Assoziation entstehende Impuls der Verteidigung wird durch den Wert der französischen Sprache als wertvolles Gut verstärkt. Ähnlich dem argumentativen Verfahren im Vorwort der Remarques (cf. 131– 137), steht weiterhin die Gegnerabwertung als polemisch notwendige Folge des topischen SELBSTLOBS (cf. Specht 1986): Durch die Aufzählung von Negativfolgen wird die Ratifikation der Charta abqualifiziert. In sprachlicher Hinsicht verbirgt sich der ideologische Wert dieser diffamierenden Positionierungsaktivität auf lexikalischer Ebene in der Reihenfolge der negativen Attribute «inutile», «disproportionnée» und «dangereuse» sowie auf propositionaler Ebene in der Auslassung von Begründungen dieser ausschließlich affektiven Einschätzung (1. «vu de ce qui est déjà en place» → Welche Maßnahmen wurden bereits ergriffen?, 2. «par ses obligations, au regard des besoins véritables» → Welche Verpflichtungen bestehen? Welche sind die tatsächlichen Bedürfnisse?; 3. «qu’elle porte atteinte non seulement à l’unité linguistique du pays» → Wie genau schadet überhaupt die Anerkennung der Regional- und Minderheitensprachen die sprachliche Einheit Frankreichs?). Die Antworten auf diese Fragen bleiben offen, jedoch vermag dieser nicht ausgefüllte Argumentationsraum eben auch dazu verleiten, dass der Leser die gesetzte Position ohne Sachbelege aufgrund des emotiven Charakters der Warnung einfach anerkennt. Neben diesen argumentativen Parallelen zu historischen Texten aus dem Bereich puristischer Sprachpflege steht an letzter Stelle der explizite Verweis auf die historische Dimension des Französischen als Nationalsprache. Im Rahmen des HISTORIZITÄTSTOPOS (s. Kap. 4) verweist der ALF auf die seit dem 16. Jh. hart erarbeitete Errungenschaft sprachlicher Einheit und legitimiert dadurch den rechtmäßigen Satus des Französischen als einzige Sprache Frankreichs («l’unité linguistique du pays acquise laborieusement et progressivement depuis le XVIè siècle»). Dieser Traditionsverweis (argumentum ad antiquitatem) als Teil eines HISTORIZITÄTSTOPOS stützt sich auf die Autorität und Anerkennung eines jahrhundertealten Zustandes und appelliert an die Ver-

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antwortung der heutigen Sprecher gegenüber der Geschichte ihrer Nation.211 Die argumentative Strategie beabsichtigt auch, dass neue sprachliche Entwicklungen wie der zu Beginn angeprangerte Einfluss des Englischen («la pire des menaces est constituée par l’invasion du ‹globish› ou de ‹l’anglobish›») nicht nur als Bedrohung inszeniert, sondern auch wahrgenommen werden (ANGSTTOPOS). Die argumentative Bewusstmachung der Bedrohung wird wiederum durch den o. g. Metaphernbereich SPRACHE IST KRIEG («l’invasion du globish») unterstützt, wobei die Zweckorientierung der Aussagen auch hier im Widerspruch zwischen leidvoller Erduldung (cf. 148: «subir le nouveau coup») und aktivem Widerstand (cf. 141: «RÉSISTANCE, tant individuelle que collective. Rejoignez-nous») alterniert, sodass Mitleid als affektive und Gegenwehr als konative Einstellungskomponente erzeugt wird. Ebenfalls bemerkenswert ist der argumentative Einsatz des Öffentlichkeitskonzepts. Entgegen der Strategie in den Remarques (cf. 131–137) geht es dem ALF im ausgewählten Textauszug (148) nicht um die Ableitung einer sprachlichen Dialektik aus der Vorstellung sozialer Vertikalität oder um die Fixierung einer sprachlichen Norm auf der Grundlage einer bestimmten Sprecherdomäne. Der Öffentlichkeitsbegriff erscheint im obigen Beispiel in der Dimension des «öffentlichen Raumes» (cf. 148: «Beaucoup étant déjà fait pour elles [scil. les langues régionales], renoncer au français comme langue exclusive de l’espace public, c’est-à-dire de l’espace commun, en faisant une exception spécifique pour ceux qui pratiquent les langues locales»). Beklagt wird der Verlust der Monopolstellung des Französischen als Sprache des öffentlichen Raumes, wobei public synonym zu commun verstanden wird – jedoch nur dann, wenn das Französische und keine andere Sprache als öffentliche und gemeinsame Sprachgebrauchsnorm impliziert ist. Ein Verständnis von espace public commun als öffentlichem Raum, in dem alle Sprachen ihren Platz einnehmen können, wird durch diese konditionale Präsupposition ausgeschlossen, woraus sich auch eine ideologische Begrenzung der Semantik des Lexems commun in seiner Bedeutung ʻgemeinsam durch eine Spracheʼ anstelle ʻgemeinsam in vielen Sprachenʼ ergibt. Der Begriff der sprachlichen Exklusivität («le français comme langue exclusive») entspricht bereits für sich genommen einer puristischen Denkweise, erhält jedoch als theoretisches Gebilde eine reale Kontextualisierung durch die Bindung an den öffentlichen Raum als lebensweltlichen Bereich. Dieses von der sprachlichen Realität dennoch stark abweichende Selbstverständnis einer monolinguisti-

211 Beim Argument aus der Tradition «wird eine Hypothese durch den Hinweis darauf begründet, dass sie […] schon seit Langem vertreten wird». Darauf gründet sich das Argumentationsschema «Die Annahme p […] wird schon seit Langem vertreten. [K]onklusion: Also ist p richtig» (Descher/Petraschka 2019, 155).

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schen Öffentlichkeit wird neben konkreten Äußerungen zu sprachenbezogenen Fragen, wie hier im Fall der Regional- und Minderheitensprachen, im gesamten Journal der ALF auf unterschiedliche sprachliche Ebenen projiziert: Bei einer intratextuellen Analyse sprachideologischer Texte kann sich neben den bisher vorwiegend besprochenen, propositionsorientierten Merkmalen auch eine wortorientierte Analyse als hilfreich erweisen. Dabei wird weiterhin angenommen, dass zentrale Spracheinstellungen in Metasprachdiskursen über Schlüsselwörter vermittelt werden. Unter «Schlüsselwörtern» verstehen Spitzmüller/Warnke (2011) «Worteinheiten, die das Selbstverständnis und die Ideale einer Gruppe oder einer Epoche ausdrücken, die Denkgewohnheiten diskursbestimmend markieren und deren kontextuelle und konnotative Bedeutung dominant ist» (2011, 142). Die qualitative Analyse der Belege (141) und (148) hat ergeben, dass das Französische im Kontext der Diskussion um die Regional- und Minderheitensprachen in erster Linie in seiner nationalen un verfassungsrechtlichen Konnotation zur Argumentation eingesetzt wird. Dieses Ergebnis kann durch eine detailliertere Kollokationsanalyse unterstrichen werden. Für die gesamte erste Ausgabe des ALF-Journals (2014) konnten für den Suchbegriff langue nach Abzug von Mehrworteinheiten zur Bezeichnung von Organisationen oder Institutionen (Avenir de la Langue Française, Défense de la Langue Française, Conseil de la langue française, Forum mondial de la langue française o. Ä.) folgende Kollokatoren in einer Spannweite von jeweils einem Token links und rechts des Suchbegriffs corpus driven ermittelt werden. Häufige Wortverbindungen, die nicht der Bezeichnung des Französischen gelten (z. B. «langue(s) anglaise», «étrangère», «régionales» etc.) wurden an dieser Stelle aus der Analyse ausgeklammert.212 Tab. 8: Kollokate von ‹langue› (Auswahl). Suchbegriff

‹langue›

Kontext (L)

Kontext (R)

Frequenz

française de la République officielle

13  5  2  2  1  1  1

notre mondiale de la diplomatie commune

212 Zur integrierten Anwendung ausgewählter qualitativer und quantitativer Analyseverfahren in der synchronen Analyse dieser Arbeit cf. ausführlich Kap. 4.1.4.

3.3 Frankreich

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Aus dieser exemplarischen Analyse geht hervor, dass *française und *de la République als die am häufigsten auftretenden Kollokate von langue insbesondere die nationale Dimension der französischen Sprachensituation in den Vordergrund stellen. Die im Vergleich zu den übrigen Kollokaten hohe Frequenz des Attributs *français unterstreicht die monozentrische Vision der puristischen Sprachideologie. Die zweithäufigste Kollokat *de la République betont sowohl den verfassungsrechtlichen Status des Französischen als auch den republikanischen Wert der égalité i. S. einer gemeinsamen Sprache für alle Sprecher. Auch wenn davon auszugehen ist, dass der Begriff langue française als zentraler Gegenstand des Diskurses auch in seiner denotativen Bedeutung verwendet wird, scheint die lexikalische Dominanz als Schlüsselkollokation dennoch nicht arbiträr, sondern drückt die Überlegenheit des Französischen über andere Konzepte und Formen von Sprache aus. Die Kombinationen der nationalen und republikanischen Konnotation ermöglichen die sprachliche Beschreibung des Französischen in seinem im Vergleich zu anderen Sprachen exzeptionellen, aber gleichzeitig einenden Charakter. Hier wird also diskursiv eine «exception française» konstruiert, die zwar auf Tatsachen beruht – denn das Französische ist laut Verfassung einzige offizielle Sprache –, aber in ihrer ideologischen Interpretation ausschließlich zweckrational zu verstehen ist. Wie verhält es sich nun in den heute massenmedialen Domänen des Metasprachdiskurses mit den Einstellungen zur französischen Sprache, mit der Frage nach der sprachlichen Norm und Sprachkontaktphänomenen sowie den weiteren Sprachen Frankreichs? Die folgenden Belege zeigen Ausschnitte aus der Diskussion in den Foren La voix francophone (LVF) und Promotion linguistique (PL).213 Das LVF-Forum besteht seit 2013 und wird von drei Mitgliedern des ALF geleitet, das PL-Forum zählt zur Internetplattform languefrancaise.net., die neben einem Forum mit unterschiedlichen thematischen Rubriken einen sprachgeschichtlichen Überblick zum Französischen, Informationen zu aktuellen sprachenbezogenen Publikationen und Veranstaltungen sowie eine von einer internen Arbeitsgruppe erstellte Bibliographie zum Argot anbietet. Als Teil des synchronen Online-Korpus dieser Arbeit wurden die gesamten Diskussionsbeiträge beider Foren für das Jahr 2014 zusammengestellt. Die folgenden Belege entstammen diesem Teilkorpus und werden hinsichtlich ihrer sprachenbezogenen Inhalte und Spracheinstellungen ihrer Verfasser betrachtet, wobei es vorrangig um die Bezugnahme auf Aspekte und Akteure des diachronen Metasprachdiskurses geht. Einzelne Stellungsnahmen greifen die normativen Positionierungen der Sprachpfleger des 17. Jhs. zum Französischen in mehr oder minder identischer

213 Zur Korpuskonstitution cf. Kap. 4.1.4.

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Form auf. Lediglich die Ausrichtung des Französischen an konkurrierenden Sprachen des 16. und 17. Jhs. hat sich heute vornehmlich auf das Englische verlagert. So fordert der Sprecher in Beleg (149) die Reformierung der französischen Sprache durch lexikalische Reduktion, durch Abschaffung morphologischer Dubletten sowie durch anschließende Wortschatzneubildung mittels Neologie, mit dem vorrangigen Ziel englisches Lehngut zu ersetzen. Dieses Programm stellt er unter das Etikett eines «haut français» bzw. «français épuré», wodurch die sprachpuristische Haltung ebenso klar ersichtlich ist wie der Ansatz zur Schaffung bzw. Wiederherstellung einer französischen Sprachnorm. Die Leitgedanken dieses Reformprogramms liegen in der historischen Idee des Sprachenwettstreits begründet, der sich im Streben nach einer im Vergleich zum Englischen ʻästhetischerenʼ und ʻeinfallsreicherenʼ Wortbildung ausdrückt («plus esthétiques et plus imaginatifs»). (149) Chers Francophones, Je lis avec intérêt vos propositions sur une langue française réformée. Je crois aussi qu’une rationalisation (plutôt sur le plan lexique que grammatical) devrait être entreprise non seulement pour renforcer le français contre l’invasion anglais [sic] mais pour le renouveler et pour le rendre plus envoûtant. Ce grand projet sera nommé le haut français, soit un français épuré, et surtout logique. On croisera ses belles racines avec ses formes morphologiques pour pouvoir tout décrire. On inventera et promouvra des équivalents plus esthétiques et plus imaginatifs que les anglicismes, souvent laids et copiés. On éliminera la duplicité des racines (comme radio-/rayon-) en faveur d’une verticalité logique (LVF, 13. 03. 2014). Die Legitimierung solcher Positionierungen speist sich dabei oft aus einem überlagernden HISTORIZITÄTSTOPOS, aus dem heraus die heutige Überlegenheit des Französischen über das Englische abgeleitet wird: (150) Il faut apprendre ou réapprendre que la langue française fut la première en Europe à supplanter le latin, à ce point que sous Louis XI, d’après Jacques Heers, la petite région de Chinon, qui entre dans l’histoire avec Henri II Plantagenêt, dont le fils, Richard Cœur de Lion, roi d’Angleterre, ne parlait peut-être même pas l’anglais, rassemblait tous les grands d’Europe : ils y avaient tous une résidence. Même Charles-Quint, un peu plus tard, y aura sa résidence. C’est bien sûr relié à l’avènement du français (PL, 24. 19. 2014). Die Parallelen derartiger Reformentwürfe wie in (149) zu historischen Vorläufern der Sprachpflege, die aus dem Empfinden nationaler und kultureller Kon-

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kurrenz geboren sind, erscheinen dabei einschlägig. So steht der Innovationsgedanke des Sprechers im LVF-Forum (149) in sprachideologischer Analogie zu den Konzepten französischer Sprachgestaltung des 16. und 17. Jhs., wie sie u. a. von Dolet im Zuge der Emanzipation vom Lateinischen und Griechischen (cf. 79), von Lemaire de Belges und de Seyssel aus der Rivalität zum Italienischen (cf. 82–83) oder bei Bouhours als «naïveté» (cf. 121–122) in Abgrenzung zum Spanischen entworfen wurden (cf. 126). Ebenfalls deutlich erkennbar sind programmatische Ähnlichkeiten zwischen den Forderungen des Diskussionsbeitrags (149) und den Prinzipien der 1635 gegründeten Académie française, zu deren Aufgaben «[…] die Kodifizierung der Standardsprache [gehört], die als bon usage im Sinne Vaugelas’ verstanden wird und daher von unerwünschtem Sprachmaterial bzw. gemäß dieser Zielnorm auszubauen ist» (Ossenkop 2008, 74). Im 17. Jh. «bildete der Ausbau der französischen Sprache durch Standardisierung einen weiteren Schwerpunkt der öffentlichen Instanzen» neben der Durchsetzung des Französischen in den annektierten Gebieten (Schmitt 2000, 695). Für die Arbeit der Académie française wurden im Zuge ihrer offiziellen Einrichtung nach dem Vorbild der Accademia della Crusca die folgenden Ziele und Funktionen in den Statuts et Règlements (1635) formuliert: «24. La principale fonction de lʼAcadémie sera de travailler avec tout le soin et toute la diligence possible à donner des règles certaines à nostre langue et à la rendre pure, éloquente et capable de traiter les arts et les sciences. […] 26. Il sera composé un Dictionnaire, une Grammaire, une Rhétorique et une Poétique sur les observations de l’Académie» (zit. nach Wolf 1972, 15).

Mit Blick auf heutige Spracheinstellungen haben sich also sowohl das sprachliche Reinheitsideal des 17. Jhs. erhalten auch die Vorstellung, dass die Durchsetzung einer nach klaren Regeln standardisierten Staatssprache gegen andere Sprachen notwendig sei, um den Staat im Inneren erfolgreich zu lenken und nach außen nicht nur mit einer politischen, sondern auch mit der notwendigen sprachlichen und kulturellen Wettbewerbsfähigkeit auszustatten.214 Obwohl die sprachpolitische Richtung zur Zeit des Absolutismus als streng bezeichnet werden kann, ist ihre Umsetzung damals ebenso zögerlich. So betonen MarchelloNizia/Picoche (1998) in Bezug auf die absolutistische Französierungspolitik, dass die Umstellung der Verwaltung nicht ausreichend systematisiert war und Diglossie die Regel war:

214 Cf. hierzu auch (151).

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«Il n’y eut pas, sous lʼAncien Régime, de politique de francisation généralisée et systématique, l’existence orale, entre provinciaux, et parmi le menu peuple, d’autres normes, différentes du ‹bon usage›, ne présentant, en somme, pas d’inconvénient aux yeux du roi. Mais elle en présentait de sérieux pour les usagers! Ils pouvaient discuter de leurs testaments, baux, contestations, impôts, dans leur idiome maternel, mais il fallait dresser l’acte en français» (1998, 30).

Gleiches gilt für die Ausarbeitung der Normierungsmittel, die in Artikel 26 der Akademie-Statuten festgeschrieben sind. Das Wörterbuch erschien erst 1694 und mit den Remarques Vaugelas’, der als Sekretär der Akademie eingesetzt wurde, bestand bereits ein geeignetes Regelwerk, das die Arbeit an der Grammatik zunächst als nicht notwendig erscheinen ließ. So erschien die Grammatik erst 1932, die angekündigte Poetik und Rhetorik stehen bis heute aus. Entscheidend ist dennoch, dass «[a]uch wenn diese Versprechungen im Grund nicht eingehalten wurden, […] der französische Staat sich im siècle de Louis XIV mit der Gründung der Akademie ein Instrumentarium geschaffen hat, das bis zur heutigen Zeit […] im normativen Diskurs eine entscheidende Stelle einnimmt» (Schmitt 2000, 696). Dass dies auch aktuell noch der Fall ist, zeigt an erster Stelle die online-mediale Präsenz der Akademie. Erst im Februar 2019 ist das Wörterbuch der Académie française mit einem neuen Webauftritt online gegangen, sodass klar sein dürfte, dass konservative Formen der Sprachbetrachtung keinesfalls im Widerspruch zu innovativen Formen der Kommunikation und des Wissenstransfers stehen. Dass sich darüber hinaus an den normativen Inhalten und Handlungsprinzipien der Institution ebenfalls nichts geändert hat, daran lässt die aktuelle Secrétaire perpétuel, Hélène Carrère d’Encausse, im Vorwort des neuen Online-Auftritts des Wörterbuchs keine Zweifel: «J’ai parlé de l’usage, notre souverain maître. Dire l’usage: cette mission, l’Académie se l’est assignée et elle l’a revendiquée dès sa création. C’est un choix qu’elle formulait déjà dans la préface de la première édition et qu’elle a constamment réaffirmé dans les huit suivantes. D’un texte à l’autre, on variait les mots pour le dire, mais on ne changeait rien quant au fond» (AF 2019a).

Entgegen dieser konservatoristischen Reproduktion puristischer Einstellungen in der institutionalisierten Sprachpflege treten in der Forenkommunikation auch Meinungsbilder auf, die sich entgegen der für Sprachpuristen typischen «Schwarzmalerei» der Sprachensituation positionieren. So verneint der Sprecher des folgenden Beitrags auf entschiedene Weise den oftmals ideologisch instrumentalisierten Zusammenhang zwischen dem wirtschaftlichen und kulturellen Niedergang einzelner Länder und dem Einfluss der von den Vereinigten Staaten ausgehenden Globalisierung, bei der es sich vielmehr um ein kulturübergreifendes Phänomen mit negativen Folgen für alle Staaten handele:

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Je pense que vous faites fausse route lorsque vous abordez le “déclin relatif de la France”. On ne peut pas parler de déclin relatif ou bien de déclin de tel ou tel pays pour la bonne raison qu’il s’agit d’un argument utilisé par les politiques, les industriels voir les gens sans une analyse réelle de ce que représente l’image d’un pays au niveau mondial. Tous les pays tentent de redorer à un moment ou un autre leur image internationalement jouant sur l’aspect économique ou culturel. Mais si on va au fond des choses, on se rend bien compte qu’en 2014, tous les pays sans exception sont en déclin relatif. L’idée même de pays et de la culture qui lui est associée deviennent même obsolètes. Les réalités de la globalisation donnent plus d’importance à ce qui ce [sic] vend, au commerce à l’économie et non pas au génie des peuples. Les films, la musique ou bien encore la littérature moderne répondent de plus en plus voire systématiquement à des logiques commerciales, que vous expliquez d’ailleurs très bien dans un autre article. Si au départ, la globalisation vient de l’Empire anglais, repris par les USA, nous assistons aujourd’hui à un phénomène est tombé [sic] dans les seuls mains des entreprises multinationales. La culture américaine n’est pas la culture américaine, entendezvous à la radio du Country ……non jamais. La globalisation lisse la culture, elle crée une culture commerciale mondiale où le cinéma, la musique et la littérature produisent des œuvres standardisés, faciles d’accès diffusées aux quatre coins de la planète, dépassant tout obstacle et tout particularisme (LVF, 04. 02. 2014).

Zwischen diesen konträren Einstellungsmanifestationen (149–150, 151) steht als weitere Tendenz die Verhandlung dieser Positionen für oder gegen eine puristische und normative Sprachbetrachtung. Dabei stehen auch die klassischen Akteure der historischen Sprachpflege wie die Akademie und ihre Rolle als normative Instanz des heutigen französischen Sprachpflegediskurses im Zentrum der Diskussionen (cf. 152). Am Beispiel des Themas der Feminisierung von Berufsbezeichnungen, das sich seit den ersten sprachpolitischen Maßnahmen einzelner Staaten innerhalb des frankophonen Sprachraums (Québec, Belgien, Schweiz) in den 1970er und 1980er Jahren zum festen Gegenstand des französischen Metasprachdiskurses entwickelt hat und auch in Deutschland immer stärker in den sprachpflegersichen Themenkanon Einzug hält,215 kann aufgezeigt

215 Für eine ausführliche Darstellung des Themas und vergleichende Perspektiven cf. Schafroth (1998). Z. B. fordert der VDS in seinen aktuellen sprachpolitischen Leitlinien (Stand: 2018) von Politikern, Schriftstellern und Journalisten den «Verzicht auf einschlägige Bevormundung, v. a. bezogen auf eine sogenannte geschlechtergerechte Sprache» (VDS 2018; Kap. 4.3.1.2.).

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werden, dass sich Einstellungen zu diesem Thema und zur Akademie als ʻWächterin der Normʼ in einem polemisch aufgeladenen Spannungsfüge zwischen informierter Befürwortung (cf. 152b.), militanter Verteidigung im Namen der Gleichberechtigung (cf. 152c.) und ebenso bissiger Ablehnung der Feminisierung als «Kampf gegen Windmühlen» einer gesellschaftlichen Minderheit gegen die historisch etablierte Sprachtradition bewegen (152d.): (152) a. Bonjour, J’ai noté quelques évolutions sur ce sujet (auteuse*, notamment). Sont-elles reconnues par l’Académie Française? Et, quelle que soit la réponse, peut-on espérer une généralisation des formes féminines de noms de métiers? Qu’en pensez-vous? * douce ironie, mon correcteur automatique surligne ce mot. b. Salut, Lieutenant, La féminisation des titres est devenue normale au Québec et, je crois, en Belgique. L’Académie la rejette au nom de la « tradition ». Comme s’il y avait eu de femmes-plombiers au 17e siècle. La féminisation des titres prend acte du progrès des femmes. Je vous encourage à le faire vous-même. L’Université du Québec à Montréal (UQAM) a publié un guide de féminisation […] c. La tradition, ce n’est pas un argument. Mon argument, c’est que cette terminologie constitue une stigmatisation, une mise à l’index et qu’elle est contraire à l’égalité : « T’as vu le pilote, c’est une femme ! », autrement dit, c’est pas un vrai pilote, auteur, professeur... c’est une fâââme ! Exactement la même démarche que celle de ces patients hospitalisés qui refusent d’être soignés par un médecin noir, et réclament un vrai médecin.... d. Ceux des féministes qui s’imaginent déjà calife à la place du calife — sur le périmétricule de la prétendue “féminisation” lexicale — n’en ont pas davantage. À quoi sert-il de féminiser — masculiniser — la forme des neutres sémantiques ? Les vocables sentinelle ministre victime professeur fripouille témoin personne assassin tortue ont un genre grammatical non neutre qui s’accorde très bien avec l’indistinction sexuelle prescrite à leurs signifiés respectifs. Si des gens ont envie de dire auteuse autrice autoresse autorine auteure autorelle autoreuse au lieu d’employer auteur pour un animé de sexe féminin, grand bien leur fasse. L’ennui, c’est que beaucoup de ces personnes souhaitent en outre imposer leurs choix particuliers à l’ensemble des locuteurs. Et ne reculeront devant rien pour stigmatiser ce qui est pourtant le fonctionnement d’une langue comme le français. Effectivement, on ne peut pas lutter contre l’Histoire, dans un sens ou dans l’autre. Du coup, il serait intéressant de chercher à connaître l’origine de ces choix, féminin ou masculin. Je m’y atelle (PL, 08. 06. 2014).

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Eine in den Belegen klar erkennbare Ausdifferenzierung des Meinungsspektrums zeigt, dass im aktuellen französischen Metasprachdiskurs eine Modifikation von Spracheinstellungen und Positionierungen der Sprecher stattfindet und dass die Formen der Modifikation am Diskurs «abgelesen» werden können. Zu klären bleibt also im Folgenden die Frage nach den bestimmenden und richtungsweisenden Tendenzen des Metasprachdiskurses, die sich aus den neuen Partizipationsformen ergeben.

3.3.5 18. Jahrhundert: Universalität und Nationalsprachendiskurs Ce qui n’est pas clair n’est pas français. (Antoine de Rivarol 1784, 49)

Auf der Grundlage des in der ersten Hälfte des 17. Jhs. v. a. von Malherbe und Vaugelas ausgebauten Sprachnormenkonzeptes entwickelt sich mit dem Literaturbetrieb der klassischen Autoren der zweiten Jahrhunderthälfte, darunter v. a. Racine, Boileau und Bouhours, ein sprachliches und kulturelles «sentiment proprement ‹moderne›» (Rey/Duval/Siouffi 2007b, 574). Das damit verbundene Ideal der sprachlichen Klarheit qualifiziert die französische Sprache nicht nur als «bon usage», sondern auch als Sprache des «bon sens». Diese Eigenschaft verleiht dem Französischen Ansehen jenseits der eigenen Sprachgrenzen und ebnet seinen Weg als Sprache der Diplomatie. In diese späte Phase des 17. Jhs. fällt auch die von Settekorn (1988) beschriebene «Existenz einer ausdifferenzierten Öffentlichkeit […], die sich mit einer wachsenden Zahl von salons und cercles herausgebildet hatte, die der Diskussion unterschiedlicher Auffassungen von Sprache und Literatur ein Podium lieferten. Es kam neben dem Hof und den Gelehrten zur Herausbildung eines breiteren public cultivé, das seinem kulturellen Interesse nicht nur durch Teilnahme an den Diskussionen, sondern auch durch Kauf der literarischen Produkte Ausdruck verlieh» (1988, 85).

Im Übergang zum 18. Jh. sind die Gesellschaften «– nicht nur in Frankreich – durch das Aufblühen von Industrie und Handel, durch den Aufschwung der Wissenschaften und das Erstarken des Bürgertums geprägt. Die nachlassende politische und gesellschaftliche Vorbildfunktion des Hofes von Versailles findet ihren Niederschlag auch im Sprachlichen» (Windisch 2008, 37). Von diesen starken gesellschaftlichen Veränderungen, die zu einer Steigerung der Bildungsinteressen, der Ausweitung der Wissensbestände und einem Ausbau des Wissenstransfers beitragen – dieser lässt sich insbesondere an der Erweiterung des Wortschatzes und der relativ hohen Zahl in dieser Zeit veröffentlichter Fachwörterbücher erkennen, wie z. B. dem 1694 von der Akademie veröf-

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fentlichten Dictionnaire des arts et des sciences (cf. Setterkorn 1988, 89–90) – bleibt das Normkonzept des siècle classique unberührt und damit verbundene Spracheinstellungen und -ideologien werden von der neuen Bildungselite übernommen (cf. Winkelmann 1990, 344): «[O]n assiste à une assimilation par la bourgeoisie des critères de goût qui s’imposaient à la noblesse du siècle classique, à la prise en relais du rôle culturel de cette dernière par ceux à qui il ne manque plus que le pouvoir politique que leur donnera la Révolution» (Caput 1972, 69). Was den kulturellen Einfluss Frankreichs im Zeitalter der Aufklärung anbelangt, so betont Trabant, dass «[n]icht nur die Literatur und die Philosophie, die sich hier im revolutionären Denken von Descartes zum ersten Mal auch volkssprachlich artikuliert, sondern ein ganzer ‹way of life› (ganz wie heute das amerikanische Modell) […] gewaltig über Frankreich hinaus[wirkt]» (2008, 136). Nach dem Apologiediskurs des 16. Jhs. und dem normativ orientierten Hegemoniediskurs des 17. Jhs. bewegen sich Repräsentationen des Französischen im siècle des lumières v. a. im Rahmen eines Universalitätsdiskurses: «Das französische 18. Jahrhundert stellt in schöner Einhelligkeit fest – es seien hier nur MONTESQUIEU, MAUPERTUIS, die Ausgabe des Wörterbuches der Académie von 1762, Voltaire und die Encyclopédie erwähnt –, daß Französisch mehr oder minder die Universalsprache Europas sei, und die Berliner Akademie schließt sich diesem Konsens an, wenn sie bei der Ausschreibung ihres Wettbewerbs am 6. Juni 1782 folgendes Thema auswählt: ‹Qu’est-ce qui a fait de la langue française la langue universelle de l’Europe? Par où mérite-t-elle cette prérogative? Peut-on présumer qu’elle la conserve?›» (Hartweg 1988, 199).

Neben dieser grundsätzlichen Anerkennung schlägt sich die Bedeutung der «europaweiten Verbreitung des Französischen, vor allem in Polen und Rußland, aber auch in Deutschland» in seiner Funktion «[…] [a]ls internationale Sprache der Diplomatie, der adeligen Gesellschaft und der Gebildeten» (Windisch 2008, 38) nieder. Die Begeisterung für die Sprache des Nachbarn ist an der Sprachpraxis der intellektuellen Kreise erkennbar, wie u. a. die von Leibniz auf Französisch verfassten Nouveaux essais sur l’entendement humain (1704) belegen (cf. Kap. 3.2.1). So schwärmt auch der späte Goethe in den Gesprächen mit seinem Sekretär Johann Eckermann für das kulturelle Genie der Franzosen, obwohl er sowohl die Radikalität der Revolution als auch den Krieg Frankreichs unter Napoleon Bonaparte voller Sorge betrachtet (cf. Buck 2019, 11–12): «Nun aber denken Sie sich eine Stadt wie Paris, wo die vorzüglichsten Köpfe eines großen Reiches auf einem einzigen Fleck beisammen sind und in täglichem Verkehr, Kampf und Wetteifer sich gegenseitig belehren und steigern, wo das Beste aus allen Reichen der Natur und Kunst des ganzen Erdbodens der täglichen Anschauung offen steht; diese Weltstadt denken Sie sich, wo jeder Gang über eine Brücke oder einen Platz an eine große

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Vergangenheit erinnert und wo an jeder Straßenecke ein Stück Geschichte sich entwickelt hat. Und zu diesem allen denken Sie sich nicht das Paris einer dumpfen geistlosen Zeit, sondern das Paris des neunzehnten Jahrhunderts, in welchem seit drei Menschenaltern durch Männer wie Molière, Voltaire, Diderot und ihresgleichen eine solche Fülle von Geist in Kurs gesetzt ist, wie sie sich auf der ganzen Erde auf einem einzigen Fleck nicht zum zweiten Male findet […]» (Goethe 1827, in: Eckermann 1868, 111–112).

Für Deutschland als Nation ist diese Bewunderung entscheidend, denn in Abgrenzung zu diesem enormen Wohlgefallen an der französischen Sprache und Kultur «[entsteht] die moderne deutsche Nation zunächst kulturell und später auch politisch durch Abstoßung von dem übermächtigen kulturellen und politischen Vorbild Frankreich [...]», als «nach der Mitte des 18. Jh. mit Lessing, Klopstock, Herder eine Protestbewegung gegen die französische Kultur ein[setzt], die alles, was ‹Frankreich› impliziert […], einer scharfen Kritik unterzieht» (Trabant 2008, 137). Diese Protestbewegung gibt den Anstoß für die sprachpuristischen Tendenzen des barocken Kulturpatriotismus und deutschen Sprachnationalismus im 19. Jh. (cf. Kap. 3.2.3–3.2.4). Dass die französische «universalité» als Sprach- und Kulturphänomen mehr ein europäischer Exportschlager ist und weniger ein nationales Programm, zeigt ein Blick auf die hexagonale Sprachensituation, wo sowohl der Status als auch die Reichweite des Französischen den Ansprüchen einer nationalsprachlichmonozentrischen Universalität de facto nicht genügen: «Héritière du travail des remarqueurs sur la ‹variation›, variation entre registres, entre situations, entre les milieux sociaux, et surtout entre l’oral et l’écrit, la fin du XVIIe siècle est bien incertaine quant à la physionomie du français à offrir aux regards du monde extérieur» (Rey/Duval/Siouffi 2007b, 572). So ist beispielsweise das Elsass am Vorabend der Revolution «eine weitgehend deutschsprachige Landschaft, und der damals noch in Straßburg studierende junge Goethe empfindet sie mit Recht als solche, obwohl er an diesem Ort seine Begegnung mit den französischen Philosophen des 18. Jahrhunderts vertieft» (Hartweg 1988, 200): «Das ‹Ancien Régime› hat die sprachliche Einheit Frankreichs nicht geschafft und – trotz einer gemeinsamen Verwaltungssprache für alle Franzosen – einen sprachlich aus zahlreichen verschiedenen Gruppen zusammengesetzten Staat hinterlassen, in dem neben der dialektal stark aufgegliederten französischen Nationalsprache im Norden das Niederländische, im Osten deutsche Mundarten, im Südosten das Frankoprovenzalische, im Süden das Okzitanische, das Italienische und das Katalanische, im Südwesten das Baskische und im Westen das Bretonische bodenständige Idiome bildeten» (Schmitt 2000, 697–698).

Die sprachliche Vielfalt vor der Revolution bot ein nicht wirklich ernsthaftes Problem und provozierte auch zur Zeit der Monarchie keine größeren Konflikte, da sie ganz bewusst aus dem Interessenbereich der sozialen Elite ausgeklammert war. Die Sprachensituation war seit 1539 durch die Offizialisierung des

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Französischen klar geregelt (cf. Kap. 3.3.3) und dennoch behielten die Regionalsprachen, auch während des Aufstiegs des Französischen als Sprache der Literatur und der Wissenschaften, ihre Bedeutung für den lokalen Handel und als kulturelle Nischen auf der Grundlage eines vorwiegend mündlichen Sprachgebrauchs: «[Il] existe une certaine routine diglossique dans la vie quotidienne qui est à l’œuvre et sur laquelle on se pose guère des questions» (SchliebenLange 1996, 61). Dabei ist jedoch auch zu betonen, dass die politische Akzeptanz regionaler Diglossie und die eher passive sowie sozial begrenzte Französierungspolitik des Ancien Régime nicht im Widerspruch zu einem puristischen Verständnis von Sprachpflege zu Beginn der zweiten Hälfte des 18. Jhs. steht: «Die Ausmerzung von Dialektismen wurde erneut als notwendige Aufgabe der Sprachpflege empfunden, und sie zeitigte Werke wie Remarques sur les germanismes von Mauvillon 1747, Les Gasconismes Corrigés von la Beaumelle/Desgrouais 1766 und Dictionnaire critique de la langue française von Féraud 1787» (Winkelmann 1990, 344), die formal das Remarques-Genre und die inhaltlich von Malherbe eingeleitete dégasconisation fortführen (cf. Kap. 3.3.4, 104).216 Wie am Beispiel des Okzitanischen erkennbar ist, wird diese Devalorisierung sprachlicher Varietäten bisweilen auch indirekt durch die regionale Sprachpflege selbst mitgetragen. Obwohl im 18. Jh. das Entstehen zahlreicher zweisprachiger Wörterbücher «von der ungebrochenen Vitalität des Okzitanischen» (Polzin-Haumann 2006b, 1479) zeugen, verdeutlichen die von Schlieben-Lange beschriebenen «changements des finalités de dictionnaires occitans» (1996, 61), d. h. die teilweise bestehende Umfunktionalsierung der Wörterbücher von sprachpraktischen Ratgebern zu sprachkritischen Korrekturkompendien für die nicht französischsprachige Bevölkerung,217 die verstärkt aufkommende «Bedeutung der französischen Sprache für eine bestimmte Gruppe nach Paris orientierter und auf sozialen Aufstieg bedachter okzitanophoner Sprecher» (Polzin-Haumann 2006b, 1479). Neben der Relevanz des Französischen als Faktor sozialer Mobilität tragen auch die Zielsetzungen der Aufklärung sowohl zu «ernsthafte[n] Bemühungen um eine Vergrößerung der Zahl der Französischsprecher» bei als auch zu «erste[n] Angriffe[n] auf die, für eine umfassende Kommunikation angeblich nicht geeigneten,

216 Zur Stereotypisierung des Gascognischen cf. z. B. Couffignal (2015). 217 Schlieben-Lange (1996) bezieht sich bei dieser Feststellung auf den Dictionnaire languedocien-françois (1785), in dessen Vorwort der Verfasser Boissier de Sauvages de la Croix die Beherrschung der französischen Sprache als oberstes Ziel des zweisprachigen Wörterbuchs nennt: «[…] [C]e recueil dont le but principal est, D’AIDER A PARLER CORRECTEMENT LE FRANÇOIS CEUX DE NOS COMPATRIOTES QUI N’ONT PAS FAIT UND ÉTUDE PARTICULIÈRE DE CETTE LANGUE» (Boissier de Sauvages 1785,vij).

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Volkssprachen, für die nun mehr und mehr der Begriff patois verwendet wird» (Kremnitz 2015, 57). Die bewusste Abwertung der Volkssprachen findet sich, um beim Beispiel des Okzitanischen zu bleiben, z. B. in Form perzeptionsgebundener Stereotypisierungen der meridionalen Varietäten,218 die bereits in literarischen Werken des ausgehenden 17. Jhs. als Typ des Méridional riducule verspottet werden.219 Dennoch, so hält Kremnitz (2015) für das Okzitanische im 18. Jh. und den Übergang zur Revolution fest, «kann man […] noch nicht von einer ernsthaften Verringerung der Zahl der Okzitanischsprecher ausgehen, denn das Okzitanische ist nach wie vor als alltägliche Umgangssprache im Gebrauch. Die Tendenzen zur Verbreitung des Französischen steigern sich in der Revolutionszeit, allerdings mit sehr unterschiedlichen Erfolgen» (2015, 57). Die sprachpolitischen Eingriffe während der Französischen Revolution ändern die Zielsetzung des französischen Metasprachdiskurses von einer normzentrierten Sprachkultur zu einer harten und rücksichtslosen Sprachlenkung.220 Dieser Kurs, der «die staatliche und politische Abwertung der Patois» (Settekorn 1988, 93) als festen Bestandteil des französischen Metasprachdiskurses etabliert, war nicht von Beginn an richtungsweisend, sondern ist das Ergebnis eines ideologischen Dilemmas der Revolutionäre, sich sowohl von den absolutistischen Herrschaftsprinzipien abgrenzen als auch die Einheit der Nation wahren zu wollen: «Il est alors indispensable que l’ensemble des habitants du territoire puisse prendre connaissance des nouvelles lois. Il ne s’agit donc plus d’annexer par la force et d’imposer par le français comme une marque d’appartenance au royaume mais de propager les idées révolutionnaires d’un nouveau régime politique et de susciter l’adhésion à celui-ci. La question se pose de savoir s’il convient de sacrifier l’unité linguistique, porteuse d’unité nationale, au profit de la diffusion des idées révolutionnaires en favorisant l’usage des langues régionales. Loin d’être isolée, cette question reflète l’hésitation de la République entre le fédéralisme et le centralisme parisien. La prise de conscience de l’importance de la langue est marquée par les besoins politiques» (Perrot 1997, 158–159).

Nach einer ersten Phase der Toleranz und «anfänglichen Versuchen zu einem sprachföderalistischen System zu kommen», das den republikanischen Grund-

218 Neuere synchrone Analysen zur sprachengebundenen Auto- und Heterorepräsentationen, Spracheinstellungen sowie Perzeptionen in Bezug auf meridionale Variation wurden z. B. von Pustka (2011) und Boyer (2016) vorgelegt. 219 Cf. z. B. Molières comédie-ballet Monsieur de Pourceaugnac (1969) (cf. Molière 1846) sowie weiterführend Kremnitz (1981, 26) und Perugi (2003, 247). 220 Die Sprachpolitik der Revolutionszeit ist ausführlich erforscht worden. Für einschlägige und umfassende Analysen cf. Balibar/Laporte (1974); De Certeau/Julia/Revel (1975) sowie die Arbeiten von Schlieben-Lange (z. B. 1981; 1988; 1996). Im Rahmen diskurslinguistischer Perspektiven erwähnenswert sind die Arbeiten von Guilhaumou (1989) und Guilhaumou/Maldidier (1988).

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prinzipien und insbesondere der égalité ideologisch entsprach, leitete die Convention einen abrupten Kurswechsel ein, mit dem Ziel, «die langue une für die nation une et indivisible zu dekretieren» (Schmitt 2000, 698; cf. auch Eckkrammer/Lescure 2015, 139). Für diesen Kurswechsel gibt es sowohl praktische als auch machtpolitische und ideologische Gründe, die im Folgenden zusammengefasst werden sollen: In der ersten sozialen Phase der Revolution blieb es bei dem 1790 von der Assemblée nationale getroffenen Beschluss, Übersetzungen wichtiger politischer Texte in die Regionalsprachen anzufertigen, unbedacht, dass die Adressaten der Texte in den alloglotten Gebieten in der Regel nicht lesen konnten, d. h. weder ihre Muttersprache noch französische Texte. Diese Problematik wurde von den Revolutionären erst spät erkannt. Auch das Ende 1790 von der Nationalversammlung beschlossene, öffentliche Verlesen der Gesetzestexte im französischen Original bot als Reaktion darauf keine hinreichende Alternative, um der Verbreitung politischer Entscheidungen beizukommen und die hinzukommende Kostenfrage führte schlussendlich zum Scheitern der Übersetzungspraxis, sodass es den Revolutionären nicht gelang, die bereits «lange vor 1789 verwirkte Chancengleichheit aller Idiome» (Bochmann 1993, 77) herzustellen. Die flächendeckende Durchsetzung des Französischen wurde somit letztlich zu einer machtpolitischen Notwendigkeit: «[L]a lutte autour de la justesse des mots était simultanément la lutte pour la légitimité de la parole. La constitution d’une nouvelle légitimité ou de la légitimité tout court ne pouvait se faire qu’à travers une langue de la légitimité. La constitution, la représentation, le vote, le mandat impératif, la parole des intermédiaires sous forme de porte-paroles, tout dépendait de l’instauration d’une langue de la légitimité» (Schlieben-Lange 1996, 10).

Einen konkreten Anlass für die Änderung der sprachpolitischen Richtung liefert die 1790–1791 von Abbé Grégoire noch im Rahmen der konstitutionellen Monarchie in den départments durchgeführte Umfrage zur Erfassung der Französischkenntnisse der citoyens, in der Möglichkeiten der Verbreitung des idiome français und der Verdrängung der patois abgefragt werden.221 Die Ergebnisse der Umfrage, «die ernsteren methodischen Ansprüchen in keinster Weise genügt» (Kremnitz 2015, 15) zeigen, dass nur annähernd die Hälfte der auf rund 26 Millionen geschätzten Bevölkerung (cf. Caput 1975, 88) über mehr oder weniger gute Französischkenntnisse verfügen. Das ernüchternde Resultat wurde am 16 prairial an II (04. 06. 1794), nun unter der Herrschaft der Jakobiner, von Grégoire als Rapport sur la nécessité et les moyens d’anéantir les patois, et d’universaliser l’usage de la langue française der Nationalversammlung vorge-

221 Die Fragen sind abgedruckt in De Certeau/Julia/Revel (1975, 12‒14).

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stellt (cf. Settekorn 1988, 95; Schmitt 2000, 698–699; Eckkrammer/Lescure 2015, 140; Bochmann 2018, 437–438). Bereits ein halbes Jahr vor Grégoire hat der Abgeordnete Bertrand Barère de Vieuzac am 8 Pluviôse an II (27. 01. 1794) im Bericht des Comité de Salut public die Sprachenfrage zum Thema der Revolution gemacht und in seiner Rede vor der Convention den radikalen Kampf gegen die Regionalsprachen und patois gefordert (cf. 153; Kremnitz 2015, 16): Schlieben-Lange (1996) betont, dass Barères Argumentation in ideologischer Hinsicht entgegen den Positionen Abbé Grégoires und Urbain Domergues, die neben Barère als zentrale Akteure der nationalen Phase der Sprachenpolitik einzuordnen sind, ausschließlich auf die Fortführung des französischen Universalitätsdiskurses ausgerichtet ist (cf. 1996, 35). Die Reinheit der französischen Sprache stellt Barère als maßgeblichen Verdienst der philosophischen Sprachreflexion der Aufklärung dar und begründet mit diesem Verdienst sowohl den Universalitätsanspruch des Französischen inmitten der anderen europäischen Nationalsprachen als auch seine revolutionäre Symbolkraft als Sprache der Freiheit und Vernunft. Vor dieser Folie zielt der Sprachpurismus des Tolosaner Juristen Barère auf den Erhalt dieses national legitimierten Universalitätsanspruches und richtet sich gegen alle anderen Sprachen innerhalb und außerhalb des französischen Staatsgebietes, die diesen Status gefährden könnten: (153) Je viens appeler aujourd’hui votre attention sur la plus belle langue de l’Europe, celle qui la première a consacré franchement les droits de l’homme & du citoyen, celle qui chargée de transmettre au monde les plus sublimes pensées de la liberté, & les plus grandes spéculations de la politique. Long-temps elle fut esclave, elle flatta les rois, corrompit les cours & asservit les peuples ; long temps elle fut déshonorée dans les écoles, & mensongère dans les livres de l’éducation publique ; […]. Épurée enfin, & adoucie par quelques auteurs dramatiques, ennoblie & brillante dans les discours de quelques orateurs, elle venoit de reprendre de l’énergie, de la raison & et de la liberté sous la plume de quelques philosophes que la persécution avait honorés avant la révolution de 1789. […] Nous avons révolutionné le gouvernement, les lois, les usages, les mœurs, les costumes, le commerce & la pensée même […] Le fédéralisme & la superstition parlent bas-breton ; l’émigration et la haine de la République parlent allemand ; la contre-révolution parle italien, & le fanatisme parle le basque. Brisons ces instruments de dommage d’erreur (Barère 1794, 2–8).222 222 Die Quellenverweise zu Grégoire und Barère (1794) sind im Literaturverzeichnis unter Kap. 6.1.3 aufgeführt.

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Im Rapport Grégoire artikulieren insbesondere die Fragen 29 und 30,223 aber auch der berühmte Satz aus der Rede am 4. Juni (cf. Guilhaumou 1989, 10),224 in unmissverständlicher Fortführung die von Barères gesetzte politische Forderung einer nationalen Unifizierung Frankreichs durch sprachliche Purifizierung, der die Convention postwendend mit einer Maßnahmenankündigung entspricht (cf. 155): 225 (154) Tout ce qu’on vient de dire appelle la conclusion que, pour extirper tous les préjugés, développer toutes les vérités, tous les talents, toutes les vertus, fondre tous les citoyens dans la masse nationale, simplifier le mécanisme et faciliter le jeu de la machine politique, il faut identité de langage. [...] Je crois avoir établi que l’unité d’idiome est une partie intégrante de la Révolution, et dès lors plus on m’opposera de difficultés, plus on me prouvera la nécessité d’opposer des moyens pour les combattre. Dût-on n’obtenir qu’un demi-succès, mieux vaudrait encore faire un peu de bien que n’en point faire. Mais répondre par des faits, c’est répondre péremptoirement, et tous ceux qui ont médité sur la manière dont les langues naissent, vieillissent et meurent, regarderont la réussite comme infaillible. [...] Encourageons tout ce qui peut être avantageux à la patrie ; que dès ce moment l’idiome de la liberté soit à l’ordre du jour, et que le zèle des citoyens proscrive à jamais les jargons qui sont les derniers vestiges de la féodalité détruite. Celui qui, connaissant à demi notre langue, ne la parlait que quand il était ivre ou en colère, sentira qu’on peut en concilier l’habitude avec celle de la sobriété et de la douceur [...]. Si la Convention nationale accueille les vues que je lui soumets au nom du comité d’instruction publique, encouragés par son suffrage, nous ferons une invitation aux citoyens qui ont approfondi la théorie des langues, pour concourir à perfectionner la nôtre, une invitation à tous les citoyens pour universaliser son usage. La Nation, entièrement rajeunie par vos soins, triomphera de tous les obstacles et rien ne ralentira le cours d’une révolution qui doit améliorer le sort de l’espèce humaine (Grégoire 1794, 15–22).

223 «29. Quelle serait l’importance religieuse et politique de détruire entièrement ce patois? 30. Quels en seraient les moyens?» (De Certeau/Julia/Revel 1975, 13). 224 Cf. (154): «que dès ce moment l’idiome de la liberté soit à l’ordre du jour». 225 Die sprachliche Purifizierung der Französischen Revolution bezog sich bekanntermaßen nicht nur auf die Regionalsprachen, sondern auch auf die Onomastik des Ancien Régime. Mit dem Eintritt der Jakobiner-Diktatur wird nicht nur ein neuer Kalender eingeführt, sondern sowohl im anthroponymischen als auch im toponymischen Bereich werden royalistische Namen systematisch ersetzt (cf. Schmitt 1990, 360–361; 2000, 699–701).

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(155) La Convention nationale, après avoir entendu le rapport de son comité d’instruction publique, décrète : Le comité d’instruction publique présentera un rapport sur les moyens d’exécution pour une nouvelle grammaire & un vocabulaire nouveau de la langue française. Il présentera des vues sur les changemens qui en faciliteront l’étude & lui donneront le caractère qui convient à la langue de la liberté. La Convention décrète que le rapport sera envoyé aux autorités constituées, aux sociétés populaires & à toutes les communes de la République (Grégoire 1794, 28). Diskurslinguistisch betrachtet belegt der Auszug aus der Rede Grégoires, wie der machtpolitischen Notwendigkeit einer sprachlichen Reinigung ein passender sprachideologischer Rahmen verliehen wird (cf. 154). Wie in vorangehenden sprachhistorischen Kontexten wird dabei die Sprachensituation in Analogie zum Gesellschaftsideal entworfen: Die französische Sprache wird zum Identifikationsmerkmal («identité de langage») der befreiten Nation («idiome de la liberté») und entgegen des klassizistischen «bon usage»-Konzepts zum Sprachgebrauch der sozialen Mehrheit erklärt. Die durch eine gemeinsame sprachliche Identität erzeugte «Wir-Gruppe» wird auf lexikalischer Ebene in der Possessivkollokation notre langue und der Substitution la nôtre ausgedrückt. Diese Konstruktion nationaler Identität durch Sprache stellt wiederum auf semantischer Ebene den Frame-Kern eines Bedeutungsnetzes dar, dessen Anschlussstellen entsprechend der Triebkraft des Revolutionsidealismus mit positiv konnotierten und ideologisch besetzten Abstrakta («vérités», «talents», «vertus») sowie mit dynamischen Verben besetzt sind,226 deren Konnotation die positiven Affekte des politischen Aufbruchs widerspiegeln. Das Agens ist dabei auf paradigmatischer Ebene, ganz im Sinne der Revolutionswerte, durch abstrakte Kollektiva repräsentiert (z. B. «la Nation triomphera», «une révolution qui», «tout ce qu’on vient de dire»). Neben dieser polito- und sozioideologischen Modellierung des revolutionären Gedankens liegt das darin begriffene sprachideologische Stancetaking (cf. Kap. 4.1.2) in der dichotomen Gegenüberstellung mit einem zweiten semantischen Netz begründet, dessen Kern, die «féodalité détruite», auf deutlich weniger Anschlussstellen beruht wie es z. B. in den oben betrachteten sprachpuristischen Diskursausschnitten des 16. oder 17. Jhs. der Fall ist, in denen die Aufwertung des «Eigenen» ganz markant durch die sprachlich sehr dominante Abwertung des «Anderen» ausgedrückt wird. Im beispielhaft gewählten Ausschnitt aus der Rede Grégoires erfolgt die Stigmatisierung sprachlicher Variati-

226 Cf. simplifier, faciliter, combattre, encourageons, on peut concilier, concourir à perfectionner, universaliser, la Nation triomphera, rien ne ralentira, une révolution qui doit améliorer.

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on auf propositionaler Ebene durch lediglich einen Finalsatz.227 Die Gegenüberstellung der neu gewonnenen nationalen Identität steht darin mit den positiv konnotierten Attributen sobriété und douceur in polarer Antonymie zur zerstörten feudalen Identität («ivre ou en colère») und impliziert eine Positionierung gegen die Vielfalt und für die nationale Einheit in Form einer sprach- und sprecherbezogenen Wertung. Die dichotome Form der Argumentation folgt somit auch im soziopolitischen Kontext der Revolution der gleichen puristischen Funktionsweise von Sprachbewertung wie in historisch vorgelagerten Einstellungsbekundungen zum Französischen, indem sowohl die typische soziale («neue Nation» vs. «altes Feudalsystem») als auch sprachliche Dialektik («idiome de la liberté» vs. «les jargons») indiziert wird. Jedoch besteht in der Argumentation Grégoires, verglichen z. B. mit der Abwertung der «Escrivains modernes» bei Vaugelas228 oder mit der Stigmatisierung des Italienischen und Spanischen bei Bouhours,229 ein zentraler Unterschied in der semantisch deutlich weniger ausgebauten Repräsentation des «Anderen». Dieser fehlende Konterpart zur stark prononcierten nationalen Semiotik unterstreicht auf sprachlicher Ebene die metasprachliche Zielsetzung der kompromisslosen und vollständigen Beseitigung der absolutistischen Herrschaft in allen gesellschaftlichen Bereichen. Ein System, das politisch abgeschafft ist, wird konsequenterweise im Metasprachdiskurs auch sprachlich nicht repräsentiert, sodass lediglich ein Bild regionalsprachlicher ʻÜberresteʼ («vestiges») bestehen bleibt, die es nun abschließend zu beseitigen gilt. Das lexikalische Nicht-Besetzen mental vorhandener Repräsentationen des Ancien régime erfolgt in persuasiver Absicht und entspricht ideologisch dem politischen Radikalismus der Terrorherrschaft in der nationalen Revolutionsphase 1793–1794. Die Überzeugung von den Werten der Revolution und von der Notwendigkeit einer gesamtgesellschaftlichen Purifizierung des absolutistischen Wertesystems ist so gefestigt, dass es neben den konkreten statistischen Belegen zur Sprachensituation, die mit der Umfrage angeführt werden, keiner ausschweifenden Argumentationsstrategiebedarf. Die von Grégoire gestellte Forderung nach der Vernichtung regionaler Varietäten («anéantir les patois») beruht somit insgesamt auf einer verhältnismäßig radikalen sowie gleichermaßen nüchternen Form der sprachbezogenen Bewertung und Diffamierung. Daraus ergibt sich die Schlussfolgerung, dass Sprachpurismus in den bisher betrachteten metasprachlichen Äußerungen einem funktionalen Wandel bei

227 Cf. (154): «[…] et que le zèle des citoyens proscrive à jamais les jargons qui sont les derniers vestiges de la féodalité détruite». 228 Cf. Kap. 3.3.4, (136). 229 Cf. Kap. 3.3.4; (124); (126).

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Abb. 13: Kontinuität und Umbruch im Metasprachdiskurs der Revolution (Spiegelmodell).

fortlaufender struktureller Kontinuität unterliegt. Dieses Zusammenspiel synchroner Umbrüche in den ideologischen Positionierungen und diachroner Kontinuität der Sprachgebrauchsmuster kann am Beispiel des soziohistorischen und des (meta-)sprachlichen Umbruchs der Französischen Revolution als Spiegelmodell abgebildet werden (cf. Abb. 13). Dem Modell liegen die folgenden Prämissen zugrunde: Die Hypothese von der Französischen Revolution als Bruch des gesellschaftlichen Bewusstseins wurde bereits in einem gleichnamigen Sammelband von Koselleck/Reichardt (1988) kritisch und aus interdisziplinärer Perspektive in Frage gestellt. Im Vorwort des Bandes bemerkt Reichardt (1988) zur Begründung dieses kritischen Ansatzes: «Zunächst und vor allem besteht hier aufgrund neuer Erkenntnis besondere Ansicht, die Revolution in ihrer tiefsten und nachhaltigsten Wirkung und damit in ihrem eigentlichen Charakter zu erfassen. Mustert man nämlich die empirisch-statistischen Regionalstudien,

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die Basis der historischen Frankreichforschung, so ergibt sich, daß die landläufige sozioökonomische Globaldeutung der Französischen Revolution überholt ist, daß die Revolution die Wirtschafts- und Sozialstruktur des alten Frankreich viel weniger verändert hat, als eine verbreitete Lehrmeinung behauptet, daß sich dagegen eine größere revolutionäre Zäsurwirkung (neben Politik und Recht) auf soziokulturellen Gebieten, im gesellschaftlichen Bewußtsein abzeichnet. Dieser Befund ebnet nun aber nicht die Große Revolution selbst in allseitige historische Kontinuität ein, er stellt vielmehr nur die Richtigkeit eines bestimmten Bildes von ihr in Frage und öffnet damit den Blick für ihre lange fast übersehene mentale Dimension» (1988, 15–16).

In der folgenden Interpretation möchte ich zentrale Punkte dieses Ansatzes aufgreifen und im Kontext der Sprachenfrage zur Revolutionszeit weiterdenken. Wie hier ausgewählte Beispiele aus Texten der Sprachpolitik und Sprachpflege dieser Zeit verdeutlichen, zeichnet sich in Sprachenfragen als Teil des von Reichardt (1988) angedeuteten soziokulturellen Bereiches eine klar nachvollziehbare revolutionäre Zäsurwirkung ab, die in Abb. 13 durch die gestrichelte horizontale Linie ausgedrückt wird. Dabei erscheint insbesondere der Hinweis auf «die fast übersehene mentale Dimension» (Reichardt 1988, 16) gerade für eine diskurslinguistische Perspektive auf die Sprachenfrage der Revolutionszeit erkenntnisrelevant. So gehe ich in den folgenden Überlegungen davon aus, dass der französische Metasprachdiskurs zur Revolutionszeit in noch eindeutigerer sprachlicher Form als Dokumente früherer Etappen der Sprachendiskussion zu erkennen gibt, in welchem Maß das oben beschriebene Zusammenspiel zwischen diskursivem Bruch und gleichzeitig bestehender Kontinuität diachron gewachsener, ideologischer und darunter insbesondere puristischer Sprachgebrauchsmuster charakteristisch für den französischen Metasprachdiskurs und seine diskursive Konstruktion als «exception» ist. Mit der Dimension des Bruchs bzw. der Umbrüche im Metasprachdiskurs beziehe ich mich auf den Wandel sprachenbezogener Ideologien und Einstellungen auf der Ebene der «Metalanguage 3» (cf. Kap. 3.2.2). Hier verorte ich auch den Bereich der Sprachideologien in ihrem direkten Zusammenhang mit soziopolitischen Ideologien als zentralen Kräften diskursiver Dynamik in der subjektiven Innenwelt der Sprecher (cf. Abb. 8). In umgekehrter Perspektive von der Ebene der «Metalanguage 1» und den expliziten Sprachhandlungsschemata bzw. dem Begriff der Sprachgebrauchsmuster ausgehend (z. B. Bubenhofer 2009; Spieß 2016; Jacob 2017), möchte ich die Dimension der Kontinuität von Metasprachdiskursen aufzeigen, d. h. wie auf metapragmatischer Ebene sprachideologische Positionierungsaktivitäten umgedeutet werden, indem sie an neuen Gegenständen oder anderen Akteuren ausgerichtet werden, dabei aber sprachstrukturell unverändert bleiben. Was die Anwendung dieser Überlegungen auf die Analyse sprachbezogener Äußerungen anbelangt, gehe ich weiter-

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hin grundsätzlich davon aus, dass der in den meisten Fällen auftretende, dialektische Aufbau sprachpuristischer Einstellungsbekundungen durch seine markante wie auch triviale sprachliche Musterhaftigkeit eine vergleichsweise klare und eindeutige Rekonstruktion und Kategorisierung der Spracheinstellungen auf der intratextuellen Ebene ermöglicht. Dem Modell liegt weiterhin die bereits bei vorangehenden Belegen angedeutete Annahme zu Grunde, dass auf der transtextuellen Ebene eine starke Korrelation zwischen sprachpuristischen Haltungen und diskursiver Vertikalität besteht, d. h. je stärker die Öffentlichkeitsstruktur einer Sprachgemeinschaft einem vertikalen Diskursystem unterliegt und je geschlossener und abgegrenzter die sozialen Räume der politischen Kommunikation sind, desto eher ist davon auszugehen, dass in diesen Öffentlichkeitsmodellen verankerte Metasprachdiskurse eine ebenso vertikale Ausrichtung sozialer Kategorien und Gruppen konstituieren, die als puristische Sprachideologien und Spracheinstellungen durch sprachliche Muster der Abgrenzung sichtbar werden. Je stärker folglich die politische Ideologisierung der Öffentlichkeit ist, desto stärker werden auch Sprachideologien ausgebildet und desto deutlicher werden diese als Sprachgebrauchsmuster an der Oberfläche von Metasprachdiskursen sichtbar. Darüber hinaus ist die Art der Ideologisierung entscheidend für den Grad der Vertikalität, d. h. bestimmte Weltanschauungen, Grundeinstellungen und Werte determinieren sowohl die Diskursstruktur in ihrer Neigung als auch hinsichtlich ihrer polaren oder graduellen Ausdifferenzierung. Die Vertikalität der französischen Gesellschaftsstruktur behält bis ins 18. Jh. und auch in der Französischen Revolution eine diametrale Ausrichtung (cf. Abb. 13), innerhalb derer Sprachpurismus immer wieder in einer anderen Zweckorientierung auftritt: Im Unterlegenheitsdiskurs des Humanismus und der Renaissance dient er zunächst der sprachlichen Identitätsbestimmung und Selbstlegitimierung in Abgrenzung zum einflussreichen Italienischen und Spanischen (cf. Kap. 3.3.3). Im Anschluss daran und v. a. im 17. Jh. wird er zum Instrument eines nationalen machtpolitischen Diskurses und als Bewertungsgrundlage des «bon usage» avanciert er zum prägenden Denk- und Handlungsmuster französischer Sprachidentität, wobei die soziale und sprachenbezogene Abgrenzung als Schablone des gesellschaftlichen Elitenideals in dieser Zeit ihre extremste Ausprägung erhält und aus heutiger Perspektive den Grundstein für die Rezeption der französischen Sprachendiskussion als «exception» legt. In der Revolutionszeit bleibt diese extreme Ausprägung bestehen, wird jedoch innerhalb der Diskurspositionen umdefiniert. «Les révolutionnaires font un emploi très étendu des éléments discursifs que leur fournissent les débats linguistiques du XVIIIe siècle. Ils y puisent dans une attitude d’écléctisme [sic] et de stéréotypisation. Les encadrements théoriques très élaborés deviennent mécon-

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naissables. Le discours en voie de formation sous le signe de l’uniformité, de la nature et de l’analogie fait des ravages dans ce fonds riche. C’est un nouveau discours qui instrumentalise et égalise la linguistique des Lumières. Il faudra mettre en évidence le caractère systématique de ce nouveau discours» (Schlieben-Lange 1996, 16).

Dieser Prozess einer mit dem Uniformitätsdiskurs der Revolution neu gedeuteten Systematisierung bestehender diskursiver Konzepte wird als Spiegelung an der horizontalen Achse dargestellt, die den zeitlichen Einschnitt der Französischen Revolution in der Übergangsphase des Metasprachdiskurses vom 17. Jh. über die Zeit der Aufklärung ins späte 18. Jh. markiert (cf. Abb. 13, gestrichelte Linie); an der senkrechten Achse der Diskursvertikalität manifestiert sich die Spiegelung des öffentlich-politischen Diskurses absolutistischer und revolutionär-nationaler Prägung auf den respektiven Metasprachdiskurs (Spiegelung A → B, C → D). Nachdem Sprachpurismus im siècle classique von der Spitze der Gesellschaft («la plus saine partie de la Cour») in Form des «bon usage» als Bewertungsdoktrin institutionalisiert und die französische Sprache nach den sprachpuristischen Grundprinzipien durch korpusplanerische Maßnahmen zur «langue universelle» ausgebaut wurde (Spiegelung A → B), wird er mit der Festsetzung des französischen Revolutionsdogmas der «nation une et indivisible» zum Legitimationsapparat der sprachlichen Umwälzung, zum Instrument gegen die absolutistische Feudalherrschaft sowie gegen die territoriale Vielsprachigkeit als Merkmal der feudalen Gesellschaftsstruktur (Spiegelung C → D). Der auf puristischen Grundannahmen etablierte vorrevolutionäre Universalitätsdiskurs und der Status des Französischen selbst bleiben als mentale Konzepte in dieser sprachideologischen Neupositionierung unangetastet. Durch den Umbruch in der Öffentlichkeitsstruktur an der horizontalen Achse vollzieht sich in einem zweiten Schritt nach der Toleranzphase der Revolution die Umdeutung der sprachpuristischen Ideologie und die bei Vaugelas aus dem Metasprachdiskurs ausgeschlossene gesellschaftliche Mehrheit des «peuple» (cf. 137) nimmt nun als «masse nationale» den Platz des von den Revolutionären instrumentalisierten, diskursbestimmenden Akteurs und politischen Entscheidungsträgers ein (Spiegelung A → C). Die Diskursvertikalität als Kennzeichnen dichotomer Positionierungsaktivitäten bleibt in dieser Umkehrung erhalten, orientiert sich nun jedoch im Vergleich zur klassizistischen Sprachpflege in die entgegengesetzte Richtung (cf. Kap. 3.3.4, Abb. 11). Dass es sich bei der Erhebung der nationalen Mehrheit zum Entscheidungsträger weder um politische noch um sprachliche Realität handelt, sondern um eine diskursive Konstruktion zu propagandistischen Zwecken, zeigt sowohl die Instrumentalisierung der formalpolitisch eigentlich machtlosen «masse nationale» gegen die eigene sprachliche Vielfalt als auch die politische Realität der jakobinischen Terror-

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herrschaft, die in gleicher Machtkonstellation operiert wie die von ihr abgeschaffte Monarchie und somit den eigenen Revolutionsprinzipien am wenigsten entspricht.230 Für die historisch-vergleichende Perspektive auf den französischen und deutschen Metasprachdiskurs kann vor diesem Hintergrund festgehalten werden, dass puristische Sprachideologien und -einstellungen nicht an einen spezifischen sozialen, historischen oder kulturellen Kontext oder eine bestimmte öffentliche Diskursform gebunden sind. Sprachpurismus ist als Sprachgebrauchsmuster sprachpflegerischer Diskurse wandelbar und verfügt über die strukturelle Disposition, sich an verschiedene sprachliche und kulturelle Kontexte anzupassen; die ihm eigene dialektische Argumentationsweise verleiht ihm eine spezifische, einprägsame Struktur und Wiedererkennungswert auf sprachlicher Ebene. Den Musterbegriff verstehe ich hierbei mit Jacob (2017) als Schlüsselkonzept – sowohl in Anlehnung an seine diskurslinguistische Operationalisierung (cf. Spitzmüller/Warnke 2011, 37–39) als auch in Kongruenz zum Modell expliziter und impliziter metasprachlicher Handlungsschemata (cf. Abb. 8):231 «Der diskurslinguistische Musterbegriff bezeichnet regelhafte Sprachgebrauchsweisen. […] Zum einen werden mit ihm verschiedene Phänomene der Wiederholung an der sprachlichen Oberfläche bezeichnet. Zum anderen wird er nicht nur an der sprachlichen Oberfläche, sondern auch in den mentalen Repräsentationen verortet. Diese beiden Verwendungsweisen stehen sich aber nicht widersprüchlich gegenüber, denn die Diskurslinguistik fragt in ihrem Erkenntnisinteresse nach den in sprachlichen Zeichen evozierten Projektionen des Wissens. Von regelhaften Sprachgebrauchsweisen wird also auf regelhafte Vorstellungen geschlossen, ‹Sprachmuster› […] werden Indikator für ‹Denkmuster› […]. Demzufolge werden sprachliche Muster mit mentalen in Korrelation gesetzt und beispielsweise als Topoi […], Frames bzw. Wissensrahmen […] oder als handlungsleitende Konzepte bzw. agonale Zentren […] formuliert» (Jacob 2017, 181–182).

Dabei ist unstrittig, dass, wie oben bereits betont wurde, Spracheinstellungen an den äußeren Rändern des ideologischen Spektrums, d. h. v. a. populistische, patriotische und nationalistische Orientierungen von Gesellschaften, Akteurs-

230 Diese Feststellung ist mit Blick auf die einzelnen Prozesse des soziopolitischen Geschehens der Revolution stark verallgemeinert und vereinfacht dargestellt, dient jedoch hier vorrangig dem allgemeinen Vergleich diskursiver Systeme. Nach der Abschaffung des Absolutismus stellt sich die Partizipation an politischen Entscheidungsprozessen ohne Zweifel ausdifferenzierter dar als in absolutistischer Zeit. Neben der Assemblée und den politischen Clubs ist fortan insbesondere die Presse stark an der Meinungsbildung beteiligt (cf. Caput 1975, 95). 231 Das Zusammenspiel von Denkmustern und Ausdrucksmustern ist anschaulich beschrieben bei Felder (1995, 2015). Zur korpuslinguistischen Operationalisierung des Musterbegriffs cf. Bubenhofer (2009; 2018, 225–226).

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gruppen oder gar einzelner Personen einen geeigneten Nährboden für die Ausbildung gleichermaßen extremer Tendenzen des Sprachbewusstseins in Form monozentrischer und puristischer Haltungen darstellen. Dass Letztere einen wichtigen und mitunter entscheidenden Faktor bei der Ausbildung metasprachlicher Diskursformen und deren gradueller Ausdifferenzierung zwischen Beschreibung und Bewertung bereitstellen und weiterhin motivationale und affektive Komponenten von Wissen für die Tendenz metasprachlichen Handelns genauso oder gar entscheidender sind als begriffliches und objektives Wissen, zeigen die bis hierhin betrachteten historischen Einblicke in das Sprechen über Sprache ebenso deutlich wie einzelne bisher schlaglichtartig besprochene Belege der aktuellen Sprachendiskussion. Zwei Monate nach der Rede Grégoires unterzeichnet Robespierre in seinen letzten Amtstagen das Décret du 2 Thermidor (20. 07. 1794), in dem das Französische zur alleinigen Sprache der Verwaltung und in öffentlichen Dokumenten erklärt wird (Art. 1 «Nul acte public ne pourra, dans quelque partie que ce soit du territoire français, être écrit qu’en langue française»). Mit diesem zweiten Sprachgesetz der französischen Sprachgeschichte wird die Phase der «terreur linguistique» eingeleitet. Das Dekret ist bis heute gesetzlich in Kraft und seine juristisch fortbestehende Anerkennung als normative Bewertungsgrundlage wird im Rahmen aktueller Debatten im Kontext der französischen Regional- und Minderheitensprachen scharf diskutiert: So richtete z. B. der bretonische Nationalversammlungsabgeordnete Paul Molac 2012 ein Gesuch an den französischen Innenminister (cf. Texte de la question/2012), in dem er darum bittet, einer Entscheidung des Außenministeriums bzgl. der Ausgabe und Aktualisierung französisch-bretonischer Familienstammbücher nicht zu entsprechen. Das Außenministerium hatte sich zuvor unter Berufung auf die o. g. loi n° 118 du 2 thermidor an II und Artikel 2 der französischen Verfassung gegen die Ausgabe und Bearbeitung zweisprachiger Stammbücher als öffentliche Dokumente ausgesprochen. Dementgegen beruft sich Molac auf die Aufhebung des Gesetzes nach dem Tode Robespierres, den 1999 vom Conseil constitutionnel in Bezug auf die Kollision von Verfassung und Charta der Regional- oder Minderheitensprachen getroffenen Beschluss, dass die obligatorische Verwendung des Französischen in offiziellen Texten Übersetzungen in die Regional- und Minderheitensprachen nicht ausschließe, sowie auf Artikel 21 der loi du 4 août 1994 relative à l’emploi de la langue française (cf. Loi n° 94–665), der einen Gebrauch der Regional- und Minderheitensprachen ebenfalls ausdrücklich dulde (cf. Texte de la question/2012). Diesem Gesuch begegnet das Innenministerium mit entschiedener Ablehnung und stellt seinem Entschluss als Begründung den üblichen Verweis auf das Verfassungsprinzip «La langue de la République est le français» voran so-

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wie den Hinweis, dass die in ihrer Gültigkeit in Frage gestellte loi n° 118 du 2 thermidor an II durch den arrêté consulaire du 24 Prairial an XI (13. 06. 1803) ersetzt worden sei und dass weiterhin der von Molac als Referenz angeführte konstitutionelle Beschluss in Bezug auf die Charta auch festlege, dass der Gebrauch des Französischen für Personen des öffentlichen Rechts eine ethischmoralische Pflicht darstelle (cf. Texte de la réponse/2013). Alle diese Faktoren dienten, so die Schlussfolgerung des Innenministeriums, einem Gleichgewicht nationaler und partikularer Kräfte, dem die Französische Republik sich verpflichte: (156) La Constitution instaure ainsi actuellement un équilibre, distinguant les personnes publiques et services publics qui doivent employer le français, des particuliers qui ont, entre eux, le libre choix des termes. Les livrets de famille étant constitués d’actes de l’état civil, qui sont des documents publics, doivent être rédigés en français en l’état actuel du droit. A l’inverse, il ne saurait en conséquence être reconnu de caractère officiel à des documents non rédigés en français, même partiellement. Enfin, ces documents doivent respecter l’arrêté du 1er juin 2006 fixant le modèle du livret de famille, lequel est identique sur l’ensemble du territoire national, quant à son nombre de pages, son contenu et sa présentation exacte. Aucune règle ne s’oppose toutefois à la délivrance par les mairies, en sus du livret de famille officiel, d’une traduction bretonne de celui-ci, dépourvue d’effet juridique, pour autant qu’elle ait lieu à la demande des intéressés et que sa charge ne soit pas supportée par l’État (Texte de la réponse/2013, o.S.). Nach der Abweisung der Frage durch das Innenministerium scheiterten zunächst, ebenfalls unter der Leitung Molacs, zwei weitere Versuche, die Abrogation auf verschiedenen gesetzlichen Wegen durchzusetzen: Ein erster Antrag auf Aufhebung beider Dekrete der Jahre 1794 und 1803, eingebracht im Juni 2016, artikuliert deutlich schärfer als die Frage vier Jahre zuvor die politische Entrüstung über den legislativen Einsatz alter und jüngerer historischer Beschlüsse bei der Begutachtung aktueller Sprachkonflikte: (157) […] En effet, ces dispositions normatives d’un autre âge ont été utilisée [sic] par le ministère de la Justice en 2012 afin d’interdire à une cinquantaine de communes bretonnes de délivrer des livrets de famille françaisbreton. Il est choquant que l’administration centrale recoure à ces textes à notre époque. Si sa première argumentation basée sur le décret du 2 Thermidor An II instaurant la « Terreur linguistique » par l’obligation de

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n’écrire des actes publics qu’en français, la seconde interprétation s’est fondée sur l’arrêté consulaire du 24 Prairial an XI, « fixant l’Époque à compter de laquelle les actes publics devront être écrits en français dans les départements de la ci-devant Belgique, de la rive gauche du Rhin et de la 27e Division militaire ». […] Il est dès lors fort étonnant que ces textes vieux de plus de deux siècles s’imposent à la lecture de notre actuelle constitution et d’une loi promulgée il y a un peu plus de vingt ans [scil. loi relative à l’emploi de la langue française, 1994], d’autant plus que la traduction de la langue française sur les passeports est permise. C’est la raison pour laquelle il est proposé d’abroger ces deux textes sources d’insécurité pour la publication volontaire de documents officiels et d’état civils en version bilingue (Amendement N° 1534/2016, o. S.). Auch ein weiterer Antrag im September (cf. Amendement N° 102/2016) und einer im November 2016, der wiederum nur die Aufhebung des Dekrets vom 20. Juli 1794 forderte (cf. Amendement N° 12/2016), liefen ins Leere und wurden noch vor der Diskussion im Parlament zurückgezogen. Erst der jüngste Gesetzesentwurf Molacs vom 30. 12. 2019, der den verfassungsbasierten Kern des Konflikts letzten Endes umschifft, indem er auf die Anerkennung der Regional- oder Minderheitensprachen als Teil des immateriellen nationalen Kulturerbes abhebt, ist erfolgreich. Die am 13. 02. 2020 in erster Lesung von der Assemblée nationale angenommene Proposition de loi relative à la protection patrimoniale des langues régionales et à leur promotion definiert zwei Wirkungsbereiche (protection patrimoniale, services publiques), in denen fortan Schutz- und Förderungsmaßnahmen zugunsten der Regionalsprachen eingesetzt werden können (cf. Texte adopté n° 408/2020). Maßgeblich geschmälert wird dieser positive Vorstoß jedoch durch die Tatsache, dass die in den Artikeln 3–7 verankerten Maßnahmen zugunsten der Regionalsprachen im Bildungswesen, d. h. konkret der Unterricht in den Regionalsprachen zu Zeiten des regulären Stundenplans, Immersionsunterricht sowie die finanzielle Stärkung privater bilingualer Lerneinrichtungen, durch die Kommission abgelehnt wurden. Dieses mühsame politische Ringen um eine formaljuristisch weitreichende Anerkennung der Regionalsprachen veranschaulicht jenseits prominenter sprachpolitischer Debatten wie die um die Ratifikation der Charta der Regionaloder Minderheitensprachen (cf. auch Kap. 3.3.4, 141–147), dass die Durchsetzung der «unité nationale» auf der Grundlage der «unité linguistique» weiterhin ihre verfassungsgebende Durchsetzungskraft beibehält und dabei weit über einen historisch-ideologischen Symbolwert hinausgeht. Ein gesetzesgebundener Schutz der Regionalsprachen bleibt somit, den Leitlinien der DGLFLF entsprechend (cf. ausführlich Kap. 3.3.8), weiterhin auf die Nische kultureller Legitimation beschränkt.

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Dabei ist entscheidend, dass die loi n° 118 du 2 thermidor an II nicht nur als überholtes historisches Relikt in ihrem Bestehen kritisiert wird, sondern auch als Rechtsgrundlage zur Anwendung kommt: In der Circulaire relative à l’état civil vom 23. 07. 2014 weist das französische Justizministerium an, dass lediglich das römische Alphabet als Grundlage diakritischer Zeichen und Ligaturen im Französischen zulässig sei und beruft sich dabei – jenseits international geltender Konventionen der Internationalen Kommission für das Zivilstandswesen – auch auf die loi n° 118 du 2 Thermidor an II: (158) La loi n° 118 du 2 Thermidor An II (20 juillet 1794) dispose que les actes publics doivent être écrits en langue française sur le territoire de la République et l’arrêté du 24 prairial an XI (13 juin 1803) précise que l’emploi de la langue française est obligatoire, même dans les régions où l’usage de dresser les actes publics dans l’idiome local se serait maintenu. De surcroît l’article 2 alinéa 1er de la Constitution, issu de la loi constitutionnelle n° 92–554 du 25 juin 1992, dispose que la langue de la République est le français et la loi n° 94–665 du 4 août 1994 relative à l’emploi de langue française ne permet pas de déroger à la loi du 2 Thermidor An II. Se fondant sur ces principes, l’instruction générale relative à l’état civil (IGREC) (§ 106) rappelle que seul l’alphabet romain peut être utilisé et que les seuls signes diacritiques admis sont les points, tréma, accents et cédilles tels qu’ils sont souscrits ou suscrits aux voyelles et consonne autorisés par la langue française. La circulaire (NOR JUSC1119808C) du 28 octobre 2011 portant règles particulières à divers actes de l’état civil relatifs à la naissance et à la filiation (premier volet de la refonte de l’IGREC) confirme cette analyse concernant le prénom (§ n°86) 2. Si la convention n°14 de la Commission Internationale de l’État Civil (CIEC) relative à l’indication des nom et prénoms dans les registres de l’état civil reconnaît les signes diacritiques étrangers, il convient de relever que celle-ci n’a pas été ratifiée par la France. Dès lors les voyelles et consonne accompagnées d’un signe diacritique connues de la langue française sont: à–â – ä – é – è – ê – ë – ï – î – ô – ö – ù – û – ü – ÿ – ç. Ces signes diacritiques peuvent être portés tant sur les lettres majuscules que sur les minuscules. Les ligatures «æ» (ou «Æ») et «œ» (ou «Œ»), équivalents de «ae» (ou «AE») et «oe» (ou OE) sont admises par la langue française. Tout autre signe diacritique attaché à une lettre ou ligature ne peut être retenu pour l’établissement d’un acte de l’état civil (BOMJ 2014, 1–2). In diesem Zusammenhang hatte die Entscheidung des Standesamtes von Quimper, den bretonischen Vornamen Fañch bei einem neugeborenen Jungen

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nur in französischer Orthographie, d. h. ohne Tilde zu beurkunden, zu einer gerichtlichen Auseinandersetzung mit den Eltern des Kindes geführt. Das Verwaltungsgericht Quimper urteilte im Herbst 2017, dass die Entscheidung des Standesamtes, den Namen gemäß «geltender» französischer Orthographie zu korrigieren, rechtens sei und begründete dies damit, dass die bretonische Schreibung einem Angriff auf die Einheit des Staates und die Gleichheit seiner Bürger gleichkäme («rompre la volonté de notre État de droit de maintenir l’unité du pays et l’égalité sans distinction d’origine», zit. nach France Info Bretagne, 29. 11. 2018). Diese Entscheidung führte in Frankreich und insbesondere in der Bretagne und unter ihren politischen Vertretern zu einer heftigen öffentlichen Auseinandersetzung über den Status der Regionalsprachen und entwickelte sich in den Medien schnell zur sog. Affaire Fañch. Im Rahmen dieser aktuellen Auseinandersetzung zum Bretonischen zeigt sich in den Meinungsäußerungen der Sprecher sowohl eine informierte Bezugnahme auf den historischen Kontext der Sprachenpolitik und den Nationalsprachendiskurses der Revolution (cf. 161) als auch auf den aktuellen verfassungsrechtlichen Status des Französischen (cf. 159c.) im Rahmen eines stark polarisierten Spracheinstellungsspektrums zwischen absoluter Zustimmung und Ablehnung der Regionalsprachen. Bei einer Betrachtung der expliziten und impliziten Sprachhandlungsschemata ist dabei maßgeblich, dass sich an der Affaire Fañch v. a. affektive Werturteile entladen, die sich auf die Frage sprachlicher und kultureller Diversität (cf. 159d., 162) beziehen und somit auf den Kern einer übergeordneten Frage nach der Konstitution der französischen Identität, die sich in einem diskursiven Spannungsgefüge zwischen regio- und natiozentrischen Kräften bewegt. Die Diskussionsbeiträge unter Beleg (159) entstammen dem Facebookauftritt der Ligue des officiers d’états civil, einer satirischen Seite, deren Mitglieder die originellsten französischen Vornamen wählen und diese humoristisch bewerten. Die übrigen Belege (160–162) sind weiteren digitalen Kommunikationsformen entnommen (Online-Zeitungen, Blogeintrag). Auch sie lassen vorwiegend affektive Positionierungen und ein Spracheinstellungsgefüge erkennen, dessen entscheidendes Merkmal die Aufspaltung in binäre Urteile über die bretonische Sprache und Kultur ist. Neutrale Positionierungen und eine graduelle Meinungsannährung in Richtung eines Für oder Wider die Regionalsprachen treten hingegen nicht auf. Dass die Affaire Fañch auch in medialen Kontexten, wo der Unterhaltungscharakter im Vordergrund steht, zum polemisch diskutierten Gegenstand wird, unterstreicht sowohl die öffentliche gesellschaftliche Bedeutung der Debatte um die Regionalsprachen als auch die Reichweite des Sprachpflegediskurses in kleinste mediale Nischen, die eine digitale Ausdifferenzierung von Metasprachdiskursen erkennen lassen (cf. Kap. 2.2):

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(159) a. Les fantaisies régionales sont affligeantes. Et si ce pauvre petit migre un jour en Alsace ou dans le Nord .... b. ce n’est pas une fantaisie! le breton est une langue vivante. c. La Bretagne ce n’est plus la France ? Dans la Constitution, il est spécifié que le français est la langue nationale. En tout cas, je plains le gamin de traîner ÇA toute sa vie. d. Laissez les bretons avoir leur culture. Vous êtes bien contents de manger du Kouign Amann en vacances non ? Et bien laissez les choisir les prénoms qu’ils veulent pour leurs enfants. Personnellement si j’ai un enfant il n’est pas exclu que je lui donne un prénom celte puisque j’aime cette culture et je vis en Bretagne, et j’en serais fière :) e. Beurk le kouign Amann ....et je ne passe pas mes vacances en Bretagne (Facebook Ligue des officiers d’état civil, 15. 05. 2017)! (160) Le combat de la France (de la République française) contre les langues régionales (en l’occurrence le tilde) est un exemple navrant d’archaïsme, d’étroitesse d’esprit arriéré et pour tout dire de rejet et surtout de mépris (Le Télégramme, 14. 09. 2017). (161) L’administration française est un des derniers bastion [sic] de la doctrine jacobine, celle qui déteste plus que tout [sic] la diversité culturelle. Comme le ridicule ne tue pas, cette administration n’hésite pas à se réfugier derrière une loi votée en 1795, juste après la tristement célèbre “Terreur”, pour interdire à des parents de donner un prénom breton à leur enfant. Décidemment, l’état français est encore loin de pouvoir jouer dans la cour des grandes démocraties européennes... (Le Télégramme, 13. 09. 2017). (162) En toute logique il va falloir que de nombreux prénoms soient modifiés: celui d’un député, M’jid El Guerrab, celui d'un certain nombre de M’hamed, venu du Maghreb O’Brian, venu d’Irlande, Alaka’i, utilisé en Polynésie... Mais la folie normative ne s’arrête pas au prénom. Sans respect aucun pour un constitutif de l’identité de chacun […] S’appuyer sur un texte datant de plus de deux siècles pour normaliser, réduire le choix des parents et modifier celui de familles, au nom de la défense de la langue française. Quel curieux pays (Blog Abhervé, 24. 01. 2018)! Das auf dieser Einstellungsdichotomie aufbauende Votum der Sprecher für oder gegen eine plurizentrische Perspektive auf Sprache, Kultur und Identität spiegelt sich auf sprachlicher Ebene in einem beiderseits rigorosen Beurteilen und Empfinden wider, zwischen auf der einen Seite Klage (cf. 159a.: «affligeantes»), Mitleid (cf. 159c.: «je plains») und Ekel (cf. 159e.: «Beurk») in Bezug auf die

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Regionalsprachen und ihre Sprecher sowie auf der anderen Seite in einer entschieden eingeforderten Solidarität mit den Sprechern (cf. 159d.: «Laissez les bretons avoir leur culture»). Positiven Einstellungen zu den Regionalsprachen wird durch Bestürzung über die Ablehnung und Verachtung von Sprechern und Sprache (cf 160: «exemple navrant d’archaïsme»), durch Verwunderung über (cf. 162: «Quel curieux pays !») sowie durch Zweifel an den demokratischen Prinzipien des französischen Staates Ausdruck verliehen (cf. 161), dessen im pejorativen Sinne als KAMPF metaphorisierter ʻNormenwahnsinnʼ (cf. 160: «Le combat de la France»; 162: «la folie normative») nicht einmal vor den Vornamen und somit der individuellen Identität seiner Sprecher Halt macht. Im Bereich negativer Einstellungen geht die Einflussnahme der puristischen sprachideologischen Dimension bis an die äußerste Grenze der Positionierung gegen die Regionalsprachen, d. h. bis zu ihrer Leugnung (cf. 159a: «fantaisies régionales» vs. 159b: «langue vivante»). Auch wenn diese Stigmatisierung der Regionalsprachen als ʻPhantasienʼ eine ausgewählt extreme Positionierung gegen das sprachlich und kulturell «Andere» darstellt, so ist diese Haltung auch Indiz dafür, dass hinter der determinierten Vorstellung einer streng einzelsprachlichen Realität ein mentalitätsgeschichtlicher Prozess steht, der in der historischen Abfolge metasprachlicher Diskurstendenzen in Form monozentrischer Sprachpflege und Sprachpolitik zur Verdichtung einer sprachideologischen Denkart geführt hat, deren Status einer «exception» weniger darin besteht, dass sie typisch französisch ist, sondern dass sie kontinuierlich im Metasprachdiskurs präsent war. Die französische Ausnahme mag also darin bestehen, dass die sprachpuristische Denkart in der Sprachendiskussion einen festen und traditionellen Platz hat. Auch als streitbare und umstrittene Tendenz zählt Sprachpurismus in Frankreich zum Diskursinventar dazu und wenn er Befremdnis und Widerstand hervorruft, dann weniger aus Verwunderung darüber, dass es ihn gibt, sondern weil seine ideologische Richtung nicht akzeptiert wird. Sprachpurismus basiert, wie oben gezeigt, in Frankreich und der Frankophonie trotz historischer und politischer Brüche auf einer sprachideologischen Kontinuität, die für den deutschen Metasprachdiskurs aus bekannten Gründen nicht gegeben ist: Auch wenn der Vergleich historisch nur schwer zu rechtfertigen ist, so schöpft Frankreich, plakativ gesprochen, aus der politischen, sprachlichen und kulturellen Gleichschaltung der französischen Revolution seine nationale Identität. Deutschland hingegen hat mit der Gleichschaltung durch die nationalsozialistische Ideologie seine nationale Identität korrumpiert und, man darf sagen (bisher) glücklicherweise an den Rand gesellschaftlicher Diskurse verdrängt, nachdem der historische Bruch nach 1945 auch in sprachlicher Hinsicht zu einem mentalitätsgeschichtlichen und ideologischen Einschnitt geführt hat. So ist meine These, dass die deutsche Sprachpflege gemäß ihrer histori-

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schen Genese nicht weniger puristisch ist als die französische, sondern mangels Kontinuität einfach länger aus dem Sprachbewusstsein ausgeklammert war und erst in der jüngeren Vergangenheit wieder sichtbar wird und zunehmend entschieden im Begriff ist, sich systematisch zu organisieren und in einer dezidiert sprachpuristischen Ausrichtung auch institutionell zu festigen (cf. Kap. 3.2.5– 3.2.6). Um zur französischen Diskussion um das Bretonische zurückzukommen, so zeigen die oben besprochenen Beiträge aus den öffentlichen und sozialen Medien, dass die Diskussion um den Status der Regionalsprachen und ihrer Sprecher unabhängig vom Ausgang des politischen Prozesses im Fall der Vornamenregelung weiterhin Bestand haben wird: Nachdem die Familie Bernard vom Berufungsgericht Rennes in zweiter Instanz das Recht der freien Namenwahl unter Verweis auf Art. 75–1 der Verfassung – «lequel dispose que les langues régionales appartiennent au patrimoine de la France» (cf. Arrêt N° 559/2018, 3) – zugesprochen wurde, wurde das Verfahren durch Einreichen einer Kassationsbeschwerde der Staatsanwaltschaft Rennes zunächst nochmals zur Beratung gestellt. Mit der nun durch die proposition der loi Molac autorisierten «[p]résence des signes diacritiques des langues régionales dans les actes d’état civil» (Texte adopté n° 408/2020, Art. 9) sind zwar die juristischen Unsicherheiten bei der Namengebung aus dem Weg geräumt, die Unsicherheiten autochthoner Sprechergruppen in Bezug auf ihren gesamtgesellschaftlichen Anerkennungsstatus bleiben jedoch weiterhin bestehen. Im diachronen Vergleich zeigt sich, dass der nationalsprachliche Uniformismus der Französischen Revolution stärker auf das postrevolutionäre und aktuelle Sprachbewusstsein Einfluss nimmt als auf das der Revolutionszeit. Dass es bei der sprachpolitischen Praxis des Revolutionsjahrzehnts (1789–1799) um metasprachliche Entwicklungen handelt, die «[e]inen vergleichsweise tiefen Einschnitt ins sprachpolitische Denken und Handeln» (Bochmann 1993, 63) der Franzosen manifestieren und die eine entscheidende argumentative Grundlage für die Behandlung späterer Sprachenfragen und -bewertungen liefern, ist aus den damals unmittelbaren Folgen der sprachpolitischen Praxis im späten 18. Jh. nicht ersichtlich. Zwar zeichnete sich die jakobinische Sprachenpolitik durch Aggressivität, Radikalität und Kompromisslosigkeit aus und entsprach in der Rigorosität des ihr eigenen ideologischen Sprachaktivismus den zeitgleich auftretenden Herausforderungen des Bürgerkrieges und der Bedrohung von außen, als «infolge der Märzkrise 1793 […] die Nachwehen des Ladensturms, schlechte Nachrichten von der Front verbunden mit den Problemen bei der Zwangsaushebung und der Beginn der Vendée-Aufstände zusammentrafen» (Bochmann 1993, 91); jedoch waren diese sprachpolitischen ad hoc-Verfahren aufgrund derselben politischen

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Instabilität und Unkoordiniertheit, zumindest in vielen Punkten, auch von Beginn an zum Scheitern verurteilt. Für dieses Scheitern liegen die Gründe sowohl auf der diskursiven metasprachlichen Ebene als auch auf der sprachpraktischen Ebene begründet. Auf der Diskursebene entfaltet sich die jakobinische Sprachpolitik in drei unterschiedliche Domänen, nämlich «a) in der Austragung eines Sprachkonflikts bei der Durchsetzung der Nationalsprache gegenüber den Minderheitensprachen Frankreichs; b) in der Sphäre von Sprachplanung und Sprachkultur des Französischen und c) in der Regelung des eigenen Diskurses wie der öffentlichen Rede überhaupt» (Bochmann 1993, 102; cf. Schlieben-Lange 1996, 15–19). Dieser Zusammenhang zwischen verschiedenen Dimensionen sprachenbezogenen Handelns führt bedingt durch die rapide aufeinander folgenden politischen Umbrüche zur Entstehung eines komplexen diskursiven Gefüges. Zwar sind alle drei Domänen durch die «vision d’unité linguistique» der Revolutionäre miteinander verbunden, jedoch bringen die zentralen politischen Akteure in Abhängigkeit vom jeweils konkreten Kontextes, in dem sie metasprachlich handeln und in dem unterschiedliche ideologische Dynamiken auftreten, Zielsetzungen in den Metasprachdiskurs ein, die sich in großen Linien decken, aber dennoch auch unterscheiden. So weist Schlieben-Lange (1996) darauf hin, dass sich in den unter der Jakobinerdemokratur unmittelbar nacheinander entstandenen «textes primordiaux de l’an II» von Domergue, Barère und Grégoire verschiedene Schwerpunkte erkennen lassen: «Barère s’intéresse exclusivement à l’universalisation, Domergue se concentre sur le français et Grégoire établit le rapport entre la réforme du français et son universalisation» (1996, 135). «Den weitreichendsten Versuch, die normierenden Institutionen des Ancien Régime durch zeitgemäßere, demokratischere Formen zu ersetzen, unternahm der grammairien-patriote Urbain Domergue» (Bochmann 1993, 133). Domergues Wirken als Sprachpfleger und Journalist ist für diese Arbeit in zweierlei Hinsicht relevant und soll deshalb zum Abschluss des Kapitels in zentralen Punkten besprochen werden: Zum einen hat er mit der Publikation des Journal de la langue française soit exacte, soit ornée (JLF) sprachenbezogene Fragen erstmalig zum spezifischen Gegenstand der journalistischen Diskussion gemacht und mit der Gründung der Société des amateurs de la langue française (1791; cf. 166) ein Vorbild für die zahlreichen Sprachpflegeorganisationen des 19. Jhs. sowie ihre Publikationsorgane geschaffen (cf. Busse 1981, 381; Dougnac 1986, 299). Beide Initiativen haben zur gesellschaftlichen und medialen Öffnung des Metasprachdiskurses beigetragen: Das JLF, das in erster Serie zwischen September 1784 und Mai 1788 alle zwei Monate in Lyon erscheint, ist in drei Teile gegliedert: In der Rubrik «langue exacte» behandelt Domergue allgemeine grammatische Fragen und

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Fragen zum korrekten Sprachgebrauch; der Bereich «langue ornée» widmet sich rhetorischen und poetischen Aspekten von Sprache. Ein dritter Teil befasst sich mit den Bereichen «langues savantes, étrangères» und «dialectes de France» (cf. Busse/Dougnac 1992, 46). Domergue öffnet das JLF auch für Beiträge und Fragen seiner Leser und etabliert eine Form sprachpflegerischer Sprachberatung wie sie heute noch in ähnlicher Form im Online-Beratungsservice von Sprachgesellschaften zu finden ist.232 Neben dem stark rationalistischen Ansatz seiner Sprachreflexion i. S. einer Demokratisierung von Sprachenfragen macht diese erste Form der Sprachberatung v. a. die «originalité de la pensée linguistique domerguienne» aus (Busse 1981, 321). Die programmatische Ausweitung der Partizipation an der Sprachendiskussion schlägt sich auch im sozialen Profil der im Herbst 1791 von Domergue in Paris gegründeten Société des amateurs de la langue françoise nieder, deren Mitglieder aus verschiedenen sozioökonomischen und politischen Milieus stammen (Dougnac 1986, 299). Zum anderen kann an den Äußerungen Domergues im JLF der ideologische Umbruch vom sozialen zum nationalen Metasprachdiskurs bei bestehender Kontinuität puristischer Sprachgebrauchsmuster nochmals konkret nachvollzogen werden (cf. Abb. 13 ). In der Maiausgabe 1785 und somit noch in den letzten Zügen der absolutistischen Monarchie veröffentlicht der in der Provence geborene lyonesische Lehrer, Moralist und Fachgenosse Domergues, Laurent Pierre Bérenger (cf. Busse/Dougnac 1992, 94; Sommer 2013, 167), einen Brief über die verlorene «naïveté» der französischen Sprache und die mit ihr verbundenen Eigenschaften der französischen Sprache und Nation (cf. 164: «gaieté», «simplicité», «franchise», «facile», «vif», «noble», «gracieux»): (163) La romane provençale, soit qu’elle participe aux beautés des langues dont elle est visiblement formée, & que l’imagination orientale y domine, soit qu’elle eût été plutôt cultivée par des talents capables de la plier &

232 Sowohl der VDS als auch der ALF führen in ihren jeweiligen Vereinszeitschriften eine Leserbriefe-Rubrik, die aber überwiegend als Raum für Stellungnahmen zu Positionen der Vereine und eigenen Einstellungsäußerungen genutzt werden und nicht als Möglichkeit der Sprachberatung wahrgenommen werden. Der VDS bietet im Rahmen eines Gemeinschaftsprojektes mit der SDS (cf. Kap. 3.2.6) einen Internetdienst als Beratungsstelle in «sprachlichen Angelegenheiten des Alltags an», wo «[…] u. a. Fragen zur deutschen Rechtschreibung, zur deutschen Grammatik oder zur Wortherkunft aber [sic] vor allem Fragen nach plausiblen deutschen Äquivalenten für fremdsprachige Begriffe beantwortet [werden]» (VDS 2019f). Für den ALF besteht im Rahmen des aktuellen Angebotes auf der Webseite des Vereins kein äquivalenter Service wie er z. B. von der Académie française angeboten wird, die online unter der Rubrik Questions de langue eine eigene Sprachberatung anbietet und die Ergebnisse daraus wiederum bewertend dokumentiert (cf. AF 2019b).

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de l’embellir, cette, romane, dis-je, l’emportait, de l’aveu même des iatliens & des françois sur la romane des Trouvères, à laquelle un fort mélange de tudesque & de celtique avoit communiqué la sauvage âpreté & la froide sècheresse des jargons du nord. Notre langue en effet (je parle du provençal & du languedocien) réunit la délicatesse italienne avec moins de mignardise dans les diminutifs, & la noblesse espagnole avec moins d’emphase & moins de monotonie dans les terminaisons. Encore aujourd’hui nous n’avons point de parler en France plus doux, plus riche, plus expressif que le patois méridional. La cour s’étant fixée à Paris, la langue de la cour, moitié latine & moitié germanique, fut bientôt seule en honneur & seule en usage. Les troubadours provençaux eurent beau voyager, beau fermer dans tout le royaume leurs pastourelles & leurs fabliaux, la langue de la cour prévalut (JLF 15. 05. 1785, 638–639). Den Verlust dieses u. a. bereits bei Bouhours zum Bewertungskriterium von Sprache erhobenen Ideals sprachlicher Simplizität und Natürlichkeit (cf. Kap. 3.3.4, 121–122) sieht Bérenger maßgeblich in der Zurückdrängung des Provenzalischen durch die «langue de la cour» bedingt. Sein öffentliches Lob auf das provençal und languedocien belegt nicht nur die noch vor der Revolution tolerierte Autonomie des französischen Varietätenraums als Kontext regionaler Sprachidentität («notre langue»), sondern auch die in intellektuellen Kreisen diskutierte Bedeutung dieser regionalen Sprachräume als Konstituenten des französischen Nationalcharakters, in der sprachliche Variation als Teil der nationalen Identität betrachtet wird: (164) la langue & le caractère national se sont beaucoup altérés ; nous n’avons plus ni la même gaieté, ni la même simplicité, ni la même franchise. Le langage, qui se modifie toujours sur les moeurs, a bien conservé parmi nous ses procédés faciles, vifs, nobles, gracieux, comme la nation qui le parle & l’écrit ; mais il a perdu de son aimable abandon ; il a perdu de sa vérité précieuse (JLF 15. 05. 1785, 637). Die Überlegungen Bérengers zeigen nicht nur, dass es wie oben bereits erwähnt vor der Revolution keine geschlossene nationale Identität Frankreichs gab, sondern dass neben dem von der Monarchie und einer kleinen intellektuellen Elite gezeichneten Nationenbild auf dem Fundament des «bon usage» die Perzeption der französischen Sprachensituation außerhalb Paris durchaus auch plurizentrisch geprägt war. Dies bedeutet wiederum nicht, dass Domergue zu Beginn seiner journalistischen Sprachberatung, sei es aus öffentlichem Gehorsam oder sachlichen Grün-

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den, nicht auch auf die sprachnormativen Richtlinien der Académie française verwiesen hat. In einem Leserbrief möchte sich der aus Aix-en-Provence stammende Pellicot de Seillan des korrekten Gebrauchs des Adjektivs chétif versichern, nachdem er von einem provenzalischen Journalisten in dieser Sache kritisiert wurde (165a). Domergue bestätigt in seiner Antwort die Richtigkeit des Wortgebrauchs unter explizitem Verweis auf die Bedeutungsangaben im Wörterbuch der Akademie (165b), das nur wenige Jahre später, nach Revolutionsbeginn, aufs Äußerste von ihm kritisiert wird: (165) a. Monsieur, Vous êtes devenu parmi nous l’arbitre du goût sur les questions grammaticales. Je vous prie de me dire votre avis sur celle-ci. Dans une lettre écrite au journaliste de Provence ; & qui a eu le plus grand succès, j’ai employé la phrase suivante : Si j’étois homme à me vanter, je pourrois produire d’autres titres dans le monde littéraire que de chétifs mémoires de palais. On a critiqué cette phrase ; on a prétendu que je suis convenu par là que mes mémoires sont mauvais […] (Question de Pellicot de Seillan à Urbain Domergue) b. Monsieur, L’Académie assigne deux significations au mot chétif. 1°. Celle de vil, méprisable : une chétive créature ose-t-elle s’énorgueillir ? 2°. Chétif signifie qui n’est pas de la bonté […] En voilà, Monsieur, plus qu’il ne faut pour prouver que vous avez pu & dû dire : si j’étois homme à me vanter, je pourrois produire dans le monde littéraire d’autres titres que de chétifs mémoires (JLF 15. 10. 1787, 654–658). Verallgemeinernd gesprochen zeigen diese Beispiele aus der ersten Phase des JLF, dass im französischen Metasprachdiskurs der vorrevolutionären Zeit verschiedene sprachenbezogene Kontexte und Positionen koexistieren, auch wenn der nationale Diskurs des politischen Zentrums eine andere soziale und kulturelle Richtung vorgibt. Domergue in seiner Position als Fürsprecher bzw. Mitstreiter in Bezug auf die Rolle der romane provençal tritt dabei in keinen offensiv geäußerten Widerspruch zur Akademie française als der zentralen Norminstanz und Hüterin des «bon usage». Bemerkenswert ist an der Spracharbeit Domergues auch, dass er wie Vaugelas vor ihm, im Diskurs die Rolle des Vermittlers einnimmt, der über sprachliche Zweifelsfragen urteilt. Die Aufgabe als vom Staat beauftragter Mittelsmann in Fragen des Sprachgebrauchs, die Vaugelas mehr als politisches Amt sieht und in der er sich in den Remarques in Funktion des juge inszeniert,233 wird Domergue von der sprachinteressierten Öffentlich-

233 Cf. Kap. 3.3.4; (133).

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keit zugesprochen (cf. 165: «l’arbitre du goût»). Dies belegt nicht nur die Bedeutung Domergues als wichtiger Akteur der Sprachendiskussion und seine Anerkennung als Sprachexperte, sondern nun auch den Bedarf der Öffentlichkeit, sich über Sprache auszutauschen und dies v. a. in Bezug auf die Sprachkorrektheit, die sich zum entscheidenden Merkmal sozialer Distinktion entwickelt hat. Darüber hinaus ist Domergue in diskurslinguistischer Perspektive als ideologische Schlüsselfigur entscheidend, weil sich der abrupte politische, soziale und kulturelle Umbruch der Revolution analog im metasprachlichen Handeln und in den Spracheinstellungen des Grammatikers manifestiert. In den ersten Revolutionsjahren erhalten Zeitungen als politisches Informationsmedium eine neue Bedeutung. In Paris erscheinen zu dieser Zeit rund 200 verschiedene Journale, sodass die Wiederaufnahme des JLF nach knapp zweieinhalb Jahren im Januar 1791 von der Aktualität der Sprachenfrage im Kontext neuer politischer Zielsetzungen zeugt (cf. Busse/Dougnac 1992, 93). Nachdem Domergue sich bereits im Jahr vor der Revolution in einer der letzten Ausgaben der ersten Serie für eine Reform der Akademie ausgesprochen hatte (Busse/Dougnac 1992, 83), kann die Verschärfung des Tons gegen die Arbeit der immortels und die gesamte Umwälzung der Spracheinstellungen vom grammairien patriote zum grammairien révolutionnaire sprachlich nachvollzogen werden: Im Mai 1791 schließt er im Rahmen seines Vorschlags zur Gründung der Société des amateurs de la langue françoise (cf. 166) eine Auflösung der Akademie noch aus, wobei seine Beteuerung angesichts der polemischen Aufbereitung seines prospectus und der typisch dialektischen Musterhaftigkeit seiner sprachideologischen Positionierungen nur noch wie blasse Rhetorik wirkt:234 (166) Tandis que des milliers de sociétés se sont formées dans toutes les parties de l’empire pour le maintien de la constitution, j’ai conçu le projet d’en établir une consacrée à la régénération de la langue. Un dictionnaire vraiment philosophique de notre idiome me paroît nous devoir conduire à ce but, objet de desirs de tous les françois, second besoin d’un peuple devenu libre. Mais qu’est-ce qu’un dictionnaire philosophique ? Celui qui, fondé sur les vraies bases de la lexique, & reposant sur les principes éternels de chacune des parties de cette science, présente, à chaque mot, une classification juste, une orthographie saine, une prosodie exacte, une étymologie lumineuse, une définition logique, des exemples propres aux différentes acceptions ; observe les procédés d’une syntaxe raisonnée, ouvre les trésors d’une sage néologie, dévoile les se-

234 Cf. (166): «Je suis loin pourtant de penser qu’il faille dissoudre l’académie françoise».

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crets de la dialectique, de la poésie, de l’éloquence, ne laisse, en un mot, rien à désirer de tout ce qui peut contribuer à la perfection de la langue, à l’instruction & au plaisir du lecteur. […] En vain objectera-t-on que l’académie françoise, féconde en écrivains illustres, n’a mis au jour qu’un dictionnaire maigre, incomplet, inexact, plein de fautes & de contradictions. Je répondrai que les gens de lettres, oubliant le but de l’institution de l’académie, ont vu dans l’honorable fauteuil, non un travail à faire, mais la récompense de leur travaux passés ; que quelques académiciens seulement, de loin en loin, & par manière d’acquit, ont enfilé alphabétiquement des mots, sans plan, sans goût, sans logique, sans répandre cette lumière qu’on cherche, & qu’ils n’avoient pas ou qu’ils dédaignoient d’avoir. Je suis loin pourtant de penser qu’il faille dissoudre l’académie françoise ; je voudrois seulement que, sans s’arrêter au nombre de quarante, il y eût autant de places qu’il y a d’écrivains d’un véritable talent, quelle que fût la partie de l’empire qui s’enorgueillit de les posséder, & que l’assemblée nationale elle-même décernât, par les mains de son président, le laurier littéraire à l’homme de lettres qu’elle croiroit devoir honorer. […] Cette académie seroit absolument distincte d’une autre académie qui formeroit l’assemblée législative de la langue, dont le devoir seroit de travailler sans relâche & sous les yeux du public, à la perfection de notre idiome. En attendant que cette idée germe, je propose le même établissement sous un titre modeste, & auquel il ne manquera que la sanction des représentants du peuple françois. La société des amateurs de la langue s’occupera principalement de la composition d’un dictionnaire digne de ce siécle de philosophie & de régénération (JLF 30. 07. 1791, 162–165). In fast spiegelbildlicher Anordnung konträrer semantischer Frames stellt Domergue sein Reformationsvorhaben und das Projekt eines dictionnaire philosophique als Organ der Revolutionsideale der Sprachpflege der Akademie française entgegen. Die sich an die Selbstaufwertung und Gegnerabwertung anschließende Berufung auf das gesellschaftliche Allgemeinwohl und auf die Partizipation der Öffentlichkeit an Sprachenfragen als demokratischer sprachpolitischer Prozess («Cette académie seroit absolument distincte d’une autre académie qui formeroit l’assemblée législative de la langue, dont le devoir seroit de travailler sans relâche & sous les yeux du public, à la perfection de notre idiome») zeugt von einer fortgeschrittenen ideologischen Durchdringung der Argumentation, an deren Ende die Gründung einer neuen Sprachgesellschaft als einzig logische Konklusion erschient. Domergues Argumentation verhält sich folglich analog zum persuasiven Vorgehen, das bereits Vaugelas zugunsten des «bon usage» eingesetzt hat und

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das Domergue nun gegen die Ideale des Ancien Régime kehrt: Aufwertung und Selbstlob des «Eigenen», Abwertung und Stigmatisierung des «Anderen», Berufung auf das öffentliche Wohl sowie Selbstinszenierung als Mittelsmann im Dienst von Sprache und Nation. Somit wird erstens an den Äußerungen des prospectus nochmals deutlich, dass der Rückgriff auf puristische Sprachgebrauchsmuster als argumentativer Rahmen unabhängig von der ideologischen Richtung des Diskurses ist und zweitens wird an der Person Domergue deutlich, dass sich derartige sprachideologische Umbrüche innerhalb des metasprachlichen Handelns einzelner Akteure manifestieren können. Weiterhin zeigt sich die Verfestigung der Revolutionsideologie im metasprachlichen Diskurs des JLF auch in der Negation historischer Sprachkonzepte wie der «naïveté». Nachdem diese im Brief Bérengers (cf. 163) noch im Kontext sprachlicher Variation als Raum der Ursprünglichkeit stand, wird sie in einem Kommentar Louis Verdure du Blancs, einem «correspondant très actif du journal» (Dougnac 1995, 151), aus der politischen Sprachbetrachtung gänzlich ausgeschlossen. Der «naïveté» als literarischem Programm, das vom Ausdruck des ästhetischen Geschmacksideals der Klassik bis hin zum Symbol vernunftorientierter Literatur der Aufklärung reicht, wird nun im sprachpolitischen Kontext der Revolution jede mögliche Funktion abgesprochen: (167) La langue de nos premiers écrivains étoit naïve ; la nôtre ne l’est plus. Tout a changé : nos mœurs, notre constitution politique, et conséquemment notre caractère. Mais enfin devons-nous chercher les moyens de faire revivre parmi nous cette aimable naïveté ? Nous le voudrions en vain, le ton de la simplicité peut renaître ; mais la naïveté ne le pourra jamais. Néanmoins, en supposant que cela se pût, quel avantage cette naïveté si vantée procureroit-elle à la langue françoise ? Si les Agnès de Molière s’expliquent d’un ton naïf, Mahomet et Tartuffe parlent d’une autre manière. La langue la plus heureuse, ce me semble, est celle qui prend tous les tons, qui se plie à toutes les formes que le génie lui imprime, et notre langue a cet avantage. Harmonieuse avec Fénélon, brillante et poétique avec Voltaire, élégante et pure avec Racine, elle est majestueuse avec Bossuet, flexible et gracieuse avec Quinault, animée et sublime avec Jean-Jacques. Pour rendre à notre langue toute sa naïveté, il n’a fallu qu’un écrivain naïf, et cet écrivain, c’est Lafontaine. La naïveté peut convenir à la fable, à l’élogue, et à quelques ouvrages de ce genre ; mais convient-elle à la tragédie, à la morale, aux sciences, à la politique ? Je ne le crois pas (JLF 29. 10. 1791, 113). Der Bruch im französischen Sprachbewusstsein und die diskursive Politisierung von Sprache und ihre Instrumentalisierung zu nationalen Zwecken kann an der

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Chronologie des JLF als metasprachlichem Publikationsorgan in klaren Schritten nachvollzogen werden. Die explizite Ausrichtung sprachenbezogener Fragen an politischen Belangen, wie sie von Verdure in der oben zitierten Ausgabe gefordert wird, überrascht noch weniger, wenn man betrachtet, dass die Ausgabe im Oktober 1791 erschien, als die Assemblée législative das erste Mal zusammentrat (cf. Busse/Dougnac 1992, 102–103). Um hinsichtlich der Auswirkungen der Französischen Revolution auf den Metasprachdiskurs Bilanz zu ziehen, so kann man mit Kremnitz (2015) «[…] von einer Auseinandersetzung zwischen zwei sprachenpolitischen Linien sprechen: die eine möchte für die allmähliche Ausbreitung des Französischen werben, die andere alle anderen Sprachen zum Verschwinden bringen. Ob man in der ersten eine zweisprachige Politik erblicken kann, ist nicht ganz klar, die zweite zielt auf die zwangsweise Einführung einer einigen Staatssprache ab» (2015, 16).

Wie an entscheidenden sprachpolitischen Maßnahmen und Gesetzen dargelegt wurde, wurde die zweite Tendenz der Sprachenpolitik de iure durchgesetzt. Der Rapport Barère am 8 pluviôse an II (27. 01. 1794) spielt sowohl für diesen Kurswechsel der révolution linguistique als auch für das Scheitern dieser nationalen Tendenz eine erklärende Rolle: Was die nationale Radikalisierung des Metasprachdiskurses anbelangt, besteht kein Zweifel daran, dass «[a]vec le rapport Barère, le discours jacobin se teinte de nationalisme au sens moderne du terme. […] Barère intervient à un moment bien déterminé pour mettre en valeur la supériorité de la langue française par rapport aux langues mentionnées» (Busse 1986, 352). Sowohl die Spracharbeit Domergues davor als auch der Rapport Grégoire, der ein halbes Jahr nach dem Plädoyer Barères gegen die regionalsprachlichen Idiome der nationalisation linguistique unter der radikalen Führung Robespierres nochmals Nachdruck verleiht, haben dem französischen Metasprachdiskurs einen neuen nationalstaatlichen Status und rigorosen sprachpolitischen Rahmen verliehen: «Das in allen Dekreten und Gesetzesvorlagen mehr oder weniger explizit genannte Ziel der einen vereinheitlichten Sprache für die République une et indivisible (die in den Bereichen Orthographie, Grammatik, Wortschatz, Wortbildung und Stil zu reformieren, zu standardisieren oder gar zu demokratisieren wäre) sollte für alle nachfolgenden republikanischen Regierungen den Schwerpunkt ihrer kulturellen Bemühungen bilden» (Schmitt 1990, 361).

De facto jedoch scheitern diese sprachpolitischen Initiativen während der Revolution. Dabei ist mit Busse (1986) hervorzuheben, dass das Scheitern nicht im mangelnden soziolinguistischen Bewusstsein der révolutionnaires linguistiques begriffen liegt. Ganz im Gegensatz ist sich gerade Barère der Herausforderung einer landesweiten Popularisierung des Französischen ebenso bewusst (cf. 168)

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wie der Bedeutung der autochthonen Sprachidentitäten, mit denen ein solches Vorhaben konfrontiert ist (cf. 169), und der Notwendigkeit eines funktionierenden Bildungsapparates, dessen Einrichtung Jahre in Anspruch nehmen kann (cf. 170): (168) Il faut populariser la langue, il faut détruire cette aristocratie de langage qui semble établir une nation polie au milieu d’une nation barbare (Barère 1794, 7). (169) Le pouvoir de l’identité du langage a été si grand qu’à la retraite des Allemands, plus de 20 mille hommes des campagnes Bas-Rhin sont émigrés. L’empire du langage & de l’intelligence qui régnoit entre nos ennemis d’Allemagne & nos concitoyens du département du Bas-Rhin est si incontestable, qu’ils n’ont pas été arrêtés dans leur émigration par tout ce que les hommes ont de plus cher, le sol qui les a vus naître, leurs dieux pénates & les terres qu’ils avoient fertilisées. La différence des conditions, l’orgueil a produit la première émigration qui a donné à la France des milliards ; la différence du langage, le défaut d’éducation, l’ignorance ont produit la seconde émigration qui laisse presque tout un département sans cultivateurs (Barère 1794, 5). (170) L’éducation publique ne peut s’y établir [à la campagne], la régénération nationale y est impossible. C’est un fédéralisme indestructible, que celui qui est fondé sur le défaut de communication des pensées ; […] de tels fédéralités ne pourroient être corrigés qu’avec des instituteurs, des maîtres d’école & dans plusieurs années seulement (Barère 1794, 4).235 Der im Anschluss an Barères Bericht durch die Convention nationale dekretierte, umgehende Einsatz von Französischlehrern in den Departments (Décret relatif à l’établissement des instituteurs de langue française dans plusieurs départements, 27. 01. 1794) misslang aufgrund eben dieses fehlenden, funktionierenden Bildungsapparates. Am Beispiel des Elsasses schreibt hierzu Caput (1975):236

235 Der Text ist in abweichender Paginierung in Certeau/Julia/Revel (1975, 291–299) abgedruckt. 236 Der genaue Text lautet: «La Convention nationale, après avoir entendu le rapport du Comité de Salut public, décrète : 1. Il sera établi, dans dix jours, à compter du jour de la publication du présent décret, un instituteur de langue française dans chaque commune de campagne des départements du Morbihan, du Finistère, des Côtes-du-Nord, et dans la partie de Loire-Inférieure, dont les habitants parlent l’idiome appelé bas-breton» (Décret du 8 pluviôse an II, 48).

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«En fait, le décret du 8 Pluviôse n’aura aucun résultat positif, car il aurait fallu que dans toute la France un enseignement du français fût en place; or il y a peu d’enthousiasme localement; on manque de surcroît d’instituteurs compétents. C’est pourquoi le projet d’écoles normales, déjà ancien, se précise en 1794, mais sans recevoir encore application. D’autre part, la ‹Terreur linguistique› échoue, comme on le voit pour l’Alsace: les résistances s’y aiguisent et l’on risque tout simplement de susciter une haine stable de la France et de la Révolution» (1975, 106).

«Der naheliegende Weg zur seiner Umsetzung [scil. des Monopols des Französischen] wäre die Einführung der allgemeinen Schulpflicht gewesen» (Kremnitz 2015, 16). Bereits in der ersten Phase der Revolution hatte es Weichenstellungen in diese Richtung gegeben. So hatte sich der Marquis de Condorcet, Mitglied der Académie française und seit 1791 Präsident der Assemblée législative, mit der Frage des öffentlichen Bildungswesens beschäftigt, jedoch wurde sein Rapport über das Erziehungswesen (20. 04. 1792) durch den Krieg 1792 und die Errichtung der Republik nicht umgesetzt (cf. Röd 1984, 409–410).

3.3.6 19. Jahrhundert: Sprachverfallsdiskurs C’est à partir de la conscience linguistique allemande […] que l’Allemagne avait pu se libérer au début du 19e siècle non pas de la France révolutionnaire et libératrice, mais d’un Empire napoléonien conquérant et hégémonique devenu odieux à elle comme à une grande partie de l’Europe. Un exemple à méditer de nos jours…Pourquoi pas ensemble? Hände weg von unseren Nationalsprachen! Vive une Europe de Nations souveraines et étroitement – mais librement! – associées! (Salon 2011, 140)

Wo gewohntermaßen das französische Sprachbewusstsein von deutschen Sprachpflegern als «exception» und Vorbild des musterhaften Umgangs mit der eigenen Sprache und Kultur angeführt wird (cf. Kap. 3.2.6, 61–62), mag die umgekehrte Perspektive, die Albert Salon in seiner Kritik zum aktuellen Status des Französischen in Bezug auf die Beispielfunktion des Deutschen einnimmt, auf den ersten Blick etwas verwundern. Die vom Sprachverteidiger und Vorsitzenden des Vereins Avenir de la Langue Française (ALF) geforderte «Wiederaufrüstung» der sprachlichen und nationalen Souveränität der europäischen Staaten ist nicht nur Aufruf zum Schulterschluss einer rückwärtsgewandten Sprachpflege in den europäischen Sprachgemeinschaften, sondern drückt auch eine anerkennende Rückbesinnung auf den deutschen Sprachnationalismus des 19. Jhs. aus, der sich aus der Abgrenzung zum französischen Hegemoniestreben entwickelt und als Tendenz der Sprachpflege durchgesetzt hat (cf. Kap. 3.2.4):

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«Es hängt historisch mit den Napoleonischen Kriegen und der beginnenden nationalistischen Radikalisierung ganz Europas zusammen, dass im 19. Jahrhundert die Opposition zwischen Muttersprache und Fremdsprache wieder besonders virulent ist. Wie im 17. Jahrhundert wird der Einfluss des Fremden als existentielle Gefährdung der nationalen Identität empfunden. Zur Auseinandersetzung mit der äußeren Bedrohung, die durch die französische Fremdherrschaft real geworden ist, kommt die Reflexion einer inneren, den Volks- und Sprachgeist aufgreifenden Gefahr hinzu. Das Problem der Verwelschung wird weiter nach innen, in das individuelle und kollektive Bewusstsein und Unbewusstsein der Sprecher hineinverlegt. Es findet eine Psychologisierung des Verhältnisses von Muttersprache und nationaler Identität statt» (Stukenbrock 2005a, 245).

Im Frankreich des 19. Jhs. gestaltet sich die Sprachenfrage damals weniger virulent: Die Sprachpolitik der Französischen Revolution hat den Metasprachdiskurs «in die politischen Institutionen verlagert und ihn so neben anderen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens zum Gegenstand politischen Handelns gemacht» (Settekorn 1988, 99). Der Metasprachdiskurs dieser Zeit ist zwar sowohl im Vergleich zur deutschen Sprachendiskussion als auch im Vergleich zu vorangehenden Epochen nicht weniger ideologisch gelenkt, aber weniger dynamisch. Zwar liegt das Augenmerk weiterhin auf dem Ausbau der Nationalsprache, jedoch ist in dieser Zeit «die Sprachpolitik eher ein Selbstläufer» (Schmitt 2000, 702). «[U]nter dem Direktorium und unter Bonaparte wird die Sprachpolitik viel pragmatischer» (Kremnitz 2015, 16) und das Ziel der Alleinstellung des Französischen wird zum impliziten, aber beständigen Interesse politischer Entscheidungen in Bezug auf Sprache. «La démocratisation linguistique de l’onomastique […], la francisation de la vie publique et le culte et le triomphe de la raison (aux dépens de la superstition et du fanatisme) formulée en bon français national tant dans l’intelligence et la compréhension des citoyens que dans la connaissance et l’application des sciences à émergence au XIXe siècle dans les laboratoires universitaires et la recherche industrielle dans les nouveaux centres urbains peuvent être considérées comme éléments constituants et propositions généralement acceptées dans un siècle agité et violent marqué par l’instabilité au niveau politique et social qui commence par l’Empire de Napoléon Ier (1804–1814; 1815) et finit par la Troisième République (1870–1940) adonnée, à l’intérieur de la France européenne, à l’enseignement primaire en français national uniforme et, à l’extérieur, à une politique colonialiste (en rivalité avec l’Angleterre). La devise politico-linguistique du siècle (‹une nation – une langue›) unit les différentes couches de la société, l’organisation de l’enseignement populaire dans la langue nationale figure comme intérêt principal constant et durable généralement accepté» (Schmitt 2015, 53).

Ab den 1830er Jahren liegt der Fokus v. a. auf der Offizialisierung des Französischen als Schulsprache. Im Rahmen des allgemeinen Bildungsdiskurses erhält die sprachliche Erziehung «[n]ach mehreren Zwischenschritten – v. a. der loi Guizot von 1833, der loi Falloux von 1850 und der loi Duruy von 1867 –» (Krem-

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nitz 2015, 16) ihren festen Platz; ebenso die Zurückdrängung der «Dialekte und bodenständigen Minderheitensprachen» (Schmitt 2000), die weiterhin systematisch verfolgt werden. Um bei der oben bereits kurz erwähnten Sprachensituation im Elsass und dem Beispiel des deutsch-französichen Sprachkontakts zu bleiben, so wird mit dem Ausbau des Primarschulwesens im Zuge der loi Guizot (1833) und der darin begriffenen «Französierung der Jugend» (Schmitt 1990, 361) nicht nur die Sprachenfrage als solche in diglossischen Gebieten neu gestellt, sondern auch die Frage nach geeigneten Methoden der Sprachmittlung. Hierzu schreibt Petit (1997): «Avec le développement de l’enseignement primaire (loi Guizot, 1833) et la multiplication des écoles normales francophones (Strasbourg 1810 ; Colmar et Metz 1833), la question linguistique se pose avec une acuité nouvelle. Les campagnes et les villes parlent le dialecte. La langue véhiculaire de l’école est l’al[leman]d. Le fr[ançais] est parfois enseigné comme langue vivante, mais selon les méthodes d’enseignement des langues mortes et les résultats demeurent décevants. Quand les dialectes sont exceptionnellement pris en compte par l’enseignement (à Saint-Avold par exemple), l’on planifie leur remplacement progressif par le fr[ançais]. C’est à Strasbourg qu’apparaissent les premières réflexions sur l’efficacité de la didactique des langues vivantes» (Petit 1997, 1231).

Zwar legten die o. g. Bildungsgesetze der 1830–1860er Jahre den Grundstein für den freien Schulunterricht und die Alphabetisierung des Landes, jedoch wurde eine programmatische und flächendeckende Volksbildung erst durch Jules Ferrys Reform des Schulwesens erreicht (cf. Krumeich 2008, 436). Der staatliche Ausbau des Schulwesens ist der erste Schritt in Richtung der Institutionalisierung des Metasprachdiskurses als Teil des Bildungsdiskurses i. S. «der Einrichtung einer staatlichen Institution zur allgemeinen Vermittlung des geforderten normenkonformen Verhaltens» (Settekorn 1988, 105). Mit verschiedenen Gesetzesvorlagen erwirkte Ferry zwischen 1879 und 1886 in seiner Amtszeit als Bildungs- und später Außenminister, die Einrichtung des unentgeltlichen, verpflichtenden und laizistischen Unterrichts sowie die Zulassung von Mädchen zum Schulunterricht an eigens eingerichteten Oberschulen (cf. Schmitt 2000, 703–704).237 Als «zugleich treibende Kraft der kolonialen Expansion» Frank-

237 Für Caput (1972) markieren die Reformen Jules Ferrys den epochalen Übergang in die zweite Phase der historischen Entwicklung der französischen Sprachnorm. Auf die erste Phase, in der sich die Festsetzung der Standardsprache nur auf den Bereich der gesellschaftlichen Elite beschränkt, folgt nun die Ausweitung der Normvermittlung und -diskussion auf eine breitere Öffentlichkeit, «wobei sich von Anfang an klar abzeichnete, daß die überwiegende Mehrheit die Zielnorm nie erreichen würde» (Winkelmann 1990, 346): «Concernant l’évolution historique de la notion de norme en français, il faut distinguer deux grandes étapes de durée très inégale: la première part des origines pour aboutir aux lois de Jules Ferry sur l’instruction primaire obligatoire; au cours de cette étape qui nous amène ainsi à la fin du XIXe siècle, la

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reichs (Krumeich 2008, 436) reichen Ferrys Bestrebungen, das französische Bildungswesen flächendeckend zu etablieren, auch über die Grenzen des hexagonalen Frankreich hinaus. Ferrys Vorhaben steht ebenfalls im Zusammenhang mit der 1883 in Paris um Paul Cambon gegründeten Alliance française, deren kolonialistische Sprachpflege «vouée à la ‹propagation de la langue française dans les colonies et à l’étranger›» unter dem Stichwort einer «diplomatie de la langue» (Chaubet 2004, 763) im 20. Jh. für die französische Kulturpolitik im Ausland richtungsweisend ist. Eine circulaire Jules Ferrys aus dem Jahr 1881 belegt nicht nur koloniale Expansionspläne für das französische Bildungssystem in Tunesien, sondern interessanterweise auch, dass ein Brechen mit der antiklerikalen Haltung, die sich nach dem Deutsch-Französischen Krieg in der Dritten Republik eingestellt hatte, zur Durchsetzung der französischen Sprache und Kultur im Ausland durchaus opportun erschien: «Il ne serait ni utile ni habile, pour le moment, de tenter la fondation en Tunisie, soit d’un lycée ou collège latin, faisant concurrence au collège de Mgr Lavigerie, soit d’écoles primaires supérieures laïques, les écoles confessionnelles catholiques et israélites étant en possession de la faveur publique dans un pays où l’ardeur religieuse et le prosélytisme jouent un rôle encore prépondérant. L’oeuvre vraiment politique et civilisatrice à poursuivre serait l’École française pour les Musulmans, l’École où des instituteurs arabes professeraient le français pour les Arabes [...]» (zit. nach Chaubet 2004, 766).

«Parallel zum Ausbau des Schulwesens kam es zu einer kräftigen Expansion des Schulbuchmarktes. Um die Mitte des 19. Jhs. erschienen die ersten Sprachlehrbücher, Schulgrammatiken und Wörterbücher mit landesweiter Verbreitung» (Winkelmann 1990, 345). Dem Verlagshaus von Louis Hachette, der 1835 mit dem Druck des Alphabet des écoles beauftragt wurde, gelingt «der Aufbau eines einheitlichen, auf alle Stufen schulischer Ausbildung bezogenen Systems der inhaltlich und materiell abgestimmten Produktion und Distribution von Schulbüchern» (Settekorn 1988, 113). Die Konsolidierung des französischen Sprachnormenbewusstseins wird durch eine Fülle an lexiko- und grammatikographischen Werken dieser Zeit vorangetrieben,238 die in neuem Umfang und zu großen Teilen unter der Rückbenorme ne concerne qu’une fraction restreinte de la nation; elle ne vise qu’une élite sociale, constituée par la classe dirigeante sur les plans politique, économique et idéologique, et ses animateurs culturels (les écrivains et surtout les techniciens correspondants: imprimeurs, éditeurs et enseignants). A partir de 1881 et de 1882, la gratuité de l’enseignement primaire fait pénétrer ce dernier dans toutes les couches sociales, même si son impact est plus ou moins grand selon l’environnement social des élèves; ainsi se réduit, sans toutefois disparaître, le clivage de fait entre les différentes classes sociales» (1972, 63). 238 Cf. Caput (1975, 195–213) für eine Übersicht und Klassifikation der Grammatiken und Wörterbücher des 19. Jhs.

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sinnung auf die standardsprachliche Fixierung des Französischen im 17. Jh. entstehen. Nicht nur erscheinen Wörterbücher für mehr oder weniger jeden Wissenschaftszweig (cf. Schmitt 2015, 56), auch lassen konzeptionelle Unterschiede zwischen einer stark konservatoristischen und normorientierten Sprachbetrachtung der Lexikographen auf der einen Seite und einer deskriptiven auf der anderen Seite die beginnende Grabenbildung zwischen Sprachwissenschaft und Sprachpflege erkennen. Neben der sechsten, bis heute anerkannten Auflage des Wörterbuchs der Académie française (1835), wird von Émile Littré mit dem Dictionnaire de la langue française ein Monumentalwerk geschaffen, das sich v. a. auf das klassische Französisch und den Wortschatz der großen Schriftsteller der Aufklärung stützt (cf. Schmitt 2015, 55). Das Wörterbuch, das in vier Bänden zwischen 1863 und 1872 erscheint – ein weiterer Ergänzungsband folgt 1878 – soll «den usage contemporain zur Darstellung bringen» (Winkelmann 1990, 346). Zwar übertraf Littré, der 1871 selbst zum immortel gewählt wurde, mit der Materialfülle seines historischen Definitionswörterbuches die lexikographische Arbeit der Académie française, die «1803 als zweite Klasse des Institut national wieder eingerichtet [wurde]» (Winkelmann 1990, 346); das Verlegen des zeitgenössischen schriftsprachlichen Wortschatzes in einen künstlichen historischen Rahmen, die marginale Beachtung von Texten vor dem 17. Jh. und das Fehlen einer systematischen Aufbereitungsform unterstellen jedoch das philologische Handwerk Littrés nicht nur der Anerkennung, sondern auch der Kritik gegenwärtiger Philologen: «A la fois terme d’une lente évolution méthodologique dans l’artisanat des dictionnaires et œuvre originale impliquant une version hybride du langage, le Littré témoigne par ses faiblesses mêmes – élaboration d’une pseudo-langue sous-jacente à tous les discours, depuis Malherbe jusqu’au XIXe siècle; compilation brute, chronologique, des textes antérieurs à la langue classique; plan asystématique, où critères sémantiques, fréquentiels, formels, conceptuels sont mêlés – d’une contradiction fondamentale. La langue y est vue comme réalisant un ordre rationnel – l’analogie des Anciens –, ce qui justifie une sorte de purisme logicien, et en même temps comme fondée et justifiée par l’Histoire […]. La rencontre de ces deux ordres aboutit à une conception étrange, qui semble spécifique à la France, de la fonction anthropologique qu’est le langage, conception où l’Histoire a pour mission d’assurer la pérennité d’un ordre rationnel et où la science linguistique doit utiliser des connaissances empiriques, non pour assurer des théories en cours d’élaboration, mais pour justifier une sorte d’éclectisme théorique préformé» (Rey/Duval/Siouffi 2007b, 243).

In diese Kategorie der in ihrem Aufbau traditionellen und an der «norme classique» orientierten Wörterbücher zählt auch der in der letzten Dekade des 19. Jhs. in zwei Bänden veröffentlichte Dictionnaire Général de la langue française du XVIIe siècle à nos jours von Hatzfeld/Darmesteter/Thomas (cf. Schmitt 2015, 55), der den Littré durch seine gelungene systematische Aufbereitung und philologi-

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sche Stringenz ebenso übertrifft wie in der fiktionalen Versteifung auf die «‹ordre historique›» des französischen Lexikons (Rey/Duval/Siouffi 2007c, 243). In eine deutlich andere Richtung geht der ungefähr zeitgleich zum Littré in 15 Bänden veröffentlichte Grand Dictionnaire universel du XIXe siècle von Pierre Larousse (1866–1876), «die letzte Encyclopédie aus der Feder eines einzelnen Verfassers», dessen «[…] fortlaufende Ergänzung und Aktualisierung […] als Vermittlung möglichst neuen Wissens einträglich [war]» (Settekorn 1988, 113). Die Werke Littrés und Larousses unterschieden sich nicht nur durch die unterschiedlichen Ansätze normzentrierter und enzyklopädischer Wortschatzarbeit, sondern auch durch das Lesepublikum, das sie ansprechen. Im Bereich der sprachinteressierten Öffentlichkeit zeichnet sich die im Zuge des allgemeinen Liberalismus, der Demokratisierung und der Popularisierung von Wissen voranschreitende Ausdifferenzierung der industrialisierten modernen Gesellschaft sowie die aufstrebende Bedeutung des Bürgertums ab: «Alors que le succès du dictionnaire de Littré dans la bourgeoisie libérale est dû à un semi-quiproquo portant sur l’image sociale de l’auteur (en fait, Émile s’adressait surtout à ses chers collègues), celui de Larousse reflète l’appétit de connaissances positives des classes montantes» (Rey/Duval/Siouffi 2007b, 244). In der Grammatikographie ist an erster Stelle auf die ebenfalls nach klassischen Kriterien aufgestellte Grammaire des Grammaires von Charles-Pierre Girault-Duvivier (1812) zu verweisen, die als «sorte de trésor grammatical» (Caput 1975, 197) eine Zusammenstellung der wichtigsten traditionellen Normierungsvorgaben aus grammatischen Werken der vorangehenden beiden Jahrhunderte bereitstellt und somit ein, wie Chevalier formuliert, «[t]ravail de purification qui ramène aux principes, sources de légitimité» (2007, 159). «Hinsichtlich des bon usage nahm Girault-Duvivier eine konservativ-fixierende Haltung ein […]. Er glaubte, daß der von ihm publizierte Kodex grammatikalischer Gesetzte – Girault-Duvivier war von Haus aus Jurist – der einzige Damm sei, der gegen den Sprachverfall und Innovation errichtet werden könne» (Winkelmann 1990, 345). In ähnliche Richtung gehen das puristisch ausgerichtete Genre der «dictionnaires des difficultés», zu dem z. B. der Dictionnaire raisonné des difficultés grammaticales et littéraires de la langue française von Laveaux (1818–1822) oder die Remarques sur la langue française au dix-neuvième siècle sur le style et la composition littéraire (1845) von Francis Wey zählen. Den SPRACHVERFALLSTOPOS, der sich ab dem 19. Jh. im französischen Metasprachdiksurs als zentrales Muster immer stärker durchsetzt, begründet Wey (1845) mit dem Niedergang der sprachlichen Norm durch die schädlichen Eingriffe der Port-Royalisten und v. a. mit der bisher versäumten Normalisierung der Orthographie: «Ce que jamais on ne parvint à régulariser, c’est l’orthographe. L’histoire des révolutions qu’elle a subies est curieuse, parce qu’elle constitue le résumé le plus clair, le plus pi-

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quant des fastes généraux de notre langue. Les grands hommes du siècle dix-septième, tout en usant d’un même langage, appliquaient diversement les signes orthographiques. Racine et Boileau ne s’accordaient pas sur la manière d’écrire les vocables ; Pelisson, la Fontaine, Molière la Rochefoucauld représentent quatre variétés d’orthographe distinctes» (Wey 1845, 1–2).

In der Grammatikographie bringt das 19. Jh. v. a. annalistisch angelegte Sprachlehren hervor, die allerdings in ihrem Aufbau und ihrem methodisch-didaktischen Gebrauch keine konzeptionellen Neuerungen mit sich bringen (cf. Schmitt 2015, 56). Für die Tendenz des normativen Metasprachdiskurses, d. h. seine mediale und soziale Ausweitung und insbesondere seine starke puristische Stereotypisierung entscheidend sind v. a. die journalistischen Sprachchroniken (chroniques de langage), die als neue Textsorte die sprachpflegerische Tradition des Remarques-Genre fortführen. Nachdem die Diskussion von Sprachenfragen bereits während der Revolution und auch «unter der empfindsamen Presseaufsicht der Jakobiner» als «unverfängliches Thema» in den Zeitungen und Zeitschriften eine Nische gefunden hat (cf. Kap. 3.3.5), «[ist] [d]er Erfolg dieser Textsorte seinerseits ein Reflex der Popularität des in ihr vulgarisierten Normenverstädnisses» (Osthus 2006, 1539–1540). In der zweiten Hälfte des 19. Jhs. erhalten die in Periodika veröffentlichten Sprachkolumnen, «die mit ihrem Urteil das Erscheinungsbild ihrer Sprache vornehmlich nach qualitativen und ästhetischen Gesichtspunkten zu bewerten versuchen und damit oft bewußt den Standpunkt des bloßen Beobachters verlassen», eine zunehmende Bedeutung in der sprachkritischen Praxis (Langenbacher-Liebgott 1983, 1). Bereits seit der Wende zum 19. Jh. bestehen sprachkritische Aktivitäten als Vorläufer der chroniques de langage in den Zeitungen und Gazetten (z. B. La Décade, L’Année Littéraire, Le Mercure de France), die als «sortes de moniteurs» sprachenbezogenen Fragen einen zunehmend großen Platz innerhalb der öffentlichen Meinungsbildung gewähren (cf. Brunot 1968, 725–734). Im fin-de-siècle nimmt die Presse als normverteidigende Instanz und zentraler Vertreter der sprachkritischen Orientierung des französischen Metasprachdiskurses eine neue und starke Position im öffentlichen Metasprachdiskurs ein. Ein Beispiel für die Bedeutung der nun für größere Teile der Gesellschaft zugänglichen Sprachendiskussion ist die Zeitschrift Le Courrier de Vaugelas (LCV), «journal semi-mensuel consacré à la propagation universelle de la langue française», das 1875 von der Académie française mit dem Prix Lambert ausgezeichnet wird. Das Journal «beantwortet sowohl unter der Leitung des ehemaligen Französischlehrers Eman Martin (01. 10. 1868–15. 06. 1881) als auch unter der seines Nachfolgers Edmond Johanet (15. 02. 1886–20. 12. 1887) zahlreiche in- und ausländische Leserbriefe, um über die Entwicklung des aktuellen Sprachgebrauchs zu informieren» (Görtz 1990, 50). Zwar kann die Sprachkritik

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der Zeitschrift, die zwischen 1868 und 1887 zweimal im Monat erscheint, aufgrund ihrer Inhalte zwischen der Verfechtung eines rigiden grammatischem Normbewusstseins einerseits und dem Anspruch philologischer Vermittlung andererseits verortet werden (cf. Görtz 1990, 50; Osthus 2015, 163). Die plakativen und systematischen «Rückbezüge auf normative Schriften des 17. und 18. Jahrhunderts» (Haßler/Neis 2009, 712) stehen jedoch stellvertretend für die sich immer deutlicher abzeichnende Herausbildung einer konservatoristisch-sprachpuristischen Haltung des französischen Metasprachdiskurses. Dabei zeichnet sich in einer stichprobenartigen Auswahl einiger Textpassagen zum Schlüsselwort pureté nicht nur die journalistische Aufbereitung eines dominanten Reinheitsdiskurses ab, sondern auch der Bezug auf verschiedene Dimensionen des Metasprachdiskurses, in denen Sprachberatung als Form stilistischer (cf. 172–173) und grammatischer (cf. 174) Sprachkritik verstanden wird. Letztere hat sich somit nicht nur als öffentliches Teilsystem des Metasprachdiskurses etabliert, sondern vereint in sich einzelne, miteinander verwobene Handlungsfelder, die auf den Sprachgebrauch und das Sprachbewusstsein der Sprecher Einfluss nehmen: (171)

Dernièrement, quand Paris–Journal substitua ce titre à celui de Paris tout court, qu’il avait pris d’abord, M. Francisque Magnard dit à ce sujet : « Paris a changé son titre : C’est aujourd’hui Paris–Journal. Je ne vois pas la grande utilité de ce changement. Je me montrerai plus sévère que le spirituel écrivain du Figaro ; je dirai que je regrette vivement ce changement, parce qu’il porte une atteinte de plus à la pureté de notre langue. Les expressions que je viens de citer ne sont pas françaises, leur construction insolite le prouve assez ; elles ne sont pas anglaises, car il y faudrait l’article, qu’on met dans The London Magazine, The Calcutta Gazette, etc., et nos journalistes ne le mettent point. Paris–Journal n’est donc, comme tous les autres titres analogues, qu’un double barbarisme tiré chaque jour à des milliers d’exemplaires, et, pour surcroît de malheur, écrit partout en lettres capitales. O imitation servile ! où nous conduiras-tu (LCV 01. 05. 1870, 114) ?239

(172) De la pureté du style. – Il y a deux vices principaux qui sont opposés à la pureté du style, le barbarisme et le solécisme : Il y a des barbarismes de plusieurs sortes : 1° A l’égard des articles, c’est un barbarisme d’oublier un article qu’il faut mettre, et d’en mettre quand il n’en faut point,

239 Der Quellenverweis zu den zitierten Ausgaben aus dem LCV ist im Literaturverzeichnis unter Kap. 6.1.1 aufgeführt.

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ou enfin d’en mettre un pour un autre ; les pères et mères, dites les pères et les mères ; vous êtes obligé de dire et faire, dites de dire et de faire ; […] (LCV 01. 09. 1877, 38). (173) Chifflet compte au nombre des perfections du style : 1° La congruité, que d’autres appellent pureté. Elle consiste à parler et à écrire correctement, sans faire de solécismes ou de barbarismes. Le solécisme est une grosse faute contre les règles de la syntaxe, comme du vous disiez mon teste, un beau maison. Faire un barbarisme, c’est se servir d’un mot qui n’est pas propre à la langue, comme ils disiont, ils faisiont pour ils disoient, ils faisoient ; ou employer des mots qui ne sont plus en usage, comme ains, jadis, iceluy, etc. (LCV 01. 08. 1875, 54). (174) Pour ce faire, en ce faisant, outre ce, à ce que ne s’emploient plus que par les personnes qui ne prennent aucun souci de la pureté de la langue (LCV 15. 08. 1877, 30). V. a. aber belegen die Beispiele (171)–(174), wie den Lesern durch ständige und eindringliche Wiederholung die Prinzipien sprachlicher Reinheit «eingebläut» werden. Fast in jeder Ausgabe des LCV stößt der Leser auf die mehr oder weniger gleichlautende Paraphrasierung der Dichotomie «pureté» vs. «barbarisme». Damit werden nicht nur die formalen Bestimmungskriterien der dialektischen Sprachgebrauchsmuster puristischer Sprachideologien aus dem klassischen Normendiskurs aufgegriffen, die sowohl die sprachliche Ebene des grammatisch und stilistisch motivierten «dire ne pas dire»-Antagonismus erfüllen als auch die soziale Gegenüberstellung, entweder in Form abstrakter konzeptueller Polarisierung als «Wir» vs. die «Anderen»240 oder in Form eines konkreten diastratischen Antagonismus.241 Ebenso werden die Konzepte «Barbarismus» und «Soloecismus», die vitia der schlechten Rede und Kriterien der antiken Sprachkritik, nun als Gegensätze der kultivierten «pureté du style» (cf. 172) und Grundlage grammatischer und stilistischer Normvorgaben ins Feld geführt. Bei der Definition beider Kriterien handelt es sich in (172) um eine fast wortgetreue Übersetzung aus den Rhetorica ad Herennium (Rhet. Her. IV, 17) und somit um die erneute Wiederaufnahme sprachtheoretischer Leitgedanken, die bereits im Barbarentops des 16. Jhs. aufgegriffen und reideologisiert wurden (cf. Kap. 3.3.3).

240 Cf. (171): «la pureté de notre langue» vs. (174): «les personnes qui ne prennent aucun souci de la pureté de la langue». 241 Cf. (175): «à la cour et dans la capitale» vs. «le bas peuple de Paris et parmi quelques «honnêtes gens» de province».

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Noch eindrücklicher wird die Illustration des SPRACHVERFALLSTOPOS im folgenden Textauszug dargeboten. Nicht nur sind die Argumentation und «[d]ie strittigen Punkte von ihrer Natur her durchaus mit Vaugelas’ Remarques vergleichbar» (Görtz 1990, 50), sondern das sprachpuristische Programm des «bon usage» als weiterhin einzig wahre Gebrauchsnorm des Französischen wird vom Verfasser als Anachronismus in den sprachenbezogenen Diskurs des ausgehenden 19. Jhs. versetzt: (175) Comme dans chaque nation il y a deux sortes de personnes, les unes grossières et ignorantes, qui négligent et altèrent les expressions ; les autres instruites et polies, qui cultivent l’art de la parole, toutes les langues se trouvent ou dans un état de corruption ou dans un état de pureté. Celui-ci retient en propre le nom d’usage, décide ses doutes, fait l’essence des langues vivantes, et en renferme toutes les règles, qu’il n’est pont permis d’apprendre d’un autre maître, parce qu’il n’en est point de plus sûr ni de plus docte en cette matière que celui qui les a faites. Chez les peuples unis sous une même domination, l’usage de la langue suit celui de la politique : il est unique et dépend toujours de la portion dominante, il s’apprend à la cour et dans la capitale. Lorsque la nation se trouve partagée en plusieurs petits peuples formant divers états souverains, il peut s’introduire des variétés de la langue commune. Ces variétés font que l’usage n’est pas, comme parmi nous, simplement distingué un bon et un mauvais, mais qu’il est divisé en plusieurs branches qui sont ce qu’on appelle dialectes. Quant à l’état de corruption où se trouvent les langues, il y a deux degrés. L’un, qui ne vient que du défaut d’éducation ou du manque d’attention au bon usage ; tel est l’état de notre langue dans le bas peuple de Paris et parmi quelques « honnêtes gens » de province qui n’ont été ni à Paris ni à la cour. L’autre degré de corruption vient du mélange de l’ancienne avec la nouvelle façon de parler, ce qui forme chez le paysan, dans les provinces éloignées du centre de la domination, divers langages particuliers qu’on nomme patois, dont la connaissance peut servir à pénétrer dans l’origine des langues et des peuples, tels sont le bas-breton, l’auvergnat, le provençal (LCV 15. 08. 1880, 46). Der Hof und die Stadt werden auf einer fiktiven Ebene trotz geänderter politischer Verhältnisse als Zentren sprachlicher Norm perpetuiert und der Sprachentwicklung soll durch die Meidung sprachlicher Innovationen, die realiter bestehen und als Ursache sprachlicher Korruption stigmatisiert werden, Einhalt

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geboten werden.242 Die metasprachliche Festsetzung eines Sprachideals weit ab von der sprachlichen und soziopolitischen Realität zeugt in Frankreich – anders als in Deutschland – von der Psychologisierung einer historischen Sprachfiktion, die angesichts der ihr eigenen irrationalen Versessenheit auf die Konservierung eines imaginierten Sprachzustands hier durchaus den Status «exception» verdient. Wo in Deutschland die intensive Bindung zwischen Muttersprache und Nation gerade durch synchrone Aspekte bestärkt wird, indem «[m]it der Erfahrung der französischen Fremdherrschaft und den Befreiungskriegen […] das 19. Jahrhundert durch Ereignisse eingeläutet [wird], die den deutschen Sprachnationalismus befeuern und radikalisieren» (Stukenbrock 2005a, 241), verharrt die französische Sprachreflexion in diachronen Mustern. Bei einer kontextfreien Betrachtung von Beleg (175), der entgegen der voranschreitenden Demokratisierung der Gesellschaft ein klassizistisch-elitäres Diskursmodell propagiert (cf. Kap. 2.1.3), lässt nur die pejorative Haltung gegenüber den «dialectes» und «patois», die im Metasprachdiskurs des siècle classique nicht im Vordergrund stand, eine Einordnung des Textes im 19. Jh. zu. Somit ist Cellard (1983) zuzustimmen, wenn er in Bezug auf die konsequente Wiederholung bestimmter Themen und Objekte der Sprachbetrachtung von einer später durch die Sprachchroniken intensiv betriebenen «fossilisation du genre» (1983, 161) spricht, die an dieser Stelle aus sprachlicher Perspektive die Unsicherheit eines vergangenheitsbehafteten Frankreich bei der Bestimmung seiner nationalen Identität begreiflich macht. Wie für den deutschen Metasprachdiskurs bereits gezeigt wurde (cf. Kap. 3.2.4), «[bedeuten] Demokratisierung und Gemeinschaftsvorstellung […]», die sich als Epochenmerkmale seit dem ausgehenden 18. und im 19. Jh. manifestieren und gerade im medialen Diskurs Ausdruck finden, «nicht automatisch einen liberalen Umgang mit dem Fremden» (Stukenbrock 2005a, 239). Im Streben nach alter oder neuer nationaler Größe innerhalb Europas schlägt sich der politische Liberalismus weder in Frankreich noch in Deutschland in Form eines Sprachliberalismus nieder. In den Metasprachdiskursen beider Länder besteht, sowohl aufgrund individueller Entwicklungen als auch aufgrund der sprachhistorischen oder hegemonialen Konfrontation der eigenen Kultur und Sprache mit anderen Sprachen und Kulturen im eigenen Land, mit der des direkten Nachbarn oder der anderer europäischer Nationen, keine Kongruenz zwischen den Leitprinzipien des allgemeinen soziopolitischen Wandels und sprachenbezogenen Ideologien und Einstellungen.

242 Cf. (175): «L’autre degré de corruption vient du mélange de l’ancienne avec la nouvelle façon de parler».

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Aus der oben aufgezeigten sprachideologischen Kontinuität zwischen der linguistischen Kasuistik der remarqueurs und dem normativen Sprachjournalismus des 19. Jhs. (cf. Görtz 1990, 50; Osthus 2015, 163) entwickelt sich gegen Ende des Jhs. ein eigenes Genre öffentlichkeitszugewandter Sprachkritik, das entscheidend dazu beiträgt, dass die immer stärker zu Tage tretende Sprachverfallstheorie durch Beiträge wie Émile Deschanels Buch Les déformations de la langue française (1898) «gerade im fin Fin-de-Siècle eine besondere Aktualität für sich beanspruchen durfte» (Schmitt 2000, 706). Deschanel, der seinen eigenen Überlegungen zur ʻEntstellung des Französischenʼ den berühmten Satz aus Sainte-Beuves Literaturkritik und gleichzeitiger Eloge auf Vaugelas voranstellt – «On aime en France la casuistique du langage» (Sainte-Beuve 1866, 393) –, lässt an der traditionsgebundenen Fortführung einer normorientierten Sprachbewertung ebenso wenig Zweifel (cf. 176) wie an einem neuen Sprachbewusstsein, das dezidiert von der deskriptiven Sprachbetrachtung der Philologien Abstand nehmen möchte (cf. 177). (176) Les transformations incessantes sont la vie même du langage. Tant qu’une langue est vivante, elle représente à chaque instant les idées, les sentiments, les instincts, les tendances du peuple qui la parle. Mais, si elle se modifie sans cesse, ce n’est pas toujours en bien. Comme c’est tout le monde qui fait le langage, il y a dans cette fabrication non contrôlée bien des hasards. La langue française, si belle, va se corrompant. Dès le siècle même où elle atteignait à sa maturité et à son plus haut point de perfection, elle ne laissait pas de subir déjà quelques altérations causées par l’inadvertance. Même dans la force de la jeunesse, il est rare qu’on soit toujours en pleine santé. Mais, à présent que l’âge mûr est dépassé, nous sommes dans la crise redoutable (Deschanel 1898, 5–6). (177) De savants philologues acceptent tout, sans protester. Ils sont comme les naturalistes, aux yeux de qui les produits hybrides ont leur intérêt aussi bien que les formations régulières. Ou bien, de même que certaines plaies, atroces pour le patient, ne manquent pas d’attrait pour le chirurgien, certains cas de difformité linguistique, monstrueux aux yeux des profanes, n’émeuvent pas autrement ces savants maîtres. La curiosité du linguiste, d’autant plus aiguisée, n’est pas loin de consoler les regrets du philologue (Deschanel 1898, 7). Der Rückgriff auf historisch etablierte Sprachgebrauchsmuster, wie die metaphorische Darstellung von SPRACHE ALS ORGANISMUS, gezeichnet durch Alter243 oder Krankheit,244 dient nicht nur der kognitiven Verbildlichung des Kri243 Cf. (176): atteignait sa maturité, force de la jeunesse, l’âge mûr. 244 Cf. (176): en pleine santé; (177): difformité, patient, chirurgien.

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senzustands (cf. Schmitt 2015, 57), sondern auch als Antwort auf die Frage nach der Schuld an diesem Zustand, die Deschanel den Philologen zuspricht und deren Zurückhaltung bei der Normalisierung sprachlicher Veränderungen. Um diese Position zu stützen und um sprachliche Veränderungen als widernatürliche Unförmigkeit erscheinen zu lassen, greift der Autor auf in seinen Augen «laienhafte» Konzeptualisierungen des Sprachzustands zurück. Ausgehend von diesem Laienbegriff (cf. 177) können zwei Phänomene des öffentlichen Metasprachdiskurses in Vorausschau auf Überlegungen zur Laienlinguistik im Spannungsfeld zwischen Linguistik und Sprachpflege konturiert werden (cf. Kap. 3.3.7): Zum einen signalisiert der Begriffs profane an sich den fortschreitenden gesellschaftlichen Wandel und die Ausdifferenzierung verschiedener Typen von Wissen im 19. Jh. sowie die damit voranschreitende Granulierung des öffentlichen Metasprachdiskurses; zum anderen zeigt die argumentative Verwendung des Begriffs, wie sich das Konzept des «Laien» als sprachideologische Konstruktion öffentlicher Diskurse zum Gegenstand der reziproken Abgrenzung zwischen bewertenden und beschreibenden Positionen in Bezug auf Sprache etabliert hat.245 Wenn man den Begriff profane in Deschanels Sprachkritik zunächst also unabhängig von seiner persuasiven Verwendung reflektiert, dann gibt die Formulierung Aufschluss über die zwischen verschiedenen Gruppen der Sprachendiskussion divergierende Wahrnehmung des Sprachzustands. Die Laien nehmen in dieser sozialen Strukturierung des Diskurses die Rolle des Akteurs ein, dessen Konzeptualisierung von Sprache durch Affekte geleitet wird (cf. 177: «monstrueux aux yeux des profanes»).246 Sie entsprechen der Kategorie des zu Beginn der Arbeit erwähnten «Normalbürgers», ihre Wahrnehmung dem «Gefühl des Sprachverfalls, das nicht trügt» und der Angst vor dem «Verlust» der

245 Cf. hierzu Kap. 3.3.7. 246 In Anlehnung an die Terminologie der Wahrnehmungsdialektologie unterscheidet Cuonz (2014) bei der Kategorisierung der Wissensbestände von Laien zwischen «Perzepten», d. h. «[s]prachliche[n] Merkmale[n], die Menschen bei sich selbst oder bei anderen SprecherInnen wahrnehmen und die sie potenziell der Konstruktion von mentalen Modellen zuführen können», «Konzeptualisierungen», d. h. «metonymische[n], metaphorische[n] und propositionale[n] kognitive[n] Strukturen, Kategorisierungen von Elementen der realen oder vorgestellten Welt» und «Ideologien» bzw. «kulturellen Modelle[n]», d. h. «Einstellungen und Überzeugungen zu kausalen, finalen und ästhetischen Zusammenhängen» (2014, 26–27). Die vorliegende Arbeit wählt den Zugang zu Wissensbeständen des Typs Sprachideologien und Spracheinstellungen auf der Ebene der «Metalanguage 3», d. h. der impliziten metasprachlichen Handlungsmuster (cf. Abb. 8), über die Ebene expliziter sprachlicher Konzeptualisierungen. Perzepte, auch wenn sie bei den Sprechern als Auslöser von Konzeptualisierungen stets mitzudenken sind, werden in der Untersuchung ausgeklammert, da konkrete Perzeptionsvorgänge nicht beobachtbar oder rekonstruierbar sind.

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Sprache (cf. Kap. 2, Welt, 22. 03. 2013). Den Laien gegenübergestellt sind die «savants philologues», deren Faszination» für sprachliche Veränderungen von den anderen Akteuren als ʻProtestlosigkeitʼ empfunden wird (177). Diese Grenzziehung innerhalb des Diskurses zeigt, dass sich unterschiedliche Wissensbestände in der Entwicklung des Metasprachdiskurses zu Delimitationsfaktoren der involvierten Gruppen entwickelt haben und in dieser Funktion auch eindeutig als kultur- und sprachenübergreifendes Phänomen zu verstehen sind. Die Einteilung der über Sprache urteilenden Öffentlichkeit in «Sprachwissenschaftler» («philologues») und «Laien» («profanes») ist aber auch Teil Deschanels persuasiver Strategie als Nicht-Laie und Nicht-Wissenschaftler. Aus diskurslinguistischer Sicht ist die differenzierte Darstellung der «metasprachlichen Öffentlichkeit» Teil der konstruierten Faktizität des KRISENTOPOS, die eng an das sprachbezogene Handeln verschiedener Akteure gebunden wird und deren diskursive Rollen als Indizes eines bestimmten Sprachbewusstseins figurieren.247 Dabei geht es darum, die Faktizität des Sprachverfalls als Folge der von Philologen verharmlosten Krise des Französischen öffentlich geltend zu machen – eine Strategie, die heute in kaum abgewandelter Form sowohl im französischen als auch im deutschen Metasprachdiskurs zum Einsatz kommt, wie spätere Belege zeigen (cf. Kap. 3.3.7). Damit in Verbindung steht wiederum die für Puristen typische Selbstlegitimierung der eigenen sprachnormativen Position durch Abwertung einer opponierten Position («philologues»), die auf der Argumentationsebene des Textes als TOPOS DER URSACHE verfährt, d. h. nach dem Muster Wenn eine bestimmte Ursache vorliegt, tritt eine damit gekoppelte Wirkung auf. «Aus der […] zugeschriebenen Ursache und aus ihrer negativen Bewertung folgt der Kausalrelation gemäß als Wirkung» (Römer 2017, 324) der Zustand des Sprachverfalls und der Sprachkrise (Wenn die Wissenschaft gleichgültig mit sprachlichen Veränderungen umgeht, dann droht dem Französischen der sprachliche Verfall. Oder umgekehrt zur Darstellung der Handlungskonsequenz: Weil die Wissenschaft gleichgültig mit Sprache umgeht, müssen andere sich um die Sprache kümmern, damit diese vor dem sprachlichen Verfall bewahrt wird). Der Laienbegriff wird innerhalb dieses Ursache-Wirkung-Schemas als Schlussregel eingesetzt: Die Konzeptualisierung von Sprache durch «Laien» dient als Garant des SPRACHVERFALLSTOPOS und die «Laien» selbst erfüllen durch ihre Denotation als abstrakte Menge die Funktion eines Strohmannarguments (Macagno/Walton 2018), das vom Rezipienten nicht überprüfbar ist. Analog zum argumentativen Vorgehen im Vorwort der Remarques248 oder der

247 Zur Indexikalisierung als Teil sprachideologischer Positionierungen cf. Kap. 4.1.2. 248 Cf. Kap. 3.3.4, (131)–(137).

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Selbstinszenierung Domergues im JLF249 steht am Ende der Konklusion – ähnlich der Richterrolle Vaugelas’ über den «bon usage» oder Domergues über den «bon goût» – die Legitimation Deschanels eigener Rolle als im Auftrag des sprachlichen Wohls Handelnder, der weder «profane» noch «maître savant» ist. Wie anhand der Auszüge aus Deschanels Les déformations de la langue française veranschaulicht werden konnte, wird sprachlichen «Laien» in verschiedenen Tendenzen von Metasprachdiskursen eine bestimmte diskursive Rolle zugeschrieben. Diese Rolle hängt vom argumentativen Standpunkt der sprachlich handelnden Akteure ab, dient aber stets der Abgrenzung von «eigenen» Positionen: So treten Laien einerseits in bewertenden und puristischen Diskursen als unkundige Menge der Sprechergemeinschaft auf, um die sprachideologischen Positionen von Sprachpflege zu legitimieren. Andererseits werden ebenso in der Linguistik sprachliche Laien oft als Kollektiv nichtwissenschaftlicher Sprachbetrachtung verallgemeinert, wobei ihre Spracheinstellungen nicht immer differenzierten Beschreibungen unterliegen. Der folgende Exkurs versteht sich vor diesem Hintergrund als kritische Diskussion der begrifflichen und konzeptuellen Tragfähigkeit des Paradigmas Laienlinguistik als komplexe Schnittstelle «metasprachlicher Öffentlichkeiten».

3.3.7 Exkurs: Laienlinguistik als diskursives Spannungsfeld Ein Fach, das sich nicht an den Fragen und Bedürfnissen einer außerfachlichen Öffentlichkeit orientiert, läuft Gefahr, nur noch Fragen zu beantworten und Bedürfnisse zu erfüllen, die aus dem Fach selbst kommen. (Ortner/Sitta 2003, 11–12)

Analog zu den Motiven Deschanels bestehen auch bei der Verwendung des Laienbegriffs seitens der Linguistik utilitaristische Gründe: So sind es die Verfasser der sprachpuristischen chroniques de langage – in deren zeitlicher und sprachideologischer Nähe sich Werke wie Deschanels Déformations de la langue française bewegen (cf. z. B. Osthus 2006; 2015) – oder Diskussionen über Sprache in den Kommunikationsarenen des Internets (cf. z. B. Hardy/Herling/Patzelt 2015), die von Wissenschaftlern oft unter dem Etikett «Laienlinguistik» subsumiert werden.250 Dabei wird der Begriff des «Laienlinguisten» von Linguisten 249 Cf. Kap. 3.3.5, (165). 250 Die Sprachchroniken entwickeln sich nach dem Tolerenzerlass (1901) im Metasprachdiksurs des 20. Jhs. und insbesondere in den 1930er Jahren zu «regelrechte[n] Institutionen» (Langenbacher-Liebgott 1983, 2) und Bastionen der Sprachverteidigung: «Diffusées sur une base régulière – d’abord essentiellement dans la presse écrite, ensuite aussi dans les médias électro-

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zur Abgrenzung sprachwissenschaftlicher von sprachideologischen Positionen verwendet oder als Sammelbegriff für metasprachliche Aktivitäten, die weder der einen noch der anderen Gruppe oder auch beiden zugeordnet werden können. «Laienlinguistik» als «Konzentration auf die […] nicht primär wissenschaftliche Sprachbetrachtung» ist folglich eine terminologische und methodische Hilfskonstruktion, deren Grenzen sich die Linguistik durchaus bewusst ist, wenn sie wie Osthus darauf hinweist, dass «in Einzelfällen eine präzise Kategorisierung problematisch bleiben kann» (2006, 1533; cf. auch Antos 1996, 265– 268).251 Das Problem der Vagheit des Laienbegriffs in seiner sprachwissenschaftlichen Auslegung rührt somit aus einer doppelten Angrenzungsfunktion, d. h. sowohl aus der antonymischen Auffassung von «Laie» und «Experte» als auch aus dem bisweilen synonymischen Verständnis von «Sprachlaie» und «Sprachpurist». Letzteres geht auch auf eine teilweise seitens der Linguistik hergestellte Nähe zwischen Sprachkritik, Sprachpurismus und Laienlinguistik zurück, die in der germanistischen Linguistik bisher stärker durchbrochen wurde als in der romanistischen Forschungstradition: «Obwohl sich in praktischer Hinsicht die Haltungen vieler Linguisten zu einer Sprachkritik verändert haben mag, eine theoretische Überbrückung ist bis heute nicht gelungen. Dies hat Auswirkungen für die Laien-Linguistik: Zeitungs-, insbesondere Feuilletonartikel, die eine Formulierungskritik enthalten, können […] aus Sicht der Sprachwissenschaft nur als privatistische Meinungsäußerung aufgefaßt und damit abgetan werden. Damit verwandt ist ein klassisches Phänomen der Laien-Linguistik: Der Streit um Fremdwörter! Obwohl viele Stilpäpste durchaus differenziert argumentieren […], galt und gilt teilwiese der Sprachpurismus als charakteristisch für die Volks- und Laien-Linguistik» (Antos 1996, 296–297).

niques – ces textes jouent un rôle important dans la construction de l’imaginaire linguistique de la communauté au sein de laquelle ils sont diffusés. Les chroniques de langage contiennent des commentaires et des jugements à propos des usages que les locuteurs font de leur langue, plus particulièrement encore à propos des bons et des mauvais usages, notamment dans le but de les modifier. Même si les usages observés par les chroniqueurs peuvent être de nature diverse, ce sont les emplois lexicaux qui reviennent le plus souvent […]. Dans la mesure où les chroniqueurs abordent généralement des faits de langue qui, à des degrés divers, font difficulté à ceux qui veulent se conformer au bon usage de la langue, les chroniques de langage sont étroitement liées au discours normatif […]. Par ailleurs, à travers la description et l’évaluation qu’ils proposent des usages commentés, le discours des chroniqueurs rend compte de leur conception de la langue, c’est-à-dire de leurs représentations linguistiques […]. Les chroniques constituent donc un discours métalinguistique et épilinguistique original qui relève d’un genre particulier» (Remysen 2009, 1–2). Zur Tradition und Bedeutung der Sprachchroniken im frankophonen Raum cf. u. a. Cohen (1967); Quemada (1970–1972); Clas (1975–1976); Cellard (1983). 251 Zur Problematik der Anwendung des Begriffs in der empirischen Praxis cf. Cuonz (2014, 13).

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Vor dieser Folie wird der konzeptuelle Gegensatz «Laie» vs. «Experte», auch wenn er mit einem heuristischen Ansatz rechtfertigt werden kann, seit längerer Zeit kritisch diskutiert (cf. Brunner/Husson/Neusius 2018; Osthus 2018). Dabei geht es v. a. darum, dass dualistische Auffassungen der Realität zur Beschreibung gegenwärtiger Diskurse als soziale und kriteriale Konzepte angesichts der modernen massenmedialen Konstitution und Distribution von Wissen nur noch unzureichend bzw. nicht mehr operationalisierbar sind (cf. Kap. 2.2.1– 2.2.2). In diesem Kontext sind Vorschläge zur Skalierung der Wissensstufen zu verorten (cf. Stegu 2008a; Paveau 2008; Wilton/Stegu 2011; Cuonz 2014; Osthus 2018), die der Tatsache gerecht werden wollen, dass die Sprachwissenschaft nur schwer und auch nur schwer objektiv feststellen kann, was der sog. «Laienlinguist» weiß oder nicht weiß bzw. was er von seinem Wissen preisgibt. «The constructionist aspect of the folk view vs. science-discussion can also be illustrated by the fact that it is by no way immediately evident whether certain views are to be classed as ‹folk› or as ‹scientific› merely by looking at their form or structure independently of the content expressed and equally, whether laypeople only and automatically hold folk views and scientists only scientifically grounded views. Instead, it is more likely that the subject matter as well as the social construction of roles determine whether we are dealing with folk or the scientific category or – very often – a hybrid form of something in between» (Wilton/Stegu 2011, 2–3).

Daneben bestehen auch aktuellere Überlegungen zu einer gänzlichen Auflösung der Dichotomie und Entgrenzung der Linguistik im Rahmen eines ökologischen Ansatzes, z. B. in Form einer von Paveau als «postlinguistique» bezeichneten Sprachwissenschaft jenseits dichotomer Strukturen (2018): «Le renouvellement des études portant sur la linguistique populaire par la prise en compte des points de vue des locuteurs/trices et de leurs expériences de vie s’inscrit dans un vaste mouvement de décentrement qui innerve actuellement les sciences humaines et sociales. La remise en question des grands dualismes fondateurs, les questionnements des approches postcoloniales et les épistémologies militantes permettent des approches postdualistes mobilisables en linguistique. L’intégration des métadiscours des gens ordinaires au programme de la linguistique la mène vers une dimension écologique que l’on peut qualifier de postlinguistique» (Paveau 2018, 104).

Was die terminologische Gleichsetzung von «Laie» und «Sprachpurist» anbelangt, so stellt sich die Frage nach einer Präzisierung dieser Positionen jedoch nicht nur für den aktuellen, sondern auch rückblickend für den historischen Kontext der öffentlichen Sprachbetrachtung: Wenn man die «Klagen über den drohenden Sprachverfall», die bereits «[…] in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts überliefert [sind]» (Winkelmann 1990, 347), an Beispielen normativer Sprachchroniken von Literaturkritikern wie André Thérive oder André Moufflet

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festmacht, die eine regelrechte «hantise d’une ‹crise du français›» (Caput 1975, 185) provozieren, oder an der von Abel Hermant im Auftrag der Académie française verfassten Grammatik (1932), die Brunot als durch und durch fehlerhaftes Kompendium begutachtet (cf. 1932, 7), dann ist eine aufklärende sprachwissenschaftliche Sprachkritik an den inhaltlichen Mängeln solcher sprachideologischen Texte mehr als berechtigt. Ob «Laienlinguistik» jedoch zur Beschreibung dieser Tendenzen ein passender Begriff ist, ist dennoch zu bezweifeln, v. a. wenn man bedenkt, dass es sich bei zahlreichen historischen Wegbereitern des Sprachpurismus um Personen handelt, die über eine sprachwissenschaftliche Ausbildung, Sprachkompetenz und ein hohes Sprachbewusstsein verfügen, auch wenn ihr sprachliches Handeln keinen wissenschaftlichen Methoden und Gütekriterien entspricht. Ebenso argumentiert Osthus (2018) in Bezug auf die Sprachchroniken, wenn er sagt: «Le statut ambigu des chroniques de langage, entre vulgarisation scientifique et purisme, d’une part, et la normativité potentielle du discours linguistique à caractère scientifique d’autre part […], pose un problème heuristique pour la distinction entre description et prescription» (2018, 25). Die mit dem 19. Jh. rapide voranschreitende Entgrenzung der Öffentlichkeit bis hin zu ihrer Digitalisierung heutzutage (cf. Kap. 2.2), nicht nur i. S. der Partizipation an, sondern auch der immensen Produktion von Wissen, stellt den Laien- und Expertenbegriff der öffentlichen Sprachbetrachtung (immer wieder) neu in Frage: «So genannte Sprachexperten haben kein Monopol auf die Beobachtung, Analyse und Beurteilung von Sprache. Denn reflektiertes Interesse an Wissen und Erkenntnisse über Sprache und Kommunikation samt deren Vermittlung […] ist ein fast ubiquitäres gesellschaftliches Phänomen (Bock/Antos 2019, 69). Was den Umgang mit dem Begriff «Laienlinguistik» in der deutschsprachigen Forschungslandschaft anbelangt, ist zusammenfassend Lebsanft zuzustimmen, wenn er feststellt, dass dieser im direkten Zusammenhang mit dem belasteten Image von Sprachpflege und Sprachkritik «eher negativ verwendet [wird]» (Lebsanft 1997, 47). Angesicht der seit dieser Feststellung in der germanistischen Linguistik vorangetriebenen Öffentlichkeitsforschung muss diese Einschätzung jedoch heute auf die romanistische Linguistik verengt werden. Dort steht der Gebrauch des Begriffs häufig im Gegensatz zu seiner originären Interpretation in der amerikanischen Soziolinguistik, wo Hoenigswalds Plädoyer (1966) für die Integration der Sprachauffassungen von Laien zugunsten eines sprachwissenschaftlichen Erkenntnisgewinns spätestens mit dem bahnbrechenden Programm der «Folk Linguistics» in die Praxis umgesetzt wurde (cf. Niedzielski/Preston 2003). Im deutschsprachigen Forschungsraum hat sich ein zunehmender Einbezug des laienlinguistischen Paradigmas v. a. mit der germa-

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nistischen Habilitationsschrift von Antos (1996) durchgesetzt, der ausgehend von der «kopfschüttelnde[n], oft harschen[n] und polemische[n] Kritik der Öffentlichkeit an der Norm-Abstinenz der Linguistik», der «Laien-Linguistik» i. S. «eine[r] Sprach- und Kommunikationsbetrachtung für Laien und häufig genug auch eine, die von Laien betrieben wird», eine entscheidende Bedeutung als «alltagsweltlich orientierte Sprachthematisierung in praktischer Absicht» zuspricht (1996, 25). Um hier zunächst die Betrachtungen des 19. Jhs. abzuschließen, so wird der historische Kult der normativen Grammatik, von dem Chevalier sagt, er habe die synchrone Grammatikforschung in Frankreich für mehr als 50 Jahre eliminiert (cf. 2007, 159), durch einen weiteren Faktor entscheidend geprägt, der sich auch im Courrier de Vaugelas schon zaghaft andeutet (cf. 171): Der seit der Aufklärung bestehende Kulturkontakt mit England, der sich im 19. Jh. durch die von dort ausgehende industrielle Revolution verstärkt, provoziert durch die aufstrebenden «Technologien und Wissenschaften, aber auch aus der Vorbildfunktion bestimmter lebensweltlicher Konzepte und Moden» (Braselmann 2008, 211) eine Versteifung des internen französischen «Konflikt[s] zwischen der klassischen Norm und der aktuellen Realität» (Braselmann 1999, 5). Mit dieser «immer größer werdenden Diskrepanz zwischen sprachnormativem Sollzustand und alltagssprachlichem Istzustand» (Winkelmann 1990, 346) verfestigt sich der Krisendiskurs in Bezug auf das Französische um die Wende zum 20. Jh. auf virulente Art und Weise und dauert als «schwelende[r] Dauerkonflikt», «mit Unterbrechungen bis in unsere Tage an […]». Dabei hebt Trabant (2008) hervor, dass in einer ersten Phase der «crise du français» zunächst der innere Sprachkonflikt eine größere Rolle spielt als die Fokussierung der Bedrohung von außen. Dabei geht es «[…] um die innere Erschütterung des Diasystems selbst, d.h die Tatsache, daß die gute alte Norm der höheren Pariser Stände (bon usage) nicht mehr das unumstrittene sprachliche Modell für die Literatur und andere öffentliche Erscheinungsformen ist (und alle anderen Varietäten des Französischen nur negativ konnotierte ‹Abweichungen› davon sind). In die Literatur finden zunehmend sozial niedrigere, gesprochene (‹nähesprachliche›) und Nicht-Pariser Varietäten oder Momente dieser Varietäten Eingang. In der modernen Welt spielen außerdem Fachsprachen eine große Rolle, die traditionellerweise als ‹pedantisch› aus dem bon usage ausgeschlossen waren. Die höheren Stände selbst öffnen ihre Sprache für unterschiedliche Varietäten, so daß der zu Beginn des Jahrhunderts als ‹krisenhaft› erlebte Rückgriff auf andere diastratische, diaphasische und diatopische Varietäten inzwischen durchaus als eine Bereicherung der Ausdrucksmöglichkeiten betrachtet wird» (2008, 139).

Der von Wey (1845) bereits in der Mitte des 19. Jhs. bemängelte Zustand der französischen Orthographie entwickelt sich zum Hauptaugenmerk dieser

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Sprachverfallsdebatte, dem Catach den Zustand kriegsähnlicher Sozialkämpfe attestiert (cf. 1985, 237). Mit den vom damaligen Erziehungsminister Georges Leygues erlassenen Arrêté du 26 février 1901 sur les tolérances grammaticales kommt es nicht nur zu einem staatlichen, sondern auch zum ersten Mal zu einem sprachnormativen Eingriff des Staates, der weder neue Normen schafft noch alte abschafft, sondern durchsetzen möchte, dass mittlerweile übliche Sprachgebrauchsformen in Prüfungen nicht als Fehler gewertet werden (cf. Schmitt 2000, 705). Jedoch kommt es aufgrund des entschiedenen Widerstands normverfechtender Gruppen wie der Akademie, den Druckern, Lehrern und Universitäten nicht zur Anwendung und somit Durchsetzung des Toleranzerlasses. «Eine historische Chance, die französische Standardsprache vom normativen Ballast der vergangenen Jahrhunderte zu befreien und den Abstand zwischen geschriebener und gesprochener Sprache zu verringern, war somit vertan» (Winkelmann 1990, 347). An diesem ersten Höhepunkt der «crise du français», auf den im 20. Jh. weitere, v. a. im Zuge der Anglizismendebatte folgen werden, ist erkennbar, welche komplexe Gestalt der französische Metasprachdiskurs angenommen hat. Wie das folgende Zitat des Historikers Caron aus dem Jahr 1911 belegt, steht die französische Sprache nun zunehmend ganz im Urteil der Öffentlichkeit, ihrer verschiedenen Akteure und deren politischer und ideologischer Orientierung. Das Sprechen über Sprache wird zum Diskurs der modernen und medialisierten Gesellschaft, die diskursiven Schnittstellen zu anderen sozialen Domänen zunehmend durchlässig (cf. Kap. 2.2.2, Abb. 2). Dennoch bestehen alte Einstellungen und Muster in Bezug auf Sprache fort und ihre historische Institutionalisierung setzt sich weiter gegen innere und äußere liberale Tendenzen durch. Dabei erhält das eingangs von Kap. 3.3.6 zitierte Lob Albert Salons auf die nationale Größe und Durchsetzungskraft der Deutschen und ihre Sprache im 19. Jh. eine ganz andere Note, wenn der Zeitzeuge Caron, der zwar sicher ist, dass auch ihn das «Gefühl des Sprachverfalls nicht trügt», für die Krise des Französischen nicht wie Deschanel die Linguisten (cf. 177), sondern die «Verwissenschaftlichung» von Sprache in Form einer «culture indigeste à l’allemande» verantwortlich macht. «Les crises abondent, cette année. Nous avons ‹une crise de l’histoire révolutionnaire›, – qui en fin de compte se réduit à assez peu de chose. Nous avons aussi une ‹crise du français›, qui fait couler beaucoup d’encre depuis plusieurs mois, et dont il n’est pas inutile que nous disions ici quelques mots. Il parait que le niveau de la culture générale est en baisse sensible, que les jeunes gens formés par l’enseignement public sont de moins en moins aptes à classer leurs idées, peut-être à en avoir, et en tout cas à les exprimer. On écrit de plus en plus mal. Le goût de la forme se perd; on ne respecte même plus la simple correction. Une culture indigeste, à l’allemande, envahit tout. On ne parle plus que de méthode, fiches, appareil critique, séminaires, laboratoires; on se perd en

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controverses pédantes, sans intérêt et sans utilité. Et, de tant de méfaits, on rend responsables les Universités, surtout l’Université de Paris, où, dit-on, ‹l’esprit chartiste›, avec tout ce qu’il contient de mesquin et de stérile, s’est installé et règne en maître. Est-il exact que la langue française soit actuellement soumise à un sabotage chaque jour plus audacieux? C’est possible, quoique, véritablement, cette assertion semble fondée plutôt sur des impressions vagues que sur des constatations précises» (Caron 1911, 62–63).

Bereits bei Caron deutet sich die zu Beginn des 20. Jhs. einstellende Popularisierung von Wissen an, die damals als Wissensdegradierung oder -verlust und somit als Krise wahrgenommen wird. Die Rolle des «Laien» als metasprachlich handelnder Akteur hat sich in direktem Zusammenhang mit diesem strukturellen Wandel der Öffentlichkeit grundlegend verändert (cf. Kap. 2.2.1). Dabei ist heute zum einen klar, dass seit längerer Zeit bei Personen außerhalb der institutionalisierten Sprachwissenschaft nicht nur ein gesteigertes Interesse an sprachenbezogenen Fragen besteht, sondern auch ein wachsendes Selbstverständnis, sich an der öffentlichen Diskussion dieser Fragen aktiv zu beteiligen (s. Affaire Fañch in Kap. 3.3.5). Zum anderen «[…] gilt gerade [heute] die Diskrepanz zwischen Laienauffassungen und sprachwissenschaftlichen Erkenntnissen und Annahmen als wertvoller Wissensbestand. Insbesondere für Menschen, die in angewandten Gebieten tätig sind (Lehrpersonen, Akteure und Akteurinnen der Bildungs- und Sprachenpolitik) ist es entscheidend zu wissen, was nicht-spezialisierte Personen glauben» (Cuonz 2014, 15).

Dieser spiegelverkehrte Prozess der Professionalisierung der Öffentlichkeit auf der einen Seite und der (Forderung nach) Deprofessionalisierung der Wissenschaft auf der anderen ist, «von unmittelbarer Bedeutung für die Delimitation (Entgrenzung) zwischen Experten- und Laientum» (Bock/Antos 2019, 56). Nicht immer klar ist hingegen, wie es sich mit dem Selbstverständnis der Linguistik in dieser Sachlage verhält, wobei die Frage danach sowohl die Einstellungen der Forscher gegenüber den nicht-berufsständigen Beteiligten an Metasprachdiskursen und ihrem Wissen einschließt als auch die Ausrichtung und Aufgaben der Linguistik selbst: «Soll die Sprachwissenschaft eine rein deskriptive Wissenschaft bleiben oder darf beziehungsweise muss sie sogar auf die Fragen und Probleme der Öffentlichkeit eingehen und hier auch als normengebende Instanz fungieren?» (Baderschneider/Kessel 2010, 9). Die Antworten der Sprachwissenschaftler reichen von einer kategorischen Ablehnung der Forschungsrelevanz laienlinguistischer Werturteile bis zur grundlegenden Infragestellung der eigenen Disziplin, wenn man wie Bär (2002) davon ausgeht, dass «die Öffnung zur Öffentlichkeit impliziert, die dort vorhandenen Interessen am eigenen Gegenstand zur Kenntnis zu nehmen und zu bedienen», was letztlich auch die Frage mit einschließt, «ob man als Sprachwissenschaftler die Sprache pflegen wollen darf» (2002, 222).

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3 Metasprachdiskurse als historische Systeme

Diese Fragen und Standpunkte diskutieren die Linguistiken in Abhängigkeit von den jeweiligen Forschungsräumen, -kontexten und -traditionen, in denen sie stehen, auf unterschiedliche Art und Weise. Dies ist der Grund, warum man die oben gestellte Frage nicht ohne genaueren Blick auf die jeweilige Disziplin beantworten kann, für die man sie stellt. Aus demselben Grund kann man eigentlich auch nicht von der Laienlinguistik sprechen, sondern (bisher) eher von unterschiedlichen Verständnissen und Anwendungsformen eines disziplinenübergreifenden laienlinguistischen Paradigmas, das sich seit dem «linguistic turn» der 1960er Jahre innerhalb der internationalen Soziolinguistik und den jeweiligen Schulen mit unterschiedlichem Status etabliert hat. Die Grenzen der Linguistik bewegen sich dabei schon lange im Kontext einer grundsätzlichen Aushandlung wissenschaftstheoretischer und methodischer Positionen zwischen zwei Extremen in den Sozial- und Sprachwissenschaften: Auf der einen Seite stehen objektivistische Ansätze, die bei der Untersuchung sprachlichen Handelns «nur externe, von Forschungs-Objekten unabhängige Geltungsprüfungen wissenschaftlicher Aussagen» akzeptieren, dessen stärkster Vertreter in der Linguistik der Strukturalismus ist. «Auf der anderen Seite stehen jene, die die reflexive Sinnkonstitution der Forschungs-Objekte zur entscheidenden, ja vielfach zur alleinigen Quelle der wissenschaftlichen Erkenntnis machen», wie z. B. die als praktische Forschungsrichtung der Soziologie begründete Ethnomethodologie (Antos 1996, 28). Den Beginn der Diskussion über den Stellenwert alltäglicher sprachlicher Wissensbestände markiert der oben bereits erwähnte Beitrag des Indogermanisten Hoenigswald, dessen Proposal for the study of Folk-Linguistics (1966) den ersten terminologischen und programmatischen Vorschlag zur Integration nicht-wissenschaftlicher Sprachbetrachtungen in die soziolinguistische Forschung darstellt: «If other phases of social science are any indication, we should be interested not only in (a) what goes on (language), but also in (b) how people react to what goes on (they are persuaded, they are put off, etc.) and in (c) what people say goes on (talk concerning language). It will not do to dismiss these secondary and tertiary modes of conduct merely as sources of error» (Hoenigswald 1966, 20).

In ähnlicher Absicht steht der in der deutschen Germanistik von Brekle (1985) im Kontext einer Historiographie der Sprachwissenschaft unternommene kulturanalytische Entwurf einer «Volkslinguistik», der in terminologischer Analogie zu bereits bestehenden Forschungszweigen wie der Volksetymologie den praxisorientierten Nutzen metasprachlicher Wissensbestände außerhalb der Linguistik in die Nähe angewandter linguistischer Forschungen rückt: «Als vorläufige Explikation unseres neuen Terminus VL [scil. Volkslinguistik] wird hier vorgeschlagen, daß damit all jene sprachlichen Ausdrücke bzw. Äußerungen […] bezeich-

3.3 Frankreich

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net werden sollen, die ihrerseits auf Sprachliches referieren oder die metakommunikativ fungieren bzw. in denen explizit oder implizit Eigenschaften sprachlicher Einheiten bzw. Kommunikationshandlungen in der Absicht verwendet werden, um damit bei Kommunikationsteilnehmern bestimmte gesellschaftlich-praktisch relevante Wirkungen hervorzubringen. Dabei sind solche Äußerungen über Sprachliches ausgeschlossen, die in der Absicht hervorgebracht werden, ‹nur› einen Erkenntnisgewinn über Sprachliches um seiner selbst willen auszudrücken; solche Äußerungen wären nämlich […] schon als sprachwissenschaftliche Aussagen zu qualifizieren. Wir sehen allerdings heute […] daß die Ergebnisse der ‹reinen› Sprachwissenschaft sehr wohl mit dem politischen und ökonomischen Verwertungsinteresse dienstbar gemacht werden […]; dies fällt in das weite Feld der angewandten Sprachwissenschaft (z. B. Linguistische Didaktik, Sprachplanung, Computerlinguistik […])» (Brekle 1985, 34–35).

In einem zweiten Aufsatz geht Brekle (1986) dann näher auf die Grenzen und Möglichkeiten ein, mit denen sich die Linguistik bei einer Ausweitung der Disziplin auf die nicht-professionelle Sprachbetrachtung auseinandersetzen muss. Dabei fasst er sehr prägnant das inhaltliche und terminologische Dilemma zusammen, das auch mit Blick auf das heutige Verhältnis von Laienlinguistik und Sprachwissenschaft noch nicht vollständig aus dem Weg geräumt ist und in Abhängigkeit vom jeweiligen Forschungsgegenstand hinterfragt werden muss: «Entweder versucht man, den Experten aus dem Bereich volkslinguistischer Phänomene zu eliminieren, steht dann allerdings vor dem Problem, daß gerade in einer Gesellschaft wie der unseren, Expertenwissen in vielerlei Bereiche eindringt und deshalb nicht säuberlich von ‹volkslinguistischen› Fähigkeiten und Tätigkeiten zu trennen ist. Dies hieße letztlich, daß ein Erkenntnisgegenstand namens ‹Volks›linguistik vielleicht nur in bestimmten historisch-gesellschaftlichen Situationen mit einigermaßen sauberen Kriterien delimitiert werden könnte. Oder man ist bereit, den skizzierten maximalen Bereich der Erforschung gesellschaftlich relevanter metasprachlicher und metakommunikativer Phänomene und Tätigkeiten als erforschungswürdig – innerhalb welcher interdisziplinären Überschneidungen auch immer – anzusehen; dann sollte man dem Kind aber einen anderen Namen geben und die VL als Teilgebiet einer solchen Wissenschaft der Metakommunikation zu etablieren suchen. Quid ergo?» (Brekle 1986, 74).

Auf Brekles skeptisches «Quid ergo?» wurden seitdem richtungsweisende Antworten für die Laienlinguistik als Disziplin formuliert. In der germanistischen Sprachwissenschaft hat Antos’ Laien-Linguistik (1996), die mit einem «weiten Begriff von Linguistik als summarische Bezeichnung für eine Sprache und Kommunikation thematisierende Form der Wissensvermittlung optiert» (1996, 28), den Weg zur Erforschung des von Brekle skizzierten maximalen Bereichs «öffentlicher Metasprachdiskurse» theoretisch und methodisch geebnet. Mit der interdisziplinären Fundierung des Ansatzes, u. a. auf der Grundlage der in der Psychologie von Furnham erarbeiteten Lay theories (1988), verweist Antos auf dort etablierte Kriterien, um wissenschaftliche Theorien und Laien-Theorien

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3 Metasprachdiskurse als historische Systeme

durch strukturelle Analogien und Differenzen (Explizitheit, Kohärenz, Falsifikation, Induktion vs. Deduktion etc.)252 voneinander abzugrenzen und zeigt damit, dass «Laienlinguistik» nicht als «terminologische[r] Affront gegen die deskriptive Linguistik» (1996, 28) zu werten ist, sondern als systematische Ausweitung des sprachwissenschaftlichen Erkenntnisgewinns. Ausgehend von dieser Laienlinguistik i. w. S., die auch Polzin-Haumann/Osthus (2011b) aus romanistischer Perspektive mit der Feststellung vertreten, dass «[d]as Interesse an Sprache […] bei Weitem die Kreise der akademischen Linguistik [überschreitet], ja in vielen Fällen […] die öffentliche Diskussion über Sprache klar von NichtWissenschaftlern dominiert [wird]» (2011b, 15–16), haben sich zwei Achsen einer Laienlinguistik i. e. S. herausgebildet, die «entweder auf die Wahrnehmungsdialektologie und bzw. oder auf normative bzw. präskriptive Vorstellungen von Laien über die korrekte Verwendung von Sprache verengt [werden]» (Bock/Antos 2019, 69): «Certains sujets se prêtent mieux à une analyse des connaissances métalinguistiques des profanes (comme par exemple la dialectologie perceptuelle), tandis que d’autres sujets invitent à une analyse des attitudes des locuteurs profanes, qui se manifestent dans des commentaires métalinguistiques (par exemple le positionnement dans un discours normatif)» (Osthus 2018, 24).

Die Valorisierung laienhafter Wissensbestände im Rahmen der Wahrnehmungsdialektologie und Perzeptiven Varietätenlinguistik wurde auf entscheidende Weise durch die Arbeiten der US-amerikanischen Folk Linguistics geprägt,253 denen Niedzielski/Preston mit ihrer gleichnamigen Arbeit einen «broadly-conceived plan for the study of talk about language» (2003, 2) zugrunde legen. Damit gelingt es ihnen dreißig Jahre nach dem ersten Impuls von Hoenigswald (1966), der u. a. von Labov kritisch diskutiert wurde,254 dem Sprachwissen und den Spracheinstellungen der «not trained professionals in the area under investigation» (2003, xviii) einen festen Platz innerhalb dialektologischer For-

252 Cf. hierzu auch Bock/Antos (2019, 56–62). 253 Cf. hierzu ausgewählte Arbeiten im deutschen und frankophonen Forschungsraum, z. B. von Kabatek (1996); Anders (2010); Krefeld/Pustka (2010); Falkert (2012); Kittler (2015); Hundt/ Palliwoda/Schröder (2017). 254 Mit seinem Einwand bezieht sich Labov in der Diskussion von Hoenigswald (1966) auf die bestehende Ausdrucksschwäche der Sprecher in Bezug auf ihre eigene Sprache und die Gefahr einer Datenarmut bei der Erhebung der Einstellungen: «The overt responses in American and English society generally are quite poor as far as vocabulary is concerned. ‹Povertystricken› would be the best term for this vocabulary. The inadequacy of people’s overt remarks about their own language is directly reflected in the fact that there are only a few words that they use to convey the subjective response that they feel» (Hoenigswald 1966, 23).

3.3 Frankreich

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schungsarbeiten zu geben. Als methodischen Ansatz fassen Niedzielski/Preston (2003) die drei von Hoenigswald definierten Ebenen metasprachlichen Handelns (cf. 1966, 2) zu einem Drei-Faktoren Modell zusammen, dem sie die attitudinalen Wissensbestände der Sprecher als weitere Komponente von Metasprache hinzufügen (cf. 2003, 26). Diese «underlying folk beliefs speakers of a language have about the nature of the object itself» (Niedzielski/Preston 2003, 314), die Preston als «Metalanguage 3» zusammenfasst (cf. 2004, 94), verhalten sich wie gezeigt wurde kongruent zu Sprachideologien und Spracheinstellungen als Menge impliziter metasprachlicher Handlungsschemata (cf. Kap. 3.2.2, Abb. 8). Diese sollen im Folgenden als theoretisch-methodischer Zugang zu diskursiv konstruierten Wissensbeständen präzisiert werden. Die Spracheinstellungsforschung als Unterdisziplin der Sozialpsychologie (cf. Kap. 4.1.3) stellt das Bindeglied zur zweiten Achse der Laienlinguistik dar, die sich mit normativen Sprachvorstellungen und Werturteilen von Laien in unterschiedlichen Bereichen der öffentlichen Sprachendiskussion befasst. Fächerund forschungsraumübergreifende Untersuchungsschwerpunkte liegen u. a. im Bereich der Analyse ästhetischer und stereotypischer Werturteile über Standardsprachen und Sprachvariation, auch unter Berücksichtigung unterschiedlicher medialer Kontexte,255 im Bereich des (Fremd)sprachenerwerbs256 sowie im Bereich unterschiedlicher Domänen laienlinguistischer Sprachkritik und Sprachpflege. Letztere können weiter mit Niehr (2019) in die Forschungsgegenstände der feministischen und politischen Sprachkritik, der Text- und Stilkritik sowie in Untersuchungen zur öffentlichen Sprachnormendiskussion und (puristischen) Fremdwortkritik untergliedert werden.257 Die punktuellen Thematisierungen von Laienlinguistik in dieser Arbeit sind letzterem Bereich zuzuordnen. Im Mittelpunkt steht dabei die exemplarische Analyse sprachlicher Musterhaftigkeit von Spracheinstellungen in nicht-wissenschaftlichen Diskursdomänen und digitalen Kommunikationsformen der öffentlichen Sprachendiskussion (cf. Kap. 4.3). In der Forschungstradition der romanischen Sprachwissenschaft steht eine tiefergehend systematische Diskussion der Laienlinguistik als soziolinguistische Teildisziplin bisher noch aus.258 Gleiches gilt für das ebenfalls bisher nur 255 Cf. Lebsanft (1999); Damar (2010); Doury (2008); Cuonz (2014); Hardy/Herling/Patzelt (2015); Bogetić (2016); Visser (2018). 256 Cf. Paveau (2005); Stegu (2008b); Wagner (2009); Wochele (2011); Venus (2017); Schwender (2018). 257 Cf. Law (2002); Osthus (2003); Spitzmüller (2002), (2005); Niehr (2011); Jacob/Vogel (2014); Kreuz (2014). 258 Ein erstes Handbuch zur Laienlinguistik unter dem Titel Manuel de linguistique populaire ist aktuell in Vorbereitung (Becker/Herling/Wochele i. E.). Eine Übersicht und Klassifikation sprachwissenschaftlicher Studien zur Laienlinguistik hat Osthus (2018) zusammengestellt.

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3 Metasprachdiskurse als historische Systeme

vereinzelt und am Beispiel spezifischer Fragestellungen diskutierte Verhältnis zwischen Linguistik und Öffentlichkeit.259 Im Vergleich zur germanistischen Linguistik, die sich der aktuellen Brisanz dieses Verhältnisses jüngst nochmal in überblicksartigen Beiträgen widmet (cf. Bock/Antos 2019) und so nicht nur Fragen zur Konstitution von Öffentlichkeit allgemein (cf. Kap. 2) zu beantworten versucht, sondern auch zu ihrer Rolle als sprachlich urteilende Domäne der Wissensvermittlung, geht die Romanistik etwas zaghafter vor. Dazu, dass in diesem theoretischen Rahmen die Laienlinguistik in romanistischen Forschungsarbeiten zwar eine anerkannte epistemologische Dimension der öffentlichen Sprachbetrachtung darstellt, jedoch als solche bisher keiner gesonderten theoretischen Systematisierung unterzogen wurde, mögen unterschiedliche Faktoren beigetragen haben: Darunter fällt z. B. die Tatsache, dass sich die Laienlinguistik als eigenständiges Forschungsparadigma in der wissenschaftlichen Tradition der großen romanischen Sprachen gar nicht oder erst spät durchgesetzt: So weist Lebsanft (1997) darauf hin, dass in Spanien der Begriff lingüística popular als Äquivalent zur «Volkslinguistik» nicht benutzt wird, was daran liegt, dass die Bewertung der Sprache(n) und des Sprechens in Spanien eine traditionelle Tätigkeit ist, die «in gewisser Weise ‹naiv› ausgeübt wird» (1997, 47). In Frankreich hingegen sind öffentliche Sprachbewertungen zwar eine ebenso gängige Praxis, jedoch wahrt die Sprachwissenschaft bis auf wenige und durchaus auch streitbare Vertreter ihres Faches wie z. B. Claude Hagège bewusst ihre Distanz zur öffentlichen Sprachdebatte; ein Grund also, weshalb vielleicht auch die französische linguistique populaire erst vor rund 10 Jahren und auch als «linguistique hors du temple» (Achard-Bayle/Paveau 2008b) in die Forschungsdiskussion eingetreten ist und von da an auch in der deutschsprachigen romanistischen Linguistik stärker rezipiert wurde. Nach wichtigen Vorläufern wie Bourdieu (1980) und insbesondere Beacco (2004), die das Thema einer linguistique du sens commun als forschungsrelevante Ebene im Zusammenhang mit Prozessen der sprachgebundenen Konstruktion von Identitäten und Repräsentationen eingebracht haben, ist die von AchardBayle/Paveau (2008a) koordinierte Pratiques-Ausgabe mit dem Titel Linguistique populaire? nicht nur die erste innerfachliche Auseinandersetzung der französischen Sprachwissenschaft mit der Laienlinguistik, sondern auch die erste interdisziplinäre und internationale Zusammenschau zu diesem Thema. Diese internationale Zusammenarbeit setzt sich auf operativer Ebene im Rahmen des Research network on Folk Linguistics fort, das seit 2009 als eines der Forschungsnetzwerke innerhalb der Association Internationale de Linguistique Ap-

259 Cf. Polzin-Haumann/Osthus (2011a); Gerstenberg/Polzin-Haumann/Osthus (2012); Neusius (2017).

3.3 Frankreich

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pliquée besteht (cf. AILA/ReN 2019). Die Publikation von 2008 hat ähnlich der Entwicklungen in der deutschsprachigen Forschung auch den Anstoß zu einer weiteren Spezialisierung der sprachlichen Untersuchungsgegenstände geführt. Dabei sind neben Beiträgen im Rahmen der sogenannten épilinguistique (cf. Culioli 1990), in denen die laienlinguistische Ebene als epistemologischer Rahmen bei der sozio-kognitiven Analyse mentaler Repräsentationen über Sprachen und Sprecher berücksichtigt wird (cf. Brunner 2014; Vicari 2016) auch solche hervorzuheben, die sich im Bereich der französischen analyse du discours (cf. Ruchon 2015), des Sprachenlehrens und -lernens (cf. Paveau 2005), der politischen Sprache (cf. Krieg-Planque 2012; 2013) oder in jüngerer Zeit im Bereich der sogenannten sensiblen Korpora (cf. Paveau/Perea 2012) bewegen. Letztere befassen sich in einschlägigen korpusbasierten Untersuchungen mit der Rolle nicht-linguistischen Wissens in aktuellen öffentlichen Diskursen am Beispiel polemischer Diskussion wie z. B. der Genderdiskussion (cf. Husson 2018a; 2018b).260 Wo sich im deutschen Forschungsraum der Begriff «Laienlinguistik» trotz der konzeptionellen Vagheit und Problematik der Laien-Experten-Dichotomie relativ schnell als feste Bezeichnung durchgesetzt hat, lag die Denominationsfrage in Frankreich stärker im Fokus verschiedener Forschungsbeiträge. So figurieren neben Kompositionen mit dem vollständig übernommenen Lehnwort folk (cf. Brunner 2014; Husson 2018a) sowohl verschiedene Übersetzungsvarianten wie «profane, spontané, sauvage, naïf, laien ou lay» (Paveau 2008, 94) als auch Bezeichnungen, die eher auf die affektive Komponente laienhafter Wissensbestände abheben, wie sentiment de la langue (Siouffi 2012) bzw. sentiment linguistique profane (Lecolle 2014; 2015). Im Gegensatz dazu stehen Versuche einer begrifflichen Neutralisierung wie métadiscours des non-linguistes (Brunner/Husson/Neusius 2018). Was die Diskussion sowohl des Terminus «Laienlinguistik» als auch des auf französischer Seite gängigsten Äquivalents linguistique populaire anbelangt, die sich in den jeweiligen Forschungsräumen und in der Rezeption außerhalb dieser Kontexte als Gebrauchsvariante durchgesetzt haben, ist schließlich uneingeschränkt Lecolle (2014) zuzustimmen, die festhält, dass dem angewandten Forschungsinteresse an Wissensbeständen außerhalb der Sprachwissenschaft am ehesten mit terminologischem Pragmatismus entsprochen werden kann: «Linguistique populaire, naïve, spontanée, ordinaire, profane: les termes ne sont, certes, pas équivalents, mais l’essentiel est d’ici envisager ce

260 Die Kenntnis über aktuelle Arbeiten und Untersuchungsgegenstände der französischen linguistique populaire verdanke ich auch dem Austausch mit meinen Kolleginnen Pascale Brunner und Anne-Charlotte Husson, denen an dieser Stelle herzlich gedankt sei (cf. Brunner/ Husson/Neusius 2019).

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que cette linguistique non savante peut, en tant que telle, apporter au linguiste, à la linguistique, à l’enseignement de la langue» (Lecolle 2014, 8). In der deutschen Romanistik werden metsprachliche Aktivitäten von «Laienlinguisten» v. a. seit der zweiten Hälfte der 1990er Jahre im Zusammenhang mit soziolinguistischen Fragestellungen behandelt. Neben überblicksartigen Beiträgen zur Laienlinguistik als Dimension der synchronen und diachronen Sprachbeschreibung und -bewertung261 ist es v. a. die seit den 2000er Jahren zunehmend auch im Internet präsente, nicht-wissenschaftliche Kommunikation über Sprache im Rahmen der französischen Normendiskussion, die sich als Schwerpunkt verschiedener Fallstudien durchgesetzt hat:262 «Les sujets traités varient entre des réflexions sur les discours normatifs, les politiques linguistiques, les « fautes linguistiques » et la défense des langues régionales. Au-delà de ce premier constat sur les thématiques abordées, il est frappant de voir que la catégorie des locuteurs ordinaires est largement sous-représentée. Généralement, ce sont les activités et les jugements métalinguistiques des logophiles, les locuteurs concernés et passionnés ou bien les linguistes amateurs qui sont pris en considération par les spécialistes de la linguistique populaire» (Osthus 2018, 22–23).

Aus dieser verhältnismäßig starken Präsenz der Ansichten und Urteile von Sprachnormverfechtern, Sprachverteidigern und Sprachliebhabern im französischen Metasprachdiskurs resultiert eine Unterrepräsentation von Wissenstypen, die nicht nur außerhalb der linguistischen, sondern auch außerhalb des puristischen metasprachlichen Handlungsspektrums liegen. Die Gründe für die bislang fehlende Valorisierung und wissenschaftliche Untersuchung von Wissensbeständen dieser «locuteurs ordinaires» im Rahmen einer Laienlinguistik liegen – neben der naturgemäß eingeschränkten Zugänglichkeit zu metasprachlichem Handeln innerhalb privater Kommunikationssphären – in der traditionsgemäß hohen metasprachlichen Produktivität der Sprachpuristen und der historisch bedingten Durchsetzungsstärke normativer Spracheinstellungen, die Osthus (2018) im Zusammenhang mit einem diskursiven Konformismus i. S. des von Noëlle-Neumann (1989) beschriebenen Konzepts öffentlicher Meinung als «Schweigespirale» bewertet (cf. 2018, 23; Kap. 3.3.4). Auf der Grundlage einer Klassifikation der bisher in laienlinguistischen Fallstudien analysierten Textsorten, Kommunikationsformen, Themen und Akteure erstellt Osthus (2018) ein multidimensionales Schema, das den Grad sprachlicher Expertise auf dem Kon-

261 Cf. zum Französischen Osthus (2006; 2015); zum Spanischen Lebsanft (1997); Kailuweit/ Jaeckel (2006); zum Italienischen Demel (2006); Fresu (2016); zur Frankophonie Patzelt (2015). 262 Cf. z. B. Osthus (2003); Hardy/Herling/Patzelt (2015); Neusius (2017); Visser (2015; 2017; 2018).

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3.3 Frankreich

tinuum zwischen «locuteur ordinaire» und «logophile» bzw. «amateur de la langue» in bilateraler gradueller Abhängigkeit einmal von der Explizitheit und einmal von der kommunikativen Distanz sowie der Medialität metasprachlicher Äußerungen beschreibt (cf. Osthus 2018, 28):263

discours dis i cours r de lʼAcadémie lʼA ʼ cadémie fr ffrançaise ançais i e

explicitement métalinguistique chronique de langage

i tique blog métalinguist métalinguistique

P

E TIS ER

EX

remarques métalinguistiques dans un essai scientifique (non linguistique)

aspects métalinguistiques des débats politiques

tchate privé forum de discussion (non métalinguistique)

implicitement métalinguistique

commentaire métalinguistique dans un roman

proximité

distance

Abb. 14: Multidimensionales Modell metasprachlicher Äußerungen nach Osthus (2018).

Das im Schema begriffene Verständnis von «Expertise» als diskursiver Konstruktion verhält sich auf der Achse zwischen Implizitheit und Explizitheit metasprachlichen Handelns (cf. gestrichelte Umrahmung vertikal) kongruent zu den Ebenen von Metasprache nach Preston (2004) und zum Modell impliziter und expliziter Sprachhandlungsschemata nach Janich (2004) (cf. Kap. 3.2.2, Abb. 8). Dabei präzisiert Osthus (2018) als weiteren Faktor, dass bei der Konstitution von Spracheinstellungen stets der Spontanitätsgrad der Sprachreflexion und des metasprachlichen Handelns zu berücksichtigen sind:

263 Zur Kategorisierung der Sprecher in Abhängigkeit von ihren Wissensbeständen cf. auch Paveau (2008).

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3 Metasprachdiskurse als historische Systeme

«Les résultats des études empiriques sur le sujet prouvent qu’il y a une différence remarquable entre les attitudes et les connaissances métalinguistiques dans les forums explicitement métalinguistiques […] et les forums principalement consacrés à d’autres thématiques. […] Une telle distinction repose sur le degré de spontanéité qui demeure plus élevé dans les sources implicites que dans les sources explicites. À partir du moment où le débat principal est axé sur des thématiques non métalinguistiques, on peut s’attendre à des jugements métalinguistiques qui ne sont issus ni d’une longue réflexion préalable ni d’un activisme militant (par exemple de défense de la langue)» (Osthus 2018, 27).

Was hier die Einordnung des Korpus der vorliegenden Arbeit im Modell nach Osthus (2018) anbelangt, so wurden sowohl für den diachronen (cf. Kap. 3) als auch den synchronen Teil der Untersuchung (cf. Kap. 4) überwiegend metasprachliche Äußerungen berücksichtigt, die aufgrund einer einschlägigen sprachideologischen Positionierung der sprachpflegerischen Akteure und ihrer «gefestigten» Sprachreflexion im Bereich expliziten metasprachlichen Handelns, d. h. in der oberen horizontalen Ebene des Koordinatensystems zu verorten sind (cf. grau unterlegter Bereich horizontal). Ausgehend von der Bedeutung von Sprachideologien für Positionierungsaktivitäten in diesem expliziten metasprachlichen Bereich (cf. Kap. 4.1.2) dienen die folgenden Überlegungen einer theoretischen Erweiterung des Modells nach Osthus (2018) und gehen dabei zunächst vom Bereich expliziten metasprachlichen Handelns innerhalb sprachpflegerischer Diskurse in ihrem Gegensatz zu (sprach-)wissenschaftlichen Diskursen aus. Erstens werden dabei, als Ergänzung des obigen Modells (cf. Abb. 14), das sich entlang der vertikalen Achse auf die Implizitheit und Explizitheit metasprachlicher Äußerungen bezieht,264 Sprachideologien als konzeptuelle Dimension ergänzt (cf. Abb. 15). Als Prämisse steht hier die Annahme, dass Sprachideologien als implizite mentale Strukturen die Konstruktion von Spracheinstellungen determinieren, die wiederum als explizites metsprachliches Handeln in metasprachlichen Äußerungen sichtbar werden. Das Verhältnis von Implizitheit und Explizitheit sprachlichen Handelns verstehe ich dabei nicht polar, sondern korrelativ, d. h. als konstante Verbindung zwischen Äußerungs- und Aussagenebene i. S. der Definition von «Diskurs» als Formationssystem nach Foucault (cf. Kap. 2.1.3; 2.2.2; 4.1.1). Theoretisch-methodisches Ziel dieses Ansatzes ist es also, dort wo Diskurse nachweislich sprachideologisch regiert sind, den Wissensbegriff in direkter Abhängigkeit von dieser ideologischen Dimension zu verstehen: Der erkenntnistheoretische Einbezug von Sprachideologien als Ergebnis einer sozialen, historischen und kulturellen Wissensformation (cf. Kap. 3) in Form impliziter metasprachlicher Handlungsschemata auf der Aussagenebene ermöglicht dabei

264 Cf. gestrichelte vertikale Umrahmung.

3.3 Frankreich

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einen Zugang zu Spracheinstellungen als expliziten Manifestationen auf der Äußerungsebene: Diese expliziten Haltungen und Urteilsbekundungen zu Sprache(n) und Sprechern können auf einer Achse zwischen Sprachbeschreibung und Sprachbewertung angesiedelt werden:

Grad sprachideologischer Prägung (implizite Ebene) Sprachpflege

Laienlinguistik

Linguistik

Spracheinstellungen (explizite Ebene)

Sprachbeschreibung

Sprachbewertung

Abb. 15: Laienlinguistik als diskursives Spannungsfeld.

Neben der Verortung von Sprachideologien und Spracheinstellungen als zusammenhängende Komponenten von Metasprachdiskursen stellt Abb. 15 einen epistemologischen Vorschlag für einen Lösungsansatz zum oben dargelegten begrifflichen Dilemma zwischen Laienlinguistik und Sprachpflege dar, das Osthus (2018) durch die anschaulich dargelegte Überrepräsentation des Sprachnormendiskurses und Unterrepräsentation des Alltagsdiskurses als Forschungsgegenstand und Forschungsperspektive sehr prägnant begründet. Die Laienlinguistik i. S. eines weder genuin linguistischen noch sprachpflegerischen metasprachlichen Handelns ist als bewegliche Schnittstelle des öffentlichen Metasprachdiskurses im Spannungsgefüge zwischen diesen Bereichen zu verorten. Der metasprachlich handelnde Sprecher kann sich in Anhängigkeit

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der Art von Wissen, über das er verfügt oder das er in Bezug auf Sprache aktiviert, auf der diagonalen Achse zwischen Sprachbeschreibung und Sprachbewertung bewegen. Ebenso ist es möglich, dass Sprecher im Rahmen dieser diskursiven «Beweglichkeit» verschiedene sprachideologische Positionen auf der Achse einnehmen: So kann z. B. ein Linguist, ungeachtet seiner wissenschaftlichen Kenntnisse, über die er z. B. in Bezug auf Sprachwandelphänomene verfügt, seine Expertenrolle verlassen, d. h. seine Expertise «ablegen», wenn er aufgrund einer sprachkritischen oder kulturpatriotischen Überzeugung die Rolle eines Sprachpuristen einnimmt. Er wird in diesem Moment gewissermaßen zum «Laien» aus ideologischer Überzeugung, indem er affektiven Einstellungskomponenten den Vorrang vor kognitiven Wissensbeständen gibt. Ebenso können Sprachbeschreibung und Sprachbewertung auf der diagonalen Achse zwischen Linguistik und Laienlinguistik zusammenrücken, wenn z. B. Perzepte und Kategorisierungen von Dialektsprechern ohne linguistische Ausbildung wissenschaftliche Hypothesen zur dialektalen Variation stützen und der Nicht-Wissenschaftler dabei zum Experten wird. Epistemologisch ermöglicht dieser Ansatz, Laienlinguistik als (wissenschaftliche) Theorie und (alltägliche) Praxis aus dem teilweise immer noch starren Dualismus zwischen Linguistik und Öffentlichkeit zu befreien, aus dem sie entstanden ist. Vor diesem Hintergrund ist von sprachwissenschaftlicher Seite zu bedenken, dass bei einer theoretischen Fundierung von Laienlinguistik die praktischen Konsequenzen stets mitzudenken sind. Dies bedeutet in letzter Instanz, dass sich die Linguistik mit Blick auf die Vielzahl an Akteuren und Gruppen, aus denen die metasprachliche Öffentlichkeit besteht, immer wieder die Frage stellen sollte, «wo […] angesichts der offensichtlichen Divergenzen Verständigungsmöglichkeiten zwischen den verschiedenen mit Sprachenfragen befassten Gruppen [bestehen]» (Polzin-Haumann/Osthus 2011b, 16). Gerade mit Blick auf die an vielen Stellen dieser Arbeit hervorgehobenen Renationalisierungstendenzen in verschiedenen öffentlichen Diskursen und das wieder zunehmend präsente und wiederaufgeforstete Erbe einer ideologischen Sprachreflexion, die ursprünglich zur Trennung von Sprachwissenschaft und Sprachpflege in Deutschland und Frankreich geführt hat, muss dann auch die Frage gestellt werden, ob Verständigungsmöglichkeiten mit allen Akteuren überhaupt erstrebenswert sind oder ob die Linguistik in diesen Fällen nicht eine mehr aufklärende als vermittelnde Rolle einnehmen muss (cf. Kap. 3.2.6). «In einer Zeit, in der Teile der deutschen Bevölkerung Angst vor ethnischer, kultureller und sprachlicher Überfremdung äußern, besitzt die Sprachwissenschaft die Erkenntnisse, um zumindest den öffentlichen Diskurs um Sprache in sachlichere Bahnen zu lenken. Die Sprachwissenschaft sollte dieses Gespräch suchen […]» (Fingerhuth/Boas 2018, 37).

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Was also die Perspektive und Involviertheit der Sprachwissenschaft anbelangt, sind zwei Bezugsebenen strikt voneinander zu trennen: Einmal die historisch gewachsene Ebene, auf der die durch sprachideologische Differenzen ausgelöste Trennung zwischen Sprachwissenschaft und Sprachpflege zu verorten ist (cf. Kap. 3), und einmal die Ebene des durch die Entwicklung zur medialen Informationsgesellschaft gewachsenen Sprachbewusstseins der Öffentlichkeit, das sich in einer mit Blick auf alle sozialen Gruppen höheren Partizipation an Fragen zu Sprache(n) und Sprechern als Thema öffentlicher Meinungsbildungsprozesse widerspiegelt (cf. Kap. 2). Eine Aufhebung des Dualismus auf der ersten Ebene würde eine Infragestellung der wissenschaftsethischen Grundsatzpositionen der Linguistik voraussetzen, die sich anderen Gütekriterien und moralischen Standpunkten verpflichtet als die Sprachpflege. Die Distanznahme der Sprachwissenschaft gegenüber insbesondere der puristischen Sprachpflege bleibt angesichts bisher aufgezeigter historischer und aktueller Metasprachdiskurse jedoch mehr als begründbar und die inhaltlichen Grenzen zur Sprachpflege sind wohl in den meisten Fällen auch nur schwer überwindbar. Ebenso argumentiert Spitzmüller (2009) aus Sicht der Germanistik: «Eine der am heftigsten geführten Debatten des vergangenen Jahrzehnts drehte sich um die Frage, wie man den Sprachkontakt zum Englischen zu bewerten habe. Auch dort haben sich Linguisten immer wieder, zumeist erfolglos, einzubringen versucht. […] Der Erfolg eines Transferversuchs hängt daher auch nicht unwesentlich davon ab, ob und bis zu welchem Grad die unterschiedlichen Wissenstypen miteinander harmonieren. Wenn, wie dies im Anglizismendiskurs der Fall ist, zwei weitgehend ‹inkompatible› Wissenstypen miteinander kollidieren, so kann daran letztlich der gesamte Transferversuch scheitern» (Spitzmüller 2009, 113).

Neben den inhaltlichen Divergenzen würde ein Überwinden der Grenzen auch eine Kommunikationsbereitschaft auf beiden Seiten voraussetzen und – diese Forderung richtet sich an die Sprachpflege – auch das Ablassen von einer polemischen Inszenierung einer «Linguistik im Elfenbeinturm» zu selbstlegitimierenden Zwecken voraussetzen. Es besteht zweifelsohne bisweilen eine nicht immer begründete Reserviertheit der Sprachwissenschaft in Bezug auf öffentliche Metasprachdiskurse, jedoch nehmen Vorschläge von «Alternativen zum Elfenbeinturm» (Bär/Niehr 2013), Entwürfe einer «Transferwissenschaft» (Wichter/ Antos 2001), Programme wie die «linguistische Sprachkritik» (Niehr 2019) oder gleichgerichtete Impulse der Angewandten Linguistik (z. B. Stegu 2008a; Dahmen et al. 2011; Polzin-Haumann/Gil 2015) seit einiger Zeit einen zunehmend großen Platz in der Fachdiskussion ein und eröffnen neue Horizonte für einen Brückenschlag zwischen Experten und Laien und den verschiedenen mit diesen

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Kategorien traditionell verbundenen Herangehensweisen an die Betrachtung von Sprache: «Dominierte früher eine Sichtweise, die nur eine autonom erscheinende wissenschaftliche wie alltagsweltliche Sprachreflexion anerkannte, so lassen sich heute pragmatische, ja instrumentalistische Formen der Sprachreflexionen nicht mehr übersehen oder aus der Diskussion ausblenden: In der Werbung, der Wirtschaft, in der Publizistik, aber auch im Rechtssystem und in der Fort- und Weiterbildung werden in zunehmenden Maße alle möglichen Spielarten und Formen einer an Zwecken orientierten und damit instrumentellen Sprachreflexion aufgegriffen, verwendet und weiterentwickelt. Vor diesem Hintergrund […] löst sich die gängige Dichotomisierung von ‹Laie› und ‹Experte› auf» (Bock/ Antos 2019, 71).

Angesichts dieser mittlerweile etablierten Öffentlichkeitszugewandtheit der Linguistik ist es ist mitnichten zutreffend, die mancherorts bestehende Reserviertheit zu einem allgemein vorherrschenden Fachsnobismus oder wissenschaftlicher Gleichgültigkeit zu verabsolutieren. Bei derartigen Verallgemeinerungen handelt es sich um ein ideologisiertes Argumentationsmuster der radikalen Sprachpflege, die gerade die öffentliche Kommunikationsarena nutzt, um ihrerseits in der Regel ohne sachliche Begründung und stichhaltige Belege, die Linguistik mit dem Vorwurf der Realitätsferne zu kritisieren und ihre Arbeit per se als unzutreffendes Fachgerede abzutun. Ein Beispiel für eine solch gezielte Diffamierung der Linguistik von Seiten deutscher Sprachpfleger stellt der folgende Auszug aus einer in den Sprachnachrichten publizierten Rezension des von der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung und der Union der deutschen Akademien der Wissenschaften herausgegebenen Sammelbands Armut und Reichtum der deutschen Sprache (2013) dar (cf. Kap. 3.3.4). Die im Vorwort das Bandes von den verantwortlichen Autoren beschriebene Zielsetzung, sich «an der öffentlichen Diskussion zu beteiligen» und «wissenschaftlich fundierte Informationen zu Themen zu liefern, die innerhalb des Diskurses von besonderem Interesse sind» (Eichinger et al. 2013, 5), wird vom Rezensenten und (N.B.!) Germanisten Ernst Jordan, der für den VDS auch als Veranstaltungsredner auftritt (cf. VDS Referenten 2019), als Vernebelung der sprachlichen Realität abgetan:265

265 Die folgenden Belege stammen sowohl aus dem Zeitschriftenkorpus, das die Ausgaben aus dem Jahr 2014 der Sprachpflegeorganisationen Verein Deutsche Sprache und Avenir de la Langue Française umfasst, als auch aus einem ergänzenden online-medialen Korpus, das sich aus Beiträgen zusammensetzt, die aus den vereinseigenen sozialen Netzwerken wie Facebook oder vereinsnahen Diskussionsforen stammen. Zur Konstitution des synchronen Korpus cf. Kap. 4.1.4.

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(178) Nein, liebe Sprachfreunde, es entgeht Ihnen wirklich nichts, wenn Sie diesen aktuellen Bericht zur Lage der deutschen Sprache nicht lesen, den da vier namhafte Sprachwissenschaftler im Auftrag der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung und der Union der deutschen Akademien der Wissenschaften in zweifelsfrei mühevoller Arbeit ausgebrütet haben und der seit einem halben Jahr für 29,95 Euro vorliegt. Ganz im Geiste ihres Übervaters, des früheren Vorsitzenden der Gesellschaft für deutsche Sprache Rudolf Hoberg, der einst prophetisch verkündete, die deutsche Sprache „wachse, blühe und gedeihe“, haben sich unsere vier Linguisten scharf beobachtend der deutschen „Gegenwartssprache“ angenommen und wahrhaft Revolutionäres herausgefunden. Nie zuvor haben die Deutschen so viel und so gut geschrieben wie heute. […] Dass die deutsche Sprache aus zahlreichen angestammten Räumen (Naturwissenschaften) längst verschwunden ist, in anderen (Wirtschaft und Verkehr) dahinsiecht und in Schulen und höheren Lehranstalten systematisch „ausgewechselt“ wird, interessiert unsere Lageberichterstatter nicht. Stellt sich die Frage: Wem soll dieser Bericht nützen? Oder konkreter: Wem soll dieser Bericht den Blick auf die Wirklichkeit unserer Sprache vernebeln (SN 2014.3, 21)? Solche Schmähreden, deren sarkastischer Unterton sich nicht nur gegen die Linguistik als Fach, sondern gezielt gegen einzelne seiner Vertreter wie z. B. den Germanisten Rudolf Hoberg richtet, der mit seiner Funktion und Forschungsarbeit als Vermittler zwischen Wissenschaft und Öffentlichkeit fungiert – d. h. genau dort wo sich der VDS selbst als öffentlicher Akteur bzw. wie Vaugelas, Domergue oder Deschanel in der Rolle des Sprachrichters positioniert (cf. Kap. 3.3.4–3.3.6) – signalisieren das Gegenteil von Gesprächsbereitschaft. Der darüber hinaus in vielen Beispielen unbegründete, radikale Zuschnitt von Spracheinstellungen, wie in (189), wo der angeführte SPRACHVERFALLSTOPOS, metaphorisiert als Siechtum und Aussterben der deutschen Sprache (SPRACHE ALS ORGANISMUS), nicht weiter belegt wird oder die an vielen Stellen bestehende Dekontextualiserung wissenschaftlicher Fakten für den Weg einer inhaltlichen Annäherung zwischen Linguistik und Sprachpflege nur schwer überwindbare Hindernisse schafft. Dies unterstreicht auch ein Posting des VDS auf seiner Facebook-Seite, mit dem der Verein auf eine Studie des Berliner Zentrums für Allgemeine Sprachwissenschaft zum Thema Herkunftssprachen verweist. Der Link zum Ursprungsbericht über die Studie im Tagespiegel wird dabei lediglich durch den folgenden, kurzen Begleittext ergänzt: (179) Laut der neusten Studie des Berliner Zentrums für Allgemeine Sprachwissenschaft sollen Familien mit Migrationshintergrund zu Hause ihre

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Muttersprache sprechen – dies fördere das sprachliche Geschick der Kinder und gebe ihnen eine sprachliche Grundlage. Trotzdem leidet die deutsche Sprache nicht darunter – die sprachlichen Kompetenzen sind vergleichbar mit denen der Kinder, die nur Deutsch gesprochen haben. Wie seht ihr das? Wart ihr vielleicht selbst in so einer Situation (VDS FB, 24. 02. 2014)? Das in (179) gezielte Erfragen persönlicher Meinungen der sprachinteressierten Öffentlichkeit schafft Raum für eine emotionsgeleitete Diskussion über das Thema Herkunftssprachen, dies jedoch ohne eine ausführliche, sachliche Informationsgrundlage in Bezug auf das Thema Spracherwerb im Zusammenhang mit den Sprachbiographien der Lerner und dem Phänomen individueller Mehrsprachigkeit. Dabei ist nicht ersichtlich, ob und inwiefern die Inhalte der Studie dem Leser im Detail bekannt sind oder ob die Mitglieder der VDS-Community den Bericht im Tagesspielgel gelesen haben, bevor es zur Meinungsbildung und Einstellungsäußerung kommt. Dies bedeutet jedoch keineswegs, dass hier die Spracheinstellungen des Publikums für die Linguistik obsolet sind. Ganz im Gegenteil sind gerade diese sprachbezogenen Urteile für Sprachwissenschaftler sowohl von erkenntnistheoretischer Bedeutung, gerade im Rahmen der Sprachideologie- und Spracheinstellungsforschung (cf. Kap. 4.1.3), als auch im Rahmen einer forschungsethischen Verpflichtung, die öffentliche Wahrnehmung in Bezug auf Sprache in eigenen Untersuchungen zu berücksichtigen und kritisch zu hinterfragen. Dabei kann es nach sorgfältigem Abwägen auch als Aufgabe der Sprachwissenschaft gelten, vermittelnd in solche Diskussionen einzugreifen, gerade dann, wenn diese Gefahr laufen, dem von der Sprachpflege formulierten Wirklichkeitsanspruch (cf. 178) aufgrund fehlender Sachkenntnis nicht gerecht zu werden. Was die Klassifikation von Spracheinstellungen in diesem öffentlich-medialen Setting anbelangt, zeichnet sich in den Antworten der Nutzer auf den VDS-Post (179) eine grobe Zweiteilung in eine ablehnende und befürwortende Haltung gegenüber der Aufrechterhaltung privater herkunftssprachiger Kommunikationsräume ab (cf. 180–183). Dabei spielt es bei der Konstitution der Spracheinstellungen eine Rolle, ob die Sprecher in ihren Urteilen auf eigene Erfahrungen mit Mehrsprachigkeit zurückgreifen können oder nicht. So werden positive Werturteile in Bezug auf die Aufrechterhaltung und den Ausbau der muttersprachlichen Sprachkompetenz von Personen formuliert, die sich selbst in mehrsprachigen Kontexten bewegt haben oder vielleicht sogar selbst mehrsprachig sind. Sie greifen in ihrer Einstellungsbekundung auf Erfahrungen zurück, die wie das folgende Beispiel zeigt, wissenschaftlichen Überlegungen zur Immersionsmethode beim Fremdsprachenerwerb sehr nahe kommen:

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(180) Ich habe vier Jahre lang als Lehrer im mutersprachlichen Zusatznterricht gearbeitet, schon dann habe ich bemerkt, dass die Kinder, die zu Hause nur Muttersprache sprechen, sprechen nicht nur Muttersprache sonder auch Deutsch mit fast denselben sprachlichen Kompetenzen. Die Frage ist: ob die Kinder mit Migrationshintergrund den Kindergarten besuchen, ob sie die Moeglichkeit haben, Freizeit mit den deutschen Freunden zu verbringen. Das ist sehr wichtig fuer die Sprachkompetnezen: wie zB.: Syntax, Phonetik, Wortschatz usw. Die Frage ist auch, ob die Minderheit in sich selbst geschlossen ist, wie die Kulturparalle nahe sind und viel mehr (VDS FB, 25. 02. 2014). Bei den ablehnenden Werturteilen dominieren hingegen Positionierungen zu den Herkunftssprachen, die an die Wahrnehmung der gesamten Sprechergruppe und ihrer sozialen Einordnung, z. B. als «Migranten» (cf. 181), gekoppelt sind. (181) Ich weiß gar nicht warum es diese Studie überhaupt gibt. 95% der Migranten machen doch nix anderes. Denen würde im Traum nicht einfallen das zu ändern. Es gibt Familien die seit drei Generationen in Deutschland leben und immer noch kein oder kaum Deutsch können. Aber ich will nicht alle über einen Kamm scheren (VDS FB, 24. 02. 2014). In dieser stärker affektiv geprägten Einstellungsbekundung überwiegen emotionale Konzeptualisierungen, die auf fest verankerten Überzeugungen beruhen. Diese Überzeugungen sind so gefestigt, dass die Beurteilung der Sprecher zur stereotypen Vorverurteilung wird und subjektive Eindrücke als objektive Fakten ausgedrückt werden (cf. 181: «95% der Migranten»). In solchen dominant emotionalen Werturteilen über Sprachen und Sprecher wird die für starke Sprachideologien typische soziale Dialektik als Abgrenzung vom «Fremden» als abstrakte Gruppe der «Anderen» sichtbar (cf. 181: «Denen würde im Traum nicht einfallen», «Es gibt Familien»). Die sprachliche Musterhaftigkeit der Dialektik entspricht dabei den historisch gewachsenen sprachpuristischen Positionierungsaktivitäten, die in den vorangehenden Kapiteln nachvollzogen wurden. Dass sich der Sprecher damit auch an den äußeren Rändern der öffentlichen Meinung bewegt, ist ihm bewusst, weshalb er sich mit dem strategischen Satz «Ich will nicht alle über einen Kamm scheren» von der Verallgemeinerung distanziert, die er zuvor verbalisiert. Eine ähnliche Form sprachideologischer Determination weist auch das folgende Urteil auf, in dem der Sprecher seine Konklusion (Wer Muttersprachler ist, lernt leichter Deutsch) durch deduktive Logik begründet, um davon ausgehend der Sprachwissenschaft, die er als «Verein» diskreditiert, die Missachtung logischer Allgemeinplätze vorzuwerfen.

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(182) Wenn die Eltern mit den Kindern schlechtes Deutsch sprechen, lernen die Kindern natürlich kein gutes. Es ist logisch, dass muttersprachlich lediglich deutschsprachige Kinder einen unbedingten Vorteil gegenüber Kindern haben, die das Deutsche erst in der Grundschule erlernen. So viel Logik würde ich auch vom Sprachwissenschaftsverein erwarten...was machen die eigentlich, außer seltsame Äußerungen zu tätigen (VDS FB, 25. 02. 2014)? Dass sich wiederum entgegen solcher Haltungen (cf. 181, 182) sprachwissenschaftliche und alltagssprachliche Einschätzungen der Sprachensituation i. S. der oben formulierten Schnittstellenfunktion von Laienlinguistik auch ergänzen können (cf. Abb. 15), zeigt beispielhaft die Bedeutung, die in einigen Äußerungen dem Elternhaus und dem sozialen Umfeld im Rahmen des Zielsprachenerwerbs zugesprochen wird. Hier bestehen zentrale Anknüpfungspunkte zwischen professionellen und nicht-professionellen metasprachlichen Wissensbeständen, die eine geeignete Ausgangsbasis bilden, um Werturteile mit den Sprechern zu diskutieren. Dabei bieten sprachliche Äußerungen wie im folgenden Beispiel, die auch auf z. T. reliablen und validen Kenntnissen beruhen, diese aber subjektiv verallgemeinern (cf. 183: «Es kommt immer darauf an»; «Wenn ja… dann», «verstärkt», «meist»), für Sprachwissenschaftler einen geeigneten Anlass, um mit Nicht-Sprachwissenschaftlern in den Dialog zu treten, dabei eigene Erkenntnisse weiterzugeben und gleichzeitig zu erfragen, aus welchen Erfahrungen die Wahrnehmungen des Gegenübers resultieren. (183) Es kommt immer darauf an, welchen Bildungsgrad die Eltern haben. Wie gut sprechen sie ihre eigene Sprache? Sprechen sie vielleicht einen starken Dialekt? Wenn ja, so können Sie den Kindern nur diesen weitergeben. Auch kommt es darauf an, ob in ihrem familiären Umfeld auch Dialekt gesprochen wird. Ich kenne Familien, in denen Kinder mit zwei Sprachen aufwachsen. Allerdings neigen sie irgendwann verstärkt zu der einen oder anderen Sprache. Meist wollen die Kinder die Deutsche Sprache lernen und finden die Sprache der Eltern als eine Belastung (VDS FB, 24. 02. 2014). Die Vielfältigkeit dieses Einstellungsspektrums, das sich in einem genuin sprachpflegerischen Kontext entfaltet, trägt als Domäne der öffentlichen Sprachbewusstseinsbildung entscheidend zur Rezeption und Modifikation des Metasprachdiskurses bei (cf. Kap. 4.3). Die «locuteurs ordinaires» (cf. Osthus 2018) haben hier die Funktion eines meinungsbildenden Publikums, das die

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Ebene der Encounter deutlich übersteigt (cf. Kap. 2.1.3). Sie sind Rezipienten metasprachlicher Äußerungen und Produzenten eigener Spracheinstellungen. In der Rolle des Produzenten können sie als Multiplikatoren von Spracheinstellungen auftreten oder eigene Perzepte und Konzepte in den Diskurs einbringen. In Bezug auf diese Positionierungsaktivitäten ist eine Distanznahme der Sprachwissenschaft weniger begründbar, denn zum einen sollte es Aufgabe der Linguisten sein, die Öffentlichkeit dort aufzuklären, wo sprachideologische Positionierungen von sprachlichen Realitäten zu weit abweichen: Dort, wo puristische Sprachpflege Agenda-Setting betreibt, sollte es die Linguistik erst recht tun. Zum anderen sollte sie die Wissensbestände und daran gebundene Spracheinstellungen jenseits des eigenen Horizonts als epistemologische Bedingung bei der eigenen Sprachreflexion berücksichtigen, um nicht in dieselbe ideologische Einseitigkeit zu verfallen, die sie der Sprachpflege vorwirft. Was die Anfeindung der Linguistik als Teil einer sog. intellektuellen Elite anbelangt, zeichnen sich im französischen Korpus zahlenmäßig weniger, aber grundsätzlich ähnliche metasprachliche Einstellungsbekundungen ab. Dabei werden wie im folgenden Auszug aus dem Journal dʼAvenir de la Langue française (184) die traditionell opponierten Positionen zwischen Deskription und Bewertung durch prototypische Vertreter für beide Seiten bestärkt.266 So wird z. B. der oben bereits erwähnte und in der Sprachwissenschaft umstrittene Linguist Claude Hagège, der bis 2006 aktiv am Collège de France lehrte und für sein Wirken auch mit dem Preis der Académie française ausgezeichnet wurde, als Konterpart zu Sprachwissenschaftlern wie der Phonologin Henriette Walter inszeniert, die v. a. im Rahmen ihrer Zusammenarbeit mit André Martinet auf der strukturalistischen Seite der Sprachbetrachtung steht. (184) C’est le regard d’un éminent étranger qui garde jalousement dans l’âge mûr sa passion d’adolescent pour une France idéale et pour la langue française, connues au théâtre dans l’éblouissement de Cyrano de Bergerac, mais qui, en même temps, décape, découpe au scalpel de neurochirurgien, le petit monde des intellectuels et linguistes français qui en vivent, et scalpe sans complaisance, à l’occasion, ceux qui se parent des plumes du paon, ceux qui ne sont pas dignes de pénétrer dans le temple des dieux, ceux qui n’ont rien compris à la vraie grandeur de la France et de sa langue. […] Il défend la langue française contre ses mauvais défenseurs. Il est impitoyable envers Henriette Walter. Il démasque l’imposture chez beaucoup de linguistes en vue. Il « s’occupe » même beau-

266 Cf. hierzu die Ausführungen von Schmitt zur Sprachpflege der Défense de la langue française (1998b, 222–223).

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coup de Claude Hagège. Ce professeur au Collège de France est pour lui un « sujet » de prédilection, qu’il juge le plus à la mesure de sa haute exigence. Heureusement pour celui qui est aujourd’hui très proche de nos associations et de nos actions collectives de nature politique pour le français, Robert Berg reconnaît que Claude Hagège a eu le courage – rare dans sa corporation – de sortir de son observatoire douillet pour entrer dans notre arène, et de prendre part au bon combat, bien qu’il y mette trop en avant l’argument de la « diversité » linguistique à préserver dans le monde (JALF 2014.3, 30–31). Die hier beschriebene Gruppe der «chercheurs» wird auch in den sozialen Netzwerken und der Forenkommunikation den anpassenden, snobistischen und unterwürfigen Einstellungen des pausenlos diffamierten «champ intellectuel» gleichgestellt (185), das im Rahmen des ELITENTOPOS als Kollektiv und meist aufgrund der positiven Haltung einzelner Akteure gegenüber dem Englischen (186) für den Sprachverfall verantwortlich gemacht wird:267 (185) Le rapport “Pour une ambition francophone”, déposé le 22 janvier 2014 et adopté à l’unanimité par la Commission des Affaires Étrangères de l’Assemblée Nationale, conclut les travaux d’une mission d’information constituée le 14 novembre 2013 présidée par François Rochebloine et dont le rapporteur était Pouria Amirshahi. […] “Or, dans ce domaine, la désinvolture domine scandaleusement les attitudes et les décisions des élites françaises, bien des faits en témoignent. Par snobisme ou par négligence, par servitude ou par reniement, leur mimétisme anglais n’en finit pas de surprendre le monde entier, où existe pourtant encore un enthousiasme et des attentes à l’égard de la francophonie […] L’uniformisation linguistique produit un appauvrissement du champ intellectuel et les chercheurs n’ont donc pas intérêt à ce que la science s’enseigne et se vive uniquement en anglais” (ALF FB, 24. 02. 2014). (186) La démission des élites françaises sur la question linguistique donne non seulement la preuve que la France n’aurait plus aucun rôle à jouer sur la scène mondiale et en plus qu’elle finirait par abandonner toute prétention à prendre des décisions seule sans l’aval de l’Europe, de l’OTAN etc….La France apparaîtrait et apparaît dès à présent comme un pays à

267 Der ELITENTOPOS als Teil des ÖFFENTLICHKEITSTOPOS tritt als rekurrente Form sozialer Dialektik in beiden synchronen Korpusteilen auf und kann als typisches Argumentationsmuster der aktuellen puristischen Sprachpflege betrachtet werden (cf. Kap. 4.2.1; 4.3.1.1; 4.3.2.1).

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la retraite. Les élites en partie, méprisent cette Francophonie qu’ils considèrent comme passéiste, et laissent planer l’ombre d’un certain racisme. La Francophonie c’est la pauvreté, l’Anglosphère c’est la richesse (LVF, 06. 01. 2013). Diese Belege aus der deutschen und französischen Praxis metasprachlichen Handelns zeigen, dass Laienlinguistik als bewegliche Schnittstelle von Metasprachdiskursen im Spannungsfeld zwischen beschreibenden und bewertenden Diskursen über Sprache stets im konkreten, d. h. auch medialen Kontext und kommunikativen Kotext betrachtet werden muss. Dabei sind bestimmte Spracheinstellungen und Sprachgebrauchsmuster in der öffentlichen Diskussion, wie insbesondere die topische Ablehnung der Sprachwissenschaften, stark verfestigt. Andere, wie an der Diskussion über die Herkunftssprachen gezeigt wurde (cf. 180–183), unterliegen einem heterogeneren Meinungsspektrum. In dieser diskursiven Situierung kann metasprachliches Handeln von Sprechern in Abhängigkeit vom Grad der sprachideologischen Prägung mehr in die beschreibende Richtung linguistischen Sprachhandelns gehen oder mehr in die bewertende Richtung der Sprachpflege (cf. Abb. 15). Dieser Ansatz beruht auf der Prämisse, dass in dynamischen Wissenssystemen einerseits fachliche Wissensbestände kein Ausschlusskriterium sind, sich sprachideologisch zu positionieren, ebenso wie andererseits auch sprachideologische Wissensbestände in Synergien zu linguistischem Wissen treten können oder durch wissenschaftliche Erkenntnisse ergänzt bzw. modifiziert werden können.

3.3.8 20. Jahrhundert bis heute: Sprachpflege als Sprachverteidigungsdiskurs Im 20. Jh. entwickeln sich die im 19. Jh. noch sekundären externen Belange der französischen Sprachkrise zum Motor einer rigorosen Sprachpflege und eines breiten öffentlichen, durch den Staat gelenkten Sprachkulturprogramms auf offizieller und offiziöser Ebene. Nach der industriellen Revolution und der Institutionalisierung des Schulwesens und der Massenmedien markiert die Befreiung Frankreichs von den deutschen Besatzern am Ende des Zweiten Weltkriegs nicht nur den Beginn des «français contemporain», sondern auch den Beginn eines Rivalitätskonfliktes zwischen dem Französischen und Englischen im internationalen Kontext, «der zunächst durch Europäisierung, später durch Globalisierung von Politik, Wirtschaft und Kultur geprägt ist» (Lebsanft 2002, 67).268 268 Die Gründe für die Krise des Französischen im 20. Jh. sind mit Muller (1985) differenzierter zu betrachten: Neben den genannten sozialen Transformationsprozessen und dem wissen-

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Was zunächst die traditionellen Formen der Sprachkultur und die Normierungsmittel anbelangt, wird das historische Konformitätsprinzip bis zum Zweiten Weltkrieg unbeirrt als Richtwert bei der Konzeption der Wörterbücher und Grammatiken angewendet. Mit drei Nachdrucken (1956–1958; 1978) bleibt der Littré auch über diesen Zeitpunkt hinaus lexikalisches Referenzwerk und auch die noch aktuelle achte Edition des Dictionnaire de l’Académie (1932–1935) hält an der charakteristischen Vergangenheitsstreue der Sprachnormierung fest (cf. Muller 1985, 35–36; Kap. 3.3.6).269 An der «[…] am literarischen Kanon ausgerichteten Tradition des Littré – jedoch mit viel stärkerer Berücksichtigung der diastratisch-diaphasichen Variation» (Lebsanft 2002, 66) – orientiert sich auch der der von Paul Robert zwischen 1951–1964 in insgesamt sechs Bänden vorgelegte Dictionnaire alphabétique et analogique de la langue française, dessen Ergänzungsband (1970) von Alain Rey und Josette Rey-Debove verfasst wird (cf. Muller 1985, 37). Die Nachfolgeausgabe, der Grand Robert de la langue française, wird von Alain Rey herausgegeben (Grand Robert 2001; cf. hierzu auch Gouvert/Heidemeier 2015, 562–568) und heute als kostenpflichtige elektronische Version in verschiedenen Abonnementoptionen auf den Seiten der Verlagsgruppe Dictionnaires le Robert angeboten.270 Nachdem zu Beginn des 20. Jhs. auch Girault-Duviviers Grammaire des grammaires noch als grammatisches Referenzwerk genutzt wird, an das die Grammaire de l’Académie aufgrund ihres Misserfolgs mit der Ausgabe von 1932 nicht anschließen konnte, wird diese Lücke 1936 mit Maurice Grevisses Le Bon usage gefüllt. In der jüngsten Auflage (2016) verortet der Herausgeber André Goosse, der 1980 die Arbeit am Bon usage übernommen hat, die Ziele der Grammatik noch deutlicher im deskriptiven Bereich, nachdem bereits sein Schwiegervater Grevisse in der ersten Auflage die emblematische Anknüpfung an den

schaftlichen sowie technischen Fortschritt tragen neue Entwicklungen in der Konzeption von Literatur und Kultur, aber auch das kulturelle Wachstum und die beginnende Emanzipation der Kulturen innerhalb der francophonie, die neue Bedeutung der Mündlichkeit durch Radio und Fernsehen sowie die Rolle der Linguistik, die sich der Normendiskussion immer dezidierter entzieht, zur Erschütterung des französischen Normenideals bei (cf. Muller 1985, 46–50). 269 Die Fertigstellung der neunten Auflage ist für das Jahresende 2019 vorgesehen. Bisher sind die drei ersten Bände dieser Auflage (1992–2011) erschienen. Im Februar 2019 hat die Académie française ein neues Onlineportal mit Zugang zur achten und den bisher fertiggestellten Bänden der neunten Auflage eingerichtet. Diese neunte Edition wird von der Académie als «entrée résolue dans la ‹lexicographie moderne› telle qu’elle s’est développée dans la seconde moitié du XXe siècle» angekündigt (cf. Dictionnaire de l’Académie 2019). Sprachnormative Prinzipien der Wörterbuchkonzeption bleiben durch die Aufnahme kasuistisch aufbereiteter sprachlicher Zweifelsfälle bestehen. Diese werden seit 2010 von der Académie als Notizen in der Rubrik Dire ne pas dire veröffentlicht (cf. AF 2019c). 270 Cf. https://www.lerobert.com/ [letzter Zugriff: 12. 09. 2019].

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Sprachnormendiskurs des 17. Jhs. nicht mehr dogmatisch auffasst, sondern als moderne Form einer klassischen Sprachbetrachtung zwischen «laxisme systématique» und «purisme intransigeant» (cf. Winkelmann 1990, 351). In fortführender Vision hebt Goosse auch die Partizipation der Leserschaft und somit des öffentlichen Sprachurteils bei der Konstitution der Grammatik hervor: «À la veille de ses quatre-vingts ans, Le bon usage se présente dans une édition soigneusement revue, selon le triple but que s’est assigné l’ouvrage depuis ses origines: non pas décréter, juger, condamner, mais observer, décrire, expliquer, à l’intention des lecteurs intéressés par le français, par le français vivant. La relation avec eux est d’ailleurs réciproque: par leurs questions, objections, suggestions, ils sont de véritables collaborateurs, et je leur en suis reconnaissant» (Le bon usage 2016, Note préliminiare).

In einer ähnlichen Zielrichtung steht ein weiteres lexikographisches Kompilationsvorhaben der Linguistik zum Wortschatz des 19. und 20. Jhs.: Dieses wird 1960 mit der Gründung des Centre de recherche pour un Trésor de la langue française in die Wege geleitet. Zwischen 1997 und 1994 wird dort zunächst unter Leitung von Paul Imbs und dann, nach der Übernahme des Projekts durch Bernard Quemada 1977, im Rahmen des neu gegründeten Institut national de la Langue Française (InaLF) der Trésor de la langue française (TLF) in 16 Bänden und einem Ergänzungsband als gemeinsprachliches Definitionswörterbuch vorgelegt (cf. Lebsanft 2002, 66).271 Eine kostenfreie elektronische Version, der Trésor de la langue informatisé (TLFi) wird seit Beginn der 2000er Jahre von der Forschungsgruppe Analyse et Traitement Informatique de la Langue Française (ATILF) zur Verfügung gestellt, die dem Centre national de recherche scientifique (CNRS) untersteht und an der Université de Lorraine angesiedelt ist (cf. TLFi 2019). Nach ersten Höhepunkten der Sprachkrise im Rahmen des Orthographiestreits, der sich zu Beginn des Jhs. v. a. auf die Schulen und Universitäten als normgebende Instanzen konzentriert, verfestigt sich nach dem Ersten und zum Ende des Zweiten Weltkriegs der seit Malherbe konsistente Reinheitsdiskurs in einer neuen, radikalen fremdsprachenpuristischen Tendenz gegen anglophone Spracheinflüsse, die in den 1960er Jahren spätestens mit René Étiembles Buch Parlez-vous franglais ? (1964) eine «regelrechte Krisenhysterie aus[löste]» (Winkelmann 1990, 347). Die auf den Aufruhr um den Sprachverfall folgende öffent-

271 Zur Aktualität des im TLF erfassten Sprachgebrauchs gibt einschränkend Muller (1985) zu bedenken: «[…] l’ouvrage pris par guide de l’emploi actuel de la langue risque d’imposer un français scriptural, trop classique. Il est fort significatif à cet égard de n’y trouver des références qu’à quelques numéros isolés de quotidiens (Le Combat, Le Figaro, L’Humanité, Le Monde des 19 et 20 janvier 1952 ; Le Temps d’octobre 1938)» (Muller 1985, 37).

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liche Forderung, gegen den Einfluss des Englischen vorzugehen, beschreibt Der Spiegel als «Säuberung der französischen Sprache von anglo-amerikanischen Fremdkörpern», die er mit dem Eifer «deutsche[r] Sprachreiniger» gleichsetzt (Spiegel 27. 05. 1964, 120–121). Die nun in der breiten Öffentlichkeit angekommene Krisenstimmung bewegt den französischen Staat ab Mitte der 1960er Jahre zu entschlossenen und einschneidenden Sprachverteidigungs- und Sprachverbreitungsmaßnahmen des Französischen in der Welt. «Unter dem an du Bellay anknüpfenden Schlagwort der défense de la langue française diskutiert die französische Sprachgemeinschaft den Status ihrer Sprache in der Gesellschaft (Sprachstatus) und die Funktionalität des Französischen als Ausdrucksmittel (Sprachkorpus). Es werden politische und juristische Maßnahmen ergriffen, um den Platz des Französischen national und international zu behaupten sowie die Ausdrucksfähigkeit der Sprache für alle Gegenstandsbereiche der modernen Welt zu sichern» (Lebsanft 2002, 67).

Diese Sprachverteidigung verteilt sich auf verschiedene Domänen des öffentlichen Metasprachdiskurses, den man grundsätzlich in die großen Bereiche Sprachgesetzgebung und institutionalisierte Sprachpflege einteilen kann. Letztere lässt sich wiederum in nationale und internationale Organe offiziellen, offiziösen und privaten Charakters unterteilen. Analog zum Überblick über die Strukturen des öffentlichen Metasprachdiskurses in Deutschland nach 1945 (cf. Kap. 3.2.5) werden weiter unten ausgewählte Institutionen, Organisationen und Gesellschaften auf französischer Seite vorgestellt, die in den oben skizzierten Domänen metasprachlicher Aktivitäten verortet werden können. Terminologisch gefasst geht es dabei in allen Bereichen um «Sprachplanung» i. S. der von Cooper (1989) vorgeschlagenen, weiten Begriffsdefinition: «Language plannung refers to the deliberate efforts to influence the behaviour of others with respect to the acquisition, structure, or functional allocation of their language codes. This definition neither restricts the planners to authoritative agencies, nor restricts the type of the target group, nor specifies an ideal form of planning. Further, it is couched in behavioral rather than problem-solving terms. Finally, it employs the term influence rather than change inasmuch as the former includes the maintenance or preservation of current behaviour, a plausible goal of language planning, as well as the change of current behaviour» (Cooper 1989, 45).272

272 Cf. hiervon abweichende Definitionen von «Sprachplanung», d. h. entweder i. e. S. in Anlehnung an den Begriff language planning im englischsprachigen Forschungsraum, der von einer Beschränkung auf nationale Kontexte (cf. Rubin/Jernudd 1971) bzw. auf bestimmte Bereiche sprachlicher Standardisierung ausgeht (cf. Haugen 1983) oder i. S. Dieckmanns, der auf die «Entwicklung oder Auswahl von Sprachen bzw. Sprachvarietäten und ihrer Kodifizierung» abhebt (1980, 512) und somit in klarer Abgrenzung zu «Spachpflege» als letzter Phase von Sprachplanung als diachronem Prozess steht. Weitere frühe theoretische Impulse aus dem Bereich der sprachpolitischen Forschung stammen u. a. von Tauli (1968) und Fishman (1987)

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Innerhalb dieses weiten Bedeutungsbereichs ist in Abhängigkeit von den Aktivitäten und Zielen von Sprachplanung eine weitere Differenzierung möglich. Steht dabei, wie bei den metasprachlichen Aktivitäten, die in dieser Arbeit betrachtet werden, «ausdrücklich die Kultivierung eines bereits bestehenden Kommunikationssystems mit dem Ziel der Modifikation und des Ausbaus im Mittelpunkt» (Polzin-Haumann 2006b, 1473), so kann von «Sprachpflege» gesprochen werden.273 «Sprachpflege» kann dann wiederum in Abhängigkeit der Gegenstände und Bezugspunkte der Kultivierung in die von Kloss (1968) definierten Bereiche der Korpusplanung (corpus planning) und Statusplanung (status planning) strukturiert werden. Dabei meint «Korpusplanung» den Eingriff in die sprachliche Form auf verschiedenen Ebenen (z. B. Lexikon, Grammatik, Morphologie) oder in die normativen Prinzipien von Kommunikation; «Statusplanung» hingegen bezieht sich auf die Sprache und ihren Status als Ganzes (cf. 1968, 81). Dieses Verständnis von «Sprachpflege» wird im Rahmen der synchronen Untersuchung (cf. Kap. 4) zunächst auf das sprachliche Handeln von Akteuren angewendet, deren metasprachliches Handeln traditionell sprachideologischen Handlungszwecken unterliegt (cf. Kap. 4.2) und dann auf öffentliche Kommunikationsräume im Internet ausgeweitet, um die Rezeption der von den Sprachpflegeorganisationen gesetzten sprachideologischen Positionierungen zu untersuchen (cf. Kap. 4.3). «Korpusplanung» und «Statusplanung» als metasprachliche Handlungsfelder von Sprachpflege stellen dabei als übergeordnete Kategorien der Korpusanalyse den roten Faden der Untersuchung dar und dienen der Klassifikation topischer Sprachgebrauchsmuster als Handlungskonstituenten von Sprachpflege (cf. Kap. 4.1.1, 4.1.3). In der französischen Terminologie bestehen analog und ebenfalls im begrifflichen Zusammenhang mit politique linguistique der Terminus planification linguistique (Calvet 1999, 154–155) und dazu konkurrierende Bezeichnungen wie normalisation linguistique aus dem Bereich der katalanischen Soziolinguistik

sowie zu den Begriffen «Korpus»- und «Statusplanung» von Kloss (1969). Dabei ist für folgende Betrachtungen mit Marten (2016) entscheidend, dass die Begriffe «Sprachpolitik» und «Sprachplanung» «[…] heute das [beinhalten], was in der Generation Haugens darunter verstanden wurde, schließ[en] jedoch auch Elemente von Sprachkultur-, -kritik, -pflege und -management mit ein, und bleib[en] auch nicht auf derartige Ausschnitte beschränkt» (Marten 2016, 22). Für einen Überblick der terminologischen Entwicklung in diesem Bereich cf. Jernudd/Nekvapil (2012); Marten (2016). 273 Cf. hierzu die ähnliche Definition von Moser (1967) zum Terminus «Sprachlenkung»: «Vorgang systematischen Eingreifens in das sprachliche Geschehen mit der Absicht, in einem bestimmten Teil oder im ganzen Bereich der Geltung einer Sprache, in gestaltlicher oder inhaltlicher Beziehung oder beiderlei Hinsicht, systematisch Veränderungen durchzusetzen und eine neue Norm zu schaffen» (1967, 23).

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(z. B. Aracil 21982; Teulat 1975) oder aménagement linguistique im Kontext des français québécois (z. B. Corbeil 1980).274 Als weitere Alternative hat sich der Neologismus glottopolitique (Guespin/Marcellesi 1986) herausgebildet, der u. a. auch im Bereich der Sprachideologie- und Stereotypenforschung im Rahmen sprachpuristischer Repräsentationen Anwendung findet (cf. Bochmann 2001). Dabei ist in gesamtgesellschaftlicher Perspektive mit Coulmas (1985) darauf hinzuweisen, dass Sprachpolitik meistens nicht in der Lage ist, die Bedürfnisse aller Parteien einer Sprachgemeinschaft zu berücksichtigen, was sowohl in der Disparität der jeweiligen Zielsetzungen begründet liegt als auch durch die steigende Komplexität der gesellschaftlichen Entwicklung erschwert wird (cf. Kap. 2, Abb. 2). Daraus ergibt sich ein dauerhaftes und potenziell steigendes Konfliktpotenzial von Sprachpolitik respektive Sprachpflege: «Die Notwendigkeit, die gesellschaftlichen Kommunikationsmittel der allgemeinen gesellschaftlichen Entwicklung anzupassen, besteht immer. Je mehr man sich aber neuzeitlichen Zusammenhängen nähert, desto deutlicher wird die Interdependenz von Anpassung der Kommunikationsmittel an die gesellschaftlichen Bedürfnisse einerseits und der Einwirkung auf die gesellschaftlichen Entwicklung [sic] durch Innovation der Kommunikationsmittel andererseits […]. Sprachpolitik ist die zielgerichtete Intervention in die Entwicklung der Sprache(n) einer Gesellschaft. Sie operiert oft unter Prämissen, die keine ideale Lösung, sondern allenfalls die Minimierung negativer Entwicklungstendenzen erlauben, da sich gleichrangige oder als gleichrangig befundene Ideale nicht miteinander vereinbaren lassen, wie z. B. die Sprachenfreiheit als Menschenrecht im Interesse jeder einzelnen Sprachgemeinschaft und die sprachliche Vereinheitlichung der Nation im Interesse des Staates» (Coulmas 1985, 260).

Was die Entwicklung der Kommunikationsmittel und -formen anbelangt, wurde bereits an verschiedenen Stellen dieser Arbeit gezeigt, in welchem Maße die Massenmedien durch eine beträchtliche Anzahl an normativen Zeitschriften und v. a. ab dem Ende des 20. Jhs. durch das Internet als digitalem Diskursraum (cf. Kap. 2.2) einen entscheidenden Platz in der metasprachlichen Meinungsbildung eingenommen haben (cf. Polzin-Haumann 2006b, 1481) und dabei auch die traditionellen Gebiete der normativen Grammatikographie, Lexikographie und Stilkritik in den Schatten stellen. Vor der gesellschaftlich weitreichenden Entgrenzung der Sprachendiskussion durch die digitale Kommunikation wird die französische Sprachpflege im 20. Jh. zunächst durch ihre fortschreitende Institutionalisierung geprägt, die für die Struktur des öffentlichen Metasprachdiskurses und seine ideologische Richtung bis dato maßgeblich ist:

274 Zur Terminologisierung von «Sprachplanung» bzw. «planification» und «aménagement linguistique» cf. Labrie/Nelde (1994); Lebsanft (1997, 81–85); Polzin-Haumann (2006b, 1473); Boyer (2010, 67–71); Eckkrammer/Lescure (2015, 135–136); Tacke (2015, 216–217).

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Neben der Académie française, die als Symbol des klassischen Sprachideals und Statthalterin der sprachlichen «exception française» v. a. die historische Identität der französischen Sprachpflege aufrecht erhält (cf. Kap. 3.3.4), und der OIF, die diese «exception» in der französischsprachigen Welt unter dem weltoffenen und modernen Etikett «ensemble dans la diversité» (OIF 2019a; cf. Kap. 2.2.1–2.2.2) vertritt, wird mit der Gründung des Haut comité pour la défense et l’expansion de la langue française (1966) eine staatliche Koordinationsstelle für die sprachpolitische Regierungsarbeit geschaffen, die gesellschaftliche Vielfalt und sozialen Zusammenhalt zu ihren obersten Prinzipien erklärt (cf. DGLFLF 2019a).275 Die Anerkennung der sprachlichen Vielfalt durch den Staat wurde zwar 2001 durch die Erweiterung des vormaligen Titels DGLF mit den Zusatz «et aux langues de France» offizialisiert, jedoch lässt sich eine Sprachenpolitik gelebter Akzeptanz nur schwer an der Arbeit der DGLFLF erkennen. Mit welcher Prioritätenverteilung sich die Arbeit der Generaldelegation der Anwendung eigens erklärter Grundsätze verpflichtet, zeigt ein kurzer Blick in den jüngsten Jahresbericht von 2016 (cf. DGLFLF/Bilan 2016). Dort steht bei der Darlegung des institutionellen und rechtlichen Rahmens der Spracharbeit der DGLFLF der Verweis auf die Förderung sprachlicher Vielfalt an zweiter Stelle und somit erwartungsgemäß nach dem Verweis auf den verfassungsrechtlichen Rahmen, der dem Französischen Monopolstatus gewährt: (187) En second lieu, la DGLFLF est chargée de définir une politique de promotion de la pluralité linguistique interne. Elle prend notamment appui sur l’article 75–1 de la Constitution aux termes duquel « les langues régionales appartiennent au patrimoine de la France ».276 Dans ce cadre, l’action de la DGLFLF répond à un certain nombre d’objectifs touchant à la promotion de la langue française dans la société comme à la valorisation de la diversité linguistique qui la constitue (DGLFLF/Bilan 2016, 2). Dieser Priorisierung der Nationalsprache folgt die Gliederung des gesamten Rapports, der in der ersten Hälfte der insgesamt knapp 30 Seiten die Berichterstattung auf das Französische beschränkt und sich dann erst in der zweiten

275 Das Haut comité pour la défense et l’expansion de la langue française wird seit 2001 nach zahlreichen Denominationsänderungen als «service chargé d’élaborer au plan interministériel la politique linguistique de l’Etat» durch die Délégation générale à la langue française et aux langues de France (DGLFLF) repräsentiert (cf. DGLFLF 2019a). 276 Dass es sich beim Verweis auf Art. 75–1 der französischen Verfassung mehr um einen formalen als um einen faktischen Zuspruch zugunsten der Regionalsprachen handelt, zeigen Streitfälle wie die Affaire Fañch (cf. Kap. 3.3.5).

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Hälfte der sprachlichen Vielfalt und Mehrsprachigkeit innerhalb der Frankophonie widmet: Der erste Teil thematisiert die bekannten Skopen der französischen Sprachpolitik: Dabei geht es v. a. um Beiträge, Maßnahmen und Initiativen der DGLFLF im Rahmen der «vigilance constante» über die Einhaltung der loi Toubon im Bereich des öffentlichen Verbraucherschutzes (cf. Loi n° 94–665), um die Sicherung des Französischen als Wissenschaftssprache sowie um seine gezielte Förderung, z. B. im Rahmen von Arbeitsgruppen in Unternehmen, womit dem Auftrag des Sprach(en)schutzes und der Sprachbereicherung ausschließlich in Bezug auf die Nationalsprache entsprochen wird. Dem nationalen Sprachschutz in Form gezielter Korpusplanung dient auch die Beteiligung an der groß angelegten Terminologiearbeit, die von der DGLFLF vorangetrieben wird: So wurde z. B. anlässlich der Fußballeuropameisterschaft und der Olympischen Spiele 2016 in Zusammenarbeit mit der OIF, dem nationalen Sportinstitut (INSEP) sowie weiteren Partnern ein dreisprachiges elektronisches Wörterbuch («Lexicosports») als mobiler Sprachratgeber entwickelt. Unter der Aufforderung «Vous pouvez le dire en français» wurde dabei Journalisten und Sportlern nahegelegt, bei ihrer Berichterstattung auf die konsequente Wahl französischer Termini bzw. äquivalenter Ausdrücke aus der eigenen Sprache zu achten (cf. DGLFLF/Bilan 2016, 7). Der terminologischen Standardisierung als der zentralen Zielsetzung staatlicher Sprachplanung kommt seit der zweiten Hälfte des 20. Jhs. und v. a. durch das dritte französische Sprachgesetz, die Loi Bas-Loriol (1975), eine entscheidende Bedeutung zu (cf. Schmitt 1990, 366). Die ursprünglich für diese Arbeit zusammengestellten Commissions de terminologie et de néologie wurden durch zwei Dekrete 1996 (cf. Décret n° 96–602) und 2015 (Décret n° 2015–341) umbenannt, modernisiert und strukturell vereinfacht: Die sog. Commission d’enrichissement de la langue française untersteht heute als Teil des vom Ministre de la Culture eingerichteten «dispositifs d’enrichissement de la langue française» der Koordination der DGLFLF, der Autorität des Kulturministers sowie dem Vorsitz eines Mitglieds der Académie française. Die terminologische Spracharbeit am französischen Fachwortschatz verteilt sich somit auf die bekannten Akteure der französischen Sprachpflege sowie weitere, zum Netzwerk gehörende Expertengruppen und Partner wie die Académie des sciences, die Sprachpflegeorganisation Association française de normalisation (AFNOR), ausgewählte universitäre Vertreter, die Direction générale de la traduction de la Commission européenne sowie die sprachpolitischen Organe einzelner Vertreter der Frankophonie, darunter die Fédération Wallonie-Bruxelles, Canada und Québec. Die Validierung des innerhalb dieses staatlich organisierten Sprachpflegeverbunds erarbeiteten Fachwortschatzes und der Neologismen erfolgt vor Veröffentlichung im Journal officiel durch die Académie française. Über die von der

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DGLFLF verwaltete Seite FranceTerme ist die Konsultation der Ersatzwörter für die breite Öffentlichkeit zugänglich gemacht (cf. FranceTerme 2019a). Die Orientierung dieser modernisierten fachsprachlichen Normierungsarbeit bewegt sich auf der Grundlage alter Zielsetzungen und trotz des allgegenwärtigen Verweises auf die Herausforderung des «plurilinguisme réel, fondé sur le respect des cultures» deutlich an der Realität sprachlicher Diversität vorbei in Richtung der seitens offizieller Sprachpflege vielbestrittenen «optique étroite d’une lutte passéiste contre l’anglais ou toute autre langue» (DGLFLF/Rapport 2018, 9). (188) Certes, le français est bien vivant et l’adaptation de son vocabulaire aux évolutions du monde contemporain se fait en grande partie directement, dans les laboratoires, les ateliers ou les bureaux d’étude. Mais pour éviter que, dans certains domaines, les professionnels soient obligés de recourir massivement à l’utilisation de termes étrangers qui ne sont pas compréhensibles par tous, la création de termes français pour nommer les réalités d’aujourd’hui doit être encouragée et facilitée : la production terminologique en français est donc un impératif (FranceTerme 2019b, o.S.). Dabei vermögen auch eine mildere Darstellungsweise beabsichtigende Formulierungen wie «utilisation de termes étrangers» (cf. 188) den fremdsprachenpuristischen Fokus auf vorrangig anglo-amerikanischen Lehnwortschatz nur schlecht zu kaschieren, wie es aktuelle Empfehlungen für Ersatzwörter beispielhaft belegen (cf. 189, 190): (189) Il ne fait plus de doute que les émissions de gaz à effet de serre engendrées par les activités humaines altèrent la composition de l’atmosphère de la planète et viennent s’ajouter aux variations naturelles du climat. Évolution du climat désignée couramment par le terme changement climatique anthropique, abrégé en changement climatique (anthropogenic climate change, man-made climate change en anglais) (DGLFLF/Références 2018, 3). (190) À l’époque de la mondialisation, certaines notions nouvelles, venues d’Outre-Atlantique, sont reprises de l’anglais. Pour les actions en justice menées au nom d’un ensemble de personnes (en anglais class action), le terme action de groupe (publié en 2006) évite toute confusion, le mot « classe » n’ayant pas le même sens en français et en anglais (DGLFLF/ Références 2018, 3).

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Die weitere Arbeit der DGLFLF bewegt sich über ihre Rolle innerhalb des «dispositifs d’enrichissement de la langue française» weitestgehend im Kontext einer kulturell orientierten Sprachsensibilisierung («donner le goût de la langue française»), z. B. in Form des Literaturwettbewerbs «Dis-moi dix mots» oder der Einladung französischer Schulklassen in die sprachhistorisch traditionsreiche Comédie Française. Derartige Events «sous le signe de la diversité» werden, wie die Absichtserklärungen der Delegation, in einem eher symbolisch anmutenden, frankophonen Kontext platziert (z. B. «Semaine de la langue française et de la francophonie»), v. a. wenn man z. B. betrachtet, dass in einem Bericht zu einem frankophonem «cabaret littéraire» die Beschreibung des nationalen Literaturkanons im Vordergrund steht (cf. DGLFLFG/Bilan 2016, 11–12). Die eher oberflächliche Verfahrensweise der DGLFLF in Bezug auf den Umgang mit Mehrsprachigkeit potenziert sich im zweiten Teil des Berichts: Was die Förderung sprachlicher Vielfalt in der Frankophonie angeht, bleibt die aktive Spracharbeit der Delegation vage und bewegt sich im Rahmen einer mehr oder weniger verbindlichen Unterstützung, Begünstigung und Berücksichtigung sprachlicher Varietäten. Die französische Sprachpflege darf hier eher als partnerschaftliche Teilhabe an unterschiedlichen Projekten verstanden werden. Darunter fällt z. B. die Mitarbeit in der Interessengemeinschaft zur interregionalen Institutionalisierung des Okzitanischen bei der Gründung des Office public de la langue occitane (2015), beim Ausbau zweisprachiger Bildungsangebote und der Sichtbarmachung des Baskischen im öffentlichen Raum durch das Office public de la langue basque (OPLB), bei der Organisation regionaler Musikfestivals oder an Forschungsprojekten in Überseegebieten wie z. B. dem Projekt «Savoir autochtones des Wayana-Apalaï» (SAWA). Bei dem an letzter Stelle genannten Projekt handelt es sich um eine Kooperation mit der Université Paris X – Nanterre, dem Musée du Quai Branly und der Direction des Affaires culturelles de Guyane, bei dem es um die Restitution und Erforschung von amerindischen Kulturgütern in Zusammenarbeit mit den indigenen Bevölkerungsgruppen geht. Eine weitere Initiative der DGLFLF zugunsten der «promotion du plurilinguisme» stellt die koordinierende Beteiligung an der Entwicklung mehrsprachiger digitaler Ressourcen und Anwendungen dar. Darunter fällt das 2016 eingerichtete Wikimedia-Projekt LinguaLibre.fr, eine Online-Aufnahmeplattform und Soundbibliothek, deren Ziel die Erstellung eines Audiokorpus aus Regionalund Minderheitensprachen ist. Im April 2019 umfasste die Datenbank 100.000 Audiodateien in 46 Sprachen, die von 128 Sprechern aufgenommen wurden (cf. Lingua Libre 2019). Wie Schmitt (1990) für das ausgehende 20. Jh. konstatiert, lässt auch der Blick auf die nachfolgende und aktuelle Entwicklung der französischen Sprachpolitik eine weiterhin bestehende Diskrepanz zwischen einer rückwärtsgewand-

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ten nationalen Sprachpflege und einer fortschreitenden gesellschaftlichen Veränderung erkennen. Dabei spiegelt sich der Druck der öffentlichen Meinung zugunsten einer liberaleren Sprachenpolitik und «[d]ie Unzufriedenheit mit der offiziellen Sprachplanung und den für die französische Sprachplanung zuständigen Ämtern […] nicht zuletzt auch in der ständigen Umbenennung» (1990, 369) der offiziellen Sprachbehörden, wie auch Molitor (2004) am Beispiel der Umbennenung der DGLF in DGLFLF unterstreicht: «Der Wandel zugunsten der Mundarten und Minderheitensprachen setzt sich in der November 2001 [sic] vollzogenen Umbenennung der Délégation générale à la langue française (DGLF) in Délégation générale à langue française et aux langues de France (DGLFLF) fort. Seitdem hat es sich die DGLFLF zur Aufgabe gemacht, nicht nur das Französische auf nationalem und internationalem Territorium zu fördern und zu verbreiten, sondern auch die Mehrsprachigkeit als ein Garant [sic] kultureller Vielfalt zu unterstützen. Es ist ferner die Aufgabe der DGLFLF, die auf französischem Territorium beheimateten Regionalsprachen zu schützen und sich für eine für diese begünstigende Kulturpolitik einzusetzen» (Molitor 2004, 73–74).

Heute unterliegt diese sich ausgangs des 20. und eingangs des 21. Jhs. abzeichnende, langsame Öffnung der offiziellen französischen Sprachpflege einem nach wie vor dominant nationalsprachlichen Habitus, der Initiativen in Richtung einer umfassenden Demokratisierung des öffentlichen Metasprachdiskurses weiterhin ausschließt. Die punktuelle Lockerung der sprachpolitischen Tradition, mit der «die französische Regierungspolitik […] auf Forderungen einer breiteren Öffentlichkeit ein[geht], indem sie sich dem Versuch stellt, auch benachteiligte oder minder bemittelte Gruppen der Gesellschaft zu ihren in einem demokratischen Staat garantierten Rechten zu verhelfen» (Holtus 2003, 151), scheint dabei nach wie vor ein halbherziges Zugeständnis zu bleiben. Dabei geht der französische Staat den Weg eines punktuell macht- und traditionsentkoppelten Metasprachdiskurses nur dort, wo er im Rahmen der gefestigten monozentrischen Sprachplanung gangbar ist. Dabei stellt er sich dem Versuch sprachlicher Gleichberechtigung auf seine eigene Weise, indem der historisch und sprachideologisch fest verankerte Protektionismus der «langue une et indivisible» letzten Endes qua Verfassung immer über öffentlich-konsensuellen Werturteilen zur Bedeutung der Mehrsprachigkeit für die frankophone Sprechergemeinschaft steht. Aus diesem Grund kann der Förderung der Mehrsprachigkeit im eigenen Land bis dato weiterhin nicht mehr als der Status einer sprachpolitischen Kulturgutpflege zugesprochen werden: (191) La France dispose d’un patrimoine linguistique d’une grande richesse. La pluralité des langues façonne l’identité culturelle de la France. À côté du français, langue nationale, dont le caractère officiel est inscrit depuis

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1992 dans la Constitution, les langues de France sont notre bien commun, elles contribuent à la créativité de notre pays et à son rayonnement culturel. On entend par langues de France les langues régionales ou minoritaires parlées par des citoyens français sur le territoire de la République depuis assez longtemps pour faire partie du patrimoine culturel national, et ne sont langue officielle d’aucun État (DGLFLF 2019b). Wie wenig streitbar diese Position für die DGLFLF als Vertreterin der Regierung ist, zeigt darüber hinaus die nüchterne Präsentation gescheiterter Bestrebungen zur offiziellen Anerkennung der Mehrsprachigkeit des Landes im o. g. Jahresbericht von 2016 (cf. DGLFLF/Bilan 2016, 15): Sowohl der Verweis auf den 2015 gescheiterten Antrag auf Verfassungsänderung zur Ratifikation der Charta der Regional- oder Minderheitensprachen (cf. Kap. 3.3.4) als auch eine weitere, ebenfalls unter der Leitung Paul Molacs (cf. Kap. 3.3.5) eingebrachte Proposition de loi relative à l’enseignement immersif des langues régionales et à leur promotion dans l’espace public (cf. Proposition N° 3288/2015) werden dort lediglich erwähnt und nicht weiter ausgeführt. Diese von der DGLFLF als direkte offizielle Vertreterin der staatlichen Sprachpflege in einem überwiegend sachlichen Ton präsentierten Einstellungen zum Französischen in Abgrenzung zu anderen Sprachen werden von den associations agréées de défense de la langue française polemisch und sprachideologisch aufgeheizt. Diesen Status einer von den Ministerien für Justiz und Frankophonie seit 1995 für die Dauer von drei Jahren ausgesprochenen Anerkennung als offizielle Sprachverteidigungsorganisation teilen sich zurzeit vier Sprachpflegevereine, darunter auch Avenir de la Langue Française (ALF, cf. Kap. 3.3.8): «Quatre associations ayant pour objet statutaire la défense de la langue française bénéficient d’un agrément accordé conjointement par le ministère de la Justice et par le ministère de la Culture: – Défense de la langue française (DLF), présidée par M. Xavier Darcos; – Avenir de la langue française (ALF), présidée par M. Albert Salon; – Association francophone d’amitié et de liaison (AFAL), présidée par M. Jacques Godfrain; – Forum francophone des affaires (FFA), présidée par M. Stève Gentili» (DGLFLF/Rapport 2017, 28).

Die vier Organisationen, deren Aufgaben sich klar durch die gemeinsame «action de veille» über die Einhaltung des Sprachgesetzes von 1994 definieren, können als Nebenkläger in sprachenbezogenen Rechtsstreitigkeiten in den folgenden öffentlichen Bereichen auftreten und unterliegen einer von der DGLFLF nicht weiter erläuterten Kontrolle durch einen Regierungsdienst: «[…] l’information relative aux biens, produits et services (article 2 de la loi du 4 août 1994) ; l’information par la voie d’inscriptions ou d’annonces faites sur la voie publique,

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dans un lieu ouvert au public ou dans un moyen de transport en commun (articles 3 et 4); les colloques organisés en France (article 6); les publications, revues et communications diffusées en France par les services publics (article 7); les offres d’emploi (article 10)» (DGLFLF/Rapport 2017, 28).

Diese Zielbereiche legen den Grundstein für eine rigide nationale, sprachnormative und fremdwortpuristische Ausrichtung der von privaten Vereinen betriebenen Sprachpflege als verlängerter Arm der monozentrischen Sprachpolitik des Staates. Dieser gemeinsamen Mission entsprechend teilen sich die Organisationen nicht nur den Status amtlich anerkannter Sprachpflege, sondern auch gleiche sprachideologische Positionierungen und Spracheinstellungen, die im Folgenden kurz dargelegt werden: Die Spracharbeit der 1958 unter der Ägide der Académie française gegründeten Défense de la langue française (DLF; cf. Muller 1985, 41) ist in verschiedenen Arbeiten bereits ausführlich untersucht worden (z. B. Schmitt 1998b; KleinZirbes 2001). Nicht zuletzt aufgrund ihrer Gründungshistorie ist die DLF, ähnlich der Netzwerkstruktur der deutschen Sprachpflegevereine, eng mit führenden politischen Bereichen verbunden. Ihr Vorsitzender, Xavier Darcos, war nach seiner Tätigkeit zunächst als Staatsminister für Bildung, dann für Frankophonie bis 2019 Arbeitsminister. Seit 2013 ist er Mitglied der Académie française. Die auf der Hompage der DLF beschriebenen Aktivitäten stützen sich auf eine Darstellung des Französischen als «trésor» mit einzigartigen sprachlichen Qualitäten («clarté», «simplicité», «harmonie»). Diese legitimieren sowohl die Annahme einer französischen «précellence au sein des langues européennes» als auch die Verteidigung dieses Status durch einen organisierten und solidarischen Widerstand gegen die «invasion incontrôlée et nuisible» fremdsprachigen Wortschatzes (DLF 2019b). Schon dieser kurze Blick auf die lexikalische Aufbereitung der Aktivitäten des Vereins lässt die historische Verankerung der vereinsinternen Sprachideologie im Hegemonialdiskurs des 16. und 17. Jhs. klar und deutlich erkennen (cf. Kap. 3.3.3–3.3.4).277 Das systematische Opponieren von Sprachen, ihrer individuellen Eigenschaften und Werte wird als Sprachgebrauchsmuster auch in aktuellen Ausgaben des vierteljährlich erscheinenden Journals der DLF auf die europäische Sprachensituation angewendet: (192) L’italien est beau, le français est clair, l’allemand est difficile. Autant de mythes que les spécialistes de la linguistique ont débusqués il y a long-

277 Cf. hierzu vergleichend den ÜBERLEGENHEITSTOPOS zur Darstellung der précellence des Französischen im 16. Jh. bei Lemaire de Belges (82) und de Seyssel (83) sowie im 17. Jh. bei Bouhours (123)–(126).

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temps. La réalité, c’est qu’aucune qualité n’est propre à une langue. Citons à cet égard Marina Yaguello, spécialiste de linguistique et professeur émérite à l’université Paris-VII : « Aucune langue n’est ni plus belle, ni plus logique, ni plus souple, ni plus facile, ni plus harmonieuse, ni plus efficace dans la communication qu’une autre ». C’est l’emploi que l’on en fait qui est beau, clair, logique ou non – pas la langue en ellemême ! Mais les mythes ont la vie dure. Surtout lorsqu’il s’agit de ma langue maternelle, l’anglais, qui domine actuellement le monde comme aucune langue auparavant. Cette prédominance de l’anglais est, évidemment, tout simplement le résultat de la puissance de l’Empire britannique au XIXe siècle suivie de l’hégémonie des États-Unis au XXe siècle et n’a donc rien à voir avec de prétendues qualités intrinsèques de la langue. Pourtant, à en croire ce que disent les partisans du « tout-anglais », autrement dit les anglomaniaques, l’anglais est doté de pouvoirs magiques dont seraient privées toutes les autres langues du monde. On peut dire n’importe quoi, mais, si on le dit en anglais, c’est mieux (DLF 2018.3, 17)! Analog zu den historischen Vorläufern überschneiden sich in diesem Beispiel in gewohnter Manier puristischer Sprachpflege metasprachliche Positionierungen zu anderen Sprachen mit machtpolitischen Haltungen gegenüber anderen Nationen, wobei die für fremdwortpuristische Einstellungen charakteristische Widersprüchlichkeit zwischen Selbst- und Fremdpositionierung als unverändertes Muster einer sprachlichen und sozialen Dialektik auf den Sprachenkontext der Gegenwart übertragen wird. Die im Zentrum stehende Diffamierung des Englischen, dessen «prédominance» im Vergleich zu anderen europäischen Sprachen nicht auf sprachimmanenten Qualitäten beruht, sondern mit dem Hegemoniestreben Großbritanniens und der Vereinigten Staaten im 19. und 20. Jh. durchgesetzt wurde, stellt den topischen Kern einer patriotisch-ontologisierenden Sprachauffassung dar (c. Gardt 1994, 129), die sich auch im metasprachlichen Diskurs der übrigen Vereine spiegelt (193, 196). Die vertikale Polarisierung von Französisch und Englisch beruht in Beleg (192) auf einer Demystifizierung des Englischen bei gleichzeitiger Mystifizierung des Französischen, dessen ihm inhärente, überzeitliche Wesensmerkmale seine Überhöhung über das Englische qua natura legitimieren. Im Rückgriff auf das Zitat Marina Yaguellos steckt dabei weniger die Absicht einer fachwissenschaftlichen Fundierung als vielmehr einer impliziten Abwertung der Linguistik dahinter, deren Objektivitätsanspruch sich einer rational nicht erschließbaren Ontologisierung von Sprachen prinzipiell verweigert. Sowohl der Vergleich mit dem Englischen als «unbelebte» Sprache als auch die die Redensart «Mais les mythes ont la vie

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dure» widersprechen dem anti-metaphysischen Standpunkt Yaguellos und rücken das Französische in die Nähe einer bewertenden und ontologisch-mystifizierenden Sprachauffassung. Somit findet, im Rahmen einer doppelten Argumentation, eine negative Positionierung gegenüber dem Englischen als Gegenstand und gegenüber der Sprachwissenschaft als weiterem Akteur statt (cf. Kap. 4.1.2). Es werden also beide Ebenen metasprachlicher Handlungsschemata berücksichtigt, indem entgegen des impliziten metasprachlichen Ausrichtens an anderen Akteuren die Kritik am Englischen zweckrational expressiv erfolgt (cf. Kap. 3.2.2, Abb. 8). Dies wird insbesondere an lexikalischen Einheiten im Bereich der Wortbildung deutlich, wo die Komposition tout-anglais die Omnipräsenz des Englischen unterstreicht oder das Derivat anglomaniaques die für die Sprachpflege typische Krankheitsmetaphorik bedient.278 Angesichts dieses kurzen Einblicks besteht also kein Zweifel daran, dass sich an der puristischen Sprachpflege, die Schmitt (1998b) der DLF vor rund 20 Jahren attestiert hat, nichts geändert hat: «Die Sprachpflege der DLF bleibt puristisch, ideologisch ausgerichtet, teilweise sogar nationalen Prinzipien verpflichtet. Sie ist rückwärts orientiert, bezieht sich nostalgisch auf frühere Sprachsysteme und argumentiert kulturhistorisch, wo doch bei normativen Fragen funktionale Argumente im Vordergrund stehen sollten. Für sie ist die Evolution der Feind des zu einem bestimmten Zeitpunkt erreichten Zustands, und hierbei gerät sie – wie vielfach die französische Sprachpflege im Umkreis der Académie – in das Fahrwasser darwinistisch angehauchter, auf naturalistischen Grundsätzen basierender Grammatik […]» (1998b, 235).

In sprachideologisch ähnlicher Positionierung beschreibt auch die 1974 gegründete Association Francophone d’Amitié et de Liaison (AFAL) die Bedrohung durch das Englische und weitet den von der DLF vorgenommenen Vergleich mit anderen europäischen Nationalsprachen auf den frankophonen Sprachkontext, insbesondere die frankophonen Länder Afrikas, aus: (193) Quid de la bataille entre le français et l’anglais ? Ce n’est certainement pas en termes de guerre des tranchées que l’on fera progresser la langue et les valeurs qu’elle porte. C’est trop souvent à coups de chiffres que les organisations se déchirent ou se rassurent. L’OIF n’échappe pas à la règle. Le pari sur la croissance démographique africaine autorise des espérances à l’horizon 2050 avec, selon les auteurs, 700 millions d’africains ? Bref, je suis convaincu que cette bataille, parce que c’en est une quand

278 Zur Krankheitsmetaphorik als Sprachgebrauchsmuster der Sprachpflege cf. auch Kap 4.2.2.

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même, se passe dans un monde où les « intégristes » de la francophonie côtoient les partisans du « laisser faire ». Il n’est alors pas facile de trouver le bon équilibre. Ce qui est sûr, c’est en tous cas le bonheur d’un combat partagé. Cela vaut donc la peine de le poursuivre ensemble dans cet espace de solidarité retrouvée (Liaisons 2019.1, 13). Auch hier ist eine systematische Verzahnung von Metaphorik und Argumentation klar erkennbar: Durch die Kriegsmetaphorik wird eine gewaltvolle Auseinandersetzung der Sprachen dargestellt, die in unterschiedlicher Vehemenz ausgetragen wird. Dabei wird zunächst von der Notwendigkeit eines Grabenkriegs («guerre des tranchées») Abstand genommen, mit dem eine besonders brutale Form der Konfrontation assoziiert wird. Der weitere Verlauf zeigt, dass diese Intention keinen Bestand haben kann. Der Verfasser plausibilisiert die Konklusion eines «combat partagé» durch eine alltagslogische Schlussregel aus menschlichen Handlungsweisen, bei der zunächst Intention und Handlung beschrieben werden und dann die Handlung und ihre Folgen: Die anti-kriegerische Haltung als erster Argumentationsschritt muss scheitern, da es (angeblich) keinen alternativen Ausweg gibt. Als Begründung hierfür wird die unberechenbare Größe steigender Sprecherzahlen angeführt – eine Erwartung, die ebenso wenig kalkulierbar ist wie eine Wette («Le pari sur la croissance démographique africaine autorise des espérances à l’horizon 2050 avec, selon les auteurs, 700 millions d’africains ?»). Deshalb bleibt, als letzte Konsequenz, nur ein Schlusschema aus handlungslösenden Gründen: Wenn der Widerstand gegen das Englische nicht auf friedlicher Grundlage, d. h. auf natürliche Weise durch den demographisch bedingten Anstieg der Sprecherzahlen erfolgen kann, dann muss gegen die Sprache eben Krieg geführt werden («Bref, je suis convaincu que cette bataille, parce que c’en est une quand même […]»).279 Wie verkappt die Begründung dieses Schlusses ist, zeigt der inhaltliche Abbruch der Argumentation durch das Adjektiv bref, das ein tiefergehendes Hinterfragen der Konklusion unterbindet. Dieser Teil der Argumentation, der die Konklusion des unabwendbaren Kriegs gegen die englische Sprache anführt, wird am Ende des zitierten Passus in (193) durch die bereits mit Kienpointner (2003) beschriebene populistische Variante des quantitativen AUTORITÄTSTOPOS nochmal gestützt (cf. Kap. 3.3.3): Der Verweis auf einen «combat partagé» soll vor einer Verunglimpfung Frankreichs als einzelne kriegstreibende Nation schützen; der Widerstand der Vielen erscheint als essentieller Teil einer übernationalen sprachlichen Solidargemein-

279 Wenn eine Person ein Handlungsziel nur durch bestimmte Handlungen erreichen kann, dann wird sie diese Handlungen ausführen (cf. Ottmers 2007, 98).

3.3 Frankreich

415

schaft.280 Dabei schließt die Argumentation auf lexikalischer Ebene mit einer positiven Konnotation dieses sprachlichen Bündnisses solidarischer Integrität, das sich in sozialer Dialektik gegen den sprachlichen Schlendrian der «partisans du ‹laisser faire›» stemmt. Paradoxe semantische Kollokationen auf syntagmatischer Ebene («bonheur d’un combat partagé») oder auf paradigmatischer Ebene durch die Antonyme bataille und solidarité verkörpern die wiederum an vielen Stellen belegte Diskrepanz zwischen Fremd- und Selbstdarstellung sprachideologischer Positionierungsaktivitäten. Letztere spiegeln sich auch im semiotischen Apparat der AFAL wider, deren Vereinssymbol, eine blau-weiße Kompassrose mit sechs Linien (cf. AFAL 2019), die an die Flagge der NATO erinnert, in der die Kompassrose für Frieden innerhalb einer Gemeinschaft gleicher Werte steht. Diese Symbolik greift die AFAL durch die Fahnenwörter amitié und liaison auf, jedoch stehen metasprachliche Symbolik und metasprachliches Handeln, wie mit Beleg (193) gezeigt wurde, in einem absoluten Gegensatz: Frieden, Freundschaft und Verbundenheit werden symbolisiert, jedoch werden auf sprachlicher Ebene die Notwendigkeit von Krieg und Widerstand indiziert. Die trotz der Polemik des sprachlichen Handelns bestehenden Beziehungen der AFAL zur UNESCO, dem Europarat und der UNO, unter deren institutionellem Auftrag sie steht, mag in diesem Zusammenhang ebenso verwundern wie ihre Rolle als konsultatives Mitglied der OIF (cf. AFAL 2019). Insbesondere legt dieser Zusammenhang aber offen, dass die «exception française» weniger in der nach wie vor harten sprachideologischen Position des französischen Staates besteht, sondern in der diskursiven Zweigleisigkeit durch eine einerseits vermeintlich liberale Sprachpflege in international-diplomatischen Handlungsräumen und andererseits der unter diesem Radar agierenden sprachpuristischen Organisationen, deren Sprachreflexion in einem absoluten Widerspruch zur proklamierten mehrsprachigen Solidargemeinschaft steht und deren Grenzen zu nationalistischen Spracheinstellungen fließend sind. Dass diese Widersprüchlichkeit im sprachbezogenen Handeln letztlich auch praktischer Natur ist, zeigt die ebenso strategische wie rege Nutzung der maßgeblich durch den anglophonen Kulturraum geprägten sozialen Netzwerke Facebook und Twitter. Der Kurznachrichtendienst Twitter ist als eigenes Navigationsfeld direkt auf die Startseite der AFAL verlinkt, wo er durch die direkte Abbildung tagesaktueller Tweets fast ein Drittel der Seitenstruktur einnimmt (cf. AFAL 2019, Stand: 01. 12. 2019). Dass gleichzeitig die englischsprachige Struktur des Nachrichtendienstes diffamiert wird, indem das mittlerweile im

280 Zum SOLIDARITÄTSTOPOS als Sprachgebrauchsmuster der ALF und solidarité als Schlüsselwort der fremdwortpuristischen Sprachpflege cf. Kap. 4.2.

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3 Metasprachdiskurse als historische Systeme

Französischen morphologisch angepasste Lehnwort retweeté durch die Überschrift «Les derniers gazouillis» ersetzt wird,281 bezeugt den mühsamen Versuch, neue technologische Anforderungen und traditionelle Werte der Sprachpflege miteinander zu versöhnen sowie den sprachideologischen Leitlinien der «loi du 4 août», die prominent in der Hauptmenüleiste der Homepage aufgeführt ist, Rechnung zu tragen. Ebenso zweckorientiert sind die Inhalte der verlinkten Tweets: Der Verweis auf ein Interview des Figaro mit dem französischen Schriftsteller Frédéric Vitoux (cf. Twitter Le Figaro, 01. 12. 2019) unterliegt einer argumentativen Zweckhandlung, die ihrerseits eine übergeordnete indexikalische Ordnung des Diskurses assoziiert: Zum einen impliziert die von Vitoux getroffene Aussage «La France doit résister à l’invasion du franglais» die Funktion eines personengebundenen Autoritätsbeweises.282 Zum anderen indiziert das Foto des Akademisten Vitoux in traditioneller Uniform vor historischer Literatur einen sprachideologischen Frame mit allen daran gebunden Werten, die das Französische in seiner Konstitution als historische Sprache betonen und dennoch im Kontext digitaler Kommunikation in den Mittelpunkt stellen. Auf sprachlicher Ebene wird ferner am Beispiel des Vitoux-Zitats ersichtlich, wie sich die Kriegsmetaphorik («résister», «l’invasion») als Sprachgebrauchsmuster des Sprachpflegediskurses in Form eines sprachideologischen Netzes über den gesamten Kommunikationsradius der Organisation und darüber hinaus erstreckt (cf. ausführlich Kap. 4.2.2). Was die allgemeine Nutzung sozialer Medien durch die vier Sprachpflegeorganisationen betrifft, manifestieren sich unterschiedliche Herangehensweisen, Nutzungsaktivitäten sowie Nutzerresonanzen in Bezug auf die digitalen Kommunikationsangebote der vier associations agréées (cf. Tab. 9). Alle Institutionen sind Twitter und/oder Facebook als Social-Media-Kanäle mit den weitesten Öffentlichkeitsradien (cf. Kap. 2.2.3) jeweils zu unterschiedlichen Zeitpunkten beigetreten, wobei die DLF als älteste der Organisationen ihre metasprachlichen Aktivitäten erst als letzte auf Facebook ausgedehnt hat.283

281 Bemerkung: In der Datenbank FranceTerme wird nicht gazouillis, sondern minimessage als Ersatzwort aufgeführt. Auch im Dictionnaire de l’Académie erscheint gazouillis nur in seiner ursprünglichen Bedeutung als ʻGeplätscherʼ. 282 Wenn eine als Autorität anerkannte Person eine Meinung vertritt, dann erscheint diese plausibel respektive Wenn der Schriftsteller Frédéric Vitoux die Meinung vertritt, dass man gegen die Invasion des Englischen Widerstand leisten muss, dass scheint dies plausibel und macht bestätigt die Position der AFAL (cf. Ottmers 2007, 114). 283 Die URL-Adressen der Facebook- und Twitter-Präsenzen der Vereine DFL, AFAL und FFA sind im Literaturverzeichnis unter Kap. 6.1.2.3 aufgeführt.

3.3 Frankreich

417

Tab. 9: Deutsche und französische Sprachpflegevereine in sozialen Netzwerken: Präsenz und Reichweite (Stand: 02. 12. 2019). Facebook

Twitter

DLF beigetreten Abonnenten/Follower

2018  497

– –

AFAL beigetreten Abonnenten/Follower

2011 1087

2010  988

FFA beigetreten Abonnenten/Follower

2017   61

2017  155

ALF beigetreten Abonnenten/Follower

2013 2494

2014  143

Inwieweit die divergierende Inanspruchnahme digitaler Nutzungsoptionen in der jeweiligen Historie und den inhaltlichen Schwerpunkten der Organisationen begründet liegt, kann an dieser Stelle nicht eindeutig beantwortet werden. Jedoch dürfte klar sein, dass die DGLFLF nicht ohne Grund mit der DLF eine traditionalistische und in der Sprachpflege seit langem etablierte Sprachpflegeorganisation, mit der AFAL und dem Forum Francophone des Affaires (FFA) zwei dominant frankophon orientierte Institutionen und mit dem ALF eine jüngere und publikumsstarke Vereinigung in den Dienst staatlicher Sprachpflege gestellt hat. Dabei sei an dieser Stelle ohne tiefergehende Analyse darauf hingewiesen, dass sich die Homepages der dominant frankophon ausgerichteten Organisationen deutlich von den Internetauftritten der DLF und des ALF unterscheiden. Am exemplarischen Vergleich der Startseiten des FFA und der DLF sind die stilistisch und typographisch völlig unterschiedlichen Formen der Seitengestaltung zu erkennen, die sich kongruent zu den Identitäten, Aufgaben und dem Zielpublikum der Institutionen verhalten. Im Vergleich zu den leserfreundlich strukturierten und typographisch einheitlichen Seiten der AFAL (2019) und des FFA (2019a), die dem Nutzer durch übersichtliche Menüleisten, die Auflistung der Partner sowie die Verlinkung zu sozialen Netzwerken eine schnelle und gewohnte Orientierung ermöglichen, wirkt die Seite der DLF durch das wechselnde Schriftbild, das unruhige Layout sowie eine mehr als doppelt so hohe Anzahl an Menüpunkten auf den ersten Blick fast unüberschaubar. Eingebettet in das Foto des Institut de France liegt der Fokus bei der DLF-Homepage (2019a) auf den historischen und nationalen Wurzeln französischer

418

3 Metasprachdiskurse als historische Systeme

Sprachpflege, wobei das Design im Vergleich zur AFAL und dem FFA nur noch wenig zeitgemäß erscheint. Entgegen dieser eindeutig traditionell-patriotischen Sichtbarkeit der DLF suggerieren die Seiten der AFAL und des FFA Neutralität, Offenheit und Modernität, um neue Zielgruppen anzusprechen. Die Inhaltstexte unter den einzelnen Menüpunkten sind mehrheitlich kurz gehalten, vielleicht auch, um die Nutzer direkt an die sozialen Netzwerke weiterzuleiten, was allerdings im Fall des FFA nur wenig erfolgreich bzw. für den Nutzer wenig ergiebig ist (cf. Tab. 9); auch unter der Verlinkung zu YouTube ist nur ein Videointerview mit dem Organisationsvorsitzenden Stève Gentili gespeichert (cf. YouTube FFA, 26. 10. 2017). Das 1989 auf dem Frankophonie-Gipfel in Dakar gegründete FFA (cf. Lüsebrink 2011, 196) stützt sich in den Social Media auf vergleichsweise schwache Nutzerzahlen, was auch daran liegen kann, dass sich seine Aktivitäten im Vergleich zu den anderen Organisationen vorrangig auf den Bereich der internationalen frankophonen Wirtschaftskooperationen beziehen und somit die Statusplanung des Französischen als «langue économique» (cf. FFA 2019b). Als wirtschaftlicher Verband für private Unternehmen deckt seine Arbeit im Vergleich zu den anderen Organisationen eher den Bereich einer auf die unternehmerische Zusammenarbeit beschränkten Sprachberatung ab. Auch das traditionelle Publikationsorgan des FFA war auf lange Sicht nicht erfolgreich: Die Redaktion der Vereinszeitschrift La Gazette wurde nach Erscheinen der letzten Ausgabe im Dezember 2013 eingestellt. (194) A 150 reprises, des esprits, dans le monde entier, ont lu La Gazette. Des mains l’ont saisie. Des sensibilités ont été émues grâce à elle et des fraternités ont été nouées. D’un pays à l’autre, des liens, des messages, des passerelles, des compassions, des espérances, des révoltes ou des enthousiasmes par son entremise fidèle, régulière. Comme une amie qu’on retrouve, une certitude familière, l’assurance qu’un combat honorable en faveur de la magnifique cause qu’est la francophonie ne cesse pas d’être mené (La Gazette 2013, 1). (195) Parler, écrire en français, c’est une société non pas secrète mais de lumière et de transparence. C’est s’adouber les uns et les autres, dans l’univers, par les mots et la grâce d’un style et d’une culture sans pareils (La Gazette 2013, 1). In den Auszügen aus dieser letzten Ausgabe, in der analog zu den Schwesterorganisationen die üblichen fremdwortpuristischen Positionen, auch jenseits wirtschaftlicher Grenzen, vertreten werden, lobt Philippe Bilger das ehrwürdige Engagement der Zeitschrift für die «francophonie» (cf. 194), deren Wert als Ge-

3.3 Frankreich

419

meinschaft sich in der unvergleichlichen «exception culturelle» gründet (cf. 195). Das auch hier auftretende Bild des Kampfes für die Erhaltung der kulturellen Ausnahme Frankreichs und des Französischen in der Welt wird im Vergleich zu den Äußerungen der AFAL (cf. 193) nicht als Notwendigkeit, sondern als Ehrensache beschrieben. Dies unterstreichen die Kollokation combat honorable ebenso wie die historische Wortbedeutung von s’adouber als ʻgegenseitiges Bewaffnenʼ in einem gesellschaftlich-feudalen Kontext i. S. eines ʻRitterschlagsʼ. In weiteren Einzelbeiträgen der Ausgabe wird diese Verteidigung der Frankophonie auf argumentativer Ebene durch illustrative Beispielargumente weiter ausgeführt. Anhand der Sprachpolitik Québecs werden erfolgreiche Durchsetzungswege der französischen Sprache gegen die englische betont, wobei metaphorische Assoziationen des FRANZÖSISCHEN ALS INSEL im Rahmen der topischen Bedrohung und des Ausgeliefertseins gegenüber dem ENGLISCHEN ALS OZEAN («Ilot francophone perdu dans un océan nord-américain anglophone») dafür sorgen, die französische Kultur und Sprache nicht nur durch ihre «exception» in ihrer Natur qualitativ überlegen, sondern in der räumlichen Bedrängung und Kontrolle durch das Englische von außen auch quantitativ unterlegen darzustellen: (196) Pourtant, ce qui peut nous apparaître comme un combat archaïque ne l’est pas du tout de l’autre côté de l’Atlantique, au Québec, seule province francophone d’un Canada cer-tes officiellement bilingue mais uniquement anglophone dans la pratique. Ilot francophone perdu dans un océan nord-américain anglophone, les Québécois cultivent leur exception linguistique, symbole de leur différence culturelle. Ainsi, le premier gouvernement souverainiste du Québec, dans les années 1970, a instauré la Charte de la langue française connue sous le nom de Loi 101, qui fait du français “la langue de l’État et de la Loi aussi bien que la langue normale et habituelle du travail, de l’enseignement, des communications, du commerce et des affaires”. Il faut dire qu’à l’époque, le Québec vit une période identitaire difficile : une révolution culturelle et sociale, la Révolution tranquille, dont l’étendard n’est autre que la langue française. Ce sont les anglophones qui contrôlent alors la province (La Gazette 2013, 12). Somit werden auf der Ebene von Spracheinstellungen nicht nur Repräsentationen sprachlicher, kultureller und sozialer Dialektik in der Abgrenzung vom «Anderen» gefördert, sondern auch eine Ausbildung affektiver Komponenten zum «Eigenen», die zwischen Stolz auf und Furcht um das Französische schwingen. Rückblickend auf die Herausbildung des TOPOS SPRACHLICHER

420

3 Metasprachdiskurse als historische Systeme

ÜBER- und UNTERLEGENHEIT als Merkmal nationalsprachlicher und hegemonialer Metasprachdiskurse des 16. Jhs. (cf. Kap. 3.3.3) wird auch an diesem Beispiel erkennbar, wie Sprachgebrauchsmuster als Sedimente der historischen Sprachreflexion in heute ähnlichen sprachlichen Kontexten zum Vorschein kommen und dabei an aktuelle Einstellungstendenzen von Sprachpflege angepasst werden. Dass darüber hinaus, wie auch an deutschen Beispielen gezeigt wurde (cf. Kap. 3.2.4; 3.2.6), gerade im digitalen Raum die Akteursebene als intermediäre Schnittstelle zu möglichst vielen Domänen des öffentlichen Diskurses einen entscheidenden Faktor für die mediale Präsenz und Vernetzung darstellt (cf. Kap. 2.1.4), zeigen sowohl das oben zitierte Vorwort Philippe Bilgers in der Gazette des FFA (cf. 194, 195) als auch die folgenden Auszüge aus den als Weblog zusammengestellten Editorialen Bernard Cerquiglinis zum Thema «Langue Française» (cf. 197, 198), das einen Teil der Kommunikationsstrategie des innerhalb des FFA bestehenden Observatoire économique francophone darstellt (cf. FFA 2019c).284 Die Wahl Philippe Bilgers als Fürsprecher der Zeitschrift La Gazette lässt die Verbindung von Sprachpflege und Politik deutlich erkennen: Bilger, ehemaliger Untersuchungsrichter und Staatsanwalt, ist einer breiteren Öffentlichkeit v. a. durch seine rege und kontroverse Tätigkeit als Publizist im politischen Diskurs gut bekannt. Als Vorsitzender des von ihm 2011 gegründeten Institut de la parole, einer Art Rhetorikschule, steht er auch sprachlichen Belangen nahe, sodass sein Vorwort in der letzten Ausgabe der Gazette wahrscheinlich dem Versuch galt, ein möglichst großes Publikum anzusprechen (cf. 194–195). Die gleiche Funktion erfüllen die folgenden, Einträge Bernard Cerquiglinis in der Sprachrubrik des Observatoire économique francophone. Als Sprachwissenschaftler und Universitätsprofessor, ehemaliger Leiter des Institut national de la langue française (INALF) sowie ehemaliger Generalvertreter der DGLFLF und Rektor der AUF repräsentiert er eine der führenden Autoritäten der Frankophonie. Von der Regierung beauftragt, hat er mit seinen liberalen Stellungnahmen zu zentralen und (immer noch) aktuellen Topoi der französischen Sprachpflege, z. B. zu Frankreichs Sprachen (cf. Cerquiglini 1999a; 2003) oder zur Feminisierung von Berufsbezeichnungen (cf. Cerquiglini 1999b) vorgelegt. Seine fachliche Einschätzung und Einstellung zu Sprache(n) und Sprechern hat in der sprachpfle-

284 Das Observatoire économique francophone ist nicht mit dem Observatoire de la Francophonie économique (OFE) zu verwechseln, das 2017 an der Université de Montréal gegründet wurde, dessen «mission de devenir une ressource de premier plan sur les questions reliées à la Francophonie économique» (OFE 2019, o. S.) den Zielsetzungen des FFA sehr ähnlich ist und mit dem es auch die Partnerschaft zur OIF und zur AUF teilt (cf. Kap. 2.2.1)

3.3 Frankreich

421

gerischen Diskursgemeinschaft einen wesentlichen Wert und wird als Vermarktungsstrategie von bestimmten Positionen eingesetzt (cf. Spitzmüller/Warnke 2011, 181). Seine sprachbezogenen Äußerungen fundieren die sprachideologischen Positionierungen staatlicher Sprachpflege auf eine metapragmatisch implizite Weise. So bekräftigen informativ gehalten Einträge, z. B. zur Etymologie des Wortschatzes, sowohl die Historizität des Französischen als auch seine, wie der Verweis auf Montaigne suggeriert, historisch verwurzelte Valorisierung als Kultursprache: (197) La langue des affaires a ses modes, elle aussi. Depuis quelque temps, elle utilise beaucoup l’adjectif pérenne : on parle d’un investissement ou d’un contrat pérenne. Cet adjectif étrange (il a au masculin une forme de féminin) se rencontre pour la première fois chez Montaigne. Dans ses Essais, celui-ci parle du monde comme d’une branloire pérenne, c’est-àdire comme une agitation perpétuelle. Montaigne a emprunté cet adjectif au latin perennis, lui-même est issu de per + annus « qui dure toute l’année » (FFA 2019d, o.S.). In anderen Einträgen steht hingegen ganz klar die persönliche Meinungsäußerung zu konkreten sprachlichen Einzelfällen im Vordergrund, wie im folgenden Beispiel, wo aktuelle Gebrauchsvarianten von agenda kommentiert werden, die sich zunehmend an englische Bedeutungsformen anpassen. Wiederum auf der Grundlage eines etymologischen Belegs erklärt Cerquiglini zunächst ganz objektiv den gleichen Ursprung des Lexems und die Adaption des französischen Gebrauchs an das englische Bedeutungskonzept. Jedoch schließt die zunächst wissenschaftliche Definition mit einer subjektiven Positionierung («Et je n’ en démordrai pas») gegen die englische («Mais c’est un anglicisme») und für die französische Gebrauchsvariante («un agenda […] se trouve dans la poche, pas dans les discours»). Die Konklusion für den Leser ist dabei mehr als simpel: Anglizismen kann man aufgrund ihrer selbst ablehnen. Die Entscheidung für das Französische und gegen das Englische ist folglich eine Frage der Einstellung zur eigenen Muttersprache und bedarf keiner objektiven Begründung, auch wenn diese zur Verfügung steht. Purismus ist somit eine legitime affektive Haltung in Bezug auf Sprache, wie es der Einstieg in den Bericht bereits klar ankündigt: (198) Purisme, sans doute. Mais je n’aime pas l’usage qui se répand en français contemporain (monde des affaires comme univers politique) du mot agenda. Pour vous comme pour moi, un agenda est un calepin consacrant une page à chaque jour, et sur lequel on note ses rendez-vous (en

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3 Metasprachdiskurse als historische Systeme

Suisse, depuis longtemps, on les agende ; telle réunion est agendée pour le 3 juin). D’où les locutions : agenda de poche ou de bureau, agenda électronique, etc. Or on lit et on entend, par exemple, que le secrétaire général des Nations unies s’est fixé un nouvel agenda, ou que telle réforme ne figure pas présentement à l’agenda du gouvernement. C’est un pur anglicisme. Le mot agenda signifie en anglais « ordre du jour », et par suite « programme, projet » ; de façon générale il désigne ce que l’on a l’intention ou l’obligation de faire. Les mots français et anglais proviennent du latin agenda, gérondif neutre pluriel du verbe agere, « agir » ; agenda signifie « les choses que l’on doit faire ». Comme on le voit, le sens anglais est proche de la signification latine ; il lui est même très fidèle. Utiliser le français agenda pour désigner les actions que l’on doit conduire est donc un ressourcement latin de ce mot ; on pourrait par suite accepter cette évolution d’emploi du mot agenda. Mais c’est un anglicisme : un agenda (de papier ou numérique) se trouve dans la poche, pas dans les discours (cf. FFA 2019d, o.S.). Am Beispiel der Sprachreflexion Cerquiglinis wird erneut deutlich, wie flexibel sich Positionierungen zu einzelnen sprachlichen Phänomen auf einem Kontinuum zwischen Beschreibung und Bewertung bewegen können, d. h. als Spracheinstellungen durch spezifische sprachideologische Regime gelenkt werden (cf. Kap. 4.1.3). Fremdsprachenpuristische Haltungen gegen das Englische (cf. 198) schließen positive Einstellungen zur autochtonen Sprachenvielfalt in der Frankophonie nicht per se aus (cf. Cerquiglini 1999a; 2003): Purismus ist also je nach Sprecher nicht immer eine Grundsatzhaltung, sondern gegenstandsbezogen. Auch wird deutlich, dass Purismus im Bereich der institutionalisierten und staatlich anerkannten Sprachpflege nachweislich nicht das Ergebnis laienhafter Wissensbestände ist, sondern Ausdruck einer bewussten Überzeugung und Teil eines kollektiven Sprachbewusstseins. Die oben vorgestellten französischen Sprachpflegeorganisationen übernehmen in diesem sprachideologischen Regime und in der öffentlichen Diskursgemeinschaft die Rolle metasprachlicher «ideology brokers»: «Ein ‹ideology broker› versucht diskursiven ‹Profit› dadurch zu erzielen, dass er seine eigene Diskursposition affirmiert oder ausbaut und andere schwächt. Entscheidend ist dabei, dass ‹Autorität› – ebenso wie Foucault das für ‹Macht› im Gegensatz zu ‹Herrschaft› festhält – nicht etwas sozial Vorgegebenes ist, sondern ein Effekt diskursiver Positionierungen» (Spitzmüller/Warnke 2011, 180).

Auf der Grundlage dieses Verständnisses von Metasprachdiskursen als «Dominantsetzungen von Positionen und machtgeleitete[n] Aushandlungsprozessen»

3.3 Frankreich

423

(Spitzmüller/Warnke 2011, 180) wird in Kap. 4 am Beispiel des ALF als Sprachpflegeorganisation mit der höchsten medialen Reichweite zunächst untersucht werden, anhand welcher handlungsleitenden und handlungskonstituierenden sprachlichen Muster sich ‹ideology brokers› identifizieren lassen. Dabei wird auch die Frage beantwortet, in welchem Maße sich diese Muster in Abhängigkeit von nationalen Kontexten, d. h. im Vergleich zur deutschen Sprachpflege und dem VDS als äquivalentem Akteur, überschneiden oder unterscheiden (cf. Kap. 4.2). Im Anschluss daran wird beschrieben, auf der Grundlage welcher Einstellungsbekundungen die von den ‹ideology brokers› affirmierten und verteidigten metasprachlichen Positionen in ausgewählten digitalen Kommunikationsräumen rezipiert und ggf. modifiziert werden (cf. Kap. 4.3). Dabei besteht das Interesse v. a. darin zu prüfen, ob die verfestigte Dialektik nationaler und fremdwortpuristischer Spracheinstellungen, die sich im sprachhistorischen Wandel und trotz des gesellschaftlichen Strukturwandelns sowie bei einer sukzessiven Entgrenzung von Öffentlichkeit bisher durchsetzen konnte (Kap. 2–3), in potenziell demokratischen Diskursräumen aufgebrochen wird und sich in einem feiner granulierten Spracheinstellungsspektrum abbildet. Der Blick auf das 20. Jh. und seine Wirkung in die aktuelle Gegenwart lässt abschließend die französische Sprachpflege in ihrer bekennend normorientierten und in vielen Punkten puristischen Tendenz erscheinen. Die Beispiele aus dem Bereich der staatlichen Schaltstellen einer national orientierten Sprachpflege unterstreichen das weiterhin traditionsgebundene Festhalten an der kulturellen und sprachlichen ‹exception›, die im Gegensatz zu sehr ähnlichen metasprachlichen Tendenzen in Deutschland (Kap. 3.2) als solche jedoch weniger überrascht. Dort wo Deutschland aufgrund seiner traurigen Geschichte lange mit der Vergangenheit und der Sprachreflexion vor 1945 gebrochen hatte, führt Frankreich die seine ununterbrochen fort. Dabei ist für das Fundament des Diskurses entscheidend, dass die französische Ausnahme in Sprachenfragen mehr in ihren sprachideologischen Wurzeln verankert ist als in der Effizienz sprachpolitischer Maßnahmen. Letztere sind weiterhin um eine positive Würdigung sprachlicher Diversität und die Valorisierung territorial angestammter Mehrsprachigkeit bemüht, was heute und wie Braselmann zur Wende des 21. Jhs. bereits konstatiert, «nicht bedeutet, dass man den Kampf um die Vormachtstellung des Französischen als offizielle EU-Sprache, den Kampf gegen die AngloAmerikanismen und die amerikanische Supermacht aufgegeben habe» (1999, 129). Dabei stellt sich die Frage, ob Frankreich angesichts aktueller Initiativen wie Macrons Ambition pour la langue française et le plurilinguisme (2018; cf. Kap. 2.2.2), mit denen «die Europa-Fähigkeit» und insbesondere der Wert Frankreichs für Europa herausgestellt werden sollen, tatsächlich «[…] seine Lektion gelernt hat», die ihm u. a. die in der Praxis wenig erfolgreichen Sprachgesetze

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von 1975 und 1994 und der Druck der öffentlichen Meinung bei der Anerkennung sprachlicher Minderheiten vor Augen führen (Braselmann 1999, 129). Das kontradiktorische Verhalten des Staates zwischen der einerseits diskursiven Valorisierung der Mehrsprachigkeit in Frankreich und der Frankophonie sowie der andererseits formaljuristischen und verfassungsrechtlichen Absage an eine vollwertige Anerkennung und Gleichstellung anderer Sprachen neben dem Französischen lässt daran berechtigte Zweifel. Die besten Beispiele dazu liefern die andauernde Diskussion um die Ratifikation der Europäischen Charta der Regional- oder Minderheitensprachen (cf. Kap. 3.3.4) und die daraus in Einzelfällen resultierenden Grundsatzfragen zu Sprach- und Menschenrechten, wie sie z. B. durch die Affaire Fañch (cf. Kap. 3.3.5) nicht nur als mediale Diskussion, sondern auch als juristische Auseinandersetzung an die Oberfläche des französischen Metasprachdiskurses gespült werden. In diesen konkreten Fällen ist in aller Deutlichkeit darauf hinzuweisen, dass die Teilhabe der staatlich anerkannten Sprachpflegeorganisationen eine bloße Verteidigung des sprachlichen Konservativismus weit übersteigt, indem auch polemische bis vulgäre Diffamierungen der autochthonen Sprachen und der dahinter stehenden ethnischen Bevölkerungsgruppen die von oberster Stelle des Staates adressierte Förderung sprachlicher Vielfalt nicht nur inhaltlich ad absurdum führen, sondern schlichtweg unglaubhaft erscheinen lassen.285 Im französischen Metasprachdiskurses schreibt sich somit auch heute die spätestens seit dem siècle classique in Frankreich durchgesetzte Tendenz fort, die sich zwischen standardsprachlichem Normenkonformismus und radikalem Purismus bewegt. Puristische Spracheinstellungen beziehen sich dabei sowohl i. w. S. als Sprachpurismus auf intralinguale Normalisierungsfragen verschiedener Art als sie sich auch i. e. S. als Fremdwortpurismus gegen interlingual bedingte sprachliche Einflüsse auf das Französische richten. Ein virulentes sprachpuristisches Thema bleibt die seit Beginn des 20. Jhs. mal mehr, mal weniger heftig diskutierte Orthographie. Die 1990 vom Conseil supérieur de la langue française (CSLF) in Abstimmung mit der Académie française beschlossenen Rectifications de l’orthographe (cf. JORF 1990, 14974) konnten sich in den vergangenen 30 Jahren nicht gegen die vorher bestehenden Regeln durchsetzen und bleiben fakultativ. Wie in anderen Sprachenfragen teilt sich auch bei den Revisionsvorschlägen von 1990 die öffentliche Meinung in eine strikte Oppositi-

285 In seinem Dossier zur Debatte um den Status der Charta der Regional- oder Minderheitensprachen in Frankreich erteilt der ALF mit der Aussage «LʼEurope mérite un putain de non» dem jüngsten Ratifizierungsgesuch eine klare und provokante Absage. Die Aussage wird von einem Bild gerahmt, auf dem ein kleiner Junge in beleidigender Absicht seinen erhobenen Mittelfinger zeigt (cf. JALF 2015.3, 16).

3.3 Frankreich

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on von Anwendungsbefürwortern und -gegnern und auch der weiterhin koexistierende Sprachgebrauch stellt in puncto Rechtschreibung ein ernstes Reformvorhaben bisher nicht in Aussicht. Sprachlenkungsinitiativen wie die im November 2015 vom französischen Bildungsministerium in den Curricula für die cycles 2, 3 und 4 vorgenommene referentielle Festschreibung der rectifications orthographiques (cf. 199) führen zu hitzigen Auseinandersetzungen in der Presse und den sozialen Medien, wo sie sich v. a. an Einzelpersonen wie der damaligen Bildungsministerin Najat Vallaud-Belkacem entladen. (199) L’étude de la langue s’appuie essentiellement sur des tâches de tri et de classement, donc de comparaison, des activités de manipulation d’énoncés (substitution, déplacement, ajout, suppression) à partir de corpus soigneusement constitués, afin d’établir des régularités. Les phénomènes irréguliers ou exceptionnels relèvent, s’ils sont fréquents dans l’usage, d’un effort de mémorisation (BOS 2015, 23). Dass die Auseinandersetzungen dabei in keinster Weise sachorientiert sind, zeigt ein Blick auf die damalige Nachrichtenkette: Infolge des in die Schulprogramme aufgenommenen Verweises auf die Vorschläge der neuen Schreibung von 1990 veröffentlicht Anfang Dezember die zuständige Aufsichtsbehörde, das Observatoire des programmes scolaires (OPS), in Kooperation mit der gaullistischen Union nationale inter-universitaire (UNI), eine Petition unter dem Titel Non! à la réforme de l'orthographe imposée par Najat Vallaud Belkacem (cf. OPS 2016). Neben dieser falschen Betitelung der Maßnahme des Bildungsministeriums als «Reform», die danach in der Presse kursiert und die Debatte befeuert, steht v. a. die gezielte Abwertung politischer Vertreter als Repräsentanten der gesellschaftlichen Elite in sprachideologischer Kongruenz zu anderen topischen und lexikalischen Strukturen fremdwortpuristischer Positionierungen. In Argumentationen gegen Anglizismen, wie folgende Belege aus der Zeitschrift des ALF veranschaulichen (cf. 200–202), wird die politische Elite diskreditiert und das Konzept des sprachlichen Zwangs suggeriert die Dominanz eines anti-demokratischen Diskursmodells von Öffentlichkeit (cf. Kap. 2.1.3). Derartige Vergleiche belegen, dass Sprachgebrauchsmuster nicht nur historisch persistent sind, sondern in aktuellen metasprachlichen Kontexten an verschiedene Zielbereiche, Gegenstände und Kriterien der puristischen Sprachkritik und Sprachpflege angepasst werden. Dabei sind sie in ihrer Gesamtheit diskursbildend und stellen dennoch ein modifizierbares Sprachhandlungsrepertoire für einzelne Akteure bereit.

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(200) Le peuple refuse le « globish-pour-tous » que de prétendus dirigeants et élites veulent imposer à la place du français. Le référendum restant interdit de fait, notre but est de faire remonter la vox populi […] (JALF 2014.3, 3). (201) À l’autre bord, du côté des “think tanks”, on s’ingénie à inventer de nouveaux mots d’ordre : “faire France”, “faire famille” – comme on dit “faire caca” –, ces expressions, que nos élites utilisent sans broncher, trahissent une infantilisation sans précédent de la pensée, et lui imposent la domination de la matière […] (JALF 2014.3, 9). (202) Elle a toléré que Bruxelles imposât un traitement en anglais de leurs dossiers aux pays européens candidats à l’adhésion, et à des pays francophones d’Afrique en matière d’aide (JALF 2014.3, 14). Einen Tag nach dem Petitionsaufruf des OPS erschienen am 05. 12. 2016 zwei einzelne Stellungnahmen der Regierung und der Académie française, die zwar jeweils versuchen, die Polemisierung der Orthographiefrage zu neutralisieren, dabei allerdings auch den offenkundigen Dissens zwischen Staat und Akademie in dieser Frage erkennen lassen: (203) A la rentrée 2016, les manuels scolaires pourront faire référence, tout comme dans le cadre des programmes précédents adoptés en 2008 lorsque Xavier Darcos était ministre de l’Éducation nationale, aux rectifications de l’orthographe adoptées en 1990 par le conseil supérieur de la langue française et approuvées par l’Académie française. Ces rectifications touchent environ 2400 mots. Néanmoins, elles mais [sic] ne sauraient être imposées, les deux orthographes demeurent donc justes. Il ne revient pas au ministère de l’Éducation nationale de déterminer les règles en vigueur dans la langue française. Ce travail revient à l’Académie française depuis Richelieu, qui assigna pour principale fonction à cette instance de donner des règles certaines à notre langue : Le conseil supérieur de la langue française a adopté en 1990 des rectifications de l’orthographe, approuvées par l’Académie française. Les éléments sont disponibles sur le site de l’Académie française. L’orthographe en vigueur est aussi disponible via le dictionnaire de l’Académie française. Ces règles sont une référence mais ne sauraient être imposées, les deux orthographes sont donc justes […] (Gouvernement 2016, o.S.). (204) L’Académie française tient tout d’abord à rappeler qu’elle n’est pas à l’origine de ce qui est désigné sous le nom de « réforme de l’orthographe », dont la presse se fait l’écho depuis quelques jours, et qui devrait

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être appliquée dans les programmes scolaires à compter de la prochaine rentrée. Le texte auquel il est fait allusion émane du Conseil supérieur de la langue française : il a été publié dans les « Documents administratifs » du Journal officiel le 6 décembre 1990. Étant donné la mission de défense et d’illustration de la langue française assignée à l’Académie par son fondateur, il était naturel que Maurice Druon, Secrétaire perpétuel à cette date, fût étroitement associé à la préparation de ce rapport. […] L’Académie a donné son aval à ces recommandations, mais en demandant qu’elles soient soumises à l’épreuve du temps. Concernant la plupart des cas, elle s’en tient, dans la neuvième édition de son Dictionnaire, à présenter la graphie traditionnelle à l’entrée principale, tout en mentionnant la possibilité d’une graphie rectifiée. Elle s’est proposé, selon une procédure qu’elle a déjà suivie à plusieurs reprises, de juger à terme des graphies que l’usage, législateur suprême, aura retenues et de confirmer ou infirmer les modifications recommandées (AF 2016, o.S.). Entscheidend ist, dass beide Erklärungen nicht auf die orthographischen Änderungsvorschläge an sich eingehen, sondern die Argumentationen auf die Verantwortungsübertragung an die jeweils andere Partei verlagern. Die Fingerzeige der Regierung auf die Akademie und der Akademie auf den CSFL spiegeln dabei auf offizieller Ebene der Sprachpflege das Fehlen konsensueller Ansatzpunkte wider, die letztlich zur öffentlichen Polarisierung der Einstellungsbildung beitragen. Die Académie française bleibt dabei ihren von Vaugelas definierten ideologischen Grundsätzen und der Ontologisierung des Sprachgebrauchs als «législateur suprême» treu (cf. Kap. 3.3.4). Vor dem Hintergrund dieser Einblicke in zentrale Entwicklungsschritte der offiziellen Sprachpflege im 20. Jh. und ihre Wirkung bis in die aktuelle Sprachendiskussion kann zum Abschluss dieses Kapitel mit Schmitt (2015) folgende Einschätzung zur Entwicklung des französischen Metasprachdiskurses resümiert werden: «[…] l’évolution du français classique au français moderne a été, somme toute, plutôt l’objet d’un effort de purification, de réglementation et fixation d’un niveau atteint au Grand siècle et de conservation d’un seul système de communication, c’est-à-dire d’une norme linguistique du type ne varietur. […] le français tend, depuis trois siècles, à l’unicité littéraire et scolaire basée, historiquement parlant, sur le bon usage de la capitale qui réunit les grandes maisons de presse, les journaux, les institutions nationales, les médias et l’administration scolaire et universitaire qui répand, depuis la Révolution, la fiction du français unitaire et d’une norme commune et unifiée pour la ‹République une et indivisible› qui devrait trouver une contrepartie linguistique, la langue nationale standardisée qui fait pendant à l’unité linguistique» (Schmitt 2015, 64–65).

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3.3.9 Der Verein Avenir de la Langue Française «Deux cent cinquante personnalités demandent à M. Mitterand de réagir contre le ‹tout-anglais›» (Le Monde, 05. 07. 1992). So lautet die Schlagzeile eines Le Monde-Kommentars, bevor am Wochenende darauf in der gleichen Zeitung das Gründungsmanifest des ALF mit dem Titel Pour l’avenir de la langue française veröffentlicht wird (cf. Le Monde, 11. 07. 1992). Dieser und ein weiterer Aufruf im Dezember führen noch im gleichen Jahr zur Gründung des ALF mit Sitz in Paris (cf. ALF 2019a). Zu den Initiatoren des Manifests und Gründern des Vereins zählen bekannte Personen aus unterschiedlichen Bereichen des öffentlichen Lebens, darunter z. B. der 2019 verstorbene französische Schriftsteller Dominique Noguez, der dem ALF bis 1993 als «inlassable et inclassable militant de la cause du français» (JALF 2019.3, 4) vorstand. Als weitere Gegner des «toutanglais» haben sich u. a. Max Gallo, Historiker und damals Abgeordneter im Europäischen Parlament oder der Philosoph und Autor Alain Finkielkraut erklärt, der wie Gallo später auch in die Académie française gewählt wurde (cf. Le Monde, 05./06. 07. 1992). Was das ideologische Spektrum dieser hier beispielhaft genannten Adhärenten anbelangt, sei nur am Rande bemerkt, dass z. B. die Wahl Finkielkrauts in die Akademie aufgrund seines Essays L’identité malheurese (2013), in dem er sich kritisch zur Masseneinwanderung äußert und diese als Gefährdung der nationalen Identität Frankreichs beschreibt, stark kritisiert wurde und sich auch im Rahmen aktuellerer Themen wie der Gelbwestenbewegung fortsetzt, wo Finkielkraut durch provokante und teilweise reaktionäre Kommentare in Erscheinung tritt (cf. FAZ, 17. 02. 2019). Unter die Unterzeichner des Manifests fallen weitere Bekannte der öffentlichen Sprachendiskussion wie z. B. René Étiemble oder der damalige Direktor von France Culture, Jean-Marie Borzeix (cf. Le Monde, 05./06. 07. 1992). Die bereits im Gründungsmanifest dramatisch dargestellte Bedrohung des Französischen durch das Englische und insbesondere das amerikanische Englisch (cf. 205) ist bis heute Kernelement der Sprachideologie des Vereins und seiner betont fremdwortpuristischen Ausrichtung geblieben. Diese spiegelt sich auch in der aktuellen Mission des ALF wider (cf. 206): (205) La France change. Par certains aspects, elle progresse. Par d’autres, elle régresse. A l’égard de sa langue, par exemple. Depuis quelques années, dans un certain nombre de secteurs grandes entreprises, publicité, recherche scientifique, audiovisuel et jusqu’au sein de l’« appareil d’État », quelques « décideurs » se sont mis en tête de la faire renoncer à sa propre langue et de la faire parler anglais, ou plutôt américain. […] Bref, il existe en France des fanatiques du tout-anglais de plus en plus entre-

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prenants. Ils contribuent à faire douter de leur langue les Français et, par voie de conséquence, à ébranler son crédit dans les autres pays (Le Monde, 11. 07. 1992). (206) Avenir de la langue française : une association qui rassemble tous ceux qui refusent de se soumettre à la domination absolue de la “langue dollar” et qui veulent continuer à vivre en français en France, dans les pays francophones, dans une Europe plurilingue, dans un monde riche de toutes ses langues et cultures (ALF 2019b, o. S.). Die Direktiven für eine Sprachpflege zum Schutz des Französischen gegen diese «domination absolue» wurden im ersten Manifest aufgestellt und im zweiten Manifest vom 01. 12. 1992 nochmals konkretisiert: (207) 1) De diversifier l’apprentissage des langues étrangères en France cn [sic] organisant réellement l’égalité de leur enseignement ; 2) D’agir pour accroître la place de l’information et de la création audiovisuelles d’expression française en France et dans le monde ; 3) D’assurer l’usage effectif du français à tous les niveaux des institutions européennes de ne plus accepter les interprétations partisanes de certains commissaires ou juges qui, à Bruxelles et à Luxembourg, détournent de son sens l’article 30 du traité de Rome sur la libre circulation des biens et des services pour torpiller toute législation linguistique, alors que le recours à l’article 36 du même traité relatif à la protection du consommateur et du patrimoine et un peu de fermeté permettraient de les contrer ; 4) De rappeler dans la Constitution non seulement que le français est la langue de la République mesure votée par le Parlement à la suite, notamment, de l’action des auteurs du présent appel mais que c’est la langue de l’enseignement et du travail, et d’y introduire le principe de la participation de la France à la construction d’une communauté francophone internationale, construction non moins nécessaire que celle de l’Europe ; 5) Et de transformer la loi du 31 décembre 1975 sur l’emploi de la langue française afin qu’elle traite de tous les aspects de son usage en France et qu’elle soit effectivement appliquée (Le Monde, 01. 12. 1992). Dabei beziehen sich die beiden letztgenannten Punkte auf konkrete sprachpolitische Maßnahmen, an denen der ALF beteiligt war: Zum einen geht es um die Forderung nach Umsetzung der am 25. Juni 1992 «als Folge der Verträge von Maastricht» durchgeführten Ergänzung des zweiten Artikels der französischen Verfassung von 1958. Diese Änderung «hängt unmittelbar mit dem Fortschreiten

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eines vereinten Europas zusammen und der Sorge um die Zurückdrändung des Französischen» (Braselmann 1999, 9; cf. JORF 1992, 8406). Zum anderen bezieht sich die letztgenannte Forderung auf die Änderung des Sprachgesetztes von 1975 (cf. Loi n° 75–1349), das zwar als Voraussetzung für die Aufnahme der intensiven Terminologiearbeit und fachsprachlichen Standardisierung einen zentralen Anker der Sprachplanung im 20. Jh. spielte, jedoch als «Versuch, die französische Sprache per Gesetzt zu beeinflussen (zu ‹normieren›), im großen und ganzen gescheitert [war]» (Christmann 1982, 281). Die parlamentarische Ausarbeitung der zwei Jahre nach dem Le Monde-Manifest verabschiedeten Loi Toubon (cf. Loi n° 94–665), die als neues Verbraucherschutzgesetz den Vorläufer von 1975 außer Kraft setzt, wurde vom ALF beratend und unterstützend begleitet (cf. ALF 2019c). Das Gesetz definiert bis heute den Schwerpunkt der Vereinsarbeit: «elle [scil. l’association] veille notamment à l’application de la loi du 4 août 1994 sur l’emploi du français (dite ‹Loi Toubon›) dans notre pays, par des interventions écrites, des études, des réunions et des démarches auprès des pouvoirs publics» (cf. ALF 2019b, o. S.). Das in diesem Zusammenhang konstruierte Verständnis von Sprachpflege als Sprachverteidigung der «langue française gravement menacée aux plans national et international» (ALF 2019b, o. S.) umfasst das Ziel, die Nationalsprache im eigenen Land, auf europäischer und internationaler Ebene zu schützen und ihren offiziellen Gebrauch in den europäischen Institutionen und in der Wissenschaft zu erhalten bzw. auszubauen. Diesem weitgefassten Aufgabenspektrum entsprechend interveniert der ALF mit Auftritten, Veranstaltungen, Protestkampagnen und Sprachberatung in fast allen öffentlichen Domänen von Politik über Wirtschaft und Bildungswesen bis hin zur Kulturarbeit (cf. 2019c). Die Mitgliederzahlen des ALF sind mittlerweile nicht mehr über die Homepage des Vereins einsehbar. Bei einem letzten Stand aus dem Jahr 2016 zählte der Verein ca. 6000 Mitglieder (cf. Neusius 2018, 13), d. h. nur ein Sechstel des VDS. Ob dies daran liegt, dass sich in der französischen Sprachpflege die Mitglieder auf die vier amtlich anerkannten Sprachpflegeorganisationen verteilen oder auf andere der zahlreichen Sprachschutzorganisationen, ist ebenso eine Vermutung wie die, dass der VDS in Deutschland aufgrund seiner gut organisierten Öffentlichkeitsarbeit eine gesellschaftliche Vorreiterposition eingenommen bzw. eine Nische im Diskurs besetzt hat, die es auf französischer Seite nicht gibt oder die der ALF nicht ausfüllt.286 Dennoch ist das Gefälle in der Größe der 286 Eine ausführliche Dokumentation bestehender Sprachschutzorganisationen wurde zuletzt von Bruchet (2004) im Auftrag der DGLFLF redigiert. Bruchet steht z. Zt. als Vizepräsidentin der AFAL vor und ist somit selbst in der institutionalisierten Sprachpflege tätig. Wissenschaftliche Zusammenstellungen wurden von Bengtsson (1968) und Muller (1985) bereitgestellt. Eine aktuelle Untersuchung der Spracheinstellungen ausgewählter Sprachpflegeorganisationen, darunter

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VDS- zur ALF-Community gerade deshalb bemerkenswert, weil es aufgrund des traditionellen Status der Sprachpflege in Frankreich genau umgekehrt erwartbar wäre. Die Beschäftigung der Deutschen mit ihrer nationalen Identität hat in den letzten zehn Jahren wieder eine neue Dynamik aufgenommen und reiht sich in einen politischen Prozess gleicher Stoßrichtung ein. Dahingegen scheint Frankreichs bisher unerschütterliche Identität als «Grande Nation» zunehmend in Frage gestellt zu werden, wie es z. B. die oben angesprochene Bewegung der «Gilets jaunes» zeigt. Was die politische Provenienz seiner Mitglieder anbelangt, betont der ALF an mehreren Stellen, dass politische Richtungen aller Couleur vertreten sind, die Organisation im Ganzen jedoch «rigoureusement apolitique» sei (ALF 2019b). Der ALF war lange Zeit eine der 127 von der OIF akkreditierten Nicht-Regierungs-Organisationen zur Vertretung der Zivilgesellschaft in der Frankophonie. Im Gegensatz zur AFAL, die diesen Status beibehalten hat, ist der Verein seit 2020 nicht mehr auf der Liste vertreten (cf. OIF 2020). Vorsitzender und Gründungsmitglied des Vereins ist seit 2003 Albert Salon, der dem ALF bereits 1997–1998 interimsweise vorstand. Nach einem Studium an Sciences Po und der ENA wird er 1981 an der Sorbonne mit einer Arbeit zur Action culturelle de la France dans le monde: analyse critique (1983) promoviert. Danach durchläuft er verschiedene Stellen im gehobenen und höheren Dienst der Frankophonie mit Aufenthalten auf Mauritius, in Québec und letztlich als französischer Botschafter auf Jamaika (cf. Le Monde, 28. 03. 1999). Die Öffentlichkeitsarbeit des Vereins läuft über verschiedene Kanäle, in denen diverse Formen von Sprachpflege zwischen Information, Sprachberatung und Sprachaktivismus bedient werden. In dem auf der Homepage des ALF frei zum Download verfügbaren Journal d’Avenir de la Langue Française (vormals Bulletin d’Avenir de la Langue Française) informiert der Verein dreimal im Jahr über aktuelle sprachbezogene Themen und Probleme. Anders als bei den Sprachnachrichten gibt es keine Printversion der Zeitschrift. Die Struktur des Journals gliedert sich wiederum ähnlich dem inhaltlichen Aufbau der VDS-Vereinszeitschrift in die festen Kategorien «Vie de l’association», «Français et Francophonie dans les institutions», «Brèves», «Courrier des lecteurs» und «Parutions signalées». In jeder Ausgabe alternierend ist ein mehrseitiges Dossier zu einem bestimmten Thema, z. B. zu den Regional- oder Minderheitensprachen (cf. supra), der französischen Kulturpolitik im Ausland oder der internationalen Frankophonie (cf. ALF 2019d). Dabei fällt auf, dass sowohl in den Sprachnachrichten als auch im Journal d’ALF Themen zur Statusplanung der Sprachen deutlich überwiegen bzw. werden im Journal d’ALF überhaupt nur sehr vereinzelt

auch der ALF, wurde in Form einer qualitativ-kontrastiven Studie zu Frankreich und Québec von Walsh (2016) vorgelegt.

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korpusplanerische Fragen behandelt (cf. Kap. 4.2.1.1). Ebenso wie die Sprachnachrichten wird auch jede Ausgabe des französischen Formats durch ein Vorwort des Vereinsvorsitzenden eröffnet. Ebenfalls in den informativen Bereich der Spracharbeit fällt aktuell die Organisation von Kolloquien, auch in Kooperation mit Vertretern der universitären Sprachwissenschaft und Lehre wie zuletzt im März 2018 an der Sorbonne Nouvelle zum Thema «Langue française: les forces d’un renouveau possible». Weitere eher sprachaktivistische Tätigkeiten wie Pressekonferenzen, die Teilnahme an Salons oder öffentlichen Foren sowie Podiumsdiskussionen beschränken sich v. a. auf die Jahre 1997–2010 (cf. ALF 2019e). Auch was die Teilnahme an Demonstrationen anbelangt, sind laut Stand der Homepage in diesem Bereich die letzten Aktionen 2009 durchgeführt worden (cf. ALF 2019f). Auch der «guide de l’usager», der die Mitglieder des ALF über ihre Sprachrechte, auch im Schadensfall z. B. als Arbeitnehmer informiert (cf. 208), wurde seit 2003 nicht mehr aktualisiert (cf. ALF 2003). Im gleichen Dokument ruft der Verein auch dazu auf, Verstöße gegen die Loi Toubon zu melden. Auf diese Weise akquiriert der ALF Multiplikatoren für die sprachliche Überwachung des öffentlichen Raumes und sammelt Beweismaterial für seine im Rahmen des agrément veranlagte Berechtigung als Nebenkläger (cf. 209): (208) Si la violation de la loi vous cause un dommage, vous avez toujours la possibilité d’agir en justice pour obtenir réparation du préjudice subi (ALF 2003, 21). (209) Nous pouvions, théoriquement, agir par voie de plainte ou de citation directes. L’agrément nous permet désormais de nous porter partie civile devant le tribunal de police lorsque l’action publique a été mise en œuvre par le procureur de la République pour les infractions aux articles 2 (consommation), 3 (affichage), 4, 6 (manifestations et colloques), 7 (publications et revues) et 10 (offres d’emploi). > Si vous êtes témoins ou victimes d’une violation de la loi, qu’elle soit ou non pénalement sanctionnée, n’hésitez pas à nous contacter (ALF 2003, 43). Weitere Einzelpublikationen legt der Verein mit themenspezifischen Stellungnahmen zu den Bereichen «Langue Française» und «Francophonie» vor. Aus diesen Kommentaren speisen sich die topischen Leitlinien des Vereins, die auch im Rahmen der sprachlichen Analyse des Journal d’ALF ermittelt werden konnten und die das sprachideologische Grundgerüst der vereinsinternen Sprachpflege darstellen (cf. Kap. 4.2.1). Die Zielbereiche dieser auf internationaler Ebene national gelenkten Sprachpflege beziehen sich auf die bekannten gesellschaftlichen Wirkungsbereiche puristischer Sprachpflege (Politik, Wirtschaft, Bildungswesen und Wissenschaft) und decken sich in dieser Hinsicht mit der

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thematischen Schwerpunktsetzung, die auch für den VDS herausgearbeitet wurde (cf. Kap. 3.2.6). Die Publikationen beider Vereine stehen dabei stets in derselben linearen thematischen Progression, die den Blick der Leser von der Sprachensituation im Mutterland auf die weltweite Verbreitung und den internationalen Status der Sprache lenkt, wobei der Verteidigungskampf gegen das Englische alle topischen Bereiche als universales Muster überlagert (cf. Kap. 4.2.1.3). Ein Blick auf die o. g. Stellungnahmen des ALF macht diese Struktur des Metasprachdiskurs deutlich. Bei der Betrachtung des nationalen Sprachenkontextes dominiert zunächst die Darstellung des Französischen als Teil der nationalen Identität und als Summum Bonum der Nation (cf. 210–211).287 Die französische Nation als kollektives Selbstbild und die Hervorhebung der sozialen und konnektiven Funktion von Sprache für diese nationale Identität (cf. 211 «condition de vivre ensemble») beruht sprachlich auf der Anthropomorphisierung der Sprachgeschichte als genetische Prädisposition eines Französischtums:288 (210) Toute cette longue histoire est passée dans nos gènes. On peut dire aujourd’hui que si le français venait à perdre son rôle dans l’unité de la Nation, dans la diversité culturelle du monde, et dans la relative cohésion de la communauté francophone internationale, ce serait la fin de la France et d’une des plus grandes civilisations que la terre ait connues. Or, la fin de la France, notamment par la fin de la langue française, est voulue aujourd’hui par beaucoup de forces en déni, dans le monde, et, hélas, en France même (ALF 2013, o.S.). Auf diese Weise findet eine «Psychologisierung des Verhältnisses von Muttersprache und nationaler Identität statt» (Stukenbrock 2005a, 245), wobei onomasiologisch betrachtet in den untersuchten Positionierungen des ALF weniger die herkunftsbezogene Konnotation von Sprache als «Muttersprache», sondern eher die einheitsstiftende Assoziation als «langue de la République» betont wird (cf. auch Kap. 3.3.4, Tab. 8). (211)

Unanimes, elles dressent un constat angoissant du sort politique fait à la langue française en France. “Langue de la République” (art. 2 de la Constitution), le français est une condition du vivre ensemble national et républicain, et, selon les sondages récents, il est pour 80% de nos

287 Cf. hierzu auch Stukenbrock (2005a, 432). 288 Zu biologistischen Metaphernmodellen als Grundlage kollektiver Identitätskonstruktion cf. Kap. 4.2.2.

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concitoyens un des principaux piliers de l’identité nationale (ALF 2009, o.S.).289 Von dieser nationalen Identitätsfundierung ausgehend stützt sich dann in einem weiteren Schritt die Sprachreflexion zum internationalen Status des Französischen auf die Forderung zur Einrichtung einer ʻfrankophonen Staatsbürgerschaftʼ, die vom französischen Staat an frankophone Sprecher in Frankreich und im Ausland verliehen werden kann: (212)

Pour dépasser ces limites et garder sa vitalité, la langue française doit s’éloigner du cadre étroit de la nation, tout en s’y appuyant. Il lui faut rassembler ses alliés, ses locuteurs, dispersés de par le monde, quelle que soit leur origine, par la reconnaissance d’une citoyenneté francophone. La citoyenneté francophone permettra d’unifier des éléments isolés tout en donnant consistance à la francophonie. Et en s’appuyant sur nos propres forces et sur ce qui dépend de nous (ALF 2009, o.S.).

Diese fiktionale Ausgestaltung eines überstaatlichen Sprachenbunds deckt sich mit der ebenfalls von Stukenbrock (2005a) als Merkmal sprachnationalistischer Diskurse in Deutschland beschriebenen «Demokratisierung» und «Popularisierung» eines sprachideologisch verankerten und historisch gewachsenen, metasprachlichen Selbstbildes und kollektiven Sprachbewusstseins: «Bei der Arbeit am nationalen Selbstbild, das in den zurückliegenden Jahrhunderten fundiert wurde und nun den Erfordernissen der zeitgenössischen Gegenwart angepasst werden muss, geht es auch um dessen Ausweitung. Diese Ausweitung beinhaltet erstens eine Demokratisierung und zweitens eine Popularisierung dieses Selbstbildes. Demokratisierung der Nationsvorstellung bedeutet den Einbezug weiterer gesellschaftlicher Kreise in die Gemeinschaft durch eine sozial verbreiterte Imagination der Nation, die den bislang ausgeschlossenen Gruppen ein Zugehörigkeitsbewusstsein überhaupt erst ermöglicht, bedeutet also, die Nationsvorstellung konzeptionell weniger elitär zu machen. Popularisierung des Selbstbilds bedeutet des Einbezug weiterer gesellschaftlicher Kreise in die Nation durch das Hinunterdiffundieren des Bewusstseins von der Zugehörigkeit zu einer umfassenderen, die anderen Einheiten nicht nur überdachenden, sondern idealiter in der Loyalitätsbindung auch übertreffenden Gemeinschaft […]» (Stukenbrock 2005a, 235).

Dieselbe sprachideologische Popularisierung und Demokratisierung von Metasprachdiskursen kann für den französischen Kontext angesichts des betrachteten Zusammenhangs zwischen Sprachgeschichte und Öffentlichkeit als Spiegel soziohistorischer und politischer Prozesse bestätigt werden (cf. Kap. 3.3). Dabei

289 Auch erschienen in Le Monde, 07. 12. 2009.

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ist sowohl für die synchrone als auch die diachrone Perspektive im Kern entscheidend, dass die Argumentation zugunsten einer Demokratisierung der Sprachnation nur selten einer intrinsischen Motivation unterliegt: «Gleichheit wird erst beschworen, […] wenn es nicht um einen konstruktiven Auf- und Ausbau der Nation, sondern um die Selbstverteidigung geht, und mehr Kräfte mobilisiert werden müssen» (Stukenbrock 2005a, 237). An diese Entwürfe einer antielitären «metasprachlichen Öffentlichkeit» (cf. Kap. 2) und an Persuasionsmuster einer im Laufe der Zeit durch die Sprachpflege zweckentfremdeten Popularisierung und Demokratisierung der Sprachnation knüpfen aktuelle Positionierungen des ALF an. Der auch zuvor in verschiedenen historischen Etappen hergestellte Kausalschluss zwischen der defizitären Spracheinstellung bestimmter gesellschaftlicher Gruppen «im Inneren» und einer wachsenden Bedrohung durch andere Sprachen «von außen» (cf. Kap. 3.3.4–3.3.8) ist heute und den Entwicklungen des 20. Jhs. entsprechend auf den Sprachkontakt Französisch – Englisch beschränkt: (213) La place du français dans le monde est menacée d’abord par les Français eux-mêmes et par le comportement chez eux de leurs « élites ». Des actions sont proposées aux autorités compétentes. Mais cette place et la construction de la Francophonie Communauté des 56 pays ayant le français en partage sont menacées à la fois par l’expansion rapide, universelle, de l’anglo-américain, par l’exercice d’une hégémonie américaine de plus en plus étouffante […] (ALF 2009a, o.S.). Dabei «lässt [d]as Zusammenrücken unter äußerem Druck und zur Verteidigung der äußeren Grenzen […] die inneren Standesgrenzen zusammenfallen» (Stukenbrock 2005a, 237), wobei die inneren Standesgrenzen spätestens mit der «exception française» diskursiv von der nationalen auf die internationale Handlungsebene ausgeweitet wurden (cf. 214), sodass heute Solidaritätsbekundungen und Allianzschlüsse im Paktieren gegen das Englische auch auf Sprachgemeinschaften jenseits frankophoner Grenzen ausgeweitet werden (cf. 215): (214) La Francophonie doit renforcer considérablement la solidarité entre ses membres. Par la coopération pour le développement. Aussi par l’aménagement linguistique en son sein, et le développement de ses diverses langues. Enfin par un commun renforcement de la langue française partagée (ALF 2009a, o.S.). (215) Les sociétés civiles francophones (des dizaines d’associations françaises, belges, québécoises, regroupées à cet effet en un FFI-Forum francophone international, ont, le 7 octobre 2001, au château de Villers-Cotterêts, ap-

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pelé à un mouvement mondial de résistance francophone à l’arasement des langues et cultures du monde, et d’ouverture à la Méditerranée et aux pays francophones et francisants, en faisant alliance avec d’autres ensembles géoculturels : hispanophonie, lusophonie, arabophonie.... (ALF 2009a, o.S.). Die Verteidigung der «eigenen» Sprache gegen die «fremde» Sprache schließt auch die Verteidigung der eigenen Sprachideologie mit ein, deren betont fremdwortpuristisches Image der französischen Sprachpflege spätestens seit dem sprachnationalistischen Rigorismus des 20. Jhs. als Stigma anhaftet (cf. Kap. 3.3.8) und den Status der sprachlichen «exception» Frankreichs heute stärker definiert als die Universalität und das «génie de la langue française» als historische Werte des Metasprachdiskurses (cf. Kap. 3.3.4). Um sich von diesem puristischen Stigma argumentativ zu distanzieren, wird vom ALF eigenes sprachliches Handeln zum gegnerischen sprachlichen Handeln umgedeutet und die Kritik an der eigenen sprachideologischen Position wird auf einen Strohmann als fiktiven Gegner projiziert. (216) L’excès de purisme dans lequel elle [scil. la langue française] s’est enfermée ; “Une langue morte on la reconnaît à ce qu’on n’a pas le droit d’y faire des fautes. Ce qui revient à dire qu’on n’a pas le droit d’y apporter la moindre innovation [sic] Un idiome n’approche de l’universalité que lorsqu’il s’émancipe de ses origines, s’en éloigne et les renie ; parvenue là, s’il veut se rénover, éviter l’irréalité ou la sclérose, il faut qu’il renonce à ses exigences, qu’il brise ses cadres et ses modèles, il faut qu’il condescende au mauvais goût” (ALF 2009b, o. S.). Dieses im Folgenden als SPIEGELTOPOS bezeichnete Argumentationsverfahren dient, wie Tereick (2016) in einem anderen sprachlichen Kontext am Beispiel des Klimawandeldiskurses beschreibt, der Stärkung von Extrempositionen, für die vorgegeben wird, dass sie «auch durch diejenigen reproduziert werden, die sie ablehnen», d. h. durch «eine Gegenseite konstituiert werden» (2016, 334), die opak bleibt. Derart selbstkontradiktorische Positionierungen führen zu einer Derationalisierung des Diskurses und der dahinterstehenden Sprachideologie. Ebensolche sprachideologischen Konstruktionen sind heute entscheidend von der Entgrenzung metasprachlicher Diskurse in virtuellen Kommunikationsräumen geprägt. In diesem Zusammenhang stellt sich auch die Frage nach einem geeigneten Zugang zur Multimodalität und Materialität im Diskurs, die nachfolgend mit Spitzmüller (2018) angesprochen werden soll, jedoch in dieser Arbeit keinen eigenen Untersuchungsschwerpunkt darstellt. «[G]enuin trans-

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textuelle Phänomene, also musterhafte nichtsprachliche Phänomene» (Spitzmüller 2018, 530), wie z. B. die oben erwähnte Typographie und Textgestaltung der Homepages von Sprachpflegeorganisationen, sind nicht nur als Kontext eines kommunikationsideologischen Wandels zu berücksichtigen, sondern als diskursive Produkte, die sprachideologischen Regimen auf non-verbaler Ebene Ausdruck verleihen. «Für eine Diskurslinguistik, die sich mit Multimodalität und Materialität befasst, bedeutet das, dass sie Multimodalität und Materialität nicht einfach exodiskursiv voraussetzen kann, sondern dass sie sie selbst als diskursiv begreifen muss. Multimodale und materielle Phänomene sind also nicht einfach nur kommunikative Fakten, die eine Diskurslinguistik zu beschreiben hat. Sie sind diskursive Produkte. Daher muss nicht zuletzt auch der (häufig heterogene) Umgang der Akteure mit ihnen, es müssen die diskursiven Zuschreibungen, die diese Phänomene erfahren, von der Analyse erfasst werden» (Spitzmüller 2018, 529).

Gerade Bilder spielen in digitalen Kommunikationsräumen durch ihre unterschiedliche Funktionalisierung eine zentrale Bedeutung bei der Festigung fremdwortpuristischer Spracheinstellungen (cf. auch Kap. 2.2.3). So wird z. B. auf der ALF-Homepage die Dialektik des sprachlich Korrekten (Französisch) und des sprachlichen Inkorrekten (Anglizismen) im öffentlichen Raum durch zwei Bildgalerien visualisiert, die den plakativen Titel «Musée des délices» (ALF 2019g) und «Musée des horreurs» (ALF 2019h) tragen. Im «Musée des délices» wird ein vorbildlicher Sprachgebrauch im öffentlichen Raum ohne englische Lehnwörter dokumentiert und den gemäß der loi Toubon sprachlichen Regelverstößen im «Musée des horreurs» gegenübergestellt. In den sozialen Netzwerken der Sprachpflege haben sich Bilder als ausdrucksstarkes Kommunikationsmedium mit dem digitalen Fortschritt zunehmend erkennbar als gängige Form der Einstellungsbekundung und als Instrument sprachideologischer Argumentationen etabliert. Insbesondere in den textuell begrenzten Äußerungskontexten der Kurznachrichtendienste ermöglichen die multimodalen Verlinkungs- und Einbettungsoptionen für Bildmaterial eine schnelle, weitläufige und zugleich anschauliche Vermittlungsebene für Sprachideologien und Spracheinstellungen im digitalen Raum. Die auf den Homepages nicht ohne Aufwand der Nutzer auffindbaren Bilder und Fotos, sind in der Veröffentlichungsform sozialer Medien direkt sichtbar, können weiter verarbeitet werden und die Auswahl an Bildmaterial, das Sprache im öffentlichen Raum präsentiert, ist für die Sprachpfleger im Internet schier unbegrenzt: So werden insbesondere Werbeanzeigen, wie im Fall der französischen Postbank, die sich selbst den Titel «French Bank» verliehen hat, vom ALF in der eigenen Chronik geteilt und als sprachliche «bêtise» verunglimpft (Twitter ALF, 01. 07. 2018). In einem ähnlich gearteten Tweet kritisiert der VDS den Siemens-

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Slogan «Ingenuity for life», wobei bereits durch die gesetzten Hashtags #Deutsch und #Englisch eine semiotisch aufgeladene sprachideologische Dialektik transportiert wird, die es vermag, in der gesamten Text-Bild-Komposition eine positive Einstellung zum Deutschen und negative zum Englischen in einen annähernd minimalen Zeichenkomplex zu kondensieren (Twitter VDS, 03. 11. 2019). Gleiche Spracheinstellungen verbreiten sich somit bisweilen in gleichen medialen Kanälen unterschiedlicher sprachlicher Kontexte auf eine ähnliche Weise, wobei gerade für diskursvergleichende Arbeiten, die tiefergehende Analyse des konkreten kommunikativen Kontextes erforderlich bleibt. Eine heterogene Nutzung medialer Angebote im Bereich der Sprachpflege zeigt sich hingegen im Rückgriff des ALF auf die klassischen Massenmedien. Seit 2010 moderiert Albert Salon die Radiosendung «Français en partage», die sich wie der ALF der Verteidigung und Förderung des Französischen in der Frankophonie widmet (cf. ALF 2019i). Für die Konstitution des Diskurses entscheidend ist an dieser Stelle, dass die Nutzung dieses klassischen Medienformats in direkter Verbindung mit einer bestimmten ideologischen Nische der «metasprachlichen Öffentlichkeit» steht, die sich ähnlich der Netzwerkstruktur des VDS in unmittelbarer Nähe des rechtsextremen politischen Spektrums bewegt (cf. Kap. 3.2.6). Dies zeigen nicht nur die Namen der über die Jahre involvierten Interviewpartner wie der konservativ-populistische Nicolas Dupont-Aignan oder der aktuelle Bürgermeister von Villers-Cotterêts, Franck Briffaut, der seit den 1970er Jahren Mitglied des Front National und jetzt Rassemblement National ist, sondern v. a. die Ausstrahlung über den Sender Radio Courtoisie. Gegründet 1987 mit dem Ziel der Verteidigung des «pays réel, de la langue française et de la liberté d’expression» lässt bereits der Slogan des Radiosenders, «Toutes les droites, tous les talents» keinen Zweifel an der politischen Richtung und einer bisweilen auch xenophoben puristischen Gesinnung (cf. Radio Courtoisie 2019). Der ehemalige Sendeleiter, Henry de Lesquen, Präsidentschaftskandidat bei den Wahlen 2017 und selbstdeklarierter Rassist, wurde aufgrund seiner extremistischen Haltung zur Kündigung seines Postens als directeur von Radio Courtoisie bewegt (cf. Le Monde, 28. 06. 2016). Zu diesen radikal bewertenden Positionen einer puristischen Sprachpflege, deren sprachliches Handeln im gesamten Diskurs durch den Metaphernbereich SPRACHE IST KRIEG geprägt ist (s. Kap. 4.2.2) – allein auf der Startseite wird zehn Mal das Schlüsselwort combat verwendet (Stand: 12. 12. 2019) – versucht der ALF mit einer Zusammenfassung der wichtigsten sprachhistorischen Etappen des Französischen inklusive sprachwissenschaftlicher Bibliographie und einer Auswahl an pseudo-wissenschaftlichen Referenzwerken ein deskriptives Gegengewicht zu schaffen (ALF 2019). Dies unterstreicht die Bemühungen der staatlich anerkannten Sprachpflege, die eigenen Positionen in möglichst viele

3.4 Zwischenfazit

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Domänen des öffentlichen Metasprachdiskurses einzubringen und dabei eine an die Bedürfnisse der Adressaten und Nutzer angepasste sprachideologische Botschaft zu senden, die im Kern stets auf subjektiven und emotiven Spracheinstellungen beruht. Dabei lässt sich anhand der betrachteten Beispiele und im Rückblick auf die gesamte historische Entwicklung des französischen Metasprachdiskurses mit Schweickard (2005) resümieren, dass aus sprachwissenschaftlicher Sicht, gleich «[o]b ästhetisch oder ideologisch motiviert, das Zurückdrängen fremden Einflusses, wie wir es in Frankreich beobachten können, […] sachlich fragwürdig [erscheint] und aus historischer Sicht geradezu widersinnig» (2005, 190). Vor diesem Hintergrund bemüht sich das folgende Abschlusskapitel dieser Arbeit (cf. Kap. 4) um eine exemplarische Komplettierung dieser Einschätzung sowohl im Rahmen einer diskurslinguistischen Analyse des aktuellen sprachlichen Handelns der Sprachpflegevereine VDS und ALF als auch einer Untersuchung der Rezeption dieses sprachlichen Handelns durch die Gemeinschaft der Sprecher in ausgewählten Bereichen des digitalen Metasprachdiskurses.

3.4 Zwischenfazit Als historische Systeme können Metasprachdiskurse in einem Spannungsgefüge zwischen beschreibenden und bewertenden Praktiken angeordnet werden. Aus der sprachgeschichtlichen Entwicklung heraus haben sich sowohl in Deutschland als auch in Frankreich zentrale Diskurslinien und -traditionen sprachenbezogenen Wissens und Handelns herausgebildet, die anhand der Positionen, Denkweisen sowie Einstellungen unterschiedlicher Akteure zu Sprache(n) und Sprechern beschrieben und differenziert werden können. Die terminologische Dichte an Bezeichnungen, um die verschiedenen Facetten metasprachlichen Handelns abzubilden («Sprachpflege», «Sprachkultur», «Sprachpurismus», «Sprachpatriotismus», «Sprachnationalismus» etc.) ist sowohl Ausdruck der kulturhistorischen Prägung als auch der sprachbewusstseinsgeschichtlichen Komplexität sprachreflexiver Aktivitäten in beiden Sprachräumen,290 die an spezifische Sprachnormenverständnisse und soziale Strukturen gebunden sind. Trotz der divergierenden sprachgeschichtlichen Entwicklung des Deutschen und Französischen folgt die historische Genese der Metasprachdiskurse in beiden Sprachen gleichen Entwicklungsschritten, die durch eine in beiden

290 Analog zu betrachten sind die weiter oben bereits diskutierten begrifflichen Prägungen im Französischen (défense de la langue, purisme, patriotisme oder nationalisme linguistique).

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Fällen enge Bindung an Prozesse der nationalen Identitätskonstruktion geprägt sind. In ihrem sprachhistorischen Zusammenhang lassen Metasprachdiskurse eine zyklische Abfolge bestimmter Diskurslinien erkennen, die für beide Sprachen charakteristisch ist: 1. Legitimationsdiskurs: Der Status von Sprachen wird auf unterschiedlichen Ebenen begründet (Sprachphilosophie, Grammatikograhie und Lexikographie, Sprachpolitik) und Szenarien der Unter- und Überlegenheit werden fundiert; 2. Sprachnationalistischer Diskurs: Sprache wird als Machtinstrument zum Ausdruck nationaler Überlegenheit ausgebaut; 3. Puristischer Diskurs: Nationale Überlegenheits- und/oder Verteidigungszenarien verfestigen die sprachliche und soziale Dialektik zwischen «Eigenem» und «Fremden», die sich sowohl in sprachpuristischen oder fremdwortpuristischen Tendenzen manifestieren kann; 4. Sprachverfallsdiskurs: Der strukturelle Wandel von Gesellschaften oder Bedrohungsszenarien politischer, wirtschaftlicher und kultureller Natur führen zum Zweifel am nationalen Zusammenhalt und an der Sprache als Bestimmungsstück der nationalen Identität; 5. Reideologisierung: Die Angst vor dem Sprachverfall mündet in eine Wiederaufforstung sprachnationalistischer und puristischer Tendenzen, und der Legitimationsdiskurs beginnt erneut. Diese diskursiven Tendenzen sind auf einer transtextuellen Ebene miteinander verbunden, d. h. sie bedingen und begründen sich gegenseitig, treten aber als dominante Sprachideologien in bestimmten Zeiten stärker in Erscheinung. Inhaltliche und ideologische Konvergenzen zwischen dem deutschen und französischen Metasprachdiskurs sind in beiden Sprachen auf den Vergleich und die Abgrenzung der europäischen Nationalsprachen untereinander zurückzuführen, wobei sprach- und kulturspezifische Ausprägungen als diskursive Alleinstellungsmerkmale erhalten bleiben. Als ein solches Alleinstellungsmerkmal im französischen Metasprachdiskurs kann die «exception française» gelten, der v. a. durch die sprachpolitische Tradition Frankreichs und den Universalitätsdiskurs im 18. Jh. ein starkes Fundament verliehen wurde. Dennoch zeigt die Gegenüberstellung der metasprachlichen Praxis in beiden Sprachen sehr klar, dass der französische Metasprachdiskurs nicht «puristischer» ist als der deutsche. Vielmehr entsteht dieses Bild durch die Permanenz einer starken sprachideologischen Dimension im französischen Metasprachdiskurs, die durch die historischen Ereignisse des 20. Jhs. und den mentalitätsgeschichtlichen Bruch der deutschen (Sprach-)Geschichte im sprachideologischen Sediment des deutschen Metasprachdiskurses nach unten sackte. Parallelen im ideologischen Regiment beider Metasprachdiskurse zeichnen sich anhand der betrachteten historischen Primärquellen in den strukturell und inhaltlich ähnlichen Argumentationsmustern und in konvergenten metaphorischen Konzepten ab, die beide Diskurse nicht nur als diskursübergreifende Sprachgebrauchsmuster,

3.4 Zwischenfazit

441

sondern auch als diachron stabile Wissensstrukturen prägen. Perspektivisch entscheidend ist eine seit Ende des 20. Jhs. innerhalb des deutschen Metasprachdiskurses erstarkende öffentliche Präsenz und ideologische Dynamik einer nationalistisch orientierten Sprachpflege, die gerade in den digitalen Räumen des Metasprachdiskurses ein starkes autonomes Netzwerk konstituiert, das ein breites Publikum der sprachinteressierten Öffentlichkeit anspricht. Was die Kontinuität der französischen Sprachpflege anbelangt, belegen öffentlichkeitstheoretisch fundierte und akteurszentrierte Analysen des Metasprachdiskurses im siècle classique und zur Revolutionszeit, wie eng metasprachliches Handeln und gesellschaftlicher Strukturwandel in Frankreich miteinander verbunden sind. In diesen sprachideologisch besonders einschneidenden Phasen der französischen Sprachgeschichte wurde die «exception française» in Richtung einer rigiden Diskursvertikalität dirigiert, die auch heute noch Bestand hat. Mit dem allmählichen Entstehen der Wissensgesellschaften ab dem 19. und 20. Jh. nimmt die Partizipation an der öffentlichen Sprachendiskussion zu, und die zuvor bestehende Diskursvertikalität wird sowohl im deutschen als auch im französischen Metasprachdiskurs auf zwei neue Achsen sozialer Opposition verlagert. Eine Achse geht aus dem Schisma zwischen Sprachbeschreibung und Sprachbewertung hervor, das zu einer (zumindest strukturell) weitestgehenden Trennung von Linguistik und Sprachpflege in beiden Ländern geführt hat, wobei in diesem Prozess die Position der französischen Sprachpflege und ihre Rolle im öffentlichen Diskurs auf ganz entscheidende Weise durch die sprachnormative Arbeit der chroniqueurs de langage beeinflusst wurde. Eine zweite Achse bildet sich mit dem gesamtgesellschaftlichen Strukturwandel heraus und manifestiert sich in beiden Metasprachdiskursen in einer starren Dichotomie von Experten- und Laientum. Die Ausdifferenzierung der Gesellschaft führt nun auch jenseits sprachnationalistischer und -universalistischer Tendenzen zu einem Bedürfnis der klaren Abgrenzung vom «Anderen» und dessen entweder nichtwissenschaftlicher oder dominant ideologischer Sprachreflexion. Diese bilaterale Oppositionsbildung zwischen der Sprachwissenschaft und der Sprachpflege einerseits und der Sprachwissenschaft und den «laienhaften» Sprechern andererseits führt zu einer bis Ende des 20. Jhs. größtenteils undifferenzierten Zuordnung verschiedener Rollen, Positionen und Wissensbestände im öffentlichen Metasprachdiskurs. Die heute im deutschen und französischen Metasprachdiskurs durch die postmassenmediale Entgrenzung eingeleitete Neuverteilung und Teilhabe an der Produktion und Rezeption von Wissen muss in der soziolinguistischen Theoriebildung neu justiert werden, indem weder «Sprachpflege» noch «Laienlinguistik» als Gegenteil von Linguistik definiert werden, sondern als Kontinuum zwischen beschreibenden und bewertenden Positionen metasprachlichen Handelns, auf dem sich der Sprecher in Abhängigkeit von seiner sprach-

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ideologischen Prägung, seiner sozialen Position und seinen Einstellungen zu Sprache(n) und Sprechern in verschiedene Richtungen bewegt. Mit einem Fokus auf sprachpflegerische und fremdsprachenpuristische Praktiken wurden in der sprachhistorischen Analyse des deutschen und französischen Metasprachdiskurs markante Übereinstimmungen im sprachideologischen Programm und im sprachlichen Handeln verschiedener Akteure auf einzelnen sprachlichen Ebenen herausgestellt. Ausgehend von diesem Verständnis metasprachlicher Praktiken als historische Handlungszusammenhänge, die durch transtextuelle Strukturen gesteuert werden, können zentrale theoretische Ansatzpunkte zur Analyse von Metasprachdiskursen als ideologischen Systemen benannt werden. Schemata metasprachlichen Handelns manifestieren sich auf zwei Ebenen: Einer mentalen, nicht-kommunikativen Ebene, die durch Sprachideologien regiert wird und sich in den Spracheinstellungen der sprachlich Handelnden niederschlägt und einer kommunikativen Ebenen, auf der Spracheinstellungen in zweck- und sinnrationalen Positionierungen zum Gegenstand «Sprache» verbalisiert werden und anhand von spezifischen Sprachgebrauchsmustern salient im Diskurs im Erscheinung treten. Dieser Ansatz von Metasprachdiskursen als ideologischen Systemen, der v. a. durch den Bereich der Sprachpflege determiniert wird, ist im Folgenden aus diskurslinguistischer Perspektive zu verfeinern. Die Diskurslinguistik als Theorie und Methode zur Untersuchung der Konstruktion von gesellschaftlichem Wissen auf verschiedenen Ebenen sprachlichen Handelns bietet einen geeigneten Rahmen, um Sprachideologien als nicht-kommunikative Wissensbestände sowie Spracheinstellungen als Schnittstelle zu Sprachgebrauchsmustern als kommunikativen Schemata von Metasprachdiskursen analytisch zusammenzuführen.

4 Metasprachdiskurse als ideologische Systeme: Vergleichende diskurslinguistische Analysen des öffentlichen Sprachpflegediskurses in Deutschland und Frankreich 4.1 Methode und Korpus 4.1.1 Handlungsorientierte diskurslinguistische Analyse Diskurse sind durch spezifische Handlungsdynamiken gekennzeichnet, die als «Teile des kommunikativen Haushalts» einer Gesellschaft (Spieß 2018b, 355) sprachhistorisch geprägt sind (cf. Kap. 3). Dabei spielt Öffentlichkeit als strukturell wandelbarer und heute entgrenzter Ort des kommunikativen Austauschs, Verhandelns und Urteilens über Sprache eine (zunehmend) entscheidende Rolle (cf. Kap. 2). Differenzierte Betrachtungen metasprachlicher Öffentlichkeit(en) im Laufe der Zeit haben die engen Verflechtungszusammenhänge zwischen sprachlichen Praktiken der Sprachpflege in Deutschland und Frankreich und sozialen Positionierungen zu Sprache(n) und Sprechern deutlich gemacht und dabei gezeigt, dass Sprachpflege sich als bewertende Form von Metasprachdiskursen im soziohistorischen Wandel von Nation, Gesellschaft und Öffentlichkeit dadurch auszeichnet, dass ihre zentralen Sprachhandlungsmuster im Grunde konsistent sind. Als Archiv konservierter Sprachideologien und Spracheinstellungen i. S. einer auf Sprache bezogenen «archéologie du savoir» (Foucault 1969) sind diese Muster für aktuelle Diskurse der Sprachpflege in verschiedenen Kommunikationsräumen von vitaler Bedeutung. Vor diesem Hintergrund dienen die folgenden Ausführungen zunächst einer Zusammenführung und Adaption der Ansätze, die bottom-up, d. h. aus der deutschen und französischen Diskursgeschichte heraus und an ihr exemplifiziert, in den beiden Exkursen in Kap. 3 als zentrale theoretische Konzepte zur Analyse von Metasprachdiskursen erarbeitet wurden: Dabei handelt es sich einmal um das Sprachhandlungsschemata-Modell nach Janich (2004), das entgegen seiner ursprünglichen Operationalisierung für die Praxis, d. h. zur Umsetzung und Förderung von Sprachkultur, in dieser Arbeit auf die Analyse von Metasprache als Teil ideologischer Sprachreflexion übertragen wird (cf. Kap. 3.2.2). Die für diesen Zweck vorgenommene Integration von Metasprache als «Sonderform» sprachlichen Handelns fokussiert dabei Spracheinstellungen als Teil der subjektiven Innenwelt des Sprechers, die in seinem Sprachhandeln gegenüber der sozialen Mitwelt sichtbar werden (cf. Abb. 8). https://doi.org/10.1515/9783110723915-004

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4 Metasprachdiskurse als ideologische Systeme

Als Fortführung dieses theoretischen Rahmens wurde dann ebenfalls im vorangehenden Kapitel der Bereich der Spracheinstellungen am Beispiel der Laienlinguistik tiefergehend systematisiert (cf. Kap. 3.3.7). Als Haltungsäußerungen an der Schnittstelle zwischen subjektiver Innenwelt und sprachlichem Handeln auf einem Kontinuum zwischen Beschreibung und Bewertung unterliegen Spracheinstellungen stets Sprachideologien als übergeordneten, mentalen und impliziten Kategorien, die das sprachliche Handeln der Sprecher determinieren (cf. Abb. 15). Diese theoretischen Annäherungen münden in einen handlungsorientierten Ansatz der Diskurslinguistik, der im Folgenden als Methode zur Analyse von Sprachpflegediskursen dargelegt wird. Dieser Ansatz wird durch die vorangehenden diskursgeschichtlichen Ausführungen insofern fundiert, als dass an zahlreichen Beispielen historischer und aktueller Äußerungen veranschaulicht werden konnte, dass gerade in sprachpuristischen Kontexten sprachliche Praktiken und soziale Positionierung unweigerlich miteinander verbunden sind. Auf der Grundlage dieser historischen Basis können «Diskurse» als Räume sprachlicher Praktiken und sozialer Positionierungen beschrieben (cf. Kap. 4.1.2) sowie «Sprachideologien» als Regime und «Spracheinstellungen» als Vektoren sprachpflegerischer Positionierungen analysiert werden (cf. Kap. 4.1.3). Diese für das Forschungsinteresse vorliegender Arbeit etwas grobe Begriffsbestimmung von «Diskurs» verzichtet bewusst auf eine ausführliche definitorische Klärung des Begriffs, «[…] dessen Differenziertheit und damit verbundene Unklarheit kaum größer sein könnte. Im wissenschaftlichen und alltagssprachlichen Zusammenhang in unterschiedlichem Verständnis gebraucht, im Verlauf der europäischen Sprachgeschichten mit verschiedenen Bedeutungen assoziiert, als Terminus mit differenten Richtungen der Sprach-, Literaturund Kulturwissenschaft verbunden, vermittelt Diskurs alles andere als Klarheit einer wissenschaftlichen Theorie, Konzeption und Methode» (Warnke 2007, 3).

Allein eine Darstellung des Foucault’schen Diskursbegriffs, der linguistischen Diskursanalysen als «Dimensionen einer Sprachwissenschaft jenseits textueller Grenzen» (Warnke 2007, 3) ein theoretisches und methodisches Fundament bietet und in diesem Verständnis auch hier auf Metasprachdiskurse als öffentliche Handlungssysteme angewendet wird (cf. Kap. 2.2.2), ist schon aufgrund seiner uneinheitlichen Rezeptionsgeschichte nicht ganz unproblematisch (cf. Niehr 2014, 11). Ebenso ist, wie Römer (2017) zusammenfasst, neben den Unstimmigkeiten in seiner Rezeption auch Foucaults Diskurskonzept an sich «[…] nicht bruchlos in die Linguistik übertragen worden, was begründet ist in einem ‹reduzierten Sprachbegriff› […] bzw. in Abgrenzungsversuchen Foucaults gegen die Paradig-

4.1 Methode und Korpus

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men des Strukturalismus (Saussure) und der Generativen Grammatik (Chomsky), mit dem Ergebnis einer gewissen ‹Sprachfeindlichkeit› seines Diskursbegriffs» (Römer 2017, 21).

Jedoch liegt letztlich in gerade diesem, im Vergleich zu anderen sprachwissenschaftlichen Schulen vagen theoretischen Selbstverständnis auch die «subversive Kraft» der Diskurslinguistik als einer mittlerweile «[n]ach anfänglichen Legitimationskämpfen und damit verbundenen Infragestellungen durch eine poststrukturalistisch wenig beeindruckte Sprachwissenschaft» (Warnke 2018b, IX) anerkannten linguistischen Teildisziplin: Foucaults unscharfer Diskursbegriff darf dabei ebenso «als bewusste Strategie gelten, das Unklare, das Opake, das terminologisch Nicht-Abgegrenzte als wissenschaftliches Objekt zu entwerfen» wie als «Absage an Totalitäten» (Warnke 2007, 10), die der Disziplin eine differenzierte Programmatik ermöglicht. Diese terminologische Offenheit verdeutlichen Fraas/Klemm (2005) mit einer Auflistung verschiedener Diskursvorstellungen «[e]ine[r] von Foucault inspirierte[n] Linguistik»: «1. Diskurse sind Verbünde inhaltlich zusammengehöriger Texte, 2. Diskurse sind ‹Amalgamierungen von Themen in Texten›, 3. Diskurse sind Netze von Zeichen, Spuren und Fährten von Wissenssegmenten, 4. Diskurse bilden Bezugsgrößen für Einzeltexte, denn Texte existieren nicht isoliert, sondern stehen im Verbund mit koexistierenden Texten, 5. Diskurse können als ‹Gespräche› zwischen Texten aufgefasst werden, sind also durch Dialogizität gekennzeichnet, 6. Diskurse korrespondieren mit Systemen des Denkens und Argumentierens, das von einer Textmenge abstrahiert ist und 7. Diskurse sind eine Form von ‹interaction in society›, denn ‹language users actively engage in text and talk not only as speakers, writers, listeners or readers, but also as members of social categories, groups, professions, organizations, communities, societies or cultures›. 8. Diskurse können als ‹virtuelle Textkorpora [aufgefasst werden], deren Zusammensetzung durch inhaltliche Kriterien bestimmt wird›» (Fraas/Klemm 2005, 3–4).

Trotz der hiermit verdeutlichten Weite des Diskursbegriffs scheint es wenig sinnvoll, eine prinzipielle terminologische Verengung auf eine der Lesarten vorzunehmen, die Akzentuierungen vornehmen, die sich nicht ausschließen, sondern im besten Fall gegenseitig ergänzen können. So stimme ich Spitzmüller/ Warnke (2011) zu, dass eine «‹Mentalität› der fachlichen Öffnung, der disziplinären Entgrenzung, der Integration, der Interdisziplinarität, der Internationalisierung, der Befreiung von verengten Fachdiskussionen des 20. Jahrhunderts» (2011, 197) von der Diskurslinguistik ausgeht, und sowohl für die Annäherung an sprachwissenschaftliche Gegenstände als auch für die Infragestellung der eigenen Disziplin und Forschung eine erkenntnistheoretisch notwendige Perspektive für die Linguistik im 21. Jhd. formuliert. Denn, wie v. a. mit der Diskussion zur Laienlinguistik gezeigt wurde (cf. Kap. 3.3.7), hat sich die germanistische wie romanistische Linguistik «[…] teilweise in Detailfragen an ihre eigenen Grenzen gebracht. Immer dort, wo Positionen verfestigt sind und mit

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Wahrheitsansprüchen auftreten, können sie ‹ideologisch› werden, dort wo ‹Mentalitäten› mit Herrschaftsansprüchen versehen sind, können sie ein Instrument im Gefüge der ‹Gouvernementalität› sein» (Spitzmüller/Warnke 2011, 197). Dies gilt für die Sprachwissenschaft wie für die Sprachpflege, die Metasprachdiskurse als gesellschaftliche Teilsysteme respektive «Formationssystem von Wissenssegmenten» (Busse 2013, 150) konstituieren (cf. Kap. 2.2.2). Der wissensanalytische Zugang Foucaults zum Diskurs, den die Archéologie du savoir (1969) in den Vordergrund stellt, hat den «[…] Diskursbegriff (zu Beginn seiner Rezeption im deutschen Sprachraum) für eine ebenfalls wissensanalytisch orientierte Begriffsgeschichte und historische Semantik interessant [ge]macht. Begriffe, Zeichen, Texte, Diskurse sollten dabei nicht für sich erforscht werden, sondern waren (und sind) vorrangig in ihrer Funktion, (gesellschaftliches) Wissen zu bündeln und zum Ausdruck zu bringen, von Interesse» (Busse 2018, 5).

Diese, von der Diskurslinguistik nach Foucault valorisierte Verbindung von Sprache und Wissen ist im Foucault’schen Diskursansatz sehr widersprüchlich veranlagt: In den Schlussbetrachtungen der Archéologie wird deutlich, wie Foucault sich – mit mehr oder weniger Erfolg, wie er selbst sagt – zwingt, strukturalistische Prinzipien zu überwinden: «Tout au long de ce livre, vous avez essayé, tant bien que mal, de vous démarquer du ‹structuralisme› ou de ce qu’on entend d’ordinaire par ce mot. Vous avez fait valoir que vous n’en utilisiez ni les méthodes ni les concepts; que vous ne faisiez pas référence aux procédures de la description linguistique; […] Mais auriez-vous eu à inventer tant de bizarreries, si vous n’aviez entrepris de faire valoir dans un domaine qui leur était irréductible quelques-uns des thèmes fondamentaux du structuralisme […] ?» (Foucault 1969, 269–270).

Aus dieser Abkehr vom Strukturalismus, die Foucault sich zur Aufgabe macht, resultiert die theoretische Marginalisierung von Sprache – sowohl auf der Ebene der langue als auch der parole – als diskurskonstitutives Element. Jedoch wird genau an den Stellen, wo er versucht, diese poststrukturalistische Sicht auf Diskurse jenseits eines «pur et simple entrecroisement de choses et de mots» (Foucault 1969, 70) zu beschreiben, Foucualts «strukturalistische Sprach- und Bedeutungsauffassung deutlich» (Römer 2017, 334): «Tâche qui consiste à ne pas — à ne plus — traiter les discours comme des ensembles de signes (d’éléments signifiants renvoyant à des contenus ou à des représentations) mais comme des pratiques qui forment systématiquement les objets dont ils parlent. Certes, les discours sont faits de signes; mais ce qu’ils font, c’est plus que d’utiliser ces signes pour désigner des choses. C’est ce plus, qui les rend irréductibles à la langue et à la parole. C’est ce ‹plus› qu’il faut faire apparaître et qu’il faut décrire» (Foucault 1969, 71).

4.1 Methode und Korpus

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Auch wenn Foucault hier «Sprache als entkontextualisiertes, strukturelles Gebilde auffasst» (Spieß 2018b, 344) und v. a. in seinen früheren Werken, «Sprache und Handeln […] nicht zusammen[gehen]» (Römer 2017, 26), ist in der Definition von «Diskurs» als Praktiken dennoch der Aspekt diskursiven Handelns veranlagt, der eine «Verknüpfung der foucaultschen Diskurstheorie mit einem pragmatischen Sprachkonzept» ermöglicht (Spieß 2018b, 345). So erkennt Foucault auch die Performanz des Sprachgebrauchs als Mechanismus von Diskursen an, erachtet diese jedoch als der Transzendenz von Diskursen unterlegen: «Vous avez raison: j’ai méconnu la transcendance du discours; […] Si j’ai parlé du discours, ce n’était point pour montrer que les mécanismes ou les processus de la langue s’y maintenaient intégralement; mais plutôt pour faire apparaître, dans l’épaisseur des performances verbales, la diversité des niveaux possibles d’analyse; pour montrer qu’à côté des méthodes de structuration linguistique (ou de celles de l’interprétation), on pouvait établir une description spécifique des énoncés, de leur formation et des régularités propres au discours» (Foucault 1969, 270–271).

Etwas verallgemeinernd könnte man hier festhalten, dass zwar nicht Foucaults Sprachverständnis, aber «aufgrund der Betonung der Kontextualität und einer prozessualen Auffassung», sein Diskursverständnis durchaus pragmatisch ist. Wenn man von der strukturalistischen Nähe, die in Foucualts theoretischer Verortung seiner Diskurstheorie noch spürbar ist, Abstand nimmt, steht einer «Modellierung für eine linguistische Analyse» (Wengeler 2013, 61) nicht nur als Fundierung der Diskurslinguistik allgemein,1 sondern auch handlungsorientierten Diskursanalysen, wie sie z. B. von Spitzmüller (2005), Spieß (2011) oder Jacob (2017) umgesetzt wurden, nichts im Wege. Handlungstheoretische Begründungen von Diskursen wurden in korpuslinguistischen Arbeiten (cf. Felder/Müller/Vogel 2012), Ansätzen der Kritischen Diskursanalyse (cf. z. B. Reisigl 2007) und in der Diskurssemantik (cf. z. B. Busse 1987) erarbeitet (cf. Spieß 2018b, 345–351). Allen Modellen gemeinsam ist die Annahme, dass sprachliches Handeln entscheidend ist für die Entstehung sprachlicher Bedeutung, d. h. «[…] Bedeutung entsteht prozessual im Rahmen kommunikativer Handlungen, wobei die kommunikativen Handlungen immer schon diskursgebundene Handlungen sind, die sich innerhalb von Diskursen zu Mustern verfestigen und Auswirkungen auf bereits etablierte Muster haben» (Spieß 2018b, 346). Von diesem theoretischen Standpunkt gehen die folgenden Analysen in anwendungsorientierter Perspektive aus, wobei auf eine weitere

1 Zur sprachwissenschaftlichen Adaption des Foucault’schen Diskurskonzepts cf. Busse (1987), (2013); Busse/Teubert (2013); Warnke (2007). Für eine diskursgeschichtliche Perspektive cf. Jung (2011).

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sprach- oder diskurstheoretische Begründung bewusst verzichtet wird. 2 Vielmehr sei vereinfachend mit Gardt (2017) darauf verwiesen, dass generell «[d]ie dem Arbeiten mit dem Diskursbegriff zugrundeliegende Sprachauffassung […] zutiefst pragmatisch [ist], d. h. an der Vorstellung vom Sprechen und Schreiben als Formen des menschlichen Handelns orientiert» (2017, 6). Bevor im folgenden Kapitel in der Tradition Foucaults «diskursive Praktiken» als Kern sprachlichen Handelns und Erscheinungsformen sozialer Positionierungen näher bestimmt werden, gilt es abschließend die Konzepte vorzustellen, die dazu dienen, handlungsorientierte Diskursanalysen zu konturieren. Darunter fallen in Anlehnung an die Klassifikation nach Spieß (2018b) Handlungsträger, Handlungsmuster sowie sprachliche Handlungsebenen, die bereits im Rahmen der öffentlichkeitstheoretischen und historischen Herleitung sprachpflegerischer Diskurse immer wieder punktuell besprochen wurden (cf. Kap. 2; 3). Alle drei Faktoren werden mit Blick auf die synchron-vergleichende Analyse (Kap. 4.2–4.3) anhand des Synthesemodells der diskurslinguistischen Mehr-Ebenen-Analyse (DIMEAN) zunächst methodisch eingeordnet und systematisiert (cf. Spitzmüller/Warnke 2011, 201). Die Bedeutung von «Akteuren» als Handlungsträgern in gesellschaftlichen Teilsystemen wurde bereits in vorangehenden Kapiteln an verschiedenen Stellen für Metasprachdiskurse exemplifiziert: Auf dieser Grundalge schließe ich mich im Folgenden der Definition Lieberts (2004) an, demzufolge «[a]usgehend von einer Theorie kollektiven Handelns […] konkrete Akteure mit spezifischen Interessen identifiziert [werden], die nach bestimmten Handlungsmustern handeln, also argumentieren, appellieren, Entwarnung geben, Maßnahmen empfehlen usw.» (2004, 149). Dabei ist unter Akteuren als Handlungsträgern individuelles metasprachliches Handeln, wie es u. a. an den Reflexionen Leibniz’, Adelungs, de Seyssels, Vaugelas oder Macrons belegt wurde, ebenso zu subsumieren wie das kollektive metasprachliche Handeln von Sprachpflegeorganisationen oder sprachinteressierten Netzwerkcommunitys in sozialen Medien. Daran anschließend können in der weiten sozialwissenschaftlichen Verortung von Akteuren nach Spitzmüller/Warnke weitere Filter definiert werden (cf. 2011, 172–187): Dazu zählt erstens die Kategorie der Interaktionsrollen, die Akteure als Produzenten oder Rezipienten von Diskursen einnehmen. Angewendet auf Metasprachdiskurse wird hier eine grobe Einteilung zwischen sprachpolitischen Ak-

2 Cf. hierzu den Überblicksbeitrag von Spieß (2018c, 340–345), in dem verschiedene Arbeiten und Vertreter (z. B. Bühler, Wittgenstein, Vološinov) vorgestellt werden, die neben der Diskurstheorie Foucaults zur Verortung diskurslinguistischer Analysen in der linguistischen Pragmatik herangezogen werden.

4.1 Methode und Korpus

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teuren und Sprachpflegeorganisationen als Produzenten und den übrigen Domänen der öffentlichen Sprachendiskussion als Rezipienten vorgenommen. Diese Kategorisierung ist nicht absolut, sondern kann in unmittelbarer Abhängigkeit der Diskurspositionen, die einen weiteren Filter darstellen, variieren. Jeder Akteur kann heute prinzipiell die Rolle eines Produzenten und/oder Rezipienten einnehmen, jedoch bestimmen Prestige und Autorität (Voice) über die Verteilung dieser Rollen und über die Stellung der Akteure im Diskurs. Letztere bestimmt auch die soziale Stratifizierung von Diskursen und den Grad ihrer Vertikalität. Auch hier wurde im historischen Teil der Arbeit gezeigt, wie sich die Stratifizierung der Sprachpflege in Korrelation mit der Struktur von Öffentlichkeit synchronisiert (cf. Kap. 3.3.4, Abb. 11–Abb. 12), aber gerade in der Sprachpflege auch entgegen des aufbrechenden gesellschaftlichen Diskurses ein Vertikalitätsstatus erhalten hat (cf. Kap. 3.3.5, Abb. 13). Als letzter Filter bestimmt die Medialität nicht nur «welches Medium, welche Kommunikationsformen und welche Handlungsmuster von den Akteuren verwendet werden» (Spieß 2018b, 353), sondern auch wie sich Diskurspositionen und Diskursrollen durch mediale Faktoren verändern können. Diese drei Filterkomponenten – Diskurspositionen, Diskursrollen und Medialität – stellen den methodischen Rahmen der Korpusanalyse dar, in der der VDS und der ALF aufgrund ihrer in den jeweiligen nationalen Diskursräumen medial dominanten Stellung in der Position von «ideology brokers» verortet werden (cf. Kap. 4.2). Durch ihre, im Fall des ALF sogar durch den Staat verliehene, Autorität konstituieren sie als Produzenten sowohl die Diskursvertikalität als auch die Sprachideologien und Spracheinstellungen, die als Handlungsmuster den Diskurs steuern (cf. Kap. 4.1.3). Ihre «Diskurshandlungen filtern […], welche Aussagen überhaupt in einen Diskurs eingehen […], [w]elche Positionen […] distribuiert, welche kommentiert, welche marginalisiert [werden]» (Spitzmüller/Warnke 2011, 173). Als Schnittstelle bestimmen «ideology brokers» die Beziehung zwischen Text und Diskurs respektive trans- und intratextueller Ebene. In den von «ideology brokers» gesteuerten Medien und Kommunikationsformen agieren Adressaten, Mitglieder und private Nutzer zunächst als Rezipienten, können jedoch, wie in den Fallbeispielen zum digitalen Strukturwandel gezeigt wurde (cf. Kap. 2.2.3) durch die Interaktivität und Dialogizität digitaler Kommunikationsformen zu Produzenten im Sprachpflegediskurs werden und dabei die Position als Multiplikatoren oder Kontrahenten einnehmen (cf. Kap. 4.3). Auf diese Weise definiert Medialität eine Differenzierung von Sprachpflege in verschiedene Diskursräume und -domänen und kann Diskursvertikalität relativieren oder zersetzen (cf. Kap. 2.2.2, Abb. 2). Handlungsmuster determinieren die Dynamik von Diskursen und diskursivem Handeln, indem sie Akteuren einen Handlungskontext zur Verfügung stellen. Busse (1987) versteht unter «Handlungsmustern» einen

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4 Metasprachdiskurse als ideologische Systeme

«[…] speziellen[n] Teil des allgemeinen Wissens, und damit Teil des konkreten Handlungswissens. Handlungsmuster sind Erfahrungen mit Handlungsweisen, die als Abstraktion aus vergangenen Handlungsvollzügen Anleitungscharakter für künftiges Handeln haben. (Sie werden auch als ‹Konventionen› bezeichnet)» (1987, 156).

In diesem Verständnis liegen «Handlungsmuster» als «komplexe Struktur der Sprache und ihrer Funktionen jenseits der Textgrenze» (Spitzmüller/Warnke 2011, 187) und sind als solche erkennbar, weil sie durch «Serialität gekennzeichnet sind, d. h. zentrale diskursrelevante sprachliche Handlungen immer wieder auftauchen» (Spieß 2018c, 356). Um «Serialität» i. S. struktureller Übereinstimmung greifbar zu machen, haben Spitzmüller/Warnke verschiedene Analysekategorien der transtextuellen Ebene definiert (cf. 2011, 188), von denen ich mich in vorliegender Arbeit v. a. auf die Historizität (cf. Kap. 3), Ideologien und Topoi von Metasprachdiskursen beziehe (cf. Kap. 4.2.1) sowie am Rande der Definition sprachlicher Praktiken auf die Indexikalität sprachlichen Handelns (cf. Kap. 4.1.2). Der Historizität von Metasprachdiskursen, deren ausführliche Betrachtung in dieser Arbeit «für die Sprachwissenschaft wenig innovativ» (Spitzmüller/ Warnke 2011, 194) erscheinen mag, spreche ich gerade aufgrund ihrer «Selbstverständlichkeit» eine wichtige Bedeutung zu. Diskurse als komplexe Phänomene zu erfassen und zu verstehen, setzt meiner Meinung nach nicht nur transtextuelle Analysen durch eine «Vielzahl von Texten bzw. Aussagen in verschiedenen Texten, verschiedenen Medien, von verschiedenen Akteuren» (Spitzmüller/ Warnke 2011, 187–188) voraus, sondern eine jeweilige Betrachtung in der zeitlichen Dimension, sofern es sich um historisch gewachsene Diskurse handelt. Diese Forderung scheint mir umso beachtenswerter, wenn es sich, wie im vorliegenden Fall, um kontrastive Analysen handelt. «Ideologien», d. h. «Werthaltungen jeglicher Art als Gesamtheit von Zielvorstellungen des sozialen Handelns», werden im Folgenden in ihrer spezifischen Ausprägung als «Sprachideologien», «also Bewertungen von Sprachen, ihr Ranking im Kontext gesellschaftlicher oder politischer Einstellungen» (Spitzmüller/ Warnke 2011, 196), untersucht. Diskurslinguistische Ansätze, die Sprachideologien in den Fokus stellen, wurden bisher v. a. in der Critical Discourse Analysis erarbeitet (z. B. Blommaert 2005, 158–202). Aus diesem Grund beabsichtigt das abschließende Kapitel dieser Arbeit sowohl eine Valorisierung der Sprachideologieforschung für diskurslinguistische Untersuchungen, auch außerhalb einer ausdrücklich kritischen Perspektive und in Anknüpfung an romanistische Arbeiten zur Sprachreflexionsforschung und soziolinguistischen Ideologieforschung (cf. Kap. 4.1.3). Dabei werden Sprachideologien als genuin transtextuelle und mentale Konzepte mit Spracheinstellungen verbunden, die ich in ihrer

4.1 Methode und Korpus

451

Funktion als «Schnittstellenphänomene» zwischen impliziten und explizitem metasprachlichen Handeln als Vektoren sprachideologischer Regime verstehe (cf. Kap. 3.3.7, Abb. 15). Bewusst an letzter Stelle sei als weitere Kategorie der transtextuellen Ebene auf «Topoi» bzw. die «topologischen Strukturen» von Diskursen verwiesen. Definitorisch schließe ich mich dabei Römers (2017) allgemeinem Toposbegriff an: «Grundsätzlich sei hier unter einem Topos eine argumentative Denkbewegung verstanden, die an diskursspezifische Segmente verstehensrelevanten gesellschaftlichen Wissens anknüpft und auf ein Argumentationsziel gerichtet ist. Das Verfahren ist regelgeleitet, aber im wissenschaftlichen Sinne nicht logisch. In diesem Sinne ist ein Topos ein Verknüpfungsmuster, das ermöglicht aus inhaltlich bestimmten Prämissen im kollektiven Bewusstsein angestrebte Schlussfolgerungen zu evozieren/herbeizuführen. Je nach Forschungsperspektive unterschieden sich Topoi hinsichtlich ihres Abstraktions- und Komplexitätsgrads» (Römer 2017, 106).

Wengeler (2018) betont darüber hinaus den Wert von Topos-Analysen als Instrument der Linguistischen Diskursgeschichte und hebt damit auf die «Spielarten der Diskursanalyse ab, die den Wandel kollektiven Wissens, das zu verschiedenen Zeiten gesellschaftlich Sagbare in den Mittelpunkt ihres Untersuchungsinteresses stell[t]» (2018, 247). Von den diskurshistorischen Ergebnissen dieser Arbeit ausgehend (cf. Kap. 3) «[lassen sich] [m]it Toposanalysen nicht nur Argumentationsmuster freilegen, sondern über solche Analysen werden auch historische Dynamiken und Brüche in den Aussagenstrukturen von Diskursen erkennbar, die jeweils gebunden sind an Akteurspositionen, also an Handlungsregeln» (Spitzmüller/Warnke 2011, 191).3 Busse/Teubert (2013) betonen in ihrem methodischen Programm zur historischen Semantik nicht nur Perspektiven von «Diskurs» als sprachwissenschaftlichem Objekt, sondern auch den Wert topologischer Untersuchungen und weisen dabei auf inhaltliche Übereinstimmungen zwischen der französischen Diskursanalyse und der deutschen Argumentationsanalyse hin (cf. Römer 2017, 85): «Die Zugriffsobjekte der Diskursanalyse sind daher nicht nur Begriffe, also einzelne Sprachzeichen und ihre, hier als Verwendungsweisen von Wörtern in ihren jeweiligen Kontexten aufgefaßten, Bedeutungen; Zugriffsobjekte sind ebenso sehr Begriffsnetze, die sich in einem Text, aber auch in mehreren Texten zugleich entfalten können. Zugriffsobjekte sind schließlich aber auch Aussagen (im Sinne von Satzbedeutungen und -teilbedeutungen) und die durch sie gebildeten Aussagennetze (einschließlich intertextueller und

3 Rückblickend sei hier nochmal auf das Zusammenspiel von Umbruch und Kontinuität im Metasprachdiskurs der französischen Revolution verwiesen (cf. «Spiegelmodell» in Kap. 3.3.5, Abb. 13).

452

4 Metasprachdiskurse als ideologische Systeme

interdiskursiver Beziehungen). […] Zumindest ein Teil der Intentionen der französischen Diskursanalyse scheint uns auf einen semantischen Phänomenbereich zu zielen, der in der deutschen Linguistik mit dem Begriff ‹Argumentationsanalyse› bezeichnet wird.4 So gesehen liegen Diskursanalyse und etablierte linguistische Methoden gar nicht so weit auseinander, wie es manchmal den Anschein haben mag. […] Beide Perspektiven können aber, wie wir glauben, sehr gut verknüpft werden. Wenn auch Diskursanalyse, insoweit sie nicht allein Begriffsanalyse, sondern auch Aussagenanalyse ist, den interpretativen Charakter ihrer Ergebnisse nicht leugnen kann, bedient sie sich doch objektivierbarer Methoden der linguistischen Satz- und Textanalyse, die den Vorwurf der Willkürlichkeit vielleicht entkräften können» (Busse/Teubert 2013, 25).

Der Erkenntnisgewinn von Toposanalysen liegt in der Funktion der Topoi selbst begründet, die nicht nur als Aussagennetzte zwischen Texten fungieren, sondern von der transtextuellen Aussagenebene in die intratextuelle Ebene und die Begriffsebene hineinwirken. Sprachideologien als «Aura» der transtextuellen Ebene erhalten in topologischen Strukturen ihre inhaltliche Musterhaftigkeit, die sich wiederum in den sprachlichen Strukturen der intratextuellen Ebene und dort insbesondere in metaphorischen Konzepten und lexikalischen Einheiten niederschlagen (cf. Kap. 4.1.3). Die Toposanalyse als Methode der Diskurslinguistik ermöglicht es somit, sowohl Aussagen über die Inhalte als auch über die Struktur von Diskursen zu treffen. Dieser Zusammenhang zwischen Handlungsmustern und sprachlichen Handlungsebenen respektive den sprachlichen Phänomenen der untersuchten Einzeltexte ist reziprok zu verstehen, wobei bestimmte sprachliche Phänomene wie lexikalische Einheiten, Metaphern und Ar-

4 An dieser Stelle wird darauf hingewiesen, dass auch die französische Diskursanalyse auf eine sehr heterogene Tradition zurückgeht: Die vom amerikanischen Distributionalismus inspirierten Arbeiten Michel Pêcheux’ und sein Konzept des «Interdiskurs» begründen in den 1960er Jahren eine formalistisch orientierte Form der Diskursforschung innerhalb der französischen Linguistik, die auf die «quantitative Untersuchung mehrschichtiger und heterogener Textkorpora» mittels korpusbezogener und computervermittelter Verfahren abzielt. Diesem Forschungsansatz kommt als «empirisch fruchtloses Projekt einer automatischen und asemantischen Diskursanalyse» (Reisigl/Ziem 2014, 72) im Vergleich zu der im Zuge der Poststrukturalismus-Debatten international und interdisziplinär rezipierten Foucault’schen Diskurstheorie und -praxis eine deutlich geringere Bedeutung zu. In der französischen Sprachwissenschaft wird Foucaults Diskursidee v. a. in den Arbeiten Dominique Maingueneaus fortgeführt und weiterentwickelt (z. B. Maingueneau 1991). Die Rezeption der französischen Diskursanalyse in Deutschland zeichnet sich erst ab den 1990er Jahren zunächst im Feld der empirischen Diskursanalyse in den Sozialwissenschaften ab, bevor es ab Mitte der 1990er Jahre zum Ausbau des Forschungsfelds in der germanistischen Linguistik kommt. Auf eine Darstellung der Genese der französischen Diskursanalyse und ihrer Rezeptionsgeschichte in Deutschland, die bereits an anderer Stelle ausführlich geleistet wurde, wird an dieser Stelle verzichtet (cf. z. B. Maingueneau 1994; Maingueneau/Angermüller 2007; Warnke 2007; Reisigl/Ziem 2014).

4.1 Methode und Korpus

453

gumentationsmuster als besonders konstitutiv für diskursives Handeln erachtet werden (cf. Spieß 2018c, 357–358). Das methodische Layout der vorliegenden Arbeit integriert in soziologischer und diskurstheoretischer (cf. Kap. 2), diachroner (cf. Kap. 3) und synchroner Perspektive (cf. Kap. 4) die drei beschriebenen Kategorien metasprachlichen Handelns – Handlungsträger, Handlungsmuster, Handlungsebenen – gemäß der methodologischen Herangehensweise der Mehr-Ebenen-Analyse nach Spitzmüller/Warnke (2011). Dazu fasst die folgende Tabelle zur besseren Nachvollziehbarkeit auch die Ebenen, sprachlichen Zugänge und Filter des DIMEANModells zusammen, die bereits in vorangehenden Kapiteln behandelt wurden, wobei grundsätzlich zwischen schwerpunktmäßig (Fettdruck) und schlaglichtartigem Wert der Analysen zu unterscheiden ist:

Tab. 10: DIMEAN als Schablone für Sprachpflegediskurse: Ebenen, Kategorien und Filter (adaptiert nach Spitzmüller/Warnke 2011, 201). Transtextuelle Ebene

Akteure

Diskursorientierte Historizität Analyse Frames

Medialität

Diskurspositionen

Interaktionsrollen

Kap. 3 Kap. 3.3.3

Topoi

Kap. 3; Kap. 4.2.1; 4.3.1.1; 4.3.1.2; 4.3.2.1;

Ideologien

Kap. 4

Indexikalische Ordnungen

Kap. 3.3.8

Kommunikationsformen

Kap. 2.2.3; Kap. 3.3.7– 3.3.8; Kap. 4.2– 4.3

Medium

Kap. 4.2–4.3

Soziale Stratifizierung/Voice/ Vertikalitätsstatus Diskursgemeinschaften/ Ideology brokers

Kap. 3.3.4– 3.3.5; 3.3.7

Rezipienten- und Produzentenrollen

Kap. 2.2.2; Kap. 3.3.8; Kap. 4.2 Kap. 4.2–4.3

454

4 Metasprachdiskurse als ideologische Systeme

Tab. 10 (fortgesetzt) Intratextuelle Ebene

Textorientierte Analyse

Visuelle Textstruktur

Typographie Materialität

Kap. 3.3.8

Makrostruktur/ Textthemata

Metaphernfelder, Lexikalische Felder

Kap. 3.3.2– 3.3.4; Kap. 4.2.2; 4.3.1.3; 4.3.2.3

Propositionsorientierte Analyse

Textuelle Mirkostruktur/ Propositionen

Sprechakte

Kap. 3.3.4; 3.3.5; Kap. 4

Wortorientierte Analyse

Mehrwort-Einheiten

Schlüsselwörter Kap. 3.3.4; Kap. 4.2.2; 4.3.1.3– 4.3.2.3

Von der transtextuellen Ebene ausgehend fokussiert der folgende synchrone Teil der Korpusanalyse zunächst auf die topologischen Strukturen, die als inhaltliche Grundpfeiler das sprachideologische Gerüst der untersuchten Äußerungen stellen. Dabei wird auf der Ebene der Handlungsträger eine Differenzierung in produzierende i. S. diskurssteuernder Akteure (Sprachpflegevereine) und rezipierende i. S. diskursmodifizierender Akteure (Privatpersonen, sprachinteressiertes Publikum) vorgenommen. Auf dieser Ebene erfolgt auch eine Spezifizierung diskursiven Handelns in Abhängigkeit von medialen Räumen und Kommunikationsformen (Zeitschriften, Soziale Netzwerke sowie Diskussionsforen). Die exemplarische Untersuchung ausgewählter sprachlicher Phänomene führt dann diese Ebenen der Handlungsmuster und Handlungsträger auf intratextueller Ebene zusammen und entspricht damit dem diskurslinguistischen Triangulationsdesiderat, das eine konsequente Berücksichtigung aller drei Ebenen fordert. Der Limitation diskurslinguistischer Untersuchungsverfahren entsprechend, beschränkt sich die intratextuelle Analyse auf die exemplarische wortorientierte Untersuchung lexikalischer Einheiten und auf die propositionsorientierte Untersuchung von Metaphern als konstitutiven Sprachgebrauchsmustern historisch gewachsener Sprachideologien (cf. Spitzmüller/Warnke 2011, 199).

4.1.2 Diskursives Handeln: Sprachliche Praktiken und soziale Positionierungen Dass Äußerungen über einen Handlungscharakter auf transtextueller Ebene verfügen, wurde bereits an zahlreichen Beispielen der historischen Sprachpfle-

4.1 Methode und Korpus

455

ge verdeutlicht, wobei sich v. a. herauskristallisiert hat, dass «[i]n funktionaler Perspektive […] mit den verwendeten Topoi zentrale Diskurshandlungen vollzogen werden, die den Diskurs in seiner inhaltlich-formalen und argumentativen Zuspitzung strukturieren» (Spieß 2011, 537). Ausgehend von diesem Verständnis von «Topoi» als Orten kommunikativer Praxis und «handlungsleitende[n] Konzepte[n] im Diskurs» (Wengeler 2018, 250) kann weiter mit Spieß (2018a) und in Anlehnung an Foucaults Definition von Diskursen als Praktiken auf die zentrale Bedeutung sog. Positionierungs- und Stancetakingaktivitäten für sprachliches Handeln verwiesen werden. Diese sollen im Folgenden als ergänzender methodischer Zugang zu Sprachideologien und Spracheinstellungen auf der Äußerungsebene eingeordnet werden: «Diskurse sind dadurch gekennzeichnet, dass in ihnen kommunikative Praktiken realisiert werden […] [und], dass sie z. T. sehr deutlich Meinungen konstituieren, wiedergeben, kommentieren und dementsprechend Bewertungsaktivitäten vornehmen. Diese Formen der Meinungs- und Einstellungskundgabe sowie der Bewertungshandlungen können durch die Konzepte des Positioning und Stancetaking angemessen erfasst werden. Stancetaking und Positioning sind diskursive Aktivitäten, die kommunikative Praktiken konstituieren und die durch kommunikative Praktiken bedingt sind bzw. in ihnen zur Geltung kommen» (Spieß 2018a, 161–162).

Die Positionierungstheorie hat sich seit den 1980er Jahren als Konzept der Diskurspsychologie in Abgrenzung zur kognitiven Psychologie entwickelt. Von zentraler Bedeutung für die Entwicklung des Konzepts waren dabei Foucaults Arbeiten zur Beziehung zwischen Diskurs und Subjekt (cf. Spitzmüller/Flubacher/Bendl 2017, 2–7). Auf ihn geht der Begriff der «subjectivation» zurück, mit dem er den Prozess bezeichnet, durch den das Subjekt «von außen» konstituiert wird: «C’est l’expérience qui est la rationalisation d’un processus, lui-même provisoire, qui aboutit à un sujet, ou plutôt à des sujets. J’appellerai subjectivation le processus par lequel on obtient la constitution d’un sujet, plus exactement d’une subjectivité, qui n’est évidemment que l’une des possibilités données d’organisation d’une conscience de soi» (Foucault 1994, 706).

Im Kontext sprachideologischer Äußerungen liefert diese Definition einen theoretischen Ansatz, demzufolge das sprechende Subjekt beim Sprechen über Sprache eine bestimmte Einstellung aus einem gebundenen System von Weltanschauungen übernimmt und diese dann in einer diskursspezifischen Rolle und Position vertritt (cf. Tab. 10). Die von Spitzmüller/Flubacher/Bendl (2017) daran anlehnend für einen diskurslinguistischen Skopus formulierte Interpretation des Sprechenden «nicht als eines souveränen Individuums, das ‹außerhalb› des Diskurses steht bzw. Diskurs produziert, sondern als eines hybriden Produkts

456

4 Metasprachdiskurse als ideologische Systeme

von Diskursen» (2017, 2–3) möchte ich bekräftigen, aber auch dahingehend ergänzen, dass Sprechende durch eigene Äußerungen zur (Re-)Organisation bereits bestehender Sprachideologien und Spracheinstellungen beitragen, d. h. eine doppelte Funktion als Rezipienten und Produzenten im Diskurs einnehmen (cf. Kap. 4.1.1, Tab. 10). Auf gerade diese Bedeutung der von Foucault weniger berücksichtigten «interaktionale[n] Zusammenhänge, die durch intentional handelnde Subjekte zustande kommen» (Spieß 2018a, 162), heben diskurslinguistische Untersuchungsansätze zu Positionierungs- und Stancetakingaktivitäten von Akteuren ab. Entscheidende Grundannahmen dieses Ansatzes entstammen v. a. dem angelsächsischen Forschungsraum: So verweist z. B. Blommaert im Kontext des von ihm vertretenen kritischen Ansatzes von Diskursanalyse auf die Bedeutung von stance als «[c]omplexes of linguistic and communicative features that identify how someone relates towards what is being said» (2005, 254). Hinsichtlich des Stands der Forschung im deutschsprachigen Raum bemerkt Spitzmüller (2013), dass die soziolinguistische Sprachideologieforschung «in der germanistischen Diskurslinguistik […] bis jetzt noch nicht sehr intensiv rezipiert wurde» und bekräftigt, dass «die Frage, wie soziale Positionen und Sprachideologien diskursiv ausgehandelt, sozialsemiotisch aufgeladen und transformiert werden» ein genuin linguistisches Interesse implizieren, da «[…] [e]s um Sprache und sprachliches Handeln als soziale Praxis [geht]» (2013, 263). In der romanistischen Linguistik vermitteln v. a. Arbeiten aus dem Bereich der Sprachreflexionsforschung (cf. Kap. 4.1.3) einen gut erforschten Zugang zu Sprachideologien und Spracheinstellungen, jedoch meiner Kenntnis nach bisher nicht in Verbindung mit diskurslinguistischen Methoden. Mit dem Ziel zu zeigen, dass sprachideologische Strukturen in der Entwicklung von Metasprachdiskursen als Handlungsdirektiven konserviert sind und als solche auch in der aktuellen Sprachendiskussion kommunikative und nichtkommunikative Handlungsschemata bereitstellen (cf. Abb. 8), mit deren Hilfe sich Akteure auf eine bestimmte Weise im Diskurs (sozial) positionieren, sollen in Anlehnung an das bereits zugrunde gelegte Foucault’sche Verständnis von Diskurs als «ensemble d’énoncés» (cf. Kap. 2.1.3; 2.2.2) zunächst die drei folgenden theoretischen Prämissen zur linguistischen Analyse von Sprachpflegediskursen als Menge metasprachlicher Positionierungen festgehalten werden (cf. Foucault 1969, 163–172): Erstens kann sich die analyse énonciative dort, wo sich der Begriff «Diskurs» auf die Virtualität aller Aussagen zu einem bestimmten Sachverhalt bezieht, nur auf einen begrenzten Teil ihm innewohnender Aussagen stützen. Im Rahmen dieser rareté ist es Ziel der Diskursanalyse, nicht (nur) die Menge, sondern den Wert der Aussagen hinsichtlich ihrer diskursiven Zirkulations- und

4.1 Methode und Korpus

457

Transformationsfähigkeit zu determinieren. Aus diesem Grund plädiere ich bei der diskurslinguistischen Analyse von Sprachideologien und Spracheinstellungen auch für eine Integration qualitativer und quantitaver Analyseverfahren unter stärkerer Berücksichtigung qualitativer Ansätze (cf. Kap. 4.1.4). Zweitens geht die Analyse von Äußerungen den Weg von der sprachlichen Oberfläche, der «extériorité» historisch konservierter Aussagen, zu ihrem psychologischen Kern, d. h. zu ihrem subjektiven Gehalt. Dabei besteht eine doppelte Historizität der Aussagen i. S. einer überlagernden historischen Entwicklung der Aussagen und einer unter diesen Aussagen liegenden, psychologischen Entwicklung der Mentalitäten.5 Drittens geht es Diskursanalysen nicht um das Aufdecken der Identität des sprechenden Subjekts, sondern um die Position, von der aus es spricht und die es vertritt, denn diese resultiert wiederum aus der äußeren Welt, aus welcher der Diskurs sich speist (sensu der von Foucault definitierten subjectivité). Diese drei Punkte seien mit folgendem längeren Zitat aus der Archéologie (1969) nochmals zusammengefasst: «L’analyse énonciative prend en considération un effet de rareté. La plupart du temps, l’analyse du discours est placée sous le double signe de la totalité et de la pléthore. On montre comment les différents textes auxquels on a affaire renvoient les uns aux autres, s’organisent en une figure unique, entrent en convergence avec des institutions et des pratiques, et portent des significations qui peuvent être communes à toute une époque. […] Ainsi étudié le discours est à la fois plénitude et richesse indéfinie. L’analyse des énoncés et des formations discursives ouvre une direction tout à fait opposée: elle veut déterminer le principe selon lequel ont pu apparaître les seuls ensembles signifiants qui ont été énoncés. Elle cherche à établir une loi de rareté. […] Mais analyser une formation discursive, c’est chercher la loi de cette pauvreté, c’est en prendre la mesure et en déterminer la forme spécifique. C’est donc en un sens, peser la ‹valeur› des énoncés. Valeur qui n’est pas définie par leur vérité, qui n’est pas jaugée par la présence d’un contenu secret; mais qui caractérise leur place, leur capacité de circulation et d’échange, leur possibilité de transformation […] Autre trait caractéristique: l’analyse des énoncés les traite dans la forme systématique de l’extériorité. […] Entreprendre l’histoire de ce qui a été dit, c’est alors refaire dans l’autre sens le travail de l’expression: remonter des énoncés conservés au fil du temps et dispersés à travers l’espace, vers ce secret intérieur qui les a précédés, s’est déposé en eux et s’y trouve (dans tous les sens du terme) trahi. Ainsi se trouve libéré le noyau de la subjectivité fondatrice. Subjectivité qui demeure toujours en retrait par rapport à l’histoire manifeste. […] Cette autre histoire, qui court en-dessous de l’histoire, qui anticipe sans cesse sur elle et recueille indéfiniment le passé, on peut bien la décrire – sur un mode sociologique ou psychologique – comme l’évolution des mentalités; […] L’analyse des énoncés s’effectue […] sans référence à un cogito. Elle ne pose pas

5 Zum Zusammenhang zwischen Sprachgeschichte und Mentalitätsgeschichte cf. z. B. Hermanns (1995).

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4 Metasprachdiskurse als ideologische Systeme

la question de celui qui parle, qui se manifeste ou se cache dans ce qu’il dit, qui exerce […] Elle se situe en fait au niveau du ‹on dit› – et par là il ne faut pas entendre une sorte d’opinion commune, de représentation collective qui s’imposerait à tout individu […]; mais l’ensemble des choses dites, les relations, les régularités et les transformations qui peuvent s’y observer, le domaine dont certaines figures, dont certains entrecroisements indiquent la place singulière d’un sujet parlant et peuvent recevoir le nom d’un auteur. ‹N’importe qui parle›, mais ce qu’il dit, il ne le dit pas de n’importe où. Il est pris nécessairement dans le jeu d’une extériorité» (Foucault 1969, 164–169).

Mit Foucault bewegen wir uns folglich in der diskurstheoretischen Begründung des Zusammenspiels zwischen Diskursen – sowohl in ihrer abstrakten und vorgestellten Unendlichkeit als auch in ihrer konkreten und letztlich willkürlichen Endlichkeit in Form sprachlicher Aussagen – und den darin zirkulierenden Ideologien und Einstellungen, die den Diskurs determinieren, ihn antreiben und sowohl ihm als auch seinen Akteuren und an oberster Stelle der Diskursgemeinschaft eine kollektive Identität verleihen, dabei aber das einzelne Cogito in den Hintergrund treten lassen. Den Ansatz kommunikativer und sprachlicher Praktiken (cf. Deppermann/ Feilke/Linke 2016; Spieß 2018a) verstehe ich in diesem Kontext als methodisches Instrument diskurslinguistischer Untersuchungen und als funktionale Ergänzung zum integrierten Modell metasprachlicher Handlungsschemata (cf. Kap. 3.2.2, Abb. 8).6 Darüber hinaus erscheint der Terminus «Praktik» aufgrund seiner begrifflichen Neutralität zur sprachlichen Analyse medienheterogener Korpora und in seiner Anwendung auf Äußerungskontexte der Internetkommunikation als geeignetes Konzept, um Metasprachdiskurse in ihrer medialen Breite ohne Rücksicht auf eine textsortenspezifische Klassifikation zu erfassen. Ausgehend vom Interesse einer soziokulturell orientierten Linguistik an sprachlichen Prozessen liefern Deppermann/Feilke/Linke (2016) folgende definitorische Annäherung an sprachliche und kommunikative Praktiken: «Im linguistischen Kontext ist ‹Praktik› in verschiedenen Zusammenhängen als Grundbegriff vorgeschlagen worden. Es wird argumentiert, dass ‹Praktiken› gegenüber anderen Begriffen wie ‹Handlung›, ‹Kognition›, ‹Text(sorte)› oder ‹Medium› ein beschreibungsbezogener und ontologisch adäquaterer Grundbegriff sei und die mit anderen Ansätzen verbundenen theoretischen Probleme zu lösen vermag» (2016, 1–2).

6 Der Beitrag von Spieß (2018a) analysiert kommunikative Praktiken im öffentlichen Metasprachdiskurs über jugendliche Sprechweisen und bezieht sich somit auf einen vergleichbaren Gegenstand sowie eine theoretisch und methodisch zu dieser Arbeit analoge Herangehensweise. Einen ähnlichen Ansatz zur Untersuchung der diskursiven Konstruktion sprachideologischer Positionen liefert Spitzmüller (2013).

4.1 Methode und Korpus

459

Um Typen sprachlich-kommunikativer Praktiken abzugrenzen, werden weiter acht «Bestimmungsstücke» von Praktiken unterschieden (Deppermann/Feilke/ Linke 2016, 3), von denen diejenigen, die für eine Spezifizierung von Metasprachdiskursen respektive Sprachpflege einschlägig erscheinen, nachfolgend kurz konkreter dargelegt werden. Einige der Punkte (Materialität, Medialität, Indexikalität und Historizität) wurden auch bereits im Rahmen des Modells zur diskurslinguistischen Mehr-Ebenen-Analyse methodisch verortet (cf. Kap. 4.1.1, Tab. 10): 1. Materialität 2. Medialität und modale Ressourcen 3. Beteiligungsstruktur 4. Handlungsbezug und praktisches Bewusstsein 5. Routinisierung 6. Indexikalität und sozialsymbolische Aufladung 7. Kontextbezug und Temporalität 8. Historizität. Was, um beim letzten Punkt zu beginnen, die Historizität anbelangt, zeigen die in dieser Arbeit schlaglichtartig präsentierten Analysen des historischen Metasprachdiskurses (cf. Kap. 3), in welchem Maße «Praktiken […] historisch gebunden [sind]. Praktiken, die im kommunikativen Spektrum einer historischen Epoche oder einer bestimmten historischen Sozialformation existieren, fehlen in anderen historischen Zeiten komplett» (Deppermann/Feilke/Linke 2016, 10). Die historische Gebundenheit und darin begriffene Sozialformationen erlauben es, aktuelle metasprachliche Tendenzen nachzuvollziehen und hinsichtlich ihrer gesellschaftlichen Relevanz und Haltbarkeit einzuordnen. Für die hier kontrastiv betrachtete Konstitution sprachpflegerischer Diskurse geht es vor diesem Hintergrund darum, linguistisch zu prüfen, in welcher Form solche «Sprachgebrauchsmuster» (cf. Bubenhofer 2009) respektive «[d]ie Gestalt von Praktiken […] historischen Veränderungen [unterliegt] und» wie «[…] eng [sie] zusammen mit Veränderungen ihrer medialen Realisierungsform [hängt]» (Deppermann/ Feilke/Linke 2016, 10).7

7 Zum Musterbegriff cf. Kap. 3.3.5. Cf. hierzu ergänzend Bubenhofers (2009) anwendungsorientierten Musterbegriff aus korpuslinguistischer Perspektive: «Es ist nicht notwendig, eine abstrakte, kognitive oder tiefensemantische Kategorie ‹Muster› zu denken. ‹Musterhaftigkeit› lässt sich als Phänomen der Textoberfläche denken, als Phänomen rekurrenten, für bestimmte Kontexte typischen Sprachgebrauchs. Oder, um Wittgensteins Diktum zu bemühen, das Muster liegt – also: definiert sich, entsteht – im Gebrauch. Das bedeutet nicht, dass in unseren Köpfen nicht auch Vorstellungen über bestimmte Muster existieren können. Doch das ist eine kognitivistische Fragestellung; aus pragmatischer, sprachgebrauchsanalytischer Sicht reicht es voll-

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4 Metasprachdiskurse als ideologische Systeme

Aus der Historizität sprachlich-kommunikativer Praktiken ergeben sich zweitens ihr Kontextbezug und ihre Temporalität, d. h. «Praktiken sind keine abstrakten, kontextfreien Einheiten und Types […]. Praktiken sind durch einen Vollzugscharakter gekennzeichnet, d. h. sie sind zeitlich strukturiert» (Deppermann/Feilke/Linke 2016, 9). Durch ihre Kontextgebundenheit erfahren kommunikative Praktiken eine kontextuelle Sättigung («saturation by context»), wobei Hanks (1996) einschränkend zu bedenken gibt, dass «Kontext» als theoretisches Konzept immer bestimmten Fokussierungen unterliegt und nicht als Ganzes erfassbar ist: «What is context? Everything and nothing. […] If you are persuaded by the phenomenological concept of incompleteness, then context is inexhaustible. […] Ultimately, context is nothing less than the human world in which language use takes place and in relation to which language structure is organized. How we describe it and what properties of organization and duration we ascribe to it depend upon what we focus on. In other words, because context is so pervasive, ‹context› is necessarily a theoretical construct» (Hanks 1996, 140).

Aus der Kontext- und Zeitgebundenheit von Metasprachdiskursen in ihren verschiedenen Ausprägungen sowie der daraus in den communities of practice (cf. Kap. 2.2, Abb. 2) entstehenden Situierung metasprachlich handelnder Akteure resultieren an dritter Stelle die Indexikalität und sozialsemiotische Aufladung sprachlich-kommunikativer Praktiken:8 «Charakteristisch für Praktiken ist das Spannungsverhältnis zwischen partikularsituierter Realisierung, d. h. der konkreten, im Prinzip einmaligen ‹Hier-und-Jetzt›-Phänomenologie von Praktiken und ihrer generischen, rekurrenten Struktur […]. Praktiken sind flexibel, sie werden situationssensitiv an aktuelle Kontexte angepasst. Die schematische Struktur praktischen Wissens verbürgt Wiederholbarkeit, Wiedererkennbarkeit und die Nutzung

kommen, Musterhaftigkeit als Phänomen auf der Textoberfläche zu denken – und zu analysieren. Dieser Fokus auf die Textoberfläche würde bei der Verwendung von Begriffen wie ‹Schema›, ‹Schablone›, ‹Regel› etc. verloren gehen. Für eine Analyse des Sprachgebrauchs, die möglichst auf der Textoberfläche bleiben will, ist deshalb der Musterbegriff passender» (Bubenhofer 2009, 30). 8 Spitzmüller (2013) schreibt dem Konzept der «(sozialen) Indexikalität» bei der Analyse von Sprachideologien als diskursive Phänomene eine Schlüsselrolle zu: «Darunter [scil. unter Indexikalität] versteht die Soziolinguistik […] die Fähigkeit sprachlicher Zeichen, soziale Werte, Akteurstypen und Lebensformen zu evozieren bzw. zu kontextualisieren. Dem liegt die Annahme zugrunde, dass sprachliche Zeichen nicht nur auf bestimmte Sachverhalte referieren, sondern dass sie immer auch bestimmte Werte (bzw. Ideologien) indizieren. Wichtig ist dabei die […] Annahme, dass indexikalische Zuschreibungen (und mithin Sprachideologien) sozial stratifiziert sind. Sprachliche Handlungen werden demzufolge in verschiedenen Kontexten und von verschiedenen Akteuren unterschiedlich bewertet» (2013, 265). Cf. auch Tab. 10.

4.1 Methode und Korpus

461

in verschiedensten Situationen – bis hin zur (abstrahierten) Struktur eines ‹Habitus›,9 der in unterschiedlichsten Handlungsfeldern analoge Merkmale praktischen Handelns aufweist. […] Praktiken indizieren rekurrente, typische Kontexte, mit denen sie in Prozessen dokumentarischer Interpretation verknüpft sind […]. Praktiken erfordern diese Kontexte als (zumeist oder nur sehr ausschnitthaft bewussten) ‹Hintergrund› für ihre Anwendung und Interpretation wie sie umgekehrt die Anwendung der Kontexte bestätigen. Aufgrund der konnotativen, kontextualisierenden Relation zwischen Praktiken und Kontexten […] kann die Realisierung einer bestimmten Praktik etwas zur Konstitution bzw. Stützung der soziokulturellen Identität ihrer Akteure oder der sozialsemiotischen Prägung einer Kommunikationssituation beitragen» (Deppermann/Feilke/Linke 2016, 9).

Dieser Fokus auf Sprache in kommunikativen, interaktiven und kulturellen Kontexten, der auf einem «theoretische[n] Zusammendenken von Sprache und Kultur» beruht und dabei «Kultur nicht nur als Inhalts-, sondern auch als Formkategorie, und zwar als ‹symbolische Form› […] fass[t], die als semiotisch signifikant und damit als kulturell interpretierbar, als ‹lesbar› verstanden wird» (Lin-

9 Das Habituskonzept als epistemischer Hintergrund zur Erklärung von Zuschreibungspraktiken sozialer Kategorien und Verhaltenspraktiken sozialer Akteure geht auf Bourdieu (1976) und seine soziologisch orientierte Diskussion des Praktiken-Begriffs zurück: «Les discussions qui se sont développées tant parmi les ethnologues (ethnoscience) que parmi les sociologues (ethnométhodologie) autour des classifications et des systèmes de classement ont en commun d’oublier que ces instruments de connaissance remplissent en tant que tels des fonctions qui ne sont pas de pure connaissance: on peut admettre que la pratique implique toujours une opération de connaissance, c’est-à-dire une opération plus ou moins complexe de classement qui n’a rien de commun avec un enregistrement passif, sans pour autant en faire une construction purement intellectuelle; la connaissance pratique est une opération pratique de construction qui met en œuvre, par référence à des fonctions pratiques, des systèmes de classement (taxinomies) qui organisent la perception et l’appréciation et structurent la pratique. Produits par la pratique des générations successives, dans un type déterminé de conditions d’existence, ces schemes [sic] de perception, d’appréciation et d’action qui sont acquis par la pratique et mis en œuvre à l’état pratique sans accéder à la représentation explicite, fonctionnent comme des opérateurs pratiques à travers lesquels les structures objectives dont ils sont le produit tendent à se reproduire dans les pratiques. Les taxinomies pratiques, instruments de connaissance et de communication qui sont la condition de l’établissement du sens et du consensus sur le sens, n’exercent leur efficacité structurante que pour autant qu’elles sont elles-mêmes structurées. […] La cohérence qui s’observe dans tous les produits de l’application d’un même habitus n’a pas d’autre fondement que la cohérence que les principes générateurs constitutifs de cet habitus doivent aux structures sociales (structure des relations entre les groupes, sexes ou classes d’âge, ou entre les classes sociales) dont ils sont le produit et qu’ils tendent à reproduire […]. Les opérateurs pratiques qui sont constitutifs de l’habitus et qui fonctionnent à l’état pratique dans le geste ou dans la parole reproduisent sous une forme transformée, en les insérant dans la structure d’un système de relations symboliques, les oppositions et les hiérarchies qui organisent effectivement les groupes sociaux et qu’elles contribuent à légitimer en les présentant sous une forme méconnaissable» (1976, 43–44).

462

4 Metasprachdiskurse als ideologische Systeme

ke 2018, 355), bewegt sich im theoretischen Bereich der Kulturhistorischen Linguistik, deren Grundannahmen an dieser Stelle aus forschungsökonomischen Gründen nur in aller Kürze zusammengefasst werden.10 Die theoretischen Ansätze der Kulturhistorischen Linguistik, bei denen «es […] nicht um individuelle, sondern stets um musterhafte Formen, um Typik [geht]» (Linke 2018, 355), verhalten sich zu den Interessen diskurslinguistischer Forschungen kongruent und erscheinen deshalb und nicht zuletzt aufgrund des historischen Fokus dieser Arbeit auch für die Betrachtung von Metasprachdiskursen erwähnenswert. In diesem Zusammenhang erscheint es auch evident, dass Sprachideologien und Spracheinstellungen als semiotisch signifikante Muster von Metasprachdiskursen durch sprachliche Praktiken determiniert werden, die als «soziale Strukturen, d. h. nicht kreative, individuelle, sondern sozial kondensierte Routinen, […] sedimentiert sind» (Deppermann/Feilke/Linke 2016, 8). In dieser Perspektive beschreiben Linke/Schröter (2018), ebenfalls in Anlehnung an Foucault, «Diskurs» als «ein dynamisches Netz von soziokulturell zeichenhaften Phänomenen, die vom selben Formationssystem geprägt sind» (Linke/Schröter 2018, 451): «Dass Diskurs ein Netz von zeichenhaften Phänomenen ist, impliziert, dass den entsprechenden Phänomenen über ein positives Sein hinaus eine semiotische Qualität und Signifikanz zukommt. Dies gilt in besonders auffälliger Weise für sprachliche Äußerungen, grundsätzlich jedoch für Phänomene ganz unterschiedlicher Art, z. B. […] für Musikstücke, Spielzeug, Bilder, […] und für die Prozesse von deren Produktion und Rezeption bzw. des Umgangs mit ihnen. Mit Blick auf die Sprache ist herauszustreichen, dass die diskursive Signifikanz eines – mehr oder weniger komplexen – sprachlichen Ausdrucks nicht notwendig mit dessen semantischer Bedeutung zusammenfällt und unter Umständen nur indirekt mit dieser verbunden ist. Dass ein Diskurs ein Netz von soziokulturell zeichenhaften Phänomenen ist, heißt, dass die entsprechenden Signifikanzen nicht nur Gegenstand bzw. Ergebnis individueller Deutungsprozesse sind, sondern dass ihnen gesellschaftliche Relevanz zukommt, dass also die Phänomene kollektiv benannt sind und von vielen Individuen ähnlich ‹gelesen› und verstanden werden. Dass wir […] von einem dynamischen Netz sprechen, signalisiert unser Verständnis von Diskursen als nicht additiv oder summativ zu begreifenden und nicht statischen Ganzheiten, sondern als assoziativ-integrativ zu denkenden, in ständigem Wandel befindlichen Assemblagen» (2018, 450–451).

10 Linke weist darauf hin, dass «Kulturhistorische Linguistik» eine in der Fachtradition nicht etablierte Bezeichnung für ein Arbeitsfeld ist, das sowohl sprachhistorisch als auch kulturanalytisch orientiert ist (cf. 2018, 349), d. h. den «[…] kulturanalytischen Blick auf historische Sprachwelten und deren Sprachgebräuche richtet, in der Absicht, die in ihnen zum Ausdruck kommenden kulturellen Selbst- und Weltdeutungen, die soziokulturellen Orientierungssysteme sowie die Normen, Werte, Einstellungen und Gefühle der entsprechenden Kommunikationsgemeinschaften zu erfassen und darzustellen» (2018, 348).

4.1 Methode und Korpus

463

Dieses semiotisch orientierte Diskurskonzept wird innerhalb der «diskurslinguistischen ‹Mehrheitsmeinung›» v. a. aus den Merkmalen der Thematizität und der Transtextualität hergeleitet (Linke/Schröter 2018, 452), die hier neben den Bestimmungselementen kommunikativer Praktiken als theoretische Prämissen ergänzt werden. Beide Merkmale sind für sprachpflegerische Metasprachdiskurse zutreffend. Die Sprachendiskussion speist sich zum einen als klar erkennbare Menge «aus Äußerungen oder Texten zu einem Thema oder Themenkomplex» (Linke/Schröter 2018, 452), deren Schnittmenge in den unterschiedlichen Ausprägungsformen des öffentlichen Sprechens über Sprachen liegt und die ein Spektrum von deskriptiven bis interventionistischen Spracheinstellungen umfasst (cf. Abb. 14). Was zum anderen die Transtextualität anbelangt, die als methodologische Ebene von Diskursen eine zentrale Rolle spielt (cf. Kap. 4.1.1, Tab. 10), zeigt der Vergleich topischer Muster in historischen und aktuellen Tendenzen, dass Sprachpflege als übertextliche Einheit, d. h. «als eine quer zur Aszendenz von Laut, Wort, Phrase, Satz und Text liegende Größe […] auf allen sprachlichen Rängen und darüber hinaus greifbar» ist (Linke/Schröter, 455). Die vor diesem Hintergrund von Linke/Schröter (2018) postulierte Ausweitung der Diskursanalyse als Aussagenanalyse auf semiotische Phänomene unterschiedlicher Art i. S. einer «Transsemiotizität» kann aufgrund der gewählten Schwerpunktsetzung der sprachlichen Analyse hier nicht weiter verfolgt werden, sei aber gerade mit Blick auf die komplexe Semiotik der Online-Kommunikation als Desiderat formuliert (cf. Kap. 3.3.8). Was an diesen Punkt anschließend die Medialität und die damit verbundenen modalen Ressourcen von Diskursen als fünftes Kriterium sprachlich-kommunikativer Praktiken anbelangt, so kommen Äußerungen wie bereits gezeigt wurde immer «in einer bestimmten medial-leiblichen Realisierung vor» (cf. Kap. 2.2; 3.3.8) und daher «[…] stets in einem materiellen, objekt- und personenbezogenen und interaktiven Kontext» (Deppermann/Feilke/Linke 2016, 5). Für die Analyse von Metasprachdiskursen ist es also entscheidend, «wie […] (medientechnische) Realisierungsbedingungen Praktiken ermöglichen, favorisieren oder restringieren (Deppermann/Feilke/Linke 2016, 6). Dabei kann mit Meier (2018) die in vorliegender Arbeit hergeleitete (cf. Kap. 2; 3) diskurslinguistische Verquickung der Analyse sprachlich-kommunikativer Praktiken zum einen mit kulturell-historischen Einflüssen und zum anderen mit medialen Kontexten wie folgt begründet werden: «Angesichts d[er] strukturellen Verschränkung von Kultur-, Gesellschafts- und Medienwandel, katalysiert durch die fortschreitende Digitalisierung der Kommunikation und Vernetzung der Diskurs-Akteure […], erscheint es zunehmend problematisch, dass linguistische Diskursanalysen weiterhin hauptsächlich auf Zeitungs- und Print-Journal-Korpora beruhen. […] [A]llerdings [muss] auch auf die mittlerweile starke transmediale

464

4 Metasprachdiskurse als ideologische Systeme

Wanderung von Diskurspositionen hingewiesen werden. On- und Offlinediskurse sind konvergenzkulturell verschränkt […], sodass im massenmedialen Offline-Bereich onlinespezifische Praktiken in Form von Aneignungen und Verweisen immer stärkere Berücksichtigung finden. Außerdem fungiert der Online-Bereich weiterhin als (zugegeben eigendynamischer) Resonanzraum massenmedialer Diskursthemen. Dennoch bleibt anzumerken, dass eine Diskurslinguistik […] mit ihrem Bezug zur Sozialtheorie Foucaults […] auch die linguistische Analysierbarkeit von Gesellschaft beansprucht. Eine solche Zielsetzung muss den starken Einfluss von Medien und aktuell insbesondere von digitalen und vernetzten Medien verstärkt in den Blick nehmen» (2018, 427).

Im Zusammenhang mit der Frage nach der durch unterschiedliche mediale und soziale Settings evozierten Partizipation verschiedener Akteure an Metasprachdiskursen (cf. Kap. 2.2) soll als sechstes und letztes Bestimmungselement die jeweils eigene Beteiligungsstruktur von sprachlichen Praktiken (participation framework) angesprochen werden: «Praktiken erfordern spezifische Partizipanten. Sie erfordern Akteure, die in eine spezifische kulturelle Praxis hineinsozialisiert wurden und in der Lage sind, Praktiken kompetent, methodisch und virtuos in jeweils idiosynkratischen und in ihren Details unbekannten und unvorhersehbaren Kontexten zur Anwendung zu bringen […]. Sie können nicht von ‹just anyone› ausgeführt werden, sondern sind oftmals an spezifische Rechte, Pflichten, und soziale Positionen von Akteuren gebunden, die sie reflexiv mitkonstituieren und bestätigen helfen» (Deppermann/Feilke/Linke 2016, 6).

Diese Annahme ist für die Nachvollziehbarkeit der inneren Triebkraft und Kohärenz von Metasprachdiskursen entscheidend. Ausgehend von der Indexikalität von Diskursen weist Spitzmüller (2013) darauf hin, dass sprachideologische Diskurse die «soziale Registrierung» einer Gruppe von Akteuren ermöglichen, deren Bedeutungszuschreibungen «[…] in erster Linie der sozialen Positionierung (bzw. der Konstruktion von Identitäten) dienen» (2013, 268).11 Durch diese «identity-commoditizing indexical overlays» (cf. Silverstein 2003, 193) wird ein diskursspezifischer sprachlicher Handlungsrahmen aus Selbst- und Fremdposi-

11 Soziolinguistische Definitionen des «Register»-Begriffs als lexikogrammatische Merkmalskonfigurationen finden sich u. a. bei Ferguson (1996). In seiner Auslegung des Terminus im Zusammenhang mit Sprachideologien verweist Spitzmüller auf die einschlägige Definition nach Halliday (2007), die semantische Aspekte in den Vordergrund rückt und in einem jüngeren Beitrag wie folgt zusammengefasst wird: «A register can be defined as the configuration of semantic resources that the member of a culture typically associates with a situation type. It is the meaning potential that is accessible in a given social context. Both the situation and the register associated with it can be described to varying degrees of specificity; but the existance of registers is a fact of everyday experience — speakers have no difficulty in recognizing the semantic options and combinations that are ‹at risk› under particular environmental conditions» (2007, 182).

4.1 Methode und Korpus

465

tionierungsaktivitäten zur Verfügung gestellt, der mit Hilfe des von du Bois (2007) geprägten «Stancetaking»-Begriffs weiter definitorisch aufgeschlüsselt werden kann: «One of the most important things we do with words is take a stance. Stance has the power to assign value to objects of interest, to position social actors with respect to those objects, to calibrate alignment between stancetakers, and to invoke presupposed systems of sociocultural value. Yet very little is understood at present about stance: what it is, how we do it, what role language and interaction play in the process, and what role the act of taking a stance fulfills in the broader play of social life» (2007, 139).

Das von du Bois als Dreieck verbildlichte Konzept (cf. 2007, 162–163.; cf. Abb. 16) steht für die soziolinguistische Deutung von «Stancetaking» als Prozess aus drei simultan ablaufenden Handlungen: Erstens der Evaluation von Gegenständen, Sachverhalten oder Objekten, zweitens der Positionierung des sprechenden Subjekts oder anderer Akteure sowie drittens der konvergenten oder divergenten Ausrichtung der Akteure untereinander. «On the level of action, stance is to be understood as three acts in one – a triune act, or tri-act. To the question posed at the outset as to whether evaluation, positioning, and alignment represent three different types of stance, the view from the stance triangle suggests that they are simply different aspects of a single stance act. Rather than three separate types of stance, we interpret them as subsidiary acts of a single overarching, unified stance act. Each subsidiary act is distinguishable from the others by virtue of its own distinctive consequences, yet the three are yoked together through their integration in the dialogic stance act» (du Bois 2007, 162–163).

Die Positionierung als zentrales Moment eines stance geht mit der Subjektivität des sprechenden Akteurs Hand in Hand «inasmuch as the act of positioning regularly invokes a dimension of speaker subjectivity» (du Bois 2007, 152). Ebendiese im Akt der Positionierung inbegriffene Subjektivität ist dann wiederum die Voraussetzung für die im nächsten Schritt des Dreiecks entstehende Intersubjektivität und die mit ihr einhergehende Ausrichtung der Akteure untereinander. Die Intersubjektivität entsteht dann, wenn voneinander abweichende oder konvergierende soziokognitive Konzepte aufeinandertreffen (cf. du Bois 2007, 159). Vor diesem Hintergrund liegt es auf der Hand, dass «Stancetaking» und «Positionierungsaktivitäten» v. a. für Ansätze der Gesprächslinguistik nutzbar gemacht werden können (z. B. Lucius-Hoene/Deppermann 2004). Als «Grundlage für die Prozesse sozialer Stratifizierung» in kommunikativen und diskursiven Zusammenhängen wird «Stancetaking» in jüngster Zeit auch in der Diskurslinguistik diskutiert. Erste wegweisende theoretische und fallbeispielbasierte Adaptionen der Positionierungstheorie auf sprachbezogene Diskurse wurden

466

4 Metasprachdiskurse als ideologische Systeme

Bew ertu ng (Se lbs t-)P osi tion i

Akteur 1

Ausrichtung

eru ng

Objekt/Sachverhalt

g run

ng nie itio ertu Pos ) Bew t lbs (Se Akteur 2

Abb. 16: Stance-Dreieck nach du Bois (2007, adaptiert nach Spieß 2018a und Spitzmüller 2013).

z. B. von Spitzmüller (2013; 2018), Spieß (2018a) oder Spitzmüller/Flubacher/ Bendl (2017) vorgelegt. Ausgehend von diesen diskurslinguistischen Ansätzen zur Untersuchung von ideologischen Positionierungen und aufgrund der medialen und textsortenheterogenen Konstitution des Analysekorpus (cf. Kap. 4.1.4) wird das «Stancetaking»-Konzept in dieser Arbeit neben nicht-dialogischen Kommunikaten wie Texten aus Online-Zeitschriften auch auf «dialogisch orientierte, aber schriftlich verfasste kommunikative Praktiken» (Spieß 2018a, 163) aus sozialen Netzwerken und Diskussionsforen bezogen. Dabei soll weiterhin in Anlehnung an Spieß (2018a) angenommen werden, dass «Positionierungen im Kontext von Stancetakingaktivitäten als eine ideologisch gebundene Aktivität der Zuschreibung von Attributen, Eigenschaften, Verhaltensweisen sowie Stancetakingaktivitäten als Formen der Bewertung von Sachverhalten usw.» auftreten, weshalb «es sich an[bietet], den Positionierungs- wie auch den Stance-Begriff […] auf nicht faceto-face-ausgerichtete Kommunikationsformen und kommunikative Praktiken in öffentlichen […] Diskursen [auszuweiten]» (2018a, 164). Das Ziel der Untersuchung von Positionierungsaktivitäten ist folglich die Aufdeckung sprachideologischer Strukturen in Metasprachdiskursen, die im diskursiven Formationssystem als Spracheinstellungen in Form kommunikativer metasprachlicher Handlungen sichtbar werden (cf. Abb. 8; Abb. 14). Die Fokussierung von Sprachideologien bei der Konstitution gesellschaftlicher Meta-

4.1 Methode und Korpus

467

sprachdiskurse wurde u. a. von Blommaert (1996) für den Bereich der Sprachplanung valorisiert: «My attempt will be to look into the ‹deep› foundations of the traditions of language planning […]. I will treat this tradition as a discourse on language and society, containing ideological assumptions of various kinds and evolving in a particular socio-historical and political context. The basic motif of my analysis will hence be contingency: language planning is a historically and contextually contingent phenomenon and reassessments of language planning need to take this contingent nature of the object into account» (Blommaert 1996, 200).

Gerade für puristisch ausgerichtete Sprachplanung und Sprachpflege konnte in dieser Arbeit belegt werden, dass Positionierungsaktivitäten selten ausschließlich der Bewertung von Sprache dienen, sondern v. a. dem alignment der Akteure untereinander, d. h. mittels Bewertungshandlungen und Einstellungsbekundungen zum Sprachgebrauch «nehmen die Akteur*innen durch die Bewertung eines Objekts, Sachverhalts, Gegenstands bzw. einer Handlung und die damit verbundene Positionierung […] immer auch wertend Bezug zu einander und positionieren sich dadurch gegenseitig» (Spieß 2018a, 165–166). Dieser metasprachliche und soziale Ausrichtungsprozess, der von du Bois dialogisch verstanden wird (cf. Abb. 16), ist übertragen auf eine diskurstheoretische Analyse von Metasprache als komplexe Stratifizierung von Diskursen sowohl auf horizontaler als auch auf vertikaler Achse zu denken (cf. Tab. 10). Dabei hat die enge Verbindung von sozialer Position und der davon ausgehenden Möglichkeit zur metasprachlichen Positionierung durch mediale und gesellschaftliche Umbrüche immer wieder einen Wandel erfahren (cf. Kap. 3), wobei aber trotz der mediengesellschaftlichen Egalisierung von Kommunikationsarenen in bestimmten Diskursdomänen auch traditionelle Strukturen und Beteiligungsformen beibehalten wurden. Als Beispiel sei hier nochmals auf die vertikal ausgerichtete Sprachpflege der Académie française verwiesen, die einerseits sprachideologisch seit dem 17. Jh. den Standpunkt eines monolingualen Habitus verfolgt, daran das Prinzip einer top-down ausgerichteten Kommunikationsstrategie angepasst hat und diese mit den sog. «immortels» durch eine zahlenmäßig begrenzte Auswahl an repräsentativen Akteuren qualitativ reguliert (cf. Kap. 3.3.4). Andererseits hat die Académie française aber auch bestimmte Teilbereiche ihres metasprachlichen Handelns an den gesellschaftlichen Strukturwandel und an das Bedürfnis einer gesamtgesellschaftlichen Partizipation an der Sprachenfrage angepasst, wenn sie u. a. durch ihre mediale Präsenz und Nutzung des Internets auch die horizontale Achse des Metasprachdiskurses unter Einbezug der Öffentlichkeit bedient (cf. Kap. 3.3.8).

468

4 Metasprachdiskurse als ideologische Systeme

Ausgehend von der medialen Öffnung von Diskursen und davon, dass «Sprechweisen […] im öffentlichen Diskurs Zuschreibungen sowie Bewertungen erfahren und so durch den öffentlichen Diskurs maßgeblich konstruiert werden» begründet Spieß (2018a) die von ihr vorgenommene Ausweitung von Positionierungsaktivitäten auf «Einstellungsäußerungen und Zuschreibungspraktiken», die von «[…] Twitter-Tweets, Facebook-Posts, User*innen-Kommentaren in Foren oder Blogs im Kontext von Angeboten der Online-Presse über TalkShows, Interviews und Privatgespräche bis hin zu politischen Reden [reichen]» (2018a, 147–148). Dabei geht sie in theoretischer Hinsicht davon aus, dass in Metasprachdiskursen «[…] durch die Bewertung des Sachverhalts [scil. der Sprache] zugleich eine implizite bzw. indirekte Positionierung gegenüber anderen Akteur*innen des Diskurses statt[findet], sodass sich eine komplexere Form des Stance-Dreiecks ergibt […]» (Spieß 2018a, 165):

Akteur 1

Ausrichtung Bewertung

Bew ert ung (Se lbs t-)P osi tio

nie

run

g Objekt/Sachverhalt

spezifischer Sprachgebrauch

ung

Akteur 2

r g nie rtun ositio e w P ) tBe lbs (Se

Abb. 17: Erweitertes Stance-Dreieck nach Spieß (2018a).

Für die gleiche Erweiterung argumentiert ebenfalls aus diskurslinguistischer Perspektive Spitzmüller (2013), wenn er sagt, dass «[d]urch eine bestimmte Sprachwahl und die Art und Weise, wie sie praktiziert wird, […] Akteure […] versuchen können, wie eine bestimmte (imaginierte) Gruppe zu klingen oder gerade ganz anders, um sich ihr gegenüber zu positionieren. Sie können weiterhin versu-

4.1 Methode und Korpus

469

chen, als ‹authentische› So-und-So-Sprecher zu erscheinen oder durch Verfremdung eine andere, vielleicht kritische, vielleicht überlegene Position gegenüber So-und-So-Sprechern zu markieren. Schließlich können sie versuchen, sich als legitime So-und-So-Sprecher darzustellen oder anderen diesen Status abzusprechen bzw. sie können als Rezipienten einen Produzenten aufgrund seiner Sprachwahl und der Art und Weise, wie er sie praktiziert, als adäquaten, distinkten, authentischen, unnatürlichen, legitimen oder illegitimen So-und-So-Sprecher wahrnehmen» (2013, 271–272).

Entscheidend für eine Adaption der von Spieß (2018a) vorgenommenen Methodisierung sprachlicher Praktiken und Positionierungen auf den Kontext von Metasprachdiskursen im Allgemeinen ist die von ihr für das Paradigma Jugendsprache belegte Annahme, dass der durch die Interaktion zwischen Akteuren in Bezug auf den Sachverhalt «Sprache» entstehende, spezifische Sprachgebrauch durch Sprachideologien zum Tragen kommt (cf. Kap. 4.1.3). Diese Annahme wurde für die französische und deutsche Sprachpflege bereits an historischen Zeugnissen belegt (cf. Kap. 3) und soll im Folgenden auf den aktuellen Sprachpflegediskurs ausgeweitet werden. Dabei geht es erstens darum zu ermitteln, ob und mit welchen sozioideologischen Positionierungen und Rollenverteilungen die heutige Sprachpflege angesichts der medial bedingten sozialen Differenziertheit gesellschaftlicher Diskurse ausgestattet ist (cf. Kap. 2) und inwieweit dabei historische Konzepte «metasprachlicher Öffentlichkeit» strukturell fortgesetzt werden. Zweitens ist zu prüfen, inwieweit Stancetaking- und Positionierungsaktivitäten als Ausdruck bzw. sprachliche Realisierung von Sprachideologien eine Dynamik sprachbezogener Einstellungsbekundungen erkennen lassen, d. h. welches Einstellungsspektrum sich in aktuellen Metasprachdiskursen auffächern lässt. Drittens wird am Sprachmaterial sowohl auf transtextueller Ebene am Beispiel der Topik sowie auf intratextueller Ebene am Beispiel von Metaphern und lexikalischen Einheiten untersucht (cf. Tab. 10), wie diese Spracheinstellungen als kommunikative metasprachliche Handlungen artikuliert werden. Rekurrenzen im Bereich dieser sprachlichen Phänomene determinieren als Rückkopplung wiederum den spezifischen Sprachgebrauch von Sprachpflege i. S. einer diskurseigenen Indexikalität (cf. Abb. 18): «Sprachliche Elemente, in Form bestimmter Ausdrucksweisen, Variation, Prosodie, Sprachgebrauchsmuster usw. sind immer schon verbunden mit Ideen, Situationen, sozialen Repräsentationen, Ideologien bzw. Perspektivität […]. Die Ideologien sind damit in besonderer Weise verknüpft mit sozialen Gruppen. Im Bereich öffentlichen Sprechens können so bestimmte Ausdrucksverwendungen, Argumentationsmuster oder sprachliche Handlungen mit bestimmten […] Akteur*innen oder sozialen Gruppen in Verbindung gebracht werden. Tauchen diese Verknüpfungen rekurrent auf, so spricht man von Indexikalisierungen. […] Es lässt sich also festhalten, dass Stancetaking- und Positionierungsaktivitäten von Akteur*innen in Diskursen realisiert werden. Sie sind eingebunden in kommunikative Praktiken, situierte Kontexte usw. und bringen zugleich Kontexte hervor.

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4 Metasprachdiskurse als ideologische Systeme

Entgegen der Auffassung sozialpsychologischer Einstellungskonzepte sind Stancetakingund Positionierungsaktivitäten als dynamische, interaktive Formen der Einstellungs- und Bewertungsbekundung aufzufassen» (Spieß 2018a, 165).

Der Sprachgebrauch auf diskurs- und textorientierter Ebene rückt somit als Schnittstelle sprachideologischer Aushandlungsprozesse ins Zentrum der synchronen diskurslinguistischen Analyse, die sich sowohl für die metapragmatische Positionierung der Sprechenden zum Sprachgebrauch und zu anderen Akteuren interessiert als auch Aufschluss über ein bestimmtes Register geben kann, d. h. spezifische Personen- und Verhaltenstypen von Sprachpflege zu ermitteln sucht, die «[…] an eine Sprachgebrauchsform gebunden und […] über das soziale Register miteinander verknüpft [werden]» (Spitzmüller 2013a, 272). Dieses komplexe semiotische Beziehungsverhältnis wird von Spitzmüller (2013a) als Erweiterung des Stance-Modells nach du Bois (2007) doppelt triadisch modelliert, d. h. «[…] ein Akteur, wenn er einen sozial registrierten Sprachgebrauch verwendet, [richtet sich] auch zu diesen typisierten Personen aus, und er positioniert sich zu typisierten, ›registrierten‹ Verhaltensformen» (Spitzmüller 2013a, 273): richtet sich aus

Sprachgebrauch

pr ak ti po zier t/ sit ion bew e ier t s rtet ich

Akteur 2/1

Personentypus

ert izi ind ndet i rb ve Sprachgebrauch

ind izi ert ve rb ind et

t rte we be ch / t i r zie iert s kti n pra sitio po

verknüpft

Akteur 1/2

Verhaltenstypus positioniert sich

Abb. 18: Metapragmatische Positionierung nach Spitzmüller (2013).

Der von Spitzmüller zur theoretischen Situierung des Modells verwendete Terminus «Metapragmatik» geht auf die sprachanthropologischen Arbeiten Silversteins zurück (cf. z. B. 1979; 2003), die sich auf die Erweiterung der multifunktionalen und multireferentiellen Definition von Sprachgebrauch seines Lehrers

4.1 Methode und Korpus

471

Jakobson bezieht.12 Im Kern des Begriffs «Metapragmatik» steht die Annahme, dass metasprachliche Äußerungen «[…] nicht nur pragmatisch mit einem bestimmten zum Kontext gehörenden Sprecher/ Schreiber verbunden sind, sondern auch meta-pragmatisch mit typisierten Vorstellungen bzw. Ideologien über […] Sprecher/Schreiber und -situationen, welche ihrerseits reflexiv die kommunikative Handlung des aktuellen Sprechers und den Situationskontext rahmen» (Spitzmüller 2018, 19).

Der dem historischen Teil der Untersuchung als Einstieg vorangestellte Verweis auf Jakobsons Metasprache-Objektsprache-Relation (cf. Kap. 3.1) wird somit ein funktional erweiterter theoretischer Rahmen verliehen, in dessen Mittelpunkt die Untersuchung des Zusammenhangs zwischen Sprachreflexion, Sprachideologie und Sprachgebrauch steht. Dieser Zusammenhang wird im folgenden Kapitel als Abschluss der theoretisch-methodischen Prämissen des diskurslinguistischen Ansatzes thematisiert, wobei es insbesondere darum geht, das Erkenntnisinteresse an Sprachideologien und Spracheinstellungen als theoretische Konzepte eines handlungsorientierten Zugangs zu Sprachpflege zu begründen.

4.1.3 Regime, Vektoren und Realisierungen metasprachlichen Handelns: Sprachideologien, Spracheinstellungen, Sprachgebrauchsmuster Die Konzeptualisierung von «Sprachideologien» als Steuereinheiten von Sprache und Metasprachdiskursen bzw. «bewusst gestaltete[r] Sprachpraktiken» (Meyer 2018, 233) wurde seit dem Ende der 1970er Jahre entscheidend durch die anglophone linguistische Anthropologieforschung geprägt. Aus dieser Tradition, deren grundlegendes Interesse der Beeinflussung sprachlicher Strukturen durch sprachenbezogene Haltungen, Meinungen und Denkweisen gilt, hat sich bis dato ein relativ breites Forschungsfeld entwickelt, das sich mit dem Verhältnis zwischen Sprache und sozialen Organisationsformen der Wirklichkeit beschäftigt und somit per se an Forschungsschwerpunkte der Soziolinguistik und Diskursanalyse, gerade auch in ihrer jeweils kritischen Ausrichtung, anschließt. Die nordamerikanische Sprachideologieforschung, die sich seit dem Pionieraufsatz Michael Silversteins (1979) zu einem überaus produktiven Forschungsbe-

12 Zur ausführlichen Darlegung der Terminologie nach Silverstein sowie zur Abgrenzung von «Metapragmatik» und «Metasemantik» cf. Spitzmüller (2018, 17–20).

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4 Metasprachdiskurse als ideologische Systeme

reich entwickelt hat (cf. Busch 2019, 111),13 geht auf eine differenzierte europäische Tradition zurück, die Blommaert (2006) in zwei theoretischen Entwicklungsachsen des frühen 20. Jhs. verortet: Eine Richtung wird durch die Sozialtheorie Émile Durkheims vorgegeben und im Anschluss daran entstehende Paradigmen, darunter erfahrungswissenschaftliche und kulturrelativistische Ansätze der Linguistik, wie sie beispielswiese von Benjamin L. Whorf und Franz Boas vertreten wurden, oder durch den mentalitätsgeschichtlichen Ansatz Marc Blochs. In diesen soziologischen Programmen unterliegen Ideologien einer neutralen Definition und werden als sozialer «Zement» beschrieben, der Gemeinschaften, Gesellschaften und Kulturen zusammenhält. Im Gegensatz zu dieser Achse steht die marxistische Gesellschaftslehre, die auf die Dialektik der sozialen Realität zwischen Materialismus und Idealismus abhebt (cf. Blommaert 2006, 510). Aus diesem Strang gehen kritische Zugänge hervor, bei denen «[…] häufig auf Konzeptionen von Hegemonie, Diskurs, Macht und Ungleichheit zurückgegriffen [wird], die insbesondere aus der sprachphilosophischen, soziologischen oder politikwissenschaftlichen Beschäftigung mit Ideologien und Ideologiekritik stammen» (Busch 2019, 118) und sich in den Denkansätzen der Kritischen Soziolinguistik und Kritischen Diskursanalyse niederschlagen (z. B. Fairclough 2010; v. Dijk 2017; Kap. 2.2.1). Was zunächst den Begriff «Ideologie» in seiner Abstraktion von sprachlichen Kontexten anbelangt, ist mit Mitchell (1986) auf eine doppelte Bedeutungsebene von «Ideologie» zu verweisen: «The orthodox view is that ideology is false consciousness, a system of symbolic representations that reflects an historical situation of domination by a particular class, and which serves to conceal the historical character and class bias of that system under guises of naturalness and universality. The other meaning of ‹ideology› tends to identify it simply with the structure of values and interests that informs any representation of reality; this meaning leaves untouched the question of whether the representation is false or oppressive. In this formulation, there would be no such thing as a position outside ideology; even the most ‹demystified› critic of ideology would have to admit that he occupies some position of value and interest» (Mitchell 1986, 3–4).

In dieser grundlegenden definitorischen Zweiteilung ist das oben angedeutete kritische und neutrale Verständnis von Ideologie begriffen (cf. Woolard/Schieffelin 1994, 57). Letzteres impliziert eine Definition von «Ideologie» i. w. S. als systematisiertes, konventionalisiertes und kulturgebundenes Ideengefüge einer

13 Cf. zur Entstehung des Forschungsfelds z. B. Silverstein (1979); Woolard/Schieffelin (1994); Irvine/Gal (2000); Kroskrity (2000); Blommaert (2006). Zum Zusammenhang von Spracheinstellungen und Sprachideologien cf. Rosa/Burdick (2017). Mit der Konstruktion von Öffentlichkeit durch Sprachideologien beschäftigen sich Gal/Irvine (1995).

4.1 Methode und Korpus

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Gemeinschaft, wohingegen die kritische und bisweilen auch pejorative Lesart des Begriffs eine Verengung von «Ideologie» auf ein spezifisches System von bestimmten Idealen (Idealogie) meint (cf. Hawkins 2001, 28), das den Ansprüchen einer analytischen Integrität nicht genügt (cf. Rosa/Burdick 2017, 117). Diese «Ideologie» i. e. S. resultiert aus einer oftmals historisch geprägten Rationalisierung und Derivation sozialer Repräsentationen sowie des daran gebundenen kognitiven und semiotischen Apparates und wird als subjektive Verzerrung der als neutral betrachteten Organisation von Realität wahrgenommen (cf. Woolard/Schieffelin 1994, 57). An diesem Punkt könnten kritische Analysen zur Sprachpflege ausgehend von den Kenntnissen zur historischen Genese ideologischer Sprachreflexion (cf. Kap. 3) ansetzen, wobei die vorliegende Arbeit eine bewusst deskriptive Perspektive verfolgt, die weiter unten nochmals genauer begründet wird. «Sprachideologien», die in der englischen Terminologie den oftmals synonymen gebrauchten Bezeichnungsvarianten linguistic ideologies, language ideologies oder ideologies of language entsprechen, die jedoch durch unterschiedliche Forschungsansätze geprägt sind, umfassen eine Menge an expliziten oder impliziten Repräsentation, die als Schnittstelle zwischen Sprache und Sprechern in sozialen Kontexten eine regierende Funktion einnehmen (cf. Woolard 1998, 3). Sie können, analog zur definitorischen Zweiteilung des Ideologiebegriffs, einem gleichermaßen weiten Begriffsverständnis unterliegen. So reichen die im anglophonen Forschungsraum gesetzen Definitionsschwerpunkte von sehr allgemeinen Deutungen als «shared bodies of commonsense notions about the nature of language in the world» (Rumsey 1990, 346) bis zu einer explizit sozialen Auslegung des Begriffs, in der sie, wie z. B. Irvine (1989) vorschlägt, als vermittelnder Teil kultureller Systeme verstanden werden: «the cultural (or subcultural) system of ideas about social and linguistic relationships, together with their loading of moral and political interests» (1989, 255). Eine genuin linguistische Betrachtung von «Sprachideologien» als Verteidigungs- und Rechtfertigungsmechanismus bei Wahrnehmungen in Bezug auf Sprachstruktur und -gebrauch wurde entscheidend von dem o. g. Konzept Silversteins (1979) geprägt: «But I do not address myself only to articulated beliefs that are incorrect or contemptible. I should clarify that ideologies about language, or linguistic ideologies, are any sets of beliefs about language articulated by the users as a rationalization or justification of perceived language structure and use. If we compare such ideologies with what goes under the name of ‹scientific› statements about language, we might find that in certain areas the ideological beliefs do in fact match the scientific ones, though the two will, in general, be part of divergent larger systems of discourse and enterprise» (Silverstein 1979, 193).

Sprachideologien agieren in dieser ethnographischen Sichtweise als vergesellschaftlichte Level sprachlich-kommunikativer Prozesse innerhalb von Diskur-

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4 Metasprachdiskurse als ideologische Systeme

sen i. S. sozialer Interaktionsräume und entgrenzen als methodisches Konzept zur Sprachbeschreibung bewusst die sprachimmanente Betrachtung des Sprachsystems im strukturalistischen Sinne (cf. Kroskrity 2016, 98). Die Valorisierung der Verbindung sprachlicher und sozialer Strukturen als im Austausch begriffene Größen rückt die Sprachideologieforschung somit als methodologischen Ansatz automatisch ins Zentrum soziolinguistischer Forschungsgegenstände (cf. Woolard 1998, 4). Silversteins Definition impliziert, Sprachideologien ausgehend von den sprachlich Handelnden zu denken und dem diskursiven System, in dem sie sich bewegen sowie dabei die grundlegende Annahme zu treffen, dass letztlich jede metasprachliche Äußerung, auch die von Sprachwissenschaftlern, sprachideologisch determiniert ist: «Linguistic ideologies are held not only by the immediate participants in a local sociolinguistic system. They are also held by other observers, such as the linguists and ethnographers who have mapped the boundaries of languages and peoples and provided descriptive accounts of them» (Irvine/Gal 2000, 35–36). In dieser Annahme ist «das Anliegen der Sprachideologieforschung [formuliert], in selbstreflexiver Weise der Verstrickung der eigenen Disziplin in kolonialistische und nationalistische Projekte nachzuspüren und mehr noch, Grundannahmen der eigenen Disziplin kritisch zu hinterfragen» (Busch 2019, 111). Diesem wissenschaftstheoretischen Anspruch, sprachliche Phänomene zunächst zu beschreiben und erst dann – sofern dies angebracht ist – zu kritisieren, entsprechen auch die oben ausgeführten kritischen Überlegungen zur sprachideologisch determinierten Vertikalität von Experten und Laien im Kontext von Sprachbeschreibung und -bewertung (cf. Kap. 3.3.7). Als Gegenstände und Themen rücken solche gesellschaftlichen und sprachlichen Konstellationen in den Fokus der Sprachideologieforschung, in denen sprachenbezogene Haltungen «besonders explizit zu Tage treten» (Busch 2019, 10). Dazu zählen auf der einen Seite Sprachensituationen, die durch eine ungleiche Machtverteilung und -ausübung oder gar sprachliche Diskriminierung geprägt sind, wie es im Bereich von Minderheitensprachen und indigenen Sprachen der Fall sein kann und wo die Erforschung von Sprachideologien eine zentrale Rolle bei der Sprachplanung und Revitalisierung spielt (cf. z. B. Kroskrity/Field 2009; Austin/Sallabank 2014; Coronel-Molina 2015). Auf der anderen Seite richtet sich die Aufmerksamkeit der Sprachideologieforschung auch auf den entgegengesetzten Punkt vertikal gedachter sprachlicher Strukturen, d. h. auf den Bereich der dominanten Sprachen und Nationalsprachen und somit auf «Prozesse der sprachlichen Standardisierung und Normierung» sowie «insbesondere die Etablierung des Monolingualismus als Norm und dessen Durchsetzung mittels Gesetzen, Institutionen und Sanktionen» (Busch 2019, 110; cf. Paffey 2012; Blommaert 2014; Chen 2018). Hier treten Sprachideologien

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als Ebene «gesellschaftlicher Interessenformulierung» in Erscheinung, beruhen, wie für das Deutsche und Französische gezeigt wurde (cf. Kap. 3), auf einer historisch gewachsenen, «nationalkonstituierende[n] wirkmächtigen Sprachreflexion» (Solms 2019, 210) und determinieren die Vorstellung von Sprache als Marker nationaler Identität. Andere Forschungsarbeiten aus dem Bereich der ethnographischen linguistischen Diskursanalyse beschäftigen sich mit Sprachideologien im Zusammenhang mit der «Allgegenwärtigkeit von Diversität in modernen Gesellschaften» (Reisigl/Ziem 2014, 81) und damit verbundenen Konzepten der «Deterritorialisierung» und «Superdiversität» als Phänomenen globaler mehrsprachiger Gesellschaften (cf. z. B. Blommaert/Rampton 2011; Androutsopoulos 2019, 362–365). Die Schnittmenge dieser zentralen thematischen Schwerpunkte der Sprachideologieforschung liegt in «Prozessen der Distinktion aufgrund oder mit Hilfe von Sprache», sodass bei einer weit gefassten Definition von «Sprachideologien» als «alle Meinungen, Werte und Einstellungen, die Sprache und Sprechenden entgegengebracht werden (und nicht etwa nur solche, die problematisch oder ‹verzerrt› empfunden werden)» (Busch 2019, 110) stets eine konkrete analytische Differenzierung des Begriffs vorzunehmen ist. «Sprachideologien» als inkorporierte und/oder artikulierte Positionierungen zu Sprache(n) und Sprechern sind in Abhängigkeit von den spezifischen metasprachlichen Kontexten, in denen sie auftreten, und von den konkreten Interessen der sprachlich handelnden Sprecher (Individuen, ethnische Gruppen, Nationalstaaten) einzuordnen (cf. Kroskrity 2010, 195). Vor dieser Folie sind sie als Indizes sprachlicher und sozialer Distinktion per definitionem für die Analyse sprachpflegerischer Metasprachdiskurse von zentraler Bedeutung, deren Sprachgebrauchsmuster auf charakteristische Weise durch eine Dialektik geprägt sind, die sich vornehmlich in Kategorien sprachlicher Abgrenzung, z. B. von «gutem» und «schlechtem» Sprachgebrauch, sowie sozialer Abgrenzung von Identität und Alterität ausdrückt (cf. Kap. 3.3.3): «In der politischen und Medienöffentlichkeit geführte sprachideologische Debatten drehen sich typischerweise um Fragen nach der ‹richtigen› Sprache oder dem ‹richtigen› Sprachgebrauch, also um Normen und Werte, die mit Sprache und Sprachlichkeit verbunden werden. Beispiele dafür wären Konflikte um das Verhältnis von Mehrheits- und Minderheitensprachen, Debatten um den Status auf lokaler, regionaler, nationaler oder supranationaler Ebene, Forderungen nach sprachlicher ‹Korrektheit› und Sprachpurismus» (Busch 2019, 118).

Mit Blick auf die sprachwissenschaftliche Forschungspraxis lässt sich die Eingliederung von Sprachideologien in sozio- und diskurslinguistische Analyseansätze mit dem bereits an anderer Stelle ausführlich dargelegten Anspruch erklären, nicht nur den Sprecher in die Analyse von Metasprachdiskursen ein-

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zubeziehen, sondern auch die nicht-kommunikativen Bedingungen, die sprachliches Handeln und darin begriffene Positionierungen gegenüber Sprachen und Sprechern determinieren (cf. Kap. 3.2.2, Abb. 8): «[…] the concept of language ideology is the offspring of a union of two neglected forces: the linguistic ‹awareness› of speakers and the (nonreferential) functions of language. Both of these forces were prematurely marginalized by the dominant and disciplinary institutionalized approaches to language, which denied the relevance – to linguistics, certainly – of a speaker’s own linguistic analysis and valorized the referential functions of language to the exclusions of others. In effect, this surgical removal of language from context produced an amputated ‹language› that was the preferred object of the language sciences for most of the twentieth century» (Kroskrity 2000, 5).

Ein solcher Einbezug von Sprachideologien als Dispositionen sprachlichen Handelns setzt ein reziprokes Verhältnis von Kommunikation und Sprachbewusstsein voraus und bestimmt auf diese Weise die sprachtheoretische Situierung des Paradigmas Metasprache sowie damit verbundene begriffliche Dimensionen wie «Metakommunikation», «Metasprachdiskurse» oder «Metapragmatik». Um zunächst an den oben von Kroskrity (2000) hervorgehobenen Bewusstseinsbegriff anzuschließen, den Schlieben-Lange (1975) aufgrund seiner Verankerung in der philosophischen, psychologischen und soziologischen Theoriebildung als problematisch erachtet (cf. 1975, 193), soll zunächst mit der Definition von «Sprachbewusstsein» nach Scharloth (2005) als «Sammelbezeichnung für die Gesamtheit des metasprachlichen Wissens eines Individuums oder (hypostatierend) einer Gruppe» (2005, 19) an vorangehende Überlegungen zur modernen Wissensgesellschaft angeknüpft werden (cf. Kap. 2.2.1): Ausgehend von der Tatsache, dass «›moderne‹ Menschen reflexiver und damit auch handlungs- und diskursbewusster agieren mögen als dies in vormodernen Zeiten der Fall war», und heute «diese Art der Reflexivität und des Bewusstseins […] zur Verteidigung und Rechtfertigung beliebiger, auch einander widersprechender sozio-politischer Haltungen […] heranziehen können» (Dorostkar 2014, 26), bietet der Wissensbegriff und das auf ihm fußende Verständnis von «Diskursen» als Wissensstrukturen und Orte des soziohistorischen Aushandelns verschiedener Wissenstypen (Kap. 3.3.3) die Möglichkeit zu einer theoretischen Differenzierung von «Sprachbewusstsein», das terminologisch als «ein Konglomerat an vielschichtigen Wissens- und Bewertungselementen» (Gugenberger 2018, 167) zusammengefasst werden kann. Entgegen der Perspektive Scherfers (1983), der unter gleichem Begriff «auf Sprache(n) und sprachliche Situationen bezogene Wahrnehmungs-, Beschreibungs- und Bewertungskategorien sowie entsprechende Annahmen, Einstellungen, Überzeugungen, Bewertungen etc.» subsumiert, diese jedoch ausschließlich auf das «naive Wissen» von «Angehörigen einer Sprachgemeinschaft»

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bezieht (1983, 20), stimmt die Mehrzahl soziolinguistischer Arbeiten darin überein, dass «Sprachbewusstsein» «das systematische und unsystematische Sprachwissen und die unterschiedlichen Handlungs- und Urteilsmotivationen» in sich vereint, «die bei einem Sprachgemeinschaftsmitglied bzw. in einer Sprachgemeinschaft verbreitet sind» (Mattheier 1995, 16). Insbesondere in der Romanistik hat sich der Sprachbewusstseinsbegriff, der von Schlieben-Lange in die Sprachtheorie eingeführt wurde (cf. 1971; 1975), zu einem zentralen Konzept der soziolinguistischen Forschung entwickelt.14 Diese ersten Überlegungen zum Sprachbewusstsein als Teil der sprachwissenschaftlichen Forschungspraxis seien an dieser Stelle erwähnt, weil sie explizit auf die Begriffe «Metasprache» und «Metakommunikation» Bezug nehmen und dabei von einer grundlegenden Bewusstseinsfähigkeit und Selbstreflexivität von Sprache ausgehen (cf. Schlieben-Lange 1975, 194‒196), die das Erkenntnisinteresse an Sprachideologien als beim Sprecher aktivierte oder passivisch «mitlaufende» Bestimmungselemente sprachlichen Handelns begründen: «Die Kommunikation wird erst möglich gemacht durch die metakommunikativen Fähigkeiten der Beteiligten, die sich entweder explizit metakommunikativ äußern […] oder die durch die Reflexion auf ihr eigenes Sprachspiel andere Sprachspiele identifizieren und verstehen können. In der Kommunikation aber erst konstituiert sich die eigene Sprache als System, das reflektiert werden kann. In der Kommunikation wird das Kind zum Sprecher einer bestimmten Sprache, um die er als solche weiß und die er in weiteren Kommunikationsakten transzendieren und modifizieren kann» (Schlieben-Lange 1975, 193).

Umgekehrt bedingt diese Definition, dass «keine sprachreflexive Aussage frei von sozialer Verortung und mithin von Perspektivität ist» und folglich «[s]prachreflexive Diskurse […] in jedem Fall sprachideologische Diskurse [sind]», d. h. «Diskurse, in denen soziale Werte und Positionen ausgehandelt werden, welche (meta-indexikalisch) an Sprache gekoppelt sind» (Spitzmüller 2019, 25). Das Forschungsziel der Sprachwissenschaft richtet sich in diesem Fall auf die Erfassung und Beschreibung von «Metasprache» als übergeordnete (selbst-)reflexive Bestimmungs- und Ausdrucksebene, in der Sprachideologien als Regimente von sprachenbezogenem Wissen Spracheinstellungen von

14 Zur Entstehung des nationalen Sprachbewusstseins in der Romania cf. Schmitt (1988). Untersuchungen zum Sprachbewusstsein im Französischen bzw. in frankophonen Sprachkontaktsituationen wurden von Scherfer (1983); Stroh (1993) und Cichon (1998) vorgelegt sowie zum Spanischen von Polzin-Haumann (2006a). Einen aktuellen Überblick über die Sprachbewusstseinsforschung gibt Scharloth (2005, 5–21). Zum Zusammenhang zwischen Sprachbewusstsein und Sprachbewertung cf. Lebsanft (1997, 47–52). Ein neuerer Band zum Thema Sprachbewusstsein und Sprachgebrauch aus Sicht der empirischen Linguistik stammt von Schmidlin/Behrens/Bickel (2015).

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Sprechern und somit auch «Metasprachdiskurse» als gesellschaftliche Phänomene steuern, indem sie durch Sprache soziale Position vermitteln. Dieser Ansatz ist forschungspraktisch von solchen zu unterscheiden, die Sprachbewusstsein i. S. v. Sprachbewusstheit oder Sprachaufmerksamkeit verstehen, d. h. z. B. «im Kontext von Sprachkultiviertheit also nicht eine Eigenschaft der Sprecher oder eine prinzipielle Relation zu ihrem Wissen» beschreiben, sondern Zugänge zur «Fähigkeit, sich ‒ wenn nötig ‒ seinen eigenen Sprachgebrauch ‹bewusst›» zu machen, d. h. aufmerksam bzw. absichtsvoll darauf zu achten, was in welcher Form mit welchem Zweck gesagt wird» (Janich 2004, 152). Wenn man diese Bedeutung der sprachlichen Reflexivität von Sprechern und Diskursen in den Vordergrund stellt, kann in Analogie zur Aussage, dass Kinder erst durch die Kommunikation zu Sprechern werden, folgende Annahme für den vorliegenden Kontext von Metasprache getroffen werden: «Metasprachdiskurse» als Sprachthematisierungen respektive «alle sprachreflexiven Äußerungen zu Bedeutung, Funktion und Verwendung einzelner Zeichen bzw. zum Sprachgebrauch» (Domasch 2007, 3) werden erst zu einem sprachpflegerischen Diskurs durch die sprachliche Vergemeinschaftung in einer «metasprachlichen Öffentlichkeit» (cf. Kap. 2), d. h. durch die Rezeption, Reflexion und Übernahme bestimmter Sprachideologien, die einem Sprachbewusstseinsprozess unterliegen, der wiederum sprachhistorisch geprägt ist (cf. Kap. 3). Aus empirischer Sicht bedeutet dies, dass ein Sprecher dann als Sprachpfleger (Sprachpurist, Sprachliebhaber, Sprachaktivist etc.) bezeichnet werden kann, wenn er Sprachideologien als Einstellungen zu Sprache(n) und Sprechern zum Ausdruck bringt, die die jeweilige Kategorisierung auf der Grundlage ihr eigener Typen von Wissen zulassen. Einen geeigneten Zugang zur Kategorisierung sprachlichen Handelns i. S. v. Sprachideologien stellt dabei die oben dargelegte Analyse von Positionierungsaktivitäten dar (cf. Kap. 4.1.2): «Soziale Positionierung mittels Sprache ‒ allgemeiner: Vergemeinschaftung durch Sprache ‒ ist also deshalb möglich, weil Sprache bzw. Formen des Sprachgebrauchs mit Werten, Einstellungen, Modellen verkoppelt sind ‒ mit anderen Worten: weil es Sprachideologien gibt. Sprachideologien sind somit genauso grundlegend für soziales sprachliches Handeln, wie es Reflexivität für Sprache ist. Sprachreflexive Diskurse bringen diese Ideologien zum Ausdruck. […] Eine Linguistik, die die Prozesse sozialen sprachlichen Handelns und sprachlicher Sozialisierung verstehen will, tut also gut daran, die Reflexion von Sprache in der Gesellschaft ‒ die ‹Urteile der Öffentlichkeit über Sprache› ‒ erstens ernsthaft in den Blick zu nehmen und sich zweitens einzugestehen, dass auch sie Teil dieser ‹Öffentlichkeit ist›» (Spitzmüller 2019, 27).

In öffentlichen Kontexten sprachlichen Handelns figurierende metasprachliche Bewertungen, Urteile und Haltungen als Praktiken sozialer Positionierung legen nicht nur eine konzeptionelle Verbindung von Sprachideologien und Sprachein-

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stellungen nahe, sondern auch ein Verständnis von «Spracheinstellungen» als in der sprachlichen Interaktion evozierte Sprachbeurteilungen i. S. von Spracheinstellungsäußerungen als beobachtbare Positionierungen: «Die Einschätzung unserer Gegenüber geschieht […] schnell, nahezu automatisch, und arbeitet zentralen Prozessen unseres Soziallebens zu, wie einer generellen Situationsbeurteilung und dahingehenden Anpassung oder einer sozialen Einordnung des Selbst und des Anderen. Referieren solche Einschätzungen speziell oder sogar ausschließlich auf sprachbezogene Informationen (die Verwendung von bestimmten Sprachformen), werden sie in der entsprechenden Forschung als Spracheinstellungen bezeichnet. Mit anderen Worten können also Spracheinstellungen global als Positionierungen (in Form von Reaktionen, Beurteilungen, Einschätzungen, Evaluierungen, Assoziationen) bezüglich Sprachen (Sprachgebrauchsformen) und deren Sprecherinnen und Sprecher gefasst werden» (Soukup 2019, 84).

Dieser qualitativ-diskurslinguistische Ansatz beruht auf einer konstruktivistischen Auffassung von Spracheinstellungen (cf. Hyrkstedt/Kalaja 1998; Tophinke-Ziegler 2006; Liebscher/Daily- O’Cain 2009), die in der Forschungspraxis mehrheitlich als epistemologisches Gegenkonzept zur quantitativ-positivistischen Spracheinstellungsforschung betrachtet wird, deren Wurzeln in der sozialpsychologischen Einstellungsforschung liegen und deren experimentelle Verfahren auf die Messung von Einstellungen bzw. Einstellungsstärken als «statischen Verhaltensdispositiven» (Tophinke/Ziegler 2006, 221) abzielen. Ohne die Diskussion über die epistemologischen Divergenzen zwischen qualitativen und quantitativen Theorien sowie die jeweiligen empirischen Methoden hier weiter auszuführen, stütze ich mich im Folgenden auf das von Soukup (2014; 2019) formulierte Desiderat einer eklektischen und integrativen Theorieauffassung, wenn sie sagt, «dass Spracheinstellungen und deren Manifestation (Äußerung) immer relativ und spezifisch zu einem bestimmten Kontext stehen» (2019, 84) und «Einstellungskonstruktionen […] gleichzeitig interaktionelle Handlungen und soziokognitive Gebilde sein [können]» (2014, 147). Denn dass Einstellungskonstruktionen sowohl durch sprachliches Handeln und in der sprachlichen Interaktion modelliert werden, d. h. «kontextsensibel und -relativ sind» und «sich situationsübergreifend oftmals variabel zeigen» kann m. E. am Forschungsgegenstand «Sprachpflege» ebenso nachvollzogen werden (cf. Kap. 4.3) wie die Tatsache, dass es sich insbesondere bei puristischen Spracheinstellungen um «[…] wiederkehrende Ausformungen der Einstellungsäußerung [handelt], welche über einzelne Evaluierungshandlungen gleicher und verschiedener Individuen (auch in verschiedenen Situationen) hinweg identifizierbar und generalisierbar sind» (Soukup 2014, 146; cf. Kap. 3). Zur Auflösung des theoretischen Dilemmas schlägt Soukup (2019) ein integratives Einstellungsmodell vor, das «Spracheinstellungen» gemäß der verallge-

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meinernden Konzeptualisierung nach Scollon (2003) als «human epistemological constructs (HECs)» beschreibt und dabei den «konstitutiven Elementen Kontext, Interaktion und Kognition und deren zyklischen Beziehungen Rechnung trägt» (2019, 97):15 «Kurz zusammengefasst kann also der Dualismus von Einstellungs(äußerung)en als Handlung und Gebilde dahingehend aufgelöst werden, dass in lokal-konkreten Momenten der interaktionellen Evaluierungshandlung diskursive, sprachbezogene (evaluative) maps (HECs) ausgewählt, angewandt, aber auch weiterentwickelt werden. Diese Momente können selbst wiederum als HECs gespeichert (‹sedimentiert›) und zum ‹Bestandteil des sozialen Wissens› werden, das in folgenden Interaktionen erneut in den diskursiven Zyklus einfließen kann» (Soukup 2014, 148).

Diese weite Definition ermöglicht nicht nur eine direkte erkenntnistheoretische Verbindung von Sprachideologien und Spracheinstellungen als HECs, die sich durch unterschiedliche Funktionen im Diskurs unterschieden, sondern auch eine – zumindest im vorliegenden Kontext hilfreiche – Auflösung der strikten terminologischen Differenzierung zwischen «Einstellungen», «beliefs», «Meinungen» oder «kognitiven Strukturen.»16 Dies bedeutet nicht, dass bestehende begriffliche Abgrenzungen in Abhängigkeit von den jeweiligen Forschungskontexten, denen sie entstammen, und wo sie entweder mehr auf die mentale oder faktische Dimension von Haltungsäußerungen abzielen, fehl am Platz wären. Jedoch ist der von Cuonz (2014) für inhaltsorientierte Diskursanalysen formulierten Zielsetzung zuzustimmen, laut der es zwar «[g]ewiss […] die Aufgabe der Diskursanalyse [ist], den Diskurs selbst zu analysieren, wie er organisiert und strukturiert ist; warum sie aber zu Phänomenen, die jenseits des Gesagten liegen, prinzipiell nicht vordringen kann oder will, ist nicht ganz schlüssig. Es ist zwar fraglich, ob diese zu Grunde liegenden Phänomene tatsächlich als Einstellungen bezeichnet werden können, oder ob es sich dabei nicht eher um kognitive Strukturen (kulturelle, metaphorische sowie metonymische Modelle) oder auch um beliefs handelt […] sicher ist jedoch, dass es Techniken gibt, um diese aufzuspüren» (Cuonz 2014, 37).

15 In Anlehnung an den kritischen Realismus und als Mittelweg zwischen radikal konstruktivistischen und streng positivistischen Ansätzen definiert Scollon (2003) HECs wie folgt: «[…] I would like to argue that we have constructed a rather large number of what I would like to call ‹human epistemological constructs› (HECs) – maps for short. These HECs or maps, such as languages, mathematical characterizations, photographs, road maps, cultures, semiotic codes and the rest, can be thought of as relatively weak or relatively strong. The natural languages, human cultures, and scientific languages and descriptions I would think of as relatively strong by comparison with road maps, schematic drawings, graphs, photographs and paintings. The problematical issue in these terms is in the relationship between these maps, particularly the strong ones, and the territories (realities) they map» (2003, 78). 16 Cf. hierzu im Überblick z. B. Cuonz (2014, 32–74).

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Ein solcher Ansatz möchte nicht der Tatsache widersprechen, dass Analysen textbasierter Korpora, wie sie bei vorliegender Untersuchung zugrunde gelegt werden, i. d. R. keine zusätzliche Interaktion zwischen Forschenden und Sprechern berücksichtigen (können) und sich aus diesem Grund von direkten Zugängen mittels Interviews oder Fragebögen unterscheiden, wo andere Techniken und Methoden zur Verfügung stehen, um sich der mentalen Ebene der Einstellungsdisposition zu nähern. Umgekehrt muss dies allerdings auch nicht bedeuten, dass handlungsorientierte Ansätze linguistischer Diskursanalysen die kognitive Ebene der Spracheinstellungskonstitution als epistemologische Dimension prinzipiell ausschließen. Zusammenfassend ist also für Sprachpflegediskurse die in einer qualitativkonstruktivistischen Epistemologie verankerte Definition von «Spracheinstellungen» als kontextspezifische und diskursiv verankerte Größen grundsätzlich zu bestätigen. So ist Polzin-Haumann (2006) zuzustimmen, dass es sich bei der Evaluation des Sprachgebrauchs um ein «dynamisches Moment [handelt], das im Sprachpflegeprozess immer wieder aktiviert und u. U. durch diesen modifiziert wird»; die an dieses Verständnis anschließende methodische Prämisse, dass «die Bewertung […] dabei nicht, wie oft vertreten, als der sprachpflegerischen Aktivität vorausgehend anzunehmen [ist]» (Polzin-Haumann 2006b, 1474), möchte ich allerdings dahingehend schärfen, dass gerade Sprachpflege so markant durch historische Spracheinstellungssedimente und zeitraumübergreifende Sprachideologien geprägt ist, dass diskursspezifische Einstellungsmuster als Prädispositionen und abrufbare Konzepte metasprachlichen Handeln als haltungsdeterminierende Größen angenommen werden müssen. Dementsprechend ist auch Potters interaktionistische Definition «attitudes are performed rather than preformed» (Potter 1998, 234) für die in dieser Arbeit betrachteten Zeugnisse deutscher und französischer Metasprachdiskurse dahingehend zu relativieren, dass gerade der für Sprachpflege registrierte Sprachgebrauch eindeutig belegt, dass die Performanz von Spracheinstellungsbekundungen nachweislich in unmittelbarem Zusammenhang mit vorangehend geäußerten Haltungen und Werturteilen in Bezug auf Sprache steht, die als implizite Strukturen erhalten sind und als explizite Haltungsäußerungen reaktiviert und modifiziert werden. Einen für diese Annahme verlässlichen methodischen Zugang liefert die diskurslinguistische Analyse von Sprachgebrauchsmustern, deren explizite Rekurrenzen wiederkehrende Spracheinstellungsäußerungen auf sprachlicher Ebene belegen und dabei implizite soziokognitive Konzepte von Sprache auf mentaler Ebene indizieren (cf. Abb. 8), wobei erst eine qualitative Untersuchung Aufschluss über die Modifikation der Positionierungen, ihrer Gegenstände und sozialen Rollen geben kann (cf. Abb. 17), weshalb nicht wie hier

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dargelegt vor einem epistemologischen Hintergrund, sondern auch in korpusanalytischer Hinsicht Mixed Methods-basierte Untersuchungen gewinnbringend erscheinen (cf. Kap. 4.1.4). Dabei verstehe ich «Sprachideologien» und «Spracheinstellungen» in Anlehnung an die von Soukup (cf. 2014; 2019) vorgeschlagene Kategorisierung als HECs i. S. v. der konkreten Spracheinstellungsäußerung vorgelagerten Dimensionen metasprachlicher Positionierungen, wobei Sprachideologien sich durch ein im Vergleich zu Spracheinstellungen höheres Maß an Persistenz auszeichnen. Spracheinstellungen wiederum beruhen auf den Grundpositionen von Sprachideologien, erfahren aber in Abhängigkeit von konkreten Kontexten unterschiedliche Ausformungen und Differenzierungen. Sie werden von Sprachideologien als soziohistorischen Steuereinheiten regiert, bewegen sich aber als Träger respektive Vektoren sprachideologischer Regime in individuell gebundenen Kontexten des Diskurses, der sich wiederum als «mentaler Raum» aus der Summe dieser Vektoren ergibt. Sprachgebrauchsmuster als Spracheinstellungsäußerungen lassen diesen Raum in Form expliziter Positionierungen zu Sprache und Sprechern sichtbar werden, wenn man mit Spieß (2018c) annimmt, dass «[d]ie Analyse von Strukturen und Mustern der transtextuellen Ebene […] auf der Analyse der intratextuellen Ebene bzw. der Ebene der einzelnen sprachlichen Äußerungen basiert – sei es zerdehnter, schriftsprachlicher Art oder auch von face-to-face, dialogischer und/oder Gesprächs-Interaktion» (Spieß 2018c, 357). Um «den Diskurs in seiner Komplexität adäquat zu beschreiben» (Spieß 2017b, 864) wird in neueren diskurslinguistischen Arbeiten oft eine Integration verschiedener Ebenen des DIMEAN-Modells angestrebt (cf. z. B. Niehr/Böke 2004; Spitzmüller 2005; Gür-Șeker 2012). Dazu schreibt ebenfalls Spieß (2017b), dass «[…] der Analyse von Argumentationen […] eine besondere Rolle zu[kommt], da Argumentationen u. a. die lexikalische und metaphorische Ebene in den Dienst nehmen. In der Handlung des Argumentierens, die zwar unterhalb der Textebene realisiert wird, aber textübergreifende diskursive Ausformungen zeitigt, laufen verschiedene Diskursebenen zusammen: die Ebene der Lexik, der Einzelhandlung, der Text- und Diskurshandlung» (2017b, 864).

Diesem Anspruch möchte die folgende synchrone Untersuchung entsprechen, wobei es angesichts der Zielsetzung der Arbeit, die diachrone Entwicklung der Metasprachdiskurse in beiden Sprachen als überblicksartige Bestandsaufnahme nachzuzeichnen, nicht darum gehen kann, die integriert betrachteten Ebenen der diskurslinguistischen Analyse vor ihrem jeweils ausführlichen fachwissenschaftlichen Hintergrund zu beschreiben. Dementsprechend werde ich im Folgenden auf eine umfassende Darstellung theoretischer Prämissen der einzelnen Sprachhandlungsebenen (Topik, Metaphorik, Lexik) verzichten und lediglich

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auf die zentralen diskurslinguistischen Ansätze verweisen, auf die ich mich beziehe und denen bereits eine ausführliche Rezeption der behandelten Konzepte zugrunde gelegt wurde. Bei der Beschreibung der für Sprachpflege konstitutiven sprachlichen Handlungsebenen geht es in einem ersten Schritt im Rahmen einer Analyse der Argumentationsmuster (Topoi) in Anlehnung an Wengeler (2003; 2018) um die «Erfassung und Beschreibung der […] quantitativ dominanten und von bestimmten Gruppen bevorzugt verwendeten Topoi» in einem ausgewählten Bereich des französischen und deutschen Sprachpflegediskurses. Dabei steht v. a. in diskurshistorischer Perspektive im Vordergrund, «das kollektive und sich jeweils öffentlich durchsetzende ‹Wissen› zu diesem Themenfeld zu eruieren» (Wengeler 2018, 248; cf. Kap. 4.2.1) und dabei zum einen zu prüfen, ob nationale Sprachpflege heute auf transnationalen Wissensstrukturen beruht (cf. Kap. 4.2) und zum anderen, inwieweit historisch dominante Positionen ideologisierter Sprachpflege in der Breite der medialen Öffentlichkeit beider Diskursräume eine Erweiterung und/oder Änderung erfahren (cf. Kap. 4.3). Da bei diskurslinguistischen Argumentationsanalysen zwischen inhaltsbezogenen Toposanalysen (z. B. Wengeler 2003; Römer/Wengeler 2013) und strukturanalytischen Arbeiten (z. B. Klein 1995; 2011) unterschieden werden muss (cf. Römer 2017, 113), sei der von Wengeler (2003) entwickelte Ansatz einer diskursinhaltsbezogenen Argumentationsanalyse, der zu den «zentralen und erfolgreichen Konzepten der transtextuell orientierten Linguistik» zählt (Spitzmüller/Warnke 2011, 191), hier kurz hinsichtlich seines Anwendungspotenzials auf Sprachpflegediskurse zusammengefasst: Unter «Argumentationstopos» versteht Wengeler (2007) eine diskursgeschichtliche Analysekategorie i. S. «inhaltlich spezifizierte[r] Schlussregeln, die entsprechend nur in einem bestimmten inhaltlichen Bereich verwendbar sind, um plausible Argumentationen zu realisieren» (2007, 169). Neben allgemeinen Topoi, wie sie von Kienpointner (1996, 246 ff.) in seiner «Typologie plausibler Muster der Alltagsargumentation» klassifiziert wurden, bewegen sich inhaltlich spezifizierte Schlussregeln «auf einer anderen Abstraktionsstufe, sind konkreter. Sie enthalten inhaltliche Elemente aus den Sachgebieten, für die sie Gültigkeit beanspruchen» (Wengeler 2007, 169). Auf diese kontextspezifischen Schlussmuster von Sprachpflege fokussiert die folgende Untersuchung, mit dem Ziel, ihre Rolle als handlungsleitende Konzepte in Metasprachdiskursen als «agonale, heterogene öffentliche Diskurse» (Wengeler 2018, 261) zu konturieren. Dabei ist ergänzend zu bemerken, dass Wengelers Definition von Argumentationstopos sich bewusst der Vagheit des aristotelischen Toposbegriffs, der sowohl allgemeine als auch besondere Schlussregeln umfasst, bedient, «als ein Topos bei ihm kategorial im Raum zwischen inhaltlich unbestimmter, formaler

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und inhaltlich bestimmter, materialer Topik oszilliert» (Römer 2017, 115). Dass innerhalb kontextspezifischer Topoi, als «Teil des sozialen Wissens öffentlich handelnder Gruppen zu einem Themenbereich in bestimmten Zeitspannen» (Wengeler 2007, 170), auch kontextabstrakte Topoi in Form alltagslogischer Schlussregeln (aus Kausalität, Vergleich, Gegensatz und Einordnung) oder in Form konventionalisierter Schlussverfahren (Autoritätstopos, Analogietopos, personenbezogene Topoi) als strukturgebende Einheiten auftreten (cf. Ottmers 2007, 93), wurde an einzelnen Belegen der diachronen Analyse illustriert.17 Entgegen dieser punktuell verschränkt durchgeführten Betrachtung inhaltsspezifischer und kontextabstrakter Schlussverfahren zielt die folgende synchrone Analyse auf der Grundlage eines größeren Textkorpus in einem ersten Schritt auf die Auszählung der induktiv ermittelten Häufigkeiten kontextspezifischer Topoi ab, um die «darin enthaltenen inhaltlichen Strukturen, […] dominante[n] Weltwahrnehmungen, Wirklichkeitskonstruktionen, Argumentationen oder Denkmuster zu erfassen und zu ordnen» (Wengeler 2007, 171). Dabei wird zugunsten einer möglichst überschaubaren sprachvergleichenden Darstellung der Musterhaftigkeit sprachideologischen Handelns bewusst auf eine systematische Feinanalyse von Argumentationen, Geltungsansprüchen und Plausibilitätsansprüchen als komplexen sprachlichen Verfahren verzichtet. Die sprachvergleichende Arbeit mit rhetorischen oder pragmatischen Ansätzen der modernen Argumentationstheorie, die als nützliche Werkzeuge eine strukturell detaillierte Analyse sprachlichen Handelns ermöglichen (cf. z. B. Kopperschmidt 1989; Toulmin 2003; Perelman/Olbrechts-Tyteca 2004), wird an dieser Stelle für feingliedrigere oder rein argumentationsanalytische Untersuchungen sprachpflegerischer Diskurse in Aussicht gestellt.18

17 Zum AUTORITÄTSTOPOS cf. Kap. 2.2.3; 3.2.5–3.2.6; 3.3.3–3.3.4; 3.3.8; zum URSACHENTOPOS cf. Kap. 3.3.6. 18 Cf. hierzu beispielhaft die kontrastive Fallstudie von Neusius (2017). Zur kritischen Auseinandersetzung mit argumentationstheoretischen Ansätzen und Modellen cf. Römer (2017, 86– 98). Auch der von Klein (u. a. 2000) geprägte diskursstrukturbezogene Ansatz von Argumentationsanalysen, der die Funktion kontextspezifischer Topoi auf der Makroebene von Diskursen betrachtet, kann m. E. in diesem Zusammenhang für handlungsorientierte Analysen von Sprachpflege fruchtbar sein: «D[ies]em liegt die Hypothese zugrunde, daß die Domänen- und/ oder Diskursspezifik von Argumentation sich nicht zuletzt darin manifestieren kann, daß aus der Gesamtmenge der Topoi eine bestimmte Auswahl getroffen wird und die Argumentation im Rahmen mehr oder weniger fester Topoi-Konstellationen abläuft. Die Hypothese bereichsund/oder textsortenspezifischer Topoi-Konstellationen ist ihrerseits verknüpft mit der Hypothese einer funktionalen Erklärung. D. h. die Suche nach der genannten topischen Spezifik bedeutet zugleich die Suche nach einer entsprechenden Funktionsspezifik» (Klein 2000, 625). Dass sowohl im deutschen als auch im französischen Sprachpflegediskurs und v. a. in Äußerungen der «ideology brokers» eine solche Funktionsspezifik metasprachlichen Handelns be-

4.1 Methode und Korpus

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Von der transtextuellen Ebene der Topoi ausgehend geht es in einem zweiten Schritt der Analyse um das Verdeutlichen der von Pielenz hermeneutisch begründeten «argumentative[n] Allianz» (1993, 119) von Topoi und Metaphern, die heute zu den zentralen Grundannahmen diskurslinguistischer Analysen zählt (cf. z. B. Spitzmüller 2005, 196–197; Niehr 2017, 181–182; Römer 2017, 113): «Indem man eine Metapher annimmt, akzeptiert man das mit ihr verbundene Bündel von Schlußregeln, akzeptiert man mit dem Gebrauch einer Metapher das jeweilige Antezedens einer Implikation. […] Das Akzeptieren einer Metapher impliziert sogleich das Erheben eines Geltungsanspruches. […] Insofern wirkt eine konzeptuelle Metapher sowohl begründend als auch beglaubigend: Sie begründet Sinnzusammenhänge lebensweltlicher Bedeutsamkeit als scheinbar unverbrüchliche Geltungsansprüche; zudem beglaubigt sie die damit fixierten Werte und Ansprüche und legitimiert oder sanktioniert individuell wie kollektiv auf Gegenwart und Zukunft gerichtetes Handeln » (Pielenz 1993, 108).

Neben dieser funktionalen Einordnung als «verdichtete Argumentation innerhalb von Diskursen» (Spieß 2014, 38), in deren «Veranschaulichungsfunktion […] sowohl das innovative als auch das persuasiv-manipulative Potenzial der Metapher [liegt]», richtet sich der Einbezug von Metaphern als diskurslinguistische Analysekategorie auch auf das Ermitteln und Kategorisieren ihres kognitiven Gehalts. Dabei geht es im Vergleich zur Analyse lexikalischer Einheiten nicht um den einzelnen Wortgebrauch, sondern um die Ermittlungen von Metapherntypen, deren Funktion als Sprachgebrauchsmuster es ist, «neuartige, komplexe oder abstrakte Phänomene in bekannte, konkrete oder einfache Zusammenhänge ‹bildlich› zu übertragen und damit zu veranschaulichen, zu vereinfachen und plausibel zu machen» (Niehr/Böke 2004, 330): «Metaphern sind die wichtigsten verbalen Mittel, um abstrakte und/oder schwer erfassbare Phänomene und Gegenstandsbereiche (wie kognitive und soziale Prozesse, Emotionen,

steht, kann insbesondere aufgrund der für beide Diskursräume überwiegend sprachpuristischen Haltung angenommen werden. Diese unterliegt einer klaren Handlungsabsicht und gibt einen entsprechend eindeutigen funktionalen Rahmen für Sprachhandlungsschemata vor, die eine überwiegend zweckrationale Absicht auf der Grundlage affektiver Spracheinstellungen befolgen (cf. Abb. 8). Da die vorliegende Untersuchung jedoch primär auf die diskursgeschichtliche Genese von Sprachideologien, Spracheinstellungen und Sprachgebrauchsmustern abhebt und sich dabei nicht auf ein größeres Korpus aus aktuellen Sprachdaten bezieht und auch keine textsortenspezifische Strukturierung des Korpus vorgenommen hat, die eine repräsentative Definition einer diskursspezifischen Makro-Ebene sprachpflegerischer Argumentationen reliabel überprüfen ließe, stütze ich mich im Folgenden vornehmlich auf Wengelers inhaltsorientierten Ansatz (z. B. 2003, 2007). Eine gewinnbringende Zusammenführung des inhalts- und strukturanalytischen Zugangs hat Römer (2017) am Beispiel seiner argumentationsbasierten Untersuchung von Wirtschaftskrisen belegt.

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technische Erneuerungen, Ideologien etc.) verständlich darzustellen und damit kognitiv zugänglich(er) zu machen. Sie helfen, komplexe Sachverhalte und Prozesse besser zu verstehen, indem sie mittels Analogien kognitive Brücken zwischen Konzepten schlagen und dadurch mentale Modelle etablieren. Schwer Begreif- und Verbalisierbares wird mittels metaphorischer Äußerungen (leichter und anschaulicher) kodier- und kommunizierbar» (Schwarz-Friesel 2015, 143).

Vor diesem Hintergrund rücken Metaphern nicht nur in ihrer persuasiven, sondern auch in ihrer referentiellen und erkenntnisfördernden Funktion in den Fokus sprachideologischer Handlungsmuster. Die hinter dieser funktionalen Einordnung stehende, durchaus auch kritisch betrachtete, kognitionslinguistische Metapherntheorie,19 die in den 1980er Jahren (cf. Lakoff/Johnson 22003) zur «Aufwertung der Metapher zu einer conditio sine qua non menschlichen Denkens und Sprechens» geführt hat, teilt sich mit der Diskurslinguistik die «These, dass Kommunikation, Denken und Handeln voneinander abhängig und konzeptuell strukturiert seien» (Spitzmüller 2005, 192), widerspricht ihr aber u. a. im Verständnis von Metaphern als kulturelle und historische Größen.20 Letzteres impliziert die von Leonhardt (2014) trefflich gewählte Formulierung, dass «[d]er Diskurs […] die Metaphern diktiert», d. h. «[d]er kollektive Konsens einer Sprach- bzw. Kulturgemeinschaft darüber, welche Zielbereiche wie und mittels welcher Herkunftsweise kommuniziert werden, begrenzt durch das zugrunde liegende Konzept die Auswahl an verwendbaren und im Kontext verstehbaren Metaphern-(feldern)» (2014, 87–88). Die Grundlagen eines kulturell fundierten, kognitivistisch orientierten und diskurstheoretisch sowie -analytisch zugeschnittenen Metaphernbegriffs werden nachfolgend kurz dargelegt.21 Ausgangspunkt für die Metaphernanalyse als Methode der Linguistik, um anhand von ausgewähltem Sprachmaterial «größere sprachliche Strukturen, Bedeutungswandel oder Funktionen etc. im gesellschaftlichen Kontext offenzulegen» (Spieß 2014, 45), ist die Untersuchung des konkreten Vorkommens von «metaphorischen Ausdrücke[n] und Ausdruckskomplexe[n]» (Niehr/Böke 2004, 331). Ausgehend von einem handlungsorientierten Ansatz und in Vorausschau auf sprachvergleichende Korpora ist in diesem Zusammenhang mit Spieß (2014) zu bemerken, dass «[d]ie Metapher […] in einer bestimmten Form erscheint, die sehr unterschiedlich ausfallen kann, auch wenn das Konzept letztlich das gleiche ist. Sie ist Element sprachlicher

19 Zum kognitiven Gehalt von Metaphern cf. erstmals Black (1954–1955). 20 Zur Metaphorik als Beschreibungsdimension der Kulturalität von Diskursen cf. Spieß (2014, 43–44). 21 Zur sprachwissenschaftlichen Rezeption und Erweiterung der kognitiven Metapherntheorie cf. Link (1991); Liebert (1992); Pielenz (1993); Koch (1994).

4.1 Methode und Korpus

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Handlungen bzw. sie kann selbst handlungskonstitutiv sein. Sie hat im Textverlauf eine spezifische Funktion und ist an ein Thema gebunden, das durch die Konzeptbereiche deutlich wird und ihr Erscheinen hängt maßgeblich von der jeweiligen Situation und dem Kontext ab. Darüber hinaus ist sie eine Ausprägung des kulturell geformten Wissens, was u. a. daran deutlich wird, dass Metaphernrealisierungen und ihre Konzepte kulturell unterschiedlich ausgeprägt sein können und unterschiedliche Verwendung finden» (Spieß 2014, 45).

Die qualitative, korpusbasierte Kategorisierung konkreter metaphorischer Ausdrücke und Netze beruht auf der Annahme, dass Metaphorik «durch die partielle Übertragung von Bezeichnungen, Erfahrungen, Deutungsmustern und Handlungsmodellen von einem diskursiven Grundkonzept auf ein anderes, erklärungsbedürftiges Konzept» (Spitzmüller 2005, 197–198) zustande kommt. Im Zentrum dieser Assoziation steht folglich die Unterscheidung eines semantischen Herkunftsbereiches, aus dem die Metaphernlexeme in einen Zielbereich projiziert werden. Im Kontext von Metasprachdiskursen geht es v. a. um die aus der Relationsbildung zu Sprache(n) als Zielbereich hergestellte Metaphorizität. Methodische Verfahren zur Beschreibung von Metaphern in diskurslinguistischer Zielsetzung wurden v. a. durch politolinguistische Untersuchungen zur Metaphernverwendung in öffentlich-politischen Diskursen geprägt (cf. z. B. Spieß 2014; Kuck 2015). Dabei wurden auch korpuslinguistisch inspirierte Verfahren erprobt, «um sprachliche Auffälligkeiten in größeren Korpora zu berechnen und anschließend einer qualitativen Analyse zu unterziehen», d. h. «Metaphern in großen Textkorpora zu annotieren, um diese dann korpuslinguistisch zu berechnen und deren Distribution in text- und aussagenbasierten Diskursen untersuchen zu können» (Spieß 2017a, 104). Dieses Verfahren, das für die induktive Typisierung von Einzellexemen verhältnismäßig einfach durchzuführen ist, ist zur Ermittlung von Metaphern durchaus problembehaftet: Erstens sind «nicht nur der einzelne metaphorische Ausdruck, sondern auch die vorkommenden Metaphernbereiche nach ihrem qualitativen und quantitativen Verhältnis zueinander zu befragen» (Niehr/Böke 2004, 332), zweitens «[könnte] prinzipiell jedes sprachliche Zeichen metaphorisch verwendet werden», d. h. es kann «nur aufgrund des Kontextes entschieden werden […], ob eine Metapher vorliegt oder nicht» (Spieß 2017a, 104), und drittens kann anhand quantitativer Verfahren nur schlecht zwischen der Dominanz von Metaphern (token) unterschieden werden, die «[…] sich vor allem in der Häufigkeit ihres Vorkommens [äußert]» und der Dominanz des Metaphernbereichs, die sich «der Häufigkeit und der Vielfalt seiner tokens im Diskurs» (Böke/Niehr 2004, 332) ergibt. Aus diesen Gründen schließt sich die Analyse der Metaphorik im hiesigen Textkorpus den methodischen Vorgehensweisen an, die «Korpora manuell nach Lexemen des Quellbereiches absuchen» (Spieß 2017a, 104).

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Dieses manuelle Vorgehen erfolgt auf allen betrachteten Ebenen sprachlichen Handelns, d. h. auch für die Bereiche der topischen und lexikalischen Strukturen, mittels einer computergestützten qualitativen Datenanalyse mit Hilfe der Software MAXQDA (cf. Kap. 4.1.4). Das Verfahren der Korpusanalyse beruht dabei auf einem qualitativen «Sammeln, Dokumentieren, Klassifizieren» der Sprachdaten auf den drei sprachlichen Ebenen und einem anschließenden «Quantifizieren von Belegen bezogen auf bestimmte Analysekategorien» (Römer 2017, 128). Die qualitativ kategorisierten Metaphernbereiche sind in einem zweiten Schritt Ausgangspunkt für Feinanalysen, in denen es darum geht, die einzelnen Metaphernrealisationen exemplarisch einzuordnen und «qualitativ semantisch und funktional in Bezug zu den jeweiligen situativen, historischen und gesellschaftlichen Kontexten zu beschreiben» (Spieß 2017a, 105). Diese Beschreibung der metaphorischen Strukturmuster erfolgt im Rückgriff auf zentrale Grundbegriffe metaphorischer Analysen: Innerhalb der o. g. Differenzierung von «Herkunfts»- und «Zielbereich» fixieren «Metaphernlexeme» (cf. Böke 1996a, 444) als Ausgangspunkte der Metaphorisierung den Zielbereich semantisch. Weiterhin ist mit Liebert (1992, 6–7) zwischen «Metaphernbereichen» und «Metaphernkonzepten» zu unterscheiden. «Metaphernbereiche» entstehen «durch die Kopplung eines Ziel- an einen Herkunftsbereich» und «[w]ährend Metaphernlexeme […] metaphorische Konzepte konkret realisieren, sind Metaphernbereiche lediglich Abstraktionsklassen, die aus den Metaphernlexemen klassifiziert werden können» (Spitzmüller 2005, 199). Im Rahmen der Korpusanalyse wurden zunächst die Metaphernlexeme ermittelt und daran anschließend die Metaphernbereiche in ihrer textuellen Ausdehnung auf die Ausdruckskomplexe im Text qualitativ kategorisiert (cf. Kap. 4.2.2; 4.3.1.3; 4.3.2.3). Die Kategorien werden entsprechend der Kopplung der ermittelten Herkunftsbereiche wortsemantisch mit dem Zielbereich Sprache durch die Konjunktion als zu Metaphernbereichen klassifiziert (z. B. SPRACHE ALS KRIEG, SPRACHE ALS ORGANISMUS etc.).22 «Metaphernkonzepte» stellen eine Übergangsebene zwischen den abstrakten Metaphernbereichen (types) und konkreten Metaphernlexemen (tokens) dar und bilden die kognitiven Strukturen (scripts, frames) ab, die oft implizit als slots der metaphorischen Konzepte den Netzcharakter von Metaphern herstellen (cf. hierzu Spitzmüller 2005, 199; Spieß 2011, 212–

22 Die wortsemantische Einteilung wurde hier bewusst gewählt, um den Vorgang des induktiven Kategorisierens aus den Textdaten heraus möglichst reliabel und transparent zu gestalten. Diese wortsemantische Annotation, die darüber hinaus verschränkte diskursive Muster mit topischen und lexikalischen Einheiten deutlicher zu illustrieren vermag, kann durch kognitive oder pragmatische Klassifizierungen ergänzt werden (cf. Niehr/Spieß 2004, 332).

4.1 Methode und Korpus

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213). Diese v. a. für frameanalytische Zugänge zu Metaphern nutzbare Ebene wird im Rahmen der Korpusanalyse nicht berücksichtigt. Als letzte der sprachlichen Handlungsebenen gibt die Korpusanalyse Einblicke in die Verwendung von Einzellexemen und Lexemgruppen. Diese Ebene ist konstitutiv für die semantische Ausstaffierung und/oder Erweiterung metaphorischer Konzepte und topologischer Strukturen. Um innerhalb des Belegverfahrens der Korpusanalyse Redundanzen zu vermeiden und die Verzahnung der sprachlichen Ebenen abzubilden, erfolgt die diskursbezogene Analyse der Lexik parallel zur Metaphernanalyse. Wie bereits oben erwähnt sind lexikalische Einheiten im Vergleich zu Metaphern in technischer Hinsicht mittels softwarebasierten Frequenzanalysen, so auch in MAXQDA (cf. Kap. 4.1.4), sehr gut quantitativ zugänglich und «[i]nsbesondere bei elektronisch lesbaren Korpora lassen sich durch entsprechende Abfragen quantitative Auffälligkeiten in der Lexemverwendung leicht aufspüren» (Niehr 2014, 72). Dennoch bleiben auch im Bereich der Lexik statistische Ergebnisse für sprachliches Handeln empirisch unzureichend, wenn es versäumt wird, zahlenmäßig auffällige Sprachgebrauchsmuster einer ergänzenden qualitativen Interpretation zu unterziehen oder umgekehrt. Quantitative und qualitative Ansätze einer textkorpusbasierten Datenanalyse sind als integriertes Forschungsdesign daher immer in Abhängigkeit vom Forschungsgegenstand und -interesse zu betrachten. Dabei können quantitative Verfahren v. a. zur Sichtbarmachung empirischer Evidenzen in diskurslinguistischen Analysen gewinnbringend sein: «Man würde […] kapitale Chancen der Datenanalyse verpassen, wenn man auf quantitative Methoden verzichten würde. Und dies hängt unmittelbar mit der Empirie zusammen: Der Reiz an empirischem Arbeiten liegt darin, Tendenzen in realen Daten festzustellen, die erst wahrnehmbar sind, wenn man einen Schritt zurück tritt und das gesamte Bild sieht – allerdings verbunden mit der Gewissheit, dass doch jedes Einzelvorkommen etwas zu diesem Bild beiträgt. Das Bild fasst die Daten derart zusammen, dass sie in ihrer Gesamtheit erfasst werden können, ohne – und das ist der Gewinn korpuslinguistischer Analyseverfahren – zu grob zu vereinfachen» (Bubenhofer/Scharloth 2013, 150).

Angesichts dieses Desiderats versteht sich die gesamte Korpusanalyse in den folgenden Kapiteln in Anlehnung an Bubenhofer (2013) als «quantitativ informierte qualitative Diskursanalyse». Bei der Analyse der Lexik beschränkt sich diese auf eine exemplarische Schlagwort-Analyse, um das für Sprachpflege in unterschiedlichen Diskursäumen spezifische Vokabular zu ermitteln. Das Vorgehen ist dabei äquivalent zur Ermittlung der Topoi und Metaphern corpus-driven und beruht auf einer zunächst «eingehende[n] Sichtung des empirischen Materials» (Spieß 2011, 284), wobei es darum geht, «eine Liste von Schlagwortkandidaten» (Niehr 2014, 88) mittels softwaregebundener Annotation der Lexeme zu erstellen. Hierzu muss angemerkt werden, dass Schlagwortforschung in

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Teilen immer auch corpus-based erfolgt, da Schlagwörter als Kondensate eines, in unserem Falle sprachideologischen Programms, zum einen keine «Oberflächenphänomen[e] [sind], d[ie] sich ohne semantische Analyse maschinell aufspüren ließe[n]» und zum anderen bereits bestehendes Wissen über den Diskurs auch die Kenntnis von diskursspezifischen Wörtern mit «Signalcharakter» (Niehr 2014, 88) einschließt. Danach geht es darum, die Ergebnisliste hinsichtlich ihrer Musterhaftigkeit im Diskurs empirisch-quantitativ durch eine Frequenzanalyse an ausgewählten Beispielen für beide Sprachen zu belegen und im Anschluss hinsichtlich einer sprach- und diskursvergleichenden Spezifik verstehend zu interpretieren. So ist mit Niehr/Böke (2004) zu fragen, «ob in allen Diskursen die gleichen oder verschiedene ‹diskursrelevante› Wörter dominieren, gleiche Wörter in unterschiedlicher Weise gebraucht werden und verschiedene Wörter in gleicher Weise», wobei «[…] die quantitative Selektion insofern eine selektierende Wirkung auf die Untersuchung hat, als vor allem häufig verwendete Wörter […] Gegenstand der diskurslinguistischen Betrachtung werden» (Niehr/Böke 2004, 329). Dabei gilt weiter mit Niehr (2014), dass «auch eine Interpretation signifikanter Stichproben […] Muster und sprachliche Trends aufzeigen und zu diskursanalytisch abgesicherten Erkenntnissen führen kann» (Niehr 2014, 74). Unter dieser Prämisse ist die stichprobenartige Diskussion von Befunden der Korpusanalyse zu verstehen, die mit der Software MAXQDA zur Veranschaulichung der Ergebnisse durchgeführt werden (cf. ausführlich Kap. 4.1.4). Dabei geht es neben den Frequenzanalysen einzelner Schlagwörter auch um die Illustration mit dem Programm durchführbarer, komplexerer Suchanfragen, z. B. nach Kollokatoren, die unterschiedliche Akzentuierungen von Schlagwörtern durch ihre Umgebung in ihrer diskursanalytischen Deutung ergänzen können und Anlass für tiefergehende qualitative Analysen sein können (cf. Bubenhofer 2013, 114). Da dies auch nicht der Ort ist, um auf die heterogene Terminologie für «Schlagwörter» in Abgrenzung zu «Schlüsselwörtern», «kontroversen Begriffen», «Leitvokabeln» oder «Modewörtern »und die den Termini jeweils eigenen Kategorisierungen einzugehen,23 stützt sich die Interpretation der im Korpus selektierten Schlagwörter auf die grundlegende Klassifizierung nach Hermanns (cf. 1994, 15), der zur Kennzeichnung lexikalisch dichotomer Strukturen der politischen Semantik zwischen positiven Schlagwörtern und Stigmawörtern unterscheidet. Eine noch forschungspragmatischere Definition sei hier mit Visser (2005) vertreten, die von «markierten sprachlichen Zeichen» spricht, «bei denen

23 Zur terminologischen Abgrenzung von «Schlagwörtern» cf. z. B. Becker (2009, 67–86); Niehr (2014, 90–91).

4.1 Methode und Korpus

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eine bestimmte Verwendung rekurrent ist und an denen Gruppen sprachlich festgemacht werden» (2005, 25). Um zum Abschluss dieses Kapitels auf Sprachideologien und Spracheinstellungen im Kontext der diskursgeschichtlichen Dimension von Sprachpflege zurückzukommen, so sind lexikalische Einheiten wie auch Topoi und Metaphern stets hinsichtlich ihrer Zeitgebundenheit zu betrachteten. Dieser Aspekt, der Sprachgebrauchsmuster als Indizes diskurskursgebundener Haltungen betrachtet, erlaubt es, aktuelle «Rückschlüsse auf die Position des Sprechers/Schreibers» im Zusammenhang mit den Veränderungen der «Mentalität einer Diskursgemeinschaft [zu] analysieren» (Niehr 2014, 93).

4.1.4 Korpus: Datenauswahl und Analysedesign Wie das vorangehende Kapitel gezeigt hat, «[war] die Diskursanalyse weder bei Foucault noch bei seinen interdisziplinären Nachahmern auf eine vergleichende Perspektive ausgerichtet» (Busse 2019, 44). Vor dem Hintergrund einer in der Tradition Foucaults historiographischen Beschreibung im Diskurs bestehender kollektiver Wissensbestände ist es folglich Ziel dieser Arbeit, auf der Grundlage sozialwissenschaftlicher Ansätze zu Öffentlichkeit (cf. Kap. 2) und eines sprachhistorischen Vergleichs von Metasprachdiskursen in Deutschland und Frankreich (cf. Kap. 3) zu einem diskursvergleichenden Ansatz aktueller Tendenzen in beiden Sprachen hinzuführen. Im Rahmen dieses Ansatzes geht es erstens darum, inhaltlich und sprachlich zu analysieren, wie die beschriebenen diskursiven Strukturwandelprozesse, d. h. «die steigende Geschwindigkeit, mit der sprachliche Konstrukte […] über nationale und sprachliche Grenzen wandern, und die wachsende Anzahl an mehrsprachigen Vernetzungs- und Verweisstrukturen» (Rocco/Schafroth 2019b, 7) dazu beitragen, dass Sprachpflege in den jeweils nationalen Kontexten spezifische «metasprachliche Öffentlichkeiten» ausbildet. An zweiter Stelle steht die Frage, inwiefern darüber hinaus diese sprachspezifischen Diskursformen sprachlich und sprachideologisch in einer «transnationalen metasprachlichen Öffentlichkeit» aufgehen, in der historisch verankerte Sprachgebrauchsmuster als metasprachliche Universalien von Sprachpflege zusammenlaufen. Der Klärung dieser Forschungsfrage vorangestellt ist ein Überblick über die verwendete Datengrundlage, die Auswahl des Textkorpus und das Analysedesign sowie damit verbundene methodologische Prämissen. Diese einzelnen Punkte werden im Rahmen diskurslinguistischer Ansprüche sowie theoretischer Vorgaben und methodischer Ansätze aus den empirischen Sozialwissenschaften kurz begründet und kritisch reflektiert.

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Da Diskurse im forschungspraktischen Sinn mit Busse/Teubert (2013, 16) als «virtuelle Textkorpora» zu verstehen sind, geht es bei der Bildung des ‹realen› Textkorpus als möglichst repräsentativem Ausschnitt des imaginären Diskurses darum, den Diskurs zum untersuchbaren Forschungsgegenstand, d. h. zum sprachwissenschaftlichen Objekt zu machen. Dazu muss eine Auswahl an Teilmengen des Diskurses erfolgen, die mit dem Forschungsgegenstand Sprachpflege sowie den damit verbundenen Wissenskomplexen in Verbindung stehen. Als weitere Konstitutionskriterien von Textkorpora kommen Eingrenzungen durch den Zeitraum, gewählte Medien und Kommunikationsbereiche sowie Textsorten hinzu, die bestimmte Gesellschaftsausschnitte fokussieren und in einem, im vorliegenden Fall expliziten, intertextuellen Zusammenhang stehen (cf. Römer 2017, 131; Busse/Teubert 2013, 17). Im Rückblick auf die diachrone Darstellung des deutschen und französischen Metasprachdiskurses ist zu ergänzen, dass die analysierten Primärwerke, Gesetzestexte und Internetpräsenzen einzelner und kollektiver Akteure (cf. Kap. 3) nach diskurslinguistischen Kriterien einer im Vergleich zum synchronen Textkorpus weniger systematischen Quellenwahl unterliegen. Begründet werden kann dies mit dem Ziel des diachronen Teils dieser Arbeit, die sprachhistorische Herleitung der Tendenzen von Metasprachdiskursen in unterschiedlichen Sprachräumen und Diskursgemeinschaften als überblicksartige Zusammenschau bereitzustellen. Ausgehend von dieser Bestandsaufnahme als Diskursquerschnitt soll es nun im Folgenden darum gehen, das aktuelle ideologische Regiment ausgewählter Sprachpflegeorganisationen und die spracheinstellungsgebundene Rezeption sowie Modifikation dieses Regiments in öffentlichdigitalen Kommunikationsräumen als diskursiven Längsschnitt anhand ausgewählter metasprachlicher Praktiken zu analysieren. Hinsichtlich der Frage nach der Gestalt von «digitalen Öffentlichkeiten», die in der folgenden Korpusanalyse in den Fokus der Untersuchung rücken, betont Schmidt (2018), dass es nicht nur eine «massenmediale Öffentlichkeit» gibt, sondern dass private Nutzer individuelle Öffentlichkeiten generieren, die eine Unterscheidung von «Öffentlichkeit» und «Privatheit» und somit auch von Privatsphäre zunehmend unmöglich machen: «Viele Menschen nutzen soziale Medien, um Informationen über ihre eigenen Interessen, Erlebnisse und Meinungen mit anderen zu teilen. […] [D]adurch [entsteht] ein neuer Typ von Öffentlichkeit […] und […] diese ‹persönlichen Öffentlichkeiten› [stellen] unser Verständnis von Privatsphäre auf die Probe […]» (2018, 28).

Zum einen gelten dabei für die soziale Interaktion und Kommunikation «[i]n persönlichen Öffentlichkeiten […] andere Auswahlkriterien, denn in ihnen wird vorrangig nach persönlicher Relevanz entschieden». Hierbei «[…] kann es Über-

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lappungen mit den Themen geben, über die auch Journalisten berichten würden, und oft sind publizistische Inhalte […] Anlass für einen eigenen Beitrag» (cf. Kap. 2.2.3). Zum anderen «[ist] [d]as Zielpublikum für Informationen […] nicht die breite Masse, die die Tageszeitung oder die Abendnachrichten im Fernsehen erreichen wollen. Es ist vielmehr das eigene soziale Netzwerk […]. Das Publikum persönlicher Öffentlichkeiten ist mithin kleiner als das Massenpublikum journalistischer Medien – und es ist auch nicht so weit verstreut und unverbunden. Vielmehr handelt es sich um ein buchstäblich ‹vernetztes Publikum›» (Schmidt 2018, 28–29).

Diese kommunikativ sichtbaren Strukturen diversifizierter, aber dennoch vernetzter Teilöffentlichkeiten wurden als Leitkriterium für eine Korpuskonstitution zum Untersuchungsgegenstand «Sprachpflege» festgelegt. Dabei wird angenommen, dass die untersuchten medialen Bereiche und Kommunikationsformen Domänen eines eigenen sozialen Spachpflege-Netzwerkes sind, das sich an ein spezifisches Publikum richtet, wodurch metasprachliches Handeln zielgruppenspezifisch organisiert wird. Da es in diskurslinguistischer Hinsicht auch darum geht, diese metasprachliche Interaktion und den Transfer zwischen diesen medialen Kontexten sprachvergleichend zu beleuchten, wurde eine Primärdatensammlung aus vier Teilkorpora zusammengestellt: Bei den ersten beiden Teilkorpora handelt es sich um die jeweiligen vom VDS und ALF veröffentlichten Vereinszeitschriften (Sprachnachrichten, Journal d’ALF) aus dem Jahr 2014. Aufgrund der unterschiedlichen Publikationszyklen beläuft sich die Datenzusammenstellung auf vier Ausgaben der Sprachnachrichten und drei Ausgaben des Journal d’ALF. Beide Formate sind Publikumszeitschriften, die wie im Fall des VDS zusätzlich und vom ALF ausschließlich elektronisch angeboten werden. Im Korpus repräsentieren die konsultierten Zeitschriften eine klassische massenmediale Kommunikationsform, mittels der beide Organisationen ihr Sprachpflegeprogramm an ein zielgruppenspezifisches Publikum adressieren. Anhand dieses Korpus wird die «ideology brokerage» beider Vereine sprachlich analysiert (cf. Kap. 4.2), wobei angenommen wird, dass in den Zeitschriften Sprachideologien konstruiert und dann über alternative mediale Kanäle weiter verbreitet werden (Foren, Social Media etc.). Die verbleibenden beiden Teilkorpora bilden jeweils Ausschnitte digitaler sprachpflegerischer Diskursräume ab, die zur sprecherzentrierten Untersuchung der Spracheinstellungen ausgewählt wurden (cf. Kap. 4.3): Beim digitalen deutschen Teilkorpus handelt es sich um einen zeitlich auf das Jahr 2014 begrenzten Datenausschnitt aus der Facebook-Kommunikation des VDS. Dieser wurde aus einer exhaustiv angelegten Datensammlung aus den Jahren 2011– 2014 zugeschnitten. Das Korpus bildet die Postings des VDS, das dazugehörige Bildmaterial und Links sowie die öffentlichen Nutzerkommentare und -bewer-

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tungen (Likes) ab, wobei in der diskurslinguistischen Analyse ausschließlich geschriebensprachliche Textmengen berücksichtigt wurden. Die Gestaltung sprachpflegerischer Medieninhalte durch verschiedene Ausdrucksmittel oder Verweisfunktionen wie Hashtags oder Hyperlinks seien an dieser Stelle als erkenntnisfördernde Anwendungsstellen linguistischer Diskursanalysen für weitere Forschungsarbeiten in Aussicht gestellt, konnten jedoch in dieser Arbeit aus forschungsökonomischen Gründen nicht berücksichtigt werden. Gleiches gilt für die «Mitinterpretation der technologischen Struktur» (Schrape/Siri 2019, 1061), die in dieser Arbeit nicht geleistet werden kann. Das digitale französische Teilkorpus stellt ebenfalls ein Sampling der usergenerierten Kommentare, Hyperlinks sowie bildlichen und graphischen Ausdrucksmittel dar, die aus den Foren La voix francophone (LVF) sowie ABC de la langue française (ABCLF) stammen. Das LVF-Forum untersteht der Moderation des ALF und ist direkt an das Online-Angebot der Organisation angebunden. Das ABCLF-Forum ist Teil der individuellen Domain langefrançaise.net, zu der von der ALF-Homepage aus verlinkt wird. Dort produzierte metasprachliche Inhalte werden den Nutzern also vom Verein empfohlen. Beide Foren sind inhaltlich in weitere thematische Sektionen (threads) untergliedert (cf. Ehrhardt 2009, 122). Zur Datengewinnung wurden darunter gezielt solche ausgewählt, die in expliziter thematischer Nähe zu dem Bereich Sprachpflege stehen. Die aus den Diskussionen im LVF-Forum gewonnenen Daten entstammen größtenteils den Sektionen «Débats et réfléxions», «Géopolitique et francophonie», «Anglomanie» sowie «Linguistique et francophonie: digressions linguistiques». Die aus dem ABCLF-Forum gewonnenen Daten sind alle dem Themenbereich «Promotion linguistique» (PL) zuzuordnen. In der offensichtlichen Heterogenität der ausgewählten Kommunikationsformen spiegeln sich die beiden zentralen Herausforderungen beim Sampling von Social-Media-Daten wider: «die grundsätzlich eingeschränkte Zugänglichkeit des Untersuchungsgegenstands und die endlichen Verarbeitungskapazitäten des Forschenden» (Schrape/Siri 2019, 1059). Die eingeschränkte Zugänglichkeit und Flüchtigkeit der Daten stellten auch bei der Konstitution und Strukturierung des vorliegenden Korpus eine Hürde dar. Um eine möglichst große Vergleichbarkeit zwischen den digitalen Teilkorpora herzustellen, war die Auswahl der nutzergenerierten Daten zunächst auf die Forenkommunikation begrenzt. Jedoch wurde kurz vor Beginn der Datensammlung das Forum des VDS («Klartext»), nach Angabe der VDS-Geschäftsführung «aus technischen Gründen»,24 geschlossen.25 Zunächst hat sich der VDS auf der Grundlage einer 24 Die folgenden Zitate entstammen einer E-Mail-Korrespondenz zwischen der Verfasserin und der VDS-Geschäftsführung (17. 03. 2015–27. 03. 2015). 25 Auch das LVF-Forum des ALF ist seit Februar 2020 nicht mehr zugänglich.

4.1 Methode und Korpus

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schriftlichen Datenschutzerklärung durch die Verfasserin und einer Erklärung, dass die Daten ausschließlich zu wissenschaftlichen Zwecken genutzt werden, dazu bereit erklärt, die auf einem mySQL-Server gespeicherten Rohdaten auf einem Datenträger zur Verfügung zu stellen. Auf diese Vereinbarung folgte in einer weiteren Korrespondenz die Bitte des VDS an die Verfasserin, in einem Zusatz zur ursprünglichen Datenschutzerklärung, die Anonymisierung und Verpflichtung zur Nicht-Veröffentlichung der Forendaten zu ergänzen. Obwohl die Anonymisierung der Daten seitens der Verfasserin schriftlich zugesichert wurde, jedoch ein Verzicht auf die Veröffentlichung dieser anonymisierten Daten aufgrund der Publikationsabsicht und -pflicht nicht zugesichert werden konnte, lehnte der VDS schließlich den Zugang zu den Daten mit der folgenden Begründung ab: «[…] dann bitte ich um Verständnis, dass wir die Datenbank nicht herausgeben. Wir gehen mit den Daten unserer Mitglieder sehr behutsam um und haben auch nicht selten mit rechtlichen Auseinandersetzungen über Datenschutzfragen zu tun. Wir würden also unserem Grundsatz widersprechen, dass wir die Daten unserer Mitglieder nicht an Dritte weitergeben. Wenn diese ihre Kommentare später in einer wissenschaftlichen Veröffentlichung lesen, mag ich mir den Ärger für uns nicht vorstellen. Ich hoffe, Sie kommen mit Ihrer Forschungsarbeit auch ohne das Klartext-Forum weiter» (27. 03. 2015).

Auch wenn über mögliche Gründe außerhalb datenschutzrechtlicher Grundlinien, auch vor dem Hintergund anderweitiger Differenzen zwischen der Linguistik und dem VDS (cf. Kap. 3.2.6), an dieser Stelle spekuliert werden könnte, bleibt dennoch bei der Auswahl digitaler Daten grundsätzlich zu beachten, dass «[a]ngesichts der Entgrenzung von Privatheit und Öffentlichkeit im Social Web […] hohe forschungsethische Anforderungen […] bei Auswertungen dieser Daten in Anschlag gebracht werden [sollten], so u. a. in der Entscheidung zwischen verdeckter bzw. offener (teilnehmender) Beobachtung und der Einholung informierter Einwilligung (informed consent), also dem Einverständnis der untersuchten sozialen Gruppen und Einzelpersonen nach erfolgter Aufklärung. Selbst falls die Inhalte öffentlich zugänglich sind, lässt sich daraus nicht zwangsläufig auf eine bewusste Veröffentlichung oder auf eine willentliche Einwilligung zur Datenerhebung schließen» (Schrape/Siri 2019, 1062).

Die von Schrape/Siri (2019) vorgebrachte Empfehlung, beim Sampling digitaler Korpora die untersuchten sozialen Gruppen und Einzelpersonen aufzuklären und um Einwilligung zu bitten, beschreibt den Idealfall einer datenschutzsensiblen Forschungsarbeit und ist grundsätzlich zu bejahen. In der Forschungspraxis gerät diese Maxime jedoch schnell ins Wanken, wenn mit relativ hoher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen ist, dass seitens der Nutzer kein informed consent zu erwarten ist, auch dann nicht, wenn die Daten öffentlich zugänglich sind. Dies ist grundsätzlich für alle Datenquellen mit sensiblen und/

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4 Metasprachdiskurse als ideologische Systeme

oder sozialen oder politisch heiklen Positionen und Äußerungen seitens der Nutzer der Fall. Es stellt sich also umgekehrt auch die Frage, wie im Rahmen einer maximalen Gewährleistung datenschutz- und urheberrechtlicher Grundsätze sowie forschungsethischer Sensibilität, gleichfalls der Anspruch wissenschaftlicher Freiheit gewahrt werden kann. Diese Frage ist vom jeweiligen Forschungskontext und Forschungsziel abhängig. Wenn es wie im vorliegenden Fall darum geht, die aktuellen Tendenzen von Sprachpflege objektiv zu beschreiben, aber auch angesichts der jeweils nationalen Sprachgeschichten kritisch einzuordnen, erscheint ein gänzlich konsensuelles Übereinkommen zwischen Forschenden und den betroffenen sozialen Gruppen schwer realisierbar. Was also die forschungsethischen Implikationen hinsichtlich des Datenschutzes anbelangt, wurden beim Sampling der Daten folgende Prämissen berücksichtigt, um die Ansprüche einer reflektierten und sensiblen sprachwissenschaftlichen Forschung so gut es geht zu berücksichtigen: Die Rolle als teilnehmende Beobachterin beschränkte sich sowohl bei der Datenerhebung aus der Forenkommunikation als auch in Facebook ausschließlich auf den öffentlichen Bereich, wodurch die Nutzerentscheidungen für den Erfassungszeitraum hinsichtlich Sichtbarkeit und Privatheit gewahrt wurden. Im Nachhinein von den Nutzern auf Facebook vorgenommene Einschränkungen in der Zugänglichkeit ihrer Daten können aufgrund der großen Datenmenge schlecht überschaut und folglich nur unter großem Aufwand geprüft werden. Im Zusammenhang mit Facebook, wo personenbezogene Angaben im Gegensatz zu den Nutzerprofilen in den ausgewählten Foren in vielen Fällen keiner Pseudonymisierung unterzogen werden, ist demnach zu berücksichtigen, dass die zitierten Beiträge oft auf die Verfasser zurückgeführt werden können (cf. Nam 2019, 1049). Bei Zitaten aus dem Korpus wird deshalb im Folgenden ausschließlich auf den Namen des Netzwerkes oder bei Foren auf den Titel des threads verwiesen sowie auf das Datum des Eintrags, um ein Mindestmaß an Transparenz bei der Nachvollziehbarkeit der Belegstellen zu gewährleisten. Zu den forschungsethischen Einschränkungen kommt, wie oben angedeutet wurde, im Rahmen der Zugänglichkeit von Online-Daten der Aspekt der Flüchtigkeit hinzu. Angesichts der eingeschränkten Verfügbarkeit bestimmter Datenmengen ging es nach inhaltlicher Abwägung darum, ein Sampling aus metasprachlichen Daten zu erstellen, deren «Genese im Digitalen» (Schrape/ Siri 2019) liegt, thematisch dem Bereich Sprachpflege zugeordnet werden kann und möglichst ähnlichen Kommunikationsformen entstammt. Um im Rahmen des sprachvergleichenden Ansatzes in qualitativer Hinsicht eine möglichst große Ausgewogenheit der Daten für den Zeitraum 2014 herzustellen, wurde das französische Teilkorpus zusätzlich um die Facebook-Kommunikation des ALF ergänzt. Wie oben angedeutet wurde, zeichnen sich gerade in der Nutzung des

4.1 Methode und Korpus

497

Social-Media-Repertoires markante Unterschiede zwischen der deutschen und französischen Sprachpflege ab (cf. Kap. 3.3.8), die am Beispiel von Facebook anschaulich belegt werden können (cf. Kap. 4.3.2). Was die konsultierten Kommunikationsformen und ihre sprachlichen Spezifika anbelangt, ist allgemein festzuhalten, dass Nutzungsoptionen von Social Media als Angebote der sog. «many-to-many-Kommunikationen» (Misoch 2006, 48) neben ihrer großen kommunikativen und sozialen Reichweite deutlich vielfältigere Kommunikationsformate bieten als die klassischen Formate des Web 2.0 wie E-Mail oder Chat. Soziale Plattformen wie Facebook sind auf verschiedene Konversationsmodalitäten ausgerichtet, die den affektiven Ausdruck persönlicher Einstellungen gezielt anregen und deshalb für eine Verbindung von Sprachpflege- und Öffentlichkeitsforschung besonders geeignet sind: «In […] einem Eintrag auf Facebook melden sich andere zu Wort, ergänzen, loben oder kritisieren das Geschriebene, freuen sich über schöne Erlebnisse oder drücken Mitgefühl über alltägliche Ärgernisse aus. Mit dem ‹Gefällt mir›-Button und (seit Anfang 2016) fünf weiteren ‹Emoji›-Symbolen bietet Facebook weitere soziale Signale an, die aus einer einseitigen ‹Ich sende, du empfängst›-Kommunikation einen wechselseitigen Austausch machen: ‹Du teilst etwas mit, ich signalisiere Freude, Anteilnahme, Zustimmung oder Entrüstung›» (Schmidt 2018, 29–30).

Mit dieser Funktion der gezielten Stimulation von Einstellungen kann das Interesse an Facebook als Diskursraum, in dem Sprecherpositionierungen angeregt, ausgetauscht und diskutiert werden, begründet werden. Wie bereits dargelegt wurde, werden Gesprächsforen in der Alltagskommunikation zwar deutlich weniger als andere Netzwerk-Dienste genutzt (cf. Kap. 2.2.3), zeichnen sich aber durch ähnliche kommunikative und inhaltliche Strukturierungsleistungen aus: «Foren sind […] Diskussionsgruppen, in denen Meinungen, Empfehlungen und persönliche Erfahrungen zu bestimmten Themen in Form von textbasierten Beiträgen (Postings) geschrieben, gepostet und diskutiert werden. Diese werden auf einem Newsserver gespeichert und je nach Bedarf der Community zur Verfügung gestellt» (Moraldo 2009a, 22–23). Was die sprachlichen Spezifika usergenerierter Netzwerkkommunikation anbelangt, sei an dieser Stelle lediglich auf grundlegende Merkmale hingewiesen: Wie Schlobinski (2005) hervorhebt, ist Websprache an der Schnittstelle von Schriftlichkeit und Mündlichkeit anzusiedeln: «Die Standardsprachen als ursprünglich notwendige Standarddruck- und Standardschriftsprachen werden neu und verändert gebraucht in schriftbasierten, aber konzeptionell oralen Kommunikationssystemen. Schriftsprache kommt unter den Druck emulierter Mündlichkeit […]. Es entstehen funktionale Schriftsprachenvarianten, die sich in Konkurrenz zu Standardisierungs- und Normierungsprozessen ausbilden und die im Hinblick auf die medialen Bedingungen und kommunikativen Funktionen optimiert sind » (2005, 7–8).

498

4 Metasprachdiskurse als ideologische Systeme

Das zweite Bestimmungskriterium digitaler Kommunikationsformen ist die Synchronizität. Thaler (2007) definiert fünf Faktoren zur Bestimmung der Synchronizität digitaler Kommunikationsformen:26 «1) Geschwindigkeit des Feedbacks (Immediacy of Feedback), 2) Parallelität (Parallelism), 3) Symbolvarietät (Symbol Variety), 4) Überarbeitbarkeit (Rehearsability) und 5) Wiederverwertbarkeit (Reprocessability)». Dabei gilt, dass insbesondere die beiden ersten Faktoren für den Grad an Synchronizität maßgeblich sind, d. h. «Medien mit schnellem Feedback und geringer Parallelität [wird] eine hohe Synchronizität, Medien mit langsamem Feedback und hoher Parallelität eine geringe Synchronizität zugeschrieben […]» (2007, 169). In Bezug auf beide Merkmale gilt, dass ein dichotomisches Vorgehen bei der Bestimmung von Kommunikationsformen, d. h. durch eine Einteilung in mündliche vs. schriftliche als auch synchrone vs. asynchrone Kommunikationsprozesse, wenig zweckmäßig ist. So spricht z. B. Dürscheid (2003) am Beispiel computervermittelter Kommunikationsformen wie Chat oder Instant Messaging von «[q]uasi-synchroner schriftbasierter Kommunikation», d. h. «Schreiber und Rezipient vollziehen ihre kommunikativen Aktivitäten in unterschiedlichen Teilsituationen; die Gesamtsituation wird über den Text und über den gemeinsamen Kommunikationsraum hergestellt» (2003, 44, cf. hierzu auch Habscheid 2005, 61: «annäherungsweise synchrone Interaktion»). Ebenso plädiert Thaler (2007) in Anlehnung an Dürscheid (2003) für ein graduelles Konzept, wenn sie zeitliche Parameter der Kommunikationssituation auf einem «Kontinuum verschiedener Synchronizitätsgrade» verortet, auf dem «etwa die Videokonferenz oder das Telefon hohe, Diskussionsforen geringe, Instant Messaging mittlere und E-Mails mittlere bis geringe Synchronizität auf[weisen]» (2007, 170).27 Die Berücksichtigung dieser sprachlichen Spezifika war bei der Auswahl metasprachlicher Daten zweitrangig, sodass es beim Datensampling zugunsten einer «Medienlogik» v. a. darum ging, das «Vorhandensein infrastruktureller Grundbedingungen, die bestimmte Kommunikationsumgebungen etablieren» (Thimm/Nehls 2019, 983), zu berücksichtigen. Die gesammelten nutzergenerierten Äußerungen aus Facebook und den Kommentarforen sind durch gleiche

26 Ein allgemeineres Modell zur Bestimmung der «Kommunikationsform» i. S. v. strukturellen Bedingungen der Kommunikation schlägt Habscheid vor (cf. 2005, 48–49). 27 Die Frage nach der Mediensynchronizität und einer Kategorisierung technologiebestimmter Kommunikationsbedingungen wird immer wieder mit dem Nähe-Distanz-Kontinuum von Koch/Oesterreicher (1985) in Verbindung gebracht, die den Medienbegriff anders als die Internet- und Medienlinguistik «auf die Modalität der Äußerung […], auf den jeweiligen Kode (gesprochen oder geschrieben), nicht aber auf den Umstand, ob und wie dieser Kode technisch übermittelt wird (z. B. via Computer oder via Telefon)» (Dürscheid 2016, 360–361) beziehen.

4.1 Methode und Korpus

499

soziotechnische Merkmale gekennzeichnet. Hierzu zählen neben der «Face-toScreen-Situation» gleiche «Teilnahmebedingungen», d. h. «die Nutzer kennen sich […] größtenteils über ihre Nutzernamen und Kommunikationsbeiträge im Internet, jedoch ohne Bezug zu ihrer physischen Erscheinung und ihren demografischen Eigenschaften» (Nam 2019, 1042). Ebenso sind die «Teilnahmeformen» vergleichbar, d. h. die Nutzer können sowohl in Facebook als auch in den Foren eigene Beiträge verfassen (Nam 2019, 1042). Diese Beiträge werden von Gatekeepern, d. h. auf Facebook von den Sprachpflegeorganisationen und in den Foren von Moderatoren überwacht, und sind in beiden Kommunikationsformen in einer «linearen Gliederung nach Aktualität» (Ehrhardt 2009, 125) strukturiert. Zusätzlich können die Nutzer in Foren innerhalb eines threads durch die Zitatfunktion als Verweismarker auf bereits publizierte Beiträge Bezug nehmen, wodurch eine Kohärenz der Argumentation, aber auch Redundanz der Inhalte hergestellt wird. Diese redundanten Bezüge wurden im manuell erstellten Korpus durch eine graue Unterlegung des Textes gekennzeichnet und aus dem Kodiervorgang der qualitativen Analyse ausgeschlossen. Ein hilfreiches technisches Merkmal bei der Auswahl und Interpretation der Nutzerkommentare besteht in Facebook in der Zuweisungsoption von positiven Empfehlungen durch die Nutzer (cf. Nam 2019, 1043) und in den Foren durch die statistische Auskunft, wie viele Personen einzelne Beiträge gelesen haben. Diese Metadaten geben Aufschluss über den Nachrichtenwert bestimmter Themen innerhalb der Diskursgemeinschaft und verweisen auf thematische Kontexte, die bei der Rezeption und Modifikation von Spracheinstellungen als besonders produktive Kommunikationsbereiche in Erscheinung treten. So zeichnet sich z. B. anhand der Lesezahlen im Forum Promotion linguistique ab, dass die Themen der threads «Réforme de l’orthographe» und «Formes féminines des noms de métiers», die um die 9000 Mal angeklickt wurden, agonale Zentren des französischen Sprachpflegediskurses darstellen. Jedoch deuten über 16.000 Klicks beim Thema «Mots anglais dans la langue française» an, dass neben diesen agonalen Zentren die Anglizismendiskussion den mit Abstand gewichtigsten Gegenstand der Positionierungsaktivitäten der Sprecher repräsentiert. Neben der Zugänglichkeit zu und Vergleichbarkeit von nutzergenerierten Social-Media-Daten als digitalem Gegenstand der Untersuchung wurde aufgrund des Umfangs und der Heterogenität des Korpus auch eine digitale Analysemethode gewählt, die sowohl in der digitalen sozialwissenschaftlichen als auch in der diskurslinguistischen Forschung «mehr und mehr zur dominanten Vorgehensweise» (Thimm/Nehls 2019, 974) avanciert. Dabei stellt die Erprobung qualitativer Forschungsansätze bisher ein Desiderat dar: «Über die spezifischen Herausforderungen bei der Analyse internetbasierter Kommunikation ist in der empirischen Sozialforschung mittlerweile eine lebhafte Methodendiskussi-

500

4 Metasprachdiskurse als ideologische Systeme

on in Gang gekommen. Da Softwaresysteme algorithmisch aufgebaut sind, steht die quantitative Analyse großer Datenmengen dabei jedoch häufig im Mittelpunkt […], während qualitative Forschungsmethoden bislang nur am Rande diskutiert werden. Für die Untersuchung usergenerierter Inhalte sind die Perspektiven der qualitativen Forschung aber unverzichtbar, wenn es darum geht, Prozesse der Sinngenerierung und der Herstellung von Sinnzusammenhängen im Internet zu verstehen» (Nam 2019, 1041).

Vor dieser Folie geht es in der Korpusanalyse auch darum, Ansätze einer methodisch triangulierten Datenauswertung für diskurslinguistische Forschungsinteressen gewinnbringend zu kombinieren.28 Ein in methodologischer Hinsicht flexibles und am Forschungsgegenstand orientiertes Triangulationsparadigma stellt die Mixed Methods-Forschung dar, die sich in der Debatte um die Kombination und Integration qualitativer und quantitativer Analyseverfahren «erst in den letzten Jahren zu einem lebhaft diskutierten methodologischen Thema» entwickelt hat und «mittlerweile als ein eigener methodologischer Ansatz oder sogar als ein selbstständiges ‹Paradigma› betrachtet» wird (Kelle 2019; 160).29 Vor dem Hintergrund zunehmend komplexer Forschungsgegenstände valorisiert die Mixed Methods-Forschung als «third methodological movement» (Tashakkori/Teddlie 2003: x) eine sachbezogene Integration qualitativer und quantitativer Ansätze:30 «Die Komplexität unserer Forschungsprobleme verlangt nach Antworten, die mehr als nur Zahlen im quantitativen und Worte im qualitativen Sinne beinhalten. Eine Kombination von beiden Datenarten ermöglicht eine weitaus vollständigere Analyse dieser Probleme. Forscher_innen stellen Zahlen und statistische Ergebnisse in den Kontext der verbalen Äußerungen von Forschungsteilnehmenden und umgekehrt betrachten sie deren

28 Die folgende Zusammenfassung zur Mixed Methods-Forschung im diskurslinguistischen Kontext beruht auf überarbeiteten und ergänzten Überlegungen aus Neusius (2019). 29 Modelle der Methodenintegration werden häufig unter dem Terminus «Triangulation» subsumiert, der an sich aber kein «methodologisches Konzept» darstellt, «[…] sondern nur eine deskriptive Metapher mit einem weiten Bedeutungsfeld [ist]» (Kelle 2019, 164). Die aus der Landvermessung stammende Metapher ist aufgrund ihrer fachlichen Situierung quantitativ geprägt und bezieht sich nicht nur auf die Kombination verschiedener Methoden, sondern auch auf den Einbezug verschiedener Daten und Forscher (cf. Kelle/Erzberger 2013, 302–303). Mixed Methods teilen mit dem Triangulationsansatz das gleiche forschungspraktische Interesse, erweitern diesen jedoch konzeptionell, da es «[…] nicht um Messung und nicht primär um Validierung, sondern um eine den Forschungsproblemen korrespondierende Methodenwahl […]» mit «[…] konkreten Umsetzungs- und Designformen» geht (Kuckartz 2014, 49–50). 30 Zur ausführlichen Darstellung der Entwicklung der Mixed Methods-Forschung ab den 1960er Jahren cf. Creswell (2014, 18–26); Plano Clark/Creswell (2008, 5–26); Johnson/Gray (2010). Für eine Zusammenfassung und kritische Reflexion aktueller Tendenzen der Forschungslandschaft cf. Hesse-Biber/Johnson (2015).

4.1 Methode und Korpus

501

verbale Äußerungen vor dem Hintergrund von Zahlen, Trends und statistischen Ergebnissen. Heute sind beide Formen der Daten notwendig» (Creswell 2014, 7).

Die Anerkennung des Mixed Methods-Paradigmas als Analysedimension neben den lange Zeit als unvereinbar gesehenen qualitativen und quantitativen Ansätzen gründet im amerikanischen Pragmatismus (cf. Kuckartz 2014, 40–44), der einen am Forschungsgegenstand bemessenen und undogmatischen Einbezug verschiedener empirischer Methoden postuliert (cf. Kuckartz 2014, 54–55): «As a paradigm, pragmatism gives mixed methods researchers a shared view of how to conduct research. The kind of consensus implied by a paradigm does not, however apply at the technical level of research methods. Instead, it implies a more conceptual agreement about research in terms of both the purposes it pursues and the procedures it uses to pursue those purposes. In particular, mixed methods researchers follow a pragmatic path by consistently asking, What [sic] difference would it make to do your research one way rather than another? Pragmatism can thus be considered as a ‹paradigm of choices›, a description that is particularly appropriate for mixed methods research because of the complexity of the choices involved in integrating qualitative and quantitative methods» (Morgan 2014, 8).

Diese Perspektive erscheint mit Blick auf diskurslinguistische Untersuchungen und die Arbeit mit heterogenen sowie digitalen Korpora überaus gewinnbringend, v. a. wenn es darum geht, methodische Verfahren zu erproben und dabei innovative Impulse für die Entwicklung angewandter Forschungen zu geben. Dieser Anspruch stellt in der romanistischen Linguistik noch ein Desiderat dar, wo eine angewandte und methodenbewusste Forschungspraxis erst in den letzten Jahren nach und nach Eingang in die Fachdiskussion findet (cf. z. B. Gerstenberg 2011; Montemayor Gracia 2017; Neusius 2019), und wo einschlägige Publikationen zur linguistischen Methodenforschung bisher eine Seltenheit sind (cf. z. B. Gerstenberg 2013). Motive für den Einsatz von Mixed Methods-Verfahren liegen in der Absicht, durch den Einsatz unterschiedlicher Methoden die Validität erlangter Ergebnisse zu stützen und/oder Divergenzen und Konvergenzen in den Forschungsergebnissen aufzuspüren. Bei der folgenden Analyse geht es darüber hinaus v. a. darum, qualitative und quantitative Methoden komplementär einzusetzen, mit der Absicht, «ein umfassenderes Bild des Forschungsgegenstandes» (Kelle 2019, 163–164) zu erlangen. Der Anspruch, den Diskurs auf der Grundlage einer heterogenen Datenmenge in seinen unterschiedlichsten Erscheinungsformen und strukturellen Ausprägungsformen auf musterhafte sprachliche Strukturen zu untersuchen, wird bei sprach- und kulturvergleichend angelegten Datensammlungen entsprechend potenziert, was eine pragmatische aber nicht weniger sorgfältige Herangehensweise bei der Korpusanalyse erfordert. So betont auch

502

4 Metasprachdiskurse als ideologische Systeme

Gür-Şeker (2015), dass einem für die Arbeit mit kontrastiven Korpora veranschlagten Diskursverständnis, das «[…] über die reine Beschreibung von Inhalten hinaus [geht] und […] sich zum Ziel [setzt], semantische Voraussetzungen freizulegen, hinter denen sich bestimmte Einstellungen, Denkfiguren oder Mentalitäten verbergen (können) […]» (2015, 419), durch den Einbezug quantitativer und qualitativer Methoden sowie softwaregestützter Analyseverfahren Rechnung getragen werden kann. Die Typen diesen Zwecken entsprechender Mixed Methods-Designs können nach unterschiedlichen Kriterien differenziert werden. Dabei hängen der Zeitpunkt und die Intensität der Integration qualitativer und quantitativer Phasen von der jeweiligen funktionalen Zielsetzung des Methodeneinsatzes ab, die sich nach dem Zeitpunkt, Reihenfolge und Funktion der Methodenintegration bestimmen lassen (cf. Kelle 2019, 164–165). Bei der folgenden Korpusanalyse werden qualitative und quantitative Methoden bei der Datenauswertung als Ergebnisintegration des Typs QUAL → quan kombiniert. Die Auswertung des Samplings folgt hierbei einem sequentiellen Design, in dem die explorative Analyse der Sprachdaten in den Bereichen Topik, Metaphorik und Lexik dominant qualitativ ist (QUAL). Diese qualitativen Ergebnisse werden dann in einem weiteren Schritt quantifiziert, d. h. die diskursive Musterhaftigkeit der ermittelten topischen Kategorien und Metaphernbereiche (types) wird anhand der absoluten und prozentualen Verteilungen «auf ihre Geltungsreichweite hin geprüft» (Kelle 2019, 169).31 Die Diskussion lexikalischer Frequenzen erfolgt anhand einzelner ausgewählter Beispiele, die eine häufigkeitsbasierte Musterhaftigkeitsannahme zulassen. Im Rahmen dieses sog. «Sequential Exploratory Designs» (Plano Clark/Creswell 2008, 180–182) wird also eine konsekutive Implementation beider Methoden während der Analyse vollzogen, wobei die qualitativ-induktive Dateninterpretation prioritär behandelt wird und dann in einen quantitativen Datentyp transferiert wird, um diskursive Rekurrenzen, Einzel- und Sonderfälle zu belegen. Zur Analyse von Sprachdaten im Rahmen eines Mixed Methods-Designs «eignen sich […] alle herkömmlich bekannten Auswertungsmethoden und Hilfsprogramme der empirischen Sozialforschung» (Schrape/Siri 2019, 1060). Mittlerweile auch in der Sprachwissenschaft immer stärker genutzte Softwareprogramme können im Forschungsprozess dabei helfen, die Auswertung, Interpretation und Präsentation von Daten und Ergebnissen einfacher und übersichtlicher zu realisieren und sowohl das Gesamtspektrum als auch den Detailgrad korpusrelevanter Untersuchungskriterien zu komplementieren (cf. Kuckartz 2014, 54).

31 In den statistischen Abbildungen werden die Häufigkeiten ermittelter Topoi in absoluten Zahlen, Rekurrenzen von Metaphernbereichen in Prozent angegeben (cf. Kap. 4.2–4.3).

4.1 Methode und Korpus

503

Bei der folgenden Analyse der digitalen Zeitschriften und usergenerierten Daten aus der Foren- und Netzwerkkommunikation wurde mit der Software MAXQDA gearbeitet. Dabei handelt es sich um ein Programm zur Analyse qualitativer Daten (Qualitative Data Analysis Software), das zahlreiche Analysefunktion für verschiedene Verfahren, darunter auch diskursanalytische Ansätze, zur Verfügung stellt. Das Programm erlaubt die Eingabe und Analyse von Text- und Bildmaterial in verschiedenen Dateiformaten (.rtf, .doc(x), .txt, .pdf, .png etc.). Die bereits als pdf-Dateien von den Vereinen zur Verfügung gestellten Zeitschriften können demnach direkt in das Progamm eingespeist werden. Die Postings und Nutzerkommentare wurden hingegen manuell als Datensatz zusammengestellt und als pdf-Datei aufbereitet, wobei grundsätzlich darauf geachtet wurde, den kommunikativen Kontext möglichst weit zu erfassen, um das Sampling auch mit Blick auf einen Gebrauch außerhalb der vorliegenden Arbeit «anwendbar» aufzubereiten. Zur Analyse beider Datensätze wurden die folgenden vier Funktionen des Programms genutzt (cf. Rädiker/Kuckartz 2019, 5–6): Beim Kodieren wurden in drei Analysedurchgängen inhaltliche Kategorien aus dem Text heraus generiert. Dabei wurden auf der Grundlage des handlungsorientierten diskurslinguistischen Ansatzes in einem ersten Durchgang einzelne Sätze und größere Textstellen als topische Strukturen respektive Makro-Wissensrahmen von Spachpflege kodiert. In einem zweiten Durchgang wurden die in der Software als Codes abgebildeten Topoi innerhalb der Kategorien sortiert und hierarchisiert, um die inhaltliche Granulierung argumentativer Strukturen im metasprachlichen Handeln möglichst präzise zu erfassen. In einem dritten Durchgang wurden lexikalische Einheiten und Metaphernlexeme durch sog. «In-vivo-Kodieren» ermittelt. Bei diesem Vorgang «[wird] [e]in im Text vorkommender (besonders aussagekräftiger) Begriff als Code definiert, ins Codesystem übernommen und die Textstelle wird gleichzeitig diesem Code zugeordnet» (MAXQDA 2020, 187). Auf dieser Grundlage wurden dann Metaphernbereiche als types erfasst und erneut in Kategorien geordnet und Schlagwörter sowie Schlüsselbegriffe wurden im Rahmen von exemplarischen lexikalischen Feinanalysen weitergehend differenziert. Dazu wurde die in die Software integrierte MAXdictio-Funktion verwendet, die neben dem Berechnen von Worthäufigkeiten auch Konkordanzen ermittelt und mit der Kontextanalysen von Schlüsselbegriffen durchgeführt werden können. Die im Kodiervorgang bei jeder Textstelle vorgenommene Zuordnung sprachlicher Phänomene zu bestimmten Kategorien wird automatisch quantifiziert. Die für die Kategorien, d. h. Metaphern und Topoi ermittelten Werte, können dann in Excel exportiert und dort statistisch weiterverarbeitet werden. Ebenso lassen sich die kodierten Textstellen oder Einzelbegriffe als Sammeldatei extrahieren, in der die Belegstellen bereits systema-

504

4 Metasprachdiskurse als ideologische Systeme

tisch aufbereitet sind. Durch diese Funktionen können bei der sprachlichen Analyse des Korpus Bezüge zwischen den festgelegten Ebenen sprachlichen Handelns systematisch aufbereitet, ausgewählt und anschaulich dargestellt werden. Insgesamt besteht neben dem verhältnismäßig einfachen Überführen qualitativer Ergebnisse in quantifizierende Formate der zentrale Vorteil der softwaregestützten Analyse auch in der Möglichkeit, sprachliche Mehr-EbenenAnalysen visuell und strukturell in einer Analysedatei zusammenzuführen, die im Forschungsprozess jederzeit aktualisiert, überarbeitet und erweitert werden kann.

4.2 Diskurssteuerung und metasprachliche Handlungsebenen – Sprachpflegevereine als «ideology brokers» 4.2.1 Topische Strukturen Bei der Analyse des Sprachpflegediskurses auf transtextueller Ebene konnten für das deutsche und französische Teilkorpus in großen Teilen deckungsgleiche topologische Grundmuster ermittelt werden. Diese Konvergenzen weisen auf eine sprachideologische «Diskursformation» (Römer 2017, 154) hin, die kontextspezifische Grundmuster sprachpflegerischer Argumentationen jenseits einzelsprachlicher Grenzen regiert. Dabei können die Belege der qualitativen Dateninterpretation in topologische Legitimationskategorien metasprachlichen Handelns eingeteilt werden, deren persuasive Struktur in beiden Sprachen analogen zweckrationalen Handlungsabsichten unterliegt. Letztere beruhen sowohl auf dem sprachhistorisch gewachsenen Fundament sprachpuristischer Grundannahmen (cf. Kap. 3) als auch auf gleichen ideologischen Entwürfen einer vermeintlich geschlossenen «metasprachlichen Öffentlichkeit» (cf. Kap. 2, Tab. 1), in der die Dominanz und das metasprachliche Handeln der gesellschaftlichen Eliten zum Sprachverfall des Deutschen und Französischen führen. Die ermittelten Argumentationsmuster wurden gemäß der Einteilung von Sprachpflege in sprachstatus- und sprachkorpusbezogene Gegenstände und Maßnahmen der Sprachkultivierung unterteilt (cf. Kap. 3.3.8). Dabei ergibt sich für beide Sprachen eine signifikante Dominanz topologischer Räume im Bereich der Sprachstatusplanung, die von den Sprachpflegeorganisationen als Rechtfertigungskategorien ihrer propagierten Sprachkultivierung im Diskurs konstruiert werden:

4.2 Diskurssteuerung und metasprachliche Handlungsebenen

505

300

250

200

Sprachstatus

150

Sprachkorpus 100

50

0 VDS

ALF

Abb. 19: Verteilung sprachstatus- und sprachkorpusbezogener Topoi (Zeitschriftenkorpus).

Neben der weiteren inhaltlichen Untergliederung der sprachstatus- und sprachkorpusbezogenen Topik im Zeitschriftenkorpus, die im Folgenden anhand konkreter Belege aufgeschlüsselt wird (cf. Kap. 4.2.1.1–4.2.1.2), wird die sprachideologische Formation des Sprachpflegediskurses auf entscheidende Weise auch durch gegenstandsübergreifende Topoi gelenkt, die im Folgenden als spezifische Kategorie metasprachlicher Argumentation betrachtet werden (cf. Kap. 4.2.1.3). Aus diesen gegenstandsübergreifenden Topoi speisen sich Argumente, deren Schlussregeln auf historisch gefestigte Dachkonzepte des Metasprachdiskurses abheben. Dazu zähle ich verfestigte Korrelationen zwischen «Sprache» als Gegenstand metasprachlicher Positionierungen und kognitiven Abstrakta wie IDENTITÄT, KULTUR und HISTORIZITÄT, die eine entscheidende «Funktion als Makro-Wissensrahmen» (Wengeler 2018, 272) erfüllen. Diese Wissensstrukturen stellen nicht nur einen Rahmen für kontextspezifische Denkweisen der aktuellen Sprachpflege bereit, sondern sie legitimieren Sprachpflege durch ein historisches Fundament kollektiv geteilter Gewissheiten und Mentalitäten (cf. Spitzmüller 2005, 272). In dieser Funktion werden sie bei der Konstruktion aktueller kontextspezifischer Topoi unterstützend eingesetzt. Ebenfalls zu den gegenstandsübergreifenden Topoi zähle ich den ANGLIZISMENTOPOS, der sowohl den deutschen als auch den französischen Sprachpflegediskurs als

506

4 Metasprachdiskurse als ideologische Systeme

agonales Zentrum dominiert. Dieses agonale Zentrum, das die Textproduzenten respektive Akteure als handlungsleitendes Konzept aktueller Sprachpflegediskurse «bewusst in einer Diskursformation versuchen durchzusetzen» (Felder 2013, 21), ist einzig auf die konsensuelle Ablehnung des sprachlich «Fremden» und «Anderen» ausgerichtet, die in beiden Diskursräumen weitestgehend auf lexikalische Entlehnungen aus dem Englischen und Abneigungen gegenüber dem Englischen als lingua franca und als Kultursprache in verschiedenen gesellschaftlichen und politischen Kontexten reduziert wird. Aufgrund der Tatsache, dass sich die ermittelten kontextspezifischen Topoi in allen drei Kategorien (sprachstatusbezogen – sprachkorpusbezogen – gegenstandsübergreifend) überlagern können, ergeben sich grundsätzliche Einschränkungen für die quantitative Interpretation der Daten: «Problematisch an der grafischen Darstellung topischer Beziehungen ist die Unmöglichkeit, die in der empirischen Realität vorkommenden potenziellen argumentativen Zusammenhänge vollständig abzubilden» (Römer 2017, 156). Vor diesem Hintergrund sei darauf hingewiesen, dass die Quantifizierung der am Textkorpus vorgenommenen Annotation topologischer Strukturen auf einer inhaltlichen und strukturellen Reduktion der Komplexität ermittelter sprachlicher Muster beruht. Um die topologisch dominanten Rekurrenzen in den graphischen Verteilungen möglichst anschaulich abzubilden, wurden die absoluten Häufigkeiten der Topoi im Zeitschriftenkorpus angegeben. Mit diesen erfolgt zwar keine prozentuale Erfassung der Textoberfläche, die einem oder mehreren Topoi zugewiesen wurde, jedoch verdeutlichen die absoluten Zahlenwerte sehr anschaulich, dass die Habitualität und Typizität topischer Strukturen bereits in einer geringen Datenmenge empirisch so einschlägig ist, dass eine sprachideologische Durchdringung der Textproduktion belegt werden kann. 4.2.1.1 Sprachstatusbezogene Topoi In der Kategorie der sprachstatusbezogenen Topoi konnte für beide Sprachen eine weitere inhaltliche Untergliederung argumentativer Bezugnahmen auf den deutschen und französischen Sprachstatus durch die Topoi der INTERNATIONALITÄT, ÖFFENTLICHKEIT, BILDUNG sowie MEHRSPRACHIGKEIT bzw. DIVERSITÄT ermittelt werden (cf. Abb. 20). Entgegen der approximativen Verteilung der beiden letztgenannten Topoi in beiden Teilkorpora überwiegt im Journal d’ALF (JALF) die Legitimation sprachpflegerischer Maßnahmen durch den Status des Französischen als Weltsprache. In den Sprachnachrichten des VDS (SN) dominiert hingegen die topische Präsentation des schlechten Sprachzustands des Deutschen aufgrund einer konsequenten Vernachlässigung durch führende Repräsentanten der politischen, wirtschaftlichen oder wissenschaftlichen Öffentlichkeit.

507

4.2 Diskurssteuerung und metasprachliche Handlungsebenen

Internationalitätstopos

Öffentlichkeitstopos ALF VDS Bildungstopos

Mehrsprachigkeits/Diversitätstopos

0

20

40

60

80

100

Abb. 20: Verteilungsausschnitt der am häufigsten auftretenden Topoi (Sprachstatus).

Alle vier statusbezogenen Topoi werden im Folgenden in ihrer weiteren inhaltlichen Granulierung sprachvergleichend zusammengefasst und interpretiert. Dabei geht es einerseits darum, Konvergenzen in der topologischen Struktur beider Diskurse mit Blick auf ein sprachenübergreifendes ideologisches Regiment herauszustellen; andererseits sollen diskursspezifische Schwerpunktsetzungen und Modifikationen der Argumentation berücksichtigt werden, um Alleinstellungsmerkmale deutscher und französischer Sprachpflege entsprechend zu berücksichtigen. Unter dem INTERNATIONALITÄTSTOPOS werden Argumentationen zusammengefasst, auf die beide Sprachpflegevereine zurückgreifen, um den Status der deutschen und der französischen Sprache auf internationaler Ebene zu verteidigen und um den Anspruch auf diesen Status zu begründen. Diese Verteidigungs- und Legitimationsstrategie lässt sich in beiden Diskursen auf ähnliche ideologische Ansätze und inhaltliche Ankerpunkte herunterbrechen. Einen zentralen Ankerpunkt stellt die topische Idealisierung der Sprechergemeinschaft als Bürgerschaft dar. Durch diesen Topos wird Sprachpflege als demokratisches Konzept etabliert, das den Sprechern respektive Bürgern ein Partizipationsrecht an Sprachenfragen zuspricht und Sprache zum Teil des demokratischen Gemeinwesens erklärt.

508

4 Metasprachdiskurse als ideologische Systeme

Internationalitätstopos 50 45 40 35 30 25 20 VDS

15 10

ALF

5 Am ts sp ra ch en to po s

Ko lo ni al to po s

-To po s EU

Bü rg er sc ha fts to po s

0

Abb. 21: Internationalitätstopos: Unterkategorien und Verteilung.

Das Etablieren einer diskursiven oder deliberativen «metasprachlichen Öffentlichkeit» (cf. Kap. 2.1.3, Tab. 1), in der «Sprache» Gegenstand eines Aushandlungsprozesses, einer gemeinschaftlichen Gestaltung und Verteidigung und nicht des natürlichen Sprachwandels ist, erfüllt zwei Funktionen: Die Legitimation des eigenen sprachlichen Handelns durch die Verteidigung eines vermeintlich demokratischen sprachpflegerischen Wertesystems und die Abwertung einer ebenso vermeintlich geschlossenen «metasprachlichen Öffentlichkeit», die von den Eliten gesteuert wird. Obwohl sich das Selbstverständnis des VDS und des ALF als Bürgerbewegung deckt und von den Vereinen ähnliche Öffentlichkeitsmodelle konstruiert und kritisiert werden (cf. Kap. 3.2.6; 3.3.9), unterscheidet sich die sprachliche Ausgestaltung des BÜRGERSCHAFTSTOPOS auf intratextueller Ebene sowohl in qualitativer als auch in quantitativer Hinsicht: Der BÜRGERSCHAFTSTOPOS determiniert im französischen Korpus einen beträchtlichen Teil des diskursiven Aussagennetzes. Dabei reicht die inhaltliche Konzeption des Topos bis hin zur Offizialisierung der Frankophonie als staatenähnlicher Sprachbund, der die rechtliche und soziale Zugehörigkeit der Sprecher zur Frankophonie über die Vergabe einer frankophonen Staatsbürgerschaft reguliert, ebenso wie er die Einreise nicht-frankophoner Personen mit einer Visumspflicht belegt. Dadurch werden eindeutige Kriterien einer an die Sprach-

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identität gebundenen Differenzierung zwischen «Eigenem» und «Fremdem» formuliert, die dann in topologischen Unterkategorien weiter dekliniert werden (cf. Abb. 22). (217) Il s’agit de donner à la Francophonie un « contenu de communauté » auquel l’Union ne saurait s’opposer : des préférences en matière de visas et de circulation des personnes ainsi que des biens et services culturels, de propriété intellectuelle, avec des formes adaptées de citoyenneté (JALF 2014.2, 15). Dieser topische Entwurf einer frankophonen Sprechergemeinschaft auf der Grundlage geschlossener Sprachgrenzen wird auf lexikalischer Ebene durch verschiedene Konzepte des «Französischseins» weiter differenziert. Dabei wird die Frankophonie als ethnisch-soziales Konstrukt in verschiedene Identitätsstufen unterteilt, die an der Fähigkeit des Französischsprechens als Muttersprache («francité») oder im Rahmen weiterer Funktionsprofile («francophonie») sowie an der Einstellung der Sprecher zum Französischen («francophilie») bemessen werden. Diese Merkmale ergeben in ihrer Gesamtheit das Konzept einer frankophonen Identität, die jenseits des einzelnen Sprechers und der Sprechergemeinschaft die Vorstellung einer frankophonen Lebenswelt i. S. eines allumfassenden Raumes («francospère») propagiert. (218) La francité désigne d’abord l’ensemble des communautés de langue maternelle Française […] La francophonie (avec un f minuscule) a plusieurs sens : d’abord, le fait pour une personne de parler français, et pour une communauté, un peuple, un État, d’employer cette langue à quelque degré, seule ou parmi d’autres ; puis le français tel qu’il est répandu dans le monde ; enfin, sur la base de la connaissance du français, l’adhésion à certaines des valeurs qu’il véhicule. Si l’on y ajoute la francophilie et l’adhésion à ces valeurs en dehors même de la connaissance du français, nous arrivons à la francosphère […] (JALF 2014.2, 12). Die Relevanz generischer Wortbildungsmuster ist dabei für die Konstitution des Topos von hoher Bedeutung: Erstens bringen gelehrte Bildungen mittels suffixaler Ableitungen mit -phonie/-phone und -philie die soziale Dimension von Sprache und Zuneigung zu dieser Sprache zum Ausdruck (cf. Schweickard 1992, 173), wodurch sie «Einstellungen konstituieren» und «kontextuelle und pragmatische Dimensionen von Bedeutung kennzeichnen» (Spitzmüller/Warnke 2011, 145). Zweitens belegt die Häufigkeit der Wortverbindung la francophonie (173 Nennungen) nach langue française (222 Nennungen) und vor le français (83

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4 Metasprachdiskurse als ideologische Systeme

Nennungen) eine programmatische Ausweitung der Sprachpflege vom nationalen auf den internationalen Kontext. In den Sprachnachrichten appelliert der quantitativ um ein Vielfaches unterlegene BÜRGERSCHAFTSTOPOS ebenfalls an ein sprachbasiertes Gemeinschafts- und Zugehörigkeitsgefühl i. S. einer kollektiven deutschen Sprachidentität, unterscheidet sich jedoch von der französischen Argumentation durch eine abweichende Intention des sprachlichen Handelns. Die Konzepte «Gemeinschaft» und «Zugehörigkeit» werden im Rahmen einer sprachlichen Identität vom VDS als Voraussetzung einer starken europäischen Einigung definiert, d. h. die deutsche Sprachidentität wird im Vergleich zur frankophonen Sprachidentität nicht als Mittel der Abgrenzung, sondern als Weg der Integration dargestellt (cf. 219). Zum einen bezieht sich das Argumentationsmuster ganz im Gegensatz zum eher assertorischen und an idealistischen Zielen orientierten Sprachhandeln im Journal d’ALF auf konkrete sprachpolitische Maßnahmen zur Stärkung des Deutschen in den europäischen Institutionen. Zum anderen verweist der Topos auf Missstände innerhalb der demokratischen Gemeinschaftsstruktur, stellt dabei die Machtstruktur innerhalb des öffentlichen Diskurses grundsätzlich in Frage und begründet somit die Direktive für einen Sprachaktionismus i. S. einer bottom-up, d. h. von den Bürgern gesteuerten Sprachpolitik (cf. 220). Durch diese funktionale Aufteilung stützt der Topos im deutschen Teildiskurs auch die für sprachpflegerische Diskurse typische Zweigleisigkeit der Argumentation zwischen Selbstaufwertung und Gegnerabwertung, die hier auf die dichotome Rollenverteilung zwischen «Bürgern» und «Eliten» verengt wird. (219) Die Bürger nehmen die Einrichtungen der EU deswegen abgehoben und elitär wahr. Informations- oder gar Mitwirkungswünsche entstehen so nur selten – genauso wenig ein Gefühl der Zugehörigkeit. Die Sprachen, insbesondere auch das Deutsche als größte Muttersprache in der EU, sind ein wichtiges Element der europäischen Einigung. Der VDS hat deswegen die Parteien zu ihren sprachpolitischen Zielen bei der Wahl zum Europäischen Parlament befragt (SN 2014.2, 1). (220) In einem zweiten Schritt ist zu überlegen, welches Gegenmittel wir als Bürgerorganisation dagegen aufbieten könnten. Diesen Wirkungszusammenhang bei einem konkreten Missstand freizulegen und dann überlegt und zielgerichtet etwas zu probieren, heißt politisch handeln. Manches andere bleibt Aktionismus und Selbstdarstellung (SN 2014.1, 7). Im französischen Zeitschriftenkorpus können ausgehend von der explorativen Ermittlung der positiven Schlagwörter universalité, solidarité und souveraineté weitere Unterkategorien des BÜRGERSCHAFTSTOPOS ermittelt werden.

4.2 Diskurssteuerung und metasprachliche Handlungsebenen

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Bürgerschaftstopos (ALF) 10 9 8 7 6 5 4 3 2 1 0 Universalitätstopos

Solidaritätstopos

Souveränitätstopos

Abb. 22: Bürgerschaftstopos: Unterkategorien und Verteilung (ALF).

In der Häufigkeitsverteilung ist auf den ersten Blick ersichtlich, dass die absoluten Häufigkeiten der topischen Unterkategorien quantitativ nicht repräsentativ sind (cf. Abb. 22). Allerdings kann eine genauere qualitative Interpretation des lexikalischen Kontextes Aufschluss über das argumentative Zusammenspiel der Argumentationskategorien innerhalb des BÜRGERSCHAFTSTOPOS geben. Entscheidend ist dabei, dass alle drei Topoi mit abstrakten Konzepten operieren, die auf ideologische Haltungen, Positionen und Mentalitäten abheben, die in der diskurshistorischen Tradition verankert sind (cf. Kap. 3). An erster Stelle steht dabei der Status des Französischen als «langue universelle» (cf. 221; Kap. 3.3.5) und seine sprachgeschichtlich gewachsene Psychologisierung als «génie de la langue française» (cf. 222; Kap. 3.3.4). Dieser UNIVERSALITÄTSTOPOS verfügt über verschiedene funktionale Anschlussstellen. Dazu zählt zunächst die Schaffung eines Bewusstseins für die französische Sprachidentität, ihre Alleinstellungsmerkmale (cf. 221: «sa voix propre») und Schaffenskraft (cf. 222: «une langue créatrice») sowie die Legitimation dieses Sprachbewusstseins durch ein humanistisches Wertefundament: (221)

Prédisposée par son histoire et sa tradition d’universalisme humaniste, la France retrouve par moments sa voix propre (JALF 2014.2, 14).

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4 Metasprachdiskurse als ideologische Systeme

(222) Qu’était-ce que la francophonie pour lui ? Le génie partagé d’une langue créatrice des valeurs humanistes les plus universellement fécondes (JALF 2014.2, 1). Auf der Grundlage dieser identitätsbildenden Funktion wird der Topos dann in einem zweiten Schritt in Argumentationen kultureller und nationaler Abgrenzung hineinverlegt, wobei es darum geht, das Französische gegen alteritäre Universalitätsansprüche des Englischen als «autre langue universelle» zu verteidigen: (223) Alors, comment est-il possible de tolérer que le français, très grande langue de culture, parlée sur les cinq continents par une centaine de millions de locuteurs, se voie rejeté au profit d’une autre langue universelle, qui est l’anglais (JAFL 2014.3, 10) ? Im Rahmen dieser Verteidigungsstrategie werden aus dem Universalitätsanspruch der französischen Sprache die Konzepte sprachlicher «Souveränität» und «Solidarität» als flankierende Topoi herausgelöst. Auch hier sind wieder zwei funktionale Ebenen der topischen Konstellation erkennbar: An erster Stelle dienen der SOLIDARITÄTS- und SOUVERÄNITÄTSTOPOS auf argumentativer Ebene der Stärkung und Begründung des BÜRGERSCHAFTSTOPOS i. S. des vom ALF-Vorsitzenden Albert Salon geforderten Schulterschlusses souveräner europäischer Nationalsprachen respektive -staaten gegen das Englische (cf. Kap. 3.3.6). Dieser Schulterschluss wird in erster Linie durch die isotopische Erweiterung des Schlüsselwortes solidarité um weitere Hochwertwörter mit ähnlichem konnotativen Fokus verdeutlicht (cf. 255: «concertation», «dialogue», «coopération», «aide»). In persuasiver Hinsicht ist es hierbei Ziel, die sprachliche Souveränität des Französischen innerhalb der Frankophonie zu wahren (cf. 224) und als Teil einer sprachlichen Solidargemeinschaft ein Gegengewicht im Sprachkontakt mit dem Englischen zu bilden (cf. 225). (224) Celles qui sont hors de France doivent être invitées à soutenir les tenants du maintien de la souveraineté de la France. Nos associations et mouvements français doivent affirmer, d’abord dans le discours, puis dans l’action, leur appui à la souveraineté linguistique, culturelle et politique du Québec, à charge pour lui d’aider à son tour les minorités francophones du Canada anglais (JALF 2014.2, 16). (225) La France devra alors, en concertation avec ses partenaires, donner un contenu au dialogue des cultures, à la solidarité et à la coopération pour le développement humain, économique et culturel. Aux membres les plus riches d’augmenter fortement le volume, et surtout la pertinence et

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l’efficacité, de leur aide bilatérale et multilatérale au développement, tant au Sud qu’à l’Est (JALF 2014.2, 17). Entscheidend bei dieser funktionalen Ausrichtung des Topos ist die enge Bindung sprachlicher Macht- und Partizipationsverhältnisse an nationalstaatliche Ordnungsprozesse und an die demokratische Fähigkeit zur Selbstbestimmung der Sprecher, wodurch sprachpflegerischer und nationalpolitischer Diskurs ideologisch gleichgeschaltet werden (cf. Abb. 10). Diese Schnittstelle zwischen nationalund sprachideologischer Argumentation ist weiterhin auf intratextueller Ebene u. a. daran erkennbar, dass die staatliche Souveränität Frankreichs in eine thematische Progressionslinie mit der sprachlichen Souveränität des Französischen in Québec und den frankophonen Minderheiten in Kanada gestellt wird. An zweiter Stelle dienen der SOLIDARITÄTS- und SOUVERÄNITÄTSTOPOS der indirekten Handlungsaufforderung und Verantwortungszuschreibung im Kontext der angegriffenen Universalität des Französischen. Diese argumentative Funktion der Topoi wird erst auf der Ebene lexikalischer Einheiten aussagekräftig. So zeigt die kontextgebundene Frequenzabfrage der Lexeme solidarité und souveraineté, dass die Kollokatoren beider Schlüsselbegriffe auf die mangelnde Berücksichtigung, Unterstützung und Entwicklung des Sprachstatus verweisen. Dies verdeutlichen beispielhaft die folgenden Auszüge aus dem in MAXQDA ermittelten KWIC-Index:32 Tab. 11: Kollokate der Schlüsselwörter ‹solidarité› und ‹souveraineté›. Kontext (L) de la recherche d’une renforcer la développement de la populariser l’idée de perspective d’un pacte de la

Schlüsselwort

Kontext (R)

‹solidarité› francophone

reconquête de la exercice d’une

‹souveraineté›

prédisposée par son histoire recouvrée renouvelée

32 Als «Keyword In Context-Index» (KWIC-Index) wird das Ergebnis von softwaregestützten Frequenzabfragen in Textkorpora bezeichnet, die komplexere Berechnungen (Kollokatoren, Konkordanzen/n-Gramme) ermöglichen. Solche aufwendigen Abfragen können z. B. mit dem online frei zugänglichen Programm AntConc durchgeführt werden. KWIC-Analysen wie im vorliegenden Beispiel sind auch mit dem MAXQDA-Plug-In «MAXdictio» realisierbar, das speziell auf die quantitative Analyse von Texten zugeschnitten ist.

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4 Metasprachdiskurse als ideologische Systeme

Bei den Kollokatoren zeichnet sich v. a. der Rückgriff auf ein verbales Paradigma ab, dessen morphologische Struktur auf die Wiederherstellung der historisch veranlagten Souveränität (pré-disposée) des Französischen abhebt (re-conquête, re-couvrée, re-nouvelée) sowie auf ein nominales Paradigma, dessen Denotate auf den geforderten Entwicklungsprozess sprachlicher Solidarität verweisen («recherche», «renforcer», «développement» etc.). Durch diese lexikalische Einbettung der beiden Schlüsselbegriffe wird die Wahrnehmung des Bruchs zwischen Geschichte und Gegenwart der französischen Sprache gestärkt, und es ergeht die indirekte Direktive an die Sprecher, den ehemaligen Sprachstatus des Französischen wieder herzustellen bzw. neu zu entwickeln. Ein weiterer topologischer Bereich, der sich mit dem Status des Französischen und des Deutschen beschäftigt, ist der im Zeitschriftenkorpus annähernd gleich verteilte EU-TOPOS (cf. Abb. 21), der ausschließlich eingesetzt wird, um die Marginalisierung beider Sprachen als Amts- und Arbeitssprachen in der schriftlichen und mündlichen Kommunikation innerhalb der Europäischen Union zu kritisieren. Dabei wird aus dem Vergleich mit der Nutzung anderer Sprachen innerhalb des EU-Sprachenregimes, insbesondere mit dem Englischen, die Unterdrückung des Französischen (cf. 226) und Diskriminierung des Deutschen (cf. 227) geschlussfolgert. (226) Les candidats aux postes de commissaires européens ont récemment été auditionnés par les eurodéputés avant leur entrée en fonction. Une analyse détaillée et approfondie des langues utilisées lors de ces 87 heures d’audience a été publiée le 27 octobre dernier par le Huffington Post. Le constat est sévère et ne fait que confirmer ce que l’on sait déjà : l’anglais reste sans conteste la seule langue de travail dans l’UE. ; le français est moins parlé que l’allemand ou l’italien, le nombre des interventions en français étant similaire à celui des interventions en espagnol ; les langues allemande et anglaise arrivent à s’imposer alors que le français reste résiduel […] (JALF 2014.3, 24)! (227) Den Wunsch vieler Deutscher, der deutschen Sprache ihren angemessenen Platz bei gedruckten oder digitalen Veröffentlichungen einzuräumen, betrachten die EU-Bürokraten in Brüssel als lästiges Lamento und lehnen das ab. Zuletzt die italienische Ratspräsidentschaft […]. Das ist eine eindeutige Diskriminierung der in der EU am meisten verbreiteten Muttersprache Deutsch (SN 2014.4, 25). Wie bei den anderen Topoi ist auch beim EU-TOPOS die weitere sprachliche Auskleidung seiner argumentativen Struktur auf intratextueller Ebene für die persuasive Funktionalisierung maßgeblich. Dabei trägt insbesondere die termi-

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nologische und konzeptuelle Vagheit zu einer Stützung des Marginalisierungsarguments bei: So wird z. B. im Satz «l’anglais reste sans conteste la seule langue de travail dans l’UE» nicht zwischen Anerkennungs- und Nutzungsstatus der Sprachen differenziert (cf. 226), ebenso wie für das Deutsche die Funktionsprofile «Muttersprache» und «Amtssprache» ohne Unterscheidung der jeweiligen kommunikativen Gebrauchskontexte in einem Topos aus der Gleichheit kontrastiert und als Schlussregel etabliert werden (cf. 227; Kienpointner 1992, 246).33 An den EU-TOPOS als Kritikinstrument an der kommunikativen und funktionalen Reichweite der Sprachen schließt sich der inhaltlich ähnliche und ausschließlich im deutschen Teilkorpus nachgewiesene AMTSSPRACHENTOPOS als vierte Kategorie des INTERNATIONALITÄTSTOPOS an (cf. Abb. 21). Dieses argumentative Sprachgebrauchsmuster richtet sich ausschließlich gegen die Missachtung und Vernachlässigung des Deutschen als Amtssprache, wobei auch hier durch die Kritik am Gebrauch des Englischen in amtlichen Dokumenten stets eine topische Interrelation mit dem gegenstandsübergreifenden ANGLIZISMENTOPOS besteht. In der französischen Sprachpflege geht die Amtssprachendiskussion inhaltlich im Argumentationskontext zum verfassungsrechtlichen Status und zum sprachgesetzlichen Rahmen des Französischen auf,34 der, da er in Deutschland nicht ausgebildet ist, dort auch keine Argumentationsgrundlage bildet. (228) Nun hat das Verwaltungsgericht Neustadt entschieden, der Begriff Jobcenter stünde im Duden und sei daher korrektes Deutsch. Geklagt hatte ein Sprachfreund aus der Vorderpfalz, der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts durch das Jobcenter Vorderpfalz-Ludwigshafen erhält. Zur Begründung hat er geltend gemacht, dieser Ausdruck verstoße gegen den Grundsatz, die Amtssprache in Deutschland sei Deutsch. Die Klage wurde aus formalen Gründen abgelehnt; sie sei unzulässig, da es dem Kläger ausschließlich um die Klärung einer abstrakten Rechtsfrage gehe. Dieser habe nicht dargetan, in welchem Zusammenhang die Verwendung des Begriffs Jobcenter für ihn konkret von Bedeutung sei. Es fehle sowohl an der Klagebefugnis als auch an dem erforderlichen Feststellungsinteresse. Im Übrigen, und jetzt kommt der eigentlich bedeutsame Teil, ver-

33 «Von gleichen oder sehr ähnlichen Dingen wird auf ihre gleiche oder sehr ähnliche Behandlung oder Bewertung geschlossen» (Ottmers 2007, 101), d. h. Wenn Deutsch in der EU die am weitesten verbreitete Muttersprache ist, dann muss man ihr auch einen entsprechenden Platz als Arbeitssprache in der EU einräumen. 34 Cf. hierzu belegend die Ausführungen in Kap. 3.3.9, (211); Kap. 3.3.4, Tab. 8.

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4 Metasprachdiskurse als ideologische Systeme

stoße die Bezeichnung Jobcenter nicht gegen den Grundsatz, dass die Amtssprache Deutsch sei (SN 2014.1, 6). Auch an diesem Beispiel kann eine qualitative Feinanalyse belegen, wie der Topos durch weitere alltagssprachliche Argumentationsschemata verfeinert wird, indem der Rechtsstreit eines «Sprachfreunds» als illustratives Beispielargument angeführt wird (cf. Kienpointner 1992, 246). Essentiell bei der Begründung des AMTSSPRACHENTOPOS durch dieses illustrative Beispielargument ist jedoch nicht das Beispiel als solches, sondern seine ideologische Aufbereitung: Persuasionsziel des Verfassers ist es, die sachlogischen Gründe für die Ablehnung der Klage des «Sprachfreunds» durch eine prinzipiengeleitete Positionierung zu ersetzen, d. h. die Grundsatzannahme des Deutschen als Amtssprache ist nicht nur sprachpolitisch unanfechtbar, sondern wird auch in kontextfremden Sachverhalten, wie dem Anspruch auf «Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts» (cf. 228), als Anspruch erhoben. Dieses prinzipiengeleitete Argumentieren führt sachlogische Argumentationen ad absurdum und verleiht den Inhalten von Sprachpflege nicht nur ideologische Absichten, sondern auch ihrer Präsentation propagandistische Züge. An dritter Stelle der Unterkategorien des INTERNATIONALITÄTSTOPOS steht der KOLONIALTOPOS, der ähnlich wie der EU-TOPOS einer ungefähr paritätischen Verteilung in den Teilkorpora unterliegt (cf. Abb. 21). Sein Argumentationspotenzial ergibt sich in erster Linie aus seiner dichotomen Zweckorientierung, die sowohl auf die Beschreibung der Kolonialisierung der deutschen und französischen Sprache und Sprecher abzielt als sich auch umgekehrt auf Kolonialisierungsprozesse bezieht, die auf Frankreich und Deutschland als (Sprach-)Nationen zurückgehen. Entsprechend der für Sprachpflege typischen Konfiguration der Selbstaufwertung und Gegnerabwertung wird die Kolonialisierung der eigenen Sprache und Sprecher als Ursache für den Sprachverfall angeprangert (cf. 229, 231). Die Kolonialisierung anderer Sprachen und Sprecher wird vice versa als Voraussetzung für die Integration und den Zusammenhalt (cf. 230, 232) der germano- und frankophonen Sprechergemeinschaft bewertet. Auf diese Weise wird der (ehemaligen) Kolonialisierung des «Fremden» auch im Kontext heutiger (sprach-)nationalistischer Bestrebungen Sinnhaftigkeit und Legitimation verliehen und gleichzeitig vor der Kolonialisierung des «Eigenen» gewarnt. (229) Wenn es nach den Frankfurter Stadtplanern geht, wird vor den Toren der Stadt, auf dem Gelände einer ehemaligen amerikanischen Garnison, ein neuer Stadtteil „Gateway Gardens“ entstehen. So wie es sich für ein Kolonialvolk gehört, hat die Frankfurter Politik damit den von ihren Herren vergebenen Namen übernommen (SN 2014.4, 12).

4.2 Diskurssteuerung und metasprachliche Handlungsebenen

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(230) Da ist einmal die TU München mit ihren Wahnsinnsplänen, ab dem Jahr 2020 die allermeisten Masterstudiengänge nur noch in Englisch anzubieten. Ich dachte immer, seit dem Ende des Lateins sei dieser Irrweg in Richtung höhere Bildung an deutschen Universitäten weitgehend versperrt. Aber der Präsident der TU München sperrt ihn wieder auf. Angeblich, um seine Studenten und Studentinnen besser auf den wissenschaftlichen Weltmarkt einzustimmen. Tatsächlich aber, um möglichst viele passgenaue Amitümler für die geistigen Kolonialherren von jenseits des Atlantiks abzurichten (SN 2014.4, 2). (231) Gibt es eine bessere Beschreibung der Kolonialvolk-Attitüde, die immer größere Bereiche der deutschen Wirtschaft schon ergriffen hat (SN 2014.3, 14)? (232) In Kamerun, einer einstigen deutschen Kolonie, lernen immer noch über 200.000 Schüler Deutsch. Es gibt etwa 2.000 Deutschlehrer und DeutschAbteilungen an sechs Universitäten bzw. Lehrerbildungsinstituten (ENS). Dazu kommen viele in Deutschland ausgebildete Kameruner, die jetzt wieder in der Heimat arbeiten, oft an gehobener Stelle (SN 2014.3, 26). (233) Union européenne : le processus d’intégration devient un processus de colonisation (JALF 2014.2, 30)! (234) Les Africains, en effet, se posent la question de la pertinence de leur choix en accusant la colonisation de leur avoir fait parler une langue qui ne leur semble plus utile. Des craquements se font entendre (JALF 2014.3, 1). Auch aus diesen Beispielen geht die Vielschichtigkeit topologischer Strukturen hervor, da die Kolonialisierung der eigenen Sprache und Nation immer auch als Ergebnis des Sprachkontakts mit dem Englischen beschrieben wird (cf. 229–231, 233). Dabei werden, in Korrelation mit dem ANGLIZISMENTOPOS, Konzepte von Kolonialität und Strukturen der Machtverteilung äquivalent zu territorialen und sozialen Prozessen der Kolonialisierung auf die Sprachensituation übertragen, indem z. B. auf lexikalischer Ebene die Vereinigten Staaten als «Kolonialherren» (cf. 230) und Deutschland als «Kolonialvolk» (cf. 229) gegenübergestellt werden. Entscheidend ist dabei im deutschen Teilkorpus, dass der KOLONIALTOPOS nicht nur einer ideologisch verzerrten Darstellung der Sprachkontaktsituation dient, sondern auch der Anklage der eigenen Sprecher als Mitverantwortliche dieser globalen Kolonialisierung (cf. 231). Diese argumentative Funktion wird auch hier durch lexikalische Einheiten auf intratextueller Ebene ausdrucksvoll abgebildet und systematisiert. Als Beispiele können im Jargon des VDS gängige Stigmawörter wie Amitümler oder die seltene, aber dadurch im Text hervorste-

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4 Metasprachdiskurse als ideologische Systeme

chende ad hoc-Komposition Kolonialvolk-Attitüde genannt werden (cf. 231). Gerade die denominale Ableitung Ami-tümler ist, wie das verwandte Derivat Amitümelei, das in Texten des VDS außerhalb des Korpus nachgewiesen werden kann,35 als Wortbildungsmuster unter semantisch-funktionalen Gesichtspunkten mitnichten arbiträr. Die Konstituentenstruktur dieses Nomen agentis verhält sich kongruent zum Kompositum Deutsch-tümelei bzw. deutsch-tümeln, das etymologisch als ironisch-pejorative Ableitung von Deutsch-tum auf die Befreiungskriege im 19. Jh. und somit auf eine historisch prägende Phase der deutschnationalen Identitätsbildung zurückgeht (cf. Kluge 1967, s. v. Deutschtum). Durch die Suffigierung der freien Kurzform Ami-, die bereits alltagssprachlich eine expressive Funktion erfüllt, mit dem Formativ -tum als Ausdruck einer Verhaltensbezeichnung (cf. Androutsopoulos 1998, 167) wird die abwertende Konnotation des lexikalischen Vorbilds Deutschtümelei aufgegriffen, behält aber in funktionaler Hinsicht eine gruppenspezifische Bedeutung innerhalb des Sprachpflegediskurses. Darüber hinaus erfüllt Amitümelei eine verteidigende Funktion als Schlüsselbegriff der Gegenargumentation, mit dem der VDS versucht, den Vorwurf der Deutschtümelei im eigenen sprachpflegerischen Programm zu entkräften: (235) [Der Verein] steht dafür, dass ein Einsatz für die deutsche Sprache auch ohne deutschtümelnde oder nationalistische Ziele möglich ist (VDS 2019a, o. S.). Die in beiden Teilkorpora am zweithäufigsten auftretenden Argumentationsmuster werden vom ÖFFENTLICHKEITSTOPOS regiert (cf. Abb. 20), der strukturell weiter in die Unterkategorien des ELITEN- und des VOLKSTOPOS differenziert werden kann (cf. Abb. 23). Beide Unterkategorien können in jeweils beiden Teilkorpora nachgewiesen werden, wobei der ELITENTOPOS nicht nur zahlenmäßig in den Sprachnachrichten überwiegt, sondern dort auch einer im Vergleich zum Journal d’ALF deutlich stärker nuancierten inhaltlichen Strukturierung unterliegt (cf. Abb. 24). Der VOLKSTOPOS ist hingegen in den französischen Daten etwas ausgeprägter, was sich v. a. anhand einprägsamer lexikalischer Muster nachvollziehen lässt. Für beide Topoi charakteristisch ist ihre ideologische und argumentative Operationalisierung in theoretischer Nähe zu akteurszentrierten soziologischen Erklärungsansätzen des Systems Öffentlichkeit (cf. Kap. 2). Diese werden implizit von den Vereinen auf den Bereich der Sprachendiskussion übertragen, wobei

35 Cf. z. B. SN 2015.2, 23.

4.2 Diskurssteuerung und metasprachliche Handlungsebenen

519

es darum geht, die Gestaltung einer «metasprachlichen Öffentlichkeit» als deliberatives Diskursmodell einzufordern. Dieser Entwurf des sprachpflegerischen Metasprachdiskurses als Handlungs- und Verhandlungssystem ist allerdings durch die ideologische Diskrepanz zu parallel verwendeten Argumentationsmustern, die auf einer vertikalen Machtverteilung beruhen, wie der KOLONIALTOPOS, in sich kontradiktorisch veranlagt. Gerade durch diese argumentative Widersprüchlichkeit tritt im ÖFFENTLICHKEITSTOPOS die Rolle des VDS und ALF als «ideology brokers» am deutlichsten hervor. Öffentlichkeitstopos 45 40 35 30 25

VDS

20 ALF 15 10 5 0 Elitentopos

Volkstopos

Abb. 23: Öffentlichkeitstopos: Unterkategorien und Verteilung.

Die folgenden Belege (cf. 236–241) veranschaulichen die diskursiv konstruierte Position von Sprachpflege als intermediäres System, dessen oberstes Ziel es ist, «bei [seinen] Mitgliedern die Fiktion gemeinsamer Interessen zu erzeugen» (Jarren/Donges 2017, 99). Der ÖFFENTLICHKEITSTOPOS beruht dabei auf einer starren antagonistischen Fokussierung auf die topischen Achsen ELITE vs. VOLK, denen als zentrale Akteursgruppen gegensätzliche Positionierungsaktivitäten zum Gegenstand Sprache zugeschrieben werden. Die Vereine selbst kommen als weitere Position im Diskurs hinzu. Sie nehmen die Rolle einer «intermediären Öffentlichkeit» ein, die als eigenes System der Generierung, Artikulation sowie Aggregation spezifischer sprachbezogener Interessen dient (cf. Kap. 2.2.2). Diese Rolle erlaubt es den Sprachpflegeorganisationen, sich sowohl positiv gegenüber der deutschen bzw. französischen Sprechergemeinschaft («Volk») als auch negativ gegenüber den führenden gesellschaftlichen Akteuren als Verantwortli-

520

4 Metasprachdiskurse als ideologische Systeme

chen für Sprache und Sprecher («Eliten») zu positionieren und auf diese Weise das Diskursmodell «metasprachlicher Öffentlichkeit» ideologisch zu verformen (cf. Abb. 2). Diskursgeschichtlich betrachtet belegt der ÖFFENTLICHKEITSTOPOS als inhaltlicher Schwerpunkt aktueller Tendenzen von Sprachpflege die historische Kontinuität und strukturelle Wandelbarkeit der musterhaften Verbindung von Metasprachdiskursen und Öffentlichkeitskonzepten. Die strukturelle Modifikation des Argumentationsmusters ist dabei nachweislich immer an den Wandel der gesellschaftlichen Strukturen gebunden. In diachroner Perspektive hat sich der ÖFFENTLICHKEITSTOPOS von einem geschlossen-repräsentativen Diskursmodell unter Dominanz einer sprachlichen Elite im 17. Jh. über die partizipatorische Öffnung des Diskurses im 18. und 19. Jh. hin zu einem dialogorientierten Verhandlungsmodell im Zeitalter der Digitalisierung entwickelt (cf. Tab. 1). Für die Sprachpflege als Teildiskurs ist dabei kennzeichnend, dass die Anpassung ihres metasprachlichen Diskurses an gesellschaftliche Entwicklungen stets ideologisch motiviert ist, i. d. S., dass die inhaltliche Forderung einer demokratischen Diskussion der Sprachenfrage weder dem sprachlichen Handeln im Diskurs noch den Prinzipien dieses Handelns entspricht. Auf propositionaler Ebene beruhen die aus dem ÖFFENTLICHKEITSTOPOS hervorgehenden Argumentationen auf unterschiedlichen Nuancen metasprachlichen Handelns. So erfolgt z. B. die Bewusstmachung von Sprache als Instrument der demokratischen Willensbildung in einem aufklärerischen Ton (cf. 236), wohingegen die Diffamierung der Eliten als ratlose Beobachter des Sprachverfalls in expressiver Redeabsicht als Anklage formuliert (cf. 237) oder durch einen indirekten Sprechakt mittels Autoritätsargument implikatiert werden kann (cf. 238): (236) Und sie [scil. die Sprache] ist […] das entscheidende Instrument der gesellschaftlichen Auseinandersetzung, der Willensbildung und Entscheidung. Schon aus diesem Grunde meinen wir, dass alle, die an unserer Demokratie teilhaben wollen, sich für den Umgang mit unserer Sprache interessieren sollten; deshalb meinen wir, dass besonders auch die Schule einen Bildungsauftrag hat, das Bewusstsein für die partizipatorische Funktion unserer Sprache für diese unsere Gesellschaft zu legen (SN 2014.2, 3). (237) Da diese Sprachveränderungen von Teilen unserer intellektuellen und politischen Eliten vorangetrieben wurden und werden, hat die breite Masse sie lange Zeit teils belustigt, teils verwundert zur Kenntnis genommen (SN 2014.3, 28).

4.2 Diskurssteuerung und metasprachliche Handlungsebenen

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(238) Wer sehr viel liest, verliert die Fähigkeit, selbst zu denken. Solches aber ist der Fall bei vielen Gelehrten. Sie haben sich dummgelesen. Arthur Schopenhauer (1788–1860) (SN 2014.4, 13). Im französischen Teilkorpus hingegen erhält die Perspektivierung der «sprachpflegerischen Öffentlichkeit» aus Sicht der Bürger v. a. durch die lexikalische Rahmung des VOLKSTOPOS eine sprachaktivistische Zielrichtung. In diesem Zusammenhang dienen Schlüsselbegriffe wie das Stigmawort globish-pour-tous oder das Fahnenwort la vox populi der inhaltlichen Veranschaulichung und Kondensierung der populistischen Sinnrichtung der Texte (cf. 239). (239) Le peuple refuse le « globish-pour-tous » que de prétendus dirigeants et élites veulent imposer à la place du français. Le référendum restant interdit de fait, notre but est de faire remonter la vox populi, et de présenter le 20 mars 2015, Journée mondiale de la Francophonie, un ensemble de votes de municipalités représentatif de notre diversité géographique, politique, culturelle, qui équivaudra à un référendum d’initiative populaire (JALF 2014.2, 3). (240) On constate en effet parfois une désinvolture des élites et des représentants officiels de la France à l’égard de notre langue, qui se croient obligés de parler l’anglais quand personne ne le leur demande et alors même que les traductions sont possibles et disponibles (JALF 2014.3, 6). (241) La réponse que vous pourriez opposer étant de dire que vous ne faites que suivre le snobisme ambiant et la mode actuelle qui consistent à angliciser tout et n’importe quoi n’est pas acceptable car vous, les médias, vous êtes les responsables fondamentaux de cette dérive inacceptable qui mine inexorablement notre langue (JALF 2014.3, 39). Diese Funktion wird sowohl an der typographischen Hervorhebung der Schlüsselbegriffe deutlich als auch an den auffälligen Wortbildungstypen: der Latinismus vox populi als Kurzform der berühmten Sentenz «vox populi, vox die» (ʻVolkes Stimme ist Gottes Stimmeʼ) verleiht der Bedeutung der «öffentlichen Meinung» in der französischen Sprachenfrage eine historische und gelehrte Dimension.36 Die Bedeutung des Determinativkompositums globish-pour-tous wird durch das aus den Lexemen global und English amalgamierte Kunstwort globish regiert. Seine negative Konnotation wird durch das präpositionale Deter-

36 Cf. hierzu auch Abwandlungen wie in den Controversiae Senecas des Älteren (1974): Sen. mai. contr. 1, 1, 25 «crede mihi, sacra populi lingua est».

522

4 Metasprachdiskurse als ideologische Systeme

minans -pour-tous intensiviert, das die omnipräsente Ausweitung des Englischen im französischen Sprachgebrauch impliziert. Dieser hyperbolische Bedeutungsaspekt des Kompositums wird in der Paraphrase «angliciser tout et n’importe quoi» (cf. 241) aufgegriffen, wobei die seit dem 18. Jh. konventionalisierte Ableitung angliciser (cf. TLFi, s. v. angliciser) im diskursiven Zusammenhang deutlich weniger ins Auge fällt. Ausgehend von diesen lexikalischen Ankerpunkten der Argumentation wird die soziale Dialektik des ÖFFENTLICHKEITSTOPOS weiter aufgefächert. Die Vertikalisierung der «metasprachlichen Öffentlichkeit» wird dabei in den vorliegenden Beispielen maßgeblich durch die Gruppierung negativer Konnotate um die Stigmawörter élites und globish-pour-tous konturiert («prétendus», «imposer», «désinvolture», «snobisme ambiant», «dérive inaccpetable», «miner inexorablement»). Diese starke lexikalische Repräsentation des undemokratischen Wesens öffentlicher Meinungsbildung in Bezug auf Sprache bildet die Legitimationsgrundlage für die Mobilisierung des Volkes zum Widerstand gegen das Englische und zur Ermächtigung der öffentlichen Meinung zugunsten des Französischen. Im deutschen Teilkorpus kann die quantitative Dominanz des ELITENTOPOS als Sprachgebrauchsmuster durch eine inhaltliche Granulierung der sprachlichen Äußerungen weiter qualitativ differenziert werden. In den Sprachnachrichten dient der ELITENTOPOS der Anklage unterschiedlicher gesellschaftlicher Führungspersonen oder -gruppen, wobei insbesondere Positionierungen gegen Linguisten und Vertreter aus Wirtschaft, Politik und Journalismus in absteigender Häufigkeit nachgewiesen werden können (cf. Abb. 24). In den Sprachnachrichten richtet sich der ELITENTOPOS in erster Linie gegen die Sprachwissenschaftler und die ihnen zugeschriebenen Spracheinstellungen. Die Kritik am Desinteresse der Linguisten gegenüber sprachlichen Veränderungen sowie am fehlenden Engagement, gegen diese vorzugehen, wird vornehmlich in Positionierungen geäußert, die sich gegen den Sprachverfall im Allgemeinen oder im Besonderen gegen den Sprachverfall durch Anglizismen richten. Die Schuldzuweisungen werden dabei an einzelne Vertreter der Sprachwissenschaft wie z. B. Rudolf Hoberg (cf. Kap. 3.3.7) oder gegen die Linguistik als Gruppe berufsständig verantwortlicher Akteure adressiert (cf. 242). Dabei wird den Sprachwissenschaftlern auf lexikalischer Ebene eine fachliche Abgehobenheit («hochintellektuell») und Realitätsferne («traumwandlerisch») attestiert, die die durch den ÖFFENTLICHKEITSTOPOS indizierte Diskursvertikalität plausibilisiert. (242) Selbstverständlich beherrschen viele Deutschlehrer unsere Sprache in ausreichendem Maße. Aber wenn dieser Umstand bloßem Zufall, dem

4.2 Diskurssteuerung und metasprachliche Handlungsebenen

523

Elitentopos (VDS) 16 14 12 10 8 6 4 2 0

Linguistentopos

Wirtschaftstopos

Politikertopos

Journalistentopos

Abb. 24: Elitentopos: Unterkategorien und Verteilung (VDS).

eigenen Interesse bzw. dem der Familie oder einem engagierten und gut ausgebildeten Lehrer geschuldet ist, dann ist das nicht gut. Der Hauptgrund: Man fühlt sich an den germanistischen Instituten schlicht nicht zuständig. Kommasetzung, Groß- und Kleinschreibung oder die ss-ß-Regel an einer Universität zu lehren, scheint den Verantwortlichen zu profan zu sein. Hier fühlt man sich als hochintellektuelle Sprachwissenschaftler, als Gelehrte, die sich mit traumwandlerischer Sicherheit zwischen Mediävistik und Neuer deutscher Literatur bewegen. Die Fähigkeit, korrektes Deutsch zu beherrschen, sollen die Schüler, und da scheint man sich im Fach einig zu sein, doch bitte (oder gefälligst) an der Schule lernen (SN 2014.1, 4). Durch hypothetische Äußerungen wie die Behauptung, dass Themen wie «Groß- und Kleinschreibung» den Linguisten zu profan seien, wird nicht nur die Laien-Experten-Dichotomie bewusst geschärft, sondern es wird auch eine Verteilung auf Sprache bezogener Themen und Disziplinen vorgenommen, in der Sprachforschende als abgehobene Intellektuelle stereotypisiert und Orthographie als laienhaftes Thema abgetan werden. Diese Aufteilung impliziert auch eine unzutreffende Abstufung der Themen und Disziplinen nach einem

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4 Metasprachdiskurse als ideologische Systeme

willkürlich festgelegten Grad an «Wissenschaftlichkeit». Derartige Stigmatisierungen von Positionen, Rollen und Gegenständen des öffentlichen Metasprachdiskurses entsprechen der Realität und dem Anspruch der germanistischen Hochschullehre und Forschung ebenso wenig wie die grobe Verallgemeinerung, Germanisten fühlten sich nicht zuständig für die sprachliche Ausbildung der Studierenden im Lehramtsstudium. Ähnliche Diffamierungsstrategien werden vom VDS auch gegenüber Vertretern von Wirtschaft und Politik artikuliert, wobei der ELITENTOPOS hier v. a. wieder als argumentativer Rahmen zur Kritik an Anglizismen im öffentlichen Sprachgebrauch eingesetzt wird. Nur in wenigen Beispielen geht es darum, den Sprachgebrauch oder das sprachpflegerische Engagement bestimmter Akteure positiv hervorzuheben (cf. 244). Die überwiegend kritischen bis beleidigenden Positionierungsaktivitäten können sich wie beim LINGUISTENTOPOS auf Personengruppen bzw. ganze Unternehmen (Commerzbank, Siemens-Vorstand) oder einzelne öffentliche Personen wie die ehemalige Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen beziehen: (243) „Das Team hat es geschafft“, freut sich die Commerzbank. Und verlost „als stolzer Premium-Partner des DFB Plätze für ein Meet & Greet mit Spielern der Nationalmannschaft“. Liebe Commerzbank-Werbefuzzies, falls Ihr es noch nicht wisst: Die Engländer sind in der Vorrunde ausgeschieden (SN 2014.3, 14). (244) Im Siemens-Vorstand scheint ein weit größeres Verständnis für die Pflege der deutschen Sprache vorhanden zu sein, als bei vielen anderen deutschen Unternehmen. Die Erfolge sind nicht nur auf meine Wortbeiträge auf Hauptversammlungen zurückzuführen. Entscheidend waren und sind die persönlichen Kontakte zu Siemens-Kommunikationschef Dr. Stephan Heimbach sowie seinen Mitarbeitern und das Erarbeiten von Verbesserungsvorschlägen. Nur mit dieser Vorgehensweise wird es auch gelingen, in dem Bereich Hausgeräte die Gemüter der Erfinder der „coolen Hitze“ abzukühlen (SN 2014.3,14). (245) Jetzt ist sie endlich Nummer eins. In der Wahl zum Sprachpanscher des Jahres 2014 hat sich Ursula von der Leyen gegen vier Konkurrenten durchgesetzt. […] die Mitglieder des Vereins Deutsche Sprache [haben] die Bundesverteidigungsministerin an die Spitze der Menschen gewählt, die im letzten Jahr die deutsche Sprache am gründlichsten misshandelt haben. Anders als bei ihren Konkurrenten äußert sich das bei der Verteidigungsministerin allerdings nicht in dem üblichen Vermanschen des Deutschen mit dem Englischen zu einem Pidgin-Dialekt namens Deng-

4.2 Diskurssteuerung und metasprachliche Handlungsebenen

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lisch, sondern in einer fast noch schlimmeren Absage an die deutsche Sprache überhaupt: Auf der 50. Münchener Sicherheitskonferenz am 31. Januar 2014 sprach sie trotz der Präsenz von Simultandolmetschern die Delegierten auf Englisch an (während der gleichfalls anwesende Bundespräsident seine Ansprache, wie es sich für deutsche Politiker in Deutschland gehört, in deutscher Sprache hielt) (SN 2014.3, 2). Aus der exemplarischen Gegenüberstellung positiver (cf. 244) und negativer Bewertungen des Sprachgebrauchs (cf. 243, 245) geht hervor, in welchem Maß diskreditierende Haltungsäußerungen gegenüber Sprechern auf lexikalischer Ebene ideologisch aufgeladen werden. Auch hier bilden polemische Wortbildungen wie das okkasionelle Kompositum Commerzbank-Werbefuzzis das Zentrum der sprachideologischen Abwertung von Anglizismen im Deutschen (cf. 243). Dabei erinnert im ebenfalls komponierten Determinatum das reihenbildende Zweitglied -fuzzis an jugendsprachliche Substantivkompositionen zum Ausdruck der Abneigung gegenüber bestimmten Berufsgruppen (cf. Androutsopoulos 1998, 151–152). Gleiches gilt für plastische Assoziationen des Sprachkontakts Englisch – Deutsch (cf. 245): In diesen wird durch Lexeme wie die Konversion Vermanschen oder das ähnlich konnotierte deverbale Nomen agentis -panscher die habituelle Vermischung des Deutschen mit dem Englischen durch den Sprecher angeprangert. Diskursspezifische Wortbildungen wie das metaphorische Kompositum Sprachpanscher bilden dann wiederum auf propositionaler Ebene der Texte als Stigmawörter den lexikalischen Kern von Metaphernbereichen, die Sprache auf materielle bzw. stoffliche Bildspendebereiche projizieren (cf. Kap. 4.2.2). Das in persuasiver Hinsicht differenzierte Funktionspotenzial von Wortwahl und Wortbildung wird an weiteren Beispielen in Beleg (245) deutlich: Fachterminologisch basierte Neuschöpfungen wie Pidgin-Dialekt in Analogie zum wissenschaftlichen Begriff Pidgin-Sprachen dienen nicht nur der Beschreibung der Degradation des Deutschen von einer Sprache zu einem Dialekt, sondern auch der Legitimation des implizierten SPRACHVERFALLSTOPOS durch fachwissenschaftliche Konzepte. Konter-affine syntagmatische Wortverbindungen wie die deutsche Sprache gründlich misshandeln zielen auf die für fremdsprachenpuristische Haltungen typische Anthropomorphisierung von Sprache (cf. Kap. 4.2.2) und die Evokation von Abneigung und Betroffenheit beim Leser. Die okkasionelle Kollokation gründlich misshandeln anstelle des usuellen [*schwer misshandeln] beschreibt den Gebrauch von Anglizismen nicht nur als Vorsatz, sondern auch als systematisches, geplantes Vorgehen der Sprecherin. Dem Kunstwort Denglish entspricht inhaltlich eigentlich am ehesten das französische Amalgam franglais, an dessen Stelle jedoch in den untersuchten

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4 Metasprachdiskurse als ideologische Systeme

Daten das weitreichendere globish getreten ist. Darüber hinaus ist zu bemerken, dass im gesamten Korpus weder Denglish noch globish signifikant häufig auftreten, sodass aus korpuslinguistischer Perspektive eine quantitative Musterhaftigkeit beider Lexeme zu verneinen ist. Gleiches gilt für die insgesamt vereinzelt auftretenden ad hoc-Kompositionen, die quantitativ nicht aussagekräftig sind, jedoch für das vorliegende Korpus als hinreichender Beleg für den Ansatz gelten können, weder qualitativen noch quantitativen Analysemethoden den Vorzug zu geben. Dies bedeutet jedoch nicht, dass für größere Korpora und heterogenere Datenmengen die quantitative Aussagekraft der Ergebnisse steigen kann. Als letzte Unterkategorie des ELITENTOPOS bemängelt der JOURNALISTENTOPOS sprachliche Verfehlungen medialer Akteure unterschiedlicher Bereiche. So wird am Beispiel der Sportberichterstattung der mittlerweile im gesprochensprachlichen Varietätengefüge konventionalisierte Gebrauch des Perfekts anstelle der normativ festgelegten Präteritumsform kritisiert. Ebenso spottet der Verfasser über die pleonastische Ergänzung des Substantivs Sieg durch das Adjektiv perfekt: (246) Der Sportjournalismus produziert Sätze wie „Er hat mit seinem Treffer den 2:1-Sieg perfekt gemacht“ am laufenden Band. Erstens ist das Perfekt nirgendwo perfekter als im Sport. Und zweitens ist nirgendwo ein Sieg wertvoller als ebendort. Deshalb dürfen wir uns nicht wundern, dass es neben dem einfachen Sieg auch den perfekten gibt (SN 2014.2, 31). Beide Angriffspunkte belegen, dass Sprachpflege Änderungen im Sprachgebrauch, die wie im Fall der standardsprachlichen Aufweichung des Vergangenheitsparadigmas natürlichen Sprachwandelprozessen unterliegen, zum einen einer apodiktischen Verneinung unterzieht und diese zum anderen auch nicht in Abhängigkeit vom kommunikativen Kontext der betrachteten sprachlichen Äußerung reflektiert. Dies schließt wie im vorliegenden Beispiel auch die Berücksichtigung der Tatsache mit ein, dass Sprache im medialen Kontext auch einem bestimmten Register unterliegen kann, das sich bewusst an einem nähesprachlichen Standard orientiert und funktional in erster Linie auf die Aufmerksamkeit der Zuschauer ausgelegt ist. 4.2.1.2 Sprachkorpusbezogene Topoi Wie bereits oben hervorgehoben wurde, können in beiden Teilkorpora nur wenige Äußerungen ermittelt werden, die sich auf Themen oder Maßnahmen einer Sprachkorpusplanung beziehen (cf. Abb. 19). Im Journal d’ALF sind Überlegungen zur Struktur und Funktion des Französischen oder Sprachen zum Erwerb

527

4.2 Diskurssteuerung und metasprachliche Handlungsebenen

der Standardsprache so marginal vertreten, dass eine inhaltliche Zusammenfassung zu einer oder mehreren topischen Strukturen nicht möglich ist. Aus diesem Grund findet im Folgenden auch keine weitere qualitative Interpretation dieser versprengten Datenfunde statt. Auch in den Sprachnachrichten entfällt im Vergleich zu sprachstatusbezogenen Topoi lediglich ein Fünftel des Äußerungsanteils auf die Diskussion der innerlinguistischen Struktur sprachlicher Phänomene. Trotz der geringen Verteilung können die sprachkorpusbezogenen Topoi im deutschen Teilkorpus in weitere Bereiche untergliedert werden. Die am stärksten vertretene inhaltliche Kategorie kann zu einer eigenständigen argumentativen Struktur, dem GENDERTOPOS, zusammengefasst werden. Dieser Topos dient der Kritik an Änderungsvorschlägen für den Sprachgebrauch, die eine geschlechtersensible Erweiterung und/oder Modifikation sprachlicher Einzelformen und Ausdrücke avisieren und somit Einfluss auf standardsprachlich normierte Strukturen des grammatischen und lexikalischen Apparats nehmen. Sprachkorpus (VDS) 25

20

15

10

5

0 Gendertopos

Lexikon

Orthographie

Phonetik

Logik

Abb. 25: Sprachkorpusbezogene Topoi (VDS).

Der GENDERTOPOS zählt zu den Topoi, die das Gewicht sprachideologischer Beweggründe in metasprachlichen Äußerungen besonders gut zu erkennen geben. Argumentative Strukturen innerhalb dieses Topos stehen stets im Zusam-

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4 Metasprachdiskurse als ideologische Systeme

menhang mit politisch-sozialen Interessen von Sprachpflege, d. h. das sprachliche Handeln der «ideology brokers» beruht auf einer sprachlichen, aber auch sozialen Dialektik, die für sprachpuristische Ansätze innerhalb der Sprachkorpusplanung ausschlaggebend ist. Wie in anderen metasprachlichen Auseinandersetzungen im Spannungsfeld von Standardsprache und Variation, bei denen es um Eingriffe in das Sprachkorpus geht, stellen auch die von Vertretern eines geschlechtersensiblen Sprachgebrauchs formulierten «Forderungen zur Revision sprachlicher Normen oder des Umgangs mit ihnen […] Strukturen der Macht in Frage» (Bochmann 1993, 41). Diese Strukturen sind für Sprechergemeinschaften und Nationen alleine aufgrund ihrer historisch-kulturellen Dimension identitätsbildend. Sie sind Alleinstellungsmerkmale sprachnationalistischer Wertesysteme. Wie die folgenden Beispiele zeigen, zielt der VDS durch ein möglichst breites Spektrum argumentativer Realisierungen des GENDERTOPOS darauf ab, durch das Aktivieren unterschiedlicher Spracheinstellungskomponenten beim Publikum eine ablehnende Haltung zu einem geschlechtersensiblen Sprachgebrauch zu generieren. Dazu dient einmal der Verweis auf öffentliche Autoritäten wie z. B. Bastian Sick, dessen populärwissenschaftlich orientierte Sprachkritik sich aufgrund der pointierten Darbietung sprachlicher Fehltritte großer Beliebtheit beim sprachinteressierten Publikum erfreut: (247) Natürlich kommt Bastian Sick auch zum Thema geschlechtergerechte Sprache und deren Verfehlungen. Beispiele sind die auf Aushängen gesuchten „Friseurin/er“, „Aushilferin“ oder „KrankenschwesterIn“. Und auch „Miss und Mister Berlin“ haben sich für die „Miss Germany Wahl im kommenden Jahr“ qualifiziert“ (SN 2014.4, 11). Solche Abwertungsstrategien auf der Grundlage induktiver Beispielargumentation dienen in kognitiver Hinsicht zunächst der inhaltlichen Veranschaulichung des GENDERTOPOS. Darüber hinaus wird die affektive Steuerung der Spracheinstellungen durch die sarkastische Darbietung sprachlicher Verfehlungen angestoßen. Die Verspottung der Prinzipien geschlechtergerechter Sprache führt dazu, Letztere als Nonsens zu bagatellisieren. Dabei werden apodiktische Urteile über die Richtlinien und Strategien geschlechtergerechter Sprache gefällt. Diese werden allerdings ausschließlich durch Negativbeispiele oder fehlerhafte Bildungen untermauert. Dabei werden wiederholt Fehler angeführt, die bei der Sichtbarmachung des Genus entstehen. Ein Beispiel hierfür sind grammatische Hyperkorrekturen wie die o. g. Beispiele «Aushilferin» oder «KrankenschwesterIn» (cf. 247).

4.2 Diskurssteuerung und metasprachliche Handlungsebenen

529

Andere Belege kritisieren nicht die Sichtbarmachung, sondern die Neutralisierung des Genus (cf. 248). Dabei zeigt das folgende Beispiel, wie stark der GENDERTOPOS sprachideologisch regiert ist. (248) Dea Mitarbeita“, Plural „Mitarbeitas“: Das empfiehlt die Arbeitsgruppe „Feministisch Sprachhandeln“ der Humboldt-Universität zu Berlin ihrem Leitfaden [sic] für antidiskriminierende Sprache. Er ist eine Bestandsaufnahme aller möglichen Schreibweisen, um neutral mit dem sozialen Geschlecht in der deutschen Sprache umzugehen. Vorschläge sind etwa neben dem „a“ als Ersatz für die „er“-Endung: einen Unterstrich an beliebiger Stelle („Mita_rbeiterin“) oder bei Wortstämmen und Silben („Mitarbeit_erinnen“) zu setzen, ein Sternchen (*) oder ein „x“ am Wortende oder das @-Zeichen im Wort „m@n“ einzufügen. Die Medien stuften dies als „Gender-Wahnsinn“ (Focus Online) hin zur „entmännlichten Sprache“ (Bild-Zeitung) ein. Der VDS erklärte im Fernsehsender N24, dass die vorgeschlagenen Änderungen nicht durchsetzbar seien, weil sich die grammatische Kategorie Genus des Deutschen nicht einfach abschaffen lässt (SN 2014.2, 13). Der einsteigende Hinweis auf die Verwendung sog. «a-Formen» zur Neutralisierung von Substantiven und Pronomina beabsichtigt einen psychologischen Effekt, der auf eine Aktivierung von Einstellungen beim Leser abzielt. Da die «aFormen» im Vergleich zu bereits integrierten Varianten («Binnen-I», «generisches Femininum» etc.) bisher weniger etabliert sind, wird die Aufmerksamkeit der Leser v. a. darauf gelenkt, dass die Sprachgebrauchsform einen markanten Eingriff in die Flexionsmorphologie des Deutschen vorsieht. Es kann angenommen werden, dass die Konfrontation mit der Form bei den Rezipienten verschiedene Affekte auslöst, die im Fortgang der Argumentation zu einer ablehnenden Spracheinstellung ausgebaut werden. Der Hinweis, dass es sich bei den «a-Formen» um eine Gebrauchsvariante handelt, die von der Arbeitsgruppe neben anderen Varianten vorgeschlagen werden, ist bewusst in der Chronologie der Argumentation nachgestellt. Die Ablehnung der Formen im Allgemeinen wird dann durch Verweise initiiert oder gefestigt, die auf externen Positionierungen medialer Autoritäten beruhen. Mit den Zitaten aus Focus und Bild-Zeitung werden gezielt polemisierende Formulierungen wiedergegeben, die durch ihren metaphorischen Gehalt auf die Pathologisierung sprachlicher Variation («Gender-Wahnsinn») und, wie in Beleg (245), auf eine Anthropomorphisierung der deutschen Sprache abzielen. Derartige anthropomorphe Entwürfe beruhen im untersuchten Korpus mehrheitlich auf einem organistischen Metaphernbereich (SPRACHE ALS ORGANISMUS), aktivieren jedoch auch Konnotationen, «die

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4 Metasprachdiskurse als ideologische Systeme

konkret in diesen Beispielen zusätzlich menschliche Eigenschaften, Emotionen und Handlungen rahmen. Das bedeutet, der betreffende Bildempfänger wird durch derartige anthropomorphe Modelle personifiziert» (Leonhardt 2011, 67). Diese Emotionsaktivierung bzw. -kodierung in und durch topische Strukturen ist bei der Konstruktion von Spracheinstellungen als wesentlicher Bestandteil diskurslinguistischer Argumentationsanalysen zu berücksichtigen. Sie ermöglicht es, Positionierungen, die fast ausschließlich auf sprachideologischen Überzeugungen beruhen, affektiv so zu festigen, dass sie sich durch sich selbst legitimieren. Dies verdeutlicht die unbegründete assertorische Konklusion des VDS, derzufolge sprachliche Änderungen durch geschlechtergerechte Konzepte deshalb abzulehnen sind, «weil sich die grammatische Kategorie Genus des Deutschen nicht einfach abschaffen lässt». Auch diese Haltungsäußerung beruht auf einer Hypostatierung von Sprache respektive der grammatischen Kategorie Genus, die durch den reflexiven Gebrauch von «abschaffen» indiziert wird. In den Sprachnachrichten entfallen weitere Bereiche der sprachkorpusbezogenen Topik in abnehmender Häufigkeit auf die Bereiche des Lexikons und der Orthographie, wobei im Vergleich zum GENDERTOPOS das im Verhältnis zur Textfläche geringe Vorkommen dieser Kategorien eine Einordnung als topisches Sprachgebrauchsmuster kaum zulässt. Weitere, vereinzelte Äußerungen beziehen sich auf phonetische Aspekte und Fragen zur sprachlichen Logik, werden aber aufgrund ihres sporadischen Vorkommens hier nicht weiter beschrieben. Metasprachliche Äußerungen, die sich auf das Lexikon der deutschen Sprache beziehen, fungieren häufig als Beispielargumentationen, um den SPRACHVERFALLS- und ANGLIZISMENTOPOS zu untermauern. Dabei werden nachweisliche oder vermutete innersprachliche Änderungen im Wortschatz als Indizien (cf. 249–250) oder Inferenzen aus dem Englischen als Ursachen einer abnehmenden sprachlichen Vitalität angeführt (cf. 251), die bis zum Sprachensterben oder Sprachentod führen können. Auch diese Argumentationen beruhen auf animistischen Metaphernmodellen. Dabei wird von den sprachlich Handelnden die mentale Wahrnehmung des Sprachverfalls bzw. Sprachensterbens sogar als apperzeptive Verbindung zum eigenen körperlichen Wohlbefinden beschrieben (cf. 249): (249) Das kleine Wörtchen „deshalb“ stirbt. Obwohl immer behauptet wird, dass sich die Sprache in unserer so rationalen Zeit zur Vereinfachung und Verkürzung hin entwickelt, beobachte ich seit langer Zeit auch unnötige Aufblähungen. Mir gibt es immer einen richtigen Stich, wenn statt des Wörtchens „deshalb“ nur noch „von daher“, „insoweit“ oder „insofern“ gesagt wird (Leserbrief, 2014.2, 23).

4.2 Diskurssteuerung und metasprachliche Handlungsebenen

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(250) Gefährlicher wird es, wenn ein Wort wie „mehrmals“ vom Aussterben bedroht ist, weil an seiner Stelle Alternativen verwendet werden, die einen ziemlichen oder sogar völlig anderen Sinn ergeben. Fast immer wird statt „mehrmals“ „mehrfach“ verwendet. Zum Beispiel „Angela Merkel hat mehrfach Putin besucht“. Ist sie zu diesem Behufe geklont worden (Leserbrief SN 2014.3, 25)? (251) Immer stärkere Einflüsse der englischen Sprache im Alltag können jedoch auch zu einem langsamen Sprachsterben führen (SN 2014.2, 9). Topische Verbindungen zwischen Wortschatzkritik und dem gegenstandsübergreifenden ANGLIZISMENTOPOS beziehen sich in der Regel auf konkrete Fallbeispiele aus dem alltäglichen Sprachgebrauch. Die Festlegung von deutschen Ersatzwörtern für englische Lehnwörter wird dabei von den Sprechern selbst als Pflicht gegenüber der eigenen Sprache empfunden (cf. 252) und vom VDS als kollektive Verantwortung und Aufgabe von Sprachpflege instrumentalisiert (cf. 253). (252) Haben Sie übrigens mal überlegt, wie man den englischen Ausdruck whistleblower ins Deutsche übersetzen kann? Man könnte vielleicht sagen, ein „Zuflüsterer“, oder ein „Informator“. Es ist schade, dass sich die Deutschen keine Mühe geben, für solche englischen Ausdrücke ein Wort der eigenen Sprache zu finden, wie das etwa die Spanier tun (Leserbrief SN 2014.2, 23). (253) Was ist von der Anweisung NOT-STOP an einer Rolltreppe in einem Kölner Kaufhaus zu halten? Der normale deutsche Amitümler denkt: Bitte nicht anhalten. Und hält nicht an. Der Verein Deutsche Sprache sucht Verbraucher, die wegen dergleichen irreführender denglischer Beschriftungen zu Schaden gekommen sind (etwa wegen des Hinweises stroke unit die Abteilung für Schlaganfallpatienten in einem Krankenhaus nicht gefunden haben). Interessenten bitte bei der Vereinszentrale melden (SN 2014.4, 32). Die Wiedergabe von Spracheinstellungen der Sprecher in der Rubrik «Leserbriefe» (cf. 252) unterstreicht nicht nur den demokratischen Einbezug der öffentlichen Meinung in den Sprachpflegediskurs, sondern dient auch als deiktisches Legitimationsverfahren innerhalb der Zeitschriftenchronologie, indem vom VDS gesetzte Themen immer wieder aufgegriffen und kommentiert werden. Beleg (252) zeigt, dass beim Sprecher eine emotive Haltung zu fehlenden Ersatzwörtern besteht, wobei er die Deutschen als Sprechergemeinschaft kollektiv anklagt

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4 Metasprachdiskurse als ideologische Systeme

und sich auch an der Sprachpflege anderer Länder orientiert. Solche beim Sprecher bereits bestehenden Spracheinstellungen, die auf einer klaren, aber gemäßigten Haltung zur Sprachpflege beruhen, versucht der VDS durch radikale und apodiktische Argumentationen sprachideologisch zu pervertieren. Negative Einstellungen zu Anglizismen werden mit der sozialen Stigmatisierung konstruierter Sprechertypen begründet. So ist die fiktive Kategorie des «normalen deutschen Amitümlers» als einfältiger Personentypus nicht dazu in der Lage, den orthographischen Fehler im deutschen Kompositum NOT-STOP als solchen zu erkennen, ordnet ihn als Anglizismus ein und begibt sich dadurch selbst in Gefahr. Solche erdachten Szenarien geben ein verzerrtes Bild der sprachlichen Realität und der Wissensbestände und Einstellungen der Sprecher ab, um in diesem Fall das Verbraucherschutzargument im Kontext englischer Bezeichnungen im öffentlichen Raum zu stützen (cf. 253). Wie die Lexik wird auch die Orthographie des Deutschen stets in intertopischer Relation mit dem SPRACHVERFALLSTOPOS thematisiert. Dabei bezieht sich die Kritik an abnehmenden Kompetenzen in der Rechtschreibung und anderen Bereichen des innersprachlichen Systems v. a. auf die defizitäre sprachliche Ausbildung an den Hochschulen. (254) Wir haben in Deutschland ein Problem: Menschen mit offenbar nur rudimentären Deutschkenntnissen werden in diesem Land ohne Probleme Deutschlehrer. Es gibt keine verbindliche Ausbildung für Lehrer in den Bereichen Orthografie, Interpunktion, Grammatik, Stilkunde, Semantik. Zwar werden durchaus diese Inhalte an der einen oder anderen germanistischen Fakultät angeboten. Aber im Rahmen der Studienplanung bleibt es den Studierenden in der Regel vollkommen selbst überlassen, ob sie diese Angebote wahrnehmen oder nicht. Das führt dazu, dass Studierende des Faches Deutsch auf Lehramt in ihr Referendariat durchstarten können, ohne in der Lage zu sein, einen einzigen fehlerfreien Satz zu schreiben (SN 2014.1, 4). (255) Fiel vergnühgen! Soso, „von einer Rechtschreibkatastrophe kann nicht die Rede sein“, stellt Ihr Autor Peter May in der FAZ. vom 8. November gleich in der Schlagzeile zu einem längeren Artikel zum Thema Orthographie fest, darin eine ganze Reihe wissenschaftlicher Studien zum Thema zitierend. Verzeihen Sie mir, wenn ich dennoch gewisse verbleibende Zweifel habe, ob das denn stimmen kann. Als Hochschullehrer (Fachgebiet VWL) ist es eine meiner Aufgaben, viele studentische Bearbeitungen, vor allem Klausuren, zu lesen. Aufgrund der in meiner – natürlich subjektiven und gänzlich unwissenschaftlichen – Wahrnehmung bemerkenswerten Zunahme von Fehlschreibungen habe ich vor einiger Zeit

4.2 Diskurssteuerung und metasprachliche Handlungsebenen

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einmal begonnen, diese in einer separaten Datei des von mir so gewählten Titels „RechtSCHREIbung“ aufzulisten. Eine kleine Kostprobe gefällig (wohlgemerkt, es handelt sich nicht um Schulaufsätze, sondern ausnahmslos um exakt übernommene Auszüge aus studentischen Klausuren; wo der Sinn des Begriffs eventuell ohne Erläuterung nicht erkennbar ist, füge ich ihn in Klammern an)? Voila: sesonal, konjungturell, struckturell, klasisch, Jugentliche, dem zu vollge, Vortschritt, resorcen, Allokation, Verzährung des Wettbewerbs, Wettbewerbsverzehrung, verlohren, Produckte, Supvensionen, konvertiebel, Roöl, Lockführer […] (SN 2014.1, 5). Auch hier legitimiert der VDS die eigene Behauptung, im germanistischen Lehramtsstudium gebe es keine obligatorische Ausbildung in der Sprachpraxis (cf. 254), mit Beispielargumentationen externer Autoritäten, wie der von einem Hochschullehrer auf der Grundlage studentischer Arbeiten angefertigten Liste orthographischer Fehlschreibungen. 4.2.1.3 Gegenstandsübergreifende Topoi Bei den gegenstandsübergreifenden Topoi konnten im Zeitschriftenkorpus vier Kategorien ermittelt werden, die in folgender Verteilung nach absteigender Häufigkeit in den ANGLIZISMENTOPOS sowie die Topoi aus KULTUR, IDENTITÄT und HISTORIZITÄT eingeteilt wurden. In analytischer Hinsicht zeichnen sich diese Topoi durch ein höheres Argumentationspotenzial aus, da sie sich auf Wesensmerkmale und Grundannahmen beziehen, die aus der reziproken Beziehung von Sprache und Gesellschaft resultieren. In dieser Funktion können sie korpus- und statusbezogene Topoi überlagern, begründen oder veranschaulichen. Dabei unterscheidet sich der ANGLIZISMENTOPOS allerdings insofern von den übrigen gegenstandsübergreifenden Topoi, als er ein zeit-, sprach- und gesellschaftsspezifisches Phänomen ist, das v. a. in den europäischen Nationalsprachen zum Tragen kommt. Er ist folglich in seiner diskursiven Reichweite sowohl zeitlich als auch räumlich beschränkt. Kultur-, identitäts- und historizitätsbasierte Argumentation haben hingegen den Status sprachpflegerischer Universaltopoi inne. Zum einen ergeben sich bei der Zusammenschau dieser gegenstandsübergreifenden Topoi, wie auch an anderen Verteilungen gezeigt wurde, qualitative Differenzen in den Teilkorpora (cf. Abb. 26). Der KULTURTOPOS, unter dem kulturbezogene Aktivitäten von Sprachpflege zusammengefasst werden, die eine traditionsorientierte Sprachkultivierung bei und mit den Sprechern anstreben, konnte nur im deutschen Teilkorpus nachgewiesen werden. Unter diesem Topos wurden mehrheitlich sprachaktivis-

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4 Metasprachdiskurse als ideologische Systeme

Gegenstandsübergreifende Topoi

Historizitätstopos

Identitätstopos ALF VDS

Kulturtopos

Anglizismentopos

0

20

40

60

80

100

120

Abb. 26: Gegenstandsübergreifende Topoi (Zeitschriftenkorpus).

tische Initiativen des VDS verortet, die eine gezielte Zusammenführung deutscher Sprach- und Kulturförderung beabsichtigen. Der IDENTITÄTSTOPOS geht von der Prämisse aus, dass Sprache in ihrer sozialen Funktion identitätsbildend ist, wobei sie sowohl als Fundierung kollektiver Einheit auf nationaler Ebene als auch i. S. einer individuellen Wesensbildung und Zugehörigkeit mittels Sprache verstanden wird. Der HISTORIZITÄTSTOPOS begründet die historische Legitimation des Deutschen und Französischen als souveräne Nationalsprachen. Dabei greift er auf kollektive Wissensbestände der deutschen und französischen Sprachgeschichte, Sprachkultur und Sprachpflege zurück. Zum anderen ergibt sich beim ANGLIZISMENTOPOS eine quantitative Differenz zwischen dem deutschen und französischen Zeitschriftenkorpus, die aus statistischer Perspektive kurz kritisch reflektiert werden soll. Wie im Rahmen der Überlegungen zum methodischen Design dieser Arbeit dargelegt wurde, dient die Quantifizierung qualitativer Analyseergebnisse einer Veranschaulichung der Musterhaftigkeit sprachlichen Handelns im Diskurs. Die absolut ausgezählten Häufigkeiten der Topoi bilden dabei die Summe der im qualitativen Kodierungsvorgang vorgenommenen Textmarkierungen ab, die einer bestimmten Inhaltskategorie zugeordnet wurden. Diese absolute Zählung erfolgt im Codesystem von MAXQDA automatisch. Dabei ergibt sich für kontrastive Berechnungen folgendes Problem, das beim Anglizismentopos v. a. aus textsorten-

4.2 Diskurssteuerung und metasprachliche Handlungsebenen

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spezifischen Unterscheiden der Daten resultiert: Im Journal d’ALF befassen sich im Vergleich zu den Sprachnachrichten insgesamt weniger, aber längere Beiträge mit dem Thema Anglizismen. Auch innerhalb der Beiträge konnte die Zuweisung des Textes zum Kode ANGLIZISMENTOPOS fast immer ohne Textunterbrechung vorgenommen werden. In den Sprachnachrichten führt jedoch die deutlich höhere Anzahl kleinerer Kommentare und Randglossen zu einer häufigeren Kodierung des ANGLIZISMENTOPOS, die stets pro Einzelbeitrag vorgenommen wurde.37 Durch diese Differenzen in der Textaufteilung ergibt sich ein quantitativ signifikanter Unterschied in der korpusvergleichenden Verteilung der absoluten Häufigkeiten des Topos (cf. Abb. 26), der sich jedoch beim prozentualen Vergleich der kodierten Textoberfläche relativiert:38 In den Sprachnachrichten wurden insgesamt 77, 34%, im Journal d’ALF 57, 18% der gesamten Textoberfläche dem Kode ANGLIZISMENTOPOS zugeordnet. Der prozentuale Vergleich der Abdeckungsfläche relativiert die zahlenmäßige Differenz deutlich und belegt, dass Anglizismen als Diskussionsgegenstand von Sprachpflege in beiden Teilkorpora eine hohe inhaltliche Bedeutung einnehmen. Was die argumentative Aufbereitung und inhaltliche Steuerung des ANGLIZISMENTOPOS anbelangt, bestehen im sprachlichen Handeln beider Sprachpflegeorganisationen sowohl Gemeinsamkeiten als auch Unterschiede. In den Sprachnachrichten besteht eine Verwendungsspezifik des Topos in seiner Funktion als sprachideologische Begründung des fremdwortpuristischen Diskurses. Dabei geht es nicht wie in den übrigen Belegen um die Kritik am dominanten Status der englischen Sprache in verschiedenen gesellschaftlichen Domänen oder um die Durchdringung des deutschen Sprachkorpus durch Einflüsse aus dem Englischen, sondern um die sprachideologische Fundierung dieser Ablehnung. Das argumentative Vorgehen ähnelt dabei der ontologisierend-patriotischen Ausprägung der frühneuzeitlichen Sprachreflexion, wie sie oben an Beispiel aus Schottelius’ Ausführlicher Arbeit (1663) verdeutlicht wurde (cf. Kap. 3.2.1). Im Vordergrund dieser ideologischen Sprachreflexion steht das em-

37 Konsequenterweise müssten bei korpuslinguistischen Berechnungen auch Faktoren wie Schriftart, Schriftgröße, Zeilenabstände und Absätze berücksichtigt werden bzw. müssten die Korpusdaten zu möglichst fehlerunanfälligen statistischen Untersuchungen in ein einheitliches Textformat überführt werden, um eine maximale Vergleichbarkeit zu erzielen. Auf dieses Vorgehen wurde aufgrund des qualitativen Fokus der Arbeit verzichtet. Dort wo quantitative Ungenauigkeiten wie beim ANGLIZISMENTOPOS mit hoher Wahrscheinlichkeit angenommen werden konnten, wurden zusätzliche Berechnungen der mit einem Kode erfassten Textoberfläche durchgeführt. 38 Dieser prozentuale Abdeckungsgrad der Textoberfläche durch einen bestimmten Kode wird von MAXQDA automatisch berechnet. Diese Berechnungen können als separate Datei in Excel exportiert und als Summe zusammengefasst werden.

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4 Metasprachdiskurse als ideologische Systeme

phatische Lob des Deutschen und die in aktuellen Tendenzen deutscher Sprachpflege im Vergleich zur Barockzeit bisher weniger aggressive Behauptung sprachlicher Überlegenheit. Letztere wird im Vergleich zur Sprachideologie des 16. Jhs. weniger aus der Vollkommenheit der deutschen Sprache, sondern aus den offenkundigen Schwächen in der Natur der englischen Sprache abgeleitet: (256) Darf man Sprachen überhaupt vergleichen? Selbst wenn es entscheidende Unterschiede in der Grammatik, im Wortschatz oder im Kommunikationsverhalten gibt, sieht dann die Welt in anderen Sprachen anders aus? Die kontrastive Linguistik sagt, man kann Sprachen strukturell vergleichen; also die strukturellen Übereinstimmungen und Unterschiede aufdecken. Dass man dabei Sprachen und keine Gesellschaften oder Nationen vergleicht und jede Form eines Nationalismus vermeidet, ist selbstverständlich. […] Schauen wir Deutsch und Englisch als Ganzes an, dann fällt uns gleich der Unterschied im Sprachbau auf. Während Englisch einen analytischen Sprachbau besitzt, in dem wegen der fehlenden Kasusformen die Wortstellung entscheidend ist, spielt das im analytischsynthetischen Sprachbau des Deutschen kaum eine Rolle. Im geschriebenen Englisch kann man die Wortstellung eines Satzes nicht verändern; nur beim Sprechen geschieht es durch unterschiedliche Betonung. Im Deutschen sind dafür drei, vier oder mehr verschiedene Wortstellungen möglich. Dies differenziert die Aussagemöglichkeiten erheblich (SN 2014.4, 6). Eine zentrale Gemeinsamkeit in der Verwendung des ANGLIZISMENTOPOS besteht in der inhaltlichen Fokussierung auf den Bereich des Bildungswesens (cf. 257–259). Dabei geht es um die Kritik an der zunehmenden Rolle des Englischen als Fremd- und Wissenschaftssprache. Die Ablehnung des wachsenden Einflusses bezieht sich dabei auf den gesamten Bildungsapparat von der Grundschule (cf. 257–258) bis zu den Hochschulen (cf. 259): (257)

« […] je trouve honteux, lamentable d’imposer l’anglais, dans les écoles primaires, au cours préparatoire, à la maternelle, à la crèche, à des enfants qui ne savent ni lire ni écrire dans leur propre langue, c’est-à-dire leur langue maternelle, c’est une honte » (JALF 2014.3, 26).

(258) Le fait de vouloir enseigner l’anglais à l’école maternelle dès l’âge de trois ans est une idée non seulement aberrante et absurde, mais aussi criminelle. Si elle venait à être mise en œuvre, elle serait éminemment destructrice, tant pour la langue et la culture françaises que pour le développement intellectuel de ses enfants. D’abord, si on voulait à terme ré-

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duire notre langue à une sorte de patois appelé à disparaître peu à peu, on ne s’y prendrait pas autrement (JALF 2014.3, 10). (259) Und in Kapitel 58: „Deutsch oder Englisch als Wissenschaftssprache?“ macht der Autor auch aus seinem Unbehagen über die Zwangsamerikanisierung der tertiären Bildung in Deutschland keinen Hehl: „Es ist keine linguistische Ideologie, sondern historische und aktuelle Erfahrung, dass der Verzicht auf die eigene Sprache einen Verzicht auf lebendige Teilhabe am Prozess wissenschaftlichen Fortschreitens bedeutet“ (SN 2014.4, 22). Auf lexikalischer Ebene sind in den französischen Beispielen die pejorativen Kollokatoren der Syntagmen imposer/enseigner anglais hervorzuheben («honteux», «lamentable», «abberante», «absurde», «criminelle», «destructrice»), die eine starke affektive Ablehnung des Englischen als fester Bestandteil des frühen Fremdsprachenlernens ausdrücken. Darüber hinaus besteht eine semantische Konvergenz des deutschen und französischen Teilkorpus in der Verwendung von Wörtern, die das Konzept eines «sprachlichen Zwangs» ausdrücken. Im Journal d’ALF wird das Konzept ausschließlich durch das Verb imposer ausgedrückt, in den Sprachnachrichten stellen Determinativkomposita mit dem substantivischen Erstglied Zwang- ein rekurrentes Wortbildungsmuster dar, das in anderen inhaltlichen Ausrichtungen des ANGLIZISMENTOPOS vorkommt (cf. 260), aber auch zur Spracheinstellungsbildung gegen gendergerechte Sprache eingesetzt wird (z. B. in SN 2014.3, 4: «Zwangs-Entmännlichung», SN 2014.3, 28: «totalitäre Zwangsmaßnahmen»). (260) Wolfgang Joop, der sogar dem SPIEGEL als penetranter DenglischSchwätzer aufgefallen ist: „Traditionell demonstrieren Juroren [bei der Fernsehsendung ,Germany’s Next Topmodel‘ (GNTM)] ihre unüberwindliche Zwangsinternationalität gerne mit ihrer Unfähigkeit, einfach ganz normal Deutsch zu sprechen“ (SN 2014.2, 2). Eine weitere inhaltliche Kongruenz besteht in der argumentativen Überlagerung des ANGLIZISMEN- und ELITENTOPOS, d. h. in der musterhaften Systematisierung eines Kausalzusammenhangs zwischen positiven Einstellungen bestimmter gesellschaftlicher Akteure zum Gebrauch der englischen Sprache in öffentlichen Räumen und negativen Auswirkungen auf Status und Korpus der deutschen und französischen Sprache. Der ANGLIZISMENTOPOS dient in dieser Funktion der Schuldzuweisung und Anklage gesellschaftlicher Gruppen als Verantwortliche des sprachlichen Niedergangs sowie der diskursiven Konstruktion und Fundierung eines repräsentativen Öffentlichkeitsmodells, das die Rolle von

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Sprachpflegeorganisationen als Interpellatoren des korrekten Sprachgebrauchs und Bewahrer der Mutter- und Nationalsprache legitimiert. Neben der Anklage von Politikern und Vertretern der Wirtschaft (cf. 243– 245) werden auch die Medien für den kritischen Status des Französischen und Deutschen verantwortlich gemacht. Die Kritik an öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten wie am Österreichischen Rundfunk (cf. 261) oder an France Culture (cf. 263) wird dabei unterschiedlich begründet. Der Vorschlag einer staatlichen Sprachregulierung im österreichischen Radio mittels Einführung einer Quote von 30–40% für österreichische Musik wird mit der Wahrung des kulturellen Wertes der deutschen Sprache und der Förderung deutschsprachiger Künstler begründet. Diese sprachpolitische Initiative erinnert an die französische Radioquote, die bereits 1994 durchgesetzt wurde und fundiert Bestrebungen des VDS, eine solche sprachpolitische Regulierung auch in Deutschland einzuführen. Neben dem Argument der Kulturförderung, das durch mehrere Autoritätsverweise gestützt wird (Kultursprecherin SPÖ, Kultursprecherin ÖVP, Kulturminister) steht erst am Ende der Argumentation die Schlussregel, mit der die soziale Opposition zwischen Eliten («Arroganznasen») und Öffentlichkeit geschärft wird: Der Appell an die Sprecher als Steuerzahler impliziert die Forderung nach einer umfassenden Demokratisierung der Sprachendiskussion auf allen öffentlichen Ebenen («Wer zahlt, darf auch mitbestimmen, welche Musik im Radio gespielt wird»). Der ELITENTOPOS beruht also klar erkennbar in erster Linie auf sozialen und in zweiter Linie auf sprachlich-kulturellen Prämissen. Entscheidend ist darüber hinaus, dass der ANGLIZISMENTOPOS auf sprachlicher Ebene nicht ausgedrückt werden muss, sondern durch den Kontext Radiomusik in die Argumentation implikatiert ist. (261) 30–40 Prozent der Musik in den öffentlich-rechtlichen Rundfunksendern Österreichs seien für Musik aus Österreich zu reservieren. Das fordert die Kultursprecherin der Sozialistischen Partei Österreichs, Elisabeth Hakel. „Die Selbstverpflichtung des ORF funktioniert nicht“, begründete sie diesen Vorstoß Ende April in der Wiener Tageszeitung Der Standard. Also brauche es eine Quote per Gesetz. Auch die Kultursprecherin der Österreichischen Volkspartei schloss sich dieser Meinung an: „Für die aktive Unterstützung österreichischer Künstler ist gerade im ORF eine Mindestquote ein tauglicher Ansatz“, erklärte sie kurz später in der Zeitung Österreich. „Die verstärkte Präsenz österreichischer Künstler ist erstrebenswert und wichtig.“ Inzwischen hat auch der österreichische Kulturminister Josef Ostermayer diese Sicht der Dinge übernommen. Sein Haus erarbeite gerade eine entsprechende Regelung. Soweit es europarechtlich möglich sei, könne der sich durchaus eine Quote vorstellen. Der ORF

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selbst dagegen lehnt eine staatlich verordnete Quote ab. Das kennt man ja aus Deutschland. Also wird es höchste Zeit, diesen Arroganznasen einmal deutlich zu zeigen, wer eigentlich ihre Gehälter und ihre Rundfunkanstalten bezahlt (SN 2014.2, 19). Im französischen Teilkorpus geht es bei der Verschränkung des ELITEN- und ANGLIZISMENTOPOS entsprechend der in Frankreich bereits bestehenden Gesetzeslage nicht um die Durchsetzung, sondern um die Umsetzung sprachpolitischer Regularien. An erster Stelle steht dabei gemäß der Satzung des ALF (cf. Kap. 3.3.9) die Verpflichtung des öffentlichen Dienstes zur Einhaltung der loi Toubon. Auch hier erfolgt die Legitimation sowohl der Kritik an der Nutzung des Englischen als auch an der mangelnden Gesetzestreue im Staatsdienst stehender Akteure durch Autoritätsverweise. Mit Marc Fumaroli und Érik Orsenna, beide Mitglieder der Académie française, wird dabei auf das puristische Wertesystem klassischer französischer Sprachpflege verwiesen: (262) Marc Fumaroli a expliqué le fonctionnement de la Commission générale de terminologie et de néologie et regretté de voir si peu ou mal appliquée la loi Toubon. Jacques Toubon, intervenant dans l’assistance a alors affirmé que « ce sont certains services publics qui croient qu’utiliser des noms à consonance anglaise aide à vendre leurs produits » et qu’ils justifieraient le vote d’une loi Toubon-bis qui leur serait spécifiquement applicable. Pour Érik Orsenna : « les responsables de services public [sic] veulent jouer jeune et moderne mais ils sortent de leur mission. […] On fait trop de lois et on ne les applique pas ! […] Et les journalistes de l’audiovisuel devraient savoir faire des coupes dans les interviews de gens qui parlent mal car ils en font des exemples… » (JALF 2014.1, 18). An anderer Stelle wird im Rahmen der Kombination beider Topoi der Sprachgebrauch der Journalisten anhand konkreter Beispiele kritisiert. Dabei geht es wie im folgenden Beleg um den Ersatz französischer Wörter durch englische Lehnwörter (eng. box anstelle von fz. boîte). Diese negative Positionierung zu Entlehnungen aus dem Englischen als Bestandteilen einer kommerziellen Strategie beruht wie in Beleg (253) auf einem implizierten Verbraucherschutzargument: (263) Il est insupportable de la part d’une chaîne qui a pour nom France-Culture (j’imagine que les autres en font autant, mais je ne les écoute pas). La raison de ma plainte est l’utilisation de mots qui n’ont rien à faire dans le discours de vos journalistes ou chroniqueurs. J’aimerais donc qu’une fois pour toutes vous bannissiez des mots comme efficient, ou, summum

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du ridicule : box ! Que ce soit en français ou en anglais, cela ne signifie rien. Ce n’est qu’une opération commerciale parce que ça fait mieux de dire box à la place de modem. Mais votre indispensable « boîte » est un modem (modulateur/démodulateur) ! Je vous remercie de passer en revue tous les termes du même genre et de les bannir une fois pour toutes de votre langage (ALF 2014.2, 29). Unter dem ausschließlich in den Sprachnachrichten nachgewiesenen KULTURTOPOS können zum einen metasprachliche Äußerungen subsumiert werden, die auf die Beteiligung des VDS an einer breit angelegten Förderung des Deutschen durch Kulturveranstaltungen wie dem «Festspiel der deutschen Sprache» oder dem Schulprojekt «Klasse! Wir singen» anspielen. In sprachideologischer Hinsicht indizieren solche Projekte den Gemeinschaftssinn, den die deutsche Sprachpflege als Bürgerbewegung im Zentrum ihrer Leitlinien anführt. Kulturveranstaltungen als Begegnungen zwischen den Sprechern und Motoren eines sprachlich-kulturellen Zusammengehörigkeitsgefühls heben die soziale Funktion der deutschen Sprache und ihren traditionellen Wert hervor. (264) Beim achten Festspiel der deutschen Sprache […] kam Kammersängerin und VDS-Mitglied Prof. Edda Moser eine besondere Ehre zuteil: Ministerpräsident Dr. Reiner Haseloff überreichte Edda Moser den Verdienstorden des Landes Sachsen-Anhalt, weil sie das Festspiel begründete und leitet sowie für ihren kompromisslosen Einsatz für die deutsche Sprache als europäisches Kulturgut und weil sie dem Goethe-Theater in Bad Lauchstädt seine Bedeutsamkeit zurückgegeben, nationale Aufmerksamkeit verschafft und dadurch zur Pflege einer einzigartigen Kulturlandschaft beigetragen habe (SN 2014.4, 5). (265) Das Schulprojekt „Klasse! Wir singen“, das bereits im vergangenen Jahr über 50.000 Kinder in Dortmund, Münster und Bielefeld begeistert hat, kommt auch in den Regierungsbezirken Düsseldorf und Köln gut an. Für die großen Liederfeste in der KöPi-Arena Oberhausen haben die Schulen bereits über 10.000 Kinder angemeldet! Der VDS ist seit 2012 Kooperationspartner des Projektes (SN 2014.1, 24). Zum anderen werden derartige Positivbeispiele deutscher Sprachkulturförderung öffentlichen Projekten und Veranstaltungen gegenübergestellt, bei denen die Vitalisierung der deutschen Sprache als Kulturgut durch die englische Sprache in den Hintergrund tritt. Dies verdeutlicht, dass argumentative Überschneidungen, innerhalb der gegenstandsübergreifenden Topoi und v. a. mit dem ANGLIZISMENTOPOS die Musterhaftigkeit des sprachlichen Handelns der

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«ideology brokers» bedingen. Auch in folgendem Beispiel dient dabei ein patriotisch-ontologisierender Sprachbegriff, der die naturgegebene Wortschatzvielfalt der deutschen Sprache als Grund ihrer kulturellen Überlegenheit über das Englische anführt, einer eindeutig ideologischen Fundierung der fremdwortpuristischen Tendenz der sprachlichen Äußerung. (266) Brüssel: Notre-Dame du Sablon. So weit musste es kommen: Die Deutschen schämen sich inzwischen ihrer großen Traditionen. Der ansonsten ausgezeichnete deutsche Knabenchor aus Hannover bringt es fertig, ein Weihnachskonzert [sic] ohne eine einzige deutsch gesungene Melodie zu geben. Ungleich dem anschließenden polnischen Violinquartett, wenn ich die immerhin stummen Haydn und Schubert einmal deutsch apostrophieren darf. Das berühmte und fünfhundert Jahre alte O Tannenbaum erschallt als O Christmas Tree. Eine kleine Kontrolle ergibt: das Englische stellt für deutsch: Fichte, Tanne(nbaum) bzw. Kiefer (Föhre) nur eine Vokabel (fir) zur Verfügung. Also lieber gleich Christmas tree (SN 2014.1, 12). Der KULTURTOPOS als Mittel zum Lob des Deutschen als unvergleichliches Kulturgut bezieht sich auch auf die Dimension der deutschen Sprache als Kultursprache. Die topische Betonung der kulturellen Ausnahme des Deutschen verfährt kongruent zur französischen Sprachpflege (cf. Kap. 3.3.2) durch den Verweis auf patrimoniale Leitfiguren der Sprach- und Literaturgeschichte: (267) Und letztlich haben Sprachgelehrte einerseits und Schriftsteller andererseits (z. B. Goethe, die Brüder Grimm, Kafka u. v. m.) maßgeblich dazu beigetragen, einen Sprachstandard zu schaffen, der heute für viele Menschen in Mitteleuropa ein verlässliches Kommunikationsmittel darstellt, schriftlich und mündlich (SN 2014.1, 5). In dieser Form schlägt der KULTURTOPOS inhaltlich eine direkte Brücke zum HISTORIZITÄTSTOPOS, der in beiden Teildiskursen auf sprachgeschichtlich bedeutende Ereignisse und Personen Bezug nimmt, die für Sprachpflege wesensbildend sind. So wird im deutschen Sprachpflegediskurs auf die Begründung der institutionellen Sprachpflege durch die Fruchtbringende Gesellschaft und ihre patriotisch-politischen Ziele hingewiesen (cf. Kap. 3.2.1), wobei Revitalisierungsmaßnahmen der barocken Sprachpflege durch die Gründung der Neuen Fruchtbringenden Gesellschaft (cf. Kap. 3.2.5) vom VDS lobend hervorgehoben und somit als Teil seiner sprachideologischen Positionierung bekräftigt werden:

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(268) Am 24. August 1617, kurz vor Ausbruch des Dreißigjährigen Krieges und ein Jahrhundert nach Beginn der Reformation, wurde in Weimar die Fruchtbringende Gesellschaft gegründet – die erste und größte deutsche Akademie des 17. Jahrhunderts. Unter Vorsitz von Fürst Ludwig I. von Anhalt-Köthen (1579 – 1650) widmete sie sich von Köthen aus der Förderung und Entwicklung der deutschen Sprache, verfolgte bildungsreformerische, christlich-ethische und patriotisch-politische Ziele. Wenige Jahre nach dem Tod des Fürsten begann der Niedergang durch die Entwicklung zu einem höfischen Ritterorden. Die Fruchtbringende Gesellschaft starb bereits 1680 aus. Am 18. Januar 2007 wurde in Köthen eine Neue Fruchtbringende Gesellschaft gegründet, welche in der sprachpflegerischen Tradition der historischen Fruchtbringenden Gesellschaft des 17. Jahrhunderts steht (SN 2014.1, 16). In gleicher argumentativer Absicht steht die folgende Synthese der Meilensteine französischer Sprachpolitik vom 16. bis zum 20. Jh., die eine Fortführung aktueller Tendenzen von Sprachpflege im Sinne des historisch gefestigten Zusammenhangs zwischen Sprache und Nation begründet: (269) 1539 (août) : l’ordonnance – non abrogée ! – de Villers-Cotterêts sur l’état-civil et sur le français, langue du roi, des rapports avec le Roi, donc de sa justice (tribunaux) et de son administration ; langue officielle. L’officialité n’était pas dirigée contre les nombreux autres dialectes, patois et langues de France, mais contre le latin qui en tenait lieu. Louis XIII et Richelieu ont, en 1635, avec l’Académie française, fait de la langue et de son soin, de son affinement, une affaire d’État. Tous les régimes ont suivi cette glorification du français, devenu aux 17è et 18è siècles, la langue de la diplomatie et des traités, la langue des Lumières et de l’élite européenne : un imposant monument national et international. Un objet de culte et un sujet de fierté nationale, élément essentiel de la personnalité de la France, constitutionnalisé en 1992, objet de lois jusqu’à la loi Toubon de 1994 (JALF 2014.1, 11). Ebenso wie bei den übrigen Topoi tritt auch der HISTORIZITÄTSTOPOS gemeinsam mit dem ANGLIZISMENTOPOS auf. Bei dieser argumentativen Verbindung geht es wie im folgenden Beispiel darum, die «exception française» als historische Errungenschaft zu präsentieren und ihre Bedrohung durch den angloamerikanischen Sprach- und Kulturraum herauszustellen. Wie bereits an anderen Beispielen verdeutlicht wurde, ist die Konstruktion von Spracheinstellungen innerhalb solcher topischen Relationsgefüge in den meisten Fällen stark affektiv

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geprägt. Als Beispiel für die «exception française» wird im Folgenden die Vereinheitlichung des metrischen Systems durch die Jakobiner angeführt. Als Errungenschaft der Französischen Revolution indiziert dieses Beispiel nicht nur die ideologische Verknüpfung von französischer Sprache und nationaler Einheit, sondern andere Angabeformen wie das angloamerikanische Maßsystem werden grundsätzlich als Bedrohung des eigenen sprachlichen Systems interpretiert. Dabei wird die Abneigung des «Anderen» respektive Angloamerikanischen durch eine starke emotive Komponente geleitet, die auf lexikalischer Ebene dem Ausmaß eines mentalen Leidens bzw. Erduldens gleichgestellt wird («subir les affres»). Durch topische Korrelationen dieser Art wird die Angst vor dem Sprachverfall auf das gesamte historisch-kulturelle Traditionssystem Frankreichs ausgeweitet: (270) Au lycée, nous avons appris que l’usage des unités de mesure impériales était interdit, nous avions pourtant commencé à subir les affres des pièzes et hectopièzes dont je garde toujours une triste mémoire. Seules les unités du système international (SI) dont le cohérent MKSA (mètre, kilogramme, seconde, ampère) sont permises. Ce système est issu de la Révolution française que certains tentent d’Effacer [sic] avec la langue française (JALF 2014.3, 28). Ebenso wie der HISTORIZITÄTSTOPOS ist auch der IDENTITÄTSTOPOS im deutschen und französischen Diskurs vertreten. Dabei können zwei Spielarten des Topos unterschieden werden, der sowohl die identitätsbildende Dimension von Sprache für den einzelnen Sprecher (cf. 271–273) als auch für die deutsche und französische Sprachgemeinschaft als nationales Kollektiv beschreibt (cf. 274– 276). Für die argumentative Zweckorientierung des Topos ist v. a. das interdependente Verhältnis von Sprache und Identität maßgeblich, d. h. Veränderungen in Sprache und Sprachgebrauch bedingen stets Veränderungen der individuellen und nationalen Identität. Dieses Merkmal von Sprachidentität wird v. a. im Zusammenhang mit dem Einfluss anderer Sprachen angeführt: (271) Après tout, pour un peuple comme pour une personne, la langue me paraît constituer l’essence même de l’identité. Perdre sa langue, c’est perdre son identité, et la remplacer par une langue prétendument supérieure, c’est un pari perdu d’avance car les copies serviles seront toujours inférieures à l’original (JALF 2014.3, 11). (272) Abgesehen davon, dass sich ein Wechsel in eine andere Sprache auf die Identität auswirkt – inwieweit ist der Verzicht auf die eigene Sprache mit Verlust von Macht, auch politischer Macht, verknüpft (SN 2014.4, 8)?

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Darüber hinaus steht der IDENTITÄTSTOPOS mit Fokus auf den einzelnen Sprecher oft im Zusammenhang mit dem Konzept «Muttersprache» als originäre und unverfälschte Ausdrucksform eigener Identität: (273) Ehrliche und handgemachte Musik mit deutschen Texten – das mache ich. [...] Meine Gedanken und Gefühle kann ich meinen Freunden oder Fans in meiner Muttersprache am besten nahebringen (SN 2014.4, 13). (274) Je suis absolument persuadé pour ma part qu’il faut à l’enfant une « langue de rattachement », c’est-à-dire une langue qui soit vraiment la sienne propre et exprime son identité. Et cette langue de rattachement ne peut être que la langue de sa mère, dont il entend le son dès avant sa naissance, la langue dite justement « maternelle » (JALF 2014.3, 11). Wie in Beleg (274) konstatiert wird, stellt die Muttersprache als Ausdrucksform des Denkens und Fühlens in ihrer sozialen Funktion das Bindeglied zwischen individueller und kollektiver Identität dar («langue de rattachement»). Im Fokus dieser vergemeinschaftenden Funktion hebt die kollektive Lesart des IDENTITÄTSTOPOS auf die Bedeutung von Sprache für die nationale Einheit Frankreichs ab: Dabei wird «Sprache» als Bestandteil der Sprachnation im französischen Diskurs zu einer mentalen Größe («passion») psychologisiert (cf. 275), wohingegen im deutschen ihr Symbolcharakter als Teil der nationalen Geschichte und Kultur des Landes sowie ihre partizipatorische Dimension als Instrument demokratischer Teilhabe im Vordergrund steht (cf. 276): (275) Le français, c’est une véritable passion populaire, une passion nationale, un bien partagé qui tient une place centrale dans la construction de l’identité française (JALF 2014.2, 32). (276) Wir wollen in Wittenberg eine Präsentation zur deutschen Sprache aufbauen, die deren Bedeutung für den Bestand und die Fortentwicklung unserer Gesellschaft in den Mittelpunkt stellt. Diese Präsentation soll ein Ort werden, an dem sich die Menschen mit der deutschen Sprache und ihrer Geschichte auseinandersetzen, sie sollen diese Sprache einerseits als wichtigstes Symbol ihrer nationalkulturellen sowie verfassungspatriotischen Identität als auch als wichtigstes Medium der demokratischen Teilhabe erfahren (SN 2014.3, 32). Darüber hinaus dienen Überschneidungen zwischen dem IDENTITÄTS- und HISTORIZITÄTSTOPOS im französischen Teilkorpus der Konstruktion einer frankophonen Sprachidentität jenseits nationaler Grenzen (cf. 277). Diese topische

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Verbindung erhebt die koloniale Expansion zum Merkmal einer «französischen Persönlichkeit». Dabei wird die kritische Reflexion kolonialer Schuld als historische Dimension der Sprachenfrage außen vorgelassen bzw. die Schuldfrage in ein aufgezwungenes und identitätsverneinendes Büßertum verkehrt. In dieser Abwandlung wird der IDENTITÄTSTOPOS zum Erklärungsmodell des ELITENTOPOS umfunktioniert. (277) 1534 : Jacques Cartier au Canada : le début de la Nouvelle France et de l’expansion coloniale, poursuivie jusqu’à l’apogée de l’Exposition coloniale organisée par Lyautey en 1931; cela fait partie aussi de la personnalité de la France, exprimée, après les indépendances, par la Francophonie, organisée depuis 1970 et aussi appelée OIF, élément de personnalité trop négligé par nos élites qui macèrent dans le jus amer de la repentance imposée, en déni (JALF 2014.1, 13). Eine ähnliche argumentative Schattierung des IDENTITÄTSTOPOS kann auch im deutschen Teilkorpus nachgewiesen werden, wenn nicht die Elite, aber die Deutschen als Sprachgemeinschaft angeklagt werden, ihre nationale Identität unüberlegt aufzugeben: (278) Die willfährigen Deutschen sind schnell bereit, ihre sprachliche und damit ihre nationale Identität aufzugeben (SN 2014.2, 22).

4.2.2 Metaphorische Konzepte Ebenso wie topische Strukturen als transtextuelle Handlungskonstituenten von Diskursen erfüllen Metaphern eine entscheidende Funktion als Wissensrahmen auf intratextueller Ebene des Sprachpflegediskurses (cf. Tab. 10). Als solche dienen sie nicht nur der Veranschaulichung metapragmatischer Positionierungen der Sprachpflegeorganisationen, sondern sie beinhalten Handlungs- und Orientierungsmuster (cf. Böke 1996a, 445; Spitzmüller 2005, 200), die den Lesern bei der Rezeption des Diskurses zur Verfügung gestellt werden (cf. Kap. 4.3). Im Folgenden geht es darum, diese Funktion von Metaphern als Handlungs- und Orientierungsmuster auf unterschiedlichen Ebenen zu beschreiben. Dazu werden Metaphernlexeme als Zentren sprachlichen Handelns analysiert und anhand ihres semantischen Herkunftsbereichs zu Metaphernbereichen kategorisiert. Die Ergebnisse dieser induktiven Analyse werden im Gegensatz zur Quantifizierung der Topoi auf der Grundlage absoluter Häufigkeiten für beide Teilkorpora prozentual ausgezählt. Diese Quantifizierung dient zur Veranschau-

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lichung und zum Vergleich der Musterhaftigkeit metaphorischer Modelle im Sprachgebrauch der «ideology brokers». Dazu werden die dominanten Herkunftsbereiche (types) erarbeitet und in ihrem textgebundenen Vorkommen (tokens) analysiert. Die tokens werden dann als prozentuale Verteilung der ermittelten Metaphernbereiche abgebildet (cf. Abb. 27–Abb. 28). Auf die Auszählung einzelner Metaphernlexeme wurde aufgrund der Größe des Korpus verzichtet bzw. konnten auf der Textgrundlage keine signifikanten Häufigkeiten ermittelt werden. Aus diesem Grund liegt der Fokus dieses Kapitels auf qualitativen Feinanalysen, in denen es neben der Interpretation des wortsemantischen und pragmatischen Gehalts der Metaphernbereiche auch darum gehen wird, Rekurrenzen zwischen metaphorischen Modellen aufzuzeigen und die Rekursivität einzelner Metaphernkonzepte auf historische Konzepte bildhafter Metasprache zu prüfen (cf. Kap. 3). In beiden Teilkorpora stellen die Metaphernbereiche SPRACHE ALS ORGANISMUS und SPRACHE ALS KAMPF/KRIEG dominante Sprachgebrauchsmuster dar, wobei sich innerhalb der Korpora unterschiedliche Gewichtungen ergeben (cf. Abb. 27–Abb. 28): In den Sprachnachrichten können lediglich 13% der klassifizierten semantischen Felder dem Herkunftsbereich «Kampf» zugeordnet werden. Mehr als doppelt so häufig sind hingegen Bildspendebereiche vertreten, die auf organistische oder substanzielle bzw. materielle Konzepte von Sprache zurückgreifen: Metaphernbereiche (VDS)

27%

30%

ORGANISMUS SUBSTANZ/MATERIE

13%

KAMPF

30% ANDERE

Abb. 27: Metaphernbereiche (VDS).

Die materielle bzw. substanzielle Vorstellung von Sprache stellt dabei ein spezifisches Muster des deutschen Sprachpflegediskurses dar und wird deshalb weiter unten gesondert betrachtet. In ihr schlagen sich, wie bereits Spitzmüller (2005) in seiner Untersuchung des Anglizismendiskurses hervorgehoben hat,

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sowohl puristische als auch nationalistische Repräsentationen von Sprache nieder (cf. Spitzmüller 2005, 207). Im Journal d’ALF hingegen überwiegen mit insgesamt 59% metaphorische Erklärungsmuster, in deren Zentrum die Darstellung des Frames SPRACHE/ SPRACHKONTAKT/SPRACHWANDEL ALS KRIEG steht. Lexemmengen aus diesem Assoziationsbereich kommen in der Zeitschrift mehr als doppelt so häufig vor als solche, die dem Metaphernbereich Sprache als ORGANISMUS zugeordnet werden können (25%). 6% der Äußerungen können metaphorischen Darstellungen von SPRACHE ALS BETRUG zugeordnet werden. Diese werden, ebenso wie weitere vereinzelt auftretende Metapherntypes (cf. Andere 10%), nicht tiefergehend analysiert, da das zahlenmäßig geringe Vorkommen nicht zur Bildung eines musterhaften Sprachgebrauchs führt. Metaphernbereiche (ALF)

6%

10% KRIEG

25%

59%

ORGANISMUS BETRUG ANDERE

Abb. 28: Metaphernbereiche (ALF).

Gleiches gilt für dieselbe Kategorie im deutschen Teilkorpus, die mit 27% der insgesamt erfassten Metaphern zwar einen großen Teil der Äußerungen abdeckt, jedoch in sich stark parzelliert ist (cf. Abb. 27). In dieser Kategorie wurden einzelne wortsemantisch auffällige Metaphernlexeme zusammengefasst, die auf biologistischen Konzepten von Sprache oder auf strukturbasierten Frameprojektionen beruhen (SPRACHE ALS CONTAINER, SPRACHE ALS GEBÄUDE).39 Um die Bedeutung dieser Konzepte für die Konstruktion von Sprachideologien zu evaluieren, ist eine Vergrößerung der untersuchten Datenmenge erforderlich, weshalb sie nur punktuell am Ende des Kapitels thematisiert werden.

39 Zur Pflanzenmetaphorik cf. Kap. 3.3.3.

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Der Metaphernbereich SPRACHE ALS ORGANISMUS lässt sich im deutschen Teilkorpus in aufwertende und abwertende Positionierungsaktivitäten unterteilen. In aufwertender Funktion steht die Ontologisierung der deutschen Sprache und überhöhende Darstellung ihres Wesens im Vordergrund (cf. 279–282). In dieser Ausrichtung steht die anthropomorphisierende Spielart der Organismusmetaphorik im Vordergrund: Ziel dieses Metaphernbereiches, dessen Metaphorizität auf stak konventionalisierten oder lexikalisierten Worteinheiten beruht («Stärken», «Ausdrucksfähigkeit», «Charakter», «Schönheit», «Reichtum»), ist die Herstellung einer affektiven Bindung zum Leser respektive Sprecher. In dieser persuasiven Adaption werden Assoziationen von Sprache als Teil des menschlichen Wesens in die Nähe personifizierender Konzepte gerückt. Diese dienen «dem Ausdruck eines engen emotionalen Verhältnisses der Sprecher zur Sprache und eines Verständnisses von Sprache als Teil des eigenen Ich» (Spitzmüller 2005, 226). Die argumentative Leistung anthropomorphistischer Metaphorik ist für die Generierung positiver Spracheinstellungen zur «eigenen» und negativer Spracheinstellungen gegen «fremde» Sprachen von entscheidender Bedeutung für die ideologische Steuerung des Sprachpflegediskurses. (279) Natürlich hat Englisch viele Stärken: Stark vereinfachte Grammatik, Wegfall der Geschlechter, sehr viele einsilbige Wörter, einen aus Englisch und Französisch gemischten kosmopolitischen Wortschatz. Aber auch das Deutsche hat gegenüber dem Englischen Stärken […] (SN 2014.4, 8). (280) Eine gelungene Auswahl kommentierter Textproben, die über die Jahrhunderte ein Bemühen um die deutsche Sprache belegen oder selbst Beispiele für die Ausdrucksfähigkeit der deutschen Sprache sind (SN 2014.4, 19). (281) Ich verliebte mich in die deutsche Sprache, weil sie so klar strukturiert und so männlich ist. Sie hat Charakter (SN 2014.3, 15). (282) Die Ausstellung lädt ein, mehr über unsere Muttersprache, ihre Schönheit und ihren Reichtum zu erfahren (SN 2014.1, 16). Dieser argumentativen Richtung entgegengesetzt ist die Verwendung von Metaphernlexemen, die Sprache mit dem menschlichen Organismus als Ganzem oder mit einem seiner Teile gleichsetzen. Kognitive Schemata aus diesem Bereich assoziieren Sprache als Wesen «aus Fleisch und Blut» (Spitzmüller 2005, 214) sowie damit verbundene Eigenschaften wie Verletzlichkeit (cf. 283) und Vitalität (cf. 284–286). Mit Blick auf sprachliches Handeln im Diskurs erfüllt diese Verwendungsweise eine noch stärkere emotive Funktion als rein personifizie-

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rende Modelle. Der deutschen Sprache werden nicht nur menschliche Züge und Fähigkeiten zugeschrieben (cf. 279–282), sondern «die Sorge um das ›Schicksal‹ bzw. die ›Verfassung‹ von Sprache, die Angst, Sprache könne – wie ein Mensch» (Spitzmüller 2005; 2014) «degenerieren» oder «sterben» (cf. 284–286), ist für die Sprachpflege, d. h. die Aufgabe, Sprache am Leben zu halten und für ihre Gesundheit zu sorgen, sinnstiftend und legitimierend: (283) Dass die Muttersprache auf die Arbeitsstruktur konsequent einwirkt, ist klar. Es will ja niemand den jungen Leuten die eigene Sprache „herausreißen“ (SN 2014.4, 8). (284) Ich möchte vorschlagen, dass der VDS sich auch einmal um andere Degenerationserscheinungen unserer Sprache kümmert (SN 2014.2, 32). (285) Für ihn liegt die deutsche Lyrik im Sterben; viele Sprachkünstler seien zu verkopft, führten „Sprachfetzen zu Gedichten“ zusammen, die sich gut anhörten, jedoch seelenlos seien (SN 2014.1, 27). (286) Das Deutsche wird nicht sterben, es sei denn, die Deutschen wollen es. Es sei denn, sie kapitulieren vor der Werbung, vor der Geschäftssprache, vor dem kollektiven Hass auf alles Komplizierte, den die Medien nähren (SN 2014.2, 19). (287) Ein gefährlicher Anfall von Frankomanie geht von der saarländischen Ministerpräsidentin Kramp-Karrenbauer aus. Diese Dame kann man zu Recht eine verkappte Separatistin nennen. (...) Wenn Französisch im Wettbewerb mit Englisch ins Hintertreffen zu geraten droht, wird Frankreich die deutsche Konkurrenz kleinhalten wollen (Leserbrief, SN 2014.3, 24). Innerhalb der Beispiele sind solche gesondert zu betrachten, in denen die Konstitution affektiver Spracheinstellungskomponenten aus der Fokussierung der Organismusmetaphorik auf animistische Konzepte von Sprache hergeleitet wird. Auch hier stehen abwertende Positionierungen im Zentrum des sprachideologischen Handelns: Der schlechte Umgang mit Sprache wird als Ursache für den Verlust der sprachlichen Seele angeklagt (cf. 285: «seelenlos») und die Verzahnung mit dem organismusnahen Metaphernbereich SPRACHE ALS KRANKHEIT dient der Diffamierung von Sprechern, die beschuldigt werden, aufgrund einer affektiven Störung eine andere Sprache der Muttersprache vorzuziehen (cf. 286: «Frankomanie»). Die persuasive Leistung von Metaphern zeichnet sich dabei durch ihr dialektisches Argumentationspotenzial aus, da sowohl die Zuneigung zur «eigenen» Sprache als auch die Angst vor «fremden» Sprachen als Spracheinstellung bestärkt werden. An die Angst vor dem «Frem-

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den» als Bedrohungsszenario, das durch die organistischen Modelle von Krankheit, Niedergang und Sterben eine menschliche Gestalt erhält (cf. 287), wird mit den Metaphernlexemen Separatistin und ins Hintertreffen geraten der Metaphernbereich SPRACHE IST KRIEG angeschlossen, dem ebenfalls Affekte wie Angst, Gefahr und Bedrohung inhärent sind. Durch derartige Verzahnungen metaphorischer Modelle auf propositionaler Ebene des Diskurses wird die argumentative Kohäsion sprachideologischer Texte entscheidend gefestigt. Im Journal d’ALF sind neben organistischen Metaphern, die wie im Deutschen zur Veranschaulichung des SPRACHVERFALLSTOPOS und zur Vorhersage des Sprachentods eingesetzt werden (cf. 288), v. a. solche Verwendungsformen des Metaphernbereiches hervorzuheben, die auf eine ethnogenetische Herleitung einer französischen Sprecheridentität abheben (cf. 289–291). (288) Dans un texte célèbre, Paul Valéry a constaté que les civilisations étaient mortelles. Les langues le sont aussi quand elles sont progressivement délaissées par leurs locuteurs (JALF 2014.3, 10). (289) Si vous voulez garder le français et notre civilisation, persévérer dans vos gènes, « indignez-vous ! », certes, mais surtout, au-delà de l’appel trop timide de Stéphane Hessel : résistez (JALF 2014.1, 14)! (290) Il nous faut du sang neuf, faire surgir une nouvelle élite francophone seule à même de concurrencer notre élite défaillante, de la bousculer (JALF 2014.2, 1). (291) La langue anglaise a été forgée vers la fin du Moyen-Âge avec des moitiés de mots allemands et de mots français. D’où son aptitude, étant hétérogène de naissance, à engranger des mots étrangers sans les angliciser et sans crainte qu’ils paraissent étrangers dans la phrase (JALF 2014.1, 15). Sprache wird hier als Teil der erblichen Veranlagung beschrieben, die es mit Widerstand zu erhalten gilt (cf. 289), und die Forderung nach neuem Blut, um eine neue frankophone Elite zu schaffen (cf. 290), dient der Legitimation des ELITENTOPOS (cf. Kap. 4.2.1.1) und rückt die Sprachreflexion des ALF in die Nähe eines rassentheoretisch begründeten Sprachpurismus. Mit dem Metaphernlexem sang neuf wird die Stärke und Überlegenheit einer frankophonen Elite beschrieben (cf. 290) und die darin implizierte Konnotation sprachlicher Reinheit wird durch den Vergleich mit dem Englischen als «langue étant hétérogène de naissance» offenkundig (cf. 291). Derartige genetisch-genealogische Ableitungen sprachlicher Überlegenheit stützen sich im französischen Metasprachdiskurs auf das ideologische Fundament des seit dem 16. Jh. etablierten sprachnationalistischen Metasprachdiskurses (cf. Kap. 3.3.3, 82–83), ähneln

4.2 Diskurssteuerung und metasprachliche Handlungsebenen

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aber in ihrer Pointiertheit der ethnophoben Ausrichtung dem deutschen Reinheitsdiskurs des frühen 20. Jhs. (cf. Kap. 3.2.4, 20). In aktuellen Tendenzen der französischen Sprachpflege belegt die Metaphorik folglich nicht nur das Fortbestehen eines puristischen Fremdwortdiskurses, sondern auch die Steuerung dieses Diskurses durch den musterhaften Bezug auf anthropologische Größen (cf. Kap. 3.2.5). Zu Letzteren treten neben traditionellen Konzepten wie «Nation» und «Volk» biologistische Kriterien als Maßstäbe der Sprachbewertung hinzu. Die in den Sprachnachrichten deutlich weniger hervortretende Kriegsmetaphorik wird zur Positionierung gegenüber unterschiedlichen Gegenständen und Akteuren eingesetzt. Metaphernlexeme aus dem Herkunftsbereich «Krieg bzw. Kampf» drücken einerseits das entschlossene Vorgehen der Sprachpflege gegen die allgemeine «Sprachpraxis eines ganzen Landes» aus (cf. 292) und sind somit Mittel der Selbstpositionierung. Andere Metaphernlexeme wie Anglizismenschleudern, Kollateralschäden oder Verbündete indizieren den Angriff auf die deutsche Sprache durch andere gesellschaftliche Bereiche (cf. 293: Internetund Telekommunikation) oder Akteure (cf. 294/295: Vertreter der geschlechtsneutralen Sprache). Was die Metaphorizität anbelangt, tragen kreative Erweiterungen wie das ad hoc-Metaphernlexem Anglizismenschleudern im Vergleich zu den konventionalisierten Metaphernlexemen in den übrigen Belegen zu einem deutlicheren highlighting des Zielbereiches dar (cf. Liebert 1992, 140–141). (292) Was in einem jahrzehntelangen Kampf gegen die überwiegende Sprachpraxis eines ganzen Landes wirklich durchschlägt, ist schlecht vorherzusagen und kaum zu messen. Jedes Handeln des VDS in Region und Bundesspitze sollte aber von einer politischen Idee über den Wirkungszusammenhang zwischen kritisiertem Missstand und geplanter Aktion ausgehen. Dazu gehört auch eine gehörige Portion öffentlichen Wirbels als Teil der Öffentlichkeitsarbeit (SN 2014.1, 7). (293) Jedenfalls änderte sich meine Einschätzung, als ich letzthin Kaffee trank mit einer Kollegin, die gerade einen Vortrag vorbereitete: Strafrechtliche Konsequenzen verbotener Handynutzung in der Schule. Dass Internetund Telekommunikationsthemen Anglizismenschleudern sind, ist ja bekannt (SN 2014.1, 9). (294) Dem Thema „geschlechtsneutrale deutsche Sprache“ kann man sich auf verschiedenen Wegen nähern. Woher kommt der große Erfolg der Radikalfeministen speziell an dieser Front? Mit welchen Mitteln wurde er erreicht? Welche Kollateralschäden sind auf dem Wege dahin zurückgeblieben (SN 2014.3, 20)?

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(295) Die feministischen Sprachveränderer fanden starke Verbündete im linken politischen Spektrum und in den Medien (SN 2014.3, 28). Ziel des Metaphernbereiches SPRACHE ALS KRIEG ist im Journal d’ALF die Abbildung eines «combat sur plusieurs fronts» (ALF 2014.2, 3). Die Assoziation eines Mehrfrontenkriegs umspannt als metaphorisches Netz große Teile des sprachlichen Handelns in der Zeitschrift. In Bezug auf den Gegenstand «Sprache» drücken Metaphern dieses semantischen Netzes mehrheitlich Positionierungsaktivitäten gegen das Englische (cf. 299–307) und vereinzelt gegen die Regional- und Minderheitensprachen aus (cf. 298). In Bezug auf die involvierten Akteure sind Metaphern dieser Konzeptebene sowohl Bestandteil von Positionierungen gegen «andere» Sprachen als auch gegen die Sprecher der «eigenen» Sprache (cf. 302–304). Aus der Vielzahl der Bezugspunkte des metaphorischen Stancetaking ergibt sich ein komplexes argumentatives Wechselspiel aus Angriff und Verteidigung. Dieses wird dazu eingesetzt, das Französische nicht wie in organistischen Metaphern als überlegene Sprache, sondern als bedrohte und unterlegene Sprache zu beschreiben. Funktional können dabei drei unterschiedliche Handlungsmuster der Kriegsmetaphorik unterschieden werden: An erster Stelle steht die Legitimationsfunktion, bei der es darum geht, den ALF als Instanz der Sprachverteidigung zu etablieren und andere Akteure als «adhérents» und «militants» zu gewinnen (cf. 296): (296) ALF entretient la mémoire des luttes pour le français et la Francophonie; […] Toutes les associations porteuses de ces combats, réunies le 21 juin 2014 à cet effet, ont décidé de conforter leur stratégie et leurs actions communes. Répandez ces informations autour de vous, pour amener des adhérents nouveaux, des militants, des mécènes, des legs : nous avons bigrement besoin de bonnes volontés et de moyens (JALF 2014.2, 3)! (297) « Il faut créer un esprit de croisade ! », voici la feuille de route donnée à Philippe Rossillon, le 9 juin 1966, par Georges Pompidou en conclusion de son superbe discours prononcé pour l’inauguration du Haut Comité pour la défense et l’expansion de la langue française, à l’origine de toutes les institutions nationales chargées du français et de la francophonie depuis lors. Nul chevalier, mieux que Philippe, n’aura porté aussi loin le sens de sa mission (JALF 2014.2, 11). (298) Il importe d’agir par tous moyens appropriés pour l’avenir de notre langue et celui de nos enfants. Opposons l’esprit de résistance à l’esprit de capitulation (JALF 2014.3, 11).

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Dass die Legitimation des Sprachkampfes in erster Linie von ideologischen Prinzipien regiert wird, unterstreicht sowohl die Definition des Kampfes als Bestandteil eines kollektiven Gedächtnisses französischer Sprachpflege («mémoire des luttes») als auch die Gleichsetzung mit einem Kreuzzug (cf. 297: «esprit de croisade»). Die Kreuzzugmetapher setzt die französische Sprache mit einem göttlichen Wesen gleich, erklärt Sprachpflege zu einer monotheistischen Religion und ihre Vertreter wie Philippe Rossillon zu Kreuzrittern («chevaliers») im Dienst der Sprachpflege.40 Der Kampf für die «eigene» Sprache und gegen «andere» Sprachen wird in dieser Legitimationsform einer rationalen Streitbarkeit enthoben und in einen Bereich jenseits weltlicher Geltungsansprüche verlagert. Das Determinatum esprit als Formativ des Metaphernlexems esprit de croisade belegt darüber hinaus, ebenso wie die anlog gebildeten Komposita esprit de résistance und esprit de capitulation (cf. 298), die einstellungsprägende Wirkung von Metaphern. Durch derartige metaphorische Wortbildungen wird die mentale Ebene metasprachlichen Handelns erreicht und dichotome Spracheinstellungsmuster (Kampf für die «eigene» Sprache vs. Widerstand gegen «fremde» Sprachen) werden konstituiert. Entgegen dieser programmatischen Entwürfe, die den Kampf für die französische Sprache aus genuiner Überzeugung oder einer transzendenten Weltanschauung herleiten, wird in den folgenden Beispielen der implizite Aufruf zur Verteidigung des Französischen gegen die Regionalsprachen im öffentlichen Raum mit republikanischen und somit betont weltlichen Prinzipien bergründet (cf. 299: «atteinte à la langue de la République»): (299) Toute modalité de prise en compte d’une langue régionale dans le cadre d’une administration publique, d’une collectivité ou d’une association dans l’exercice d’une mission de service public pourrait alors être considérée comme une atteinte à la langue de la République, remettant en cause les pratiques de bilinguisme existantes (JALF 2014.1, 23). Dabei fällt auf, dass im Korpus rekurrente Metaphernlexeme («atteinte», «guerre», «combat», «lutte») grundsätzlich die gleiche Orientierungsfunktion haben, aber auf unterschiedliche metasprachliche Handlungskontexte und verschiedene argumentative Konzepte verweisen, die mit dem Metaphernbereich SPRACHE ALS KRIEG verbunden sind. Metaphorische Modellierungen sprachlicher Konflikte im hexagonalen Frankreich verweisen auf die Bedrohung des republikanischen Wertesystems der «République une et indivisible» (cf. 299; Kap. 3.3.5).

40 Cf. das Zitat Cerquiglinis zu Beginn von Kap. 3.

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Aus dem Herkunftsbereich «Krieg» entnommene Metaphernlexeme, die sich auf Sprachkontaktsituationen in der Welt beziehen, verweisen auf die machtpolitische Unterjochung der französischen Sprache (cf. 300: «vassalisation»), die Einschränkung ihres institutionellen und politischen Status (cf. 301: «guerre faite à la Francophonie») sowie auf die Gefährdung der nationalen Zugehörigkeit und Unabhängigkeit frankophoner Sprecher (cf. 302: «nationalité française»): (300) Mais il est des mots qui symbolisent plus que d’autres la vassalisation de l’Europe à l’Empire anglo-saxon. C’est le cas de « mail » et de « newsletter » (JALF 2014.2, 28). (301) ALF était représentée à Québec et Claude Hagège y avait dénoncé la guerre faite à la Francophonie et lancé un appel à la résistance liée et coordonnée, du Québec, de la France, et des autres grandes communautés de la Francité (JALF 2014.2, 27). (302) Marie-Mance Vallée, québécoise, milite pour la reconnaissance de la nationalité française aux descendants des Canadiens français d’avant le traité de Paris de 1763, ainsi que pour la francophonie mondiale, les droits des métis du Canada, et l’indépendance du Québec (JALF 2014.2, 30). Aus beiden Legitimationsverfahren, dem religiösen (cf. 297) und weltlichmachtpolitischen (cf. 299–302), leitet sich als zweites Handlungsmuster die Appellfunktion der Kriegsmetaphorik ab. Diese wird v. a. durch das Metaphernlexem résistance als Schlüsselwort indiziert, mit dem zum Widerstand gegen die «vassalisation de l’Europe» (cf. 300), den englischen «impérialisme linguistique» (cf. 303) und die «Anglo-Saxons envahissants» (cf. 304) aufgerufen wird. Um das metaphorische Bedrohungsszenario durch das Englische zu schärfen, wird der Sprachkampf zwischen dem Englischen und Französischen in einen territorialen Assoziationsbereich projiziert, der auf einer Fiktion des englischen Sprachraums als «Empire anglo-saxon» beruht. Der Begriff Empire als weiträumiges Machtgebiet schließt dabei die Konnotation des Machtausbaus mit ein und stellt eine inhaltliche Verbindung zum KOLONIALTOPOS her (cf. Kap. 4.2.1.1): (303) Les langues française et anglaise sont les seules langues dont on trouve des locuteurs partout dans le monde. C’est pourquoi, en tant que seul obstacle européen à la mondialisation de l’anglais, elle est la cible de l’impérialisme linguistique anglo-états-unien, avant-garde de l’impérialisme économique qui fait en sorte que le mondialisme soit anglo-saxon

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ou ne soit pas. Ils sont naturellement aidés par leurs collabos français avides d’angliciser la langue et le cadre de vie français et d’imposer la langue de leurs maîtres (JALF 2014.1, 15). (304) « Qui pourrait reprocher aux Anglo-Saxons d’être envahissants, linguistiquement parlant, quand de nous-mêmes nous leur abandonnons le terrain » (JALF 2014.3, 31) ? Das dritte Handlungsmuster, das durch die Kriegsmetaphorik zur Verfügung gestellt wird, dient der Schuldzuweisung. So beruht der anglo-amerikanische Imperialismus auf der Hilfe ʻfranzösischer Kollaborateureʼ (cf. 303) und der ʻinvasionsartige Einfallʼ der Englischsprecher kann nur deshalb gelingen, weil die Franzosen ihr ʻGebiet aufgebenʼ (cf. 304). Darüber hinaus wird der ELITENTOPOS mit der Kriegsmetaphorik als argumentativem Muster der Schuldzuweisung zusammengeführt, indem die politische Elite für die ʻEntwaffnungʼ zahlreicher gesellschaftlicher Bereiche verantwortlich gemacht wird (cf. Kap. 4.2.1.1): (305) La classe politique française porte depuis le milieu des années 1970 la responsabilité principale du désarmement politique, militaire, industriel, économique, culturel et spirituel du pays (JALF 2014.2, 1). Im Widerspruch zu diesen Handlungsmustern, die von einer Bedrohung oder Unterlegenheit der französischen Sprache ausgehen, wird in einzelnen Äußerungen das Französische als wirksame Waffe («fer de lance», «arme de poche») oder Motor des Kampfes («moteur du combat») beschrieben. Die verwendeten Metaphernlexeme sind hier im Gegensatz zu animistischen Konzepten von Sprache mit einem anorganisch-materiellen Herkunftsbereich assoziiert und werden nicht als Mittel zur Verteidigung, sondern zum Angriff verstanden (cf. 307: «chasse au franglais»): (306) Le français s’y installe comme fer de lance, moteur du combat des langues contre toute langue unique (JALF 2014.3, 15). (307) Très pratique (12 x 8,5 cm), c’est vraiment une bonne arme de poche contre les termes franglais les plus courants ! Pour faciliter votre chasse au franglais, nous vous recommandons vivement d’avoir toujours à portée de main Le Petit Dico franglais-français. Il est écrit avec humour, ce qui ne gâte rien (JALF 2014.2, 34)! Außerhalb der Metaphernbereiche SPRACHE ALS ORGANISMUS und SPRACHE ALS KRIEG, die als einschlägige Sprachgebrauchsmuster in den Publikationen

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beider Sprachpflegeorganisationen nachgewiesen werden können, stellt die Substanzmetaphorik als Spezifikum des deutschen Teildiskurses ein wirkungsvolles Verfahren dar, um verschiedene Eigenschaften von und Einstellungen zu Sprache zu evozieren (cf. Abb. 27). Als typische Ausdrucksform metasprachlichen Handelns basiert sie «v. a. auf der Vorstellung einer ‹konsistenten› (National-)Sprache […]. Die Konsistenz erhebt sich dabei – als sei Sprache ein Mineral oder eine Flüssigkeit – zum primären Qualitätsmerkmal» (Spitzmüller 2005, 207).41 Eine große Klasse innerhalb der Substanzmetaphorik stellt im vorliegenden Korpus der Metaphernbereich SPRACHE ALS WASSER dar, der wie die übrigen Assoziationsbereiche einer stark differenzierten Funktionalisierung unterliegt: Eine funktionale Kategorie stellen Projektionen aus dem Herkunftsbereich «Wasser» dar, die auf komplexen Modellen beruhen, um sowohl Eigenschaften von Sprache als auch von Sprache ausgehende Bedrohungszenarien zu beschreiben. Als Beispiele für Eigenschafts- und Qualitätsbeschreibungen können Erklärungsmuster wie im folgenden Beispiel angeführt werden, wo Sprache respektive Sprachenlernen mit der «Tiefe des Meeres» sowie mit der Unendlichkeit und Regelmäßigkeit seiner «Dünung» gleichgesetzt wird (cf. 308). (308) Eine Sprache erlernen heißt deren Sprech- und Schreibspiele nachmachen. Damit befreit sie vom lästigen Inhaltszwang und leiert im Selbstgenerierungstakt immerzu weiter. Wie das Meer schwappt sie in unaufhaltsamer Dünung und weiß von ihrer Tiefe nichts (SN 2014.4, 12). Bei diesem Beispiel wird klar, «dass nicht nur einzelne Lexeme, sondern komplexe Schemata metaphorisiert werden» (Spitzmüller 2005, 199). Übertragen auf den Zielbereich «Sprache» verweist das Metaphernlexem Tiefe (des Meeres) auf die verborgene Ausdrucksvielfalt und Bedeutungstiefe von Sprache. Die Dünung definiert das Sprachenlernen als endlos unerschöpflichen und dynamischen Prozess. Operationalisierungen der Wassermetaphorik, die auf die Illustration sprachlicher Bedrohung ausgerichtet sind, dehnen hingegen in semantischer Hinsicht das Konzept der Ausdrucksvielfalt von Sprache auf die Konnotation des Unübersichtlichen und Unbeherrschbaren aus. Derartige Affektverschiebungen innerhalb eines Metaphernbereiches werden durch Wortbildungen wie das okkasionelle Kompositum Wort-Ozean oder das bereits konventionalisierte Metaphernlexem Wortschwall (cf. 309) realisiert, die die Weite, Geschwindigkeit

41 Zu dieser Klasse zählt auch der Metaphernbereich SPRACHE ALS ROHSTOFF (cf. Kap. 3.3.4).

4.2 Diskurssteuerung und metasprachliche Handlungsebenen

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und Heftigkeit des Sprachwandelns unterstreichen. Zur Stärkung der Metaphorisierung tragen dabei auch opake Formen wie das lexikalisierte Verb (be-)rauschen bei, dessen nicht-derivierte Form in ihrem lautnachahmenden Ursprung nicht der Beschreibung eines Erregungszustands, sondern der subtilen Assoziation eines «(Sprach-)sturmes» bzw. «(sprachlicher) Raserei» dient: (309) Troja auszugraben oder die Hieroglyphen zu entziffern war ein geringes Problem, verglichen mit einem, vor das wir die Archäologen künftiger Jahrtausende stellen werden: Auf Ton- und Videobändern, auf Platten, in Büchern und Protokollen hinterlassen wir ihnen einen Wort-Ozean, in dem selbst ein Team unerschrockener Forscher nur wird ersaufen können. Noch nie wurde auf Erden so viel Geschwafel produziert, vervielfältigt und für die Nachwelt festgehalten […] Die elektronische Protokollierung und Vervielfältigung hat die uralte Neigung des Menschen, sich an seinem Wortschwall zu berauschen, in die Potenz gehoben (SN 2014.3, 15). Weitere konzeptuelle Modellierungen des Metaphernbereiches SPRACHE ALS WASSER, die zum Ausdruck sprachlicher Bedrohung eingesetzt werden, sind innerhalb des ANGLIZISMENTOPOS zu verorten (cf. Kap. 4.2.1.3). Metaphernlexeme dieser Kategorie basieren v. a. auf produktiven Wortbildungsmustern, bei denen das Determinans Anglizismen- oder synonym gebrauchte Formative wie Englisch- mit einem emotiv verstärkenden Determinatum aus dem Herkunftsbereich «Wasser» komponiert werden: (310) Urteile und Gesetze trotzen der allenthalben beklagten Englisch- und Anglizismenflut – im Wesentlichen. Vermutlich allerdings hauptsächlich aufgrund der zwingenden gesetzlichen Anordnung in § 184 GVG (SN 2014.1, 9). (311)

Peter Eisenberg, emeritierter Sprachwissenschaftler der Universität Potsdam, zeigt uns schließlich, dass die meisten englischen Vokabeln wie deutsche Worte (!) benutzt werden. Wer hätte das gewusst? Und einmal mehr gewinnen wir den Eindruck, dass nur die „selbsternannten Sprachhüter“, die „Sprachpolizisten und Puristen“ die Anglizismenschwemme nicht als die großartige Bereicherung unserer Sprache erkennen bzw. nicht erkennen wollen, die sie doch aus „wissenschaftlicher“ (sprich: linguistischer) Sicht darstelle (SN 2014.3, 21).

Die sprachideologische Orientierung beruht bei diesen Metaphern auf einem hohen Wiedererkennungswert und ist dominant handlungsorientiert. In den Metaphernlexemen ausgedrückte Positionierungen gegen das Englische appel-

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lieren daran, die «eigene» Sprache vor dem unkontrollierten Eindringen «fremder» Sprachen zu schützen. Durch die musterhafte Verbindung gleicher semantischer Kontexte ist die metasprachliche Einstellungskonstruktion mit geringem kognitivem Aufwand verbunden, d. h. sie kann von den Diskursteilnehmern leicht dekodiert werden. Darüber hinaus erhalten Metaphern im diskursiven Formationssystem als intratextuelle Realisierungen topischer Sprachgebrauchsmuster (ANGLIZISMENTOPOS, ELITENTOPOS) eine sozialsymbolische Funktion, wenn sie einer gesellschaftlichen Gruppe (z. B. Linguisten) eine bestimmte Spracheinstellung (Anglizismen als Bereicherung) zuschreiben (cf. 311). Metaphern sind vor diesem Hintergrund nicht nur handlungsleitend und einstellungskonstitutiv, sondern auch identitäts- und gruppenbildend. Entgegen der Entlehnung negativer semantischer Felder aus den Bildspendebereichen «Wasser» innerhalb des ANGLIZISMENTOPOS zielen sprachliche Einheiten des gleichen Metaphernbereichs im Rahmen des INTERNATIONALITÄTSTOPOS (cf. Kap. 4.2.1.1) auf die Konstruktion positiver Spracheinstellungen zum Deutschen ab. Wenn es um den Status des Deutschen als internationale Sprache geht, dienen hier emotiv neutralisierte Metaphernlexeme einer weniger bedrohenden Bewertung von Sprachkontaktphänomenen. Diese argumentative Divergenz belegt den ambivalenten Umgang der Sprachpflege mit gleichen metaphorischen Modellen und die systematische Opponierung von Selbst- und Fremdpositionierungsaktivitäten auf verschiedenen Niveaustufen diskursiver Argumentation zwischen transtextueller Topik und intratextueller Metaphorik (cf. Tab. 10): (312) Eine Welle schwappt über: Laut eines Linguistikinstituts in Shanghai greifen immer mehr Chinesen zu deutschsprachigen Tattowierungsvorlagen. Ähnlich der europäischen Begeisterung für asiatische Hautverzierungen setzen mittlerweile knapp 37 Prozent chinesischer Freigeister auf starke deutsche Termini wie „Ehre, Hoffnung, Liebe“ und „Angela Merkel“ (SN 2014.3, 32). Als weniger komplexe Kategorie können abschließend Metaphern zusammengefasst werden, die sprachliche «Reinheit als substanzielles Ideal» (Spitzmüller 2005, 239) beschreiben. Entgegen Metaphernkonzepten, die sich aus dem Herkunftsbereich «Wasser» in seiner quantitativen Bedeutung als Naturgewalt speisen, betonen Substanzmetaphern die qualitative Beschaffenheit von Flüssigkeiten und übertragen diese auf die Qualität von Sprache als unvermischtem, reinem Stoff. Dabei ermöglicht die konventionelle «Gebundenheit der Konzeptebene an definierte Lexemmengen» (Liebert 1992, 8) oder einzelne lexikalisierte Metaphern wie das Adjektiv klar ein gänzliches Aussparen des Metaphernkon-

4.2 Diskurssteuerung und metasprachliche Handlungsebenen

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zepts auf der Äußerungsebene. In dieser Form bleiben nicht nur Merkmale des Metaphernkonzepts, sondern auch das argumentative Potenzial von Metaphern an der Textoberfläche verborgen. (313) Für eine klare Sprache in der Politik: Stephan Brandner redet Deutsch (SN 2014.4, 29). (314) Das ist die Strategie, die ich allen Freunden eines klaren Deutsch empfehle (SN 2014.2, 2). Lediglich als Einzelfälle treten Substanzmetaphern auf, bei denen, wie im folgenden Beispiel, die Projektion vom Herkunfts- («Benzin vs. Wasser») auf den Zielbereich («englische vs. deutsche Rechts- und Gerichtssprache») sprachlich vollständig abgebildet wird (cf. 315). Dabei geht es im Vergleich zur sprachpuristischen Zielsetzung i. w. S. (cf. 313–314) um die Hervorhebung einer betont fremdsprachenpuristischen Haltungsäußerung gegen das Englische: (315) Englische und deutsche Rechts- und Gerichtssprache verhalten sich zueinander wie Benzin und Wasser: Beides sind (sehr nützliche) Flüssigkeiten, nur: Mischen lassen sie sich nicht, zumindest nicht, ohne ihre jeweilige Brauchbarkeit einzubüßen (Leserbrief SN 2014.3, 24). Die Relevanzsetzung des Metaphernlexems mischen als zentraler Bedeutungsaspekt der Positionierung gegen den Sprachkontakt Englisch – Deutsch kann dann metaphorisch besonders wirksam beleuchtet werden kann (highlighting), wenn das Metaphernkonzept vollständig entfaltet wird (cf. Kuck 2018, 78). Darüber hinaus wird das argumentative Potenzial metaphorischer Sprachgebrauchsmuster in diesem Beispiel an der Überlagerung der wortsemantischpragmatischen und kognitiven Funktion des Metaphernbereiches deutlich. Neben dem implikatierten Reinheitsgebot beruht die Substanzmetaphorik auch auf der Assoziation von SPRACHE ALS CONTAINER. Dabei wird deutlich, dass dieses kognitive Modell «[…] nicht etwa nur die Vorstellung von Sprache in einem Behälter [meint]. Der Metaphernbereich ist umfassender und umschließt sämtliche Konzepte, die dem Phänomen Sprache feste Grenzen verleihen. Es subsumiert Metaphernkonzepte wie SPRACHE ALS LAND, in welches Entlehnungen eindrängen bzw. aus dem Lexeme entlehnt würden, ebenso wie das Konzept eines Behälters, in den Entlehnungen einflössen oder auch die Überfremdungsmetaphorik, die das Eigene (Innenseite) vom Fremden (Außenseite) trennt» (Spitzmüller 2005, 244–245).

Im Rückblick auf die funktionale Ausrichtung der Kriegs-, Organismus- und Wassermetaphorik kann die von Spitzmüller (2005) konstatierte kognitive Ver-

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4 Metasprachdiskurse als ideologische Systeme

quickung von Metaphernkonzepten anhand des vorliegenden Korpus bestätigt werden. Die betrachteten Metaphernbereiche überschneiden sich in der Zielrichtung, die sprachliche und soziale Realität mit dialektischen Modellen zu konstruieren. Durch diese pragmatische Gleichschaltung sind Metaphern auf der Textebene miteinander kombinierbar und können zwischen verschiedenen Topoi kommutieren. Diese Austauschbarkeit von Sprachgebrauchsmustern stellt ein zentrales Merkmal sprachideologisch regierten metasprachlichen Handelns i. S. einer stärker affektorientierten als sachlogischen Diskurssteuerung dar.

4.3 Diskursrezeption und Diskursmodifikation in virtuellen Räumen –Sprecherpositionierungen und Spracheinstellungen Im abschließenden Kapitel dieser Arbeit geht es darum, diskurslinguistisch zu beschreiben, wie die sprachinteressierte Öffentlichkeit Wissensbestände und Positionen von Sprachpflege rezipiert, bewertet und ggf. auf der Grundlage eigener metasprachlicher Wissensbestände modifiziert. Dazu wurden sprachbezogene Äußerungen aus zwei französischen Diskussionsforen (PL, LVF) und dem Nachrichtenverlauf der jeweiligen Facebook-Plattformen des VDS und ALF untersucht (cf. Kap. 4.1.4). Beide Kommunikationsformen sind formal an die Öffentlichkeitsarbeit der Sprachpflegeorganisationen ALF und VDS angegliedert, d. h. sie werden von den Vereinen selbst mit Themen bespielt und moderiert oder wie im Fall von languefrançaise.net (PL) vom ALF beworben. Bei der Analyse der Daten steht die Beschreibung der diskursiven Beziehung zwischen den «ideology brokers» und ausgewählten Kommunikationsarenen der «sprachpflegerischen Öffentlichkeit» im Vordergrund. Dabei soll geprüft werden, in welchem Maße sich sprachideologische Praktiken der Vereine in den Spracheinstellungen und im metasprachlichen Handeln der öffentlichen Sprachpflege als spezifischer community of practice niederschlagen (cf. Kap. 4.2). Als Parameter des Sprachvergleichs werden die im vorangehenden Kapitel ermittelten transund intratextuellen Sprachgebrauchsmuster in den Bereichen Lexik, Metaphorik und Argumentation herangezogen. Die an verschiedenen Stellen für die deutsche und französische Sprachpflege bereits thematisierten Differenzen in der Nutzung digitaler Kommunikationsformen (cf. Kap. 2.2.3; 3.2.6; 3.3.8–3.3.9) und die Implikationen der divergierenden Kommunikationskultur seien an dieser Stelle mit Blick auf die Vergleichbarkeit der Teilkorpora (cf. Kap. 4.1.4) sowie der qualitativen und quantitativen Ergebnisse der Analyse nochmals kritisch erwähnt. Ebenso die

4.3 Diskursrezeption und Diskursmodifikation in virtuellen Räumen

561

Tatsache, dass lediglich Diskurssegmente untersucht werden, die, wie der Titel der Untersuchung nahelegt, dazu dienen, aktuelle sprachliche Trends der Sprachendiskussion zu ermitteln. Für die Aussagekraft entscheidend ist dabei, dass unabhängig von der Kommunikationsform und den sprachlichen Merkmalen sowohl das soziale Netzwerk Facebook als auch die ausgewählten Kommentarforen eine ähnliche Form der «öffentlich beobachtbare[n] Gruppenkommunikation» (Beck 2006, 106) generieren. Auf dieser Gruppen- bzw. Mesoebene öffentlicher Kommunikation (cf. Fröhlich 2015, 77) wird eine metasprachliche Themenöffentlichkeit hergestellt (cf. Kap. 2.1.4, Abb. 1), die für die strukturelle Organisation der gesamten «metasprachlichen Öffentlichkeit» konstitutiv ist, da sie als Filter oder Katalysator des sprachideologischen Agenda Settings der Sprachpflegeorganisationen fungieren kann. Die inhaltliche Gliederung der Dateninterpretation folgt dem Aufbau des vorangehenden Kapitels, d. h. die Ergebnisse der induktiven Toposanalyse bilden den Rahmen linguistischer Untersuchungen des lexikalischen und metaphorischen Sprachgebrauchs, wobei die Einteilung der Dateninterpretation auf der Grundlage der theoretischen Unterteilung in Sprachstatus- und Sprachkorpusplanung bestehen bleibt. Dadurch soll sowohl der sprach- als auch medienvergleichenden Ebene der Analyse ein möglichst klar strukturierter Rahmen verliehen werden. Entgegen der integrierten Analyse des französischen und deutschen Zeitschriftenkorpus weisen die Ergebnisse des Online-Korpus im Bereich der Argumentation und Metaphorik deutlich stärkere Divergenzen auf, weshalb die Ergebnisse für beide Sprachen in getrennten Kapiteln diskutiert werden (cf. Kap. 4.3.1–4.3.2). Den Kategorien gegenstandsübergreifender Topoi aus den Dachkonzepten Identität, Kultur, Historizität konnten bis auf den Anglizismentopos, der insgesamt das stärkste Argumentationsmuster darstellt, nur wenige Äußerungen zugewiesen werden. Aus diesem Grund wurde von einer separaten Ergebnispräsentation abgesehen und die Interpretation der Positionierungsaktivitäten zu Anglizismen wurde in die funktional-pragmatische Analyse der übrigen Topoi integriert. Innerhalb des sprachspezifischen und nach Topoi gegliederten Untersuchungsrahmens geht es dann darum, anhand der Nutzerkommentare Spracheinstellungen kategorial zu klassifizieren und zu quantifizieren sowie in punktuellen Feinanalysen auf der Ebene lexikalischer Einheiten näher zu beleuchten. Für topologische Strukturen in denen wertende Positionierungsaktivitäten sprachlich determiniert werden konnten, wurde eine nominale Unterteilung in positive, negative und neutrale bzw. andere Spracheinstellungen vorgenommen. Hierbei gilt in methodischer Hinsicht nochmals klar zu betonen, dass diese nominale Skalierung auf einer qualitativen Analyse der Äußerungen beruht,

562

4 Metasprachdiskurse als ideologische Systeme

wobei es darum geht herauszufinden, welche linguistischen Elemente das Bewertungsmuster der Sprecher beeinflussen» (Casper 2002, 23). Quantifizierungen der Einstellungskategorien dienen lediglich der Veranschaulichung diskurs- und teildiskursspezifischer Tendenzen im Kontext ihrer medialen Realisierung und erheben keinen Anspruch auf eine Generalisierbarkeit bestimmter Verhaltensmuster. Dabei beabsichtigt die triadische Klassifikation der Spracheinstellungen, den Wandel und die Dynamik im Sprechen über Sprache innerhalb von Sprachpflege als gruppen- und akteursbezogenen Trend zu beschreiben und zu verstehen.

4.3.1 Deutschland 4.3.1.1 Sprachstatusbezogene Topoi Im Rahmen der induktiven Toposanalyse konnte an erster Stelle eine deutliche Zunahme sprachkorpusbezogener Themen und Fragestellungen in der Facebook-Diskussion des VDS festgestellt werden (cf. Abb. 19): 700

600

500

400

300

200

100

0 Sprachstatus

Sprachkorpus

Abb. 29: Verteilung sprachstatus- und sprachkorpusbezogener Topoi (Online-Korpus, D).

In dieser im Vergleich zum Zeitschriftenkorpus deutlich ausgewogeneren Verteilung bleiben die qualitativen Schwerpunkte der sprachideologischen Argumen-

4.3 Diskursrezeption und Diskursmodifikation in virtuellen Räumen

563

tation des VDS als topologisches Grundgerüst in der Online-Kommunikation bestehen und werden in Bezug auf einzelne Fragestellungen sogar ausgebaut. Abb. 30 zeigt, dass im Bereich sprachstatusbezogener Argumentationen dominante Muster wie der BILDUNGS-, MEHRSPRACHIGKEITS- und ÖFFENTLICHKEITSTOPOS, die auch in den Sprachnachrichten als «Makro-Wissensrahmen» (Ziem 2005, 342) zur Darstellung der rechtlichen, politischen und sozialen Stellung des Deutschen inferiert werden (cf. Abb. 20), in den digitalen Diskurs eingespeist und von den Rezipienten angenommen werden. Neben dieser Kontinuität kollektiver sprachpflegerischer Wissensbestände, die eine Habitualität sprachideologischer Denkweisen in verschiedenen Arenen der «metasprachlichen Öffentlichkeit» veranschaulichen, avancieren im digitalen Raum auch einzelne Argumentationsmuster wie der frequente AMTSSPRACHENTOPOS und die weniger stark vertretenen Topoi zu den Kategorien Medien und Migration zu domänenspezifischen kollektiven Wissensbestandteilen (cf. Abb. 30): Sprachstatus 160 140 120 100 80 60 40 20

Am ts sp ra ch en to po s Bi ld un gs M eh to po rs pr s ac hi gk ei ts to Öff po s en tli ch ke its to po s M ed ie nt op os M ig ra tio ns to po s

0

Abb. 30: Sprachstatusbezogene Topoi: Unterkategorien und Verteilung (Online-Korpus, D).

Aus forschungsökonomischen Gründen beschränkt sich die folgende Interpretation auf die Analyse der vier dominantesten sprachstatusbezogenen Topoi. Entgegen des in den Sprachnachrichten zahlenmäßig schwach vertretenen AMTSSPRACHENTOPOS innerhalb des INTERNATIONALITÄTSTOPOS (cf. Abb. 21) tragen die Positionierungen und Einstellungsbekundungen der Spre-

564

4 Metasprachdiskurse als ideologische Systeme

cher zum offiziellen Status des Deutschen in der Facebook-Diskussion sowohl zu einer quantitativen Ausdehnung des Topos als auch zu seiner qualitativen Parzellierung in die folgenden topischen Unterkategorien bei: Amtssprachentopos 60

50

40

30

20

10

0 Gerichtssprache

Arbeitssprache

Amtssprache

Deutsch ins

Englisch

Englisch (EU)

Englisch

Grundgesetz

Abb. 31: Amtssprachentopos: Unterkategorien und Verteilung.

Neben dem diskursiv hergestellten, transmedialen Sachverhaltszusammenhang zwischen dem sprachideologischen Regime des VDS und den metasprachlichen Sichtweisen einer breiteren sprachpflegerischen Öffentlichkeit belegt diese topologische Granulierung auch die innerhalb transtextueller Kohärenz auftretende Modifikation der inhaltlichen Strukturierung kontextspezifischer Topoi in Abhängigkeit vom Äußerungskontext. Die dennoch klar bestehende Habitualität und Symbolizität des argumentativen Handelns jenseits textueller und medialer Grenzen wird dabei durch die Überlagerung der einzelnen Unterkategorien des AMTSSPRACHENTOPOS mit dem ANGLIZISMENTOPOS gewährleistet. Auch hier ist klar, dass die topische Verzahnung von Sprachstatus und Anglizismenkritik durch das Stancetaking des VDS mittels konsequent negativer Bezugnahmen auf das Englische in seinen Postings insinuiert wird (cf. z. B. 316, 322, 325). Was die Rezeption dieser Positionierung und die Artikulation von Spracheinstellungen durch die Netzwerk-Community angeht, können am Beispiel des AMTSSPRACHENTOPOS die folgenden Ergebnisse zusammengefasst werden:

4.3 Diskursrezeption und Diskursmodifikation in virtuellen Räumen

565

Die in den Äußerungen der VDS-Postings implikatierten Negativpositionierungen zur englischen Sprache spiegeln sich in allen topischen Unterkategorien des AMTSSPRACHENTOPOS in den Einstellungsbekundungen der Sprecher wider. Bei einer näheren Betrachtung der Unterkategorien Gerichts- und Arbeitssprache wird deutlich, dass diese negativen Haltungen zum Status des Englischen im deutschen Sprachenkontext auf mehr als die Hälfte der Äußerungen entfallen (cf. Abb. 32: 49%; Abb. 33: 60%). Trotz dieser jeweils klaren Überlegenheit negativer Spracheinstellungen im Vergleich zu positiven Werturteilen kann ein durchaus beachtlicher Teil der Nutzerkommentare (47%; 26%) einer Einstellungskategorie zugeordnet werden, unter der verschiedene Positionierungen zum Englischen außerhalb der Einstellungsdichotomie «positiv» – «negativ» subsumiert wurden. Zu diesen zählen sowohl Äußerungen, die sich kritisch mit der inhaltlichen Steuerung durch den VDS auseinandersetzen als auch solche, in denen Ironie und Sarkasmus zu einer Verdeckung der Redeabsicht führen, wodurch Spracheinstellungen teilweise vage oder opak bleiben. Gerichtssprache Englisch

4%

47% positiv 49%

negativ andere

Abb. 32: Gerichtssprache Englisch: Spracheinstellungen.

(316) Die SPD Hamburg, zusammen mit Niedersachsen und NRW, legte einen Gesetzesentwurf vor, der die englische Sprache neben Deutsch als Verhandlungssprache in Gerichten zulässt. Damit würde das seit 1877 bestehende Grundgesetz zur Gerichtssprache gefällt werden. Nach aktuellem Stand sei von einer Zustimmung des Bundestages auszugehen. Laut den Politikern sei es von Nachteil, dass Deutsch als alleinige Gerichtssprache etabliert ist (Posting VDS FB, 05. 08. 2014).

566

4 Metasprachdiskurse als ideologische Systeme

Innerhalb der Einstellungsbekundungen zum Thema Gerichtssprache manifestieren sich bis auf wenige Ausnahmen auf propositionaler und lexikalischer Ebene grundlegende Unterschiede zwischen explizit wertenden Äußerungen und solchen, die zum Englischen als indiziertem Gegenstand der Diskussion implizit und weniger apodiktisch Stellung beziehen. Kategorisch positive und negative Positionierungen (cf. 317–321) zeichnen sich i. d. R. durch eine relative Kürze der Äußerungen aus. Die Verbalisierung negativer Spracheinstellungen ist dabei durch die saliente Verwendung affektgeladener Wörter gekennzeichnet, deren emotiver Gehalt durch eine agrammatische Reduktion der Syntax (cf. 319, 320) und eine starke Interpunktion unterstrichen wird. (317) Ich bin dafür − aber nur unter der Bedingung, dass die USA das Gleiche tun (VDS FB, 05. 08. 2014)! (318) Ich kann ja kaum glauben, was ich da lese. Zwei Drittel der Bevölkerung seien “...des Englischen einigermassen gut mächtig...”? “Einigermassen gut” reicht wohl nicht hin, um juristisches Englisch zu verstehen. Und was ist mit dem anderen Drittel der Bevölkerung? Eine absolute Minderheit der Deutschen wäre überhaupt noch imstande, einer Gerichtsverhandlung zu folgen. Nicht akzeptabel (VDS FB, 06. 08. 2014). (319) Die spinnen, die Deutschen. Rettet eure Muttersprache, verdammt nochmal! (VDS-FB, 5.8.14). Unglaublich. Wie soll man eine Partei ernst nehmen, die so etwas fordert. Ist es nicht in gewisser Weise Landesverrat (VDS FB, 05. 08. 2014)? (320) Unglaublich. Ein weiteres Stück Selbstaufgabe und Identitätsverlust (VDS FB, 05. 08. 2014). (321) Ich kann gar nicht mehr soviel essen, wie ich kotzen möchte. Wir sind i. Deutschland und unsere Landessprache ist deutsch und nicht englisch (VDS FB, 05. 08. 2014)! Auf inhaltlicher Ebene erfolgt die Argumentation gegen das Englische als Gerichtssprache im Rückgriff auf kausale und konditionale Schlüsse, die auch im Diskurs des VDS in Form typischer Wahrnehmungsmuster perpetuiert sind: Darunter fallen der VERSTÄNDLICHKEITSTOPOS (cf. 317), der auf die kommunikative Funktion von Sprache abhebt und der IDENTITÄTSTOPOS (cf. 318, 319), der auf Sprache in seiner sozialen Dimension als Anker individueller («Mutterspache») und kollektiver Identität fokussiert («Landessprache», «Landesverrat»). Die Komplexität der Argumentation innerhalb des Topos hängt dabei auch davon ab, ob die Nutzer nur auf das Posting des VDS reagieren oder offensichtlich

4.3 Diskursrezeption und Diskursmodifikation in virtuellen Räumen

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auf die Verlinkung zu einem Zeitungsbeitrag oder einen anderen medialen Kontext Bezug nehmen, der dem Posting zugrunde liegt (cf. 318). Äußerungen, die sich außerhalb des eindeutig oppositären Einstellungsrahmens bewegen, sind durch einen höheren Grad an Reflexivität gekennzeichnet. Darunter fallen Beispiele, bei denen sowohl der Zweck als auch der reduzierte Inhalt des VDS-Postings kritisch hinterfragt und anhand konkreter gerichtssprachlicher Szenarien konterkariert werden (cf. 322). (322) Herrje, die Meldung ist aber auch so entstellt, dass es wie der Untergang des Abendlandes aussehen muss. Niemand muss befürchten, dass sein Nachbarstreit oder sein Verkehrsunfall auf englisch verhandelt wird. Es soll um internationale Wirtschaftsverfahren gehen, bei denen (mindestens) eine Partei nicht aus Deutschland kommt und alle Beteiligten einverstanden sind. Am Ende kann die deutsche Kultur dabei durchaus gewinnen: Die Rechtskultur wird bewahrt und verbreitet, und trotz der englischen Verhandlungssprache ist (wenn das Modell Erfolg hat) durchaus anzunehmen, dass deutsche Fachterminologie in andere Sprachen Einzug erhält; gerade Juristen sind auf exakte Sprache angewiesen, und da ist das Originalwort häufig besser als eine unscharfe Übersetzung. Die Verfahren, um die es geht, werden übrigens sowieso auf englisch geführt, nur eben derzeit woanders. Zu verlieren gibt’s also nichts (VDS FB, 05. 08. 2014). Auf lexikalischer Ebene deutet in diesem Beispiel die Verwendung von Begriffen wie «Rechtskultur» und «Fachterminologie» auf eine größere Differenziertheit der Wissensbestände des Sprechers hin. Die Argumentation zielt hier eindeutig weniger auf Plausibilitäten, sondern auf eine sachorientierte Erörterung des Sachverhalts ab. Metasprachliche Äußerungen dieser Kategorie weichen den sprachpuristischen Duktus des Sprachpflegediskurses auf und belegen die Bedeutung des laienlinguistischen Paradigmas als diskursives Spannungsfeld des Metasprachdiskurses zwischen Beschreibung und Bewertung (cf. Abb. 15). Anders verhält es sich mit Äußerungen, die zwar ebenfalls keine expliziten Urteilsbekundungen zur Sprachensituation Deutsch – Englisch vornehmen, aber durch die Verlagerung der Argumentation in nahegelegene topologische Felder, negative Einstellungen zum Englischen supponieren und auf diese Weise das sprachideologische Fundament des Diskurses indirekt stützen. Hierzu zählen sarkastische Verweise auf andere, ebenfalls kritisch diskutierte Sprachkontaktsituationen, wie z. B. zwischen dem Deutschen und dem Türkischen als Sprache der Migration (cf. 323–324) oder die Verquickung mit dem ELITENTOPOS, der durch die Diskreditierung wirtschaftlicher Akteure und bestimmter parteipoliti-

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4 Metasprachdiskurse als ideologische Systeme

scher Gruppen als Verantwortliche einer gesellschaftlichen Misere negative Einstellungsmuster auf den metasprachlichen Kontext überträgt. Der Verweis auf bestimmte soziale Gruppen verfügt, wie oben dargelegt wurde (cf. Kap. 4.2.1.1), über eine starke diskursive Indexikalität, die eng an sprachpuristische Konzepte gekoppelt ist: (323) Das ist sicher erst der Anfang. Bald wird sicher auch Türkisch Verhandlungssprache (das soll bloß Ironie sein;-)). Solange es kein Standortnachteil ist, daß in Deutschland Deutsche wohnen, geht es ja noch (VDS FB, 05. 08. 2014). (324) Wäre dann nicht Türkisch eher angebracht? Sprechen sicher mehr in D im Alltag als Englisch...(VDS FB, 07. 08. 2014). (325) Selbst schuld wer die wählt. Ebert würde sich im Grab umdrehen (VDS FB, 05. 08. 2014)! (326) Nicht die deutsche Sprache ist ein Standortnachteil, sondern deutsche Manager (VDS FB, 05. 08. 2014). (327) Typisch SPD (VD FB, 07. 08. 2014). (328) Irgendwie kann sowas nur von den Sozis kommen […] (VDS FB, 06. 08. 2014). Eine ähnliche Funktion in Bezug auf die Konstitution negativer Spracheinstellungen erfüllen dabei Äußerungen, die ebenfalls kein explizites Urteil gegen das Englische formulieren, aber auf den Status des Deutschen in nationalideologisch besetzten Kontexten verweisen. Das Empfinden der Rezipienten wird durch nicht weiter kommentierte Autoritätsverweise in historisch-kulturelle Kontexte verlagert, die Bedrohungsszenarien für die deutsche Identität beschreiben. Zitate aus den Gedichten Theodor Körners oder Hoffmann von Fallersleben schlagen eine Brücke zum Sprachnationalismus des 19. Jhs. (cf. Kap. 3.2.4) und übertragen die Dichotomie vom «Eigenem» und «Fremden» aus der Zeit nach den Befreiungskriegen in den heutigen Kontext kultureller und sprachlicher Globalisierung. (329) THEODOR KÖRNER – Die Eichen (1810) – “Abend wird’s, des Tages Stimmen schweigen, röter stahlt der Sonne letztes Glühn; und hier sitz’ ich unter euren Zweigen, und das Herz ist mir so voll, so kühn. Alter Zeiten alte, treue Zeugen, schmückt euch doch des Lebens frisches Grün, und der Vorwelt kräftige Gestalten sind uns noch in eurer Pracht erhalten. Viel des Edlen hat die Zeit zertrümmert, viel des Schönen starb den frü-

4.3 Diskursrezeption und Diskursmodifikation in virtuellen Räumen

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hen Tod; durch die reichen Blätterkränze schimmert seinen Abschied dort das Abendrot. Doch um das Verhängnis unbekümmert, hat vergebens euch die Zeit bedroht, und es ruft mir aus der Zweige Wehen: Alles Große muß im Tod bestehen! Und ihr habt bestanden! Unter allen Grünt ihr frisch und kühn mit starkem Mut. Wohl kein Pilger wird vorüberwallen, der in eurem Schatten nicht geruht; und wenn herbstlich eure Blätter fallen, tot auch sind sie euch ein köstlich Gut; denn verwesend werden eure Kinder eurer nächsten Frühlingspracht Begründer. Schönes Bild von alter deutscher Treue, wie sie beßre Zeiten angeschaut, wo in freudig kühner Todesweihe Bürger ihre Staaten festgebaut. Ach, was hilft’s, daß ich den Schmerz erneue? Sind doch alle diesem Schmerz vertraut! Deutsches Volk, du herrlichstes von allen, deine Eichen stehn, du bist gefallen” (VDS FB, 05. 08. 2014)! (330) “Daß wir so das Fremde lieben! Zu dem Fremden hingetrieben sind wir selbst uns fremd geblieben − Deutsch will keiner sein. Nur von Auslands Gnaden sollen wir bestehen, wir Lebensvollen, selbst nichts tun und selbst nichts wollen? Schlag der Teufel drein. Sollen wir an uns verzagen? Kein Gefühl im Herzen tragen, nicht einmal zu sagen wagen, daß wir etwas sind? Stählt die Sinnen und Gemüter! Seid die Schirmer, seid die Hüter eurer eigenen deutschen Güter! Werdet deutschgesinnt! Was die Fremden Gutes machten, laßt uns immer gern beachten, aber nach dem Besten trachten für das Vaterland! Liebend alle Welt umfassen, sich verachten, sich nur hassen, kann’s der Deutsche niemals lassen? - Armes Vaterland!” HOFFMANN VON FALLERSLEBEN 1842 (VDS FB, 05. 08. 2014). Solche selbstsprechenden argumentativen Grundfiguren beziehen ihre Bedeutung aus dem «Zusammenhang mit übergeordneten epistemischen Dimensionen» und «kulturellen Sinnhorizonten» (Ziem 2005, 318). Funktional betrachtet wird durch diese Form der Argumentation die Bedeutung des Deutschen für die nationale Identität emotiv zum Ausdruck gebracht und dann zu einer Begründung des SELBSTANKLAGETOPOS ausgebaut. Der AMTSSPRACHENTOPOS als eigentlicher Ausgangspunkt der Argumentation (cf. 316) wird auf diese Weise mit der patriotisch-nationalistischen Linie des Metasprachdiskurses vernetzt und der Status des Deutschen im Vergleich zum Englischen wird in spezifischen gesellschaftlichen Domänen wie der Rechtsprechung zum Symptom eines nationalen Identitätsverlusts: (331) Es hakt wer auch immer das einführt wird nie wieder ein Kreuz von mir bekommen egal auf welcher Ebene... Wie sehr kann man sein Vaterland

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4 Metasprachdiskurse als ideologische Systeme

hassen, dass man sogar die eigene Sprache langsam aber sicher verdrängen will. Denn dies ist der erste Schritt bzw leider nur ein weiterer dahin (VDS FB, 05. 08. 2014). Auch im Bereich der Diskussion über die Stellung des Deutschen auf europäischer Ebene überwiegen negative Positionierungen gegenüber dem Englischen als Arbeitssprache der EU: Arbeitssprache Englisch (EU)

14%

negativ

26% 60%

andere positiv

Abb. 33: Arbeitssprache Englisch (EU): Spracheinstellungen.

Jedoch zeichnen sich in Argumentationen, die sich auf den Status der deutschen Sprache außerhalb des nationalen Kontextes beziehen, mit insgesamt 14% der kategorisierten Äußerungen hier vergleichsweise deutlicher ausdrücklich auch positive Haltungen zum Englischen ab: (332) Englisch als Hauptkommunikationsprache in der EU, die jeder beherrschen und sprechen muss? Was meint ihr (VDS Posting, 14. 05. 2014)? Negative Einstellungen zum Englischen werden kongruent zu ablehnenden Positionierungen in den vorangehenden Beispielen mit dem IDENTITÄTSTOPOS begründet (cf. 133). Die Furcht vor einem nationalen Identitätsverlust durch die Fragmentierung der Sprachidentität wird mit negativen Eigenschaften der Sprecher erklärt und durch pejorative Begriffe veranschaulicht («einseitig», «anbiedernd», «autoritär»). Darüber hinaus werden im europäischen Kontext, im Gegensatz zur Amtssprachendiskussion im nationalen Kontext, nun auch Argumente für die Einschränkung des Englischen zugunsten der Bewahrung sprachlicher und kultureller Vielfalt angeführt:

4.3 Diskursrezeption und Diskursmodifikation in virtuellen Räumen

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(333) Was für eine einseitige, anbiedernde und autoritäre Betrachtungsweise, die wieder einmal exemplarisch die zerissene Identität Deutschlands repräsentiert! Wie will man Menschen für die EU begeistern, wenn dort eine Sprache vorgeschrieben wird, die für die meisten Europäer eine Fremdsprache darstellt? Europas Besonderheit liegt in seiner kulturellen Vielfalt, die sich im Wesentlichen durch den großen Sprachenschatz auszeichnet (VDS FB, 14. 04. 2014). Im Gegensatz zu dieser Haltung stehen positive Urteile, die die Wahl des Englischen als EU-Arbeitssprache aus Verständigungsgründen als praktikabel und aus demokratischen Gründen als Mittel sprachlicher Neutralität einordnen (cf. 334) oder Gelassenheit signalisieren und auf die sprachgeschichtliche Bedeutung und den Nutzen von Verkehrssprachen verweisen (cf. 355). In diesen positiven Einstellungsbekundungen dient der spiegelverkehrt eingesetzte VERSTÄNDLICHKEITSTOPOS (cf. 317) nicht nur der Verteidigung des Englischen als europäische Verkehrssprache und probates Verständigungsmittel, sondern ist auch Grundlage für die offene Kritik an nationalistischen Tendenzen von Sprachpflege (cf. 336): (334) ...warum sollte es deutsch sein? Englisch wäre viel praktischer...und kein EU-Land würde sich benachteiliigt sehen (VDS FB, 20. 05. 2014). (335) Linguae francae gab es immer. Wer kein Englisch kann, soll eben nicht nach Brüssel gehen. *WinkWink* (VDS FB, 09. 10. 2014). (336)

[…] Wie kommen Menschen nur dazu, eine Meinung, die nicht die ihre ist dermaßen herabzuwürdigen? Erstens bin ich nicht der Ansicht, dass man Nationalisten entgegenkommen muss, ganz im Gegenteil. Zweitens steht es JEDEM Staat frei solche Dokumente in die eigene Sprache zu übersetzen, wieso sollte man das in Brüssel tun? Heute ist eben Englisch dominant, früher war es Französisch und davor war es Lateinisch. So what? ;-) (VDS FB, 09. 10. 2014).

Andere Haltungen, in denen die Sprecher sich weder ausschließlich positiv noch negativ äußern, lassen ein differenziertes Spracheinstellungsprofil erkennen, in dem Bewertungen der englischen Sprache in Abhängigkeit vom konkreten sprachlichen Kontext vorgenommen werden. So wird das Erlernen des Englischen als Fremdsprache und als globales Verständigungsmittel zwar befürwortet, aber den individuellen sprachlichen Interessen der Sprecher untergeordnet. Als Nationalsprache hingegen soll die deutsche Sprache gepflegt und der Gebrauch von Anglizismen reguliert werden (cf. 337). Eine ähnliche Differenzierung zwischen der positiven Bewertung des Englischen als Fremdsprache

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4 Metasprachdiskurse als ideologische Systeme

und einer negativen Bewertung fehlerhafter Interferenzen illustriert auch Beispiel (338), wobei das Einstellungsprofil hier noch um eine ästhetische Komponente ergänzt wird, in der das amerikanische Englisch als Varietät abgelehnt wird: (337) Bis zum Beweis des Gegenteils: Englisch ist die Sprache, mit der man sich in Europa und auf der ganzen Welt am besten verständigen kann. Englisch zu lernen ist also in jedem Fall sinnvoll. Aber erstens sollte jeder Mensch soll frei entscheiden können, ob er vielleicht doch lieber hethitisch lernt. Und zweitens sollten die Völker Europas ihre eigenen Sprachen weiter pflegen und mit Anglizismen sparsam umgehen. Das jedenfalls ist meine Meinung (VDS FB, 14. 05. 2014). (338) Jeder sollte als Grundlage seine eigene Muttersprache beherrschen. Leider hört man nur Gestammel aus Halbsätzen und falsch verwendeten Fremdwörtern. Als Fremdsprache steht Englisch ganz oben. Und es ist auch eine schöne Sprache. Man darf nur nicht hören, was die Amis daraus gemacht haben (VDS FB, 14. 05. 2014). An zweiter Stelle in der Verteilung sprachstatusbezogener Topoi steht der BILDUNGSTOPOS, der wiederum in die Bereiche Wissenschaftssprache, Fremdsprachenunterricht und Deutschunterricht untergliedert werden kann: Bildungstopos 60 50 40 30 20 10

Abb. 34: Bildungstopos: Unterkategorien und Verteilung.

De ut sc hu nt er ric ht

Fr em ds pr ac he nu nt er ric ht

W is se ns ch a

fts sp ra ch e

En gl is ch

0

4.3 Diskursrezeption und Diskursmodifikation in virtuellen Räumen

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Die Bereiche Wissenschaftssprache und Fremdsprachenunterricht sind wie die Kategorien des AMTSSPRACHENTOPOS mit dem ANGLIZISMENTOPOS verbunden. Die topologische Verschränkung resultiert auch hier in der Konstitution überwiegend negativer Einstellungen zum Englischen, wie im Folgenden exemplarisch anhand der Kritik am Englischen als Wissenschaftssprache verdeutlicht werden soll. Die Spracheinstellungen entfallen fast analog zur Verteilung bei der Diskussion des Englischen als Amtssprache auf eine überwiegende Anzahl negativer Spracheinstellungen (65%) sowie auf 14% positive und 21% andere Bewertungen des Englischen. Anhand einer exemplarisch ausgewählten Diskussion zur sprachlichen Neuorganisation von Masterstudiengängen an der Technischen Universität München können in dieser topischen Kategorie neben ähnlich gelagerten Spracheinstellungen auch ähnliche Argumentationsmuster nachgewiesen werden: (339) Die Technische Universität in München plant, die Sprache der meisten Master-Studiengänge bis 2020 komplett auf Englisch umzustellen. So soll die Universität einen guten Anschluss an den internationalen Wettbewerb bekommen und Studierende aus der ganzen Welt aufnehmen. Englisch sei schließlich die „lingua franca“ der Wirtschaft […] (Posting VDS FB, 15. 07. 2014). Wissenschaftssprache Englisch

14% negativ

21% 65%

neutral und andere positiv

Abb. 35: Wissenschaftssprache Englisch: Spracheinstellungen.

Innerhalb des negativen Einstellungsspektrums kann wie beim Thema Gerichtssprache eine graduelle Skalierung der Affektivität sprachlichen Handelns vorgenommen werden. Diese reicht von der Äußerung eines Missfallens bis zur Beschreibung eines Katastrophenszenarios, in dem der Sprachkontakt mit dem Englischen zu einer Pidginisierung des Deutschen (cf. 341) und dann zum

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4 Metasprachdiskurse als ideologische Systeme

Sprachverfall führt, der auf lexikalischer Ebene mit dem Aussterben des Deutschen gleichgesetzt wird («Abschaffung», «Bankrotterklärung», «Selbstmord»). (340) Jedenfalls gefällt mir die Entwicklung gar nicht, in ganz Europa. Und nicht nur wegen unserer Sprache, sondern auch allen anderen europäischen Sprachen. Englisch wird grad so in den Himmel gehoben und alle anderen Sprachen als minderwertig dargestellt. Das ist furchtbar und auch irgendwie respektlos.42 (341) Fazit: 2050 wird dann keiner auf den Gedanken mehr kommen, daß es dereinst einmal Vorlesungen auf deutsch gab, da alle Fakultäten in einem Pigeon-Englisch auf dem Niveau von “Kiez-deutsch” (ehem. Name “Kanaksprak”) herumradebrechten! (342) Katastrophal und unfassbar. Ein großer Schritt in Richtung der kompletten Abschaffung unserer Sprache letzten Endes. Andere Unis werden da gleich nachziehen mit diesem Scheiß. (343) Und Leute, die da nicht mitmachen, die werden ausgegrenzt. Da ist es wieder wie früher, als “die Oberen” alle Französisch sprachen, um sich vom allgemeinen Pöbel abzuheben. Jetzt eben mit Englisch. Für unsere eigene Sprache ist das natürlich eine Bankrotterklärung. Traurig. (344) Intellektueller Selbstmord. Graphisch fehlerhafte Lexeme wie das Kompositum Pigeon-Englisch (cf. 341) dürfen hier als besonders aufschlussreich gelten.43 Sie belegen, dass puristische Spracheinstellungen nicht nur als Handlungsrahmen auf der Ebene der «Metalanguage 3» vom Diskurs des «ideology broker» gelenkt werden, sondern dass auch auf der Ebene der «Metalanguage 1» einzelne Lexeme als Symbole einer puristischen Haltung von den Rezipienten aus dem sprachideologischen Diskurs ins eigene sprachliche Handeln integriert werden (cf. Abb. 8). Dass bei dieser Integration sprachideologische und nicht inhaltliche Beweggründe ausschlaggebend sind, zeigt die Schreibung des Fachterminus Pidgin, der hier graphisch fälschlicherweise mit eng. pigeon (ʻTaubeʼ) gleichgesetzt wird. Bestimmte Lexeme indizieren folglich beim Rezipienten eine Spracheinstellung,

42 Die Belege (340)–(344) wurden alle als Nutzerkommentare am 15. 07. 2014 eingestellt. 43 Cf. (245): «Anders als bei ihren Konkurrenten äußert sich das bei der Verteidigungsministerin allerdings nicht in dem üblichen Vermanschen des Deutschen mit dem Englischen zu einem Pidgin-Dialekt namens Denglisch» (cf. Kap. 4.2.1.1).

4.3 Diskursrezeption und Diskursmodifikation in virtuellen Räumen

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mit der er sich identifiziert, und werden in Unkenntnis oder uneingedenk der Bedeutung in den eigenen Sprachgebrauch übernommen. Diskursteilnehmer, die eine positive Haltung zum Englischen als Wissenschaftssprache einnehmen, begründen dies im Rahmen einer Befürwortung des globalen Arbeitsmarktes, der internationalen Kommunikation und einer Ablehnung nationalistischer Tendenzen (cf. 345) oder zeigen sich schlichtweg amüsiert über die Sprachverfallsängste der anderen Nutzer (cf. 346). Dabei wird deutlich, dass kategorisch positive Spracheinstellungen ebenso wie negative Positionierungen v. a. meinungsbasiert sind und ebenfalls nur selten auf sachbasierten Begründungen beruhen: (345) Dass in Deutschland (auch) in Englisch unterrichtet und geprüft wird, ist eine richtige Entscheidung. Forschung und Arbeitsmarkt sind eben international geworden, und man muss die Absolventen darauf vorbereiten. Das schädigt die deutsche Sprache keineswegs. In vielen Kommentaren hierzu mischen sich Ressentiments und Nationalismus unter ein berechtigtes Anliegen (VDS FB, 17. 07. 2014). (346) Naja, deswegen geht Deutschland nicht unter und die deutsche Sprache wird auch nicht abgeschafft. Das muß man doch locker sehen ... ;-) (VDS FB, 15. 07. 2014). Ebenfalls deutlich differenzierter erweisen sich auch innerhalb des BILDUNGSTOPOS Positionierungen, die nicht von apodiktischen Spracheinstellungen dominiert werden. Dies äußert sich in einer Berücksichtigung verschiedener Bewertungsgrundlagen, die neben einer rein emotiven Sprachbetrachtung auch kommunikative (globale Verständigung) und wirtschaftliche Faktoren (Arbeitsmarkt) mit in ihr metasprachliches Urteil einbeziehen. Dabei werden Anglizismen und das Englische als Bildungssprache als völlig unabhängige Phänomene mehrsprachiger Gesellschaften betrachtet: (347) Ich lege sehr großen Wert auf unsere Sprache und lehne die Ausbreitung von Anglizismen ab. Aber hier kann mich nicht aufregen. Die Sprache der Wissenschaft, der “scientific community” ist nun mal Englisch. Englisch ist die Sprache, in der man sich so ziemlich überall auf der Welt, respektive im Geschäftsleben (!) miteinander verständigen kann. Es mag kulturell bedauerlich sein, und ich verstehe z. T. auch die Empörung, aber ich finde es schlicht pragmatisch, das Studium in Englisch abzuhalten: es wird vielen Absolventen erheblich helfen, sich später in multinationalen Konzernen zurechtzufinden − und keinem schaden (VDS FB, 15. 07. 2014).

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4 Metasprachdiskurse als ideologische Systeme

Auf sprachlicher Ebene werden dabei Anglizismen zum Synonym einer unreflektierten oder fehlerhaften Übernahme englischer Lehnwörter in den individuellen Sprachgebrauch. Dieser fehlerhafte Gebrauch der englischen Sprache wird kongruent zu den Wortbildungsverfahren, die auch in den Publikationen des VDS als rekurrente Muster identifiziert wurden, mit Kompositionen aus dem Stigmawort Denglish und pejorativen Determinata wie Gedümpel stigmatisiert. (348) Es gab auch eine Zeit, in der Vorlesungen an den Unis prinzipiell auf Latein gelesen wurden, damit ausländische Studenten sich leichter tun! Warum soll nicht Englisch die neue Wissenschaftssprache werden, da ja fast alle Leute, die internationale Beziehungen aufbauen wollen, sie ohnehin schon lernen? Nur müsste durch Zertifikate sichergestellt werden, dass die Vortragenden die Sprache auch hinreichend beherrschen! Ein bloßes Denglish-Gedümpel darf es eben nicht werden ... (VDS FB, 15. 07. 2014). Kompositionen und Derivationen, die auf die Abwertung von Anglizismen oder deutsch-englischen «Sprachmischungen» abzielen, treten im Online-Korpus als überaus produktive Wortbildungsverfahren in Erscheinung. Dabei können neben pejorativen Nominalableitungen von apokopischen Basislexemen wie Amiund Engli- durch das gelehrte Pluralsuffix -ismen (Ami-nismen, Engli-nismen), die synonym zum Stigmawort Anglizismen eingesetzt werden, zwei weitere Kompositionstypen klassifiziert werden, die einmal der metasprachlichen und einmal der sozialen Typisierung des Entlehnungsvorgangs aus dem Englischen dienen: Soziale Typisierungen werden durch die Komposition der gebundenen Kurzformen Pseudo(-) oder Proll- als Erstwörter vorgenommen (cf. Androutsopoulos 1998, 141). Darunter fallen einfache Kompositionen wie Pseudo-Englisch oder Proll-Anglizismen, aber auch der intensivierende Gebrauch durch die erneute Komposition mit bereits bestehenden Determinativbildungen wie Pseudo-englischgesülze. Der Fokus liegt hier auf der Diffamierung der Sprecher, die vorgeben, Englisch zu sprechen oder die sich mit dem Gebrauch der englischen Sprache profilieren wollen. Semantisch gleichzustellen ist das von der Konstituentenstruktur [Adjektivstamm + Substantiv] abweichende Muster mit einem weiteren Substantiv als Formativ wie in Möchtegern-Denglischies (cf. Androutsopoulos 1998, 147). Die in der Komposition auftretende desubstantivische Personenbezeichnung auf -i (Denglisch-i-es) verstärkt als okkasionelle Kollektivbildung die soziale Typisierung bzw. Stigmatisierung der Sprecher. Die deadjektivische Konversion Prollisch stellt eine Verbindung beider

4.3 Diskursrezeption und Diskursmodifikation in virtuellen Räumen

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Typisierungsarten dar und drückt aus, dass aus dem sprachlichen «Fehlverhalten» der Sprecher eine ebenso «fehlerhafte» Sprache hervorgeht, mit der man vorgibt, jemand zu sein, der man nicht ist. Bei metasprachlichen Typisierungen zielen die ermittelten Wortbildungsmuster auf die Stigmatisierung sprachlicher Erscheinungsformen ab. Hierzu zählen substantivische Kompositionen mit einem pejorativen Determinans in Erst- oder Zweitstellung wie Kraut-Englisch oder Anglizismen-dreck. Ebenfalls auffällig sind Kompositionen, deren Determinans aus der modellhaften deverbalen oder denominalen Ableitung auf -(er)ei hervorgeht, die als «semantisches Merkmal der Iterativität» (Androutsopoulos 1998, 165) eingesetzt wird, d. h. auf sich ständig wiederholende Sprachmischungen bzw. Entlehnungen aus dem Englischen verweist. In Ableitungen dieses Typs werden Basislexeme verwendet, die Assoziationen des «Vermischens» oder «Vermengens» von Flüssigkeiten implizieren und somit als lexikalische Anschlussstellen für naheliegende Metaphernkonzepte wie SPRACHE ALS FLÜSSIGKEIT oder STOFF fungieren. Der MEHRSPRACHIGKEITSTOPOS als dritte Kategorie sprachstatusbezogener Argumentation stellt in der Online-Community einen intensiv diskutierten Wissensrahmen dar, der in erster Linie der Konstruktion und Festigung der individuellen Sprecheridentität dient. In den Unterkategorien des Topos (cf. Abb. 36) dominieren verschiedene Einstellungsmuster. Diskussionen über Dialekte und Mundarten des deutschen Varietätenraums sowie die kollektive Angst vor einer zurückgehenden Vitalität autochthoner Sprachen werden überwiegend von positiven Spracheinstellungsmustern gegenüber diesen Varietäten geleitet. Neben diesen positiven Bewertungen individueller Mehrsprachigkeit im Kontext einer ethnischen Identitätsprägung oder Revitalisierung lassen hingegen punktuell auftretende Debatten über sprachpolitische Initiativen zur Förderung der gesellschaftlichen Mehrsprachigkeit ein ablehnendes Einstellungsbild erkennen. Als Beispiel sei hier auf die saarländische «Frankreichstrategie» verwiesen, durch die auf Landesebene «Französisch […] als Verkehrssprache neben die Mutter- und Amtssprache Deutsch treten und durch Englisch und/oder weitere Fremdsprachen ergänzt werden [soll]» (Saarländisches Ministerium für Finanzen und Europa 2019, cf. 349). Diese sprachpolitische Initiative wird von den Sprechern der Facebook-Community in überwiegender Zahl rigoros abgelehnt (cf. 350–352) oder kritisch betrachtet (cf. 351). Die Beweggründe für diese Haltungen lassen sich aus der Emotivität des sprachlichen Handelns ableiten, in dem rekurrente Stigmawörter wie «Unterwürfigkeit» und semantisch nahe Konnotate wie «anbiedernd» oder der «Mangel» an «Selbstbewusstsein», «Sprachloyalität» und «Liebe» die argumentative Vernetzung mit dem UNTERLEGENHEITSTOPOS indizieren. Die Wahrnehmungsmuster basieren folglich auf einer

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4 Metasprachdiskurse als ideologische Systeme

Mehrsprachigkeitstopos 80 70 60 50 40 30 20 10 0 Dialekte und

Sprachensterben

Frankreichstrategie

Mundarten Abb. 36: Mehrsprachigkeitstopos: Unterkategorien und Verteilung.

nationalen und nicht funktionalen Interpretation gesellschaftlicher Mehrsprachigkeit, d. h. Mehrsprachigkeit wird in nationalen Kontexten als Bedrohung der sprachlichen und kulturellen Identität sowie als Machtinstrument wahrgenommen. Diese machtbezogene Bedeutungsdimension wird auch dadurch deutlich, dass ein potenzielles Befürworten der sprachpolitischen Initiative an die Forderung nach äquivalenten Maßnahmen auf französischer Seite gebunden ist, um die Entstehung eines Machtgefälles zu vermeiden (cf. 351). Die Ablehnung des «Fremden» zum Schutz des «Eigenen» ist dabei unabhängig davon, um welche «fremde» Sprache (Englisch oder Französisch) es geht (cf. 350). (349) Parlez-vous français? Im Saarland bald vielleicht jeder. Gute Idee? Oder Einschränkung der Sprachwahl (Posting VDS, 23.1.13)? (350) Leider wieder ein Beispiel für gnadenlose Unterwürfigkeit. Wegen des Kommerz’ würden manche Leute ihre eigene Großmutter verkaufen! Die Sprache anzubieten ist ja wohl vernünftig. Aber die eigenen Wähler zu einer bestimmten Fremdsprache zu drangsalieren ist unfassbar anbiedernd und typisch für “unsere” in den Perfektionismus getriebene Unterwürfigkeit. Erbärmlich (VDS FB, 23. 01. 2014)!

4.3 Diskursrezeption und Diskursmodifikation in virtuellen Räumen

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(351) was ist mit Deutsch im französischen Grenzgebiet oder sind wir wieder typisch deutsch unterwürfig (VDS FB, 23. 01. 2014) ???????????? (352) Also, so langsam ist es soweit. Nicht nur, daß einem die “Anglizismenwut” Kopfschütteln abringt. Oder die “sprachliche Unterwürfigkeit” hierzulande, die uns die BBC schon vor Jahrzehnten diagnostiziert hat. Was, bitte schön, soll DAS jetzt wieder? Man stelle sich das mal umgekehrt herum vor: Frankreich, das noch nicht einmal die Konvention zum Schutz und zur Förderung der Regionalsprachen unterzeichnet hat (!), würde sich entschließen (bzw eine Region des Landes würde das tun), Deutsch als Verwaltungssprache (!) in einem Teil seines Staates einzuführen. Eigentlich gar nicht denkbar ... Zudem: Wozu soll es gut sein, Französisch als Verwaltungssprache im Saarland einzuführen? WOZU? Als grenznahe Region ist es sinnvoll, die Sprache des Nachbarn in Schulen etc anzubieten. Sicher. Aber in der Verwaltung? In den staatlichen Organen? So ein Vorschlag wäre in den meisten Ländern der Welt unvorstellbar. Leider ist er nicht untypisch für unser Land, in dem es an sprachlichem Selbstbewußtsein, Sprachloyalität und Liebe zur eigenen Sprache immer noch so sehr mangelt (VDS FB, 23. 01. 2014). (353) Wenn die Franzosen es erwägen würden in Lothringen die selben Bemühungen für die deutsche Sprache zu unternehmen, könnte ich mir das vorstellen. Weil aber die Franzosen einer anderen Sprache sicherlich keine Zugeständnisse machen wollen, wird dies in Frankreich nicht passieren. Deswegen wünsche auch ich mir, dass das Deutsche in unserem Staat keiner fremden Sprache in irgendeiner Weise gleichgestellt wird (VDS FB, 23. 01. 2014). Autochthone Varietäten werden von den Sprechern hingegen nicht als Machtinstrument, sondern als Bereicherung des kulturellen und sprachlichen Bewusstseins wahrgenommen (cf. Abb. 37). Für die inhaltliche Ausgestaltung des Topos ist entscheidend, dass Dialekte und Mundarten weder als Bedrohung für die Standardsprache noch als bedroht durch diese wahrgenommen werden (cf. 354). In dieser Spracheinstellungskonstitution besteht ein zentraler Unterschied im Vergleich zum französischen Sprachpflegediskurs, in dem Bedrohungsszenarien der «langue nationale» gleichermaßen durch den Einfluss des Englischen und Initiativen zur staatlichen Anerkennung der Regional- und Minderheitensprachen fundiert werden. Der konsequenten Ablehnung der Charta der Regional- oder Minderheiten im französischen Diskurs (cf. Kap. 3.3.8–3.3.9) steht somit eine breite Befürwortung im deutschen Diskurs entgegen (cf. 355).

580

4 Metasprachdiskurse als ideologische Systeme

Dialekte und Mundarten

20% positiv 20%

60%

neutral und andere negativ

Abb. 37: Dialekte und Mundarten: Spracheinstellungen.

Dabei gehen bei den Diskutanten positive Spracheinstellungen zu Dialekten und Mundarten deutlich über eine reine Anerkennung sprachlicher Varietäten im individuellen Sprachgebrauch hinaus. Als Teil einer kollektiven Haltung werden sie zur konsensuellen Grundlage sprachaktivistischer Maßnahmen, die wie in den folgenden Beispielen ersichtlich ist, auf eine bilinguale Erziehung bereits im Kindergarten (cf. 352) oder die Einführung der Dialekte als eigenes Schulfach unter Voraussetzung der Wahrung des Deutschen als Standardsprache (cf. 354) abzielen: (354) Eine Mutter als [sic] Bayern möchte ihrem Sohn die Chance geben, in seinen jungen Jahren den bayrischen Dialekt zu erlernen. Sie steht jedoch vor dem Problem, dass nur wenige Kindertagesstätten solche Förderung anbieten – meist werde Hochdeutsch gesprochen. Dabei sei der Dialekt die beste Grundlage für Mehrsprachigkeit. Außerdem gehe mit der Vorenthaltung der Möglichkeit, die Mundart zu erlernen, ein Stück Kulturgut verloren (Posting VDS, 09. 04. 2014). (355) Ich wäre ja dafür, wenn man im Kindergarten und in der Schule sowohl den Dialekt des jeweiligen “Gebietes” als auch Hochdeutsch lernt. Dialektsprechen gehört einfach dazu, es stärkt die Identität und das “Heimatgefühl”. Ich weiß noch als ich zur Schule ging, da galt Dialektsprechen als verpönt, als ungebildet und jeder sollte unbedingt Hochdeutsch lernen. So kann ich z. B. gar nicht mehr so sprechen, wie es meine Großeltern getan haben und so gehen diese Dialekte auch mit der Zeit kaputt und man selbst verliert ein Stück “Identität”. Was ich mehr als schade finde. Deshalb sollte man meiner Meinung nach einfach beides lernen (VDS FB, 09. 04. 2014).

4.3 Diskursrezeption und Diskursmodifikation in virtuellen Räumen

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(356) Ich finde, wenn man einen Dialekt irgendwo lernen muss, ist es keiner mehr. Dialekt ist ortsübliche Umgangssprache. Die lernt man im täglichen Sprachgebrauch. Wenn im Kindergarten Dialekt gesprochen wird, dann ist es so – wenn nicht, dann ist es auch in Ordnung. In einer Schule sollte aber Hochdeutsch gesprochen werden. Ein Dialekt hält das aus (VDS FB, 10. 04. 2014). Die metasprachliche Fundierung positiver Positionierungen gegenüber Mundarten und Dialekten durch den IDENTITÄTSTOPOS (cf. 553) ist dabei teilweise so stark an emotive Spracheinstellungskomponenten gebunden, dass die Nutzer ihre positiven Haltungen durch die Selbstdarstellung als Dialektsprecher unterstreichen (cf. 356; 358) oder sich sogar mit Dialekten identifizieren, ohne selbst Dialektsprecher zu sein (cf. 357, 359). (357) An 27 Grundschulen in Schleswig-Holstein wird Plattdeutsch als Unterrichtsfach eingeführt. So werden ab dem kommenden Schuljahr wöchentlich zwei Stunden des Sprachunterrichts angeboten. Mit dem Projekt werde die Vorgabe der Europäischen Charta der Regional- und Minderheitensprachen erfüllt, die die Bundesrepublik 1999 unterzeichnete (Posting VDS, 06. 06. 2014). (358) Des soi a in Bayern fiar boarisch eigfiart wern.44 (359) Letztes Jahr ist meine Uroma gestorben und damit auch ihr Dialekt. Sie war die letzte in unserer Familien die ausschließlich Platt sprach. Wenn ich mit ihr sprechen wollte musste meine Oma jedes Wort übersetzen. Ich hatte nie genug Gelegenheit es zu lernen. Das bereue ich jetzt sehr. Deshalb finde ich gut dass man sich, in Schleswig-Holstein, fortschrittlich und kulturbewusst für den Spracherhalt einsetzt. Andere Bundesländer dürfen sich an Schleswig-Holstein ein Beispiel nehmen. (360) Wä hätt dat jedaat? Mer han all döckes jejlööv, datt ett Platt nie mie lang mitmööt. Jut jemäck. Wigger esu. Lott jonn! (361) Ein toller Tag für die Minderheitensprachen, leider kann ich kein Plattdeutsch :-(aber ich muss lernen! Die argumentative Begründung für eine dialektgebundene Identitätsbildung wird sowohl mit persönlichen Erfahrungen einer gescheiterten intergeneratio-

44 Die Kommentare der Belege (356)–(359) wurden alle am 06. 06. 2014 eingestellt.

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4 Metasprachdiskurse als ideologische Systeme

nellen Sprachweitergabe fundiert als auch mit ideologischen Konzepten, die Dialekte als Teil des gesellschaftlichen Fortschritts und Kulturbewusstseins interpretieren (cf. 357). Mit Blick auf die ideologischen Tendenzen von Sprachpflege im öffentlichen Raum können sowohl die Forderung nach Sprachloyalität (cf. 352) als auch die betonte Einordnung von «Sprache als Ethnizitätssymbol» (cf. 358–361) als Indizien einer sprachnationalistischen Denkweise sein, die wie Stukenbrock (2005a) hervorhebt, dann «ein[setzt], wenn einem Kollektiv seine Ethnizität bewusst geworden bzw. bewusst gemacht worden ist, wenn die Ethnizität im Mobilisierungsprozess begriffen und die Sprache darin als Schlüsselmerkmal der Ethnizität ‹erkannt› und etabliert ist. Ist die Sprache als ethnisches Schlüsselsymbol inthronisiert, findet eine manipulierte Steigerung der Salienz von Sprache und Ethnizität statt […]» (Stukenbrock 2005a, 40–41).

Dabei scheint es für den aktuellen Trend öffentlicher Sprachpflege konstitutiv zu sein, das Verständnis von Sprache als Ethnizitätssymbol von der nationalen («Landessprache», «Amtssprache») auf die regionale Ebene (Dialekte und Mundarten) auszuweiten. Durch den Einbezug verschiedener sozialer Dimensionen von Sprache und sprachlicher Variation wird die Maxime nationaler Sprachloyalität und Sprachpflege demokratisiert und spricht, wie aus den Belegen hervorgeht, eine breite Masse der Sprecher an. Dass der sprachideologische Duktus des VDS und seine Vermarktung als Bürgerbewegung beim sprachinteressierten Publikum auf Resonanz stoßen, zeigt darüber hinaus der ebenfalls am Korpus belegte ÖFFENTLICHKEITSTOPOS (cf. Abb. 38). Wie in den Sprachnachrichten dient dieser Topos dazu, führende gesellschaftliche Gruppen und Vertreter in Frage zu stellen und als Verantwortliche des Sprachverfalls anzuklagen. Dabei wird der oben angesprochene Mangel an Sprachloyalität (cf. 352) auf eine typisch elitäre Verhaltensweise reduziert. Kongruent zum sprachlichen Handeln des VDS dient der ÖFFENTLICHKEITSTOPOS auch in den untersuchten Facebook-Kommentaren der Konstruktion einer gespalteten Öffentlichkeit und der Fundierung eines repräsentativen Diskursmodells (cf. Tab. 1). In den Äußerungen der Sprecher wird deutlich, dass der den Eliten unterstellte Mangel an Sprachloyalität mit einem Loyalitätsmangel gegenüber den Sprechern gleichgesetzt wird, die sich in eine bestimmte Sprachensituation hineingezwungen fühlen. Bei Verschränkungen zwischen ELITEN- und ANGLIZISMENTOPOS, die auch im Online-Korpus ein dominantes Sprachhandlungsmuster darstellen (cf. 362, 364–367), wird wie im Zeitschriftenkorpus die Wahrnehmung einer eingeschränkten sprachlichen Freiheit durch das Wortfeld «Zwang» – hier am Beispiel des Englischen als Wissenschaftssprache (cf. 362: «aufgezwungen»,

4.3 Diskursrezeption und Diskursmodifikation in virtuellen Räumen

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Öffentlichkeitstopos 100 90 80 70 60 50 40 30 20 10 0 Elitentopos

Volkstopos

Abb. 38: Öffentlichkeitstopos: Unterkategorien und Verteilung.

«zwingen») – ausgedrückt.45 Wie stark auch in diesem topischen Bereich die Konstitution metasprachlichen Wissens auf Wahrnehmungen der sprachlichen Realität beruht und durch diese affektiv geprägt ist, zeigt die Verwendung von Lexemen wie «Verrat» und «Bevormundung», die eng an das persönliche Empfinden der Sprecher gebunden sind. Verstehensrelevant ist dabei, dass sich die Wahrnehmung einer Kluft zwischen Elite und Volk nicht nur an sprachenbezogenen Fragen wie dem Einfluss des Englischen manifestiert, sondern auffällig durch Faktoren sozialer Ungleichheit geprägt ist (cf. 363: «Elite, deren Eltern sich Privatschulen leisten können») ebenso wie durch kontextferne gesellschaftliche Debatten («Stuttgart 21») oder individuelle politische Meinungen (cf. 368): (362) Es ist Verrat am deutschen Volk. Es wird den Eliten aufgezwungen, im eigenen Land in fremder Sprache zu studieren, damit Studenten aus aller Welt sich nicht auf die deutsche Sprache umstellen müssen. Wer im internationalen Wettbewerb englisch braucht, hat auch bisher Studienfächer in Englisch belegen können. Eine neue Qualität der Bevormundung ist, jetzt alle aus der deutschen in die englische Sprache zu zwingen, ob

45 Cf. Kap. 4.2.1.1, (257)–(260).

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4 Metasprachdiskurse als ideologische Systeme

sie es brauchen oder nicht. Wo bleibt nur unsere Freiheit? Wo bleibt die Freiheit der Studienwahl, der Fächerwahl und der Wahl der Sprache (VDS FB, 15. 07. 2014)? (363) Deutsch (einschließlich der vielen regionalen Dialekte) ist leider für zuviele Schüler in Deutschland nicht Mutter- und oft nichtmal Familiensprache. Das bedeutet: Viele Schüler werden nur in den paar Schulstunden angehalten, Deutsch zu sprechen, in denen ein Lehrer unterrichtet. Viele Büchereien sind mittlerweile geschlossen, weil der Staat lieber Geld für Bankensanierung und sinnlose Großprojekte wie “Stuttgart 21” hinausschmeißt. Wir brauchen in der Zukunft Fachkräfte, und die müssen in Deutschland ein gutes, umfängliches Deutsch lesen und schreiben können […]. Denn sonst machen wieder die die Elite, deren Eltern sich Privatschulen leisten können (VDS FB, 27. 06. 2014). Ebenfalls mit dem Zeitschriftenkorpus übereinstimmend ist die Granulierung des Elitentopos durch Einstellungsäußerungen gegenüber verschiedenen sozialen Gruppen (cf. Abb. 39). Unterschiede bestehen hingegen in der Adressierung negativer Positionierungen, die sich in der Facebook-Diskussion stärker an politischen Vertretern ausrichten und nicht wie in den Sprachnachrichten vornehmlich an Vertretern der universitären Linguistik (cf. Abb. 24). Aufgrund der Dominanz des POLITIKERTOPOS beschränkt sich die Darstellung des ELITENTOPOS im Folgenden ausschließlich auf diese Kategorie. Für die übrigen sozialen Gruppen (Linguisten, Journalisten, Wirtschaftsvertreter) konnten im Korpus ebenfalls überwiegend negative Einstellungsbekundungen klassifiziert werden, sodass auch für dieses topologische Feld inhaltliche und strukturelle Synergien zwischen Diskursproduktion und -rezeption konstatiert werden können. Am Beispiel des POLITIKERTOPOS kann verdeutlicht werden, wie stark der VDS als «ideology broker» den Diskurs lenkt und auf diesem Weg abwertende Haltungen der Sprecher provoziert und in einem metasprachlichen Kontext bündelt. Politiker werden, wie durch das folgende Posting, nicht nur zu Urhebern eines überdimensionierten englischen Spracheinflusses erklärt, sondern auch zu Galionsfiguren mangelnder Fremdsprachenkompetenz und eines schlechten Sprachgebrauchs: (364) In Anlehnung an die vielen Kommentare (vielen Dank dafür!), wie “falsch” die englische Sprache gesprochen wird, haben wir etwas Passendes gefunden :-) (Posting VDS, 03. 02. 2014).46 46 Ein ergänzter Link führt zu einer als Video in YouTube verfügbaren Rede Alexander Dobrindts auf Englisch.

4.3 Diskursrezeption und Diskursmodifikation in virtuellen Räumen

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Elitentopos 60

50

40

30

20

10

0 Politikertopos

Linguistentopos

Journalistentopos

Wirtschaftstopos

Abb. 39: Elitentopos: Unterkategorien und Verteilung.

(365) Das ist typisch Deutsch und passt zur aktuellen Zeit. Man redet lieber völlig falsch irgendwelche Fremdsprachen, anstatt die eigene Sprache zu sprechen und zu fördern. Man biedert sich hündisch allem Fremden an, weil man Angst hat Deutsch zu sein und dann als Nazi zu gelten. Völliger Irrsinn (VDS FB, 03. 02. 2014). (366) tiee äitsch und dubbelju waren schon immer das Problem von Leuten, die als Deutsche glauben Englisch zu sprechen. Hier setzt sich jemand in Szene. Und ich kann ihn auch auf Deutsch nicht ertragen (VDS FB, 04. 02. 2014). (367) Wäre er doch besser beim Deutsch geblieben. Aber dann hätten wir nix zum Lachen (VDS FB, 03. 02. 2014). (368) Oje oje, genau so professionell wie Oettinger, einfach nur peinlich. Bei dem Gehalt sollte doch ein guter Englisch Workshop drin sein... oder einfach Deutsch sprechen und dolmetschen lassen. Das wär 100 mal besser als das Gestammel :-S (VDS FB, 03. 02. 2014). (369) Mir bluten die Ohren (VDS FB, 03. 02. 2015)!

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4 Metasprachdiskurse als ideologische Systeme

Elite (Politik)

2%

negativ positiv 98%

Abb. 40: Elite (Politik): Spracheinstellungen.

Innerhalb der sprachkritischen Urteile zur Aussprache, die in apodiktischen Beurteilungen als gänzlich fehlerhaft und unerträglich beschrieben (cf. 365, 369), graphisch stigmatisiert (cf. 366) und mit ironischem Mitleid (cf. 367) kommentiert wird oder beim Rezipienten gar ein Schamgefühl auslöst (cf. 369), steht die Abwertung der politischen Person und nicht des Sprechers Dobrindt im Vordergrund des sprachlichen Handelns. Die negativen Positionierungen zielen dabei auf die personenbezogene Vergegenständlichung der Sichtweise, Politiker biederten sich mit Fremdsprachen an oder sprächen diese aus Angst davor, sich national zu bekennen (cf. 365–366). Andere verweisen auf das Gehalt von Politikern, das ein in der Gesellschaft kritisch diskutiertes Thema darstellt. Im Vordergrund stehen folglich auch bei diesem Topos soziale Meinungen, individuelle Erfahrungen, Empfindungen und Wissensrahmen, die zu einer dominant affektiven Beurteilung von Sprache und Sprechern führen. So werden wie im folgenden Beispiel eigene Mühen und Anstrengungen im Spracherwerb zu Auslösern einer negativen Haltung gegenüber dem Sprachgebrauch von Politikern, denen der Sprecher einen geringen Einsatz beim Sprachenlernen unterstellt: (370) Als in Griechenland aufgewachsene Griechin habe ich mir viel Mühe gegeben, Deutsch zu lernen. Ich habe auch meine Tochter und viele Freundinnen von meiner Tochter dazu überredet, sich an der Schule für Deutsch zu entscheiden. Sehr oft fühle ich mich aber riesig enttäuscht, wenn prominente deutsche Politiker im Fernsehen auf Englisch sprechen (VDS FB, 20. 05. 2014).

4.3 Diskursrezeption und Diskursmodifikation in virtuellen Räumen

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Andere Positionierungen zu sprachenbezogenen Fragen, wie z. B. zum teilweise in den Grundschulen durchgesetzten Verzicht auf die Schreibschrift beim Schriftsprachenerwerb, sind wiederum derart stark von anderen Einstellungen überlagert und durch diese rhetorisch verformt, dass es nur schwer möglich ist, das Spracheinstellungsprofil außerhalb einer kategorischen Zustimmung oder Ablehnung argumentativ zu entschlüsseln. So wird im folgenden Beispiel am sprachlichen Handeln des Sprechers zwar klar, dass er sich für das Erlernen der Schreibschrift ausspricht. Jedoch dient die Argumentation nicht der Begründung dieser Position, sondern der Anklage politischer Gruppen, deren Programme er als Ursache für das Herabsetzen sprachlicher Anforderungen sieht. (371) Schreibschrift abschaffen? Ja, richtig so! Wir müssen unser Niveau nach unten korrigieren, damit jene, die uns laut linksgrünen Multikulti-Regenbogenland-Traumtänzern “von innen ausdünnen und von aussen einhegen” sollen (Zitat Joschka Fischer), sich nicht auf den Schlips getreten fühlen − das ist schliesslich unsere historische Verantwortung! Vor allem meine, Baujahr ‘81!!! Die ganzen Empörungsverbände und Zentralräte kämen ja sonst mit ihren Beschwerden gar nicht mehr hinterher! Also, los, ruhig weiter so, damit unsere Polit-Terroristen es auch weiterhin “Prima” finden können, dass “Deutschland jeden tag ein bisschen mehr verschwindet”! (Zitat Jürgen Trittin) *Ironie off* Gute Nacht Schland... (VDS FB, 26. 06. 2014). Durch aufwendige Reihenbildungen wie linksgrüne Multikulti-RegenbogenlandTraumtänzer oder stigmatisierende Wortbildungen wir Polit-Terroristen werden sprachkritische Positionierungsaktivitäten offensichtlich und vollständig in einen sozialkritischen Kontext verlagert, sodass eine Rekonstruktion genuin metasprachlicher Haltungen anhand der sprachlichen Oberfläche nicht möglich ist. Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass im Zeitschriftenkorpus dominante Wissensrahmen als Deutungsmuster und Leitbilder auf den öffentlichen Diskurs übertragen werden. Innerhalb dieser kollektiven Diskurssegmente decken sich Positionierungsaktivitäten und Spracheinstellungen der Sprecher in großen Teilen mit dem sprachideologischen Regime, das der VDS in den Sprachnachrichten etabliert. Die Habitualität kollektiver Wissensbestände in verschiedenen medialen Kommunikationsräumen und -formen drückt sich dabei nicht nur auf transtextueller Ebene durch die formale Übernahme topischer Wissensrahmen und argumentativer Schlussmuster aus, sondern auch auf intratextueller Ebene, wo gerade im Bereich eines puristischen Stancetaking gegen das Englische lexikalische Einheiten als Symbole und semantische Zentren ei-

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4 Metasprachdiskurse als ideologische Systeme

ner sprachnationalistischen Denkweise übernommen und ausgebaut werden. Gerade in diesem Bereich zeichnet sich am Beispiel der Wortbildung eine überaus produktive Schnittstelle metasprachlichen Handelns ab, in der Sprachideologien und Spracheinstellungen sich multiplizieren, kollektiv festigen und verbreiten. Modifikationen metasprachlicher Wissensbestände bestehen in den teilweise aufgeweichten Grenzen dichotomer Spracheinstellungsmuster. Das Aufbrechen antagonistischer Bewertungsschemata in Richtung neutraler, abwägender oder vermittelnder Positionen kann v. a. dann festgestellt werden, wenn es um Sprachendiskussionen außerhalb des nationalen Kontextes geht, wie beim Status des Englischen als Arbeitssprache in Institutionen und Gremien der Europäischen Union. Umgekehrt verfestigen sich polare Bewertungen von Sprache und Sprechern, wenn es um den Erhalt der nationalen Sprachidentität und individuellen Sprecheridentität geht. In dieser topischen Ausrichtung sind Einstellungen zu fremden Sprachen dominant negativ und zu eigenen Sprachen und sprachlichen Varietäten dominant positiv. Anglizismen 13%

8% negativ 79%

neutral und andere positiv

Abb. 41: Anglizismen: Spracheinstellungen (Online-Korpus, D).

Grundsätzlich hat die inhaltliche Analyse ergeben, dass die Ablehnung des «Fremden», analog zum Diskurs des VDS, in Form des ANGLIZISMENTOPOS kanalisiert wird. Dieser fundiert, wie im Zeitschriftenkorpus, die Geltungsansprüche und Schlussverfahren der übrigen Topoi und stellt folglich ein omnipräsentes Sprachgebrauchsmuster dar, das in der Mehrheit der Äußerungen auf negativen Spracheinstellungen der Sprecher zum Englischen beruht. Als entscheidendes Merkmal von Sprachgebrauchsmustern, die eine sprachliche Dialektik zum Ausdruck bringen, ist die tiefe Verwurzelung in einer sozialen Dialektik. In vielen Belegen treten soziale Typisierungen und Stigmatisierungen als Beweggründe negativer Spracheinstellungen in Erscheinung bzw. wird Sprachpflege als Raum sozialer Interaktion und Kommunikation genutzt, um diese zum Ausdruck zu bringen. Dabei wird an zahlreichen Beispielen deutlich, dass die Unzufriedenheit der Sprecher mit verschiedensten Aspekten der gesell-

4.3 Diskursrezeption und Diskursmodifikation in virtuellen Räumen

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schaftlichen Realität in der Sprachendiskussion ein Ventil findet. Die im sprachlichen Handeln der Sprecher erkennbare Nähe zwischen nationalistischen und sprachnationalistischen Tendenzen kann dabei zweifelsohne als ideologische Richtung einer sprachpflegerischen Diskursgemeinschaft gewertet werden, die vom VDS als «ideology broker» konstruiert und von den in den Diskurs involvierten Sprechern getragen wird.

4.3.1.2 Sprachkorpusbezogene Topoi Wie oben bereits festgehalten wurde, treten auf das Sprachkorpus des Deutschen bezogene Fragen in der Facebook-Kommunikation im Vergleich zum Zeitschriftenkorpus signifikant häufiger auf (cf. Abb. 29). Im Vergleich zur Diskussion des Sprachstatus zeichnen sich metasprachliche Reflexionen, deren Äußerungen sich auf das Sprachkorpus beziehen, insgesamt durch weniger affektiv gesteuerte Positionierungsaktivitäten der Sprecher aus, sodass die Klassifikation von Spracheinstellungen nur am sprachlichen Handeln innerhalb bestimmter Topoi ermittelt werden konnte, die im Bereich des Lexikons und der Grammatik zu verorten sind. Auch lag ausschließlich in diesen Kategorien eine ausreichende Anzahl metasprachlicher Äußerungen vor, um überhaupt von einer einschlägigen Tendenz der Spracheinstellungen sprechen zu können. Sprachkorpus 250

200

150

100

50

0 Lexikon

Grammatik

Orthographie

Schreibschrift

Abb. 42: Verteilung sprachkorpusbezogener Topoi (Online-Korpus, D).

Soziolekte

590

4 Metasprachdiskurse als ideologische Systeme

In den Kategorien Lexikon und Grammatik decken sich die agonalen Zentren der Argumentation mit den diskurstragenden topologischen Mustern in den Sprachnachrichten (cf. Abb. 25), sind aber in sich deutlich stärker differenziert. Diese Zersplitterung in kleinste Themenbereiche kann besonders anschaulich anhand der ermittelten Kategorien für den Argumentationsbereich nachvollzogen werden, der sich auf den deutschen Wortschatz bezieht (cf. Abb. 43). Dabei werden Kommunikationsereignisse, die auf den Wortschatz Einfluss nehmen, v. a. unter dem Etikett der «politisch korrekten Sprache» wertend kommentiert: Lexikon 70 60 50 40 30 20 10

Di Sp gi ta ra le ch Su Le e bs x ik ta og nd ra ar ph d/ ie Vu lg a ris «L ei m ch en te Sp ra ch e» «F ül lw ör te r» On om as tik Ei nz el fra ge n

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0

Abb. 43: Lexikon: Unterkategorien und Verteilung.

Unter diesem POLITICAL CORRECTNESS-TOPOS können im Korpus überwiegend negative Bewertungen zur Um- bzw. Neubenennung spezifischer lexikalischer Einheiten subsumiert werden. Kategorische Einstellungsbekundungen gegen Neuerungen im Wortschatz im Allgemeinen, aber auch im Besonderen, wenn es um die Bezeichnung sozialer und ethnischer Gruppen geht, beruhen, wie die folgenden Beispiele zeigen, auf dezidiert konservatorischen Spracheinstellungen. Die überwiegend negativen Bewertungen «politisch korrekter Sprache» manifestieren sich in einem stark assertorisch geprägten Sprachhandeln. Als Bewertungsgrundlage metasprachlicher Ablehnung treten dabei in den Äuße-

4.3 Diskursrezeption und Diskursmodifikation in virtuellen Räumen

591

Politisch korrekte Sprache 10% 10% negativ 80%

positiv andere

Abb. 44: Politisch korrekte Sprache: Spracheinstellungen.

rungen unterschiedliche argumentative Strategien in Erscheinung, die im Folgenden an einer Auswahl an Reaktionen auf das folgende VDS-Posting zusammengefasst werden: (372) Schokokuss statt Negerkuss, anders befähigtes Kind statt behindertes Kind, Verzicht auf Begriffe wie Zigeunersauce: In Deutschland entwickelt sich seit einigen Jahren eine politisch korrekte und nicht verletzende Sprache, die darauf abzielt, Menschen nicht wegen ihrer Körperfarbe, ihrer Orientierung oder psychischer Verfassung zu diskriminieren. Oft führe diese jedoch zu Problemen, da sie die Sachverhalte zu ungenau beschreibt. Was haltet ihr von dem Wandel? Sind solche Bezeichnungen wirklich diskriminierend (Posting VDS, 05. 05. 2014)? Ein argumentativer Ansatz beruht auf der strikten Trennung von Wort und Wortgebrauch. Semiotisch betrachtet wird Sprache dabei konzeptuell auf ihre Ausdrucksfunktion verengt und die Darstellungs- und Appellfunktion wird gänzlich auf die Äußerungsabsicht des Sprechers übertragen. Begriffe wie «Neger», «Behinderter» und «Schwuchtel» werden somit semantisch auf ihren (vermeintlich) denotativen Gehalt reduziert, wodurch sie per se keine diskriminierende Konnotation aufweisen können und folglich nicht ersetzt werden müssen. (373) Schwieriger Wandel, es wurde aber schon erfolgreich der Begriff “Ausländer” durch “Menschen mit Migrationshintergrund” ersetzt. Jedoch wenn mich mein Sohn nach Begriffen wie Neger, Behinderter, Schwuchtel etc. fragt, erkläre ich es ihm entsprechend so das er diese Worte nicht diskriminierend einsetzt. Wenn diese Worte nicht mehr existieren wird es andere neue Wörter geben die nur zum diskriminieren erfunden wurden.

592

4 Metasprachdiskurse als ideologische Systeme

Diskriminierung kann nur durch Erziehung, Bildung und Aufklärung unterbunden werden, nicht durch Verstümmelung einer Sprache.47 Auffällig dabei ist die paradoxe Wahrnehmung des Sprechers, dass der Sprachgebrauch in dieser Definition erst durch den Sprecher «belebt» wird, Sprache hingegen einer körpermetaphorischen Assoziation unterliegt, wenn der Sprecher davon ausgeht, dass Ersatzwörter zur «Verstümmelung» von Sprache beitragen. Eine weitere Strategie beruht darauf, Ersatzwörter für politisch unkorrekte Begriffe als inhaltlich falsch oder ihre Verwendung aufgrund der euphemistischen Intention als verlogen darzustellen. Das argumentative Potenzial der negativen Positionierung steckt hier in lexikalischen Einheiten wie Schein-korrektheit, die analog zu oben besprochenen Wortbildungen wie Pseudo-englisch darauf abzielen, von eigenen normativen Vorstellungen abweichende Änderungen als fehlerhaft oder unaufrichtig zu bezeichnen. Sprache kann folglich nur in ihrer ursprünglichen und historisch gewachsenen Erscheinungsform (cf. 367) korrekt sein. (374) Ein Negerkuss oder Mohrenkopf ist genau das und nicht etwa “Schaumkuss”. Afroamerikaner gilt für US-Amerikaner, deren Vorfahren aus Afrika stammen. Dumm nur: nahezu jeder US-Amerikaner hat Afrikaner unter seinen Vorfahren, ergo ist der Begriff meist falsch. Absurd wird es, wenn farbige Deutsche als “Afrodeutsche” bezeichnet werden, das ist nur noch völlig daneben. Wollen wir denn wirklich statt “Zigeunerschnitzel” so etwas wie “landfahrendes ethnisches Minoritätenschnitzel” sagen? Es tut mir ja leid, aber ich empfinde diese übertrieben und an den Haaren herbei gezogene politische Scheinkorrektheit als falsch und verlogen. (375) Paprikaschnitzel geht doch auch oder Letschoschnitzel ??? (376) Oder Fitzlifutuli oder Klammpafukulu? Worte sind entstanden und ich sehe keine Versnlassung, diese zu verändern. Willst du denn auch Wiener Schnitzel, Frankfurter Kranz, Kasseler Kotelett, Hamburger, Leipziger Allerlei etc umbenennen? Nicht? Na siehst du! Diskriminierung ist nämlich nicht abhängig von Negerküssen oder Zigeunerschnitzel. Wie stark Spracheinstellungen in diesem topologischen Feld gefestigt und emotiv determiniert sind, zeigen darüber hinaus Einblicke in die Argumentationen

47 Die Kommentare in den Belegen (373)–(377) wurden alle am 05. 05. 2014 eingestellt.

4.3 Diskursrezeption und Diskursmodifikation in virtuellen Räumen

593

Grammatik 120 100 80 60 40 20 0 Gendertopos

Determinanten und Präpositionen

Perfekt und Präteritum

Genitiv

Abb. 45: Grammatik: Unterkategorien und Verteilung.

und Gegenargumentation unter den Diskutanten. Gezielt polemisierende und verunglimpfende Wortkreationen wie landfahrendes ethnisches Minoritätenschnitzel als vermeintliches Ersatzwort für Zigeunerschnitzel (cf. 374) werden von anderen Sprechern argumentativ mit dem Verweis auf Ersatzwörter wie Paprika- oder Letschoschnitzel entkräftet. Auf derartige Gegenargumente folgen Reaktionen, die von einer apodiktischen Bestimmtheit der Spracheinstellung zeugen, die sogar so weit geht, dass dem Gegenüber in einem fiktiven Dialog die gleiche Haltung oktroyiert wird (cf. 367). Eine letzte Strategie der Ablehnung besteht in der Abwertung durch die Konstruktion eines Analogieschlusses zwischen sozialer und sprachlicher Dialektik: (377) Für mich sind Zigeuner Zigeuner, Ausländer Ausländer, Negerküsse Negerküsse und so weiter. Basta. Ich vertrete unsere Deutsche Sprache,- die Sprache der Dichter und Denker, und nicht die Aussonderungen irgendwelcher verquerter Spachfuzzies, die ihr Leben lang noch nichts Richtiges geschafft haben. Das sprachliche Verfahren zur Bezeichnung dieser Dialektik erscheint dabei bewusst gewählt: Nicht nur steht die Hochwertbezeichnung Dichter und Denker

594

4 Metasprachdiskurse als ideologische Systeme

auf semantischer Ebene als Synonym für Kunst und Wissenschaft dem Stigmawort Sprachfuzzis als soziale Typisierung gegenüber, sondern die fixierte Wortverbindung Dichter und Denker bildet auch auf lexikalischer Ebene das genaue Gegenstück zur konter-kreativen Zusammensetzung des insolvenzrechtlichen Fachterminus Aussonderungen mit der Kompositum Sprach-fuzzis. Im Bereich metasprachlicher Äußerungen zu grammatischen Phänomenen setzt sich im Online-Korpus erwartungsgemäß der GENDERTOPOS durch. Dies liegt mit Sicherheit an der starken Präsenz des Topos in den Sprachnachrichten, aber auch am allgemeinen Nachrichtenwert des Themas in der aktuellen öffentlichen Diskussion. Vor diesen Hintergrund lässt sich auch erklären, warum gerade in diesem Diskurssegment eindeutige Spracheinstellungen zur Geltung kommen. Geschlechtergerechte Sprache 8%

6%

negativ 86%

andere positiv

Abb. 46: Geschlechtergerechte Sprache: Spracheinstellungen.

Sowohl Einstellungs- als auch Sprachgebrauchsmuster ähneln in diesem Bereich den Positionierungsaktivitäten zum Gegenstand «politisch gerechte Sprache» und negative Spracheinstellungen zur geschlechtergerechten respektive -sensiblen Sprache führen mit insgesamt 86% diesem Bereich zugewiesener Äußerungen zu einem ebenso stereotypen Spracheinstellungsmuster (cf. Abb. 46). Insgesamt drei Sprachgebrauchsmuster zur Abwertung geschlechtergerechter Sprache können auf der Grundlage der analysierten Daten als charakteristisch für die sprachliche Ausgestaltung des GENDERTOPOS gelten: (378) An der Berliner Humboldt-Universität brachte die Arbeitsgruppe “Feministisch Sprachhandeln” eine Broschüre mit antidiskriminierenden Wortempfehlungen heraus. So soll unter anderem das “er” bei maskulinen Substantiven durch ein “a” ersetzt werden (Computa, Bohra...). Dies und weitere Vorschläge seien momentan nur ein Angebot für die Studierenden; die Uni-Leitung habe von der Einführung solcher Regelungen abgesehen (Posting VDS, 22. 04. 2014).

4.3 Diskursrezeption und Diskursmodifikation in virtuellen Räumen

595

An erster Stelle steht die Pathologisierung eines geschlechtersensiblen Sprachgebrauchs auf der Grundlage einer psychologischen Krankheitsvorstellung (cf. Stukenbrock 2005a, 363). Im Gegensatz zu anthropomorphisierenden Modellen, die sich auf die Sprache beziehen, liegt der Hauptbezugspunkt der Metaphorik im Bereich des GENDERTOPOS auf den Sprechern, sodass hier erneut eine soziale Stereotypisierung im Vordergrund steht. Werturteile auf der Grundlage von Herkunftsbereichen, die Sprecher als «schwachsinnig», «bescheuert» oder «Psychos» stigmatisieren, beziehen sich, wie im vorliegenden Fall auf die verantwortliche Arbeitsgruppe (cf. 378) oder auf Frauen als soziales Kollektiv (cf. 382). (379) Vielleicht könnte sich die psychiatrische Fakultät mal damit beschäftigen ...48 (380) ...aber die geschlossene Abteilung! (381) SchwachsInn würde ich sagen...mit irgendetwas muss Frau ja auffallen... (382) Dezent einem am Sender (verzeihung, Senda) habt ihr aber nicht oder (oder heißt es oda?)? Kauft euch eine Insel, wandert dahin aus, gendert dort von mir aus was oder wen ihr wollt und von mir aus bis ihr tot umfallt, aber lasst meine/unsere wunderbare und geliebte Muttersprache in Ruhe ihr Psychos! (383) Einfach bescheuert. Nicht Sprache diskriminiert, sondern das Verhalten eines Menschen. Unser Verhalten, unsere Kognitionen und unsere Emotionen beeinflussen sich allerdings wechselseitig. Insofern ist genderneutrale Sprache prinzipiell unterstützenswert, auch wenn dieser Vorschlag hier doch etwas albern klingt. (384) Sollen das doch die Berlina machen, die reden immer so! Das hat mit dem “genderneutralen” Unsinn nichts zu tun. (385) Ich will weder diese erzwungene Pseudogleichstellung noch diese Sprachverhunzung! Texte und Reden mit diesem politisch korrekten “Zuhörer und Zuhörerinnen” etc. sind schon fürchterlich zu lesen bzw zu hören! Aber das hier toppt alles! Und für solch einen Mist werden öffentliche Gelder ausgegeben! An zweiter Stelle sind auf lexikalischer Ebene im gesamten Koprus metaphorische Wortbildungen hervorzuheben, die die Krankheitsmetaphorik der oben an-

48 Die Kommentare in den Belegen (380)–(386) wurden alle am 22. 04. 2014 eingestellt.

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4 Metasprachdiskurse als ideologische Systeme

geführten Belege in psychologischer und physiologischer Hinsicht unterstreichen. Hier kann zwischen Determinativkomposita unterschieden werden, die Formen des geschlechtsneutralen Sprachgebrauchs mit psychischen (GenderIrrsinn, Genderwahnsinn) oder körperlichen Erkrankungen assoziieren (Sprachdurchfall, Gender-Dünnschiss), wobei Letztere auch mit dem Empfinden von Ekel verbunden sein können. Determinativkompositionen der vollständig lexikalisierten Metapher Verhunzung bzw. verhunzen (Sprachverhunzer, sprachverhunzen),49 die im Online- und im Zeitschriftenkorpus nachgewiesen werden kann und bereits von Spitzmüller als frequentes Sprachgebrauchsmuster im Metasprachdiskurs belegt wurde (cf. Spitzmüller 2005, 201), verweisen lediglich etymologisch auf die organistische Modellierung eines kritisch bewerteten Sprachgebrauchs. An dritter Stelle werden in den Äußerungen auf lexikalischer Ebene negative Haltungen durch die Verwendung der geschlechtsneutralen «a-Formen» graphisch zum Ausdruck gebracht (cf. «Senda», «Berlina»). Durch diese graphische Variation transportieren die Sprecher ihre Spracheinstellungen über den eigenen Sprachgebrauch. In persuasiver Hinsicht bestehen hierbei Parallelen zu den oben aufgeführten Belegen, in denen die Nutzer auf Plattdeutsch ihre positive Haltung gegenüber Dialekten und Mundarten signalisieren (cf. 358, 360). Bei beiden Verfahren handelt es sich um identitätsbezogene Positionierungsaktivitäten. Sie unterschieden sich jedoch durch die Art der identitätskonstitutiven Praktik, die im Falle der dialektalen Graphie der Herstellung von Authentizität und Integration dient und im Fall der morphologischen Variation der grammatischen Endungen der Demarkation «eigener» sowie der Denaturalisierung «fremder» Haltungen zum Sprachgebrauch. Beide Praktiken werden von Spitzmüller (2013b) als metapragmatische Verfahren zur ideologiegeleiteten Relationierung von Werten und Einstellungen beschrieben: «Der Prozess der authentication beschreibt […] den Versuch bzw. den formulierten Anspruch, hinsichtlich des eigenen Handelns bzw. aufgrund spezifischer Charakteristika möglichst ‹authentisch› oder ‹natürlich› zu sein (wobei ‹Authentizität› und ‹Natürlichkeit› als soziale Konstrukte bzw. ‹Ideologien› verstanden werden), der entgegengesetzte Prozess der denaturalization den Versuch, bewusst ‹un-authentisch› zu wirken (bspw. durch Parodie und Verfremdung) oder als ‹un-authentisch› bzw. ‹unnatürlich› darzustellen» (Spitzmüller 2013b, 348).

49 «Nhd. zu Hund gebildet wie entsprechendes schwäb. (ver)hundaasen zu Hunde-Aas. Die Bedeutung ist ‛misshandeln, verächtlich behandeln’, eigentlich ‛behandeln wie einen Hund’. Häufiger ist die Präfigierung mit ver-» (Kluge 2012, s. v. hunzen).

4.3 Diskursrezeption und Diskursmodifikation in virtuellen Räumen

597

4.3.1.3 Metaphorische Konzepte Die in der öffentlichen Facebook-Diskussion ermittelten metaphorischen Handlungs- und Orientierungsmuster decken sich in den Herkunftsbereichen «Organismus» und «Kampf» qualitativ mit den Ergebnissen des Zeitschriftenkorpus (cf. Abb. 27). Wie sich in der lexikalischen Analyse des GENDERTOPOS bereits abgezeichnet hat (cf. Kap. 4.3.1.2, 379–385), stellen organistische Modelle in der digitalen Kommunikation mit zwei Dritteln der klassifizierten Äußerungen ein im Vergleich zu den Sprachnachrichten überlegenes Sprachgebrauchsmuster dar. Innerhalb der Organismusmetaphorik ergeben sich in wortsemantischer Hinsicht klare Konvergenzen zum sprachlichen Handeln des VDS im Bereich anthropomorpher Konzepte, die einem highlighting der Sprachverfallstheorie dienen. Gewaltbesetzte Metaphernlexeme in diesem Bereich zielen entweder auf die Projektion des Zielbereichs «Sprachgebrauch» mit dem Herkunftsbereich «Körperverletzung» (cf. 386–389: «misshandeln», «vergewaltigen», «schädigen», «missbrauchen») ab oder auf Ethnisierung von Sprache durch biologistische Konzepte. Letztere untermauern die sprachpuristische Gegenüberstellung des Denglishen als minderwertige und unerwünschte Sprachmischung («Bastard») des Deutschen als bedrohte Art («ausgerottet»). Diese Opposition kann durch punktuelle textuelle Überlagerungen von Metaphernbereichen (cf. 390: SPRACHE ALS KRIEG) zu einem Bedrohungsszenario ausgebaut werden, das ein zukunftsnahes Bild vom deutschen Sprachentod konstruiert (cf. 391). (386) Ja, sie [scil. die Sprache] stirbt aus, wenn man den Dativ misshandelt...dem InternetaktivistEN muss es heißen :) (VDS FB, 25. 07. 2014).

Metaphernbereiche

16% 8%

ORGANISMUS

10%

KRIEG 66%

ABFALL ANDERE

Abb. 47: Metaphernbereiche (Online-Korpus, D).

598

4 Metasprachdiskurse als ideologische Systeme

(387) Wir, hier, akzeptieren in der Öffentlichkeit die Vergewaltigung unserer Sprache. Geht hinaus und sagt den Menschen wie primitiv sie sind (VDS FB, 08. 08. 2014). (388) Die deutsche Sprache wird damit vergewaltigt und die Menschen werden aktiv verdummt. Und da wir ja Herdentiere sind, plappern wir alles nach ohne Unser Hirn zu benutzen. Dumme Menschen lassen sich besser regieren (VDS FB, 19. 11. 2014). (389) Das Deutsch wird durch Internet und SMS Kürzel und sonstige Abkürzungen einfachnur mißbraucht und geschädigt (VDS FB, 17. 09. 2014). (390) Heutzutage - vor allem nach dem 2. Weltkrieg hat “Denglisch”, ein hässlicher Bastard der englischen Sprache, längst seinen Siegeszug in fast allen Bereichen der deutschen Gesellschaft angetreten (VDS FB, 02. 02. 2014). (391) Mit “Ich” soll man möglichst keinen Satz beginnen, so habe ich es gelernt. Außerdem wird die deutsche Sprache sowieso bald ganz ausgerottet sein, wenn das in unserem Land so weitergeht (VDS FB, 11. 06. 2014). Im Vergleich zum Zeitschriftenkorpus werden auf der Grundlage organistischer Modelle auch neue Konzeptebenen aktiviert. Hervorzuheben sind hier die Unterkategorien SPRACHE ALS GEISTESZUSTAND und SPRACHE ALS EVOLUTION: Die bereits im Zusammenhang mit dem GENDERTOPOS als auffälliges Sprachgebrauchsmuster beschriebene Pathologisierung von Sprache tritt v. a. als persuasives Mittel zur Stigmatisierung sozialer Gruppen und eines diastratisch markiertem Sprachgebrauchs (cf. 392) sowie zur Abwertung von Anglizismen in Erscheinung (cf. 393, 394). Der «Ausgriff vom körperlichen auf den geistig-seelischen Bereich» (Stukenbrock 2005a, 265) kann sich dabei auf die Pathologisierung des Sprechergeistes beschränken (cf. 392–393) oder aus der geistigen Krankheit der Sprecher («Verstandsverstümelung [sic]») einen körperlichen Gewalteingriff in Gestalt und Funktion der Sprache ableiten («Sprachverstümelung» [sic]): (392) das ist kein kitzdeutsch ,erzält uns nicht son mist ,das ist assideutsch und zeugt von ungebildtheit,pure blödheit lässt grüßen,die politiker freuts,solche hiernlose kann man gut lenken (VDS FB, 03. 10. 2014). (393) Anglizismen sind Schwachsinn weil sie i. d. R. Verblödung wiederspiegeln, nicht aufgrund der Tatsache, dass sie einfach “Englisch” sind. Ich mag die englische Sprahce und behaupte sie auf muttersprachlichem Ni-

4.3 Diskursrezeption und Diskursmodifikation in virtuellen Räumen

599

veau zu beherrschen. Gerade DESHALB hasse ich Anglizismen (VDS FB, 04. 08. 2014). (394) Die Sprachverschmutzung begann mit den Anglizismen die die schöne deutsche Sprache infiltrierten. Bei Menschen die das Denken verlernten (Oder ihnen es noch nie gelehrt wurde), kann eine Verstandsverstümelunng nur zur Sprachverstümelung führen. Leider sinkt das kollektive Geistesniveau im Sturzflug. Wer hier von erfolgreicher Integration redet lügt sich selbst etwas vor! Aber einen Herrn Sarrazin nennt man einen Nazi (VDS FB, 01. 07. 2014). Kennzeichnend für diese Krankheitsmetaphorik ist ein insgesamt hoher Grad an Affektivität, der sich nicht nur in kategorischen Ablehnungen von Sprachwandelphänomenen ausdrückt, sondern in einer aggressiven Abgrenzung von sozialen Gruppen. Als Kennzeichen der emotiven Determiniertheit der Spracheinstellungen kann dabei auch die Häufung und Überlagerung von Metaphernbereichen wie in (394) gelten: Neben der beschriebenen Krankheitsmetaphorik verweist das Metaphernlexem Sprachverschmutzung auf eine Assoziation von SPRACHE ALS MATERIE. Kombinationen dieser semantischen Metaphernkategorie mit strukturellen Kategorien wie der Containermetapher infiltrieren (SPRACHE ALS BEHÄLTER) und der konventionalisierten Richtungsmetapher im Sturzflug ergeben ein komplexes Metaphernnetz, das als Beispiel für die Komplexität metasprachlicher Einstellungen und metasprachlichen Handelns bei den Sprechern gelten kann. Der Metaphernbereich SPRACHE ALS EVOLUTION hebt ebenfalls auf eine biologistische Modellierung von Sprache und Sprechern ab. Metaphernlexeme dieses Bereiches prognostizieren eine retrograde Entwicklung von Sprache und stigmatisieren den zunehmend einfachen Sprachgebrauch («primitiv») sowie die eingeschränkte Sprachfähigkeit («Primat») verschiedener sozialer Gruppen. In pragmatischer Hinsicht stehen auch in diesem Bereich soziale Typisierungen im Vordergrund des metasprachlichen Handelns. Metaphern treten v. a. als argumentative Einheiten der sprachkorpusbezogenen Topik zum Lexikon und zur Grammatik des Deutschen in Erscheinung. Metaphernlexeme dieses Bereiches beschreiben negative Haltungen gegenüber Phänomenen diastratischer Variation wie «Jugendsprache» oder «Kiezdeutsch» (cf. 395–397, cf. Abb. 43), Formen des Schriftsprachenerwerbs (cf. 398) oder Veränderungen innerhalb einzelner grammatischer Paradigmen (cf. 399, cf. Abb. 45). (395) Traurig aber wahr. Die Sprache passt sich kontinuierlich dem Niveau an und irgendwann laufen die Menschen wieder grunzend durch die Gegend! Das nennt man dann Kulturbereicherung (VDS FB, 30. 06. 2014)!

600

4 Metasprachdiskurse als ideologische Systeme

(396) Auf die Bäume, Ihr Affen....oder Vorwärts, es geht zurück....(VDS FB, 24. 11. 2019). (397) Was auf jeden Fall läuft, ist das ständige Geheule ob der deutschen Jugendkultur. Und es läuft voran, das Geheul. Man wird nicht müde, sich zu beklagen, ach wie primitiv die Jugend doch sei (VDS FB, 24. 11. 2014). (398) Die Schreibschrift leidet schon unter fehlenden Grundvoraussetzungen. Immer häufiger sehe ich, dass viele Erwachsene schon Probleme haben, einen Stift richtig anzufassen. Dieses Unwissen wird dann an die Kinder weitergegeben. Wenn ich einen Stift umklammere, wie ein Primat, kann ich nicht gut schreiben (VDS FB, 19. 06. 2014). (399) Das mit dem Wegfall der Präpositionen und Artikel ist hier (Wien) meines Wissens nach nicht so, aber dass die Umgangssprache grammatikalisch gesehen primitiver wird, ist in allen Industrieländert der Fall (VDS FB, 30. 06. 2014). (400) Auch für die Entwicklung einer Sprache gilt: Prognosen sind schwierig, besonders wenn sie sich auf die Zukunft beziehen. Mit der Sprache ist es wie mit der Evolution: Es gibt keine Richtung. Es gibt nur Veränderungen. Ob jemand die für gut hält, ist der Entwicklung völlig egal (VDS FB, 30. 06. 2014). Die Animalisierung der rückläufigen Sprachentwicklung durch die Metaphorisierung der Sprecher als Tiere (cf. 395, 396), die in ideologischen Repräsentationen mit Einfachheit («Affen») oder Dummheit («Schweine») assoziiert werden, führt zu einer Erweiterung des «biologistischen Bildfeld[s]», die bereits von Stukenbrock (2005a) als Merkmal der «vitalistischen Sprach- und Kulturauffassung» im 19. Jh. und als Kennzeichen einer sprachnationalistischen Ideologisierung des Metasprachdiskurses nachgewiesen wurde. Metasprachliche Äußerungen, die die Sprachentwicklung als natürlichen Prozess beschreiben (cf. 400), haben im Korpus Alleinstellungswert. Die Kampf- bzw. Kriegsmetaphorik nimmt mit 13% im Verhältnis zum Zeitschriftenkorpus (cf. Abb. 27: 10%) einen vergleichbaren Status im metasprachlichen Handeln ein. Metaphernlexeme dieses Bereiches dienen v. a. der Legitimation des ANGLIZISMEN- und GENDERTOPOS. Im Bereich des ANGLIZISMENTOPOS werden dabei typisch puristische Dichotomien konstruiert, die das Englische als überlegene («Besatzersprachen») oder angreifende («Invasion») Größe stigmatisieren, gegen die man bewaffnet vorgehen muss (cf. 401). Kriegsmetaphorische Szenarien zur Abwertung der geschlechtergerechten Sprache (cf. 405) betonen hingegen ein taktisches Vorgehen («Ablenkungsmanö-

4.3 Diskursrezeption und Diskursmodifikation in virtuellen Räumen

601

ver») bestimmter sozialer Gruppen, die in kriegerischer Manier versuchen, einen bestimmten Gebrauch durchzusetzen («Kampfemanzen»). (401) Dabei weise ich immer auf Folgendes hin: Die mit Abstand beste Waffe gegen dämliche Englischpanscherei sind engl. Muttersprachler, die sich mit Häme über das deutsche Kleinkindgebrabbel lustig machen (VDS FB, 13. 04. 2014). (402) Ich soll eine Busse festlegen? Auch eine Auswirkung des Anglizismus? Der Schreiber des Artikels scheint auch nicht einmal mehr den Buchstaben “ß” zu kennen............. :-) Aus einigen Kommentaren ergibt sich außerdem, dass manche nicht verstanden haben, worum es geht. Klar, dass aus vielen Sprachen Wörter entlehnt wurden und werden. Bei der förmlichen Invasion des Englischen (eigentlich Amerikanischen) in die Deutsche Sprache handelt es sich doch um das Aufschaukeln wichtigtuerischer Ausdrücke (VDS FB, 29. 04. 2014). (403) Das ist grober Unfug. Es gibt Fronten, an denen wirklich gekämpft werden muss, die Liedersprache gehört m. E. überhaupt nicht dazu. Das ist Zeit- und Energieverschwendung (VDS FB, 17. 11. 2014). (404) Besatzersprachen (VDS FB, 20. 05. 2014). (405) Genderwahnsinn hat mit Gerechtigkeit nichts zu tun. Es ist ein hysterisch-schrilles Ablenkungsmanöver der Kampfemanzen, die damit verschleiern wollen, dass sie seit Jahrzehnten keine wirklichen Verbesserungen für uns Frauen erreicht haben (VDS FB, 26. 07. 2014). Ein drittes Bildmodell, das ein spezifisches Sprachgebrauchsmuster im deutschen Online-Diskurs darstellt, ist der Metaphernbereich SPRACHE ALS MÜLL. Als induktives Schlussverfahren dient er mehrheitlich der Illustration negativer Positionierungsaktivitäten gegen die englische Sprache (cf. 407–411). Lediglich vereinzelte Äußerungen belegen eine Verwendung des Herkunftsbereiches (Müll, Abfall) zur Selbstanklage respektive zum Vorwurf mangelnder Sprachloyalität der Deutschen gegenüber ihrer eigenen Sprache und Kultur (cf. 406). (406) Gibt es überhaupt ein Volk weltweit, welches selbst seine eigene Kultur und Sprache so in die Mülltonne wirft? Ich wünsche mir schon lange endlich ein umdenken (VDS FB, 03. 02. 2014). (407) Ich bevorzuge “deumerikanisch”, da der Sprachmüll doch hauptsächlich von den Amis herüberschwappt (VDS FB, 09. 04. 2014).

602

4 Metasprachdiskurse als ideologische Systeme

(408) Ich höre nur im Auto Radio und mich nervt’s dann schon ziemlich, dass viele Radiosender wirklich jeden Müll aus Amerika bringen, nur weil er da drüben gerade angesagt ist. Eine Quote wäre großartig, gerade auch zur Förderung deutschsprachiger Musikgruppen (VDS FB, 24. 04. 2014). (409) Dan stellt sich die Frage, möchte ich “Gefasel, Wortmüll und dumme Sprüche” auf Englisch, Denglisch oder Deutsch hören? Oder ich mach das Radio aus... (VDS FB, 10. 06. 2014). (410) Das spricht mir aus der Seele. Was man täglich so an Englisch-Müll hören und sehen muss, ist beängstigend. Dazu kommt, dass es zunehmend vielen schwer fällt, in ganzen Sätzen zu sprechen (VDS FB, 14. 06. 2014). (411) Seit mindestens 20 Jahren kommt der englisch sprachige oft Amimüll in unsere Ohren. Wir sind damit ja aufgewachsen. Und weil die meisten die deutsche Musik nicht gewöhnt sind finden sie manches doof. In anderen Ländern wird mehr einheimische Musik gespielt (VDS FB, 19. 11. 2014). Metaphernlexeme dieses Bereiches beruhen auf einer frequenten Bildung von Determinativkomposita aus dem Determinatum Müll und einem Determinans in Erst- oder Zweitstellung (Sprach-, Wort-, Englisch-, Ami-).

4.3.2 Frankreich Im Vergleich zum Zeitschriftenkorpus, anhand dessen zahlreiche Gemeinsamkeiten im sprachlichen Handeln der Sprachpflegeorganisationen verdeutlicht wurden, zeichnen sich bei der Gegenüberstellung metasprachlicher Praktiken in digitalen Kommunikationsräumen augenfällige Unterschiede ab. Wie bereits erwähnt wurde, können Divergenzen im sprachlichen Handeln in der Kommunikationsform und im Nutzungsverhalten der Sprecher begründet sein. Im Gegensatz zur stark genutzten Facebook-Seite des VDS wird die äquivalente Seite des ALF kaum öffentlich kommentiert (cf. Kap. 3.3.8), wodurch in diesem Teil des Korpus nur wenige Positionierungsaktivitäten ermittelt werden konnten, die über Spracheinstellungen der Sprecher Auskunft geben. Es zeichnet sich also für den betrachteten Ausschnitt von Sprachpflege eine eigene metasprachliche Kommunikationskultur ab, die sich räumlich auf den Austausch in Diskussionsforen konzentriert. Dabei sind, obwohl beide untersuchten Foren (LVF, PL) von einem festen Nutzerkreis von maximal fünf bis zehn Personen bespielt werden, nähesprachliche Merkmale wie Spontaneität, Involviertheit, Expressivität und Affektivität deutlich geringer ausgeprägt als in der Facebook-Community des VDS, in der sich zwar ebenfalls eine feste Akteurskonstellation abzeichnet, die jedoch in Abhängigkeit vom Thema immer

4.3 Diskursrezeption und Diskursmodifikation in virtuellen Räumen

603

200 180 160 140 120 100 80 60 40 20 0 Sprachstatus

Sprachkorpus

Abb. 48: Verteilung sprachstatus- und sprachkorpusbezogener Topoi (Online-Korpus, F).

wieder durch Kommentare weniger involvierter Nutzer durchmischt wird. Trotz ähnlicher nähesprachlicher Kommunikationsbedingungen im Rahmen einer quasi-synchronen Dialogizität sind die Versprachlichungsstrategien der Forennutzer durch einen Grad an Informationsdichte, Komplexität und Elaboriertheit geprägt, der teilweise zu einer fast distanzsprachlichen Kommunikationssituation führt. Hinzu kommt, dass die Kommunikation außer durch das Thema des Forums nicht durch die Eingabe von Themen und Meinungsabfragen gesteuert wird, wie es in der Facebook-Moderation durch den VDS der Fall ist. Einstellungsbekundungen zu Sprache und Sprechern werden also in der FacebookDiskussion deutlich stärker stimuliert. Diese spezifische Organisation metasprachlicher Praktiken wirkt sich auf die Typik der Spracheinstellungskonstruktion aus, die v. a. in Form eines impliziten Stancetaking erfolgt. Dabei sind die Positionierungen im Forenkorpus mehrheitlich durch eine starke Reflexivität des einzelnen Sprechers gekennzeichnet. Diese drückt sich in einigen Kommentaren in einer starken Narrativität der textuellen Versprachlichung aus, in der die Nutzer in selbstverfassten Erzählungen eine fiktionale und kontrafaktische Konstruktion der sprachlichen Realität schaffen (cf. 416).50 Für solche metasprachlichen Praktiken wird im Fol50 Ein Beispiel wurde bereits in Kap. 3.3.4 besprochen (cf. 129).

604

4 Metasprachdiskurse als ideologische Systeme

genden eine grundsätzlich hohe Stabilität und Determiniertheit von Spracheinstellungen angenommen, auch wenn diese in einem diskursiven Kontext stets zumindest der Annahme von Dynamik und Wandel unterliegen (cf. Kap. 4.1.3). Auf der Ebene der Topik zeichnet sich wie im Online-Diskurs des VDS eine Zunahme sprachkorpusbezogener Diskussionen (cf. Abb. 19) ab, jedoch bleiben auf den Status des Französischen bezogene Äußerungen als dominante transtextuelle Bereiche der sprachpflegerischen Mentalität bestehen: Was die funktionale Verschränkung topologischer Bereiche anbelangt, stellen auch in den untersuchten Kommentarforen ubiquitäre Bezugnahmen auf den ANGLIZISMENTOPOS als gegenstandsübergreifenden Wissensrahmen das grundlegende Merkmal puristischer Sprachpflege dar (cf. Abb. 52).

4.3.2.1 Sprachstatusbezogene Topoi Die Übersicht über die in der Forenkommunikation ermittelten Topoi zeigt, dass diskursive Regelmäßigkeiten zwischen dem sprachideologischen Wissensrahmen des ALF (cf. Abb. 20) und dem sprachlichen Handeln in der öffentlichen Sprachendiskussion bestehen, aber einer anderen Gewichtung und inhaltlichen Granulierung unterliegen. Auf inhaltlicher Ebene werden Argumentationsmuster zu den topologischen Bezugspunkten Bildung, Mehrsprachigkeit und Öffentlichkeit fortgeführt, wobei der ÖFFENTLICHKEITSTOPOS in quantitativer Hinsicht eine stärkere Position als im Zeitschriftenkorpus einnimmt. Der im Journal d’ALF dominant rekurrente und thematisch unterteilte INTERNATIONALITÄTSTOPOS (cf. Abb. 21) ist im digitalen Kommunikationsbereich v. a. im KOLONIALTOPOS kondensiert. Argumentationen zum Status des Französischen fokussieren in erster Linie auf saliente topische Muster, die der Konstruktionen einer geschlossenen «metasprachlichen Öffentlichkeit» sowie der Plausibilisierung von Bedrohungs- und Untergangsszenarien in Bezug auf die französische Sprache dienen (cf. Abb. 49). Diese beiden Argumentationsrahmen, der ÖFFENTLICHKEITSTOPOS und der UNTERGANGSTOPOS werden aufgrund ihrer Präsenz als Argumentationsmuster im Folgenden anhand ausgewählter Beispiele in funktionaler Hinsicht analysiert. Wie im Journal d’ALF konstruiert der ÖFFENTLICHKEITSTOPOS auch im digitalen Diskurs eine vertikale Gesellschaftsstruktur zwischen «Elite» und «Volk» (cf. Abb. 50). Positionierungen innerhalb des Topos richten sich in Form von Schuldzuweisungen und Anklagen stets gegen die Elite und appellieren an die Mobilisierung der Sprechergemeinschaft als demokratische Basis. Dabei wird die für Sprachkontaktsituation typische Vorstellung einer Überlegenheit von «dominanten Sprachen» gegenüber «Minderheitensprachen» in das Bild des Französi-

4.3 Diskursrezeption und Diskursmodifikation in virtuellen Räumen

Sprachstatus 60 50 40 30 20 10

Öff en tli ch ke its to po s Un te rg an gs to po s Ök on om M ie eh to po rs pr s ac hi gk ei ts to po s Bi ld un gs to po s Ko lo ni al to po s M ed ie nt op os

0

Abb. 49: Sprachstatusbezogene Topoi: Unterkategorien und Verteilung (Online-Korpus, F).

Öffentlichkeitstopos 40 35 30 25 20 15 10 5 0 Elitentopos

Demokratie-/Volkstopos

Abb. 50: Öffentlichkeitstopos: Unterkategorien und Verteilung.

605

606

4 Metasprachdiskurse als ideologische Systeme

schen als «unterlegene Mehrheitssprache (des Volkes)» und des Englischen als «dominante Minderheitensprache (der Elite)» umgekehrt (cf. 418, 419). In sprachlicher Hinsicht ist die ideologische Lenkung der Spracheinstellungen v. a. an der Bezeichnungsvagheit der kontrastierten sozialen Gruppen erkennbar. Auf lexikalischer Ebene erfüllt der frequente Gebrauch von Kollokationen wie «certaine élite» oder «élites actuelles» oder «ces personnes» eine deiktische Funktion, verweist dabei aber stets auf ein unbekanntes Kollektiv: (412) Je ne suis pas sûr que le français soit dans le futur utilisé de façon certaine au Maghreb. Prenez l’exemple de la Suisse où les germanophones, en tout cas une partie, ont tenté ou tentent de remplacer complètement l’enseignement du français par celui de l’anglais. (voir un article sur le site de l’ALF, Avenir de la Langue Française) Certes, ce mouvement est initié par une certaine élite mais qui sait s’il ne rencontrera pas de succès? […] Ne risque-t-on pas de retrouver les mêmes problèmes qu’en Suisse, avec des élites qui vont militer pour remplacer le français par l’anglais, dans un pays où le français n’est pas langue maternelle? Certes, l’Afrique francophone au sud du Maghreb pourrait permettre au français de rester privilégié mais croyez-vous que le citoyen lambda au Maroc ou en Tunisie se soucie de communiquer en priorité avec ses voisins du Sud? Cordiales amitiés d’un internaute qui apprécie toujours autant vos analyses (LVF, 02. 01. 2014)! (413) Certaines élites africaines francophones avancent l’argument que la langue française est un obstacle au développement économique (LVF, 06. 01. 2013). (414) J’ai beaucoup de craintes pour l’avenir. Les élites actuelles sont plutôt tournées vers le monde anglo-saxon (LVF, 10. 01. 2014). Eingehendere Typisierungen der Elite erfolgen nur in Kollokation mit Lexemen, die aus dem Assoziationsbereich des ANGLIZISMENTOPOS stammen («tenants de l’anglicisation», «élites mondialisés») und verengen die Definition von «Elite» auf den Aspekt der Zugewandtheit zur englischen Sprache als Symbol der gesellschaftlichen Globalisierung. Selbst Bezeichnungen, die auf eine bestimmte soziale Domäne oder eine Berufsgruppe referieren, wie «les ministres de passage» oder «certaines élites politiques» bzw. «économiques», bleiben vage und sind ausschließlich negativ konnotiert. (415) S’il fallait résumer en une formule simple l’histoire du français sur ces derniers siècles, on pourrait en dire que de la langue des élites (les

4.3 Diskursrezeption und Diskursmodifikation in virtuellen Räumen

607

Cours, la diplomatie), il est devenu la langue des peuples. Non que les élites mondialisées aient totalement renoncé à l’apprendre mais admettons un certain recul : il y a trente ans, on pouvait faire salle comble pour du théâtre en français au Caire, à Rio de Janeiro ou Athènes et cela n’est plus. Là, le Globish l’a emporté, avec l’aide décisive d’internet, virage décisif que la France bureaucratique engluée dans son Minitel n’a pas anticipé (LVF, 02. 01. 2014). (416) Si l’anglais aujourd’hui est populaire, aussi populaire que l’était le Français au XVIII et XIXe, rien ne dit qu’il ne connaîtra pas de rejet. Car si certaines élites politiques, économiques misent sur la toute puissance de l’anglicisation du continent, il n’est pas sûr que les autres continents optent pour cette anglicisation. Les tenants de l’anglicisation oublient souvent que face à l’idéologie, il y a des peuples. Très souvent le pragmatisme échoue en ce qu’il se fonde sur une vision à court terme (LVF, 13. 11. 2013). (417) Les ministres de passage souhaitent transformer la France en un pays bilingue, trilingue pour assurer aux enfants de meilleures chances professionnelles. Pourtant combien de diplômés qui maîtrisent plusieurs langues se retrouvent au chômage. J’ai souvent l’impression et je le vois dans les débats actuels autour de l’Université, que finalement l’accent est mis sur toujours plus d’anglais au détriment des compétences de bases […] (LVF, 29. 09. 2014)? (418) Actuellement nous marchons vers l’anglicisation, même si elle est embryonnaire au niveau de la vie quotidienne de tout un chacun. Deux types de populations sont concernés : les élites et le peuple, pour faire vite. Au niveau français, les élites ont été vaincues successivement (et je ne remonte pas jusqu’à Azincourt) en 1815, 1870 et 1940. Elles se sont toujours inclinées, avec Louis XVIII, Adolphe Thiers, et Philippe Pétain (LVF, 17. 12. 2013). (419) Les beaux parleurs anglophones auront la priorité sur des gens compétents et les injustices se multiplieront. Bref on mettra à la poubelle la grande majorité de la population (ALF FB, 11. 03. 2014).51 (420) L’ennui, c’est que beaucoup de ces personnes souhaitent en outre imposer leurs choix particuliers à l’ensemble des locuteurs. Et ne reculeront

51 Die Abfallmetaphorik konnte im französischen Korpus nur mit diesem Beleg nachgewiesen werden.

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4 Metasprachdiskurse als ideologische Systeme

devant rien pour stigmatiser ce qui est pourtant le fonctionnement d’une langue comme le français (PL, 11. 06. 2014). Auf inhaltlicher Ebene wird die Übernahme sprachideologischer Muster durch die Klitterung der sprachgeschichtlichen Realität fundiert: Dem Französischen wird als «langue populaire» der Status einer Volkssprache verliehen, wobei die Semantik von populaire nicht nur die Bindung von Sprache und Volk betont, sondern auch den Status des Französischen als Weltsprache im 18. und 19. Jh. in den Vordergrund stellt (cf. 416). Hier wird allerdings der Umstand vernachlässigt, dass Französisch in dieser Zeit v. a. beim europäischen Adel und Bildungsbürgertum «Popularität» erlangte. Die Legitimation dieser volkssprachlichen Idealisierung des Französischen (cf. 418) wird auch aus der Abschaffung historischer Eliten hergeleitet, die als Monarchen, Vertreter der konstitutionellen Monarchie oder autoritäre Militärs das französische Volk seiner Freiheit beraubten, ebenso wie die heutigen Eliten die Sprecher ihrer Sprache berauben. Darüber hinaus werden «Elite» und «Volk» als voneinander unabhängige Gesellschaftsformen («deux types de populations») stereotypisiert (cf. 418). Dieser schismatische Zustand dient in einem weiteren Schritt als Erklärungsmuster für den UNTERGANGSTOPOS. Dieser greift zentrale Konzepte der «ideology brokerage» des ALF auf, die alle in direkter Korrelation mit dem ANGLIZISMENTOPOS stehen. Der HEGEMONIETOPOS überträgt die Vormachtstellung des Englischen von einer politisch-militärischen Bedeutungsdimension auf den Sprachkontakt zwischen dem Englischen und Französischen. Der SOLIDARITÄTSTOPOS, der im Journal d’ALF an den Zusammenhalt der Sprecher appelliert und zur Bildung einer frankophonen Bürgerschaft aufruft (cf. Abb. 22), wird als Gegenstück zum HEGEMONIETOPOS etabliert. Als Bindeglied zwischen diesen topologischen Bereichen steht der GLOBALISIERUNGSTOPOS als Erklärungsmodell des gesellschaftlichen und sprachlichen Wandels und Topos aus der Ursache für unausgewogene sprachliche Machtverhältnisse (cf. Abb. 51). Anhand des UNTERGANGSTOPOS kann in methodischer Hinsicht illustriert werden, dass eine Reduktion von diskurslinguistischen Analysen von Sprachideologien und Spracheinstellungen auf quantitative Verfahren nur begrenzt aussagekräftig ist bzw. erst dann gewinnbringend eingesetzt werden kann, wenn es um die Analyse großer Datenmengen geht. Mit 5% der in MAXQDA kodierten Äußerungen deckt der UNTERGANGSTOPOS nur die Hälfte des ÖFFENTLICHKEITSTOPOS und ca. ein Fünftel der Textoberfläche ab, die der ANGLIZISMENTOPOS (26%) einnimmt. In einer rein quantitativen Untersuchung wäre das topische Muster folglich eher als begrenzt konstitutiv für den betrachteten Diskursausschnitt einzuordnen. Topologische Konvergenzen zwischen

4.3 Diskursrezeption und Diskursmodifikation in virtuellen Räumen

609

Untergangstopos 8 7 6 5 4 3 2 1 0 Hegemonietopos

Solidaritätsopos

Globalisierungstopos

Abb. 51: Untergangstopos: Unterkategorien und Verteilung.

dem Diskurs des ALF und der öffentlichen Diskussion würden somit vielleicht unbeachtet bleiben, ebenso wie das argumentative Potenzial, das auf lexikalischer Ebene innerhalb der topischen Wissensrahmen zum Tragen kommt. Auch ist eine umfassende Durchdringung des Textes m. E. nur in qualitativen Feinanalysen möglich, deren Ziel es ist, das Zusammenwirken transtextueller und intratextueller Orientierungs- und Handlungsrahmen zu verstehen. Umgekehrt könnte man auch sagen, dass gerade in sprachideologischen Texten der «Teufel im Detail steckt», weshalb auf den ersten Blick weniger saliente Sprachgebrauchsmuster nicht vernachlässigt werden sollten, da sie andere Topoi fundieren, erklären oder rechtfertigen können. In einer allgemeinen Erscheinungsform dient der UNTERGANGSTOPOS der Beschreibung eines unausweichlichen apokalyptischen Szenarios, das entweder nicht näher konkretisiert wird (cf. 421) oder in den meisten Fällen als Folge des englischen Spracheinflusses beschrieben wird (cf. 422–424). (421) Dans ces cas-là, on voit ces personnes comme l’éclat qui nous parvient d’une étoile lointaine mais qui n’existe plus. On sait que ça ne va pas durer, on se demande combien de temps encore ça va durer, mais on sait que ce qu’on a vécu est amené à disparaître. Cruel sentiment qui évoque un futur plus sombre. La tentation est forte de rejeter sa culture, pour ne pas vivre son déclin inéluctable (LVF, 09. 01. 2014). (422) L’anglicisation totale impliquerait aussi de graves conséquences puisque la solidarité nationale et la cohésion des pays européens exploserait,

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4 Metasprachdiskurse als ideologische Systeme

marquant le déclin de l’état, de l’état nation et la disparition des peuples pour ne donner qu’un peuple européen (LVF, 18. 12. 2013). Der Legitimation der Bedrohungs- und Untergangsszenarien, die sich nicht nur auf die sprachliche, sondern explizit auch auf die kulturelle (cf. 423, 426) und wirtschaftliche Situation Frankreichs beziehen (cf. 425, 427) und auf somit seine Stellung als Nation (cf. 422), erfolgt durch den HEGEMONIETOPOS. Dieser wird in persuasiver Hinsicht maßgeblich durch lexikalische Einheiten untermauert, die auf eine Darstellung des Englischen als «Totalsprache» abzielen: (423) Mais là encore, l’Anglais paraît largement mise en avant et en devient même hégémonique. Le tout en anglais est de surcroît présenté comme la meilleure solution puisque qu’il s’agit d’un outil pragmatique et fondée sur une des langues les plus répandues au monde. […] Premièrement, nous pouvons très bien imaginer que l’anglicisation du continent puisse se poursuive en aboutissant à une situation proche de celle de la République de Malte. C’est-à-dire la cohabitation de l’anglais et de la langue nationale. Dans ce cas précis, nous aboutirions à une situation où l’anglais deviendrait la langue dominante ou unique pour l’économie, les sciences, l’université ; partielle dans l’éducation nationale et l’administration. La culture et la littérature suivraient une même tendance au fil de l’anglicisation progressive des populations, l’anglais deviendrait là aussi la langue dominante puisqu’elle endosserait le rôle d’idiome de prestige. On pourrait en un siècle passait [sic] d’un Europe marquée par le plurilinguisme, puis par une anglicisation partielle et enfin une anglicisation totale. Les langues nationales perdraient leurs rôles de langues souveraines et déclineraient comme nos langues régionales. Cette tendance s’inscrirait dans un contexte où les Etats-nations auraient disparus progressivement, laissant place à un nouvel état, une sorte de République européenne, qui n’aurait pas ou plus été contestée par des groupes ou des partis nationalistes (LVF, 30. 11. 2013). (424) Les Anglais ont été, sur le long terme, et sur le plan linguistique, des vainqueurs, ou tout au moins des leaders. Or pour qu’il y ait un vainqueur, il faut qu’il y ait un vaincu. Si la victoire est totale, comme dans le cas des Romains par rapport aux Étrusques, des Anglo-Américains par rapport aux Indiens, des Espagnols par rapport aux Incas, des Romains par rapport aux Gaulois, il n’y a plus vraiment de vainqueurs. Il n’y a plus qu’un vaincu qui disparaît. Ainsi les anglophones ont-ils besoin d’autres langues pour faire croire subrepticement qu’ils ne se sont pas hégémoniques en matière linguistique et pour paradoxalement mieux as-

4.3 Diskursrezeption und Diskursmodifikation in virtuellen Räumen

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seoir leur domination en la matière. Aucune autre langue, à part la langue française, ne peut remplir ce rôle, à la fois d’éternel second, et globalement, de vaincu (LVF, 13. 04. 2014). Auffällig ist in diesem Zusammenhang die attributive Verwendung des superlativischen Adjektivs total(e) vor dem Stigmawort anglicisation, das mit 42 Nennungen im gesamten Korpus eine bedeutende Position als Schlüsselwort einnimmt. Syntagmatische Abweichungen wie la victoire est totale (cf. 224) stellen einen direkten Bezug zur Kriegsmetaphorik her (cf. Kap. 4.3.2.3) und belegen die netzartige Verbindung zwischen argumentativen Strategien der Abwertung, lexikalischen Einheiten und metaphorischen Bereichen. Im gleichen semantischen Kontext ist außerhalb der aufgeführten Belege auf produktive Formen der Komposition hinzuweisen, die der Betonung einer englischen Allherrschaft dienen: Hierzu zählen präpositionale Nominalkompositionen in abweichender Schreibung mit und ohne Bindestrich wie le tout en anglais/tout-en-anglais oder tout à l’anglais. Ebenfalls in gleicher Bedeutung treten Varianten beider Graphien ohne Relatoren auf wie tout-anglais/tout anglais oder synonymisch gebrauchte Adjektivkompositionen wie le tout-économique. Ebenfalls frequent ist der Gebrauch der o. g. lexikalisierten Ableitungen anglicisation und angliciser als Basis weniger gebräuchlicher Suffigierungen wie anglic-ité zur Bezeichnung «spezifische[r] Eigenarten und Gemeinsamkeiten der Lebens- und Denkformen» (Schweickard 1996, 8) anglophoner Völker oder zur Bildung okkasioneller Kopulative wie anglicisation-américanisation. Einzelne Gebrauchsvarianten in gleicher pejorativer Funktion konnten mit dem Nominalkompositum occupation globish nachgewiesen werden oder durch auch im alltäglichen Sprachgebrauch produktive Intensivpräfigierungen wie ultra-consommation. An letzter Stelle erwähnenswert sind einzelne Wortbildungen, die eine negative Positionierungsaktivität gegenüber dem Englischen mit einer konkreten Person verbinden und somit die soziale und metasprachliche Stigmatisierung in einem Begriff miteinander verbinden. Als Beispiel kann hier auf die deonomastische Appelativierung frédéricmartelisme verweisen werden. Die morphologische Veränderung durch -isme dient der Identifikation des englischen Sprachgebrauchs mit konkreten Personen sowie ihrem Denken und Handeln, wobei bei vorliegendem Beispiel in funktionaler Hinsicht sowohl eine pejorative Lesart im Vordergrund steht als auch die Absicht des Sprechers, komplexe Phänomene verständlich zu machen und ohne großen Aufwand zu erklären (cf. Schweickard 1996, 22).52 52 Frédéric Martel ist ein französischer Soziologe und Publizist sowie ehemaliger Kulturattaché der französischen Botschaft in den Vereinigten Staaten. Neben Publikationen und Forschungsarbeiten zum amerikanischen Kultursystem ist er u. a. für seine Arbeiten zur Homose-

612

4 Metasprachdiskurse als ideologische Systeme

Bereits kleine Textausschnitte belegen somit auch für das französische Teilkorpus eine systematische argumentative Verflechtung aller sprachlichen Ebenen mit dem ANGLIZISMENTOPOS, der in allen Äußerungen eine fremdwortpuristische Spracheinstellung der Sprecher unterstreicht: Anglizismen

11%

2%

negativ 87%

andere positiv

Abb. 52: Spracheinstellungen: Anglizismen (Online-Korpus, F).

Als Ursachenbeschreibung der englischen Vorherrschaft übernimmt der GLOBALISIERUNGSTOPOS eine erklärende Funktion. Die Werturteile gegenüber Globalisierung sind dabei grundsätzlich negativ, wobei die weltweite Verflechtung von Sprache, Wirtschaft und Kultur auch als Gefahr für die frankophone Identität erachtet wird. Entgegen antipluralistischer Haltungen im Kontext der nationalen Sprachensituation, wie sie am Beispiel negativer Spracheinstellungen zu den Regional- und Minderheitensprachen belegt wurden (cf. Kap. 3.3.5; 3.3.9), werden Spracheinstellungen im Zusammenhang mit der Sprachenrivalität zum Englischen zu radikal pluralistischen Positionierungen umgekehrt (cf. 425). In diesem Kontext werden «exception» und «génie» (cf. Kap. 3.3.4) als Qualitätsmerkmale des Französischen entgegen der sprachideologischen Richtung des originären Universalitätsdiskurs auf alle Völker übertragen, um Solidarität zu vermitteln und um das eigene Handeln als altruistische Denkweise zu rechtfertigen. (425) Mais si on va au fond des choses, on se rend bien compte qu’en 2014, tous les pays sans exception sont en déclin relatif. L’idée même de pays

xualität in Frankreich sowie für eine jüngst erschienene vatikankritische Arbeit zu diesem Thema bekannt. Interessant ist, dass der Facebook-Nutzer, der frédéricmartelisme als Stigmawort verwendet, die Wortbildung auch erklärt: «*frédéricmartelisme : du nom de Frédéric Martel qui prône l’alignement général sur la culture états-unienne et le remplacement du français par un sabir à base d’anglais». Mit dieser Erklärung wird die sprachideologische Reduktion der Person und des Namens Frédéric Martel auf eine anglophile Haltung verdeutlicht.

4.3 Diskursrezeption und Diskursmodifikation in virtuellen Räumen

613

et de la culture qui lui est associée deviennent même obsolètes. Les réalités de la globalisation donnent plus d’importance à ce qui ce vend, au commerce à l’économie et non pas au génie des peuples (LVF, 04. 02. 2014). (426) Nous devons à tout prix nous identifier au pluralisme et sortir aussi vite que possible de l’uniformisation des cultures, des modes de vie. Non seulement, il en va de l’intérêt des cultures, mais aussi de la Démocratie et de l’accès à l’éducation. La globalisation, ce courant fou qui met en concurrence les hommes, les cultures, les pays, les langues menace directement la diversité de l’humanité, nous conduisant lentement vers un couloir sans alternatives […] (LVF, 06. 01. 2013). Der Hegemonie des Englischen wird der SOLIDARITÄTSTOPOS entgegengestellt. In pragmatischer Hinsicht erfüllt das Argumentationsmuster die gleiche Appellfunktion wie im Journal d’ALF, d. h. die Sprecher rufen in ihren Äußerungen zum Schulterschluss der frankophonen Länder als Gegengewicht zum angloamerikanischen Sprach- und Kulturraum auf («bloc», «contrepoids»). Ebenfalls stark betont wird auch in diesem medialen Kontext die Rolle des frankophonen Afrikas, dessen nationale Einigung die Voraussetzung für das Bestehen einer frankophonen Solidargemeinschaft darstellt (cf. 427) und in dessen wirtschaftlichem Ausbau die Chance zur Erhaltung der Wettbewerbsfähigkeit, insbesondere gegenüber den USA, liegt: (427) La Francophonie doit briser cette image et se lancer dans la création d’un espace de solidarité qui permettrait à l’Afrique de se développer et de mettre fin aux violences, aux guerres civiles et à l’échec économique […] Cet espace de solidarité peut aussi être pluriel avec un cœur africain qui permettrait une intégration régionale entre les pays francophones constituant un bloc qui aurait une voie mondiale. Les liens tissés entre ces différents pays permettraient à moyen terme une industrialisation naissante, la maîtrise des technologies et la création d’entreprises capables de s’imposer non seulement dans l’espace francophone, mais aussi à l’échelle mondiale. La création d’un bloc francophone et notamment d’un bloc francophone africain assurerait un contrepoids, une assurance d’exister et de se développer (LVF, 06. 01. 2013). (428) Une Afrique francophone unie et dynamique impliquerait une croissance économique durable pour la France, un espace immense pour des investissements (LVF, 06. 01. 2013).

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4 Metasprachdiskurse als ideologische Systeme

Die Beispiele unterstreichen die Bedeutung einer qualitativen Feinanalyse topologischer Strukturen, wenn es darum geht, metasprachliches Handeln in seiner diskursiven Realisierung funktional nachzuvollziehen. Der BEDROHUNGSTOPOS entfaltet sein vollständiges Potenzial als Argumentationsmuster erst in der Kombination seiner drei Unterkategorien. In ihrer kausalen Verkettung agieren der GLOBALISIERUNGS- und HEGEMONIETOPOS in struktureller Hinsicht als Schlussmuster aus Ursache und Folge, d. h. die Hegemonie des Englischen ist eine Auswirkung der Globalisierung, bzw. gäbe es keine Globalisierung, dann wäre das Französische dem Englischen nicht unterlegen. Der SOLIDARITÄTSTOPOS wiederum ist dominant lösungs- bzw. zweckorientiert. Er beschreibt das Ziel, wie die Verkettung aus Ursache und Folge neutralisiert oder aufgehoben werden kann, d. h. wie die Hegemonie des Englischen durchbrochen und das Französische vor dem Untergang bewahrt werden kann. 4.3.2.2 Sprachkorpusbezogene Topoi Im Vergleich zum Journal d’ALF, dessen Beiträge sich ausschließlich mit dem sprachpolitischen Status des Französischen und seiner Verbreitung in der Welt beschäftigen, konnte in der Forenkommunikation ein breites Panorama sprachkorpusbezogener Themen ermittelt werden, die inhaltlich in den Kategorien Lexikon, Grammatik und Orthographie starke Gemeinsamkeiten zu den Topoi der Facebook-Diskussion des VDS aufweisen (cf. Abb. 42): Sprachkorpus 25 20 15 10 5

Sp ra ch sp ie le

Sp ra ch re fo rm

Gr am m at ik

Le xi ko n

ra ph ie Or

th og

ol og ie

Te r

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Fe m

un d

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Ne

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0

Abb. 53: Sprachkorpusbezogene Topoi: Unterkategorien und Verteilung (Online-Korpus, F).

4.3 Diskursrezeption und Diskursmodifikation in virtuellen Räumen

615

Innerhalb der auf die Grammatik des Französischen bezogenen Topoi stellt der FEMINISIERUNGSTOPOS das einzige argumentative Zentrum dar, in dem wertende Positionierungen und Spracheinstellungen ermittelt werden konnten. Inhaltlich befasst sich der FEMINISIERUNGSTOPOS wie der GENDERTOPOS mit der Frage nach der Vertretbarkeit von Änderungen im Sprachsystem auf der Grundlage eines geschlechtersensiblen Sprachgebrauchs. Im Vergleich zu den deutschen Nutzerkommentaren der VDS-Facebook-Diskussion zeichnet sich in der französischen Forenkommunikation eine deutlich stärkere Befürwortung der femininen Gebrauchsform ab. Dabei bezieht sich allerdings die gesamte Diskussion in erster Linie auf die Feminisierung von Berufsbezeichnungen, die in Frankreich spätestens seit den sprachpolitischen Maßnahmen Mitte der 1980er Jahre ein vieldiskutierter Gegenstand der öffentlichen Sprachendiskussion ist. Feminisierung

16%

42% negativ

42%

andere positiv

Abb. 54: Feminisierung: Spracheinstellungen.

Sprecherpositionierungen, die eine ablehnende Haltung gegenüber femininen Berufsbezeichnungen ausdrücken, begründen ihr negatives Werturteil mit soziologisch korrumpierten Hypothesen, die auf der Vorstellung beruhen, die Demokratisierung des Sprachgebrauchs sei Machtmittel einer feministischen Minderheitendiktatur (cf. 429, 430). Im Rückblick auf repräsentative Modelle «metasprachlicher Öffentlichkeit» (cf. Tab. 1) wird die sonst historisch legitimierte Vorstellung vom «guten» und «richtigen» Sprachgebrauch der Wenigen (cf. Kap. 3.3.4) in ein negatives Bild pluralistischer Bestrebungen moduliert. Forderungen nach dem Respekt sprachlich-kultureller Diversität, die im Sprachkonflikt mit dem Englischen als oberste Maxime aktueller Sprachpflege angeführt werden (cf. Kap. 4.3.2.1), werden im standardsprachlichen Normendiskurs ins Gegenteil verkehrt. (429) La féminisation d’auteur est plutôt auteure avec un e final mais ça se discute, il est vrai que chanteur devient chanteuse. Ces formes sont de plus en plus imposées sous le poids des lobbies féministes. On en arrive

616

4 Metasprachdiskurse als ideologische Systeme

maintenant à faire côtoyer presque systématiquement un masculin avec un féminin, essentiellement pour complaire à ces groupuscules, sachant que les femmes, elles, n’ont jamais rien demandé, ce qui alourdit les phrases et rend le style presque idiot. Mais on sait depuis toujours que c’est une minorité active qui milite pour ces causes, il est facile de voir que d’une manière générale ce qu’on appelle fallacieusement démocratie n’est autre que la dictature des minorités (PL, 08. 06. 2014).53 Neben ästhetischen und stilistischen Argumenten, die gegen die Feminisierung angeführt werden, beruhen negative Einstellungen somit v. a. auf einer Dekonstruktion von Sprache als sozialem Phänomen, d. h. sprachliche Variation auf der Grundlage gesellschaftlicher Vielfalt ist im Französischen nicht veranlagt. Anders als z. B. im Deutschen, so der Sprecher, sei die Feminisierung von Berufsbezeichnungen im Französischen nicht evident, also wider seine Natur (cf. 430). Das Sprachhandeln beruht hier also auf einer irrationalen Auffassung vom Wesen der französischen Sprache und ist somit typisch für eine ontologisierende Sprachauffassung als Fundament einer sprachpuristischen Haltung: (430) Le fait que la féminisation des noms de métier soit soutenue par certains groupes ne permet en soi ni de justifier ni d’infirmer le besoin linguistique. Pour d’autres langues comme l’allemand, c’est une évidence : Ingenieur, Ingenieurin, Artz (médecin), Ärztin, etc. Les féministes n’y sont pas plus actives (en Allemagne ou dans les autres pays germanophones) et les hommes ni plus ni moins machos qu’ailleurs. Positive Urteilsbekundungen beruhen auf der genau entgegengesetzten Sichtweise, in der die Feminisierung von Berufsbezeichnungen als Sprachenrecht einer sozialen Gruppe aufgrund ihrer Leistungen für die gesamte Gesellschaft betrachtet wird. Entgegen der ontologisierenden Sprachreflexion steht hier die Bedeutung des Sprechers und nicht der Sprache im Vordergrund der Argumentation. (431) Les minorités actives, particulièrement en ce qui concerne les femmes, ont bien souvent joué un rôle d’avant-garde. Réjouissons-nous qu’il y eut des femmes telle Olympe de Gouges ou les dites suffragettes qui ont permis à leurs semblables d’obtenir le droit de vote par exemple et bien d’autres droits jusque là réservés aux seuls hommes. Ceci nous éloigne du sujet linguistique mais l’argument précédent ne tient pas.

53 Die Verweise (430)–(435) sind alle unter dem gleichen Datum verzeichnet.

4.3 Diskursrezeption und Diskursmodifikation in virtuellen Räumen

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In beiden Fällen, d. h. sowohl in kategorisch negativen als auch positiven Haltungen zur Feminisierung von Berufsbezeichnungen, bleiben genuin sprachsystematische Argumente undiskutiert. Morphologisch-semantische Herausforderungen der Femininbildung von nomina agentis, wie sie z. B. bei «maîtresse» vorliegen, werden nicht inhaltlich diskutiert, sondern führen als Verstärkung negativ-ironischer Positionierungsaktivitäten zu einer Stigmatisierung sprachlicher Varianten: (432) Si des gens ont envie de dire auteuse autrice autoresse autorine auteure autorelle autoreuse au lieu d’employer auteur pour un animé de sexe féminin, grand bien leur fasse. (433) […] toutefois je reste fidèle à mon idée qui serait de rendre honneur à une femme qui serait avocate, doctoresse ou encore ministresse (non, là je plaisante). Wie auch anhand anderer Belege für beide Sprachen belegt wurde, beruht die Kategorie der neutralen oder anderen Einstellungen auf komplexen Positionierungsaktivitäten. Die lassen Ansätze einer differenzierten Sichtweise auf Sprache in Abhängigkeit vom übergeordneten Kontext erkennen. Im Bereich der Feminisierungsdebatte äußert sich diese Ausdifferenzierung des Sprachbewusstseins in einem Konflikt zwischen dem von den Sprechern verinnerlichten, statischen Normbewusstsein und sich wandelnden moralischen Ansprüchen an eine gesellschaftliche Gleichberechtigung. Sprachnormen werden also durchaus als anachronistisch wahrgenommen, aber selten grundsätzlich in Frage gestellt: (434) Tout dépend du contexte, bien entendu. Dans l’ensemble, je rejette ce genre de pratiques consensuelles qui font ressembler les orateurs à des vendeurs de supermarchés, cependant je persiste à penser que la valeur honorifique d’une telle évolution pourrait correspondre à une évolution réelle des mœurs. Par ailleurs, l’un des arguments développés dans l’article et que cet usage “alourdirait” la langue. Je ne crois pas, cela l’enrichirait plutôt, comme dans tous les cas, il suffirait de ne pas en faire usage lorsque cela ne serait pas nécessaire. «Zugeständnisse» an eine Anpassung sprachlicher Normen an gesellschaftliche Entwicklungen werden dabei nur sukzessive in den Spracheinstellungen erkennbar. So bleibt z. B. wie in folgendem Beleg die Überlegenheit der maskulinen Pluralbildung bei gemischten Personengruppen gänzlich unbestritten, die partielle Einführung von femininen Berufsbezeichnungen wird hingegen befür-

618

4 Metasprachdiskurse als ideologische Systeme

wortet. Letztere wird allerdings nur dann bejaht, wenn sie Ausdruck eines gesellschaftlichen Erfolgs oder Verdienstes ist, d. h. das Recht sozialer Gruppen auf Sichtbarkeit im Sprachgebrauch wird in Abhängigkeit von der gesellschaftlichen Rolle der Sprecher gestellt. Auf diese Weise wird deutlich, dass elitäre Sprachgebrauchsvorstellungen weiterhin valorisiert, aber diastratisch verschoben werden. Das Recht auf sprachliche Ausdrucksfreiheit bleibt somit einem bestimmten gesellschaftlichen Stand vorbehalten, der sich im vorliegenden Fall nicht auf Geburt, Abstammung oder Besitz bezieht, sondern auf die individuelle Leistung des Sprechers: (435) Le fait que le masculin l’emporte sur le féminin au pluriel est une chose, le fait qu’une femme puisse avoir droit à un mot adéquat désignant son métier en est une autre. Et je ne parle pas de foules à qui l’on sadresse, juste de gens qui méritent de la reconnaissance. C’est ainsi que je vois les choses.

4.3.2.3 Metaphorische Konzepte Ebenso wie in der Facebook-Diskussion des VDS stellen die Modelle SPRACHE ALS KRIEG und SPRACHE ALS ORGANISMUS auch in der Forendiskussion die am stärksten vertretenen Metaphernbereiche dar. Die in 43% der kategorisierten Äußerungen konstatierte Kriegsmetaphorik dient bis auf wenige Ausnahmen (cf. 444 infra) einem systematischen highlighting des Anglizismentopos. Metaphernbereiche

7%

11%

6%

43%

KRIEG ORGANISMUS KAPITAL

33%

WASSER ANDERE

Abb. 55: Metaphernbereiche (Online-Korpus, F).

Projektionen aus dem Herkunftsbereich «Krieg» zielen darauf ab, das topische Zusammenspiel zwischen sprachlicher Unter- und Überlegenheit innerhalb der

4.3 Diskursrezeption und Diskursmodifikation in virtuellen Räumen

619

Sprachkontaktsituation Französisch – Englisch persuasiv zu fundieren. Auf die Unterlegenheit des Französischen bezogene Bildkomplexe (cf. 436–439) legen dabei dominant affektive Spracheinstellungsmuster frei. In dieser funktionalen Ausrichtung sind typologische Verschränkungen mit anthropomorphistischen Metaphernlexemen auffällig («massacrer», «massacre»), die eine ʻHinrichtungʼ des Französischen indizieren. Im Rahmen solcher bildhaften Bedrohungsszenarien avancieren Metaphern auch zu Koreferenten der purismustypischen sozialen Dialektik: Mit dem Metaphernlexem massacre als Schlüsselwort verbinden die Sprecher verschiedene Täterkategorien (Tourismus, Medien, Universität), die eine Mitschuld an der vorsätzlichen Vernichtung der französischen Sprache trifft. (436) La Délégation de Touraine de Défense de la langue française, en liaison avec ALF, a lancé une campagne et déposé un recours gracieux contre le slogan touristique en anglais de la municipalité de Loches. Voici ce que nous écrit à ce sujet Yves Montenay, président de l’Institut Culture et géopolitique (ICEG), administrateur d’ALF. Non par principe : nous n’avons pas à massacrer le français (ALF FB, 11. 03. 2014)! (437) Il est regrettable que les médias, sans doute trop occupés par les mensonges d’alcôve, n’aient daigné s’intéresser à ce phénomène mineur pour un pays : le massacre programmé de sa langue à l’Université (ALF FB, 11. 09. 2014). Dem Angriff auf das Französische steht die appellative Funktion von Metaphernlexemen wie compatriotes und combattants entgegen, die Ausdruck einer verteidigenden Haltung gegen den Einfluss des Englischen sind und zum Bündnisschluss mit Gleichgesinnten aufrufen. In dieser Verwendung komplettieren die Metaphernlexeme auf intratextueller Ebene das semantische Netz, das vom SOLIDARITÄTSTOPOS regiert wird (cf. Kap. 4.3.2.1). In Bezug auf die Identität der Sprecher erfüllen die Metaphern eine Ausdrucksfunktion, indem sie auf das Bestehen und die Zugehörigkeit zu einem Kollektiv verweisen, dessen Aufgabe der Kampf um die französische Sprache ist. Das frequente Metaphernlexem combat dient mit 16 Nennungen im gesamten Korpus der Darstellung der kriegsähnlichen Auseinandersetzung mit dem Englischen im Allgemeinen, wohingegen seltenere Lexeme wir reconquête und libération (cf. 439) einer gezielt offensiven Positionierung der Sprecher Ausdruck verleihen. Das Entlehnen von Metaphern aus Autoritätsverweisen dient wie in (439) der Legitimation einer sprachlichen Offensive gegen das Englische, die durch den Namen Nelson Mandela mit den Absichten einer friedlichen Revolution gleichgestellt wird. Der Analogieschluss zwischen der südafrikanischen Revolution gegen die Apartheit

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und der Revolution des Französischen gegen das Englische stärkt das Bild des Französischen als unterdrückte Sprache, wobei aufgrund der Positionierung des Sprechers angenommen werden kann, dass historische Bezüge zu Frankreichs eigener Kolonialgeschichte im Sprecherbewusstsein einen geringen Stellenwert einnehmen. (438) Si les gens ne considèrent plus leur culture comme un bien précieux à transmettre aux générations futures et qu’une culture unique, une langue unique paraissent des outils pratiques alors effectivement tout combat sera perdu. Combien de fois j’entends de la bouche de nos compatriotes que l’anglais est devenu la langue officielle du monde et que le Français avec le temps deviendra une langue régionale. Qu’avec l’anglais, langue des jeunes, de la technologie, de la culture, le monde deviendrait plus facile, l’économie prospère, les frontières disparaîtraient. Je suis intiment convaincu que la promotion du tout-en-anglais provient de nos pays non-anglophones. Je suis sûr que certains se battraient pour conserver le globish, ferait des pieds et des mains pour l’imposer, pleureraient si tout à coup une autre langue prenait de dessus (LVF, 04. 02. 2014). (439) Je pense, à ce sujet, à une très belle phrase de Nelson Mandela. Dans ses mémoires, il dit : “J’ai voulu unifier les combattants autour de l’idée de la reconquête et de libération” (ALF FB, 10. 02. 2014). Eine instrumentale Funktion nehmen Metaphernlexeme ein, die das Französische im Kampf gegen das Englische bzw. gesellschaftliche Bereiche im Kampf für das Französische als Waffe (lance de fer) bezeichnen oder der französischen Sprache als Hoheitsbanner (bannière) der kollektiven Sprachidentität einen symbolischen Charakter verleihen. (440) Le haut français ne m’appartient pas, il est notre bannière (LVF, 13. 03. 2014). (441) L’éducation se doit de devenir la lance de fer pour restaurer l’éclat de notre langue. Ce n’est pas en luttant contre l’anglais que nous pourrons sauver notre langue. Depuis des années, nous constatons non seulement en France, mais finalement dans de très nombreux pays du monde, que la qualité de l’élocution, la maîtrise de l’orthographe, de la grammaire, de la langue ne sont plus au rendez-vous (LVF, 06. 01. 2013). Im Bereich organistischer Modelle, die mit 33% den zweitgrößten Metaphernbereich stellen, kann funktional zwischen identitäts- und alteritätsstiftenden Ver-

4.3 Diskursrezeption und Diskursmodifikation in virtuellen Räumen

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wendungsweisen unterschieden werden. In semantischer Hinsicht umschließt die Organismusmetaphorik biologistische Bildspender aus dem pflanzlichen, tierischen und menschlichen Bereich. Aus dem pflanzlichen Herkunftsbereich auf den Zielbereich sprachlicher Erscheinungen projizierte Metaphern können Ausdruck eines sprachpuristischen genealogischen Sprachverständnisses sein (cf. 442, 443) oder in Kombination mit einer strukturellen Assoziation von Sprache als geschlossenem Raum (Containermetaphorik) eine fremdwortpuristische Haltung der Sprecher gegen das Eindringen «fremder» Wörter in den «eigenen» Wortschatz beschreiben (cf. 444). (442) Ce grand projet sera nommé le haut français, soit un français épuré, et surtout logique. On croisera ses belles racines avec ses formes morphologiques pour pouvoir tout décrire (LVF, 13. 03. 2014). (443) Le calumet. Calumet, mot issu, semble-t-il du patois rouennais purinique (langage proche du cauchois), semble avoir été créé à partir du mot normanno-picard, chalumel. Je trouve une certaine magie, dans le fait qu’un mot désignant un objet aussi singulièrement américain ait fait pousser ses racines aussi loin en Europe (PL, 16. 04. 2011). (444) […] les mots anglais qui s’implantent chaque jour dans notre vocabulaire ne sont plus de l’ordre de l’échange, mais de la substitution (“checker” à la place de “vérifier”) (PL, 16. 04. 2011). Wie die folgenden Äußerungen belegen, «können innerhalb des pflanzenmetaphorischen Komplexes auch Überlappungen mit animalisierenden und anthropomorphisierenden Bildern stattfinden» (Stukenbrock 2005a, 264). Eine Schnittstelle zwischen pflanzlichen und tierischen Bildspendern belegen Konzeptualisierungen des Englischen als Parasit (cf. 445): (445) Oui, l’“anglobal” est une forme de parasite. A la Renaissance, des milliers de mots italiens sont entrés dans la langue française, mais ils ont été rapidement absorbés, transformés, francisés (PL, 22. 10. 2014). Die metaphorisiche Pathologisierung von Sprachwandelphänomen, die im deutschen Online-Diskurs v. a. der Stigmatisierung geschlechtergerechter Sprache dient, richtet sich in der französischen Forendiskussion in Form einer auf den Sprechergeist bezogenen Krankheitsmetaphorik gegen Entlehnungen aus dem Englischen, die Teil eines eigenen Krankheitsbild sind («anglofolie», «anglomanie»).

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4 Metasprachdiskurse als ideologische Systeme

(446) Seconde cerise amère sur le pudding indigeste de l’anglofolie, pour Tom Enders, président exécutif d’EADS et grand organisateur de la politique linguistique du tout en anglais dans son groupe, qui a trouvé (dis)grâce aux yeux du jury (ALF FB, 04. 06. 2013). (447) Des ministres “Y’a bon Banania” ou l’anglomanie comme colonisation mentale (ALF FB, 26. 03. 2014). Abschließend in diesem Zusammenhang erwähnenswert sind einzelne kreative Verbindungen zwischen pflanzlichen und pathologischen Metaphernlexemen (cultiver une manie), die zu einem stärkeren highlighting des Zielbereichs beitragen: (448) C’est une mode très répandue, également, chez les homme politiques [sic], jusqu’au sommet de l’État, et même avant ce quinquennat. Le premier ministre, dont on ne peut pas dire qu’il est du Nord, cultive aussi cette manie (ALF FB, 26. 03. 2014).

5 Diskussion der Ergebnisse und Ausblick Es ist die Wiederkehr der Angst- und Panikmache, die der neue Nationalismus mit dem der Sprachreiniger verbindet und die Geschichte der Sprachreinigung zu einem Lehrstück macht. (Spiegel, 25. 11. 2019.)

In den vorangehenden Kapiteln wurde anhand konkreter Beispiele zunächst im Rahmen einer öffentlichkeitstheoretischen Fundierung (cf. Kap. 2) und danach in einer diskursgeschichtlichen Herleitung (cf. Kap. 3) «Sprachpflege» als Teilsystem von Metasprachdiskursen in seiner diskursiven Grundstruktur herausgearbeitet. Als zentrales Merkmal von Sprachpflege in Abgrenzung zu anderen Typen metasprachlichen Wissens gilt dabei ihre ideologische Dimension. Diese manifestiert sich besonders deutlich in der Instrumentalisierung von Sprache in nationalen, renationalisierenden und nationalistischen Kontexten, wo metasprachliche Bewertungen zur Legitimation sozialer Identitäts- und Alteritätsentwürfe eingesetzt werden. Ziel der Arbeit war es, diese ideologische Dimension von Sprachpflege als Teilsystem des öffentlichen Metasprachdiskurses zu konturieren, dessen Architektur sich im Laufe der Sprachgeschichte und des gesellschaftlichen Strukturwandels immer wieder an neue soziokulturelle Verhältnisse angepasst hat (cf. Kap. 2.1), aber in Form eines mentalitätsgeschichtlichen Grundgerüstes im Sprachbewusstsein tradiert wurde. Dieses Grundgerüst hat sich in der sprachhistorischen Entwicklung in diskursspezifischen Sprachgebrauchsmustern niedergeschlagen, die es erlauben, historische und aktuelle Tendenzen von Metasprachdiskursen am Beispiel der Sprachpflege zu vergleichen. Diese diachrone Perspektive wurde um eine sprachvergleichende Perspektive zwischen dem deutschen und französischen Metasprachdiskurs ergänzt (cf. Kap. 3.2–3.3). Ausgangspunkt für diesen kontrastiven diskurslinguistischen Ansatz ist der im deutschsprachigen Raum nach dem ideologischen Bruch der NS-Diktatur erst in den letzten 25 Jahren rapide zunehmende Ausbau eines sprachpflegerischen Netzwerkes, dessen Akteure sich auf ausgewählte Leitlinien der historischen Sprachpflege zurückbesinnen (cf. Kap. 3.2) und auf die öffentliche Sprachendiskussion, zum Teil auch radikalisierend, Einfluss nehmen. Die hingegen in zahlreichen romanistischen Forschungsarbeiten am Beispiel unterschiedlicher Epochen belegte Kontinuität des französischen Sprachpflegediskurses als Sprachnormendiskurs sui generis (cf. z. B. Bengtsson 1986; Görtz 1990; KleinZirbes 2001; Polzin-Haumann 2006) stellt zu dieser aktuellen und in jüngerer Vergangenheit auftretenden Dynamik des deutschen Metasprachdiskurses ein https://doi.org/10.1515/9783110723915-005

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5 Diskussion der Ergebnisse und Ausblick

Gegenmodell dar. Ausgehend von diesen Entwicklungsdivergenzen wurde die Frage gestellt, ob und inwiefern sich Unterschiede auf der inhaltlichen und sprachlichen Ebene des aktuellen deutschen und französischen Sprachpflegediskurses widerspiegeln. Eine vergleichende Bestandsaufnahme der Strukturen, Räume sowie Akteure deutscher und französischer Sprachpflege (cf. Kap. 3.2.5– 3.2.6; 3.3.8– 3.3.9) führt dabei ebenso wie die exemplarische Analyse des ideologischen Regimes sprachpflegerischer Wissensformation in unterschiedlichen Kommunikationsräumen zu dem Ergebnis (cf. Kap. 4.2–4.3), dass Sprachpflege auf transtextuellen und transsprachlichen Denkmustern und Spracheinstellungen beruht, die eine Annahme einzelsprachlicher Alleinstellungsmerkmale relativieren. Ausgehend von der strukturellen Ausdifferenzierung der «metasprachlichen Öffentlichkeit» zu einem multireziproken Diskursraum wurden «Diskurse» als Räume sozialer Praktiken definiert (cf. Kap. 3.1), wobei handlungsorientierte diskurslinguistische Analysen als geeigneter theoretischer und methodischer Rahmen zur Verfügung gestellt wurden, um die soziologische und diskursgeschichtliche Perspektive auf Metasprachdiskurse in einer Analyse aktueller Tendenzen von Sprachpflege zusammenzuführen (cf. Kap. 4.1). Dabei wurde, ausgehend von der Frage, wie auf Sprache(n) und Sprecher bezogenes Wissen im sprachlichen Handeln der Sprachpflege konstruiert wird, die Definition des Diskursbegriffs durch ein pragmatisches Sprachkonzept akzentuiert (cf. Kap. 3.2.2). «Ideologien» als Werthaltungen und «Einstellungen» als Ausdrucksformen dieser Werthaltungen im Kontext sprachlichen Handelns werden in der Diskurslinguistik eine konstitutive Rolle auf der transtextuellen Ebene von Diskursen zugeschrieben (cf. Kap. 4.1.3). In Sprachpflegediskursen stellen v. a. metasprachliche Regime wie Sprachnationalismus und Sprachpurismus ein einflussreiches transtextuelles Repertoire historisch gewachsener Denkmuster und Makro-Wissensrahmen zur Verfügung. Dieses Repertoire wird im aktuellen öffentlichen Metasprachdiskurs durch einzelne Akteure aufgegriffen und erweitert sowie im Sprachhandeln und in den Spracheinstellungen der Sprecher anhand spezifischer Sprachgebrauchsmuster sichtbar. Um diesen Zusammenhang zwischen historischen und aktuellen Tendenzen in der Architektur von Sprachpflegediskursen sichtbar zu machen, und um ein möglichst aussagekräftiges Bild der aktuellen Produktion und Rezeption sprachpflegerischer Wissensbestände zu gewinnen, wurde die diskurslinguistische Mehr-Ebenen-Analyse als Schablone zur Untersuchung metasprachlichen Handelns auf bestimmte Filter zugeschnitten (cf. Kap. 4.1.1). Neben Topoi als Ankern der sprachideologischen Gouvernementalität von Sprachpflege lag der Fokus der Analyse auf unterschiedlichen Akteuren und diskursiven Rollen (Sprachpflegevereine als Produzenten und «ideology brokers» und Sprecher als

5 Diskussion der Ergebnisse und Ausblick

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Rezipienten und involviertes Publikum), Medien und Kommunikationsformen (Zeitschriften, Foren, soziale Netzwerkcommunitys) sowie auf der Metaphorik und Lexik als ausgewählten Bereichen der intratextuellen Diskursebene (cf. Kap. 4.1.3). Neben dieser methodischen Verortung wurde der Ansatz kommunikativer und sprachlicher Praktiken als ergänzendes Verfahren gewählt, da dieser auf die für Sprachpflege charakteristischen Analysefilter (Historizität, Medialität und sozialsymbolische Aufladung) als zentrale Bestimmungsstücke sprachlichen Handelns fokussiert (cf. Kap. 4.1.2). Die im Rahmen dieses Ansatzes belegte soziale Indexikalität von Sprachpflegediskursen stellt eines der Kernergebnisse der diachronen und synchronen Untersuchung dar: Soziale Werte und Typisierungen werden sowohl im deutschen als auch im französischen Metasprachdiskurs in Positionierungen zum Gegenstand «Sprache» ausgedrückt, mittels derer sich die Sprecher an anderen sozialen Gruppen ausrichten. Dabei trägt insbesondere die für puristische Haltungen typische Dialektik auf sprachlicher und sozialer Ebene zu einer netzartigen Vergemeinschaftung sprachideologischer Gegensatzpositionen der Identität und Alterität sowie der Über- und Unterlegenheit von Sprachen und Sprechern bei. Dieses Merkmal zeichnet sich besonders stark in der auf Sprache bezogenen, topischen Diskursvertikalität zwischen «Elite» und «Volk» ab, mit der normative Öffentlichkeitsmodelle aufgegriffen werden (cf. Kap. 2.1.3), die bereits im historischen Metasprachdiskurs eine gewichtige Rolle spielten (cf. Kap. 3.3.4–3.3.5). Anders als im historischen Metasprachdiskurs werden diese Öffentlichkeitsmodelle im Diskurs der aktuellen Sprachpflege umgekehrt, d. h. die Elite ist nicht mehr Vorbild des «guten» und «korrekten» Sprachgebrauchs, sondern sie wird als Verantwortliche des Sprachverfalls angeklagt. Eine weitere Achse diskursiver Vertikalität besteht in der Opposition von «Experten» und «Laien». Auch im Rahmen dieser Dichotomie wird die historische Selbst- und Fremdpositionierung von Sprachpflege ins Gegenteil verkehrt: Als Mittler der Bürger und der sprachlichen «Laien» treten Sprachpflegevereine im aktuellen Diskurs für eine verständliche Sprachreflexion ein und beschuldigen die Linguistik der Realitätsferne und Abgeschiedenheit in der öffentlichen Sprachendiskussion. Sprachpfleger übernehmen somit die historische Rolle des sprachlichen Vermittlers, jedoch nicht als Bewahrer eines elitären Sprachgebrauchs, sondern als Bewahrer der sprachlichen Demokratie. Die Bedeutung von Sprache als «summum bonum der Nation» (Stukenbrock 2005a, 432) wird somit zum summum bonum des Volkes erhoben, nachdem im 19. und 20 Jh. die Entwicklung zur Wissensgesellschaft v. a. in Frankreich noch offen als Profanation der Sprachnorm und Ursache des Sprachverfalls gedeutet wurde (cf. Kap. 3.3.6; 3.3.8). Dass es sich bei der Umdeutung des sozialen Wertes laienhaf-

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5 Diskussion der Ergebnisse und Ausblick

ter Wissensbestände und der Valorisierung der Sprecherperspektive um eine ideologische Hülle handelt, zeigen u. a. die abwertenden und verneinenden Positionen der französischen Sprachpflege in puncto Regional- und Minderheitensprachen (cf. Kap. 3.3.5) und der deutschen Sprachpflege im Bereich der Debatten um Vorschläge zur Realisierung einer geschlechtergerechten Sprache. Die auch außerhalb der Sprachpflege bestehende Dichotomie zwischen «Laien» und «Experten» in der öffentlichen und wissenschaftlichen Sprachendiskussion wurde darüber hinaus zum Anlass genommen, um die Laienlinguistik als epistemologisches Paradigma der Sprachwissenschaft in seiner Bedeutung als diskursives Spannungsfeld zwischen Sprachpflege und Sprachwissenschaft kritisch zu reflektieren. Dabei wurde versucht zu zeigen, dass dichotome Konzeptualisierungen der sprachlichen Realität angesichts der gesellschaftlichen Entgrenzung des Wissenstransfers, auch in sprachlichen Belangen, nicht mehr tragfähig sind und v. a. mit Blick auf eine Anwendung in der sprachlichen Praxis immer wieder hinterfragt werden müssen (cf. Kap. 3.3.7). Das auf einer sprachlichen und sozialen Dialektik beruhende «Skelett» ideologischer Metasprachdiskurse stellt auch die Stützstruktur der aktuellen Sprachpflegediskurse in Deutschland und Frankreich dar. Dies konnte im Rahmen einer exemplarischen diskurslinguistischen Analyse ausgewählter Zeitschriften und nutzergenerierter Kommentare der Online-Kommunikation belegt werden (cf. Kap. 4). Im Rahmen dieser Analyse ging es darum zu prüfen, ob Sprachpflegediskurse sich aufgrund ihres sprachlich-kulturellen und medialen Kontextes sowie aufgrund unterschiedlicher sozialer Rollen und Positionen unterscheiden. Dabei wurde die Annahme zugrunde gelegt, dass Sprachpflege durch das sprachideologische Programm diskursiver Autoritäten (Sprachpflegevereine) gesteuert («ideology brokerage»), von anderen Akteuren der sprachinteressierten Öffentlichkeit rezipiert und dann diskursiv weiterverarbeitet wird. In dieser spezifischen Rollenverteilung wird eine diskurseigene Verbindung zwischen Sprachideologien und Spracheinstellungen generiert. Die zentralen Ergebnisse dieser synchronen diskurskontrastiven Analyse (cf. Kap. 4.2–4.3), die topische Strukturen ermittelt, Metaphernbereiche zusammengefasst und lexikalische Einheiten morphologisch und semantisch-funktional interpretiert hat, seien in den folgenden Punkten nochmals resümierend diskutiert: In der «ideology brokerage» der ausgewählten Sprachpflegevereine (VDS, ALF) zeichnen sich starke inhaltliche und sprachliche Konvergenzen ab. Ähnlichkeiten in den topologischen Strukturen der Zeitschriften sind bisweilen sogar so stark ausgeprägt, dass sich für einzelne Topoi quantitativ ähnliche Rekurrenzen im Korpus abzeichnen (z. B. MEHRSPRACHIGKEITSSTOPOS, BILDUNGSTOPOS). Gerade im Bereich des ÖFFENTLICHKEITSTOPOS ist die inhaltliche und strukturelle Ausgestaltung der argumentativen Verfahren fast iden-

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titsch. Sprachspezifische Granulierungen der topischen Wissensrahmen können dabei vor dem Hintergrund der individuellen soziokulturellen Kontexte beider Metasprachdiskurse erklärt werden: Ausgehend von der francophonie und dem Ideal einer internationalen Sprechergemeinschaft wird der französische Metasprachdiskurs punktuell stärker von territorialen und konföderativen Konzepten gelenkt. Umgekehrt nimmt der GENDERTOPOS in den Publikationen des VDS eine fast ubiquitäre Position ein und schließt damit an die Medienprominenz der in Deutschland in fast allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens diskutierten Gleichberechtigung der Geschlechter an. Ein augenfälliger Unterschied besteht dabei nicht in der Beschränkung des GENDERTOPOS auf die deutsche Sprachpflege, sondern vielmehr im vollständigen Ausbleiben sprachkorpusbezogener Topoi im Journal d’ALF. Dies zeigt, dass der diskursive Einsatz von Sprachideologien in der französischen Sprachpflege in erster Linie auf eine Aufwertung des nationalen und internationalen Sprachstatus abzielt. Auf der Ebene der Metaphorik manifestieren sich sowohl Unterschiede als auch Gemeinsamkeiten in den Zeitschriften der diskurssteuernden Akteure. Der kognitive Zugriff auf den Zielbereich «Sprache» erfolgt in den Sprachnachrichten in erster Linie mittels organistischer und materieller Assoziationen. Beide Metaphernbereiche werden in argumentativer Hinsicht ambivalent eingesetzt: In einer rein anthropomorphisierenden Modellierung betonen Organismusmetaphern die Einzigartigkeit des deutschen Sprachwesens. In ihrer pathologisierenden Deutung unterstreichen sie hingegen die These einer sukzessiven Degenerierung des Sprachorganismus sowie den Rückgang sprachlicher Vitalität. Die «Gleichsetzung von Sprachentwicklung und Krankheit» beruht, wie Schmitt bereits am Beispiel der DLF nachgewiesen hat, auf der Lebenserfahrung der Sprecher, weshalb «[…] man von einem eindeutig interessenorientierten Einsatz […] sprechen [darf]» (1998, 224). Ebenso können substanzielle oder materielle Konzeptualisierungen von «Sprache», wie am Beispiel der Wassermetaphorik veranschaulicht wurde, sowohl mit einem Lob auf die «Tiefe» und «Unendlichkeit» die Ästhetik der deutschen Sprache betonen als auch ihre Bedrohung durch andere Sprachen artikulieren, wenn die «englische Sprache» als Zielbereich in den Fokus der Metaphorisierung rückt und mit Assoziationen unbeherrschbarer Wassermengen («Flut», «Schwemme») belegt wird. Im Journal d’ALF stellt die in der französischen Sprachpflege weitverbreitete Kriegsmetaphorik (cf. KleinZirbes 2001) nach wie vor ein starkes argumentatives Zentrum dar, um die fremdwortpuristische Ambivalenz sprachlicher Über- und Unterlegenheitsszenarien in Sprachkontaktsituationen mit dem Englischen zu demonstrieren. Organistische Modelle treten anders als im deutschen Korpus auch in einer biologistischen Modellierung auf, die zu einer Ethnisierung von Sprache in Form einer «sprachbasierten Rassentheorie» beiträgt. Allen Metaphernkonzepten ge-

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5 Diskussion der Ergebnisse und Ausblick

meinsam ist eine identitätskonstitutive Funktion, mit der Absicht, eine enge Bindung zwischen dem einzelnen Sprecher und seiner Muttersprache sowie dem Sprecherkollektiv und seiner Nationalsprache herzustellen. Sprachkontaktphänomene im Deutschen und Französischen werden von beiden Sprachpflegevereinen fast gänzlich auf die Rivalität mit dem Englischen reduziert. Eine Ausnahme stellt im deutschen Korpus die Thematisierung des Französischen im Saarland dar. Der ANGLIZISMENTOPOS bildet als dominanter und gegenstandsübergreifender Wissensrahmen das Fundament der topischen Architektur in beiden Zeitschriften. Somit setzen beide Vereine in ihrem sprachlichen Handeln die anglizismenkritische Tradition fort, die im französischen Metasprachdiskurs spätestens seit den 1960er Jahren zum sprachideologischen Leitmotiv avanciert ist und sich in Deutschland seit Ende der 1990er Jahre immer stärker etabliert. Diese radikal fremdwortpuristische Positionierung beider Sprachpflegeorganisationen schlägt sich markant in den lexikalischen Einheiten beider Diskurse nieder. An diesem Bereich lässt sich in methodischer Hinsicht belegen, dass die Analyse von Sprachideologien und Spracheinstellungen als epistemologischen Konstrukten von Metasprachdiskursen gerade in explorativen Studien nicht auf quantitative Verfahren der Textanalyse beschränkt werden sollte. Anhand des untersuchten Datenmaterials konnte gezeigt werden, dass nicht nur die Frequenz bestimmter Schlagwörter zur Verfestigung metasprachlicher Haltungen führt, sondern insbesondere aufwendige und saliente Wortbildungsverfahren das argumentative Potenzial lexikalischer Einheiten determinieren. In Kompositionen und Derivationen auf der Grundlage emotiv geprägter Formative werden metasprachliche Positionierungen zur Verfestigung puristischer Werturteile in kleinste sprachliche Bestandteile der intratextuellen Ebene verlagert. Im Rahmen weiterer gegenstandsübergreifender Argumentationsverfahren werden die Historizität und Kulturalität der deutschen und französischen Sprache betont. Insbesondere mit dem HISTORIZITÄTSTOPOS werden sprachgeschichtliche Meilensteine (Straßburger Eide, Edikt von Villers-Cotterêts, Dreißigjährige Krieg, Weimarer Klassik) immer wieder in das metasprachliche Wissen eingeschliffen, wobei die dominant zweckorientierte Absicht im Vordergrund steht, das Begriffsverständnis von Sprache zu festigen und Entwürfe kollektiver Sprachidentität als Gegengewicht zu sprachlicher Alterität zu konstruieren. Durch Verweise auf sprachliche und kulturelle Autoritäten (z. B. Vaugelas, Molière, Schiller, Goethe) wird das historische Erbe beider Sprachen valorisiert und als wesentlicher Bestandteil der nationalhistorischen Sprachbewusstseinsgeschichte stilisiert. Neben der aus dem Sprachvergleich hervorgehenden Symmetrie einer durch gleiche sprachideologische Denkmuster gelenkten Produktion sprach-

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pflegerischer Diskurse zeichnen sich bei der Diskursrezeption zunächst mit Blick auf die domänenspezifische Stratifizierung des Diskurses prägnante Unterschiede ab: Obwohl deutsche und französische Nutzer im alltäglichen Gebrauch digitaler Kommunikationsformen ein ähnliches Nutzungsprofil aufweisen (cf. Kap. 2.2.3), werden Social Media-Angebote wie Facebook nur in der deutschen Sprachpflege als überaus starke Multiplikatoren eingesetzt. Die französische Sprachpflege bleibt hingegen v. a. auf die Forenkommunikation beschränkt. Die Netzwerkbildung in virtuellen Kommunikationsräumen unterliegt folglich unterschiedlichen Bedürfnissen und Ansprüchen der Nutzer. Diese Differenzen in der Kommunikationskultur schlagen sich auch in der Art der kommunikativen Partizipation der Nutzer nieder, die in der französischen Forenkommunikation durch eine intensive Auseinandersetzung mit sprachlichen Themen und einen hohen Grad an Sprachreflexivität gekennzeichnet ist. Affektive Spracheinstellungskomponenten bleiben in diesen komplexen Positionierungsaktivitäten oft hinter narrativen Strukturen verborgen, wohingegen in der deutschen Facebook-Kommunikation affektive Urteile zu Sprache(n) und Sprechern schnell ein klar differenzierbares Einstellungsspektrum offenlegen. Die inhaltliche Aufteilung zwischen sprachstatus- und sprachkorpusbezogener Topik bleibt im digitalen Diskurs der deutschen Sprachpflege bestehen, wobei Fragen zur innersprachlichen Struktur und zum Sprachsystem des Deutschen deutlich präsenter sind als im Zeitschriftenkorpus. Gleiches gilt für die französische Forenkommunikation, in der die sprachkorpusbezogene Diskussion zwischen den Nutzern in einer ähnlichen inhaltlichen Struktur wie im Deutschen auftreten. Hier stellen Fragen zur Grammatik, zum Lexikon und zur Orthographie zentrale Schnittstellen des Sprachvergleichs dar. Die sprachstatusbezogene Topik wird in den großen Linien aus dem Agenda Setting der Sprachpflegevereine übernommen, die v. a. in der Facebook-Kommunikation des VDS als Gatekeeper dafür Sorge tragen, ihr sprachideologisches Regime in möglichst vielen Kommunikationskanälen thematisch und inhaltlich gleichzuschalten. Auffällig ist eine beiderseits bei sprachstatusbezogenen Fragen stärkere Granuliertheit der Topoi, wie im deutschen Teilkorpus am Beispiel des AMTSSPRACHENTOPOS und im französischen Teilkorpus am Beispiel des UNTERGANGSTOPOS illustriert wurde. Der ÖFFENTLICHKEITSTOPOS bleibt hingegen im digitalen Diskurs in seiner argumentativen Struktur in beiden Sprachen unverändert. Insgesamt ist zu beobachten, dass Spracheinstellungsäußerungen nicht in allen topologischen Feldern auftreten, sondern insbesondere in solchen, die durch den medialen Diskurs bereits vorgeprägt sind. Spracheinstellungen manifestieren sich vorwiegend in der Wiederaufnahme oder der Übertragung bereits bei den Sprechern bestehender epistemologischer Konstrukte auf bestimmte sprachliche Sachverhalte. Dies zeigt sich in der deutschen Facebook-Kommuni-

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kation besonders deutlich im Rahmen des MEHRSPRACHIGKEITSTOPOS, in dem eine Divergenz zwischen dominant positiven Werturteilen zu Dialekten und Mundarten und dominant negativen Haltungsäußerungen zu sprachpolitischen Initiativen wie der saarländischen Frankreichstrategie besteht. Die in der spontanen Dialogizität der Netzwerkkommunikation oftmals reflexartige und größtenteils unbegründete Ablehnung «fremder» Sprachen – wie des Französischen als lingua franca im Saarland – zeigt, dass puristische Spracheinstellungen als conditio sine qua non der Wertschätzung der «eigenen» Sprache erlernt und durch Sprachpflege habitualisiert sind. Ähnliche Annahmen können, ebenfalls anhand der Äußerungen im Facebook-Netzwerk des VDS, für Haltungsäußerungen im Rahmen des GENDERTOPOS getroffen werden: Hier zeigt die Denaturalisierung geschlechtersensibler Sprachvarianten durch affektive und parodistische Formen der Wortbildung, dass Abweichungen vom Sprachgebrauch in den Bewertungsprozessen der Sprecher stets mit eigenen sprachlichen Identitätsentwürfen konfrontiert werden und das Abweichen von der sprachlichen Norm als Mangel an Authentizität empfunden wird. Je stärker die Diskrepanz zwischen der metasprachlichen Konzeptualisierung eines sprachlichen Phänomens und der identitätsbezogenen Selbstwahrnehmung beim Sprecher ist, desto stärker werden Spracheinstellungen affektiv zum Ausdruck gebracht. In der französischen Forendiskussion sind derartige stimulierte und reaktive Spracheinstellungsbekundungen aufgrund der Kommunikationsform weniger stark ausgeprägt. In Kongruenz zur deutschen Netzwerk-Kommunikation treten sie jedoch auch bei bereits im öffentlichen Diskurs eingeprägten Themen auf, wie z. B. der Feminisierung von Berufsbezeichnungen. Neben einem ebenfalls erkennbaren Bezug zwischen ablehnenden Haltungen und sozialen Typisierungen sind die Spracheinstellungen der französischen Sprecher bei dieser Frage in einzelnen Beispielen durch ein metaphysisches Sprachnormenverständnis geprägt, durch das Änderungen der Sprache aufgrund ihrer natürlichen Beschaffenheit kategorisch ausgeschlossen werden. Analog zum Zeitschriftenkorpus bleibt der ANGLIZISMENTOPOS in beiden digitalen Räumen das agonale Zentrum deutscher und französischer Sprachpflege und unterliegt dabei dominant negativen Spracheinstellungsmustern. Wie in den anderen Topoi treten auch hier vereinzelt positive Haltungen und komplexere sprachreflexive Äußerungen auf, in denen die Sprecher zwischen verschiedenen Positionen abwägen und sprachliche Phänomene durchaus differenziert betrachten. Dennoch unterstreicht die quantitative Dominanz negativer Werturteile zum Englischen einen eindeutig fremdwortpuristischen Trend der deutschen und französischen Sprachpflege in verschiedenen medialen Räumen, sodass Spracheinstellungen als epistemologische Konstrukte hier als weitestgehend stabil eingeordnet werden können.

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Diese Stabilität spiegelt sich analog zur «ideology brokerage» in der Übernahme einschlägiger Metaphernbereiche aus dem Diskurs der Sprachpflegeorganisationen wider, die von den Sprechern in ihren Einstellungsbekundungen recycelt werden. Organistische Modelle von Sprache bleiben in der FacebookKommunikation als dominanter metaphorischer Bereich bestehen. Aus der bereits in den Sprachnachrichten bestehenden Krankheitsmetaphorik werden neue Metaphernbereiche abgeleitet, die vom körperlichen auf den geistigen Bereich ausgedehnt werden. Anglizismen und gendergerechter Sprachgebrauch werden zu Symptomen physischer «Verstümmelung» und geistigen «Schwachsinns» degradiert oder als Anzeichen einer rückläufigen menschlichen Evolution gewertet. In der französischen Forendiskussion zeichnen sich ähnliche metaphorische Sprachgebrauchsmuster ab. Die omnipräsente Kriegsmetaphorik bleibt in ihrer kognitiven Strukturierung weitestgehend unberührt und Organismusmetaphern dienen, wie in der deutschen Facebook-Diskussion, als Basis krankheitsmetaphorischer Konzepte, werden aber auch auf pflanzliche Bildspendebereiche ausgeweitet. Mit dem Metaphernbereich SPRACHE ALS PFLANZE werden ursprungsmetaphorische Konzepte des französischen Sprachbereicherungsdiskurses im 16. Jh. recycelt (cf. Kap. 3.3.3), die bereits bei Du Bellay oder Ronsard zur Fundierung der französischen Vernakularsprache in Abgrenzung vom Lateinischen eingesetzt wurden. Summa summarum kann also festgehalten werden, dass sich in der deutschen und französischen Sprache ein dominant fremdwortpuristischer Trend fortsetzt, der sprachideologisch von bestimmten Sprachpflegeorganisationen gesteuert wird. Die sozialen Medien und digitalen Kommunikationsformen haben zu einer Ausweitung dieses puristischen Regimes auf virtuelle Domänen und Nischen der öffentlichen Kommunikation geführt. Fest steht auch, dass die sprachinteressierte Öffentlichkeit die digitalen Kommunikationsangebote der «ideology brokers» in Anspruch nimmt, wobei kulturelle Unterschiede im Nutzungsverhalten der deutschen und französischen Rezipienten bestehen. Die französische Sprachpflege scheint dabei aufgrund ihrer Einbindung in die Sprachpolitik des französischen Staates einer eigenen Strukturierung und Zuständigkeitsverteilung zu unterliegen, was sich auch im Kommunikationsangebot der einzelnen Organisationen widerspiegelt. Innerhalb der deutschen Sprachpflege hat der VDS eine Vorreiterposition eingenommen, und das starke Interesse der Sprecher an seinen Themen und Positionen manifestiert sich auf den verschiedenen Ebenen einer reichhaltigen Öffentlichkeitsarbeit, deren Radius die kommunikative Reichweite des ALF, zumindest in den betrachteten medialen Kontexten, weit übersteigt. Die ermittelten Gemeinsamkeiten und Unterschiede in den Diskursen zeigen, dass vergleichsorientierte Auseinandersetzungen mit dem Gegenstand «Sprachpflege» den Blick auf

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sprachspezifische Phänomene klären und relativieren können, aber ebenso den sprachlich-kulturellen Kontext nicht vernachlässigen dürfen. Vorliegende Untersuchungen haben versucht, diesem Anspruch gerecht zu werden und zu verdeutlichen, dass Diskurse «[…] samt den entsprechenden Schlagwörtern, Metaphern, Topoi von der Globalisierung nicht unberührt [bleiben]: Sie leben in jeweils neuen (nationalen, sprachlichen) Kontexten fort, werden weiter moduliert, interferieren, überlagern und beeinflussen einander, sodass z. B. Analysen zu einem bestimmten diskursiven Brennpunkt, der sprachliche und nationale Grenzen sprengt […] ohne einen Blick auf das jeweils anvisierte sprachkulturelle Umfeld unvollständig bleiben müssen» (Rocco/Schafroth 2019b, 9).

Gerade mit Blick auf die Globalisierung lässt sich auch erklären, dass der Fremdwortpurismus als dominante Sprachideologie der Sprachendiskussion des 21. Jhs. ein Synonym anglizismenkritischer und -feindlicher Spracheinstellungen bleibt, die sich als roter Faden durch den deutschen und französischen Sprachpflegediskurs ziehen. Diese Tendenz mag gerade angesichts des diskursgeschichtlichen Fundaments der Sprachpflege nicht überraschen und auch ein Grund dafür sein, warum Sprachpflege in Deutschland und Frankreich früher wie heute nicht selten in die ideologische Nähe des rechtspopulistischen und auch rechtsextremistischen Gesinnungsspektrums rutscht(e). Wie gezeigt wurde, spielen innerhalb dieser Verbindung von Sprachpflege und rechtspopulistischer Politik heute v. a. einzelne Akteure eine zentrale Rolle bei der Nischenbesetzung digitaler Sprachräume. Virulent erscheinen in diesem Bereich in jüngster Zeit v. a. in Deutschland verstärkt auftretende Verbindungen zwischen Sprachpflegediskurs und politisch rechtsgerichtetem Diskurs. Zu dem von der UNESCO ins Leben gerufenen «Internationalen Tag der Muttersprache» am 21. Februar bezog die AfD 2018 wie folgt Stellung: «Zum Internationalen Tag der Muttersprache, der jährlich am 21. Februar stattfindet, betont der AfD-Bundestagsabgeordnete Martin Sichert (Bayern) die besondere Bedeutung der Muttersprache: ‹Sprache eint die Individuen einer Gruppe zu einer Gemeinschaft. Muttersprache ist die Sprache des kulturellen Erbes.› Daher müsse in Deutschland verstärkt Wert auf Vermittlung und Schutz der deutschen Sprache und der Dialekte gelegt werden. Es könne nicht sein, dass immer wieder gefordert werde, die Deutschpflicht auf Schulhöfen abzuschaffen, wie dies in der Vergangenheit etwa vom Deutsch-Türkischen Bund Berlin-Brandenburg gefordert wurde. Martin Sichert: ‹Wer Integration will, muss die Sprache der Menschen sprechen, in deren Gesellschaft er sich integrieren will. In Deutschland ist das ganz klar: Deutsch!› Auch Anglizismen, die besonders in der Werbung zum Einsatz kommen, oder das Verbot von Dialekten an einzelnen Schulen in Bayern, wertet Sichert als Warnzeichen für eine Gesellschaft ohne Werte: ‹Sprache vermittelt Werte. Wer die Muttersprache schwächt, schwächt auch die Werte einer Gesellschaft» (AfD kompakt 21. 02. 2218, o. S.).

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Dass als Grundlage des «Internationalen Tags der Muttersprache» von der UNESCO im gleichen Jahr auch das 70-jährige Bestehen der Internationalen Erklärung der Menschenrechte gefeiert wurde, die sich in Artikel 2 gegen die Diskriminierung auf der Grundlage von Sprachen richtet, unterstreicht, dass die rechtpopulistische Politik Forderungen sprachlicher Gleichberechtigung und Diversität ideologisch korrumpiert und dabei an Positionen der anglizismenfeindlichen Sprachpflege anknüpft. Ebenso auffällig ist in diesem Zusammenhang, dass der Internationale Tag der Muttersprache im gleichen Jahr von der OIF als Partner vertreten wurde, die ihre Forderungen zum Schutz sprachlicher und kultureller Diversität immer noch mit einer dominant frankozentrischen Sprachpolitik vertritt (cf. UNESCO 2018). Forschungsarbeiten, die diese Verbindungen zwischen bestimmten politischen Lagern, Sprachpolitik und Sprachpflege nähergehend analysieren, sind zweifelsohne für ein tiefergehendes Verständnis öffentlicher Metasprachdiskurse gewinnbringend. Theoretische und methodische Anknüpfungspunkte bestehen hier im Rahmen einer (kritischen) kontrastiven Diskurslinguistik, die auf den Zusammenhang von Sprache und gesellschaftlichen, sprachlichen und sprachpolitischen Machtverhältnissen in unterschiedlichen Konstellationen abheben könnte. Als unverzichtbar erweisen sich vor dem Hintergrund dieser Desiderate auch zukünftig intensive Auseinandersetzungen mit der Sprecherperspektive. Anhand der anteiligen Untersuchung metasprachlicher Einstellungen hat die vorliegende Arbeit versucht zu zeigen, wie nicht nur Spracheinstellungen, sondern auch andere soziale Einstellungen in Metasprachdiskursen zum Ausdruck kommen, zu Multiplikatoren dominanter Sprachideologien werden, aber auch Ansatz sind, um mit den Sprechern in eine Diskussion zu treten. Die Distanz der (romanistischen) Linguistik zu dieser öffentlichen Diskussion scheint – nicht im Interesse der Sprachpflege, sondern im Interesse des eigenen Fachs – gerade mit Blick auf den renationalisierenden Trend von Metasprachdiskursen überdenkenswert. Die weitere theoretische und methodische Fundierung einer qualitativ-diskursanalytischen Spracheinstellungsforschung im Rahmen einer angewandten (romanistischen) Linguistik erscheint in diesem Zusammenhang gewinnbringend. Darüber hinaus wurde am Beispiel der Sprachpflege gezeigt, dass sich öffentliche Diskursdomänen auf digitale Kommunikationsbereiche verlagern, wo sie sich in einer unüberschaubaren Zahl an Netzwerken und Kommunikationsformen multiplizieren, wobei sich diese Herausforderung in sprachvergleichenden Untersuchungen nochmals entsprechend potenziert. Gerade im Bereich der Internet-Kommunikation erfordert die Schnelllebigkeit und Fülle metasprachlicher Daten eine regelmäßige und systematische Aufarbeitung und Analyse seitens der Sprachwissenschaft. Bei Forschungsfragen, die nicht nur anhand

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sprachlich, sondern auch kommunikativ heterogener Korpora diskutiert werden, stellt das methodenbewusste Arbeiten einen dynamischen Schwerpunkt linguistischer Analysen dar, um digitale Datentypen adäquat zu sichern, aufzubereiten und zu verarbeiten sowie großen Datenmengen beizukommen. Mit computerbasierten Analyseprogrammen wie z. B. MAXQDA können kleinere und größere Studien systematisch aufbereitet werden und den (diskurs-)linguistischen Forschungsprozess unterstützend begleiten. Dabei ist auch eine kontinuierliche Auseinandersetzung mit den Analyseprogrammen erforderlich, die ständig neue Optionen der Datensammlung und -verarbeitung generieren. So besteht in der aktuellen Version von MAXQDA auch die Möglichkeit, Twitterund Youtube-Daten direkt in die Software einzuspeisen, was den zeitlichen Aufwand der Datenspeicherung, der auch in dieser Arbeit eine Herausforderung war, maßgeblich entzerren kann. Mit Blick auf eine tiefergehende Verankerung und forschungsgegenstandsangemessene Reflexion eines allgemeinen Methodenbewusstseins erscheint eine grundlegende interdisziplinäre Erweiterung (romanistischer) linguistischer Forschung um Erkenntnisse der empirischen Sozialforschung hilfreich. Mit dieser Zusammenfassung seien am Beispiel der Sprachpflege als traditionellem Gegenstand der Linguistik Antworten und Perspektiven aufgezeigt, warum Metasprachdiskurse – auch mit Blick auf «die Wiederkehr der Angst- und Panikmache» (Spiegel, 25. 11. 2019), die von ihnen ausgehen kann – weiterhin im Zentrum sprachwissenschaftlicher Forschung stehen sollten.

6 Literaturverzeichnis 6.1 Korpus und konsultierte Primärdaten 6.1.1 Historische Daten Adelung, Johann Christoph, Über die Geschichte der Deutschen Sprache, über Deutsche Mundarten und Deutsche Sprachlehre, Leipzig, Breitkopf, 1781. Bouhours, Dominique, Les entretiens d’Ariste et d’Eugène, Amsterdam, Le Jeune, 1671. Brugger, Josef D. K, Fremdwörterbuch für das deutsche Volk mit 14000 Fremdwörtern, Heidelberg, Bangel und Schmitt, 1855. De Seyssel, Claude, Les Histoires universelles de Trogue Pompee, abbregees par Justin Historien, Paris, Vascosan, 1559, http://www.bvh.univ-tours.fr/Consult/index.asp? numfiche=156. [letzter Zugriff: 21. 12. 2020] Deschanel, Émile, Les déformations de la langue française, Paris, Calmann Lévy, 21898. De Tory, Geoffroy, Champ fleury: au quel est contenu lart & science de la deue & vraye proportion des lettres attiques, quon dit autrement lettres antiques, & vulgairement lettres romaines proportionnees selon le corps & visage humain, Paris, Tory & Gourmand, 1529. Dolet, Etienne, La manière de bien traduire d’une langue en autre: d’avantage de la Punctuation de la Langue Françoyse, Lyon, Dolet, Nachdruck 1540. Du Bellay, Joachim, La Défense et Illustration de la Langue Française, ed. Séché, Paris, Sansot, 1905. Dubois, Jacques, Iacobi Sylvii Ambiani in Linguam gallicam Isagoge, 1531 (Nachdruck Genf, Slatkine Reprints, 1971). Eichler, Richard W., Glanz und Elend der deutschen Sprache, Seesen, Bund für deutsche Schrift und Sprache, 22010. Engel, Eduard, Sprich Deutsch! Ein Buch zur Entwelschung, Leipzig, Hesse und Becker, 21917. Estienne, Robert, Traicté de la grammaire françoise, ed. Demaizière, Paris, Champion, 2004. Fontanon, Antoine, Les Édicts et Ordonnances des Rois de France depuis Louys VI, dit le Gros, jusques à présent, ed. Michel de la Rochemaillet, vol. 1, Paris, 21611. JLF = Journal de la langue française, soit exacte, soit ornée, Paris, Knapen fils/Urbain Domergue, 1784–1794, https://gallica.bnf.fr/ark:/12148/cb34361126w/date&rk= 21459;2. [letzter Zugriff: 21. 12. 2020] Kolbe, Karl Wilhelm, Über Wortmengerei. Anhang zur Schrift: Über den Wortreichtum der deutschen und französischen Sprache, Leipzig, Reclam, 21812. LCV = Le Courrier de Vaugelas. Journal bi-mensuel consacré à la propagation universelle de la langue française, Paris, Éman Martin, https://gallica.bnf.fr/ark:/12148/cb327508332/ date.r=. [letzter Zugriff: 21.12.20] Leibniz, Gottfried Wilhelm, Unvorgreiffliche Gedancken, betreffend die Ausübung und Verbesserung der Teutschen Sprache, ed. Pietsch, Berlin, Verlag des Allgemeinen Deutschen Sprachvereins, 1908, [= Wissenschaftliche Beihefte zur Zeitschrift des Allgemeinen Deutschen Sprachvereins 30, 327–356] Lemaire de Belges, Jean, Les Illustrations de Gaule et singularitez de Troye, par maistre Jean Le Maire de Belges, avec la Couronne margaritique et plusieurs autres œuvres de luy, ed. Du Moulin, Lyon, De Tournes, 1549. https://doi.org/10.1515/9783110723915-006

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6.1.2 Aktuelle Daten Mit einem Asterisken (*) versehene Online-Beiträge waren bereits vor dem Einreichen der Dissertationsschrift nicht mehr verfügbar.

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Lobin, Henning

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13. 11. 2019

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Datum

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Zugriff

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08/2018

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Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Abbildung 2: Abbildung 3: Abbildung 4: Abbildung 5: Abbildung 6: Abbildung 7: Abbildung 8: Abbildung 9: Abbildung 10: Abbildung 11: Abbildung 12: Abbildung 13: Abbildung 14: Abbildung 15: Abbildung 16: Abbildung 17: Abbildung 18: Abbildung 19: Abbildung 20: Abbildung 21: Abbildung 22: Abbildung 23: Abbildung 24: Abbildung 25: Abbildung 26: Abbildung 27: Abbildung 28: Abbildung 29: Abbildung 30: Abbildung 31:

Ebenen und Interaktionssysteme von Öffentlichkeit (eigene Darstellung nach Jarren/Donges 2006, 105) 33 Öffentlichkeit als Diskurssystem moderner Mediengesellschaften 81 Ausstattungsgrad privater Haushalte mit PC und Internetanschluss (Angaben in %, eigene Darstellung nach Behrends et al. 2016, 161) 84 Anzahl französischer Internetnutzer (Alter 15 Jahre und älter, Angaben in Prozent, eigene Darstellung nach Mordier 2017) 85 Internetaktivitäten in Frankreich 2007 und 2012 (Alter 15 Jahre und älter, Angaben in Prozent, eigene Darstellung nach Gombault 2013, 3) 87 Diskursvertikalität zwischen Experten- und Laienöffentlichkeit 113 «Metasprachliche Öffentlichkeit» als multireziproker Diskursraum 115 Integratives Modell (meta-)sprachlicher Handlungsschemata (erweitert nach Janich 2004) 148 Frame SPRACHNATION in der Gramática de la lengua castellana (1492) 239 Sprachideologien und Spracheinstellungen als interdiskursive Schnittstelle 258 Sprachpflege als repräsentatives Diskursmodell (17. Jh.) 307 Der puristische Metasprachdiskurs als «Schweigespirale» (17. Jh.) 311 Kontinuität und Umbruch im Metasprachdiskurs der Revolution (Spiegelmodell) 337 Multidimensionales Modell metasprachlicher Äußerungen nach Osthus (2018) 387 Laienlinguistik als diskursives Spannungsfeld 389 Stance-Dreieck nach du Bois (2007, adaptiert nach Spieß 2018a und 466 Spitzmüller 2013) Erweitertes Stance-Dreieck nach Spieß (2018a) 468 Metapragmatische Positionierung nach Spitzmüller (2013) 470 Verteilung sprachstatus- und sprachkorpusbezogener Topoi (Zeitschriftenkorpus) 505 Verteilungsausschnitt der am häufigsten auftretenden Topoi (Sprachstatus) 507 Internationalitätstopos: Unterkategorien und Verteilung 508 Bürgerschaftstopos: Unterkategorien und Verteilung (ALF) 511 Öffentlichkeitstopos: Unterkategorien und Verteilung 519 Elitentopos: Unterkategorien und Verteilung (VDS) 523 Sprachkorpusbezogene Topoi (VDS) 527 534 Gegenstandsübergreifende Topoi (Zeitschriftenkorpus) Metaphernbereiche (VDS) 546 547 Metaphernbereiche (ALF) Verteilung sprachstatus- und sprachkorpusbezogener Topoi (OnlineKorpus, D) 562 Sprachstatusbezogene Topoi: Unterkategorien und Verteilung (OnlineKorpus, D) 563 Amtssprachentopos: Unterkategorien und Verteilung 564

https://doi.org/10.1515/9783110723915-007

698

Abbildungsverzeichnis

565 Gerichtssprache Englisch: Spracheinstellungen Arbeitssprache Englisch (EU): Spracheinstellungen 570 Bildungstopos: Unterkategorien und Verteilung 572 Wissenschaftssprache Englisch: Spracheinstellungen 573 Mehrsprachigkeitstopos: Unterkategorien und Verteilung 578 Dialekte und Mundarten: Spracheinstellungen 580 Öffentlichkeitstopos: Unterkategorien und Verteilung 583 Elitentopos: Unterkategorien und Verteilung 585 Elite (Politik): Spracheinstellungen 586 Anglizismen: Spracheinstellungen (Online-Korpus, D) 588 Verteilung sprachkorpusbezogener Topoi (Online-Korpus, D) 589 Lexikon: Unterkategorien und Verteilung 590 Politisch korrekte Sprache: Spracheinstellungen 591 Grammatik: Unterkategorien und Verteilung 593 Geschlechtergerechte Sprache: Spracheinstellungen 594 Metaphernbereiche (Online-Korpus, D) 597 Verteilung sprachstatus- und sprachkorpusbezogener Topoi (OnlineKorpus, F) 603 Abbildung 49: Sprachstatusbezogene Topoi: Unterkategorien und Verteilung (OnlineKorpus, F) 605 Abbildung 50: Öffentlichkeitstopos: Unterkategorien und Verteilung 605 Abbildung 51: Untergangstopos: Unterkategorien und Verteilung 609 Abbildung 52: Spracheinstellungen: Anglizismen (Online-Korpus, F) 612 Abbildung 53: Sprachkorpusbezogene Topoi: Unterkategorien und Verteilung (OnlineKorpus, F) 614 Abbildung 54: Feminisierung: Spracheinstellungen 615 Abbildung 55: Metaphernbereiche (Online-Korpus, F) 618

Abbildung 32: Abbildung 33: Abbildung 34: Abbildung 35: Abbildung 36: Abbildung 37: Abbildung 38: Abbildung 39: Abbildung 40: Abbildung 41: Abbildung 42: Abbildung 43: Abbildung 44: Abbildung 45: Abbildung 46: Abbildung 47: Abbildung 48:

Tabellenverzeichnis Tabelle 1: Tabelle 2: Tabelle 3: Tabelle 4: Tabelle 5: Tabelle 6: Tabelle 7: Tabelle 8: Tabelle 9: Tabelle 10: Tabelle 11:

Normative Öffentlichkeitsmodelle (adaptiert nach Marx Ferree et al. 2002) 29 Une ambition pour la langue française (Twitter Emmanuel Macron) 62 Une ambition pour la langue française (Twitter OIF) 65 Internetaktivitäten in Deutschland 2015 (Alter: 10 Jahre und älter, eigene Darstellung nach Deckl 2016, 162) 86 Nutzungsaktivitäten des mobilen Internets in Frankreich (Angaben in Prozent, eigene Darstellung, gekürzt und adaptiert nach Gombault 2013, 4) 88 Tätigkeitsverteilung bei der Internetnutzung in Deutschland (2011, eigene und gekürzte Darstellung nach Czajka/Jechová 2012, 422) 89 Nutzung von Social Media-Anwendungen (2015, eigene und abgeänderte Darstellung nach Tippelt/Kupferschmitt 2015, 443) 100 Kollokate von ‹langue› (Auswahl) 320 Deutsche und französische Sprachpflegevereine in sozialen Netzwerken: Präsenz und Reichweite (Stand: 02. 12. 2019) 417 DIMEAN als Schablone für Sprachpflegediskurse: Ebenen, Kategorien und Filter (adaptiert nach Spitzmüller/Warnke 2011, 201) 453 Kollokate der Schlüsselwörter ‹solidarité› und ‹souveraineté› 513

https://doi.org/10.1515/9783110723915-008

Sachindex Académie française 123, 129, 225, 261, 308, 310, 323, 324, 353, 363, 376, 405 Akademien 122, 123, 125 Akteur 32, 68, 448, 454 Alamode-Wesen 127, 129, 166 Anglizismus 180, 189, 192, 285, 532 Association Francophone d’Amitié et de Liaison 413, 415 Avenir de la Langue Française 95, 185, 313, 359, 428, 506, 547 Barbarismus 274, 367 bon usage 247, 277, 295, 297, 355, 364, 368 Bund für deutsche Schrift und Sprache 172 Charta der Regional- oder Minderheitensprachen 312, 313, 342, 344, 410, 424 clarté 278, 282, 411 community of practice 44, 45, 99, 460, 560 crise du français 376, 377, 378 Défense de la langue française 197, 411, 619 Délégation générale à la langue française et aux langues de France 405 Demokratisierung 9, 46, 51, 434, 538 Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung 168 Deutsche Sprachwelt 93, 177, 179 Dialekte 153, 185, 228, 278, 361, 577 Digitalisierung 40, 376 DIMEAN 448, 453 Diskurs 28, 443, 444, 445, 447 Diskursanalyse 451 – handlungsorientierte 136, 137, 145, 443 – kritische 47, 447 – nach Foucault 28, 444, 457 – politische 27 – und Transsemiotizität 463 diskursive Rollen 34, 36, 38, 68, 103, 225, 295, 372, 448, 469, 510 Diskurslinguistik 444, 445, 446, 456, 486 – sprachvergleichende 2, 82, 218, 229, 235, 292, 484 Diskursmodelle 25, 27, 29 https://doi.org/10.1515/9783110723915-009

Diskursraum 114, 198, 404, 444, 497 Diskursrezeption 560, 629 Diskurssteuerung siehe Regime Diskurssystem 33, 73, 80, 104 Diskursvertikalität 113, 307, 340, 449, 522, 625

Elite 29, 30, 52, 187, 200, 224, 246, 248, 255, 299, 306, 309, 328, 397, 398, 425, 504, 508, 518, 520 Englisch 169, 172, 175, 177, 179, 185, 232, 270, 291, 319, 322, 377, 398, 399, 412, 428, 435, 506, 535, 564, 565, 606, 627 exception française 214, 218, 279, 296, 321, 405, 435, 542 Experte 29, 30, 36, 38

Feminisierung siehe geschlechtergerechte Sprache Folk Linguistics 376, 382, 384 Formationssystem 68, 388, 446, 504 Forum Francophone des Affaires 417, 418 Fremdsprachenpurismus 153, 217 Fremdwortpurismus 150, 152, 155, 158, 164, 167, 424, 632

génie de la langue 283, 286, 436, 511, 612 geschlechtergerechte Sprache 77, 95, 213, 325, 420, 527, 594, 615 Gesellschaft für deutsche Sprache 76, 167, 393 Gouvernementalität 446, 624 Grammatikographie 128, 231, 234, 240, 244, 246, 364, 377, 404

Habitus 224, 310, 409, 461

ideology brokers 422, 423, 449 504 Indexikalität 226, 460, 464 Institut für Deutsche Sprache 141, 170

702

Sachindex

Kommunikationsarena 35, 198, 205, 212, 306, 392 Kommunikationsformen 29, 41, 44, 89, 103, 308, 449, 498 Korpusplanung 135, 403, 406 Kulturpatriotismus 136, 154, 329 Laie 38, 371, 373, 374, 376, 379, 441 Laie-Experte-Dichotomie 14, 27, 41, 48, 77, 105, 112, 169, 240, 371, 375, 385, 391 Laienlinguistik 50, 112, 117, 205, 373 Laienöffentlichkeit 30, 50, 113, 697 Lexik 193, 489 Lexikographie 128, 132, 158, 160, 324, 363, 401 linguistique du discours 451 linguistique populaire 375, 384 Massenmedien 19, 23, 32, 35, 42, 46, 59, 399, 404, 438 Materialität 436, 459 MAXQDA 490, 503 Medialität 59, 387, 449 Metaphorik 183, 235, 257, 269, 289, 300, 318, 413, 482, 545, 597, 618 Metapragmatik 470, 476 Metasprachdiskurse 23, 32, 34, 39, 44, 45, 47, 52, 61, 74, 78, 79, 80, 104, 107, 112, 117, 145, 443, 446 Metasprache 107, 108, 111, 136, 383, 387, 443, 467, 476 Mixed Methods 482, 501 Multimodalität 436 naïveté 283, 286, 293, 323, 351, 356 Nationalsprache 132, 152, 226, 257, 318, 327, 360, 405, 430 Neopurismus 198 Neue Fruchtbringende Gesellschaft 183 Neue Medien 40 öffentliche Meinung 17, 21, 27, 31, 104, 309 Öffentlichkeit 10, 20, 22, 104 – bürgerliche 14 – demokratische 25 – digitale 40, 41, 73, 492 – Ebenen von 32

– Funktionen 24 – intermediäre 31 – metasprachliche 78, 114 – Modelle von 29, 115, 305, 337 – moderne 20 – politische 17 – repräsentative 12 – sprachpflegerische 39, 43, 103 Organisation Internationale de la Francophonie 59, 61, 415, 431 Orthographie 128, 132, 242, 346, 364, 401, 424, 426, 523, 530, 532 Pegnesischer Blumenorden 182 Popularisierung 112, 364, 379, 434 Positionierung 73, 114, 137, 226, 444, 455 postlinguistique 375 Prager Linguistik 137 Praktiken 41, 104, 137, 227, 273, 443, 454, 458 Publikum 3, 14, 20, 26, 32, 35, 38, 42, 73, 80, 94, 167, 308, 394, 454, 493 purisme (linguistique) 222, 245, 246, 280, 366, 376, 421 qualitative und quantitative Analysmethoden siehe Mixed Methods Regime 117, 137, 227, 422, 437, 444, 451, 477 Regionalsprachen 151, 185, 313, 317, 330, 332, 333, 346, 553 Schweigespirale 308, 311, 386 Sequential Exploratory Design 502 Social Media siehe Soziale Medien Soziale Medien 36, 91, 168, 418, 492, 497, 629 soziale Registrierung siehe Registrierung Spracharbeit 133 Sprachbereicherungsdiskurs 243, 273, 275, 631 Sprachbewusstsein 140, 229, 434 Sprachchroniken 365, 373 Spracheinstellung 82, 92, 117, 137, 147, 148, 150, 216, 218, 257, 383, 387, 389, 443, 444, 456, 466, 471, 479, 480, 481, 565, 612

Sachindex

Sprachenpolitik 74, 405 Sprachgebrauchsmuster 148, 341, 459, 471 Sprachgeschichte – Aufklärung 127, 130, 328, 330, 333 – Barock 123, 127, 154, 156 – Fin-de-siècle 365 – Französische Revolution 156, 312, 313, 328, 329, 333 – Frühe Neuzeit 228 – Humanismus 257, 339 – Mittelalter 218 – Nachkriegszeit 164 – Nationalsozialismus 162 – siècle classique 305, 310, 328, 340 – Sozietätswesen 124, 129, 323 Sprachgesellschaften 120, 125, 128 – barocke 123, 128, 130, 134 Sprachgesetzgebung 21, 187, 206, 207, 219, 231, 252, 262, 264, 314, 332, 333, 342, 360, 378, 402, 406, 410, 430, 432, 515 Sprachhandlungsschemata 146, 338, 346, 387, 443 Sprachideologie 45, 74, 79, 117, 137, 147, 149, 216, 218, 227, 257, 367, 388, 389, 443, 444, 450, 456, 460, 466, 471, 473 Sprachkritik 107, 109, 111, 115, 131 – antike 123, 274 Sprachkultur 137, 138 sprachliches Handeln 68, 73, 145, 148, 376, 388, 399, 447, 455, 456, 476, 479 Sprachloyalität 154 Sprachnationalismus 156, 161, 172, 259, 329, 359 Sprachnorm 143, 228, 246, 249, 263, 281, 296, 297, 299, 353, 362, 365, 378, 400 Sprachpatriotismus 155 Sprachpflege 47, 72, 80, 104, 108, 131, 133, 138, 402

703

Sprachphilosophie 107, 121 Sprachplanung 402 Sprachpolitik 102, 109, 403 Sprachpurismus 133, 137, 149, 151, 159, 160, 161, 164, 169, 213 Sprachreflexion 120, 134 Sprachverfall 359, 364, 368, 375, 401, 440 Sprachwissenschaft 79, 107, 110, 113, 116, 119, 379, 390, 393, 397, 441, 522 stancetaking siehe Positionierung Standardsprache 120, 127, 138, 152, 156, 229, 277, 302, 323, 528, 579, 580 Statusplanung 403, 418, 431 Stiftung Deutsche Sprache 196 Straße der deutschen Sprache 184 Strukturwandel – digitaler 82 – gesellschaftlicher 13 – postmassenmedialer 20 subjectivation siehe Positionierung Topik 174, 272, 469, 482, 483, 505, 530, 604 universalité 329, 510 Vektoren 114, 117, 147, 444, 482 Verein Deutsche Sprache 98, 171, 185, 506, 546 Verein für deutsche Rechtschreibung und Sprachpflege 175 Verein Muttersprache 170, 171 Volk 12, 18, 174, 518, 519, 583, 608 Volkslinguistik 380 Wissen 9, 28, 39, 44, 46, 52, 54, 55, 58, 92, 114, 239, 371, 375, 379, 382 Wissenstransfer 48, 51, 54, 55, 57, 59, 60, 79, 92, 324, 327